E | En 4 = a sr ah j N hier ; Ne], er A w) # ni tm, EN «“ ' m | WR Mi ri ee u” Tr ER u umdd BORr, = ki et“ en wu 2 ae ni Ar! Bun pen \ PR 1 02 wo 1 u PER Ra: 0 0 ni Me Auer wir EZ . r er u "ng . uch ’ 0 Ne Pr “ ss nf f j i t B) j 4 w 5 a . I 4 ; £ ö r yr \ Ne 17; Y TE IW a U Men en Be ' Mn E BT N a By bad Sao Al u /, al. & se - = a AR 2 ba PrrE in bl Gehen u Dr, a Te [SRRRe y Fi wo a ri ne ee r Ralc RR ß ee ei niet, ER j Er 2 gi . 5 4 Pe \ i 2 yon 2. a ur nn io Pr rn nt og ud wi K we N u f ’ N N ne a Ri Pr, FOR N PR. ART, RR: ed Te we er ee [er . a zu u de Ga Ar it ' er; De) “ ER Be ü np" ‘ ’ 4 v . Pk OEL DIESEEHREHHL ET FR \s ne ee N % ‚Monatsberichte ham der Königlichen Preufs. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. if Aus dem Jahre 1865. uf Hi Mit 11 Tafeln. | Berlin. ji Gedruckt in der Buchdruckerei der Königl. Akademie | der Wissenschaften. | 1866. In Commission ın Ferd. Dümmler’s Verlags-Buchhandlung. Harrwitz und Gossmann. RL Ber und ICE Ge el he) sel el Te) Berichtigungen. . 256 Z. 21 v. oben st. Zivia lies Zavia. 5052. Sy. .519 2,15 v. RT Zz My: .583 2.20 v. . 6492. 10 v. st. — lies — (Schneidezähne). st. deren lies diese. st. Dermodus lies Desmodus. ser uliesn2=0l 2.3 33 st. Zusetzung lies Zersetzung, er 2 RE KO BaN ad UNTER LO LEN UBER U ’ an ar nad AR DREI Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Januar 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Haupt. 2. Januar. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Riedel las über die Söhne des Kurfürsten Friedrich Il. von Brandenburg. Zu den unaufgeklärten Punkten der Geschichte unsers Regentenhauses gehören noch immer die Fragen, ob der Kur- fürst Friedrich Il. ın seiner Ehe mit der Kurfürstin Katharina von Sachsen Söhne gehabt und ob er auch uneheliche männ- liche Nachkommen hinterlassen habe. Die älteren Brandenburgischen Chronisten Entzelt '), En- gel?) und Garcäus°) berichten von zwei Söhnen, Namens Jo- hann und Erasmus, welche dem Kurfürsten in der Ehe gebo- ren aber jung verstorben seien. Da jedoch von beiden Söhnen *) Friederich vnd — sein Gemahl Catharina — zeugeten — zwen Söhne Johannes (und) Erafmus — [eynd beyde jung gestorben. Entzelts Altm. Chronica p. 130. *) Marggraff Friederich — hatt — keine Manfserben hinter ihm ge- Isssen, sondern seine beyde [öhne, Johannes vnd Erasmus, sind in der ju- gend hinweg gestorben. Angeli Chronica p. 232. *) Conjugem habuit Catharınam — ex ea genuit Johannem et Eras- mum, qui in pueritia ante patrem diem suum obierunt. Garcaei Success. p. 213. [1865.] Kae 1 2 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse urkundliche Nachrichten mangelten, so haben spätere Bearbeiter der Brandenburgischen Geschichte ihre Existenz bezweifelt oder wenigstens nur den Erasmus und zwar als einen unehelichen Sohn gelten lassen. Die Nachricht von den beiden, Johann und Erasnıus ge- nannten, früh verstorbenen Söhnen des zweiten Friedrich wird indessen dadurch bestärkt, dafs auch ıhrer Lebenszeit nahe ste- hende- Nichtbrandenburgische Geschichtsschreiber dieselbe ent- halten, namentlich Sundheim'), Spalatin und Botho?). Erasmus wird von Sundheim Ehrsam genannt. Inzwischen sind jetzt für die Exisienz wenigstens des einen dieser Söhne auch einige urkundliche Zeugnisse aufgefunden. Das hiesige K. Hausarchiv enthält im Original die Ein- setzung einer Vormundschaft, die Kurfürst Friedrich II. für sei- nen Sohn Johann anordnete, da er im Jahre 1452 nach dem heiligen Grabe eine Kreuzfahrt unternahm ?): es ist darnach sogar wahrscheinlich, dafs diese Pilgerfahrt eben die Lösung eines für den Fall der Geburt eines männlichen Nachkommen gethanen Gelübdes zum Zweck hatte. Auch die Geburt dieses erstge- gebornen Prinzen wird daher nicht viel früher, als im J. 1452 erfolgt sein. Ein anderes urkundliches Zeugnils für die Existenz ehe- licher Söhne Friedrichs II. läfst sich einer Correspondenz des Kurfürsten mit seinem Bruder, dem Markgrafen Albrecht mit ziemlicher Sicherheit entnehmen. Der Kurfürst schreibt etwa zu Anfang des Dezember 1464 an seinen Bruder, wie viel Mühe er sich gebe, um seine Ansprüche auf Pommern geltend zu machen, und schliefst mit den Worten: Wir wollen in den Sachen unsern vleis thun und wolten ungern vnsern lieben Sun und vettern, ewern kinden, das versäumen. Darauf folgt ‘) Johans, Marggraf zu Brandenburg, — ain Sun Marggraf Frie- drichs zu Brandenburg des eltern vnd Frau Katherina — starb in seiner Jugent. Ersam, Margraf zu Brandenburg, ain Sun derselben — verschied auch in seiner Jugent. Ladislav Sunihemii familia ia Cod. Brand. IV, I, 266. °”) Spalatini Vitae in Menckens Script. II, 1079 Bothonis Chron. Bruns vic. bei Leibnitz, Script. rer. Brunsv. *) Cod. Brand. III, ı, 307. vom 2. Januar 1865. 3 ein Schreiben Albrechts, etwa aus der Mitte des Dezember 1464 darin er seinen Bruder Friedrich ermahnt, doch in der Pom- merschen Streitsache sein Leben nicht auf das Spiel zu setzen, „in Betracht dafs ihr Haus ganz auf sie gestellt sei, da seine und Albrechts Kinder noch jung und unerzogen wären” '). Dafs beide Äufserungen über beiderseitige Söhne gleich- wohl nur auf Albrechts Söhne zu beziehen seien, welche Frie- drich mit wie eigne Kinder betrachtet und bezeichnet hätte, läfst sich ungezwungen wohl nicht annehmen. Es ging damals aber eine die Bevölkerung in furchtbarer Zahl hinraffende Pest durch viele Theile Deutschlands. Es star- ben daran vorzüglich viel junge Leute und gewöhnlich schon am dritten Tage nach dem Erkranken ?). Das erste Opfer, das die Pest dem kurfürstlichen Hause ab- forderte, war des Kurfürsten jüngster Bruder, der Markgraf Friedrich d. J., der in der Altmark herrschte und am 4. Oct. 4463 der Krankbeit erlag. Diesem folgte am 10. September der von dem Kurfürsten wie ein eigener Sohn erzogene Neffe Her- zog Otto von Pommern-Stettin, und am 16. Nov. 1464 in Fran- ken, wo der Kurfürst eben zum Besuch war, sein ältester Bruder Johann. Kurfürst Friedrich hielt sich, aus Franken in die Mark zu- rückgekehrt, den Winter über vorzüglich in Tangermünde auf, einem Ort, den man seit alter Zeit wegen seiner gesunden Luft ‚pries. Doch hatte der unnatürlich nasse und warme Winter den heftigsten Wiederausbruch der Pest auch in der Altmark zur Folge: und daran sah der Kurfürst, vermuthlich noch im Dezember 1464 oder im Anfange des Jahres 1465, wohl seine männ- liche Nachkommenschäft zu Grabe gehen. Denn nach dieser Zeit wird weder des Prinzen Johann noch eines andern Sohnes des Kurfürsten weiter gedacht; wohl aber wird uns glaubhaft berichtet, dals hundert Jahre später im Dome zu Tangermünde noch das Grabmal eines Prinzen Erasmus bekannt war?). Auch einer an die Herzöge von Mecklenburg entsandten Staatschrift 1) Cod. II, ı, 369 und III, ıı, 30. ?) Eschenloer, Breslau I, 253. *) Entzelts Altm. Chronika S. 130. 4 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 17. Jan. 1465 sah sich der Kurfürst veranlalst noch die Nachschrift hinzuzufügen: „Gott weils, dals wir es mit Euch und mit Euren Söhnen gut meinen, da wir diese mit für unsere Söhne halten; denn Ihr selbst wilst wohl, dals wir nicht viel Er- ben haben”. Diese Äulserung sagt zwar nicht bastimmt, dafs des Kurfürsten Söhne am 17. Jan. 1465 nicht mehr lebten, hatte aber kaum einen Sinn, wenn sie noch am Leben waren. In der Folge tritt denn auch als Friedrichs II. muthmalslicher Erbe und Nachfolger ganz entschieden sein Bruder der Mark- graf Albrecht und dessen Sohn Johann hervor. Den letztern aus Franken in die Mark zu übersiedeln, pflog der Kurfürst schon im Jahre 1466 Verhandlungen mit seinem Bruder. Ich glaube, dafs hiernach nunmehr mit Sicherheit anzuneh- men ist: Friedrich II. habe wirklich zwei eheliche Sohne, Johann und Erasmus besessen, diese aber durch die Pest wahrscheinlich am Ende des Jahres 1464 oder zu Anfang des Jahres 1465 verloren. Was nun den angeblichen unehelichen Sohn des Kurfür- sten anbetrifft; so gründet sich die Annahme desselben anschei- nend lediglich auf das Vorkommen eines Erasmus Bramburg oder Branburg nach dem Tode Friedrichs II. als begünstigten Geist- lichen am kurfürstlichen Hofe. Die Annahme ist, so viel zu ermitteln gewesen, von Martin Seidel zuerst in der von Küster herausgegebenen Bilder-Sammlung (S. 79) ausgesprochen, jedoch ohne jeden Beweis. Gleichwohl haben neuere Geschichtsschrei- ber die Notiz von diesem natürlichen Sohne des Kurfürsten als erwiesen aufgenommen '). Dieser Erasmus war in Rom Subdiaconus geworden, wurde später Domherr und Scholasticus zu Wurzen in der Diöcese Meilsen und kaufte im Jahre 1475 dem Propste Valentin zu Berlin die Berliner Propstei ab. Die markgräfliche Genehmi- gung dieses Handels zu erwirken, empfahlen ihn die Herzöge von Sachsen und der Bischof von Meilsen angelegentlich dem nunmehrigen Kurfürsten Albrecht, als geeignet zur würdigen Führung dieses geistlichen Amtes. Kurfürst Albrecht überliels die Entscheidung seinem Sohne Johaun, der damals als Statt- halter die Mark verwaltete, dem Mag. Erasmus Bramburg auch ‘) Pauli, Preufs. Staatsgesch. II, 268. vorn 2. Januar 1865. 5 die Bestätigung zu Theil werden liefs. Nach langer würdiger Verwaltung der Berliner Propstei und der damit verbundenen Dienstleistungen als kurfürstlichen Rathes gab Mag. Erasmus diese Würde wieder auf und trat er als Cistercienser Mönch in den Convent des Klosters Lehnin, wo er im Jahre 1509 als Abt dieses Klosters verstarb '). Erasmus war hiernach lange über die Lebenszeit seines an- geblichen Vaters, Friedrichs II., hinaus Sächsischer Geistlicher. In die Mark Brandenburg versetzte ihn nicht die Gunst des Kurfürsten von Brandenburg, sondern sein zum Ankauf der Ber- liner Propstei verwandtes Geld und die Empfehlung seiner Säch- sischen Landesherrn und Kirchenobern. Man findet dabei weder in diesen Empfehlungen, noch in dem Schreiben des Kurfürsten Albrecht an seinen Sohn, die geringste Andeutung der natür- lichen Blutsverwandtschaft des Magisters mit dem kurfürstlichen Hause. Dafs Kurfürst Albrecht dergleichen Verhältnisse seiner Brüder nicht etwa aus Zartgefühl verschwieg, wird durch an- dere Fälle solcher Art genugsam bekundet. Dazu kommt, dafs der Zuname des in Rede stehenden Geistlichen in Originalur- kunden immer Brandburg, Branburg oder Bramburg, nicht Brandenburg geschrieben wird. Dies Alles spricht mehr ge- gen als für die Annahme des Erasmus als natürlichen Sohnes des Kurfürsten Friedrich II. Regierenden Herren jener Zeit aufsereheliche Kinder zuzu- schreiben, darf man allerdings nicht zu ängstlich sein. Man er- laubte sich zu jener Zeit im Umgange der Geschlechter mit einander in den höhern Ständen Ausschreitungen, die vom Standpunkte heutiger Sittlichkeit kaum glaublich erscheinen: und keineswegs blofs auf Seiten des in rauheren Sitten erzogenen männlichen Theils der Bevölkerung. Obgleich das weibliche Geschlecht meistens seine Erziehung in Klöstern erhielt, so gab es sich doch äulserst leicht der Unzucht hin. Glauben wir dem Zeugnisse des Aeneas Sylvius, des nachmaligen Papstes Pius IH., der damals in Deutschland lebte und die Sitten der Bevölkerung genau beobachtete; so war es der Zeit z. B. in Wien eine Sel- *) Cod. I, xııı, 73. I, ı1, 170. Fidicins Beitr. II, 280. Märk. For- schungen V, 18. 6 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse tenheit, wenn eine verheirathete Frau sich ihren Ehegatten ge- nügen liefs oder eine Jungfrau nicht vor der Vermählung schon von den Freuden der Ehe heimlich genossen gehabt hätte. In Lit- thauen, wo Kurfürst Friedrich II. einen Theil seiner Jugend zugebracht hatte, war damals nach demselben Berichterstatter allgemeiner Gebrauch, dafs edle Frauen sich sogenannte „‚Ehe- helfer” hielten; wie man einen solchen damals einer an einen Herzog von Schlesien zu Oppeln verlobten Litthauischen Für- stin gleich vorsorglich mitgab, der freilich in Schlesien sehr üble Aufnahme fand '). Besonders aber gaben sich die Fürsten dem Laster einer nicht einmal versteckten Vielweiberei damals fast allgemein hin; wenn sie auch nicht alle in so auffälliger Weise den Reizen weiblicher Schönheit huldigten, wie König Mathias von Un- garn. Selbst bei einer Zusammenkunft in Breslau mit dem Kur- fürsten und dessen Tochter, deren Vermählung mit dem Könige beabsichtigt wurde, verzichtete dieser nicht darauf, dafs täglıch eine andere Schöne der Schlesischen Hauptstadt dem Könige die ihm inzwischen noch mangelnde Gemahlin ersetzte?): und die hohe Geistlichkeit, welche den König auf seinen Umzügen ge- gen die Böhmischen Ketzer umgab, erwies sich gegen diese Ausschweifungen so nachsichtig, dals sie sogar auf dessen Wunsch, nach längerem Aufenthalt des Königs zu Olmütz, sich herbei- liels, alle die Jungfrauen, welche der König hier seines Um- gangs gewürdigt hatte, für gleichwohl völlig unschuldig und unbefleckt zu erklären °). In einer Zeit solcher Sittenlosigkeit könnte es nicht über- raschen, wenn auch Kurfürst Friedrich II., wie bei seinem äl- tern Bruder Johann urkundlich der Fall war *), uneheliche Kin- der hinterlassen hätte. Ich bin auch nicht geneigt, von dem Kurfürsten anzunehmen, dals er im Umgange mit Frauen es ‘) Aen. Sylvii Hist. de Europa cap. 26. Opera ed. 1707 p. 275 dess. Comm. in dicta et facta Alphonsi regis lib. IV, 8 dess. Hist. Friderici IN. imp. ed. 1700 p. 10. ”) Novis quotidie vacando, ut publice ferebatur, nuptiis. Dlugossi Hist. Pol. p. 442. *) Palacky, Gesch. Böhmens IV, 11, 601. 602. *) G. W. v. Raumers Cod. cont. ], 303. vom 2. Januar 1865. 7 immer streng genommen habe, zumal er fast 30 Jahre alt war, bevor er sich verehlichte. Es heruhet wenigstens ım hiesi- gen Königl. Hausarchiv ein scherzhaftes Schreiben eines Ju- gendfreundes des Kurfürsten, der ihn noch im Jahre 1463 vor- hält, wie schwere Tage und Nächte es ihm bei der Kurfürstin machen könne, wenn dieser enthüllt werde, in welchem Ver- hältnisse er in Nürnberg zu der Apothekerin, der Nestberin, so wie zn etlichen Frauen in Frankfurt und anderen gestanden habe ''). | Indessen wenn diese scherzhaften Vorhaltungen auch die Annahme der Möglichkeit unterstützen, dafs Friedrich IL. in seinem jugendlichen Alter und unverehliehten Stande mit Frauen vertraueten Umgang gepflogen habe, so spricht ihr Inhalt doch mehr gegen als für die Annahme unehelicher Kinder desselben. Denn Heinz von Rambach, der Schreiber jenes Briefes, den der Kurfürst eben durch den Vorwurf unzüchtigen Benehmens dazu gereizt hatte, dem Fürsten dafür ein eigenes Sündenregister vorzuhalten, würde darin sicherlich nicht unangedentet gelassen haben, wenn aus einem unzüchtigen Umgange des Kurfürsten mit Frauen leibhafte Existenzen hervorgegangen wären. Seit dem Antritt der kurfürstlichen Würde, dem bald her- nach seine Vermählung folgte, zeigt Friedrich II. sich beständig als einen Mann von so strengem Lebenswandel und so reinen Sitten, dafs jeder Verdacht solcher Ausschweifungen fern blei- ben mufs. Auch für den Schwanenorden, mit dessen Stiftung zu Ehren der Mutter Gottes er den Antritt seiner kurfürstli- chen Würde feierlich inaugurirte und als dessen Haupt er sich fortwährend betrachtete, stellte er als Grundsatz auf: „Hie” — "unter den Mitgliedern des Ordens — „schal ok neyn Eebreker oder openbar unküscher sin: denn die küsche muder wol kü- scher diener werdig ist”?). Einem Fürsten, der diesem Grund- satz in keinem nachweisbaren Falle untreu geworden ist, ohne allen Beweis, blofs auf den ähnlich klingenden Namen hin, einen unehelichen Sohn zuzuschreiben, erscheint denn doch als eine historische Freiheit, die in ihrer Unhaltbarkeit blofsgestellt zu werden verdiente. 1) Cod. III, 1, 358. *) Cod. III, ı, 239. 8 Gesammtsilzung Hr. Mommsen sprach über die Wiener Hand- schrift der Inschriftensammlung des Augustinus Tyfferus. 5. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Hagen gab eine Vergleichung des in den letz- ten zwanzig Jahren an der Ostsee angestellten Wasserstands-Beobachtungen inBezug aufdieFrage ob die Preufsische Küste unverändert ihre Höhen- lage beibehalte. Vorgelegt ward der folgende Bericht des Hrn. Dr. Heinrich Nissen inRkom über die mit Unterstützung der Akademie von ihm ausgeführten Reisen. Vom 5. bis 27. April bereiste ich in Gemeinschaft mit Hrn. Dr. Zangemeister das südliche Etrurien, genauer die Nordhälfte des jetzigen Kirchenstaates. Über die epigraphischen Ergebnisse dieser Reise und zugleich über einiges Chorographische ist von uns im Bulletino dell’ Instituto (Juni) berichtet worden. Für die Topo- graphie der Umgegend des Sees von Bracciano ergab sich uns die Lage von Forum Clodii auf dem Hügel S. Liberato, wie Hr. Desjardins angenommen, neuerdings aber Hr. Garrucci bestritten hat, als ganz sicher, ebenso die der Aquae Apollinares zu Vi- carello und als wahrscheinlich die von Sabate zu Trevignano. Wir fanden weiter die Ansıcht von Dennis, welcher Graviscae an das nördliche Ufer der Marta 1% Millien vom Meer verlegt, durch die noch erhaltenen Reste aus früher Zeit bestätigt. Am See von Bolsena liels sich die Stelle Visentiums genau bestim- men. Endlich ward Lucus Feroniae mit grolser Wahrschein- lichkeit nach der alten Kirche S. Abbondio in der Nähe von Rignano verlegt. Vom 3.Mai bis 9. Juni besuchte ich das eigentliche Um- brien, ferner von Etrurien das Chianathal und ein Stück der vom 5. Januar 1865. 9 Sabina von Otricoli bis Rieti. Zuerst ward der Gang der vıa Flaminia von Narni nach Bevagna verfolgt und die an dersel- ben liegenden Ruinen von Carsulae und Vicus Martis bestimmt. Es folgten topographische Studien in Todi Perugia Chiusi Or- vieto und Amelia. Das Clitumnusthal mit seinen Umgebungen gewährte mehrere neue Resultate, von denen die Bestimmung des Lacus Umber bei Assısi und des Lacus Clitorius bei Foligno sowie der Stadt Urvinum Hortense bei Collemancio zwischen Betiona und Bevagna die wichtigsten sind. In Etrurien ergaben sich über die Schlacht am Trasimenus sowie die Operationen vor derselben, namentlich den Apenninübergang Hannibals ver- schiedene Aufschlüsse. Die Resultate der Untersuchungen im Tiberthal von Borgo S. Sepolcro, im Bergland von Gubbio und dem Topinothal waren mehr negativer Art, iudem die Bestim- mung einiger antiker Orte sich als irrig erwies, die richtige allerdings nicht gefunden wurde. In der Sabina ist das Stu- dium durch die Häufigkeit der Ruinen, welche römischen Villen angehören, erschwert; als wahrscheinlich lälst sich die Le- gung von Tarinum nach Montebuono bezeichnen. Vom 10. Juni bis 6. Juli erfolgte die Bereisung von Ost- umbrien und Picenum bis Ascoli. Die beiden bisher unbe- stimmten Pitinum erwiesen sich das eine, Mergens, als an der Flaminischen Stralse bei Acqualagna, das andere, Pisaurense, als bei Macerata Feltria gelegen. Die Municipalliteratur lieferte für diese Provinzen eine nicht unerhebliche Ausbeute. Hierauf wurden einzelne Städte der Romagna, besonders Ravenna und Bologna besucht. Ende September bereiste ich das westliche Etrurien, wobei sich für Luna und seine Umgebungen, den Golf vou Spezia und die Bıüche von Carrara neue ‚Gesichtspunkte ergaben. Eine beabsichtigte Untersuchung der toscanischen Maremmen mulste leider wegen der Frühe der Jahreszeit und des gänzlichen Mangels aller Communicationsmittel, nachdem die Eisenbahn zerstört war, aufgegeben werden. Im October ward eine viertägige Tour ins Sabinergebirg und eine achttägige in das Volskerland von Rom aus unternom- men, bis die vorgerückte Jahreszeit und die bedenkliche Unsi- cherheit der Gegend weiteren Excursionen ein Ziel setz 21 40 Gesammtsitzung Über die Verwendung dieser chorographischen Resultate glaube ich den Intentionen der Königlichen Akademie zu ent- sprechen, wenn die Specialfragen gelegentlich behandelt, das Hauptmaterial aber für eine ganz Italien umfassende Darstellung aufgespart wird. In epigraphischer Beziehung wurden alle zugänglichen No- tizen über vorbandene Inschriften und über das in handschrift- lichen oder gedruckten Municipalhistorien erhaltene inschriftliche Material sorgfältig gesammelt. Die Inschriften der abgelegenen Ortschaften wurden in der Regel sämmtlich abgeschrieben und im Ganzen ungefähr 500 Copien an die Scheden des Corp. inser. Lat. abgeführt. » Hr. Mommsen überreichte im Namen des Hrn. P. Rosa in Rom Photographien der neuesten Ausgrabungen auf dem Pa- latin, sowie dessen Entwurf zu einem Plan des alten Pa- latins. : An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Von der Königlichen Universität Christiania: Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. Vol. XI, 1—3. Christiania 1864. 8. Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet. Aar 1863. ib. 1864. 8. Norske Bygninger fra Fortiden. Fasc. 4. ib. 1864. 4. Meteorologische Beobachtungen. Lieferung 3.4. ib. 1864. A. Diplomatarium norvegicum. XII. ib. 1804. 8. Norske Rigsregistranter. Vol. 111, 1. ib. 1863. 8. Norske Fornlevninger af Nicolaysen. Fasc. III. ib. 1864. 8. (P.A.Munch) Pavelige Nuntiers Regnskabs- og Dagböger. ib. 1864. 8. Universitätsschriften. (10 Nummern.) Publications de la societe pour la recherche des monumens historiques dans le Grand-Duche de Luxembourg. Cahier 19. Luxembourg 1864. 4. vom 5. Januar 1865. 11 Memoirs of the Royal Astronomical Society. Vol. XXXI. London 1864. 4. Memoires de la socicte des sciences physiques et naturelles de Bordeaur. Vol. III, 1. Bordeaux 1864. 8. Journal of the Asiatic Society of Bengal. no. 3. Calcutta 1864. 8. Silliman’s American Journal of science and arts. Vol. 33. New Haven 1864. 8. Numismatie Chronicle. no. 15. London 1864. 8. Schriften der Universität Kiel. Band 10. Kiel 1864. 4. Astronomische Beobachtungen auf der Sternwarte zu Bonn. Bonn 1862. 4. Fortschritte der Physik. XVII, 2. Berlin 1864. 8. Correspondenzblatt des naturforschenden Vereins zu Riga. Jahrgang 14. Riga 1864. 8. Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 11, 2. München 1864. 8. Berliner Asironomisches Jahrbuch für 1867. Berlin 1864. 8. Flora batava. Fasc. 189. Amsterdam 1864. 4. Parlatore, Studi organografici sui fiori e sui frutti delle Conifere. Firenze 1864. 4. Schötter, Johann Graf von Luxemburg und König von Böhmen. Band 1.2. Luxemburg 1865. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verf. d. d. Luxemburg 22. Dezember 1864. (Garcin de Tassy) Discours d’ouverture du 5 Dez. 1864. (Paris 1864.) 8. 12. Januar. Gesammitsitzung der Akademie. Hr. Riefs las eine zweite Abhandlung über Ablen- kung der Magnetnadel durch die Nebenströme der leydener Batterie. Der Verfasser hat im November 1863 die Eigenschaft des elektrischen Ventils nachgewiesen, von den beiden Strömen, welche den Nebenstrom der Batterie bilden, nur Einen zu Stande kommen zu lassen, dessen Richtung die magnetische Ab- lenkung zu erkennen gibt. Die Sicherheit, mit der ein normal hergestelltes Ventil diese Sonderung der Ströme ausführt, scheint 12 Gesammtsitzung unbedingt zu sein; es ist bisher kein Fall beobachtet worden, in welchem nicht die Seite der Ablenkung durch den Neben- strom aus der Stellung des Ventils hätte vorhergesagt werden können. Die Constanz .in Betreff der Richtung erstreckt sich aber nicht auf die Grölse der Ablenkung, die sich häufig ändert ohne ersichtliche Ursache. Zu der Ablenkung wirkt nicht die ganze im Nebenstrome bewegte Elektricitätsmenge, sondern nur. der Theil davon, der durch das Ventil geht, und dieser Theil ist nicht constant und zwar um so weniger, je geringer die Dichtigkeit des geprüften Nebenstromes ist. Es ist daher nur auf grölsere Änderungen der Ahlenkung, die stets in demselben Sinne erfolgten, Gewicht gelegt worden. Der Verf. untersuchte die Ablenkung durch den secundären Strom bei Änderung des primären, die theils durch die Ladung der Batterie, theils durch die Beschaffenheit der Hauptschlie- [sung hervorgebracht wurde. Es folgte aus diesen Versuchen: Die durch den secundären Strom bewirkte magne- tische Ablenkung ist proportional der in der Bat- t1erie angehäuften Elektricitätsmenge; sie ändert sich in gleichem Sinne mit der Dichtigkeit dieser Elektricität, dem Leitungswerthe des Hauptbogens und mit der durch andre Mittel bestimmten Ge- schwindigkeit des Entladungsstromes. Das Gesetz dieser Änderung variirt mit der Beschaffenheit des Ventils, aber jedenfalls ist die Ablenkung desto .gröfser, je grölser die elektri- sche Dichtigkeit in der Batterie, je besser die Leitung in der Hauptschlielsung, je grölser überhaupt die Geschwindigkeit des Hauptstromes ist. Die magnetische Ablenkung durch den Haupt- strom, auch wenn er durch ein Ventil geht, bleibt unabhängig von seiner Geschwindigkeit, so dafs hierdurch ein Mittel gege- ben ist, den Hauptstrom von allen seinen Nebenströmen zu un- terscheiden. Bei unverändertem Hauptstrome ändert sich die Ablenkung durch den secundären Strom mit jeder Änderung, die an der Nebenschlielsung vorgenommen wird. Durch Einschaltung eines Platindrahts in die Nebenschliefsung wurden die Ausschläge am Galvanometer um desto mehr verringert, je länger der Drath war. Bestand die ganze Schlielsung aus Kupferdrath, so wurde vom 12. Januar 1865. 13 die Ablenkung kleiner, wenn der nicht erregte Theil desselben zu einer Spirale aufgerollt, gröfser wenn er in eine Anzahl gleichgelegener U gebogen war. Durch Näherung eines ge- schlossenen Draths konnte dieser Einfluls der Form der Schlie- (sung zum Theil wieder aufgehoben werden. Hieraus wurde gefolgert: Mit der Geschwindigkeit des Nebenstro- mes, welche die Einrichtung der Nebenschliefsung bedingt, ändert sich die vom Strome bewirkte ma- gnetische Ablenkung in gleichem Sinne. Ein besonderes Interesse bot die Untersuchung der Ablen- kung durch den in der Hauptschlielsung der Batterie erregten Nebenstrom, indem hier alle Anderungen der Ablenkung aufge- sucht und wiedergefunden wurden, welche an dem Nebenstrome der Nebenschlielsung bereits erkannt waren. In den ersten Ver- suchen theilte sich der Schliefsungsbogen der Batterie in zwei gleiche Zweige, von welchen jeder eine Drathrolle enthielt; in der Nähe der einen Rolle hing der magnetische Spiegel, dessen Ablenkung beobachtet wurde. Die Einschaltung eines Platin- draths in jeden der beiden Zweige änderte die Ablenkung nicht, so lange die Schlielsung ganz metallisch blieb, weil eben dann nur der Hauptstrom wirkte. Wurde hingegen durch zwei Ven- tile der Nebenstrom zur Wirkung gebracht, so reducirte die Einschaltung der Platindräthe die magnetische Ablenkung auf einen kleinen Theil ihres Betrages. In den folgenden Versu- chen wurden Zweige von ungleicher Länge und nur Ein Ventil gebraucht, das zugleich mit der Galvanometerrolle im längern Zweige angebracht war. Die Einschaltung eines Platindraths in den kurzen Zweig hatte die leicht erklärliche Wirkung, die Ab- lenkung bei ganz metallischer Schlielsung bedeutend zu vergrö- fsern und die bei Anwendung des Ventils erhaltene Ablenkung in gröfserem Verhältnisse zu verringern. In den langen Zweig eingeschaltet, verringerte der Platindrath gesetzmälsig beide Ab- lenkungen; hier aber war die Gelegenheit gegeben, den ein- fachen Versuch mit dem Nebenstrom in einem getrennten Dra- the anzustellen, zu dem der Versuch an den Zweigen nur ein Corollar bildet. Beide Versuche ergaben sich als völlig iden- tisch. Die Schwächung des Nebenstromes durch einen ge- schlossenen Drath, der dem erregten Theile seiner Schlielsung 14 Gesammtsitzung nahe liegt, wurde sowol an dem Nebenstrome eines Zweiges der Hauptschliefsung, wie an dem Strome einer Nebenschlie- fsung in der in grofsem Maalse verringerten Ablenkung nach- gewiesen. Den grölsten Einfluls auf den Nebenstrom der Haupt- schliefsung hat die Form dieser Schliefsung. Der Verf. prüfte den Nebenstrom eines Zweiges, der aus gleichem Drathe ent- weder gerade oder in die Form einer ebenen Spirale gelegt, oder zu einer Anzahl von U gebogen war, Die Ausschläge am Galvanometer waren danach sehr verschieden, am gröfsten bei der Spiral-, am kleinsten bei der U-Form. Auf die Theilung des Hauptstromes in den Zweigen hatte die Formänderung des einen Zweiges keinen Einfluls. Alle bisher angedeuteten Versuche sind so einfach, dafs sie leicht und mit geringem Apparate und Zeitaufwande wiederholt werden können. Verwickelter sind die am Schlusse der Ab- handlung beigebrachten Versuche über künstlich erregte Ströme höherer Ordnung. Der Verfasser hat früher gezeigt, dals die Nebenströme der Batterie in zwei Gruppen zerfallen, in die Ströme gerader Ordnung, zu welchen der secundäre Strom ge- hört, und in die Ströme ungerader Ordnung. Lälst man einen Nebenstrom durch ein elektrisches Ventil gehen, in welchem die Luft successiv vermehrt wird, so erfolgt bei beiden Stellun- gen des Ventils die magnetische Ablenkung vorwiegend nach einer bestimmten Seite. Die vorwiegende Ablenkung entspricht bei den Strömen gerader Ordnung einem dem Hauptstrome gleichgerichteten, bei denen ungerader Ordnung einem ihm ent- gegengerichteten Strome. Es wurde nun bei Prüfung eines Stromes höherer Ordnung dem ihn erregenden Strome durch ein normales Ventil die Richtung des Hauptstromes gegeben. Hierdurch wurden die Ströme dritter und jeder höheren Ordnung einander gleich, aber die durch sie bewirkte vorwie- gende Ablenkung geschah in einem andern Sinne, als erwartet wurde. Wenn ein Strom höherer Ordnung durch einen einfach gerichteten Strom erregt wird, so ist die Richtung seiner vorwiegendenAblenkung der Richtung des ihn erregenden Stromes entgegenge- setzt. Dies bildet einen merkwürdigen Unterschied zwischen vom 12. Januar 1868. 15 den Strömen höherer Ordnung und dem secundären Strome, dessen vorwiegende Ablenkung in allen Fällen der Richtung des ihn erregenden Stromes, des Entladungstromes der Batterie - entspricht. Hr. Braun trug nachstehende Arbeit von Hrn. Prof. de Bary in Freiburg vor, enthaltend neue Untersuchungen über die Uredineen, insbesondere die Entwicklung der Puccinia graminis und den Zusammenhang der- selben mit Aecidium Berberidis. In zwei Abhandlungen, welche vor Jahresfrist veröffent- licht wurden '), habe ich, im Anschlusse an Tulasne’s frü- here Arbeiten *), die Entwicklungsgeschichte einiger Uredineen mitgetheilt und den Formen - und Generationswechsel beschrie- ben, welcher diese pflanzenbewohnenden Parasiten auszeichnet. Die gegenwärtige Arbeit soll über die Fortsetzung meiner frü- heren Untersuchungen berichten; sie wird daher zweckmäfsig mit einer kurzen Recapitulation dieser beginnen. Die Uredineen, deren Entwicklung ich früher vollständig verfolgt habe — Uromyces appendiculatus Lk., U. Phaseolorum Tul. und Puecinia Tragopogonis Cd. — sind vorzugsweise aus- gezeichnet durch ihre in bestimmter Succession auftretenden fünferlei Fortpflanzungsorgane. Auf ihren polsterförmigen Fruchtlagern findet man im Spätjahre zahlreiche dicht gedrängte Fortpflanzungszellen, welche einzeln oder paarweise einer schma- len fadenförmigen Stielzellen aufsitzen und sich auch mit der Reife nicht von dieser trennen. Das letztere Merkmal, sowie bestimmte, schon seit lange bekannte Structureigenthümlichkei- ten und ganz besonders ihre Keimungserscheinungen zeichnen !) Recherches sur le developement de quelques Champignons para- sites. Ann. sc. nat, de Serie, Tome XX, p. 1. — Caeoma pinitorguum. 'Monatsber. d. Berl. Acad. Dech. 1863. *) Memoire sur les Uredinees et les Ustiliginees. Ann. sc. nat, 3. Se- rie, tom. VI]. (1847); und Second Memoire, ibid. 4e Ser., Tom. II. In diesen Arbeiten und meinem Buche über die Brandpilze (Berlin 1853) ist die übrige Litteratur grölstentheils angegeben. 16 Gesammtsitzung diese Organe von den übrigen Fortpflanzungszellen der genann- ten Arten aus. Tulasne nennt dieselben Sporen im en- geren Sinne des Wortes. Da dieser Name aber nun einmal seit lange für sämmtliche geschlechtslose Fortpflanzungszellen der Thallophyten ohne Unterschied in Anwendung ist und auch wohl zweckmälsiger Weise in diesem allgemeinen Sinne in An- wendung bleiben wird, so scheint es wünschenswerth, die in Rede stehenden Sporen der Uredineen von den übrigen durch eine besondere Benennung zu unterscheiden. Ich schlage hier- für den Namen Teleutosporen vor, weil er einfach Sporen. bedeutet, welche am Ende der Entwicklung der Species auftre- ten, und darum für die homologen Organe sämmtlicher Uredi- neen anwendbar ist. . Die reifen Teleutosporen der oben genannten Arten keimen nur nach Ablauf einer kürzeren oder längeren Winterruhe. Bei der Keimung treiben sie einen dicken, stumpfen, meist gekrümm- ten Schlauch, das Promycelium, welches sich nach rasch be- endigtem Längenwachsthum durch Querwände in meist vier Zellen tbeilt; diese treiben sämmtlich oder mit Ausnahme der untersten eine pfriemenförmige Ausstülpung, auf deren Spitze eine schief ei- oder nierenförmige kleine Spore, welcher Tu- lasne den Namen Sporidie gegeben hat, abgeschnürt wird. Das Promycelium stirbt nach Bildung der Sporidien ab. Leiztere keimen sofort, indem sie einen dünnen Schlauch treiben, wel- cher in das Gewebe der Nährpflanze eindringt, die "Oberhaut- zellen dieser durchbohrend, die Spaltöffnungen verschmähend. Aus dem eingedrungenen Keimschlauche entwickelt sich sogleich ein das Parenchym der Nährpflanze durchwucherndes Mycelium und dieses erzeugt meist nach einer bis zwei Wochen die dritte und vierte Art von Fortpflanzungsorganen, die Aecidien mit ihren constanten Begleitern oder Vorläufern den Spermogo- nien. Von den letzteren Organen ist Function und Bedeu- tung noch unermittelt, sie mögen daher hier unberücksichtigt bleiben, unter Verweisung auf Tulasne’s und meine ausführ- lichen Beschreibungen ihres Baues. Die Aecidien sind becher- oder röhrenförmige Behälter, mit einschichtig-vielzelliger, zu- letzt auf dem Scheitel geöffneter Wand; im Grunde des Be- chers stehen, dicht aneinandergedrängt, cylindrisch keulenförmige vom 12. Januar 1865. 17 Stielzellen oder Basidien, deren jede eine lange Reihe von Spo- ren successive abschnürt. Mit der Reife trennen sich diese Aecidiumsporen von einander und fallen aus dem geöffneten Behälter aus. Sie sind sofort keimfähig und treiben unter ge- eigneten Bedingungen einen zartwandıgen, wellig gekrümmten, manchmal verzweigten Schlauch, welcher durch die Spaltöffnun- gen und nur durch diese in die Nährpflanze eintritt und hier direct zu einem neuen Mycelium heranwächst. Dieses erzeugt alsbald zunächst die fünfte Fruchtform, die Uredo, polsterför- mige Fruchtlager, deren Aulsenfläche dicht besetzt ist mit auf- rechten fadenförmigen, je eine Spore abschnürenden Stielzellen oder Basidien. Die Uredosporen fallen mit der Reife von ihren Trägern ab; in Beziehung auf Keimfähigkeit, Keimungs- erscheinungen und Eindringen ihrer Keimschläuche in die Nähr- pfllanze verhalten sie sich den Aecidiumsporen gleich. Das aus ihnen entwickelte Mycelium aber erzeugt zunächst immer wie. der Uredo (nie Aecidium), sie pflanzen also die Species in stets gleicher Form fort, und, indem aus einer Uredospore schon nach 8 Tagen neue Uredo mit keimfähigen Sporen entwickelt zu sein pflegt, sind sie es vorzugsweise, durch welche die mas- senhafte Verbreitung und Vermehrung der Uredineen geschieht. Dasselbe Mycelium endlich, welches die Uredo erzeugte, bildet zuletzt die den ganzen Entwicklungsgang abschlielsenden Teleutosporen; und zwar bei den zunächst in Rede stehenden Arten mit den Uredosporen in dem nämlichen, bei anderen Arten in besonderen Fruchtlagern. \ In der Mehrzahl der Fälle findet der Entwicklungsgang und Generationswechsel streng in der beschriebenen Weise statt. Ausnahmsweise kommt zu demselben das Eine noch hinzu, dals das aus den Sporidien erwachsene Mycelium, nachdem es Aeci- dium gebildet hat, später auch noch Uredo und Teleutosporen erzeugt. In Bezug auf die gebrauchten Kunstausdrücke sei schliefs- lich noch bemerkt, dafs die Worte Aecidium und Uredo ur- sprünglich Gattungsnamen waren, weil man die durch sie be- zeichneten Formen für sich allein als Repräsentanten besonde- rer Genera betrachtete. Jetzt werden dieselben passend zur [1865.] 2 18 “ Gesammtsitzung Benennung der betreffenden Organe verwendet, die Genera aber, nach Tulasne’s Vorgang, mit denjenigen Namen be- zeichnet, welche früherhin für ihre Teleutosporenlager allein gebraucht wurden. Das letztere Verfahren ist schon darum gerechtfertigt, weil die Teleutosporen die wichtigsten Merk- male zur Unterscheidung der Genera darbieten. Was ich in der Abhandlung über Caeoma pinitorguum Pucciniaformen ge- nannt habe, sind die jetzt als Teleutosporen oder Teleutospo- ‚renlager bezeichneten Schlulsgebilde der Generationsreihe. Die überaus zahlreichen Uredineenformen, welche man kennt, sind fast alle entweder Aecidien, oder Uredo- und Teleutospo- ren bildende Formen. Wie die schönen Untersuchungen Tu- lasne’s zuerst gezeigt haben, stimmen die gleichnamigen Or- gane fast ausnahmslos in dem Bau und den. ersten Keimungs- erscheinungen überein. Es ist daher von vorn herein kaum zu bezweifeln, dafs auch der ganze Entwicklungsgang der Species bei fast allen Uredineen der gleiche oder doch ein sehr ähn- licher sein wird. In der That ist es mir seit Veröffentlichung meiner frü- heren Arbeiten möglich gewesen, die Richtigkeit dieser Vermu- thung an einer Anzahl weiterer Arten nachzuweisen. Erstens nämlich haben ECnlturversuche gezeigt, dals Puccinia retieulata m., eine bisher übersehene oder mit anderen confundirte Art, welche Myrrhis und Chaerophyllum aureum bewohnt, und Puce. Violarum genau den gleichen Entwicklungsgang wie die Ein- gangs genannten Arten besitzen. Zweitens findet man bei eini- ger Aufmerksamkeit sehr häufig gewisse Aecidium-, Uredo- und Teleutosporenformen auf derselben Nährpflanze dicht beisammen. In manchen Fällen entspringen bier die verschiedenen Organe deutlich von dem nämlichen Mycelium, sie sind in kreisförmige Flecken zusammengestellt, deren Mitte von älteren Aecidien, deren Peripherie von den anderen, noch jüngeren Fruchtformen oder Or- ganen eingenommen wird, so dals an dem Zusammengehören der- selben kein Zweifel sein kann. Dies habe ich unter einheimischen Arten bei Pucc. Tragopogonis und Uromyces Scrophulariae beob- achtet und bei dem chilesischen Uromyces Cestri Mont. !) ‘) U. Cestri und Aecid. Cestri Mont. in Gay, Flora chil. und Sylloge, p- 311, 315. Montagne’s Beschreibung kann ich nach Untersuchung von | vom 12. Januar 1865. 19 scheint es ausnahmslose Regel zu sein. Häufiger stehen die verschiedenerlei Organe unregelmälsig durcheinander, so dals es nicht sicher entschieden werden kann, ob sie aus demselben Mycelium oder ob das eine aus den Sporen des anderen ent- standen ist. Nach den sicher beobachteten Thatsachen ist je- doch auch in diesen Fällen, zumal wenn sie oft wiederkehren, das Zusammengehören der verschiedenen Formen mit einer an Gewils- heit grenzenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Das Gleiche gilt endlich drittens von einigen Fällen, wo die verschiedenen Frucht- formen zwar immer oder fast immer auf verschiedenen Stöcken der Nährpflanze vorkommen, aber gleiche Vertheilung zeigen, gleiche Degenerationen der Nährpflanze verursachen und beson- ders von gleichartigen, manchmal durch besondere Structur aus- gezeichneten Spermogonien begleitet sind. Hierher gehören z. B. Uromyces scutellatus, Puccinia Anemones. Eine Aufzäh- lung der bisher beobachteten Arten, von denen das soeben Ge- sagte mit Bestimmtheit oder grölster Wahrscheinlichkeit be- hauptet werden kann, gedenke ich später zu geben. Auf der anderen Seite beweisen aber die bisher bekannt gewordenen Beobachtungen, dals auch manche Uredineen nicht unwesentliche Abweichungen von dem beschriebenen Entwick- lungsgange zeigen. Zu diesen gehört zunächst die von mir (Champ. paras. p. 84) beschriebene, übrigens noch vollständiger zu untersuchende Puccinia Dianthi Dec., deren Teleutosporen, wie Tulasne zuerst gezeigt hat (l. c. p. 141), mit der Reife so- fort keimfähig sind, und deren Sporidienkeime nur in die Spaltöff- nungen der Nährpflanze eindringen, um hier von neuem Teleuto- sporenlager und weder Uredo noch Aecidium zu erzeugen. Ferner kommt ein eigenthümlicher Entwicklungsgang zweien Arten zu, welche ich zusammen in die Gattung Endophyllum Lev. stelle, nämlich dem E. Semperoivi (Lev.)') und dem E. Eu- phorbiae (= Aecidium Euphorbiae silvaticae Dec.). Die einzigen im Kunze’schen Herbarium zu Leipzig befindlichen Originalexemplaren bestätigen. *) Endophyllum Sempervivi = E. Persoonii Lev. Bull. phil. 1825. Uredo Sempervivi A. S. Caeoma Semp. Link. Erysibe insculpta W allr. — Rabenh. Herb. myc. Bd. 1., 1899. Bd. II, 699; Fung. Europ. 597. 2“ 20 Gesammtsitzung Fructificationsorgane, welche man von diesen beiden Arten seit lange kennt, sind von Spermogonien begleitete Aecidien, die in Bau und Entwicklung mit den gleichnamigen Organen ande- rer Species völlig übereinstimmen. Von allen diesen sind sie aber dadurch verschieden, dafs ihre Sporen bei der Keimung ein sporidienbildendes Promycelium entwickeln. Die Sporidien und ihre Keimschläuche verhalten sich denen von Uromyces gleich. Ihr Eindringen durch die Epidermiszellen habe ich schon früher (l. c.) für E. Sempervivi beschrieben; einige weitere Beobachtungen seien bier mitgetheilt. E. Semperoivi fructificirt im Frühjahre, in hiesiger Gegend Mitte April. Seine Sporen keimen sofort und aus den in ge- sunde Blätter eingedrungenen Sporidienkeimen entwickelt sich rasch ein reichverästeltes Mycelium, welches das Blattparenchym durchwuchert. Während des Sommers behalten die inficirten Sprosse oder Laubrosetten ihr normales gesundes Ansehen; im Herbste dagegen, wenn die unteren Blätter der Rosette, ebenso wie bei intacten Exemplaren, absterben, nehmen die während des Som- mers entwickelten und zum Überwintern bestimmten oberen Blätter eine schmälere, gestrecktere Form und, zumal an ihrem Grunde, eine bleiche, gelbgrüne Farbe an. In den Intercellu- larräumen ihres Parenchyms findet man jetzt das Mycelium des Parasiten verbreitet; dieses lälst sich leicht in den Stamm verfolgen, ist also von den besäten alten Blättern aus durch den letzteren ın die jungen bleichen Blätter eingetreten. In die- sen fructificirt es sodann im folgenden Frühling und mit der Fruchtreife des Parasiten sterben die Blätter, welche ihn tra- gen, ab. Über denselben bilden sich häufig neue aus, die Laub- rosette bleibt also erhalten, und es ist wahrscheinlich, doch nicht sicher ermittelt, dafs der Parasit in ihr perenniren und im folgenden Jahre von neuem Frucht bringen kann. Das Mycelium von Endophyllum Euphorbiae perennirt in dem Rihizome seiner Nährpflanze, der Euphordia amygdaloidesL. Es tritt in die bekannten überwinternden Laubsprosse ein, welche diese Pflanze alljährlich im Frühling über den Boden treibt, und ıst in diesen leicht in dem Marke und dem inne- ren Rindenparenchym bis dicht unter den Vegetationspunkt zu verfolgen. Die Sprosse, welche es enihalten, erscheinen äulser- vom 12. Januar 1865. 21 lich vollkommen gesund, höchstens etwas kurzblättriger als nor- male. Ihr im folgenden Frühling entwickelter, bei gesunden Exemplaren blüthentragender, Gipfeltrieb ist dagegen, ähnlich den bekannten Aecidium-tragenden Sprossen der Euphorbia Cypa- rissias, verunstaltet; er ist mit zahlreichen abnorm kurzen, brei- ten und fast fleischigen Blättern besetzt, trägt keine oder eine ganz verkümmerte Inflorescenz und hat bleiche, gelbgrüne Fär- bung. Das Mycelium des Parasiten wächst mit und in ihm em- por, tritt in die Blätter ein und entwickelt hier, zumal auf der Unterseite, die im April und Mai reifenden Fructificationsorgane. Sät man die reifen Sporen aus, so entwickeln sich aus ihnen bei hinreichend feuchter Umgebung sehr schnell Promycelium und Sporidien, letztere treiben sofort ihre Keimschläuche und diese krümmen sich, wenn die Aussaat auf Blätter der Nähr- pflanze gemacht worden war, gegen die Oberhaut der letzteren, ihre Enden fest auf die Epidermiszellen aufdrängend. Auf den derben überwinterten Blättern hat es hierbei sein Bewenden; die Keime durchbohren die Wände der Epidermiszellen nicht, während sie bei. anderen Schmarotzerpilzen, z. B. dem E. Semperoivi, durch weit dickere Zellmembranen eindringen. Auf den jungen, in dem nämlichen Frühling entwickelten Blättern dagegen dringen die Keimschläuche sofort in die Oberhautzellen und durch diese in das Parenchym ein, um hier sogleich zu einem reichverzweigten Mycelium heranzuwachsen. Leider ver- unglückten meine Culturexemplare, in deren Blätter der Parasit eingedrungen war, durch einen Zufall etwa zwei Monate nach der Inficirung. Ich kann daher über die Weiterentwicklung der befallenen Pflanzen nnd des Parasiten nur das Eine angeben, dals die Blätter, in welchen der letztere sich entwickelt hatte, während der genannten Frist ihr normales gesundes Ansehen unverändert beibehielten. Nach den oben mitgetheilten Daten ist es jedoch kaum zweifelhaft, dafs das Mycelium von den besäten Blättern aus die ganze Pflanze durchwuchert, um ım folgenden oder erst einem spätern Jahre auf die oben beschriebene Weise zu fructificiren. Die hier beschriebenen biologischen Erscheinungen sind keineswegs nur den beiden Endophyllum-Arten eigen, son- dern kommen zahlreichen anderen Uredineen und sonstigen Schmarotzerpilzen zu, wie ich früher (l.c.) ausführlich gezeigt 22 Gesammtsitzung habe. Was Endophyllum von anderen Uredineengattungen und speciell von den typischen Puccinien und Uromyceten aus- zeichnet, ist vielmehr die Entwicklungseigenthümlichkeit, dafs die Aecidiumsporen hier direct ein Promycelium mit wiederum Aecidium bildenden Sporidien treiben, dals also hier die For- menreihe übersprungen wird, welche andere Gattungen von dem Aecidium an bis zur Bildung von wiederum Aecidium er- zeugenden Sporidien durchlaufen. Eine dritte und sehr grolse Reihe von Uredineen scheint auf den ersten Blick in ihrer Entwicklung von den Eingangs beschriebenen gewissermalsen im umgekehrten Sinne wie Endo- phyllum verschieden zu sein. Abgesehen von anderen Gattun- gen, deren Aufzählung hier zu weit führen würde, gehören grade von den nächsten Verwandten der Eingangs erwähnten Arten viele hierher. Man kennt zahlreiche Puccinien und Uromyces- Arten, welche genau wie die fünfgestaltigen Arten Uredosporen und überwinternde Teleutosporen bilden, desgleichen in dem Bau, der Entwicklung und der Keimung der gleichnamigen Organe ge- nau mit jenen übereinstimmen, aber niemals von einem Adecidium begleitet sind und Nährpflanzen bewohnen, auf welchen niemals ein Aecidium oder eine ähnliche Pilzform gefunden wird. So leben, um nur ein Beispiel herauszugreifen, auf unseren einhei- mischen und häufig cultivirten Gräsern wenigstens 10 Arten von Puccinia; aber niemals ist auf irgend einer Graminee eine Aeci- dium-ähnliche Uredineenform gefunden worden. Es fragt sich nun, ob bei solchen Arten die Entwicklung eines Aecidium un- terbleibt, übersprungen wird, oder ob sie etwa an anderen Or- ten als die Uredo- und Teleutosporen-Form zu suchen ist. Die zur Entscheidung dieser Frage angestellten Untersu- chungen haben mir zunächst für Puccinia graminis P. ein be- stimmtes Resultat ergeben. Es ist bekannt, dals dieser Parasit sehr häufig, sowohl unsere meisten Getreidearten, als auch viele wildwachsende Gramineen befällt, und unter den letzte- ren ganz besonders häufig und üppig auf der Quecke (Trizicum repens) vorkommt, welche seine eigentliche, ursprüngliche Nähr- pflanze zu sein scheint. Das Mycelium der Puccinia graminis gleicht in Beziehung auf seinen Bau und sein Wachsthum dem der übrigen Uredi- vom 12. Januar 1865. 23 neen. Es ist auch in perennirenden Gräsern einjährig. Ich konnte es immer nur im Umkreise der Fruchtlager finden und niemals in die auskeimenden Theile der Nährpflanze verfolgen, was bei Uredineen mit perennirendem Mycelium nicht schwer ist. Stöcke von Triticum repens und Poa pratensis, deren vor- jährige Halme und Blätter mit der Puccinia dicht bedeckt wa- ren, wurden zur genaueren Beobachtung im ersten Frühling in Cultur genommen und zwar theils im freien Lande, theils im Zimmer gezogen. Sie blieben während des ganzen folgenden Sommers und Herbstes von jeder Spur der Puccinia frei. Die Fruchtlager dieses Parasiten treten an allen grünen Thei- len der Nährpflanzen, vorzugsweise. jedoch an den Blattscheiden und den Halmen auf. Sie beginnen erst gegen den Sommer hin zu erscheinen; nach allen sicheren Angaben nicht vor den letzten Tagen des Mai oder Anfang Juni. Bei den Quecken, wo ich die Zeit ihres Auftretens genauer beobachten konnte, finden sie sich in reichlicher Entwicklung erst im Hoch- und Spätsom- mer; im verflossenen Sommer, fand ich, auf den sorgfältig con- trolirten Pflanzen, ihre ersten noch sehr vereinzelten Spuren am 7. Juli. Dieses späte Erscheinen zeichnet P. graminis sehr vor manchen ähnlichen grasbewohnenden Arten, zumal vor P. straminis aus, deren Uredo vom ersten Frühling an häufig gefunden wird. Die Fruchtlager brechen aus der weit aufrei- fsenden Epidermis in Form schmaler linienförmiger Streifen her- vor, welche auf der Blattlamina klein und kurz bleiben, auf Scheiden und Halmen Zolllänge erreichen können. Sie sind zuerst rostfarbig, bestäubt von den ovalen Uredosporen, und stellen in diesem Stadium die alte Uredo linearis P. dar. Sehr bald nehmen sie eine immer intensivere braune Farbe an, in- dem zwischen den Uredosporen immer zahlreicher werdende Teleutosporen auftreten. Die Bildung der letzteren erfolgt hier, im Gegensatze zu anderen ähnlichen grasbewohnenden Puccinien, immer in demselben Lager mit den Uredosporen und überall zwi- schen diesen. Sie beginnt schon sehr früh, lange bevor die der Uredosporen beendigt ist; man kann daher nicht selten fast reife Sporen von beiderlei Art dicht nebeneinander finden. Schliels- lich hört die Bildung von Uredosporen auf, während die der Teleutosporen fortdauert. Letztere bedecken zuletzt dicht 24 Gesammtsitzung aneinandergedrängt die ganze Oberfläche des Lagers und ver- leihen diesem durch ihre dunkelbraunen Membranen eine für das blofse Auge schwarze Farbe. Von solchen schwarzen wulstig vorragenden Teleutosporenlagern sind Scheiden und Halme der oben bezeichneten Gräser oft dicht überzogen. Die Entwicklung und der Bau von beiden Sporenarten sind die gleichen, welche von Tulasne und mir für verwandte For- men beschrieben worden sind (vgl. Fig. 1—3). Die Structur- und Formeigenthümlichkeiten, welche die Species vor anderen auszeichnen, werden in der Tafelerklärung beschrieben werden. Hier mufs nur die eine Besonderheit der Species noch hervor- gehoben werden, dafs im Spätjahre, wenn die Teleutosporen reichlich hervortreten, die Bildung von Uredosporen gänzlich aufhört. Man findet zuletzt nur noch Teleutosporen und keine frische Uredo mehr, während letztere bei anderen Arten fort- während neu auftritt, so lange die grünen Theile der geeigneten Grasarten vorhanden sind. In Beziehung auf die Keimungserscheinungen verhalten sich beiderlei Sporen der Pucc. graminis wie die gleichnamigen Or- gane anderer Arten. Die Uredosporen sind mit der Reife keimfähig; bei trocke- ner Aufbewahrung geht jedoch die Keimfähigkeit nach ein bis zwei Monaten verloren. Frisch gereifte Exemplare beginnen in feuchter Umgebung schon nach 2—3 Stunden Keimschläuche zu treiben; diese nehmen beim weiteren Wachsthum starke wel- lige Krümmungen an, treiben zahlreiche Zweige (Fig. 2), und treten in die Spaltöffnungen der Nährpflanze ein. In dem Pa- renchym der letzteren wachsen sie rasch zu einem Mycelium heran, welches neue Uredolager erzeugt. Bei meinen an Triti- cum vulgare angestellten Culturversuchen erscheinen letztere am achten Tage nach der Aussaat, 48 Stunden später als die ersten Lager der Pucc. straminis, deren Uredo mit dem ande- ren gleichzeitig auf die nämlichen Blätter gesät worden war. Die Teleutosporen keimen nach abgelaufener Winterruhe. Die Aussaat der von dem Promycelium gebildeten Sporidien ergab mir schon früher (vgl. Champ. paras. p. 86) das unerwar- tete Resultat, dafs die Keimschläuche in die Epidermis der te- leutosporentragenden Nährspecies nicht eindrangen. Auf [2 vom 12. Januar 1865. 25 den verschiedensten Theilen von Zriticum repens, Tr. vulgure, Avena sativa verhielten sie sich, wie wenn sie auf Glasplatten gesät worden wären: die Schläuche wandten sich ordnungslos nach den verschiedensten Richtungen und starben rasch ab, die besäte Graspflanze blieb intact. Neuerdings wiederholte Ver- suche ergaben das nämliche Resultat. Diese Erscheinung mufste zu der Vermuthung führen, dafs die Sporidienkeime eine andere Nährspecies als das Gras, von welchem sie herstammen, zu ihrer Entwicklung erfordern, und dafs sie auf dieser dann vielleicht das Aecidium erzeugen, welches, nach Analogie anderer Species, der Puccinia graminis zukommen mülste. Diese Vermuthung wurde durch die Thatsache unterstützt, dals auf manchen Pflan- zen häufig Aecidien gefunden werden, welche den zum Gene- rationscyclus von Puccinia gehörenden in jeder Beziehung glei- chen, ohne dals sie aber je von Uredo oder Teleutosporen be- gleitet sind oder letztgenannte Bildungen überhaupt auf dersel- ben Nährspecies mit dem Aecidium vorkommen. Ein solches 4e- cidium ist das auf der Berberitze so häufige Aec. Berberidis Gmel. Die angeführten Umstände und eine verbreitete Ansicht der Landwirthe, nach welcher durch die Nachbarschaft der Ber- beris auf dem Getreide der Rost erzeugt werden soll, bestimm- ten mich, die Sporidien von Puccinia graminis auf die Blätter von Berberis vulgaris auszusäen. Die Teleutosporen, welche zu den Versuchen dienten, waren theils auf Pon pratensis, theils auf den Blattscheiden von Triicum repens gereift. Sie wurden in feuchter Atmosphäre zur Keimung ge- bracht, und sobald sich die Promycelien zeigten, wurden Stücke der teleutosporentragenden Blätter und Scheiden auf ebenfalls in feuchter Luft gehaltene junge aber völlig entfaltete Berberisblätter gelegt. Nach 12 bis 24 Stunden waren die ausgestreuten blals röthlichen Sporidien auf den besäten Blättern mit blofsem Auge bemerkbar, die teleutosporentragenden Theile wurden dann entfernt. Bei den mit Blattstücken von Pon pra- zensis gemachten Aussaaten waren die Sporidien unregelmäfsig zerstreut. Zu der weitaus grölseren Mehrzahl der Aussaaten nahm ich cylindrische, mit Puccinia dicht bedeckte Stücke der Blattscheiden von Tri. repens. Wo diese dem Berberisblatte auflagen, entwickelten sich, desDruckes und der übermälsigen Nässe 26 Gesammlsitzung wegen, keine oder nur wenige Sporidien; letztere waren daher nach Entfernung des Aussaatmaterials in zwei parallelen brei- ten Streifen auf die Blattfläche gestreut. Von den besäten Berberisblättern wurden nun zunächst zu wiederholten Malen Epidermisstücke 24 bis 48 Stunden nach Ausstreuung der Sporidien mikroskopisch untersucht. Letztere hatten in Masse gekeimt und überall sah man eine Menge von Keimschläuchen die Wand der Epidermiszellen durchbohren und ins Innere dieser eindringen. Die hierbei stattfindenden Er- scheinungen (Fig. 4, 5) waren genau die gleichen, welche ich früber (l. c.) für die Sporidienkeime anderer Uredineen be- schrieben habe. Das Eindringen fand sowohl auf der oberen als auf der unteren Blattfläche statt und die eingedrungenen Schläu- che hatten vielfach schon nach 24 Stunden innerhalb der Epi- dermis 2—3 Zweige getrieben. Diese Beobachtungen lielsen mit Bestimmtbeit fernere positive Erfolge der Versuche erwar- ten, denn meine früheren Untersuchungen hatten für viele Fälle gezeigt, dals diejenigen Keime parasitischer Pilze, welche die Wand der Epidermiszellen zu durchbohren bestimmt sind, nur in die zu ihrer Weiterentwicklung geeignete Nährpflanze ein- dringen. Von den besäten Berberisblättern wurde daher eine An- zahl weiter cultıvirt. Zu einer ersten Reihe von Versuchen dienten sieben ab- geschnittene Blätter, welche, auf einer Glasplatte liegend, unter einer Glasglocke feucht erhalten wurden. Am 31. Mai wurden teleutosporentragende Scheidenstücke von Tr. repens aufgelegt, am 1. Juni waren die Sporidien in den oben erwähnten Paral- lelstreifen ausgestreut. Schon am 9. Juni erschienen längs der letzteren auf fünf der besäten Blätter zahlreiche gelbliche Fleck- chen, innerhalb welcher mit blofsem Auge und mit dem Mikroskop Spermogonien erkennbar waren, die denen des gewöhnlichen Aecidium Berberidis durchaus glichen. Am 11. Juni waren die Flecke von zahlreichen Spermogonien bedeckt. Auf zwei Blät- tern von den sieben fand keine Pilzentwicklung statt. Mehrere andere ebenso angestellte Versuche ergaben das nämliche Re- sultat, nur dafs die Spermogonien manchmal schon am achten Tage nach der Aussaat vorhanden waren. . vom 12. Januar 1865. 27 Eine zweite Reihe von Aussaatversuchen machte ich an vier abgeschnittenen kräftigen Sommertrieben der Berberis. Die- selben waren von einem Strauche genommen, der auf einzelnen Blättern Aecidium trug, die Triebe selbst jedoch völlig gesund und pilzfrei. Sie wurden durch Eintauchen ihrer unteren Schnittenden in Wasser frisch und durch Überdecken einer grolsen Glasglocke feucht erhalten und am 31. Mai auf je zwei Blättern mit Puccinia-Sporidien besät. Am 9. und 11. Juni zeigten die besäten Blätter die nämlichen Erscheinungen wie die der ersten Versuchsreihe, die übrigen blieben von 4ecidium frei. Zur Controle des Versuches wurden von dem gleichen Berberisstrauche sechszehn gesunde, pilzfreie und den besäten möglichst ähnliche Triebe an dem nämlichen Tage wie letztere abgeschnitten und gerade so behandelt, nur dafs die Puccinia- Aussaat unterblieb. Bis zum 12. Juni, wo sie hegannen faul und schwarz zu werden, zeigte sich an ihnen keine Spur von decidium. In den Versuchen mit abgeschnittenen, unter Glasglocken gehaltenen Theilen begannen die Blätter immer nach einer bis zwei Wochen zu faulen und die Entwicklung des Parasiten blieb bei der Spermogonienbildung stehen, Sporenbehälter ka- men nicht mehr zu Stande. Ich stellte daher eine dritte Reihe von Cultnrversuchen folgendermalsen an. Aus einer Baunischule wurden sechs unverzweigte, gesunde und pilzfreie drittjährige Sämlinge von Berberis genommen und einzeln in Töpfe gepflanzt. Vier derselben erhielten im Laufe des Junı auf eine Anzahl be- zeichneter Blätter Puccinia-Aussaat. Während 24 bis 48 Stun- den nach dem Besäen wurden sie unter Glasglocken in feuch- ter Luft gehalten, nachher wie andere Topfpflanzen behandelt. Am sechsten bis zehnten Tage nach der Aussaat erschienen auf den besäten Blättern, und zwar, wo Blattscheiden der Quecke angewendet worden waren, wiederum längs der beiden Paral- lelstreifen, gelbe Flecken mit einzelnen Spermogonien, am neun- ten bis zwölften Tage waren letztere in Unzahl vorhanden und zwar auf beiden Blattflächen; wenige Tage später begannen auf der Blattunterfläche die cylindrischen Aecidium - Sporenbehälter hervorzutreten. Anordnung, Entwicklung und Bau der letzte- ren, so wie der Spermogonien, waren vollkommen die gleichen, 28 Gesammtsitzung o welche man von dem im Freien wachsenden Berberis-Aecidium kennt, nur dals die Sporenbehälter, weil sie vor dem Zerfallen sorg- fältig geschützt waren, eine grölsere (manchmal 2 Millim. über- treffende) Länge erreichten, als sie im Freien in der Regel zeigen. Je jünger und zarter die besäten Blätter waren, desto rascher und kräftiger entwickelte sich der Pilz auf ihnen; auf den jüngeren manchmal in einer Üppigkeit wie man sie im Freien selten sieht. Zur Controle der eben beschriebenen Cul- turversuche dienten erstlich die ohngefähr 200 gleichalten in der Baumschule gebliebenen Sämlinge. Einzelne dieser hatten zur Zeit, als jene sechs Stück eingepflanzt wurden (31. Mai), auf ihren ältesten Blättern einige alte Aecidiumpustelchen ge- zeigt. Nach dem bezeichneten Zeitpunkte trat an ihnen kein einziges neues dAecidium auf. Ferner erhielten zwei von den Topfpflanzen keine Puccinia-Aussaat; auch sie blieben von Aecidium den ganzen Sommer über frei. Nach diesen Resultaten ist es unzweifelhaft, dals das bei uns verbreitete Berberis- decidium aus den Sporidienkeimen der Puccinia graminis entsteht und die dem Entwicklungskreise die- ser Species angehörende Aecidiumform darstellt. Die auf Berberis gereiften Aecidiumsporen keimen gleich denen anderer Aecidien (Fig. 6.); ihr zartwandiger Keimschlauch ist stark wellig oder spiralig gebogen und oft reich verzweigt. Ich habe- die Keimung mehrmals bei Aussaaten auf den Object- träger beobachtet, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle aber keine Keimung erhalten können, mochte ich die reifen Spo- ren ganz frisch, oder nach mehrtägiger oder mehrwöchentlicher Austrocknung anwenden. Noch ältere, einige Monate lang auf- bewahrte Sporen haben ihre Keimfähigkeit ganz verloren, sie sind fast farblos oder werden es, sobald sie in feuchte Umgebung kommen. Worin dieses häufige Fehlschlagen meiner Keimungs- versuche seinen Grund hat, vermag ich nicht anzugeben; lei- der aber fand es auch bei den Aussaaten von Aecidiumspo- ren auf die Blätter und Blattscheiden solcher Grasarten statt, welche die Uredo und Teleutosporen der Puccinia graminis zu tragen pflegen. Ich war daher bis jetzt nicht im Stande, die letzteren aus den Aecidiumsporen wiederum zu erziehen. Nichtsdestoweniger wird man zugeben, dafs schon auf Grund vom 42. Januar 1865. 29 * der bisher mitgetheilten Thatsachen kaum ein Zweifel daran sein kann, dals die Keimschläuche der Aecidiumsporen in die Stomata der Gramineen eintreten und hier zu dem Uredo- und Teleutosporen-bildenden Mycelium heranwachsen. Dies wird voll- ends unzweifelhaft durch Versuche, welche von Landwirthen angestellt wurden, um zu prüfen, ob die Nachbarschaft der Ber- beris auf dem Getreide Rost erzeuge. Ich werde auf diese Versuche unten zurückkommen und will hier deren nur zwei erwähnen. Der erste derselben wurde im Jahre 1818 von C. v. Bönninghausen bekannt gemacht '). Dieser fand zunächst dals Waizen, Roggen, Gerste, welche er in die Nähe eines Aecidium-tragenden Berberisstrauches gesät hatte, sowie auch die dort befindlichen Quecken, von dem Roste befallen wurden, und zwar erst einige Zeit nach der Reife des Aecidium. Da wo die Sporen des letzteren durch den Wind am meisten hin- geführt werden konnten, war der Rost am meisten entwickelt. Im folgenden Jahre wurde das Nämliche beobachtet; ferner wur- den die Sporen des Aecidium gesammelt und auf einige bezeich- nete Pflanzen gesunder Roggenfelder gebracht. Nach fünf bis sechs Tagen erschien auf diesen Pflanzen der Rost, während die übrigen auf denselben Feldern nichts von demselben zeigten. — Im Jahre 1863 ?) wurde in dem botanischen Garten der land- wirthschaftlichen Academie zu Proskau Winterroggen rings um Berberisbüsche gesät. 1864 zeigten letztere sämmtlich Aeci- dium, das um Mitte Mai zu reifen begann, und der Roggen wurde dann von Rost über und über befallen; die ersten Spu- ren des letzteren erschienen schon am 26. Mai. Von benach- barten wild wachsenden Gräsern war es wiederum die Quecke, auf welcher der Rost gleichfalls reichlich auftrat. Andere, von den Berberitzen entferntere Roggenstücke desselben Gartens. und seiner Umgebung blieben vom Roste frei. Dafs es sich bei diesen Versuchen um die Puccinia graminis P. und nicht um eine andere grasbewohnende Uredinee handelte, geht theils !) Möglin’sche Annalen d. Landw. Band IV, p. 280, nach W. Fun- ke’s Gitat. *) Vergl. den Bericht hierüber von W. Funke, im landw. Central- blatt, 1864, p. 408. 30 Gesammtsitzung aus der Beschreibung v. Bönninghausen’s deutlich hervor, theils bin ich durch die Güte des Hrn. Director Settegast in den Stand gesetzt worden, mich hiervon an den Proskauer Versuchs- pflanzen durch eigene Untersuchung bestimmt zu überzeugen. Bei Aussaaten von Aecidiumsporen auf Berberisblätter er- folgte gleichfalls keine Keimung; die Beobachtung spricht daher nicht dafür, dals das Aecıdıum der Berberitze direct aus Aecidium zu entstehen vermag. Nach den Erfahrungen bei anderen Species ist Grund vorhanden zu der Annahme, dals dies nicht geschieht, und eine entschiedene Unterstützung, für diese Annahme liegt in der Thatsache, dafs je mehr die Bildung und Ausstreuung der Sporen an den Aecidien eines Berberisstrauches fortschreitet, desto seltener das Auftreten neuer Aecidiumgruppen wird. Von den Keimschläuchen der Uredosporen von Pucc. gra- minis wurde schon oben angegeben, wie sie durch die Spalt- öffnungen in das Parenchym der geeigneten Gramineen eintre- ten und sich hier weiter entwickeln. Auf Berberisblättern ver- halten sie sich wie andere Uredo-Keimschläuche auf ungeeigne- ten Nährpflanzen '): ihre Enden treten eine kurze Strecke weit in die Spaltöffnungen ein oder setzen sich auch wohl diesen blo[s aulsen auf, dann steht ihr Wachsthum für immer still und das besäte Blatt bleibt pilzfrei. Falst man das Resultat der beschriebenen Untersuchungen kurz zusammen, so stimmt der Entwicklungsgang der Puccinia graminis mit dem der verwandten Pucc. Tragopogonis, Viola- rum, reticulata u. s. w. überein. Überwinternde Teleutospo- ren, Promycelium, Sporidien, Aecidium mit Spermogonien, Uredo und endlich wiederum Teleutosporen werden in der gleichen Succession erzeugt und die gleichnamigen Organe zeigen über- all die gleichen Entwicklungserscheinungen. Während aber jene Arten ihre ganze Entwicklung auf einer und derselben Nähr- pflanze durchmachen (sei es, dals sie überhaupt nur eine Phane- rogamenart bewohnen, oder dals sie zwischen mehreren die Wahl haben), ist der Generationswechsel der Pucc. graminis mit Nothwendigkeit an einen Wechsel des Wirthes gebunden: ‘) S. meine Champ. paras. p. 78. vom 12. Januar 1865. 31 die Entwicklung des Aecidium aus den Sporidien findet nur auf Berberis vulgaris (und vielleicht ıhren nächsten ausländischen Verwandten) statt, die Entwicklung der übrigen Fortpflanzungs- organe aus den betreffenden Keimen nur auf Gramineen. Nach den mitgetheilten Thatsachen könnte es allerdings zweifelhaft erscheinen, dals sich das Aecidium der Puccinia gra- minis auf Berberis allein, und nicht auch noch auf anderen, Nichtgräsern ausbilden kann, denn Aecidien, welche dem Ber- beris bewohnenden ähnlich und nie von Uredo oder Teleuto- sporen begleitet sind, kommen auch noch auf anderen Phanero- gamen, z. B. Ahamnus, Urtica u. s. w. vor. Ich will mir hier- über kein allgemein absprechendes Urtheil erlauben, kann jedoch soviel bestimmt behaupten, dafs das Aecidium auf Ahamnus nicht in den Entwicklungskreis der Puccinia graminis gehört. Zahlreiche Aussaatversuche haben mir gezeigt, dals die Spori- dienkeime dieses Parasiten in die Blätter von Rhamnus Fran- gula und Rh. cathartica nicht eindringen, und dafs auf den damit besäten Blättern keine Uredineenform auftritt. Mit der oben ausgesprochenen Ansicht scheint eine in my- cetologischen Werken verzeichnete Beobachtung im Wider- spruch zu stehen. Montagne') hat eine Puccinia Berberidis beschrieben, welche in Chili auf den Blättern der Berberis glauca DC., und zwar in Geselischaft von Aecidium Berberidis vorkommt. Die Untersuchung von Montagne’schen Origi- nalexemplaren, welche sich im Kunze’schen Herbarıum in Leip- zig befinden, hat mir aber gezeigt, dafs dieser Widerspruch ein blols scheinbarer ist. Das Aecidium, welches in Gesellschaft besagter Puccinia vorkommt und ohne allen Zweifel mit ihr aus demselben Mycelium entspringt, ist zwar allerdings insofern es auf einer Berberis wächst, ein Aecidium Berberidis, es hat auch, gleich allen Aecidien, im Wesentlichen denselben Bau, wie das auf unserer Berderis vorkommende; es ist aber von diesem, selbst in den 30 Jahre alten ausgebleichten Herbariumsexempla- ren, auf den ersten Blick dadurch verschieden, dals die Zellen seiner Wand (Peridie, Pseudoperidie) in allen Theilen noch *) Montagne, in Gay, Flor. Chil. VII, p. 46; Sylloge, pag. 314 (Puc- cinia Berberidis Mont.). 32 Gesammtsilzung einmal so grols und seine Sporen durchschnittlich bedeutend grölser sind, als bei der europäischen Art. Die Teleutospo- renlager, mit denen. es zusammengehört, unterscheiden sich sehr wesentlich, nicht nur von denen der Puceinia graminis, sondern von denen aller mir bekannten europäischen Uredineen. Um bier nicht allzu weitläufig zu werden, behalte ich mir ihre nä- here Beschreibung für eine spätere Gelegenheit vor. Es wird zweckmäfsig sein, die Eigenthümlichkeit der Pucc. graminis, zur vollständigen Entwicklung den Wirth wechseln zu müssen, mit einem besonderen Ausdruck zu bezeichnen, und ich möchte vorschlagen, solche Parasiten, deren Metamorphose und Generationswechsel noihwendig an einen Wechsel der Nähr- species gebunden ist, heteröcische, die andern, welche ihre ganze Entwicklung auf demselben Wirthe durchlaufen können, autöcische zu nennen. Im Thierreiche kommt die He- teröcie bei den Tänien und Trematoden bekanntlich vielfach vor; von parasitischen Pilzen ist 2. graminis der erste, bei dem sie mit Bestimmtheit bekannt wird, denn andere Pilze, an wel- che man hier denken könnte, wie Claviceps und sonstige scle- rotienbildende Arten, Polystigma ruörum u. a. m. bilden zwar ihre verschiedenen Entwicklungsglieder an verschiedenen Orten aus, sind aber nur in einem Lebensstadium Schmarotzer und zehren nachher von der auf Kosten ihres Wirthes aufgespei- cherten Reservenahrung; sie gehören daher streng genommen nicht hierher. Puce. graminis wird jedoch schwerlich lange das einzige Beispiel für die Heteröcie perasitischer Pilze blei- ben, vielmehr dürfte mit dem ersten Nachweis der letzteren der Schlüssel zur Ermittelung vieler gegenwärtig noch räthsel- hafter Pilzentwicklungen gefunden sein. Ein Blick auf die bekannten Formen der Uredineenfamilie gibt, wie ich glaube, für diese Vermuthung unzweifelhafte Gründe an die Hand. Aus den Gattungen Puccinia und Uromyces zu- nächst kennt man, neben zahlreichen autöcischen Arten, eine ganze Reihe solcher, die, wie die oben schon genannten Beispiele, mit der P. graminis darin übereinkommen, dafs sie ihre Teleutosporen und Uredo auf Nährpflanzen ausbilden, vom 12. Januar 1865. 33 \ welchen niemals Aecidien vorkommen. Die Entwicklung ‘und insonderheit die Keimungserscheinungen ihrer successiven Formen sind die gleichen wie bei P. graminis,;, man hat somit allen Grund eine Übereinstimmung der ganzen Entwick- lung und somit auch eine Heteröcie für diese Arten anzuneh- men. Man kann aber wohl noch einen Schritt weiter gehen, ohne Gefahr zu laufen, sich in grundlose Vermuthungen zu ver- lieren. Tulasne’s Untersuchungen haben uns eine Anzahl von Gattungen — Melampsora, Coleosporium, Phragmidium, Tri- phragmium, Gronartium — kennen gelehrt, welche von Pucci- nia und Uromyces zwar gut unterschieden, aber doch mit Uredo, Teleutosporen, Promycelium und Sporidien versehen sind, die mit den gleichnamigen Organen der zwei letztgenannten Gattungen in der Hauptsache völlig übereinstimmen. Dies läfst mit Grund auf eine Übereinstimmung des ganzen Entwicklungsganges schlie- [sen und eine solche fordert die Entstehung eines Aecidium’s oder einer homologen Form aus den Sporidienkeimen. Die meisten Arten jener Genera bewohnen Pflanzenarten, auf denen kein Aecıdıum vorkommt, sie werden daher heteröcisch sein. Eine directe Beobachtung, welche hierfür spricht, habe ich schon früber mitgetheilt: die Sporidienkeime von Coleosporium Senecionis und Campanularum drangen nicht in die Blätter von Senecio vulguris und Campanula Rapunculus ein, auf welchen die Teleutosporen gereift waren, und in denen die Uredokeime sich weiter entwickelten. Ähnliches habe ich bei Aussaat der Sporidienkeime von Melampsora populina Tul. auf junge Blät- ter von Populus nigra beobachtet. Auf der anderen Seite. gibt es eine Menge so zu sagen herrenloser Aecidien und ganz ähnlicher, bisher als Repräsentan- ten eigener Genera betrachteter Formen, deren Entwicklung und hesonders auch Keimung die gleichen sind, wie bei den un- zweifelhaft zu Puccinia gehörenden Aecidien, welche aber, wie das Aecidium der Berberitze, Nährspecies bewohnen, auf denen weder Uredo noch Teleutosporen vorkommen. Ich erinnere nur an die allbekannten Beispiele des Aecidium Rhamni P., A. Urticae Schum., 4. Asperifoli P., an die Roeszela- Arten und die Co- niferen-bewohnenden Aecidien, welche Peridermium genannt [1865.] 3 34 Gesammtsitzung wurden. Nach den Beobachtungen an dem Aecidium des Sauer- dorns und dem 4ec. Asperifoli‘), dessen in die Spaltöffnungen eintretende Keimschläuche sich in den Nährpflanzen, welche es tragen, nicht weiterentwickeln, dürfte es unzweifelhaft sein, dafs diese bis jetzt herrenlosen Aecidiumformen zur Generations- reihe heteröcischer Uredineen gehören. Das Zusammensuchen der Entwicklungsglieder heteröcischer pflanzenbewohnender Schmarotzerpilze hat seine eigenthümlichen Schwierigkeiten. Das Beispiel der Puccinia graminis zeigt, dals hier zwischen den verschiedenen Wirthen einer Species so auffal- lende Beziehungen nicht bestehen, wie sie im Thierreiche z. B. das Auffinden der zusammengehörenden Cysticerceen und Taenien bedeutend erleichtern. Immerhin sind jedoch zwischen den ver- schiedenen Wirthen der Puccinia graminis bestimmte biologische Beziehungen nicht zu verkennen, nur muls man diese nicht in den Getreidefeldern, sondern in der wildwachsenden Vegetation, zwischen der Berberitze und solchen Gräsern, die mit ihr un- zweifelhaft gleiches Vaterland haben, suchen. Die Gramineen, auf welchen die Teleutosporen der P. graminis sich vorzugs- ‘weise entwickeln und überwintern, wie Agrostis vulgaris, Pon nemoralis und vor allen anderen Trisicum repens, finden sich in unbebauten Gegenden überall in Gebüschen und suchen auch im cultivirten Lande allenthalben den Schutz von Hecken und dergleichen auf. Sie bewohnen somit die gleichen Orte wie die spontane oder gepflanzte Berberitze und es ist daher überaus leicht möglich, dals an solchen Orten die geeigneten Sporen von der einen Nährspecies auf die andere gelangen. Ähnliche‘ Beziehungen werden ohne Zweifel auch zwischen den Wirthen | anderer heteröcischer Pflanzenparasiten bestehen und durch Auf-. suchung derselben wird die genauere Erforschung der letztern‘ erleichtert werden können. Es wurde oben erwähnt, dafs meinen Culturversuchen mit Puccinia graminis der Weg theilweise vorgezeichnet worden ist! durch eine bei den Landwirthen verbreitete Ansicht, derzufolge ‘) S. meine Champ. parasites, p. 85. vom 12. Januar 1865. 35 die Nachbarschaft der Berberitze das Auftreten des Rostes an dem Getreide verursachen soll. Nach den mitgetheilten Resul- taten verlohnt es sich wohl der Mühe, auf diese Ansicht zurück- zukommen, um nach ihrem Ursprung, ihrer Verbreitung und ihren Schicksalen zu fragen. Was ich hierüber ermitteln konnte, stelle ich in Folgendem zusammen. Ich thue dies allerdings in dem Bewulstsein, dals meine Zusammenstellung von Vollstän- digkeit sehr weit entfernt ist, denn die litterarischen Hülfsmit- tel, mit welchen letztere einigermalsen erreichbar wäre, stehen mir zur Zeit nur sehr spärlich zu Gebote, und wenn ich auch durch die freundliche Unterstützung der Hrn. Grisebach, Julius Kühn, Buchenau, Fleischer in meinen Nachfor- schungen sehr wesentlich gefördert wurde, so war ich doch aufser Stande, zumal die ältere landwirthschaftliche Journallitte- ratur so zu benutzen, wie es für eine gründliche historische Specialuntersuchung erforderlich gewesen wäre. Ich mufs daher einstweilen auf die Nachsicht der Leser rechnen. Die erste Erwähnung der Schädlichkeit der Berberitze für das Getreide finde ich in dem 1774 erschienenen vierten Bande der oeconomischen Encyclopädie von Krünitz. Hier heilst es (p. 198) von den Berberitzen: „Man hat sie ohne Grund beschuldigt, dals sie in dem nahe dabei stehenden Korn den Brand verursachten, weswegen dieselben sogar aus den Zäu- nen um die Landgüter verbannt werden.” Hiernach muls die Meinung von der bezeichneten Schädlichkeit des Sauer- dorns schon vor 1774 beetanden haben; aber in ältern Büchern finde ich sie nirgends erwähnt, auch Windt hat, seiner unten zu nennenden Schrift zufolge, vergebens darnach gesucht. Tull') und Duhamel?) reden um die Mitte des 18. Jahrhunderts ausführlich vom Roste des Getreides und seinen um die dama- lige Zeit in der Einwirkung giftiger Nebel gesuchten Ursachen, ') Jethro Tull, Horse hoveing husbandry. Erste Ausg. London 1733. Ich kenne von dem Buche nur die 1750 erschienene, von Duhamel be- sorgte französische Bearbeitung (Traite de la culture des Terres, suivant les principes de Mr. Tull, Anglais). *) Elements d’Agriculture, Paris 1763. 3 x 36 Gesammtsiltzung ohne dabei der Berberitze zu gedenken. In einer Notiz vom Jahre 1781 redet Marshall‘) von dem Vorurtheil gegen die Berberitze, als von einem bei den Landleuten der Grafschaft Norfolk seit lange eingewurzelten, und ein Reisebericht von Schöpf?) aus dem Jahre 1788 lautet folgendermalsen: „Der „gemeine Berberitzenstrauch steht in Neu-England in übe- „lem Ansehen. Man schuldigt ihn, dafs seine Nachbarschaft „dem Gedeihen des Waizens und anderer Feldfrüchte hinder- „lich sei. Ob er positiv oder negativ schade, d.i. ob er durch „eigenen verderblichen Dunstkreis oder durch Aufsaugung der „besseren Säfte des Bodens sich dieses zu Schulden kommen „lälst, konnte oder wollte vielleicht noch niemand entscheiden. „Unterdessen hat man aber gegen den armen Berberitzenstrauch „ein strenges Gesetz ausgehen lassen, zufolge welches die Land- „leute schuldig sind, an jeder dieser sonst harmlosen Stauden, „wo sie sich nur immer betreffen lälst, ohne weitere gericht- „liche Anfrage, das Todesurtheil zu vollziehen. Gibt ihnen je- „mand auf seinen Ländereien Schutz, so ist sein Nachbar be- „rechtigt solche zu verheeren und kann nachher noch den trä- „gen oder unglaubigen Dulder wegen Schaden oder Mühe be- „langen.” Auch Angaben in Youngs Annalen’), bei Sir Jos. Banks, Windt, Baron v. Monteton u. A. aus den Jahren 1804 bis 1806 stimmen dahin überein, dafs die Schäd- lichkeit der Berberitze den Landleuten in England, im Bücke- | burgischen und in der Mark Brandenburg „seit vielen” oder seit 42, 13 Jahren bekannt sei. Allgemeinere Aufmerksamkeit wurd& der Sache zugewendet | - seit 1805, theils durch eine kleine, aber besonders von den | Botanikern beachtete Schrift von Sir Jos. Banks‘), theils | — *) Marshall, The rural economy of Norfolk. 2d. Edition, vol, II, | p- 19. *) Joh. Dav. Schöpf, Reise durch die mittleren und südlichen verei- | nigten Nordamerikanischen Staaten. Erlangen 1788. Theill, p. 56 (nach | Windt u. d. Hannöverschen Magazin, 1805, No. 47). °) Annales of Agriculture etc. by Arthur Young. Vol. 42. London | 1804, p. 21; reproducirt (nach Windt) in d. Landw. Zeitung 1806, No. 12. \ *) A short account of the cause of the disease in corn, called by ihe " farmers the Blight, the Mildew and the Rust. London 1805. 31 pag. with | | vom 12. Januar 1869. 37 ' durch den Gräflich Schaumburg-Lippe’schen Kammerrath G. L. Windt. Dieser kam, wie er sagt, durch eigene Beobachtun- gen und ohne von der Meinung Anderer zu wissen, im Jahre 1804 auf die Vermuthung, die Berberitze erzeuge den Rost auf dem Getreide, prüfte dieses durch Versuche, liels die Landleute ihre Ansichten darüber vor Amt zu Protokoll geben, erliels Anfragen in öftentlichen Blättern, und stellte alles, was er er- mitteln konnte, sorgfältig in einem Büchlein ') zusammen. Windt’s öffentliche Anfragen riefen eine ganze Anzahl meist zustimmender Antworten hervor, welche in dem Reichsanzeiger und dem Hannöverschen Magazın von 1805 (ob auch in späte- ren Jahrgängen ist mir unbekannt) veröffentlicht sind. In den nächstfolgenden Decennien traten zahlreiche entschie- dene Vertreter der rosterzeugenden Wirkung von Berberis ın Zeit- schriften und Lehrbüchern auf?)und Y vart behandelte dieselbe 1816 abermals in einer besonderen Broschüre?). Von den dreilsiger _ a plate. Übersetzt in Landw. Zeitung 1806, und gröfstentheils reprodu- | eirt in Krünitz, Encyclopädie, Band 127, Artikel Rost. « *) L. G. Windt, der Berberitzenstrauch, ein Feind des Wintergetrei- des. Aus Erfahrungen, Versuchen und Zeugnissen. Bückeburg u. Han- nover (Hahn) 1806. 8. 172 Seiten. *) So Knight, on the prevention of mildow. Transact. hort. Soc. London 1817, p. 82. v. Bönninghausen, über die schädlichen Wirkungen des Sauer- dorns, in Möglin’sche Ann. d. Landw. Band 4, p. 280 (1813). Schwarz, Anleitung z. pract. Ackerbau. Bd. 2, p. 163 (1825). Magneville, Memoire sur la rouille des bles und - Wheatcroft, Observations sur !’influence maligne de l’epine vi- nette, beide in den Memoires de la soc. d’agricult. de Caen, Tom. III. (1830). Vietrof, in Mem. soc. d’agr. de Caen 1806 (nach Leveille). Leveille citirt unter den Gegnern der Schädlichkeit der Berberitze noch Arth. Young und Morse, deren auf unsere Frage bezüglichen Äulserun- gen mir unbekannt geblieben sind. Auch Willdenow, in Weber und Mohr’s Beitr. z. Naturkunde 1, 139 (1805) ist zu vergleichen. °) J. A. V. Yvart, Objet d’interet public, recommande & l’attention du gouvernemeni et de tous les amis de l’agriculture. Paris 1816. (Nach Hlubeck, Landwirthschaftslehre, und Pritzel, Thesaurus. Ich habe das Büchlein nicht gesehen.) 38 Gesammtsitzung Jahren an tritt die in Rede stehende Ansicht, wie es scheint, seltener an die Öffentlichkeit; ihre Vertreter sind offenbar ein- geschüchtert durch das strenge Verdammungsurtheil, welches von Seiten der botanischen Mikroskopiker gegen sie ausgespro- chen wurde. In landwirthschaftlichen und botanischen Büchern ') wird sie nur kurz und meist zweifelnd oder verwerfend er- wähnt. Dals sie dessenungeachtet im Stillen fortbestand, dafür liefern schon die alsbald zu erwähnenden gerichtlich abgeurtheil- ten Fälle einen hinreichenden Beweis. Eine Procelsentschei- dung zu Gunsten der Berberitze veranlafste endlich in diesem Jahre (1864) den Vorstand der Ackerbauschule zu Lehrhof bei Ragnit (Ostpreulsen), Hrn. O. Settegast, von neuem mit Entschiedenheit gegen die Berberis aufzutreten ?). Gerichte und Verwaltungsbehörden sind öfters durch den in Rede stehenden Gegenstand in Anspruch genommen worden. Das grausame Gesetz der Neuengländer wurde schon oben mit- getheil.e. Windt erwirkte durch wiederholte Vorstellungen einen Befehl der Gräflich Lippe’schen Landesregierung, nach welchem alle Berberitzensträucher aus Feldhölzern, Hecken, Gärten, Feldern oder wo sie sich finden möchten vor dem De- cember 1805 ausgerotiet werden, und derjenige, welcher den Strauch fernerhin auf seinem Besitzihum hege, zwei Thaler Strafe erlegen sollie.e Im Frübjahr 1815 kam die Sache vor den Se- nat der Stadt Bremen’). Mehrere Dorfschaften hatten sich *) Kurze Erwähnung findet sich bei: Meyen, Pflanzenpatholog. p- 133; Treviramus, Physiol. d. Gew. p. 789, 793; Unger, Exan- theme p. 334; Schlipf, Lehrb. d. Landw. f. d. Mittelstand II, p. 74; Idem, Popul. Handb. d. Landw. 3. Aufl. p. 98; Hlubeck, Landwirth- schaftslehre. 2. Aufl. (1853) p. 395; Pabst, Lehrb. d. Landw. 5. Aufl. (1860) I, p. 252 etc. etc. — Bestimmier treten in neuerer Zeit für die Schädlichkeit der Berberis auf: A. v. Lengerke, Darstellung d. Landw. ind. Herzogth. Mecklenburg I, 197 (1831); Rothe, Die rechte Mitte in Beziehung auf Landw., 2. Aufl. (Lissa 1854) p. 69; Ratzeburg, Standorisgewächse u. Unkräuter (1859) p. 70 u. 442. — Mehrere dieser Angaben verdanke ich der freundlichen Mittheilung von Prof. J. Kühn. ?) Ann. d. Landw. in d. K. Preuls. Staaten, 1864. Wochenblatt No. 42. °) Den betreffenden Bericht verdanke ich der Freundlichkeit von Dr. Buchenau in Bremen. vom 12. Januar 1865. 39 | über die Anpflanzung der Berberitzen in der Nähe ihrer Fel- der heschwert, „als wodurch nach einer vieljährigen Erfahrung ihr Getreide gänzlich verdorben würde”. Auf Grund gutacht- licher Berichte von Windt, Prof. Mertens, Dr. Roth und Prof. Hausmann (welcher letztere sich gegen jede Einwir- kung der Berberis aussprach) verfügte dann die genannte Be- hörde, am 22. Mai 1815, es seien die Berberitzen binnen acht Tagen bis auf 500 Fuls vom Ackerlande durch die Güterbe- sitzer zu entfernen und nicht wieder anzupfianzen, widrigen- | / | | falls sie von der Polizei auf Kosten der Eigenthümer wegge- räumt würden. Im Winter 18% kam die Sache abermals vor die nämliche Behörde '). Die Bewohner eines Dorfes im Bre- mischen Gebiet verlangten, auf Grund der alten Verordnung, die Entfernung der Mahonien aus den benachbarten Gärten, da (nach dem Ausspruche eines milsvergnügten Gärtners, der die Landleute aufgehetzt hatte) die Mahonia auch eine Berberis sei. Die Beschwerdeführer wurden jedoch beruhigt. In Würtiem- berg sind die Eisenbahnen hie und da mit Berberitzen einge- friedigt, und dies veranlalste die Gemeinden mehrfach auf amt- liehem Wege die Ausrottung dieser Einfriedigungen zu bean- tragen. 1863 wurde, in Folge einer solchen Klage, bei dem Oberamt Ludwigsburg von der K. Centralstelle eine Untersu- chung und Begutachtung des Sachverhalts angeordnet?). Die neueste hierhergehörige Sache ist endlich ein beim Kreisgerichte Ragnit anhängiger Entschädigungsprocels °). Eine Baumschule in der Nähe genannter Stadt war mit einer Hecke, in der sich viele Berberitzen befanden, eingezäunt worden, und seitdem wurde auf den anstolsenden Äckern der Roggen jedesmal durch Rost zerstört. Der Besitzer der Äcker brachte eine Schaden- ersatzklage gegen den der Baumschule vor Gericht, und der *) Den Bericht hierüber verdanke ich gleichfalls der freundlichen Mittheilung von Dr. Buchenau. ") S. Fleischer, über den Einfluls der Berberitzen (Erbselen) auf das Getreide. Wochenblatt f. Land- u. Forstw. d. K. Württemb. Central- stelle £. Landw. 1864, No. 5 u. 6. *) Vgl. die Mittheilung von O. Setitegast in Ann. d. Landw. ind. K. Preufs. Staaten, Wochenblatt, No. 42, 1864. Auch Landw. Central- blatt, 1864, S. 151 u. 383, 40 Gesammtsitzung Eigenthümer der Hecke wurde, auf Grund eingeholter Gutach- ten, in erster Instanz verurtheilt, in zweiter freigesprochen. — Es ist kaum zu bezweifeln, dafs den Behörden noch weit mehr Fälle, als die hier erwähnten, zur Aburtheilung vorgelegen haben. Sucht man nach den vorstehenden Daten die Verbreitung der Ansicht von der Schädlichkeit der Berberis zu bestimmen, so geht diese über England, Nordfrankreich, ganz Norddeutsch- land, Provinz Posen und die russischen Ostseeprovinzen; nach Oer- sted’s unten zu nennender Arbeit herrscht sie auch in Dänemark. Neu-England wurde schon oben erwähnt. Von südlicheren, wärmeren Ländern ist mir nur Würtemberg bekannt, wo sie nach Prof. Fleischer’s Versicherung (l. c. und in brieflicher Mittheilung) durch Schwerz eingebürgert worden ist. In der hiesigen südwestlichen Ecke Deutschlands kennt man sie, nach meinen Erkundigungen, nicht, vielleicht, wie ein Landwirth meinte, weil Hecken in der Nähe von Feldern und somit auch die Gelegenheit, den Einfluls einer Berberitzenhecke zu beob- achten, selten sind. Es ist schwer zu entscheiden, ob die An- sicht in verschiedenen Gegenden selbständig entstanden oder von einem einzelnen Lande und Beobachter ausgegangen ist, denn es kann nicht bezweifelt werden, dals sie sich vielfach durch Tradition unter den Landleuten fortgepflanzt hat, und hierdurch verlieren die öfters wiederkehrenden Angaben, nach welchen verschiedene Schriftsteller (z. B. Windt) ganz selbständig darauf gekom- men sein wollen, an Zuverlässigkeit; eine gelegentlich gehörte mündliche Äufserung kann- dem Gedächtnisse leicht entfallen. Hat die Ansicht ein einzelnes Land zum Ausgangspunkt, so ist dies wohl ohne Zweifel England, denn doriher stammen die meisten älteren Nachrichten; und ganz besonders scheinen mir die Meinungen und Gebräuche hierfür zu sprechen, welche 1788 in Nen-England so verbreitet waren, dals sie einem Reisenden auffielen. Dies deutet ein hohes Alter der Meinung an und es darf daher wohl angenommen werden, dafs dieselbe nicht in Nordamerika entstanden, vielmehr von den Ansiedlern aus dem Mutterlande mitgebracht worden ist. Wenn man von den ganz unbestimmten Angaben und von denjenigen absieht, welchen eine ungenügende Unterscheidung = vom 12. Januar 1865. 41 der verschiedenen Krankheiten oder Parasiten des Getreides, inson- derheit des Rostes und Brandes zum Grunde liegt, so stimmen alle Gegner der Berberitze, die ausführlicher von der Sache reden, darin überein, dafs die Nachbarschaft des genannten Strauches den Rost erzeuge. Alle geben ferner zu, dals sämmt- liche Getreidearten aus der Gruppe der Hordeaceen, sowie der Hafer durch die in Rede stehende Ursache geschädigt werden können. Auffallender Weise herrscht aber eine Meinungsver- schiedenheit über die Getreideart, welche durch die Berberitze am meisten gefährdet wird. Die Engländer, und soweit ich es verfolgen konnte, auch die französischen Autoren, reden mei- stens nur vom Waizen; Banks sagt ausdrücklich, dieser werde vorzugsweise betroffen, der Roggen weniger, wahrscheinlich weil letzterer schon zur Ernte reif sei, wenn der Rostpilz seine Entwicklungshöhe erreiche. Die deutschen Autoren dagegen reden oft nur vom Roggen, manche ') sagen ausdrücklich, dieser werde weit mehr als der Waizen gefährdet. Man könnte ver- muthen, dals diese Meinungsdifferenz vielleicht in einer Ver- wechselung .der beiden häufigsten Getreide- verderbenden Puc- einien ihren Grund habe, von denen die eine, P. straminis, den Waizen ganz vorzugsweise befällt und den Roggen weniger, die andere, P. graminis, sich (was ich nicht gerade bestimmt behaupten möchte) oft umgedreht verhalten mag. Es ist nun aber ganz unzweifelhaft, dals alle diejenigen, welche ausführlich über ‘den von der Berbderis kommenden Rost reden, immer die Pucci- nia graminis mit dem letzteren Namen bezeichnen. Schon Mar- shall, Windt, Monteton beschrieben die schwarzen, auf- fallend hervortretenden Teleutosporenlager dieser Art ganz un- verkennbar, ohne dabei von Schmarotzerpilzen eine Ahnung zu haben; dafs Banks die nämliche Form vor Augen hatte, zei- gen seine für die Zeit ıhres Erscheinens ausgezeichneten Ab- bildungen aufs deutlichste. Eine Verwechselung der auffal- lenden Teleutosporenlager der P. graminis mit den höchst un- scheinbaren der anderen Art?) wäre kaum zu irgend einer Zeit möglich geweseu. Worin sonst die in Rede stehende Verschie- ‘) Z. B. Baron v. Monteton, im Reichsanzeiger 1805, No. 26, nach Windtl. c. und Windt selbst. ?) Vgl. ihre Beschreibung in der Tafelerklärung. 42 Gesammtsitzung denheit der Angaben ihren Grund hat, muls zur Zeit unent- schieden bleiben. Begründet wurde die Ansicht der Berberisfeinde zunächst durch die unabsichtlich gemachte Erfahrung, dafs der Rost auf solchen Äckern vorzugsweise erschien, in deren Nähe Berbe- ritzen standen, dafs daselbst gerade das Getreide milsrieth und andere Culturpflanzen nicht, und dafs oft deutlich zu beobach- ten war, wie der Rost von den Berberitzen aus gleichsam über den Acker ausstrahlte..e Nun wurde Getreide absichtlich rings um Berberisbüsche gesät und in den meisten Fällen die obige Erfahrung bestätigt gefunden. Schon Marshall hat einen sol- chen Versuch angestellt. Im Jahre 1781 lachte er einen Land- mann, der ihm von der Schädlichkeit der Berberitze redete, zwar aus, lies aber doch im kommenden Frühling einen grolsen Berberitzenstranch in die Mitte eines Waizenfeldes pflanzen, und fand im Spätjahr rings um den Strauch ein grolses Stück des Ackers vom Roste verdorben. ‚Das Stück glich dem Schweif eines Cometen, dessen Kern von dem Strauch selbst vorgestellt wurde; auf der einen Seite des letzteren erstreckte sich die Wirkung zwölf, auf der anderen nur zwei Ellen weit” '). Windt hat mehrere ähnliche Versuche angestellt und über solche Anderer in seinem Büchlein berichtet; von den späteren Wieder- holungen derselben ist oben schon die Rede gewesen. Wodurch der Sauerdorn rosterzeugend auf das Getreide einwirke, darüber herrschen sehr verschiedene Meinungen. Man- che lassen es ganz unentschieden in dem mehr oder minder klaren Bewulstsein, es müsse ‘da eine Lücke in den. vorhande- nen Kenntnissen sein, die eine genügende Erklärung unmöglich mache ?). Andere?) reden von einer dynamischen Einwirkung, Sympathie und Antipathie. Eine dritte Partei*) meint die Ber- beritze, und zwar entweder der ganze Strauch oder nur die Blüthen, besälsen eine besondere, durch den Wind leicht fort- führbare Atmosphäre oder Ausdünstung. Diese soll dem Ge- 1) Marshall, 1. c. p. 361. ?) Marshall; I. c. v. Monteton, 1. c.; Rothe, 1. c. u. s. w. ?) Treviranus, Philosophie der lebenden Natur, Bd. II, S. 454, nach Hannöv. Magazin 1805, No. 18 u. Windt, 1. c. *) Windt; Victrof (nach Leveille). vom 12. Januar 1865. 45 treide specifisch schädlich sein oder, nach Windt, „bei ge- wissen |Mischungen der unteren Luft auf eine chemische Art Kälte” und hierdurch den Rost erzeugen — eine abenteuerliche Ansicht, welche der verständige Mann auch zurücknahm, als ihm Banks Schrift bekannt wurde. Die englischen Landwirthe meinten zu Banks Zeit, der Blüthenstaub der Berderis sei der Erzeuger des Rostes; Yvart spricht dieselbe Ansicht aus, und bei den Landleuten hat sie sich bis auf unsere Tage erhalten: die Bremischen Bauern geben 1862 an, die Berberitze verderbe ihr Getreide durch den Blüthenstaub. Den Vertretern der bisher erwähnten Ansichten war es nicht bekannt, dals die Rostflecke am Getreide nichts weiter als parasitische, krankheitserzeugende Pilze sind; sie hielten die- selben 'einfach für Krankheitssymptome oder Krankheitsproducte. Banks und mit ihm gleichzeitig ein Anonymus ') waren die ersten, welche die durch Persoon mit dem Beginn dieses Jahrhunderts fester begründeten Kenntnisse von den Schma- rotzerpilzen für die Lösung der Berberisfrage zu verwerthen suchten. Banks erklärte die Verbreitung des Rostes, aller- dings in einer jetzt längst als irrig erkannten Weise?), aus der Verbreitung und Entwicklung der Keime der Pucceinia. Er kannte das häufige Vorkommen eines der Uredo der letztern ähn- lich sehenden Schmarotzers (des Aecidium) auf den Blättern der Berberis und suchte die Schädlichkeit dieses Strauches durch die Annahme zu erklären, der Parasıt des Getreides und der Berbe- ritze seien eine und dieselbe Pilzspecies und die Übertragung des Samens derselben von dem Berberitzenstrauche auf das Getreide be- wirke das Rostigwerden des letztern. Die Übertragung selbst stellt er sich vor, wie die der Mistel von einer Baumspecies auf die andere, und die Verschiedenheiten zwischen dem Aecidium und der Uredo nebst Teleutosporenlagern kennt oder wenigstens er- wähnt er nicht. Ganz ähnlich, nur weit weniger ausführlich spricht sich der Ungenannte aus. Sprengel’) und Willde- now (l. c.) schlossen sich dieser Anschauung alsbald an, erste- rer indem er die Bedenken hervorhob, welche in dem Um- *) Antwort auf Windt’s Anfrage. Reichsanzeiger vom 18. Juli 1805. ”) S. meine Unters. üb. d. Brandpilze p. 108. °) Im Reichsanzeiger von 1805, No. 213. 44 Gesammtsilzung stande dals das Aecidium Berberidis und die Puccinia graminis ganz verschiedenen Gattungen angehören. Bei höheren Pflan- zen, meint er, könne allerdings eine Gattung nicht aus dem Samen einer anderen entstehen; „sollte es aber nicht bei die- sen Afterpflanzen möglich sein, dals der Same des Aecidiurh Berberidis, wenn er auf Gras- und Getreideblätter kommt, 2 zu einer Puccinia graminis werde Die Antwort auf diese Frage gab v. Bönninghausen im Jahre 1818. Er konnte mit vollem Rechte aus seinen oben beschriebenen Versuchen folgern: Es izt gar nicht mehr zu bezweifeln, dafs der Berbe- ritzenschwamm jene nachtheilige Wirkung auf unsere Getreide- arten hervorbringt, indem der bei der Reife seiner Kapseln aus- fallende Staub vom Winde fortgeführt, auf die Halme gebracht wird, und sich daselbst auf Kosten derselben unter werän- derter äufserer Gestalt ansiedel. Die Banks-Spren- gel’sche Ansicht ist denn auch bis in die neueste Zeit häufig wiederholt worden ') und allgemein bekannt geblieben. Nachdem Banks und Windt die öffentliche Discussion angeregt hatten, fehlte es auch nicht an Gegnern ihrer Ansicht, und schon die oben mitgetheilte Stelle aus Krünitz’s Encyelo- pädie von 1774 zeigt, dals die Berderis seit lange unter den Landwirthen auch ihre Vertheidiger zählte. Banks’ Landsleute erklärten seine ganzen Ansichten über den Rost für unöcono- mische Paradoxien *) und auf Windt’s Anfragen erfolgten so- fort auch mehrere bestimmt verneinende Antworten’). Von Seiten der Praktiker wurde auch hier von Schmarotzerpilzen abgesehen und der Widerspruch lediglich auf die im Grolsen 6 ‘) Z.B. von H. A. Dietrich in einer Abhandlung über die Cryptoga- menwelt der russischen Ostseeprovinzen (Archiv für die Naturkunde Liv-, Ehst- und Kurlands. I. 1859. S. 504), woselbst auch landwirthschaftliche Erfahrungen über die rosterzeugende Wirkung der Berberitze auf den Rog- gen mitgetheilt werden. *) Kritik von Banks Schrift in Farmers Magazine, übers. Landw. Zeitung 1806, No. 2. °) So durch „Einige practische Landwirthe aus Sachsen” Landw. Zeitung 1805, No. 13; Westfold, in Hannöv. Magazin 1805, No. 50; Riem, in Landw. Zeitung 1805, No. 44; Joh. Bachmann, Gtundsätze der deutschen Landwirthschaft. Göttingen 1806, p. 500. vom 12. Januar 1865. 45 und zufällig gemachten Erfahrungen gegründet, dafs Getreide- felder in der Nähe von Berberis rostfrei geblieben seien, und andererseits die Ausrottung der Berberis nichts genutzt habe. Die Unmöglichkeit von der specifisch schädlichen Wirkung, welche die Berderis durch ihre Ausdünstung oder ihren Blü- thenstaub hervorbringt, eine klare Vorstellung zu erhalten, mulste den gegnerischen Ansichten natürlich eine gute Stütze gewähren. Negative Resultate absichtlich angestellter Cultur- versuche wurden den Feinden der Berderis erst später durch Bornemann') entgegengehalten. Noch entschiedenerer Widerspruch erfolgte von Seiten der Botaniker. Diese konnten in der That zu keiner Zeit eine spe- eifische Schädlichkeit der Atmosphäre oder des Pollens der Berbe- ritze anerkennen, und mulsten die schon von Sprengel ge- äulserten mykologischen Bedenken um so mehr hervorheben, je genauer sie mit der Organisation der in Betracht kommenden Schmarotzerpilze vertraut waren. So lange man den Genera- tionswechsel der Uredineen nicht kannte, und das decidium Ber- beridis, die Puccinia graminis und die Uredo linearis Pers. auf Grund ihres Baues für ganz verschiedene, nicht einmal der glei- chen Gattung angehörende Arten ansehen mulste, war die An- nahme in der That schwer zulässig, dals die Rostpilze des Ge- treides aus den Sporen des Aecidiums entstehen könnten. Sie schien aber um so verwerflicher, da andere gute Erklärungen der Erzeugung und Verbreitung des Rostes vorlagen, mochte man diese nun in der Luft und dem Boden, oder in der Ent- stehung und Vermehrung der Parasiten aus den Uredo- und Teleutosporen suchen. Schon 1807 trat daher Decandolle?) gegen die Schädlichkeit der Berberis und ihres Aecidiums auf, mit der ausdrücklichen Bemerkung, er würde von ihr gar keine Notiz genommen haben, wenn nicht ein Mann wie Sir Jos. *) Om Berberissen kan frembringe Kornrust, in Olufsens Nye Oecon. Ann. Bd. II, 1815 (nach Oersted). Oersted citirt noch: Schoeler, om Berberissens skadelige Virkning paa Saeden, in Drewsens Landvecon. Ti- dend. Bd. 8, 1818. Vgl. auch Staudinger, in Okens Isis 1832, p. 262. ”) Memoires sur les, Champignons parasites. Ann. Mus. Hist. nat. 1807. 46 Gesammtsitzung Banks zu ihren Vertheidigern zählte; er blieb auch später ') bei seiner gegnerischen Ansicht. Link?), v. Straufs°) äu- fserten sich in ähnlichem Sinne, und bei den neueren mykolo- gischen Mikroskopikern *) mulste der Widerspruch eine immer bestimmtere Form annehmen. Tulasne’s Entdeckung, dals Persoon’s Puccinia graminis und Uredo linearis Organe einer und derselben Species seien, konnte an der herrschenden An- schauung nichts Wesentliches ändern, denn die Verschiedenheit des Aecidiums von den grasbewohnenden Formen schien jetzt nur um so grölser, seine Übertragbarkeit aufs Getreide um so unmöglicher zu sein. Die Biologie und alleinige krankheitser- regende Wirkung der Formen, welche letzteres bewohnen, er- schien aber völlig ins Klare gesetzt durch die vorschnelle und durch Versuche nicbt begründete Annahme, dafs die Keime der aus den überwinterten Teleutosporen entwickelten Sporidien im Frühling sofort in die Gräser eindringen und hier neue Sporen- lager bilden. Die Thatsachen, auf welche sich die Beschuldiger der Berberis beriefen, wurden theils vernachlässigt, theils wur- den ihnen solche, die für Unschädlichkeit der Berderis sprachen, entgegengehalten; Kühn und Oersted endlich suchten die Er- fabrungen der practischen Landwirthe in anderer Weise wie diese, und anscheinend sehr plausibel zu erklären. Die Rost- pilze, sagten sie, pflanzen sich im Sommer durch ihre Uredo- sporen fort, im Spätjahr bilden sie Teleutosporen, diese über- 1) Physiolog. vegetale, vol. III (1832), p. 1435 ff. ”) Observ. in ord. plantarum naturales. Diss. I. Magaz. d. Ger. naturf. Freunde zu Berlin, III. (1809). ?) Annalen d. Wett. Ges. f. Naturk., vol. II. (1811). *) Leveille, in dict. univ. d’hist. nat. (1849) Article Uredinees; de Bary, Brandpilze (1853), Kühn, der Berberitzenstrauch und das Befallen des Getreides, in Landw. Ann. d. Meklenb. patriot. Vereins 1862, No. 2. Auch die „Krankheiten d. Culturgew.” desselben- Verfassers dürften hier zu citiren sein. Oersted, Om Sygdoemme hos Planterne som foraarsages af Snyl- tes wampe, navling om Rust og Brand (mit 3 Tafeln und vielen Holzsch). Kjoebenhavn 1863. Fleischer (l. c.) schliefst sich hier an; ebenso die kurzen Äu- [serungen in den Lehrbüchern. vom 12. Januar 1865. 47 wintern, und aus den Sporidieu entwickeln sich im kommenden Frühling von neuem Uredolager. Jene Pilze befallen aber nicht nur die Getreide, sondern auch viele wildwachsende, und auf den Feldern oder in deren Nähe vorkommende Gräser, zumal die Quecke. Diese Gräser sind daher die eigentlichen Feinde des Getreidefeldes, in sofern auf ihnen die Teleutosporen über- wintern, um im Frühjahr das Getreide durch ihre Sporidien zu infieiren. Hecken und Sträucher jeglicher Art haben aber die Bedeutung in der Sache, dafs sie die pilzbedeckten Grashalme den Winter über bergen und schützen, und hierzu ist kein Strauch geeigneter als die dornige und dicht buschige Berberitze. Aus den oben mitgetheilten Untersuchungen ergibt sich, dals die Ansichten der Berberisfeinde wohl begründet sind, und dals sie in der Biologie der Puccinia graminis ihre vollständige Erklärung finden. Auch die scheinbaren Gegenbeweise gegen diese Ansicht erklären sich aus dem Mitgetheilten so sehr von selbst, dafs ich hier nicht ausführlich darauf einzugehen brauche, zumal da ich die den praktischen Landwirth specieller interessi- renden Punkte an einem geeigneteren Orte besprechen werde. Dafs ich die Berberisfrage hier so ausführlich behandelt habe, mag seine Rechtfertigung in dem allgemeinen Interesse finden, welches die Geschichte eines lange verachteten und zuletzt doch wieder zu Ehren gelangten vermeintlichen Aberglaubens dar- bietet. Erklärung der Abbildungen. Figur 1—6. Puccinia graminis Pers. (Synon. Uredo linearis Pers. Aecidium Berberidis Gmel.) Fig. 3 und 6 190 mal, die übrigen 390 mal vergröfsert. Fig. 1. Stück eines dünnen Schnittes durch ein Fruchtlager von der Blatt- scheide von Triticum vulgare. Dicht nebeneinander stehen zwei fast reife und eine junge Uredospore und ein nahezu reifes Te- leutosporenpaar. Fig. 2. Keimende Uredospore, 1/4 Stunden nach der Aussaat. Fig. 3. Querschnitt durch ein ganz reifes Teleutosporen tragendes Lager von der Blattscheide der Quecke. Fig. 4u.5. Epidermisstücke der unteren Blatifläche von Berberis vulga- ris, flach ausgebreitet, darauf gekeimte Sporidien. Der Keim- äs Gesammtsitzung schlauch der einen in Figur 5. kurz, einer Epidermiszelle mit sei- nem Ende fest aufgesetzt, noch nicht eingedrungen; das Ende der anderen liegt im Inneren der Epidermiszellen, ist stark ange- schwollen, gekrümmt und (in Fig. 5.) verzweigt. Fig. 4. 24, Fig. 5. 48 Stunden nach Aussaat der Sporidien präparirt. Fig. 6. Aecidiumspore, auf einem Wassertropfen gekeimt. Figur 7—9. Puccinia straminis Fuckel. Fig. 7. Uredosporen keimend, 14 Stunden nach der Aussaat. Vergr. 390. Fig. 8. Durchschnitt eines Teleutosporenlagers vom Blatt von Zriticum vulgare. p Paraphysen, e Epidermis. Vergr. 190. Fig. 9. Isolirte reife Teleutosporenpaare und, bei a, einzeln auf dem Sıielchen sitzende Teleutosporen. Vergr. 190. Wie aus den Abbildungen ersichtlich ist, bildet 2. grami- nis Uredo und Teleutosporen unter einander in demselben La- ger. Von den anderen Gramineen bewohnenden Puccinien, welche hierin mit ihr übereinstimmen (Pucc. arundinacea, P. Maidis, P. Moliniae) ıst sie durch Form und Structur der bei- derlei_ Sporen, von der gleichfalls hierher gehörenden ?. szriola überdem noch durch den Mangel der Paraphysen unterschieden. Die Teleutosporenpaare von P. graminis sind unregelmäßsig länglich, beide Sporen ohngefähr gleich grols, der Scheitel der oberen breit abgerundet oder zu einer breiten stumpfen Spitze allmählich ausgezogen. Die meisten Paare ragen auf Stielen, welche ihnen gleichlang oder etwas länger sind, weit über die Epidermisfläche der Nährpflanze hervor; zwischen ihnen findet man immer auch eine Anzahl kurzgestielter. Die Uredosporen sind länglich oder eiförmig, ihr Protoplasmainhalt in der Mitte von dem bekannten rothgelben Pigment der Uredineen gefärbt, ım Umfang blafs röthlich oder farblos. Ihre Membran ist ent- weder auf der ganzen Fläche oder nur am Scheitel hell bräun- lich gefärbt, durchscheinend; von den zwei Hauptschichten aus denen sie, gleich wie bei anderen Uredosporen, besteht, zeigt die äulsere, vorzugsweise gefärbte, zumal am Scheitel, zahlreiche flache, stumpfe Prominenzen oder Wärzchen. Die innere, dickere und, wie es scheint, ganz farblose Lage ist homogen, glatt und mit runden Lücken oder Unterbrechungen, ächten Tüpfeln, versehen, aus welchen, wie Tulasne zuerst gefunden hat, Monatsbericht d. K.A.d. W Januar 1865. CF Schmidt lit. i de Bary, del. vom 12. Januar 1865. 49 die Keimschläuche austreten. Solcher Keimporen, wie sie kurz heilsen mögen, sind an den Uredosporen der vorliegenden Art vier vorhanden, welche in einem quer um die Mitte der Spore gehenden Kreis gleichweit von einander entfernt liegen. Die mit Puccinia graminis am häufigsten vorkommende Gräser und besonders Getreide bewohnende Art, Pucc. stra- minis Fuckel, enum. Fung. Nassov. pag. 9 (P. Tritici O er- sted) ist von jener sehr verschieden. Erstlich sind ihre Uredo- sporen (Uredo Rubigo vera Dec. ex parte) ungefähr kugelig und mit sechs über die ganze Oberfläche in gleichweiten Ab- ständen vertheilten Keimporen versehen. Zweitens werden ihre Teleutosporen nicht mit den Uredosporen in demselben, son” dern in besonderen, von der Epidermis des Wirthes bedeckt bleibenden Lagern erzeugt. Die Teleutosporen sind im Allge- meinen ‚schmal keulenförmig, die untere Spore des Paares län- ger als die obere; sie stehen dicht aneinander gedrängt und erhalten hierdurch und durch den Druck der sie bedeckenden. Epidermis vielfach scharfkantige Seiten- und Endflächen. Ihre Stiele sind immer kürzer und oft um vieles kürzer als eine einzelne Spore. Am Rande des Lagers stehen schmal keu- lenförmige oder prismatische Paraphysen von hellbrauner Farbe. Ebensolche Organe findetman vielfach zu dichten Büscheln ver- einigt zwischen den Teleutosporen; sie verlaufen von dem .La- ger ungefähr senkrecht gegen die Epidermis und sind dieser mit ihren oberen Enden fest angewachsen. P. szraminis ist bisher meistens mit P. coronata, von welcher sie sehr ver- schieden ist, verwechselt worden. Fuckel (Il. c. 1861) und Oersted (Om Sygdoemme hos Planterne etc. 1863) haben sie, wie es scheint unabhängig von einander, zuerst unterschieden. Bei dieser Art kommen häufig Teleutosporen, welche einzeln auf ihren Stielchen sitzen, neben den Paaren vor, ein Verhal- ten, welches man mit einiger Aufmerksamkeit bei vielen, und vielleicht bei allen Puccinien findet und welches Tulasne’s und Decandolle’s Meinung, nach der Uromyces und Puccinia kaum als Genera getrennt werden können, bestätigt. Selten sitzen bei 2. szraminis statt zwei drei Teleutosporen auf einem Stiel- chen übereinander; ein solcher Fall ist in Fig. 8. abgebildet. [1865.] 4 50 | Gesammtsitzung vom 12. Januar 1865. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Band 11. Nürnberg 1864. 4. Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt. 44. Band, no. 2. Wien 1864. gr. 8. 5. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde. Offenbach 1364. 8. Memorie del R. Istituto Lombardo. Vol. IX, fasc. 5. ultimo. Milano 1864. 4. Rendiconti del R. Istituto Lombardo. Vol. 1. Januar — Mai 1864. Mi- lano 1864. 8. Annuario del R. Istituto Lombardo. ib. 1864. 8. Duhamel, Des methodes dans les sciences de raisonnement. Paris 1865. 8. ; Masquelez, Etude sur la castramciation des Romains. Paris 1865. 8.. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. St. Cyr 5. Januar 1865. (G. d’Eichthal) De usage pratique de la langue greceque. Paris 1864. 8. (Dasselbe griechisch.) Mit Schreiben des Hrn. Ver- fassers, Paris 8. Jan. 1865. Reise der österreichischen Fregatte Novara. Geologischer Theil. Bd. 1, Abth. 1. Wien 1864. 4. Von der Kgl. Belgischen Akademie der Wissenschaften in Brüssel: Memoires. Tome 34. Bruxelles 1864. 4. Memoires couronnes. Tome 31. ib. 1863. 4. Tome 15. 16. ib. 1863—64. 8. Collection de Chroniques belges inedites: Chronique de Jean des Preis, publiee par A. Borgnet. Tome 1. ib. 1864. 4. Bulletins. Tome 15. 16. 17. ib. 1863—1864. 8. Annuaire. Annee 30. ib. 1864. 8. Annales de Tobservatoire royal de Bruxelles. Tome 16. Bruxelles 1864. 4. Annuaire de Pobservatoire. Annee 1864. ib. 1864. 8. Quetelet, Extraits des Memoires et des Bulletins. (8 pieces in 4. et 3.)) Die Akademie wählte hierauf die Herren Max Müller in: Oxford, Joseph Fiorelli in Neapel und Jacob Bernaysı in Breslau zu correspondirenden Mitgliedern ihrer philosophisch-- historischen Klasse. Sitzung der phys.-math. Klasse vom 16. Jan. 1865. 51 16. Jan. Sitzung der physikalisch - mathe- matischen Klasse. Hr. G. Rose las die Fortsetzung einer Abhandlung über die Gabbro-Formation von Neurode in Schlesien. Hr. W. Peters legte eine Mittheilung des Hrn. Dr. E. von Martens vor, über neue Landschnecken aus Ost- indien und über zwei Seesterne von Costa Rica. 1. Cyclotus longipilus n. sp. Testa depresse turbinata, subglobosa, anguste umbilicata, pilis°nigris subrigidis longis vestita, castaneobrunnea, concolor; spira exserta, acutiuscula; anfr. 4%, valde convexi, ultimus an- tice paulum deflexus; apertura subperpendicularis, circularis; pe- ristoma incrassatum, rectum, album; operculum normale. Diam. maj. 19, min. 14, alt. 14, apert. 10 Mill. Südliches Celebes bei Maros. 2. Cyclotus fulminulatus n. sp. Testa turbinato-globosa, perforata, albida, strigis confertis obliquis fulminatis pieta, infra peripheriam unifasciata; spira "convexa, anfr. 45, paulum convexi, ultimus inflatus, sat deflexus; apertura parum obliqua, subcircularis; peristoma rectum, obtu- sum, continuum, albolabiatum, obsolete duplicatum; operculum normale. Diam. maj. 20%, min. 16, alt. 18, apert. 11 Mill. Südliches Celebes bei Maros. 3. Cyclotus campanulatus n. sp. Testa latiuscule umbilicata, depressa, suborbiculata, oliva- ceollava; spira perbrevis, obtusa, sutura canaliculata, anfr. 4%, ultimus teres; apertura vix obliqua, circularis, peristoma undi- “que incrassato-expansum, quasi campanulatum, continuum, al- bum. Diam. maj. 13, min. 10, alt. 8, apert. 65 Mill. Nangasaki (Japan). Gruppe von C. pusillus Sow. 4. Alycaeus Japonicus.n. sp. Testa latissime umbilicata, turbinato-depressa, confertim co- ' stulata, pallide Hava; spira brevis, prominula, apice mammilli- formi, sutura profunda, anfr. 35, ultimus prope aperturam lae- 4* 92 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vigatus, leviter constrietus et tubulo suturali recurrente, 1 mil- lim. longo instructus; apertura diagonalis, circularis, peristoma incrassatum, duplex, externum breviter expansum. Operculom tenue, multispirum, fuscum. Diam. maj. 45, min. 3%, alt. 2%, apert. 15 Mill. Yokohama In der Form ähnlich dem AL. politus Blan- ford. 3. Cyclophorus bellulus n. sp. Testa subdepresse turbinata, sat late umbilicata, striatula, lineis elevatis tenuibus in anfractu penultimo 4 conspicuis, in ultimo 14 sculpta, brunneoflava, strigis rufis pieta; spira conica, sutura profunda, anfr. 5, ultimus rotundatus, basi parum con- vexus, ad aperturam paulum deflexus; apertura perobliqua, cir- cularis; peristoma duplex, externum reflexum, lutescens, inter- ruptum. Operculum normale. Diam. maj. 7, min. 6, alt. 5%, apert. 4 Mill. Westliches Borneo bei Bengkajang. Verwandt mit C. Gaymansi m., trochulus Mouss. und ähnlich Cyclotus triliratus P.; Nabel weiter als bei all diesen. 6. Cyclophorus ciliocinctus.n. sp. Testa pyramidata, anguste umbilicata, lineis elevatis spira- libus ciliatis in anfractu penultimo 3 conspicuis, in ultimo 4 cinetus, bası laevis, pallide brunnea, regione suturali fusco-ma- culata; spira elongata, conica; anfr. 65, convexi, ultimus de- flexus, infra modice convexus; apertura subdiagonalis, circularis, peristoma breviter expansum, duplex, internum album, externum fuscum submembranaceum, callo parietali superne exciso. Diam. maj. 11, min. 9, alt. 10, apert. 6 Mill. Südliches Java bei Palabuan. Verwandt mit dem vorher- gehenden. 7. Leptopoma Moussonin. sp. Testa globoso-conica, aperte perforata, subangulata, subti- liter spiratim striata, nitidula, alba, concolor ; spira elata, anfr. 5, tumiduli, ultimus non descendens; apertura diagonalis, sub circularis; peristoma obtusum, crassiusculum, vix expansum, ae- quale, marginibus callo junctis. Diam. maj. 12, min. 95, alı. 13, apert. 7 Mill. Timor. vom 16. Januar 1865. 53 8. Callia Amboinensis n. sp. Testa ovata, apice conica, pallide rubella; sutura distincta, saepius rubro-picta; anfr. 5, penultimus maximus, inflatus, ulti- mus brevior, rapide descendens, axın non excedens; apertura verticalis, subeircularis; peristoma expansiusculum, obtusum, al- bidum, vix continuum. Long. 6%, diam. maj. 4%, min. 3%, apert. 2% Mill. Amboina und Ceram. 9. Helix myomphala n. sp. Testa obtecte perforata, depresse conoidea, oblique striata, lineis spiralibus subtilibus confertis decussata, lutea, fascia ca- stanea peripherica unica picta, regione umbilicari concolore; anfr. 6%, vix convexiusculi, lente crescentes, superiores periphe- ria angulati, ultimus rotundatus, antice vix deflexus; apertura parum obliqua, oblique lunata; peristoma expansum, album, mar- ginibus distantibus, arcuatis, columellari reflexo, adnato, umbili- cum plane claudente. Diam. maj. 43, min. 38, alt. 32, apert. long. 27, lat. 22 Mill. Nangasakı. Aus der Verwandtschaft der H. quaesita Fer. und H. peliomphala P., von beiden durch den völlig geschlos- senen Nabel und die höhere Gestalt unterschieden. 10. Helix quadrivoleis n. sp. Testa mediocriter umbilıcata, inflate-discoidea, subtiliter striatula, alba, fuscofasciata; spira paululum immersa, sutura pro- funda, anfr. 4, teretes, ultimus non deflexus; apertura subverti- calis, sinuosa, oblique lunata; peristoma tenue, undique breviter expansum, marginibus distantibus, columellari oblique descen- dente, supero inflexo. Diam. maj. 15, min. 12, alt. 7, apert. long. 9, lat. 7 Mill. Westliches Borneo, bei Mandhor. Verwandt mit H. cir- cumdata Fer. und A. tenella P. 11. Hyalina sinulabris n. sp. Testa depressa, mediocriter umbilicata, leviter striatula, ni- tida, .corneofulva, subtus paulum pallidior; spira obtusa, parum elevata; sutura zona albida et linea impressa; anfr. 5, convexi- usculi, ultimus rotundatus; apertura diagonalis, oblique lunata; peristoma rectum, acutum, flexuosum, margine supero convexo, 54 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse basali versus inserlionem retrorsum sinuato, dein rursus dilatato. Diam. maj. 9, min. 8, alt. 4%, apert. 4 Mill. Siam, unweit Petschaburi. 12. Cassidula multiplicatan. sp. Testa imperforata, ovato-oblonga, solida, striatula et sulecis spiralibus confertis superficialibus sculpta, hepatico-fusca; spira conoidea, obtusa, sutura luteo-fasciata; anfr. 8, ultimus supra rotundatus, infra sensim attenuatus, carina basalı distincta; aper- tura oblonga, % longitudinis totius testae superans; plica parie- talis superior elongata, subperpendicularis, inferior obliqua; plica columellaris valida, extrorsum tri- vel qua- dri-partita; peristoma incrassatum, subrectum, hepatico -fu- scum, margine basali et externi parte inferiore dilatatis, hoc ex- tus inflexa, intus bituberculata. Long. 21, diam. 13, apert. alt. 155 Mill. Insel Banka. Verwandt mit C. auris felis. In einigen Samm- lungen sah ich diese Art fälschlich als C. nuclens Martyn be- stimmt. 13. Cassidula flaveola n. sp. Testa imperforata, ovato-fusiformis, sulcis spiralibus con- fertis exarata, luteo-brunnea; spira conica, sat elongata; anfr. 7, convexiusculi, ultimus supra et infra aequaliter attenuatus, ca- rina basalı crassa, albida; apertura vix obliqua, oblongo-ovata; plica parietalis superior brevis, fere perpendicularis, inferior transversa, intrans; plica columellaris valıda, transversa, usque in marginem peristomatis producta; margo externus duplicatus, rufobrunneus, intus unidentatus Long. 10, diam. 5, apert. alt. 6 Mill. | Ceram (Molukken). 14. Melampus Siamensis n. sp- Testa ventricoso-ovata, solidula, glabra, pallide brunnea, plurifasciata; spira convexo-conoidea; sutura appressa, lacera; anfr. 7—8, ultimus tumidus, versus basin paulum attenuatus, basi suleis compluribus cinctus; apertura —% longitudinis oc- cupans, angusta, basi paulum dilatata, vix effusa; plicae parieta- les 2, superior subverticalis, plus minusve denticu- lata, inferior compressa, intrans; plica columellaris obliqua; margo columellaris adnatus, haud distinctus; margo externus vom 16. Januar 1865. 55 acutus, plicis internis usque 6 subremotis, 3 majoribus subelon- gatis, ceteris alternis brevioribus. Long. 11—13%, diam. 6—7%, alt. apert. 7,—10 Mill. Sıam, unweit Petschaburi. 15. Melampus nucleolus n. sp. Testa piriformis, imperforata, nitidula, nigrocastanea; spira brevis, conica; anfr. 6, subgradati, ultimus supra rotundatus, basin versus sensim attenuatus, bası lineis impressis spiralibus einctus; apertura angusta, bası subeffusa, non dilatata; plicae parietales 2, ambo inferae, subaequales, albae; plica columellaris valde obliqua; margo columellaris incrassatus, aurantius; margo externus sirictus, nigrocastaneus, plicis internis cireiter 10 sub- remotis, albis, alternis minoribus. Long. 6—8, diam. 4—5, apert. alt. 5—6% Mill. Amboina und Ceram. 16. Melampus sulculosus n. sp. Testa oblongo -ovata, sulcis spiralibus numerosis sculpta, nigrofusca, raro fasciis nonnullis pallidis picta; spira medioeris, convexa; anfr. 6, convexiusculi, ultimus non angulatus; apertura > longitudinis totius testae occupans, versus basin paulum la- tior; plica parietalis unica, infera, parva; plica columellaris obli- qua; margo basalis rotundatus, externus strictus, plicis internis 2—3. Long. 8, diam. 4, apert. alt. 6 Mill. Amboina, an der Mündung des Weynitu-Flüfschens mit der vorigen. Gleicht in Sculptur und Färbung der Cassidula suleulosa Mouss. 17. Melampus edentulus.n. sp. Testa ovato-obconica, obsolete spiratim sulcata, nigrofusca, interdum fasciis pallidis ornata; spira mediocris, convexa, obtusa; anfr. 6, superiores plani, ultimus supra obtuse angulatus, sen- sim versus basin attenuatus; apertura % longitudinis occupans, bası latior; plica parietalis unica, infera; plica columellaris va- lida, subhorizontalis; .margo basalis rotundatus, externus plicis internis nullis. Long. 8, diam. 5, apert. alt. 5% Mill. Insel Flores. 56 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Oreasteter armatus Gray sp. Körper pentagonal mit stark eingebogenen Seiten; Verhbältnifs des Scheiben-Radius zum Arm-Radius wie 1: beinahe 1%. Rückenseite wenig erhaben. Fur- chenpapillen in 2 Reihen, in der innern 3, seltner 2 zusammen- gedrückte auf jeder Platte, in der äufseren je eine grölsere. Die Platten der Bauchseite sind mit kugelförmigen: Körnchen dicht besetzt und tragen in der Mitte je einen grölseren cylin- drischen oben stumpfen Höcker. Die unteren Randplatten gehören ganz der Bauchfläche an, sie sind dicht mit kugelför- migen Körnchen besetzt und tragen in ihrer Mitte je einen grölseren, conischen, mälsig spitzigen, sammtartig rauhen Sta- chel, dessen verengte platte Basis von den Körnchen der Rand- platte selbst wallartig umschlossen wird. 17 untere Rand- platten zwischen je zwei Armspitzen, alle nahezu quadratisch. Die oberen Randplatten, welche allein den Rand bilden, sind in der Mitte zwischen zwei Armen doppelt so hoch als breit, nach den Armspitzen zu werden sie verhältnilsmälsig brei- ter und endlich nahezu quadratisch. Ihre Anzahl zwischen je 2 Armspitzen beträgt 14. Sie sind ebenso mit Körnern be- deckt und tragen in der Mitte einen ebensolchen Stachel wie | die unteren Randplatten; manchen derselben fehlt jedoch der Stachel und auch jede Spur seiner Einfügung, während an jeder der unteren doch, wenn auch der Stachel verloren ist, die Stelle, wo er gewesen, deutlich zu erkennen ist. Die Randplatien schliefsen alle genau aneinander ohne zwischenliegende Körn- chen. Die Rückenseite ist mit kleineren polygonalen con- vexen ebenfalls dicht gekörnten Plätichen bedeckt; die Körn- chen gleichen denen der Randplatten und sind kleiner sowie weniger erhaben als die der Bauchseite. Der Rücken jedes Arms bildet eine siumpfe radiale Erhebung (keinen scharfen Kiel), längs welcher eine einfache Reihe von Stacheln, denen der Randplaiten gleich gebildet, aber grölser, steht. Nahe der Mitte vereinigen sich die fünf Erhebungen zu einem ringförmi- gen Wall, der eine etwas vertiefte Mittelfläche umschlielst. Einzelne grölsere Stacheln stehen in der Mittelfläche, ohne sich bestimmt in eine der fünf Radialreihen einzuordnen. Endlich steht in der Mittellinie jedes Interradialraums, nahe dem Rande, vom 16. Januar 1865. 57 noch je ein gröfserer Stachel. Von Pedicellarien ist an unse- rem einzigen Exemplar nichts zu sehen. Scheibenradius 48, Armradius 69 Millim. Höhe des trock- nen Exemplars ohne die Stacheln 18 Millim. Islas los Negritos im Golf von Nicoya, Costa Rica, von Hrn. Hoffmann 1857 gesammelt und später dem Berliner Museum eingesandt. Farbe während des Lebens nach dessen Notiz ziegelroth. Gray hat in den Annals and magazine of nat. hist. VI. 1840. pag. 277 eine neue Art unter dem Namen Pentaceres ar- matus kurz charakterisirt; als Fundort giebt er Punta Santa Elena an. Er gründet darauf eine eigene Untergattung Nido- rellia und charakterisirt diese folgendermafsen: Back regularly convex, formed of flat granular ossicula with a blunt mobile spine.on each on the centre of each ossiculum below (Bauch- seite?); arms short and broad. Johannes Müller und Troschel haben diese Art nicht gekannt und wiederholen unter dem Namen Oreaster armatus Gray’s Worte in deutscher Übersetzung, wobei sie nur das Wort below auslielsen, offenbar weil ihnen die höchst unklare Ausdrucksweise Gray’s ohne Vergleichung eines Exemplars unverständlich blieb. Daraus mufste das Mifsverständnils ent- stehen, als ob auf der Rückenseite jede Platte einen Stachel trüge, was aber, wie ich an dem Original-Exemplar des briti- schen Museums mich überzeugt habe, nicht der Fall ist. Du- jardin und Hupe&, hist. nat. des zoophytes echinodermes 1862 p- 387 übersetzen wiederum diese Übersetzung ins Französische, ohne etwas neues hinzuzufügen als einen neuen Irrthum und eine Veranlassung zu einem Irrthum: erstlich haben sie von den Worten: „die unteren Marginalplatten und die drei letzteren oberen etc. mit Stacheln”, das Wörtcheh oberen übersehen und übersetzen: „les plaques marginales inferieures et plus particu- lierement les trois dernieres”. Zweitens nennen sie als Wohn- ort einfach „Sainte Helene”, wobei Jeder zunächst an die be- kannte Insel im südatlantischen Ocean und nicht an die Land- spitze der Westküste von Ecuador, unweit Guayaquil, denkt. Unier diesen Umständen hielt ich eine nähere Beschreibung 58 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse nach dem Muster der von Joh. Müller und Troschel für andere Arten entworfenen nicht für unnöthig, selbst ohne den besondern Umstand, den ich noch, namentlich von Prof. Bey- rich aufmerksam gemacht, zu erwähnen habe. Die gröfseren Stacheln längs der Rückenlinie der Arme sind nämlich an dem getrockneten Exemplar, theils niedergelegt, theils aufrechtste- hend, was allerdings auch nur von lokalen Verschiedenheiten im Einschrumpfen während des Trocknens herrühren könnte, aber doch mehr den Eindruck macht, als ob die Stacheln während des Lebens beweglich sein mülsten, und hiefür spricht denn auch die glatte Basis der Stacheln, sowie die glatte Fläche, auf der sie aufsitzen, obwohl rings von Körnelung umgeben und von der sich auch noch die trockenen recht leicht ablösen. Auch Gray nennt die Stacheln beweglich. Bei lebenden Oreastern im indischen Archipel habe ich übrigens nie eine von ihrer Anheftestelle unabhängige Beweg- lichkeit der Stacheln beobachtet, sondern schrieb ihr Zusammen- neigen beim Tode dem stellenweise ungleichen Schrumpfen der ganzen Oberfläche zu, finde übrigens bei diesen indischen Arten jetzt auch die Stacheln nicht so bestimmt abgegliedert von ihrer Anheftestelle, wie bei der central-amerikanischen. 2. Astropecten coelacanthus n. sp. Fünf Arme; Scheibenradius zum Armradius wie 1 : beinahe 3. Randplatten 24 an jedem Arme. Furchenpapillen in mehreren Reihen, die äufseren grölser, alle etwas zusammengedrückt und oben stumpf. Aus der Beschuppung der Bauchplatten treten überall gröfsere flache Stacheln hervor, namentlich gruppiren sich diese nahe dem Rande zu dem Rande parallelen Reihen von je 3 Stacheln für jede untere Platte; am Rande selbst auf jeder dieser Platten Ein Stachel. Diese Randstacheln sind in den Interbrachial- winkeln, wie an der Spitze der Arme klein und platt, in der Mitte der Arme grols, platt, schwach säbelförmig gekrümmt und derartig an den freien Rändern umgebogen, dals sie eine nach unten und hinten (d.h. nach den Interbrachialwinkeln) gekehrte löffelartige Aushöhlung zeigen. Die oberen Randplatten doppelt so hoch als breit, dicht gekörnt, mit einzelnen (2—4) gröfse- ren Höckerchen, die in einer Querreihe stehen und von denen vom 16. Januar 1865. 59 namentlich die innersten (obersten) nie fehlen. Der Rücken, die Arme und Scheibe innerhalb dieser Randplatten dicht mit Paxillen besetzt; dieser Raum ist in der Mitte der Arme kaum zweimal so breit, als eine der oberen Randplatten hoch ist. Scheibenradius 17, Armradius 49 Mill. Höhe in der Mitte 8 Mill. Mit dem vorigen gefunden und eingesandt. Hr. Dove legte eine von Hrn. Wojeikoff ausgeführte Berechnung der vom Drehungsgesetz abhängigen Bewegungen des Barometers in Providence vor. Der Einfluls des Windes auf das Barometer zeigt sich am deutlichsten, wenn man berechnet, um wie viel sich zwischen zwei Beobachtuugen das Barometer bei den einzelnen Winden verändert. Solche Berechnungen sind zuerst von Dove für Paris, London, Chiswick ausgeführt worden, später von Andern auch für andere Orte Europas. Sie fehlen für die übrigen - Welttheile mit Ausnahme einer für Toronto und für Ogdensburg in St. New-York. Daher unternahm ich, auf den Rath des Hrn. “ Prof. Dove, eine solche für Providence, Rhode Island, für fünf Jahrgänge (März 1855 — Febr. 1860). Es liels sich erwarten, dafs in Providence die Verhältnisse in vielen Beziehungen an- ders sein würden, als in Europa, da das Gebiet der gröfsten Kälte hier in NW. liegt; und wirklich ersieht man aus der Ta- belle, dafs in der Jahresperiode das Barometer bei N. nur un- bedeutend steigt, bei NO. schon zu fallen anfängt, der höchste Barometerstand also zwischen N. und NO. liegt. Im Winter fällt das Barometer schon bei N., der höchste Stand tritt ein “ ungefähr bei NNW., während der niedrigste ebenso wie in Europa bei WSW. eintritt. Im März und April sind die Ergebnisse analog, jedoch der Einfluls des Windes auf das Barometer ist geringer, und bei N. steigt schon das Barometer ein wenig. Im Mai sind die Verhältnisse ganz anders: statt des NW. ist der NO. vorherrschend geworden, und das Barometer zeigt 60 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse einen sehr unregelmälsigen Gang (steigt bei NO., O., S. und NW., fällt bei N., SO. und SW.). Ich berechnete für den Mai noch fünf Jahre, 1850—1854, und in der zehnjährigen Pe- riode modificirten sich die Verhältnisse in folgender Weise: die NO.-, SW.- und NW.-Winde sind gleich häufig, und das Steigen bei $. und O. verschwindet, jedoch steigt das Barome- ter immer noch bei N. und fällt bei NO. Ich glaube, diese zwei Maxima des Barometerstandes im Mai (bei NNW. und ONO.) stehen im Zusammenhange mit den zwei Einbiegungen der Isothermen des Mai, am Huron-See und an den Küsten von Newfoundland und Labrador, für Providence also in NW. und NO. gelegen, während im Norden von Providence bei Quebec die Isothermen weit nördlicher heraufrücken. Im Sommer rückt die Stelle des höchsten Barometerstandes ganz auf die Ostseite der Windrose nach ONO., während der niedrigste Stand sich wie im Winter in WSW. befindet, also dieselben Verhältnisse wie in Europa, wo der niedrigste Ba- rometerstand Winter und Sommer an derselben Stelle der Windrose. { j Im Herbst sind die Verhältnisse wie im Frühling, der Semptember schliefst sich mehr den Sommer-, October und November den Wintermonaten an. vom 16. Januar 1865. 61 Providence, Rhode-Island, 5 Jahre, März 1855 — Febr. 1860. Windes-] Januar. | Februar. , März. April. Mai. Juni. riehtung. Bun | Mittel "An. Mittel. Box Mittel. Ian Mittel. Ka Mittel. anzeuiulch N. 10 | 0,009 | 8 ]-0,085 | ı3 | 0,0769, 4 | 0,0125 3 |-0,0867| 2 | 0,08 NO. 20 j—0,0501117 |—-0,17 ) Pal 24 0,07 36 0,0189|29 0,0617 O. 1 [0,3 4 |—0,18 3 1—0,287 4 |—0,025 5 ; 0,074 | 0 so. 3 [0,38 3 [—0,1233| 14 |—0,2243| 15 Ess! 15 !—0,0667/13 |—0,06 Ss. 8 |-0,1337 13 |-0,2115| 16 |-0,1725| 14 |-0,08 | 21 | 0,0081]20 nz sw. | 33 |-0,0939 28 |-0,0943] 24,5|-0,1163| 30 |—0,0693| 28 --0,0264)45 |—0,0184 © 0,0956 11,5] 0,0573] 14,5] 0,1828] 11 | 0,1055 6 | 0 15 | 0,0467 W. I 0,0724,51,5| 0,1324] 61 | 0,0952] 46 | 0,0898, 33 ı 0,0542,23 | 0,0626 | Juli. | August. |September.| October. | November. | December N. 2,5 0,142 | 5,5] 0,0327| 7,5) 0,0053] 5,5l-0,0255)] 3 | 0,0967| 7 |-o,1414 NO. |27,5 0,0498 23,5] 0,043 | 29,5] 0,0075] 23,5/-0,0255| ı9 |-0,0842|22 |-o,1791 0. 1 | 0,03 | 5,5 |-0,0764| 2 |-0,05 | 3 |-0,06 | 5 |-0,184 | 6 |-0,19 so. 14 ‚—0,0329) 11,5|—0,0939)| 4 |-0,2 6 |-0,1383| 6 |-0,1567| 6 |—0,6583 S. 15 A kese! 2 I-0,07 | 2 |-0,1ı |ı1 |-0,0955l s |-0,2025| 3 |—0,3067 sw. |# en 35 [-0,0343| 49 |—0,0482 42 |—0 0624| 32 |-0,1113/25 |-0,1272 Ww. 13 | _0,0261 12 | 0,0467| ı2 0,0525) 9 | 0,0644] 8 | 0,0775l17 | 0,0818 nw. |23 | 0,0236| 24 | o,o9ı7l 9 | 0,0282 50 | 0,093 | 58 | o,ını les | 0,1832 = Frühling. a Herbst. Jahr. |Mai 10J. 1850—1859. N. 25 |-0,0633| 20 | 0,0695] 10 | 0,063 | ı6 | 0,0119] ı | 0,0089] 7,5 —0,0453 NO. |59 |-0,1333| 69 |-0,0159| 80 | 0,042 | 72 |—-0,0303[280 |-0,0285/61,5| 0,0117 o. 11 |-0,2055| 12 |-0,155 | 6,5/-0,0585| 10 |-0,12 | 39,5 —0,1443|15 |—0,0127 | so. 12 |-0,455 | 44 |-0,143 | 38,5/—0,0603| 16 |-0,1606|110,5,—0,1507|2 |—-0,0698 S. 24 |-0,1975| 51 |—0,0727| 42 |—0,0552| 21 |—0,1367|138 |-9,0998|36 |—0,0275 Sw. |86 |-0,1049| 82,5|—0,0687|129 |-0,0267|123 |-0,0694|420,5 —0,0634 [63 0003 w. 37,5| 0,0755) 31,5| 0,0841] 40 | 0,023 | 29 | 0,0624l138 | o,osonlı2 | 0,05 NW. Jı8s5,5l 0,1287|140 | 0,0543) 72 | 0,07561147 | 0,0962l544,5) 0,091al6e3 ' 0,0695 62 Gesammtsitzung vom 19. Januar 1865. 19. Januar. Gesammitsitzung der Akademie. Hr. Pertz las über den neunzehnten Band der Scriptores in den Monumentis Germaniae. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. XUW, 3. Berlin 1864. 4. Verhandlungen des naturforschenden Vereins zu Brünn. 2.Bd. Brünn 1864. 8. Moritz Hörnes, Die fossilen Mollusken des Tertiärbeckens von Wien. 2. Band, no. 5. 6. Wien 1864. 4. Debenedetti, Siüla liberta di esercizio farmaceutico. Voghera 1864. 8. 26. Jan. Öffentliche Sitzung der Akademie zur Gedächtnifsfeier Königs Fried- richs II. Der vorsitzende Sekretar Hr. Kummer eröffnete die Sitzung mit folgender Festrede: Die Akademie feiert an dem heutigen "Tage das Andenken Friedrichs des Grof[sen, ihres erhabenen Protektors, ihres Erneuerers, ihres Mitarbeiters in der Wissenschaft.— Es sind besonders diese näheren Beziehungen des grolsen Königs zu unse- rer Akademie, auf welche sie gern und mit gerechtem Stolze zurückblickt, weil diese ihr eigenthümlich angehören, während sie seine Bewunderung als Feldherrn, als Staatsmann und als Schrift- steller nicht nur mit jedem preulsischen Patrioten, sondern mit der ganzen gebildeten Welt theilt. — In diesem Sinne werden Sie, Hochzuverehrende Anwesende mir gestatten, den grofsen König, welcher es nicht verschmähte mehrere seiner wissenschaft- lichen Arbeiten in unserer Akademie vorlesen, und in den Schrif- ten derselben erscheinen zu lassen, heut nur als Mann der Wis- Öffentliche Sitzung vom 26. Januar 1865. 63 senschaft zu betrachten. — Ein treues und einigermaalsen voll- ständiges Bild seiner Thätigkeit in der Wissenschaft und für die Wissenschaft, zu welchem seine Thaten als König und Held von selbst den grolsartigsten weltgeschichtlichen Hintergrund bilden würden, wäre aber nicht nur für den engen Rahmen einer akade- mischen Rede, sondern hauptsächlich auch für meine eigenen Kräfte zu grols, darum werde ich mich auch hierin noch auf ein verhältnifsmäfsig kleines Gebiet beschränken müssen, und ich gedenke von demjenigen etwas auszuwählen, was meinen eigenen Studien und geistigen Interessen am nächsten liegt. Wenn man die hervorragenden Männer durchgeht, welche Friedrich der Grof[se an die von ihm erneuerte Akademie berufen hat, und wenn man jetzt, nachdem ein Jahrhundert ver- flossen ist, über den bleibenden Werth ihrer Werke ein unbe- fangenes Urtheil fällt, und die Stellung betrachtet, welche sie in der Geschichte der Wissenschaften sich erworben haben, so kann man nicht umhin anzuerkennen, dals es die Mathematiker sind, welche unter denselben den ersten Platz einnehmen. Maupertuis im Jahre 1746 von Friedrich dem Gro- (sen zum beständigen Präsidenten der Akademie ernannt, und mit den dieser Würde angemessenen Vollmachten, Ehren und Einkünften ausgestattet, stand bei dem grofsen Könige, dessen Gesellschafter in Reinsberg und Begleiter im ersten Schlesischen Kriege er gewesen war, als geistvoller Mann in besonderer Gunst; aber auch seine wissenschaftliche Bedeutung rechtfertigte diese Wahl in vollem Maalse. Er nahm unter den besten Mathe- matikern seiner Zeit einen ehrenvollen Platz ein, und seine Ar- beiten in diesem Felde haben nicht blofs ein hohes geschichtliches Interesse, sondern sind auch noch heut als bleibendes Eigenthum der Wissenschaft erhalten. Durch seine mit allen wissenschaft- lichen Hülfsmitteln der damaligen Zeit ausgeführte Gradmessung in Lappland, im Verein mit der von Lacondamine geleiteten Gradmessung in Peru, wurde zuerst die wahre Gestalt unserer Erde, als die eines nach den Polen hin abgeplatteten Sphäroids festgestellt. Es konnte nicht fehlen, dals diese Expedition in ein damals noch wenig bekanntes, fast fabelhaft erscheinendes Land, welche von der Pariser Akademie mit vielem Eclat in’s Werk 64 Öffentliche Sitzung gesetzt worden war, und welche ein so bedeutendes wissen- schaftliches Resultat geliefert hatte, Maupertuis Namen zu einem allgemein berühmten machte. Ein nicht minder be- deutendes Resultat, welches er ohne äufsere Hülfsmittel durch rein geistige Arbeit gewonnen hat, ist das von ihm unter dem Namen principe de la moindre action zuerst aufgestellte Princip der Mechanik, welches seitdem einen integrirenden Bestandtheil dieser Wissenschaft bildet. Dieses Princip kann nach zwei Sei- ten hin als ein Fortschritt der Erkenntnils bezeichnet werden, insofern es nicht nur eine rein mathematische Wahrheit enthält, sondern zugleich auch eine philosophische Einsicht in die Gesetze der Natur eröffnet; denn es sagt aus, dafs in der ganzen Natur, in so weit sie keinen anderen Gesetzen als denen der Mechanik unterworfen ist, überall die gröfste Sparsamkeit waltet, und zur Erreichung bestimmter Wirkungen stets nur die zugleich noth- wendigen und hinreichenden Mittel angewendet werden. — Eine Schmähschrift, welche Voltaire gegen Maupertuis erliels, in der seine vernichtende Satyre um so empfindlicher wirkte, da sie Maupertuis Hauptfehler, die Eitelkeit zur Handhabe hatte, ist nicht im Stande gewesen dessen wissenschaftliche Verdienste dauernd zu verdunkeln, auch hat sie in den Augen Friedrichs des Grofsen nicht ihn, sondern nur Voltaire selbst herabge- setzt, und dessen Entfernung vom Hofe des grolsen Königs ver- anlalst. Schon ein Jahr nach seiner Thronbesteigung hatte Fried- rich der Grolse, der die Reorganisation der Akademie zu einem seiner ersten Regierungsgeschäfte machte, Leonhard Euler aus Petersburg nach Berlin berufen, einen Mann der unter den grolsen Mathematikern seiner Zeit wohl mit Recht als der erste zu bezeichnen ist, da kein anderer so allseitig und zu- gleich so tief in alle mathematischen Disciplinen eingedrungen ist, als er. Seine ‚zahlreichen Schriften, von denen ein verhältnils- mäfsig nur kleiner aber werthvoller Theil zu den Denkschriften unserer Akademie gehört, behandeln alle praktisch und theore- tisch wichtigen Fragen der Mathematik, von der besten Art die Seeschiffe zu bemasten bis zu den verborgensten Geheimnissen der Zahlentheorie, und was mehr als dieses sagen will, sie werden vom 26. Januar 1865. 65 noch jetzt, und zwar in den Originalen, mit Fleifs studirt; die Fülle der in ihnen enthaltenen tiefen mathematischen Gedanken, so wie die klare, ungezwungene Form der Darstellung, welche überall durchblicken läfst wie diese Gedanken in Euler’s Geiste sich gebildet haben, machen sie bei Schülern und Meistern der Wissenschaft gleich beliebt und gesucht. Euler’s Werke leben aber auch noch in dem höheren Sinne in der Gegenwart fort, dafs sie fast für alle bedeutenden Fortschritte der neueren Zeit die Bah- nen gebrochen haben. Die Theorie der elliptischen Funktionen, der partiellen Differenzialgleichungen, die Variationsrechnung lei- . ten von ihm ihren Ursprung her. Euler’s Abgang von Berlin, als er im Jahre 1764 nach Petershurg zurückkehrte, würde als einer der grölsten Verluste zu bezeichnen sein, die unsere Aka- demie erlitten hat, wenn nicht Friedrich der Grofse durch die Berufung Lagrange’s dafür gesorgt hätte ihm einen seiner ‚würdigen Nachfolger zu geben. Lagrange war bei dem Äntritte seiner hiesigen Stellung | als Director der mathematischen Klasse unserer Akademie erst ı 30 Jahr alt, aber er hatte schon Arbeiten geliefert, die ihn den | "besten Mathematikern seiner Zeit vollkommen ebenbürtig machten. Mit jugendlicher Kraft und Begeisterung hatte er in seiner Vater- | stadt Turin eine Akademie der Wissenschaften gegründet, ihr die "Anerkennung des Königs von Sardinien erwirkt und sie durch | seinen Namen und durch seine Schriften zu dem Range einer der | angesehensten Akademieen ihrer Zeit erhoben. Die Abhandlungen, | die er während seines zwanzigjährigen hiesigen Aufenthalts in un- | serer Akademie vorgetragen hat, verleihen den Denkschriften aus jener Zeit noch jetzt einen besonders hohen Werth, seine Haupt- | werke aber, namentlich die analytische Mechanik und die Theorie der Funktionen fallen erst in eine spätere Periode seines Lebens, | und sind zwar auf dem Boden unseres Vaterlandes erwachsen, aber in Frankreich erschienen. Nach Friedrichs des Gro/[sen Tode, als unsere Akademie nicht mehr durch diesen grolsen Geist getragen und gepflegt wurde, hatte sie für einen Mann wie Lagrange nicht mehr die nöthige Anziehungskraft, da er gleich- zeitig von den Regierungen von Sardinien, Toscana, Neapel und Frankreich glänzende Anerbietungen erhielt, wurde er durch [1865.] 5 66 Öffentliche Sitzung Mirabeau, welcher damals in Berlin lebte, bewogen, diesem letzteren Rufe Folge zu leisten. In Paris hatte Lagrange alle Wechselfälle der französischen Revolution mit durchzumachen, welche er nicht ohne grofse Gefahr, aber mit besonderem Glücke überstand. Seine Schüler an der neu gegründeten Ecole poly- technique vergötterten ihn und seine Fachgenossen an der Aka- demie der Wissenschaften erkannten ihn einstimmig als den ersten an, und zwar zu einer Zeit, wo die mathematischen Wissenschaf- ten in Frankreich in ihrer höchsten Blüthe standen, wo Laplace, Legendre, Monge und Fourier ihre staunenswerthen Werke schufen. Der Grafentitel, das Grolskreuz der Ehrenlegion, die Senatorwürde, die ihm Napoleon als Kaiser verlieh, und die Beisetzung seiner Gebeine im Pantheon sind solcher Anerkennung gegenüber nur von geringerer Bedeutung. Fast gleichzeitig mit Lagrange berief Friedrich der Grofse noch einen: ausgezeichneten Mathematiker nach Berlin, nämlich Lambert, welchen zu ihren früheren Mitgliedern zählen zu können unserer Akademie zur bleibenden Ehre gereicht. Lambert beschäftigte sich vorzugsweise mit den Problemen der angewandten Mathematik, denen er eine bis dahin nicht gekannte Ausdehnung gab. Die Perspective ist von ihm zuerst nach mathe- matischen Principien behandelt worden, die Photometrie verdankt ihm ihre Entstehung, und in der Astronomie führt ein eleganter Satz über die elliptischen Sektoren noch jetzt seinen Namen; aber auch die reine Mathematik verdankt ihm manche schöne Be- reicherung z.B. die nach ihm benannte Lambertsche Reihe und | den ersten Beweis der Irrationalität des Verhältnifs der Periphe- rie zum Durchmesser des Kreises. Leider raffte der Tod ihn schon in seinem A9ten Lebensjahre hinweg, nachdem er unserer ' Akademie 13 Jahre lang als ordentliches Mitglied angehört hatte. Auch die Astronomie hatte sich der besonderen Fürsorge’ Friedrichs des Gro[sen zu erfreuen, welcher die veraltete‘ Sternwarte neu einrichten lie[s und zuerst den älteren Castillon,, einen Mann von wissenschaftlichem Verdienst, für dieses Fach anı die Akademie berief, nachher Johann Bernoulli, einen Spröfs- ling jener berühmten Familie von Mathematikern, der durch seine | wissenschaftlichen Leistungen sich seiner Ahnen würdig zeigte,, vom 26. Januar 1865. 67 und nach Lagranges Abgange zum Director der mathematischen "Klasse erwählt wurde. Die Mathematik, welche diese Männer zu ihren Vertretern hatte, stand unter Friedrich dem Gro[lsen an unserer Akademie in der vollsten Blüthe, und die Blüthe dieser Wissenschaft war sein eigenes Werk, denn die Berufungen der grolsen Mathematiker gin- gen unmittelbar von ihm selbst aus. Rechnet man hierzu noch, dafs er auf’s eifrigste bemüht war auch D’Alembert nach Ber- lin zu ziehen, um ihn zum Präsidenten der Akademie zu machen, so erscheint die Bevorzugung, welche er den mathematischen Wissenschaften angedeihen liels, in einem noch auffallenderen Lichte, denn D’Alembert, ein Mann von universellem Geiste, ‚ verdient vorzugsweise Mathematiker genannt zu werden, weil ‚ seine Leistungen in dieser Wissenschaft unvergänglich geblieben sind, während über die übrigen Erzeugnisse seines Geistes die | Zeit hinweggeschritten ist. | Man sollte meinen, dafs der grolse König, der die mathema- ! tischen Wissenschaften in so grolsartiger Weise förderte, und die | ersten Mathematiker seiner Zeit so hoch schätzte, selbst ein | Freund oder Verehrer dieser Wissenschaft gewesen sein müfste. | Diefs war jedoch keineswegs der Fall. Die Äufserungen über | Mathematik, die wir in seinen Werken und Briefen finden, schei- | nen eher eine gewisse Abneigung gegen alles mathematische zu | verrathen, welches er gern mit Witz und Sarkasmen verfolgte. | Besonders in der witzigen Schrift: Reflexions sur les refexions | des geometres sur la poesie, welche gegen eine, die Ausartungen ‚ der Poesie kritisirende akademische Rede D’Alemberts gerich- ‚ tet ist, läfst der König seiner Laune gegen die Mathematiker den ‚ freisten Lauf, die er hier gewöhnlich nur als die Krummlinigen bezeichnet, zur Abwechselung aber auch Barbaren nennt. Der versteckte Grund, warum sie die Poesie zu unterdrücken trach- teten sei nur der, dafs sie ihre Curven, Tangenten, Cycloiden, Kettenlinien und anderen Kram besser an den Markt bringen wollten, da der Absatz derselben bisher nur sehr schwach gewe- sen sei. Er giebt ihnen auch Schuld, das sie mittels «&— x sich , zu Herren der Welt zu machen strebten, und um zu zeigen, wie wenig sie damit vermöchten, spielt er auf eine von Euler nach 5*+ 68 Öffentliche Sitzung mathematischen Regeln versuchte musikalische Composition an, wegen deren der arme Geometer das Schicksal des Marsyas, lebendig geschunden zu werden, riskirt hätte, wenn er vor den Richterstuhl des Apollo gezogen worden wäre. — In diesen, so wie auch in allen anderen witzigen Ausfällen gegen die Mathe- matik und die Mathematiker spricht sich aber nirgends eine Ge- ringschätzung aus, sie lassen vielmehr nur ein gewisses Unbehagen durchblicken, welches Friedrich der Grofse als Philosoph darüber empfand, dafs ihm, der überhaupt alles, was Gegenstand menschlicher Erkenntnils ıst in das Bereich seines Nachdenkens und seiner Forschung zog, ein so bedeutendes Gebiet der Wissen- schaft nicht zugänglich war.— Ein ähnliches Mifsbehagen der Mathematik gegenüber empfand seiner Zeit auch Göthe, welcher als Dichter auf das Goncrete angewiesen, für die reinen Abstrak- tionen dieser Wissenschaft wenig Sinn hatte, als er aber durch seine naturwissenschaftlichen Studien, namentlich durch die Far- benlehre an sie herangeführt wurde, keinen Versuch machte sich mit ihr zu befreunden, sondern es vorzog sie ernstlich anzufein- den und von aulsen her zu bekämpfen, von einem Standpunkte aus, wo seine gegen sie geschleuderten Geschosse ihr Ziel nim- | mer erreichen konnten. Wenn Göthe, um sich äufserlich etwas | darüber zu unterrichten in Montucla’s grofsem Werke der Ge- schichte der Mathematik las, so konnte er davon nur wenig | Nutzen haben, weil es eben nur eine äufserliche Bekanntschaft | mit der Mathematik war, die er dadurch erhalten wollte. — Friedrich der Gro[se dagegen ist ernstlich bemüht gewesen | dem Mangel mathematischer Erkenntnils, den er selbst lebhaft | fühlte, abzuhelfen, so weit sich dies nämlich thun liefs ohne den | mühsamen Weg regelrechter mathematischer Studien durchzu- machen, welcher von den Elementen anfangend bis in die Tiefen | dieser Wissenschaft führt. Da es das philosophische Interesse | war, welches er auch in der Mathematik befriedigen wollte, so wählte er sich hierin D’Alembert zu seinem Lehrmeister, an |) den er sich mit dem Ersuchen wandte für ihn eine besondere ') Schrift zu schreiben, um ihn über die Mathematik aufzuklären, ‚' namentlich weil diese Wissenschaft der menschlichen Erkenntnils ı näher liege als die Metaphysik, wünschte er, dafs D’Alembert vom 26. Januar 1865. 69 ihm auseinandersetze, in welcher Weise die Analyse in der Mathe- matık angewendet werde, unter welchen Bedingungen man sich ‚auch der Metaphysik dazu bedienen könne, und in welchen Fällen die Anwendung derselben fehlerhaft sei. D’Alembert antwortet ‚hierauf: er denke über die Nichtigkeit und Armseligkeit der Me- \taphysik ebenso wie der König, ein wahrer Philosoph müsse die- selbe nur studiren, um über das enttäuscht zu werden, was sie zu lehren scheine; mit der Mathematik seı diels nicht so, sie habe \einen festen Boden unter sich, obgleich sie nur eine Art Kinder- klapper sei, welche die Natur uns zugeworfen habe, um uns in ‚der Finsternils zu trösten und zu amüsiren. Die Fragen über die Anwendung der Analyse und der Metaphysik auf die Mathematik ‚werde er versuchen mit möglichster Klarheit zu beantworten. — Ich weils nicht, ob D’Alemberts Schrift über diesen Gegen- ‚stand, die er Friedrich dem Grofsen zugeschickt hat, den ‚Erwartungen desselben ganz entsprochen haben mag, und möchte \es fast bezweifeln, denn indem er D’Alembert seinen Dank ‚dafür ausspricht, findet er sie zwar bewundernswürdig, aber wenn ‚er früher sich versprochen hatte in ihr die Leuchtfeuer zu finden, die ıhn in dem Dunkel der Mathematik aufklären, und ihm eine Idee davon geben sollten, durch welche Manöver die mathemati-. ‚schen Piloten es dahin bringen in den Hafen der hohen Wissen- schaften einzulaufen, bezeichnet er sie jetzt mit dem minder ‚schmeichelhaften Titel einer Eselsbrücke, durch deren Hülfe er sich brüsten könne etwas von den Geheimnissen begriffen zu ‚haben, welche die Adepten der Menge zu verbergen pflegen. Dals Friedrich der Grofse durch die Philosophie zur ‚Mathematik selbst hingeführt worden ist, und dafs er einen Ver- |such gemacht hat in dieselbe etwas tiefer einzudringen, kann als ‚ein interessantes Faktum erwähnt werden, welches jedoch keine weiteren Folgen gehabt hat; dafs aber die Philosophie ihn mit ‚den grölsten Mathematikern seiner Zeit in nähere Beziehungen gebracht hat, ist für die Entwickelung und die Richtung des wis- ‚senschaftlichen Lebens in unserem Vaterlande und für unsere Aka-- demie in’s besondere von der grölsten Bedeutung gewesen. — Friedrich war zuerst in der Leibnitz-Wolfischen Philosophie unterrichtet und gebildet worden, und hatte sich mit dem prakti- 70 Öffentliche Sitzung schen Theile derselben, besonders der Moralphilosophie, so be- freundet, dafs er diese sein ganzes Leben hindurch geschätzt und gepflegt hat. Seinem durchdringenden Verstande entging es aber nicht, dafs die Wolfische Metaphysik oder Ontologie keine feste innere Begründung habe, diese verfiel daher bald dem allgemeinen Streben seines freien Geistes die Vorurtheile jeder Art als solche zu erkennen, und denkend sich über dieselben zu erheben. Dieses Streben, im Verein mit seiner Vorliebe für die französische Litte- ratur führte ıhn zu der damals in Frankreich herrschenden Philo- sophie der sogenannten Encyclopädisten, welche Bayle zu ihrem Begründer und D’Alembert zu ihrem geistvollsten Vertreter hatte. Die erste Veranlassung, dafs Friedrich der Grolse und D’Alembert sich näher traten, gab eine von unserer Aka- demie gestellte Preisaufgabe über die Ursache der Winde, für deren Lösung D’Alembert der Preis zuerkannt wurde, und. zwar in der Sitzung vom 2. Juni 1746, welche durch die öffent- liche Verkündigung der von dem Könige gegebenen neuen Sta- tuten und durch die Einführung Maupertuis als beständigen Präsidenten besonders feierlich war. D’Alembert’s an Frie- drich den Grol[sen gerichtete Bitte, ihm diese Schrift dedici- ren zu dürfen und die Antwort, die der König ihm geben liels, , dafs man ihn selbst in Berlin noch lieber sehen würde, als seine Schrift, bilden den Anfang eines Briefwechsels zwischen beiden, , welcher ununterbrochen bis zu D’Alemberts Tode fortgesetzt wurde. — Die vollständige Herausgabe dieser Briefe in den Wer-. ken Friedrichs des Grolsen ist das schönste Ehrendenkmäl, , welches diesem als Encyclopädisten viel geschmähten grolsen ı Denker: gesetzt werden konnte; denn wenn er selbst nur den‘ bescheidneren Wunsch ausgesprochen hatte, man möchte auf sei- nen Grabstein die Worte setzen: Friedrich der Grolse ehrte ihn durch seine Gunst und durch seine Wohlthaten, so zeigt dieser Briefwechsel, dals der grölste König und Held seines Jahrhunderts ihn noch mehr durch seine Hochachtung und durch! seine Freundschaft geehrt hat. Und D’Alembert zeigt sich überall dieser hohen Ehre vollkommen würdig, nicht nur durch! die glänzenden Eigenschaften seines Geistes, sondern ebenso durch seine hohe sittliche Bildung, ohne welche es ihm nicht vorn 26. Januar 1865. 71 hätte gelingen können die Freundschaft des grofsen Königs sich dauernd zu erhalten, und zugleich diesem mächtigen, alles be- herrschenden Geiste gegenüber seine eigene Freiheit und Unab- hängigkeit vollkommen zu bewahren. Zu der Zeit als Maupertuis durch Voltaire’s Satyre tief gekränkt und körperlich leidend sich mit Urlaub nach Frankreich zurückgezogen hatte, und wenig Hoffnung war, dals er seine Stelle als Präsident der Akademie wieder werde übernehmen kön- nen, und als Voltaire ohne Urlaub sich davon gemacht hatte, liefs Friedrich der Grofse durch den Marquis D’Argens D’Alembert die ersten ernstlichen Anerbietungen machen in seine Dienste zu treten, da er überzeugt war, dals dieser eine ihm die beiden Männer die er vermilste werde ersetzen können. D’Alembert lehnte aber die ebenso grofsmüthigen als ehrenvol- len Anerbietungen in so edler Weise ab, dals er dadurch in der Gunst des Königs nur befestigt ward. Er lehnte in derselben Weise auch die schmeichelhaftesten Aufforderungen des Königs selbst ab, und als es diesem gelungen war ihn zu einem längeren Besuche in Sans-Souci zu bewegen, wulste er selbst dem persön- lichen Einflusse des grofsen Königs mit so edler Festigkeit und mit so feiner Gewandheit zu widerstehen, dafs dieser ihm nicht zürnen konnte, sondern nur bedauern mulste einen solchen Mann für sich und für sein Land nicht gewinnen zu können. Die ein- zige aber zuversichtliche Hoffnung ihn noch nach Preulsen zu ziehen setzte der König darein, dafs D’Alembert, welcher durch seine Schriften mit der damals in Frankreich noch überaus mäch- tigen Geistlichkeit schon mehrfach in Conflikt gerathen war, durch die Intoleranz derselben werde aus seinem Vaterlande ver- trieben werden, und für diesen Fall bot er ihm eine sichere und ehrenvolle Zufluchtstätte in Preulsen an. Die Stelle eines Prä- sidenten der Akademie wurde nach Maupertuis Tode nicht wieder besetzt, sondern Friedrich der Grofse nahm selbst den Titel und die Prärogative eines obersten Directors derselben an, in der brieflich an D’Alembert offen ausgesprochenen Ab- sicht, die Präsidentenstelle für diesen offen zu halten. Seit dieser Zeit fragte der König D’Alembert in allen wichtigeren die Akademie betreffenden Angelegenheiten regel- 72 Öffentliche Sıtzung mäfsig um seinen Rath, so dafs dieser die wesentlichsten Funk- tionen eines Präsidenten von Paris aus zu versehen hatte. Der Einflufs, welchen er so auf unsere Akademie ausübte, war für die höchsten Interessen derselben überall nur förderlich und heilsam. Vermöge seiner umfassenden Gelehrsamkeit und seines durchdrin- genden Verstandes wulste er wahre wissenschaftliche Verdienste jeder Art gehörig zu würdigen, und er verfehlte nicht dieselben bei dem Könige gebührend hervorzuheben. Auch war er in der Ferne allen den kleinlichen Rücksichten, Sympathieen und Anti- pathieen enthoben, welche in einer gröfseren Körperschaft nie ganz fehlen. Sein Hauptverdienst um die Ehre, das Ansehen und die Blüthe unserer Akademie besteht aber darin, dals er für die Besetzung vakanter Stellen der Akademiker dem Könige, wel- cher als oberster Director diese vor allen schwere Sorge und wichtige Befugnils ganz in seine eigene Hand genommen hatte, stets nur Männer von echtem wissenschaftlichen Verdienst empfahl. Dals dieser Einfluls D’Alembert’s des grolsen Mathematikers den mathematischen Wissenschaften an unserer Akademie in vor- züglichem Maalse zu Gute kommen mulfste, ist ganz natürlich, und seine Empfehlung Lagranges auf dessen hervorragendes Talent, und diesem entsprechende wissenschaftliche Leistungen er den König zuerst aufmerksam machte, ist als das höchste Ver- dienst anzuerkennen, welches er in dieser Beziehung sich nur er- werben konnte. D’Alembert’s philosophische Richtung, welche unserem Vaterlande nicht würde zum Segen gereicht haben, wenn sie hier. die herrschende geworden wäre, hat unserer Akademie doch in keiner Weise Schaden gebracht; denn D’Alembert so wie sein königlicher Gönner, waren, wenn auch einseitig als Philosophen, doch nichts weniger als geistig beschränkt und intolerant. Sie gingen ihren eigenen Weg, auf welchem sie die Wahrheit such- ten, und wenn auch nicht diese, so doch eine gewisse Befriedi- gung ihres geistigen Strebens fanden, und sie gestatteten gern jedem anderen wissenschaftlichen Forscher in seiner eigenen Weise dasselbe zu thun. Wenn die Philosophie, obgleich sie an unserer Akademie mehr bevorzugt war, als an irgend einer anderen, da sie durch eine besondere Klasse vertreten wurde, vom 26.” Januar 1865. 73 dennoch nicht zu einer so hohen Blüthe gelangte, als die Mathe- matik, so liegt die Schuld weder an der obersten Leitung der Akademie, noch auch an ihren philosophischen Mitgliedern, unter welchen mehrere durch Geist und durch Gelehrsamkeit ausge- zeichnete Männer zu finden sind, der wahre Grund dieser Er- scheinung ist vielmehr nur darin zu suchen, dals es der damaligen vorkantischen Zeit überhaupt nicht gegeben war neue grofse und lebenskräftige philosophische Gedanken hervorzubringen. Das Wegräumen des alten unhaltbar gewordenen. philosophischen, in’s besondere des: metaphysischen Rüstzeuges, welches die D’Alembert’sche Schule mit besonderer Vorliebe betrieb, kann jetzt, von einem unbefangenen Standpunkte aus nur als ein Hauptverdienst der philosophischen Thätigkeit jener Zeit an- gesehen werden, weil es dazu gedient hat Kants neuen Gedan- ken den Weg frei zu machen. Es ist eine interessante, für das Wesen metaphysischer Spe- culationen überhaupt charakteristische Erscheinung, dafs selbst die damals ganz geschlagene und verachtet am Boden liegende Meta- physik auf Friedrich den Grofsen und D’Alembert noch einen mächtigen Zauber auszuüben vermochte. Beide von der Nichtigkeit und Armseligkeit derselben vollständig durchdrungen, können nicht umhin in ihren brieflichen Unterhaltungen immer wieder selbst in metaphysische Speculationen zu verfallen, welche sogar mehr Reiz für sie zu haben scheinen, als alle anderen wichtigeren Gegenstände, da die zwischen ihnen gewechselten Briefe metaphysischen Inhalts die bei weitem umfangreichsten sind. Wie tief dieses Bedürfnils in ihnen lag, spricht sich auch sehr unbefangen darin aus, dals Friedrich der Grofse, als er D’Alembert auffordert ihn wieder einmal in Sans-Souci zu be- suchen ihn dadurch zu locken sucht, dals er ihm schreibt: nous philosopherons nous ınetaphysiquerons ensemble. Es würde mich zu weit führen auf den interessanten Irhalt dieser metaphysischen Speculationen selbst einzugehen, es liegt dagegen nahe hier noch einen sehr wichtigen Einfluls hervorzu- heben, welchen nicht sowohl Friedrich der Grol/se als Philo- soph, sondern vielmehr die ganze philosophische Richtung jener Zeit, insofern sie eine überwiegend skeptische war, auf die Ent- 74 Öffentliche Sitzung wickelung und die Fortschritte der mathematischen Wissenschaf- ten ausgeübt hat. — Die Philosophie und die Mathematik haben, als verwandte Wissenschaften zu allen Zeiten in einer gewissen Wechselwirkung gestanden; die Geschichte beider Wissenschaf- ten weist auch zahlreiche Beispiele nach, dafs grolse Philosophen zugleich Mathematiker, und dafs grofse Mathematiker zugleich Philosophen waren, und unsere Akademie hat in Leibnitz sogar das Beispiel eines Mannes, der in beiden Beziehungen gleich grols war. In der Zeit, welche wir hier betrachten, tritt aber diese Verbindung der Mathematik mit der Philosophie besonders stark hervor, da alle die grolsen Mathematiker von denen wir bereits gehandelt haben zugleich Philosophen waren. D’Alembert und Maupertuis haben ihre Namen als Philosophen fast ebenso berühmt gemacht, wie als Mathematiker. Euler, welcher nur ganz in der Mathematik und für dieselbe zu denken und zu leben schien, hat in seinen Briefen an eine deutsche Prinzessin sein philosophisches Talent und seine Neigung für philosophische Be- trachtung der Natur gezeigt. Lagrange ist zwar nicht als phi- losophischer Schriftsteller aufgetreten, er war aber nach D’Alem- bert’s Zeugnils: nicht nur ein sehr grofser Mathematiker und den Besten welche Europa in dieser Art besitzt mindestens gleich, sondern auch ein wahrer Philosoph in jedem nur möglichen Sinne des Wortes. Lambert ist von philosophischen Studien ausge- hend zur Mathematik geführt worden und hat sich als Schriftstel- ler zuerst mit einer algebraischen Logik hervorgeihan. — Der allgemeine Grund dafür, dals mathematisches und philosophisches Talent sich oft vereint finden, liegt darin, dafs es nur die eine Befähigung und Neigung für das rein abstrakte Denken ist, wel- cher die beiden verschiedenen Wege der mathematischen so wie der philosophischen Speculation gleichmäfsig offen stehen; ob ein mit diesem Talente vorzugsweise begabter wissenschafilicher Forscher sich mehr der einen oder der andern dieser verwandten Wissenschaften zuwendet, oder ob er einer derselben sich ganz ergiebt, scheint mehr nur von äuflseren Bedingungen abhängig zu sein. In der damaligen Zeit aber, wo die Philosophie in ihrer höchsten Spitze, der Metaphysik faul geworden war, wo die scharfsinnigsten Philosophen nicht mehr wagten zu irren und zu vom 26. Januar 1865. 75 träumen, weil sie in diesem Spiele des Geistes keinen höheren Sinn mehr fanden, in jener skeptischen Zeit, wo man den Glau- ben verloren hatte durch wissenschaftliche Forschung den erha- bensten Zielen menschlicher Erkenntnifs näher zu kommen, muls- ten die vorzugsweise spekulativen Talente ihre Befriedigung anderweitig suchen, und viele von ihnen fanden in der Mathe- matik nicht nur ein unendliches und fruchtbares Feld ihrer Thä- tigkeit, sondern auch das, was ihnen die Philosophie niemals . geben konnte: die unumstöfsliche Wahrheit und Gewilsheit der Resultate ihrer Forschungen. Diese Befriedigung suchte und fand D’Alembert in der Mathematik. Friedrich der Grolse aber fand die volle Be- friedigung seines grolsen Geistes in seinen Thaten. Der vorsitzende Sekretar trug hierauf den Bericht über die seit dem 28. Januar vorigen Jahres, als dem Tage der vorjäh- rigen öffentlichen Sitzung zum Andenken Friedrichs des Grofsen, vorgekommenen Veränderungen im Personalbestande der Akademie vor. Hr. Trendelenburg als Vorsitzender der Miele De tung gab folgenden Bericht: Das Curatorium der Humboldtstiftung für Naturforschung und Reisen erstattete in der vorjährigen öffentlichen Sitzung zur Feier des Jahrestages König Friederichs des Zweiten seinen letzten Jahresbericht. Nach demselben betrug das Stiftungsvermögen am 1. Jan. 1864 48,800 Rthlr. zinstragend und 41 Rthlr. 29 Sgr. 1 Pf. baar und die für wissenschaftliche Zwecke 1864 verwendbare Summe rund 2150 Rthlr. Inzwischen ist die dritte Rate des Allerhöchst bewilligten Königlichen Beitrags von 10,000 Rithlrn., also die Summe von 33334 Rihlr. zu dem Kapital hinzugetreten, und das in einer Hypothek. und preufsischen Staatspapieren belegte Kapital war darnach am 1. Jan. d. J. auf 52,400 Rihlr. gestiegen. In die 76 Öffentliche Sitzung - ; Einnahme des vorigen Jahres ist der unter dem 4. Jan. d.J. von der K. Regierungs-Hauptkasse in Aachen eingesandte Beitrag von 36 Rthlrn. eingerechriet. Die aus 1864 stammenden Einkünfte, so weit sie die für 1865 verwendbare Summe bilden, haben 2256 Rthlr. 10 Sgr. 6 Pf ergeben; also werden rund 2250 Rthlr. der K. Akademie der Wissenschaften zu stiftungsmälsiger Ver- fügung gestellt werden. Nach $. 14 und $. 17 des Statuts war in diesem Jahr die Wahl des Curatoriums, so weit es von Wahl abhängt, zu er- neuern. Die Akademie der Wissenschaften wählte aus ihrer Mitte ‚dieselben Mitglieder wiederum ins Curatorium, und ersuchte Hrn. Geh. Commerzienrath A. Mendelssohn darin zu verbleiben. Sodann vertheilte das Curatorium unter sich die Geschäfte, wie bisher, und ernannte den Vortragenden, Trendelenburg, Sekretar der K. Akad. d. Wiss. zum Vorsitzenden, Hrn. G. Mag- nus,Mitglied der Akademie, zum Stellvertreter und Hrn. Geh. Commerzienrath A. Mendelssohn zum Schriftführer. Mit ihnen bilden das Curatorium der Stellvertreter Sr. Excellenz des Herrn Ministers. der Unterrichtsangelegenheiten Hr. Geheimer Regie- rungsrath Dr. Olshausen und der Oberbürgermeister der Stadt Berlin Hr. Geheimer Regierungsrath Seydel. Auf Antrag der Akademie der Wissenschaften sind die im vorigen Jahre verwendbaren 2150 Rthlr. dem wissenschaftlichen Reisenden, den die Humboldtstiftung 1863 entsandte, Dr. Rein- hold Hensel ın Brasilien überwiesen worden. Dr. Reinhold Hensel, der gelehrten Welt durch zoolo - gische und palaeontologische Arbeiten bekannt, betrat gegen Ende Nov. 1863 den Boden Süd-America’s. Dankbar erwähnte schon der vorige Bericht der Förderungen, welche Dr. Hensel von dem Königlichen Herrn Gesandten in Rio Janeiro und von der Kai- serlich brasilianischen Regierung erfuhr. Nachrichten von ihm sind sparsam hieher gelangt und es liegt nur ein Reisebericht vom 27. Mai v. J. vor, geschrieben in der Baum-Pikade bei Peter- Land in einiger Entfernung von Porto Alegre. Aber in letzter Zeit sind aus Rio. Grande drei Kisten mit Naturalien eingegan- gen, der reichliche Ertrag seiner fleilsigen Sammlungen aus den ersten 3 oder 4 Monaten seines Aufenthalts in Brasilien. Zwei vom 26. Januar 1865. 77 andere Kisten, welche in Porto Alegre zur Absendung bereit waren, werden noch erwartet. Der Inhalt der empfangenen Kisten, dessen wissenschaftliche Bearbeitung dem Dr. Hensel für seine Rückkunft vorbehalten ist, Eigenthum der Humboldt- stiftung, ist auf dem hiesigen K. anatomischen Museum, wie Dr. Hensel gewünscht hatte, niedergelegt worden. Der Director desselben Hr. Geheimer Medizinalrath Professor Dr. Reichert, der die Aufbewahrung und Fürsorge für die eingegangenen Na- turalien gütig übernommen hat, hebt aus dem erwähnten Reise- bericht und in Betreff der bereits eingelaufenen Sendung das Fol- gende hervor: Dr. Hensel ist am 8. Dec. 1863 von Rio Janeiro nach Porto Alegre gegangen, um dem ursprünglichen Reiseplan gemäls die südliche Provinz Brasiliens Rio grande do Sul mit Rücksicht auf die etwa vorhandenen fossilen Überreste aus dem Thierreich und auf die jetzt daselbst lebende Fauna genau zu durchforschen. Er untersuchte zunächst das Flufsgebiet des Guahyba, begab sich dann etwa Mitte April 1864 über Sao Leopoldo nach der mit Urwald bedeckten Serra und hatte die Absicht beim Eintritt der bessern Jahreszeit (September), dureh das Flachland der Provinz nach der Banda oriental vorzurücken, sofern nicht die eingetrete- nen Kriegsereignisse einen andern Weg nach den argentinischen Staaten nothwendig machen sollten. Das Flulsgebiet des Guahyba hat nirgends Spuren von Überresten fossiler Säugethiere gezeigt. Auch das bisher untersuchte Gebirgsland enthielt nirgends solche Kalk- und Knochen führende Höhlen, wie sie in Minas Geraes vorkommen. In den öfters über 100 Schritte ın das Innere der Erde sich erstreckenden Höhlen, die mehr als Lücken oder Spal- ten zwischen grolsen Geschiebeblöcken zu betrachten sind, wur- den nur Fledermäuse angetroffen. Die drei bisher eingegangenen Kisten enthalten in etwa 1972, also nahezu 2000 Exemplaren 667 Species aus fast allen grölsern Abtheilungen des Thierreichs. Die Sendung ist ausgezeichnet durch eine, wie es scheint, vollständige Sammlung der Sülswas- serfische des gröfsten Flufsgebiets der Provinz und durch eine grofse Anzahl wohl erhaltener Exemplare von den daselbst vor- kommenden Käfern, durch wahrscheinlich neue Arten Fleder- 78 Öffentliche Sitzung vom 26. Januar 1865. mäuse u. s. w. Bei vielen Stücken der Sammlung ist Dr. Hen- sel darauf bedacht gewesen, der Bearbeitung wissenschaftlicher Fragen aus der Zoologie und Morphologie förderlich zu werden. So hatte schon das erste Halbjahr der Reise ein ansehnliches Ergebnils, aber zunächst in einer andern Richtung, als die eigent- liche Aufgabe geht, welche sich Dr. Hensel, die Erforschung fossiler Überreste aus dem Thierreich ins Auge fassend, gestellt hat und nicht aus dem Gesicht liels. Aber auch für diese palaeontologische Forschung ist das Jahr nicht ohne Aussicht geblieben. Hr. von Gülich, K. preulsischer Geschäftsträger in den La Plata Staaten, dessen warmen Eifer die Humboldtstiftung auf das Dankbarste erkennt, nahm sich der Zwecke ihrer ersten Aussendung erfolgreich an. Namentlich übersandte er eine Probe fossiler Überreste, das obere Ende eines linken Schenkelknochens, welcher zum Skelet des Riesenfaulthiers Glyptodon oder doch zu einer verwandten vorweltlichen Edenta- ten-Species gehört. So ist das erste Unternehmen der Humboldtstiftung in voller Thätigkeit und die Arbeit hat jenseits des Oceans rüstig begon- nen. Mögen in Nähe und Ferne die zahlreichen Förderer und Gönner der Humboldtstiftung sich dieses Anfangs freuen, aber dabei von Neuem eingedenk werden, dals die grolsen Zwecke, welche sie, die Stiftung mitgründend.oder mitpflegend, in Ale- xander von Humboldts Geiste erstrebten, umfassendere Mittel ver- langen, als die sind, auf welche bis jetzt das gemeinsame Werk beschränkt ist. Es bedarf ihrer weitern Hülfe, damit die Durch- führung gelinge und das Denkmal seines Namens würdig sei. P2 Hr. Dove las über das Klima von Nordamerika. Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 30. Jan. 1865. 79 30. Januar. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Haupt las über eine christliche inschrift und einen vers des Propertius. Lateinische inschriften besonders späterer zeit mischen un- ter ihre wohl oder übel gerathenen verse oder fügen zu ihrer prosa zuweilen brocken aus namhaften gedichten. ich gebe einige beispiele die mir gerade zur hand sind. ein mit vıxI ET QUEM DE abgebrochener vers einer römischen grabinschrift ergänzt sich von selbst zu dem virgilischen vixi e& quem dederat cursum Fortuna peregi (Aen. ıv 653): denn es ist nicht einzusehen warum der herausgeber dieser inschrift, Pietro Visconti (Atti dell’ accademia romana d’archeologia IL s. 666), anstatt des For- zuna der Aeneis natura gesetzt und warum man dies beibehal- ten hat (Meyer Anih. Lat. 1513). eine campanische grabin- schrift, Inser. regni Neap. Lat. 4026, schliesst mit dem virgili- schen guem non virtutis egentem Abstulit atra dies et funere mersit acerbo (Aen. xI 27), nur dass nach adszulit ein überzäh- liges @ Zuce eingefügt und acervo geschrieben ist. in einer dem Silvanus geweihten inschrift derselben sammlung, 6016, sind ovidische und virgilische halbverse und verse angebracht, Met. ıı 407, Georg. ı 20, Aen. ıx 155 156, die beiden letzten mit veränderungen. einer grabschrift in rohen versen bei Fabretti cap. 1v s. 283 (Burmann Anth. Lat. ıv 24, Meyer 1177) ist der nicht minder aus dem geschicke gebrachte vers angehängt Zunc meus assidue semper bene luxit amice focus, wodurch, wie längst bemerkt worden ist, bei Tibullus 1 1 6 die richtige und bezeugte lesart dum meus assiduo luceat igne focus gegen das exiguo der von Vincentius von Beauvais benutzten und in Pa- riser und Berliner handschriften erhaltenen auszüge noch ein altes zeugniss gewinnt. der halbvers des Lucanus vıı 793 pla- cet hoc, Fortuna, sepulcrum ist in einer grabinschrift bei Gude cecxxvıl 4 (Burm. ıv 272, Meyer 1372) wunderlich genug an- gebracht. es verlohnte sich wohl der mühe einmal die beispiele solcher benutzung von dichterversen vollständig zu sammeln. etwas ähnliches, aber viel selteneres und meines wissens bisher nicht beobachtetes, verwendung von stellen eines kirch- 80 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse lichen schriftstellers, hat herr de Rossi in Pitras Spicilegium Solesmense ıv s. 536 in der folgenden christlichen inschrift des lateranischen museums nachgewiesen. MAGVSPVERINNOCENS ESSEIAMINTERINNOCENTISCOEPISTI QVAMSTAVILESTIVIHAECVITAEST 4 QYAMTELETVMEXCIPETMATERECLESIADEOC MVNDOREVERTENTEM - CONPREMATVRPECTORVM GEMITVS - STRVATVRFLETVSOCVLORVM g der grossen belesenheit des herrn de Rossi verdanken wir den nachweis dass in dieser inschrift zwei stellen aus des Gyprianus buche de lapsis angewendet sind. die erste, aus dem zweiten kapitel, lautet nach herrn de Rossi guam vos laelos excipit ma- ter ecclesia de proelio revertentes. aber in der ausgabe von Ba- luze (Paris 1726) s. 181 steht guam vos laete sinu suo excipit, in der von Fell (Oxford 1682) s. 122 guam vos laeto sinu ex- cipit; aus drei vossischen und zwei bodleischen handschriften ıst laetos in sinum von Fell angemerkt. ob /aete zu schreiben ist oder /aeto oder etwa /aeta, ob sinu oder sinu suo oder allen- falls in sinum, das wird sich erst entscheiden lassen wenn der werth der handschriften wird geprüft sein; dass Zaezos nicht zu setzen ist lehrt der fortschritt der rede, guam beata, quam gau- dens portas suas aperit, ut adunalis agminibus intretis, de hoste prostrato tropaea referentes. auf das /aezum der inschrift, die auch sonst ändert und das für den knaben weniger passende de proelio mit de hoc mundo vertauscht, darf man sich nicht be- rufen. das folgende conprernalur pectorum gemitus, struatur fletus oculorum ist aus dem sechzehnten kapitel genommen (s. 186 Bal., 129 Fell), persecutio est haec alia et alia tempta- tio, per quam subtilis inimicus impugnandis adhuc lapsis occulta populatione grassalur, ut lamentatio conquiescat, ut dolor sileat, ut delicti memoria evanescat, ut comprimatur pectorum gemitus, statuatur fletus oculorum, nec dominum graviter offensum longa et plena paenitentia deprecetur, cum scriptum sit "memento unde‘ cecideris et age paenitentiam. an dem ausdrucke szatuatur fle-: {us oculorum, bei dem keine abweichung der handschrifien be-. merkt ist, nimmt herr de Rossi grossen anstoss, er findet ihn vom 30. Januar 1865. 81 abgeschmackt (inconcinna immo absurda scriptura) und verlangt dass das siruatur der inschrift als die echte lesart in den cy- _ prianischen text gesetzt werde. zuzugeben ist dass struasur fleius oculorum bei Cyprianus an sich nicht unmöglich wäre, denn etwa ein halbes jahrhun- dert nach ihm sagt Arnobius II 43 usque adeo res exigit pro- priatim deos scire nec ambigere nec dubitare de uniuscuiusque vi nominis, ne, si (die handschrift vi nomine si) alienis ritibus et appellationibus fuerint invocati, et aures habeant structas et piaculis nos teneant inexpiabilibus. obligatos, wo aures structas bedeutet was in älterer und reinerer sprache aures obstructas lauten würde: Virg. Aen. ıv 438 sed nullis ille movetur Fleti- bus aut voces ullas tractabilis audit: Fata obstant placidasque viri deus obstruit aures; Seneca de beneficiis II 17 an tu infe- ' licem vocas qui caret acie oculorum, cuius aures morbus obstru- xit, non vocas miserum eum qui sensum beneficiorum amisit? auf denselben gebrauch von siruere für odstruere ist vielleicht der ausdruck parietibus siruere (einmauern, &yzarozodonsiv) zu- rückzuführen, bei Julius Capitolinus im Opilius Macrinus kap. 12, vivos etiam homines parietibus inclusit et struxit, und, wıe Sau- maise dort anmerkt, in dem scholion zu Juvenalis ıv 10, Aaec "virginibus Vestae poena fuerat decreia, ut, si vitiatae fuissent, vivae in parietibus struebantur aut sub terra obruebantur, wo si aus sic richtig gebessert, weiter aber nichts zu ändern ist: denn der sprachfehler des indicativus nach dem finalen uz, der zum beispiel neun mal in der handschrift des Gaius vorkommt (Lachmann zu ıı 166), kann in der gestalt welche diese scho- lien erhalten haben geduldet werden. aber wie Cyprianus stazuwatur fletus oculorum so sagt Ar- nobius ı 50 uliginosa ille et turgentia viscera siccitatem iussit reciperare nalivam et famuli eius hoc modo statuerunt errantes aquas et a pernicie corporum suwos labi iussere per tramites. und Theodorus Priscianus im vierten buche (s. 90 der ausgabe von 1532, s. 312° der Medici antiqui von 1547) ad fluxum sanguinis de naribus experimentatum: de ipso sanguine nomen | eius cui fluit litteris Latinis in fronte scribis ad cannam, et sta- Zuisti. ad idem experimentatum: chalcitide trita si linteolum in [1865.] 6 82 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse cortinae extremitate teligeris et intra nares miseris, statuisti. hoc et si de diacharto (de chalcantho? s. Plinius nat. hist. xxXIV 126 Sill.) feceris, idem valet. si autem nimius sanguis currit, hominis pedes in aquam frigidissimam depone, et statim statuisti. ad idem experimentatum: de cacabo sive aereo sive fictili fuligi=- nem tritam per cannam infusam si intra nares miseris, statuisti sanguinern. entscheidend aber ıst dass Cyprianus szatuere noch ein anderes mal so gebraucht, in der schrift gegen Demetrianus kap. 9 (s. 218 Bal., 188 Fell), si rara desuper pluvia descendat, si terra situ pulveris squaleat, si vix ieiunas et pallidas herbas sterilis glaeba producat, si vineam debilitet grando caedens, si oleam detruncet turbo subvertens, si foniem siccitas statuat, ae- rem pestilens aura corrumpat, hominem morbida valetudo consu- mat: denn destituat, was Fell aus zwei handschriften anführt, ist willkürliche änderung des unverstandenen szatuat. man wird also wohl thun das szruatur fletus oculorum der inschrift dem Cyprianus nicht aufzubürden, sondern seinen sprach- gebrauch zu schonen. derselbe gebrauch von szazuere lässt sich aber anderthalb jabrhunderte vor Cyprianus mit sicherheit nach- weisen. Statius sagt in den Silvis ıv 5 9 nunc cuncta veris frondibus annuis erinitur arbos, nunc volucrum noei questus inexpertumque carmen, quod tacıta statuere bruma. es ist nicht zu verwundern dass szatuere wie die redupli- cativen sistere und isr«vaı das stehen machen auch in der be- deutung des anhaltens hemmens stillens ausdrückte, wenn auch der vorherschende sprachgebrauch diese verwendung mied und sistere vorzog. man wird also ohne bedenken ein solches sia- Zuere ein Jahrhundert vor Statius bei einem dichter anerkennen | der vieles seltenere anwendet und manches was sprödere zeit-. genossen als ungebildete rede verschmähten. bei Propertius IV 11 57 ff. lesen wir septem urbs alta iugis, toto quae praesidet orbi, e femineas timuit territ«e Marte minas. Hannibalis spolia et victi monimenta Syphacis et Pyrrhi ad nostros gloria fracta pedes, vom 30. Januar 1865. 83 Curtius expletis statuit monimenta lacunis, at Decius misso proelia. rupit equo, Cochtis abscissos testatur semita pontes, est cul cognomen corvus habere dedit. haec di condiderant, haec di quoque moenia servant: vix timeat salvo Gaesare Roma Jovem. man hat an diesen versen mancherlei getadelt und versucht, auch Lachmann in seiner ersten ausgabe. darauf einzugehen ist unnöthig, da Lachmann ohne zweifel später so gut und besser als andere eingesehen hat wo er ohne richtigen grund anstoss genommen hatte. namentlich darf die nach dem zweiten disti- chon in andere form abspringende rede nicht befremden. bei einem dichter der solche freiheit sehr weit treibt, und in einer leidenschaftlichen stelle die gegenüber der von Cleopatra dro- henden schmach bilder der alten herrlichkeit Roms rasch zusam- mendrängt. aber verkehrt ist es das zweifache monimenta aus derselben leidenschaftlichen erregung abzuleiten, wie zum bei- spiel Paley mit ungeschicktem ausdrucke thut (the very recur- rence of monumenta indicates the same furor sceribendi). der scharfsinnige und in der lateinischen poesie überaus bewanderte Johann Schrader nimmt Emend. s. 154 an dieser wiederholung so wenig anstoss dass er sie unter andern propertischen beispielen hervorhebt, zur widerlegung Bentleys, der viele verse des Lu- ıcanus geändert hat um wiederkehr derselben wörter zu vermei- den. aber hier drängt sich das viersilbige wort, an derselben stelle des nächsten hexameters ohne gewicht des sinnes wiederholt, so bemerklich auf dass der dichter es so wenig übersehen konnte als wır es übersehen oder überhören und dass der fehler ıhm auch dann schwer zuzutrauen wäre wenn man das zweite monimenta an sich loben könnte. allein Curtius expletis statuit monimenta lacunis ist ein ungenügender, wenn nicht ungeschickter aus- druck. Burmann denkt an den altar oder die altäre auf der stätte des lacus Curtius die Ovidius Fast. vı 397, Plinius Nat. hist. xv 78 Sıill. und der ungenannte erzähler bei Suidas unter Ai. Pegvos erwähnen. andere meinen dass der dichter sagen wolle sich selbst habe Curtius durch seine that ein denkmal gesetzt. wer den stil des Propertius und überhaupt der elegiker kennt 6* 84 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 30. Januar 1865. oder bedenkt der wird nicht zweifeln dass der hexameter etwas dem proelia rupit des pentameters paralleles enthielt, den anlass oder die unmittelbare folge der that. mir scheint es sicher dass das zweite monimenta durch zurückirren eines schreibers auf das erste entstanden ist und ich glaube dass der dichter ge- schrieben hat Curtius expletis statuit lamenta lacunis, at Decius misso proelia rupit equo. Curtius stillte die wehklagen des volkes wegen der sidentia im- perü fundamenta fatali ostento, wie Plinius sich ausdrückt. in unbildlichem sinne braucht Propertius szazuere für zum stehen bringen oder still stehen lassen v 9 zu anfang, Amphitryoniades qua tempestate iuvencos egerat a stabulis, o Erythea, tuis venit ad invictos pecorosa Palatia montes et statuit fessos, fessus et ipse, boves qua Velabra suo stagnabant flumine quoque nauta per urbanas velificabat aquas. Ka ein schiff zum stehen bringen ist navem statuere bei Plaulus Bacch. ıı 3 57, guoniam sentio quae res gererentur, navem extempplo statuimus. quoniam vident nos stare, occeperunt raltem tardare in portu, denn zZardare, nicht servare, wird für das. überlieferte zurdare zu setzen sein. zu einer ungenauen etymologie missbraucht dieses statuere Ulpianus im 68n buche ad edictum (Dig. xLın 42 1), stationem dicimus a statuendo: is igitur locus demonstra- tur ubicumque naves tuto stare possunt. ——Ddı Dr ec — Monatsbericht der Königl. Preufs. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Februar 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Haupt. 2. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Trendelenburg las über den unter Spinoza’s Namen aufgefundenen Tracitatus brevis de deo et homine eiusque valetiudine, Hr. W. Peters legte eine Mittheilung des Hrn. Profes- sor Dr. Ernst Haeckel in Jena vor: Über eine neue Form des Generationswechsels bei den Medusen und, über die Verwandtschaft der Geryoniden und Aeginiden. Die Thatsache des Generationswechsels zwischen den Me- dusen oder Schirmquallen und den hydroiden Polypen, welche bei ihrem ersten Bekanntwerden so grofses Aufsehen erregte und so vielfach angezweifelt wurde, hat sich durch die umfassenden Untersuchungen der beiden letzten Decennien als eine so allge- mein in der Klasse der Hydromedusen verbreitete herausgestellt, dafs die Fälle von einfacher homogoner Fortpflanzung in die- ser Thierklasse zu den seltenen Ausnahmen zu gehören schei- nen. Zugleich hat sich eine ungeahnte Fülle der mannichfal- tigsten Modificationen ergeben, welche die Fortpflanzungsver- [1865.] 7 86 Gesammtsitzung hältnisse dieser Thiere zu den interessantesten in der gesamm- ten Organismen-Welt erheben. Dafs aber diese Fülle noch bei weitem nicht erschöpft ist, lehrt fast jede eingehende Untersu- chung einer einzelnen Medusen-Gruppe. So haben denn auch genaue Untersuchungen, welche ich im vorigen Frühjahre längere Zeit hindurch am Golfe von Nizza an einer grolsen Rüsselqualle (Geryonia) anzustellen und auch nachher noch an wohl conservirten Präparaten bis jetzt fortzusetzen Gelegenheit hatte, zur Entdeckung einer neuen Form des Generationswech- sels geführt, die so sehr von allen bekannten abweicht, dals es wohl gestattet ist, hier eine kurze vorläufige Mitiheilung dar- über zu machen. . Die Rüsselquallen oder Geryoniden bilden eine wenig um- fangreiche Familie unter den craspedoten oder cryptocarpen Me- dusen, die sich aber durch mancherlei merkwürdige Structurver- hältnisse sehr auszeichnet. Die Familie zerfällt in zwei Unter- familien, die Liriopiden und Carmariniden, von denen die er- steren (Ziriope, Glossocodon) sich durch die Vierzahl aller Organe den meisten übrigen Medusen auschliefsen, während die letzteren (Carmarina, Geryonia) sich durch die Sechszahl aller Organe und durch sehr bedeutende Körpergröfse anszeich- nen. Von den Fortpflanzungs-Verhältnissen dieser Familie war bisher fast Nichts bekannt. Nach einer. 1861 veröffentlichten kurzen Notiz von Krohn ') hatte dieser verdienstvolle Beobachter schon im Jahre 1843 ein geschlechtsreifes weibliches Exemplar einer Geryonia proboscidalis beobachtet, ‚dessen frei in die Ma-. . genhöhle hinabreichendes Stielende mit Spröfslingen von un-. gleicher Entwicklung dicht besetzt erschien. An den minder: entwickelten liels sich blols Schirm und Stiel unterscheiden. , Die weiter vorgeschrittenen hatten nicht nur schon die sechs' Fangfäden oder Tentakel, sondern auch die Randkörper ent-: wickelt.” Diese wenig beachtete vereinzelte Beobachtung hätte,, wenn sie weiter verfolgt worden wäre, zu der Entdeckung des; wunderbaren Verhältnisses geführt, über welches sogleich be-. richtet werden soll. *) Archiv für Naturgesch. XXVII, 1, p. 169 Anm. vom 2. Februar 1865. 87 Aufserdem lag bisher nur noch die treffliche Darstellung einer seltsamen Metamorphose vor, welche Fritz Müller 1859 an den Larven einer vierzähligen Geryonide von der brasili- schen Küste beobachtet hatte'). Die Herkunft jener frei im Meere gefischten Larven, die sich allmählig in die geschlechts- reife Liriope catharinensis umbildeten, blieb unbekannt. All- gemein herrschend, obwohl durch keine Beobachtung gestützt, war bisher die Annahme, dals die Geryoniden sich gleich den Trachynemiden und Aeginiden auf homogone Weise ohne Ge- nerationswechsel fortpflanzen. Die Geryoniden, welche ich in Nizza andauernd zu beob- achten Gelegenheit hatte, gehören zwei sehr verschiedenen Ar- ten an. Die kleinere Art, Ziriope (Glossocodon) eurybia, welche dort massenhaft vorkömmt, ist vierzählig und hat einen Schirm- durchmesser von 8—10””. Diese Art durchläuft eine Meta- morphose, welche derjenigen der von Fritz Müller beschrie- benen Ziriope catharinensis sehr ähnlich ist. Die zweite viel grölsere und seltenere Art, welche ich Geryonia (Carmarina) 'hastata genannt habe, ist sechszählig und erreicht einen Schirm- durchmesser von 50 — 60””, An den sechszähligen Geryoniden war bisher eine Meta- _ morphose noch nicht beobachtet worden. An zahlreichen, pe- lagisch gefischten Larven der Geryonia hastata habe ich dieselbe in ihrem ganzen Verlaufe verfolgen können. Die Verwandlung der sechszähligen Carmariniden erfolgt im Ganzen nach densel- ben Gesetzen wie diejenige der vierzähligen Liriopoden, nur natürlich mit dem Unterschiede, dafs alle Organe in der Zahl Sechs oder einem Multiplum von Sechs erscheinen, die dort in der Zahl Vier oder einem Multiplum von Vier auftreten. Die kugelige Larve entwickelt zuerst sechs solide radiale Nebenten- takeln, dann sechs solide interradiale Tentakeln, hierauf sechs interradiale Sinnesbläschen. Nun erst treten die sechs hohlen radialen Haupttentakeln auf und nach diesen endlich die sechs radialen Sinnesbläschen. Die zwölf ersten soliden Tentakeln ge- hen hierauf verloren und es bleiben nur die sechs letzten, die !) Archiv für Naturgesch. XXV, 1, p. 310. = 88 Gesammtsilzung hohlen radialen Haupttentakeln übrig. Während dessen ent- wickelt sich zugleich der lange Magenstiel, der anfangs völlig fehlt. Diese sechszähligen Larven, deren Umbildung in die ent- wickelte Geryonia hastata sich durch alle Stadien verfolgen läfst, sind wahrscheinlich Producte der geschlechtlichen Zeu- gung. Aulserdem aber entwickelt dasselbe Thier auf unge- schlechtlichem Wege, und zwar durch Knospenbildung in- nerhalb der verdauenden Magenhöhle, junge Medusen, welche eine völlig verschiedene Form und Structur ha- ben. Es sind diese Quallenknospen wahrscheinlich dieselben, die Krohn einmal gesehen hat. Nur sind sie nicht, wie er angiebt, sechszählig und entwickeln sich wieder zur Geryo- nia, sondern sie sind achtzählig und entwickeln sich zu einer ganz verschiedenen Medusenform, höchst wahrscheinlich zu einer Qualle aus der Aeginiden-Familie, welche ich als Cunina rho- dodactyla beschrieben habe. Diese sowohl durch ihren örtlichen Sitz als durch ihr he- terogenes Product höchst merkwürdige Knospenbildung findet sich nur im Magen von geschlechtsreifen Thieren vor und zwar bei beiden Geschlechtern. Ich ‘konnte 23 Individuen von Ge- ryonia hastata auf dieses Verhältnils untersuchen. Von diesen besalsen nicht weniger als Neun einen verstümmelten oder in Reproduction begriffenen Magen. Von den übrigen Vierzehn zeigten Sieben eine lange Ähre von engverbundenen achtstrah- ligen Knospen im Magen, und zwar waren unter diesen sieben Thieren drei Männchen und vier Weibchen, sämmtlich mit voll- kommen reifen Geschlechtsproducten in den Genitalblättern. Die Zahl der Knospen, welche jedes Thier im Magen hatte, belief sich von zwanzig bis gegen hundert. Die Knospen salsen dicht beisammen, mit der Scheitellläche ihres Schirmes (dem Aboralpol) angewachsen an einen langen cylindrischen Zapfen, der im Grunde der Magenhöhle befestigt war. Dieser Zapfen ist nichts Anderes, als die lange dolchförmige Verlängerung des Magenstiels, welche bei der Gattung Carmarina, wie bei Glos- socodon, frei in die Magenhöhle hineinragt, bei den nicht knos-, pentragenden Thieren auch oft aus dem Munde herausgestreckt wird und als Zunge zu fungiren scheint. Bei zwei der gröls-. vom 2. Feöruar 1865. 89 ten Geryonien zählte ich die Knospen, welche an der Zunge festsalsen und mit ihr zusammen eine dicke eylindrische Ähre bildeten, die wie der Klöppel einer Glocke frei in der Mitte des glockenförmigen Magens herabhing. Die eine Ahre war aus 71, die andere aus 85 Knospen zusammengesetzt. Junge und alte Knospen aus den verschiedensten Stadien der Entwicklung sitzen bunt gemischt neben und zwischen einander. Die am meisten entwickelten grölsten und ältesten Knos- pen haben einen dicken scheibenförmigen Schirm von etwas über 1”” Durchmesser, und sind total verschieden, sowohl von der erwachsenen Geryonia hastata, als von den jüngsten Lar- ven derselben, deren Schirmdurchmesser sich ebenfalls auf 1" beläuft. Geryonia hastata entwickelt alle Organe in Sechs- zahl, die Knospe dagegen, welche in. ihrer Magenhöhle aus der Oberfläche der Zunge hervorsprolst, in Achtzahl. Geryonia entwickelt während ihrer Metamorphose drei Kreise von je sechs Tentakeln, die Tentakeln jedes Kreises von denen der beiden andern ganz verschieden. Die Knospen-Meduse dagegen trägt acht gleiche Tentakeln, welche in tiefen Einschnitten des Schirmrandes, halb auf der Rückenseite des Schirmes, befestigt sind. Von den acht Randlappen, welche zwischen je zwei Ein- schnitten weit vorspringen, trägt jeder an seiner Spitze ein Sin- nesbläschen, welches auf einem kurzen Stiele frei vorragt. Bei Geryonia dagegen ist der Schirmrand nicht in Lappen gespal- ten und die zwölf Sinnesbläschen liegen vollständig eingeschlos- sen ın der Gallertsubstanz des Mantelrandes.. Eben so bedeu- tende Verschiedenheiten zeigt der Gastrovascular- Apparat der erwachsenen Geryonia und der in ihrem Magen entstehenden Knospen. Bei der ersteren sitzt der kleine glockenförmige Ma- gen auf einem langen soliden Gallertstiele, in dessen Oberfläche sechs getrennte Canäle, die aus dem Magengrunde entspringen, zum Schirm emporsteigen, um dort umzubiegen und in der Sub- umbrella als Radialcanäle znm Schirmrande zu laufen... Dort sind die sechs Canäle durch ein kreisrundes Ringgefäls verei- nigt, von welchem zwischen je zwei Radialcanälen sieben blinde Centripetalcanäle in radialer Richtung nach innen abgehen. Bei den Knospen dagegen ist ein ganz einfaches, ziemlich langes eylindrisches Magenrohr vorhanden, welches 'in acht breite und 90 Gesammtsitzung flache radiale Taschen führt, die bis zur Basis der Tentakeln reichen. Diese Magentaschen sind mit einander durch ein en- ges Ringgefäfs verbunden, welches entlang des Randes der acht Lappen verläuft. Dals die seltsamen Knospen, welche aus der Zunge der Geryonien in ihrer Magenhöhle hervorsprossen, nicht selbst wieder zu Geryonien werden können, liegt auf der Hand. - Keine Metamorphose könnte unmittelbar diese schon ihrer funda- mentalen Körperanlage nach so gänzlich verschiedene Knospe wieder in die Form des Mutterthiers zurückführen. Auch zu einer vierzähligen Geryonide kann dieselbe ihrer ganzen Anlage nach nicht werden. Es bleibt also nichts Anderes übrig, als die weiteren Entwicklungsstadien der Knospen in einer anderen Medusen-Familie zu suchen. Nun giebt es aber nur eine ein- zige Quallengruppe, welche die eben angeführten, sehr charak- teristischen Eigenschaften des Körperbaues mit den Knospen der Geryonia theilt. Dies ist die Familie der Aeginiden. Eine Art derselben, Cunina rhododactyla, kommt in grolsen Mengen in der Gesellschaft der Geryonia hastata vor, und zwar habe ich diese Cunina nur an den Tagen gefischt, an denen auch die Geryonia im Golfe von Nizza erschien, dann aber immer in grolsen Mengen die letztere begleitend. Die jüngsten Individuen, welche ich von Cunina rhodo- dactyla beobachtet habe, und deren Schirm 3"” Durchmesser hat, stimmen in allen wesentlichen Beziehungen so sehr mit den ältesten beobachteten Geryonia-Knospen von 1”” Schirm- durchmesser überein, dafs ich an der Identität beider Formen nicht mehr zweifeln kann. Wie bei der Knospe der Geryonia ist der dicke scheibenförmige Schirm am Rande durch acht tiefe Einschnitte in eben so viele Lappen gespalten, deren jeder an seiner Spitze ein gestieltes freies Sinnesbläschen trägt. In den Einschnitten sind acht unter einander gleiche Tentakeln befes- tigt. Der einfache, nicht gestielte Magen giebt im Umkreise acht flache und breite radıale Taschen ab, welche bis zur Tentakel- basis reichen und hier durch ein enges Ringgefäls verbunden sind, das entlang des Saumes der Randlappen verläuft. Der einzige Unterschied, den ich, aulser der geringeren Grölse und der plumperen Form der Magenknospen von Geryonia,- zwischen vom 2. Februar 1865. 9 den ältesten Exemplaren dieser Knospen und den jüngsten In- dividuen der Cunina finden kann, besteht darin, dafs die Tenta- keln der letzteren schlanker und länger und dagegen der Magen flacher und kürzer ist, Differenzen, die sich zweifelsohne durch Beobachtung der mittleren Altersklasse von 2”” Durchmesser verwischen werden. Die weitere Entwicklung der Cunina rhododaciyla bis zur -vollkommenen Geschlechtsreife habe ich ebenfalls feststellen können. Sie besteht wesentlich darin, dafs die Zahl der den Körper zusammensetzenden gleichen Segmente von acht allmäh- lig bis auf sechzehn steigt, indem von Zeit zu Zeit sich ein neues Segment zwischen die vorhandenen einschiebt. Die älte- sten Thiere haben einen Schirmdurchmesser von 10—11”” er- reicht und besitzen 16 Tentakeln, 16 Magentaschen, 16 Rand- lappen und eine grolse, aber unbestimmte Anzahl (zwischen 50 und 100) Sinnesbläschen. ‘Die letzteren nehmen in sehr unregel- mälsiger Weise zu, so dals die verschiedenen Randlappen eines und desselben Thiers je 4—8 Bläschen tragen. Die Geschlechts- producte entwickeln sich in der unteren Wand der Magenta- schen aus deren Epitel. Nach allem‘ Angeführten scheint es mir nicht mehr zwei- _ felhaft zu sein, dals in der That die achtstrahligen Knos- pen, welche in der Magenhöhle der geschlechtsrei- fen sechsstrahlißen Geryonia (Carmarina) hastata aus deren Zunge hervorsprossen, unmittelbar sich zu dem geschlechtsreifen Thiere von Cunina rho- dodactyla entwickeln. Sollte sich diese Vermuthung, wel- che ich für Gewilsheit halten mufs, bestätigen, so bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung, dals hier eine höchst wun- derbare und völlig neue, eine im fundamentalen Princip neue Form des Generationswechsels vorliegt, — wenn anders man diesen seltsamen Vorgang überhaupt noch so nennen darf. Bes- ser würde derselbe Heterogonie oder Allöogenesis hei- fsen. Es ist nicht, wie bei den anderen mannichfaltigen For- men des Generationswechsels, eine geschlechtliche und eine un- geschlechtliche Form, es ist nicht eine Meduse und ein Polyp, welche mit einander in genitalem Wechsel-Verhältnils stehen. Vielmehr sehen wir hier, dals eine vollkommen entwickelte Me- 97 Gesammtsitzung duse, welche sich durch Metamorphose aus einer Larvenform entwickelt, zu derselben Zeit, ın der ihre Geschlechtsorgane reife Producte liefern (aus denen wahrscheinlich jene Larven entstehen), auf ungeschlechtlichem Wege, und zwar durch Spros- senbildung in der Magenhöhle, junge Medusen erzeugt, die sich zu einer, von ihrem Stammthiere gänzlich verschiedenen und selbst wieder geschlechtsreif werdenden Medusenform entwickeln. Was wird nun aus den Geschlechtsproducten der Cunina? Wie geht diese achtstrahlige Aeginide wieder in die sechsstrah- lige Geryonide zurück? Oder pflanzt sie sich nur als Aeginide fort? Oder sind die Larven der Geryonia von der Cunina ge- schlechtlich oder ungeschlechtlich erzeugt! Was wird aber dann aus den Geschlechtsproducten der Geryonia? Zeugt auch die Cunina ungeschlechtlich? Oder giebt es hydroide Polypen, welche die Verbindung zwischen den beiden, scheinbar so weit entfernten Medusen-Formen herstellen? Diese und viele andere Fragen drängen sich angesichts dieser wunderbaren Thatsache auf, ohne dafs vorderhand ein Ausweg aus diesem Labyrinth zu sehen ist. Doch hoffe ich demnächst diese Fragen am Mittel- meere wieder in Angriff nehmen und einer Eösnns entgegen- führen zu können. Die paradoxe Natur des dargelegten Verhältnisses könnte wohl auch auf den Verdacht eines Parasitismus führen. In- dels wird dieser, abgesehen von anderen #riftigen Gegengrün- den, schon dadurch mit Sicherheit widerlegt, dafs sich die Ent- wickelung der Cunina-Knospen auf der Zungen- Oberfläche der Geryonia von den ersten Anfängen an durch alle Stadien ver- folgen läfst. Die erste Grundlage der hervorsprossenden Knospe ist weiter nichts, als eine kleine scheibenförmige Verdickung des Zungen-Epithels. Diese homogene Zellen-Wucherung dif- ferenzirt sich dann in zwei verschiedene Blätter, ein helleres Ectoderm und ein dunkleres Entoderm. In letzterem entsteht eine kleine runde Aushöhlung, die Anlage der Magenhöhle, die dann zu dem erwähnten cylindrischen Magenrohr auswächst, während sich die Scheibe in acht Segmente differenzirt. Die Aeginiden und die Geryoniden galten bisher für gänz- lich verschiedene Medusen-Familien. Die vielfachen Eigenthüm- lichkeiten, welche die äufsere Körperform und den inneren Bau vom 2. Februar 1865. 953 der Aeginiden so sehr auszeichnen, scheinen in der That diese Quallenfamilie weit von allen anderen zu entfernen. In der neuesten Zeit haben sogar zwei ausgezeichnete Naturforscher die Aeginiden gänzlich aus der grofsen Abtheilung der craspo- doten (cryptocarpen) Medusen ausgeschieden. Fritz Müller hat sie als eine besondere dritte Hauptgruppe zwischen die bei- den anderen Gruppen der Craspedoten und Acraspeden gestellt. Agassiz dagegen hat sie geradezu zu den Acraspeden (Phane- rocarpen) hinübergezogen. Eine sehr genaue histologische und anatomische Untersuchung, welche ich, nachdem mir die eben angeführten Generations-Verbhält- nisse bekannt geworden waren, an zwei Aeginiden (Cunina rhodo- dactyla und C. albescens) und an zwei Geryoniden (Carmarina hastata und Glossocodon eurybia) angestellt habe, hat mich zu dem überraschenden Resultate geführt, dafs diese beiden Familien im inneren Bau weit mehr wesentliche Übereinstimmung zei- gen, als es die auffallend verschiedene äulsere Körperform er- rathen läfst. Nur die wichtigsten Übereinstimmungen mit ein paar Worten hervorzuheben, sei hier schlieflslich noch gestattet. Als Hauptcharakter der Aeginiden gilt, dals sie kein Ringgefäls haben, wie die übrigen craspedoten Medusen, sondern blofs blinde Taschen, die rings vom Magen ausgehen. Nun sind aber diese Taschen weiter nichts, als sehr erweiterte Radialcanäle und in der That sind sie am Grunde durch ein Ringgefäls verbun- den, das längs des Mantelrandes verläuft, und sich nur wegen seiner sehr geringen Dimensionen bisher dem Blicke der Beob- achter entzogen hat. Der feinere Bau dieses Ringgefäfses ist ganz derselbe wie bei Geryonia. Wie bei dieser, so liegt auch bei Cunina unmittelbar unter dem Ringgefälse ein schmaler cy- lindrischer oder halbcylindrischer Knorpelstreif, vou welchem eine Anzahl centripetaler, ebenfalls knorpeliger Spangen ausge- ben, die in der Aufsenfläche des Mantelrandes eine Strecke weit in radialer Richtung emporsteigen und letzteren stützen. Fer- ner ist bei Cunina ebenso wie bei Geryonia ein feiner Nerven- ring am Schirmrande vorhanden, welcher nach innen an die Insertion des Velum, nach oben an den unteren Rand des Ring- gefälses, nach aulsen an die Gallertsubstanz des Mantelrandes und nach unten an den Knorpelring stölst. Auch die Entste- 94 Gesammtsitzung hung der Geschlechtsproducte in flachen blattförmigen taschen- artigen Erweiterungen der Radialcanäle ist bei den beiden Fa- milien der Geryoniden und Aeginiden ganz übereinstimmend und sehr verschieden von derjenigen aller anderen Medusen. Weit grölsere anatomische Verwandtschaft noch, als zwi- schen der Cunina und der erwachsenen Geryonie, findet sich zwischen der ersteren und der Larve der letzteren. Nament- lich haben diese beiden Formen den charakteristischen „star- ren” Habitus des Schirmes, sowie den eigenthümlichen Bau der starren soliden Tentakeln gemeinsam, die der erwachsenen Ge- ryonia fehlen. Die Hauptmasse dieser Tentakeln bildet ein Knorpelcylinder, der von einem Muskelrohr überzogen ist; über diesem liegt ein Epithel, das stellenweise Nesselzellen entwickelt. Auch der Magen der jungen Larve von Geryonia ist noch eine ganz flache Tasche, wie bei Cunina. Den wesentlichsten ana- tomischen Unterschied zwischen den Geryoniden und Aeginiden finde ich in der Lage und dem Baue der Sinnesorgane (Rand- bläschen), die allerdings bei beiden (auch die feinere Structur betreffend) sehr verschieden sind. Bei den Aeginiden liegen die Sinnesbläschen frei aulsen auf dem Schirmrand, sogar auf kur- zen Stielen erhöht. Bei den Geryoniden dagegen sind sie ein- geschlossen in die Gallertmasse, welche den untersten Mantel- rand bildet, und jedes Bläschen sitzt hier auf einer ganglienarti- gen Anschwellung des Nervenringes. Vielleicht kann der Nach- weis dieser grölseren anatomischen Verwandtschaft der Aeginiden und Geryoniden dazu beitragen, wenigstens in einer Beziehung den oben geschilderten genetischen Zusammenhang beider Fa- milien weniger räthselhaft erscheinen zu lassen. Schliefslich bemerke ich noch, dafs ich in der angenehmen Lage war, die oben geschilderten merkwürdigen Verhältnisse einem der ersten Medusenkenner, meinem Freunde Professor Gegenbaur unmittelbar vor Augen führen zu können, und dafs derselbe sich von der Richtigkeit meiner Beobachtungen und von der Berechtigung der darauf gegründeten Schlüsse selbst überzeugte. vom 2. Februar 1865. 95 An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Zweite Fortsetzung der Sammlung russischer Reichsgesetze. Band 1a St.-Petersburg 1863. 8. Mit Ministerialrescript vom 23. Januar 1865. Kepler, Opera omnia. Vol.5. Francof. 1864. 8. (i0 Ex.) Natuurkundige Verhandelingen. XIX. XXI, 1. Haarlem 1864. 4. Atti del Reale Istituto lombardo. Vol. III, 19. 20. Milano 1864. 4. Atti della Societd italiana di scienze naturali. Vol. VI, 4. Milano 1864. 8. Proceedings of the Royal Institution of Great Britain. Vol. IV, 3. 4. London 1864. 8. The Journal of the Royal Dublin Society. no. 31. Dublin 1864. 8. Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt. 14. Band. Wien 1864. 8. Nachrichten von der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften. Jahrgang 1864. Göttingen 1865. 8. 13. und 14. Bericht des Vereins für Naturkunde. Cassel 1863—1864. 8. Du Hamel, Memoire sur la methode des Maxima et Minima de Fermat. Paris 1864. 4. Thumser, Zur Offenbarung der Weltordnung. München 1865. 8. H. von Schlagintweit, Meteorologische Resultate aus Indien und Hochasien. (Münchner Sitzungsberichte 1864.) 8. 9. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Lepsius las über die ägyptische Elle und ihre Eintheilung. Hr. W. Peters berichtete über eine neue Art der Seebarsche, Zabrax Schoenleinii, aus Celebes. ‚Unter einer Sammlung von Fischen aus Celebes, welche das zoologische Museum im Jahre 1840 von dem verstorbenen Geheimerath Dr. Schoenlein erworben, befindet sich auch eine Art der Gattung Labrax, welche in dem engern Sinne, wie sie jetzt aufgefalst wird, nach unsern bisherigen Kenntnissen auf die eu- ropäischen Meere beschränkt war. Auch in den Nachrichten, 96 Gesammtsitzung welche uns Bleeker über die Fauna von Celebes und dem in- dischen Meere überhaupt gibt, findet sich kein Zabrax aufge- führt. Ich würde daher Bedenken tragen, die vorliegende Art als aus Celebes stammend zu betrachten, wenn sie nicht mit in dem Schoenleinschen Original-Verzeichnisse der Fische aus Celebes (No.12.,,„Zadrax punctatusn.sp.”) aufgeführt wäre, in welchem sich aufserdem nur noch 112 Arten erwähnt finden, welche sämmtlich als den dortigen Meeren angehörend allgemein bekannt sind. Diese Art stimmt in der Bezahnung und Färbung am näch- sten mit derjenigen überein, welche Hr. Dr. Günther neuer- dings (Ann. Mag. Nat. Hist. 1863. Sept.) als Zabrax punctatus von den beiden anderen im Mittelmeere vorkommenden Arten unterschieden hat und welche er als die Scizena punctata Bloch betrachtet. Wir besitzen diese Art nicht und es ist mir noch nicht möglich gewesen, das Originalexemplar zu der Bloch’schen Abbildung wieder aufzufinden. Die vorliegende Art hat wie jene dieselbe Zahl der Flossenstrahlen: D.9 — 1, 13; A. 3, 12, in der Seitenlinie 58 bis 60 Schuppen, oberhalb derselben 9 und unterhalb (bis zur Afterflosse) 11 Schuppenreihen, weicht aber von der Bloch’schen Darstellung (Taf. 305) sehr ab durch das viel schmälere Praeoperculum, zwischen ‚dessen hinterem Rande und dem Auge nur drei Schuppenreihen vorhanden sind. Während bei Z. diacanthus, wie auch bei Z. punctatus Bloch, die Entfernung des Praeocularrandes von dem Auge gleich dem Augendurchmesser ist, macht sie bei der vorliegen- den Art nur die Hälfte desselben aus. Sie ist in dieser Bezie- hung dem L. orientalis Gthr., den unser Museum durch Hrn. Ehrenberg von der Aegyptischen Küste erhalten hat, ähnli- cher. Ich habe diese Art nach dem unvergelslichen Arzte be- nannt, dessen regem Interesse für die Naturwissenschaften unser Museum dieselbe verdankt und dessen Andenken für mich mit der Erinnerung an einen freundlichen Verkehr voller Belehrung und Anregung verbunden ist. Was übrigens den Labrax elongatus (Gen. Dicentrarchus Gill) anbetrifft, so stimme ich mit Hrn. Dr. Steindachner darin überein, dafs diese Art mit Z. diacanthus Bloch (Zupus Lae&- pede) zu vereinigen ist. Die dahin von Valenciennes gezoge- nen Ehrenberg’schen Exemplare aus Alexandrien haben sämmt- "vom 9. Februar 1865. 97 lich drei Analstacheln, während zwei andere Exemplare von Z. diacanthus aus Cette (No. 18. Mus. Berol.) und aus Triest (No. 20) abnormer Weise nur zwei Stacheln in der After- flosse zeigen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Sitzungsberichte der Kgl. Bayrischen Akademie der Wissenschaften zu München. 11,3. München 1864. 8. Döllinger, König Max Il. und die Wissenschaft. München 1864. 8. Plath, Chinesische Texte. ib. 1864. 4. Riehl, Über den Begriff der bürgerlichen Gesellschaft. München 1864. 4. Thomas, Die Stellung Venedigs in der Weltgeschichte. München 1864. 4. Lotos. Jahrgang 14. Prag 1864. 8. Memoirs of the Geological Society of India. Vol. III, 2. IV,2. Cal- cutta 1864. 8. Transactions of the Royal Society of literature. Vol. VII. London 1863. 8. | Journal of the Royal Geographical Society. Vol. 33. Londen 1863. 8. Comptes rendus de l’academie des sciences. Vol. 59, no. 16—20. 24—26. Vol. 60, no. 1. 2. Paris 1864—1865. 4. Corleo, Filosofia universale. Vol. 1.2. Palermo 1860—1863. 8. 13.Februar. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. W. Peters las über einige Bloch’sche Arten der Fisch-Gattung Serranus. Das grolse Werk des Dr. M. E. Bloch über die Fische steht in seiner prachtvollen Ausstattung unter den ichthyologi- schen Schriften noch immer oben an. Viele Arten aus allen verschiedenen Ländern sind zuerst von ihm benannt, beschrie- ben und abgebildet worden, so dafs man immer auf diese Ar- beit wird zurückgehen müssen. Dafs die Wissenschaft mit der Zeit fortgeschritten ist und die Aufmerksamkeit der Naturfor- 98 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse scher neue Merkmale entdeckt hat, welche im vorigen Jahrhun- derte noch weniger beachtet waren und auf die daher auch Bloch bei seiner Darstellung weniger Rücksicht nahm, ist na- türlich. Es ist aber eben defshalb von der grölsten Wichtig- keit, die Originalexemplare, welche den Bloch’schen Arbeiten zu Grunde gelegen haben, zu erhalten und nach den neugewonne- nen Gesichtspunkten zu untersuchen. Manche der Bloch’schen Abbildungen sind nach ihm mitgetheilten Zeichnungen entwor- fen worden und wenn diese viele Unrichtigkeiten enthalten, so trifft ihn um so weniger die Schuld, als er in solchen Fällen immer gewissenhaft selbst angibt, dals er das Originalexemplar nicht habe untersuchen können. Diese sind auch weniger werthvoll, als die Darstellungen, welche nach Originalstücken und zwar oft mit einer solchen Ge- nauigkeit ausgeführt sind, dafs manche in der neusten Zeit ver- öffentlichte Abbildungen hinter ihnen zurückstehen. Die Bloch’sche Sammlung wurde nach seinem Tode (1799). von dem Könige Friedrich Wilhelm II. für die Königl. Kunst- kammer angekauft und ging im Jahre 1810 mit anderen Gegen- ständen auf die neugestiftete Universität über, wo sie den ersten werthvollen Theil des zoologischen Museums bildete. Würde die Sammlung unberührt in dem Zustande geblieben sein, wie Bloch sie hinterlassen hatte, so würden spätere Sachkenner keine Schwierigkeiten gefunden haben, die Originalexemplare nach neueren Principien zu bestimmen und mit der neueren Nomenclatur in Übereinstimmung zu bringen, so würden ferner viele ungerechte Vorwürfe über willkürliche Verfälschungen der Abbildungen nicht erhoben worden und die Verwirrung in der Synonymie nicht eine immer grölsere geworden sein. Die Bloch’sche Fischsammlung besteht theils aus ganzen Thieren in Weingeist, theils aus ganzen getrockneten Häuten und theils aus getrockneten halben Exemplaren. Es ist nun ganz klar, dals Bloch, wie es oft in Privatsammlungen der Fall ist, nur einen Theil seiner Exemplare mit Namen versehen hat, während andere Exemplare, wie auch aus den Etiquets selbst zu ersehen ist, ohne gehörige Sachkenntnils, wahrschein- lich nach oberflächlicher Vergleichung mit den Abbildungen, später mit Namen versehen und dann als Bloch’sche Typen bezeich- vom 13. Februar 1865. 99 net wurden. In dieser Weise haben oft die verschiedensten Arten einen und denselben Namen erhalten, und daher ist es denn auch gekommen, dals z. B. Hr. Valenciennes für die Histoire naturelle des poissons eine Anzahl von solchen falsch bestimmten Bloch’schen Typen untersucht und beschrieben hat, woraus natürlich die grölste Verwirrung entstanden ist. Ich habe nun begonnen, die Typen der Bloch’schen Samm- lung genau zu untersuchen und erlaube mir, als ein Specimen der Resultate meiner Untersuchungen, einige der so äulserst artenreichen Gattung Serranus angehörige Fische vorzulegen, über deren wissenschaftliche Bestimmung mir kein Zweifel ge- blieben ıst. 1. Serranus maroccanus. Holocentrus maroccanus, Bloch-Schneider, Systema pisc. p. 320. . Serranus papilionaceus, Valenc. VIII. p. 481. Das Originalexemplar zu der Bloch-Schneider’schen Beschreibung (No. 5531 Mus. Berol.) besteht in der getrockne- ten linken Hälfte, welche Valenciennes (Hist. nat. d. poiss. II p. 214), zu einer Zeit, wo ihm der S. papilionaceus noch nicht bekannt war, ohne weiteres für S. scriba erklärte, ob- gleich es ihm doch auffällig gewesen sein dürfte, dals die Rückenflosse nicht 14, sondern, wie Bloch-Schneider ganz richtig angeben, 16 getheilte Strahlen enthält. Es ıst 0”,190 lang und hat allerdings in der Form auf den ersten Anblick eine grolse Ähnlichkeit mit 8. scrida, dem diese Art jedenfalls am nächsten steht. B.7; P. 15; V.1, 5; D. 10, 16; A.3, 7; C.15 (verzweigte Strahlen). Schuppenquerreihen un- gefähr 70; 7% Längsreihen über, 20 Längsreihen unter der Sei- tenlinie.e Die hellere Körperquerbinde unter den letzten Sta- chel- und den ersten weichen Strahlen der Rückenflosse, die beiden undeutlicheren Querbinden am Schwanze, zwei Reihen Flecken auf den Kiefern, die eigenthümlichen queren länglichen Ocellenflecken auf dem weichstrahligen Theile der Rückenflosse, so wie die Flecke auf der Afterflosse, wie sie Valenciennes von S. papilionaceus angibt, sind hier noch sehr deutlich, so dafs ich an der Identität beider Arten, insbesondere da sie in demselben Meere zu Hause sind, keinen Zweifel hege. Denn wenn auch Valenciennes in der Rückenflosse einen Weichstrahl 100 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse weniger und in der Afterflosse einen mehr zählt, so ist dieses kein Unterscheidungsgrund, wie sich derjenige, der viele Exem- plare einer Art von Serranus zu untersuchen Gelegenheit hat, leicht überzeugen wird. 2. Serranus (Anthias) virescens. Holocentrus virescens Bloch, IV. p. 57 taf. 233. Von dieser Abbildung sagt Cuvier, sie sei fast unzweifel- haft eine schlechte Abbildung von einem Serranus. cabrilla obne Längsbinden, nach einem trocknen Exemplar angefertigt. Jedoch zeigt das Originalexemplar, welches sich getrocknet un- .ter No. 5532 im zoologischen Museum befindet, dafs die Abbil- dung eine der besten ist, dals es einer ganz verschiedenen Art und wegen der grölseren Schuppen der Gruppe Anthias, so wie sie von Günther aufgefalst wird, angehört. Dieses an den Flossen etwas beschädigte Exemplar hat eine Länge von 0”,200 und ist daher etwas kleiner als die Abbildung. Es ist zwar verblalst, läfst aber bei genauer Untersuchung doch noch den Verlauf der Kopfbinden und einiger dunkler Flecke unterhalb der Rückenflosse erkennen, welche auf der Abbildung darge- stellt sind. Ich weils es nicht auf eine der beschriebenen Arten zu- rückzuführen und gebe defshalb hier eine genauere Beschrei- bung. Der Kopf ist 3%, die Körperhöhe 4% Mal in der Kör- perlänge enthalten. Die Körperform ist gestreckt und das obere Kopfprofil convex. Das Auge ist grols, sein Durchmesser ein wenig länger als die Schnauze und etwas mehr als viermal in der Kopflänge enthalten. Das Oberkieferende ragt bis unter die Mitte des Auges und ist mit sehr kleinen Schuppen versehen. Die oberen Hakenzähne sind nur klein, die unteren grölser. Die Schuppen der Backen sind um % kleiner als die des Kie- mendeckels; der letztere zeigt drei Dornen, von denen der un- tere der kleinste ist und der obere dem mittleren gröls- ten ein wenig näher ist als jener. Der Vordeckel ist, wie es die Abbildung vortrefflich darstellt, am hintern Rande feiner, am Winkel und am hinteren Theile des unteren Randes stärker gezähnelt. Sub- und Interoperculum glatt. Schuppen in etwa 75 Längsreihen, oberhalb der Seitenlinie in 4 (bei S. cabrilla 7) und unterhalb derselben bis zum After in 21 Längs- vom 13. Februar 1865. . 101 reihen. Von den Flossenstrahlen erscheint keiner verlängert. B.7; P. 15; V.1, 5; D. 10, 14; A.3, 7. Bloch gibt hinsichtlich des Vaterlandes nur an, dafs dem Auctionsverzeichnisse zufolge das Exemplar aus Westindien stammen solle. 3. Holocentrus argentinus Bloch. Holocentrus argentinus Bloch. IV. p. 73. Taf. 234. Fig. 2. Serranus cabrilla (L.) Cuv. Das Originalexemplar zu der Bloch’schen Beschreibung be- findet sich in Weingeist aufbewahrt, mit der alten Bezeichnung versehen, unter No. 127 in uaserem Museum. Es ist 0”,095 lang und zeigt bei ziemlich schlechter Erhaltung die auffallende silbrige Binde, welche Bloch veranlafste, ihr den Namen zu geben. Es stimmt auch ganz gut mit der Bloch’schen Beschrei- bung ‚und Abbildung überein, abgesehen davon, dafs nur 7 und nicht 8 getheilte Strahlen in der Afterflosse sind, von denen der letzte allerdings bis zur Basis gespalten ist. Ich war lange zweifelhaft über diese Art, bis Hr. Dr. Hart- mann junge Exemplare von S. cadrilla aus Malta mitbrachte, durch deren Vergleichung ich sogleich die Übereinstimmung dieser Arten erkannte. Die Proportionen, die Schuppen, die Zähnelung und die Beschaffenheit des Vordeckels, die vermicu- lirte Beschaffenheit der Unterkinngegend, so wie die Querlinien der Supraorbitalgegend sind ebenfalls ganz so, wie bei S. ca- brilla. Übrigens habe ich, um jeden Zweifel zu beseitigen, der etwa aus der verschiedenen Zahl der Strahlen der Afterflosse entstehen könnte, verschiedene Exemplare von Serranus cabrilla unseres Museums untersucht, woraus hervorgeht, dals diese Art eben so häufig 7, wie 8 getheilte Strahlen in der Afterflosse besitzt. So hat in unserm Museum Serranus cabrilla No. 115 von Triest A. No. 116 „ r A. No. 118 „ Cette A. A. A. = on ww - No. 111 „ „ No. 4782 „ Malta ww > - RE IENIDEI [1865.] 102 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Ebenso gibt Cuvier im Text für S. cabrilla 8 Strahlen an, während in der Abbildung ganz deutlich nur 7 vorhanden sind. Serranus scriba lälst sich, abgesehen von anderen Merk- malen, leicht durch die viel kleineren und zahlreicheren Schup- pen der Backen von jener Art unterscheiden. 4. Serranus ongus. ' Holocentrus ongus Bloch. IV. p. 69. Taf. 234. ? Serranus naetenee Blkr. Percoiden. p. 38. (Auszug aus Ver- handl. Batav. Genovtsch. vol. XXIII). Mit „‚Holocentrus ongus” bezeichnet befinden sich ın der Bloch’schen Sammlung ein ausgestopftes Exemplar und eine trockene Hälfte. Das erste (No. 5214) ist dasjenige, welches Valenciennes Serranus dichropterus nannte und von dem er mit Recht sagt, dals es gar nicht mit Bloch’s Abbildung über- einstimme. Es ist aber auch gar keinem Zweifel unterworfen, dals weder Bloch’s Beschreibung noch Abbildung dazu gehö- ren, sich vielmehr auf diejenige Art beziehen, von der noch die Hälfte (unter No. 5533) in unserm Museum befindlich ist. Zu diesem palst aber die Beschreibung und auch die Abbildung sehr gut. Letztere ist nur um ein weniges grölser als das Original und darin fehlerhaft, dals die Schnauze etwas zu lang und zu convex ist, der untere Dorn des Kiemendeckels zu lang erscheint und der allerdings kaum merkbare und von Schuppen versteckte obere Dorn nicht ausgedrückt ist. Dagegen sind die Flossen mit ihren Flecken sehr gut gezeichnet, ebenso ist auch die netzförmige Zeichnung des Rückens richtig angegeben, wäh- rend das feinere Netz des Nackens fehlt. Die Beschreibung, welche Bleeker von seinem S. baza- viensis gegeben hat, -palst so gut auf das Exemplar, dafs ich keinen Anstand nehme, diese Art hieher zu ziehen; auch der schwarze Streif hinter der Einlenkung des mit seinem Ende bis unter die Mitte des Auges reichenden Oberkiefers, der auch von Bloch angegeben ist, fehlt nicht. Die Schuppen der Backen und des Kiemendeckels sind sehr klein. Die Seitenlinie ist un- ter dem fünften und sechsten Stachelstrahl der Rückenflosse am meisten genähert, hat aber über sich noch immer 11 bis 12 Längs- reihen der sehr kleinen Schuppen. Dals in der Rückenflosse 10, statt 11 Stachelstrahlen abgebildet sind, läfst sich daraus vom 13. Februar 1865. 103 erklären, dafs an dem vorliegenden Exemplar der erste Stachel seitlich zurückgebogen ist. Der zweite Stachel der Afterflosse ist, wie es auch die Abbildung zeigt, länger und kräftiger als der zweite. B.7; D.11,15; A.3,8. Bloch gibt zwar an, er habe den Fisch aus Japan erhalten; es könnte aber leicht eine Verwechslung mit Java stattgefunden haben. Dasjenige Exemplar, welches Valenciennes untersucht hat und welches noch den Zettel mit Valenciennes eigenhändi- ger Bestimmung, Serranus dichropterus, trägt, gehört gewils nicht zu dieser brasilianischen Art, sondern eher zu Serranus moora, mit dem es auch in der Flossenstrahlenzahl, D. 11, 15 (statt 11, 17); A. 3, 8., durch die Proportionen, Schuppen und Farbe übereinstimmt. 5. Serranus auraßus. ‘Holocentrus auratus Bloch IV. 75. Taf. 236. Serranus auralus Guv. | Ein einziges Exemplar in Weingeist (No. 231 Mus. Be- rol.) befindet sich in der Bloch’schen Sammlung unter diesem Namen, welches etwas kleiner als die Abbildung ist, die zwar die Schnauze etwas zu lang und die flache Einbuchtung über dem Praeoperkelwinkel nicht ausgedrückt zeigt, sonst aber ziemlich gut genannt werden kann. Es weicht in keiner Beziehung von $. ouatalibi ab, als dals die nun verblichene Grundfarbe gelb ist, wie auch an einem Exemplar unserer Sammlung von Puerto Cabello, welches so wie S. punctatus (Poey) und S. guativere, die ich, direct habe vergleichen können, nur als Farbenvarietäten einer und derselben Art zu betrachten sind. Alle haben die beiden kleinen schwarzen Querflecken auf dem Schwanze hinter der Rückenflosse und diese fehlen auch dem Bloch’schen Exem- plare nicht. D. 9,15; A. 3,9. 6. Serranus argus. Cephalopholis argus, Bloch-Schneider Syst. pisc. p. 311. = Epinephelus argus ibid. p. 301. Bodianus guttatus Bloch Taf. 224. Bereits Schneider (Syst. pisc. Index p. XLIV) forderte dazu auf, die Originalexemplare Bloch’s von Cephalopholis ar- gus und Bodianus guttatus zu vergleichen, da er vermuthete sr u 104 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse dafs beide Arten identisch sein könnten: „Videant, quibus utrius- „que piscis inspiciendi et comparandi copia est, an non idem „cum Bodiano guttato Gen. 71. no. 1.” Glücklicherweise befinden sich die Originale zu beiden Ab- bildungen noch in unserer Sammlung, nämlich das in Weingeist aufbewahrte Exemplar von Cephalopholis argus unter No. 220 und die getrocknete rechte Hälfte von Bodianus guttatus unter No. 5213. Das Exemplar von Cephalopholis argus ıst etwas grölser als die gegebene Abbildung, stimmt aber sonst sehr gut mit dieser überein, namentlich in Bezug auf die Vertheilung der Querbinden, die Flecke und das faltige obere Augenlid. Dafs die Flecken am Kopfe und auf den Brustflossen ausgelassen sind, mag daher rühren, dals sie an der einen (linken) Seite sehr we- nig bemerkbar sind. Die Stacheln des Kiemendeckels sind einander zu nahe gezeichnet und der noch erkennbare helle Rand der senk- rechten Flossen ist nicht ausgedrückt. Die Flossenstrahlen sind sowohl in der Beschreibung, wie in der Abbildung ganz richtig angegeben, D. 9,16; A.3,9. Die genaueste Vergleichung mit dem genau in Naturgröfse abgebildetem Originalexemplare von B. guttatus lälst keinen andern Unterschied wahrnehmen, als dals dieses einen verzweigten Strahl in der Afterflosse weniger (A. 3, 8.) hat, eine Variation, die bei dieser Art öfter vor- kommt. Auch mit anderen Exemplaren von S. gutzatus unserer Sammlung verglichen, ergibt sich kein anderer Unterschied, als die Querbinden. In dieser Beziehung will ich jedoch nur be- merken, dals ein etwas kleineres, ebenfalls in Weingeist erhal- tenes Exemplar derselben Art auf der einen Seite auch eine Tendenz zur Bildung von Querbinden zeigt, dafs Querbinden bei einigen anderen Arten in der Jugend z. B. bei S. salmo- noides ebenfalls sehr deutlich und scharf auftreten, während sie sich in späterer Zeit verlieren. Für mich leidet es daher nicht den geringston Zweifel, dals Ceph. argus und Bod. guttatus identisch seien, und wenn man, wie Hr. Poey, den Linneäi- schen Namen „guizatus” für S. coronatus Cuv.Val. wieder einfüh- ren will, so mülste die Bloch’sche Art ‚‚argus” heilsen, die allerdings von derjenigen verschieden ist, welche Hr. Dr. Gün- vom 13. Februar 1865. 105 ther (Catalogue. I. p. 115) unter diesem Namen aufführt, da diese 11, 16 Rückenstrahlen hat. Dafs übrigens Schneider dieselbe Art noch einmal als Epinephelus argus aufführt, ist daraus zu erklären, dafs er in dem von ihm nach der Natur (wie aus dem vorgesetzten Stern hervorgeht) beschriebenen Exemplare weder den C. argus noch B. guttatus Bloch’s erkannte. 7. Serranus boenak. _ Bodianus boenak Bloch, IV. p. 43 Taf. 226. Serranus boenak et formosus Val. In der Bloch’schen Sammlung befindet. sich die rechte trockene Hälfte (No. 5220 Mus. Berol.) dieser Art, welche keine deutliche Querbinden am Körper erkennen läfst, während die ganz mit der Abbildung übereinstimmenden Zeichnungen des Kopfes, so wie die Fortsetzung der schwarzen Längslinien des Oberkopfes auf dem Nacken zu entdecken sind. Die Über- einstimmung dieser Art mit S. formosus Val. war für mich im höchsten Grade überraschend und ich würde sie wahrscheinlich nicht erkannt haben, wenn ich nieht ein Weingeist- Exemplar (No. 163) dieser letzteren Art von der Küste von Coromandel, von Valenciennes selbst bestimmt und hergesandt, welches jetzt eine ganz ähnliche Färbung zeigt, zur directen Verglei- chung gehabt hätte. Sieht man ab von den Querbinden des Körpers, welche vielleicht vorhanden gewesen sind, wie sie auch bei S. guitatus, S. hemistictus, $S. marginalis u. a. Arten aus- nahmsweise aufserordentlich deutlich auftreten, so kann die Bloch’sche Abbildung als eine der besseren betrachtet werden, indem sowohl die allgemeine Körperform, wie Specialitäten, z. B. die Stacheln des Kiemendeckels, die Beschaffenheit des Vor- "deckels und die feine Beschuppung mit einer Präcision darge- stellt sind, wie sie oft in neueren Abbildungen vermilst wer- den. B.7; D. 9, 16; A. 3,8. Der Serranus boenak Blkr. gehört natürlich nicht hieher, sondern ist gleich mit S. nigrofasciatus Hombr. Jacgq. 8. Alphestes afer, Bloch-Schneider, Syst. pisc. p. 236. Epinephelus afer, Bloch VII. p. 12. Taf. 327. Plectropoma chloropterum Valenc. Plectropoma monacanthus Müll. Trosch, 106 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Das sehr wohl erhaltene Weingeistexemplar, welches der Bloch’schen Darstellung von Epinephelus afer zu Grunde ge- legen hat, befindet sich in unserm Museum unter No. 143 und ist 0”,265 lang. Abgesehen davon, dals die Zähnelung des Vor- deckelwinkels nicht richtig gezeichnet ist, kann man die Bloch- sche Abbildung eine vorzügliche nennen und Jeder, dem die vorstehende Art bekannt ist, wird sie leicht darin wieder er- ‚kennen. Auch die Strahlenzahl, mit Ausnahme der Kiemen- strahlen, welche Bloch nach seiner Zählung aber immer falsch angibt, ist ganz richtig angegeben: B.7; D. 11,18; A.9,9. Die Übereinstimmung dieser Art mit Pl. chloropterum Val. und Pl. monacanthus Müll. Trosch. habe ich durch directe Ver- gleichung mit den Originalexemplaren feststellen können. Ein ebenfalls hieher gehöriges jüngeres Exemplar von 0”,185 Länge, welches sich durch eine etwas hell gefleckte Rückenflosse und durch D. 11, 19 auszeichnet, haben wir vor mehreren Jahren aus dem Copenhagener Museum als „‚Plectropoma Bellonae Krö- yer” erhalten. Der Priorität nach mufs nun der Name Plectropoma dem Schneider’schen Alphkestes weichen, wenn man überhaupt nach den stattfindenden Übergängen diese Gattung fernerhin von Ser- ranus (Epinephelus) trennen will. Ganz abgesehen davon, dals ein so unbedeutendes Merkmal, wie die Ricktung eines einzigen kleinen Zackens keinen Gattungscharakter in einer natürlichen Systematik darstellt, so haben wir ein noch engeres Verbin- dungsglied in dem Serranus aeneus Geoffroy, von welchem unser Museum durch die Hrn. Hemprich und Ehrenberg zwei Exemplare in Weingeist und eins trocken besitzt. An dem letzteren theilt sich der untere Dorn des Vordeckelwinkels in zwei Zacken, von denen ebenfalls einer nach vorn gerichtet ist, so dafs also einige Individuen dieser Art entschieden zu Serranus gehören, andere durch 4. afer mit einem bis zwei Zacken zu Plectropoma maculatum mit zwei bis drei Zacken und so stufenweise zu den übrigen Pleczropoma mit mehreren Zacken hingeführt werden. Wie schwierig überhaupt die Grenze zwi- schen Serranus und Plectropoma zu ziehen ist, beweist auch eine Japanische Art, welche in der Systematik zweimal, einmal als Plectroporna susuki und ein andermal als Serranus octocinc- vom 13. Februar 1865. 407 tus aufgeführt worden ist, wie bereits Hr. Kaup (Nederlandsch Tijdschrift voor de Dierkunde I. p. 20) nachgewiesen hat. 9. Serranus ruber. Epinephelus ruber Bloch. VII. p. 22. Taf. 331. Das in Weingeist wohlerhaltene Originalexemplar dieser Art befindet sich unter No. 161 mit der Originalbezeichnung in unserer Sammlung. Es hat eine Totalläinge von 0”,165 und ist daher kleiner als die Abbildung, welche man eine vorzügliche . nennen kann. ÜUnrichtig ist, wie. gewöhnlich, die Angabe der Kiemenstrahlenzahl und auch die Zahl der Afterflossenstrahlen ist um zwei zu gering angegeben, was daher rühren mag, dafs die Flossenhaut zwischen den ersten Gliederstrahlen sehr dick und beschuppt ist. Die Gestalt des Körpers und der Flos- sen hat Ähnlichkeit mit der von $. acutirostris Val. und in der Zahnbildung entspricht diese Art der Beschreibung, welche Valenciennes von S. emarginatus gegeben hat. Die Höhe des Körpers verhält sich zur Totalläinge wie 1: 3%, der Kopf macht nicht ganz ein Drittel des letzteren aus. Der Augendurchmesser ist fünfmal in der Kopflänge enthalten und etwas gröfser als der Interorbitalraum. Die spitze Schnauze ist etwas länger als der Augendurchmesser und das Oberkiefer- ende ragt fast so weit nach hinten wie der Postorbitalrand. Die Zwischenkieferzähne bilden an der Seite eine schmale Binde und werden hier von den Lippen bedeckt; vorn bilden sie je- derseits ein Paket längerer hechelförmiger Zähne, vor denen ein oder zwei längere Hakenzähne stehn. Der Unterkiefer ragt mit seiner mittleren Wulst über die Zwischenkiefer vor und hat seitlich stärkere Zähne als der Zwischenkiefer. Der Vordeckel ist am hinteren Rande fein gesägt, am vorspringenden, durch eine flache Einbuchtung abgesetzten Winkel mit vier oder fünf stärkeren Zähnen versehen. Nur der mittlere Dorn des Kie- mendeckels ist deutlich, der untere und obere sind schwach, der letztere doppelt so weit von dem mittleren entfernt wie der erstere. Die Backen, der Vordeckel und der ganze Kopf sind bis zu den Zwischenkiefern mit kleinen Schuppen bedeckt; noch kleinere, aber deutliche Schuppen bedecken den Ober- kiefer, während die des Unterkiefers denen der Backen fast gleich kommen. Die Schuppen des Kiemendeckels kommen 108 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse denen des Körpers an Gröfse gleich, sind aber nicht, wie diese ctenoid, sondern cycloid.. Die Körperschuppen sind klein und bilden an 94 Querreihen, oberhalb der Seitenlinie 16 und unterhalb derselben (bis zum After) 32 Längsreihen. Die Brust- und Bauchflossen ragen gleich weit nach hinten über den After hinaus. Unter den Stacheln der Rückenflossen sind die 3te bis 7te die längsten; die gegliederten Strah- len dieser Flossen sind, wie es auch die Abbildung angibt, merklich länger als die Stacheln. Von den drei Stacheln der Afterflosse ist der zweite der dickste, der dritte der längste. Die Schwanzflosse ist hinten grade, an den Winkeln abgerun- det. B.7; D. 11,16; A. 3,11. Bloch gibt an, dafs die Farbe des Kopfes, Rückens und der Seiten dunkelroth, der Bauch blafsroth, die Flossen am Grunde gelb gewesen seien. Jetzt ist das ganze Thier verblafst und es findet sich keine Spur von Zeichnungen. 10. Serranus coeruleopunctatus. Holocentrus coeruleopunctatus Bloch IV. p. 94. Taf. 242. Fig. 2. Das Originalexemplar in Weingeist (No. 232 Mus. Berol.) ist 0”,054 lang und die Bloch’sche Darstellung stimmt sehr gut dazu; aber die Zähnelung des Vordeckels ist auf der vergröfser- ten Abbildung zu stark, die Schnauze zu lang und der vordere Theil des Stacheltheils der Rückenflosse zu niedrig abgebildet. Der Vordeckel ist an seinem hinteren Rande regelmäfsig gesägt, am Winkel, der aber nicht vorragt, mit drei bis vier ziem- lich grolsen, dicken, plattenZähnen bewaffnet. Von den Dornen des Kiemendeckels sind der untere und der obere klein, letzterer doppelt so weit von dem mittleren entfernt wie jener. Die Schuppen des Körpers sınd klein und stehen in etwa 13 Längs- reihen über und in 24 unter der Seitenlinie. Die Flossen sind sämmtlich abgerundet. B.7; D. 11, 15; A.3,8. Über die Körperfarbe ist nichts mehr zu sagen. Die Flos- sen dagegen zeigen noch die runden Flecke, welche Bloch blau fand, welche jetzt aber farblos sind. Bei der genausten Vergleichung mit jungen Exemplaren von S. leucostigma Ehrbg. aus dem rothen Meere und mit an- deren Exemplaren derselben Art aus Amboina (S. alboguttatus Valenc.) finde ich nicht den geringsten Unterschied im Bau vom 13. Februar 1865. 109 zwischen beiden Arten und selbst die Vertheilung der Flecke auf den Flossen ist dieselbe. Wenn daher auch der Körper, wie Bloch angibt, wirklich ungefleckt war und die Flecke der Flossen eine bläuliche Farbe hatten, so dürfte die vorstehende Art doch höchstens als eine Farbenvarietät zu betrachten sein. Ge- gen die Rüppell’sche Behauptung, dafs S. leucostigma nur der junge S. summana sei, ist anzuführen, dals die Zähne des Vor- deckelwinkels nicht allein bei jungen, sondern auch bei alten Exemplaren stärker als bei dieser letzteren Art sind. Die er- wähnten Exemplare aus Amboina haben übrigens auch die Brust- flossen dunkel mit weilsen Flecken und weilsem schmalen Saum, dürften daher auch zu S. alboguttatus Blkr. gehören, wenn vielleicht auch beiälteren Exemplaren die Flossen gelb und dun- kelgefleckt erscheinen. 11. Serranus marginalis. Epinephelus marginalis Bloch. VII. 14. Taf. 328. Fig. 1. Obgleich diese Art bereits hinlänglich bekannt ist, will ich nur hinzufügen, dafs ich das Originalexemplar, die rechte trockne Hälfte (No. 5224) genau mit Exemplaren des gebänderten S. oceanicus Val. (Perca fasciata Forsk.) verglichen habe und aulser der Färbung keinen Unterschied habe finden können, so dals sie, wie es auch von Bleeker geschehen, nur als Far- benvarieiäten derselben zu betrachten sind. 12. Serranus maculatus. Perca maculata Bloch VI. 92. Taf. 313. Wenn man den Bloch’schen Namen für diese Art behal- ten will, obgleich er weder den Fisch selbst gesehen, noch richtig dargestellt, sondern nach einer Plumier’schen Zeich- nung falsch abgebildet und beschrieben hat, so ist er nicht auf diejenige Varietät mit ungefleckten Flossen zu beziehen, welche Valenciennes als S. catus bezeichnet hat, sondern auf eine der anderen Varietäten mit gefleckten Flossen. Ich kann mich nicht entschliefsen, diese Varietäten, welche man gewöhnlich Arten genannt hat, als letztere zu betrachten, da sie auch nicht in einem einzigen wesentlichen Punkte, nur durch die mehr oder weniger ungefleckte Beschaffenheit der Flossen und durch einige Verchiedenheit der Körperflecken von einander abwei- chen. D. 11, 16—17; A. 3,8. 110 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Es gehören hieher: 1. var. catus Valenc., Flossen ungefleckt oder nur an der Basis gefleckt. Hiervon besitzt unser Museum unter No. 265 ein Originalexemplar aus Martinique, ein zweites Exemplar aus Barbados und ein drittes aus Puerto Cabello. 2. var. Cubanus Poey ı. litt. (No. 5222 Mus. Berol.) nur die Schwanzflosse ungefleckt. An der Basis der zwei bis drei letzten Stacheln und des ersten bis zweiten Gliederstrahls der Rückenflosse, so wie über der Ba- sis des Schwanzes ein grolser schwarzer Fleck. Zu- weilen ein ähnlicher Fleck an der Basis des 4ten bis 6ten Stachels und des 7ten bis 9ten Gliederstrahls. 3. var. impetiginosus Müll. Trosch. (No. 237) sämmt- liche Flossen gefleckt, nebst den erwähnten grolsen schwarzen Flecken der vorigen Varietät, var. capreo- lus Poey (No. 5223). Die Originalexemplare dieser Arten unter einander und mit anderen Exemplaren verglichen, lassen keinen Zweifel übrig an ihrer Identität. Die individuellen Verschiedenheiten in der Zahl der Flecken sind nicht einmal von solchem Belange, wie sie bei den Varietäten des ostindischen $S. hexagonatus vorkommen, die man früher ebenfalls als Arten betrachtete und die Gün- ther gewils sehr richtig vereinigt hat. Beiläufig will ich hier nur bemerken, dafs $S. galeus Müll. Trosch., welcher allerdings einige Ähnlichkeit mit der vorste- henden Art hat, aber leicht durch die viel kürzere Schnauze und das bis hinter das Auge gespaltene Maul. zu unterscheiden ist, das ältere Thier von S. izaiara Lichtst. ist. Der einzige Unterschied zwischen beiden beruht, wie auch die Vf. angege- ben haben, darauf, dals bei (dem sehr viel kleineren) izaiara der Zwischenraum zwischen den Augen nicht gröfser, sondern kleiner als der Augendurchmesser ist, ein Unterschied, den man in ähnlichen Fällen stets zwischen reifen und unreifen Indivi- duen derselben Art finden wird. Noch näher mit S. maculatus var. impetiginosus verwandt ist S. zrimaculatus V al., identisch mit ura Val., wie das in un- vom 13. Februar 1865. 411 serm Museum befindliche Originalexemplar (No. 5529) beweist, welcher sich nur durch eine etwas kürzere Schnauze, die weniger abgerundete Form des Vomer und den weniger abgesetzten Vor- deckelwinkel unterscheidet. S. zrimaculatus Bleeker (4. Bijdr. Japan p. 8.) gehört übrigens nicht hieher, sondern bildet eine neue durch die beiden grolsen Flecke auf den Stacheltheil der Rückenflosse leicht erkennbare Art, von welcher unser Museum zwei Exemplare (No. 5552) besitzt, für welche ich den Namen S. fasciatomaculosus vorschlage. Ich füge hier noch ein paar Arten Mesoprion hinzu, da Schneider’die erste derselben ebenfalls zu Alphestes gezogen hat und nicht zu leugnen ist, dals es bei manchen Arten sehr zweifelhaft erscheint, ob sie zu Serranus oder Mesoprion zu stellen sind. 43. Mesoprion sambra. Alphestes sambra Bloch-Schneider p. 236 (p. 575) Taf. 51. Das Originalexemplar befindet sich in unserer Sammlung unter No. 354. Es ist bereits richtig von Cuvier erkannt wor- den und als Mesoprion aufgeführt. Es dürfte aber doch gewils passend sein, den Specialnamen samdra zu behalten und nicht gembra, da dieser letztere nach Schneider’s Erklärung ein Druckfehler ist. 14. Mesoprion albostriatus. Holocentrus albostriatusBloch-Schneider p. 237; Bodianus stria- tus p. 335; Bodianus fasciatus Taf. 65. Diese Art, von der das 0”,077 lange Originalexemplar in Weingeist unter No. 355 aufbewahrt wird, ist bekanntlich identisch mit Mesoprion linea und einigen anderen Cuvier- schen Nominalarten und dürfte daher am passendsten den vor- stehenden ersten Namen behalten, da auch eine andere Art spä- ter Mesoprion striatus genannt worden ist. 112 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Hr. Rammelsberg las über die Zusammensetzung der Manganerze und das specifische Gewicht der- selben und der Manganoxyde überhaupt. Die Nichtisomorphie des Braunits und des Hausmannits mit den übrigen Sesquioxyden und mit der Spinellgruppe führt man. gewöhnlich auf eine Heteromorphie dieser Körper zurück. An- dererseits hat man den Grund in einer Verschiedenheit der Con- stitution zu finden gesucht, indem man annahm, jene Oxyde des Mangans seien Verbindungen von Manganoxydul und Superoxyd, eine Vorstellung, die in der Zersetzung durch Salpetersäure eine Stütze zu haben scheint. Hr. G. Rose hat dieser An- sicht noch vor kurzem Beifall geschenkt'), und dadurch das Vorkommen sowohl anderer Monoxyde, wie z. B. des Baryts, als auch der Kieselsäure in diesen Manganerzen erklärt, welche als isomorphe Vertreter von MnaO und MnO? in deren Mı- schung eingehen. Die Richtigkeit dieser Hypothese läfst sich aber, wie ich sogleich darthun werde, durch die Analyse prüfen, obwohl dies bisher noch nicht versucht worden ist. Alle jene Manganerze nämlich bestehen gleichsam aus Manganoxydul und einer gewis- sen Menge Sauerstoff, dessen Verhältnifs zu dem im Oxydul selbst enthaltenen die Oxydationsstufe des Mangans ergiebt. Im reinen Manganoxyde ist es =1:2, im Oxydoxydul =1:3, im Superoxyde =1:1. Wenn nun aber Braunit und Hausmannit =MnMn und 2Mn-+ Mn sind, so ist klar, dafs durch das Eintreten isomor- pher Bestandtheile R oder R auf der einen oder anderen Seite jene einfachen Sauerstoffverhältnisse alterirt werden, was die Analyse anzeigen muls. Enthält der Braunit z. B. ein anderes Monoxyd an Stelle einer gewissen Menge Manganoxydul, z. B. den sauerstoffärme- ren Baryt, so muls der übrige Sauerstoff mehr betragen als die Hälfte des im Oxydul enthaltenen. Enthält der Braunit umgekehrt einen Vertreter des Superoxyds, z. B. Kieselsäure, so muls der übrige Sauerstoff weniger betragen als die Hälfte des im Oxydul enthaltenen. t) Poggend. Ann. Bd. 121 S. 318. 85 vom 13. Februar 1865. 413 Dieses übrige Sauerstoff ist es, welcher bei der Analyse aller Manganerze stets für sich bestimmt wird. Wir besitzen jetzt in der volumetrischen Jodprobe durch Bunsen eine ge- naue Methode zu seiner Bestimmung; er wird in Form einer äquivalenten Menge’ Chlor entwickelt, dessen Menge durch eine gleichfalls äquivalente Menge Jod ermittelt wird. Von den genannten Voraussetzungen ausgehend habe ich den Braunit und Hausmannit, zugleich aber auch den Manganit und Pyrolusit von neuem untersucht und dabei den Sauerstoff durch jenes volumetrische Verfahren bestimmt, daneben auch die älteren Analysen in Betracht gezogen. Braunit. In dem Braunit aus der Gegend von Ilmenau fand Turner nur 2,25 pC. Baryt und 0,95 Wasser. Der Sauerstoff des Manganoxyduls und der Rest sind fast genau =2:1, während, der Hypothese gemäfs, die Zahl 2 nicht er- reicht werden dürfte. Ich habe von diesem Braunit viele Proben untersucht, mög- lichst reine Krystalle sowohl, wie die krystallinische Unterlage derselben, alle mit gleichem Resultat. Dieses Resultat weicht aber von dem Turner’s dadurch gänzlich ab, dafs danach der thüringische Braunit nahe 8 pC. Kieselsäure enthält (auch in den reinsten Krystallen), dagegen nur sehr kleine Mengen Baryt und Kalk. Der Sauerstoff des Manganoxyduls und der Rest stehen in dem Verhältnifs von 100:44 = 2: 0,87 = 2,3: 1. - Der übrige Sauerstoff beträgt also weniger als die Hälfte des im Oxydul enthaltenen. Hieraus folgt zunächst, dafs die Kieselsäure nicht als solche _ beigemengt ist, und ferner scheint die Analyse eine Bestätigung dafür zu sein, dafs der Braunit . Mn au ! Si ist. Dennoch kann ich mich für diese Ansicht nicht erklären und will versuchen, eine andere den theoretischen Vorstellungen über die chemische Constitution mehr entsprechende in Vor- schlag zu bringen. 414 Sitzung der physikalisch-malhematischen Klasse Braunit und Hausmannit zerfallen allerdings durch starke Salpetersäure in Oxydul und Superoxyd. Dies kann aber natür- lich keinen Beweis dafür abgeben, dafs beide daraus bestehen. Ebenso verhalten sich das künstliche Manganoxyd und Oxydoxy- dul, und zwar jenes, so wie es aus seinen Salzen, z. B. dem Sulfat, durch Zersetzung mittelst Wasser erhalten wird; als Ba- sis von Salzen kann es aber nicht als MnMn betrachtet werden. Das in den Gliedern der Spinellgruppe z. B. im Franklinit vor- kommende und Eisenoxyd vertretende Manganoxyd, so wie über- haupt das in vielen Mineralien, im manganhaltigen Brauneisen- stein, in Phosphaten und Silikaten vorkommende Manganoxyd kann nur die Constitution der übrigen Sesquioxyde haben, und der Manganit, der sich sicherlich aus kohlensaurem Manganoxy- dul gebildet hat, kann bei seiner Isomorphie mit Göthit und Diaspor auch nur Mn? OÖ? enthalten. Weit angemessener erscheint es, den Braunit als eine iso- morphe Mischung von Manganoxyd und Manganoxydulbisilikat anzusehen, welchem letzteren die kleinen Mengen anderer Basen (Baryt, Kalk) zugehören. Die Formeln beider Mn?’O° und MnO +SiO? drücken zwar eine ganz verschiedene Constitution aus, allein dies ist nur eine Folge der herrschenden dualistischen Ansicht, deren Richtigkeit jetzt schon vielfach in Frage gestellt wird; beide Körper enthalten dieselbe relative und absolute Anzahl | von Atomen von Radikalen und Sauerstoff, Oxyd. Silikat. Mn 2 Mn 5 min} \O 70 BO Oo Duzu kommt, dafs Mangan und Silicium überhaupt analoge Kör- per sind (setzt die bestritiene Ansicht doch die Isomorphie von MnO? und SiO? voraus); ‘beide sind für sich wahrschein- lich isomorph, und wie ich bei einer früheren Gelegenheit ') gezeigt habe, treten Kiesel und Kohlenstoff im Roheisen als iso- morph mit Mangan und Eisen auf. 1) Monatsber. 1863 S. 158. vom 13. Februar 1865. 115 Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, ist der Braunit von Ilmenau 2 Mn 0°. Sı Der krystallisirte Braunit von $. Marcel ist ganz dasselbe, nur ist ein Theil Mangan durch Eisen ersetzt. Ihm kommt nach Damours Analyse die Formel - Mn 2 1 O° Si MnSi + 3Mn = a\> @\N zu. Ich mufs daran erinnern, dals die hier vorgetragene An- sicht von der Constitution des Braunits nicht neu ist, sondern mit derjenigen vollkommen übereinstimmt, welche Mosander zuerst für das Titaneisen aufstelltee Als man später die Iso- morphie der Titaneisen mit dem Eisenglanz dadurch zu erklä- ren suchte, dafs man sie als Fi"Fe® betrachtete !), bewies ich durch zablreiche Analysen und den Nachweis grolser Mengen Magnesia, dals diese Ansicht, im Sinne der herrschenden duali- stischen "Theorie aufgefalst, verworfen werden müsse, und die Titaneisen theils theils - Fe r EN re Tı=1Fe (05 ı Mg 4 nn „Mg theils Fe)’ RTı+-nFe=Ti } 0° Mg ‘) Nach dieser Ansicht könnte man im Braunit ein Silicium- sesquioxyd Si? O? annehmen, weil 2MnSi = Mn + Si sein würde. 416 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse seien, wobei die Titaneisen, welche zur ersten und zweiten Art gehören, die Isomorphie des Titanats mit dem Eisenoxyd di- rekt erwiesen. Im Braunit spielt die Kieselsäure dieselbe Rolle wie die Titansäure im Titaneisen. Hausmannit. In diesem Mineral treten die Nebenbe- standtheile so zurück, dals die Analyse kein Mittel abgiebt, über die Constitution, ob MnMn oder Mn?Mn zu entscheiden. In den schönen Krystallen von Ilmenau fand ich nur Bruchtheile eines pC. von Kieselsäure und Baryt, und die Sauerstoffprobe gab fast genau so viel als die Rechnung für das reine Oxyd- oxydul fordert. Der neuerlich zu Filipstad vorgekommene kry- stallisirte Hausmannit, der mit gediegen Kupfer verwachsen ist, und Combinationen des Hauptoktaeders und des dreifach stum- pferen bildet, enthält nur 0,13 pC. Baryt, 0,14 Kalk, 0,41 Ma- gnesia, und auch sein Sauerstoffgehalt entspricht der Rechnung. Die Analysen von Manganit und Pyrolusit erwiesen die Reinheit der untersuchten Abänderungen und den supponir- ten Gehalt an Sauerstoff. Die specifischen Gewichte der Manganerze sind schon vor längerer Zeit, grölstentheils von Haidinger, bestimmt die der künstlich dargestellten Manganoxyde sind bisher wenig untersucht worden. Ich habe deshalb diese Bestimmungen von neuem vorgenommen und theile die Resultate nachstehend mit. I. Manganoxydul. R. Künstlich dargestellt 5,091 (4,726 Herapath). II. Oxydoxydul. 4. Künstlich dargestellt 4,718 2. ; 2. Hausmannit 4,856 (4,722 Haidinger). . III. Oxyd. 1. Künstlich dargestellt 4,325 2. Braunit ') 4,752 (4,818 Haidinger). (4,77 Damour). ') Gehört eigentlich nicht hierher wenn es sich um eine Vergleichung handelt. vom 13. Februar 1865. 117 IV. Oxydhydrat. R. Manganit 4,338 (4,328 Haidinger). V. Superoxyd. Pyrolusit 5,026 (4,82—4,94 Turner). (4,88 Breithaupt). Gemäls den älteren Versuchen nimmt die Dichte mit dem Gehalt an Sauerstoff zu. Aus meinen Wägungen folgt, dals dies in Bezug auf Hausmannit und Pyrolusit der Fall ist, aber sie ergeben auch, im geraden Widerspruch zu den älteren, dals der Hausmannit schwerer ist als der Braunit. Welche Unter- schiede zwischen der künstlich dargestellten (vielleicht amor- phen) Verbindung und der natürlichen krystallisirten stattfinden, springt dabei in die Augen, und wenn man die Dichte der künstlich dargestellten MnO, MnO% und MnO% vergleicht, so sieht man, dafs mit Zunahme des Sauerstoffs die Dichte ab- nımmt. In keinem Fall verhalten sich bei den Oxyden des Mangans die Dichtigkeiten wie die Atomgewichte. 16. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Müllenhoff las über die Nachrichten des Ti- maeus und Posidonius über das westliche Europa. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Philosophical Transactions of the Royal Society. Vol. 154. London 1864. 4. Proceedings of the Royal Society. no. 65—69. London 1864. 8, Journal of the Royal Asiatic Society. Vol. I, 1. London 1864. 8. Comptes rendus de l’academie des inscriptions. Annee 8. Livr. 7—10. Paris 1864. 8. Bulletin de lacademie de Belgique. Tome 18, no. 12. Bruxelles 1364. 8, Schriften der physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königsberg. 5. Jahrgang. Königsberg 1864. A. [1865.] 9 118 'Gesammitsitzung Neues Lausitzisches Magazin. Band 41. Görlitz 1864. 8. Abstracts and FHesults of Magnetical and Meteorological Observations made at the Observatory, Toronto. "Toronto 1863—64. 4. C. A. H. Bachoven von Echt, Die Kürzeste auf dem Erdsphäroid. Coesfeld 1865. 8. 23. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Parthey las über zwei griechische Papyrus des Berliner Museums. Hr. Magnus trug folgendes über die Wärmespectra leuchtender und nichtleuchtender Flammen vor. Die grolse Leuchtkraft, welche eine nichtleuchtende Flamme dadurch erhält, dals etwas Natron oder irgend ein anderes Salz in dieselbe gebracht wird, liels vermuthen dals in demselben Maalse wie die Intensität‘ des Lichtes zunimmt, auch die der Wärme sich steigere. Zwar ist bei einer früheren Gelegen- heit!) schon erwähnt worden, dals die durch Natron leuch- tende Flamme nicht mehr Wärme ausstrahlit als wenn sie nicht leuchtend ist; allein dies konnte darin seinen Grund haben, dafs die nicht leuchtenden Wärmestrahlen in dem Maalse an Intensität abnehmen als die leuchtenden zunehmen. Ob dies der Fall, ob die Wärme gleichmälsig mit dem Lichte zunimmt, darüber kann die Untersuchung der Wärmespectra derselben Flamme im leuchtenden und im nicht leuchtenden Zustande Auf- schluls gewähren. Die Flamme des Bunsenschen Brenners strahlt überhaupt nicht viel Wärme aus und da von dieser nur ein geringer An- theil in den farbigen Theil des Spectrums fält, so war die Er- wärmung in diesem so schwach dals sie nur noch im Roth beobachtet werden konnte. Dies hindert aber nicht einen Ver- gleich zwischen der Natronflamme und der nicht leuchtenden ‘) Monatsbericht 1864. 594. vom 23. Februar 1865. 119 Flamme vorzunehmen, denn wenn die Ausstrahlung der Wärme proportional der des Lichts, oder auch nur annähernd in dem- selben Maalse zunähme, so würde bei der Natronflamme ın dem Gelb die Erwärmung sich so steigern dals sie bemerkbar sein mülste. Dies ist indefs, wie ıch gefunden habe, nicht der Fal. Um aulserdem zu erfahren wie sich die übrigen, namentlich die dunkeln Strahlen beider Flammen, verhalten, habe ich ihre Spectra mit einander verglichen, und sie in ihrer ganzen Aus- dehnung gleich gefunden. Wenn Unterschiede vorhanden, so liegen sie innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler. Es versteht sich von selbst dals die nöthigen Vorsichts- maalsregeln bei diesem Vergleich genommen werden müssen, damit nicht Strahlen von dem festen oder flüssigen Natron oder von dem Platindrath, auf welchem sich dasselbe befindet, zur Säule gelangen. Ebenso muls dafür gesorgt werden, dals die- selbe Grölse der strahlenden Fläche leuchtend und nicht leuch- tend verglichen wird. Denn die Flamme ändert durch Einfüh- ren von Natron ihre Gröfse und Gestalt. Werden daher die ganzen Flammen mit einander verglichen, indem man sie in den conischen Reflector der Thermosäule strahlen läfst, so ist die ausstrahlende Fläche der leuchtenden gröfser als die der nicht leuchtenden, und ohne dafs mehr Wärme vorhanden ist, gelangen mehr Strahlen in den Conus. Ebenso verhält es sich bei dem Vergleich der leeuchtenden mit der nicht leuchtenden Flamme des Bunsenschen Brenners. Dadurch dafs bei der letzteren die atmosphärische Luft dem Gase schon beigemischt ist, wenn dasselbe aus der Öffnung des Brenners hervorkommt, ist die Flamme kleiner als wenn die unteren Öffnungen des Brenners geschlossen werden und die Luft nur von aufsen zur Flamme tritt, so dafs die im Inneren ausgeschiedene Kohle erst am Rande verbrennt. Vergleicht man aber die Wärmespectra desselben Stücks der Flamme im leuchtenden und im nicht leuchtenden Zustande unter den erwähn- ten Vorsichtsmaafsregeln, so zeigen sich beide ganz gleich. Der gröfste Theil der Wärmestrahlen, welche von den Flammen ausgehen, liegt jenseit des Roth. Dals in diesem dun- keln Theile des Spectrums die Intensitäten für beide Flammen gleich sind, erscheint weniger auffallend. Aber man erstaunt ge 120 Gesammtsitzung vom 23. Februar 1865. über den grolsen Unterschied der Helligkeit und der dabei un- veränderten Erwärmung. Dies Resultat überrascht um so mehr, da bekanntlich die festen Theile des Natrons und der Kohle, welche der Flamme das Licht verleihen, mehr Wärme ausstrahlen als die gasförmi- gen, und es erscheint daher fast als eine nothwendige Folge dafs die leuchtende Flamme mehr Wärme ausstrahlt als die nicht leuchtende. Berücksichtigt man indefs die unbedeutende Menge der festen Theilchen, von denen die geringste Spur schon ge- nügt um der Flamme den höchsten Glanz zu verleihen, so wie dafs die Wärme dieser stets sich erneuenden Theilchen von der Flamme selbst hergegeben werden muls, so befremdet es nicht mehr dals ein Unterschied in der Wärmestrahlung beider nicht zu beobachten ist. Um so merkwürdiger bleibt es dals durch diese geringe Menge fester Theilchen eine so aufserordentliche Steigerung des Lichts entsteht. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Julius Haast, /eport on the formation of the Canterbury Plains. Christ- church 1864. 4. Report of the Geological Survey of the province of Can- terbury. ib. 1864. 4. Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. Tome 37, no. 4. Mos- cou 1864. 8. Bulletin de la societe geologique de France. Paris, Oct. 1864. 8. Würzburger Medizinische Zeitschrift. 5. Band, Heft 4—6. Würzburg 1864. 8. Würzburger Naturwissenschaftliche Zeitschrift. 5. Band, Heft 3.4. ib. 1864. 8. Perrot, Guillaume et Delbet, Zxrploration scientifigue de la Gala- tie et de la Bithynie. Livr. 9. 10. Paris 1865. folio. Luigi Prota, Zl matrimonio civile e il celibato del clero cattolico. Na- poli 1864. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. Neapel 23. Jan. 1865. Schubring, Akrä-Palazzolo. (Leipzig 1865.) 8. — Umwanderung des megarisehen Meerbusens in Sicilien, (Berlin 1865.) 8. Sitzung der philos.-hist. Klasse vorn 27. Febr. 1865. 121 27.Februar. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Kiepert las über eine arabische Erdtafel aus den Werken der Ihwän es-safü. Hr. Kirchhoff las über eine attische Inschrift aus Constantinopel. Es ist eine bekannte Thatsache, dafs in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. eine Anzahl attischer Inschriftensteine ihren Weg von Athen in das französische Gesandtschaftshotel zu Constan- tinopel gefunden haben und ein Theil von ihnen durch die Vermittelung des damaligen französischen Gesandten, des Mar- quis de Nointel, nach Paris gelangt ist, während ein anderer zurückgeblieben und verschollen scheint'). Zu derselben Zeit und auf demselben Wege dürfte es geschehen sein, dals das unten näher zu besprechende Fragment nach Constantinopel ge- langte, wo es bis vor Kurzem im Pflaster des Hofes der preu- fsischen Gesandtschaft steckte, bis es durch den Dragoman Hrn. Dr. Busch aus seinem Versteck gezogen und dadurch vor völ- liger Zerstörung gerettet wurde, nachdem die Oberfläche be- reits so weit abgetreten war, dafs die Lesung erhebliche Schwie- rigkeiten bereitete. Hr. Busch hat die Güte gehabt, mir durch Hrn. Petermann eine sorgfältige Abschrift der jetzt in seinem Besitze befindlichen Inschrift zukommen zu lassen, und einen Papierabklatsch beigefügt, der leider auf dem Transporte gelit- ten zu haben scheint und, da das Papier etwas zu stark ge- wählt worden ist, nur sehr schwache Eindrücke der ohnedies undeutlichen Züge aufweist. Die Schrift ist ziemlich regelmäfsig, *) Sonderbarerweise hat Hr. Dethier in dem ersten Hefte der von ihm undHrn.Mordtmann herausgegebenen EpigraphikvonByzantion und Constantinopolis Wien. 1864 diese in Constantinopel gar nicht mehr vor- handenen Inschriften unter n. XVI. XXI. XX VI. XXXV. wiederholt, aber gerade die wichtigsten und berühmtesten derselben, C. I. G. 165 und 169, übergangen, welche doch ohne Zweifel denselben Weg genommen haben. 122 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse wenn auch nicht genau sroryndov geordnet, Schnörkel und Ver- zierungen finden sich noch nicht; dagegen sind die O,O und durchweg etwas kleiner als die übrigen Buchstaben und stehen über der Linie, die Schenkel des Sigma stehen fast ausnahms- los parallel, der rechte Schenkel des [? ist fast immer bis zur Basis herabgezogen und das N erscheint constant in der Form N, wonach die Inschrift nicht gut anders als in das dritte bis erste Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gehören kann. Ich gebe zunächst Hrn. Busch’s Abschrift nebst den Bemer- kungen, mit welchen er dieselbe begleitet hat. i (Siehe die Beilage.) “Mit rein ausgeschriebenen Buchstaben habe ich das wiedergegeben, was mir ganz lesbar erschien, mit punc- tirten die verwischten Stellen, wo ich dem punctirten Ähnliches zu erkennen glaubte. Die mit Rothstift ') geschriebenen Lettern habe ich dem Sinn nach dort ergänzt, wo gar nichts mehr zu erkennen war, mit 90034 diejenigen Stellen bezeichnet, die vollkommen unleserlich erschienen, und dabei durch die Zahl der Puncte ungefähr anzugeben versucht, wie viel Buch- staben diese Stellen fassen könnten. Die Zeilen 1—4 incl. werden durch den Bruch des Steines begränzt, 5—11 incl. nehmen die ganze Breite des Steines ein, Z. 12 schlielst mit [EPNI, hinter wel- chem Worte der Stein bis zur Kante glatt ist. Z. 13 füllt die ganze Breite des Steins aus. In Z. 14 neh- men die Sylben KPATOY einen unverhältnilsmälsig grolsen Raum ein, die Buchstaben sind grölser als sonst in der Inschrift. Z. 15 befindet sich zwischen dem &£ von K!o%X und dem folgenden oEo ein glat- ter leerer Raum von dem Umfang eines Buchstabens. Die Zeile schliefst mit AAMMTPEYXZ ab, da hin- ter dem X ein glatter leerer Raum, ungefähr von dem Umfang dreier Buchstaben, sich befindet. Z. 16 ist EYoYMAXoZ mit unverhältnifsmäfsig breiten Buch- 1) Auf dem Abdrucke durch Minuskelschrift gekennzeichnet. 30 Zu Seite 122, Ei . [HZEIZ ET, AIAEAYT: al TEZEINT2NIEP2NKA6AME9 .ET....MoIHZ2ZINoIMPAKTo9ssTael ee. 5 HTITETPAMMENa :NHT2aNEN T2eINoyuw: FETPAMMENDNoe EIAET2EKAZTOZAYT2NHAPAXMAZ TolZeEolZToIXZMETAA0OIZKAIMHEINAIAYTOIZTAZEYOoYvas AUoYNAIMTPINANEKTEIZ2ZINNPOZANATPABET2ZANGEL NAIOIMETATAYTAFTINoMENoIMPAKToPEZKANTIMPoZTE vH TAIAPTYPIOoNT2IIEP2SIHAAAOTIMPOZKATAZKEYAZEG roNAETAMIANMEPIZAITCTENOMENoNANAAS2MAEIZ THNZTHAH NKAIAoOFIZAZEAIT2SIIEPEI KAITAAEE=ZHTAZANYMAPXoNTAT2IIEP2IEFTIKTHZI »„PATOYAPXoNTSsoIMPAKToPEZANAPOKAH ZKAEOBHMoY .KioX oE...ıloOZANTIOANOoYAAMNMTPEYZ FYEYM AXox EYe..ETOY AAMMTTPEYZ MARETPAXPYERAON kKHAAT-FE KAI APTYPIoYT2eIIlEPsIT2 doPMIZKOoZOoAKHSPSAFFHINI TKZEoEYMTMT HHHAAA . AZ KAIMIKPAIAEKAAYo IIIIICKAPTYP2N MEAIMNoIMT AAA KEITOYEAYeONKH ANFFFFRIN KAIT=2NTZMIPPIEI2N ... oAXHNHAÄMFFFIIN xXXMHNII N Milde” ...nAPEZAPTYPAoAKHHHHTFLFF KAIT2NTAAYKANE:SN AAN GO TIEe AKHFAAAAFH XXHHr SAKH AAAII KAIT2NAT .XH 1 ÄloNoAKH HHAAAARHIINN HIIFEN AT == TAPEZE ANAPYA K/ „BIANAIAYoANAF AG : .BIAAAIAYoANAPAFF s 0 :ÖIAAAITETTAPEZANAI ..&H#01IAAHMIAoAKHFT o HOIANHoAKHZ „H®IAAHoAKHT vom 23. Februar 1865. 4123 staben geschrieben, ebenso EYeETOY- Die Zeile schliefst mitt AAMMITPEYZ ab, hinter dem ein glat- ter Raum von dem ungefähren Umfang von 6 Buch- staben. Von Z.17- 27 sind die Zeilen in der Mitte durch einen leeren glatten Raum in zwei Spalten getheilt; derselbe erstreckte sich wahrscheinlich noch bis Z.32, ist aber von Z. 27 an wegen des Bruches der Platte nicht mehr zu erkennen. Die ZZ.17, 18, 19, 20 schei- nen mit den in der Copie wiedergegebenen Buchsta- ben zu schlielsen; Z.23 hat nach dem Zeichen F einen glatten leeren Raum.’ Was erhalten ist, zerfällt in drei auch äufserlich deutlich ‚gesonderte Theile, Z. 1—12, Z.13—16, Z.17—32. Der erste Abschnitt enthält den letzten Theil vermuthlich eines Volksbe- schlusses, dessen Anfang mit dem oberen Theile des Steines verloren gegangen ist. Ich lese und ergänze ihn folgender- malsen: emo avsive Ore e ahlkar alasre jkee ’ m r m ’ zırsıv TWD LeoWv, zaSame|o- EN a nen $ [Eav 8]: -[: ar] Royawew ol mocizro| ges] za[v Ev rwoe] m I , ES m E) n 2 [8 Ynpione]rı yeyoajevuv 7 Fav Ev rw volrw] ’ e) ) 7 I wm L YEypauevwv, o[lPJeAsrw ezasros aurwv H Ögayuas Fois Seoig Tois Meyarcıs zur 17 give aurois Tas eu[S]ufves] Soüvaı, row av Erreiswew. 8 moosavaypaperwoav Öle x s 7 s ” ” uU , x m [#]&: & per& FaUre yıwonsvor moa@zroges Euv Tı Moor yE- e) / mc > N 9% = [v Jre: agyugıov TW tepw n aAAo FL mooszaraozevac|I%]. \ & [r]ov de Tapıav gie TO Ysvolevov AvaAmja ziS \ In \ 7 S mc 69 Fyv oTyAYV A Aoyıoaa: [473 Tw IEOW. Z.5 ist von dem ersten H, Z.8 von dem letzten oO und auf der folgenden Zeile von dem N zu Anfang auf dem Ab- klatsch keine Spur zu finden. Z.9 läfst die Rückseite des Ab- klatsches EAN, nicht KAN, deutlich hervortreten. — Der erste der erhaltenen Paragraphen verordnet, dals, falls die Praktoren den in dem vorliegenden Beschlusse und dem Gesetze (unge- 124 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse wils, welchem) für sie gegebenen Anweisungen nicht nachkommen sollten, sie ein jeder in eine Bulse von 100 Drachmen verfällt werden und dann zur Rechnungslegung nicht eher zugelassen wer- den sollen, als bis sie diese Bulse erlegt haben. Der Betrag der letzteren aber soll an ‘die grolsen Götter’ fallen, unter denen wohl die Dioskuren zu verstehen sind, die als solche im Demos Kephale verehrt wurden (Pausanias 1,.31, 1: Kzbarycı d2 0i Aroozovgar vomdovraı MaALSTa MEyadoug yag obäs oi raum Seoüs övonagovsw). Der folgende Paragraph weist die Prakto- ren der folgenden Jahre an, regelmälsig den Zugang, welchen der Schatz “des Tempels’ theils an baarem Gelde, theils an hei- ligen Geräthen etwa erhalten werde, “dem Verzeichnisse («va- year) hinzuzufügen‘. Hieraus folgt mit Nothwendigkeit, dafs zu jenen Obliegenheiten der Praktoren vom Jahre der Urkunde, deren Nichterfüllung mit 100 Drachmen gebülst werden soll, neben Anderem auch die Anfertigung und Veröffentlichung eines Inventars des Tempelschatzes gehört hat, und eine solche im verloren gegangenen Theile der Urkunde angeordnet gewesen sein muls. Unter ‘dem Tempel’ den der “grolsen Götter’ zu verstehen ıst durch den Umstand nahe gelegt, dafs nach dem Obigen die Bufsgelder gerade an diese fallen sollen. Der Schlufsparagraph endlich weist die Kosten an für die Herrich- tung der Stele, auf der jene dvaygady, veröffentlicht werden sollte (daher r4v oryAyv): der “Schatzmeister” (vermuthlich der des Volkes oder Rathes) soll sie, wie es scheint, vorschielsen und später dem Teıinpelschatze in Rechnung stellen. Es folgt hierauf als zweiter Theil eine Überschrift, welche sich ohne Schwierigkeit lesen lälst: zo rade EEyracav Umagy,ora Tu teoW im Kryo:- [zJe&rov aey,ovro[s] or mecizroges "AvögoxAns Kisobyuou [90g:]:05; [9]:[e .. Jos ’Avrıbavou Aayumrgeis, [EIS[SIoraxos EiSerov Aaumroeus‘ und durch welche das Folgende als das laut Verfügung durch die Praktoren vom Jahre der Urkunde angefertigte Inventar cha- racterisirtt wird. Der Archon dieses Jahres hiels Ktesikrates, ein Name, der in der uns erhaltenen zusammenhängenden Ar- vom 27. Februar 1865. 125 chontenreihe fehli und sich auch auf Inschriften, so viel ich mich entsinnen kann, bisher noch nicht gefunden hat. Auch hiernach gehört also die vorliegende Urkunde der Zeit nach 294 v. Chr. an. Die Zahl der Praktoren, welche bisher unbe- kannt war, stellt sich auf drei, da nur drei Namen genannt sind und es unwahrscheinlich ist, dals sie sich nicht alle genannt ha- ben oder nur ein Theil von ihnen mit der Inventarisirung be- auftragt worden sein sollte. Der Feststellung des Inventars ging eine förmliche Revision des Bestandes voraus: daher 2&4- recav. Anstölsig bleibt das zer ZU Anfang; doch sind die Spu- ren davon auch auf dem Abklatsch gar nicht zu verkennen. Es folgt in zwei Spalten geordnet das Inventar selbst. Die linke, zugleich die verständlichste, enthält ein Verzeichnifs der dem Tempel gehörigen werthvollen Geräthe und Schmucksachen ‘(der isg& Xensare), welches im Allgemeinen so geordnet scheint, dafs für jeden Posten in der Regel nur eine Zeile ausgewor- fen war. Natürlich fehlt nirgend die Angabe des Gewichtes, der Stoff, aus dem die verzeichneten Geräthe gefertigt waren, findet sich dagegen nur zweimal, Z.17 (xgvr&) und Z. 22 (ag- yvod), ausdrücklich angegeben, welshalb ich vermuthen möchte, dafs diese Angaben als Rubriken dienen sollen, und folglich alle von Z. 17—21 verzeichneten Gegenstände als aus Gold, alle nach Z. 22 folgenden als aus Silber bestehend zu denken sind, Die einzelnen Posten sind folgende: 1) 2. 17. [rTAasro« Kevoa. SAzy' AAÄFHFF ‘ein Paar gol- dene Ohrgehänge im Gewicht von 27 Dr.’ 2) 2. 18. [p]oauiozos. Ay [HIP[AJARFLFIINN. “Ein (vermuthlich aus Golddrath) geflochtenes Körbchen im Gewicht von (wahrscheinlich) 173 Dr. 5 Ob.’, wofern wirklich zu Anfang ein Buchstabe fehlen sollte. Viel- leicht aber ist dies eine Täuschung und öguiczos “ein Halsband’ zu lesen. 3) 2.19—20. ...: dlazeı Mızgort dezadvo, [r.]e:Zous Svo. Ay ATFFFF{NN "Zwölf kleine ..., zwei grölsere, zusammen im Gewicht von 19 Dr. 3 Ob!’ Was dies für Gegenstände gewesen sein mögen, deren jeder durchschnittlich etwas über eine Drachme wog, ver- [1865.] 10 126 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse mag ich nicht zu sagen. Vielleicht [Aszı]dirzeı ‘(Gold)- schüppchen'. A). 242 ee: PN [PJATFFHIN. “Ein (unbekannter Gegenstand von Gold) im Gewicht von 68 Dr. 3 Ob. 5) Z. 22. .... aus ayvoad. 7° HHHTMFHFFF ‘Ein (un- bekannter Gegenstand) von Silber im Gewicht von 309 Dr. 6) Z. 23. PR][lCav]ors. Ar PAAAAF. ‘Ein Räu- cherfals (von Silber) im Gewicht von 91 Dr. 7) Zu2Alnah yars! =” AAAIll. “Ein (unbekannter Gegenstand von Silber) im Gewicht von 30 Dr. 3 Ob. 8) Z. 23. [#«0 gr [er ]:ov. %z%” HHAAAAFHIN. “Ein (silbernes) Trinkgeschirr im Gewicht von 242 Dr. 4 Ob! 9—15) Z. 26—32. Eine Anzahl von (silbernen) Schaalen in verschiedenen Gruppen von 1, 2 und 4 Stück. Die von gleichem Gewichte sind jedesmal zusammengestellt und dieses, nicht das Gesammtgewicht, wird daneben mit der Formel av& .. (ögaxyuas) “jede zu so und so viel Drachmen’ bemerkt. So lesen wir Z. 26. [$:«r]«: TETTaEgES ave.. A, 2. 27. [orraı] Bıaraı Svo eva [PA] h 2.28. [erra] piaaraı dvo dv PAHF, 2. 29. [er Ja: hıaraı TerTages dve P.a, Ze 30. [&r]an Bean wie. 2 PIM.., Z. 31. [err]n diean AH ..., Z. 32. [&rr]n bıanm. Az... Nach Z. 32 ist der Stein weggebrochen und es besteht delshalb kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Schlusse der linken und dem Anfang der rechten Spalte, Z. 17. In der That haben wir in den leider vielfach dunkelen Resten dieser zweiten Spalte nicht eine Fortsetzung des auf der linken begonnenen, aber nicht zu Ende geführten Inventares der vor- handenen Werthgegenstände, auch nicht ein Verzeichnils der im Tempelschatze aufbewahrten Baarschaften, sondern wahr- scheinlich eine Zusammenstellung der jährlichen Einkünfte des Tempels an baarem Gelde und Naturalien aus der Verpachtung oder Bewirtbschaftung der ihm gehörigen Grundstücke. Es sind ganz oder zum Theil sechs Posten dieser Zusammenstel- lung erhalten: 1) 2.17. 18, 2)2.19, 3)2.20. 21, 4) 2.22. vom 27. Februar 1865. 127 23, 5) 2.24. 25, 6)Z.26, sämmtlich mit »cı beginnend. So- wohl bierdurch als durch sonstige Eigenthümlichkeiten der gram- matischen Construction bekunden sie sich als in einem Zusam- menhange mit dem Vorhergehenden gedacht, der leider, da dieses Vorhergehende mit dem unteren 'Theile der linken Spalte verloren gegangen ist, nothwendig dunkel bleibt. Die erste Zeile des ersten Postens (17) liest sich leicht als #0 dgyugiov TS ieow rülı]; in der zweiten Zeile (18) läfst der Abklatsch an Stelle des in der Abschrift Dargestellten ganz . deutlich und unzweifelhaft Folgendes erkennen: "HXoEoY//// HHHAAA, für das M ist weder Raum, noch auch eine Spur davon zu erkennen. Somit lautet der ganze Posten: zu dgyv- grou s@ ieow rule] | #75 [I]. HHHAAA. Man denkt zu- nächst an das Heiligthum, von dem bisher allein die Rede ge- wesen ist, und bei ‘der Göttin’ zuerst an Athena; wie sich in- dessen dies mit demjenigen vereinigen lälst, was oben aus Z. 7 schien geschlossen werden zu müssen, leuchtet nicht ein. Einen zweiten Posten bildet Z. 19, welche nach Ausweis des Abklatsches gedrängter als die vorhergehenden geschrieben ist, offenbar weil der Steinhauer den Posten auf dieser einen Zeile zum Abschluls bringen wollte. Was die Abschrift hier bietet, kann nur als »«[! = |vowv nedımvo. AAA gelesen wer- den, und dies glaube ich auch auf dem Abklatsch zu erkennen. Nur das erste Zahlzeichen ist zweifelhaft. Die Abschrift führt auf P, Die vor dem Anfange der Zeile nach links hin ausge- rückt erscheinenden Zahlzeichen, welche die unbedeutende Summe von 54 Ob. repräsentiren, sind auf dem Abklatsch nicht mehr zu erkennen. Vermuthlich sind sie mit der Summe der vor- hergehenden Zeile zu verbinden. Auf die Deutung der noch folgenden Posten gestehe ich vorläufig verzichten zu müssen. Ich bemerke nur, dals das za: sv LMIPPIEI2N der Abschrift Z. 20 auf dem Abklatsch so deutlich hervortriti, dals ein Zweifel über die Lesart kaum bestehen kann, und dafs auch von dem za: zav TAAYKANEQNN Z. 22 der Abklatsch wenigstens KAIT2NTAA //// I TERN erkennen lälst. Z.21 zeigt der Abklatsch, dafs XXMHHHR MIC zu lesen ist, wie ähnlich Z.26 HHHN. —— ZH aD Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat März 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Haupt. 2. März. Gesammisitzung der Akademie. Hr. W. Peters las eine Abhandlung über die Säuge- thiergattung Ckiromys. Hr. Dove las über optische Täuschungen bei der Bewegung. Bekanntlich entsteht, wenn wir in gleichförmig schneller Bewegung begriffen sind, häufig in uns die Vorstellung, dafs wir ruhen, hingegen die gesehenen Gegenstände sich bewegen, und in gleicher Weise glauben wir oft, dafs wir die bewegten sind, die gesehenen Gegenstände die ruhenden, wenn in der That das Umgekehrte der Fall ist. Die erste Täuschung tritt ein, wenn wir aus dem Wagen der Eisenbahn die Gegend be- trachten, die zweite wenn von zwei nebeneinandcr haltenden Zügen der uns benachbarte sich in Bewegung setzt. Compli- cirter ist die Erscheinung wenn der aus den bewegten Wagen gesehene Gegenstand so entfernt ist, dals uns die bei der Be- wegung in Beziehung auf ihn sich verändernde eigne Stellung nicht zum Bewulstsein kommt. Hierher gehört das scheinbare Drehen der Landschaft, welche wir betrachten, und zwar in entgegengesetztem Sinne, je nachdem wir einen nahen oder fer- [1865.] 11 130 Gesammtsitzung vom 2. März 1865. nen derselben fixiren, in noch auffallender Weise das schein- bare Mitgehen des Mondes mit der Geschwindigkeit des Zuges. Endlich kann eine optische Erscheinung an verschiedenen Stel- len des durchlaufenen Weges sich so gleichartig wiederholen, dafs wir in der Wiederholung der Identität desselben wahrzu- nehmen glauben. Hierher gehört das Mitbewegen des Regen- bogens, endlich die sonderbare Täuschung, dafs das fixirte Dop- pelgleis mit uns sich über den zurückbleibenden Boden bewegt, indem wir bei der Gleichartigkeit seiner Oberfläche stets die- selbe Stelle desselben zu sehen glauben. Bei allen diesen Erscheinungen bilden wir selbst einen der beiden Körper, deren relative Bewegung von uns falsch beur- theilt wird. Diese Bedingung ist aber nicht nothwendig, ähn- liche Täuschungen treten auch ein in Beziehung auf zwei be- wegte Körper, welche wir betrachten. Auf einen durch Vertiefungen rauh gemachten Holzcylin- der von der Dicke eines Bleistifts wurden in gleichen Entfer- nungen von einander Ringe eines glänzend polirten Drathes befestigt, so dals durch die Zwischenräume der Ringe die Ober- fläche des Cylinders gesehen wird. Auf dem Draih erscheint durch den Reflex des Lampen- oder Tageslichtes eine gerad- linige Reihe hellerer Punkte parallel der Axe des Cylinders. Dreht man nun den Cylinder mit den darauf befestigten Rin- gen um seine Axe, so glaubt man, er drehe sich in den fest- stehenden Ringen, die deswegen ruhend erscheinen, weil die Stelle des Reflexes stehen zu bleiben scheint. Diefs letztere findet nicht mehr statt, wenn man, statt auf den Cylinder kreis- förmige Ringe zu befestigen, eine Spirale polirten Drathes auf ihn wickelt. Die Stelle des Reflexes scheint hier bei der Dre- hung eine gerade Linie parallel der Achse des Cylinders zu durchlaufen, eine Erscheinung, die bei dem Betrachten einer gut polirten Schraube bekanntlich hervortritt. Diese Bewegung des Lichtpunktes verhindert aber nicht das Bewustwerden der drehenden Bewegung des Cylinders, und es entsteht die son- derbare Täuschung, dals zwei mit gleicher Geschwindigkeit dieselben Wege durchlaufenden Körper sich in senkrechter Richtung auf einander fortzubewegen scheinen. Gesammtsitzung vom 9. März 1865. 131 An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Journal of the chemical Society. London, Oct. — Dez. 1864. 8. Palacky, Geschichte von Böhmen. 5. Band,.Abth. 1. Prag 1865. 8. Lenormant, Monographie de la voie sacree Eleusienne. Tome 1. Paris 1864. 8. 9.März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. du Bois-Reymond las über die Erscheinungs- weise des Muskel- und Nervenstromes bei Anwen- dung der neuen von ihm beschriebenen Vorrich- tungen und Versuchsweisen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Rendiconto delle tornate dell’ accademia di scienze morali e politiche. Na- poli, Gennajo 1865. 8. Annales des mines. Tome 5, Livr. 3. Paris 1864. 8. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. 4. Theil, Heft 1. Basel 1864. 8. 13. März. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Dove las über die Witterung des Jahres 1864 und des Winters von 1864 bis 1865. 16. März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kirchhoff las über die Rede vom trierarchi- schen Kranze unter den demosthenischen. i ll 132 | Gesammtsitzung Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über leben- dig gebärende Arten der Fischgattung Hemirkam- phus, und legte diesen Gegenstand erläuternde Präparate vor, welche Hr. Dr. Jagor von seinen Reisen mitgebracht und dem zoologischen Nuseum übergeben hat. Während die Haifische und Rochen der Mehrzahl nach, nur mit Ausnahme der eierlegenden Scylia und Rojae, leben- dige Junge gebären, sind die übrigen Fische in der Regel eier- legend. Ausnahmen von dieser Regel sind verhältnifsmäfsig selten; es gehören nach den bisherigen Beobachtungen hieher von den Cataphracti Sebastes viviparus Kröyer (nachKröyers Entdeckung), von den Blennü Zoarces viviparus L., von den Cyprinodontes die Gattungen Anablebs, Poecilia (et Mollienisia), so wie sämmtliche Emdiozocae. Hr. Dr. Jagor hat nun die interessante Beobachtung gemacht, dals gewisse Arten der Gat- tung Hemirhamphus ebenfalls lebendiggebärend sind, eine Gat- tung, welche der Familie der Scomberesoces angehört, an deren Eiern bereits Hr. Haeckel (J. Müller’s Archiv für Anato- mie und Physiologie. 1855. p. 23) eine merkwürdige Bildung eigenthümlicher Fasern zwischen Dotter und Dotterhaut ent- deckte. Die Arten, an denen Hr. Dr. Jagor diese Entwickelung entdeckte, sind 41. Hemirhamphus fluviatilis Blkr. (Dermogenys pusilla K. v. H. „Sept. 1858. Java, Insel Nusa Kumbangan, aus einer Kalkhöhle des Baches Manundjaja, Fische mit Em- bryonen.” 2. Hemirhamphus vioiparusn. sp.; pinna caudali con- vexa; pinna dorsali anali breviore, radio primo post radium prinum analem inserto; pinnis analibus post a longitudinis totalis insertis; capite dorsoque subplanis; longitudine capi- dis r longü. totalıs aequali; Jlavescens, nigroirroralus, rostri apice, lineis tribus a nucha ad pinnam dorsalem extensis, membrana inter radium primum et secundum analem, radii secundi et tertii dorsalis parte basali maculaque postopercu- lari nigris. Squamis lin. long. 45, transe. 12 vel 13. D. 10 vel 11; A. 14 vel 19. — Longitudo tota 0”,095. un vom 16. März 1865. 133 Diese Art ist in der ganzen Körperbildung der vorberge- henden sehr ähnlich, aber beträchtlich gröfser und man könnte beide vielleicht als eine besondere, durch die abgerundete und nicht zweilappige Schwanzflosse, so wie durch die kurze Rücken- flosse leicht erkennbare Untergattung von den übrigen Hemi- rhamphus unterscheiden, für welche dann der ven Kuhl und van Hasselt vorgeschlagene Name Dermatogenys (Dermo- genys) zu behalten wäre. Hr. Dr. Jagor fing diese letzte Art auf der Insel Samar in dem Baseyflusse, wie es in der hinzugefügten Notiz heist und wie es die vorliegenden Exemplare zeigen, „mit lebenden Jungen und entwickelten Eiern”. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Compte-rendu de la commission imperiale archeologique pour l'annee 1863. Avec un atlas. St. Petersbourg 1864. A. Numismatic Chronicle, no. 16. London 1864. 8. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XXIII, Part 3. Edinburgh 1864. 4. Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Vol. V, no. 62. ib. 1864. 8, Sitzungsberichte der Kgl. Bayrischen Akademie der Wissenschaften zu München. Jahrgang 186%. Band 2. München 1864. 8. Astronomische Nachrichten. Band 63. Altona 1865. 4. Franz Graf v. Marenzi, Zwölf Fragmente über Geologie. Triest 1864. 8. Das Alter der Erde. ib. 1865. 8. Der Karst. ib. 1865. 8. Mit Schreiben des Hrn. Ver- fassers, d. d. Triest 6. März 1865. Cavedoni, Osservazioni sopra alcuni particolari del sepolcro di Maria, Jigliuola di Stilicone. Modena 1865. 3. E. Curtius, Attische Studien. 1.2. Göttingen 1862—-1865. A. 134 Öffentliche Sitzung vom 23. März 1864. 93. März. Öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtstags Sr. Maj. des Königs. Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Hr. Trendelenburg, leitete die Festbetrachtungen mit einer Skizze der Ereignisse und Erfolge ein, welche das vergangene Lebensjahr Sr. Majestät des Königs denkwürdig machen; indem er hierauf an Kants das letzte Ziel der Weltgeschichte verfolgende Gedanken in der Schrift „zum ewigen Frieden” erinnerte, verweilte er bei der allgemeinen Bedeutung, welche die rechten Friedensschlüsse für den Fortschritt der Völker zu menschlicher Entwicklung und Befriedigung und für den Fortschritt des werdenden Völker- rechts, des gemeinsamen Gewissens der Nationen, haben, hob sodann die Hoffnungen hervor, welche sich nach diesem Maals an den Friedensschluls des vergangenen Jahres knüpfen dürfen und schlofs mit treuen und ehrfurchtsvollen Wünschen der Akademie für das anbrechende Lebensjahr Sr. Majestät des Königs. Nach einem kurzen Bericht, welchen den Statuten gemäls der Sekretar über die Thätigkeit der Akademie im verflossenen Jahre erstattete, las Hr. Pinder über das Material der Ehrendenkmäler im Alierthum. 27. März. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Weber las über die Kastenverhältnisse in den Brähmana und Sütra. Gesammtsitzung vom 30. März 1865. 435 30. März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Bufchmann las den Anfang von Zufätzen zur zweiten Abtheilung [einer [onorifchen Grammatik: behandelnd den Artikel, das ‘Subltantivum und Ad- jectivum. Durch Hrn. Dove ward der folgende Aufsatz des Hrn. Prof. Dr. Förster vorgelegt: Beobachtung des Sirius- Begleiters auf der Berliner Sternwarte. Nachdem am 31. Januar 1862 von dem amerikanischen Op- tiker Clark mit Anwendung eines neuen Objectivs von 18 Zoll Öffnung in der Nähe des Sirius ein lichtschwacher Begleiter aufgefunden war, wurde derselbe auch mit andern grofsen Fern- ‚röhren wahrgenommen. Das 14zöllige Objectiv des grolsen Refractors in Cambridge bei Boston, sowie das gleiche in Pul- kowa, ferner der grofse versilberte Spiegel Foucault’s in Paris und der grolse Metall-Spiegel von Lassel in Malta zeigten ihn deutlich genug, um eine Messung zu ermöglichen. In den Jahren 1863 und 1864 gelang es auch mit einigen Fernröhren von der Stärke des Berliner Refractors das schwie- rige Object zu sehen, z. B. Hrn. Dawes in England, und es wurden von mir selbst seit 1862 wiederholte Versuche mit un- serm Refractor angestellt, ohne jedoch Erfolg zu haben. Die günstigste Zeit dafür ist der Monat März; denn Sirius erreicht dann seinen höchsten Stand gegen das Ende der Abend- Dämmerung, wo bekanntlich die Atmosphäre in demjenigen Zustande ist, welcher die Liehibewegung am meisten begünstigt. Mitten in der Nacht ist das Bild des Sirius kein leuchten- der Punkt, sondern eine leuchtende Fläche, ‘deren lichte Aus- läufer sich bis in eine Entfernung von 10” bis 15” von dem Punkte der gröfsten Intensität aus erstrecken. Bei der gewal- tigen Liehtmenge, die Sirius einem grolsen Objectiv zusendet, erheben sich nämlich alle secundären Vereinigungs-Punkte von Strahlen, welche von der Natur des optischen Apparates unzer- trennlich sind und die Gesammtheit aller bei ihm möglichen Lösun- gen des Vereinigungs-Problems von Strahlengruppen darstellen, in 136 Gesammtsitzung Verbindung mit Beugungs-Erscheinungen zu einer solchen In- tensität neben dem Haupt-Vereinigungs-Punkt, dafs das Hinzu- kommen der Unruhe ihrer Bewegung durch die Wallungen der Luft lichte Erzitterungen in, weitem Kreise verbreitet und schwa- che Bilder von Neben-Sternen leicht völlig überglänzt. Die Gunst durchsichtiger Luft ist aber gerade an März- Abenden in Berlin selten, so dafs mir erst in diesem Jahre die Auffindung des schwierigen Objectes gelungen ist. Am 21.März sah ich den Begleiter zum ersten Male so deutlich, dafs ich ihn von den unzähligen Neben-Bildern des Sirius mit Gewilsheit trennen und eine rohe Messung erreichen konnte. Am 22. und 23. März aber war gegen Ende der Abend-Dämmerung die Luft von einer solchen Ruhe, dals ich zwei recht verlässliche und vollständige Messungen erlangte, deren Resultate und Folgerungen ich hier mitzutheilen die Ehre habe: Dabei wurden alle Vorsichts-Maafsregeln angewandt, die Oculare (von 320f. und 480f. Vergröfserung) um 180° gedreht, um einen Theil der Nebenbilder entgegengesetzte Lage zu ge- ben, ja sogar dem Objectiv wurde am 22. März durch Umle- gung des Fernrohrs entgegengesetzte lage bezüglich zu März 21 und 23 gegeben, um die Wirkungen der vom Objectiv- System herrührenden Neben-Bilder aus der Messung zu eliminiren. Es kann somit dem arithmetischen Mittel aus den Resul- taten des 22. und 23. März ein gewisses Vertrauen geschenkt werden, und die Güte des ganzen Apparates hat sich dabei voll- kommen bewährt. Ich fand für die Distanz des Begleiters vom Sirius und für den Winkel, welchen ihre Verbindungs-Linie mit der Richtung zum Himmelspol (gezählt in der bekannten Drehungs - Richtung) macht, folgende Werthe: Lage II des Objectivs. 4865 März 22. Distanz A—=10.73 Positions-Winkel 2P= 80.3 Lage I des Objectivs. 4865 März 23. Distanz A=10.83 Positions-Winkel P= 75.5 \ ) j | | vom 30. März 1865. 437 Als Mittel Resultate würde ich annehmen: A= 10.78 pP 77.9 mit den aus der innern Übereinstimmung der zahlreicheren ein- zelnen Messungen der Winkel und Distanzen abgeleiteten wahr- scheinlichen Unsicherheiten von 0”.14 für die Distanz und 0°.5 für die Richtung. Es ist danach ein Fehler der Distanz von 0”.8 und der Richtung von 3° schon von verschwindender Wahrscheinlich- keit, wenn keine constanten Fehler begangen wurden. Ich be-' merke noch, dass die rohe Messung vom 21. März die Distanz 10”.4, die Richtung 77° und eine Messung, die dem ersten Ge- hülfen der Sternwarte Dr. Tietjen am 23. März gelang, die Richtung 76°.0, also ungefähr übereinstimmend mit der obigen sichersten Annahme ergeben hatten. Das erlangte Messungs -Resultat erlaubt nun eine compe- tentere Untersuchung. der Frage, ob der im Jahre 1862 ent- deckte Begleiter, von dem mir also jetzt 3jährige Messungen zugänglich sind, in der That mit Sirius dasjenige binäre System bildet, auf welches die Untersuchungen der alleinigen Bewe- gung des Sirius durch Bessel, Peters, Safford und Au- wers ohne Kenntnils des Begleiters hingeführt hatten. Es liegt hier wieder ein anziehender Fall astronomischer Prophetie vor, dessen immer wahrscheinlichere Bestätigung als eine schöne Bewährung consequenter und stetiger Messungen und der anf dieselben applicirten Gesetze der Bewegung er- scheinen muls. Ich gebe zunächst eine Zusammenstellung der bisherigen Resultate, die seit 1862 für die relative Bewegung des Beglei- ters gegen den Sirius erlangt wurden, indem ich für die Details derselben auf Nr. 7 des XXIV Bandes der Monthly Notices of the Royal Astronomical Society verweise. Ich habe nur die der Zeit nach benachbarten Resultate der verschiedenen Beob- achter zu Mittel-Werthen vereinigt: 1862.2 A= 10.19 P=84.6 nach Beobb. von Bond, Rutherford, Chacornac und Lassel. 138 Gesammtsitzung 1863.2 A= 9.84 P=82.2 nach Beobb. von Struve und Rutherferd. 1864.2 A= 10.39 P=80.3 nach Beobb. von Marth, Lassel, Struve, Winnecke, Dawes. Die Theorie der früheren Bewegung des Sirius mit Zuzie- hung aller Beobachtungen seit 1750 giebt nun nach dem Vor- gange von Bessel und Peters folgende Resultate, deren neueste ausgezeichnete Ableitung wir Auwers in Gotha ver- danken: Distanz des Sirius vom Schwer- jRichtung, unter punkt eines binärerfSystems un- |welcher vom Si- ter der Annahme des Newton- rius ausgehend schen Gesetzes derSchwerpunkt, also auch der bis 1862 unbekannte Begleiter ge- sucht werden muls. ” . o 1862.2 A, =3.27 + 0.08 P,= 85.4 iyse 18632 „ 3.35 83 ? + 0.07 — 1.3 18642 „ 342, 0.07 »„ 81.6_,7 1865.21 31 Page 7 er dazu die folgende Zusammenstellung: Distanz des sichtbaren Beglei- | Positions-Win- ters vom Sirius. "|kel des sichtba- ren Begleiters. | 18622 A=1049) A—A,= 6.92 P=846_ 0, 18632 „ 98| „ 6.49 „urgalasi 18642 „ 10.39f 6.97 rg 18682 „ 1078 7.29 ride Aus der Vergleichung der zur selben Zeit gehörigen Rich- tungen in beiden Gruppen geht also nicht nur eine nahe Über- vom 30. März 1865. 139 einstimmung der theoretisch gefolgerten und der gemessenen Richtung zur Zeit der ersten Entdeckung des Begleiters, son“ dern auch eine nahe Übereinstimmung der Winkel-Bewegungen seit jener Zeit hervor. Was die Distanzen betrifft, so mülste unter der Voraus- setzung eines binären Systems zwischen Sirius und dem Beglei- ter, das Verhältnifs der scheinbaren Abstände beider vom Schwer- punkt constant bleiben, weil es dem Massen-Verhältnifs reciprok En so muls derselbe 0 nahezu constant erscheinen, wenn unsere Suppositionen sämmt- lich gerechtfertigt sind. Wir finden für dies Verhältnils der Masse des Sirius zu der des Begleiters: ! ! A— ist. Bilden wir also den Quotienten 1862.2 2.12 1863.2 1.94 ' 1864.2 9.04 g Mittel 2.05 1865.2 2.09 Mit diesem Mittelwerthe können wir leicht folgern, dafs sich in der von Bessel und Peters angenommenen Bewe- gungsform die Distanz des Begleiters vom Sirius von 1862.2 bis 1865.2 geändert haben mülste um +0”67, während meine Beobachtung dafür ergiebt + 059. Sehr deutlich erscheint endlich der physische Gonnex bei- der Sterne, wenn wir die relative Verrchiebung beider Örter aufsuchen, welche als eine Folge der Fortbewegung des Sirius erscheinen mülste, wenn die Bewegung des Begleiters ganz un- abhängig z. B. gleich Null, also die Nähe eine rein per- spectivische wäre. Eine genaue Rechnung darüber, welche mit einer ähnlichen von Safford nahe zusammentrifft, hat mir ge- zeigt, dals dann von 1862.2 bis 1865.2 folgende Veränderun- gen der Distanz und der Richtung eingetreten sein mülsten: dA=+ 2.65 dP= —174 welche mit den beobachteten: dA +0,59 4P— 67 ganz unyerträglich sind. 4140 Gesammtsitzung Im vorigen Jahre war die Unverträglichkeit dieser Hypo- these mit der Veränderung der Richtung noch nicht so ent- schieden, denn die beobachtete Bewegung —4°3 stand damals dem aus der letzten Hypothese folgenden Werthe — 11°6 noch merklich näher. . Indessen ist zu bemerken, dafs zwischen der Form der letzten Hypothese und der des engen binären Connexes noch eine Anzahl von Möglichkeiten liegen, gegen welche als Haupt- Argument nur die Übereinstimmung der gegenseitigen Lage bei- der Sterne mit der durch die frühere Bestimmung des Schwer- punktes gegebenen Bedingung der Richtung erscheint. Ich gebe diese Folgerungen aus den Messungen mit aller Reserve, welche die delicate Natur derselben verlangt, bin aber. der Hoffnung, dafs dieselben von den noch nicht publicirten amerikanischen Beobachtungen, welchen der Sirius in so viel grölserer Höhe zugänglich ist, Bestätigung erfahren werden. Hr. Peters legte eine Mittheilung des Dr. E. von Mar- tens vor über zweı neue ostasiatische Echiniden. Unter den auf der ostasiatischen Expedition gesammelten Echinodermen bieten die beiden folgenden ein besonderes Inter- esse dadurch, dals sie Gattungen angehören, welche aus der Vorzeit in zahlreichen Arten, aus der Gegenwart bis jeizt nur durch Eine abweichende oder auch gar keine — je nach der weiteren oder engeren Umgränzung des Gattungsbegriffs — be- kannt sind. 4. Scutella Japonican. sp. Motsingai (d.h. Kuchenmuschel)in der Japamessechen Encyclopä- die, Heft 47, Seite 20 verso. Abgerundet fünfeckig, oben schwach convex, unten flach. Ambulakralblätter unter sich gleich, am Ende beinahe, aber nicht völlig geschlossen, zwei Drittel der Entfernung vom Centrum zum Rande einnehmend; die Poren desselben Paares stehen in der Mitte der Blätter weiter von einander ab, als am centralen oder peripherischen Ende; die Verbindungsfurchen zwischen den Poren desselben Paares sind überall deutlich ausgeprägt. Vom vom 30. März 1865. 141 Ende jedes Ambulakralblattes aus gehen noch je zwei divergi- rende Reihen von je drei bis vier einzelnen weit unter sich abstehenden Poren gegen den Rand hin. Der Rand abgerun- det; die Afteröffnung liegt im Rande, ein klein wenig nach oben gerichtet. Die Furchen der Unterseite theilen sich schon im ersten Drittel der Entfernung vom Mund zum Rand in zwei Äste, welche um ungefähr 30 Grade von einander di- vergiren und deren jeder ganz nahe am Rande sich noch zwei- bis dreimal gabelt. Vier [Genitalporen, in gleicher Entfernung vom Centrum, wie der Beginn der Ambulakralblätter. Ober- seite dicht gekörnelt, Unterseite mit etwas grölseren Höcker- chen besetzt, deren jedes von einem vertieften Hof umgeben ist. Farbe obeu und unten dunkelviolett. Stacheln kurz, cy- lindrisch, seidenglänzend, die untern länger (bis 2 Mill.). Im Innern nahe dem Rand je 5—7 Verbindungsmauernzwischen der obern und untern Wand. Durchmesser 67, Höhe 8 Millimeter. Japan, in der Mississippi- Bucht innerhalb der Bai von Jedo, auf flachem Sandgrunde, 'nahe dem Ufer in mehreren Exemplaren gefunden. Die angeführte Figur der jJapanesischen Encyclopädie stellt sowohl die Ambulakralblätier als die Bauchfurchen kenntlich dar und läfst daher keine Zweifel über ihre Deutung übrig, obwohl ein wichtiger Charakter, die Lage der Afteröffnung, nicht aus- gedrückt ist. Vorliegende Art bildet ein Mittelglied zwischen den Gat- tungen Scutella, Scaphechinus und Echinarachnius; sie könnte mit demselben Rechte wie die zwei letzteren als eigene Gat- tung betrachtet werden, aber eben die Combination der Cha- raktere räth mehr dazu, die Anzahl der Gattungen zu vermin- dern als zu vermehren. Scutella Japonica stimmt nämlich in der Lage der Afteröffnung mit Echinarachnius (und Scaphe- chinus) gegen Scutella, in der Verzweigung der Bauchfurchen mit Seutella und Scaphechinus gegen Echinarachnius, und end. lich darin, dals die Ambulakralblätter mit den Interambulakral- räumen in derselben Ebene liegen, mit Scutella und Echina- rachnius gegen Scaphechinus, doch zeigt sich eine seichte Ein- senkung in der Mittellinie der Interambulakralräume, als leichte 142 Gesammtsitzung Andeutung des Niveau-Unterschieds bei Arachnoides, welchem Scaphechinus in dieser Beziehung gleicht. Da Inun die After- öffnung bei manchen Scutellen, wenn auch noch auf der Unter- seite, doch ganz nahe dem Rande liegt, z. B. bei der miocänen Sc. subrotunda Lam., und Agassiz noch 1847 im Catalogue raisonne des Echinides bei der Charakterisirung dieser Gattung „Anus marginal ou inframarginal” angiebt, so dürfte es nicht gerechtfertigt sein, nur delshalb weil der After ganz in den Rand hineingerückt ist, eine eigene Gattung aufzustellen; be- merkenswerth bleibt es aber immerhin, dals unsere Scutella gerade in der Lage des Afters mit den ebenfalls der gegen- wärtigen Epoche und der gemälsigten Zone angehörigen Echi- narachnius und Scaphechinus gegen alle bis jetzt bekannte ter- tiäre Scutellen übereinstimmt. Während demnach Echinarach- nius trotz seiner einfachen Bauchfurchen durch Scaphechinus und Scutella Japonica enge an die Scutellen überhaupt ange- schlossen wird, bleibt die gegenwärtig tropische Gattung Arach- noides Ag., deren einzige Art, 4. placenta L. sp., ich unter Anderm auf Timor gesammelt habe, davon weiter entfernt nicht nur durch schärfern Rand, Lage des Afters über demselben und Erhebung der Ambulakralzone über die Interambulakralräume, sondern auch, worauf mich Prof. Beyrich aufmerksam machte, durch das auffallende Zurücktreten der Interambulakralplatten auf der Unterseite, indem solche daselbst, abgesehen von dem in- nersten, dem Munde nächsten Kreise, nur am Rande und in geringer, ungleichmälsiger Grölse sich finden. Die kurze Be- schreibung des nord-japanischen Scaphechinus mirabilis Al. Agas- siz, in den Proceedings of the academy of natural sciences of Philadelphia, Decemb. 1863. pag. 359, enthält nichts unserer Art Widersprechendes, ausgenommen die Gleichstellung mit Arachnoides hinsichtlich des Niveau-Unterschiedes zwischen Am- bulakral- und Interambulakralraum; ich bin daher geneigt, diese Art als nächstverwandte der meinigen und Scaphechinus (wie auch Echinarachnius) als Untergattung von Scuzella zu betrach- ten, deren Charaktere, bei der bis dahin einzig gekannten Art schroffer hervortretend, durch Scuzella Japonica in die der Gat- tung Scutella überhaupt übergehen. vom 30. März 1865. 143 2. Nucleolites epigonus n. Sp. Schale flach eiförmig, mit gleichmäfsigen (stacheltragenden) Höckerchen bedeckt, deren jedes von einem vertieften Hof um- geben ist. Unterseite schwach concav, Mundöffnung nahe deren Mitte (in £ der Länge), längs-oval, ihr Rand nach innen auf- gerichtet, glatt; von einem Ambulakralstern um dieselbe keine andere Spur, als dafs sich die Richtung, in welcher die Ambu- lakralzonen verlaufen, in der Anordnung der Höckerchen und in kaum erkennbaren Depressionen der Schalenfläche finden läfst. Afteröffnung länglich-oval, in der angeschwollenen Hinterseite des Seeigels, fast vertikal, nur sehr wenig nach oben geneigt, über dem Rande, doch nicht auf die Rückenfläche sich er- streckend; nach unten von ihm eine kurze breite rinnenartige Aushöhlung bis zum unteren Rande. Ambulakralblätter gleich- mäfsig schmal, nicht geschlossen, reichen bis zur Hälfte der Entfernung zwischen Wirbel und Peripherie, die zwei hintern ein wenig länger, und bei diesen ist auch deutlicher als bei den andern zu erkennen, dals sie sich als je zwei weilsliche Strei- fen, doch ohne Poren, bis zur Peripherie und über diese hin- aus gegen den Mund fortsetzen. Die Poren desselben Paares durch sehr seichte, nur an einzelnen Stellen deutlich ins Auge fallende Furchen verbunden. Ambulakralblätter in demselben Niveau mit den Interambulakralräumen; der unpaare hintere der letzteren zeigt in seiner Mittellinie eine sehr schwache dach- firstartige Kante, vom Wirbel bis zum obern Rand der After- öffnung. Länge 17 Millimeter, Breite 13 %, Höhe 8, Längsdurch- messer der „Mündung 2 Mill. Insel Adenare am östlichen Ende von Flores (zwischen Java und Timor). Ein Exemplar ausgeworfen am Strande ge funden. Die einzige früher bekannte Art dieser Gattung, N. recens Milne Edwards aus Neuholland, unterscheidet sich wesent- lich durch eine tiefe Furche im hintern Interambulakralraum, worin die Afteröffnung liegt, neben ihrer breiteren Gestalt, von der unsrigen, bei welcher die kurze Rinne unter dem After die einzige Andeutung jener Furche ist. Dagegen kennt man zahl- reiche Arten aus Jura-, Kreide- und Tertiär-Epoche, mit und 144 Gesammtsitzung ohne Verbindungsfurchen zwischen den Ambulakralporen; die meisten mit mehr nach oben gerückter Analöffnung, doch stimmt hierin z. B. der bekannte N. Neocomensis Ag. nach den Exem- plarcn der hiesigen paläontologischen Sammlung mit unserer Art überein. Der Ausdruck: „Analöffnung oben”, oder ‚auf derRücken- seite”, wie es in den meisten Büchern bei Charakteristik dieser Gattung heilst, ist daher genauer so auszudrücken: Analöffnung über der Peripherie. Desor in seiner neuesten Bearbeitung der Echiniden, Synopsis des Echinides fossiles 1858, spaltet die Gattung Nucleolites in zwei, je nachdem die Ambulakralporen Eines Paares durch Furchen verbunden sind (Nuscleolites) oder nicht (Echinobrissus). Die seichten, schwer erkennbaren Fur- chen der vorliegenden Art rechtfertigen eine solche Trennung nicht. Bei dieser Gelegenheit möge die Bemerkung noch Platz finden, dafs ein jüngeres Exemplar des in den Monatsberichten vom Januar S. 56 beschriebenen Oreaszer (nicht Oreasteter) ar- matus Gray sp. von Möbius in den Abhandlungen der na- turwissenschaftlichen Gesellschaft zu Hamburg, Band IV, als Goniodiscus conifer beschrieben und abgebildet ist. Die Ab- weichung in der Bestimmung der Gattung erklärt sich daraus, dals, wie schon Lütken angegeben hat und ich an den indi- schen Arten, von denen ich Altersreihen vor mir habe, bestä- tigt finde, bei jüngeren Exemplaren von Oreaster sowohl die untern als die obern Randplatten zur Bildung des Randes bei- tragen, ein Charakter, welcher bei Goniodiscus und bei Astro- gonium permanent ist, bei Oreaszer aber mit dem Wachsthum sich ändert. Hr. Magnus theilte das Ergebnils einer Untersuchung mit, die in seinem Laboratorium von Hrn. Feulsner über die: Absorption des Lichtes bei veränderter Tempera- tur angestellt worden ist. Die spectrale Untersuchung des durch absorbirende Mittel! hindurchgegangenen Lichtes beginnt, seit Stockes ihren prak-; tischen Nutzen hervorgehoben hat, von immer grölserer Wich- tigkeit zu werden. Nach zwei Richtungen ist es von Interesse vom 30. März 1865. 445 die Absorption zunächst zu untersuchen, in Bezug auf die Ver- änderungen welche bei Mischungen zweier absorbirender Kör- per eintreten, vorausgesetzt dals keine chemische Verbindung sich bildet, und in Bezug auf die Anderung welche die Tem- peratur bedingt. Hr. Prof. Melde in Marburg hat die Veränderungen wel- che in der Lage der Absorptionsstreifen beim Vermischen einer Carminlösung mit anderen farbigen Lösungen eintreten, beschrie- ‚ben') und dadurch zuerst die Aufmerksamkeit auf die hierher gehörigen Erscheinungen gelenkt. Daran schlielst sich die fol- gende Beobachtung am Indigo, welche der Verfasser zu jener Zeit bereits gemacht hatte. Die Indigsolution zeigt bekanntlich ein Spectrum, in wel- chem auf eine verhältnilsmälsig schmale rothe Bande ein, je nach der Concentration der Lösung mehr oder weniger breiter Ab- sorptionsstreifen folgt, dann kommt wieder eine helle Bande, welche das Maximum ihrer Intensität im Blau hat, und endlich ist das violette Ende des Spectrums wieder absorbirt. Mischt man nun dieser Indigsolution eine geringe Menge einer Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd bei, so verschwindet sofort die rothe Linie und nach einiger Zeit beginnt die zweite helle Bande sich nach der rothen Seite hin zu bewegen, und dehnt sich schliefslich um etwa % der Breite des ganzen Spectrums nach dieser Seite hin aus. Es darf jedoch die Indiglösung keine freie Schwefelsäure enthalten, denn fügt man nur einen Tro- pfen dieser Säure hinzu, so erscheint wieder das frühere Spec- trum. Dadurch wird es fraglich ob die beobachtete Verände- rung nicht auf der Bildung einer neuen chemischen Verbindung beruht. Miseht man statt des Kupfervitriols doppelt chromsau- res Kalı dem Indig bei, so tritt eine weit geringere Änderung ein. Die rothe Bande bleibt dann unverändert und man beob- achtet, nach Zusatz mehrerer Tropfen, nur ein Verrücken der Gränze des Grün nach der rothen Seite hin, im Maximum um #, der ganzen Breite des Spectrums. In Bezug auf die Änderung der Absorption bei Erwär- *) Pogg. Ann. CXXIV. p. 91. [1865.] 12 4146 Gesammtsitzung mung sind von dem Verf. Lösungen von Eisenchlorid, Kupfer- chlorid, schwefelsaurem Kupferoxyd, schwefelsaurem Kupferoxyd- ammoniak, doppelt chromsaurem Kali, salpetersaurem Nickel- oxyd, Kobaltchlorür und Platinchlorid untersucht. Bei allen hat sich eine Veränderung gezeigt, nämlich durchgehends eine Vermehrung des Absorptionsvermögens mit steigender Tempe- ratur und zwar um Vieles beträchtlicher bei den Chlorverbin- dungen als bei den andern Salzen. Kupferchlorid wird z. B. wenn es in der geeigneten Concentration angewandt wird, in der Siedehitze ganz undurchsichtig. Hierbei ist: bemerkens- werth, dafs diejenige Stelle des Spectrums welche bei zuneh- mender Erwärmung am längsten sichtbar bleibt nicht genau identisch ist mit derjenigen, welche bei Vermehrung der Dicke der durchstrablten Schicht zuletzt übrig bleibt, so dals also. das Intensitätsmaximum bei erhitzter Substanz an einer andern Stelle liegt als bei gewöhnlicher Temperatur. Interessant ist noch das Verhalten des Kobaltchlorürs. Dies zeigt bei gewöhnlicher Temperatur und geeigneter Concentra- tion zwei leuchtende Banden, von denen die eine das ganze Roth, Gelb und einen Theil des Grün umfalst und sehr inten- siv ist, die andere, ziemlich schwache, liegt im Violet. Bei der Erwärmung nimmt nun diese violette Bande langsam an Intensität ab, in dem Roth aber entstehen zwei neue Absorp- tionsbanden, von denen vorher keine Spur zu sehen war. Sie breiten sich, namentlich die weniger brechbare sehr rasch mit | steigender Temperatur aus und nahe der Siedehitze haben sie die ganze helle Bande, in der sie entstanden, bis auf einen sehr schmalen, schwachen Streifen des äulsersten Roth vollständig weggenommen.. Wollte man zur Erklärung der beobachteten Veränderun- gen annehmen, dals durch die Erwärmung chemische Umsetzun- gen in den Flüssigkeiten vor sich gingen, etwa dals einige Atome Wasser aus- oder einträten, so würde dem entgegen zu halten sein, dafs, soweit sich die Erscheinung bis jetzt hat ver- folgen lassen, eine sprungweise Änderung des Absorptionsver- mögens nicht erfolgt, sondern die Veränderungen ganz stetig | vor sich gehn. vom 30. März 1865. 447 Dagegen sind diese Erscheinungen ganz ähnlich den von Brewster') und Anderen beobachteten Absorptionen, in ge- wissen Gasen, welche auch mit zunehmender Temperatur ein vermehrtes Auftreten und Breiterwerden der Absorptionsstreifen zeigen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Von der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien: Sitzungsberichte der phil.-hist. Klasse, 44, 2.3. 45, 1.2.3. 46, 1.2. Wien 1863—1864. 8. Sitzungsberichte der math.-naturw. Klasse, Wien 1863, 9. 10. 1864, no.1—5. 38. Denkschriften der phil.-hist. Klasse. 13. Band. Wien 1864. 4. Denkschriften der math.-naturw. Klasse. 23. Band. Wien 1864. 4. Archiv, Band 31,1. Wien 1864. 8. Almanach. Wien 1864. 8. Hebra, Ailas der Hautkrankheiten. Heft 4. Wien 1864. folio. Aschbach, Livia, Gemalin des Kaisers Augustus. Wien 1864. 4. Comptes rendus de lacademie des sciences. Vol. 59, no. 21—23. Paris 1864. A. Supplement aux Monumens inedits du cabinet de G. Libri. Londres 1864. folio. H. Martin, Observations et theories des anciens sur les attractions et les repulsions magnetiques. Rome 1865. 4. Archiv für Schweizerische Geschichte. Band 13. 14. Zürich 1862— 1864. 8. Schweizerisches Urkundenregister. 1. Band, Heft 1. Bern 1865. 8. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preu/sischen Hheinlande. 21. Jahrgang. Bonn 1864. 8. Bulletin de la societe vaudoise de sciences naturelles, no. 51. Lausanne 1864. 8. Silliman’s Journal, no. 115. New Haven 1865. 8. Bulletin de l’academie de Belgique. Tome 19, no.1. 2. Bruxelles 1865. 3. Annuaire de l’academie. Annee 31. Bruxelles 1865. 8. ‘) Pogg. Aunal. XXXVIN. pag. 54. 12, 448 Gesammtsitzung vom 30. März 1865. Steffenhagen, Die 9 Bücher des Magdeburger Rechts des Thorner Stadtschreibers W. Eckhardi von Bunzlau. Königsberg 1865. 8. Cavedoni, Cenni archeologici intorno alle terremare nostrane. Mo- dena 1865. 4. \ Industria del ferro in Italia. Per cura del ministerio della marina. To- rino 1864. 4. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde. Berlin 1860—1864. 4. Göppert, Beiträge zur Bernsteinflora. (Berlin 1864.) 8. —ele— Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat April 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Haupt. 6. April. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Riedel las über die früheren Einkünfte des Brandenburger Staates und deren Verwendung. Hr. Kummer trug eine ihm von Hrn. Dr. phil. H. Schwarz hierselbst gemachte Mitiheilung vor: Über die Minimumsfläche, deren Begrenzung als ein von vier Kanten einesregulären Tetraeders gebildetes, wind- schiefes Viereck gegeben ist, und zeigte ein von dem- selben angefertigtes Modell dieser Fläche. Mit der ın den kleinsten Theilen ähnlichen Abbildung der Gesammtoberflächen der regelmäfsigen Polyeder auf die Ku- gel hängt eine Anzahl von Minimumsflächen zusammen, auf denen unendlich viele Gerade liegen, die einander zum Theil schneiden. Zu diesen Flächen gehört als einfachste unter ‘ihnen die durch vier Kanten eines regelmälsigen Tetraeders gehende und innerhalb dieser Grenzen kleinste Oberfläche, welche aus der Abbildung der Oberfläche eines Würfels auf die Kugel ent- springt und hier im Modell vorliegt. Sind & und y die rechtwinkligen Coordinaten eines Punk- tes in der Ebene, so stellen bekanntlich die Gleichungen [1865.] 13 150 Gesammtsilzung 28 27 Er NE Hr die Oberfläche- einer durch Verwandlung mittelst reciproker Ra- dii vektores aus dieser Ebene entstandenen Kugeloberfläche dar, auf welche die Ebene in den kleinsten Theilen ähnlich abgebil- det wird. Das Integral E+ni ’ a(E+ ni) ae | VI -uErm + (Er m) 0 E,n in dessen Umkehrung zwölfdeutig ist, bildet die Ebene & den kleinsten Theilen ähnlich auf ein Netz ab, welches ent- steht, wenn die Oberfläche eines Würfels auf die Ebene p, g un- endlich oft ausgebreitet wird und welches alsdann diese Ebene ‘zwölffach bedeckt. Durch die Substitution 1— 2V3(E + m)? -(E+ni)* verwandelt sich dieses Integral in pti= : DZ EEE — ayere Vr (u? FE 1) so dafs diese Abbildung, und mithin auch die Gleichung der gesuchten Minimumsfläche nur von elliptischen Funktionen abhängig ist, und zwar von den lemniskatischen mit dem Modul Vz Die Abbildung auf die Kugel ist hierbei eine derartige, dals alle Kanten des Würfels, die Diagonalen und Mittellinien seiner Seitenflächen sich auf Theile gröfster Kreise abbilden und dals jedem Punkte der Würfeloberfläche, welche man aus der Ebene p, g durch Zusammenfalten herstelli, nur ein Punkt der Kugel entspricht und umgekehrt. Jeder in den kleinsten Theilen ähnlichen Abbildung der Oberfläche einer Kugel auf eine Ebene, bewirkt durch die Glei- vom 6. April 1865. 151 dp? + .dq? > & chung dA? +aY? +.u2’= ee) „ entspricht, wie Hr. & Dr. Weingarten im Crelle-Borchardt’schen Journal Bd. 62 gezeigt hat, eine bestimmte Minimumsfläche, deren Coordinaten durch die Gleichungen gegeben werden. 4 Setzt man Vi — 14(E+m)' + (E+m)® =r (cos p-+isind), wo also r, cos &, sin & algebraische, durch Wurzelgrölsen dar- stellbare Funktionen von E und y sind, so findet man für den Hauptkrümmungsradius og der Minimumsfläche und für deren Co- ordinaten die Gleichungen (E? + n? Jr Di 2 DE ROSE En ua) e— ar u — = [« — 8° + n?)(cos2 Pd + sin2p dh) — 2 64 (in 2 pdE — cos 2 Pan) |, dy= —[« + E° — n°) (sin 2pdE — cos 2 ddr) — 2&4 (cos2pdE-+ sin 29m], = | 2& (cos2Pd&E+sin2 ddr) +2y(sin2pdE—cos2» a). Das vorliegende Modell I. zeigt einen Theil der Minimums- fläche, welchem eine Seitenfläche des Würfels entspricht. Das Gestell, die Umgrenzung, ist aus schwachem Draht gefertigt, der in die Form der Seiten eines windschiefen Vierecks gebo- gen ist und vier Kanten eines regelmälsigen Tetraeders dar- 13* 152 Gesammtsitzung stell. Diese vier Geraden auf der Fläche entsprechen den Sei- ten des Quadrats. Die Fläche selbst besteht aus einer sehr dünnen Haut von Gelatine, welche vor dem zu ähnlichen Zwecken angewendeten Glycerin den Vorzug der Beständigkeit in trockenem Zustande hat. Die Fläche geht durch den Mittelpunkt des Tetraeders hin- durch, in welchem sich die Mittellinien desselben, die geraden Verbindungslinien der Mitten seiner Gegenkanten, schneiden. Von diesen steht die eine normal auf der Fläche, während die beiden anderen, wie aus der Diskussion der Gleichungen her- vorgeht und wie das Modell zeigt, ganz auf der Fläche liegen; sie entsprechen den Mittellinien des Quadrats. Ein besonderes Interesse erhält die Fläche durch ihre Fort- setzung, weil sie die Eigenschaft hat, aus lauter congruenten Theilen zu bestehen, von denen einen Modell I. darstellt. Indem man zwei Modelle I. in geeigneter Weise längs einer Kante zusammenhält, kann man sich überzeugen, dals die- selben längs dieser Kante in allen Punkten gemeinschaftliche Tangentialebenen haben. Sechs solche in einer Ecke zusammenstolsende Theile, wel- chen drei, in derselben Ecke des Würfels zusammenstolsende Quadrate entsprechen, stellt das Modell Il. dar. Errichtet man auf den sechs gleichseitigen Dreiecken, in welche ein regel- mälsiges Sechseck durch seine drei Hauptdiagonalen getheilt wird, abwechselnd nach der einen und nach der andern Seite regelmälsige Tetraeder, so bilden die von den Ecken des Sechs- eckes ausgehenden Tetraederkanten, welche nicht Seiten dessel- ben sind, das Gestell für das Modell I. Zwei Modelle II., in entsprechender Weise aneinander ge- halten, zeigen den weiteren Verlauf der Fläche. Das Modell III. versinnlicht, wie sich die Fläche von den Ecken des Modells II. aus fortsetzt, die nicht Ecken jenes Sechseckes sind, und zeigt, wie dieselbe theilweise in sich zu- rückkehrt. Zwei gegenüberliegende Seitenflächen eines regelmälsigen Oktaeders fasse man als Grundflächen desselben auf und denke sich auf die anderen Seitenflächen desselben regelmälsige Te- traeder von gleich langer Kante aufgesetzt. Die sechs nicht in vom 6. April 1865. 153 den Grundflächen des Oktaeders liegenden Kanten desselben und deren Gegenkanten in den einzelnen Tetraedern liegen auf ‚der Fläche und bilden das Gestell für das Modell III. Das durch zwei gleichseitige in den Grundflächen des Oktaeders lie- gende Dreiecke begrenzte, zweifach zusammenhängende Flächen- stück, welches durch dieses Modell dargestellt wird, enthält au- (ser den genannten Geraden noch sechs Gerade, Mittellinien jener Tetraeder, und liegt aufserhalb des Oktaeders, in dessen inneren Raum die Fläche auch in ihrer Fortsetzung nicht ein- tritt. Denkt man sich auf die beiden Grundflächen des Oktae- ders regelmälsige Tetraeder aufgesetzt, so tritt auch in diese die Fläche nieht ein. Von den Kanten dieser Tetraeder liegt keine auf der Fläche. In Bezug auf die vier Seitenflächen der- selben ist die Fläche sich selbst congruent; man kann auf die- selben wieder Oktaeder aufsetzen, in welche die Fläche nicht eintritt — und erhält durch Fortsetzung dieser Construktion einen kanalförmig abgegrenzten Raum, der sich von jedem die- ser Tetraeder aus nach vier Richtungen spaltet, im Endlichen zum Theil in sich zurückkehrt und sich nach jeder Richtung hin ins Unendliche erstreckt. Dieser Raum liegt auf einer Seite der Fläche; auf der andern Seite liegt ein ıhm congruen- ter; die Fläche tritt nur in die vom ganzen Raum noch übrig bleibenden Tetraeder ein. — Auf diese Weise erhält man eine vollständige Erfüllung des Raumes durch Aneinanderlagerung re- gelmälsiger Oktaeder und Tetraeder. ‚ Aus dem Gesagten geht hervor, dafs sich die Fläche in periodischer Wiederholung durch den ganzen unendlichen Raum verbreitet, ohne dals ihre Continuität an irgend einer Stelle unterbrochen wird und ohne dafs sie sich selbst schneidet oder Knotenpunkte bekommt. 154 Gesammtsitzung Hr. Magnus gab nachstehende Mittheilung über eine von Dr. Rud. Weber ausgeführte Untersuchung, betreffend: Ver- bindungen des Selenacichlorids mit Chlormetallen. Das Selenacichlorid, eine der selenigen Säure analog zu- sammengesetzte, Selen, Chlor und Sauerstoff enthaltende Ver- bindung, welche von dem Verf.') durch Einwirkung von Chlor- selen auf trockne selenige Säure dargestellt wurde, verbindet sich mit mehreren Chlormetallen zu krystallisirenden Verbin- dungen. Aus dieser Reihe neuer Körper sind bis jetzt von dem Verf. die nachstehend beschriebenen, welche Zinnchlorid, Ti- tanchlorid und Antimonsuperchlorid enthalten, untersucht wor- den. Unzweifelhaft ist, wie vorläufige Versuche angedeutet ha- ben, die Anzahl der Verbindungen, welche das Selenacichlorid bildet, erheblich grölser; hierüber werden weitere Untersuchun- gen entscheiden. Selenacichlorid-Chlorzinn. Fügt man zu Zinnchlorid tropfenweise Selenacichlorid, so tritt Erwärmung des Gemisches ein, und es sondern sich, wenn Zinnchlorid vorwaltet, zwei nicht mischbare Flüssigkeiten aus, von denen die untere die Zinnselenverbindung, die obere das unverbundene Zinnchlorid ist. Läfst man das Glasrohr, in dem man die Flüssigkeit vermischt hat, langsam erkalten, so ver- wandelt sich die untere Flüssigkeit nach kurzer Zeit in ein Ag- gregat von Krystallen; das darüber stehende Zinnchlorid, wel- ches von der Verbindung etwas gelöst enthält, kann dann abge- gossen und die erhaltene Verbindung von Zinnchlorid mit Se- lenacichlorid leicht isolirt werden. Die Verbinduug erscheint in weilsen, halb durchsichtigen Krystallen, über deren Form, wegen der Aggregation: der Indi- viduen, sich mit Sicherheit nichts aussagen läfst; sie ist leicht schmelzbar und zerfliefst an der Luft äufserst schnell. In Was- ser ist sie vollkommen auflöslich. Behufs der Ermittlung ihrer Zusammensetzung wurde eine gewogene Menge in salzsäurehal- tigem Wasser gelöst, das Selen vermittelst schwefligsauren Ammoniaks aus der heilsen Lösung abgeschieden und das Zinn ") Pogg- Ann. Bd. 108, S. 615. vom 6. April 1865. | 155 als Schwefelzinn gefällt. Zur Chlorbestimmung wurde die Sub- stanz mit Wasser, dem etwas Weinsteinsäure zugesetzt wor- den, gelöst und daraus das Chlor nach Beseitigung des Selens und Zinns mittelst Schwefelwasserstoff als Chlorsilber gefällt. Folgendes sind die erhaltenen Versuchsresultate: Substanz. Selen. Zinnoxyd. 1,502 — 0,402 — 0,380 1,645 — 0,435 — 0,431 Substanz. Chlorsilber. Zinnoxyd. 1,422 — 2,073 — 0,348 1,352 °— 2,692 — 0,324 Hiernach berechnet sich der Procentgehalt an Selen, Zinn und Chlor: Selen 26,76 — 26,44 Zion 141989 — 1923 — 20,59 — 19,15 Chlor 46,37 — 48,05 Diese Zahlen führen zu der Formel: SnCl,;, + 2.SeClO, nach welcher die Menge der genannten Bestandtheile sich fol- gendermalsen berechnet: Selen 26,082 Zinn 19,934 Chlor 48,064 Selenacichlorid-Titanchlorid. Das Chlortitan vereinigt sich mit dem Selenaeichloride un- ter Wärmeentwicklung.. Die Verbindung beider Stoffe schei- det sich als ein gelblicher, anfangs weicher Körper ab, wenn man in Chlortitan Selenacichlorid tröpfelt. Nach dem Erkalten wird die Masse spröde. Man bringt sie, um sie vom überschüs- sigen Chlortitan zu befreien, auf einen getrockneten Ziegelstein unter eine Glocke neben Schwefelsäure und Kalk. Die Verbin- 156 Gesammtsitzung dung bildet nach Entfernung des überschüssigen Chlortitans ein gelbes, an der Luft nicht rauchendes Pulver, welches durch at- mosphärische ‘Feuchtigkeit sich schnell zersetzt. Vom Wasser wird es nicht klar aufgelöst, es bildet sich vielmehr ein weilser, unlöslicher Rückstand. Durch Erhitzen wird es unter Bildung von Titansäure grölstentheils zersetzt. Behufs der Analyse wurde die Verbindung mit verdünntem Ammoniak behandelt, welches selenige Säure und Salzsäure auf- ‘nimmt, die Titansäure zurückläfstt. Aus der ammoniakalischen Flüssigkeit wurden nach erfolgter Neutralisation mit reiner Sal- petersäure das Selen als Schwefelselen und das Chlor als Chlor- silber gefällt. Folgende Versuchsresultate wurden erhalten: Substanz. Titansäure. Chlorsilber. 0,737 0,112 1,570 1,220 0,189 = Substanz. Schwefelselen. Chlorsilber. 4,025 2000,50, 2180 1,212 Knie ne Daraus folgt der Procentgehalt der Substanz an: Titan 912 — 9,30 Selen 30,43 — 30,10 Chlor 52,55 — 52,46. Diese Werthe rechtfertigen die Annahme der Formel: TiCl;, + 2.SeC1O, nach welcher sich folgende Zahlen für die in Rede stehenden Bestandtheile der Verbindung berechnen : Titan 9,334 Selen 30,06% Chlor 54,445 Selenacichlorid-Antimonsuperchlorid. Auch diese Verbindung erzeugt sich durch direkte Vereini- gung beider Stoffe und scheidet sich nach dem Erkalten des vom 6. April 1863. 157 Gemisches in feinen, nadelförmigen Krystallen aus, welche von dem Überschusse der denselben anhaftenden flüssigen Substanz in gleicher Weise wie die vorige Verbindung befreit wird. Dieselbe bildet weilse Krystalle, sie ıst schmelzbar, an der Luft schnell zerflielfsend. Die Analyse der Substanz, welche nach der für die Zinnverbindung zur Anwendung gebrachten Methode erfolgte, ergab Folgendes: Substanz. Selen. Schwefelantimon. 0,670 0,108 0,293 0,884 0,154 —_ 1,064 0,184 0,442 Substanz. Chlorsilber. | 1,014 2,150 Die procentische Zusammensetzung ergiebt sich hiernach: Selen 16,12 — 17,41 — 17,29 Antimon 26,24 — 24,93 ; „ Chlor 92,28 und ist durch ie Formel: 5 Sb Cl, + 2. Se C1IO ausdrückbar, welche erfordert: Selen 16,95% Antimon 25,954 Chlor 53,632. Die Acichloride des Schwefels bilden mit Chlormetallen ähnliche Verbindungen; der Verf. ist mit deren Untersuchung beschäftigt. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Journal of the Geological Society of Dublin. Vol.-10, Part 2. London 1864. 8 Journal of the Asiatic Society of Bengal. Vol. 33. Supplement. Vol. 34, no. 4. Calcutta 1864. 8. 158 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. 7. Jahrgang. Wien 1863. 8. Genocchi, /ntorno alla formazione ed integrazione d’aleune equazioni differenziali. Torino 1865. 4. Plantamour, Zecherches sur la distribution de la temperature a la sur- face de la Suisse pendant ’hiver 1863—64. (Geneve 1864.) 8. Favre, Precis d’une histoire du terrain houiller des Alpes. (Geneve 1865.) 8. d’Espine et Favre, Observations geologiques et paleontologiques sur quelques parties des alpes de la Savoie. (Geneve 1865.) 8. 24. April. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Poggendorff las: Über eine neue Einrich- tung der Quecksilber-Luftpumpe. Die in neuerer Zeit wieder in Aufnahme gekommene Queck- silber- Luftpumpe ist im Grunde genommen ein sehr altes In- strument. Denn wenige Jahre, nachdem Otto v. Guericke die Kolben-Lufipumpe erfunden hatte, und wahrscheinlich unbe- kannt mit seiner Erfindung, benutzten die Mitglieder der Ac- cademia del Cimento zu allen ihren Versuchen über das Ver- halten der Körper im Vacuo ein gerades, oben gefälsförmig er- weitertes Barometerrohr von grölserer als zur Messung des Luftdrucks erforderlicher Länge, welches sie mit Quecksilber füllten und dann umgekehrt in dasselbe Metall eintauchten. Die vielfachen Mängel dieser rohen Vorrichtung, welche wohl als eine Quecksilberpumpe angesehen werden kann, und besonders die aulserordentlichen Fortschritte, welche die Con- struction der Kolben-Luftpumpe seit den Zeiten Boyle’s und Papin’s im ganzen Lauf des 18ten und 19ten Jahrhunderts gemacht hat, sind Veranlassung gewesen, dafs die Idee der Flo- rentiner Akademiker ganz in Vergessenheit gerathen ist. Erst länger denn 50 Jahre hernach sehen wir den Vor- schlag gemacht, den Gebrauch des Quecksilbers zum Exantliren durch Construction eines besonderen Instruments wieder zur vom 24. April 1865. 159 Geltung zu bringen. Derselbe ging aus von dem berüchtigten Theosophen Emmauel Svedenborg, der ihn in seinem 1722 zu Leipzig erschienenen Werke: Miscellanea observata circa res naturales et praesertim circa mineralia, ignem et montium strata beschrieben hat. Svedenborg’s Pumpe bestand im Wesentlichen aus einem Tischchen mit drei hohen Beinen, welches die zu evacuirende Glasglocke trug, und unterhalb mit einem eisernen Gefäls ver- bunden war, von dem ein Eisenrohr senkrecht herabging, wel- ches unten durch einen Lederschlauch mit einem zweiten Ei- senrohr zusammenhing. Durch Aufrichten und Niederlegen die- ses beweglichen Rohrs, wurde das Quecksilber, welches beide Rohre füllte, zum Steigen und Sinken gebracht, und somit das eiserne Gefäls, welches mit den nöthigen Ventilen versehen war, ahwechselnd mit dem flüssigen Metall gefüllt und wie- derum geleert. Dieses Princip ist dasselbe, zu welchem Joseph Baader bei seiner zweiten Quecksilberpumpe überging, nur in verbes- serter Gestalt, indem er den Lederschlauch Svedenborg’s, von dessen Idee er übrigens nichts gewulst zu haben scheint, durch ein Metallgelenk ersetzte. Bei seiner ersten Pumpe, die er 1784 in Hübner’s physikal. Taschenbuch beschrieben hatte, waren die beiden Rohre, das herabgehende und das in die Höhe führende, unverrückbar mit einander verbunden, und das Senken des Quecksilbers in dem Verdünnungs-Gefäls geschah, indem die nöthige Menge des flüssigen Metalls durch einen Hahn in der unteren Biegung der Rohre abgelassen wurde. Einschütten des ausgeflossenen Quecksilbers in die aufrechte Röhre, nach- dem der Hahn verschlossen und das Verdünnungs-Gefäls zur Fortschaffung der eingesogenen Luft geöffnet worden, stellte den anfänglichen Zustand wieder her. Diese Pumpen, die übrigens, wie es scheint, nie von ihren Urhebern zur Ausführung gebracht worden sind, haben aber nicht den Beifall der Physiker erlangt; und dasselbe gilt von alle den Pumpen, welche successive von Hindenburg, Michel, Cazalet, Kemp, Edelcrantz, Patten, Oechsle, Ro- mershausen, Uthe, Mile, Kravogl u. A. theils vorge- 160 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse schlagen, theils wirklich hergestellt worden sind, und in. wel- chen meistens das Quecksilber durch einen Kolben bewegt wird. Erst in neuster Zeit ist die Quecksilber-Luftpumpe zu An- sehen gelangt, seitdem der Glaskünstler Geifsler in Bonn sie zur Anfertigung der nach ihm benannten evacuirten Röhren be- nutzt, und dabei ein Vacuum von einer Vollkommenheit darge- stellt hat, wie es mit der besten Kolben-Luftpunpe nicht zu erhalten ist. Die Geilsler’sche Pumpe, welche dem grölseren Publikum zuerst durch eine hier im Jahre 1858 erschienene Schrift des Dr. Theodor Meyer über das geschichtete elektrische Licht bekannt geworden ist, weicht in ihrem Principe nicht von der Svedenborg’schen ab, hat aber eine ihrem speciellen Zweck mehr entsprechende Gestalt. Sie ıst bis auf das Gummirohr, welches den ehemaligen Lederschlauch ersetzt, ganz aus Glas verfertigt, und, was die Theile betrifft, welche die zu evacuirende Röhre mit dem Pumpenkörper verbinden, das Hineinbringen verschie- dener Gase und das Austrocknen derselben gestatten, mit gro- fser Sauberkeit und Geschicklichkeit ausgeführt. Dagegen ist die Vorrichtung zum Aulfrichten und Niederlegen des beweg- lichen Rohrs nur roh, und leicht Beschädigungen ausgesetzt. Anfangs wurde diese Operation aus freier Hand vollzogen, — späterhin, da sich dieses bei einem Glasrohre und einer Queck- silbermasse von 30 bis 40 Pfund als zu beschwerlich und ge- fährlich erwiels, mit Hülfe einer Winde. In neuester Zeit hat der hiesige Geifsler Pumpen klei- nerer Art construirt, welche nur 15 Pfund Quecksilber fassen. Bei diesen sind die beiden Glasrohre ersetzt durch einen lan- gen und starken Gummischlauch, welcher das ovale Verdün- nungsgefäls mit einer Glaskugel von gleicher Capacität verbin- det. Und die Operation des Evacuirens geschieht dadurch, dals die Glaskugel aus freier Hand abwechselnd auf den Fufsboden und auf ein neben der Pumpe befindliches Gestell gelegt wird. Diese Vorrichtung ist einfach, muls aber das Bedenken erregen, ob der Gummischlauch lange vorhalten werde; aulserdem er- fordert die Operation einen nicht unbedeutenden Kraftaufwand und setzt den Apparat leicht Gefahren aus. vom 24. April 1865. 161 Die Quecksilberpumpe, sie mag nun auf die eine oder an- dere Weise construirt worden sein, ist, wegen Langsamkeit der Operation, nur geeignet, Gefälse von kleiner Räumlichkeit zu evacuiren, und wenn sie auch hiebei einen höheren Grad von Verdünnung gestattet, wird sie doch nie die gewöhnliche Luftpumpe aus den Kabinetten verdrängen. Diese Überzeugung und der Umstand, dafs denn doch heut zu Tage jeder Physiker ohnediels schon mit einer Luftpumpe versehen ist, brachte mich im Laufe des vorigen Sommers auf den Gedanken, sie wo möglich so abzuändern, dafs sie ein An- hängsel zu der gewöhnlichen Luftpumpe bilde, welches sich, je nach Bedürfnils, mit derselben verknüpfen und wieder von ihr abtrennen lasse. Die Ausführung dieses Gedankens hat keine praktische Schwierigkeit, vertheuert das Instrument nicht, erlaubt es in jeder beliebigen Grölse darzustellen, und macht die Operation des Evacuirens zu einer bequemen und völlig gefahrlosen. i Um aus Erfahrung über die Sache sprechen zu können, habe ich zur Probe ein solches Hülfs-Instrument anfertigen las- sen, und wie vorauszusehen hat es seinen Erwartungen voll- kommen entsprochen. Ich 'glaube daher, dafs die Veröffentli- chung desselben den Physikern von einigem Nutzen sein könne. Der Körper des Instruments besteht wesentlich aus zwei Theilen, nämlich: 1) einer Glasflasche 4 (bei meinem Exemplar etwa 12” hoch und 6” im Durchmesser) mit etwas weitem Halse und einer seitlichen Tubulatur, und 2) einem eiförmigen Glas- gefäls B mit kurzem Halse nach oben, und einem langen nach unten, mit welchem es in den Hals der Flasche eingeschlifien ist und fast bis zum Boden derselben hinabreicht. Auf die Tubulatur der Flasche 4 ist eine Kappe von Ei- sen gekittel, versehen mit einem Kanal, der nach aufsen in eine Dille z mündet, und durch einen Hahn f luftdicht verschlossen werden kann. Ebenso ist der obere Hals des eiförmigen Gefälses 3 mit einer eisernen Kappe versehen, deren Kanal durch den Hahn g verschlielsbar ist und zunächst zu dem Fläschchen @ führt, wel- ches auf seinem Halse die aufgekittete eiserne Dille % trägt. 162 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Der letztgenannte Hahn g hat einen drei- fachen Zweck und eine demgemälse Bohrung- Steht sein Griff senkrecht mit dem Ende p nach unten, so setzi. er das Gefäls 2 mit dem Fläschchen d, und, sobald die Dille & offen ist, mit der äufseren Luft in Verbindung. Neigt er unter 45°, so schlielst er das Ge- fäls vollständig ab, und liegt er horizontal, mit dem Ende p nach links, so errichtet er eine Com- munication zwischen diesem Gefäls und einem Seitenkanal /, an wel- chen die zu evacuiren- den Gegenstände luft- dicht angesetzt werden. Die Verknüpfung dieses Apparats mit der Luftpumpe geschieht durch einen Gummischlauch, der an jedem Ende mit einem hoh- len konischen Metallzapfen versehen ist. Der eine dieser Zapfen wird in das Loch gesteckt, mit wel- chem der "Haupthahn % ın der Luftpumpe immer schon versehen ist, um evacuirte Gefälse entweder vom Pumpenkörper absper- ren oder wieder mit Luft füllen zu können. und der andere Zapfen wird abwechselnd in eine der Dillen i und % gesteckt. Soll der Apparat functioniren, so mufs zuvörderst die Fla- sche 4 bis nahe an ihre Tubulatur mit Quecksilber gefüllt wer- den, wozu bei meinem Exemplar 40 Pfund erforderlich sind; dann mufs der Haupthahn % der Luftpumpe so gestellt sein, vom 24. April 1865. 163 dafs der in ihn eingesteckte Gummischlauch mit den Stiefeln _ communicirt. Hierauf wird der andere Zapfen des Schlauchs in die obere Dille % gesteckt, der Griff des Hahnes g senkrecht, mit p nach unten gestellt und die Pumpe in Bewegung gesetzt. Zwei Kol- berhübe meiner Pumpe sind hinreichend, um das Quecksilber auf die erforderliche Höhe zu bringen, d. h. nicht allein das Gefäls £ vollständig zu füllen, sondern auch, was zur sicheren Verdrängung aller Luft nothwendig ist, noch durch den Hahn g in das darüber befindliche Fläschchen @ zu treiben. Nachdem dieses geschehen, wird der Hahn g nach der Rechten ‘unter 45° gestellt, also das Gefäls B verschlossen, der Zapfen des Schlauchs zur oberen Dille % herausgezogen, in die untere i eingesetzt, und mit dem Pumpen wieder begonnen. Vier Kolbenhübe meiner Pumpe reichen aus, um das Ge- fäls D, trotz seiner ansehnlichen Grölse, wieder vom Queck- silber zu leeren, und somit darin ein Vacuum herzustellen, wie es ohne Auskochen des Quecksilbers nicht vollkommener zu er- halten ist. Um nun dieses Vacuum seinem Zwecke gemäls zu be- nutzen, wird der Griff des oberen Hahns g horizontal gedreht, mit dem Ende p nach links, wodurch der Seitenkanal Z und die damit verknüpften Röhren oder sonstige Hohlkörper mit dem luftleeren Gefäls 3 in Communication treten. Sicherheitshalber kann man vorher die Flasche 4 durch den Hahn f abschliefsen, wiewohl es nicht nöthig, so lange die Verbindung mit der Pumpe unterhalten bleibt. Auch ist nach vollzogener Evacuation das Gefäls 3 wiederum durch Drehung des Hahnes g zu verschliefsen. Diefs ist ım Allgemeinen der Gang der Operation des Evacuirens, die natürlich so oft als nöthig wiederholt werden muls. Sie erfordert, wie man sieht, keinen grofsen Kraftaufwand und ist auch mit keiner Gefahr verknüpft, zumal der Apparat in ein starkes Holzgefäls C von solcher Grölse gestellt ist, dafs es in dem kaum denkbaren Fall eines Unglücks die ganze Quecksilbermasse aufzunehmen vermag. 164 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Jede Wiederholung der Operation beginnt übrigens damit, dafs man die Flasche 4 von der Pumpe trennt, und durch vor- sichtige Drehung des Hahnes f das Quecksilber langsam in dem Gefäls B emporsteigen lälst. Bei der geringen Capacität, wel- che meistens die evacuirten Hohlkörper besitzen, füllt sich das- selbe wiederum grölstentheils von selbst, so dals man, nach Öffnung des Hahns g, nur wenig Luft zur oberen Dille her- auszuziehen braucht. Es versteht sich wohl von selbst, dafs dieser Apparat, wenn er sorgfältig ausgeführt worden ist, dasselbe leisten muls wie die Geifslersche Pumpe, da er ja nur durch die Methode des Exantlirens von derselben abweicht. Von den vorläufigen Versuchen, welche ich mit demselben angestellt habe, will ich hier nur eines erwähnen, welcher ge- eignet ist, die Meinung zu wiederlegen als könne man mittelst der Quecksilberpumpe ein absolutes Vacuum herstellen. Ich habe nämlich versucht, ob das Verdünnungs-Gefäls 2, nachdem es vom Quecksilber geleert worden, einem elektrischen Strom den Durchgang verstatte. Und das ist wirklich der Fall. Ver- bindet man die eisernen Kappen des Apparats mit den Polen eines Inductoriums, nachdem man durch den Hahn f einen Eisen- draht in das Quecksilber der Flasche 4 gesteckt hat, so erhält man die bekannte Licht-Erscheinung aufs Schönste ausgebildet. Zunächst dient der beschriebene Apparat, wie gesagt, nur zum Evacuiren von kleinen Hohlkörpern, die direct mit dem Seitenkanal / verknüpft werden. Er läfst sich indels auch zum Auspumpen grölserer Gefälse benutzen, z. B. zum Auspumpen von Glocken, die einen Teller ‘erfordern. Diefs wird erreicht, indem man den eben erwähnten Sei- tenkanal 2 durch ein biegsames Metallrohr mit der Luftpumpe in Verbindung setzt, und zwar mittelst des Hahnes, der bei der Pistor’schen Pumpe zu der Hawksbee’schen Barometerprobe führt und zu diesem Zweck mit einer zweiten Bohrung, ähnlich der im Haupthahn 7, versehen werden muls. Stellt man nun diesen Haupthahn zuvörderst so, dals eine Communication zwischen den Pumpenstiefeln und der auf dem Teller gesetzten Glocke errichtet ist, so kann man diese erst- lich so weit evacuiren als es die Pumpe gestattet; und wenn vom 24. Aprıl 1869. 165 man darauf den Haupthahn um einen rechten Winkel zurück- dreht und durch den Gummischlauch mit dem Quecksilber- Apparat verknüpft, ist man durch die vorhin beschriebenen Ope- rationen im Stande, das Evacuiren fortzusetzen und ein voll- kommeneres Vacuum herzustellen. Es verlangt diefs aber, wie natürlich, eine völlige Luft- dichtheit aller Verbindungen, und wird auch dann noch ein langwieriges Geschäft bleiben, wenn das Volum der zu eva- cuirenden Glocke etwas beträchtlich ist gegen das des Verdün- nungsgefälses B der Quecksilberpumpe. Die Idee zu der eben beschriebenen Vorrichtung kam mir im vorigen Herbst auf der Naturforscherversammlung in Gies- sen, wo ich Gelegenheit hatte, einigen von dem Bonner Geiis- ler mit seiner Pumpe angestellten Versuchen beizuwohnen, aber auch Zeuge sein sollte, wie leicht das Instrument durch unge- schickte Hände zertrümmert werden kann. Nach meiner Rückkehr nach Berlin beschlofs ich, meine Idee wenigstens versuchsweise sogleich verwirklichen zu lassen. Ich hatte sie bereits einem Mechanicus zur Ausführung über- geben, als ich, zu meiner nicht gerade angenehmen Überraschung aus dem unterdels bei mir angelangten Septemberheft des Phi- losoph. Magazine ersah, dafs der Rev. T. R. Robinson, der- selbe, dem wir eine schätzbare Untersuchung über die Spec- trallinien verdanken, schon eine Quecksilberpumpe nach einem ähnlichem Principe hatte verfertigen lassen. Indefs fällt seine Idee nur zur Hälfte mit der meinigen zu- sammen. Er benutzt zwar, wie ich, zum Ausziehen des Queck- silbers aus dem Verdünnungsgefäls eine gewöhnliche Lufipumpe, aber zum Füllen desselben gebraucht er noch einen besonderen Apparat, einen aufrechten, 13 Zoll hohen und 3,2 Zoll weiten Cylinder von Gufseisen, aus welchem mittelst eines Holzstem- pels das Quecksilber durch Druck in das Verdünnungsgefäfs getrieben wird. Dadurch und durch andere Einrichtungen wird das Instru- ment, das übrigens nur 10 Pfund Quecksilber falst, so compli- cirt und ungeschickt in seiner Form, dals schwerlich anzuneh- [1865.] 14 166 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse men ist, es werde sich eines grofsen Beifalls bei den Physikern erfreuen. Und daher habe ich denn auch nicht geglaubt, mit der Ausführung und Veröffentlichung meiner Idee anstehen zu dürfen. Schliefslich will ich noch erwähnen, dals wenn man sich darauf beschränken will, blofs einfache Röhren mit eingelassenen Platin- oder Aluminium-Drähten zu evacuiren, man gar nicht einer eigentlichen Quecksilberpumpe bedarf, und doch einen eben so hohen und selbst höheren Grad von Luftverdünnung erreichen kann als mittelst dieser. Es ist dazu weiter nichts erforderlich als eine kleine Ent- bindungsflasche, die man etwa zur Hälfte mit Quecksilber füllt, und deren Hals und Tubulus durch Pfropfen verschlossen wer- den. Durch den Pfropfen des Tubulus steckt man einen eiser- nen Kanal, der durch einen Hahn verschlielsbar ist und nach aulsen in einer Dille ausläuft, und durch den Pfropfen des Hal- ses schiebt man eine etwa 8 bis 10 Zoll lange Glasröhre, die ungefähr in der Mitte der zu evacuirenden Röhre und recht- winklich an dieselbe angeschmolzen sein muls. Zunächst schiebt man diese Ansatzröhre nur so tief hinab dals sie ein wenig in das Quecksilber eintaucht, kehrt dann die Flasche um, damit sich die zu evacuirende Röhre mit Queck- silber fülle, kocht, wenn man will, dasselbe aus, richtet die Flasche langsam wieder auf, während man die Ansatzröhre im- mer tiefer fast bis zum Boden derselben hineinschiebt, und ver- bindet nun die Dille des Hahns im Tubulus auf früher angege- bene Weise durch einen Gummischlauch mit der Luftpumpe. Es wird kaum ein halber Kolbenhub nöthig sein, um die Röhre zu evacuiren, die man nun, nachdem der Hahn verschlossen und ' der Gummischlauch abgetrennt worden, entweder abschmelzen oder mit der Flasche in Verbindung lassen kann. Obwohl in der Flasche nur ein sehr geringer Grad von Luftverdünnung nöthig ist, um die Röhre vollständig zu eva- cuiren, so ist es doch gerathen, besonders wenn man die Röhre nicht sogleich abschmilzt, die beiden Pfropfen vor dem Aus- | pumpen wohl mit Siegellack zu überziehen. vom 24. April 1869. 167 Derselbe gab eine: Vorläufige Notiz über den Einflufs einiger noch nicht ermittelter Umstände auf die elektrischen Entladungs-Erscheinungen. Die Erscheinungen bei der elektrischen Entladung sind an der Leydener Flasche von Hrn. Riefs aufs Gründlichste stu- dirt worden. Namentlich verdanken wir ihm die beiden Ge- setze, dals, wenn g die Elektricitätsmenge und s die von ihr bedeckte Fläche bezeichnet, unter sonst gleichen Umständen die Schlagweite proportional ist I und die entwickelte Wärme- $ 2 menge pronortional I Ss Allein an der Leydner Flasche sind, aufser dem Entla- dungsbogen, nur die beiden Factoren g und s einer leichten Abänderung fähig; alle übrigen Umstände, welche sonst noch auf die Entladung von Einfluls sind oder sein können, lassen sich mit der zu einer Untersuchung erforderlichen Genauigkeit nur äufserst schwierig verändern, und deshalb sind sie bei den Ar- beiten des Hrn. Riefs immer constant gelassen. Hieher gehören vor Allem: Dicke, Beschaffenheit und Tem- peratur des die Elektricitäten vor der Entladung trennenden Isolators, so wie äuch möglicherweise selbst der Luftdruck auf die Belegungen desselben. Zur Untersuchung des Einflusses dieser Facioren ist offenbar die Franklinsche Tafel ein ge- eigneteres Mittel, da sie wegen ihrer einfachen Gestalt viel leichter als die Flasche eine Veränderung mit allen auf die Entladung etwa einwirkenden Umständen vorzunehmen erlaubt. Diefs war der Grund die Franklin’sche Tafel zu einer Untersuchung anzuwenden, zu welcher ich durch die räthsel- haften Wirkungen des Condensators beim Inductorium eine specielle Aufforderung erhalten hatte. Demgemäls verfertigte ich mir eine Anzahl solcher Tafeln von verschiedener Grölse und Beschaffenheit, lud sie mit be- stimmten Elektricitätsmengen und maals dann successive die Schlagweite an einem Funkenmikrometer und die en mittelst eines Elektrothermometers. Vor der Hand beschränkte ich mich darauf, den Einfluls 44° 168 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse der Dicke und des Materials der Tafel auf diese beiden Er- scheinungen zu untersuchen. Was zunächst die Relation zwischen Dicke und Schlag- weite betrifft, so ergab sich aus zahlreichen Versuchen unverän- dert das Resultat, dafs dieselben, bei gleicher Ladung und glei- chem Material der Tafel, in einem geraden Verhältnifs stehen, dafs die Schlagweite mit der Dicke der Tafel wächst. Das ist wohl nicht unbekannt und auch ganz natürlich. Denn mit vergrölserter, Dicke der Tafel d. h. mit vermehrtem Abstand ihrer Belege, wird die Anziehung zwischen den un- gleichnamigen Elektricitäten geschwächt, die Abstofsung zwi- schen den Elektricitätstheilchen derselben Art dagegen verstärkt oder zu freierer Äufserung gebracht, und wenn auch dabei die mittlere Dichtigkeit der Elektricitäten abnehmen muls, so wird doch gerade durch die erhöhte Beweglichkeit der Theil- chen die partikuläre Dichtigkeit an dem Entladungsorte vergrölsert und somit daselbst der Übergang des Funkens be- fördert. Das Gesetz, nach welchem die Schlagweite mit der Dicke zunimmt, kann nicht anders als sehr complicirt sein, zumal bei quadratischen Tafeln, und es wäre daher ein unfruchtbares Bemü- hen gewesen, dasselbe durch Versuche an solchen ermitteln zu wollen. Nach diesem Resultate erwartete ich, auch die Erwär- mung mit zunehmender Dicke steigen zu sehen, weil ich mir einbildete, die freiere Beweglichkeit der Elektricitätstheilchen würde einen schnelleren Durchgang derselben durch den Schlie- fsungsbogen zur Folge haben. Allein zu meiner Überraschung lehrte die Erfahrung das Gegentheil. Die Erwärmung im Schliefsungsbogen nimmt ab mit steigender Dicke der Tafel. Es hält schwer sich Glastafeln von hinreichend verschiede- ner Dicke zu verschaffen, die zu diesen Versuchen geeignet wären. Das gemeine Fensterglas von grünlicher Farbe, wel- ehes hier am zweckmälsigsten ist, lälst sich nur in wenig ver- schiedener Dicke erhalten, und das heutige Spiegelglas ist zu diesen Untersuchungen, wenigstens direct, ganz untauglich. vom 24. April 1865. 169 Ich habe Spiegelglas-Platten aus verschiedenen Quellen von 14 Zoll im Quadrat, und von 2, 3 und 4 Mllm. Dicke unter- sucht, und sie alle in dem Grade leitend befunden, dals sie gar keine Ladung annahmen. ’ Nur eine Platte von sehr starkem Spiegelglase, eine Platte von 9,5 Mlim. Dicke, erwiels sich brauchbar, indem sie, obwohl mit sichtlichem Widerstreben, Ladung annahm, und dabei das allgemeine Resultat: grofse Schlagweite und geringe Erwärmung bestätigte. Um ihr eine beträchtliche und eben so grolse La- dung ertheilen zu können als einer dünnen, war sie nieht nur am Rande 2 Zoll breit stark gefirnilst, sondern auch auf ihrer Belegung in gleicher Breite mit Firnifs überzogen. Sie zeigte übrigens nach der Entladung einen ziemlich starken Rückstand. Entscheidender fiel das Resultat aus, als ich eine jener re- lativ leitenden Spiegelglasplatten von 3 Mllm. Dicke vor der Belegung auf beiden Seiten zwei Mal mit sogenanntem Glanz- lack überzog. Nach einigen Tagen, nachdem der Lack voll- ständig ausgetrocknet war, nahm die Tafel eine starke Ladung an. Verglichen mit einer 1 Mlim. dicken Platte von grünem Fensterglase gab sie mehr als die doppelte Schlagweite, aber kaum die halbe Erwärmung, ungeachtet der Rückstand sehr ge- ring war. Um die Versuche bei Glas von derselben Sorte anstellen zu können, bekleidete ich zwei Tafeln von 1 Mllm. dickem Fen- sterglas blols auf der einen Seite mit Stanniol und legte sie dann mit den unbekleideten Seiten zusammen. So hatte ich eine Tafel von doppelter Dicke. Wollte ich eine von drei, oder mehrfacher Dicke haben, so schaltete ich zwei, drei oder mehrere Tafeln ein. Auf solche Weise gelangte ich denn, trotz einiger Schwan- kungen in den einzelnen Werthen, zu dem glaube ich nicht zweifelhaften Resultate, dals die Wärme im Schliefsungs- bogen mit der Dicke der Tafel abnimmt. Während also, wie bekannt, Schlagweite und Erwär- mung in demselben Maaflse zu- oder abnehmen, wenn, bei glei- cher Dicke und Ladung des Isolators, die Gröfse der belegten Flächen verändert wird, befolgen diese Phänomene einen umge- 170 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse kehrten Gang, wenn man, bei gleich gelassenen Flächen, mit der Dicke eine Veränderung vornimmt. Die zweite Aufgabe, die ich mir bei der Franklin’schen Tafel gestellt hatte, betraf das Material derselben. Es giebt eine ganze Anzahl isolirender Substanzen, die ge- eignet wären, Platten von der zu dieser Untersuchung erfor- derlichen Gröfse und Dünnheit zu liefern. Allein um solche daraus darzustellen, bedürfte es Vorkehrungen, die ich mir bis- her noch nicht verschaffen konnte. Ich war daher genöthigt mich auf diejenigen Substanzen zu beschränken, die schon in Plattenform käuflich sind. Zunächst richtete ieh mein Augenmerk auf die Gutta Per- cha, sah mich aber in meinen Erwartungen sehr getäuscht. Denn diese Substanz, obwohl sie allgemein für einen guten Isolator gilt, erwiels sich in dem Maalse leitend, dafs sie nicht die geringste bleibende Ladung annahm, die Platten mochten 2 oder 3 Milm. dick sein, gefirnifst oder nicht auf dem über 2 Zoll breiten Rand neben der Belegung. Besser dem Zweck entsprach die sogenannte Kammasse oder das Horngummi, aber doch lange nicht so unbedingt, wie ich es vorausgesetzt hatte. Diefs Compositum, welches jetzt so häufig als Isolations- mittel zur Construction von Inductions- Apparaten verwandt wird, ist offenbar nicht immer von gleicher Zusammensetzung, denn ich habe aus einer und derselben Fabrik einmal brauch- bare, und das andere Mal unbrauchbare Platten erhalten. Unbrauchbar fand ich die Platten, die eine schwarze, glatte und glänzende Oberfläche hatten, obwohl ich nicht behaupten will, dafs diese Oberflächen -Beschaffenheit gerade immer das Kriterium der Unbrauchbarkeit sei. Die Ladung dieser Platten war so schwach und vorüber- gehend, dals sie gar keine nähere Untersuchung gestattete. Selbst als zwei solcher Platten, die beiläufig gesagt 1 Mllm. dick waren, nur auf der einen Seite belegt und auf der ande- ren, sowie auf dem ganzen Rande stark gefirnilst wurden, ga- ben sie beim Zusammenlegen der gefirnilsten Seiten keine bes- seren Resultate. vom 24. April 1865. 171 Dagegen erwiesen sich zwei Platten von grauer, nicht glat- ter und glänzender Oberfläche, selbst als der Rand ringsum die Belegung noch nicht gefirnilst war, vollkommen brauchbar. Sie nahmen eine starke Ladung an, und führten bei oft wiederholten Versuchen unverändert zu dem Resultat, dafs, bei gleicher Ladung, die Schlagweite grölser und die. Erwärmung im Schliefsungsbogen geringer ist als bei einer eben so dicken Glastafel. Ich übergehe fernere Versuche, die ich mit sogenannten Patentgummi, Wachstafeln und anderen Substanzen angestellt, da es mir nach diesem einen Resultat nicht mehr zweifelhaft zu sein scheint, dafs die Natur des Isolators wirklich einen Ein- fluls auf die elektrischen Entladungen seiner Belege ausübt. Ich glaube auch, dafs alle die Versuche, welche Faraday und Andere über sogenannte Capacität, Durchdringlichkeit, spe- cifisches Inductionsvermögen u. s. w. der Isolatoren angestellt haben, nicht besser und erfolgreicher wiederholt und weiter geführt werden können, als wenn man aus solchen Substanzen Frank- lin’sche Tafeln bildet und die Phänomene ihrer Entladung studirt. Schliefslich mufls ich noch eines Widerspruchs gedenken, der, — wenigstens scheinbar, — zwischen meinen Beobachtun- gen und der Theorie besteht. Nach der mechanischen Wärmetheorie, wie sie im Jahre 1852 von Glausius auf die elektrische Entladung angewandt worden ist, heilst es: Die Summe aller durch eine elektrische Entladung her- vorgebrachten Wirkungen ist gleich der dabei einge- tretenen Zunahme des Potentials der gesammten Elek- tricıtät auf sich selbst. Und indem Clausius diesen Satz auf eine kugelförmige Leyd- ner Flasche und eine kreisförmige Franklin’sche Tafel anwen- det, findet er, dafs bei beiden Apparaten die Wärme -Entwick- lung, unter sonst gleichen Umständen, direct proportional ist der Dicke des Isolators (oder vielmehr dem gegenseitigen Ab- stand der Belege), wenn man nämlich die höheren Potenzen der Dicke vernachlässigt; allein selbst wenn man diese berücksichtig ist, zufolge der Theorie, die Zunahme der Wärme mit steigender Dicke noch immer eine sehr bedeutende. 172 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Ich habe das Wärme -Verhältnils nach seiner Formel bis zur Sten Potenz der Dicke berechnet für eine kreisförmige Ta- fel von 10 Zoll oder .270 Mllm. Durchmesser und respective 1, 3 und 10 Mlim. Dicke, Verhältnisse, die denen meiner quadra- tischen Tafeln mit abgerundeten Ecken wenigstens nahe kommen. Berücksicht man blofs die erste Potenz der Dicke, so würde die Wärme in den drei Fällen also wachsen wie 1:3:10, und geht man bis zur dritten Potenz wäre das Verhältnifs 0,99: 2,90: 8,97, also immer noch ein sehr steigendes. Unmöglich hätte mir ein solches entgehen können, wenn es wirklich stattgefunden bei meinen Beobachtungen, die im Gegentheil bei dem Übergange von der einfachen zur drei- fachen Dicke eine Abnahme der Wärme um fast die Hälfte ergaben. Wie ist nun dieser Widerspruch zu erklären? — Ich wage nicht, mich schon jetzt entscheidend darüber auszusprechen; aber ein Grund zur Differenz liegt wohl darin, dals die Theorie die gesammte Wärme-Entwicklung in dem ganzen Appa- rat betrachtet, das Experiment dagegen nur die Wärme in dem Schlielsbogen, oder vielmehr in einem constanten Theil dessel ben milst. Soll aber dieser Umstand zu einer befriedigenden Erklä- rung führen, so muls man zugleich annehmen, dafs, aulserhalb des metallischen Schliefsungsbogens, noch sonst irgendwo eine beträchtliche und nach Dicke und Natur der Tafel veränderliche Wärmemenge entwickelte werde, also auf den Belegen, im Iso- "lator oder im Entladungsfunken. Eine Wärme-Entwicklung auf den Belegen, wenn sie auch sehr gering sein mag, kann wohl nicht zweifelhaft sein, da daselbst die Elektricität während der Entladung in Bewegung ist; aber durch den Isolator geht keine Elektricität, sie dringt höchstens etwas ein, und im Ganzen genommen findet darin blofs eine vertheilende Wirkung, eine Influenz statt. Darf man nun annehmen, dals diese influencirende oder vielmehr de-influencirende Wirkung, diese Rückkehr der Theil- chen aus einem polarisirten Zustand in einen indifferenten, mit Wärme-Entwicklung verknüpft sei? Man könnte dafür die vom 24. April 1865. 173 ‚neuerlichen Beobachtungen von Siemens ') anführen, wiewohl dabei die Wirkungen der Influenz und De-Influenz nicht ge- schieden sind. — Indefs, bevor man darüber in einem oder dem anderen Sinne entscheidet, ist es wohl rathsam, den Antheil des Entladungsfunkens an der gesammten Wärme-Entwicklung zu er- mitteln, was ich einer Fortsetzung dieser Arbeit vorbehalten habe. Endlich zeigte derselbe einen von dem Partikulier, Hrn. Holtz, hier in Berlin, erfundenen und con- struirten Apparat vor, den man Influenzmaschine nennen könnte. Der Zweck dieses Apparates besteht kurz darin, mittelst Influenz eine Elektricitätsmenge zu erregen, die gröfser ist als die, welche die influencirende Wirkung ausübt. In der ein- fachsten Form besteht er aus einer festen Glasscheibe, welche auf der einen Seite mit einer geraden Anzahl von Stanniolsec- toren beklebt ist, die von einer kleinen Elektrisirmaschine der Reihe nach gleichzeitig positive und negativeElektricität empfangen. Vor dieser Scheibe, auf der Glasseite, befindet sich eine zweite Glas- scheibe, versehen mit eben so vielen Stanniolsectoren, die in schnelle Rotation versetzt wird. Indem nun diese Sectoren, die einer um den andern durch zwei Stannielringe mit einander verknüpft sind, vor den festen vorübergehen, wird aus ihnen durch Influenz abwechselnd positive und negative Elektricität ausgetrieben und von zwei Einsaugern aufgenommen, mittelst welcher man sie dann fernerweitig verwenden kann. Die ver- stärkende Wirkung dieses Apparats, der bisher noch nicht zur grölsten Vollkommenheit gebracht ist, zeigt sich unverkennbar in dem mit ıhm zu erhaltenden Funkenstrom, in seiner Kraft, Flaschen und Batterien zu laden, und in der Entwicklung der Licht-Erscheinungen im Vacuo, in welchen Wirkungen er dem Inductorium ähnlich ist. Er übt auch chemische Wirkungen aus, aber begreiflicherweise nur sehr schwache, ähnlich wie der, welcher vor mehr als 20 Jahren, Hrn. Holtz unbekannt, von dem Engländer Goodman in Birmingham alleinig zu die- *) Monatsbericht d. Akad. 1864 S. 614. 174 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sem verfehlten Zweck construirt wurde '), zwar in der Haupt- sache nach demselben Princip, aber doch mit einer wesentlich verschiedenen und sehr unvortheilhaften Anwendung desselben. Hr. Kronecker trug eine Mitiheilung des Hrn. Prof. Dr. Lipschitz in Bonn vor: Über die asymptotischen Gesetze von gewissen Gattungen zahlentheoreti- scher Functionen. Den Gegenstand dieser Mittheilung bildet eine Methode, welche dazu dient, die asymptotischen Gesetze von gewissen Gattungen zahlentheoretischer Functionen zu erforschen. Wenn f(x, &z, ... x,) eine rationale ganze homogene Function der v veränderlichen Gröfsen &,, &3, -.. x, darstellt, die vom Grade g ist und ganzzahlige Coefficienten hat, wenn ferner m eine beliebige positive ganze Zahl bedeutet, so fassen wir alle Combinationen derjenigen Werthe x,, x, ... x, zu- sammen, welche die Gleichung (1.) Eh, aa a) ar befriedigen, den Ungleichheiten (2.) C;,>1,0,>%,...0,>0 genügen, und zugleich ganze von einem gemeinschaftlichen Theiler freie Zahlen sind. Hier bezeichnen C,, C,, ... €, rationale ganze homogene Functionen der Grölsen x ,, &3, :.. x, mit ganzzahligen Coefficienten und von der Beschaffenheit, dafs für jedes gegebene m die Anzahl der in Rede stehenden Werth- combinationen eine endliche ist. Diese Anzahl wird $(m) ge- nannt werden. Denkt man sich nun, dals &,, &3, ... x, nicht allein ganz- zahlige sondern beliebige reelle Werthe erhalten, und achtet auf den Complex der sämmtlichen Werthcombinationen, welche die Bedingungen ‘) Sturgeon, Annals of Electricity, Vol. VI. (1841) p. 97. vom 24. April 1865. ) 175 (3.) 0,0,>%,...0,>0 erfüllen, so treten zwei verschiedene Fälle hervor. In dem er- sten Falle enthält der Complex nur solche Combinationen, bei denen alle Gröfsen &,, &%3, ... x, innerhalb endlicher Grenzen bleiben, in dem zweiten Falle dagegen auch solche Combinatio- nen, bei denen einige der Grölsen &,, &g, ... x, jede Grenze überschreiten. In dem Falle (I) ist es einleuchtend, dafs das durch die Ungleichheiten (3.) unter Einführung des Werthes m=1 bestimmte vfache Integral (4.) Sax, dx, ... dx, einen endlichen Werth hat, in dem Falle (II) wird dies von uns als Bedingung aufgestellt; der Werth dieses Integrals möge in beiden Fällen 4 heilsen. Ferner beschränken wir gegen- wärtig die Voraussetzung (II) ın der speciellen Weise, dals v = 3, (1...) fan & %)=x, 2% — 22 sei, und die Ungleichheiten (2.) die Form (2, .) a) K wird. Die Principien der Integralrechnung gestatten, die Func- tion Y(k, m) vermöge der Gleichung e re v u v—i (7.) le det ) abzuschätzen, wo A nach der obigen Definition das Integral (4.), a eine angemessen gewählte Constante, und e eine beliebige zwischen —1 und +1 liegende Gröfse bedeutet. Indem nun in die rechte Seite von (6.) statt P(k, m) zunächst der Aus- 1 v m u - ö - druck A = eingesetzt wird, entsteht die Reihe (8.) Am 1—T’— 3’ + 6” Eu) welche abbricht, wo die zur — vten Potenz erhobenen Zahlen die Zahl X übertreffen. Weil v mindestens =2 ist, so con- vergirt die unendlich ausgedehnte Reihe Den = FIT ER. und ıst dem auf alle Primzahlen bezüglichen unendlichen Pro- duct 1—2°’)(1—3"")..., wie auch dem Ausdruck 1 sin) gleich, wo die Summation denselben Umfang hat, wie die gleichnamige in der Gleichung (5.). Offenbar ist der numeri- sche Unterschied zwischen der endlichen in der Klammer von (8.) auftretenden und der betreffenden unendlichen Reihe klei- ner als die Summe Se, folglich auch kleiner als der Werth > K-+1 178 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse —_- v1 a u a | —y+1 K m 5 . Also weicht der Werth vo des Ausdrucks (8.) von dem Werthe c oder der Werth v_ (9.) —_ 1 höchstens um eine Grölse von der Ordnung mag ab. Fügen wir nun auf der rechten Seite von (6.) an der Stelle 1 v von Y(k, m) zu dem angenäherten Werth 4°) die Cor- 1 8 v—1i m D o . rectur a ) hinzu, so entsteht eine numerische Grenze für die Summe der Correcturen, indem alle Gröfsen = durch + 1 ersetzt werden. Diese Grenze ist der Werth der Reihe v—1 (10.) am ga (Hr HIT ’t +...) welche dieselben Zahlen wie die Reihe (8.) enthält. Der Werth von (10.) ist jedenfalls kleiner als der Werth des Ausdrucks v-iK am g 3s""*', wo s die natürliche Zahlenreihe durchläuft. Da 1 K aber die Summe 3s7"*!, sobald vZ3 ist, unter einer von X 1 unabhängigen Grenze bleibt, dagegen, sobald v=2 ist, mit X so wächst, wie die Function logÄ d.ı. wie die Function 1 2 5 EZIrK, a — log m, so ist der Ausdruck am g 3s""*' bei vZ3 von der 1 v—i 1 Ordnung m 8 , bei v=2 von der Ordnung mg log m. Also ist der Werth von (10.) allemal von höherer Ordnung als der Unterschied zwischen der Reihe (8.) und dem Ausdruck (9.). ' Hieraus folgt unter der Voraussetzung (IT) die Gültigkeit der Gleichung Am ®(m) = Sen vom 24. April 1869. 179 und zwar, je nachdem v3 oder v=2 ist, bis auf eine Grölse v—1 1 von der Ordnung m sg oder mg log m.. Es bleibt übrig, die Voraussetzung (Il) in Betracht zu ziehn, durch welche sich die Ungleichheiten (3.) in die Gestalt (3. -) 0 = wird. Dies Resultat entspricht vollkommen dem für den Fall (I) gefundenen Geseize. \ Um einen überall endlich begrenzten Raum 7“'’ zu be- stimmen, in dem alle Punkte liegen, deren Coordinaten den Ungleichheiten (3,) genügen, und ganze Vielfache einer ganzen Zahl % sind, reicht es aus, zu (3,.) die Bedingung 180 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse k_x am (3) hinzuzufügen. Durch eine einfache Rechnung findet man für den Inhalt des Raumes ZX!’ den Ausdruck 4 (12.) = me (2- arc sin 5 = ) - und für das innerhalb des Raumes 7Z') liegende Stück der Ebene x,;,=0 den Werth (13.) m log 2, Da der Raum 7“'’ ın den Raum 7 übergeht, wenn man 2 die Gröfse — gegen die Null convergiren läfst, so zeigt die Formel (12.), dals der Raum 7’ einen endlichen Inhalt hat, und liefert durch die Substitution n =1 den Werth des Inte- grals (4.) [>>} Tr (14.) A = 9° Nimmt man alles bisherige zusammen so ergiebt sich zur Schätzung der Function Y(%, m) die Gleichung z 1 aa (15.) Y(k,m)=A4A + ea 7 = Jog a bei der = und a die zu (7.) erklärte Bedeutung haben. Mit Hülfe von Schlüssen, die den früher angewendeten ganz analog sind, folgt alsdann, dafs die Gleichung 3 Am? (5, .) Sm) bei der Voraussetzung (II) bis auf eine Gröfse von der Ord- nung m log m richtig ist. vom 24. April 1865. 181 Nachdem die Gleichung (5.) sammt der Angabe des Grades ihrer Genauigkeit strenge bewiesen ist, lehrt eine von Dirichlet angewendete Betrachtung '), dafs der mittlere Werth der Func- tion 3, der Bruch = = wenn v=2, 1 1 1—— — der Bruch zur: im Falle II der Bruch 2 2 ge- gen die Null convergirt. Wählt man unter den Werthcombinationen, deren Anzahl $(m) genannt worden ist, diejenigen aus, bei welchen jede der Zahlen &,, &g, ... x, durch eine gegebene Primzahl g ge- theilt einen vorgeschriebenen Rest liefert, und nennt die An- zahl dieser Werthcombinationen x(m), so ergiebt sich das Co- rollar, dafs der mittlere Werth von x(m) in dem so eben für (m) präcisirten Sinne asymptotisch durch die Formel 1 A v re Peizrg . (17.) ausgedrückt wird. Wir werden jetzt von den gefundenen mittlern Werthen der Functionen &(m) und x(m) einige Anwendungen machen. Es seı erstens f(x,, &2, ... x,) eine quadratische Form mit v Varıabeln 1) Über die Bestimmung der mittlern Werthe in der Zahlentheorie. Art. 5. [1865.] 15 182 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse (18.) ac Hari hazaat...+a,,”, welche nur positive Werthe darzustellen fähig ist, die Discri- minante derselben (19) I Ea1022...0,,=4. Nach der Natur der Sache genügen hier der Forderung (20.) a,ızı #...+a,,a? Sm nur endliche Werthe &,, &3, ... x,. Es möge also (m) die Anzahl derjenigen Darstellungen der Zahl »» durch die in Rede stehende Form bedeuten, bei denen x,, &;, ... x, keinen ge- meinschaftlichen Theiler besitzen. Dann ist das Integral (4.) nur durch die Ungleichheit (20.), in der m=1 gesetzt wird, bestimmt, und erhält, wenn man den Fall eines geraden und eines ungeraden v durch den Gebrauch des schon oben ange- wendeten Zeichens [| ] zusammenzieht, den folgenden bekannten Werth: N le (21.) d4= lee (+7) Somit liefert die Formel (16.), indem g=2 gesetzt wird, die- sen Ausdruck für den mittlern Werth von &(m) learn 2 Die zweite Anwendung der entwickelten Methode bezieht sich auf die Anzahl %(m) der Classen von binären quadratischen (22.) eigentlich primitiven Formen (a, d, c) von der negativen De- terminante 5 — ac=— m. Nach Gauls heissen diejenigen von diesen Formen reducirt, deren Coefficienten die Bedingungen (23.) 00, a—2b5b+c<0 ac<ı0, jene Bedingungen folgen, so sind die Ungleichheiten (25.) ge- eignet, die Bedingungen zu ersetzen. Wenn wir uns nun er- lauben, eine quadratische Form von quadratischer Determinante reducirt zu nennen, sobald die Ungleichheiten (25.) mit Ein- schluls der Gleichungen (26.) a+25b+c=0 a—2b+c=0 e=\, c=0 erfüllt sind. (bei einer nichtquadratischen Determinante können die letztern (26.) nie befriedigt sein), und nach der Analogie mit dem Frühern in das System reducirter Formen ') nur die Hälfte der Formen aufnehmen, für welche die Gleichungen (26.) gültig werden, dann ist %’(m) die Anzahl der Auflösungen der Gleichung 6? — ac=m, bei denen die Zahlen a, 6, ce den Be- dingungen at2!b+c20, a—2b+cSt0, ace_V 1) Aus disq. arithm. art. 207 u. ff. kann man leicht den Satz ablei- ten, dals jeder beliebigen Form von quadratischer Determinante eine Forın dieses reducirten Systems äquivalent sein muls. vom 24. April 1869. 185 genügen, keinen gemeinschaftlichen Theiler haben und nach dem Modul 2 nicht das Restsystem a=0, 5=1, c=0 darstel- len, jedoch so, dafs im Falle der eintretenden Gleichheitszei- chen die halbe Anzahl der betreffenden Auflösungen zu zählen ist. Der mittlere Werth der Function %’(m) kann demzufolge auf Grund der ad (I) geführten Untersuchung ermittelt wer- den; sobald für das durch die Ungleichheiten 2 — 2,0%, <1, 2, +22 +%3>0, AH —2R%g HR, <0, XıR, u”mM- Selm + M>XZZ > >Z -- N1TmMNTT-TIpz-- ZzZmz>-bm> >MPpOO>>>rTMmDpJ4 <AmM >>ZORT< zZ. ozzmom D 2x>T7smm n Sdassz A | 225T” zb> =. eg: Fr - m—> --Zmnm>32 mzHis2>— 2mMMmXxOo ZZM- Ss>Z- JI-Mn> 2MOT7JOHJ4M>07 zMmMmMo-mAx: — >= >OMNO>OM ae >2-41m<-Z ZUMM> z Die Lesung ist überall sicher und aus dem Vorhandenen ergeben sich die für den Sinn nothwendigsten Ergänzungen mit Leichtigkeit. Ich stelle demnach das Ganze her wie folgt: 211 vom 27. April 1865. > [roa]aoyı »fr2] U SIE RE SE [X] Skoannengfö[los] * * ° Se ae ee ERODFO Be en 114 shonwo[»ı]] " * ° Swan o.. aus ae) ee 1»2[»]roy AV/ 1011 set =. -.=-- eoe ---- 2007 Soy1.0.00ö]] UV az] ° ° = -- 00: --- 01. sonz IIHIIV anandn[ W] -un--t00 ont mot IAIIV Pivz »aforg]°°° [02] -AUNm2 Nor 029 amarl ag ür alKovun ahz a[»02£3 wınormdı 10 „uKow 54100201] 4‘ De NREG {2} 67 Pa x (3 v Je Cl > n (3 0 -d2 10% Shıdmısı Sur 103 ‚anawmririodks so[ 3 a er IE -] 'G x 7 w \G N < v nv l .oo6o oo oe Suvs2gL01dy, .nsohynp Shıporoıoy, ‚SL vg © vaısg 0] ee © .Snsı] ‚SnzaoKy, Shasriokdy, ‚nzguyachsy] sugı% [0% ae -12990]] solx]rogj3%Sr „SkomvIp SOXngH, ‚ag °° * waısg 0 .awoh wir oauvg,] l 1 “AMY, SIOWaugy, 29 3Koh ‚enszwririw[öhe soımöz wazg © Do) k Shynog] Ska 12] Als Böckh und Rangab& es unternahmen, die Tribut- listen im Zusammenhange zu behandeln, waren es namentlich zwei Fragen, welche den Scharfsinn der genannten Gelehrten beschäftigten, ohne dals sie bei dem gänzlichen Mangel sicherer Anhaltepunkte zu einer übereinstimmenden Entscheidung gelangt Ich meine die Zeitbestimmung dieser Listen und das waren. as Über beide Punkte mufsten in den Über- Verhältnils der in denselben aufgeführten Tributquoten zu den vollen Tributsummen. 212 Gesammtsitzung schriften der einzelnen Listen Angaben enthalten gewesen sein, allein es schien über den bis dahin bekannt gewordenen Über- resten derselben ein eigner Unstern gewaltet zu haben, welcher gerade die Überschriften in sehr fragmentirtem Zustande auf uns kommen lief. Mit um so grölserer Freude mufs das neue Bruchstück begrülst werden, welches, indem es die Überschrift im Wesentlichen vollständig enthält, uns gestattet, jene beiden Fragen definitiv zu entscheiden, und also den Schlüssel für jene ganze wichtige Classe von Dokumenten enthält. Die Überschrift nennt zuerst die Eponymen des Jahres, den Schreiber der ersten Prytanie, dessen Name verloren ge- gangen ist, und den Archon; Spuren ähnlicher Bestimmungen haben sich auch in anderen Bruchstücken erhalten. Der Name des Archon, Aristion, ist anderwärtsher bekannt, derselbe bezeichnet Ol. 89,4 = 421 v. Ch. Es steht aber ferner nach den Untersuchungen Böckh’s fest, dafs diese Listen nach einer Finanzbehörde von jähriger Amtsdauer von einer bestimmten Epoche ab gezählt wurden. Da nun ferner aus Z.5—6 (£mı rys Teragrns Ha relı@zosrjs @ox,ys]), über deren Herstellung ein Zweifel nicht obwalten kann, hervorgeht, dals die vorstehende Liste in dieser Ordnung die 34. war, so ist damit zugleich die Zeitbestimmung für alle übrigen gewonnen, indem die erste in Ol. 81,3 = 454 v. Ch. fällt. Rangabe, welcher aus paläo- graphischen Gründen als erstes Jahr Ol. 82,1 — 452 v. Ch. annahm, war also der Wahrheit sehr nahe gekommen; etwas später, nämlich Ol. 83,2 = 447 v. Ch., setzte dasselbe Böckh. Dagegen werden die von dem letzteren bei Gelegenheit der Er- wähnung der thracischen Städte gegen die Rangabe’sche An- ordnung der Reihenfolge der Bruchstücke erhobenen Bedenken durch die neugewonnene Zeitbestimmung nicht beseitigt. Z.2—5 folgen eine Reihe von Eigennamen mit den De- menbezeichnungen, offenbar die Mitglieder einer Behörde, und dem jetzt verlorenen Namen des Schreibers derselben am Ende. Nach der Analogie der übrigen Listen ist man geneigt, diesel- ben für die Hellenotamien zu halten, und diese Vermuthung gewinnt an WVahrscheinlichkeit von einer andern Seite her. Nimmt man nämlich, wie ich diefs (ebenfalls nach Analogie an- derer Listen) gethan habe, an, dafs zu Anfang der zweiten Zeile vom 27. April 1869. 213 die Bezeichnung der Behörde, also ‘Erryvoranicı Ycav, gestan- den habe, so bleibt, den Schreiber ausgenommen, gerade für 40 Eigennamen Raum, und dafs die Zahl der Hellenotamien 10 gewesen sei, ist eine alte Vermuthung. Über die Worte !r: TS Teragrng am rolıanosshs aoyns] (Z. 5—6) ist bereits die Rede gewesen, unter der Behörde hat man nach Böckh die in den übrigen Tributlisten als ci rgdzovr& bezeichneten Logisten zu verstehen. Auch der Angabe dieser Behörde pflegt sonst der Name des Schreibers beigefügt zu sein in dieser Form (im: r7s . doXs) n 6 dsive Eypanaarevs, allein hierfür reicht der Raum nicht aus, zumal da die folgenden erhaltenen Worte ein sie regierendes Verbum verlangen. Ich habe daher angenommen, .der Schreiber sei nicht genannt gewesen, wie diels übrigens auch in der Liste vom 18. Jahre (nach Rangabe, dem 28. nach Böckh) nicht der Fall gewesen zu sein scheint, und mache im Allgemeinen nur noch auf die Unregelmälsigkeit aufmerksam, mit welcher die Überschriften dieser Listen überhaupt abge- falst sind. Was die Ausfüllung der Lücke anlangt, welche auf diese Weise vor den Worten ... .v ryv amRayv rn Iew uv&v amd roü zaravrov bleibt, so kann über dieselbe wenig Zweifel sein: der Inhalt des Vorhandenen und die Vergleichung der im Wesent- lichen erhaltenen Überschrift der Liste vom 1. Jahre ([r«öe ro0 ebögou Tou magc] [av] "EPArvorJauwv I [srav ATapyRS N "ASyveig oi] re@xo[vr«] nach der Restitution von Böckh, wel- che jetzt in Kleinigkeiten modificirt werden könnte) in Verbin- dung mit dem offenen Raume machen die im Text gegebene Herstellung: [ei razovr« &Iesa]v #7%. nicht wahrscheinlich, son- dern nothwendig; man vergleiche über die Stelle, welche die ze:czovre in derselben einnehmen, die Ausführungen Böckh’s S. 584 f. des betreffenden Bandes der Staatshaushaltung. Die Aufschlüsse, welche diese Worte uns gewähren, bil- den abermals eine höchst willkommene Ergänzung zu den Ar- beiten von Rangab& und Böckh, indem sie die Resultate der- selben theils bestätigen, theils berichtigen. Bestätigt wird zunächst die Vermuthung der beiden Gelehrten, dafs die bisher unter dem Namen der Tributlisten zusammengefalsten Inschriften mit [1865.] 17 214 Gesammitsitzung Ausnahme der wenigen von Böckh in der zweiten Classe be- handelten Bruchstücke nicht Rechnungsablagen über die von den Bundesgenossen gezahlten Tribute selbst, sondern nur über Quoten derselben sind, welche als Weihgeschenke an die Stadt- göttin, unter deren Schutz die Bundeskasse seit ihrer Verle- gung von Delos nach Athen stand, in den besonderen Tempel- schatz derselben gezahlt wurden. Welches war nun aber das Verhältnifs zwischen den Tempelquoten und den vollen Tribut- summen? Von der Beobachtung ausgehend, dafs die Tempelquoten mit 12 multiplicirt runde Summen geben, nahm Böckh an, dieselben seien der Zehnte einer monatlichen Rate und also mit 120 zu multipliciren, um auf die vollen Tributsummen zu kom- men. Böckh war auch hier auf dem rechten Wege, so wie überhaupt die betreffenden Untersuchungen in seiner Staatshaus- haltung, obgleich die Resultate derselben nach dem neuen Funde zu modifiziren sind, immer ein glänzendes Beispiel dafür blei- ben werden, was historische und philologische Kritik von einem eminenten Geiste geübt, selbst wo alle positiven Anhaltspunkte zu fehlen scheinen, zu leisten vermögen. Nach dem neugefun- denen Fragmente dieser Listen betrug die aragxy an die Göt- tin wv@v amo ToO raAcvrov, eine Mine von jedem Talent, wel- ches an die Bundeskasse gezahlt wurde, d. h. den 60. Theil der vollen Tributsummen. Man ist also in den Stand gesetzt, die Tribute einer grolsen Anzahl griechischer Städte sicher zu be- rechnen, und, da dieselben nothwendig im Verhältnifs gestanden haben müssen zu den materiellen Hülfsquellen der letzteren, auf diese Rückschlüsse zu machen. Nun hat allerdings Böckh einen Beweis für die Richtigkeit seiner Berechnung darin zu finden geglaubt, dafs die von ihm vermöge derselben gefunde- nen Summen ungefähr stimmen mit den Summen, welche die vollen Tributlisten bieten. Allein dieser Beweis hält nicht mehr Stich. Von den Listen der Tributsummen nämlich ist nur eine hinreichend vollständig erhalten, um eine derartige Controlle zu gestatten. Diese kann, da in ihr die Melier tributpflichtig ge- nannt werden, nach Böckh’s eigener Bemerkung nicht vor | Ol. 91,1 = 416 v. Ch. gesetzt werden. Böckh hat daher die Überschrift derselben in folgender Weise ergänzt: | vom 27. April 1865. 215 SENSE > m 5 [em rs aoXis Frs] Sfevrigas zar TgLazorTys] #7R. ° welches nach seiner Berechnung eben Ol. 91,4 sein würde. Da aber nach der jetzt gefundenen Zeitbestimmung die 32. ax auf Ol. 89,2 = 423 v. Ch. und also zu früh fallen würde, so wird vielmehr so ergänzt werden müssen: [im r7s .aoyis r#s] ö[evreges PN Tersagazortys] und die Liste in das 4. J. der 91. Ol. = 413 v. Ch. zu setzen sein; auf eine historische Schwierigkeit, welche durch eine solche Ergänzung scheinbar entsteht, kann ich der Kürze wegen hier nicht. weiter eingehen '). Nun ist überliefert, dafs um das J. O1. 89,3 = 422 die Tribute der Bundesgenossen um das Doppelte, d. h. von 600 Talenten auf beinahe 1300 Talente erhöht wurden (Böckh im C. I. p. 113. Staatsh. I. 525. Curtius G. G. I. 508. II. Aufl.). Da aber ferner die bis jetzt bekannt gemachten Listen von Tempelquo- ten, welche in ihrem jetzigen Zustande überhaupt datirbar sind, alle vor Ol. 89, 3 und also vor die Erhöhung der Tribute fal- len, so hätten, falls die Böckh’sche Berechnung richtig wäre, die vermittelst derselben gewonnenen Zahlen den in. der Liste der vollen Tributsummen enthaltenen nicht gleichkommen dür- fen, sondern ohngefähr die Hälfte derselben betragen müssen. Und dieses Verhältnifs stellt sich heraus, wenn man die Tem- pelquoten mit 60 multiplicirt. So zahlen die Bewohner von Paros eine Tempelquote von 1620 dr., gleich einer Tributsumme von 16 t. 1200 dr., während sie in der Tributliste von Ol. 91, 4 mit 30 t. angesetzt sind. So zahlen die Bewohner von Andros (wenn die Rangabe@’sche Reihenfolge überall richtig ist) Ol. 81, 4 600 dr. Tempelquote = 61. Tribut; Ol. 82, 2 1200 dr. Tem- pelquote = 12 t. Tribut; Ol. 83, 4 und in einer späteren Liste unsicheren Datums sind dieselben wiederum herabgesetzt auf die Quote von 600 dr. = 6 t. Tribut; nach der Tributliste von Ol. 91,4 zahlen sie eine volle Tributsumme von 15 t. Dage- ") Weder die eine noch die andere Ergänzung kann richtig sein. Beide Versuche gehen von einer irrigen Vorstellung aus; die der Liste vor- angehenden Reste gehören vielmehr einem Psephisma an. A. K. la 216 Gesammtsitzung gen zahlen die Bewohner von Ios sowohl nach den Listen der Tempelquoten als nach der Tributliste von Ol. 91,4 einen Tribut von 1 t., welcher nur auf eine kurze Zeit auf 840 dr. herabgesetzt gewesen zu sein scheint; diesen also war der Tri- but nicht erhöht worden, was auch in Betreff einiger anderer Staaten fest steht. Denn daran, dafs der Betrag der Tempel- quote immer derselbe, nemlich 1 Mine pro Talent, gewesen sei, ist meines Erachtens nicht zu zweifeln. Es spricht dafür schon die Bestimmung dieser Gelder als Weihgeschenke, an diesen etwas zu ändern würde dem religiösen Sinne des attischen Vol- kes als ein Vergehen gegen die Göttin erschienen sein. Daher denn auch in dem bekannten Volksbeschlufs zu Gunsten der Methonäer, durch welchen dieselben für «rer.eis erklärt werden, von dieser Atelie ausgenommen wird ösov sh Teu dmo od bo- gov Zyryvero, dieses sollen sie nach wie vor zahlen. Nun könnte es allerdings auffallend erscheinen, dafs in den früheren Listen Spuren dieser Bestimmung sich nicht finden, allein wie bereits bemerkt sind gerade die Überschriften derselben sehr unvoll- ständig überliefert und stimmen in der Form wenig überein; aulserdem glaube ich aber auch derartige Spuren in der That gefunden zu haben und zwar in der Überschrift der Liste des ersten Jahres, deren letzte Worte ich so ergänze: ... [im "Agirrwvos a]oxovros PASyv]aros nu[ev &m0 ToÜ TaravroV]. Von der Liste der Städte selbst ist nur der Anfang der letzten Spalte rechts vollständig, von der vorletzten einige Städtenamen ohne die Angaben der Quoten erhalten. Diese wenigen Überreste genügen indels um erkennen zu lassen, dals die Städte nach Provinzen geordnet waren, so dals die letzte Spalte die thrakischen, die vorletzte die jonisch-karischen, wel- che also hier wie auch ın andern Listen vereinigt waren, um- falsten. Damit stimmt nun sehr gut, dafs nach den für die Überschrift vergeschlagenen Ergänzungen links aulser den An- gaben der Quoten der karisch-jonischen Städte gerade noch für ‘zwei Spalten Raum bleibt, diese werden die nesiotischen und hellespontischen Staaten enthalten haben. Die von den jonisch-karischen Städten erhaltenen Namen sind sämmtlich aus früheren Listen bekannt und ihre Herstel- lung sicher, mit Ausnahme des an dritter Stelle genannten Na- vom 27. April 1865. 217 mens, wo mit gleichem Rechte [Typ]ro: [Hve]vıcı oder [Kav]- vıos ergänzt werden kann. Von den thrakischen Städten der Liste war aus anderen Li- sten bisher nur &ivos bekannt, nach Böckh im Städte-Ver- zeichnils die von Herodot Zıwöos, von Stephanus Byz. ZivIos genannte Stadt am thermäischen Meerbusen. Dieselbe scheint früher eine Quote von 25 dr. = einem Tribut von 1500 dr. gezahlt zu haben, muls also vor Ol. 89, 4 herabgesetzt worden sein, da sie in der Liste dieses Jahres mit einer Quote von 43 dr. 20. = einem Tribut von 800 dr. erscheint. Die darauf folgende Stadt Ig&soın.os wird aufgeführt von Stephanus Byz. unter der Form Tlod&ı%Ros’ morıs Mazedovias. 0 29vimov Ilge£i- Aros; sie zahlt nach der Liste eine Quote von 15 dr., was einen "Tribut von 900 dr. ergiebt. Die beiden übrigen Städte, TPI- IIOAI und KAM«KAI, sind meines Wissens unbekannt, wahr- scheinlich aber ebenfalls in Macedonien zu suchen; den gerin- gen Tributen nach zu urtheilen, die sie zahlen, die erstere 800 dr., die zweite 600 dr., müssen es unbedeutende Orte ge- wesen sein. Ob übrigens diese Liste noch vor die oben er- wähnte Erhöhung der Tribute falle, läfst sich bei den unbedeu- tenden Überresten derselben nicht entscheiden. Von singulärem Interesse ist die Inschrift der Rückseite. Dieselbe sieht auf dem Steine also aus: ...EZAIAEZIPAT..I MIZOONETELEZAN 5 HH EP®AIZTIEZ S H IMBP IOI ® MFFHIMYPINAIOI 2 z si (Leerer Raum.) 2 Se N Nach dem oben Bemerkten hat man sich den Stein nach links und nach oben hin unversehrt, nach rechts und nach unten hin 218 Gesammtsitzung abgebrochen zu denken. Zu Anfang der ersten Zeile sind drei Buchstaben durch Beschädigung des Steines unkenntlich, es folgt EZAIAEZ, dann eine hasta, welche T gewesen sein kann, dann PAT, eine Lücke von zwei und nach derselben die kasta von einem dritten Buchstaben. Da weiterhin ein gröfserer lee- rer Raum bleibt, so mus die Zeile hier zu Ende gewesen sein. Das Übrige ist sicher und ich ergänze und lese wie folgt: [Her ]sıs ade o[r]o«r[:ov] WISFoV ErsAssav HH Hoaıszıns H "Iaßgıoı MHFHll Mvaweio: Es scheint diels die Fortsetzung der ersten Spalte der Vor- derseite zu sein '), von welcher ich vermuthet habe, dafs sie die nesiolischen Staaten enthielt. Die bier genannten Inselbe- wohner aber bilden nach der Überschrift eine aufserordentliche Rubrik, sie zahlen nicht &ogos sondern ergarıos Mıc9os, worun- ter vielleicht eine nur zeitweilige Abgabe für die Dauer des Krieges zu verstehen ist. Es ist bekannt, dals Lemnos und Im- bros von attischen Kleruchen besetzt waren, und als Kleruchen- staaten werden sie von Thuc. VII 57 zusammen mit Aegina und Hestiaea auf Euboea besonders neben den tributpflichtigen Staa- ten genannt. In den früheren Listen finden sie sich unter den tributpflichtigen Staaten und es scheint daher erst in der Folge ihnen durch einen Volksbeschluls eine güustigere Stellung ge- währt worden zu sein, ähnlich wie wir diefs in Bezug auf Me- thone gesehen haben; etwas Sicheres wird sich für jetzt kaum darüber ausmachen lassen”), Die Tempelquoten sind mit Aus- !) Nicht wohl glaublich, da die Analogie der anderen Steine es nicht wahrscheinlich macht, dafs die Vorderseite des vorliegenden die Listen nur eines Jahres enthalten haben sollte. A.K. 2) Zirparıov uıcdov halte ich für keine zulässige Ausdrucksweise. Wenn nach dem letzten | der Stein wirklich einen unbeschriebenen Raum zeigt, so ist die einzig mögliche Ergänzung des Überlieferten ohne allen Zweifel ofrJparf:2]:; im andern Falle liefse sich auch an e[r Jpar[ .wraıs] denken. Beides kommt auf dasselbe hinaus: die unter dieser Rubrik verzeichneten vom 27. April 1865. 219 nahme derjenigen der Imbrier, welche gleich ist, geringer als die der früheren Listen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Memoires de la societe de physique de Geneve. Tome 17,2. Geneve 1864. 4. v. Kokscharow, Materialien zur Mineralogie Ru/slands. 4. Band. Petersburg 1861. 8. Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart. Publikation 76 — 80. (Ayrer, Dramen, Band 1—5.) Stuttgart 1864—1865. 8. Alexander Schmidt, Hämatologische Studien. Dorpat 1865. 8. Compte rendu general des Travaux du Congres international de statis- tique. Berlin 1863. 4. Rechenschaftsbericht über die 5. Sitzungsperiode des internationalen sta- tistischen Congresses in Berlin. Band 1. 2. Berlin 1865. 4. Compte rendu de l’academie des inscriptions. Livr. 11. 12. Paris 1864. 8. Revue archeologique. Paris, Avril 1865. 8. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu München. 1865, Heft 1. Annalen der Kgl. Sternwarte bei München. 44. Band. München 1865. 8. Atti della societa italiana di scienze naturali. Vol. 7. Milano 1864. 8. (Cavedoni) Ze principali questioni riguardanti la numismatica giu- daica. (Modena 1865.) 8. Städte hatten wahrscheinlich den Strategen eines in der Nähe stehen- den Heeres Soldvorschüsse geleistet, welche ihnen dann auf ihren Tribut angerechnet wurden, weswegen dafür die Tempelquote abzuführen war. Es wird dies unter einer besonderen Rubrik darum bemerkt, weil die Zah- lung nicht unmittelbar an die Kasse der Hellenotamien geschehen war. A.K. —l— Monatsbericht . der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Mai 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer. 4. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Haupt las über das handschriftliche Tage- buch des Nürnberger Mathematikers und Astrono- men Johannes Werner, aus den Jahren 1506 bis 1521. Derselbe sprach über eine Sammlung handschrift- licher Briefe aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderte. Hr. W. Peters gab einen Nachtrag zu seiner Abhand- lung über Chiromys. Bei meinem Aufenthalt in London, ım April dieses Jahres, war ich so glücklich, ein neugebornes Exemplar von Chiromys zu erwerben, an welchem noch ein früheres Stadium des Ge- bisses zu beobachten ist, als das, welches ich vorzulegen die Ehre hatte. Nur die unteren Milchschneidezähne waren durch- gebrochen, hinter denen unter der Haut verborgen die Spitzen der bleibenden Schneidezähne und hinter diesen ein kleiner [1865] 18 222 Gesammitsitzung Atem Mai 1865. Wechselzahın liegt, welcher in seiner Form und Lage mehr dem oberen Eckzahn als dem zweiten oberen Schneidezahn entspricht. Sämmtliche Zähne des Zwischen - und Öberkiefers waren noch unter der Haut versteckt, nämlich der erste Wechselschneidezahn, die Spitze des bleibenden Schneidezahns, so wie der zweite Wechselschneidezahn und der Eckzahn, welche letzteren beiden ganz genau an Form und Grölse den bereits vorgezeigten des älteren Exemplars entsprechen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Abhandlungen der philologischen Klasse der bairischen Akademie. X, 2. München 1865. A4. Rendiconto dell’ accademia delle scienze fisiche e matematiche di Napoli. Fasc. 3—7. Napoli 1864. 4. Bulletin de lacademie royale des sciences de Belgique. no. 3. Bruxelles 1865. 8. The natural history Review. no. 18. London 1865. 8. The American Journal of science and arts. no.116. New Haven 1865. 8. Memoires de l’academie des sciences de Dijon. Annee 1863. Dijon \ 1864. 8. Annales de chimie et de physique. Mars. Paris 1865. 8. | Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. Band 19,, Heft 1. 2. Leipzig 1865. 8. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Band III, no. 1. Leip- | zig 1864. 8. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. XU,4. Berlin) 1864. 4. Scacchi, Polisimmetria dei eristalli. Napoli 1864. 4. Miklosich, Lexicon palaeo-slovenico-graeco-latinum. Fasc. VI. Vin-) dobonae 1865. 8. | Estatutos de la sociedad antropologica espafola. Madrid 1865. 8. Aristide Marre, Ze Talkhys d’Ibr Albanna publie et traduit. Rome 1865. 4. Kholäcat al Hissab, traduit et annote. ib. 1864. 8. Fr. Woepcke, Passages relatifs d des sommations de series de cubes‘ extraits de cing Manuscrits arabes inedits. ib. 1864. A4. A. Secchi, /ntorno ad alcuni avanzi di opere idrauliche antiche rinvei nuti nella citta di Alatri. Roma 1865. 8. Le scoperte spettroscopiche Discorso. ib. 1865. 8. Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 8. Mai 1865. 223 8. Mai. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Petermann las über einen alten arabischen Codex geschichilichen Inhalts von Abu Abdallah ben Muhammed ben Saläma el Qudäi. Unter meinen arabischen Handschriften findet sich No. IV ein geschichtliches Werk von einem wenig bekannten Autor, welcher gewöhnlich beit, genauer aber EVEN us nl Ele Jen R> ey &ollw 53 genannt wird. Der Bei- name (SLoß| bezeichnet nur den Stamm, zu dem er gehörte, welcher von „> „2 la xeluos abgeleitet, und bis auf „les zurückgeführt wird, also zu den echten und ursprüng- lichen Arabern gehört. Zwar wollen Einige den Stammvater oe. woo Xelaö von „As „> Axs ableiten, welcher von Zsma’el ab- . stammt, und somit zu den naturalisirten Arabern zu rechnen ist; aber diese Ansicht wird von den meisten arabischen Gelehrten verworfen. Dies wird in einer andern Handschrift meiner Samm- lung No. 201, welche aulser mehreren andern kleinen Schriften _ auch eine leider unvollständige, angeblich von ES) en ver- falste über die Stämme der Araber enthält, behauptet, und von oM> 5) in seinem biographischen Lexikon u. d. Art. be- stätigt, vgl. Wüstenfeld’s Register zu den genealogischen Tabel- len u. d.W. Codhäa. Dieser Stamm, welcher sich der oben genannten Handschrift zufolge in acht Zweige spaltete, von denen der dritte, AS genannt, wieder zwei Unterabtheilungen er- hielt, hatte ursprünglich seinen Wohnsitz in -y+2, und zwar an der Seeküste in dem District „=\%, zwischen ‚As und ges. Spä- ter beherrschten die Nachkommen des Qudä’a „6, von wo sie vertrieben in ;LS> einwanderten, und sich in &ılgi nieder- liefsen. Hier lebten sie unter den Kindern des Asa, was wahr- scheinlich die Veranlassung zu jener Verwechselung gegeben hat, vgl. Caussin de Perceval, Essai sur l’histoire des Arabes Tom.I. S.209. Nach einiger Zeit wurden sie genöthigt, von dort wieder auszuwandern, und zerstreuten sich nun nach ver- schiedenen Gegenden des Nordens und Ostens, in Syrien, Me- 18° 224 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sopotamien und es wo sie noch jetzt in einzelnen Geschlech- tern fortleben. Den Beinamen (£luoß)} führen mehrere arabische Autoren. Herbelot kennt zwar nur Einen, vgl. seine orientalische Biblio- thek unter dem Worte Codhaa, aber s&ul> „>> kennt drei derselben, deren Werke er anführt, nämlich: 4, sÜ} Due uf lat LEW ale Gesell wer eye aloe [3 Asa, und in Parenthese (Ib Jaäll L0D) ll) gest. 658 d. H. = 1259—60 p. Chr., von welchen er (Il. p. 236) ein historisches Werk unter dem Titel „OL x&=\, eine Nachahmung des ZU) 1; von 5 „| anführt. In demselben Bande p. 115 nennt er eine y £) Schrift ha} Kr, ein in alphabetischer Ordnung verfalstes Ver- zeichnils der berühmten Männer, als ein Supplement zu der histori- schen Bibliothek JS} X ay5 „5 Klaltdes als uläli satvon | Cordova, welche wieder nur ein Supplement zu des use AJS u) | tom. II. p. 16 etc. bestätigt. 2. za) Vu re Va> 4) gest. um das Jahr 570 | d.H. = 1174—5 n. Chr., von welchem H. Ch. zwei lexikalische Werke anführt, a. einen Commentar zu dem &&l} > Fa, | dessen Verfasser unbestimmt ist IV S. 444, und b. eine Schrift be- titelt All) VS. 374. 3. Der Letzte ist der Älteste. und Bekannteste unter ihnen, \ welchen H. Ch. daher öfter blofs mit seinem Beinamen (za) bezeichnet, gewöhnlich aber &sAw (5. u al us „| nennt. | In einer einzigen Stelle steht nach den Seläma noch, aber in Pa- renthese (II, 148) ‚&x> .„, an einer andern IV, 83. U) Que uf I N 6) Sur) 6 a} Geschichte von Spanien war. Als Autor | der Schrift LS} KA nenntH. Ch. U} Due 1.3 Ka Berger | (mut PS er) en) gest. 659 d. H. = 1260—1 n. Chr. Ob- | gleich hier der Beiname FLoS nicht angegeben ist, und das To- | desjahr nicht ganz übereinstimmt, so sehen wir doch aus der | Bezeichnung Bl ea dals es derselbe ist; auch wird dies durch | S. de Sacy Chrest. II. p. 325, welcher dieselbe Schrift unter dem Titel &Lo}} (> 2X anführt, und durch Casiri’s bibl. escur. | vom 8. Mai 1865. 225 > er wen > Kal 52 Aust, und an einer dritten IV, 293. „am 52 Kal 3 At all Ua ul, wo wahrscheinlich „o> nur Schreibfehler für „&x> ist. Am voll- ständigsten ist seine Abstammung bei Zön Chalikän vgl. Wüsten- felds Ausgabe fasc. 6. S. 111 u. f. Er nennt ihn: sl} Aus „5! er a) mo ei ‚7 WE RD en Kom en a RE) ln 152 ET Tydemann in dem Conspectus operis Chalicani L. B. 1809. 4°. p. 214. No. 595. setzt noch >| +52 hinzu, und nennt ihn Au>| 53 BEA) Jus 33) etc., be- merkt aber dabei, dals As>] ., in zwei Codd. fehle. Diesel- ben Worte fehlen auch in meinem Codex des „> ey) No. 661, B.C. Dieser umfalst das ganze Werk in drei zu verschiedenen Zeiten geschriebenen Bänden, deren erster, nur 51 Jahre nach dem Tode des Verfassers ım J. 732 d.H. = 1331—2 n. Chr. geschrieben die Biographien von 1—534, der zweite ohne Datum, aber aus nicht viel späterer Zeit, die von No. 420—692, der dritte von jüngerem, ebenfalls nicht bezeichnetem Datum und von ver- schiedenen Händen geschrieben, die von 559—865 also bis zu Ende enthält, so dafs die Biographien von No. 420—692 im zweiten und dritten Bande doppelt enthalten sind. Eine Schrift dieses Gelehrten ist in meinem Codex enthalten, und derselbe auf dem Titelblatt 52 > „2 Aw en Ar Webaüll „Is genannt, von späterer Hand aber ist zu Anfang noch darüber gesetzt: sl) Due 95) er. | Von ihm wissen wir nur, dals er zu der in Ägypten vor- zugsweise verbreiteten orthodoxen Secte der Schafeiten ge- hörte, und das Amt eines Qadi in Ägypten bekleidete, als Ge- sandter, wahrscheinlich von eZ Mustansir billah, dem fatimidi- schen Chalifen, welcher von 427 —487 d. H. = 1036 — 94 n. Chr. regierte, nach Rom d. i. Konstantinopel geschickt wurde, im J. 445 d. H. = 1053—4 n. Chr. eine Pilgerreise nach Mecca unternahm, als Gelehrter sehr geschätzt wurde, und vorzugsweise in der Tradition sehr bewandert war, mehrere Schriften hinterliels, auch einen Schüler hatte, Namens u u) SH 2 Aus all, der den Beinamen des ‚Grammatikers 226 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse wsysWll führte, und die Fragmente seines Lehrers über Ägypten sammelte, und endlich, dals er im J. 454 d. H. = 1062 n. Chr. starb. „> en) giebt auch seinen Todestag an, welcher nach der Ausgabe von Wüstenfeld a. d. a. St. auf die Freitagsnacht den 17ten des Monats sA«&) „5, also den 12ten November 1062 fiel. Nach meinem Cod. 661 C. war dieser Tag ein Donnerstag, nach Cod. 661 B. aber starb er in der Donnerstagsnacht, den A6ten des Monats Fre] a5, also den 10ten December dessel- ben Jahres. Unter seinen Schriften scheint die bekannteste zu sein: led a ER ee d.i. „Flamme der Erzählungen über die weisen Aussprüche und guten Lehren aus den prophetischen Traditionen”, vgl. H. Ch. IV, 83., die er auch I, 240. einfach unter dem blofsen Titel —tleö anführt; und wegen ihrer grofsen Verbreitung bezeichnet gM> „2 ihn geradezu als den Verfasser dieses Buches, A>Lo al JUS. H. Ch. nennt es einen Auszug, „ci, und es scheint das Kompendium eines andern Werkes zu sein, welches | 5) oa. Ing 5 de Q co Tora nach H. Ch. III, 232. betitelt ist: ‚LXe)) Ge Pe) (ls | rung”, worin der Verfasser, wie er selbst sagt, die weisen Aus-. sprüche des Propheten, Gebete und Lobsprüche auf Gott zu- sammengestellt hat. Wie aus den von H. Ch. mitgetheilten An-. fangsworten beider Werke erhellt, sind sie wenigstens verschie- den. V,542. erwähnt H. Ch. eine Sammlung von Traditionen! unter dem Titel SLaÜ) ma. Obgleich er hier den Vorna-. men des Qudä’i nicht angiebt, so scheint doch nur dieser Qudä’) Anspruch auf die Autorschaft dieses Werkes zu haben, welches‘ d. ı. „Feinheiten der Erzählungen und Gärten der Bewunde- nen, und giebt das erste Mal als den Titel eines von ıhm dar- über verfalsten Werkes sWs) „Erweckung” an, an einer andern Stelle aber I, 443. nennt er ohne Zweifel dasselbe Werk genauer vs} [> sus} „Erweckung über die Tradition” und endlich | | vom 8. Mai 1865. 227 gedenkt er 1,433 einer seiner Schriften betitelt: erer3] Re) nA} Ws? „Lehrsätze des Quad’: über die Tradition”. Ob und in wie fern diese beiden Schriften unter sich und von den vorhergehenden verschieden sind, vermag ich nicht zu ent- scheiden. Aufser diesen Werken über die Tradition hat derselbe Verfasser auch noch einige andere hinterlassen. Dahin gehört: =,5 Gesch. Aegyptens II, 146, welches er (s. ebendas.) hie Auswahl”, u. genauer (III, 160) 2&2' PRIeBN „Ed „Auswahl in der Beschreibung der Districte und Monu- mente” nennt, dem zufolge es mehr geographisch als historisch zu sein scheint. Die erste Stelle lautet: ‚u>) gun „ar a Are) en ee ee le m ybbs lan is SR RR us ey) An ee a N al IN a HE Kim N Fov aim ee Kamakkmedt SAT A Aue at shaeli zum 5 EL nn lol ws halt, oe Kim EN ES rc pre Au all. Flügel über- setzt dies: Historiae Aegypti. Huc pertinent descriptiones tra- ciuum ejus, quarum primam testante Macrizi, Abu Omar Mo- hammed Ben Yusuf Kendi anno 246 (inc. 28. Mart. 860) mor- tuus, edidit. Hunc secutus est Codhä’i, qui librum suum EI- Mochtär inscripsit: sed omnia, quae hi duo retulerant, perdita sunt, nihilgue servatum est praeter specimem, quod faunem et pestem describit, quae Aegyptum temporibus duris Mostanseri ab anno 457 (inc. 13. Dec. 1064) ad annum 464 (inc. 29. Sept. 1074) ita verrarunt, ut incolae morerentur et domus vacarent. Deinde discipulus ejus, Abu Abdallah Mohammed Ben Berakät, Grammaticus, anno 520 (inc. 27. Jan. 1126) mortuus, opus col- legit. Da aber der zuerst genannte Schriftsteller schon im J. 246, und el Qudä’i, wie aus andern Siellen hervorgeht, 454 d. H. gestor- ben ist, so konnte weder der Eine, noch der Andere die erst 457 ein- getretene Calamität beschreiben. Schon aus diesem Grunde erhellt, dafs die Übersetzung Flügel’s nicht ganz richtig ist; es ist vielmehr 228 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse zu übersetzen: sed perdita sunt, quae (hi duo) retulerant, ei nonnisi fragmenta servata sunt in fame ılla ac peste, quae Mustan- seri temporibus duris ab anno 457 usque ad annum 464 grassa- batur etc. Dals dieses der richtige Sinn der Worte sei, ersieht man auch aus einer andern Stelle bei H. Ch. III, 160 u. f. wo er dieselben beiden Autoren erwähnt (aber das J. 350 d. H. als das Todesjahr von e! Kendi angiebt), und hinzufügt: 3 Es) Ss Kıpakkmalt SAAN am dei. „Aber das Meiste von ihnen (sc. den Schriften Beider über die Districte Aegyptens) ging in den Unglücksjahren des Mustansir verloren”. Ferner verfalste derselbe QOudä’i ein Werk betitelt sL“ Blä Led) „die Tugenden des Imäm al”, einen Panegyrikus auf diesen Stifter der nach ihm benannten ortho- doxen Secte, über welchen aufser ihm noch viele Andere ge- schrieben haben. Vgl. H. Ch. VI, 148. Unter der Rubrik =\il21 ; 3153 „Historiae Chalifarum” führt H. Ch. auch ein Werk dieses Quad’ II, 128. an, jedoch ohne einen besondern Titel desselben zu geben; und endlich nennt H. Ch. IV, 293 ein Werk unter dem Titel: „4 Zlas) „us 2 „Uu>! „Cognitiones exquisitissimae et variae Khalifarum 5 historiae”. Dies ist wahrscheinlich nur ein ausführlicher Titel des unmittelbar vorher allgemein genannten Geschichtswerkes. Herbelot u. d. W. Codhäa erwähnt nur diesen Qudäd’:, wie aus den gegebenen Vornamen Abu Abdallah Mohammed ben Salamat hervorgeht, und kennt aulser dem „Chotat” betitelten Buche, welches nach ihm wohl nicht ganz richtig eine beson- dere Geschichte Aegyptens enthält, noch zwei andere, a. Kitäb ul enba an el Enbia, eine Geschiehte der Patriarchen und Pro- pheten in moslemischer Einkleidung, und b. einen Taarich, auf der Pariser Bibliothek befindlich, eine allgemeine Geschichte von der Schöpfung bis zu dem Todesjahre des Chalifen Häkem 411 d. H. Beide Schriften sind in der That nur eine, gleich den beiden letzten der von H. Ch. genannten Werke dieses Verfas- sers, von denen sie sich nur durch den Titel unterscheiden, der, wie es scheint, von den Litterarhistorikern zum Theil aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben oder nach dem Inhalte ohne Rück- sicht auf die Benennung des Autors selbst gebildet worden ist. vom 8. Mai 1865. 229 Ibn Chalikän kennt folgende Schriften von ihm: „La „us US 52 sus us, sus, Li ner) ln US, an bie us, BET En Ibn Chal. scheint hier, da er en Werke das Wort „LS vorsetzt, ganz richtig das „US Last ale USD ze USD als zusammengehörig. betrachtet zu haben. Dieses Werk nun ist in meiner Handschit! eapalen: welche den Titel führt: Sl, ea} a Vase LusH 3a = 5% lat Je o En 7 PEN IRERS VE en Ep; d. „Buch der Benachrichtigung von den Nachrichten der Prophe- ten und Geschichten der Chalifen, und der Herrschaften der Emire, Sammlung (Zusammenstellung) von Muhammed ben Sa- läma ben Ga’far ben ’Ali el Qudä’i” Dieser Titel, welcher von dem Abschreiber des Buches herrührt, während der gegenüber- stehende sl! ; 3le3 2US‘, wie aus der schwärzern Tinte und dem Mangel der link des , hervorgeht, von einem etwas spätern Besitzer desselben geschrieben scheint) ist aus der Vor- 2 . rede des Verfassers genommen, wo er sagt: >) „US AP . u -)ı Slide, Sal Aylein ud Lil [ya an aignn all ann a N a Kal aus eyiuchen enüit Küm Tadte dolalt a. i. „In diesem Buche werde ich mit Gottes Willen und Hülfe eine Sammlung von Nachrichten der Propheten und Geschichten der Chalifen, so wie von den Herrschaften der Könige und Emire bis zum J. 422 d. H. zusammenstellen.” — Auf dem Titelblatt steht über dem Worte &+> von späterer Hand geschrieben: all Aus u) ‚olöl „(Sammlung) des Qädi Abu Abdallah”, und ebenfalls von anderer Hand unter dieser Zeile: > er zals &b m &,) mw „er starb im J. 454”, Über dem Titel hat ein ehemaliger Besitzer des God. noch Folgendes bei- gefügt: sUu>i, za lo 3 us, ud DUS ar bb> „US, „Von demselben Verfasser ist auch das Buch der Flamme, und das Buch der Tugenden von es-S’äfe’i und seine Begebenheiten, so wie das Buch der Districte von Aegyp- ten”, woraus hervorgeht, dafs er das ausführlichere Werk des 230 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Qudä’i über die Tradition, und dessen andere Schriften über den- selben Gegenstand, so fern sie von den genannten verschieden sind, nicht gekannt hat. Dafs dieses Werk dasselbe ist, welches H. Ch. IV, 293. BER eI) „u>! ur tell (y4= nennt, ersehen wir so- wohl aus den Anfangsworten desselben, als auch aus der Angabe des Inhalts, die wir bei H. Ch. a. d. a. O. finden. Ebenso zei- gen Titel und Inhalt, dafs das zuerst von Herbelot angeführte Werk kein anderes sein kann, und es ist wohl nicht zu bezwei- feln, dafs das zweite von Herbelot genannte Werk nicht davon verschieden ist, da auch die Handschrift mit der Schöpfung be- ginnt, und zwar nicht mit dem Chalifen Häkem, 411, aber doch mit dessen Nachfolger schlielst. _ Der Codex ist in kl. 4°, und enthält 15 m,$ A 8 Blätter, oder 240 Seiten, auf jeder Seite 11 Zeilen. Angebunden ist 1 NS, welche einen Brief in Versen von (s-0s.J) sis} Jul> an (Mil al) Aus RER enthält, mit der Bemerkung: Pr® ws) Sole Lex5 „er gedenkt darin der Belagerung von Mo- sul”, und ein Gedicht, geschrieben 1241 d. H. = 1825 —6 n. Chr. Das Werk des Qudä’i sticht dagegen sehr ab, das Papier ist ganz vergelbt, und nicht wenige Blätter, die zerrissen waren, auf eine geschickte Weise von dem Buchbinder so verklebt, dals von dem Texte selbst gar nichts, und nur von den Randbemer- kungen eines oder mehrerer der früheren Besitzer Einiges bei dem Beschneiden verloren gegangen ist. Die Schrift ist ein schönes, deutliches Neskhi, mit vieler Sorgfalt, und sehr correct geschrieben; nur selten haben sich Fehler, und zwar fast nur bei fremden Eigennamen eingeschli- - chen, wie p. 36 Ay >, für O5 l>ss, p. 47 >, für >, =— yes für OST — yıa> für yan>, ferner ist p. 57 wlelw weggelassen nach gr Az, wenn nicht etwa auch gm für &wS steht. Hier und da ist ein Wort am Rande verbessert, wie p. 31. „mil, wofür am Rande dem Folgenden gemäls „Aml gesetzt ist, p. 223. Aw, am Rande „%0,), auch ein oder De IR er] mehrere Worte, die ausgelassen waren, am Rande zugefügt, wie p. 68. 79 u. ff. 102. 163. 224. vom 8. Mai 1868. 231 Wie die ältern Neskhi-Codd., so bat auch dieser die Eigen- ihümlichkeit, dafs zwar nicht durchgängig, aber doch grölsten- iheils die Buchstaben , und .w, zum Unterschiede von ; und % mit einem ee gesetzten Häkchen bezeichnet, unter — aber, um es von ; da und unter e, um es von & seltner auch (vgl. p. 24. 27. 31. 43. 51. 54.) unter Jo, um es von 0 zu unterscheiden, derselbe Buchstabe noch einmal, aber kleiner, ge- setzt wird. |, hat den Punct stets über dem rechten Haken, und am Ende der Sätze findet sich öfter ein pP Die Vocale sind spärlich, und nur, wo sie nöthig erschienen, angezeigt, Gezma und Wesla fehlen ganz, Tes did und Medda sind häufig, Hamza dagegen nur, wo es noihwendig erschien. Aus Allem diesem geht hervor, dals der Cod. sehr alt ist. Es findet sich nun am Ende des Buches p. 234. folgende Angabe: Si, — U Kl &,l lin al Küm N &I (7 m rd d. i. „das Buch ist beendigt — und zwar 7 Tage vor dem Ende des (Monats) ‚>®) u &2, des Jahres 432” (d. H.), also den 31ten Br 2100 a Chr. Darunter steht: l> 2 mm) US Ol+S cp Aasw o73. Da hier der Name des Abschreibers dem Datum nachgesetzt ist, so kann man dasselbe nicht als das der Abschrift ansehen, vielmehr deutet es die Zeit der Abfassung an. Gleichwohl mufls dieser Codex aus dem öten Jahrhundert d. H. oder dem 14ten unserer Zeitrechnung stammen, und ist vielleicht noch zu Lebzeiten des Verfassers geschrieben, da auf dem Titel- blatte unten zwei verschiedene Besitzer desselben aus diesem Jahrhundert das Datum, wann sie ihn erworben, beigeschrieben haben. Leider ist aber die Schrift so verwischt und undeutlich, dafs man nur mit Sicherheit die Jahrzahl 400 lesen kann; ob die links stehende 493 oder 448 heilsen soll, vermag ich nicht zu entscheiden, die rechts stehende Jahrzahl soll vielleicht 466 heilsen. Das Werk enthält nicht eine fortlaufende Geschichte, son- dern nach einer kurzenEinleitung und einem Bericht über die ver- schiedenen Angaben von der Dauer der Welt biographische No- tizen über die Propheten von Adam, als dem ersten beginnend, den muhammedanischen Legenden zufolge bis auf Muhammed. ‚Mit grofser Gewissenhaftigkeit giebt der Verfasser namentlich, 232 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse wo abweichende Ansichten sich geltend machen, seine Gewährs- männer an, und zeigt eine grolse Belesenheit, da er wohl gegen 40—50 verschiedene Autoren citirt. Die Namen der Propheten sind der Reihe nach folgende: Adam, Seth, Idris oder Henoch, Noah, Sem, Ham, Japheth, Hud oder Eber, Abraham, Lot, Ismael, Isaac, Jacob, Joseph, Hiob, Schoaib oder Jeihro, Chidr, Moses, Josua ben Nun, Ezechiel, Elias, Elisa, Samuel, David, Salomo, Jesaia, Jeremia, Daniel, Jonas, Zacharja, als dessen Sohn Johannes d. T. angegeben wird, Jesus, die Apostel, von denen drei, ‚sSbo, 5,0 und erh genannt werden, die der Herr nach Antiochien sandte, MS) »S, Locman, „Sl „5 — er unterscheidet zwei dieses Namens, den grolsen, wel- cher zur Zeit Abraham’s lebte, und den kleinen, Alexander, Sohn Philipp’s, den Besieger des Darius — und Chäled ben Senän. Nach einer Berechnung der Zeit von Adam bis auf Muhammed geht er auf diesen über, spricht ausführlich von ihm und seinen Frauen, auch von seinen Thieren, nennt deren Namen, und schliefst mit den einzelnen Theilen sei- ner Rüstung, die ebenfalls zum Theil besondere Namen führen. Darauf folgen die Chalifen, deren Hauptbegebenheiten, Kinder, Vezire, Qadi’s, Kämmerer und Secretäre er am Schluls eines Jeden nennt, bis auf al} L „Lö, welcher 422 d. H. — 4030—1 n. Chr. den Thron bestieg. Bis hierher wollte er, wie er in der Einleitung sagt, seine Berichte fortfübren, und in der That schliefst er auch hier mit dem gewöhnlichen Gebet und Se- genswünschen für Muhammed und dessen Familie. Gleichwohl giebt er auf den letzten vier Seiten p. 231—34 noch einige kurze Notizen über die fatimidischen Chalifen von ‚SlEI! bis auf al} „N zen. Dals diese von dem Verfasser selbst herrühren, sehen wir nicht allein aus der Unterschrift, sondern es ergiebt sich auch aus seinen eignen Worten p. 223, wo er sagt: Sölms St Li ol le (a le SE Any san „ut „Ich werde, so Gott will, nach dem Berichte über die abbasidischen Chalifen auch über die Geschichte von Aegypten sprechen.” Auffallend kann dabei nur sein, dals er die drei ersten fatimidischen Chali- fen übergeht. Dies hat aber darin seinen Grund, dals Er) ee vom 8. Mai 1865. 233 erst Aegypten eroberte. Den Gründer dieser Dynastie, al} Aus erwähnt er schon p. 205 unter dem Chalifat von all ‚At. Von späterer Hand sind dann die fatimidischen wie die abbasidi- schen Chalifen p. 234—8 den Namen nach mit ihrer Regie- rungszeit bis zu Ende fortgeführt, aber die beiden letzten Blät- ter bei dem Einbinden verwechselt, und p. 239 ist noch eine Notiz über die Eroberung von Jerusalem durch die Kreuzfahrer 492 d. H. gegeben. Hr. Mommsen sprach über neuentdeckte von Hrn. Dr. Zangemeister eingesandte pompejanische Grif- felinschriften. 11.Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kiepert las: Beiträge zur Kritik der Angaben der griechischen und römischen Autoren über die Geographie Armeniens, vorzüglich nach armeni- schen Literaturquellen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Comptes rendus des scances de lacademie des sciences. Tome 60, no. 3—15. Paris 1865. A. Annales des mines. Tome 6, no. 4. 5. Paris 1864. 8. Bulletin de la societe de geographie. Tome 8. Paris 1864. 8. Quarterly Journal of the geological Society. no. 80. 81. London 1864 —1865. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. 9, no. 1.2. Lon- don 1865. 8. Jahres-Bericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. 1863— 1864. 8. Gomperz, Herkulanische Studien. Leipzig 1865. 8. Poggioli, De amplitudine doctrinae botanicae Friderici Caesü. Ro- mae 1865. 8. 234 Gesammtsitzung vom 18. Mai 1865. 18.Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. G. Rose las: Über die Krystallform des Albits von der Roche tourne&e und von Bonhomme in Sa- voyen in’s Besondere und des Albits im Allgemeinen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Jahrbericht der Philomathie in Neisse von 1863—1865 Neisse 1865. 8. Verhandlungen der k. k. Zoologisch -botanischen Gesellschaft in Wien. 14. Band. Wien 1864. 8. Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 15. Band, no. 1. Wien 1865. 4. - Verhandlungen des naturhistorisch- medizinischen Vereing zu Heidelberg. 3. Band. Heidelberg 1865. 8. The Numismatic Chronicle, vol. 17. London 1865. 8. Bulletin de la societe geologique de France. Paris, Fevrier 1865. 8. A. J.H. Vincent, /leponse a Mr. Fetis. Lille 1859. 8. Extrait de la Revue archeologique. Paris 1864. S 22. Mai. Sitzung der physikalisch -mathe- matischen Klasse. Hr. Magnus trug die Ergebnisse einer in seinem Labo- - ratorıum ausgeführten Untersuchung des Hrn. Dr. Kundt vor: Über dieMittheilungdes Tones longitudinal schwin- gender Stäbe und Röhren an die umgebende Luft. Seit Chladni zuerst die longitudinalen Schwingungen von Stäben und die durch dieselben hervorgebrachten Töne ge- nauer untersucht hat, ist es besonders Savart gewesen, der die Natur und die Eigenthümlichkeiten der longitudinalen Os- cillationen studirte. Savart entdeckte bekanntlich, dafs wenn man auf einen longitudinal tönenden Stab Sand streut, dieser sich beim Tönen in Linien die quer zur Länge des Stabes lie- gen, anordnet. Die Zahl dieser Linien ist auf einem Stabe, der . Sitzung der phys.-math. Klasse vom 22. Mai 1865. 235 nur einen oder vielleicht zwei Knotenpunkte der longitudinalen Bewegung hat, oft eine sehr bedeutende. Kehrt man sodann den Stab um, und streut auf die nun oben liegende Fläche des- selben Sand und läfst ihn ertönen, so fallen die nun ent- stehenden Knotenlinien nicht mit den früher erhaltenen zusam- men, sondern dieselben liegen stets in der Mitte zwischen jenen, so dafs allgemein die sogenannten „secundären’” Knoten- linien auf zwei eutgegengesetzten Seiten eines Stabes immer alternirend liegen. Als ferner Savart Sand in eine longitudi- nal tönende Glasröhre streute und nun während des Tönens die Glasröhre drehte und alle die Stellen bezeichnete, an denen sich der Sand anhäufte, fand er, dafs die secundären Knoten- linien in Röhren eine spiralförmige Gestalt haben. Savart gab auch eine Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung, später wurde jedoch von Seebeck mit grolser Bestimmtheit nachge- wiesen, dals die Savart’sche Erklärung ungenügend sei, dafs jene Sandlinien Knotenlinien transversaler Schwingungen seien, die immer mit den longitudinalen Oscillationen verbunden auf- treten. Seebeck zeigte, dals unter dem Einfluls dieser zu- sammengesetzten Schwingungen die Sandlinien auf zwei Seiten eines Stabes alternirend liegen müssen. Wenn damit auch ein klarer Einblick in die Gesammtschwingungen longitudinal tönen- der Körper gewonnen ist, so bleiben doch noch manche Fragen in Bezug auf dieselben zu beantworten übrig. Es ist eine bekannte Sache, dals die Töne longitudinal schwingender Stäbe für unser Ohr von einer aulserordentlichen Intensität sind, ja diese Intensität kann bis zum Unerträglichen steigen. Wenn nun auch feststeht, dals die hohen Töne über- haupt auf unser Ohr eine sehr viel grölsere Wirkung ausüben als tiefere, so ist doch jedenfalls die Intensität der Luftbewe- gungen, die ein longitudinal tönender Stab hervorruft eine sehr bedeutende. Da nun ein so schwingender Stab auch zugleich immer transversale Öscillationen von derselben Schwingungs- dauer, wie die der longitudinalen, ausführt, so kann füglich die Frage aufgeworfen werden, welchen Antheil an dieser Wir- kung die longitudinalen Stölse, welchen die transversalen ha- ben. Die longitudinalen Stöfse auf die Luft können nur von den freien Enden des Stabes ausgeübt werden und bedenkt man 236 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse wie klein hier oft die stofsende Fläche z. B. bei einer: an bei- den Enden offenen Röhre ist, so kann man wohl vermuthen, dafs den transversalen Bewegungen ein nicht geringer Antheil an der Hervorbringung des Tones zukomme. Hr. Kundt hat sich die Aufgabe gestellt, wenigstens an- nähernd dies Verhältnifs zu ermitteln; zu untersuchen, ob beide Bewegungen zur Hervorbringung des Tones mitwirken, und welche den stärkeren Einfluls habe. Die Versuche, welche hierzu angestellt wurden, waren sehr _ mannigfache. Es wurde versucht direct an den verschiedenen - Stellen die Bewegung der Luft nachzuweisen, oder durch diese Bewegung an den verschiedenen Stellen der Stäbe und Röhren andere Körper, Membranen und dergl. in Mitschwingung zu versetzen. Auch wurde mit einem ins Ohr gesteckten Caout- choucrohr, dessen anderes Ende dicht über und neben der tönenden Röhre hingeführt wurde, die Intensität des Tones an den verschiedenen Stellen untersucht, eine Methode die z. B. sehr wohl erlaubt bei einem transversal schwingenden Stab, dessen Ton ohne Resonanz kaum hörbar ist, die Stellen der Knotenpunkte und der grölsten Bewegung aufzufinden. Das Resultat der Untersuchung war, dafs sich längs der tönenden Röhre oder dem tönenden Stabe auf keine Weise eine Bewegung der Luft nachweisen liels, und dieselbe nur in gro- (ser Intensität an den freien Enden bemerkbar war. Es scheint demnach, dafs die ganze Erschütterung der Luft, die in uns die Empfindung eines so energischen Tones hervorruft, hauptsäch- lich durch die Stöfse der freien Enden gegen die Luft hervor- gebracht wird. Könnte man also einen Stab, der mit seinen beiden Enden eingeklemmt ist, durch Reiben in longitudinale Schwingungen versetzen, so dals also an den Enden Knoten- punkte liegen, so würde ein solcher Stab zwar schwingen, aber durchaus nicht tönen, und würde man von ihm auch sonst auf keine Weise, z. B. durch Resonanz, einen Ton erhalten können. 'Im Laufe dieser Versuche wurde aber Hr. Kundt zu an- dern Untersuchungen an longitudinal tönenden Stäben und Röh- ren geführt. Die Ergebnisse derselben sind im Folgenden zu- sammengestellt und zerfallen in zwei Abtheilungen, von denen vom 22. Mai 1865. 237 die erste, zunächst folgende, Versuche umfalst, welche sich auf eine zuerst von Hrn. W. Weber gemachte Beobachtung be- ziehen. Im 53. Bande von Schweigers Annalen pag. 308: theilt Hr. Weber folgende von ihm gemachte Beobachtung mit. Wenn man in das eine Ende einer mehrere Fufs langen Glasröhre einen gut schlielsenden Kork setzt, die Röhre dann in der Mitte lose mit der Hand hält und reibt, so dafs dieselbe tönt, so bewegt sich der Kork in der Röhre von dem freien Ende zu dem Knotenpunkt in der Mitte und bleibt hier ruhen. Weber giebt weiter an, dals die Kraft, mit der diese Bewe- gung stattfindet, so bedeutend ist, dals der Kork selbst dann noch zur Mitte wandert, wenn die Röhre sich dorthin schwach conisch verjüngt; und selbst als er bei vertical gehaltener Röhre auf den Kork eine mehrere Centimeter hohe Wassersäule gols, wurde diese noch mit dem Kork gehoben. Hr. Kundt hat nun den Versuch auch mit einem von aulsen auf die Röhre gesteckten Kork angestell. Hr. Weber hat stets ein Wandern des Korkes in der Richtung von dem freien Ende der Röhre zu dem nächsten Knotenpunkt beobach- tet; bei dem Korkring aber fand die Bewegung bald in diesem bald im entgegengesetzten Sinne d. i. von dem Knoten nach dem freien Ende hin statt. Es stellte sich ferner heraus, dafs die Richtung der Bewegung von der Art wie der Kork auf die Röhre gesteckt war abhing. Wurde derselbe abgezogen und umgekehrt aufgesetzt, d. h. so, dafs die Seite, die vorher dem freien Ende zugewendet war, nun nach dem Knotenpunkt hin lag, so wanderte derselbe auch in umgekehrter Richtung. Von dieser Beobachtung ausgehend unternahm der Verfasser eine Reihe von Versuchen, die den Zweck hatten, die Bedingungen dieses Wanderns in verschiedenen Richtungen zu ermitteln. Es hat sich ergeben, dafs dasselbe bedingt ist durch die Form und Beschaffenheit des Korkes. Befindet sich in einer Röhre ein Kork der eine etwas co- nische Form hat, so wandert derselbe beim Tönen jedesmal in der Richtung von der gröfseren Basis des Conus zu der kleine- ren. Ein Korkring dagegen, dessen Öffnung etwas conisch ist, [1865.] f 19 238 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse wandert immer von dem kleinern Durchschnitt dieses Conus zu dem gröfseren. Kork so wie Korkring brauchen nur aufseror- dentlich wenig .conisch zu sein um diese Bewegung anzuneh- men. Vermehrt wird die Energie der Bewegung sehr, wenn man einen etwas conischen Kork treppenförmig einschneidet, so dals derselbe gleichsam aus mehreren aufeinander gesetzten Conen besteht. Es genügt aber auch schon den Kork etwas rauh zu feilen und alle dadurch entstandenen kleinen Uneben- heiten nach einer Richtung zu streichen, um der Bewegung des Korkes eine bestimmte Richtung zu ertheilen. Aulser aus Kork kann man sich auch Stöpsel und Ringe aus Caoutchouc, vulcarisirtem und nicht vulcanisirtem, schneiden oder aus etwas wolligem Tuch einen Propfen aufrollen, diesel- ben wandern ganz ebenso wie die Korke je nach ihrer Lage in der einen oder in der andern Richtung. Jedoch sind diese Kör- per weniger geeignet, weil sie das Tönen der Röhre leicht hindern. Ganz cylindrische, vollkommen glatte Stöpsel oder Ringe aus Kork oder Caoutchouc wandern dagegen entweder durchaus nicht, oder sie bewegen sich ganz unabhängig von ihrer Ge- stalt bis zu dem Punkt zu dem sich auch eingestreuter Sand in der Röhre bewegen würde, d. ı. bis zu einer Stelle der Kno- tenlinien der transversalen Schwingungen, nicht aber zu einem Knotenpunkt der longitudinalen Bewegung. Ebenso wie durch die Form sind die obigen eigenthünli- chen Bewegungen bedingt durch das Material des bewegten Körpers. Conische und selbst rauh gefeilte Propfen und Ringe von Holz, Metall und andern wenig elastischen Körpern bewe- gen sich ebenfalls durchaus nicht in jener eigenthümlichen Weise. Sie bleiben ruhen oder wandern zu dem nächsten Punkt der Knotenlinien der transversalen Schwingungen. Dagegen finden dieselben Bewegungen bei Pappe und selbst bei einem ganz dünnen Blatt Papier statt, das mit einer Öff- nung versehen auf die Röhre gehängt wird. Und zwar ist die Richtung dieser Bewegung bedingt durch die Art, wie die Öff- nung eingeschnitten ist. Schneidet man nämlich mit einem Messer irgend eine Öffnung z. B. ein Dreieck in einem Blatt Papier aus, so ist es nicht möglich, die Schnittflächen ganz vom 22. Mai 1865. 239 senkrecht gegen das Papier zu erhalten, denn erstens wird beim Schneiden der Schnittrand etwas durchgedrückt, zweitens aber wird, wenn man das Messer, wie es gewöhnlich geschieht, oben etwas nach Aufsen hält, der Schnitt nicht senkrecht durch das Papier gehen, sondern schräge. Dadurch wird das ganze ein- geschnittene Loch ein dreiseitiger Conus, dessen breitere Basis auf der Seite liegt, die beim Schneiden oben gelegen. Gerade nun wie ein Korkring mit conischer Öffnung in der Richtung nach seiner breiteren Basis hinwandert, ebenso wandert ein Pa- pierring oder Dreieck immer nach der Seite der grölseren Ba- sis des conischen Schnittes, also nach der Seite die beim Schnei- den oben gelegen. Der Versuch mit Papier gelingt immer, wenn man dasselbe richtig ausschneidet. Wird indels der Schnittrand so umgestaltet, dals er nach beiden Seiten dieselbe Form hat, was etwa durch Ausschneiden mit einer Scheere oder durch Glätten und dergleichen geschehen kann, so zeigt das Pa- pier diese Bewegung nicht, sondern wandert höchstens so weit, wie auch ein Sandkorn wandern würde. Aulser in und auf tönenden Röhren wurden dieselben Ver- suche auf longitudinal tönenden Stäben gemacht. 5 bis 6 Fuls lange Spiegelglasstreifen wurden eingeklemmt und longitudinal gerieben, und auf dieselben die zu untersuchenden Körper ge- legt. Es ergab sich dasselbe was bei Röhren beobachtet war; Stücke von wenig elastischen Körpern, wie Holz, Metall, Glas und dergl. führten die Bewegungen von und zum Knotenpunkt nie aus, mochten sie eine Form haben welche sie wollten. Ganz glatte, ebene Stücke mehr elastischer Körper zeigten eben- falls die Bewegung nicht, wurden dieselben jedoch rauh ge- macht und zwar so, dals alle kleinen Rauhigkeiten nach dersel- ben Seite gestrichen waren, so bewegten sie sich regelmälsig von und zum Knotenpunkt. Am energischsten jedoch war diese Bewegung wenn ein Stück Kork, etwa ein OJZoll grols, auf seiner einen Fläche parallel der einen Kante sägenförmig ein- geschnitten wurde, und zwar so, dals der eine Schnitt eines solchen vorstehenden Zahnes senkrecht zur Grundfläche, der andere schräge dazu war. Ein solches Stück bewegte sich, selbst bedeutend beschwert, immer von dem senkrechten Ein- schnitt zu der Seite des schrägen hin. 19* 240 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Was nun die Erklärung dieser Erscheinung betrifft, so ist klar, dals longitudinale Oscillationen einen Körper auf einer Röhre oder einem Stabe nicht fortbewegen können. Wenn auch die Bewegungen jedesmal bei den longitudi- nalen Knoten aufhören, also in irgend einer Weise von den longitudinalen Oscillationen abhängen, so können sie doch nicht durch dieselben direct hervorgebracht sein. — Die transversalen Schwingungen, die mit den longitudinalen immer vereint auf- treten, würden einen Körper unter gewöhnlichen Umständen immer nur nach der nächsten Knotenlinie der transversalen Öscillationen treiben können, nicht aber wie dies hier der Fall war, über diese hinfort bis zum Knoten der longitudinalen Schwingungen. Trotz dieses Einwandes sind es aber doch die transversalen Oscillationen die die Bewegung hervorbringen, wie sich ganz evident daraus ergiebt, dals man im Stande ist genau die Bewegungen der Korkstücke und des Papiers auf Köhren wie auf Stäben hervorzubringen, die nur transversale Oscillationen ausführen. Legt man z. B. auf einen an zwei Stellen in Fäden aufgehängten Glas- oder Stahlstab ein in der oben angegebenen Weise geschnittenes Korkstück, so wandert dies, wenn man auf den Stab schlägt oder denselben mit dem Violinbogen anstreicht, immer in der ganz bestimmten durch die Einschnitte des Korkes bedingten Richtung. Und zwar wandert auch in diesem Fall das Korkstück über alle Knoten- punkte der transversalen Schwingungen fort und geht von einem Ende des Stabes zum andern. Wie unter dem Einflufßs transversaler Stölse ein Körper solche Bewegung auf einem Stabe annehmen kann, ergiebt folgende Betrachtung. Wenn ein elastischer Körper z. B. ein Stück Kork auf einer festen Unterlage ruht und diese Unterlage gegen den Kör- per stölst, so werden zunächst die Theilchen mit welchen der- selbe auf der Unterlage ruht, zusammengedrückt. Sobald der Stols aufhört, nehmen die Theilchen ihre Gleichgewichtslage wieder an und stolsen dabei ihrerseits gegen die Unterlage. Da diese jedoch in Folge ihrer Festigkeit Widerstand leistet, wird der Körper durch den Rückstols in die Höhe bewegt. Die Richtung dieser Bewegung hängt einmal ab von der Richtung des Stolses und zweitens von der Gestalt des gestolsenen Kör- vom 22. Mai 1865. 241 pers. Bei horizontal liegenden Röhren und Stäben kommen nur verticale Stölse in Betracht. Denn wenn auch beim lon- gitudinalen Tönen die gleichzeitig vorhandenen longitudinalen und transversalen Oscillationen sich zu schiefen Stölsen zusam- mensetzen, in Folge deren auch der Sand auf longitudinalen Stäben mehr gleitet und nicht hüpft wie auf transversal tönen- den, so handelt es sich hier doch nur um die verticale Com- ponente. Bei transversal tönenden Stäben sind überhaupt nur verticale oder doch aulserordentlich ‚wenig geneigte Stölse vor- handen und doch erfolgen die Bewegungen der Korkstücke und dergl. ebenso wie bei longitudinal tönenden. Bei verticalen Stölsen wird nun der Körper jedesmal senk- recht in die Höhe geworfen, wenn seine Gestalt der Art ist, dafs die Zusammendrückungen, die die Theilchen erfahren, ihrer Richtung und Gröfse nach um die Richtung des Stolses so regelmälsig vertheilt sind, dafs die Resultante derselben und so- mit auch die Resultante des Rückstofses ebenfalls eine Verticale ist. Wenn der Körper aber eine zur Verticalen unregelmälsige oder unsynımetrische Form hat, werden die Zusammendrückun- gen, die die Theilchen erfahren, sich auch nicht regelmälsig um die Verticale ordnen, und mithin kann die Resultante derselben, also auch die Resultante des Rückstolses nicht mehr senkrecht ‚gegen die schwingende Fläche sein, sondern mus eine Neigung gegen dieselbe haben. In Folge dessen wird der Körper ge- neigt gegen diese Fläche ın die Höhe geschnellt und kommt defshalb beim Herabfallen nicht wieder auf dieselbe Stelle zu- rück, sondern fällt etwas davon entfernt nieder, nach der Rich- tung nach welcher seine Bewegung stattgefunden hat. Trifft ihn nun ein neuer Stols, so wird er abermals etwas in jener Richtung fortgeschleudert und bei fortgesetzten Stölsen wird er sich in jener Richtung continuirlich bewegen. Es bedarf zwar kaum noch eines Beweises, dals wenn die Resultante der Zu- sammendrückungen gegen die stolsende Fläche geneigt ist, der Körper sich fortbewegt; doch läfst sich durch einen directen Versuch zeigen, dafs bei einer einfachen Zusammendrückung in schräger Richtung eine solche Bewegung stattfindet. In einen etwa einen Cubiczoll grolsen Klotz wurde eine Öffnung von etwa 10°” Durchmesser angebracht, die eine Nei- 242 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse gung von etwa 60° gegen die Grundfläche hatte. Dieselbe wurde oben mit einer Metallplatte verschlossen, in der sich ein kleines Loch befand, durch welches ein Drath ging, der am un- tern Ende ein Stück Holz trug, welches genau in die Durch- bohrung palste. Um diesen Drath war, so weit er sich in dem durchbohrten Klotz befand, eine Spiralfeder gewunden. Wurde der Klotz auf den tönenden Stab gelegt und mit einem Ge- wicht beschwert, so wurde dadurch die schräg in dem Klotz liegende Spiralfeder zusammengedrückt. Dies System bewegte sich auf einem longitudinal oder transversal tönenden Stab im- mer nach der Richtung nach der die Feder geneigt war. Alle die Körper nun, mit denen die obigen Versuche an- gestellt wurden, und die sich beim Tönen des Stabes von oder zu einem Knotenpunkt der longitudinalen Oscillationen beweg- ten, hatten eine Elasticität, dafs sie solche Zusammendrückungen erfuhren, und hatten immer eine solche Form, dafs die Resul- sante der Zusammendrückungen eine Neigung gegen die schwin- gende Fläche hatte, wie z. B. das sägenförmig eingeschnittene Korkstück. Zu bemerken ist dabei nur, dafs weil die Zusammendrückun- gen bei dem aufserordentlich leichten Gewicht der bewegten Körper nur an der untern Seite statifinden, auch ganz kleine Unregelmäfsigkeiten in der Form schon genügen, um die Be- wegungen zu veranlassen, wie z. B. bei einem rauh gefeilten Kork oder bei dem wenig schrägen Schnittrande eines Stückes Papier. Wenn aber, wie so eben gezeigt, jene Bewegungen durch die senkrechten Stölse hervorgebracht werden, so bleibt es sehr merkwürdig, dals sich die Körper auch über die Knotenpunkte und Linien der transversalen Oscillationen fortbewegen, in denen doch keine transversalen Stölse ausgeübt werden. Nun ist aber bekannt, dafs sowohl in Röhren wie auf Stäben beim Reiben und beim Anstreichen die Knotenlinien nie genau ihre Stelle bewahren. So lange der Stab tönt, hüpft auch der Sand in den Knotenlinien, und in Röhren beobachtet man oft ein Ver- schieben des Sandes an einer Knotenstelle um mehr als einen halben Zoll. Aufserdem berühren die bewegten Körper die tönenden Stäbe nicht in einer wirklich mathematischen Linie, vom 22. Mai 1865. 243 und empfangen delshalb immer noch Stöfse, wenn sie anf einer Knotenstelle ruhen, wenn auch wesentlich geringere als zwi- schen zwei Knotenpunkten. In Folge dessen ist auch die Energie der Bewegung in der Nähe eines Knotenpunktes we- sentlich geringer, als zwischen zwei derselben, aber jene gerin- gen Stölse genügen doch um auch dort noch die Körper zu bewegen. An den Knotenpunkten der longitudinalen Oscillationen hören die Bewegungen auf Röhren und Stäben jedoch immer auf und die Körper werden nie über diese Knoten weg bewegt. Dies beweist, dafs in diesen Knotenpunkten, in denen keine longitudinalen Osecillationen stattfinden, auch keine transversalen Bewegungen vorhanden sind, und daraus lälst sich schlielsen, dals überhaupt die Intensität der transversalen Oscillationen bei longitudinal tönenden Stäben an jeder Stelle des Stabes abhängt von der Gröfse der longitudinalen Bewegungen der Theilchen daselbst, mithin am gröfsten ist zwischen zwei Knotenpunkten der Longitudinalschwingungen. Somit hängen die Bewegungen der Körper indirect auch von den longitudinalen Schwingungen ab, sie sind aber nicht, wie man nach dem vereinzelt stehenden Versuch von Hrn. Weber allgemein angenommen zu haben scheint, durch dieselben hervorgebracht; die bewegende Ursache sind lediglich die transversalen Oscillationen. Die Kraft, mit der die Körper sich bewegen, ist auf trans- versal tönenden Stäben wesentlich geringer als auf longitudinal tönenden. Die Kraft der transversalen Oscillationen bei longi- tudınal geriebenen Stäben ist aufserordentlich grols, einmal in Folge der aufserordentlichen Schnelligkeit mit der jeder einzelne Stols erfolgt, und dann in Folge der grolsen Anzahl. von Stö- (sen, die in der Secunde ausgeübt werden. Mit welcher gro- [sen Kraft ein Kork in einer Röhre bewegt werden kann, hat schon Weber, wie oben angegeben, durch Aufgielsen von Wasser auf den Kork gezeigt; die folgende Methode erlaubt in noch leichterer Weise die Gröfse der Kraft dieser Bewegung für Röhren und Stäbe zu bestimmen. Befestigt man an den Kork, der sich bewegen soll, einen Faden, führt diesen über eine kleine Rolle, so kann man in eine kleine Schaale, die man an den Faden hängt, Gewichte legen, die nun der Kork bei der 244 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ‚Bewegung mit ziehen muls. Man kann die Gewichte allmäh- lig so weit vermehren, bis der Kork eben nicht mehr im Stande ist dıe Schaale mit denselben zu ziehen. Bei einer Röhre von etwa 6 Millimeter im Durchmesser, zog ein in der Röhre be- findlicher sägenförmig eingeschnittener Kork noch sehr gut 70 Gr. Ein Stück Kork, welches unten sägenförmig einge- schnitten war, zog anf einem 5 Fuls langen tönenden Glas- streifen, wenn es selbst mit 200 Gr. belastet war, noch sehr wohl 200 Gramm. Die zweite Versuchsreihe, welche Hr. Kundt ausgeführt hat, bezieht sich auf die Übertragung der Bewegung longitudi- nal tönender Körper an die Luft und enthält eine darauf ge- gründete neue Methode zur Bestimmung der Schallgeschwindig- keit in festen Körpern und Gasen. Die Methode durch Sand oder andere Pulver die Schwin- gungsformen tönender Körper dem Auge sichtbar zu machen ist bisher mit Erfolg nur für feste Körper angewandt. Auf Platten, Glocken, Stäben und in Röhren giebt der Sand jedes- mal die Knotenlinien der transversalen Schwingungen an, jedes Körnchen wird durch die transversalen Stölse in die Höhe ge- worfen und wandert so lange bis es auf einer Stelle der Ruhe liegt. Auf ähnliche Weise die Bewegungen einer schwingenden Luftsäule dem Auge sichtbar zu machen ist bisher nicht mög- lich gewesen. Faraday hat zwar nachgewiesen, dals die Fi- gureu von Semen Lycopodü, die man neben den eigentli- chen Klang- oder Sandfiguren auf tönenden Platten erhalten kann von Luftbewegungen herrühren, aber diese Luftbewegun- gen sind durchaus keine stehenden, also tonerzeugenden Wel- len, sondern Wirbel und Luftströmungen, die von den Stellen der Ruhe nach den Vibrationscentren der Platte stattfinden. Unter dem Einfluls stehender Luftwellen dagegen, also im In- nern einer Pfeife, tritt im Allgemeinen keine Bewegung des eingestreuten Sandes oder Staubes ein und der Verfasser hat sich selbst wiederholt überzeugt, dals weder in tieferen Pfeifen, noch in kurzen Pfeifen auf die ein langes Glasrohr aufgesetzt war, die also je nach dem Anblasen eine ganze Reihe von Tö- vom 22. Mai 1865. 245 nen gaben, auch nicht die geringste Bewegung von Sand oder Staub sichtbar war. Man kann freilich, wie bekannt, in einer Pfeife durch Sand sehr leicht die Stellen der Ruhe und der grölsten Bewegung sichtbar und hörbar machen, wenn man in eine senkrecht stehende Pfeife eine kleine Membran auf der sich etwas Sand befindet an einem Faden hinein lälst. Wenn dabei aber der Sand zwischen zwei Knotenpunkte auf der Membran hüpft, so geschieht dies nicht direct durch die Bewegung der Luft, sondern dadurch dafs die Membran in Mitschwingung ver- setzt ist, und diese den Sand bewegt. Wenngleich es hier- nach unter gewöhnlichen Umständen, also in einer Pfeife, nicht möglich ist die einzelnen stehenden Wellen einer Luftsäule durch Sand oder Staub zu marquiren, so ist dies dem Verfasser doch durch die folgende sehr einfache Methode gelungen. ‘ In eine etwa 4 Fuls lange Glasröhre, deren Durchmesser ungefähr °, Zoll beträgt, schütte man etwas Semen Lycopodii und vertheile dies durch Schütteln so in der Röhre, dafs es überall als Staub an den Wänden haftet. Versetzt man nun die Röhre, während sie an beiden Enden offen ist, durch Rei- ben in Longitudinalschwingungen, so sammelt sich der Staub an bestimmten Stellen am Boden, die den spiralförmigen Kno- tenlinien angehören. Steckt man aber, während der Staub in der ganzen Röhre vertheilt ist, in die beiden Enden der Röhre fest schlielsende Korke, so bewegt sich, wenn die Röhre nun tönt, der Staub nicht zu jenen Ruhepunkten, sondern lagert sich ganz eigenthümlich am Boden der Röhre. Man erblickt eine Reihe neben einander liegender Anhäufungen, die meist aus zarten Rippchen und Streifen aus Staub gebildet sind. Reibt man dann die Röhre noch einmal, so wirbelt der Staub auf und wenn der Ton verklingt,* legt er sich in derselben Weise wieder am Boden nieder. Läfst man den Ton der Röhre nicht langsam verklingen, sondern reibt man dieselbe mit einem schnellen Zug und unterbricht den Ton plötzlich, indem man mitten im Zuge die Hand mit dem Tuch plötzlich fest auf der Röhre ruhen lälst, so ändert sich die Staubfigur in der Röhre etwas. Die periodischen Staubanhäufungen bleiben nach wie vor, aber die zarten Rippchen sind verschwunden und die ganze Figur hat ein mehr verwaschenes Ansehen. 246 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Wie bereits oben angedeutet, werden diese eben beschrie- benen Staubfiguren durch stehende Luftwellen, die sich im In- nern der Röhre bilden, hervorgebracht. Dals es wirklich die bewegte Luft ist, die das Semen Lycopodü in jene Figuren legt und nicht etwa die longitudinalen oder transversalen Oscillationen der Röhre die erregende Ursache sind, ergiebt sich mit Be- stimmtheit daraus, dafs erstens die besprochenen Sandfiguren nicht entstehen, wenn die Röhre an den Enden offen ist, dals zweitens, wie unten noch näher angegeben werden wird, die Zahl der Sandanhäufungen sich ändert, wenn die Röhre statt mit Luft mit irgend einem andern Gase gefüllt ist, und dals drittens in einer luftleeren Röhre sich jene Figuren nie bilden. Die Frage, wie die Luft in einer geschlossenen Röhre in so regelmälsige Schwingungen gerathen kann, beantwortet sich leicht. Ist eine Röhre an beiden Enden durch ebene Platten, also etwa durch zwei Korke verschlossen, hält man dieselbe in der Mitte, und reibt an dem einen Ende, so verlängern und ver- kürzen sich gleichzeitig die beiden Hälften der Röhre, und mit- hin wird die in der Röhre abgeschlossene Luft abwechselnd zusammengeprelst und verdünnt, oder anders ausgedrückt, es er- hält die Luftsäule an jedem Ende genau so viele Stölse in der Secunde, als die Schwingungszahl der Röhre beträgt. In Folge dessen muls die Luft in stehende Schwingung gerathen, und zwar so, dals ihr Ton genau derselbe ist, wie derjenige der Glasröhre selbst. Da nun im Glas die Fortpflanzungsgeschwin- digkeit des Schalles eine bedeutend gröfsere ist als in der Luft, so gehört bekanntlich zu demselben Ton eine sehr viel längere Glaswelle als Luftwelle. Es verhalten sich für longitudinale Schwingungen die demselben Ton zugehörigen \WVellenlängen in zwei Körpern direct wie die Schallgeschwindigkeiten in den- selben. Im Glas pflanzt sich der Schall nicht ganz 16 mal so schnell fort als in der Luft; wird nun eine Glasröhre in der Mitte gehalten und am einen Ende gerieben, so ist die ganze Länge derselben eine halbe Welle, und zählt man jetzt die Staubanhäufungen, so findet man deren 16. Eine jede Staub- anhäufung oder Staubwelle entspricht mithin einer halben Luftwelle. vom 22. Mai 1865. 247 Noch ein Beweis dafür, dafs die im Innern der Röhre vor- handenen stehenden Luftwellen wirklich von den Stöfsen der verschlossenen Enden der Röhren herrühren, liegt in Folgendem. Man bringe die beiden die Luftsäule begränzenden Korke statt an die Enden an zwei Punkte, in denen sie keine Stölse auf die Luft ausüben können, also in einer Röhre, die mit zwei Knotenpunkten tönt, an die Stellen dieser beiden Knotenpunkte. Da nun die Korke beim Tönen sich nicht hin- und herbewe- gen und daher auch die Luft nicht in Schwingungen versetzen, so entstehen in diesem Fall die Staubfiguren nicht. Bringt man dagegen den einen Kork wieder an eins der Enden der Röhre oder zwischen die beiden Knotenpunkte, so entstehen in der abgeschlossenen Luftsäule sofort wieder die Staubfiguren. — Ebenso aber wie nicht blofs eine gedackte, sondern auch eine offene Pfeife tönt, kann man auch in einer an einem Ende offe- nen Röhre stehende Luftwellen erzeugen, wenn nur ein Kork irgend wo sich in der Röhre befindet, wo derselbe beim Tö- nen hin- und herbewegt wird und also auf die Luft stölst. Man erhält auf diese Weise ebenfalls Staubfiguren, will man dieselben jedoch recht energisch hervorrufen, so ist es besser die Röhre an beiden Enden zu verschlielsen. Übrigens bilden sich die Luftwellen und in Folge dessen die Staubfiguren in Röhren nicht nur wenn die Luftwelle ein aliquoter Theil der ganzen Luftsäule ist, sondern auch wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, nur scheint es, dafs die Leich- tigkeit, mit der sich die Staubfiguren bilden, ebenso wie die Form und Regelmälsigkeit derselben wesentlich bedingt ist durch das Verhältnifs der Länge der Luftwelle zu derjenigen der ganzen Röhre. Da es schwer ist ohne Anschauung sich eine Vorstellung von der Form der Staubfiguren und ihrer Regel- mälsigkeit, so wie von den verschiedenen Nüancirungen zu ma- "chen, die unter verschiedenen Umständen auftreten, so soll nur eine Eigenthümlichkeit derselben, die sich häufig zeigt und sehr charakteristisch ist, hervorgehoben werden. Man reibe eine Röhre in der sich Semen Lycopodii möglichst gleichmälsig ver- theilt befindet mit einem nicht zu kräftigen Zuge. Es zeigen sich dann die Staubanhäufungen, aus Rippchen gebildet, sehr schön; zwischen je zwei dieser Anhäufungen befindet sich aber 248 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse eine kreisrunde oder elliptische Stelle die ziemlich leer von Staub ist, und dabei von einem zarten Staubring umgeben ist. Diese Ringe oder Löcher sind am grölsten an den Knoten- punkten der longitudinalen Bewegung des Stabes, und nehmen von da nach der Mitte zwischen zwei Knotenpunkten an Grölse ab. Sand oder andere schwere Pulver werden innerhalb einer tönenden Röhre von den Luftwellen nicht bewegt, das ange- wandte Pulver mufs so aulserordentlich leicht sein, wie Semen Lycopodii. Die bisher beschriebenen Staubfiguren können mit Erfolg sowohl zu einer Bestimmung der Höhe des Tones der tönen- den Röhre, als auch zur Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Gasen benutzt werden. Da die Schallge- schwindigkeit in der Luft für eine gegebene Temperatur mit hinreichender Genauigkeit bekannt ist, so giebt der Quotient aus der Länge der Luftwelle oder der durch dieselbe hervorge- brachten Staubwelle in diese Schallgeschwindigkeit direct die Schwingungszahl des Tones der Luft in einer Secunde und da der Ton der Luft und der Röhre derselbe ist, auch die Schwin- gungszahl der Röhre. Geben ferner 2 longitudinal schwingende Körper genau denselben Ton, so verhalten sich die diesem Ton zugehörigen Wellenlängen direet wie die Schallgeschwindigkeiten in den beiden Körpern, und es ist hieraus schon oben herge- leitet, dafs sich der Schall im Glase etwa 16 mal so schnell fortpflanze als in der Luft. Nun kann man aber eine Röhre statt mit Luft auch mit irgend einem Gase oder Dampf füllen, und wenn die Schallgeschwindigkeit in dem Gase eine andere ist, als in der Luft, so wird auch die Gaswelle mithin die ent- stehende Staubwelle nicht dieselbe Länge haben als die der Luft. Aus einer Vergleichung der Längen der Staubwellen bei ver- schiedenen Gasen, oder der Anzahl derselben in einer gegebe- nen Röhre, würde man dann auf das Verhältnils der Schallge- schwindigkeit in diesen Gasen schlielsen können. Es ist aber gar nicht einmal nöthig, dals die verschiedenen Gase nach ein- ander in dieselbe Röhre gebracht werden; wenn man eine Anzahl verschieden grolser mit verschiedenen Gasen gefüllter Röhren hat, so können diese, vorausgesetzt nur, dals in dem Glase aller dieser Röhren der Schall sich mit gleicher Geschwindigkeit fort- vom 22. Mai 1865. 249 pflanzt, sehr gut zu einer Bestimmung der Schallgeschwindig- keiten dieser Gasarten benutzt werden. Die Anzahl der Staub- wellen in jeder Röhre giebt ohne Weiteres, — wenn die Röh- ren in der Mitte beim Reiben gehalten werden, — an, wie viel mal schneller der Schall sich im Glase als in der betreffenden Gasart fortpflanzt. Die Genauigkeit dieser Bestimmungen ist zwar hinreichend, der Wunsch indels, noch genauere Resultate zu erhalten und das Bestreben, die Methode auch zur Bestim- mung der Schallgeschwindigkeit fester Körper anwendbar zu machen, führten den Verfasser darauf die Staubwellen nicht in der tönenden Röhre selbst, sondern durch dieselbe in einer an- dern begränzten Luftsäule hervorzurufen. Da es nämlich nur die Stöflse der verschlossenen Enden sind, welche die Luft im Innern einer tönenden Röhre in stehende Schwingungen ver- setzen, kann man auch diese Stölse gegen die in einer andern Röhre enthaltene Luft wirken lassen. In der That, als über das freie Ende einer verschlossenen tönenden Röhre eine andere etwas weitere Glasröhre gesteckt wurde, die an ihrem andern Ende durch einen Kork verschlossen war, so bildeten sich, wenn die erste Röhre tönte, in der zweiten die Staubfiguren mit aufserordentlicher Leichtigkeit und Regelmälsigkeit. Der leichteren Handhabung halber wurde dem Apparate folgende Form gegeben. Über eine einige Fuls lange an einem Erde mit einem Kork verschlossene Glasröhre wird bis auf ein - Viertel ihrer Länge von diesem Ende aus eine etwas weitere Glasröhre geschoben, die mit der eingeschobenen Röhre durch einen Kork fest verbunden wırd.e Am andern Ende der über- geschobenen Röhre befindet sich ein Korkstöpsel mit. einem kleinen Stiel, der in der Röhre hin- und hergeschoben werden kann. Wird nun die erste Röhre in der Mitte gerieben, so dals sie also zwei Knotenpunkte hat, den einen an der Stelle des aufgesteckten Korkes, so bilden sich in der zweiten die Staubfiguren, und zwar kann man einen solchen Apparat, ohne ihn irgend einzuklemmen, in freier Hand benutzen. Die Vor- züge die Luftbewegung von einer Röhre auf die andere zu übertragen liegen auf der Hand. Erstens kann man, ohne an dem tönenden Körper etwas zu ändern, die Länge der ganzen tönenden Luftsäule zur Länge des tönenden Körpers beliebig 250 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ändern, zweitens kann man, statt einer Glasröhre, als Tonerreger jeden Stab benutzen, der überhaupt longitudinal schwingen kann, und kann in Folge dessen die Schallgeschwindigkeit in demselben bestimmen, drittens kann man sehr leicht jene zweite Röhre mit verschiedenen Gasen füllen, und endlich sind die auf diese Weise hervorgebrachten Staubfiguren von einer bedeutend gröfseren Schärfe, als die in den tönenden Röhren selbst, und eignen sich daher in viel höherem Grade zu genauen Messun- gen. Die Figuren, die in der zweiten Röhre entstehen, kön- nen unter Umständen wesentlich anders gestaltet sein als die oben beschriebenen und zwar hängt die Gestaltung derselben wesentlich von dem Verhältnils der ganzen tönenden Luftsäule zur Gröfse der einzelnen stehenden Luftwelle ab, d. h. davon, ob diese Grölse ein aliquoter Theil der Länge der ganzen Luft- säule ist oder nicht. Schiebt man während die eine Röhre tönt den verschiebbaren Kork am Ende der andern etwas hin und her, so wird man bald eine Stellung desselben finden, bei welcher das gesammte in der Röhre vertheilte Semen Lycopodü sich in kleine Häufchen sammelt, ‚die genau gleich weit von einander abstehen und von denen der äufserste gerade an dem verschiebbaren Kork liegt. Der Raum von hier bis zur End- Näche der tönenden Röhre ist durch solche Punkte in eine An- zahl genau gleicher Intervalle getheilt. Ein jeder der Staub- häufchen bezeichnet die Stelle eines Knotenpunktes der stehen- den Luftwellen; man erkennt sehr deutlich wie der Staub von beiden Seiten zu diesen Stellen hingeführt wird und hier wäh- rend des Tönens ruhig liegen bleibt. Diese Häufchen sind, wenn sich nicht zuviel Semen Lycopodi in der Röhre befindet, aufserordentlich scharf und markirt, so dals man das Intervall zwischen zwei derselben mit grolser Schärfe messen kann. Da jedes der Staubhäufchen einem Knotenpunkt entspricht und die gesammte Luftsäule durch dieselben in genau gleiche Abschnitte getheilt ist, so ist also jedesmal, wenn die Staubhäufchen ent- stehen, die Länge der ganzen Luftsäule ein genaues Vielfache der Länge einer halben stehenden Luftwelle. Ändert man die Länge der Luftsäule dadurch, dals man den verschiebbaren Stöp- sel um die Hälfte des Intervalls zweier Sandhäufchen, also um i Wellenlänge, heraus- oder hineinschiebt, so entsteht nun vom 22. Mai 1865. 251 eine ganz andere Staubfigur, nämlich die oben in den tönenden Röhren hervorgebrachte. Es bilden sich einzelne Sandanhäu- fungen und zwischen je zwei derselben befindet sich ein von einem Staubring umgebenes Loch, wie es oben beschrieben. Diese Löcher marquiren wieder die Knotenpunkte der ste- henden Wellen und befinden sich daher, von dem verschiebba- ren Stöpsel aus gerechnet, genau an denselben Stellen, an denen sich vorher die Punkte befanden. Aufserdem wird eine Verschiedenheit der Staubfiguren durch eine Verschiedenheit der Intensität der Luftbewegungen her- vorgebracht; dafür spricht wenigstens, dals wenn die überge- schobene Röhre bedeutend weiter ist als die tönende, und also im Verhältuifs zum Querschnitt der Luftsäule die stofsende Fläche klein ist, ebenfalls die Staubpunkte nie entstehen, son- dern sich die Figur mit den Löchern bildet. Wenn ferner der Ton nicht sehr intensiv, sondern schwach ist, so entsteht zu- erst ebenfalls die Figur mit den Löchern und erst allmählig geht beim längeren Tönen der Staub zu den kleinen Häufchen zusammen. Hieraus würde dann folgen, dals die Intensität der Lufibewegung bedeutend gröfser ist, wenn die Luftsäule ein genaues Vielfache einer halben stehenden Luftwelle ist, als wenn dies nicht der Fall. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch noch die interessante Thatsache, dafs wenn die stehende Luftwelle in der übergeschobenen Röhre nicht ein: ali- quoter Theil der ganzen Länge der Luftsäule ist, Sand oder andere schwere Pulver durchaus nicht von der schwingenden Luft bewegt werden. Ist jedoch der kleine Apparat so einge- stellt, dafs sich die Staubhäufchen bilden, und es befindet sich zugleich reiner Quarzsand in der Röhre, so wird nun auch die- ser sehr energisch bewegt, und zwar ordnet er sich nicht in kleine Häufchen an, sondern ähnlich der Staubfigur mit den Löchern. Es bilden sich Sandanhäufungen die aus aulseror- dentlich regelmäfsig neben einander liegenden Sandrippchen be- stehen, an den Stellen der Knoten bleibt entweder der Sand ruhen, oder es bilden sich zuweilen ähnliche Löcher, wie beim Lycopodium. Es scheint hieraus hervorzugehen, dafs die Inten- sität der Luftbewegung, die genügt den leichten Staub in den Knotenpunkten in Häufchen anzusammeln, den schwereren Sand 252 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse nur in eine solche Figur zu ordnen vermag, in die sich bei ge- ringerer Intensität der Luftbewegung auch Semen Lycopodii an- ordnet. Die Modificationen und Übergänge der einen Staubfigur in die andere sind sehr mannigfach, so verschieden aber auch unter den verschiedenen Bedingungen die Staub- oder Sandwellen sein mögen, so ist doch immer bei demselben erregenden Ton der Raum zwischen zwei gleichliegenden Punkten zweier neben einander liegender halben Wellen, also die Länge einer halben Luftwelle, genau dieselbe, und deflshalb können, wenngleich man immer der möglichst einfachen, scharfen Figur den Vorzug geben wird, alle verschiedenen Formen der Staubfiguren zur Messung benutzt werden; aus allen ergiebt sich die Grölse der Luftwelle als von gleicher Länge. Mit welcher Genauigkeit sich diese Messungen ausführen lassen und wie genau man die Schallgeschwindigkeiten für ver- schiedene Körper aus ihnen herleiten kann, zeigen die folgen- den Beobachtungen. Bei den Bestimmungen der Schallgeschwindigkeit für feste Kör- per wurde der Stab, der untersucht werden sollte, meist an zwei Knotenpunkten eingeklemmt, über sein eines freie Ende eine Röhre geschoben und in dieser die Staubwellen erzeugt. Die Messung der Länge des Stabes und die einer ganzen Staub- welle giebt dann das Verhältnils der Schallgeschwindigkeit der Substanz des Stabes zu derjenigen der Luft. Der Stab selbst konnte vor dem Versuch mit grolser Genauigkeit gemessen werden. Von den Staubwellen wurde die Gesammtlänge einer grölseren Anzahl, die recht schön ausgebildet waren, mit einem Stangenzirkel gemessen. Der Fehler der Messung wird dadurch für eine Luftwelle schon sehr klein, dafs man eine Anzahl der- selben auf einmal milst; um ihn noch mehr zu verringern, wurde diese Messung öfter gemacht, bei jedem Versuch 6 bis 10 Mal. | 1) Stahl. Es wurden drei Stahlstangen angewandt, von denen die eine 1002.7°” Länge und 10”” Dicke, die beiden andern 5°" Dicke und 1001.7”” und 501”” Länge hatten. Die drei vom 22. Mai 1865. 253 Stangen waren, so weit es bekannt, aus derselben Stahlsorte gearbeitet. Die Stäbe ergaben für die Geschwindigkeit Die Übereinstimmung der Zahlen ist eine sehr gute, und man sieht, dals aus Stäben verschiedener Gröfse und Dicke sich die Geschwindigkeit gleich gut bestimmt. 2) Messing. Eine Messingstange von etwa 14 Meter Länge und 5”” Durchmesser ergab in drei auf einander folgenden Versuchen v = 10.88 10.87 = 10.86 Eine zweite eben solche Messingstange ergab v = 10.94 und bei einem zweiten Versuch, bei dem die Röhre, in der die Staubwellen entstanden, am Ende nicht geschlosseu war v = 10.90 3) Glas. Ein dünner Glasstab von 647”” Länge ergab in drei auf- einander folgenden Versuchen v= 15.24 = 15.25 —= 15.24 4) Kupfer. Für ein etwas über einen Fuls langes Stück Kupferdrath fand sich v = 11.960 Werthheim findet für Gulsstahl v= 14.961 [1865.] : 20 254 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse und für Stahldrath | v = 15.108 und für Kupfer 11407, Zahlen die mit den obigen so gut übereinstimmen, wie es beı der jedenfalls vorhandenen Verschiedenheit des angewandten Ma- terials zu erwarten war. Bestimmungen der Schallgeschwindigkeit in verschiedenen Gasen sind bisher mittelst der Methode die -Schwingungen der Luft oder des Gases in einer übergeschobenen Röhre hervor- zurufen nicht gemacht, es wurden nur verschiedene Röhren mit verschiedenen Gasen gefüllt und durch blofse Zählung der darin enistandenen Staubwellen die Schallgeschwindigkeit in den Ga- sen bestimmt. Die Schallgeschwindigkeit kann natürlich ebenso wohl bestimmt werden, wenn die Glasröhre bei der Hervor- bringung der Staubwellen mit einem, zwei oder mehreren Kno- tenpunkten tönt, es ist nur immer Rücksicht darauf zu nehmen, wie viel Wellen die Glasröhre selbst enthält. Schwingt die- selbe mit einem Knotenpunkt, so repräsentirt dieselbe eine halbe Welle, und wenn Luft ın derselben ist, so zählt man etwa 16 halbe Luftwellen. Schwingt die Glasröhre mit zwei Knoten- punkten, so bildet sie eine ganze Welle und man erhält 32 halbe Luftwellen. Bei drei Knotenpunkten bildet die Röhre % Glaswellen und man erhält 48 halbe Luftwellen. Auf eine Glaswelle kommen also immer 16 Luftwellen. Es wurden nun Röhren gefüllt mit Kohlensäure, Luft, Leuchtgas, Wasserstoff. Die Anzahl der stehenden Wellen die- ser Gase betrug für eine Glaswelle etwa Kohlensäure = 40 Leuchigas = 20 Luft = 32 Wasserstoff 9 Daraus berechnet sich, wenn die Schallgeschwindigkeit in der Luft gleich Eins gesetzt wird, dieselbe für Kohlensäure = 0.8 Leuchtgss = 1.6 vom 22. Mai 1865. 255 Wasserstoff = 3.6 Werthheim findet für Kohlensäure 0.79 und für Wasser- stoff 3.81. Man sieht, dals die Resultate, die eine ganz einfache Zäh- lung der Staubwellen ergiebt, sich der Wahrheit aulserordent- lich nähern. Diese einfache Methode genügt sogar noch eine Änderung der Schallgeschwindigkeit der Luft nachzuweisen, wenn diese Luft mit Dämpfen gemischt ıst. Eine Röhre wurde mit Luft gefüllt die durch Äther gegangen war. Eine Zählung ergab statt 32, 35 Staubwellen, so dals also die Schallgeschwindig- keit in der mit Ätherdampf gesättigten Luft sich zu 0.91 ergiebt. Genaue Untersuchungen über die Schallgeschwindigkeit in Gasen und besonders in Dämpfen nach der Methode, wie die- selben für einige feste Körper ausgeführt sind, beabsichtigt der Verfasser demnächst anzustellen. Nicht nur für Gase und Dämpfe bei der gewöhnlichen Tem- peratur kann man übrigens naclı dieser Methode genaue Resultate erhalten, dieselbe erlaubt auch die Änderung der Schallgeschwin- digkeit bei verschiedenen Temperaturen zu bestimmen, wie fol- ° gender Versuch lehrt. Es wurde mit dem beschriebenen Apparat, der aus 2 Glasröh- ren besteht, eine Bestimmung der Grölse einer halben Luftwelle gemacht bei 14° Celsius. Die Länge derselben betrug im Mit- tel aus mehreren Messungen 35.743””. Alsdann wurde die übergesteckte Röhre, in der die Staubwellen entstanden, ange- wärmt bis auf etwa 26°. Es ergab sich nun die Länge der- selben Luftwelle = 36.576. Eine neue Bestimmung bei 14° ergab wieder 35.797 und eine Bestimmung bei 30° 37.357”. Wurde dagegen die tönende Glasröhre angewärmt, so er- gab sich fast keine Änderung der Länge der Luftwelle;, — woraus folgen würde, dafs sich in festen Körpern, wenigstens im Glas, die Schallgeschwindigkeit mit der Temperatur nur sehr wenig ändert. Genaue Versuche anch über diese Frage gedenkt der Ver- fasser demnächst, bei einer umfassenderen Untersuchung der Schallgeschwindigkeit der Gase und Dämgfe, anzustellen. 20° 256 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Hr. W. Peters legte Abbildungen zu einer Monographie der Chiropteren vor und gab eine Übersicht der von ihm be- folgten systematischen Ordnung der hieher gehörigen Gattungen. 4. Fam. Prerorı. 1. Gatt. Preropus Geoffr. e. p., Pirs. 2. Gatt. Cynonycteris Ptrs. 3. Gatt. Pierocyon Pitrs. 4. Gatt. Cynopterus Fr. Cuv. (Pachysoma Geoffr.) Subgen. Ptenochirus Pirs., Uronycteris Gray. . Gatt. Megaerops Ptrs. (Megaera Temm.) . Gatt. Epomophorus Benn. Subgen. Hypsignathus Alln. . Gatt. Macroglossus Fr. Cuv. . Gatt. Harpyia 1llig. . Gatt. Cephalotes Geoffr. (Hypoderma Geoffr.) 10. Gatt. Notopteris Gray. aa oma N 2. Fam. MEGADERMATA. . Gatt. Rhinopoma Geoffr. . Gatt. Megaderma Geoffr. Unterg. Livia Gray. . Gatt. Nycteris Geoffr. . Gatt. Nyctophilus Leach. Por» 3. Fam. ARuıwoLopuan. 1. Gatt. Rhinolophus Geoffr. e. p., Bonap. 2. Gatt. Phyllorhina Bonap. (Hipposidoros Gray). 3. Gatt. Coelops Blyth. 4. Fam. PuYyıLostomATa. 1. Subfam. Yampyri. 1. Gatt. Phyllostoma Geoffr. Subgen. Macrophyllum Gray, Mimon Gray, Ty- lostoma Gervais, Trachops Gray. 2. Gatt. Yampyrus Geoffr. Subgen. Lophostoma, Schizostoma Gerv. 3. Gatt. Zonchorkina Tomes'). *) Ist mir aus eigner Anschauung nicht bekannt. Hr. Tomes gibt 4. Gatt. 5. Gatt. 1. Gatt. 2. Gatt. 3. Gatt. 4. Gatt. 5. Gatt. 1. Gatt. 2. Gatt. 3. Gatt. 4. Gatt. 9. Gatt. 1. Gatt. 2. Gatt. 1. Gatt. 2. Gatt. 3. Gatt. 1. Gatt. Proceed. zool. soc.. 1863 p. 82. jederseits vorn 22. Mai 1865. 257 Macrotus Gray. Carollia Gray (Hemiderma Gervais). 2. Subfam. Glossophagae. Glossophaga Geoffr. (Phyliophora Gray). Ischnoglossa Saussure. Anura Gray (Choeronycteris Lichtst.). Monophyllus Leach. Phyllonycteris Gundl.') 3. Unterfam. Stenodermata. Stenoderma Geoffr. Untergati. Dermanura Gerv., Pygoderma Pirs., Artibeus Leach (Pieroderma Gerv.), Yam- pyrops Pirs. (Platyrhinus Sauss., Artibeus Gerv). Chiroderma Ptrs. Sturnira Gray (Nyctiplanus Gray). Brachyphylla Gray. Centurio Gray. 4. Unterfam. Desmodıi. Desmodus Wied. (Edostoma d’Orb.). Diphylla Spix. Auch durch die grölsere Zahl der Backzähne (3 oben, 4 unten) verschieden. 3. Unterfam. Mormopes. Mormops Leach. Chilonycteris Gra y (Zobostoma Gdlc h.). Pteronotus Gray. 5. Fam. Bracarvra. Mystacina Gray. Zu z 3 Backzähne an, während die Abbildung (Taf. 13.) =, nämlich einen kleinen unteren mittleren Lückenzahn mehr zeigt. *) Die einzige Gattung der Flederthiere ohne Jochbogen. 258 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 22. Mai 1865. 2. Gatt. 3. Gatt. 4. Gatt. 5. Gatt. 6. Gatt. 1. Gatt. 2. Gatt. . Gatt. . Gatt. . Gatt. . Gatt. . Gatt. . Gatt. aupo@xn » 7. Gatt. 8. Gatt. 9. Gatt. 10. Gatt. 11. Gatt. 12. Gatt. 13. Gatt. 14. Gatt. ı) M. Noctilio Linn&. Taphozous Geoffr. Emballonura (Kuhl) Temm. (Proboscidea Spix, Cen- tronycteris, Mosia Gray, Urocryptus Temm). Unterg. Saccopteryx 1llig. Dichdurus Wied. Furia Fr. Cuv. (Furipterus Bonap.) 6. Fam. Mozossı. Dysopes 1llig. Untergatt. Molossus Geoffr., Promops Gerv., Mormopterus Ptrs.'), Nyctinomus Geoffr. Chiromeles Temm. 7. Fam. VeEsPERTILIONES. Synotus Keys. Blas. Plecotus Geoffr. Histiotus Gerv. Otonycteris Ptrs. Miniopterus Bonap. Vespertilio Keys. Blas. (Myotis Kaup.). Subgen. Kerivoula Gray, Natalus Gray (Spectrel- lum et Nyctiellus Gerv.). Vesperugo Keys. Blas. (Scotophilus Gray, Tomes (Leach?). Vesperus Keys. Blas. Murina Gray. Harpyiocephalus Gray. Nycticejus Raf. Atalapha Raf. (Zasiurus Gray). Thyroptera Spix (Ayonycteris Licht. Ptrs.). Antrozous Allen. Jugularis aus Madagascar; - Backzähne, Schädel ähnlicher dem von Nyctinomus mit starkem Praeorbitalkamm, Lippen schwach ge- furcht. Männchen der einzigen Art mit grofsem Kehlsack. —IE er — ne ee a Bee x un TEN i Se } SR, . 4 x Pi vi J RN r e an} N A Ki m Be S, Kan > r b ET i ö u 5 . ” a Li ’ e 2 ’ er @ X 1 2 \ M N SU a ya Pe ' Fi . a . BMI F } Ei R { * . 2 r a & TUR NDR ER BR, e \“ W j { I Y e, f » f . N x x s [9 j ü 5 u 7 N D £ kein j IN f h i fi er, r R * D 3 : Ar k { KEN . ? fi ’ & bei Ana u y i 3 \ 4 \ " B Mer ur Pr Le) Bu, | { i & f Y N ‘ 7 . We, SH wu A A i ! v N ( BES - 1 ” \ > 2 x E Y 7 ” \ Monatsbericht der | Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Juni 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer. 1.Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Ewald las: Über den östlichen Abschlufs des subhercinischen Flötzgebirgsbeckens. Hr. W. Peters lieferte einen ferneren Nachtrag zu seiner Abhandlung über 7yphlopina. Durch die Untersuchung der Originalexemplare zu den Beschrei- ; bungen vonSchlegel, Dum£ril, Bibron und Jan in Leyden, welche mir durch Hrn. Schlegels besondere Liberalität verstattet war, so wie derjenigen von Gray und Smith im British Museum, bei welcher ich in der zuvorkommendsten Weise von Hrn. Dr. Günther unterstützt wurde, sind eine Anzahl der bisher auf- gestellten und zum Theil so äulserst schwer zu unterscheiden- den Arten als Synonyme von anderen erkannt worden. Auch fanden sich zwei neue Arten darunter, deren genauere Unter- suchung und Beschreibung mir in liberalster Weise gestattet wurde. 1. Typhlops (Onychocephalus) Güntheri .n.sp. (Fig. 1). Kopf etwas abgeplattet. Rostrale in seinem Dorsaltheile breiter als die halbe Schnauzenbreite, mit parallelen Seitenrän- dern, hinten abgestutzt; am vorderen Ende der abgerundeten [1865.] 21 260 Gesammtsitzung Schnauze und von da nach dem Lippenrande hin allmählig ver- schmälert, in der Mitte zwischen den Labialia einen kleinen Vor- sprung bildend. Nasale ganz getrennt von dem Frontonasale, we- nig aufsteigend, am oberen Rande fast Sförmig gebogen. Nasofron- tale oben und unten zugespitzt, in der Mitte seine Breite gleich & der des Rostrale, am hinteren Rande eingebuchtet; beide Schilder durch das Praefrontale weit von einander getrennt; Praeorbitale oben und unten spitz, vorn und hinten convex, von vorn nach hinten ungefähr halb so breit wie das Nasofrontale. Oculare doppelt so breit wie das Praeoculare, oben nicht ganz so weit hinaufsteigend wie das Frontonasale, mit seiner unteren Spitze zwischen das dritte und vierte Supralabiale eindringend. Augen sehr deutlich mit blauer Iris, hinter dem von dem Praeoculare und Supra- oculare gebildeten Winkel liegend. : Das erste kleinste Supralabiale stöfst mit seinem oberen Rande an das Nasale, das zweite an das Nasale, Nasofrontale und Praeoculare. Unter den oberen Kopf- schuppen, welche etwas grölser als die der Köperschuppen sind, ist das Praefrontale das grölste.e. Der Schwanz ist conisch zu- gespitzt und wenig länger als breit. Die Körperschuppen, von denen 4 Querreihen auf 1”” gehen, bilden 18 Längsreihen. Die Schuppen des Schwanzes bilden 12 Querreihen. Farbe oben röthlichbraun, Kopf dunkler, Unterseite blasser, Schwanz blauschwarz. Totallänge 0”,142; Kopf 0",004; Schwanz 0”,0026; Kör- perbreite 0”,0025; Schwanz. 0”,002. British Museum; aus Nordaustralien. 2. Typhlops (Onychocephalus) obtusus n.sp. (Fig. 2.) Körper sehr lang gestreckt, vorn (an den beiden vorlie- genden Exemplaren) ein wenig dünner als hinten. Augen ver- steckt. Schnauzenrand deutlich, aber stumpf. Rostrale sehr grols; sein Dorsaltheil sehr grols, oval, fast die ganze Breite der Schnauze einnehmend, länger als breit; sein Ventraltheil verschmälert. Nasalia sehr klein, Sförmig, nicht mit den Na- sofrontalia verwachsen, bilden jederseits neben dem unteren Theil des Rostrale einen schmalen Saum, und stofsen an die vordere Hälfte des oberen Randes vom ersten Supralabiale. Die Frontonasalia sind an ihrem breitesten "Theile über dem Nasale so breit wie der Ventraltheil des Rostrale in der Mitte, am hin- m nn vom 1. Juni 1865. 261 teren Rande bogenförmig eingebuchtet, stehen durch ihr un- teres Ende mit der hinteren Hälfte des Supralabiale primum und mit dem Supralabiale secundum in Verbindung und sind oben durch ein sehr breites Praefrontale von einander getrennt. Das Praeoculare ist schmal und steht unten mit dem dritten Supralabiale in Verbindung. Das Oculare ist doppelt so grols wie das Praeoculare, und hat am hinteren convexen Rande eine kleine Einbuchtung; unten stölst es an das dritte und vierte Supralabiale.. Nur die Supraocularia sind durch ihre Gröfse von den anderen Körperschuppen ausgezeichnet, welche sich bis ans Praefrontale fortsetzen. Die Supralabialia sind sehr niedrig und dringen nirgends zwischen die seitlichen Kopfschilder ein. Der Schwanz ist sehr kurz und zeigt unten 4 Querreihen von Schuppen. Die Körperschuppen bilden 22 Längsreihen. Die Schuppen der Rückseite des Körpers sind braun, an der Basis weils; ihre seitlichen Enden sind dunkler gefärbt und bringen zusammen den Eindruck von zwischen den Schuppen- reihen verlaufenden Längslinien hervor. Der gröfste Theil des Rosirale, die Seitenschilder, Lippen und die ganze Unterseite des Thieres bis zur Schwanzspitze sind gelblich. Totallänge 0”,303; Kopf 0”,007; Schwanz 0”,002; Kopf- breite in der Gegend der Ocularıa 0”,0035; Körperdicke im vorderen Dritiel 0”,0045, im hinteren Drittel 0”,006. Var. A. Körperschuppen in 24 Längsreihen, Oculare hin- ten weniger deutlich eingebuchtet und hinter dem Praefrontale kommt noch ein Frontale zum Vorschein. Totallänge 0”,296; Körperbreite vorn 0”,004, hinten 0”,006. Aus dem Thale des Shireflusses (Mossambique). Diese Art hat auf dem ersten Anblick einige Ähnlichkeit mit ©. mucruso, von dem sie sich aber durch viel gröfsere Schuppen, die nicht zugeschärfte stumpfe Schnauze, das Ver- hältnifs der Kopfschilder und die Unsichtbarkeit der Augen un- terscheidet. 3. Stenostoma scutifrons Ptrs. (Fig. 3.) Bostrale sehr breit und weiter nach hinten ragend als die Augen, Frontonasalia sehr schmal, etwa gleich “, des Rosirale, mit dem Supraoculare verschmolzen und vor den Augen tief 21° 262 Gesammtsitzung eingebuchtet. Nasale sehr klein, oben zugespitzt, so dals das Nasenloch fast ganz an der unteren Seite liegt. Erstes Supra- labiale ebenfalls äufserst klein, trapezoidal, jedoch das Fronto- nasale vom Lippenrande ausschlielsend.e Oculare um die Hälfte breiter als das Nasofrontale in seinem unteren Theile, oben zu- gespitzt. Das Postorbitale, welches ziemlich dieselbe Gröfse hat, wie das Oculare, stützt sich auf das zweite Labiale.. Die Parietalia sind fast um % kleiner als die Ocularia.. Die Körper- schuppen bilden, wie gewöhnlich, 14 Längsreihen, die des Schwanzes 22 Querreihen. Farbe der Oberseite (7 Schuppen- reihen) braun, mit feinen hellen Suppen esan die Unter- seite weils; Iris blau. Totallänge 0”,175; Schwanz 0”,011; Körperbreite 0”,0023. Fundort: Benguella (Westafrika); im British Museum. Unterscheidet sich von S%. scuzifrons aus Mossambique nur dadurch, dals das Supraoculare mit dem Nasofrontale zu einem Schilde verwachsen ist. Da aber das einzige Exemplar meines St. scutifrons viel kleiner ist, so erscheint es mir wahrschein- lich, dafs das ausgewachsene Thier sich durch diese Verwach- sung von dem jüngeren unterscheidet. Es dürfte daher nicht als eine besondre Art (S2. scutatum), wie ich anfangs glaubte, zu betrachten sein. 4. Onychophis Franklin Gray = Onychocephalus Lalandii Schlegel. 5. Onychophis Barrowü Gray = Onychocephalus liberiensis Hallowell = Onychocephalus congestus Dum. Bibr. 6. Onychophis punctatus Gray = Typhlops Eschrichtü Schle- gel. 7. Anilios australis Gray = Typhlops Preissii Jan. 8. Anilios Leachii Gray = Typhlops RichardüD. B.= T. lum- bricalis L. 9. Meditoria nasuta Gray = Typhlops lumbricalis L. var. 40. Argyrophis truncatus Gray = Typhlops braminus Daud. 41. Anilios nigrescens Gray = Typhlops polygrammicusSchl eg-, Dum. Bibr. = Zyphlops Rüppelli Jan = Typhlops Tem- minckü Jan. 12. Argyrophis Horsfieldi Gray = Typhlops Diardii Dum. Bibr., zu welchem ebenfalls gehören Typhlops striolatus Ze ITyphlops Güntheri. 2 T. obtusus 2° idem var: 3. T-australis. A T.ater 9. Dtenostoma seutilrons. d. Cathetorhinus melanocephalus. vom 1. Juni 1865. 263 Ptrs. und ZT. bothriorhynchus Gthr. Das junge Thier hiervon ist aller Wahrscheinlichkeit nach Zyphlops tenuis Jan. 13. Onychocephalus capensis Smith = Zyphlops braminus Daud., zu denen ebenfalls gehören dürften Zypklops acce- dens Jan und Zyphlops pammeces Gthr. (Typhlops tenuis Gthr. antea). 14. Onychocephalus verticalis Smith = 0. macrurus Ptrs. 15. Zyphlops Russellü Gray ist, wie Hr. Dr. Günther be- reits angeführt hat, Onychocephalus acutus 'Dum. Bibr., = Onych. Westermanni Lütken, und zugleich = Z)- phlops excipiens Jan. ’ Erklärung der Figuren. Fig. 1. Typhlops Güntheri Ptrs. Fig. 2. Typhlops obtusus Ptrs. 2°. Varietät derselben Art. Fig. 3. Typhlops australis Gray (nach dem Originalexemplare von 7y- phlops Preissii Jan des Leidener Museums). Fig. 4. Typhlops (Gerrhopilus Fitz.) ater Schlegel(nach dem Original- exemplare des Leidener Museums). Fig 5. Stenostoma scutifrons Ptrs., adult. Fig. 6. Cathetorhinus melanocephalus Dum. Bibr. (nach dem Original- exemplare des Pariser Museums). Hr. Mommsen überreichte die yon ihm veranstaltete Aus- gabe des sogenannten monumentum Ancyranum oder der res gestae divi Augusti. Hr. Dove trug eine von Hrn. Hermann von Schlag- intweit Sakünlünski ıhm überschickte Abhandlung vor: Über die mittlere Temperatur des Jahres und der Jahreszeiten in Indien, zweiter Theil, Himalaya, Thibet, Turkistan. Hr. Dove zeigte die Abbildungen zu einem Reisewerke über Australien vor, welches Hr. von Blandowskı heraus- geben wird. 264 Sitzung der philos.-hist. Klasse vom 12. Juni 1865. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Verhandlungen des siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften. ‚14, 7-12. 15, 1-ı2. Hermannstadt 1863—1864. 8. Zeitschrift des Ferdinandeums. Heft 12. Innsbruck 1865. 8. Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 24. Band. Berlin 1864. 8. Indische Studien. 9. Band, Heft 1. Leipzig 1865. 8. Memoires de Cherbourg. Tome 10. Paris 1864. 8. Bulletin de la societe imperiale de Moscou. no. 1. Moscou 1865. 8. Revue archeologique. Mai. Paris 1865. 8. Bulletin de lacademie royale des sciences de Belgique, no. 4. Bruxelles 1865. 8. Journal of the Royal Dublin Society. no. 32. 33. Dublin 1865. 8. Rivista periodica della academia in Padova. No. 21—26. Padova 1862—1864. 83. Schriften des Archäologischen Instituts in Rom, für das Jahr 1864. Fenicia, Libro undecimo della politica. Napoli 1865. 8. Corenwinder, Les feuiles des plantes exhalent-elles de loride de carbone? Lille 1865. 8. Recherches chimiques sur la betterave. Lille 1865. 8. Flora batava. Aflevering 190—-191. Amsterdam 1865. 4. Burmeister, Beschreibung der Macrauchenia patachonica Owen. Halle 1864. 4. 12. Juni. Sitzung der philosophisch -histo rischen Klasse. Hr. Mommsen las über die römische Dictatur. 15. Jun. Gesammitsitzung der Akademie. Hr. Rammelsberg las über die Zusammensetzung und die Constitution des Topases. In einer am 22. November 1804 in dieser Akademie ge- haltenen Vorlesung theilte Klaproth seine Analysen des säch- sischen und brasilianischen Topases mit, welche die erste an- nähernd richtige Kenntnils von der Zusammensetzung dieses TE a Gesammtsitzung vom 15. Juni 1865. 265 schönen Minerals gaben. Denn alle seine Vorgänger, Pott, Marggraf'), T. Bergman, Vauquelin, Wiegleb und Lowitz, hatten in den meisten Fällen nur Kieselsäure und Thonerde gefunden. Bereits im ersten Bande seiner „Beiträge zur chemischen Kenntnifs der Mineralkörper”, welcher im Jahre 1796 erschien, hatte Klaproth Versuche beschrieben, nach denen die genann- ten Topase im Feuer des Porzellanofens 20 pC. am Gewicht verlieren, und bei deren Wiederholung der Verlust bald grölser, bald kleiner war, niemals aber weniger als 15 pC. betrug. Die- ses ungewöhnliche Verhalten eines so harten Edelsteins brachte Klaproth auf die Vermuthung, dals Fluor (oder nach dem damaligen Ausdruck: Flufssäure) einen Bestandtheil des Topases bilde, und in der That fand er bei Wiederholung eines Ver- suches von Marggraf, nämlich beim Erhitzen von Topaspul- ver mit Schwefelsäure in einer Glasretorte dieselbe sichtlich corrodırt. Klaproth schlofs den Topas durch Schmelzen mit Kali- hydrat im Silbertiegel auf und schied die Kieselsäure nach Be- handlung der Masse mit Chlorwasserstoffsäure in der gewöhn- lichen Art ab. Nach Ausfällung der Thonerde durch kohlen- saures Kali wurde das Filtrat mittelst einer Säure neutralisirt, und ein Zusatz von Kalkwasser schlug Fluorcalcium nieder, des- sen Natur aus den glasätzenden Dämpfen folgte, die es beim Erwärmen mit Schwefelsäure entwickelte. Während Klaproth bei dem sächsischen Topas die Be- stimmung der Kieselsäure und der Thonerde ziemlich richtig gelang, blieben bei der des brasilianischen offenbar 10 pC. Thon- erde in der Kieselsäure, eine Folge des unvollkommenen ana- Iytischen Verfahrens. Die Menge des Fluors hat Klaproth eigentlich nicht be- stimmt; er begnügte sich, dasselbe aus dem Verlust zu berech- nen, erhielt aber natürlich eine ganz unrichtige, viel zu kleine Zahl, weil er dem damaligen Zustande der Wissenschaft gemäls voraussetzen mulste, Kieselsäure, Flulssäure und Thonerde seien als *) Recherches chymiques sur le Topaze de Saxe. Nouveaux Me- moires de l’Academie des Sciences. 17706. 266 Gesammtsitzung solche im Topas enthalten. Blos bei der Analyse des brasilia- nischen bestimmte er die Menge des Fluorcalciums und ebenso die des schwefelsauren Kalks, den dasselbe bei seiner Zersetzung gab. Da die Data seiner Rechnung auch heute noch annähernd richtig sind, so sieht man, dals er, wie es auch in der Methode begründet ist, viel zu wenig Fluorcalcium erhielt. Nur 5 oder 7 pC. Flulssäure hätte der Topas darnach enthalten. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dals das Verdienst der Entdeckung des Fluors im Topas noch einem anderen deutschen Chemiker, nämlich Bucholz, gebührt, welcher es um dieselbe Zeit (im Jahre 1804) im Pyknit auffand '), den Hauy als eine Abänderung des Topases erkannte. Diese Untersuchung Bu- cholz’s ist zugleich bemerkenswerth dadurch, dals sie in Be- zug auf den Fluorgehalt, welcher im Pyknit als 17 pC. Flufs- spathsäure angegeben ist, der Wahrheit ziemlich nahe kommt, obwohl dies, da die Bestimmung indirect erfolgte, nur ein Zu- fall ist, insofern die Zahl für die Thonerde um 7 pC. zu nie- drig ist. Die Analysen Klaproth’s und Bucholz’s wurden sehr bald von Vauquelin wiederholt, aber weder Topas noch Pyk- nit haben in der Hand dieses sonst so geschickten Chemikers richtige Resultate ergeben. Dies erkannte Berzelius?), welcher im Jahre 1815 in Gemeinschaft mit Hisinger einen derben Topas aus der Ge- gend von Fahlun analysirt hatte, und nun versuchte, die Me- thoden zur Trennung der Topasbestandtheile zu verbessern. Versuche, das Fluor durch Schmelzen des Topases mit Borsäure oder mit saurem phosphorsaurem Kalk in Form von Fluorbor oder Fluorkiesel zu bestimmen, glückten nicht, und schliefslich blieb Berzelius bei dem Aufschliefsen durch kohlensaures Na- tron stehen, indem er vorschrieb, den wässerigen Auszug der Masse durch kohlensaures Ammoniak von aufgelöster Kieselsäure und Thonerde zu befreien, und die Fällung des Fluors durch Ammoniak und Chlorcalcium zu bewirken. Durch eine Reihe von Versuchen hatte er die Überzeugung gewonnen, dals sich die ®) Crell’s Neues allg. Journ. d. Chem. Bd. 2. S. 15. ?) Schweigg. J. Bd. 16. S. 423. vom 15. Juni 1865. 267 Zusammensetzung des Fluorcalciums nicht genau bestimmen lasse; er zog es daher vor, die Angaben J. Davy’s über die Zusam- mensetzung des Fluorkiesels vorläufig zu benutzen, woraus er berechnete, dals Fluorcalcium aus 74 Kalk und 26 Flulssäure bestehen müsse. Übersetzen wir dies in die heutige Sprache, so erhalten wir 52,86 Calcium und 47,14 Fluor, d.h. das Atg. des Fluors etwa = 17,9 und bemerken, dafs spätere Versuche (Zersetzung von Flulsspath durch Schwefelsäure) von Louyet für dieses Element die Zahl 19 ergeben haben, so dafs 100 Th. Fluorcalceium = 48,72 Fluor sind, und Berzelius’s Berech- nung des Fluorgehalts der Topase einer Correction bedarf, welche das Verhältnils 17,9:19 an die Hand giebt. Berzelius hat den Topas aus Sachsen, aus Brasilien und von Finbo bei Fahlun analysirt. Alle diese Abänderungen er- gaben gleiche Zusammensetzung, nämlich 34 pC. Kieselsäure, 38 pC. Thonerde und 30 pC. Fluorcalcium, welche entweder = 14,14 oder = 14,6 pC. Fluor sein würden. "Von dem Pyknit hat Berzelius aus Mangel an Material nur eine Analyse machen können, welche 39 Kieselsäure, 53 Thonerde und 16 oder 16,5 Fluor gab. Demnach enthielte der Pyknit 5 pC. Kieselsäure und 2 pC. Fluor mehr, aber 5 pC. Thonerde weniger als der Topas. Es läfst sich nicht verkennen, dals die Untersuchung Ber- zelius’s Resultate ergeben hat, welche der Wahrheit sehr nahe kommen. Um dies einzusehen, darf man seine Analysen nur auf die Elementarbestandtheile berechnen ') und den Fluor- gehalt in der angegebenen Art corrigiren. 1. 2. 3. 4. Topas. Topas. Topas. Pyknit. Sachsen. Brasilien. Finbo. Altenberg. Kiesel 15,98 15,87 16,03 17,93 Aluminium 30,56 31,06 30,72 27,13 Fluor 14,52 14,32 14,57 16,56 Sauerstoff 38,94 38,75 38,68 38,38 Die relative Zahl der Atome ist: 1) Wir haben Si = 14, Al= 13,65, Fl = 19 angenommen. 268 Gesammtsitzung Si 4,5 1,5 1,49 1,47 Al 2,9 3,0 2,93 2,3 Fl 1 1 1 1 0 64 6,4 6,3 5,5 Man sieht hieraus, dafs nach Berzelius die Topase 1 At. Silicium gegen 2 At. Aluminium enthalten, und dals, wenn man an Stelle des Fluors Sauerstoff setzt, der Topas aus 1 At. Kie- selsäure und 1 At. Thonerde zusammengesetzt wäre, da in der That die Atome von Si:Al:(O, Fl) sich =1:2:5 verhalten. Anders aber beim Pyknit. Hier stehen die At. von Si und Al in dem Verhältnifs von 2:3, und da Fluor und Sauerstoff zusammen gerade soviel betragen, als nöthig ist, so würde der Pyknit, wenn er Sauerstoff an Stelle von Fluor enthielte, aus 3 At. Thonerde und 4 At. Kieselsäure bestehen. Also so... Tops = AlSı Pyknt = Al?Si® Die relativen Mengen von Fluor und Sauerstoff sind im Topas = 1:6,3—6,4, im Pyknit = 1:5,3. Im Jahre 1843, also fast 30 Jahre nachdem Berzelius die Kenntnils von der Zusammensetzung des Topases auf diesen Punkt gebracht hatte, erschien eine Arbeit von Forchham- mer'), welche bewies, dals der Fluorgehalt der Topase noch etwas grölser ist, als Berzelius ihn gefunden hatte. Forch- hammer erreichte die schärfere Trennung des Fluors dadurch, dafs- er das Aufschlielsen des Topases mit einem Zusatz von Kieselsäure vornahm. Den Fluorgehalt aber bestimmte er nicht blos in der gewöhnlichen Art, sondern, Klaproth’s Erfahrun- gen benutzend, dals der Topas in hoher Temperatur einen Ver- lust von etwa 20 pC. erleidet, setzte er ihn einer Hitze aus, bei welcher Eisen schmilzt und berechnete aus dem Gewicht- verlust, unter der Annahme, derselbe sei lediglich Fluorkiesel, den Gehalt an Fluor. Die nahe Übereinstimmung der auf bei- den Wegen erhaltenen Zahlen war ein Beweis für die genaue Bestimmung des Fluors. ‘) Journ. f. prakt. Chem. Bd. 30. S. 400. vom 15. Juni 1865. 269 Forchhammer beschränkte seine Versuche auf die To- pase von Brasilien, Finbo, Trumbull in Connecticut und den Pyknit. Brasilien. Finbo. Trumbull. Pyknit. Verlust beim Glühen 23,03 24,80 23,935 Daraus Fluor 16,83 18,12 17,20 Durch die gewöhnliche Analyse wurden erhalten Kiesel 16,64 16,51 18,22 Aluminium 29,19 29,34 2977 27,26 Fluor ') 18,40 18,88 18,42 19,62 Mittel des Fluors 17,12 18,50 17,81 19,62 Forchhammer findet also fast dieselbe Menge Kiesel wie Berzelius, etwas weniger Aluminium, dagegen etwa 3 pC. Fluor mehr als Letzterer. Beim Pyknit differiren Beide nur im Fluor. Nimmt man das Fehlende für Sauerstoff, so ist die relative Zahl der Atome Topass. Topas. Pyknit. Finbo. Trumbull. Sı 1,22 1,26 1,26 Al 2,20 2,33 1,93 FI 4 1 1 oO 456 452 422 Das Atomverhältnifs von Kiesel und Aluminium spricht sich auch hier bei beiden Topasen, wenngleich nicht so genau wie bei Berzelius aus. Die Gesammtmenge des Fluors und Sauer- stoffs sollte sein 5,74 6,01 Auch hier ist die Differenz, besonders bei dem Topas von Trumbull, gröfser als in Berzelius’s Analyse. Beim Pyknit verhalten sich Kiesel und Aluminium ebenso =2:3, wie Berzelius gefunden hatte. *) Corrigirt in der angeführten Art. 270 Gesammtsitzung Mithin haben Forchhammer’s Versuche die Formeln des Topases und Pyknits, wie sie aus Berzelius’s Arbeit folgen, im Allgemeinen nicht geändert, nur stehen die Fluor- und Sauerstoffverbindung hier in dem Atomverhältnils 2:9 (4:17 oder 1:4 im Pyknit), bei Berzelius in dem von 1:6 (2:41 im Pyknit). Die letzten Versuche, welche wir über den Topas be- sitzen, rühren von H. Deville her') und datiren vom Jahre 1854. Derselbe überzeugte sich, wie er sagt, dafs der Topas in starker Hitze reines Fluorkieselgas (im Mittel 23 pC.) aus- giebt. Er stellt aber ferner die Behauptung auf, dals die wei- fsen 'Topase mehr Fluor enthalten als die gelben, und dafs diese Differenz der Zusammensetzung sich auch in der Differenz der Winkel der optischen Axen ausspreche. Diese Behauptung, dafs der Fluorgehalt der Topase ver- schieden sei, gleich der Färbung und dem optischen Axenwinkel, ist durchaus neu; die früheren Untersuchungen lassen im Ge- gentheil eine derartige Differenz ganz und gar nicht erkennen, und es durfte erwartet werden, dafs eine Reihe von neuen Ver- suchen die Bestätigung gcliefert hätte. Statt dessen führt Deville lediglich zwei Analysen von sächsischem und brasilianischem Topas an, ohne deren Beschaf- fenheit und die Methode der Untersuchung näher zu bezeichnen. Topas. Sachsen. Brasilien. - Kiesel 16,9 17,5 Aluminium 28,9 28,6 Fluor 17,3 15,7 Sauerstoff 36,9 38,2 Atomverhältnils: Si 1,33 1,5 Al 2,33 2,5 Fl 1 1 10) 3,07 3,8 1) Compt. rend. XXXVIII 317. LII. 782. vom 15. Juni 1865. 271 Statt des einfachen Verhältnisses von 1 At. Kiesel und 2 At. Aluminium, wie es insbesondere Berzelius’s Analysen ganz unzweifelhaft ergeben, finden wir hier die Verhältnisse von 1:1% und 1:1%, die an sich höchst unwahrscheinlich sind, und das Fluor etwa in derselben Menge wie bei den von Forch- hammer untersuchten Topasen. Freilich enthält nach De- ville der farblose (sächsische) Topas 1,6 pC. Fluor mehr als der gelbe brasilianisehe, allein der Fluorgehalt des letzteren ist nach Forchhammer genau eben so grols als derjenige des ersteren nach Deville. In keinem Fall können diese wenigen Versuche als Be- weise für Deville’s Behauptung dienen, und überdies deutet die merkliche Abweichung von dem einfachen Atomverhältnisse zwischen Kiesel und Aluminium auf eine weit weniger genaue analytische Methode als die der Vorgänger Deville’s. Bekanntlich schwankt beim Topas gleichwie bei anderen krystallisirten Körpern der Winkel der optischen Axen biswei- len an einzelnen Theilen eines und desselben Krystalls.. Diese Erscheinung hat aber gewils keine Beziehung zu der chemischen Zusammensetzung der Substanz, sondern dürfte sich wohl aus den inneren Strukturverhältnissen der Krystalle herleiten die beim Topas insbesondere dem brasilianischen, von Brewster und Des Cloizeaux beobachtet worden sind. Die chemische Constitution des Topases kann jetzt, im Allgemeinen wenigstens, nicht mehr zweifelhaft sein. Früher dachte man ihn als Thonerdesilikat, in Verbindung mit Fluor- aluminium; Forchhammer hielt ihn für Thonerdesilikat, ver- bunden mit Fluorkiesel. Aber schon vor längerer Zeit habe ich zu beweisen ge- sucht, dafs das Fluor genau die Rolle des Sauerstoffs hier wie in anderen fluorhaltigen Silikaten (Glimmer, Apophyllit) spiele, dals es Sauerstoff gleichsam vertrete, oder vielmehr, dafs der Topas kieselsaure Thonerde sei, in isomorpher Mischung mit einem gleich zusammengesetzten Kieselfluoraluminium. Ich stützte meine Ansicht auf die chemischen Analogieen zwischen beiden Elementen und auf die Existenz von Verbindungen, welche aus Sauerstoffsalzen und Doppelfluorüren bestehen, deren Kenntnifs wir Berzelius verdanken. - 272 Gesammtsitzung Die vollständige und sichere Kenntnifs der chemischen Na- tur des 'Fopases setzt, wie mir scheint, die faktische Beantwor- tung folgender Fragen voraus: 4. In welchem Verhältnils stehen Kiesel und Aluminium? 2. In welchem Verhältnils stehen Fluor und Sauerstoff? 3. Sind diese Verhältnisse für alle Abänderungen die nämli- chen oder nicht? 4. Hat der Pyknit eine abweichende Zusammensetzung? Man wird zugeben müssen, dafs die bisherigen Arbeiten diese Fragen nicht mit der nöthigen Sicherheit beantworten, eine solche aber, wie ich hoffe, in den nachstehend mitgetheil- ten Versuchen finden. Natürlich kommt alles auf eine möglichst scharfe Trennung der drei Elemente Siliccum, Aluminium und Fluor an, und es ist ganz unerläßslich, beim Glühen des Topases mit kohlensau- rem Alkali eine gewogene Menge reiner Kieselsäure hinzuzu- fügen. Es bedarf kaum der Bemerkung, dals die geglühte Masse mit Wasser ausgezogen und der dabei in Auflösung bleibende Antheil von Kieselsäure und Thonerde durch Eindampfen im Wasserbade unter Zusatz von kohlensaurem Ammoniak abge- schieden wird. Die Zerlegung des Unlöslichen mittelst Chlor- wasserstoffsäure ist zwar ım Ganzen sehr einfach, allein keine Vorsichtsmalsregel ist im Stande, die Kieselsäure frei von Thon- erde, und umgekehrt, zu liefern. Ich habe deshalb bei allen Analysen die Kieselsäure mit Fluorammonium und Schwefel- säure behandelt und ihren 'Thonerdegehalt bestimmt, halte dies Verfahren überhaupt für nothwendig bei der Analyse ihonerde- reicher Silikate. Andrerseits wurde die Thonerde, nachdem sie geglüht und gewogen worden, in mälsig verdünnter Schwefel- säure aufgelöst, wobei die Kieselsäure zurückbleibt. Eine der- artige Correktion, so geringfügig sie zuweilen erscheinen mag, ist für genaue Versuche auch bei anderweitigen Silikaten von Werth. In der alkalischen Flüssigkeit, welche das Fluornatrium ent- hält, und natürlich nur mit Platin oder Silber in Berührung kommen darf, bleibt noch ein wenig Kieselsäure zurück, welche man durch Eindampfen mit einer Auflösung von Zinkoxyd in vom 15. Juni 1863. 273 kohlensaurem Ammoniak abscheidet, worauf man das Zinksilikat durch Salpetersäure zerlegt. Was endlich die Fällung des Fluors als Fluorcalcium be- trifft, so hat H. Rose!) das ältere Verfahren so modificirt, na- mentlich durch Fernhalten von Ammoniaksalzen, dafs die Fluor- bestimmung jetzt erst zuverlässig genannt werden kann. Natür- lich habe ich von dieser Methode allein Gebrauch gemacht. Von grofsem Vortheil würde eine einfache Methode der Fluorbestimmung sein. Schon Berzelius hatte versucht, das Fluor durch Schmelzen mit Borsäure oder mit saurem phosphor- saurem Kalk auszutreiben, indessen wird der Topas dadurch nur wenig angegriffen. Mit gleich ungünstigem Erfolg habe ich metaphosphorsaures Natron (geschmolzenes Phosphorsalz) ver- sucht, wobei nur das bemerkenswerth ist, dafs die Menge des (über dem Gasgebläse) ausgetriebenen Fluors bei den Versuchen immer fast-dieselbe war, und fast die Hälfte des im Topas ent- haltenen ist. Der Topas wird durch Behandlung mit Fluorammonium und Schwefelsäure zwar zersetzt, doch bleibt immer ein so grolser Theil selbst nach mehrfacher Wiederholung unangegriffen, dalz diese Methode sich nicht zu einer Bestimmung der Thonerde eignet. Die von mir untersuchten Topase sind theils schon früher analysirte (Sachsen, Brasilien, Trumbull und Pyknit), theils sol- che, deren Analyse hier zum ersten Male erscheint (Schlacken- wald, Adun Tschilon). I. Topas vom Schneckenstein ın Sachsen. Die bekannte Abänderung in farblosen durchsichtigen Krysiallen. I. Topas von Schlackenwald. Aufser den bekann- - ten durchsichtigen Krystallen kommen dort auch trübe undurch- sichtige vor, deren Masse ein ähnliches Ansehen hat, wie die des sogenannten Pyropbysalits von Finbo bei Fahlun. Sie ga- ben das Material für die Analysen ab. Sie sind oft gelb oder grünlich gefärbt, besitzen eine geringere Härte, und ein etwas geringeres specifisches Gewicht, geben beim Erhitzen 0,5 bis 1 pC. Wasser, im Übrigen aber die Zusammensetzung der fri- ‘) Vgl. Traite complet de Chimie analyt. II. 761. 274 Gesammtsitzung schen Topase. Ihre Masse scheint blos mechanisch etwas ver- ändert zu sein. Wie bekannt, ist die Umwandlung von Topas ‘in Thon (Steinmark) und (angeblich) in Speckstein an mehre- ren Orten beobachtet, selbst die in Pinit und Glimmer an dem Topas von Finbo. Auch auf der Zinnerzlagerstätte von Schlak- kenwald sind derartige Thon- oder Specksteinbildungen sehr ausgezeichnet, grolsentheils aber wohl aus Feldspathsubstanz her- vorgegangen. III. Stängliger Topas von Altenberg oder soge- Pyknit (Stangenstein.. G.Rose hat gefunden, dals die Form dieser Abänderung die des Topases ist, und Des Cloizeaux fand auch das optische Verhalten hiermit im Einklang. Schon Hauy hatte ihn zum Topas gerechnet, die Analysen schienen jedoch eine abweichende Zusammensetzung anzudeuten, wie dies aus dem schon Angeführten erhellt. Meinen Versuchen zufolge ist dies aber nicht der Fall, wiewohl die offenbar weniger har- ten Stellen der Masse, die ich nicht untersucht habe, möglicher- weise in ihrem chemischen Bestande verändert sind. IV. Topas vom Gebirge Adun-Tschilon im Be- zirk von Nertschinsk in Sibirien. Zur Analyse diente ein ein- zelner grölserer durchsichtiger und farbloser Krystall, dessen Form alle die Eigenthümlichkeiten zeigte, die Kokscharow an dem Topas jener Lagerstätte hervorhebt '). V. Topas aus Brasilien. Zur Analyse wurde auch hier ein einzelner Krystall von ziemlich intensiver röthlichgelber Farbe benutzt. VI. Topas von Trumbull, Connecticut. Weilse durch- scheinende Krystallmasse. Das specifische Gewicht der untersuchten Topase ist: Adun - Tschilon 3,963 Brasilien 3,961 Altenberg (Pyknit) 3,993 Schlackenwald " 3,520 Trumbull 3,514 Offenbar steht die Abnahme der Dichte mit einer anfan- genden Veränderung und der minderen Härte im directen Zu- sammenhang. t) Materialien z. Mineralogie Rufslands II. 232. vom 15. Juni 1865. 275 Directe Resultate der Analysen: I. II. III. Schneckenstein. Schlackenwald. Altenberg. a. b. a. b. (Pyknit.) Kieselsäure 33,69 33,37 33,37 33,28 Thonerde 56,28 56,81 56,52 56,03 95,86 Fluor 18,54 18,69 18,850 18,28 18,28 IV. Y.!) VL?) Adun-Tschilon. Brasilien. Trumbull. Kieselsänre 33,96 33,73 32,38 Thonerde 56,28 37,39 35,32 Fluor 18,50 16,12 16,12 Berechnung der Elementarbestandtheile, des Sauerstoffs aus dem Verlust: I. II. IN. IV, V. VI. a. b.- a. b. Silicium 15,72 15,57 15,57 15,53 15,66 15,74 15,11 Aluminium 29,94 30,22 30,07 29,81 29,72 29,94 30,53 29,43 Fluor 18,54 18,69 18,80 18,28 18,23 18,30 16,12 16,12 Sauerstoff 35,80 35,52 39,96 36,47 36,10 37,61 39,34 Das Verhältnils der Atome ist demnach Si 4,15 1,13 1,12 43,816. 14° 74:3 Al 26290 2,29, 2,22°72,21 72,200228. 720 226 Fl 1 1 1 1 1 1 1 1 (0) 4,59 4,50 4,49 46 468 5,5 5,8 Die Schlüsse, welche sich hieraus ergeben, sind folgende: 1. Der Topas enthält auf 1 At. Silicium 2 At. Aluminium. Dies Verbältnils findet sich schon bei Berze- lius (wenn man vom Pyknit absieht); es tritt auch, aber we- niger scharf, in Forchhammer’s Analysen hervor. Man muls daher die Versuche von Deville als ungenau verwerfen. 2. Das Fluor ist im Topas ein Äquivalent des Sauerstoffs; d.h. die Gesammtmenge beider macht 5 At. aus *) Mittel aus zwei Versuchen. ?) Nach Abzug von 0,66 pC. Wasser. [1865.] 22 .276 Gesammtsitzung gegen 1 At. Aluminium, wie dies ebenfalls die besten der frü- heren Analysen dargethan hatten. 3. Das Verhältnils von Fluor und Sauerstoff ist im Allge- ‚meinen =1:45=2:9; es ist aber klar, dafs alle Fehler in der Bestimmung der beiden übrigen Elemente, da der Sauer- stoff direct nicht bestimmt werden kann, auf das gefundene Verhältnifs von Einflufs sind, dafs die Bestimmung des Fluors selbst, trotz aller Mühe, nicht so scharf ausfallen kann, als z. B. die der Kieselsäure. Ich glaube bemerkt zu haben, dals das Fluorcalcium immer eine kleine Menge Thonerde (oder basisches Fluoraluminium) enthält, welche seine Menge etwas zu hoch, die der Thonerde zu gering erscheinen läfst. Auch kann man sich von der directen Fluorbestimmung durch heftiges Glühen des Topases keine grölsere Genauigkeit versprechen. Denn wenn dabei auch wirklich nur Fluorkiesel fortgeht, so differiren die Verluste doch immer (bei Forchhammer um 1° pC.), worauf wir weiterhin noch besonders zurückkommen werden. Deshalb erscheint es angemessener, das viel einfachere Ver- hältnils von 1 At. Fluor gegen 5 At. Sauerstoff im Topas als das wahre zu betrachten. Mit ihm stimmt namentlich die Kie- selsäure der Analysen besser. Dann ist der Topas eine Verbindung von 1 At. Kieselsäure und 1 At. Thonerde, in welcher Verbindung % des Sauerstoffs gleichsam durch Fluor vertreten wird, oder vielmehr eine iso- morphe Mischung von 1 At. Kieselfluoraluminium und 5 At. kie- saurer Thonerde, . O3, 3 a (05 2 (Al? FI’. SIFI?) + 5 (Al? 0°. SiO>) Die Berechnung der Formel ergiebt I. Si= 834 = 15,475 = 33,16 Kieselsäure I= 163,38 = 30,177 = 56,70 Thonerde FlI= 95 = 17,502 = 17,50 Fluor 25 0 = 200 = 36,846 107,36 542,8 100. vom 15. Juni 1865. 27 Wie aus den mitgetheilten Analysen hervorgeht, habe ich aus den Topasen aus Brasilien und von Trumbull 2 pC. Fluor weniger erhalten als aus den übrigen. Dennoch glaube ich nicht, dals diese Abänderungen eine andere Zusammensetzung haben, um so weniger, als die Fluormengen, welche Forch- hammer aus ihnen erhalten hat, mit der Formel im Einklang sind, und mir die Bestimmung dieses Elements hier nicht in dem Grade gelungen ist, wie bei den übrigen. Auch darf man daraus keinen Beweis zu Gunsten von Deville’s Ansicht von der Veränderlichkeit des Fluorgehalts entnehmen, denn der To- pas von Trumbull ist farblos. Endlich stimmen alle durchsich- tigen Topase im- specifischen Gewicht überein. Es bedarf kaum der Bemerkung dals die Isomorphie von Sauerstoff- und Fluorverbindungen, welche ich für die Consti- tution des Topases vorausgesetzt habe, in den schönen Unter- suchungen Marignac’s über die Fluoxywolframiate ihre that- sächliche Bestätigung gefunden hat. Dem Pyknit kommt, den früheren Versuchen entgegen, die Zusammensetzung des Topases zu; er ist eine Abänderung des- selben, in Form und Spaltbarkeit ihm gleich, freilich an man- chen Stellen sichtlich verwittert, weich, und dort vielleicht auch in der Mischung verändert '). Unter der Voraussetzung, der Topas verliere in hoher Tem- peratur seinen ganzen Fluorgehalt in der Form von Fluorkiesel, muls die Menge des leizten 23,95 pC. betragen, 3 der Gesammt- menge des Kiesels enthaltend. Nun hat Forchhammer den Glühverlut = 23— 24,8 pC. gefunden, Deville im Mittel 23 pC. Der Rückstand, 76,05 pC. betragend, enthält dann: Sauerstoff. Kiesel 9,02 = 11,86 = Si 35,41 = 13,55 Aluminium 30,18 = 39,68 = Al 74,59 = 34,91 Sauerstoff 936,85 = 42,46 100 76,05 100. ') G. Rose Kıystallochem. Mineralsystem. S. 81. 22° 278 Gesammtsitzung In diesem Rückstande ist der Sauerstoff der Kieselsäure und der Thonerde =7:3=7:18; er ist Ält25i7, In der Erwartung, durch eigene Versuche von der Rich- tigkeit dieser Angaben, die wir Forchhammer und Dewville verdanken, mich zu überzeugen, übergab ich gewogene Mengen verschiedener Topase in Krystallen und kleinen Bruchstücken dem Hrn. Dr. Elsner, Arkanisten der K. Porzellanfabrik, wel- cher dieselben der stärksten Hitze des Ofens während eines Brandes aussetzte. Das Ansehen der Proben nach dem Glühen war in allen Fällen ziemlich dasselbe, weilse ungeschmolzene Massen, an der Oberfläche zuweilen schwach verglast, aber der Gewichtsverlust war ein sehr ungleicher, wie folgende Über- sicht zeigt: Finbo (Pyrophysalitb) 22,98 pC. Schneckenstein 20,73 pC. Altenberg (Pyknit) 19,98 pC. Schlackenwald 17,73 pC. später 16,23 pC. Trumbull 16,27 pC. später 19,55 pC. Brasilien 15,40 pC. später 14,29 pC. Brasilien, andere Probe 14,11 pC. Die Hitze des Prozellanofens schien demnach nicht hoch oder anhaltend genug, um alle Topase in der angegebenen Art vollständig zu zersetzen. Da sie aber doch den Schmelzpunkt von Roheisen und Stahl sehr weit überschreitet, so wollte ich | mich von der Zusammensetzung des Rückstandes überzeugen, insbesondere aber davon, ob derselbe wirklich noch so viel Fluor | enthalte, als er unter der Voraussetzung, es entweiche nur Fluor- | kiesel, enthalten mulste. Zuvörderst wählte ich den brasilianischen Topas, dessen Analyse mitgetheilt wurde, und analysırte die Glührückstände, welche zu verschiedenen Zeiten erhalten waren. | vom 15. Juni 1865. 279 Glührückstand. Ursprüngliche Zusammen- 1. 2. setzung. Bei 15,4 pC. Bei 14,29 pC. Verlust. Kieselsäure 33,73 30,22 30,10 Thonerde 57,39 71,34 70,38 Fluor 16,12 1,56 2,47 107,24 103,12 102,95 Da 15,4 Fluorkiesel = 11,25 Fluor und 14,29 = 10,44 Fluor, so wären diese Mengen Fluor entwichen, und 4,87 resp. 5,68 zurückgeblieben, und die Rückstände hätten ergeben müssen: Kieselsäure 29,34 29,72 Thonerde 67,84 66,96 Fluor 4,75 6,63 102,93 103,31 In diesem Topas war also wirklich noch etwas Fluor enthalten, jedoch schwerlich wird man annehmen dürfen, dafs die Analyse, welche genau so wie die aller Topase ausgeführt wurde, nur den dritten oder vierten Theil der wirklichen Fluormenge ge- geben habe. Viel auffälliger aber ist, dals die Glührückstände von Pro- ben, die grölsere Gewichtsverluste im Feuer erlitten hatten, gar kein Fluor oder höchstens eine sehr geringe Menge dessel- ben enthielten, und dafs in ihnen das Verhältnifs des Kiesels zum Aluminium ein entschieden grölseres ist, als es der Rech- nung nach sein sollte. Beispielsweise möge angeführt wer- den: 1) der Rückstand vom Topas von Schlackenwald; 2) der von Altenberg; 3) der vom Schneckenstein, die resp. 82,27— 80— 79,27 pC., anstatt 76 pC. betrugen. Wäre der Glühver- lust lediglich Fluorkiesel gewesen, so hätten sie folgende Zah- lenwerthe geben müssen: 1. 2. 3. Kieselsäure 28,13 27,15 27,02 Thonerde 68,70 69,83 71,65 Fluor 9,84 4,59 3,94 Sıe haben aber geliefert 280 Gesammtsitzung Kieselsäure 31,78 31,81 32,86 Thonerde 68,82 68,74 67,30 100,60 100,55 100,16 Wie mir scheint, ist hier kein anderer Schlufls zulässig, als der, dafs in der Glühhitze, wahrscheinlich unter Mitwir- kung von Wasserdampf, auch ein Theil Fluoraluminium ver- flüchtigt, der Rest aber unter Entwicklung von Fluorwasser- stoffsäure in Thonerde verwandelt wird, so dafs der aufgenom- mene Sauerstoff das Gewicht des Rückstandes vergrölsert. In theoretischer Beziehung ist der von Forchhammer und De- ville angenommene Vorgang insofern nicht gerade wahrschein- lich, als danach das Fluoraluminium dem Silikat einen Theil der Säure entziehen, und sich mit derselben zu Fluorkiesel und Thonerde umsetzen mülste. Hr. Magnus trug die folgenden Ergebnisse einer Unter- suchung des Hrn. Prof. Wiedemann in Braunschweig über den Magnetismus der Salze der magnetischen Me- talle vor. In einer Reihe von früheren Untersuchungen hat der Verf. die Eigenschaften der temporären und permanenten Magnete von Eisen und Stahl festzustellen versucht, namentlich ın so fern sie durch die Annahme drehbarer Molecularmagnete eine Be- gründung finden. Durch diese Annahme läfst sich die Zunahme des temporären und permanenten magnetischen Momentes mit wachsender magnetisirender Kraft, seine Änderung bei abwech- selnder Einwirkung der letzteren in enigegengesetzter Richtung, das mechanische und thermische Verhalten der verschiedenartig magnetisirten Körper wenigstens in qualitativer Beziehung erklä- ren. Es erschien zur weiteren Begründung dieser Theorie so- wohl, als auch vom chemischen Standpunkt aus von Interesse zu sein, auch die Eigenschaften der schwächer magnetischen Körper, der Salze der magnetischen Metalle und ihrer Lösun- gen, einer näheren Betrachtung zu unterzieben. Es wurde des- halb die Gröfse ihres temporären magnetischen Momentes unter verschiedenen Umständen bestimmt. vom 15. Juni 1865. 2381 Die Messungen dieses Momentes geschahen mit Hülfe eines besonderen Torsionsapparates. An einem, in einer Hülse dreh- baren, verticalen Zapfen von Messing hing ein Neusilberdrath, an welchem unterhalb ein langer verticaler Messingstab befestigt war, dessen unteres Ende mit Gewichten belastet wurde und mit Flügeln von Messing versehen war, welche in ein Glas voll Oel tauchten. An dem oberen Ende des Messingstabes war ein Spiegel befestigt, vermittelst dessen durch Scala und Fernrohr nach der bekannten Methode der Spiegelablesung die Drehun- gen des Stabes um seine verticale Axe bestimmt werden konn- ten. Unter dem Spiegel trug der Stab einen horizontalen, von. Nord nach Süd gerichteten, etwa 20”” langen Arm von Mes- sing, an welchem ein kleines Glaskölbchen befestigt war, das mit den zu untersuchenden Substanzen gefüllt wurde. Vor die- sem Kölbchen lag in ostwestlicher Richtung ein horizontaler, gerader, vorn abgerundeter und mit einer Magnetisirungs- spirale umgebener weicher Eisenstab, dessen magnetisches Mo- ment an einem, in der Richtung seiner Axe aufgestellten Spie- gelmagnetometer abgelesen werden konnte. Nachdem der mag- netisirende Strom geschlossen war, wurde durch Drehung des den Neusilberdrath tragenden Zapfens dem Glasgefäls eine be- - stimmte Stellung gegeben, welche vermittelst des an dem Mes- singstab befestigten Spiegels abgelesen wurde. Sodann wurde der Strom geöffnet, und wiederum die Einstellung des Spiegels beobachtet. Die. Drehung des Spiegels milst die Gröfse der Torsion des den Apparat tragenden Neusilberdrathes, mithin auch die Kraft der magnetischen Anziehung. Durch mehrfache Versuche wurde erwiesen, dafs innerhalb der Grenzen der Beobachtungen diese Anziehung dem Quadrat des magnetischen Momentes des anziehenden Electromagnetes proportional ist, dafs also 1) das temporäre magnetische Moment des mit verschiedenen Salzlösungen gefüllten Glasgefälses der magnetisirenden Kraft direct proportional ist. Eine Annäherung an das Maximum der Magnetisirung konnte bei den angewandten magnetisirenden Kräften nicht nach- gewiesen werden. 282 Gesammtsitzung Wurde das Glasgefäls mit verschieden concentrirten Lösungen desselben Salzes und mit Auflösungen desselben in verschiedenen Lösungsmitteln (Eisenchlorid in Alcohol, Aether, Wasser) gefüllt, und von dem durch die magnetisirende Kraft Eins demselben ertheilten temporären Moment das Moment subtrahirt, welches durch die gleiche Kraft in dem mit dem Lösungsmittel allein gefüllten Glasgefälse erregt wird, so erhielt man Werthe, wel- che dem Gewichte des in der Volumeinheit der Lösung enthal- tenen Salzes proportional sind. 2) Das magnetische Moment der in verschiede- nen Lösungsmitteln gelösten Salze für sich ist also der in der Volumeinheit enthaltenen Gewichts- menge derselben direct proportional und von dem Lösungsmittel unabhängig. Wurde auf gleiche Weise das temporäre Moment des Glas- gefälses bei seiner Füllung mit verschiedenen wässerigen Salz- lösungen (Schwefelsaurem Eisenoxydul, Eisenchlorür, Eisenchlo- rid, Schwefelsaurem Nickeloxydul, Salpetersaurem Cobaltoxydul, Ferridcyankalium) bei verschiedenen Temperaturen untersucht, und stets der Magnetismus des mit Wasser gefüllten Glasgefälses für die gleiche magnetisirende Kraft und gleiche Temperatur ab- gezogen, so ergab sich, dafs 3) das temporäre magnetische Moment der Salze mıt steigender Temperatur abnimmt, und zwar bei allen untersuchten Salzen in gleichem Verhältnifs. Bezeichnet t die Temperatur in Centesimalgraden, m, das temporäre Moment bei 0°, m; dasselbe bei t?, so ist sehr annähernd: m;=m;, (1 — 0,00325 t) Für die‘ Theorie des Magnetismus könnte es vielleicht von Interesse sein, dals diese Abnahme des magnetischen Momentes, dessen Gröfse der Intensität der die magnetischen Molecüle um- fliefsenden Ampere’schen Molecularstrome entspricht, nicht sehr verschieden ist von der Abnahme der Leitungsfähigkeit der Me- talle für den galvanischen Strom bei den gleichen Temperatur- änderungen. Wurde das Glasgefäls mit Lösungen verschiedener Salze gefüllt, und wie oben das durch die magnetisirende Kraft Eins in den Salzen für sich erregte magnetische Moment bestimmt, vom 15. Juni 1865. 285 sodann der erhaltene Werth durch das Gewicht des ın der Vo- lumeinheit der Lösung enthaltenen Salzes dividirt, so erhielt man die in der folgenden Tabelle unter m verzeichneten Werthe: Schwefelsaures Nickeloxydul Salpetersaures Nickeloxydul Nickelchlorür Schwefelsaures Cobaltoxydul Salpetersaures Cobaltoxydul Cobaltchlorür Be roosdahL2 „.lmsAssnneln.59,084..> 39560 Eisenoxydul 1. Schwefelsaures Eisenoxydul II. Schwefelsaures Eisenoxydul III. ‚Salpetersaures Eisenoxydul I. Salpetersaures Eisenoxydul II. Kisenchlorür Schwefelsaures Eisenoxydul- Ammoniak Schwefelsaures Manganoxydul Salpetersaures Manganoxydul Essıgsaures Manganoxydul Manganchlorür 1. Manganchlorür II. Schwefelsaures Chromoxyd 1. Schwefelsaures Chromoxyd Il. Salpetersaures Chromoxyd I. Salpetersaures Chromoxyd II. Salpetersaures Chromoxyd III. Chromchlorid I. Chromchlorid Il. Be esibisenossd.T onadesiihindaisld6.6sl. MI Eisenoxyd I. Schwefelsaures Eisenoxyd II. Salpetersaures Eisenoxyd Eisenchlorid I. Eisenchlorid II. - Eisenchlorid II. Ser RE Ge zn 18,40 15,67 21,94 41,52 33,98 47,08 52,05 51,07 50,95 43,28 42,54 60,78 19,33 62,18 52,46 53,03 75,34 74,15 19,65 19,15 15,34 15,38 15,68 25,27 25,04 46,63 46,94 38,89 59,97 58,93 99,01 e|. = E Ih 1426 1433 1400 3218 3109 3058 3956 3882 3873 3895 3828 3858 3795 4695 4693 4586 4742 4669 3863 3761 3659 3716 3739 4017 3959 9326 9267 9410 9661 9572 9665 284 Gesammtsitzung Die Werthe n, die durch die magnetisirende Kraft Eins in der Gewichtseinheit der Salze erregten temporären magne- tischen Momente kann man mit dem Namen der specifi- schen Magnetismen der Salze bezeichnen. Die Werthe « der vorstehenden Tabelle sind durch Multi- plication der Werthe m mit dem Atomgewicht des betreffenden Salzes erhalten. 4) Eg ist also bei den analog zusammengesetzten Salzen desselben Metalles das Product des specifi- schen Magnetismus derselben mit ihrem Atomge- wicht constant, oder es ist der Magnetismus je eines Atomes dieser Verbindungen der gleiche. Dabei zei- gen die einander entsprechenden Sauerstoffsalze und Haloidsalze das gleiche Verhalten. Die mittleren magnetischen Momente je eines Atoms der Nickel-, Cobalt-, Eisen- und Manganoxydulsalze verhalten sich wie 142 :313:387 : 468. 5)Es steht also der Magnetismus eines Atoms der Cobaltsalze sehr nahe in der Mitte zwischen den Magnetismen derAtome derNickel- undManganoxy- dulsalze. +(142 + 468) = 305. Ebenso steht der Magne- tismus des Atoms der Eisenoxydulsalze in der Mitte zwischen den Magnetismen der Atome der Cobalt- und Manganoxydulsalze. $ (313 + 468) =390,5. Die Atome der Salze der verschiedenen Oxydationsstufen desselben Metalls besitzen dagegen einen sehr verschied&nen Magne- tismus, so z.B. die Atome der Eisenoxydul- und Eisenoxydsalze, deren Magnetismen bei gleichem Eisengehalt sich wie 1 : 1,24 verhalten. Einen sehr viel geringeren Magnetismus besitzt das durch Dialyse in löslicher Form gewonnene Eisenoxyd, so wie die basischen ‚Verbindungen des Eisenoxydes mit Säuren, in welchen ein Theil desselben in dem gleichen Zustande sich be- findet, wie jenes lösliche Eisenoxyd. Es wurde endlich eine Anzahl von Salzen in fester Form untersucht. Die magnetischen Momente m gleicher Gewichtsmen- gen derselben, sowie die Producte „der Werthe m» mit den Atomgewichten waren folgende: vom 15. Juni 1865. 285 KON Schwefelsaures Eisenoxydul (kryst.) 46,87 3683 Eisenchlorür (wasserfrei) 57,71 3660 Schwefelsaur. Eisenoxydul- Ammoniak (kryst.) | 20,81 4078 Schwefelsaures Manganoxydul (kryst.) 60,92 4600 Schwefelsaures Cobaltoxydul (kryst.) 38,09 2950 Schwefelsaures Cobaltoxydul I. (wasserfrei) | 38,13 2954 Schwefelsaures Cobaltoxydul Il. (wasserfrei) | 39,19 3038 Eisenchlorid (wasserfrei) 55,41 | 9000 6) Es ist also der ‘Magnetismus der trocknen Salze nahezu derselbe, wie der Magnetismus der- selben Salze ım gelösten Zustande; dabei ändert die. Verbindung der wasserfreien Salze mit Krystall- wasser ihren Magnetismus nicht wesentlich. 7) Das gleiche Verhalten zeigen nach einigen ferne- ren Versuchen auch die unlöslichen Salze (phosphorsau- res und kohlensaures Cobaltoxydul, phosphorsaures Manganoxy- dul), so dafs also auch bei diesen Salzen das Pro- duct aus ihrem specifischen Magnetismus mit ihrem Atomgewicht denselben Werth behält wie bei den löslichen Salzen. Nur wenn die unlöslichen Salze, wie z. B. das kohlensaure Manganoxydul durch Auswaschen mit heilsem Wasser, ihre Zu- sammensetzung ändern und basisch werden, wird, analog wie bei den gelösten basischen Eisenoxydsalzen der Magnetismus ihres Atomes kleiner. In Bezug auf die theoretischen Folgerungen aus den vor- liegenden Beobachtungsresultaten muls auf eine, demnächst in Poggendorff’s Annalen erscheinende ausführlichere Abhand- lung hingewiesen werden. ‘) Die Werthe m sind, mit Ausnahme des schwefelsauren Eisenoxy- dul-Ammoniaks, alle auf den Gehalt an wasserfreiem Salz bezogen. 286 Gesammtsitzung Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über die Clas- sification der Z/nseciivora,. In meiner Abhandlung über Solenodon (Abhandl. der Akad. der Wissensch. 1863. p. 20') habe ich die Gattungen Ericulus Geoffr. und Echinogale Wagn. (Echinops Martin) fraglich zu der Familie der Centetina gestellt, weil ich bis dahin keine Gelegenheit gehabt hatte, dieselben selbst zu untersuchen. Bei meiner letzten Anwesenheit in London habe ich durch die be- sondere Güte des Hrn. R.F. Tomes zu Welford so wie durch die Liberalität des Hrn. Dr. J. E.Gray im British Museum eine sol- che Untersuchung vornehmen können, aus der sich ergiebt, dals meine Voraussetzung richtig war und dafs diese Gattungen sich nicht den Erinacei sondern Centetes eng anschlielsen. Zu dersel- ben Familie gehört, wie ich nach einer durch Hrn. Prof. All- man’s Güte zgestatteten Untersuchung des Balges, so wie aus einer Zeichnung des Schädels und Gebisses von Hrn. Barboza de Bocage zu Lissabon ersehe, die neue merkwürdige Gattung Potamogale Du Chaillu, welche von diesem für ein Raubthier, von Hrn. Gray für ein Nagethier gehalten und erst durch die Hrn. Allman undSclater als eine Gattung der /nseczivora und als dem Cenietes am nächsten stehend erkannt worden war. Hr. du Bois-Reymond zeigte einige lebende Exemplare des Bullfrog aus New - York vor, welche ihm von Hrn. Dr. Charles Morgan daselbst zugesendet worden waren. Laut Rescriptes des vorgeordneten Herrn Ministers Exc. vom 12. d. M. sind die von der Akademie ın den Sitzungen vom 30. März und 4. Mai d. J. vollzogenen Wahlen des Hrn. Professor Wilhelm Hofmann zum ordentlichen Mitgliede der physikalisch - mathematischen Klasse, so wie des Hrn. General- lieutenant a. D. Johann Jakob Baeyer hierselbst zum Eh- renmitgliede der Akademie von des Königs Majestät durch Aller- höchsten Erlals vom 27. Mai d. J. bestätigt worden. ') Ebenda Z. 16 lies Zylomys statt Aylogale. VE vor EEE 287 An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Memorie del Reale Istituto lombardo. Vol. X, 1. Milano 1865. 4. Rendiconti del Reale Istituto lombardo. Vol.I, Fasc. 6—-10. Vol. II, Fasc. 1. 2. ib. 1865. 8. Bulletin de la societe vaudoise des sciences naturelles, no. 52, Lausanne 1865. 8. Jahrbuch des naturhistorischen Landesmuseums von Kärnten. Jahrgang 1—4. Klagenfurt 1852—1859. 8. Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Neue Folge. Band 1, Heft 2. Danzig 1865. 8. Mittheilungen des historischen Vereins für Steiermark. Heft 13. Gratz 1864. 8. ’ Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen. A. Jahrgang. Gratz 1864. 38. Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. 16. Jahrgang. Ber- lin 1864. 4. ’ Etruskische Spiegel. Lieferung 13. 14. Berlin 1864. 4. Miklosich, Lericon palaeoslovenico-graeco-latinum. Fasc. IV. Vin- dob. 1864. 8. Pertsch, Die orientalischen Handschriften der Bibliothek zu Gotha. Band 2. Wien i864. 8. Heitz, Die verlornen Schriften des Aristoteles. Leipzig 1865. 8. Ed. de la Barre Dupargq, Le bonheur a la guerre. Paris 1865. 8. Poudra, Theorie generale des faisceaur et des involutions. Paris 1865. 8. Memoire sur les trigones, tetragones, hexagones. ib. 1865. 8. Des reseaux. ib. 1865. 8. Gianelli, La vaceinazione e le sue leggi in Italia. Milano 1864. A. Vaucher, /n M. T. Ciceronis libros philosophicos curae crilicae. Fasc. II. Lausanne 1864. 8. de la Roquette, Aumboldt. Correspondanee scientifique et literaire. Paris 1865. 8. 288 Gesammtsitzung - 23. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kummer las: über die algebraischen Strahlen- systeme, in’s Besondere über die der ersten und der zweiten Ordnung. In einem jeden algebraischen Strahlensysteme, welches aus einer zweifach unendlichen Schaar grader Linien besteht, geht durch jeden beliebigen Punkt des Raumes eine endliche be- stimmte Anzahl von Strahlen, welche die Ordnung des Sy- stems bestimmen soll. Diejenigen besonderen Punkte des Rau- mes, durch welche unendlich viele, einen Strahlenkegel bil- dende Strahlen gehen, heifsen singuläre Punkte des Systems. In einer beliebigen Ebene liegt eine endliche bestimmte Anzahl von Strahlen des Systems, welche die Klasse desselben bestimmen soll. Diejenigen besonderen Ebenen, in welchen unendlich viele Strahlen des Systems liegen, heilsen singuläre Ebenen desselben. Die Brennfläche eines algebraischen Strahlensystems, ist eine algebraische Fläche, welche von allen Strahlen zweimal berührt wird. Man kann zwei Schalen der Brennfläche unter- scheiden, in der Art, dals jede Schale nur einmal von jedem Strahle berührt wird; diese Unterscheidung ist aber nur dann eine wesentliche, wenn beide Schalen wirklich getrennte Flä- chen sind. Die Brennfläche kann auch zu einer Brenncurve ausarten, welche von allen Strahlen des Systems zweimal ge- schnitten wird; es kann auch die eine Schale allein zu einer Brenncurve ausarten, während die andere eine Fläche bleibt; endlich können auch beide Schalen zu getrennten Curven werden. I. Die Strahlensysteme erster Ordnung. 4. Die Strahlensysteme erster Ordnung haben keine Brenn- flächen, sondern nur Brenncurven. 2. Das einzige Strahlensystem erster Ordnung mit einer, beide Schalen zugleich vertretenden, irreductibeln Brenncurve ist dasjenige, welches aus allen eine Raumcurve dritten Grades zweimal schneidenden graden Linien besteht, dasselbe ist von der dritten Klasse. vom 22. Juni 1865. 289 3. Wenn ein Strahlensystem erster Ordnung zwei getrennte Brenncurven hat, so ist die eine derselben nothwendig eine grade Linie, die andere aber ist eine beliebige Raumcurve nten Grades, welche jene grade Linie n— 1 mal schneidet. Ein sol- ches Strahlensystem ist von der nten Klasse. Es giebt demnach Strahlensysteme erster Ordnung deren Klasse bis zu jeder beliebigen Höhe steigen kann. Die hier angegebenen Systeme erschöpfen alle Strahlensy- steme erster Ordnung. II. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung. Bei den Strahlensystemen zweiter Ordnung sind die Fälle zu unterscheiden wo dieselben nur Brenncurven und keine Brenn- flächen haben, ferner wo die eine Schale eine Brennfläche ist, die andere aber eine Brenncurve, und endlich wo nur Brenn- flächen und keine Brenncurven auftreten. A. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung wel- che nur Brenncurven haben. 1. Alle graden Linien, welche eine durch den Durchschnitt zweier Flächen zweiten Grades gebildete Raumcurve vierten Grades zweimal schneiden, bilden ein Strahlensystem zweiter Ordnung und sechster Klasse. Dieses Strahlensystem ist das einzige Strablensystem zwei- ter Ordnung mit einer, beide Schalen zugleich vertretenden irre- ductibeln Brenncurve. 2. Die graden Linien, welche durch zwei, in zwei Punkten sich schneidende Curven zweiten Grades hindurchgehen, bilden ein Strahlensystem zweiter Ordnung und vierter Klasse. 3. Die graden Linien, welche durch eine gegebene grade Linie und durch eine dieselbe in n— 2 Punkten schneidende Raumeurve zten Grades hindurchgehen, bilden ein Strablensy- stem zweiter Ordnung und nter Klasse. Die in den Sätzen 2 und 3 angegebenen Strahlensysteme sind die einzigen der zweiten Ordnung, welche zwei getrennte Brenncurven haben. 290 Gesammisitzung B. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung, wel- che eine Brenncurve und eine Brennfläche haben. 1. Wenn die Brenncurve nicht auf der Brennfläche liegt, so muls die Brennfläche nothwendig nur vom zweiten Grade sein. 2. Alle graden Linien, welche eine beliebige Fläche zwei- ten Grades berühren, und zugleich durch eine nicht auf dieser Fläche liegende grade Linie gehen, bilden ein Strahlensystem zweiter Ordnung und zweiter Klasse. 3. Die graden Linien, welche einen Kegel zweiten Grades berühren und durch eine ebene Curve nten Grades hindurch- gehen, welche in dem Kegelmittelpunkte einen 2 — 1fachen Punkt hat, bilden ein Strahlensystem zweiter Ordnung und Znter Klasse. In dem besonderen Falle, wo die Ebene der Curve nten Grades eine Tangentialebene des Kegels zweiten Grades ist, wird das Strahlensystem zweiter Ordnung von der nien Klasse. 4. Alle graden Linien, welche einen Kegel zweiten Grades berühren und zugleich eine Curve nten Grades schneiden, wel- che durch den Kegelmittelpunkt 2 — 2mal hindurchgeht und den Kegel in zwei Punkten berührt, bilden zwei verschiedene Strah- lensysteme zweiter Ordnung und nter Klasse. | 5. Alle graden Linien, welche eine Fläche nten Grades berühren und zugleich durch eine n — 2fache grade Linie dieser Fläche hindurchgehen, bilden ein Strahlensystem zweiter Ord- nung und 2n — 2ter Klasse. Aulser diesen unter 2, 3, 4 und 5 angegebenen Systemen giebt es keine Strahlensysteme zweiter Ordnung, welche zu- gleich eine Brennfläche und eine Brenncurve haben. C. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung mit Brennflächen, welche nicht zu Curven aus- geartet sind. Diese Art der Strahlensysteme zweiter Ordnung bildet den interessantesten Theil der Untersuchung, namentlich darum, weil dieselbe mit der Theorie der Flächen vierten Grades in einem sehr innigen Zusammenhange steht, wie folgender Hauptsatz zeigt. vom 22. Juni 1865. 3 1. Die Brennfläche derjenigen Strahlensysteme zweiter Ord- nung, welche keine Brenncurven haben, ist nothwendig eine Fläche vierten Grades. 2. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung und zweiter Klasse haben zu Brennflächen die Flächen vierten Grades mit 16 Kno- tenpunkten und 16 singulären Tangentialebenen, welche die Fläche in Kegelschnitten berühren. Ein solches Strahlensystein hat 16 singuläre Punkte, von welchen ebene Strahlbüschel aus- gehen, die in den 16 singulären Tangentialebenen liegen. Auf einer jeden Fläche vierten Grades mit 16 Knotenpunk- ten liegen sechs verschiedene Strahlensysteme dieser Art und aulserdem noch 16 Strahlensysteme oter Ordnung und erster Klasse in den 16 singulären Tangentialebenen. 3. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung und dritter Klasse haben zu Brennflächen die Flächen vierten Grades mit 15 Kno- tenpunkten und 10 singulären Tangentialebenen. Ein solches Strahlensystem hat 15 singuläre Punkte, und zwar fünf dersel- ben mit Strahlenkegeln zweiten Grades und zehn mit ebenen Strahlbüscheln. Auf einer jeden Fläche vierten Grades mit 15 Knotenpunk- ten liegen sechs verschiedene Strahlensysteme dieser Art, und aulserdem noch 10 Strahlensysteme oter Ordnung und erster Klasse in den 10 singulären Tangentialebenen. 4. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung und vierter Klasse haben zu Brennflächen die Flächen vierten Grades mit 14 Kno- tenpunkten und 6 singulären Tangentialebenen. Ein jedes sol- ches Strahlensystem hat 14 singuläre Punkte, und zwar zwei derselben von denen Strahlenkegel dritten Grades mit einer Doppelkante ausgehen, ferner sechs singuläre Punkte mit Strah- lenkegeln zweiten Grades und endlich noch 6 singuläre Punkte - mit ebenen Strahlbüscheln. Auf einer jeden Fläche vierten Grades mit 14 Knoten- punkten und 6 singulären Tangentialebenen liegen vier ver- schiedene Strahlensysteme dieser Art, aulserdem aber noch ein Strahlensystem vierter Ordnung und sechster Klasse, und sechs Strahlensysteme oter Ordnung und erster Klasse. 5. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung und fünfter Klasse haben zu Brennflächen die Flächen vierten Grades mit 13 Kno- [1865.] 23 7 232 Gesammtsitzung tenpunkten und drei singulären Tangentialebenen. Ein jedes solches Strahlensystem hat 13 singuläre Punkte und zwar einen singulären Punkt, von welchem ein Strahlenkegel vierten Gra- des mit drei Doppelkanten ausgeht, drei singuläre Punkte mit Strahlenkegeln dritten Grades, mit je einer Doppelkante, sechs singuläre Punkte mit Strahlenkegeln zweiten Grades, und drei singuläre Punkte mit ebenen Strahlbüscheln. Auf einer jeden Fläche vierten Grades mit 13 Knoten- punkten und 3 singulären Tangentialebenen liegen drei ver- schiedene Strahlensysteme dieser Art, und aulserdem noch ein Strahlensystem sechster Ordnung und zehnter Klasse, und drei Strahlensysteme oter Ordnung und erster Klasse. Von den Strahlensystemen zweiter Ordnung und sechster Klasse giebt es zwei wesentlich verschiedene Arten mit ver- schiedenen Brennflächen. 6. Die eine Art der Strahlensysteme zweiter Ordnung und sechster Klasse hat zur Brennfläche eine Fläche vierten Grades mit 12 Knotenpunkten,,: ohne singuläre Tangentialebenen. Ein solches Strahlensystem hat 12 singuläre Punkte, und zwar vier von welchen Strahlenkegel vierten Grades mit je drei Doppel- kanten ausgehen, und acht mit Strahlenkegeln zweiten Grades. Auf einer jeden Fläche vierten Grades, welche 12 Knoten- punkte hat, und keine singuläre Tangentialebene, liegen drei Strahlensysteme dieser Art, und aulserdem noch ein Strahlen- system sechster Ordnung und zehnter Klasse. 7. Die andere Art der Strahlensysteme zweiter Ordnung und sechster Klasse hat zur Brennfläche eine Fläche vierten Grades mit 12 Knotenpunkten und einer singulären Tangential- ebene. Ein solches Strahlensystem hat 12 singuläre Punkte, und zwar einen, ven welchem ein Strahlenkegel fünften Grades mit sechs Doppelkanten ausgeht, ferner sechs singuläre Punkte, von welchen Strahlenkegel dritten Grades mit je einer Doppel- kante ausgehen, sodann noch vier singuläre Punkte mit Strah- lenkegeln zweiten Grades, und einen mit einem ebenen Strahl- büschel. Auf einer jeden Fläche vierten Grades mit Knoten- punkten und einer singulären Tangentialebene liegen zwei ver- schiedene Strahlensysteme dieser Art, und aulserdem noch ein nn vom 22. Juni 1865. 293 Strahlensystem achter Ordnung und 1öter Klasse, und ein Strah- lensystem oter Ordnung und erster Klasse. 8. Die Strahlensysteme zweiter Ordnung und siebenter Klasse haben zu Brennflächen die Flächen vierten Grades mit 11 Knotenpunkten, welche keine. singulären Tangentialebenen haben. Ein solches Strahlensystem hat 11 singuläre Punkte, und zwar einen mit einem Strahlenkegel sechsten Grades und zehn Doppelkanten, und zehn mit Strahlenkegeln dritten Gra- des und je einer Doppelkante. Eine jede Fläche vierten Grades mit 11 Knotenpunkten und ohne singuläre Tangentialebene enthält nur ein Strahlen- system dieser Art, und aulserdem noch ein Strahlensystem 10ler Ordnung und 21ter Klasse. Strahlensysteme zweiter Ordnung von einer höheren, als der siebenten Klasse, deren Brennfläche nicht zum Theil zu einer Curve ausartet, existiren nicht. Überhaupt bleibt die Be- ziehung zwischen Ordnung und Klasse, welche in der Theorie der Curven und Flächen herrscht: dals für einen gegebenen Grad die Klasse nur bis zu einer endlichen bestimmten Höhe aufsteigen kann, auch für alle diejenigen algebraischen Strahlen- systeme bestehen, deren Brennflächen nicht zum Theil oder ganz in Curven ausgeartet sind. Die vollständige Entwickelung der hier zusammengestellten Resultate gedenke ich der Akademie in Kurzem vorzulegen. Hr. Mommsen theilte über eine in der Sitzung vom 15. Dec. 1564 von ihm erläuterte Inschrift des alten Troesmis auf Grund einer durch das K. Ministerium der auswärtigen An- gelegenheiten ihm zugestellten Photographie nachträgliche Be- merkungen mit. 23° 294 Gesammtsitzung Hr. Magnus theilte die folgende Untersuchung über das Eindringen des total reflectirten Lichtes in das dünnere Medium von Hrn. Dr. G. Quincke mit. In der Abhandlung über die Modificationen, welche polari- sirtes Licht durch die totale Reflexion erleidet, erklärte Fres- nel') die imaginären Ausdrücke, welche seine Formeln für die Amplituden des reflectirten Lichtes ergeben, dadurch, dafs das Licht nicht mehr an der Grenze der beiden durchsichtigen Medien reflectirt würde, sondern dafs ein Theil desselben Lis zu einer gewissen Tiefe in das dünnere Medium eindränge und dann aus dem Innern dieses dünneren Mediums zurückgeworfen würde. Die Tiefe selbst hat er nicht angegeben, doch wird sie 1 von einigen zu % einer Wellenlänge, von anderen zu %, von- manchen noch anders angenommen. Fresnel stellte sich mit dieser Hypothese auf den Stand- punkt, den schon seine Vorgänger, mochten sie von der Un- dulationstheorie oder der Emanationstheorie des Lichtes ausge- gangen sein, eingenommen hatten. Huyghens?’) sucht eine, freilich ungenügende, Erklärung der totalen Reflexion zu geben, indem er das Licht bis zu einer ganz geringen Tiefe in das dünnere Medium eindringen lälst. Thomas Young nennt die totale Reflexion einen besonderen Fall der Brechung?’) und be- merkt ausdrücklich, [dafs den Theilchen des dünneren Mediums theilweise die Bewegung der einfallenden Welle mitgetheilt würde ®). Newton?) sagt, dafs die Strahlen aus Glas in den luft- leeren Raum eindringen, dann wieder in das Glas zurückgebeugt nnd total reflectirt werden. Die Lichtstrahlen beschreiben da- bei eine Parabel®). Diese Vorstellung haben dann auch die !) Memoire sur la loi des modifications imprimees a la lumiere po- larisee par sa reflexion totale dans l’interieure des corps transparens. (lu a institut 6 janv. 1823) ann. d. chim. et d. phys. t.29. 1825. p.175—187. ?) Huyghens, traite de la lumiere 1690. Leide. p. 38. °) Th. Young, lectures on natur. philosophy. London 1807. I. p. 461. *) 1b. 11. p. 623 (Phil. trans. 12 Nov. 1801). °) Newton, optice ed. Il. 1719. p. 374. lib. III. q. 29. °) Newton, principia. phil. nat p. 206. lib. I. prop. 96. vom 22. Juni 1865. 295 Anhänger der Emanationstheorie z. B. Biot und Brewster beibehalten. Dafs aber schon Newton den experimentellen Beweis für das Eindringen des total reflectirten Lichtes geliefert, scheint allen seinen Nachfolgern mit Ausnahme von Biot') entgangen zu sein. Newton?) drückte die schwach convexen Flächen zweier Prismen gegeneinander. Durch die Berührungsstelle derselben konnte er hindurchsehen, wie wenn das Glas continuirlich in einander übergegangen wäre und im reflectirten Lichte erschien diese Berührungsstelle als dunkler Fleck auf hellem Grunde. Beides fand auch noch statt, wenn das Licht an den anderen Stellen der Prismenfläche total reflectirt wurde. Drehte man die Prismen um ihre gemeinsame Axe, so dafs einige Strahlen durch die dünne Luftschicht zwischen den Prismenflächen hin- durchzugehen anfıngen, so erschienen farbige Bogen, die dann in geschlossene Kreise übergingen. Der Durchmesser dieser Ringe wurde kleiner, wenn durch weiteres Drehen der Einfallswinkel allmählig abnahm. Newton beschreibt nun die Änderung der Farbenringe bei verschiedenem Einfallswinkel sowohl, als auch wenn die gewöhnliche Reflexion in die totale übergeht, und zeigt dann’), wie der schwarze centrale Fleck in der Mitte der Ringe mit wachsendem Einfallswinkel zunimmt. Der Fleck er- scheint am grölsten, wenn die Farbenringe um denselben ver- schwunden sind, und nimmt allmählig mit wachsendem Einfalls- winkel ab, jedoch nicht bis zu seiner ursprünglichen Gröfse für nahezu senkrecht auf die Luftschicht auffallende Strahlen. Im dritten Buch der Optik?) wird aus diesen Versuchen der Schluls gezogen, dals die Lichtstrahlen bei gewöhnlicher, wie bei totaler Reflexion aus dem Glas des oberen Prisma’s in den Raum zwischen beiden Prismen eindringen, und dann durch irgend eine Kraft in das Glas zurückgezogen werden. Aus den erwähnten Beobachtungen des zweiten Buches’), welche auch .*) Biot, Traite de physique 1816. III. p. 276 u. p. 290. °) Optice lib. 1. obs. 1. et 2., p. 185 n. 186. °) Ib. lib. Il. obs. 8. p- 198. *) Ib lib. II. qu. 29. p. 374. *) Ib. lib. IL. obs. 8. p. 199. 296 Gesammtsitzung den Durchmesser des schwarzen centralen Fleckes für nahe zu senkrecht einfallende (also gewöhnlich reflectirte) Strahlen an- geben, leitet Newton die Tiefe, bis zu der das Licht in den Raum zwischen den convexen Glasflächen eindringt = ;505005 engl. Zoll = 0””,0000254 ab, ohne weiter der totalen Reflexion zu gedenken. Weder in den Abhandlungen von Fresnel noch in sol- chen, die nach seiner Zeit erschienen, wird jener Versuch Newton’s erwähnt, soviel wenigstens dem Verfasser bekannt ist, und auch dieser wurde erst, nachdem die folgende Arbeit schon vollendet war, auf dieselben aufmerksam. Es ist dies um so auffallender, als Fresnel') ganz ähn- liche Versuche, wie Newton angestellt hat und auch später einmal erwähnt ?), dals gewisse Versuche das Eindringen des Lichtes anzudeuten schienen. Zu Anfang desselben Aufsatzes läfst er es freilich noch zweifelhaft, ob die beiden parallel und senkrecht zur Einfallsebene polarisirten Lichtbündel, in welche man die einfallenden Strahlenbündel zerfällen kann, gewilser- malsen nicht in derselben Tiefe reflectirt worden wären, oder ob beide von der Oberfläche selbst zurückgeworfen würden, und in ihren Vibrationsperioden ungleiche Modificationen erlitten in der Weise?), dafs das nach der Einfallsebene polarisirte Lichtbün- del nach einer solchen Reflexion um % Undulation gegen das 3 andere zurücksteht oder ihm um % vorausläuft. ") Ann. d. chim. t. 23. 1823. p. 130: „j’avais eu occasion d’observer le noir fonce des anneaux obscurs sous des incidences tres-obliques et tout pres de celle ou la reflexion devient totale, en employant deux prismes appliques un contre P’autre par leurs bases, dont l’une etait legerement convexe: de cette maniere la lumiere reflechie a la face d’entree du verre superieure ne se mele plus avec celle qui produit les anneaux.” ?) Ann. d. chim. et d. phys. t. 46. 1831. p. 263. „Pours resoudre le probleme rigoureusement, au lieu de chercher a deviner ce que l’analyse indique dans des formules qui deviennent imaginaires, il aurait fallu recommencer le calcul pour le cas de la reflexion complete, en y expri- mant la condition que le mouvement vibratoire ne peut pas se propager dans le second milieu ou que de moins s’il y penetre, comme cer- taines experiences paraissent l’indiquer, il ne s’etend qu’a une petite distance de la surface de contact des deux milieux.” °) Ib. p. 241. vom 22. Juni 1865. 297 In neurer Zeit hat Hr. Babinet') aus Versuchen über die Interferenz von Lichtstrahlen, die gewöhnliche und totale Re- Alexion erlitten, geschlossen, dafs der total reflectirte Strah einen kleineren Weg als der gewöhnlich refectirte zurück-I gelegt hatte. Zu demselben Resultate kommt mit ähnlichen Beobachtungs-Methoden Hr. Billet?) der ebenfalls total reflec- tirte Strahlen gegen solche beschleunigt findet, die von einem Metall (Spiegelfolie) reflectirt worden sind. Der Verfasser wird auf diese Versuche, welche den Resultaten dieser Mittheilung scheinbar widersprechen, bei einer anderen Gelegenheit zurück- kommen. > Für die folgenden Untersuchungen wurden ausgezeichnete Gläser aus der optischen Werkstätte des Hrn. Steinheil in München benutzt, die in Bezug auf die Vollkommenheit der Flächen und des Materials durchaus nichts zu wünschen übrig liefsen. Es wurde auf ein rechtwinkliges Flintglas- Prisma, dessen Kathetenflächen von 20”” ım Quadrat genau Winkel von 45° mit der Hypotenusenfläche bildeten ein zweites ebensolches Prisma gelegt, das sich von dem ersten nur dadurch unterschied, dals seine Hypotenusenfläche nicht eben, sondern eine Kugel- fläche von 281 Par. Zoll = 7606””,7 Radius war. Die Pris- men wurden sanft an einander gedrückt und am Rande mit ein paar Kitttropfen an einander befestigt. Im reflectirten Licht erschienen in der Luftschicht zwischen den Hypotenusenflächen Newton’sche Farbenringe mit einem schwarzen Fleck in der Mitte. Der Brechungsexponent des Flintglases war 1,61602 für die Fraunhofersche Linie D, und der Grenzwinkel der totalen: Reflexion also 38° 14°. » Sah man durch zwei gegenüberliegende Kathe- C gı tenflächen 42 und 4,B, hindurch nach einer hel- len Fläche, dem Himmel oder der Milchglasglocke B q, einer Lampe, so bemerkte man die Newton’schen c, Farbenringe mit einem centralen weilsen Fleck, der mit wachsendem Einfallswinkel gröfser wurde, ebenso *) Compt. rend. t. VIII. 1939. p. 709. *) Ann. d. chim. t. 64. 1862. p. 410. Vergl. auch Billet, Traits d’optique physique. Paris 1859. t. IL. p. 110. 298 Gesammtsitzung wie der Durchmesser der Ringe. In der Nähe des Grenzwin- kels der totalen Reflexion lösten sich die farbigen Ringe in dunkle Bogen auf, die grolse Axe des elliptischen weilsen Fleckes nahm sehr schnell zu, erreichte ihren gröfsten Werth von etwa 6”” nachdem diese farbigen Bogen vollständig ver- schwunden waren, und nahm dann wieder ab, zuerst rasch, später langsamer. Bei den gröfsten Einfallswinkeln, die noch eine Beobachtung gestatteten, war die grolse Axe der hellen Ellipse etwa 1””. Der Rand des elliptischen Fleckes erschien gegen den übrigen dunklen Theil der Hypotenusenflächen nicht scharf begrenzt, sondern verwaschen. Im reflectirten Licht sieht man bei allen Einfallswinkeln stets das complementäre Licht des durchgegangenen, also einen dunklen centralen Fleck auf hellem Grunde, wenn der Grenz- winkel der totalen Reflexion überschritten ist. Die grolse Axe des elliptischen dunklen Fleckes nimmt ebenfalls mit wachsendem Einfallswinkel ab. Daraus würde folgen, dafs das Licht bei der totalen Reflexion höchstens bis zu einer Entfernung von etwa 0””,0006 von der Fläche des oberen Flintglas- Prismas in die Luftschicht eindringt, und dals diese Tiefe bis zu der das Licht in das dünnere Medium eindringt mit wachsendem Einfallswinkel abnimmt. Betrachtet man die Prismen durch ein Nicol’sches Prisma, so erscheint in der Nähe des Grenzwinkels der totalen Re- flexion der weilse centrale Fleck im hindurchgegangenen Licht gröfser für Licht senkrecht, wie für Licht parallel zur Einfalls- ebne polarisirt. Bei sehr grofsem Einfallswinkel dagegen er- scheint der Fleck für senkrecht zur Einfallsebne polarisirtes Licht kleiner als für parallel der Einfellsebne polarisirtes Licht. Beim Beginne der totalen Reflexion dringt also das senkrecht zur Einfallsebne polarisirte Licht, später, bei grölserem Einfallswinkel das parallel der Einfallsebne polarisirte Licht tiefer in die Luftschicht ein. Abgesehen von der Tiefe bis zu der das Licht ın das dünnere -' Medium eindringt, oder also dem Durchmesser des elliptischen centralen Fleckes, nahm man dieselben Erscheinungen wahr, vom 22. Juni 1865. 299 wenn Wasser oder Terpentliinöl zwischen die Hypotenusen- flächen der Prismen gebracht wurde, oder wenn man statt der Prismen von Flintglas eben solche von CGrownglas anwandte mit dem Brechungsexponenten 1,5149 für die Fraunhofer’sche Li- nie D. Der Durchmesser des elliptischen hellen Fleckes nimmt zu mit der Intensität: des Lichtes, das auf die Hypotenusenfläche “ auffällt. Derselbe erscheint für rothes Licht sehr viel gröfser, wie für blaues und daraus erklärt sich einfach der rothe Saum desselben, den man, besonders bei Anwendung von Sonnen- licht und in der Nähe des Grenzwinkels der totalen Reflexion wahrnimmt. Mit der Wellenlänge des einfallenden Lichtes nimmt also die Tiefe, bis zu der das Licht in das dünnere Medium eindringt, zu, und dasselbe scheint der Fall zu sein, wenn die Intensität oder lebendige Kraft der auf- fallenden Strahlen vermehrt wird, denn der Durchmesser des elliptischen Fleckes ist für Sonnenlicht viel gröfser, wie für Ta- ges- oder Lampenlicht. ? | Um die Tiefe, bis zu der das Licht bei verschiedenen Ein- fallswinkeln in das dünnere Medium eindringt, zu bestimmen, wurde ein Prismenpaar an der horizontalen Axe eines Gonio- meters so befestigt, dals die Kanten der Prismen genau parallel der Goniometeraxe standen. Ein Heliostat warf Sonnenlicht in horizontaler Richtung auf die Kathetenfläche 42, welches dann nach dem Durchgange durch die Prismen 20”” hinter der Ka- thetenfläiche 4,2, des zweiten Prisma’s auf einer vertikalen matten Glasplatte aäfgefangen wurde. Diese Glasplatte war mit einer horizontalen Millimeter-Theilung versehen, deren Theil- striche senkrecht zur Goniometeraxe standen. Der auf die matte Glasplatte projicirte elliptische Fleck wurde durch ein Nicol- sches Prisma und ein rothes Glas betrachtet, welches homoge- nes Licht von der Brechbarkeit der Fraunhofer’schen Linie D hindurchliels, und so die Länge der grolsen Axe der Ellipse bestimmt. Um vergleichbare Resultate zu erhalten, wurden Tage mit sehr klarem Sonnenschein benutzt und die Versuche an demselben Prismenpaare möglichst schnell hintereinander an- ‚gestellt. 300 Gesammtsitzung Der in der ersten Spalte der folgenden Tabellen angege- bene Einfallswinkel J, unter welchem die Strahlen die Hypo- tenusenfläche AC des ersten Prisma’s trafen, wurde berechnet aus der am Goniometer abgelesenen Neigung der einfallenden Strahlen gegen die Kathetenfläche des ersten Prisma’s. Ein Stern * bei dem betreffenden Winkel bedeutet, dafs für ihn noch keine totale, sondern gewöhnliche Reflexion stattfand. Unter jeder Tabelle ist unter » das Verhältnils der Bre- chungsexponenten des Glases und der Substanz zwischen den Hypotenusenflächen gegeben für Licht der Fraunhofer’schen Li- nie D. Der eingeklammerte Winkel bedeutet den zugehörigen . 5 2 1 Grenzwinkel der totalen Reflexion = arc (sin = .)- 4 Nennt man 25 die grolse Axe des hellen elliptischen Fleckes, und A den Radius der Kugelfläche, die die Hypotenusentläche 4,C, des zweiten Prismas bildet, so ergiebt sich der Abstand der Hypotenusenflächen an der Peripherie des elliptischen Fleckes oder die grölste Tiefe, bis zu der das Licht für den betreffen- den Einfallswinkel in das dünnere Medium eindringt (in der Richtung der Normale der Hypotenusenfläche gerechnet) aus der Gleichung Die zweite und dritte Spalte geben den beobachteten Durch- messer des elliptischen Fleckes in Millimetern, die vierte und fünfte die daraus abgeleiteten Werthe von = in Tausendtel Mil- limetern (1””” = 0””,001), die beiden letzten Spalten endlich der Übersicht wegen auch die Werthe von e=e, ausgedrückt in Vielfachen der Wellenlänge des Lichtes in der Substanz zwi- schen den beiden Hypotenusenflächen. Jede Spalte trägt oben das Zeichen # oder +, je nachdem das Licht parallel oder senk- recht zur Einfallsebne polarisirt war. Die angegebenen Werthe von 22 sind das Mittel aus mindestens vier Beobachtungen: vom 22. Juni 1865. Flintglas-Luft. »= 1,6160 (38° 14°) Flintglas- Wasser. #»= 1,2096 (55° 46’) € Er J | + ı a Erst Apr An mm mm mmm mmm \ A 55 43*| 7 6,9 | 0,805 | 0,782 | 1,827 | 1,774 56 2 | 11,77 | 12,27 | 2,277 | 2,474 | 5,165 | 5,611 56 37 | 9,65 | 10,2 | 1,530 | 1,710 | 3,471 | 3,879 57131 9 9,42 | 1,330 | 1,458 | 3,019 | 3,309 6010| 6,75 | 6,85 | 0,749 | 0,771 | 1,698 | 1,750 631 6,04 | 6,12 | 0,599 | 0,616 | 1,360 | 1,396 68 26 | 5,28 | 5,14 | 0,458 | 0,434 | 1,040 | 0,985 69 28 | 5,02 | 5,04 | 0,414 | 0,417 | 0,940 | 0,947 301 302 Gesammtsitzung Flintglas-Terpenthin. #»= 1,0911 (66° 25’) 2 € er ch RE ON nie | 5 | o.fj mm mm mmm mmm A A 66 20*| 7,58 | 7,60 | 0,944 | 0,949 | 2,375 | 2,386 66 36 | 9,92 | 10,52 | 1,614 - 1,819 | 4,058 | 4,574 66 49 1 9,50 | 9,65 | 1,483 | 1,530 | 3,725 | 3,849 68 26 | 7,84 | 7,86 | 1,010 | 1,015 | 2,540 | 2,554 69 28 | 7,02 I 6,98 | 0,810 | 0,801 | 2,036 | 2,014 Crownglas-Luft. #= 1,5149 (41° 19’) 2p € [N J + | Are == | ı | + | zu ‚| mm mm mmm mmm ! A A 41 3*1 4,75 | 5,27 | 0,371 | 0,456 | 0,630 | 0,775 41 22 1 6,48 | 7,16 | 0,690 | 0,842 | 1,171 | 1,431 41 42 1 11 | 11,77 | 1,988 | 2,277 | 3,377 | 3,867 42 22 | 9,62 | 10,02 | 1,521 | 1,649 | 2,583 | 2,801 43 117,82 | 8,35 | 1,005 | 1,146 | 1,706 | 1,945 43 41 | 7,05 | 7,45 | 0,817 | 0,912 | 1,387 | 1,549 44 20 | 6,95 | 7,15 | 0,794 | 0,840 | 1,348 | 1,427 45 6;24 | 6,40 | 0,640 | 0,673 | 1,086 | 1,143 46 59 | 5,42 | 5,45 | 0,483 | 0,488 | 0,820 | 0,829 49 37 1 3,65 | 3,48 | 0,219 | 0,199 | 0,372 | 0,338 51 35 | 2,92 | 2,82 | 0,140 | 0,131 | 0,238 | 0,222 58 312,75 | 2,22 | 0,124 | 0,081 | 0,211 | 0,138 64 26 1 1,77 | 1,27 | 0,051 | 0,026 | 0,087 | 0,045 Crownglas- Wasser. „= 1,1339 (61° 52°) 2p € EIN or mm mm mmm mmm A A 61 31*l 8,7 | 9,02 | 1,244 | 1,331 | 2,821 | 3,021 61 49%] 11,6 | 11,84 | 2,212 | 2,304 | 5,018 | 5,226 62 26 1 10,6 | 10,87 | 1,846 | 1,941 | 4,189 | 4,405 63 31 9,7 | 10,07 | 1,546 | 1,665 | 3,509 | 3,779 64 26 | 8,8 | 8,97 | 1,273 | 1,322 | 2,887 | 3,000 67 15 | 7,35 | 7,57 | 0,888 | 0,942 | 2,014 | 2,136 70 61 6,57 | 6,57 | 0,709 | 0,709 | 1,610 | 1,610 71131] 6,12 | 6,15 | 0,616 | 0,622 | 1,396 | 1,410 vom 22. Juni 1865. 303 Crownglas-Terpenthin. »= 1,023 (77° 51’) 2p : € | ey J | =E | - + | ı + | ı , mm mm mmm | mmm A 77 47*1 10,4 | 11,17 | 1,777 | 2,048 | 4,470 | 5,153 77 31*] 12,25 | 12,37 | 2,468 | 2,515 | 6,207 | 6,325 77 44%] 12 12,3 | 2,367 | 2,486 | 5,953 | 6,253 78 11 | 11,15 | 11,7 | 2,042 | 2,250 | 5,137 | 5,658 78 37 1 10,67 | 10,94 | 1,871 | 1,968 | 4,707 | 4,949 79 3110,18 | 10,3 | 1,699 | 1,743 | 4,275 | 4,384 79 27 1 10,05 | 10,15 | 1,659 | 1,692 | 4,174 | 4,257 79 521 9,82 | 9,92 | 1,584 | 1,617 | 3,986 | 4,067 81 45 | 9,37 | 8,92 | 1,442 | 1,308 | 3,628 | 3,290 83 52 | 8,35 | 8,17 | 1,146 | 1,096 | 2,882 | 2,758 Die Prismen wurden während der Beobachtungen nicht von einander getrennt, sondern das ‚Wasser zwischen die Hypotenu- senflächen gebracht, während die Prismen am Goniometer be- festigt waren. Dann wurden dieselben einige Stunden in einen Exsiccator gestelli, so dafs das Wasser bis auf eine kleine Schicht von 2”” Durchmesser verdampft war, am Goniometer befestigt und das Terpenthinöl zwischen die Flächen gebracht. Die grofse Axe des elliptischen Fleckes war bei Terpenthinöl so grols, dafs die zurückgebliebene geringe Wassermenge ohne Ein- fluls war. Dals bei Crownglas und Terpenthinöl der grölste Durch- messer des elliptischen Fleckes für einen Einfallswinkel kleiner als der Grenzwinkel der totalen Reflexion gefunden wurde, kann möglicher Weise an der ungenauen Bestimmung dieses Durch- messers, der schwer zu beobachten war, vielleicht aber auch daran liegen, dafs das Terpenthinöl sich geändert hatte, und einen anderen Brechungsexponenten besals als zu der Zeit, wo dieser mit einem Hohlprisma bestimmt worden war. Abge- sehen von der Gröfse des elliptischen Fleckes bestätigen die in den Tabellen enthaltenen Beobachtungen die oben angeführten Gesetze. | Die Strahlen gingen, auch wenn sie unter Winkeln gröfser als der Grenzwinkel der totalen Reflexion auf die Hypotenusen- fläche des ersten Prismas auffelen, durch die beiden aufeinan- 304 "Gesammtsitzung derliegenden Prismen so hindurch, als ob sie an den Grenzflä- chen des dünneren Mediums gewöhnliche Brechung_ erlitten hätten. Die Versuche wurden mit homogenem Licht angestellt und hätte sich bei der Genauigkeit des angewandten Apparates noch ein Unterschied von 1’ in der Richtung der Strahlen be- merklich machen müssen. Dabei war es gleichgültig ob man zwei Prismen derselben Glassorte, oder ein Flintglas und ein Crownglasprisma, von denen das eine eine ebne, das andere eine convexe Hypotenusenfläche hatte, auf einander legte. Die Intensität der hindurchgegangenen Strahlen, mochten sie gewöhnliche Brechung erlitten haben oder nicht, war unter fast gleichen Umständen um so grölser, je weniger sich die Brechungsexponenten des dichteren und dünneren Mediums von einander unterschieden. Fiel linear polarisirtes Licht durch die Kathetenfläche 42 auf die Hypotenusenfläche des ersten Prismas unter einem Win- kel auf, der grölser als der Grenzwinkel der totalen Reflexion war, so war das durch den centralen elliptischen Fleck hin- durchgegangene Licht elliptisch polarisirt, ebenso wie das Licht welches wieder in das erste Prisma total zurückgeworfen wird, und aus der Kathetenfläche 4C austritt elliptisch polarisirt ist. Um die Phasendifferenz der Strahiencomponenten parallel und senkrecht zur Einfallsebne polarisirt nach der Methode des Hrn. Jamin') bestimmen zu können, wurden an dem Gonio- meter zwei innen geschwärzte Messingröhren befestigt, die um die Goniometeraxe senkrecht gegen dieselbe melsbar gedreht werden konnten. An ihren Enden trugen sie zwei Kreise mit, Nicol’schen Prismen um die Polarisationsebne der einfallenden und austretenden Strahlen bestimmen zu können. Die von den Hypotenusenflächen durchgelassenen oder reflectirten Strahlen wurden vor dem Eintritt in das analysirende Nicol’sche Prisma mit einem Compensator des Hrn. Babinet aufgefangen um den Phasenunterschied der beiden parallel und senkrecht zur Ein- fallsebne polarisirten Strahlencomponenten aufzuheben. Die aus dem Compensator austretenden Strahlen waren dann gradlinig polarisirt, und das Azimuth £ ihrer Polarisationsebne liefs sich 1) Ann.d. chim. et d. phys. (3) t. XIX. p. 370. t. XXXI. p. 170. vom 22. Juni 1865. 305 mit dem analysirenden Nicol’schen Prisma bestimmen, indem man dieses so lange drehte, bis zwischen den Parallelfäden des Compensators wieder ein schwarzer Streifen erschien, das an dieser Stelle durch den Compensator gegangene Licht also völ- lig ausgelöscht war. In der Messingröhre, welche das polarisirende Nicol’sche Prisma trug waren zwei Diaphragmen mit Fadenkreuzen ange- bracht und der ganze Apparat wurde so orientirt, dals die mit einer matten Glastafel aufgefangenen Schatten der beiden Fa- denkreuze sich deckten, wenn ein Heliostat Sonnenlicht auf das polarisirende Nicol’sche Prisma und dann auf die Fadenkreuze der damit verbundenen Messingröhre warf. Dadurch war die Richtung der einfallenden Strahlen bestimmt. Die Katheten- fläche 4B wurde senkrecht gegen die einfallenden Lichtstrahlen gestellt. Am Goniometer wurde der Winkel :, unter welchem die Strahlen auf die Kathetenfläche 42 auffielen, abgelesen und daraus dann der Winkel J, unter dem die Strahlen die Hypo- tenusenfläche trafen, berechnet. Mochten die Strahlen rellectirt oder durch die Schicht zwischen den Hypotenusenflächen hin- durchgegangen sein, immer trafen sie die Kathetenflächen 4C oder 4,B, unter einem Winkel ;,, der gleich dem zu z gehö- rigen Brechungswinkel war. Nennt man « das Azimuth des einfallenden Lichtes, so ist das Verhältnils % der Amplituden $S und P der senkrecht und parallel zur Einfallsebne polarisirten Strahlencomponenten, wenn diese im auffallenden Licht gleiche Intensität hatten, durch die Gleichung gegeben y 2. 2 = cos’(d—i,) wobei vorausgesetzt ist, dals die von Fresnel') gegebenen und von Hrn. Brewster?) durch Beobachtungen geprüften Formeln hinlänglich genau die Änderung ausdrücken, welche die *) Ann. d. chim. et d. phys. (2) XVII. 1821. p. 312. t. XXIX. 1825. p. 180 sqq. auch Pogg. Ann. XXIl. Vergl. Neumann, Über die Refle- xion und Brechung des Lichtes an der Grenze zweier vollkommen durch- sichtiger Medien. Abh. d. Berl. Akad. 1835. p. 6 sgq. *) Phil. trans. 1830, I. p. 133. auch Pogg. Ann. XIX, p. 281. 306 Gesammtsitzung Amplituden der beiden Componenten, senkrecht und parallel zur Einfallsebne polarisirt, bei der Brechung durch die Katheten- flächen erleiden. Nennt man a die Anzahl der Revolutionen des Compensa- tors, welche den auf denselben auffallenden Strahlen einen Gangunterschied von einer Viertel- Wellenlänge Z ertheilen, r die Anzahl der an dem Compensator abgelesenen Revolutionen um den Gangunterschied ö der beiden Componenten für die von den Hypotenusenflächen durchgelassenen oder reflectirten Strah- len aufzuheben, so ist ö ausgedrückt in Bruchtheilen einer Viertel-Wellenlänge 3. b=——. dabei ist © positiv gerechnet, wenn die parallel zur Einfalls- ebne polarisirte Componente gegen die senkrecht zur Einfalls- ebne polarisirte Componente voraus ist. Bei der Rechnung liels sich der Verfasser durch andere Versuche über gewöhnliche Reflexion leiten, auf welche er bei einer anderen Gelegenheit zurückkommen wird. Diese ergaben, dals von dem Einfallswinkel 0 aus, wo der Phasenunierschied beider Strahlencomponenten 0 sein mufs, mit wachsendem Einfallswin- kel der Phasenunterschied continuirlich zunimmt und bei dem R A A Grenzwinkel der totalen Reflexion Fremen 2 33 betrug für alle in den folgenden Tabellen erwähnten Fälle. Zwischen Auge und analysirendem Nicol’schen Prisma war ein rothes Glas angebracht, welches nur Strahlen von der Brechbarkeit der Fraunhofer’schen Linie D ins Auge gelan- gen liels. Man erhält nun für das durch die verschiedenen Stellen des elliptischen Fleckes hindurchgegangene Licht verschiedene Werthe von r und £. r ist am Rande des elliptischen Fleckes am grölsten, wo auch die Änderungen, die £ mit wachsendem Ein- fallswinkel erleidet, am auffallendsten sind. Der dunkle Streifen im Compensator hatte zwei symmetri- sche Hälften, die in der Mitte des elliptischen Fleckes zusam- vom 22. Juni 1865. 307 menstielsen, und zeigte etwa beistehende az, Gestalt. Die punktirte Linie bedeutet dabei die grolse Axe des elliptischen Fleckes. Aus der Gestalt dieses Streifens läfst sich schon über- sehen, dafs der Phasenunterschied nicht proportional der Dicke der durchstrahlten Schicht zwischen den Hypotenusenflächen zu- nimmt. Um Doppelbrechung des Glases durch Compression zu ver- meiden durften die Hypotenusenflächen der Prismen nicht zu stark aufeinander geprelst werden, und selbst, wenn dies ge- schah, blieb in den meisten Fällen noch eine dünne Luftschicht an der Berührungsstelle der Flächen zurück. Es ergab sich dies daraus, dafs das durch diese Berührungsstelle hindurchgegangene Licht elliptisch polarisirt war, und dafs diese elliptische Polari- sation verschwand, wenn, ohne den Einfallswinkel der auffal- lenden Strahlen zu ändern, Wasser zwischen die Hypotenusen- flächen gebracht wurde, so dals wieder das Licht mit gewöhn- licher Brechung durch die Schicht zwischen den Hypotenusen- flächen hindurchging. Es würde demzufolge nicht möglich sein zwei Körper zur vollkommenen Berührung zu bringen. Die folgenden Tabellen enthalten in der ersten Spalte unter J den Winkel, unter welchem die Strahlen auf die Hypotenu- senfläche des ersten Prisma’s auffielen, in der zweiten und drit- ten Spalte die für verschiedene Einfallswinkel beobachteten Werthe der Gröfsen r und £. Die vierte und fünfte Spalte enthalten die mit Hülfe der Gleichungen 2. und 3. berechneten Werthe von % und S, letztere in Bruchtheilen einer Viertel- Wellenlänge. Dabei sind die Beobachtungen angeführt für die dünnste Stelle der Schicht zwischen den Hypotenusenflächen, wenn das Licht durch die Mitte des hellen elliptischen Flecks hindurchgegangen war, oder für die dickste Stelle des dünneren Mediums, durch welche das Licht noch hindurchging am Rande des hellen elliptischen Fleckes. Die Beobachtungen am Rande desselben beziehen sich also auf Dicken des dünneren Mediums, die bei verschiedenen Einfallswinkeln verschieden grofs waren. [1865] ' 24 308 Gesammitsitzung Flintglas-Luft. (Bei ‚totaler Reflexion durch das dünnere Medium hindurch- gegangenes Licht.) #= 1,6160 (38° 14°) a = 7" ,177 a = 45° Rand. EIS RE | 0) of 7 D 4° 38‘13*2,080l59 1,655|-0,290| r | „, -. 38 24 11,954[62 6 I1,879|- 0,272 | 0,300|68°20 [2,504| 0,042 38 50 $,074|58 52 |1,648|— 0,289| 1,071|68 13 |2,491|— 0,149 39 27 B,72061 32 1,838|— 0,379| 2,356|66 24 [2,281 0,328 40 3 |2,866|57 54 |1,589|— 0,399| 2,885164 3 |2,049— 0,402 40 40 12,720 56 50 |1,527|— 0,379| 2,866|62 30 [1,917] 0,399 a1 18 $,828|56 29 |1,507|- 0,394 3,368161 13 |1,817|— 0,469 41 55 13,138|55 19 |1,444— 0,437| 3,742)60 9 |1,744|- 0,521 43 8 B,373154 2 |1,378|-0,470| 4,002|57 18 |1,557|— 0,558 15 13,653151 31 |1,258|— 0,509| 4,264|52 55 |1,323|— 0,594 3,776/48 15 1,120 0,526| 4,320\48 33 |1,132]— 0,602 3,949148 35 [1,133 0,550| 4,425|47 34 |1,093|- 0,617 4170/46 54 |1,067|— 0,581| 4,520\46 40 11,059] 0,630 3,973/44 58 |0,997|— 0,554| 4,156/45 21 [1,011] 0,579 4,277|41 34 |0,883|— 0,596] 4,560|41 46 |0,889|— 0,635 4,016[35 32 |0,701— 0,559| 4,031|35 36 |0,703|— 0,562 3,320|30 26 [0,562)— 0,463] 3,320/31 15 |0,581|— 0,463 2,920129 26 10,518) 0,407 Wurde das Flintglasprisma mit ebener Hypotenusenfläche | allein am Goniometer befestigt, und das von demselben total | reflectirte Licht untersucht, so ergab sich folgendes. | vom 22. Juni 1865. 309 Flintglas-Luft. Total reflectirtes Licht. # = 1,6160 (38° 14’) a=T1 „177 «= 45° durchge- reflectirt. gangen. | & beob. | 6 ber. ö beob. A , r 0. 4 4 38°13*] 0,840 | 45°33°| 1,013) — 2,117 | 2 1 38 24 —2,147| 0,042 38 50 | 1,780 | 44 39 | 0,983 | — 2,248 |_ 2,252 | — 0,149 39 27 | 2,4 |45 22 | 1,009 | — 2,334 |_ 2,342 | - 0,328 40 31 3,047 | 45 17 | 1,007 | — 2,425 | — 2,400 | — 0,402 40 40 | 3,170 | 45 6 | 1,001 | — 2,442 |_ 2,146 | — 0,399 41 18 | 3,476 | 45 16 | 1,008 | — 2,484 | 2,479 | — 0,469 41 55 | 3,790 | 45 9 | 1,004 | — 2,528 | 2,507 | — 0,521 43 8 | 3,940 | 45 21 | 1,012 | — 2,549 | 2,542 | — 0,558 15 14222 |45 4 | 1,002 | -2,588 |- 2,574 | — 0,594 46 52 | 4,379 | 45 52 | 1,030 | — 2,610 | 2,588 | — 0,602 47 28 | 4,480 |45 1|1 — 2,624 | 2,588 | — 0,617 48 5| 4,486 | 45 15 | 1,008 | — 2,625 | 2,590 | — 0,630 48 42 | 4,350 | 45 16 | 1,008 | — 2,606 |— 2,589 | — 0,579 51 10 | 4,220 | 45 4 | 0,998 | — 2,588 | 2,580 | — 0,635 57 13 | 3,726 | 45 19 | 0,992 | — 2,519 | 2,523 | — 0,562 63 4 | 3,200 | 45 48 | 0,984 | - 2,446 |— 2,447 | — 0,463 68 26 | 2,530 | 47 18 1 0,995 ' — 2,353 ' — 2,366 Die Bedeutung der Zahlen in den ersten fünf Spalten der vorhergehenden Tabelle ist dieselbe wie früher. Die sechste Spalte enthält den Werth von ö, wie er sich mittelst der von Fresnel') gegebenen Formel ö 2a” sin®J— (nu? +1) sin? J+1 4. cos — 2 De ea > berechnet. Daneben stehen der Vergleichung wegen die Wer- ihe von ö für Licht, das durch den Rand des elliptischen Fleckes hindurchgegangen ist. Man übersieht sofort, dals diese Wertlie von ö in der letzten Spalte der vorstehenden Tabelle sich von den Werthen derselben Gröfse d für reflectirtes- Licht nur durch die Gröfse 2 vor dem Komma unterschieden, d. h. dafs °) Ann. d. chim. ei d. phys. i. XXIX. 1825. p. 183. Rih® 310 Gesammtsitzung die Gröfsen ö um eine halbe Wellenlänge verschieden sind. Es ist dies in Übereinstimmung mit der Bemerkung, dals diese beiden Lichtmengen complementär zu einander sein und sich gegenseitig zu dem einfallenden weilsen Lichte ergänzen müssen. Dasselbe lälst sich schon mit einer dünnen Krystallplatte, parallel der optischen Axe geschnitten, nachweisen, z. B. mit einer Quarzplatte von 0””,123 Dicke. Eine solche zeigt, so- bald man sie zwischen gekreuzte Nicol’sche Prismen bringt eine blaue Färbung (sogenannte teinte sensible), die am deut- lichsten hervortritt, wenn die Axe der Quarzplatte Winkel von 45° mit den Hauptschnitten der beiden Nicol’schen Prismen einschlielst. Schaltet man gleichzeitig ein Prismenpaar mit die- ser Quarzplatte zwischen die Nicol’schen Prismen, so dafs die Strahlen an der Hypotenusenfläche des ersten Prismas total re- flectirt werden, oder durch den hellen elliptischen Fleck hin- durchgehen, so geht die blaue Farbe der Quarzplatte in roth oder grün über, je nachdem die Einfallsebne der Flintglas- oder Crownglasprismen parallel oder senkrecht zur Axe der Quarz- platte steht. Die Färbung ist für das total reflectirte Licht die- selbe wie für das hindurchgegangene, da im ersteren Falle eine Richtungsänderung des Strahles durch Reflexion eintritt, die den Gangunterschied von einer halben Wellenlänge für die beiden Strahlencomponenten, parallel und senkrecht zur Einfallsebne polarisirt, wieder aufhebt. Es wird also an der Hopoicnskentlaehe links oder rechts elliptisch polarisiries Licht bei der to- talen Reflexion in das erste Prisma zurückgewor- fen, während ebenfalls links oder rechts elliptisch polarisirtes Licht durch das dünnere Medium in das zweite Prisma eintritt. Die in der Tabelle auf pag. 308 gegebenen Werthe von. k zeigen ferner, wie im durchgegangenen Licht, wenn man von dem Grenzwinkel der totalen Reflexion ausgeht, die Amplitude der senkrecht zur Einfallsebne polarisirten Componente gröfser ist als die Amplitude der Strahlen parallel der Einfallsebne po- larisirt, wie aber von dem Einfallswinkel 49° an dies Verhält- nils sich umkehrt, und nun das parallel der Einfallsebne polari- sirte Licht überwiegt. vom 22. Juni 1868. 311 Bei total reflectirtem Lichte läfst die Theorie den Werth =1 erwarten. Vielfache Versuche haben aber dem Verfasser im Mittel Werthe gegeben, die ein wenig kleiner als 1 waren. Versuche über die elliptische Polarisation des Lichtes, das an den Hypotenusenflächen total reflectirt oder durch den hel- len elliptischen Fleck hindurchgegangen war, ergaben ähnliche Resultate, wenn Wasser oder Terpenthinöl zwischen die Hy- potenusenflächen der Flintglasprismen. gebracht wurde, oder wenn man statt der Flintglasprismen Crownglasprismen an- wandte. - An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Liharzik, Das Quadrat als Grundlage aller Proportionalität in der Natur. Wien 1865. 4. Das Gesetz des Wachsthums und der Bau des Menschen. Wien 1862. folio und Prospect in 4. Festrede über das Leben und Wirken des verstorbenen Sa- nitätsrathes L. A. Gölis. Wien 1864. 4. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d. Wien 1. Juni 1865. Catalan, Memoire sur la theorie des polyedres. Paris 1865. 4. C. de Prado, Descripcion fisica y geologica de la provincia de Madrid. Madrid 1864. 4. Supplement to the 25°% Annual Report of the Registrar- General of births, deaths and marriages in England. London 1864. 8. Revue archeologique. Juin. Paris 1865. 8. Annales de chimie et de physique. Avril. Paris 1865. 8. Moncada, Su taluni articoli del Bulletino della commissione di anti- chita. Palermo 1865. 8. 26. Juni. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Hagen las über die Bewegung des Wassers in Röhren. 312 Gesammtsitzung vom 29. Juni 1865. 29. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Borchardt las über die Bestimmung des Te- traeders, welches bei gegebenen Seitenflächen das gröfste Volumen besitzt. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Memoires de l’academie de medecine. ‘Tome 26. Paris 1863—64. 4. Bulletin de l’academie de medecine. Tome 28. 29. ib. 1862—64. 38. Memorie dell’ I. R. Istituto veneto di scienze. Vol. XI, parte 3. Ve- nezia 1864. 4. Atti dell’ 1. R. Istituto veneto di scienze. Vol. 9. Venezia 1863—64. 8. Correspondenzblatt des Vereins für Naturkunde in Prefsburg. 2. Jahr- gang. Prelsburg 1863. 8. Würzburger Medizinische Zeitschrift. 6. Band, Heft 1.2. Würzburg 1865. 8. Address af the anniversary Meeting of Ihe Royal Geographical Society. London 1865. 8. Rendiconti dell’ Istituto lombardo. Milano, Giugno 1864. 8. Kendiconto dell’ accademia di scienze morali e politiche di Napoli. Na- poli, Febr. Marzo 1865. 8. Catalan, Histoire d’un concours. Liege 1865. 8. A. S. Örsted, Drei botanische Broschüren. Kopenhagen 1864—65. 8. —ENS— Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat Juli 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer. 6. Juli. Öffentliche Sitzung zur Feier des Leibnizischen Jahrestages. Hr. Haupt, an diesem Tage vorsitzender Sekretar, eröff- nete die Sitzung mit einem Vortrage, in dem er Leibniz in sei- nen Beziehungen zu der sprachvergleichenden Wissenschaft dar- stellte. Hierauf hielt Hr. Hofmann als neu eingetretenes Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse folgende Antrittsrede: Althergebrachte Sitte legt an diesem festlichen Tage dem neu- erwählten Akademiker die Verpflichtung auf, das Gebiet zu be- zeichnen, auf dem er sich in seiner neuen Stellung an der För- derung und Erweiterung der Wissenschaft nach besten Kräften betheiligen will. Indem ich dieser Sitte nachkomme, erlauben Sie mir, vor Allem, für die hohe Auszeichnung zu danken, welche mir geworden ist, indem Sie die entferntere Beziehung, in der ich bereits seit Jahren zur Akademie gestanden habe, zu innigerem Verband haben schürzen wollen. Der Augenblick, in dem es mir vergönnt ist, in Ihre Mitte zu treten, ist in mehr als einer Beziehung ein für mein Leben bedeutungsvoller. Es fällt näm- lich dieses Eintreten zusammen mit der Rückkehr, nach langjähri- 1s65.] 25 314 Öffentliche Sitzung ger Abwesenheit, in mein theures deutsches Vaterland und mit der Übernahme, auf deutscher Hochschule, eines Lehrstuhls der Wissenschaft, deren Förderung ich zur Aufgabe meines Lebens gemacht habe. An so wichtigem Wendepunkt meiner Geschicke angelangt, fühle ich mich versucht, rückwärts zu schauen, um an dem Bilde der Vergangenheit den Blick zu schärfen für die Aufgabe der kommenden Zeit. Die letzten fünf und zwanzig Jahre werden stets als ein denkwürdiger Abschnitt in der Geschichte der Chemie betrachtet werden. In der ersten Hälfte dieses Zeitraums war die Wissen- schaft durch eine Überfülle von Thatsachen bereichert worden. Aber wie ein Strom, wenn er breiter wird, an Tiefgang verliert, so lief auch die Chemie Gefahr, in der nach allen Richtungen hin sich erstreckenden und oft zerstreuenden Beobachtung des Thatsächlichen sich zu verflachen. Die zweite Hälfte der bezeich- neten Periode mulste daher anstreben, das gestörte Gleichge- wicht wieder herzustellen; in der Sichtung, Ordnung, Verschmel- zung, und man darf wohl sagen, in der eigentlichen Verwer- thung des erworbenen Materials hat sie ihre ruhmvolle Aufgabe gesucht und gefunden. In dem systematischen Lehrgebäude, welches auf den unsterb- lichen Arbeiten Berzelius’s in der Mineralchemie, als breiter Grundlage, fulste, hatten die Entdeckungen der früheren Periode alle ihre Stätte gefunden und in seinem luftigen Fachwerk schien den Beobachtungen kommender Generationen hinreichender Raum aufgespart. Man hätte glauben können, zu einem Abschluls gekom- men zu sein; der Rahmen war gegeben und es handelte sich nur darum, ihn auszufüllen. Da erschlofs der schöpferische Geist un- seres grolsen Landsmanns ein neues, fast unbegrenztes Gebiet der Forschung, in das bis jetzt nur ganz vereinzelte WVegesucher eingedrungen waren. Die Periode der organischen Chemie war gekommen, mit welcher der Name Liebig’s für alle Zeiten un- zertrennlich verbunden ist. Wer den Forschungen auf diesem neuen Gebiete mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, wird sich erinnern, wie in einer grolsen Reihe der ersten Arbeiten die Traditionen der Mine- vom 6. Juli 1865. | 315 ralchemie sich fast ausschliefslich spiegelten. Man untersuchte die Gebilde des thierischen Organismus und der Pflanze mit der ausgesprochenen Absicht in ihnen das bereits bekannte Verhalten, die bereits ermittelte Zusammensetzungsweise der Mineralkörper wieder zu finden. Überall dieselben Anschauun- gen, dieselben Methoden, ja dieselbe Form des Ausdrucks. Die organische Chemie, in ihrer Entfaltung, glich einem jüngern, an dem Vorbilde der ältern Schwester heranreifenden Kinde. Allein das Verhältnils des Geschwisterpaares sollte sich bald an- ders gestalten. In der Wissenschaft wie im Leben trägt schon einmal die jüngere Schwester, für eine Zeit wenigstens, den Preis davon. Die organische Chemie in ihrem ersten Erblühen fesselte mit unwiderstehlicher Gewalt die besten Forscherkräfte der wer- ‚denden Generation, während sich die Mineralchemie für eine Reihe von Jahren auf einen kleineren Kreis treugebliebener An- hänger beschränkt sah. Nur in diesem gewaltigen Zuge, in die- sem vollständigen Aufgehen der ganzen Forscherlust jener Zeit in der neu aufgeschlossenen Richtung, findet das unerhörte Wachs- thum des neuen Zweiges unserer Wissenschaft einigermalsen Erklärung. Wo gestern kaum der Wald gelichtet war, er- hob sich heute schon eine prachtvolle Stadt mit grolsen Plätzen und weitauslaufenden Stralsen und noch viel weiter gehendem Zukunfts - Bauplan. Eine so mächtige Bewegung konnte nicht lange die alte Bahn einhalten. In einer jeden der in raschem Fluge einander folgenden Arbeiten, welche dem jungen Wissenschaftszweige zu Gute kamen, entwickelten sich neue Anschauungen, welche An- fangs nur wenig, bald aber mehr und mehr, von den auf dem Gebiete der Mineralchemie gesammelten Vorstellungen abwichen. Was Anfangs willkommener Fingerzeig gewesen war, wurde nachgerade unerträglicher Zwang. Das neugewonnene Material mulste sich der alten Form schon noch einige Zeit bequemen, allein bald wurde es immer weniger schmelzbar und wollte unter der alten Behandlung nicht länger flüssig werden. Es mufsten sich neue Behandlungsweisen des Stoffes, neue Methoden der Untersuchung gestalten, neue Formen des Ausdrucks, deren Werth sich sehr bald auch an dem alten Material erproben sollte. Das ; 25° 316 Öffentliche Sitzung Bedürfnifs konnte nicht ausbleiben, die Zusammensetzung und das Verhalten der Mineralkörper von dem Standpunkte aus zu betrachten, auf welchen die Erforschung der Pflanzen- und Thiergebilde geführt hatte. Die Rückwirkung der organischen Chemie auf die unorganische hatte begonnen; der Augenblick war gekommen, in welchem, ähnlicher Dienste eingedenk, die jüngere der ältern Schwester als Führerin dienen durfte. Wohl niemals ist eine Schuld der Dankbarkeit mit höheren Zinsen ab- getragen worden! Der erste Vortheil, den die Mineralchemie dieser Wendung der Dinge verdankte, war der erneute Zuzug frischer Kräfte. Die beiden grofsen Felder, in welche sich das Gebiet der che- mischen Erscheinungen noch immer spaltete, erfreuten sich wieder einer gleichmälsigeren Bebauung, und ein stets innigeres Zusam- menwachsen der getrennten Theile zu einem vereinten Ganzen war die unmittelbare Folge. Jede neue Arbeit, ob im Be- reiche der anorganischen oder organischen Chemie ausgeführt, mulste dazu beitragen die künstliche Grenze zu verwischen, welche die successive Entwicklung der Chemie nach zwei so verschie- denen Richtungen hin gezogen hatte. In den Herzen der Che- miker war die Schranke zwischen unorganischer und organischer Chemie gefallen; und wenn sie diese Theilung nichtsdestoweniger beibehielten, und wohl auch beibehalten werden, so erkennen sie dieselbe doch nur noch als eine conventionelle, der Gewohn- heit gerechte Abgrenzung eines gewaltigen Gebietes an, auf welchem überall dieselben Kräfte thätig sind und überall dieselben Gesetze herrschen. Es ist hier der Ort nicht dem Strome der chemischen For- schung auch nur aus der Ferne zu folgen; die Länge seines Lau- fes und die Gewalt der Strömung, die Zahl der Windungen und die Mannigfaltigkeit der Verzweigungen verbieten ein solches Beginnen. Noch weniger dürfen wir uns an den mächtigen Schwingungen betheiligen, in welche die allgemeineren chemi- schen Anschauungen durch die rasch aufeinanderfolgenden Ent- deckungen versetzt wurden. Versuchten wir es diese schwan- kenden Gestalten zu umrahmen, wir würden statt scharfumris- sener Zeichnungen nur eine Reihe von Nebelbildern erhalten. vom 6. Juli 1865. 317 Wohl aber verlohnt es sich schon einen Augenblick bei den beruhigteren Vorstellungen zu verweilen, welche die Ge- genwart zur Geltung gebracht hat und in denen sich die moderne Forschung mit Vorliebe bewegt. Wie schon bemerkt war Bewältigung der Fluth von That- sachen, welche die Beobachtungen so vieler 'eifriger Arbeiter ge- bracht hatten, eine Hauptaufgabe der letzten Jahrzehnde.. Wir sehen die Wissenschaft nach Waffen ringen um sich des Mate- rials zu erwehren, unter dessen Wucht sie zu erliegen drohte. Diese boten sich zunächst in dem erneuten und erweiterten Stu- dium der volumetrischen, im Gegensatz zu der bisher vorwaltend betrachteten ponderalen, Zusammensetzung der chemischen Ver- bindungen. In der organischen Chemie, welche eine überwie- gende Anzahl flüchtiger Verbindungen aufzuweisen hat, war man allmälıg zu der anfangs kaum klargefassten, dann aber vollkom- men bewulsten Übereinkunft gekommen, die Zusammensetzung der Körper in der Weise zu formuliren, dals die Formeln die Gewichte gleicher Volume derselben im gasförmigen Zustande darstellten. Wohl schien es einige Verbindungen zu geben, wel- che sich dieser Darstellungsweise nicht anschmiegen wollten, allein bei genauerer Prüfung traten diese scheinbaren Ausnahmen rasch und ungezwungen in die Reihe der aequivolum -formulirbaren Körper zurück. So allseitig war der Werth dieser Darstellungsweise anerkannt, dals man seit Jahren die Bestimmung des Gas-volumge- wichts oder der Dampfdichte als den. sichersten Anhaltspunkt für die Ermittlung der Formel eines Körpers betrachtete. Eine Ausdrucks- weise, welche für die grofse unter dem Namen „organische Ver- bindungen” begriffene Körpergruppe zu allgemeinster Geltung gekommen war, sollte sie sich nicht in ähnlicher Weise für die Körper der unorganischen Natur bewähren? In die Bezeichnungen der einfachsten flüchtigen Mineralverbindungen hatten sich die seltsamsten Anomalien eingeschlichen. Während die Formeln des Wassers und des Grubengases z. B. die Gewichte je eines Volums dieser Verbindungen darstellten, drückten die Formeln der Chlorwasserstoffsäure und des Ammoniaks die Gewichte je zweier Volume aus. In ähnlicher Weise bezeichneten die Sym- bole des Chlors, des Stickstoffs die Gewichte eines Volums die- 318 Öffentliche Sitzung ser Elemente, während man bei dem Sauerstoff gewohnt war, das Gewicht eines halben Volums zu symbolisiren. Die Inconsequenz dieser Darstellungsweise war nicht unbemerkt geblieben. Mehr als einmal hatte man sich bemüht die Formeln in vergleichbarer Weise zu schreiben. Berzelius selbst hatte den Versuch ge- macht, allein der Boden war nicht hinreichend vorbereitet um die Aussaat seiner Ideen zur Reife zu bringen. Diese Vorberei- tung hatten die Arbeiten der organischen Chemie vollendet. Die Erkenntnis liefs sich nicht länger mehr zurückdrängen, dafs die Formeln aller Aüchtigen Verbindungen, ob der organischen ob der unorganischen Natur angehörig, um vergleichbar zu werden die Ge- wichte gleicher Gasvolume repräsentiren müssen und dals selbst die Elemente sich in Formeln symbolisiren lassen, welche, was das dargestellte Volum angeht, mit den Formeln der Verbindun- gen in Einklang stehen. Indem diese Erkenntnis zur Überzeu- gung wurde, hatte die chemische Anschauung eine Reihe von Vortheilen errungen, unter denen die Anbahnung einer gleich- förmigen äquivolumen Notation nicht der kleinste Gewinn war. In dieser veränderten Ausdrucksweise tritt uns zum ersten Male die schärfere Fassung und Sonderung der Begriffe Molecül, Atom und Äquivalent in willkommener Weise entgegen. Bisher wa- ren diese Begriffe, wenn man sie überhaupt gesondert hatte, aufs Unerquicklichste mit einander verschwommen. Aber selbst die Typentheorie, in der die neue Chemie einen ihrer schönsten Triumphe feiert, fufst in letzter Instanz ebenfalls wieder auf dem Boden der volumetrischen Studien, deren Ergebnisse sich in der neuen Notation darstellen. So lange die Körper mit verschiede- nem Maafse gemessen wurden, konnten sie, ihrer Structur nach wenigstens, nicht mit einander verglichen werden. Erst mit der Einführung eines gemeinsamen Maalses, erst mit Aufstellung äquivolumer Formeln wurde diese Vergleichung möglich, konnte sich der Gedanke entwickeln, die Körper nach ihrer Structur zu classificiren. So gestalteten sich denn die typischen Gruppen der modernen Chemie, Gruppen, in denen sich scheinbar so ganz un- ähnliche Verbindungen zusammenfinden, dals man bei ausschliels- licher Betrachtung der physikalischen Eigenschaften und oft selbst des chemischen Verhaltens auch nicht die entfernteste Beziehung vom 6. Juli 1865. 319 zwischen ihnen geahnt hätte. An die Spitzen dieser Gruppen treten gewisse Körper, ausgezeichnet durch die Einfachheit ihrer Zusammensetzung, durch ihre hervorragenden Eigenschaften, durch die Allgemeinheit ihrer Verbreitung. Die Chlorwasserstoff- säure, das Wasser, das Ammoniak und, innerhalb gewisser Gren- zen, das Grubengas schienen vor Allen solcher prototypen Stel- lung gewachsen. Die eigenthümliche Structur einer jeden die- ser Verbindungen, in denen wir, Stufe um Stufe, mit der wach- senden Zahl zusammentretender Volume gesteigerte Verdichtung repräsentirt finden, läfst sich ungezwungen in einer fast unüber- sehbaren Kette der mannigfaltigsten Körper verfolgen, jeder ein- zelne seiner Zusammensetzung, seinen Eigenschaften nach vor dem andern verschieden und alle doch wieder durch ein gemein- sames Band zu einem Ganzen verschlungen. Es war gewils keine Zufälligkeit, dals man die Wasserstoflverbindungen des Chlors, des Sauerstoffs, des Stickstoffs und des Kohlenstoffs zu diesen ty- pischen Structurmodellen wählte. Der Wasserstoff ist für den Chemiker Normalelement geworden. Der leichteste aller Körper dient der Wasserstoff längst allgemein als Ausgangspunkt für die Gasvolumgewichte, die Atomgewichte, die Äquivalentgewichte, in gewissem Sinne selbst, für die Moleculargewichte und überdiels als Maals der Quantivalenz der Elemente; die Beweglichkeit seiner Atome, die Leichtigkeit endlich, mit welcher er unter den mannigfaltigsten Bedingungen, zumal durch Metalle und metallartige Verbindungen, ersetzt werden kann, erleichtert den Übergang, auf dem Wege des Versuchs, von den Prototypen zu selbst den entferntesten Gliedern der zugehörigen Gruppe. Die in der Chlorwasserstoffsäure, in dem Wasser, im Ammoniak, im Grubengas mit dem Wasserstoff vereinigten Elemente, das Chlor, der Sauerstoff, der Stickstoff, der Kohlenstoff sind ihrerseits wieder typische Elemente wie ihre Wasserstoffverbindungen typische Verbindungen sind. Ein jedes derselben steht an der Spitze einer Gruppe von Elementen, welche sich in ihrem - Verbindungsbestreben den Elementartypen auf das Engste an- schliefsen. In der typischen Auffassung der Körper, in der Gon- ception von Elementartypen einerseits und Verbindungstypen an- drerseits, war der Chemie ein Mittel der Sichtung, der Ordnung, 320 Öffentliche Sitzung mit einem Wort ein additionelles Classificationsprincip zugewach- sen, wie sie es bis dahin nicht besessen, und welches dem Ler- nenden das Gebiet der Wissenschaft in kürzerer Zeit und mit grölserem Erfolge zu durchmessen erlaubte, als es ihm vor 20 Jahren, zu welcher Zeit die Chemie nur erst einen geringen Bruchtheil ihres gegenwärtigen Umfanges erlangt hatte, möglich gewesen wäre. Reformen in der Wissenschaft wie ım Staate vollenden sich nicht ohne Kampf. Kein Wunder also, wenn wir während der letzten Decaden die Forscher auf dem Gebiete der Chemie in heftiger Fehde entbrannt sehen. Ein jeder ist bereit für seine Meinung einzustehen, für die Ansichten seiner Partei eine Lanze zu brechen. In zwei grolsen Feldlagern zumal stehen sich die chemischen Streiter einander gegenüber, auf der einen Seite, ne- ben den blind am Alten festhaltenden, die starken, weil gemälsig- „ten, Vertreter des Bestehenden, auf der andern Seite, neben den Alles überstürzen wollenden, die bewulsten Vorkämpfer einer neuen Zeit. Auf beiden Seiten handelt es sich um die theuersten In- teressen. Die Einen glauben die Heiligthümer der Wissenschaft zu vertheidigen, den Andern scheint die umgeformte Lehre der ein- zige Weg zum Heile. Daher denn ein hartnäckiger, nicht immer ohne Bitterkeit geführter Kampf. Anfangs ist es ein fast verein- zelter Apostel, der lange tauben Ohren predigt, den man, als seine Stimme zu vernehmlich wird, nach altem Brauch verspottet und milshandelt, den man, als seine Worte ın andern Herzen zu zünden beginnen, mit den schärfsten Waffen bekämpft. Allein das erste Auftreten des kühnen Reformers kann auch nicht ein glückliches genannt werden; was Gerhardt zunächst abging war das Element der Versöhnung. In diesem ungestümen und leidenschaftlichen Geiste hatten die Überzeugungen so tiefe Wur- zeln geschlagen, dafs er ihnen nötbigen Falles mit Feuer und Schwerdt Geltung verschafft hätte. Statt sich mit der Abstel- lung von Miflsbräuchen zu begnügen, wollte er Alles umgeschaf- fen sehen; und nur gar zu häufig versagte er dem Guten die volle Anerkennung weil es nicht neu war. Die Geringschätzung der Ansichten Anderer rächte sich in der verzögerten Annahme des seinigen. In der That war es oft weniger die Lehre als der vom 6. Juli 1865. 321 Lehrer, den man bekämpfte. Allein der Wahrheit blieb doch zu- letzt der Sieg. Trotz aller Angriffe seiner Gegner, trotz seiner eige- nen Fehler, brachen sich Gerhardt’s Ideen langsam aber sicher Bahn. In erster Zeit war es ein kleines Häuflein, das sich um ihn schaarte, bald aber wuchs die Zahl seiner Anhänger in allen Lan- den. Es war zumal die Jugend, welche den frischen Lebenshauch in Gerhardt’s Ansichten fühlend, von allen Seiten unter seine Fahnen strömte. Allein auch die gereifteren Geister konnten der überzeugenden Kraft, welche diesen Ansichten innewohnte, nicht länger widerstehen. DieEntscheidung des Kampfes liels nicht mehr aufsich warten. DenNeuerern ward ein Sieg, der nicht glänzender gedacht werden kann. Ansichten, gegen welche vor wenigen Jahren noch die Mehrzahl der Chemiker im Feld gestanden hatte, wurden jetzt, wir dürfen es dreist sagen, von Allen anerkannt, von den Meisten getheilt, von Vielen auf das eifrigste vertreten. DieEntwicklung meiner eigenen wissenschaftlichen Bestrebun- gen istin die stürmischePeriode gefallen, die ich in flüchtigen Um- rissen zu zeichnen versucht habe. Als Lerner wie als Lehrer habe ich sie mit durcherlebt. Wenn ich in den ersten Jahren derselben nur wenig Sympathien für die neuen Ideen hegte, so war der Grund zum Theil in den Verhältnissen gegeben, unter denen ich die frühesten chemischen Eindrücke empfing, zum Theil aber auch und vorzugsweise in besonderen Lebensbedingungen, welche auf meine Anschauungen nicht ohne Einfluls bleiben konnten. Meine ersten Studienjahre gehen in die Zeit zurück, in welcher die Schule Liebig’s auf dem Höhepunkt ihrer Blüthe stand; ein günstiges Geschick hatte mich in die Nähe des berühmten Meisters geführt, dessen Spuren bescheidentlich und in weitester Ferne zu folgen fortan die Aufgabe meines Lebens ward. Die Gielsener Schule, wel- che ihren gröfsten Ruhm auf dem Boden des Versuchs gefunden hatte, konnte sich nur langsam mit den Ideen des französischen Refor- mers befreunden, welche sich in der That damals noch vorwiegend auf dem Fittige der Speculatiion bewegten. Das schroffe Auf- ireten Gerhardt’s gegen den verehrten Lehrer war auch nicht geeignet unter dessen Schülern Anhänger für die neuen Ansichten zu gewinnen. Rein persönliche Bedingungen übten in meinem 0322 Öffentliche Sitzung besonderen Falle kaum geringeren Einflußs. Es war in jener Zeit, dafs ich, der Aufforderung eines unter den Auspicien des Prin- zen Albert gebildeten englischen Vereins Folge leistend, nach London übersiedelte, um dort eine Schule der Chemie nach deut- schem Muster begründen zu helfen. Wenn ich an die Erlebnisse jener Zeit, an die Anregungen zurückdenke, welche ich dem neuen Wirkungskreise und einem glücklichen Verkehr mit den Koryphäen der englischen Wissenschaft, welche ich der Beleh- rung von Männern wie Faraday und Graham verdanke, wenn ich mir die Eindrücke zurückrufe, die mir zum ersten Male das Bild der Chemie in ihren mannigfachen und innigen Beziehun- gen zu dem grolsartigen Leben des englischen Volkes entgegen- führten, so kann ich nicht umhin, die ersten Jahre meines Aufent- halts in der Weltmetropole als die interessanteste Periode meines Lebens zu betrachten. Allein für eine selbstständige Betheiligung an den zeitlichen Aufgaben der Wissenschaft, für eine kritische Prüfung der grolsen Reformvorschläge, welche immer dringender wurden, war jene Periode nur wenig geeignet, da Zeit und Kraft dem Unternehmen gewidmet waren, welches mich nach England gerufen hatte. Denn gerade wie selbstständige experimentale For- schung die fruchtbarste Mutter eigener Ideen ist, so liefert sie uns auch den sichersten Prüfstein für die richtige Beurtheilung der Ideen Andrer. So kam es, dafs mir erst später, nachdem die neuzugründende Anstalt die Gefahren ihrer Geburt und die ängst- liche Periode ihrer Kindheit überstanden hatte, als die mir anver- traute Aufgabe, ‘durch thatkräftige Theilnahme einiger der edel- sten Männer Englands, innerhalb gewisser Grenzen wenigstens, einer erfreulichen Lösung entgegengereift war, mit der Wieder- aufnahme meiner Experimental- Untersuchungen der wahre Sinn und die ganze Tragweite der Gerhardt’schen Ansichten zum klaren Bewulstsein kam. Wie hätte ich zögern können, die volle Berechtigung dieser Bewegung anzuerkennen, als mir die Er- gebnisse eigener Arbeiten aus dem Spiegel der neuen Anschauun- gen in viel schärferen Umrissen entgegentraten? Eine jede der Untersuchungen, welche die begeisterten Forscher jener Drang- periode in solcher Fülle brachten, lieferte weiteres Material, an dem sich die neue Betrachtungsweise aufs Glänzendste bewährte. vom 6. Juli 1865. 323 Der persönliche Verkehr, in den ich um diese Zeit mit Ger- hardt trat, konnte nicht verfehlen, meinen Anschluls an die neue Schule zu beschleunigen. Ob und wie weit meine Arbei- ten zur Entfaltung dieser Schule ihr Schärflein beigetragen haben, darüber erlaube ich mir kein Urtheil, wohl aber bekenne ich gern und frei, dafs ich in ihren Lehren die mächtigsten Anregungen zu neuer Forschung, die willkommensten Fingerzeige für richtige Beurtheilung beobachteter Erscheinungen, endlich den einfachsten Ausdruck für die Darstellung gewonnener Resul- tate gefunden habe. In der That sind die Vortheile dieser Dar- stellungsweise so grols, die Kraft- und Zeitersparnils für den Ler- nenden sowohl als für den Lehrer so bedeutend, dafs es mir, und zwar namentlich auch in meiner neuen Stellung als Akademi- ker, eine Pflicht ist, zur allgemeinsten Verbreitung der Anschauun- gen der modernen Chemie in weitestem Umfange nach besten Kräften mitzuwirken. Obwohl fast überall anerkannt, sind doch diese Anschauungen noch sehr weit davon entfernt zu allgemei- ner Geltung und namentlich zum alltäglichen Gebrauch in der Schule gekommen zu sein. Hier bleibt noch unendlich viel zu thun übrig. Die Ausbildung des neuen Systems für die Zwecke des Unterrichts ist eine Aufgabe, die bis jetzt erst sehr lücken- haft gelöst ist. In den Grenzgebieten, auf denen die Chemie andern Disciplinen die Hand reicht, sind die Wellen der mäch- tigen Brandung, die sich im engeren Kreise unserer Wissenschaft selbst schon wieder zu beruhigen beginnen, nur erst ganz schwach fühlbar geworden, in einigen sind diese Wellen noch gar nicht angelangt. Auch in diesem Sinne ist daher der Thätigkeit weiter Spielraum geblieben. Wenn ich nach dieser Richtung hin, wie nach so vielen an- dern, an den Tag, welcher mich zu dem Ihrigen macht, die freudigsten Hoffnungen knüpfe, wenn ich von der Gemein- schaft mit so vielen hervorragenden Männern, — die mir, Einige, freundliche Berather, Andre, strenge Richter, Alle, leuchtende Vorbilder sein werden, — die mächtigsten Impulse erwarte, so sind dieses Hoffen und dieses Erwarten nicht eitle Luftgebilde wünschender Phantasie, sondern vollberechtigte Kinder nüch- ternster Erfahrung. Ist es doch nicht das erste Mal, dafs ich 324 Öffentliche Sitzung von dem kräftigenden Geiste eines regen akademischen Lebens angeweht werde! Die Gunst des Geschicks, für die ich nicht dankbar genug sein kann, führte mich frühzeitig in den Schools der grofsen wissenschaftllichen Corporationen des Landes, das mir eine zweite Heimath geworden war. Mein Eintritt in die Berli- ner Akademie der Wissenschaften versetzt mich lebhaft ın den Kreis der Royal Society und der Chemical Society of London, mit denen ich so oft getagt. Darf ich nochmals die Vergangenheit als Spiegel für die Zukunft ansprechen, so lassen Sie mich für die Erfüllung der grolsen heute übernommenen Pflichten, — deren Umfang im Rückblick auf die niezuersetzen- den Verluste der Akademie fast bewältigend erscheint, — wenn auch nicht Bürgschaft, doch Anhalt in den Erfahrungen suchen, welche ich als langjähriges und thätiges Mitglied jener grolsen englischen Gesellschaften gesammelt habe. Lassen Sie mich in diesem feierlichen Augenblicke, bewegt und in dankbarer Erinne- rung, der nachsichtigen Aufnahme, der wohlwollenden Ermun- terung, des fördernden Rathes, der thatkräftigen Unterstützung, des stählenden Widerspruchs, und — ich darf es schon hinzufügen — auch des heilsamen, weil wohlgemeinten, Tadels gedenken, welche mir in jenen Kreisen geworden sind, — und gestatten Sie mir in dieser Erinnerung das Bild der Beziehungen zu suchen, unter denen Sie, hochgeehrte Herren, Ihrem neuen Collegen erlauben wollen, in Ihre Mitte zu treten. Hr. Kummer, Sekretar der physikalisch - mathematischen Klasse, erwiederte hierauf: i Das Bild der geschichtlichen Entwickelung der Chemie in der neusten Zeit, welches Sie, verehrter Herr College, vor uns aufgerollt haben, zeugt in erfreulicher Weise von dem regen geistigen Leben, welches in dieser Wissenschaft herrscht und mit jugendlicher Kraft sie vorwärts treibt. Es ist in der That die Kraft der Jugend, deren die Chemie sich jetzt noch in vol- lem Maafse erfreut; denn seit der Zeit, wo sie zuerst zu dem Range einer exakten Wissenschaft sich emporgearbeitet hat, ist noch nicht ein volles Jahrhundert verstrichen. Was sie seitdem vom 6. Juli 1865. 325 geleistet hat, verdient die vollste Anerkennung und hat sie auch in vorzüglichem Maafse gefunden, nicht allein wegen der tiefe- ren Erkenninifs der natürlichen Dinge, die sie vermittelt hat, sondern hauptsächlich auch wegen der praktischen Anwendun- gen, durch welche sie die Herrschaft des Menschen über die äulsere Natur erweitert, und zum Nutzen und Wohlstande der Völker wesentlich beigetragen hat. Unsere Akademie hat zu ihrer ersten und höchsten Auf- gabe die Wissenschaft als solche, also die Erkenntnils der Wahrheit; aber indem sie diesem höchsten Interesse des Gei- stes ihre Dienste widmet, achtet sie auch den mehr äufserlichen Nutzen, welcher aus der Verwerthung wissenschaftlicher Resul- tate im praktischen Leben hervorgeht keineswegs gering. In Ihnen, verehrter Herr College, hat unsere Akademie schon vor einer Reihe von Jahren den hervorragenden Mann der Wissen- schaft zu schätzen gewulst, und hat durch die im Jahre 1853 erfolgte Wahl zum correspondirenden Mitgliede Ihnen ihre Hochschätzung bezeigen wollen. Wenn aus Ihren wissenschaft- lichen Untersuchungen seitdem ein neuer und blühender Zweig ‘der Industrie sich entwickelt hat, wenn die Anilin- Farbstoffe, deren wahre Natur und Beschaffenheit Sie zuerst ergründet haben, jetzt über die ganze Welt verbreitet sind und für Eu- ropa in seinem Verkehr mit den anderen Welttheilen einen sehr einträglichen Handelsartikel bilden: so freuen wir uns in vol- lem Maalse über diesen Triumph der Wissenschaft, welcher dazu dient die Achtung vor derselben zu heben und in den weite- sten Kreisen zu verbreiten. In einer Wissenschaft, welche so bedeutende äufsere Er- folge aufzuweisen hat, liegt für den tüchtigen Mann, der in derselben arbeitet die Versuchung nahe, dals er von der Ver- folgung der höchsten wissenschaftlichen Zwecke abgezogen, und bewogen. werden möchte seine T'hätigkeit mehr dem praktischen Nutzen, als der theoretischen Erforschung der Wahrheit zuzu- wenden. Sie aber, verehrter Herr College, haben selbst bei den glänzendsten äulseren Erfolgen, die Ihnen zugefallen sind ohne dafs Sie dieselben angestrebt hätten, nicht aufgehört die Wissenschaft um ihrer selbst willen zu pflegen und zu fördern; der Beifall und die Hochachtung der wissenschaftlichen Männer, 326 Öffentliche Sitzung dessen Sie sich in vorzüglichem Maalse zu erfreuen haben, hat Ihnen stets mehr gegolten, als der ausgebreitete Ruhm der Ihnen auch von Seiten des grölseren Publikums zu Theil geworden ist; Sie haben durch Ihre Rückkehr in Ihr Vaterland gezeigt, dafs Sie äulsere Vortheile gering achten, wo es sich um hö- here geistige Interessen handelt. Die Akademie, in deren Namen ich Sie als ordentliches Mitglied hier öffentlich begrüfse, ist hoch erfreut einen solchen Mann für sich gewonnen zu haben, und die Stelle Eilhardt Mitscherlichs, als dessen Nachfolger Sie erwählt sind, in so würdiger Weise wieder besetzt zu sehen. Hierauf wurden folgende Preisaufgaben bekannt gemacht: Am 3. Juli 1862 war als Preisaufgabe gestellt worden: „Die Geschichte der neueren Zeiten unterscheidet sich von der des Alterthums hinsichtlich ihrer Grundlagen zu ihrem wesent- lichen Vortheile. Die Griechen, die Römer und die übrigen Völker der früheren Jahrtausende haben so gut als die neueren - Culturvölker unter ihren schriftlichen Aufzeichnungen, welche den mannigfaltigen Geschäftsverkehr ihres Lebens vermittelten, Urkunden besessen; aber diese Urkunden sind nur in geringer Anzahl auf uns gekommen und sie bieten daher für die antike Geschichtsforschung ein Hilfsmittel von verhältnissmässig be- schränkter Bedeutung. Die Staaten der späteren Zeit hingegen haben von ihrer Entstehung an eine so grosse Masse von Ur- kunden aufgesammelt und grossentheils bis auf unsere Tage er- halten, dass sie nebst den gleichzeitigen Geschichtschreibern und den anderen schriftlichen Denkmälern, den Gesetzen, den Briefen und den Werken der Litteratur, mit Recht als die feste Grund- lage der Geschichtsforschung angesehen werden. Um den um- fangreichen in ihnen enthaltenen Stoff zu übersehen bedurfte es kurzgefasster und nach der Zeitfolge geordneter Auszüge, soge- nannter Regesten, auf deren Ausarbeitung in unserem Jahrhun- derte grosser und erfolgreicher Fleiss gewendet worden ist. In Deutschland und für die deutsche Geschichte, welche das Leben eines durch einheitliche Reichsgewalt während eines Jahrtausends ! vom 6. Juli 1865. 927 verbundenen Volkes zur Aufgabe hat, waren das erste Bedürf- niss die Regesten der Könige und Kaiser. Ihnen schlossen sich die Regesten der einzelnen grossen Reichslande, der geistlichen und weltlichen Fürsten und Landschaften an. Es ist allgemein anerkannt, welche Verdienste sich zuerst Böhmer und Chmel durch ihre Regesten der deutschen Könige und Kaiser von Pippin bis Maximilian 1 und durch verwandte Arbeiten erworben haben. War durch sie die Aufgabe gelöst einen Schatz von ungefähr fünfundzwanzig tausend von deutschen Königen und Kaisern aus- gestellten Urkunden in chronologischer Übersicht festzustellen und der allgemeinen Benutzung der Forscher zugänglich zu ma- chen, so sollte dann auch ein anderes fühlbares Bedürfniss be- friedigt werden als vor elf Jahren in Berlin Jaffe’s Regesta pontificum Romanorum ans Licht traten. Die Geschichte der Päpste greift so tief in die Geschichte nicht nur des deutschen, sondern aller christlichen Völker und Staaten ein, dass diese ohne sie an wesentlicher Unvollständigkeit leiden würde. Jaffe’s Werk ist von den ältesten Zeiten bis auf Innocenz ııı und das Jahr 1198 geführt. Es bricht bei dem Zeitpunkte ab, mit dem das Jahrhundert der grössten Höhe des Papstthumes beginnt. Es ıst der Wunsch der Akademie, dass dieser Zeitraum, von der Wahl Innocenz des III bis zum Tode Benedicts des XI im Jahre 1304, nach welchem das avignonsche Exil der Päpste ein- tritt, in ähnlicher Weise behandelt werde. Die Akademie stellt hiernach als Preisaufgabe die Bearbeitung der Regesten der Päpste von Innocenz ıı bis mit Benedict XI. Es wird dabei verlangt, dass diese Regesten aus sämmtlichen zugänglichen gedruckten Quellen in derselben Weise gewonnen werden, wie dies für die vorhergehende Zeit durch Jaffe’s Re- gesta pontificum Romanorum geschehen ist. Als eine besonders dankenswerthe Vervollständigung würde die Akademie die Be- nutzung ungedruckter Quellen ansehen. Bei jedem Papste ist eine kurze Nachricht über seinen früheren Lebenslauf vorauszu- schicken. Die Arbeit kann in deutscher, lateinischer, französischer oder italiänischer Sprache abgefasst werden.” 328 Öffentliche Sitzung Es ist keine Bearbeitung dieser Aufgabe eingegangen. We- gen der Wichtigkeit des Gegenstandes wird jetzt dieselbe Preis- aufgabe mit verdoppeltem Preise wiederholt. Die ausschliessende Frist für die Einsendung der dieser Auf- gabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1868. Jede Bewer- bungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äussern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Ver- fassers enthält zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 200 Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizi- schen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1868. 1. Aus dem vom Herrn von Miloszewsky gestifteten Legate für philosophische Preisfragen wird die folgende neue Preisaufgabe gestellt. Die letzte philosophische Preisfrage der Akademie fasste eine Sammlung der aristotelischen Fragmente ins Auge und hatte einen erwünschten Erfolg. Indem die Akademie in dieser Rich- tung weiter geht, schlägt sie gegenwärtig eine Sammlung der Bruchstücke der nächsten auf Aristoteles folgenden Peripatetiker vor. In neuerer Zeit haben sich Männer, wie Brandis, Zeller, Prantl u. a. um die gelehrte und philosophische Kenntniss der Lehren derselben verdient gemacht; aber eine vollständige Samm- lung der aus ihren Schriften im Alterthum und namentlich bei den Commentatoren des Aristoteles zerstreuten Fragmente ist noch nicht vorhanden. Die Akademie stellt hiernach als Preisaufgabe, die zerstreuten Bruchstücke aus den verlorenen Schrif- ten des Theophrast, Eudemus, Aristoxenus, Phanias, Dikaearch, Heraklides, Klearch, Demetrius Phalereus, Strato und etwa der noch gleichzeitigen Peripatetiker zu sammeln, kritisch zu behandeln, mit den entsprechen- den Stellen des Aristoteles zu vergleichen und darnach das Verhältniss der Lehre dieser Aristoteliker zum Aristo- teles selbst zu bestimmen. Der Schrift ist ein doppeltes Register beizufügen, wovon das eine die Schriften und Stellen, aus welchen die Bruchstücke entnommen sind, genau aufführt, das andere die wichtigern Wör- vom 6. Juli 1865. 329 ter und Gegenstände derselben alphabetisch verzeichnet. Die Ar- beit kann nach Wahl der Bewerber in deutscher, lateinischer oder französischer Sprache geschrieben werden. Die ausschliessende Frist für die Einsendung der dieser Auf- gabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1868. Jede Bewer- bungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äusseren des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Ver- fassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 100 Ducaten geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibnizi- schen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1868. Zum Beschlusse der Sitzung trug Hr. Rammelsberg eine Gedächtnilsrede auf Heinrich Rose vor. 10. Juli. Sitzung der philosophisch -histo- rischen Klasse. Hr. Olshausen las über das Vocalsystem der he- bräischen Sprache nach der sogenannten assyri- schen Punctation. Den Vocalzeichen der gewöhnlichen Punctation stehn in der sogenannten assyrischen Zeichen von gleicher Zahl gegenüber, aber die Zeichen beider Systeme decken sich nicht ganz. Aulser- dem modificirt das assyrische System die meisten seiner Vocal- zeichen in verschiedener Weise. Es verbindet sie mit dem Zei- chen der Vocallosigkeit um die Kürze der Aussprache anzudeuten ; nicht allein in den Fällen wo auch das altbekannte System einen U Theil seiner Vocalzeichen mit dem S’wä combinirt, nemlich wenn der Vocal so kurz’ gesprochen wird, dals er gar nicht mehr zur Sylbenbildung geeignet erscheint, sondern auch in solchen Fäl- len, wo der kurze Vocal allein die Sylbenbildung möglich macht. Das Zeichen der Vocallosigkeit besteht aus einer Horizontal- linie über dem Consonantzeichen, das mit keinem Vocal versehen [1865.] 26 330 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse ist; bei der Verbindung mit einem Vocalzeichen wird letzteres über diese Linie gesetzt. Nun giebt es aber noch eine zweite Modification zur Be- zeichnung kurzer Vocale, und zwar ausschliefslich vor Däges forte; ın diesem Falle wird eine Horizontallinie, die dann kaum für ein S’wä gelten kann, über das Vocalzeichen gesetzt. Diese Unterscheidung kurzer Vocale für einen einzelnen Fall ist bemerkenswerth; wir sind nicht daran gewöhnt, einen Unter- schied in der Aussprache des Vocals zu beachten z. B. in der er- sten Silbe von 75% und von mon, und doch lälst sich nicht leugnen, dafs dieses Schriftsystem einen solchen Unterschied an- erkennt. Stellen wir nun die einzelnen Zeichen beider Systeme ein- ander gegenüber um ihr gegenseitiges Verhältnils zu bestimmen und soviel als möglich das Lautsystem zu erkennen, welches die assyrische Punctation darstellt. Wir beginnen mit den dunkeln Vocalen, deren Verhältnisse sich am leichtesten übersehen lassen. Für das u sind, wie in dem alten Systeme, zwei Zeichen von gleichem Werthe in Gebrauch, die man unbedenklich S’üreq und Qibbüg nennen mag. Jenes steht im 1, wo der v-Laut durch dieses in der Consonantschrift bezeichnet ist, auch bei der Bin- departikel 7, deren Vocal kurz ist. Oibbüc steht für z ohne 1, in Verbindung mit dem unteren Striche aber für z (ohne ") und mit dem oberen für u vor Däges forte; und dies sogar, wenn vorhanden ist, wie in una) Ez. 16, 4. Dem "Hölem entspricht ein Zeichen, das keine Modification zuläfst; die Combination mit dem S’wä wird zur Bezeichnung des o nicht angewendet; 6 vor Däges forte kommt in den be- kannt gewordenen Texten nicht vor. Das ö ist, wie in der gewöhnlichen Punctation, mit dem langen @ von dunkler Aussprache (= &) zu einem Zeichen ver- einigt, das Qämeg genannt werden darf. In dem alten Systeme ist diese Vereinigung insofern nicht ganz passend, als & und 6 ihm zufolge keine innere Verwandtschaft mit einander haben und niemals in einander übergehn. Die Vereinigung beider zu einem Zeichen ist somit eine blols äufserliche, auf äufserer Annäherung vom 10. Juli 1865. 331 zwischen zwei nicht verwandten Lauten beruhende. In dem as- syrischen Piystem ist das Verhältnis nicht ganz dasselbe. Das 5 erhält hier Qämeg mit S’wä und entspricht sowohl dem “Hätef- Qämec, als dem Qämeg-hätüf. Es steht also gleich- mälsig in 53 vor Maqgef, in 1077, und in HamN , hier für Hä- tef-Q. Vor Däges forte tritt natürlich der Oberstrich ein. Das lange Qämeg bleibt ohne Strich, selbst vor Däges forte, wie in 772% Deut. 12, 5. 6. Ebenso ist (nach Pinsker) Ez. 26, 12. 72) geschrieben, das Qämeg also lang gesprochen. Das lange Qämeg tritt nun in einem besonderen Falle als Verlängerung des o auf, nemlich wo dieses nach dem alten Sy- steme vor ‘Hätef-Q. steht, wie in >>7S, oder vor einem aus "Hä- tef- Q: entstandenen 6, wie in 1225 Hier sprach man also statt des ö, das ein Äquivalent von ö ist, einen dunkeln langen Laut, der aus dem a hervorgegangen ist. Nach dem Lautsystem der alten Punctation wäre dies ganz unzulässig; es mufste nach die- sem das o in 'Hölem übergehn, sobald eine Verlängerung eintrat. Dies zeigen Beispiele wie 1>y5 "NM, denen auch DR und TIMN an die Seite gestellt. werden können. — Ein ähnlicher Fall von Verlängerung des kurzen Qämeg in langes ist auch "=? Ez. 26, 9. i Dals sich das lange und das kurze Qämeg in dem assyrischen Systeme näher stehn, als in dem gewöhnlichen, zeigt sich auch in einem anderen merkwürdigen Falle, wo aus dem langen ein kurzes Qämeg wird, nemlich Deut. 12, 5., wo die Worte TAU-TNZ" durch Maqgef und Däges en mit einander verbunden sind und das schlielsende Qämeg des vorderen Wortes mit dem Ober- strich versehen ist, was bei langem Vocal nicht zulässig wäre. Man sprach also o. Vielleicht sprach man auch da, wo die andre Punctation galt, einen kurzen Vocal, aber sicher nicht 0, son- dern a. Dafs langes Qämeg je für @ gebraucht sei, ist unglaublich und die Punctation mit Qämeg in ma» Hab. 2,19. darf als Schreibfehler angesehen werden. Gehn wir zu den hellen Vocalen am entgegengesetzten Ende der Vocalleiter über, so begegnet uns zuerst das i, dessen Zei- chen wir Hireq nennen wollen, wie es auch mit diesem in der 26° 332 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Gestalt übereinstimmt. Schlechthin bezeichnet der Punct das lange i; er wird, wo ” in der Consonantreihe den Laut andeu- tet, über dieses gesetzt, sonst über das vorhergehende Consonant- zeichen. In gewissen Fällen wird : auch da verwendet, wo nach dem alten Systeme »’ gelesen wird, und zwar 1) vor Däges forte im- plicitum, wie in uns; 2) in Formen wie mm man, die sonst mit Matheg geschrieben werden; 3) in der Partikel EN ohne nachfolgendes Maqgef, Hab. 3, 8. Anderswo freilich, Deut. 12, 5., ist in gleichem Falle das :' verwendet, dort aber Maggef wohl nur vergessen, das unsre Ausgaben haben. Das :’ ist durch den unteren Strich kenntlich gemacht, na- mentlich auch in der eben erwähnten Partikel DON vor Magqgef, Hab. 3, 8. (das zweite Mal), und natürlich in Formen wie 2723 en Drau. dgl. m. Nicht selten steht :’ als der ursprüngliche oder doch ältere Laut da, wo das alte System das stellvertretende e zeigt; so in Pan wie an und "ar Hab. 1, 16., 797, A229, aid Jer. 1, 2. 3. u. 0 Kr Hab. 1,3.; in ee wie Ta FEIN u. s. w.; in der Partikel EN vor Magqgef. Vor Däges forte tritt der Oberstrich ein: MIR 2 Reg. 4, 43., BIa-PER Jes. 44, 93. Einige Male steht » offenbar fehlerhaft, namentlich auch in "Win Mal. 3, 22., dessen weiterhin gedacht werden wird, und in 2a 2 Reg. 4, 42,, wo indessen die Punctation nicht unzwei- felhaft ist. Das Geri, auch hier durch zwei Puncte neben einander be- zeichnet, tritt, wo ” in der Consonantreihe steht, über diesen Buchstaben. Das € verhält sich zwar naturgemäls zu den umge- benden Lauten @ und i wesentlich ebenso, wie das 6 zu @ und u; doch ist die Behandlung beider in dem neuen Systeme keine gleichmäfsige und minder correct, als in dem alten. Nach jenem tritt es für e’ vor "Hätef- IR ein, wie in PT a er NT NE EA Ber Man ee aleo Sollng Zweifel: be’ hs, u. Ss. w., > ähnlich wie in den bekannten Formen | moyn, m297. Bei den dunkeln Vocalen wurde in dem analogen Falle nicht Hölem, sondern min- der naturgemäls Qämeg gesprochen. vom 10. Juli 1865. 333 Neben das lange Ce£ri tritt ferner auffallender Weise ein kurzes, mit dem Unterstrich versehenes, während es ein kurzes “Hölem nicht giebt. Das kurze Ceri entspricht theils dem Hätef- S’'göl, wie in TIER, DORT, "msanz, MaNT Jes. 39, 8.; theils in manchen Fällen dem kurzen S’göl der alten Punctation. So in MTAIN Hab. 2, 1. und MIIDIN 3, 18., wo der folgende Kehllaut das e’ statt des in Formen dieser ke sonst üblichen :' veranlafst haben wird; ähnlich in Y7=r7? Ez. 26, 18. Ferner in r22aN Hos. 11, 8, Aa TR Hab. 2,1.; in MN vor Magqgef, in EAAN, auch in Bid Hab. 3, 19., wo vielleicht das nachfol- gende 5 von Einfluls war. Beispiele mit dem Oberstrich vor Däges forte finden sich Jer. 1, 5. 7&0, Hos. 10, 10. DAON). Zur Bezeichnung des langen € kann natürlich die Form mit einem Striche nicht dienen; bei MN ohne Maggef, Deut. 14, 7., ist das Maggef nur aus Versehen weggelassen. — Ebensowenig steht das lange Geri für das kurze, und "X Hab. 3, 9. ist eine ganz andre Lesart für unser gewöhnliches Sak. Bis hieher war das Verständnis der neuen Punctation nicht grade schwierig und die Abweichungen von der alten, die zum Theil eine geringere Berücksichtigung des Entwicklungsganges der Sprache zeigten, waren doch erklärlicb. Schwieriger wird die Sache von nun an, da wir neben der eben betrachteten Be- zeichnung des e noch eine zweite finden, die zugleich gewisse kurze A-Laute der alten Punctation befalst, während ein andrer Theil der kurzen A-Laute sich mit dem langen S’göl der alten Punctation zu einem andern Zeichen vereinigt. Die schöne gleich- mälsige Gestaltung der ganzen Vocalleiter, die in dem alten Sy- steme vorliegt, wird durch diese Abweichungen schwer gestört. Die reinen kurzen A-Laute der alten Punctation müssen nach der Aussprache, die der neuen zum Grunde liegt, so verschieden ge- lautet haben, dals man zwei ganz verschiedne Zeichen dafür verwen- den mulste, deren eines auch für das €’, das andre für das a des alten Systems palste. Unter diesen Umständen ist es mifslich, die Namen Pathah und S’göl auf diese zwei Zeichen zu über- tragen. 334 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Betrachten wir zunächst die Verwendung derselben im Ein- zelnen. Das eine zeigt sich als das gewichtigere, das andre als das flüchtigere. Jenes vertritt überall das lange S’göl der alten Punctation; so in den sogenannten Segolatformen mit ursprüng- lichem 2, wie MS "> Bi) (Pausalform) u. s. w.; in nn Deri- vaten der 75, wie SE mu Maya, oder wie mr 17 Tmipym1 und 2292 Hab. 2, 11, in Pierltosnen wie po: -o u. ai ; in Pausalformen wie U22 7937 u. s. w.; in dem Demonstrativum 1 und 7777; in den Praepositionen mit Suffx TEN und 12; in dem Worte re) Hab. 3, 3. u. ö. Auch "an Hab. 1, 7. 13. und 27727 3, 16. gehören Ser, in welchen Formen eine Ver- doppelung des 5 hinter dem @ hier nicht Statt findet. Ebenso durchweg in geschlossener Sylbe, was eine unver- ächtliche Stütze für die Ansicht von der Entstehung dieses a aus a abgiebt. Beispiele: WN (ohne nachfolgendes Maggef), ERS, und daher auch die Pronominalsuffixe Da” und E77; desgleichen Verbalformen wie Eamatn Deut. 12, gi ‚EnT3y 12, 3., so lange dieselben nicht den Ton verlieren. Endlich in Bildungen wie 5232 Jes. 39, 1. u. ö., Eig= Jer. 1, 18., und so ist ohne Zwei- Felläueh Sans 2 Reg. A, 42. zu kekreibfen Nun aber vertritt dasselbe Zeichen auch das & in folgenden Fällen. Erstlich durchweg in betonter Sylbe, sei sie eine offene, wie in 7 Ay Des nn >ym Hab. 1, 17., oder eine ge- schlossene, wie in van Pain por mai» my »mymd, oder in >, y nn, in Tan Inhras, in [77 u. s. w. Dann unter gewissen Bedingungen auch in unbetonter Sylbe, nemlich vor Däges’ forte implicitum , wie in DAN Sina u. dgl., auch vor füsßefällellenn Däges’ forte constant in 4, wo wir Mätheg anwenden; ferner vor jedem "Hätef- Pathah‘; may WANN INT; auch wo das “Hätef- Pathah mit N als seinem Te ger ausfiel, wie in ma m u. s. w., oder wo a als Hülfs- vocal an die Stelle des S’wä compositum trat, wie in MEON Hab. 1, 15. Hiernach ist es schwer zu sagen, ob wir es bei diesem Zei- chen mit einem reinen kurzen a zu ihun haben, oder mit einem verlängerten a, das sich dem E-Laute näherte, also etwa mit dem @&. Doch möchte die Auffassung als a, das an sich fähig vom 10. Juli 1865. 335 ist den Ton aufzunehmen, die wahrscheinlichere sein, da die Aussprache als @ für Beispiele wie jr >71 79 u. dgl. m. doch gar zu unnatürlich erscheint. Für dieselbe Auffassung spricht auch der Umstand, dafs die- ses Zeichen, wie andere kurze Vocale, vor Däges forte den Ober- strich annimmt, z. B. in nöram Hab. 1, 1. zweimal, in 757 Pan ebenda, und so durchweg, auch bei Däges conjunctivum, wie in aan Hab. 2, 1. zweimal. In 0>227 Mal. 3, 23. ist das Däges nur aus Versehen weggeblieben und in ns Jer. 1, 9. der Öberstrich vergessen. — Einmal steht das Zeichen mit dei Stri- che auch, wo wir S’göl lesen, in "pn" Hab. 2, 18., was nicht auffallen kann. Das zweite Zeichen, welches einen flüüchtigeren Laut dar- stellt, steht regelmälsig für & in unbetonter geschlossener a. wie in aan Hab. 1, 4., 2° 10a 1, 6., arel®) 1, 12. u. s. w. namentlich vor Möuuek, n wo ohne solches das gewichtigere « stehn würde: "am Hab. 2, 8., "m3u 2,9., ">y 1,4. u.ö, = TEN .rslw.; und ebenso wo etwa der Ton zurückgezogen wurde: 79 3, 11., >Sm1 1 Reg. 18, 38., 5ym Hab. 1, 17. Aber auch in unbetonter offener Sylbe wird dasselbe Zeichen gebraucht, mit Ausnahme der angeführten Fälle, in denen das gewichtigere a eintritt. Also vor S’wä mobile simplex, wie in > Hab. 3, 6., 522% Jer. 1, 18., 23922 Deut. 12, 6., 7272 12, 7. u. gen m.; "namentlich Sei wo Däges forte aupelfen ist, wie in 77091 Hab. 3, 6., + yale 3, 19. Hier macht nur das oben amBetährte, mit Mätheg versehene 7° eine Ausnahme. Insbesondre dient das Zeichen für a als Hülfvocal), in ge- schlossener und in offener Sylbe: 2373 Hab. 3, 12., rer) 1,4% yur> 3, 13., =y5 4, 5., und in EOS» 1, 15. Endlich wird es beständig für das "Hätef- Pathah gebraucht, wie in sArı> maymN u. s. w., wornach dann in Dii-amzanı Deut. 12, 7. N und = dasselbe Zeichen haben , dagegen das schwerere & zeigt. Unter wesentlich gleichen Bedingungen entspricht nun das- selbe Zeichen auch dem e des alten Systems; also zuvörderst in tonloser geschlossener Sylbe, wie in Sarana Hab. 1, 6.; vor Maggef in SU-ansan), wo also nun dena hinter einander 336 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse dasselbe Zeichen steht. Ebenso in "WR Deut. 12, 9. 14, 9. u. s. w. Auch bei Zurhekziehung des Accents steht es: aN?ı Hab. 2, 2. u. ö., und in 72 3, 9. — Sodann in tonloser offner Sylbe, wie in 237% Deut. 12, 6. 7., und in der Sylbe hinter dem Tone: TEN 1 Reg. 18, 36., woneben > EN. mit dem schwe- reren a Hab. g, "6. als fehlerhaft nr In diesen Fällen ist fast überall das e des alten Systems in der That aus @ abgeschwächt, weshalb hier die Vereinigung des Lautes mit dem flüchtigsten @ gerechtfertigt erscheint. Aufser- dem aber tritt dieses noch regelmälsig da auf, wo wir e als Hülfsvocal hinter der Tonsylbe zu lesen gewohnt sind, wie in den zahlreichen sogenannten Segolatformen FAN FIN Ban, 7a MON na u. Ss. w., WO allerding: von einem ursprünglichen A-Laute nicht wohl die Rede sein kann. Für Hätef-S’göl kommt das Zeichen nicht vor und die Aus- nahme in dem Worte Dan 1 Reg. 18, 37. kann nur auf einem Versehen beruhen. Nach diesem ist es auch für dieses Zeichen schwer die Aus- sprache mit Sicherheit zu bestimmen, ja noch schwerer, als für das vorhergehende. Die Durchführung der Aussprache als & würde für uns ebensoviel Befremdliches haben, als die der Aus- sprache als a, und überdies haben wir ja ebensowohl schon ein andres e, als ein andres, nur etwas gewichtigeres a. Alles zusammengenommen, kann es nicht zweifelhaft sein, dals unser altbekanntes Vocalisationssystem ungleich klarer und consequenter ist, als das neue, dafs es auch eine Aussprache dar- stellt, die noch wesentlich auf einer richtigen Erkenninils der sprachlichen Bildungsgesetze beruht, während das neue System in dieser Hinsicht mehr zu wünschen übrig läfst, sonst aber die wirkliche Aussprache mit Glück zu fixiren sucht, wie nament- lich durch ausdrückliche Unterscheidung der kurzen Vocale von den langen. So wenig über die Zeit als über den Ort der Ausbildung dieses Systems läfst sich, nach dem was bis jetzt vorliegt, ein sicheres Urtheil fällen. Innere Gründe für die Entscheidung über diese Fragen liegen nicht vor, da man nicht übersehen darf, dafs die Aussprache nicht an allen Orten gleichzeitig dieselben vom 10. Juli 1865. 337 Veränderungen erlitten zu haben braucht. Äulsere Gründe machen indessen die Entstehung des Systems in den babyloni- schen Schulen nicht unwahrscheinlich. 13. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weber las: Über die Kastenverhältnisse in den Bragmana und Sutra. Hr. Dove theilte folgende Beobachtungen des Hrn. Pro- fessor Spoerer in Anclam über die Sonnenflecken mit. Die von verschiedenen Beobachtern angestellten Versuche, die Rotationselemente der Sonne aus Beobachtungen der Flecken herzuleiten, hatten zu so abweichenden Resultaten geführt, dafs die Ansicht herrschend geworden war, man müsse eine sehr grolse Anzahl der Flecken beobachten; diejenigen Rotations- elemente, welche sich alsdann den sämmtlichen Örtern am näch- sten anschlössen, hätten die grölste Wahrscheinlichkeit. Dieser Ansicht folgend begann ich im Dezember 1860 eine Beobach- tungsreihe, fand aber bald, dafs die aus den einzelnen Flecken gewonnenen Resultate nicht zu einem Mittel vereinigt werden könnten, indem die dem Äquator näheren Flecke eine erheblich kleinere Rotationszeit lieferten, als die in entfernteren Breiten befindlichen. Erst nach Mittheilung meiner ersten Beobach- tungsreihe bekam ıch Kenntnils von den bedeutenden Arbeiten Carrington’s, welche ihrem Abschluls nahe waren. Car- rington hatte kurze Zeit vorher in den Monthly notices eine vorläufige Tabelle für die von der heliographischen Breite ab- hängige Ortsveränderung der Flecken mitgetheilt. Sein Haupt- werk (Observations of the spots on the sun. London 1863) giebt für den Zeitraum von 1853 Nov. 9 bis 1861 März 24 für den täglichen Rotationswinkel (in Graden) die Formel: ı E = 14,417 — 2,75. sin ° 5, 338 Gesammtsitzung wo die heliographische Breite 5 auch für die südliche Halb- kugel positiv zu nehmen ist. Darauf hat C. H. F. Peters (Director of the observatory of Hamilton College, Clinton) eine Formel bekannt gemacht in den Astronomical notices, Ann Arbor, March 1862, welche aus seinen in Neapel aus den Jahren 1845 und 1846 angestellten Beobachtungen entwickelt ist. E = 8,852 + 5,912. cos 5 Meinen Beobachtungen aus den Jahren 1861. 1862. 1863. 1864 schliefst sich folgende Formel hinreichend an: E = 14,8726 — 0,217 . yb; wo für die heliographische Breite 5 die absolute Anzahl der Grade zu setzen ist. Letztere Formel werde ich aber unten durch eine andere ersetzen, bei welcher die obigen Formeln gemeinsame Unwahrscheinlichkeit fortfällt, dafs die & bis zum Pole hin abnehmen. Für die & der ausgewählten Flecken des Jahres 1861 habe ich die Mittelwerthe in den Astronomischen Nachrichten No. 1347 bekannt gemacht, dabei die nördliche und südliche Halbkugel trennend. Man wird zunächst davon absehen müssen, die bei- den zu trennen, da eine Verschiedenheit zu wenig hervortritt und erst noch andere unten zu erwähnende Verhältnisse von überwiegendem Einfluls festzustellen sind. Bei der Vereinigung der Mittelwerthe beider Halbkugeln sind einige dominirende Gewichte beträchtlich ermäfsigt worden. Für die andern Jahre sind noch keine Mittelwerthe be- kannt gemacht. Es folgen hier die Tabellen für 1862. 1863. 1864, in welchen angegeben ist: die No. der Flecken, die helio- graphische Breite 5 in Graden, die Rotationswinkel & in Gra- den, die Anzahl n der beobachteten Örter, die Anzahl z der Tage zwischen dem ersten und letzten beobachteten Orte. — Wie durch Klammern bezeichnet isi, hat die Vereinigung zu Mittelwerthen stattgefunden, wobei (n— 2).t als Gewichtsfac- tor angewendet ist. Dieser Factor schlielst alle Flecke aus, von denen nur zwei Örter beobachtet werden konnten. 7. 16 47 23. 32. 43 97. 107 117. 125 31. 42 45 95 100 93 27. 49. 60 50. 141 15 56. 75 152 vom 13. Juli 1865. E un) 14,2168 13,8765 14,2433 14,0814 14,0770 14,0645 14,1081 14,1571 13,8990 14,3608 14,0835 14,2152 14,2998 14,2934 14.2504 14,3386 14,9479 $> =» 8 m aspaanoasaunüre. ro > to: =$ 339 340 1. | | RR Re | 121. 130 45. se 74 os‘ ir 124 100 . 59. 72 147 96 39 Gesammtsitzung b & sen Tu en ut +.22,0 13,7507 — 18,7 13,8665 — 16,5 13,9003 +155 13,8411 +1533 14,1917 + 13,3 14,1117 — 12,9 14,1540 — 11;55 14,1576 + 10,55 14,6303 + 10,0 14,2154 - 100 14,1418 9,8 14,1891 + + 863 14,1812 8,25 14,2107 — 81 14,3179 + 7,7 14,3473 247,6 14.2820 14,2025 14,3565 Ba) 14,3020 + 2,8 14,4808 + 1,1 14,6547 fa B> > ap On nn SP OO ION GO PA KW nn N a m & > a WW - aaBnnmosnNeonsnannonanumf” 31 II. { | use. TR: 44. 70 E- “ jr RR a i 32 60 vom 13. Juli 1865. Iry+iN Co erden enuen ea Core pre eo ee $» D 3] [S=} & DADOo TOO NOSOaAaD pr a mw D&D 341 342 Gesammtsitzung IV. Mittelwerthe für die einzelnen Jahre 1861 1862 1863 1864 b £ b & b & b £ 30,36 13,7318 24,63 13,7827 20,93 13,9855 22,00 13,7507 18,07 13,8966 18,7 13,8665 16,26 13,9377 16,5 13,9003 15,4 13,9698 15,1 14,0221 } 14,07 14,0508 14,89 14,0800 14,49 14,0057 13,05 14,1000 } 12,21 14,1215 12,24 14,1605 11,36 14,2112 9,84 14,1897 9,03 14,2128 9,53 14,2867 8,94 14,2142 7,68 14,2960 6,85 14,2775 7,60 14,331 6,02 14,3343 4,79 14,3352 5,09 14,3551 4,58 14,3434 5,77 14,3427 1,55 14,6692 2,8 14,4808 1,41 14,564 1,1. 14,6547 0,7 14,730 Die zu dieser Untersuchung geeigneten Flecken sind be- stimmt im Jahre 1861 durch 193 Örter, im Jahre 1862 durch 145 Örter, im Jahre 1863 durch 121 Örter, im Jahre 1864 durch 75 Örter. Die Abnahme der Auzahl der Örter hat hauptsächlich ihren Grund in der von Jahr zu Jahr verminderten Anzahl der Flecken; keineswegs darin, dafs mit geringerem Fleilse beobachtet wäre. Im Gegentbeil ist durch Steigerung der Beobachtungen eine grölsere Vollständigkeit erstrebt worden. Die für das Jahr 1864 durchgeführte Übersicht der heliographischen Lage der Flecken vom 13. Juli 1865. 343 kann als eine fast vollständige gelten, indem mir auch die Be- obachtungen des Prof. Heis in Münster, ferner einige Wiener Beobachtungen zur Berechnung übersandt waren. Eine gleiche Vollständigkeit der heliographischen Vertheilung der Flecken wird auch für das Jahr 1865 beabsichtigt. Durch diese Über- sichten bin ich in den Stand gesetzt worden, Fackelbezirke zu bezeichnen, d. h. besondere Stellen der Sonnenoberfläche, an denen in langen Zeiträumen intensive Fackeln mit und ohne Flecken beobachtet worden sind.‘ Dies wird später bei Vor- legung der betreffenden Karten spezieller erwähnt werden. Aus den obigen Tabellen kann man schon beiläufig ent- nehmen, dafs eine Abnahme der Flecken in den höheren Brei- ten seit 1861 stattgefunden hat, ferner dafs die Zonen, in wel- chen die meisten Flecken vorkommen, dem Äquator näher ge- rückt sind. Dies wird aber aus den Karten deutlicher bervor- treten. Diesen Karten wird ferner die Einrichtung gegeben werden, dals die Ortsveränderung der Flecken in Bezug auf die heliographische Breite zu ersehen sein wird. Durch Schwabe’s Zählungen der vorhandenen Gruppen haben wir erfahren, dals die grölste Anzahl der Flecken in den Jahren 1823 1837 1848 1860 die geringste Anzahl derselben 1833 1843 1856 vorhanden war. Die betreffende Periode hat Wolff durch Vergleichung älterer Beobachtungen auf etwa 11 Jahre ange- setzt. Wenn nun auch das Zählen der Gruppen diese That- sache festgestellt hat, so ist andrerseits selbstverständlich, dafs dies sehr bequeme Verfahren noch kein Material zur Erklärung der merkwürdigen Verhältnisse schaffen wird. Es werden of- fenbar mehrere Jahrzehnte hindurch die umfassendsten Messun- gen und Rechnungen erforderlich sein, wenn wir über diese Verhältnisse, deren Tragweite noch nicht zu ermessen ist, Auf- klärung erhalten wollen. Es ist nur ein kleiner Beitrag zum nöthigen Material, dals in zwei auf einander folgenden Perio- den ın den Jahren, welche dem Minimum vorangingen, näm- lich 1854 und 1855 von Carrington und jetzt von mir nachgewiesen ist, dals wie oben bemerkt ein Zusammendrän- gen der Fleckenzonen nach dem Äquator stattfand. Nach dem 344 Gesammtsitzung Minimum fand Carrington, dafs die Flecke nahe dem Äqua- tor selten waren und auf beiden Halbkugeln in hohen Breiten die Flecken zahlreicher wurden. Ob auch dies sich wiederho- len wird, ist abzuwarten. Man könnte nun wohl erwarten, dals eben jener Periode wegen für die Ortsveränderung der Flecke in den einzelnen Jahren eine Verschiedenheit hervortre- ten würde. Darum habe ich die Mittelwerthe der & für jedes der Jahre 1861 bis 1864 besonders hingestellt; man wird aber erkennen, dals für jetzt noch keine Folgerung in dem angege- benen Sinne gezogen werden darf. Die Vereinigung der obigen vier Columnen, welche ohne weitere Rücksicht auf die Gewichte durch einfache arithmeti- sche Mittel ausgeführt wurde, giebt zwölf Werthe für E, den verschiedenen heliographischen Breiten zugehörend. Zu diesen zwölf Werthen nehme ich hinzu für die Pole, also für = 90°, den Werth E=14,295, welchen ich als Rotationswinkel der Sonne angesetzt habe, und betrachte ihn als in gleicher Weise wie die andern durch Beobachtung hervorgegangen. Es mag ein Zufall sein, dafs dieser Werth bei der für die Curve ange- setzten Gleichung E=x-+y sin 5+z cos 5 vorzüglich gut palst, so dafs für die Summe der Fehlerquadrate von sehr ge- ringem Belang ist, ob jener Werth den zwölf andern hinzuge- fügt wird oder nicht. Hinzugefügt habe ich den Werth, weil ich die Annahme für wahrscheinlich hielt, und könnte aller- dings in der guten Übereinstimmung eine Bestätigung meiner Annahme finden. — Ich habe nunmehr zu erörtern, welchen Grund ich habe, gerade jenes &=14,295 als Rotationswinkel des Sonnenkörpers anzusehen, zumal bei der Abhängigkeit der E von der heliographischen Breite die Möglichkeit gar nicht mehr vorhanden zu sein scheint, um aus den Flecken die Ro- tationszeit der Sonne bestimmen zu können. Bei dem grölsten &, welches mir vorgekommen ist, würde die Rotationszeit der Sonne nur 24 Tage betragen, bei dem kleinsten würde sie 26 Tage beträchtlich übersteigen. Wollte man den grölsten Werth für & als dem Sonnenkörper zugehö- rig ansehen, so würde man für diejenigen Flecke, welche die kleinsten & liefern, Geschwindigkeiten von solchem Betrage er- halten, wie er jede Vorstellung übersteigt; ebenso umgekehrt vom 13. Juli 1865. 345 bei Annahme des kleinsten Werthes. Es scheint mir demnach schon durch die Wahrscheinlichkeit geboten zu sein, einen mittleren Werth für E als Rotationswinkel anzusetzen. Kä- men bei der Ortsveränderung der Flecken in Bezug auf die heliographische Breite übergrolse Geschwindigkeiten vor, so hätte man einen Grund gegen jene angegebene Wahrschein- lichkeit; da dies aber nicht des Fall ist, so wird die Wahr- scheinlichkeit, dafs auch in der Länge keine übergrolsen Ge- schwindigkeiten vorkommen, erheblich unterstützt. Welchen Mittelwerth man nun auch wählen mag, so erhält man einen Überschuls am Äquator, also Bewegung im Sinne der Rotation — Wesisturm, ferner ein Deficit in höheren Breiten, d. i. Be- wegung in einer der Rotation entgegengesetzten Richtung = Oststurm. Indem ich ausdrücklich erkläre, dafs mit jenen Wor- ten Weststurm und Oststurm nur in kürzerer Weise die Be- wegung im Sinne der Rotation oder in entgegengesetzter Rich- tung bezeichnet werden soll, habe ich einer späteren Erklärung der Erscheinungen noch nicht vorgegriffen. Der Mittelwerth E, welcher für die Sonne als Rotationswinkel anzusetzen ist, wird durch eine bisher ganz übersehene Bedingung näher be- stimmt. Werden für einen gedachten festen Punkt der Son- nenoberlläche heliocentrisch die Länge und Breite auf die Eklip- tik bezogen, so ändert sich bei der rotirenden Sonne mit der vom Widderpunkte aus gezählten heliocentrischen Länge zu- gleich auch die Breite, einfach wegen der schiefen Lage der Axe. Nach vollendeter Rotation der Sonne hat der gedachte feste Punkt bei gleicher Länge auch dieselbe Breite wie vor- her. Hätte sich jener gedachte Punkt während der Rotation in einem dem Sonnenäquator parallelen Kreise bewegt, im Sinne der Rotation oder entgegengesetzt, so würde weniger oder mehr als eine Rotation erforderlich sein, aber die Bedin- gung, dals bei wiederkehrender heliocentrischer Länge auch die- selbe heliocentrische Breite gehört, wie vorher, diese Bedin- ‚gung würde dennoch erfüllt werden. Findet sich also ein Fleck, ‚der in zwei Perioden beobachtet ist, und bei welchem mehrere Örter einer Periode mit mehreren der folgenden Periode in der Art correspondiren, dals aus dem Gange der heliocentri- schen Örter die Erfüllung jener Bedingung zu ersehen ist, so [1865.] 27 346 Gesammtsitzung mufs dieser Fleck die beiden Elemente 2 und ’ zuverlässig er- geben. Wenn aber aus einem solchen Fleck auch die Rota- tionszeit genommen wird, so bleibt allerdings noch die Mög- lichkeit, dafs die gefundene Zahl affıcirt ist durch Ortsverän- derung des Fleckens, welche in der einzigen ihm belassenen Richtung während eines langen Zeitraumes stattgefunden hätte. Dieser Möglichkeit tritt namentlich für schnellere Bewegung die Wahrscheinlichkeit entgegen, weil in längeren Zeiträumen in der Regel nicht blos Änderung der heliographischen Breite, sondern überhaupt Wechsel in der Richtung der Bewegung ge- funden wird. Die obige Bedingung wurde hinreichend erfüllt von einem Flecken 1861 No. 158 und 173 in der Breite + 12°. Derselbe ergab 2=74° 7, unsicher innerhalb der Grenzen # 1? 31’ i= 6° 55’, unsicher innerhalb der Grenzen # 0° 18’ Zur Berechnung der heliographischen Breite habe ich seitdem benutzt: Q=74° und i=7° Carrington hat am Schlusse einer längeren Untersuchung 2= 73° 40’ (für 1850) und i= 7° 15’ aufgestellt, dabei bemerkend, dals eine erhebliche Verbesserung dieser Werthe ohne einen Kostenaufwand von wenigstens fünf- tausend Pfund nicht zu erreichen sein dürfte. Aus dem erwähnten Fleck habe ich den Rotationswinkel der Sonne wie folgt erhalten. &= 14,29503, unsicher innerhalb der Grenzen # 0,00478 demnach ist die Rotationszeit: T=25% 4" 24”, unsicher innerhalb der Grenzen + 12”. Ein zweiter Fleck in der Breite — 4° wurde in drei Rotations- perioden 1863 Dec. 13 bis 1864 Febr. 1 beobachtet, für die beiden ersten Perioden die Bedingung erfüllend. Leider war mir hier die Witterung ungünstig; an einigen Tagen konnte ich die Zeit, wo gerade die Wolken von der Sonne durchbro- chen waren, meiner amtlichen Stellung wegen nicht zur Beob- vom 13. Jul 1865. 347 achtung benutzen. Demnach konnte von diesem Fleck die zur Anlage einer besonderen Rechnung erforderliche Anzahl der Örter nicht erhalten werden. Die mit Q=74° und i=7° be- rechneten Örter der beiden ersten Perioden stimmten fast völ- lig überein; ebenso zeigte sich keine Veranlassung & und 7 zu - ändern. Die zwölf Werthe für £& aus der Tabelle IV. mit der Hin- zufügung E= 14,295 für 5=90° werden nunmehr zusammen- gestellt. Bei. der Auflösung der dreizehn Gleichungen von der Form E=x=+y.sind-+-z. cos b nach der Methode der klein- sten Quadrate wurde den Zeilen 3 bis 9 doppeltes Gewicht beigelegt. — Die nach der unten stehenden Formel berechne- ten E und die verbleibenden Unterschiede sind beigefügt. £ aus den Be-| £ berechnet | obachtungen. |nach d. Formel) Unterschied. 1. 0° 54 11,692 14,580 — 0,112 2. 1° 55° 14,571 14,536 ig & 2 14,344 414,404 + 6 4. ey 14,310 14,325 + 5 5. 9° 20’ 14,226 14,236 + 10 6. 11° 56’ 44,198 14,142 as 7. 14° 7 14,059 14,066 N 8. 15° 49’ 13,958 14,017 + 5 9. 18° 23° 13,882 13,931 rag 10. 21° 18° 13,868 13,843 95 11. 24° 38° 13,783 13,762 9 12. 30° 22 13,731 13,639 7790 13. 90° 14,295 14,304 Ed Die Formel lautet: A. E = 16,8475 — 2,5433 . sin 6 — 2,2280 . cos 2 — 16,8475 — 3,3812 . sin (d + 41° 13). Danach folgt für den Äquator &o = 14,62 (14,62 — 14,295 = + 0,325; also Weststurm, stündlich 23 Meilen). Dre 348 Gesammtsilzung Der angenommene Rotationswinkel der Sonne £ = 14,295 wird erhalten bei der Breite 7? 48. Das kleinste & findet statt in der Breite 49° und beträgt 13,4665 — (13,4665 — 14,295 = — 0,8285; also Oststurm, stünd- lich 38 Meilen). Wird bei Auflösung der dreizehn Gleichungen sämmtlichen Werthen gleiches Gewicht beigelegt, so wird erhalten B. E = 16,8492 — 2,5462 . sin d — 3,2170 . cos = 16,3492 — 3,3762 . sin (b +41° 3°). Für den Äquator folgt dann 14,63, für das Minimum 13,473. Die Breite, bei welcher E= 14,293 erhalten wird, ist hier 8° 7’. Für den Pol giebt diese Formel 14,303. Die erste dieser beiden Formeln werde ich mit Carring- ton’s Beobachtungen vergleichen. Man findet in Carring- ton’s Werk pag. 224 die betreffenden Werthe; die beiden Halbkugeln habe ich durch arithmetische Mittel vereinigt. (Die Werthe für 45 und 50 gehören resp. nur der südlichen und nördlichen Halbkugel an.) Die aus meinen & hervorgehende ä A 360° 2 Rotationszeit 7 = En stelle ich daneben. b. | Carrington. | Formel A. | T 0 14,45 14,62 24,64 9 14,40 14,41 24,99 10 14,29 14,21 25,33 15 14,13 14,04 - 29,64 20 13,99 13,88 25,93 23 13,82 13,73 26,18 30 13,65 13,65 26,37 35 13,43 13,96 26,54 40 13,50 26,66 45 12,65 13,47 26,72 50 13,17 13,47 26,73 60 13,33 26,61 70 13,69 26,28 80 13,96 25,80 90 14,30 25,17 vom 13. Juli 1865. 349 Nach gesicherter Feststellung des allgemeinen Gesetzes wer- den die Abweichungen von demselben zu betrachten sein. In der Tabelle I. für das Jahr 1862 ist der Fleck No. 132 (in der Breite — 2°), welcher E=14,948 geliefert hatte, als ausge- schlossen bezeichnet. Der Flecken ist der Nähe am Äquator wegen mit aufgeführt, zugleich 'als Hinweis, dafs die £ bis zum Betrage 15° vorkommen. Er ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beobachtungen etwa nicht zuverlässig sind, sondern aus einem Grunde, welcher aueh die Ausschliefsung anderer Flecken bedingte. Hiebei handelt es sich um Verhältnisse, welche nicht unbeachtet geblieben sind. Man findet nämlich in den Schriften über die Sonnenflecken die Angabe, dafs in den Gruppen anfangs sehr beträchtliche Veränderungen vorkom- men, worauf sich mehr isolirte behofte Flecken im westlichen Theile der Gruppen ausbilden, während der östliche Theil der Gruppe verschwindet. Solche isolirten Flecken baben eine grö- (sere Beständigkeit der Gestalt und auch längere Dauer, wes- halb sie vorzugsweise bei den Messungen zur Herleitung der Rotationswinkel benutzt werden. Das Gesetz für die Abhän- gigkeit der Z von der heliographischen Breite gilt also für die zweite Phase in der Entwickelung der Gruppen, es gilt nieht für die Zeit des Entstehens; es gilt ferner nicht für die Tage, welche dem Verschwinden eines längere Zeit hindurch beobachteten Fleckens vorangehen ; es darf also auch nicht an- gewendet werden als Grundlage bei einer aufzustellenden Er- klärung der Flecken. Die Messungen von Flecken, welche den noch stark veränderlichen Gruppen zugehören erweisen sich oft als nutzlos, wenn nach Verlauf eines Tages wegen der Neubil- dungen und Umgestaltungen die beobachtete Stelle nicht wie- der zu ermitteln ist. Gleichwohl ist gerade die Untersuchung solcher in der ersten Phase der Entwickelung befindliehen Grup- pen von grölserer Wichtigkeit. Charakteristische Fälle für die Abweichungen von dem er- mittelten Gesetze werde ich später zusammenstellen und erlaube mir für jetzt nur noch einige allgemeine Bemerkungen. Die Umänderungen der Gruppen habe ich in diesem Jahre mit meinem neuen Fernrohr von 5 Zoll Öffnung sorgfältiger beachtet, besonders auch die Höfe der Flecken. Wilson’s 350 Gesammtsitzung Angabe, dafs bei einem Flecken, der auf der Mitte der Sonne ringsum behoft erscheint, der gröfsere Theil des Hofes vor- her östlich, später westlich gesehen wird; diese excentrische Stellung der Kerne mit ihrer auf der Perspective basirten Er- klärung hat die Vorstellung von trichterförmigen Vertiefungen und damit die Annahme eines dunkelen Sonnenkörpers in sol- chem Grade befestigt, dals bis auf die neueste Zeit die vom physikalischen Standpunkte aus gemachten Einwendungen unbe- rücksichtigt blieben. In Bezug hierauf wird nothwendig sein, wie ich nur erst begonnen habe, dafs von ausgezeichneten Gruppen Zeichnungen in grölserem Malsstabe entworfen wer- den, nicht etwa nur einmal täglich, sondern in kürzeren Zeit- intervallen, so dals der Vorgang der Änderungen erklärlich wird. Für jetzt kann ich schon entschieden behaupten, dals Wil- son’s Beobachtung eine durchaus andere Erklärung, daneben aber wesentliche Ergänzungen erfahren wird. Die oben ange- führte Thatsache, dafs der östliche Theil einer Gruppe ver- schwindet und im westlichen ein Kernfleck sich entwickelt, wel- cher verbleibt, dies ist nicht genug beachtet. Diejenigen, wel- che darüber berichten, haben wohl nur selten die heliographi- sche Lage der Gruppen gekannt, und ist somit als allgemein geltend hingestellt, was nicht den einzelnen Zonen in gleicher Weise zukommt. Bei jenen Umänderungen der Gruppen lälst sich schon hinreichend ersehen, dafs die Stellung der Höfe von den die Veränderung bewirkenden Ursachen ahhängig ist. Bei isolirten und ungleich behoften Flecken zeigen sich Verschie- denheiten an den Grenzen der Kerne, namentlich eine in den feineren Details sich vielfach ändernde Zerklüftung an der Seite, wo der Hof schmaler ist. Bei zwei einander nahen Flecken, deren Abstand sich vergröfsert, liegen immer die Höfe nach entgegengesetzten Richtungen. Die Erklärung der keineswegs so regelmälsigen excentrischen Stellung der Kerne ist also in den auf der Sonne stattfindenden Vorgängen zu finden, nament- lich in den Bewegungsverhältnissen. Wenn aber besonders in populären Schriften ausgesprochen wird, dafs die Kernflecken, sobald sie am Ostrande sichtbar werden, jene excentrische Kernstellung zeigen, ebenso beim Austritt am Westrande, so ist das schon deshalb unrichtig, weil allemal nahe dem Rande vom 13. Juli 1865. 351 Kern und Hof gar nieht mehr zu unterscheiden sind. Letzteres erklärt sich dadurch, dafs die Höfe nichts anderes sind, als dicht gedrängt stehende kleine Flecke, deren Zwischenräume die helle Fläche durchblicken lassen, oberhalb welcher der Fleck sich befindet. Je näher der Flecken dem Rande kömmt, um so mehr werden jene Zwischenräume verdeckt, welche den Hof heller erscheinen lielsen, und während das ganze Gebilde matter wird, nimmt daher verhältnilsmäfsig die Dunkelheit des Hofes noch zu. Nicht physikalische Gründe, namentlich nicht die Resultate der Spectralanalyse, will ich heranziehen für die Annahme, dafs die Flecken sich befinden oberhalb heller Flächen, ober- halb der sogenannten Fackeln, welche von dem in einen matten Schleier gehüllten Sonnenkörper an den verschiedensten Stellen bis zu den Polen hin hervorleuchten. Aus den Beobachtungen selbst ist es zu entnehmen. Bei sehr günstiger Luft, welche mit einer mehr als hundertmaligen Vergröfserung ein vorzüg- liches Bild gewährt, treten die verschiedenen Schattirungen an einzelnen Stellen der Kerne deutlich hervor und zeigen hierin selbst schon während einer Stunde auffallende Wechsel, wie es bei unseren Haufenwolken der Fall ist, wenn wir sie vor der Sonne erblicken. Das Durchbrechen der Kerne durch die so- genannten Lichtadern, welche dieselbe Helligkeit haben wie die ringsum sichtbaren Fackeln, die hellen Parthieen innerhalb der Höfe und namentlich an den Kernen, ferner die hellen Furchen, welche den mit dieht gedrängt stehenden kleinen Flecken be- setzten Rand der Höfe zertheilen, diese und andere Erschei- nungen finden durch jene Annahme eine ebenso einfache wie vollständige Erklärung. Hr. W. Peters las über Fledertbiere (Fespertilio soricinus Pallas, Choeronycteris Lichtenst., Rhino- phylla pumilio nov. gen., Artibeus fallax nov. sp., A. ceoncolor nov. sp, Dermanura quadrieitiatum nov.Sp., Nyeteris grandis n. sp.). Der Yespertilio soricinus wurde zuerst von Pallas im Jahre 1766 (Miscellanea zoologica p- 48 sqq. Taf. IV. Fig. 16—18 u. 352 Gesammtsitzung Taf. V.), und 1767 (Spicilegia zoologica II. p- 25 sqq. Taf. II. u. IV.) beschrieben und abgebildet. Ungeachtet der ganz vortrefflichen Beschreibung und Ab- bildung, welche Pallas von dieser Art gegeben hat, ist die- selbe doch bisher von allen nachfolgenden Zoologen, die sich mit dem Studium der Chiropteren befalst haben, verkannt worden. Nachdem Geoffroy St. Hilaire im Jahre 1810 (An- nales du Museum d’hist. naturelle XV. pag. 179) sich von der Genauigkeit der Pallas’schen Beschreibung nach eigener Un- tersuchung eines Weingeistexemplars hatte überzeugen können, stellte er acht Jahre später (Memoires du Museum IV. p. 418 Taf. 18. Fig. A.) dieselbe Art in seiner neuen Gattung Glos- sophaga als eine neue Ärt, Gl. amplexicaudata, auf, welche er defshalb von dem Pallas’schen Fespertilio soricinus trennte, weil Pallas einmal in seiner Beschreibung gesagt hatte „cau- dae vestigium nullum”. Dafs Pallas aber hierunter*nicht den absoluten Mangel dieses Organs, sondern nur den Mangel eines hervorragenden Schwanzes verstanden hat, geht deutlich daraus hervor, dals er nicht allein (Spicilegia Zool. Il. p- 33) ausdrücklich ein dreigliedriges Steilsbein, „coccyge tri- articulato, brevissimo”, angibt, sondern auch ein solches von 0,4 Centimeter Länge (l. c. Taf. V. Fig. 1.) abbildet. Dieselbe Länge des Schwanzes (0,4 Centimeter) gibt aber auch Geof- froy St. Hilaire zuerst in seiner Beschreibung (Ann. du Mus. l. c.) nach einem Weingeistexemplare von Pryllost. soricinum an, während dieses später (Mem. du Mus. IV. 415) ein speci- fischer Unterschied seiner neuen Glossophaga amplexicaudata von Gl. soricina (Pallas) sein soll. Auf Geoffroy’s Auto- rität bin ist nun der Fesp. soricinus in allen folgenden Werken unter zwei verschiedenen Namen aufgeführt worden und Hr. Gray hat sogar für dieselbe Art zwei verschiedene Gattungen aufgestellt, indem er für den wahren Yesp. soricinus Pallas den Namen Pryliophora vorgeschlagen hat, für die ima- ginäre Geoffroy’sche Glossophaga soricina (ohne Steilsbein) aber den Geoffroy’schen Gattungsnamen beibehält. Die Verwirrung in Bezug auf den Yespertilio soricinus Pal- las ist ferner ebenfalls durch Blainville vermehrt worden, vom 13. Juli 1862. 353 welcher in seiner Osteographie (Cheiropteres Taf. VII.) unter dem Namen Glossophaga soricinum einen Schädel nebst Gebils abge- bildet hat, welche nicht zu der Pallas’schen Art, sondern viel- mehr zu der Glassophaga ecaudata Geoffroy gehören. Das Gebils dieser letzteren Art ist nämlich ausgezeichnet durch die gröfsere Zahl der Backzähne, 23 jederseits, wie es von Geoffroy (Memoires Mus. IV. p. 416) fälschlich für alle Arten von Glos- sophaga angegeben ist. G@/. soricina Pallas hat dagegen 2 Backzähne, wie Pallas auch bereits selbst mit gewohnter Ge- nauigkeit angegeben hat. Denn er sagt ausdrücklich (Miscel- lanea zool. p. 51): „Dentes primores utrinque quaterni; superiorum medii latiusculi, truncati, laterales acutiusculi; ex inferioribus obtusis, confertis, medii minores. Canini primarii supra majores et remotiores sunt; accessorii bre- vissimi, triangulares, supra utrinque 2, infraterni'), serratim co@untes. Molares humiles, colliculosi, in qualibet maxilla utrinque terni.” Dieses heilst in die neuere Kunst- sprache übersetzt: 4 Schneidezähne oben und unten, 1 Eckzahn jederseits oben und unten, 2 falsche und 3 wahre Backzähne oben und 3 falsche und 3 wahre Backzähne unten jederseits, 222-7422 =34, welches genau dieselbe Zahnformel ist, welche die angeblich von ihr verschiedene Gl. amplexicaudata Geoffroy hat. Hr. Gervais hat in einer vortrefflichen Abhandlung über die Chiropteren (F. de Casielnau, Zoologie de Pexpedition dans les parties centrales de ’Amerique du Sud. Cheiropteres p. 42) die Vermuthung ausgesprochen, der Yespertilio soricinus Pall. sei gar keine Glossophaga, sondern möglicherweise identisch mit Ph. brevicaudum Wied und es sei wünschenswerth, die Pallas’schen Originalexemplare im Museum zu St. Petersburg zu untersuchen. Ich erlaube mir dagegen zu bemerken, dafs die von Pallas so genau abgebildete und beschriebene Zunge (welche bei Pr. drevicaudum viel kürzer, wie bei den Fampyri, ist) gar keinen Zweifel über die Stellung seiner Art übrig läfst 2) Wenn später, vielleicht durch einen Schreibfehler (Spieil. zool. II. p- 33), steht „canini succenturiati in qualibet maxilla utrinque bini”, so ist dagegen zu bemerken, dafs der ersten Beschreibung die unmittelbare An- schauung zu Grunde lag. 354 Gesammtsitzung und dafs die Untersuchung von Pallas. Originalexemplaren, da seine Untersuchungen an denen des belgischen Museums (cf. Miscellanea Zool. p. 48) gemacht wurden, welches bekannt- lich von’ den Franzosen geraubt und nach Paris geschleppt wurde, an diesem letzteren Orte und nicht im Museum zu St. Petersburg anzustellen sein wird'). Es ist sogar nieht unwahr- scheinlich, dafs Geoffroy die erste Beschreibung seiner Glos- sophaga amplexicaudata, d. h. des Phylliostoma soricinum (Pal- las), in den Annales du Museum XV. p. 179, wo die Länge des Schwanzes zu 0,4 Centimeter angegeben ist, nach einem der Pallas’schen Originalexemplare gemacht hat. Man kennt aufser dieser mit Sicherheit keine andere Art, welche zu der Gattung Glossophaga im engeren Sinne gehört, indem Pryl- lophora nigra Gray durchaus keine Merkmale zur specifischen Unterscheidung von G2. soricina zeigt, wenn sie auch der Ab- bildung (Sul/phur. Mammalia Taf. 5. Fig. 1.) zufolge nicht, wie Hr. Gervais angibt, mit Pr. breoicaudum identisch sein kann, und Phylliophora megalotis nach Hrn. Gray’s eigener Erklärung nicht zu den Glossophagae, sondern zu den Fampyri (Mimon) gehört. | 2. Choeronycteris Lichtst. Bei einer genaueren Untersuchung des Lichtenstein- schen ÖOriginalexemplars von Ch. opercularis (Ch. mexicana Tschudi) finde ich, dafs der Schwanz keinesweges fehlt, son- dern eine Länge von 0”,007 hat, während die Länge der Schen- kelflughaut an dem getrockneten Exemplare in der Mitte 0”,018 beträgt. Die Spornen sind 0”,007 lang. Die rüsselförmige Schnauze ist noch länger als bei Gl. (Anura) ecaudata und es sind oben nur 5 (unten 6) Backzähne jederseits vorhanden. Choeronycteris ist daher nicht mit Anura zu vereinigen, sondern als eine besondere Gattung oder Untergattung der Glossophagae zu betrachten, die sich zwar durch die Gebilsformel, die Bil- *) Diese Sammlungen wurden im Jahre 1815 nicht, wie manche an- dere, wieder restituirt, sondern verblieben mit Bewilligung der niederlän- dischen Regierung in Paris, indem von Seiten des Pariser Museums diese Angelegenheit durch eine Sammlung anderer Gegenstände ausgeglichen wurde. vom 13. Juli 1865. 355 dung des Schwanzes und der Schenkelflughaut an Glossophaga (sorieina) anschlielst, aber durch die Bildung des Schädels und auch der Zähne von ihr abweicht. 3. Rhinophylla pumilio noy. gen. Diese neue Art schlielst sich durch die Bildung des Kopfes, Schädels, des Nasenblatts und der Ohren am nächsten an Hemi- derma brevicaudum an, unterscheidet sich von ihr aber äufser- lich (wenigstens an getrockneten Exemplaren) durch den gänz- lichen Mangel eines Schwanzes, durch die bis in die Zehen- wurzel sich ansetzenden Flughäute und durch viel geringere Grölse. Gebils 2 + — — 23. Die oberen mittleren Schnei- dezähne sind breit und gelappt. Der erste Backzahn ist der kleinste von allen, selbst kleiner als der fünfte Backzahn, und wie dieser von einfach cylindrischer Gestalt; der 2te, 3te und Ate Backzahn würden den entsprechenden von H. drevicaudum ganz ähnlich sein, wenn ihnen nicht der innere von dem Cingu- lum gebildete Höcker ganz fehlte, so dals sie viel schmäler sind, als bei irgend einer anderen Gattung der Fampyri und Glossophagae. Die unteren Backzähne, so wie auch die obe- ren und unteren Eckzähne entsprechen denen von ZH. breei- caudum. Die Farbe ist oben braun, unten graubraun; die Haare der Oberseite sind an der Basis blafs schieferfarbig, an der Spitze braun. Mafse eines trocknen Exemplars: Totallänge bis zum Ende der Schenkelflughaut 0”,060; Länge‘ des Kopfes 0”,020; des Vorderarms 0”,033; der Tibia 0”,011. — Fundort: angeblich Brasilien. 4. Artibeus fallax n. sp. Diese Art ist dem A. perspieillatus täuschend ähnlich und gewils auch schon oft mit ihm verwechselt worden. Sie unter- scheidet sich von diesem aber äufserlich dadurch, dafs der un- tere Rand des Hufeisens länger, deutlicher abgesetzt und fein gekerbt ıst'). Das Gebils ist namentlich dadurch verschieden, dals der zweite obere wahre Backzahn am hinteren Rande hin- ter dem Zacken des Cingulums viel tiefer eingebuchtet ist und ‘) An getrockneten Exemplaren ist das Nasenblatt aufzuweichen, um diese Kerbung zu sehen. 356 dals Gesammtsitzung hier ein sehr kleiner fünfter Backzahn ') sich hineinlegt. Die Gröfse, die Bildung der Ohren und des Nasenblatts ist im ') Ich vereinige diese und die folgende Art mit A. perspicillatus in derselben Gruppe, weil dieser kleine Zahnstumpf allein kein Grund sein kann, Arten, die sonst im Schädel- und Zahnbau, so wird in jeder ande- ren Beziehung ganz mit einander übereinstimmen, generisch von einander zu trennen und stelle die mir bekannten Arten nun in folgender Weise zusammen: 1. Artibeus Leach (Madataeus Leach, Pleroderma Gervais, Artibeus PA, Gerv. e.p., Artibeus Sauss. e. p., Platyrhinus (ein bereits früher 1798 bei den Coleopteren vergegebener Name) Sauss. e. pl. — A. Backzähne _ oder — (Artibeus). 1. A. perspicillatus G eoffr. 2. A. jamaicensis Leach, eine stets kleinere, der vorigen sehr ähnliche Art. 3. A. fallar. 4. A. concolor. . Dermanura Gerv. Nicht von Artibeus zu trennen, im Schädelbau ganz mit dieser Gattung übereinstimmend, nur durch die geringe Zahl der Backzähne, —, verschieden. 5. D. cinereum Gervais. ?6. D. toltecum Sauss. 7. D. quadrivittatum n. sp. . Phyllops (Artibeus Gerv. e. p., Platyrhinus Sauss. e. p.), Back- zähne , wie bei Artibeus, Gaumen tief bis zwischen die Backzähne ausgeschnitten. N 4. Ph. albomaculatus Gundlach. ? A. falcatus Gray. ? A. jamaicensis Gervais. 2. Ph. personatus Natterer. A. undatus Gervais. . Vampyrops (Artibeus Gerv. e. p., Platyrhinus Sauss. e. p.), Schädel und Gaumen wie bei Artibeus, Backzähne — mehr denen von Sturnira ähnlich, wie bei diesen nur aus zwei Längsabtheilungen bestehend, aber complicirter. 1. Ph. lineatum Geoffroy, Gervais. 2. V. vittatus Ptrs. Stenoderma Geoffroy. Backzähne —-. Nach der Geoffroy- schen Abbildung des Gebisses von Si. rufum zu urtheilen, stimmt diese Gattung am meisten in der Zahnbildung, wie z. B. in der Form der spitzigen mittleren oberen Schneidezähne, der relativen Gröfse a ——m vom 13. Juli 1865. 357 Übrigen ganz dieselbe wie bei A. perspicillatus. Auch die Fär- bung wechselt in derselben Weise wie bei 4. perspicillatus, vom Hellbraunen mit breitem weifsen Augenstreif (Ph. perspi- cillatum Geofr., ? Ph. superciliatum Wied) bis zum Schwarz- braunen mit sehr schmaler weilser Augenlinie (Pr. odscurum Wied). — Wir besitzen ein weibliches Exemplar dieser Art in Weingeist aus Guiana, andere trockene Exemplare befinden sich im Reichsmuseum zu Leiden aus Surinam. 5. Artibeus concolor n. sp. Viel kleiner als die vorhergehende Art. Die Entwickelung des Nasenblatts ist dieselbe, aber der untere freie Rand des Huf- eisens ist nicht gekerbt. Ohren, Ohrklappe und die bis zur Basis der Zehen herabreichende Flughaut haben dieselbe Entwickelung. Einfarbig braun, unten blasser ; die Flughäute dunkelbraun, nur die zwischen dem zweiten und dritten Finger und die Spitze der Flügel viel blasser, weilslichbraun. Weder weilse Kopfstreifen, noch einen weilsen Schulterfleck. Zähne ähnlich wie bei der vori- gen Art: die mittleren oberen Schneidezähne zweilappig und auch ein sehr kleiner oberer fünfter Backzahn. und Höckerbildung der falschen und wahren Backzähne mit Vampy- rops überein. Ob der Mangel des hintersten kleinen Backzahns der Art eigenthümlich ist oder von dem Jugendzustand des Exemplars abhängt, bleibt unentschieden. 5. PygodermaPtrs. Backzähne 7, von denen der vierte sehr klein ist; Gesichtstheil des Schädels sehr hoch. 1. P. bilabiatum Wagner. Artibeus leucomus Gray. Pygoderma microdon Ptrs. 6. Ametrida Gray. Gebils wie bei Pygoderma, Gesichtstheil des Schä dels sehr abgeplattet. 1. A. centurio Gray. . Chiroderma Ptrs. 1. Ch. villosum Ptrs. 2. Ch. pusillum W agn. sp. Die’grenzenlose Verwirrung, welche in der Familie der Stenodermen herrseht, da die meisten Arten nur nach äufseren Merkmalen beschrieben sind, ist nicht zu beseitigen ohne eine genaue Betrachtung des Gebisses und Schädels. Ich werde, so weit mir die Gelegenheit gegeben wird, alle diese verschiedenen Formen genau abbilden lassen. -I 358 Gesammtsitzung Malse eines ausgewachsenen Männchens in Weingeist: To- talläinge bis zum Rande der Schenkelflughaut 0”,085; Kopf 0”,025; Ohr 0”,016; Nasenbesatz 0”,0125; Länge des Vorder- arms 0”,047; der Tibia 0”,018; der Schenkelflughaut in der Mitte 0”,016. Paramaribo (Surinam); im zoologischen Museum zu Berlin. 6. Artibeus (Dermanura) quadrivittatus n. sp. Von der Gröfse und dem Ansehen des Si. zoltecum Saus- sure, aber mit etwas breiterer und weniger behaarter Schen- kelflughaut. Nasenblatt, Ohren und Ohrklappen ähnlich wie bei jener Art. Oben braun, unten blasser, mit vier weilsen Längs- binden auf dem Kopfe. Die Rückenhaare sind einfarbig, an der Basis blasser. Die Zähne unterscheiden sich von denen von Dermanura lineatum Gervais (Castelnau, Foyage etc. Chi- ropteres pl. 9. Fig. 4.) besonders durch die viel beträchtlichere Grölse des 4ten unteren Backzahns, welcher nur wenig kürzer als der vorhergehende Zahn ist. Mafse eines noch nicht vollkommen ausgewachsenen Exem- plars des Museums zu Leiden: Totallänge 0”,080; Kopf 0”,019; Ohr 0,012; Nasenblatt 0”,0085; Vorderarm 0”,040; Tibia 0”,014; Schenkelflughaut in der Mitte 0”,009. Aus Surinam; im Reichsmuseum zu Leiden. 7. Nycteris grandis n. sp. In der Färbung und Behaarung ganz mit N. fuliginosa übereinstimmend, aber beträchtlich grölser, indem sie selbst noch N. javanica an Gröfse übertrifft. Die Ohren sind so lang wie der Kopf. Die vier oberen Schneidezähne sind dreilappig und der zweite untere falsche Backzahn ist zwar klein, indem seine Gröfse kaum ein Drittel des vorhergehenden Zahns ausmacht, aber er ist nicht von vorn nach hinten zusammengedrückt. — Auch bei dieser grolsen Art habe ich vergeblich nach einer Fi- bula gesucht. Länge vom Hinterhaupt bis Ende der Schenkelflughaut un- gefähr 0,110; Länge der Schenkelflughaut ungefähr 0”,050; Kopf 0”,029; Ohr 0”,029; Vorderarm 0”,055; Tibia 0”,030; Sporn 0”,023. . vom 13. Juli 1865. 359 Aus Guinea; dem einzigen getrockneten Exemplar, wel- ches sich im Reichsmuseum zu Leiden befindet, ist der Schwanz ausgezogen, so dafs sich die Länge desselben nicht genau be- stimmen läfst. Hr. A. W. Hofmann berichtete über eine im Universi- tätslaboratorium zu Halle von dem Assistenten dieses Instituts, Dr. W. Lossen, ausgeführte Arbeit über das Hydroxyl- amin'). Nach den bisherigen Beobachtungen wirkt der nascirende Wasserstoff auf Salpetersäure entweder in der Weise, dals nie- drigere Oxydationsstufen des Stickstoffs entstehen, indem der Salpetersäure ein Theil ihres Sauerstoffs entzogen wird; oder aber in der Weise, dals unter gänzlicher Abscheidung des Sauerstoffs und Aufnahme von Wasserstoff Ammoniak: entsteht. Unter geeigneten Umständen lälst sich jedoch ein Körper er- halten, welcher in der Mitte steht zwischen den Sauerstoffver- bindungen des Stickstoffs und dessen WVasserstoffverbindung, ein Reductionsproduct der Salpetersäure, welches Wasserstoff aufgenommen hat, ohne dafs bereits aller Sauerstoff abgeschie- den ist. Diesen Körper, dessen Zusammensetzung durch die Formel NH?’O repräsentirt wird, nennt Dr. Lossen Hydro- xylamin. Das Hydroxylamin entsteht bei der Einwirkung von Zinn und Salzsäure auf Salpetersäure-Athyläther. Bisher hat Dr. Los- sen auf 5 Gewichtstheile Salpeteräther 12 Gewichtstheile Zinn und 50 Gewichtstheile wässerige Salzsäure von 1,124 sp. Gew. angewandt. Das Gemisch erhitzt sich nach kurzer Zeit stark, ohne dafs erhebliche Quantitäten von Wasserstoff entwickelt werden. Aus der, nach beendigter Einwirkung vom Zinn durch Sehwefelwasserstoff befreiten Flüssigkeit krystallisiren nach hin- reichendem Einengen zuerst reichliche Mengen von Salmiak, sodann das in Wasser sehr leicht lösliche salzsaure Hydroxyl- amin. Dasselbe wird vom Salmiak vollständig getrennt, indem man aus der Lösung beider Körper in absolutem Alkohol den 1)0=16, S=32; C= 12. 360 Gesammtsitzung Salmiak durch Platinchlorid fällt, mit welchem das salzsaure Hydroxylamin sich nicht verbindet. Sieht man ab von dem Athyl des Salpetersäureätbers, wel- ches einfach gegen Wasserstoff ausgetauscht wird, so läfst sich für die Bildung des Hydroxylamins die Gleichung NHO? +sH = NH’O + 2H°0 aufstellen. Das salzsaure Hydroxylamin krystallisirt aus heifs gesättig- ter alkoholischer Lösung in spielsigen Krystallen oder auch in breiten Blättern; beim Verdunsten der Lösung bei gewöhnli- cher Temperatur erhält man deutlichere, prismatische Krystalle. Die Analyse desselben führte zu der Formel NH?O, HCl. — Wird eine Lösung desselben mit einer äquivalenten Menge Schwefelsäure auf dem Wasserbad abgedampft, so entsteht schwefelsaures Hydroxylamin, leicht krystallisirt zu erhalten durch Zusatz von Alkohol zu der wässerigen Lösung. Aus den Ana- lysen ergiebt sich die Formel 2NH?O, H?SO*. — Salpeter- saures Hydroxylamin, dargestellt durch Zersetzung des salzsau- ren Salzes mit salpetersaurem Silber, ist in Wasser wie in ab- solutem Alkohol sehr leicht löslich und konnte noch nicht kry- stallisirt erhalten werden. — Das oxalsaure Salz krystallisirt aus heifs gesättigter wässeriger Lösung in schönen Prismen. Die Analyse ergab die Formel 2NH’O, C?’H?O®. — Es mufs noch dahingestellt bleiben, ob das Hydroxylamin selbst sich rein darstellen läfst. Jedenfalls ist dasselbe ein we- nig beständiger Körper. Wird die concentrirte Lösung eines Hydroxylaminsalzes mit Kalilauge im Überschufs versetzt, so entsteht sofort eine lebhafte Entwicklung von Stickstoff, wäh- rend gleichzeitig Ammoniak gebildet wird; bei verdünnteren Lösungen tritt die Zersetzung nur allmälıg ein. ‘Im wesentli- lichen wird sich diese Zersetzung durch die Gleichung 3NH’O=NH’ +2N-+3H?O ausdrücken lassen. — Wird aus einer Lösung des schwefelsau- ren Hydroxylamins die Schwefelsäure genau mit Barytwasser ausgefällt, so erhält man eine Lösung des Hydroxylamins, wel- che etwas beständiger ist. Sie kann gekocht werden, ohne dafs | | | vom 13. Juli 1865. 361 eine lebhafte Zersetzung bemerklich wird; bei der Destillation derselben geht ein Theil des Hydroxylamins unzersetzt mit den Wasserdämpfen über, daneben wird auch Ammoniak gebildet. Wie es einerseits leicht gelingt, aus dem Hydroxylamin Ammoniak zu erhalten, so tritt aus demselben nicht minder leicht Stickstoff in Verbindung mit Sauerstoff aus. Wird trock- nes salzsaures Hydroxylamin mit ausgeglühtem Kupferoxyd zu- sammengerieben, so findet schon bei gewöhnlicher Temperatur nach kurzer Zeit eine langsame Gasentwicklung statt; in dem Gase läfst sich Stickoxyd leicht nachweisen. Das Hydroxylamin ist eine sauerstoffhaltige Base, welche sich von den sauerstoffhaltigen Metalloxyden wesentlich unter- scheidet durch die Art, wie es sich mit Säuren verbindet. Während bei der Verbindung jener mit Säuren Wasser aus- tritt, verbindet sich das Hydroxylamin, wie das Ammoniak, mit den Säuren ohne Ausscheidung von Wasser. Wir kennen in den sauerstoffhaltigen organischen Basen eine Klasse sauerstoff- haltiger Körper, welche sich ebenso wie das Ammoniak und Hy- droxylamin verhalten. Man leitet diese Körper von dem Am- moniak ab, indem man annimmt, dals dessen Wasserstoff durch sauerstoffhaltige Radikale vertreten sei. Die Ausscheidung sol- cher sauerstoffhaltiger Radikale aus mehreren Alkaloiden, sowie die grolse Zahl künstlich dargestellter organischer Basen recht- fertigt diese Annahme. Das Hydroxylamin schlielst sich an diese Körper an. Dasselbe ist ein Ammoniak, in welchem ein Atom Wasserstoff durch das kohlenstofffreie Radikal HO vertreten ist. Diesem Radıkal hat man längst den Namen Hydrozyl beigelegt, und der Verbindung NH?O kommt deshalb mit demselben Recht der Name Hydroxylamin zu, wie der Verbindung NCH?° der Name Methylamin. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: | Bibliotheca indiea. Old Series. no. 203. 204. New Series, no. 44— 61. Calcutta 1864. 8. Salter and Blanford, Palaeontology of Niti in the northern Himalya. Calcutta 1865. 8. ö [1865.] 28 362 Gesammtsitzung Annales de chimie et de physique. Paris, Mai 1865. 8. Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes. 6. Band, Heft 2. Altenburg 1864. 8. Würtembergische naturwissenschaftliche Jahreshefte. 20, 2.3. 21, ı. Stuttgart 1864. 8. Astronomische Nachrichten. Band 64. Altona 1865. A. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 13,1. Berlin 1865. 4, H. Scheffler, Die physiologische Optik. 4. 2. Theil. Braunschweig 1864—65. 8. Ackner und Müller, Die römischen Inschriften in Dacien. Wien 1865. 8. Robert Harrison, Catalogue of the London Library. Ed.1III. London 1865. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Harrison d. d. London 17. 1865. Lamy, Le Thallium et ses principaux composes. Paris 1865. 4. 20. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weierstrafs las: Über die analytische Form der Integrale algebraischer Differentiale. Hr. Mommsen trug folgende durch das auswärtige Mit- glied Hrn. Curtius in Göttingen ihm überschickte Mitthei- lung des Hrn. Dr. Schubring vor: Über das neu ausge- grabene römische Gebäude in der campagna Bufar- deci zu Syrakus. Das von den Ciceroni dagno di Diana betitelte Gebäude, dem ich keiuen Namen beizulegen wage, befindet sich nicht weit vor der neuen, so wie auch vor der alten Stadt. Hat man die grolse Rotunde verlassen, wo sich die Stralsen von Catania, Floridia und Noto scheiden, westlich von welcher die Mauer von Achradina herunterkam und sich dem grolsen Hafen näherte (Rhein. Mus. XX, 61), so braucht man nur wenig auf der Stralse von Noto sich nach Westen zu bewegen, um auf unser vom 20. Juli 1865. 363 zwischen dieser Stralse und der von Floridia belegenes Monu- ment zu treffen. Dieses steht somit sowohl aufserhalb Achra- dinas, d. h. im Westen von deren Grenzmauer, als aufserhalb der römischen Neapolis (Philologus, Bd.228.623f.), deren nur we- nige Schritte entfernte, mit a parallellaufende südliche Umfas- sungsmauer bei Gelegenheit der Ausgrabung unseres Gebäudes mit entdeckt worden ist, und es nimmt einen grolsen Theil des Raumes zwischen der südlichen Neapolismauer und dem Meere ein. In der Nähe des Sumpfes erbaut, war es der Fie- berluft ausgesetzt, welche, wie ich bei dieser Gelegenheit zu meiner Entschuldigung bemerke, heutiges Tages an diesem Ort so stark ist, dals es nur an gewissen Stunden des Tages mög- lich ist, dort zu verweilen, so dals ich der Schnelligkeit wegen nicht mit Malsen, sondern nur mit Schritten gemessen habe. Da der Boden sich kaum einige CGentimeter über dem Meeres- spiegel erhebt, so hat das beim Graben überall aus dem Boden hervorgequollene Wasser keinen Abfluls und entwickelt stagni- rend pestschwangere Gerüche. Dies wird noch schlimmer, wenn das durch den Canal oft eindringende Meerwasser sich mit dem sülsen Wasser vermischt. Unser Denkmal besteht aus aus der Verbindung eines klei- nen Theaters mit Schwimmteichen, welche einen hohen, tem- pelartigen Bau umgeben, der den Mittelpunkt des Ganzen bil- det, und an den sich ein grolser unbedeckter Hof anschlielst. Ringsum scheinen Mauergänge gelaufen zu sein. Meine Er- gänzungen zu erklären, habe ich nicht nothwendig; zwei Ge- sichtspunkte mulsten dabei mafsgebend sein: die vorhandenen Spuren und das symmetrische Ebenmalfs. Von der Stadtmauer von Neapolis, die bis oben im Schutt begraben war, sind an einigen Stellen noch 10 Lagen Quadern erhalten. Wir bemerken oben an ihr das Fundament einer Mauer, welche sich von da in nordöstlicher Richtung in die Stadt hereinzieht und daneben einen mosaikartigen Fulsbo- den. Vier aquäduktartige Gänge kommen im Ganzen aus der Mauer heraus, unter denen sich der am meisten nördliche aus- zeichnet. Denn wenn die anderen wohl nur Cloaken waren, so scheint dieser ein wasserführender Canal gewesen zu sein, 28* 364 Gesarmmtsitzung der von den vielen grölseren Aquädukten von Neapolis sich ab- zweigend das Wasser aus der Stadt heraus unserem Gebäude zutrug. Er ist von Steinplatten gebildet, der Boden mit Thon- erde bedeckt, auf welcher Ziegelsteine ruhten, welche an den Wänden höher aufliegend nach der Mitte zu sich neigten und daselbst ein Wasserbett bildeten. Eine Fortsetzung des Ca- nals, wo er aus der Mauer heraustritt, ist nicht sichtbar. Die Mauer a ist 80 Schritte lang und 1,20 m. dick. In der östlichen Ecke stehen noch 6 Lagen, in der Mitte 2, gegen Norden 1. Das Fundament besteht aus einem zusammenge- kochten Gemisch von Erde, Sand, Ziegeln und kleinen Steinen, die Mauer aus schönen, regelmälsigen, ohne Mörtel verbundenen Quadern, deren inneres Profil Figur 1 darstellt. Die punktir- ten Linien geben den auf den Schwellen ruhenden dicken Stuck- anwurf an. An der Mauer befinden sich, von Norden angefan- gen, zuerst nach innen ein mächtiger Block über einem glei- chen Fundament, dann nach aulsen eine zerstörte Treppe nnd eine Kammer, 6 Schritte lang und 3 Schritte breit, ebenso ge- baut; es steht von ihr nur noch die unterste Lage. Gegen Osten zu besteht das Fundament von a an einer Stelle gleich- falls aus Quadern, in der Ecke dagegen schon wieder aus dem vorhin angegebenen Stoff. Die Mauer @ ist 17 Schritte lang und 0,60 m. breit; 6 Lagen stehen noch. Es sind an ihrer innern Seite viele kleine Löcher zu sehen, welche ausgefüllt waren mit kleinen Marmorsteinen, dıe dazu dienten, die Stuck- bekleidung zu halten. Von den 4 Pilastern oder Statuenbasen ist die zweite, von Osten gegen Süden zu gerechnet breit 1 m., dick 0,78; die dritte breit 0,86, dick 0,60; die vierte breit 0,80, dick 0,60. Die Mauer c ist 35 Schritte lang und 1,50 m. dick. Das Stück derselben zwischen a und 5 beträgt so viel wie das von @ zwischen c und g, nämlich 5 Schritt. Zur Hälfte steht | noch eine Lage dieser Mauer, zur Hälfte nur das Fundament. Die Stufen in der Ecke sind unregelmälsig. Der Boden des von 6, e und f umschlossenen Schwimmieiches ist beträcht- lich tiefer als die eben besprochenen Theile. Da er aber nicht zu erkennen ist, so lälst sich weder die Differenz der Höhe be- stimmen, noch sehen, wo das Wasser abflielst. Eingeführt wird dieses durch eine kleine Canalrinne, welche sich zwischen der —— vom 20. Juli 1865. 365 Fortsetzung von 5 und der letzten Theaterstufe befindet und in den Stein eingeschnitten ist. Sie erhielt das Wasser wahr- scheinlich aus dem besprochenen Aquädukte. Diese, so wie die Treppen und die Tiefe des Bassins qualificiren dieses hinläng- lich als Wasserteich. Die untersten Treppenstufen, die Stufe f und die Schwelle von 5 sind alle von derselben Höhe und waren nach meinem Dafürhalten ungefähr 1 m. über dem Bo- den des Bassins. Die Front von 5 gegen den Teich war fol- gende: zuerst eine Schwelle, die somit 1 Meter hoch gewesen wäre und 0,18 breit ist; hierauf folgt eine Stufe hoch 0,46, breit 0,27, dann eine zweite hoch 0,43, breit 0,34, dann eine dritte hoch 0,90, auf welcher sich etwas eingerückt der Unter- bau 5 von 0,97 Breite erhebt (zusammen 2,80 hoch). Ob die- ser einer Stufe oder einer Mauer angehörte, will ich nicht ent- scheiden. Auf der östlichen Hälfte sind nur die Stufen, nicht dieser Unterbau erhalten. e ist 18 Schritte lang und 0,51 m. breit. Es ist eine aus regelmälsigen Quadern gut gebaute Brü- stung gegen das Bassin, von welcher noch 2—4 Lagen stehen. Die Treppe, welche von 5 hinabführt, ist nicht sehr sorgfältig gearbeitet. Die 7 Stufen sind einander nur ziemlich gleich und haben ungefähr 0,30 Höhe; die Gesammthöhe der Treppe ist somit 2,05— 2,10; wenn wir die unterste Stufe, deren jetzt sichtbare Höhe 0,30 ist, gleichfalls wie die Schwelle von 5 (deren sichtbare Höhe 0,25 ist) zu 1 Meter verlängern, dem eben ausgesprochenen Vorschlage gemäls, so erhalten wir auch für die Treppe 2,80 Höhe. Die Breite der Treppe ıst 1,95. Die beiden Treppen bei e sind niedriger; ihre Stufen sind 0,17—0,19 hoch und 0,27—0,29 breit. Die Brüstung er- hebt sich über den Stufen und läuft, 0,32 breit, neben densel- ben in schräger Linie auf der einen Seite aufwärts, auf der an- dern wieder hinab. Natürlich bedurfte es einer vierten Mauer, welche von f nach 5 hinüber lief, um den Schwimmteich gegen den Hof absuschliefsen. Für diejenige, welche ich supponirt habe, bieten freilich keinerlei Spuren einen Anlafs, ebenso we- nig aber für eine Fortsetzung von f bis c, welche Andere vor- schlagen. Da wo e, f und g zusammenstofsen ist ein rechter Knoten- und Mittelpunkt. Von bier gelangte man in den Schwimm- 366 Gesammtsitzung teich und stieg man zu dem heiligen Bau empor; von hier führte das dreistufige Trepplein zur Orchestra; hier ging man links zur Bühne, rechts zu den Sitzen hinauf. Es sind daselbst auch noch die Einschnitte zu sehen, in welche die Pfosten einer Thüre eingelassen waren. Das Theater nennen die Meisten ein Bad, weil der Canal, dessen Eintritt man freilich nicht fin- den konnte, auf Wasserbestimmung zu deuten schien, man glaubt, die 5 erhaltenen untersten Stufen für das Ganze hal- tend, hier hätten die Badenden gesessen und das Wasser nach Belieben steigen und fallen gemacht. Diese schon an und für sich abenteuerliche Idee wird durch die fast Niemandem be- kannte äufserste Stufe rechts, durch die ganze Construction und das Vorhandensein aller Theile eines Theaters beseitigt. Die äufserste und höchste Sitzstufe ist gegeben durch die gerunde- ten Substructionen, welche 0,74 m. von der Fortsetzung von 6b abstehen; hätte man wollen diesen Raum bis oben hin mit Wasser anfüllen, so wäre dieses den unten Sitzenden dreimal über die Köpfe gegangen, ja hätte das ganze Gebäude über- schwemmt. Der kleine Canal brachte kein Wasser, sondern führte dasjenige, welches man hintrug, um die Orchestra zu reinigen, ab; in der dritten Nische ist sein Anfang, nicht seine Fortsetzung. Grade so ist es auf der Orchestra des grofsen Theaters in der syrakusanischen Neapolis. Von den durch drei Treppen in vier cunei getheilten Sitzstufen giebt Fig. 7 Malse und Bild; man bemerke, wie sorglich durch die vordere Profilirtung der Sitzplatien die Kniekehlen der Sitzenden ge- schont wurden. Die vielleicht erst durch den Gebrauch ent- standenen Eindrücke in den Fufsschwellen zwischen den Sitz- platten sind weder überall regelmälsig vorhanden, noch, wo sie vorhanden sind, gleich tief; die oberen an e anstofsenden Stufen haben deren mehr und tiefere. Die Orchestra ist nach Aussage derjenigen, die sie noch vom Wasser unbedeckt gesehen, mit schönen Marmorquadern gepflastert, hat aber in der Mitte eine grofse Mosaikverzierung. Man stieg zu ihr auf den beiden Treppen zwischen e und g und zwischen % und ; herab, während die beiden andern Treppen in der Ecke von der Orchestra zu den Sitzplätzen hinaufführten. % und g bil- deten die Hinterwand der Bühne, die andern Mauerspuren vom 20. Juli 1865. 367 sind Reste des Hyposkenion und der Substruktionen der Bühne, die 3 Nischen vorn enthielten wohl Statuen. Der Canal (Fig. 5) geht unter der Scene durch und tritt bei ; wieder ans Tageslicht; er ist sehr sauber aus grofsen Steinen gearbeitet. Bei dem Punkte r hört er merkwürdiger Weise auf, 75 Schritt weit vom Meer; man kann vielleicht daraus schlielsen, dafs frü- her das Meer sich weiter ins Land zog, oder wenigstens der Grund von hier bis zum Meere versumpft war, womit auch die Thatsache stimmt, dals man beim Ausgraben hier Seegras und Meerterrain fand. Die Stufe % (7 Schritt) ist länger als die gegenüberliegende; @ (10 Schritt) stimmt nicht mit der Flucht von e; n ist 9% Schritt, e 18 Schritt lang; der zwischen 7, i und z sich erstreckende, noch nicht blolsgelegte Raum stellte wahrscheinlich einen zweiten Schwimmteich vor. Wenden wir uns nun zu dem schwer zu verstehenden Bau im Centrum, so scheint derselbe wegen seiner Lage, seiner Höhe und wegen der schönen Architekturstücke, die an diesem Platze gefunden, bedeutsam, und hat vielleicht sakralen Zwecken gedient. Am besten ist die gegen Nordost gewendete Seite erhalten. Die unterste Stufe f von 19 Schritt Länge war hoch 1 Meter (?) und breit 0,57; die zweitunterste hoch 0,43 und breit 0,43; die dritte 0,358 hoch und 0,44 breit, die vierte hoch 0,40 und breit 0,54; darauf folgt der Fig. 2 dar- gestellte Mauerfuls von 0,43 Höhe, der eine Mauer trägt. - Diese so wie ihr Fufls sind von einem weicheren, weilseren und feineren Stein. Es sind von ihr noch 1—2 Lagen erhalten, von denen die untere Lage 0,69, die obere 0,32 hoch ist. Auf der Seite gegen Südosten (m = 9 Schritt) ist die unterste Stufe hoch 0,16, breit 0,23; die zweite hoch 0,16, breit 0,29; die dritte hoch 0,17, breit 0,84; die vierte hoch 0,34, breit 1,42; die fünfte hoch 0,25, breit 0,30; die sechste hoch 0,21, breit 0,78; die siebente hoch 0,50, breit 0,70; die achte hoch 0,43. Breite der Treppe bei der untersten Stufe 1,42, bei der zweiten und dritten 0,92, bei der Einfassungsmauer 1,10; Breite der Einfassungsmauern 0,66. Aus den Spuren ist ersichtlich, dals diese Stufen, welche den Haupteingang vom Hofe her bil- _ deten, mit Marmor ausgelegt waren. War man nun die achte Stufe hinaufgestiegen , so betrat man den aus Werkstücken mit 368 Gesammtsitzung Stuck gebildeten inneren Fulsboden s, der somit 2,22 m. hoch über dem Hofe lieg. Da von der eben erwähnten Mauer mit der schönen Schwelle auf der Nebenseite erst die zweitunterste Lage über dem Fufsboden s sich erhebt, so lag dieser 3,33 über dem Boden des Schwimmteiches, und aus diesen Malsen ergiebt sich, dafs der Boden des Bassıns 1,10 tiefer lag, als der des Hofes. Der Fufsboden z ist 0,39 weniger hoch, als der Fulsboden s. Übrigens‘ waren die Steine jener Mauer durch kreuzförmige Eisen- oder Bleiklammern zusammengefügt, deren Länge 0,50, Breite 0,33, Tiefe 0,035 betrug. — Es wäre nun verhältnilsmälsig leicht, wenn wir uns begnügen könnten, auf der gegenüberliegenden, gegen Südwesten gewendeten Seite (= 20 Schritt) dieselben Verhältnisse zu ergänzen. Indessen befindet sich in der Mitte der kleine Brunnen g (Fig. 6), mit Marmor eingefalst und, wie der innere Einschnitt zeigt, nicht mit einem Deckel geschlossen; die Stelle, wo er steht, konnte nicht überbaut sein. Es folgt hieraus, wenn wir nicht alle Symmetrie zerstören wollen, dals wenigstens in der Mitte ein offener schmaler Gaug, wenn auch unter dem gemeinschaftli- chen Hauptdach, vorhanden war, den von beiden Seiten diese zwei schmalen Postamente umgaben. Zu diesem wäre man durch u eingegangen, und es kommt uns dafür wenigstens der Umstand zu Hülfe, dals g in der Mitte zwischen Z und f, so wie überhaupt in der Mitte der ganzen Anlage liegt, dals w ihm entspricht, und dafs der Mittelpunkt des Theaterrunds, der Brunnen g, der Eingang u, der Brunnen p und der neben ihm stehende Pilaster alle in einer Flucht liegen. Aber wozu die- ser Gang gedient und was die zwischen ihm und der Scene befindlichen Substruktionen zu bedeuten haben, sehe ich nicht. Die Linie v ziehe ich an dem betreffenden Punkte, weil die Marmorbekleidung der stufenförmigen Fundamente bei der zwei- ten Einbiegung aufhört. Dem entsprechend müssen wir » ver- muthen, so wie wir bei dem linken von uns ergänzten Posta- ment, dessen Gleichartigkeit mit dem vorhandenen freilich im- merhin nur eine allgemeine sein und sich keineswegs auf alle Theile erstrecken könnte, einen ähnlichen Aufgang vom Hofe aus denken mülsten, als derjenige ist, welcher existirt. — Der Pilaster neben » war 0,85 breit und stand auf Marmorplat- EEE vom 20. Juli 1865. 369 ten (Fig. 3). — Der Brunnen p ist modern benutzt und umgestaltet; vom alten ist nur noch die Basis da, deren Schwel- lenprofil Fig. 4 zeigt. Neben diesen beiden letzten Stücken wurde ein jetzt entfernter Ziegelofen gefunden, von dem aber Kundige versichern, dals er ein Werk aus einem der letzten Jahrhunderte sei. Auf diesem Bau des Centrums sind nun, wenn ich recht berichtet bin, alle grolsen Architekturstücke gefunden, welche sich durch ihren Stoff, ihre reiche Arbeit und grolsen Malse auszeichnen. Unter den Säulen lassen sich zwei Arten unterscheiden. Zuerst haben wir vier Säulen aus jenem feinen blauen marmorartigen Stein, welchen man hier in Sicilien Ci- pollino nennt; zwei von ihnen haben am summus scapus je zwei Wulste und 0,43 Durchmesser, die zwei andern je eine Wulst und 0,49 Durchmesser; sie sind nicht scannelirt. Die zweite Gattung der Säulen besteht aus Kalkstein; unter ihnen ist eiue nicht scannelirte mit einem Durchmesser von ungefähr 0,65, eine halb scannelirte (20 Hohlkehlen) mit Durchmesser von 0,55—0,57; eine ganz scannelirte (20 Hohlkehlen) mit Durchmesser von 0,56— 0,58. Dazu gehören auch zwei ziem- lich schlechte Kapitelle, bestehend aus einem einfachen Echinus mit vier Reifen und einem Plinthus, dessen Seite 0,80 lang oder breit ist, und dessen Höhe 0,15— 0,16 beträgt. Ich be- merke, dals von allen diesen Säulen nur Bruchstücke auf der Erde herumliegen und dafs daher die Malse genommen sind, wo es eben möglich war. — Von den schönen Marmorar- chitraven, welche mit dem Fries zusammen ein Stück aus- machten, sind uns sieben erhalten, und von diesen wenigstens 1—3 vollständig. Sie waren nach drei Seiten hin profilirt: gegen aulsen, gegen innen (Fig. 10) und gegen unten (Fig. 8); Fig. 8 stellt die Front dieser untern Seite des Architravs vor, Fig. 9 dessen Profilirung. Die drei Flächen mit den punktir- ten Linien auf jeder der beiden Frontseiten (Fig. 10) stellen nicht glatt geschnittene, -sondern rauhe, gehämmerte, etwas hervortretende Flächen dar. In den Mafsen sind einige Diffe- renzen. Die Länge beträgt bei anderen Stücken 2,25; 2,36; 2,38; die glatten Theile der untern Front des Architravs, wel- che auf den Capitellen auflagen und bei Fig. 8. 0,27 und 0,30 370 Gesammtsitzung betragen, haben bei andern Stücken 0,32 oder 0,36. Wo die einzelnen Stücke über den Capitellen zusammenstielsen, haben sie das Aussehen, welches Fig. 10 zeigt: die beiden Flächen zu beiden Seiten sind glatt, die Mittelfläche gehämmert. Merk- würdig ist die Zusammenfügung der einzelnen Stücke. Wäh- rend einige Exemplare einfach rechtwinklig zugeschnitten sind, haben andere auf beiden Seiten die Ausschnitte, welche die punktirten Linien auf Fig. 8 angeben. In diesem Falle mufste noch ein kleinerer Ausfüllungsstein über dem Capitell sich be- finden (Fig. 11). Andere haben diesen Ausschnitt nur auf einer Seite, und die andere in einer geraden Linie zugeschnit- ten. Ein Stück zeigt eine kanalartige Aushöhlung, welche, da sie die Verzierung der unteren Fronte zerstört, aus späterer Zeit stammen muls. Auch die Art, wie die verbindenden Blei- klammern eingesetzt wurden, ist eine doppelte. Bei Fig. 10 sehen wir .nur eine grofse Öffnung oben, bei andern vier klei- nere Löcher in der Mitte. Endlich ist noch eines Architrav- fragments zu erwähnen, dessen Seitenfronten den übrigen, die unter sich alle gleich sind, nur ähnlich ist. — Die Marmor- karnielsstücke sind von dreierlei Art. Von der ersten Klasse zeigt Fig. 12 das Profil, Fig. 13 die Front. Der Rumpf, dessen Breite grade der obern Breite des Architravs entspricht, ist, da er oben auf dem Architrav auflag und über sich ein anderes Stück von gleicher Breite trug, daselbst weils geblie- ben, während die frei vorspringenden Theile vom Weiter ge- bräunt sind. Der Rumpf hat oben vier Klammerlöcher. Dem ähnlich sind noch zwei andere Stücke, von denen jedoch das eine, leider ganz im Wasser liegend, nech grölser ist (Länge: 4,40— 1,50) und seine beiden Löwenköpfe nicht an der Seite, sondern beide in der Mitte hat. Wie ist das möglich, da doch der nächste Löwenkopf unmittelbar links an Fig. 13 anschlie- fsen mülste®? Er schlofs also wohl rechts an. Von der zwei- ten Gattung, von welcher ein ganzes und vier Bruchstücke er- halten sind, zeigt Fig. 14 das Profil, Fig. 15 die Front. An seiner schiefgeschnittenen Querseite hat unser Exemplar glatte und gewürfelte Flächen und Klammerlöcher; deren finden sich aber auch oben auf dem vorspringenden Gesims, so dals dieses oben etwas anderes trug. Ein zweites Stück ıst 1,22 lang, vom 20. Juli 1865. 371 aber unvollendet; es fehlt die oberste Wellung und an einer Stelle ist die Eierverzierung nicht ausgearbeitet und der tiefe Raum zwischen den Zapfen nicht ausgehauen: dieses Stück ist grade geschnitten. Von der dritten Gattung ist nur ein Eck- stück erhalten (Fig. 21 und Profil Fig. 22), welches sehr kleine Mafse hat. Figur 19 stellt ein Stück marmorne Felderdecke dar, dessen Profilirtung Fig. 20 zu sehen ist; es giebt davon noch vier andere Bruchstücke, von denen das eine zeigt, dafs die einzelnen Blöcke dieser Lacunarien so grofs waren, dals sie 4—6 Felder enthalten. Fig. 16 ist wohl ein gleichartiges Fragment, sein Profil Fig. 17. Fig. 18 ist das Profil eines Marmorblocks, dessen Charakter nicht zu erkennen ist. Es sind nun auf dem Boden unseres gesammten Gebäudes noch folgende Sachen aufgefunden: Im Hof zwei Marmorbruchsteine, vielleicht Pilastern angehörig. | _ Zwischen 2 und » mehrere gewaltige Stücke einer fest zusammengekochten thon- oder cämentartigen mit Lavastücken versetzten Masse, welche vielleicht die gewölbte Decke bildete. Im Hof eine männliche Marmorstatue ohne Kopf, Hände und Fülse, in der. Toga, von einfacher Gewandung. Im Hof ein kleines Marmorstatuenbruchstück. Vier männliche Statuen, alle sehr grofs, aber durch nichts besonderes ausgezeichnet. Der Marmor ist nicht schön, die Arbeit einfach und mittelmälsig, die Gewandung ziemlich reich. Die zwei erhaltenen Köpfe stellen Portraits dar. Die hintere Seite ist überall sehr wenig ausgearbeitet, als ob die Sta- tuen bestimmt gewesen seien, vor einer Mauer oder in Nischen zu stehen. Ganz dieselben Eigenschaften hat auch eine weibliche Statue, welche bei jenen Pfeilern an der Mauer 4 gefunden wurde. Eine grofse Menge mitielmälsiger Thonlampen, meist mit obscönen Darstellungen. Endlich einige lateinische Inschriftenbruchstücke: 372 Gesammtsitzung 1. 2: 3. weilser Marmor. schwarzer Marmor. weilser Marmor. IBVNO F-C -!/-I RAEF LAS, DIC „GYM 4. 5. 6. He 8 DF 1-C c E IL Hr. Mommsen legte die handschriftliche Inschriftensamm- lung des Thomas Gammarus vor und theilte darüber folgen- des mit. In der öffentlichen Bibliothek in Stuttgart befindet sich eine handschriftliche Inschriftensammlung (cod. hist. oct. n. 25 von 197 Blättern nach der jetzigen ganz neuen Foliirung), die Hr. Oberbibliothekar Stälin mit gewohnter Freundlichkeit mir auf meine Bitte zu längerer Benutzung nach Berlin übersandt hat. Es ist ein kleiner Duodezband, der im J. 1805 mit der übrigen Bibliothek des Stifts Comburg nach Stuttgart kam'). Nach Comburg ist die Handschrift durch den gelehrten Dechanten des Stifts Erasmus Neustetter, genannt Stürmer von Schönfeld (+ 1594) gelangt, der die reiche Büchersammlung Oswalds von Eck, des bekannten Schülers und Verehrers des Joh. Aventinus, käuflich an sich brachte und sodann dem Stift zu- wandte. Dafs die Handschrift ehemals in Ecks Bibliothek sich be- funden hat, bezeugt dessen vorn eingezeichneter Name (Osualdi ab Eghk); auch einige aus Aventins Collectaneen entnommene Notizen so wie verschiedene moderne Inschriften hat derselbe hie und da hinzugeschrieben. Die Jahrzahl 1572, welche dem auf dem Deckel befindlichen aus den Buchstaben O(swald) V(on) E(ck) zusammengesetzten Monogramm untergesetzt ist, mag wohl darauf gehen, dals in diesem Jahr ein Verzeichnils der Eckschen !) Vgl. Gräter über die Merkwürdigkeiten der Bibliothek des ehe- maligen Ritterstifis Comburg am Kocher (Bragur 8, 224 fg.). wo auch diese Handschrift $. 258 N. 131 verzeichnet ist. Monatsbericht, Juli 1865 | L. er) VAV ; b VA F Hi vr i 7 ) B z \\ \ \\ \\\\ | m \ III: 7 j u | ou B ) 7 \ I M G A 7 ; H D) ; 4 2 2 | Y y VURHEERRDEEIEEEEDEEEREEEIEEEEDDIEEEDOIEDDG EEE | ZOHILELEESTLLESTLIELEGILESERSESEEED. SBEIEBRSER TEL, A | g ÜRRIDDDRDDERRINEN R 7 Q NG EEE DEZE ser 9 II ; / 7 N em an 2 9 / < U y ) ie rzemznereaechre N ) AN ) / / 7 7 y % ER, 2 7 7; 2 / / 7 v, A j y 7 7 j N = A ‚ 7 y A Ds u 9 IE / ) NM 4 v ) 9 4 1 Y D : | Sun, u M ; [& Y D i Y p 4 7 j Alt u 7. ö I. N) oo = Au 4 7 Y e Y 2 4 y 7 ir 0 k Se E70, | [TI G : a Y 1% ) a A| 99 \ /) S / A . rd I | —— vd / L A ALLLGLELEEI22 EREIGNETE ZUREEDTEDEEEEIDEREDEUGEBEELELDEEERERNIDEERITDEEEIDIDEIETTELLDUIITEDDEETLEHIE, S c AV. ZERDIENEEDEDEEIEEEEIO GEREGELTEN, u < >U ISIS N N BEESEESSSESSFFFFTS N N N N & SISTERS % d U —- BEN N N ERZERTTE < Tr. Breite 0,85 HERE, MERERTEMEREREZ 78. F \kaoeoveo pooeoone \eeooe.o eoooo.@ } |joe oo®e eo oose) N De Da Ä e ER BER f eg I Jg —E vom 20. Juli 1865. 373 Bibliothek aufgenommen ward; denn Eck gerieth bereits 1564 in Concurs, wobei die Gläubiger auch auf seine Bibliothek die Hand legten, und starb 1573 '). Den Namen des Sammlers er- giebt die Notiz Bl.195: Mense Septemdris MCCCCCFII Thomas Sclaricinus Gamarus lbellum hunc, ubi antiquorum ob- servaliones continentur, Francisco Bascherio Carpensi dono dedit. Si aliqua inemendaia passim offendes, longevo tempori rerum depravatori et sceriptorum imbecilitati convicia danda: ne me, qui omnia exaravi simillima, laceret malus vociferator. Vale. Die Heimath des Sammlers erfahren wir daraus, dafs er Bl. 42 von einer bekannten Bologneser Inschrift (Henzen 7046) bemerkt: in fundina fornacum inventum extra portam S. Felicis urbis Bononie: emptum ab me T. S. Gammaro a Iudeis, qui dede- rant: operam has litteras delere et in memoriam affınis morlui suas imprimere?). Dazu kommt, dals auf Bl.39, wo von der Hand des Philipp Beroaldus zwei Epigramme desselben einge- schrieben sind *), Gammarus mit seiner Hand darunter bemerkt: carmina Philippi Beroaldi conterranei mei, iuvenis ita humanita- is studüs eruditi, ut eo doctior in Italia nemo haberetur: Be- roaldus aber (1453—1505) war ein Bologneser (Tiraboschi stor. 6, 2, 391 der röm. Ausg.). Also ist die Sammlung in den letzten ‘) Vgl. Wiedemann, Joh. Turmair genannt Aventinus S. 72. *) Auch Lilius (f. 2) sagt von demselben Stein: invenfum fuit extra portam S. Felicis et emptum a Domino Thomae (so) Gammaro. *) Die Einzeichnung des Beroaldus lautet so: Andreas nomen. gens Roscia. Felsina gignit. Verona extinguit. Ars mea Martis opus. Epitaphium D. Matthei Faventini. Regulus Arcadici pecoris et primus agaso Atque Faventini gloria rara soli Mattheus perüt. lachrymas asinarius omnis Fundat: nec cessent rudere nunc asini. Qui vivens pandos agitare solebat asellos Hic debet Stygios nunc agitare greges. Philippi Beroaldi carmen scripsi mea manu pridie cal. Juli 1489 agens magistratum consularem. In der That war Beroaldus 1489 einer der Anziani von Bologna. S. Fan- tuzzi.ser. Bolognesi 2, 115. 374 Gesammtsilzung beiden Decennien des 15. und in den ersten Jahren des 16. Jahr- hunderts in Bologna entstanden; wie denn auch eine nach dem Zeugnils des Lilius (cod. Guelf. f. 3) im J. 1501 unweit Bo- logna gefundene Inschrift (Orell. 3341) bei unserem Gammarus in den Nachträgen (f. Trev. 29) aufgeführt wird als paulo ante in- ventum, und von gedruckten Büchern, so viel ich gesehen habe, nichts benutzt ist als Tortellius Orthographie (zuerst 1477) und Politians Miscellaneen (zuerst 1489).— Über den Sammler handelt mit gewohnter Sorgfalt Fantuzzi (scrittori Bolognesi 4, 50). Tommaso aus dem Geschlecht degli Sclarici dal Gambaro, ge- boren 1454 oder 1455, gestorben 1525 oder 1526, war Rechts- lehrer an der Universität zu Bologna von 1481 bis 1506, nahm im J. 1495 die geistlichen Weihen und starb als Canonicus der Kathedrale von Bologna. Er war nicht blofs Jurist, sondern auch Doctor der Philosophie und Dichter, überdies ein geschick- ter Zeichner und Former, wie seine Grabschrift rühmt: ad phi- losophorum et iure consultorum disciplinas, quibus in omnibus excellebat, pingendi sculpendi excudendi aique ex omni materia fingendi .... incredibilem peritiam adiunxerat. Benutzt ist die Sammlung meines Wissens nur von Mal- vasıa, der in den marmora Felsinea (1690) öfter die ihm von dem Arzt Lodovico Laurenti geschenkte (p. 695) Hand- schrift des Thomas Gammarus anführt. Natürlich mufs dies ein zweites von dem unsrigen, schon zu Anfang des 16. Jahr- hunderts, wie wir sehen werden, nach Deutschland gelangten verschiedenes Exemplar gewesen sein; und wenn das Stuttgarter unzweifelhaft autograph ist und wenigstens bei den von Gam- marus selbst abgeschriebenen Steinen die Zeilenabtheilung ein- hält, so wird das von Malvasia benutzte, bei dem letzteres nicht der Fall war (s. Malvasıa p. 173), vermuthlich Schreibercopie gewesen sein. Wo Malvasias Handschrift hingekommen ist, hat Fantuzzi (4, 53) nicht in Erfahrung bringen können und auch mir ist weder auf den Bologneser Bibliotheken noch anderswo eine Spur derselben begegnet. Die jetzt in Stuttgart befindliche Handschrift ist aber bereits geraume Zeit vor dem J. 1572 ın Deutschland gewesen ; denn bei ge- nauer Untersuchung zeigte sie sich als das Original eines ansehnli- chen und wichtigen Theils der von Konrad Peutinger (1465— vom 20. Jul 1865. 319 1547) eigenhändig geschriebenen epigrapbischen Collectaneen, die aus der Halderschen in die Stadtbibliothek von Augsburg gelangt und der K. Akademie für das Inschriftenunternehmen mit der zuvorkommendsten Liberalität auf längere Zeit zum Gebrauche verstattet worden sind. Der ganze Abschnitt nehmlich Bl. 1—46 des Peutingerschen Bandes N. 526 bis dahin, wo die transalpi- nischen Inschriften beginnen, ist nichts als eine Abschrift der Sammlung des Gammarus, freilich mit manchen Auslassungen und so gemacht, dafs die Reihen durch einander geworfen und die bei Gammarus in verschiedenen derselben beibehaltene Zei- lenabtheilung durchgängig von Peutinger vernachlässigt ist. Vielleicht erhielt Peutinger das Original, das er copirte, von dem (heutzutage freilich vergessenen) Vater der Epigraphik in Deutschland, dem Augustinus Tyfernus ım Wien, dem “ er überhaupt den grölsten Theil seiner Sammlungen ver- dankte. Denn bei der letzten Inschrift, die er dem Gammarus entnommen hat, einem Stein von Terni, ist beigemerkt "ego Thu- (fernus) id legi” und unmittelbar darauf folgen Inschriften aus Wien; so dals es einigermalsen wahrscheinlich wird, dals Ty- fernus, dessen Beziehungen zum Jucundus und überhaupt zu der italienischen Epigraphik jener Zeit bier nicht dargestellt werden können, auch diese Handschrift über die Alpen gebracht hat. Wenigstens steht es fest, dals die Handschrift, bald nachdem sie im J. 1507 in den Besitz des Franciscus Bascherius von Carpi übergegangen war, nach Deutschland gekommen sein mufs und dafs Tyfernus eben im J. 1507 in Neapel sich aufgehalten hat und kurz darauf von da nach Wien zurückgegangen ist. Sie gehört also zu den ältesten Vermittlern, die den deutschen Ge- lehrten die Ergebnisse der in Italien begründeten Epigraphik zu- gebracht haben. Jedoch ist meines Wissens von ihr weder für die apianische Sammlung noch für eine andere zum Druck gelangte bisher in Deutschland Gebrauch gemacht worden, und auch Malvasia, der sie genutzt hat, hat das eigentlich Brauch. bare darin kaum berücksichtigt. Aber die Stuttgarter Handschrift ist defect: es sind, ohne den Band zu ändern, an mehreren Stellen mit grolser Geschick- lichkeit Blätter aus derselben herausgenommen worden. Dies zeigen sowohl äufsere Spuren, z. B. vor Bl. 11. 16. 150. 184, 376 Gesammtsitzung als auch der Inhalt; wie zum Beispiel Bl. 250 die Reihe der Parmenser Inschriften beginnt mit der Ortsangabe: in eodem S. Alexandro und Bl. 123 von einer Veroneser Inschrift ‘in Sanczo Proculo‘, die in den verwandten Sammlungen aus zwei gezeichneten Tafeln zu bestehen pflegt, hier nur die zweite Hälfte mit der Überschrift Proculo sich vorfindet — offenbar stand die erste Hälfte der Inschrift nebst der ersten Hälfte der Ortsangabe auf der Rückseite eines jetzt fehlenden Blattes. Dasselbe bestätigt die Vergleichung der Peutingerschen Abschrift. — Nun hat es der Zufall gefügt, dafs gleichzeitig mit jener Stuttgarter eine andere epigraphische Handschrift, die Hr. Jaffe in der Stadtbibliothek in Trier aufgefunden hatte, mir auf meine Bitte von dem dortigen Bibliothekar Hrn. Schömann hieher übersandt worden war. Dies ist eine Handschrift gröfsten Formats, aus 14 Blättern be- stehend, von denen aber die ersten drei zusammengesetzt sind aus 30 Duodezblättern von dem Format der Stuttgarter und offenbar eben den dort fehlenden — beispielsweise geben die Trierer (Duodez-) Blätter 18. 12 den vermifsten Anfang der Parmenser Inschriften, Bl. 9 die fehlende Hälfte der eben er- wähnten Veroneser Inschrift. Die Grofsfolioblätter der Trierer Handschrift 4—13 sodann sind nichts als eine Abschrift des- jenigen 'Theils der Handschrift, der noch in Stuttgart sich be- findet, von einer Hand des achtzehnten Jahrhunderts. Man bemerkt, dafs unter den nicht copirten, sondern ausgeschnitte- nen Blättern die meisten ziemlich sorgfältig gemachte Zeich- nungen enthalten, Belege zu der pingendi peritia, die das Epi- taphıum dem Gammarus nachrühmt; was offenbar der Grund war, welshalb der Abschreiber es vorzog sie zu entwenden. Auf der Rückseite des dreizehnten Blattes stehen von derselben modernen Hand 'epitaphia VVormatiae a me inventa et lecta 1773°, alle modern; auf dem letzten Blatt findet sich eine An- zahl römischer und mittelalterlicher Inschriften von Worms in Facsimiles, die aber nicht von den Originalen, sondern von den Tafeln in Schannats Aistoria episcoporum VVormatiensium (1734) genommen sind. — Von wo diese Handschrift in die Trierer Bibliothek gekommen ist, vermag ich nicht anzugeben; die Ver- muthung aber kann ich nicht unterdrücken, dafs der Schreiber der- selben kein anderer gewesen sei als der Freiherr von Hüpsch vom 20. Juli 1865. 377 a (1726—1805), bekannt als Verfasser der Epigrammatographie der niederdeutschen Provinzen (1801) und mehr noch als langjähri- ger eifriger Sammler aller möglichen naturhistorischen wie litte- rarischen Quriositäten. Nicht blofs die Zeit stimmt und die gleichmäfsig den antiken wie den mittelalterlichen Inschriften zugewendete Thätigkeit des Sammlers, sondern es erklärt sich auch unter dieser Voraussetzung eine wunderliche Notiz dessel- ben in der Vorrede jener Epigrammatographie (1, 17): ‘Ich be- “sitze” — sagt Hüpsch — in meiner Sammlung von alten “Handschriften ein antiquarisches Manuscript, welches eine Menge “römischer Steinschriften, auch einige griechischen etc. enthält, ‘die von einem meiner Anverwandten auf seinen Reisen durch ‘Italien, Deutschland und andere europäische Länder im XV. Jahr- ‘hundert gesammelt wurden” Diese Handschrift ist seitdem ver- schollen; in Darmstadt wenigstens, wohin Hüpschs Sammlungen im Wesentlichen gekommen sind, habe ich vor einigen Jahren nach derselben sorgfältig, aber umsonst gesucht. Sollte es die jetzt in Trier befindliche sein? Die Beschreibung trifft voll- kommen auf dieselbe zu; nur dafs freilich die Autorschaft des “Anerwandten des Hrn. von Hüpsch aus den Blättern sich keines- wegs entnehmen lälst. Aber die Existenz eines solchen deut- schen Cyriacus im funfzehnten Jahrhundert wird es wohl auf alle Fälle erlaubt sein als durchaus problematisch zu betrachten; und sollte wirklich derjenige, der im vorigen Jahrhundert die Bibliothek des Stifts Comburg nach derselben Methode behan- delt hat, welche von unseren Zeitgenossen, den Herren Simoni- des und Mynoides Minas mit Glück in griechischen Klöstern an- gewandt wird, der Freiherr von Hüpsch sein, so begreift man sehr gut, dals dieser alle Ursache hatte seinem adlichen Stammbaum einen gelehrten Reisenden des funfzehnten Jahrhunderts beizufügen. Allerdings ist dies nur eine Vermuthung, kein Beweis und es soll mich freuen, wenn sie widerlegt werden kann und das Andenken ‘eines fleilsigen Sammlers, gegen den bisher meines Wissens ein Vorwurf dieser Art nirgends erhoben worden ist, von dem aus- gesprochenen Verdacht gereinigt wird; die Inzichten aber schei- nen bedeutend genug um dieselben, wie sie sind, in die Öffent- lichkeit zu bringen und den Sachverständigen, namentlich in Trier und Darmstadt, zur Erwägung anheim zu geben. [1865.] 29 378 Gesammtsitzung Über den Werth der Sammlung des Gammarus selbst füge ich nur wenige Bemerkungen hinzu. Sie besteht aus sehr ver- schiedenartigen Bestandtheilen, die sich aber ziemlich bestimmt von einander sondern und dadurch der Kritik eine haltbare Grund- lage gewähren. Was in Minuskel und ohne Zeilenabtheilung in der Handschrift sich vorfindet (und es füllt dies ungefähr die erste Hälfte derselben), ist wesentlich geflossen aus ziemlich un- tergeordneten und miscellanen Sammlungen des 15. Jahrhunderts und wird zu beseitigen sein. Bemerkenswerth indels ist es, dals unter dieser Masse zum ersten Mal die vollständige Sammlung des Pomponius Laetus (1429—1498) begegnet, bezeichnet am Anfang (Bl. 58): Rome inventa et Pomponiü cura exposita elima- zaque, am Schluls (Bl. 75): fnis epühaphis Romanorum datus cura Pomponii achademieci Romani castigatis. Das Verhältnils der pomponischen Sammlung des Gammarus zu den im cod. Vat. 3311 Bl. 173—180 enthaltenen Überresten einer solchen, die als Autograph des Laetus gilt, vermag ich nicht zu be- stimmen; aber es ist kein Grund ın die eben beigebrachte Angabe des Gammarus, eines Zeitgenossen des Laetus, Zwei- fel zu setzen. Die von Gammarus als die des Laetus mitge- theilte Sammlung umfalst meistens, obwohl nicht ausschliefslich stadt- römische Steine; die berühmte Mummiusinschrift von Rieti, deren Lesung bekanntlich auf Pomponius zurückgeht, findet sich Bl. 74, auch hie. und da eine commentirende Notiz, z. B. Bl. 67 über die Lage von Peitau, und häufig Erklärungen der griechischen Frei- gelassenennamen aus dem Griechischen. Viel wird man von diesen Collectaneen sich nicht versprechen dürfen, da sie deutlich gröfsten- theils aus den damals circulirenden Sammlungen geflossen und of- fenbar eine Auswahl derjenigen Inschriften sind, die Pomponius für sich und seine Zuhörer von Interesse fand. Aber es ist immer nütz- lich, zumal da ja Pomponius, freilich ohne jeden Grund, unter den Fälschern figurirt, die Inschriftensammlung des einflulsreichen rö- mischen Akademikers vollständig zu kennen. — Wichtiger für den Epigraphiker sind diejenigen Abschnitte des Gammarus, die sich auf Cyriacus zurückführen lassen. Die beiden Bologneser Sammler, unser Gammarus und sein gleichzeitiger Landsmann Jacob Lilius'), müssen einen um 1490 in Bologna aufbewahr- 1) Über diesen wenig bekannten Sammler vgl. Fantuzzi (scr. Bologn. vom 20. Juli 1865. 379 ten, späterhin aber verschollenen werthvollen Band des Cyriacus benutzt haben und sind durch ihre Auszüge aus demselben, die sich gegenseitig ergänzen, noch heute wichtig. So finden wir die vier lateinischen oder lateinisch-griechischen noch bis auf den heutigen Tag sämmtlich ungedruckten Inschriften, die Cyriacus in Ephesus abschrieb, abgesehen von der Handschrift Riccard. 996, die Auszüge aus dem betreffenden Reisejournal des Cyriacus selbst giebt, nur in zwei Inschriftiensammlungen: in derjenigen des Lilius, der jedoch (f. 188) nur eine dieser Inschriften, und in der des Gammarus, der alle vier (Stuttig. f. 187; Trev. f. 23) verzeichnet. Ebenso stimmt die grolse und wichtige Sammlung von Veroneser Steinen bei Lilius und Gammarus wie ın allem übrigen so auch darin überein, dals sie die Ortsangaben in der ursprünglichen italienischen, nicht in der späteren latinisirten Fassung bringt; auch diese rührt wahrscheinlich von Cyriacus her. Aufser diesen sind besonders hervorzuheben die Reihen von Istria, die vermuthlich auch auf Cyriacus zurückgeht, die von Parma und gegen das Ende der Handschrift eine werthvolle stadtrömische Sammlung, welche alle mit Zeilenabtbeilung und meist in Quadratschrift bei Gammarus vorliegen und für die Redaction der betreffenden Abschnitte wahrscheinlich nützliche Dienste leisten werden. Dagegen sind die Originalcopien, die Gammarus giebt, zwar brauchbar, aber wenig zahlreich und be- schränken sich fast ausschlielslich auf Bologna. Man sieht, wie manche epigraphisch wichtige Handschrift noch in den kleineren deutschen, besonders süddeutschen Biblio- theken sich verbirgt und wie wünschenswerth es wäre, wenn die 4, 152). Jacopo Giglio ward geboren 1448 und starb 1513 oder doch bald nachher; wenigstens schlielst mit diesem Jahr seine italienisch ge- schriebene cronaca. Von seiner Inschriftensammlung habe ich drei Hand- schriften untersucht: eine in Wolfenbüttel Zelmst. 631, eine in Rom Vat. 5238 (nicht 5228, wie Fantuzzi angiebt) und eine in Bergamo Gab.T.. ‚fila 3I. 14; die erste indels (von Reinesius unter dem Namen der schedae Langermanni benutzt) hat allein Autorität und ist vielleicht autograph. Die Zeit der Abfassung ergiebt sich ungefähr daraus, dals f. 2. 3 bei Bo- logneser Iuschriften die Jahrzahlen 1510. 1511 genannt werden. -An sich ist sie sehr roh und schlecht und hauptsächlich nur werthvoll durch die in ihr aufbehaltenen guten Cyriacana. 29* 380 Gesarnmtsitzung Gelehrten, die sich für epigraphische Dinge interessiren, den- selben ihre Aufmerksamkeit mehr, als bisher geschehen, zuwen- den wollten. Wir haben in Deutschland zu den Vortheilen auch die Nachtheile der Decentralisation; es giebt keine Verzeichnisse der Handschriften unserer Bibliotheken zweiten und dritten Rangs nach Art des französischen Handschriftenkatalogs der Departements, und es ist dem Zufall überlassen, ob das werthvolle Material, das sie bewahren, zum Vorschein kommt oder nicht. Dagegen fehlt es zum Glück bei uns auch an den kleineren Orten nur selten an fähigen und fleilsigen Forschern. Möchten diese nach Mög- lichkeit an die Stelle des Zufalls die planmälsige Durchforschung treten lassen! Hr. Magnus machte die folgende Mittheilung von einer in seinem Laboratorium durch Hrn. Vilları aus Neapel aus- geführten Untersuchung: Über die Änderungen welche. in magnetischen Stäben das Ziehen hervorbringt so wie das Hindurchleiten eines galvanischen Stromes. Matteucci giebt an‘), dals wenn man einen Stab von hartem Eisen, der mittelst einer umgebenden Spirale magnetisirt ist, zieht, der Magnetismus des Stabes wächst. Hört der Zug auf, so vermindert sich wiederum der Magnetismus. Stellt man denselben Versuch mit weichem Eisen an, so verhält sich dies nach Matteucci umgekehrt. Ist die magnetisirende Spi- rale nicht in Thätigkeit, so verursacht eine Ziehung ebenfalls eine Vermehrung des Magnetismus, das Nachlassen eine Ver- minderung. Wertheim?) hat die Versuche Matteucci’s wieder- holt, findet aber die Resultate desselben nur bestätigt wenn die magnetisirende Spirale in Thätigkeit ist. — Er giebt aber zu- gleich an, dals die beobachtete Ablenkung des Galvanometers um so geringer sei, je öfter die Ziehung wiederholt, und je mehr also der Drath gerade gerichtet sei. Es ist ihm daher *) Annales de Chim. et de Physique. Ser. 3. LIII. 416. *) Annales de Chim. et de Physique. Ser. 3 L. 421. vom 20. Juli 1865. 381 zweifelhaft ob bei vollkommen geradem Drath eine Ziehung den Magnetismus des Drathes ändere. Da weitere Angaben über das Ziehen nicht vorlagen, so schien es wünschenswerth einige neue Versuche hierüber anzu- stellen, um die Verschiedenheit in den Versuchen Matteucci’s und Werthheim’s aufzuklären. Der Apparat, den der Ver- fasser hierfür anwandte, bestand, ähnlich wie der Matteucci’s, aus zwei Spiralen, einer magnetisirenden und einer induciren- den, in welche letztere ein Spiegelgalvanometer, nach der Con- struction von Wiedemann, mit verschiebbaren Rollen einge- schaltet war. Man milst mit dieser Methode nicht die jedesmalige Grölse des Magnetismus des Eisen- oder Stahlstabes, sondern die induci- rende Wirkung welche eine Änderung desselben hervorbringt. Um Änderungen handelt es sich aber auch nur in der folgen- den Untersuchung und diese lassen sich durch die Induction, die sie hervorbringen, sehr wohl bestimmen. Der angewandte Apparat war folgender: Die beiden Spiralen steckten ganz fest in einander, und waren in einem Gestell, das auf einem Tische stand, sehr gut befestigt, und zwar so, dals die gemeinschaftliche Axe dersel- ben von Ost nach West lag. Das Galvanometer war 4 bis 5 Meter von den Spiralen entfernt aufgestellt. Der Stab von Stahl oder Eisen, der zum Experimentiren dienen sollte, befand sich innerhalb der inneren Spirale. An den beiden Enden des Stabes waren zwei dicke Messingdräthe angelöthet, oder ange- schraubt. Damit weder diese Dräthe noch der Stab, an dem sie befestigt waren, sich seitlich bewegen konnten, gingen sie durch zwei Holzstücke, die ganz fest mit dem Gestell verbun- den waren, in dem sich die Spiralen befanden, aulserdem gin- gen sie durch Korke, die in die Enden der innern Spirale steckten. Der eine derselben war mittelst einer Schraube an dem Gestell befestigt, an dem andern befand sich ein Seil, welches über eine Rolle ging und mittelst eines Hebels durch 240 Pfund gespannt werden konnte. Überdies waren die Stahl- und Eisenstäbe, bevor sie in den Apparat eingesetzt wurden, so genau als möglich gerade gerichtet, und auch nachdem sie eingesetzt waren, wiederholt 382 Gesammtsitzung ausgezogen, und blieben endlich, damit sie sich auch wirklich gerade erhielten, mit 40 Pfund gespannt. Die beiden angewandten Spiralen waren auf Messinghülsen gewickelt, die der Länge nach aufgeschlitzt waren. Die äulsere magnelisirende Spirale, die aus besponnenem Kupferdrath von 2,4”” Durchmesser bestand, hatte eine Länge von 580”” und 225”” äufseren und 110” inneren Durchmesser. Die innere Spirale bestand aus umsponnenem Kupferdrath von 1”” Dicke und hatte eine Länge von 600”", von 30”” äufserem und 19”” innerem Durchmesser. Die angewandien Stahl- und Eisenstäbe waren sämmtlich um mehrere Centimeter kürzer als die innere Spirale. Aufser- dem wurde bisweilen auch ein kleinerer Apparat von ganz ähn- licher Construction benutzt. Zunächst wurden Versuche angestellt bei geschlossener mag- netisirender Spirale. Diese haben zu folgenden Resultaten ge- führt. - Wenn ein Stab von Eisen oder Stahl sich unter der Ein- wirkung einer magnetisirenden Spirale befindet, und man zieht denselben plötzlich, so vermehren die_ersten Tractionen und gewöhnlich auch die ersten Detractionen den Magnetismus des Stabes, bis derselbe eine gewisse Grölse erreicht, bisweilen er- reicht er diese schon durch die erste Traction. Hernach ver- mindern die Tractionen den Magnetismus wenn der Stab dünn, und stark magnetisirt ist, während die Detractionen ihn um ebensoviel vermehren. Als Beispiel möge die folgende Ver- suchsreihe dienen. Stahlstab 495"” lang, 6”",6 Durchmesser. Die magneti- sirende Spirale geschlossen durch 7 Danielsche Elemente. Grölse des Ausschlages Zahl der bei der Ziehungen. Traction. | Detraction. ite + 200 + 16 2te — 15 + 25 $te — 8 + 30 Ate — 25 + 25 Ist der Stab dick, und nicht stark magnetisirt, so vermehren vom 20. Juli 1865. 383 die späteren Tractionen den Magnetismus, während die Detrac- tionen ihn um ebensoviel vermindern. Ist die magnetisirende Spirale, nachdem sie auf einen Stahl- stab eingewirkt hat, geöffnet, und wird dann der Stab wieder- holt gezogen, so vermindern die ersten Tractionen und Detrac- tionen seinen Magnetismus bis zu einer gewissen Gröfse, die späteren Ziehungen vermindern ihn dann, während die Detrac- tionen ihn um ebensoviel vermehren. Als Beispiel möge fol- gende Versuchsreihe dienen. Eisen 200”” lang, 3”” ım Durchmesser. Grölse des Ausschlages Zahl der bei der Ziehungen. Traction. | Detraction. ite — 250 — 54 2te — 20 — 0 dte —- 10 — 0 dte —- 10 +5 ste — 1 u 6te — 10 + 8 Tte —- 10 + 10 Ist dagegen ein Stab von weichem Eisen durch die mag- netisirende Spirale magnetisirt und wird derselbe, nachdem: die Spirale geöffnet, wiederholt gezogen, so bringen die ersten Tractionen und Detractionen auch eine Verminderung des Mag- netismus bis zu einer gewissen Gröfse hervor, die späteren Tractionen vergrölsern den Magnetismus, während die zugehö- rigen Detractionen ihn um ebensoviel vermindern. Es geht hieraus hervor, dals in den späteren Ziehungen das Eisen sich umgekehrt wie Stahl verhält. Da sich in den Versuchen mit geschlossener Spirale ergiebt, dals die Gröfse des Magnetismus den Sinn der Ausschläge der späteren Ziehungen bedingt, so liegt die Annahme nahe, dafs die Verschiedenheit bei Stahl und Eisen, welche sich bei geöffneter Spirale in den späteren Zie- hungen zeigt, ebenfalls durch die Verschiedenheit ihres Mag- netismus bedingt ist. Denn der Stahl behält eine grolse Menge remanenten Magnetismus, das Eisen nur wenig. Es finden sich übrigens alle Übergänge vom weichen Eisen bis zum harten 384 Gesammtsitzung Stahl, daher kommen nicht gehärteter Stahl und gehärtetes Ei- sen vor, die sich beide dem gehärteten Stahl gleich verhalten. Man kann aber auch dem Stahl so geringen remanenten Magnetismus ertheilen, dafs sich derselbe wie Eisen verhält. Dies ist zwar nicht möglich dadurch, dafs man dem Stab durch Demagnetisiren einen Theil seines remamenten Magnetismus entzieht, wohl aber dadurch dals man den Stab erst ın dem einen Sinne magnetisirt und dann im entgegengesetzten Sinne, so dals derselbe schwach magnetisirt im Sinne des letzten Stro- mes bleibt. Zieht man jetzt den Stab, so verhält er sich in seinen späteren Perioden gerade wie Eisen. Man kann also, wie aus dem Angegebenen hervorgeht, in den Wirkungen des Ziehens zwei Perioden unterscheiden. Die erste derselben reicht so weit, als Traction und Detraction in glei- chem Sinne verändernd wirken, in der zweiten finden diese Veränderungen im entgegengesetzten Sinne statt. Offenbar liegt die Grenze der beiden Perioden da, wo bei magnetisiren- der Spirale das Maximum des Magnetismus und bei geöffneter das Minimum desselben eingetreten ist. In der ersten Periode bringen bei magnetisirender Spirale Tractionen und Detractionen sowohl bei Stahl als bei Eisen eine Vermehrung des Magnetismus hervor; ist dagegen die mag- netisirende Spirale unterbrochen, so bringen Tractionen und Detractionen eine Verminderung hervor. In der zweiten Periode vermindern, wenn die magnetisi- rende Spirale in Thätigkeit ist, die Tractionen den Magnetismus und die zugehörigen Detractionen vermehren ihn, sowohl bei Stahl wie bei Eisenstäben, wenn dieselben dünn sind, oder der magnetisirende Strom stark ist; sind die Stäbe dagegen dick oder der Strom schwach, so findet das Umgekehrte statt. Bei ganz hartem Stahl findet beim Ziehen immer eine Verminderung statt, und beim Nachlassen eine Vermehrung. Ist die magnetisirende Spirale unterbrochen, so findet in der zweiten Periode, bei Stahl und hartem Eisen eine Vermin- derung des Magnetismus durch die Ziehung statt, und eine Ver- mehrung durch das Nachlassen. Weiches Eisen verhält sich umgekehrt. — Die erste Periode bietet keine Schwierigkeiten für die Er- klärung. Eine Ziehung wirkt in derselben ebenso, wie andere k vom 20. Juli 1865. 385 mechanische Erschütterungen, Schlagen, Torsion oder Biegen des Stabes. Sie bringt nämlich wie diese, bei geschlossener Spirale stets eine Vermehrung, bei geöffneter eine Verminde- rung des Magnetismus hervor. Man kann in der That die erste Periode, statt sie durch "Ziehen hervorzukringen, durch Erschüttern, Schlagen und der- gleichen ersetzen, so dals, wenn man nach dem Erschüttern zieht, nicht die erste, sondern gleich die zweite Periode auf- tritt. — Ebenso kann man durch einen sehr starken magnetisiren- den Strom die erste Periode umgehen, und beim Ziehen gleich die zweite erhalien. In Bezug auf die erste Periode ist aber noch ein Umstand zu berücksichtigen, auf den Wiedemann zuerst bei der Tor- sion aufmerksam gemacht hat, und der sich bei der Anwendung des Zuges ebenso zeigt. Magnetisirtt man nämlich einen Stab mittelst eines Stromes, und sendet dann durch die Spirale einen Strom in entgegengesetzter Richtung, der die erste Magnetisi- rung theilweis aufhebt, zo bedingt die Stärke des Letzteren, ob nach Aufhebung desselben der im Stab zurückgebliebene‘ Magnetismus durch Ziehen vermehrt oder vermindert wird. Ein Stahlstab 490” lang, 6.6”” dick wurde durch drei Bunsen’sche Elemente magneltisirt, wenn er sodann nach Unter- brechung des Stromes gezogen wurde, so verminderte sich der Magnetismus wenn die Ziebung nachliefs. Wurde der Stab, nachdem er durch 3 Bunsensche Elemente magnetisirt war, mittelst 3 Da- niellscher Elemente zum Theil demagnetisirt, so vermehrte sich nach Unterbrechung des Stromes beim ersten Ziehen sein ur- sprünglicher Magnetismus und ebenso beim ersten Nachlassen. Durch 3 Buns. Elem. magneti- Durch 3 Bunsensche Elemente magnetisirt | sirt und durch 3 Daniell. Elem. demagnetisirt | Tract. | Detraction. Traction. | Detraction. ite| — 75 — 10 + 35 + 22 desgleichen dite| — 60 — 12 + 60 + 22 desgleichen 1te | — 65 — 0 + 39 +20 Wurde der Stab nur durch einen sehr schwachen Strom demagnetisirt, so trat diese Änderung nicht ein. — Dals die Veränderungen des Magnetismus beim ersten Ziehen auf Er- 386 Gesammtsitzung schütterungen zurückzuführen sind, geht noch aus folgendem hervor. Ist der magnetisirende Strom langsam unterbrochen worden, so nimmt der Magnetismus des Stabes beim Ziehen in grölserem Maalse ab, als wenn die Unterbrechung plötzlich ge- schehen ist. Dies ist vollständig erklärt durch die Annahme, dafs die plötzliche Unterbrechung als eine Erschütterung wirkt. Um den Strom langsam zu unterbrechen befanden sich zwei Zink- scheiben, durch deren Berührung der Strom geschlossen war, in einer Lösung von schwefelsaurem Zinkoxyd, die in einer langen Glasröhre enthalten war. Die eine dieser Scheiben wurde langsam in dieser Flüssigkeit von der andern fortbewegt und schlielslich ganz herausgehoben. Die Phänomene der zweiten Periode lassen sich nicht mit der Leichtigkeit wie die der ersten erklären, oder auch nur mit bekannten andern Erscheinungen in Zusammenhang bringen. Die Tractionen und Detractionen können in dieser Periode nicht als blolse Erschütterungen wirken, denn dann würde die Verschiedenheit bei starkem und schwachem Strom sich nicht erklären lassen, ebensowenig genügt die Annahme von Tempe- raturveränderungen zur Erklärung. Der wesentliche Einfluls den wie oben erwähnt die Stärke des magnetisirenden Stromes auf die zweite Periode ausübt, lälst sich aber auf die folgende Er- scheinung zurückführen. Es ist bekannt, dals in einem, durch einen Strom magnetisirten Stabe in jedem Querschnitt der Magnetismus an der Peripherie gröfser ist als im Innern. Der Verfasser hat nun versucht gleichsam mit den peripherischen und centralen Moleculen eines Stabes gesondert zu experimen- tiren. In eine Eisenröhre wurde ein ebenso langer Eisenstab mit Korken befestigt und beide zusammen in die inducirende Spirale des Apparates eingesetzt. Darauf wurde einmal die Röhre an die den Zug vermittelnden Messingstücke angeschraubt, das an- dere Mal der Drath, und wenn beide zusammen magnetisirt wa- ren, wurde der befestigte Theil gezogen. Dadurch wurde ein- mal nur der äulsere Theil des Querschnittes, das anderemal nur der innere gezogen. Röhre von Eisen 500”” lang, äufserer Durchmesser 13.””5, innerer 8.””2, Eisendrath im Innern der Röhre, lang 495””, dick 4.””4, die magnetisirende Spirale geschlossen durch 387 vom 20. Juli 1865. 5 Bunsensche Elemente. 3 Bunsensche Elemente, 2 Bunsensche Elemente. Ziehung: Ziehung Ziehung des Rohres des Stabes des Rohres des Stabes des Rohres des Stabes Traction. | Detract. Traction. | Detract. | Traction. | Detract. | Traction. | Detract. J Traction. | Detract. Traction. | Detract. 1tel+ 20 | + 107 | -+390 | +40 I-+310 | +15 |-+ 1000| — 95 | + 1000 | — 100 | -+ 1000 | — 120 Pte nte ite Pte nte — 100 |+107 |—- 30| +35 I- 5| +20 I+ 9%| —80 |-+ 122| — 105 |+ 155| — 105 - %1+102|—- 3838| +40 1I- A1| +20 |+ 701 — 80 I+ 1101 — 105 |+ 1380| — 410 desgleichen. + 101-100 1 #350 | +40 g #290 | +22 [|+1000| — 95 [+ 1000| — 105 |+ 1000| — 105 + 9, H+10|—- 33| +40 | —- 8| +21 |+ 1065| —78 I+ 120| — 105 |+ 105 —- 110 | +15 | - 2| +42 1—- 3| +20 |+ 72| —80 [+ 105| — 95 |-+ 130 — 110 388 Gesammtsitzung Hieraus sieht man, dals wenn der magnetisirende Strom stark ist (5 Buns. Elem.), also sowohl die Röhre wie der Drath vollständig magnetisirt sind, nicht nur beim Ziehen der Röhre, sondern auch des Drathes in der zweiten Periode bei geschlos- sener Spirale eine -Verminderung des Magnetismus eintritt. Ist dagegen der Strom schwach (2 Buns. Elem.), so ist weder die Röhre noch der Drath bis zum Maximum magnetisirt und eine Ziehung bringt daher bei Beiden eine Vermehrung des Magne- tismus hervor. Wenn endlich die Köhre und der Drath durch 3 Buns. Elem. magnetisirt sind, so ist die Röhre bis zum Maxi- mum magnetisirt und eine Ziehung bringt in der zweiten Pe- riode eine Verminderung ihres Magnetismus hervor; bei dem Drath dagegen, der nicht vollständig magnetisirt ist, eine Ver- mehrung. Zöge man also die Röhre und den Drath zu gleicher Zeit, so würde man im ersten Falle (5 Buns. Elem.) eine Vermin- derung des Magnetismus gleich der Summe der einzelnen Ver- minderungen haben, im anderen, wenn der Strom schwach (2 Buns. Elem.), eine Vermehrung gleich der Summe der einzel- nen Vermehrungen; im dritten Fall endlich (3 Buns. Elem.) würde man eine Wirkung haben, die gleich ist der Differenz der Wirkungen der Ziehung der Röhre und des Drathes. Die eigenthümlichen Resultate, welche bei der Ziehung erhalten sind, insbesondere das Auftreten der zweiten Periode riefen die Frage hervor, in wie weit andere Ursachen, von denen man weils, dals sie das magnetische Moment eines Sta- bes modificiren, bei derselben Untersuchungsmethode, ähnliche Resultate geben möchten. Man weils bereits dafs beim Hin- durchleiten eines Stromes durch die Länge eines Magneten das Moment desselben geändert wird. In seinen magnetischen Un- tersuchungen (Pogg. Ann. 117. pag. 213) theilt Wiedemann einige Versuche über diesen Gegenstand mit, und giebt als Re- sultat derselben Folgendes an: „‚Leitet man durch einen tem- porär magnetisirten Eisenstab einen Strom direct hindurch, wäh- rend der magnetisirende Strom geschlossen bleibt, so vermindert sich sein temporärer Magnetismus. Nach dem Öffnen des hin- durchgeleiteten Stromes tritt derselbe stärker auf als vorher. Beim wiederholten Schlielsen des hindurchgeleiteten Stromes, vom 20. Juli 1865. 389 gleichviel in welcher Richtung er den Drath durchläuft, ver- mindert sich dann stets der temporäre Magnetismus und tritt nach dem Öffnen in gleicher Stärke wieder auf. Leitet man ebenso durch einen Eisendrath einen Strom, nachdem der mag- netisirende Strom geöffnet ist, so vermindert sich gleichfalls sein permanenter Magnetismus. Beim Öffnen des hindurchgeleiteten Stromes wächst derselbe wieder ein wenig, aber nicht bis zur früheren Stärke. Wiederholtes Schliefsen des hindurchgeleite- ten Stromes vermindert den permanenten Magnetismus des Dra- thes nur noch wenig. Wird aber ein Strom von entgegenge- ‚setzter Richtung durch den Drath geleitet, so vermindert sich sein Magnetismus wieder stark. Hat man einem Drath durch wiederholte Umkehrung der Richtung des hindurchgeleiteten Stromes einen grolsen Theil seines remanenten Magnetismus entzogen, und leitet den Strom durch denselben in der einen oder anderen Richtung, so zeigt er in dem einen Falle eine viel stärkere Magnelisirung als im andern.” Diese Versuche wurden von Wiedemann nach einer Methode ausgeführt, welche die Grölse des entstandenen Magnetismus jedesmal zu bestimmen gestattete, während bei der hier angewandten Methode die durch eine Änderung des magnetischen Moments bervorgebrachte In- duction beobachtet wurde. Diese letzte Methode gestatiet sehr kleine Änderungen in der Intensität des Magnetismus mit grolser Genauigkeit wahrzunehmen. Die folgenden Versuche sind so- wohl mit Eisen wie mit Stahlstäben ausgeführt, und haben zu Resultaten geführt, welche sich den bei der Anwendung des Zuges erhaltenen nahe anschlielsen. Wenn ein Stab von hartem Stahl sich in einer magneti- sirenden Spirale befindet, und es wird durch denselben ein Strom geleitet, so vergrölsert der Eintritt desselben das magnetische Moment des Stabes, wenn der Kohlenpol der Säule mit dem Nordpol in Verbindung steht. Wenn darauf der Strom unter- brochen wird, so tritt eine neue Vermehrung des Magnetismus ein. Wird die Schliefsung und Unterbrechung wiederholt, so wirken die nächsten neuen Schlielsungen und Öffnungen in ähnlicher Weise, von den späteren aber vermindern die Schliefsungen den Magnetismus, während die Unterbrechungen ihn vermehren. Geht der Strom in entgegengesetzter Richtung 390 Gesammtsitzung durch den Stab, so wirken die ersten Schlielsungen und die er- sten Unterbrechungen auch vergröfsernd, die späteren Schlie- (sungen aber vermehren, und die Öffnungen vermindern den Magnetismus. Eine runde Feile 290”= Länge und 12”m Durchmesser. Der den Stab durchflielsende Strom geht vom Nordpol zum Südpol. vom Südpol zum Nordpol. Schlielsung. | Öffnung. Schlielsung. | Öffnung. lite + 160 + 20 + 125 +4 2te + 4 +7 + 12 —6 Ste —- 6 + 7 + 10, — 7 ; : : + 1 — 8 nte — 6 +6 + 6 —7 Eine runde Feile 220”= Länge und 7=” Durchmesser. 4te 4 +5 + 22 —:,( 2te 0 +2 u il u) Ste — 1 +1 + 1 —ı Äte — 1 +1 + 1 | nte — 1 +1 1 vd Stahlstab von 370”” Länge und 7”= Durchmesser. ite + 180 29 —+ 150 + 12 2te + 7 + 9 + 20 0 dte —- 59 + 7 + 9 _—.4 Ate —- 6 + 6 + 10 —,. 14 öte —- 6 +6 + 7 — 4 6te —- 6 + 6 — 5 — 2 Wenn durch die magnetisirende Spirale kein Strom geht, | und es wird ein Strom durch den bereits magnetisirten gehär- teten Stahlstab geleitet, so bewirkt die erste Schlielsung so wie | die erste Unterbrechung eine Schwächung des Magnetismus, | welches auch die Richtung des Stromes sein mag, die späteren Schliefsungen vermindern denselben, wenn der Kohlenpol der | Säule mit dem Südpol des Stahlstabes in Verbindung ist, und vom 20. Juli 1865. 391 die späteren Unterbrechungen vergröfsern ihn. Bei umgekehr- ter Richtung des Stromes wirken die späteren Unterbrechungen und Schlielsungen in entgegengesetztem Sinne. Weiches Eisen verhält sich wesentlich anders. Befindet sich ein Stab von weichem Eisen in der magne- tisirenden Spirale und wird ein electrischer Strom durch den- selben geleitet, so bringen die ersten Schliefsungen sowohl, als die ersten Unterbrechungen zwar auch eine Vermehrung des Magnetismus bis zu einem Maximum hervor, dann aber wird der Magnetismus bei jeder neuen Schlielsung geschwächt, und bei jeder neuen Unterbrechung gesteigert, so dals das Maximum, so weit sich dies beobachten läfst, unverändert bleibt. Der Erfolg ist derselbe, der Strom mag durch das Eisen in der einen oder andern Richtung hindurch gehen. Ist die magnetisirende Spirale geöffnet, so bringen die er- sten Schlielsungen und Öffnungen des durch das Eisen gehen- den Stromes Verringerungen seines Magnetismus bis zu einem Minimum hervor, und zwar welches auch die Richtung dieses Stromes in Bezug auf den Magnetismus des Stabes sein mag. Die späteren Schlielsungen vermehren sodann den Magnetismus und die Unterbrechungen verringern ihn um eben so viel, so dals anscheinend das Minimum constant bleibt. Dies letztere Verhalten ist dem bei geschlossener Spirale gerade entgegen. Werden Stäbe von Stahl oder Eisen von verschiedener Härte angewendet, so verhalten sie sich, je nach ihrer Härte, bald wie harter Stahl, bald wie weiches Eisen. Läfst man durch einen Eisenstab einen Strom mehrere Mal in einem Sinne durchgehen, schlielst dann die magnetisirende Spirale, und läfst nun wieder einen Strom durch den Stab hin- durch gehen, so ist der galvanometrische Ausschlag kleiner wenn der Strom den Stab in demselben Sinne wie zuvor durch- läuft, als wenn er im entgegengesetzten Sinne hindurchgeht. Lälst man den Strom mehrere Male durch den Stab in demsel- ben Sinne gehen, schliefst dann die magnetisirende Spirale, un- terbricht sie darauf wieder, und sendet nun einen Strom hin- durch, so ist die Wirkung desselben ebenfalls abhängig von der Richtung des vorher hindurchgegangenen Stromes. Denn 392 Gesammtsitzung es tritt eine stärkere Verminderung des Magnetismus ein, wenn der Strom im entgegengesetzten Sinne als wenn er in densel- ben hindurchgeht. Dies Factum gilt allgemein, in welcher Richtung auch in Be- zug auf die Magnetisirung der Stab vom Strom durchlaufen wird. Ist der angewandte Stab hinreichend dünn und der hin- durchgeleitete Strom hinreichend stark, so findet eine merkliche Erwärmung statt. Die Erscheinungen sind dann ganz andere, indem in Folge der Erwärmung stets eine Verminderung des magnetischen Moments beim Durchgang des Stromes und eine Vermehrung bei der Unterbrechung sich zeigt. Ebenso treten ohne Anwendung eines Stromes, nur durch Erwärmung und Erkaltung des Stabes, ganz analoge Erscheinungen auf. Durch eine Röhre von Eisen wurde abwechselnd kaltes und warmes Wasser geleitet, dabei fand, die magnetisirende Spirale mochte geschlossen oder offen sein, jedesmal eine Ab- nahme des magnetischen Moments beim Eintreten des warmen Wassers, und eine Zunahme beim Eintreten des kalten Was- sers statt. Die vorher angegebenen Wirkungen des Stromes sind den beim Ziehen beschriebenen ganz ähnlich. Wie dort zeigen sich zwei Perioden, die erste unabhängig von der Richtung des Stro- mes und der Natur des Stabes, die zweite verschieden bei Stahl und Eisen und abhängig von der Richtung des Stromes. Be- achtungswerth ist noch, dafs der Strom nicht nothwendig den Stab selbst zu durchfliefsen braucht. Es reicht vielmehr hin, dafs derselbe durch einen Drath geht, der sich isolirt innerhalb des magnetisirten Eisens, also in einer Röhre aus Eisen befin- det. Dabei ist es sehr auffallend, dafs die Ausschläge des Gal- vanometers in diesem letzten Falle gröfser sind als wenn der Strom durch die Röhre selbst geht. Legt man dagegen, statt einen Drath durch die Röhre zu führen, ein Stück Staniol iso- lirt um dieselbe und leitet durch dieses den Strom, so ver- schwindet die Wirkung fast ganz. Der Grund dieser Verschie- heit liegt nicht etwa in der verschiedenen Leitungsfähigkeit des Drathes und des Staniols, denn wenn man den Drath oder den Staniolstreifen einmal im Innern der Röhre, das andere Mal vom 20. Juli 1865. 393 aufserhalb anwendet, so fehlen im letzten Falle die Änderungen des Magnetismus, während sie im ersten immer auftreten. Da die Wirkungen, soweit sie die erste Periode angehen, unabhängig von der Richtung des hindurchgeleiteten Stromes sind, so ist es gleichgültig, in welchem Sinne man den Strom durch einen Messingdrath im. Innern einer Röhre schickt. Man könnte daher glauben, dals die Ausschläge in der ersten Pe- riode zunehmen müfsten, wenn man im Innern der Röhre zwei Messingdräthe hat, und durch dieselben Ströme in entgegenge- setzter Richtung leitet. Es tritt aber alsdann die erste Periode gar nicht ein und ebenso wenig die zweite. Dieselben Ver- suche wurden angestellt statt mit einer Röhre von Eisen, mit einer Glasröhre, die mit Eisenfeile gefüllt war und in der sich ein Messingdrath isolirt befand. Die Resultate waren dieselben wie mit der Eisenröhre, nur waren die Ausschläge viel geringer- Die sämmtlichen bisher angeführten Thatsachen nöthigen zu der Annahme, dafs das Öffnen und Schliefsen des durch den Stab geleiteten Stromes in der ersten Periode wie eine Er- schütterung wirkt, ebenso wie oben das Ziehen und Nachlassen. Es läfst sich dies auch noch durch einige directe Versuche nach- weisen. Eine gut geglühte Nähnadel, die in der Richtung der magnetischen Inclination aufgestellt war, wurde stark magne- tisch, wenn wiederholt ein electrischer Strom von 2 oder 3 Buns. Elem. durch sie hindurchging. Die Pole der Nadel sind dabei von ihrer Lage, in Bezug auf die magnetischen Pole der Erde, nicht aber von der Richtung des Stromes abhängig. Da- her wurde die Nadel nicht magnetisch, wenn sie senkrecht gegen die Richtung der magnetischen Inclination lag. Um bei diesem Versuch jede äufsere Erschütterung beim Schliefsen oder Öffnen der Säule zu vermeiden, waren die Enden der Nadel durch Quecksilbernäpfchen mit den Poldräthen verbunden. Aufserdem ergiebt sich auch noch, dafs das erste Hindurchgehen des Stro- mes wie eine Erschütterung wirkt, daraus, dals wenn man den Stab mechanisch durch Schläge erschüttert und dann einen Strom hindurchleitet, die erste Periode gar nicht mehr auftritt, son- dern sogleich die zweite. Ein Verhalten, das dem beim Ziehen (pag. 385) beschriebenen ganz ähnlich ist. [1865.] 30 e 394 Gesammtsitzung Ebenso fällt, wie oben (pag. 385) beim Ziehen angegeben, die erste Periode beim Hindurchleiten eines Stromes fort, wenn der magnetisirende Strom so stark ist, dals der Stab durch den- selben sogleich bis zur Sättigung magnetisirt ist. Da Wiedemann beim ersten Durchgang des Stromes statt einer Vermehrung des Magnetismus eine Verminderung beobachtet hat, so ist anzunehmen, dals bei ihm immer der spe- cielle Fall eines sehr starken Stromes stattgefunden hat, wo- durch die erste Periode fortgefallen ist. Kehrt man, wenn der magnetisirende Strom stark ist, nach der zweiten Periode den- selben um, so tritt nicht die erste Periode von neuem, son- dern ebenfalls sogleich wieder die zweite auf. Dies stimmt auch vollkommen mit den Beobachtungen Wiedemann’s, obgleich derselbe den Unterschied der beiden Perioden nicht gekannt hat. Dasselbe ferner, was oben beim Ziehen angegeben, dafs die Ausschläge in der ersten Periode gröfser sind, wenn die magnetisirende Spirale langsam geöffnet wird, als wenn sie schnell geöffnet, findet auch beim Durchleiten des Stromes statt. Die bisher erwähnten Erscheinungen nöthigen zu der An- nahme, dafs der Strom, der der Länge nach durch einen Eisen- oder Stahlstab hindurchgeht, die Molekule desselben bewegt und sie in eine von der Richtung des Stromes abhängige Lage bringt. Möglich und sogar wahrscheinlich, dafs diese Wirkung eine magnetisirende, möglich dals sie anderer Art ist. Daraus, dals die Molekulen eine bestimmte Lage annehmen, erklärt sich auch die folgende Erscheinung. Leitet man durch einen Eisen- oder Stahlstab einen Strom und verbindet, nach- dem man denselben unterbrochen, die Enden mit einem em- pfindlichen Galvanometer, so erhält man, wenn der Stab durch Schlagen erschüttert wird, einen Strom von gleicher Richtung mit dem vorher durchgeleiteten. Der angewandte Stab war 1,6 Meter lang und hatte 11””,5 im Durchmesser. War durch ihn ein Strom von 3 Buns. Elem. hindurchgeleitet worden und man schlug ihn sodann mit einem nicht magnetischen Körper, z. B. einem Stück Kupfer, so erhielt man, je nach der Stärke des Schlages eine Ablenkung des Galvanometers von 100 bis 200””, vom 20. Juli 1865. 395 Dieser Ausschlag konnte nicht von einer directen Einwir- kung des Stabes auf das Galvanometer herrühren, denn wurde der Versuch wiederholt, ohne dafs die Verbindung mit dem Galvanometer hergestellt war, so erfolgte beim Schlagen keine Bewegung des Galvanometers. Bei Stahlstäben ist der erzeugte Strom sehr viel weniger stark als bei Eisenstäben. Es war um denselben zu beobachten nöthig, statt des einfachen Spie- gelgalvanometers ein solches mit zwei astatischen Nadeln, nach der Construction des Hrn. Magnus, anzuwenden. Die Resultate der gesammten Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenstellen. ; Bei geschlossener Magnetisirungsspirale bringt in einem Stahl- und Eisenstab das Ziehen und Nachlassen des Zuges eine Vermehrung des magnetischen Moments bis zu einer bestimmten Gröfse hervor, ebenso bringt das Öffnen und Schlie- fsen eines hindurchgeleiteten galvanischen Stromes durch Stahl- und Eisenstäbe eine Vermehrung ihres magnetischen Moments bis zu einer gewissen Grölse hervor. Ist diese bestimmte Gränze erreicht, so oscillirt bei den weiteren Ziehungen ebenso wie beim Öffnen und Schliefsen des hindurchgeleiteten Stromes der Magnetismus um dieselbe, und zwar bringen bei einem Stahl- und Eisenstab die Ziehungen eine Verminderung des Magnetismus, wenn der magnetisirte Stab dünn und stark magnetisirt ist, das Nachlassen der Ziehung eine ebenso grolse Vermehrung hervor. Ist dagegen der Stab dick und schwach magnetisirt, so tritt beim Ziehen eine Ver- mehrung und beim Nachlassen eine Verminderung ein. Beim Hindurchleiten eines Stromes tritt jedoch, wenn diese Grenze erreicht ist; ein Unterschied zwischen Stahl und Eisen auf. Beim Eisen findet beim Schliefsen des hindurchgeleiteten Stromes eine Vermehrung, und beim Öffnen eine ebenso grolse Verminderung statt, ganz gleich in welcher Richtung der Strom durch den Stab geht. Stahl verhält sich ebenso wenn der Strom am Südpol des Magneten eintritt. Tritt er am Nordpol ein, so findet umgekehrt beim Schluls eine Vermehrung, beim Öffnen eine Verminderung statt. Bei geöffneter Magnetisirungsspirale bringt in Stahl- und Eisenstäben die Ziehung und das Nachlassen eine 30* 396 RZ vom 20. Juli 1865. Verminderung des Magnetismus bis zu einer gewissen Gröfse hervor. Ebenso bewirkt das Hindurchleiten eines Stromes und das Unterbrechen desselben eine Verminderung des Magnetis- mus bis zu einer gewissen Gröfse. Ist diese Grölse erreicht, so oscillirt beim weiteren Ziehen wie bei wiederholtem Schliefsen und Öffnen des Stromes der Magnetismus ebenfalls um dieselbe und zwar bringt beim wei- chen Eisen das Ziehen eine Vermehrung hervor, das Nachlassen eine ebenso grofse Verminderung. Harter Stahl verhält sich umgekehrt, und zwischen hartem und weichem Stahl kann man alle Mittelstufen beobachten. Das Eintreten eines Stromes bringt beim Eisen ebenso eine Vermehrung des Magnetismus hervor, das Öffnen desselben eine ebenso grolse Verminderung, ganz gleich in welcher Richtung der Strom durch den Stab geht. Beim Stahl findet dasselbe statt, wenn der positive Strom am Südpol eintritt. Bis zu einer gewissen Grenze wirkt daher das Ziehen wie das Nachlassen und ebenso das Schliefsen und das Öffnen eines hindurchgeleiteten Stromes wie eine mechanische Erschütterung. In so weit schlielsen sich daher diese ersten Wirkungen des Zuges und des Stromes an andere bekannte Erscheinungen an. Neu dagegen sind die Erscheinungen die eintreten nachdem diese Gränze erreicht ist. Diese beruhen auf einer anderen die Molekule richtenden Ursache. Dieselbe bedarf zwar noch fernerer Untersuchungen, dafs aber in der That die Molekule durch einen durch den Stab gehenden Strom gerichtet werden, geht noch besonders daraus hervor, dafs beim Schlagen eines Eisenstabes, durch den zuvor ein Strom geleitet worden, ein Strom von gleicher Richtung entsteht. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. Bd. XV, No. 2. (April, Juni.) Wien 1865. 8. Sitzungsberichte der k. bayerischen Akademie der Wissenschaften zu Mün- chen. 1,Heft3. München 1865. 8. Schriften der Universität zu Kiel aus dem Jahre 1864. Kiel 1365. 4. Sitzung der phys.-math. Klasse vorn 24. Jul’ 1865. 397 Bulletin de lacademie royale de Belgique. no. 5. Bruxelles 1865. 8. Scheikundige verhandelingen uitz. door G. J. Mulder. D. IV, St. 1. Rotterdam 1365. 8. A. Rheiner, Kritische Diagnosen über Medicin und Naturwissenschaf- ten, Leipzig 1865. 8. 24. Juli. Sitzung der physikalisch -mathe- matischen Klasse. Hr. Riels las: Über die Ladung des Condensa- tors durch die Nebenströme der Leydener Batterie. Es gewährt einen eigenen Reiz, die beiden Elektricitäten, welche in einem Nebendrathe der Batterie erregt werden und darin ihren blitzschnellen Lauf beginnen, zum Stehen zu brin- gen und sie, wenn auch nur zum geringsten Theile, in den Scheiben eines Condensators festzubannen. Ich bin auf den ersten gelungenen Versuch dieser Art später zurückgekommen, fand aber das Zeichen der Elektricität, welche von einem be- stimmten Ende des Nebendrathes aufgefangen wurde, nicht mehr so constant wie früher, und suchte vergebens, durch eine in den Nebendrath eingeschaltete Weingeistllamme diese Con- stanz zu erreichen (Repertor. d. Phys. 1842. 235). Als ich vor Kurzem die grolse Wirksamkeit des elektrischen Ventils erfahren hatte bei der magnetischen Ablenkung durch den Ne- benstrom, gebrauchte ich den Apparat auch bei der Ladung des Condensators. Hätte er Das geleistet, was nach den magneti- schen Versuchen zu erwarten war, so wäre Dies einer beson- deren Mittheilung kaum werth gewesen. Der Apparat wirkte aber ın andrer Weise, als sich vorhersehen liels, und so lie- fern die neuen Versuche nicht nur einen merkwürdigen Beitrag zur Kenntnils der Wirkungsweise des Ventils sondern auch zu der der Nebenströme selbst. Der Condensator. Als bei meinen frühern Versuchen eine Spiegelplatte zur Trennung der Condensatorscheiben gebraucht wurde, habe ich auf die Täuschung aufmerksam gemacht, die dadurch entsteht, 398 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse dafs die Platte bei dem Versuche elektrisch, der Condensator in einen Elektrophor verwandelt wird. Ein Condensator kann aber in zwiefacher Weise zur elektrophorischen Wirkung gebracht werden, wonach eine und dieselbe Elektricitätsart Anzeigen der- selben oder entgegengesetzter Art liefert. Ist die an die Col- lektorscheibe angebrachte Elektricität von geringer Dichtigkeit so kann die isolirende Zwischenplatte durch Vertheilung elek- trisch werden, und die Collektorscheibe gibt dann Elektricität desselben Zeichens mit der geprüften an. Hat hingegen die geprüfte Elektricität gröfsere Dichtigkeit, so geht sie auf die Zwischenplatte über und die Collektorscheibe erhält elektropho- risch die entgegengesetzte Elektricitätsart (a. a. O. Seite 234). Man kann sich von dieser Verwandlung des Condensators in einen Elektrophor leicht überzeugen. Zwei Metallscheiben von nahe 3 Zoll Durchmesser wurden durch eine gefirnilste 2% Li- ‚nien dicke Glasplatte von einander getrennt, die obere Scheibe isolirt, die untere vollkommen abgeleitet. Nachdem die obere Scheibe einige Funken positiver Elektricität erhalten hatte, konnte sie durch Verbindung mit der untern Scheibe nicht voll- ständig entladen werden, denn abgehoben gab sie einen Fun- ken. Auf die Glasplatte gesetzt, ableitend berührt und abge- hoben, zeigte sie sich stark negativ elektrisch und zwar konnte dieser Versuch oft wiederholt werden. Es war ein Elektrophor entstanden, der Elektricität lieferte von der der angewandten entgegengesetzten Art. Wurde hiegegen die Collektorscheibe behutsam mit positiver Elektricität geladen, so konnte sie nach einer Minute gleichfalls nicht vollständig entladen werden durch Verbindung mit der untern Scheibe. Abgehoben, entladen wie- der aufgesetzt und ableitend berührt war sie stark positiv elek- trisch geworden und wurde es 12 mal nacheinander. Es war also ein Elektrophor entstanden, der dieselbe Elektricitätsart lie- ferte, wie die an der Collektorscheibe einmal angebrachte. Dasselbe mufls in einem vor Kurzem von Gaugain beschrie- benen Versuche geschehen sein. Ein Condensator mit Zwischen- platte aus Schellack, war so gut isolirt, dals er seine Ladung 15 Minuten lang ungeschwächt behielt. Unmittelbar nach dem Elektrisiren entladen, behielt er keinen Rückstand in der Col- lektorscheibe, der % der Ladung betrug, wenn die Entladung vom 24. Juli 1865. 399 erst nach 15 Minuten geschah (Compt. rendus v. 59. 831). Es ist bekannt, dals in Isolatoren die Influenzelektricität zu voller Entwickelung einer geraumen Zeit bedarf, wäre in dem letzten Versuche die Collektorscheibe entladen wieder auf die Schellack- platte gesetzt, abgeleitet und abgehoben worden, so würde sie unzweifelhaft Elektricität gleicher Art mit der angewandten ge- zeigt haben. Bei der Ladung des Condensators durch einen Nebenstrom der Batterie ist die Collektorscheibe nothwendig durch einen Luftraum von der Nebenschliefsung getrennt; es geht ein Funke auf die Scheibe und häufig auch auf die isolirende Zwischen- platte, die dann lange Zeit elektrophorisch wirkt. Gewöhnlich ist schon die erste Ladung der Coliektorscheibe eine elektro- phorische und hat dasselbe Zeichen, wie die spätere, die durch Aufsetzen und Abheben der Collektorscheibe erhalten worden. Doch kann auch die erste Ladung eine condensatorische sein und hat dann das entgegengesetzte Zeichen. In einem Ver- suche, bei welchem die CGondensatorscheiben durch eine Platte von Harteautschuck getrennt waren und die Lücke der Neben- schlielsung /; Linie betrug, wurde die Collektorscheibe durch den Nebenstrom negativ elektrisch; als sie aber entladen, wie- der aufgesetzt und ableitend berührt war, wurde sie positiv, wie in allen spätern Versuchen, die bis eine Stunde nach der Entladung der Batterie fortgesetzt wurden. Es ist daher eine Untersuchung nöthig zur Entscheidung, ob die von der Collek- torscheibe gelieferte Elektricität gleichen oder entgegengesetz- ten Zeichens ist mit der, welche sie vom Nebenstrom erhalten hat. Diese Unsicherheit fällt fort bei dem Condensator, dessen Scheiben durch eine Luftschicht getrennt sind, den ich zu den folgenden Versuchen ausschliefslich benutzt habe. Zwei 81,6 Linien breite Messingscheiben sind vertikal auf 8 Zoll langen Glasstäben befestigt und standen in der Enifer- nung von 5 Linien einander normal gegenüber. Der eine Glasstab steht auf einem Gelenke, die zugehörige Scheibe kann dadurch unter das Fufsbrett heruntergeschlagen und so von der andern Scheibe hinlänglich weit entfernt werden. Die zweite Scheibe, Collektorscheibe, steht fest und war durch einen Drath mit der einen Kugel eines Funkenmikrometers verbunden, des- 400 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sen andre Kugel die zu prüfende Elektricität erhielt. Dieser Apparat gestattet zwar nicht eine so starke Ansammlung von Elektricität durch den Nebenstrom, wie der Condensator mit fester Zwischenplatte, die leicht bis zum Funkengeben geht, dafür ist aber das Zeichen der geprüften Elektricität keiner Zweideutigkeit ausgesetzt, und ohne weitere Untersuchung voll- kommen sicher. Ladung des Condensators durch den Nebenstrom einer Nebenschliefsung. In den kurzen gutleitenden Schliefsungsbogen einer aus 3 Flaschen bestehenden Batterie (jede von 2,6 Quadratfn[s Be- legung) war eine Drathrolle eingeschaltet von 32 Windungen (30 Fuls eines & Linie dicken Kupferdrathes), und darüber wa- ren 32 Fuls desselben Drathes in gleichem Sinne gewunden. Die Dräthe waren mit Guttapercha umprelst, die Spiralen daher durch eine 14. Linie dicke Guttaperchaschicht von einander ge- trennt. Es wird an der untern (Haupt-) Spirale dasjenige Ende das innere genannt, das der (in den folgenden Versuchen mit positiver Elektricität geladenen) innern Belegung der Batterie zunächst lag, das andre Ende als äulseres bezeichnet. Die entsprechende Bezeichnung erhalten die Enden der obern (Ne- ben-) Spirale, so dafs also das innere Ende der Nebenspirale (-Rolle) über dem innern Ende der Hauptrolle liegt und ebenso das äulsere.e Wird die Nebenspirale, wie später geschieht, mit einer andern Spirale in Verbindung gesetzt, so werden die Be- zeichnungen ihrer Enden auf die der neuen Spirale übertragen. Das mit dem innern Ende der Nebenspirale verbundene Ende der neuen Spirale heilst das innere und eben so das entspre- chende einer etwa vorhandenen Nebenspirale höherer Ordnung und so fort. Für alle an der Schlielsung der Batterie vorhan-: denen Spiralen ist also die erste, in die Hauptschliefsung ein- geschaltete Spirale maalsgebend; bei den übrigen Spiralen ist es gleichgültig ob das innere Ende derselben der innern Be- legung der Batterie zunächst liegt und das äufsere der äulsern. Diese Bezeichnung ist festzuhalten, da sonst einige der später anzuführenden Versuche einem Mifsverständnils ausgesetzt wären. vom 24. Juli 1865. 401 Ein Ende der beschriebenen Nebenrolle wurde durch einen Drath mit der drehbaren Scheibe des CGondensators verbunden, das andre Ende mit einem elektrischen Ventile‘) und dies mit der einen (6,3 Linien dicken) Kugel eines Funkenmikrometers, dessen zweite Kugel mit der festen (Collektor-) Platte des Con- densators in Verbindung stand. Im Ventile war die Messing- scheibe 1 Linie von der Deckplatte entfernt. Die Stellung des Ventils wird durch den Theil desselben angegeben, der durch das Mikrometer mit der Collektorplatte verbunden ist. Die Spitze (oder Fläche) des Ventils sei mit dem Collektor ver- bunden sagt, dals von der Platinspitze (oder Messingscheibe) des Ventils ein 20 Zoll langer Drath zu der einen Kugel des Mi- krometers geführt war, dessen zweite Kugel durch einen 40 Zoll langen Drath mit der Collektorscheibe verbunden ist; der nicht genannte Theil des Ventils war mit dem innern oder äufsern Ende der Nebenrolle durch einen 20 Zoll langen Drath verbunden. Bei der Entladung der Batterie mulste zwischen den Kugeln des Mikrometers ein Funke entstehn, blieb dieser aus, so wurde der Versuch nicht mitgezählt. Nach dem Erscheinen des Fun- kens wurde die Condensatorscheibe heruntergeschlagen und die dadurch freie Collektorscheibe mit dem Ende eines Drathes be- rührt, der an einem Goldblatt-Elektroscope befestigt war, des- sen Blätter etwa 10 Linien lang, 1 Linie breit waren. Auf die Bestimmung der Divergenz der Goldblätter wurde keine Sorgfalt gewendet, da die Grölse dieser Divergenz, bei demsel- ben Versuche in hohem Grade wandelbar, nur im Durchschnitte zu beurtheilen nöthig erschien. Die Art der aufgesammelten Elektricität liels ein Säulenelektroscop, an das der Drath des Goldblattelektroscops angelegt wurde, leicht und sicher erken- nen; sie wird in den Tafeln durch das den Divergenzen vorge- setzte Zeichen angegeben. In den folgenden Versuchen wurde die Batterie mit der Elektricitätsmenge 6 geladen (Schlagweite der Maafsflasche % Linie), der Druck im Ventile betrug 1 Li- nie. In Reihe I. waren die Kugeln des Funkenmikrometers ‘0 Linie von einander entfernt, in Reihe Il. diese Kugeln durch zwei niedrige Kegel ersetzt, zwischen deren Z, Linie von ein- ander entfernten Spitzen der Funke des Nebenstroms erschien. *) Abgebildet Poggend. Annal. 120. Taf. Vi. 402 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Elektricität von der Nebenrolle, gesammelt I. am innern Ende Collektor verbunden mit Spitze Fläche des Ventils Divergenz des Elektroscops. — 50° + 48° — 45 + 43 — 64 + 37, + 22 am äulsern Ende. — 26 + 38 — 32 + 33 — 85 + 34 11. am innern Ende. — 30 + 52 — 65 + 58 — 52 + 60 am äufsern Ende. — 97 + 43 — 28 + 533 — 45 + 30 Diese Beobachtungsreihen, die vollständig mitgetheilt sind bis auf 3 Fälle, in welchen am äulsern Ende der Rolle der Funke im Mikrometer und damit die Ladung des Condensators ausblieb, lehren eine neue, merkwürdige Eigenschaft des Ven- tils kennen. Als in frühern Versuchen der Nebenstrom in der Leitung seinen Kreislauf vollenden konnte, liefs das Ventil, wie die Ablenkung der Magnetnadel zeigte, den Theil des Stromes zu Stande kommen, der im Ventile von der Scheibe zur Spitze ging. Bei den hier aufgeführten Versuchen kann der Neben- strom nicht ın sich zurücklaufen, er stockt in den Platten des Condensators und durch Wirkung des Ventils wird diejenige Platte positiv elektrisch, welche durch die Leitungsdräthe und das Funkenmikrometer mit der Scheibe des Ventils in Verbin- dung steht; die mit der Spitze verbundene Platte wird negativ elektrisch. Daraus folgt die Regel: | | | | vom 24. Juli 1865. 403 Die Collektorplatte des Condensators wird vom Nebenstrome der Batterie im Sinne eines Stromes geladen, der im Ventile von der Spitze zur Fläche geht. Das Ventil wirkt also in entgegengesetzter Weise auf den in einem Leiter durch einen Condensator unterbrochenen, wie auf den darin vollständig circulirenden Nebenstrom; von dem letzten läfst es den Theil zu Stande kommen, der von der Scheibe zur Spitze, von dem ersten den, welcher von der Spitze zur Scheibe des Ventils geht. Es kann nicht auf- fallen, dafs die Regel für den unterbrochenen Strom nicht un- bedingte Geltung hat, wie die für den vollständigen. Mit An- wendung eines normalen Ventils habe ich eine regelwidrige Richtung der magnetischen Ablenkung durch den Nebenstrom niemals gesehen, eine regelwidrige Ladung des Condensators nicht selten. Zuweilen war nach dem Übergange des Funkens im Mikrometer die Collektorplatte nicht elektrisch, zuweilen ihre Elektricitätsart der Regel widersprechend. Doch lassen sich diese Abweichungen seltener machen, wenn man eine gut- leitende Schliefsung und möglichst geringe Ladungen der Bat- terie gebraucht; deshalb ist in den mitgetheilten Versuchen die Lücke im Mikrometer sehr klein und die geringste Elektricitäts- menge genommen worden, mit welcher jene vom Nebenstrome durchbrochen wird. Hat man zugleich die Lücke nicht zwi- schen Kugeln, sondern zwischen Kegelspitzen gebildet, so wer- den die Ausnahmen von der regelrechten Ladung des Collektors fast ganz vermieden. In eben der Weise, wie bei dem secundären Strome wirkt das Ventil, wenn man einen Strom höherer Ordnung zur La- dung des Condensators benutzt. Ich übergehe die Versuche, die ich mit dem Strome dritter und vierter Ordnung angestellt babe, da sie völlig den angeführten entsprachen; von jedem Ende der letzten Spirale der Nebenschlielsungen wurde der Col- lektor im Sinne eines Stromes geladen, der im Ventile von der Spitze zur Scheibe läuft. Es ist erklärlich, dafs die Divergenzen des Elektroskops bei gleichen Versuchen an Grölse noch viel verschiedener sind, als bei vollständiger Leitung die magnetischen Ablenkungen. Die 404 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Leitung, welche der Nebenstrom hier durchläuft, bat drei Un- terbrechungen: eine dauernde, durch den Condensator gebildete, zwei zeitweilige, ım Ventile und Mikrometer, die vom Stirome durchbrochen werden. Durch die letzten kann nicht nur Elek- tricität zur Collektorscheibe bin, sondern auch von ihr fortge- führt werden, wie die Fälle lehren, in welchen trotz des glän- | zenden Funkens im Mikrometer, die Collektorscheibe nicht elek- trisch ist. Dafs der Strom nicht stets an derselben Stelle des Mikrometers übergeht, lehrte der Anblick der Mikrometerkugeln, deren einander zugekehrte Kuppen einen grofsen unregelmäfsi- gen Fleck zeigten, der bei der Behauchung nicht getrübt wurde. War deshalb auf die Grölse einer einzelnen Divergenz kein Gewicht zu legen, so konnte doch nicht unbemerkt bleiben dals, im Ganzen genommen, die Divergenzen grölser waren, wenn die Cellektorscheibe Elektricität vom innern als wenn sie die- selbe vom äulsern Ende der Nebenrolle erhielt. Überhaupt | gelangen die Versuche am sichersten, der Funke im Mikrometer | blieb nicht aus, wenn die Drathverbindung vom Ventile zu dem innern Ende der Nebenrolle geführt, von diesem Ende die Col- lektorplatte geladen wurde. Dies gilt für die secundäre Neben- spirale, wie für eine Nebenspirale höherer Ordnung, bei wel- | cher die Bezeichnung inneres Ende so zu verstehen ist, wie | ich sie oben definirt habe. Die Leichtigkeit, mit der ein Condensator vom innern Ende einer Nebenspirale geladen wird, führte zu dem Versuche, die | Ladung allein von diesem Ende, ohne Zuziehung des äulsern | Endes zu erhalten, und Dies gelang vollständig bei allen ver- suchten Sirömen (zweiter, dritter und vierter Ordnung). Ich will ausführlicher den Versuch mit dem tertiären Strome be- schreiben. Im Schlielsungsbogen der Batterie befand sich eine ebene Spirale von 53 Fuls Drathlänge, dieser gegenüber in 4 Linie Entfernung die gleiche Nebenspirale, deren Enden mit den Enden der oben gebrauchten Cylinderspirale von 30 Fuls Drath verbunden waren. An der über der letzten gewundenen Nebenspirale blieb das äulsere Ende frei, von dem innern Ende, es war zufällig von dem Innern der Batterie das ent- ferutere, wurde ein 20 Zoll langer Drath zum elektrischen Ven- tile, von diesem ein gleicher Drath zu der einen Kugel des vom 24. Juli 1865. 405 Funkenmikrometers geführt, dessen zweite /, Linie davon ent- fernte Kugel durch einen 40 Zoll langen Drath mit der Col- lektorscheibe des Condensators verbunden war. Die Conden- satorscheibe, welche nach der Entladung des Stromes unter das Fulsbrett heruntergeschlagen wurde, war isolirt und an die Mitte ihrer Rückseite ein starrer 11 Zoll langer in eine Kugel endigender Drath angesetzt. Die Batterie wurde mit der Menge 10 geladen, der Druck im Ventile betrug eine Linie. II. Collektorscheibe verbunden mit Spitze Fläche des Ventils Divergenz des Elektroscops. — 25 + 23 — 22 + 10 Als das Ende der Leitung vom innern Ende der tertiären Ne- benspirale gelöst und an ihr äulseres Ende geknüpft war, er- schien in 6 Versuchen, bei welchen die Elektricitätsmengen 10, 15 und 20 gebraucht wurden, kein Funke im Mikrometer und keine Ladung der Collektorscheibe. Mit gleichem Erfolge wurde der Versuch am Strome vierter Ordnung ausgeführt ; am secun- dären Strome habe ich ihn öfter angestellt. Einmal, als dieser Strom in der Doppelrolle von 30 Fuls Drathlänge erregt wurde, gab das innere Ende der Nebenrolle die folgenden Ladungen der Collektorscheibe (im Mikrometer #”’ von einander entfernte Kegelspitzen, im Ventile 1”” Druck in der Batterie die Elektri- eitätsmenge 10). IV. Collektorscheibe verbunden mit Spitze Fläche des Ventils Divergenz des Elektroscops. — 200° +18 _— 8 + 20 — 20 + 20 Vom äufsern Ende der Nebenrolle konnte mit derselben Ladung 406 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse der Batterie kein Funke im Mikrometer erhalten werden, die Collektorscheibe blieb daher unelektrisch. Diese Versuche sind aus der Natur des Nebenstromes allein nicht zu erklären. Wenn der Nebenstrom an einer Stelle sei- ner Leitung eine Schlagweite von „, Linie hat, so ist nicht einzusehen, weshalb er an einer 53 und 30 Fuls davon entfernten Stelle diese Schlagweite nicht erreichen sollte. Es ist aber frü- her gezeigt worden (meiner Elektricitätslehre $. 832), dafs mit dem Nebenstrome zugleich stets eine andere Elektricitätsbewe- gung eintritt, die Seitenentladung, und dals diese es ist, welche den Übergang des Nebenstromes durch eine Luftschicht mög- lich macht. Die Schlagweite der Seitenentladung ist von der Stelle des Schlielsungsbogens abhängig, an der sie eintritt, sie ist desto grölser je näher diese Stelle deın Innern der Batterie liegt. Mit gleicher Eigenthümlichkeit tritt die Seitenentladung in der secundären Schliefsung und in den Schliefsungen höherer ' Ordnung, auf; aus frühern Versuchen (Elektricitätslehre $. 900 | mit Figur 172) ist zu ersehen, dafs z. B. an dem innern | Ende einer tertiären Nebenspirale von 53 Fuls Drathlänge der | tertiäre Strom eine Schlagweite von 1 Linie besals bei einer | Ladung der Batterie, mit welcher am äufsern Ende der Spi- rale noch nicht die Schlagweite ven + Linie erreicht war. Die | obigen Versuche bilden zu jenen Versuchen Corollare, aber des- halb interessante, weil durch Wirkung des Ventils nicht nur der der Seitenentladung gleichgerichtete, sondern auch der ihr entgegengerichtete Nebenstrom erkennbar durch die Lücke des | Mikrometers geht. Die Seitenentladung befördert den Über- | gang jedes der beiden Ströme, weil ihr die Wirksamkeit zu- | kommt, die Luft zu verdünnen, die in der Strombahn liegt. In den Versuchsreihen I. und II. (S. 402), bei welchen |' beide Enden der Nebenspirale mit den Condensatorscheiben in | Verbindung standen, erschien, mit wenigen Ausnahmen, der Funke im Mikrometer bei gleicher Ladung der Batterie die Col-.) lektorplatte mochte mit dem innern oder äuflsern Ende der Ne-. benspirale verbunden sein. Im letzten Falle war es die mit!) dem innern Ende verbundene Condensatorscheibe, welche die! ihr nahestehende Collektorscheibe befähigte, die Seitenentladung; im Mikrometer zu Stande kommen zu lassen, in eben der Weise, vom 24. Jul‘ 1865. 407 wie die Hauptspirale dies in der Nebenspirale thut. Es treten noch andre bemerkenswerthe Erscheinungen auf bei dem Zu- sammenwirken der Seitenentladung und des Nebenstroms, die ich hier übergehe, da sie mich zu weit führen, auch ohne Hülfe von Figuren viele Worte nöthig machen würden. Ladung des Condensators durch den Nebenstrom der Hauptschlielsung. Dafs die Versuche über die Ladung des Condensators auch mit dem Nebenstrome der Haupischlielsung der Batterie anzu- stellen seien, konnte nicht in Frage kommen, wol aber, ob diese bequemen Versuche ausgeführt und gehäuft werden soll- ten, wie es bei der magnetischen Ablenkung durch den Neben- strom von mir geschehen ist. Die magnetische Ablenkung durch den Hauptstrom ist in auffallendster Weise verschieden von der durch den Nebenstrom bewirkten, die Seitenentladung bleibt mit ihrer geringen Elektricitätsmenge dabei ganz aulser Spiel, so dafs jeder Versuch für sich auf das Deutlichste sprach und kein Wort darüber zu verlieren war, es sei der Nebenstrom _ der Grund des Erfolges. Bei der Ladung des Condensators ist es anders; sie geschieht durch den Hauptstrom nicht minder stark, wie durch den Nebenstrom, auch die Seitenentladung darf dabei nicht aufser Acht gelassen werden. Es ist daher bei jedem Versuche eine Betrachtung nöthig zur Sonderung der Ursachen, die den Erfolg bedingen. Dennoch halte ich es nicht für überflüssig einige wenige Versuche dieser Art beizubringen, und zwar aus dem folgenden Grunde. Die negativen Ladungen einer direkt mit positiver Elektri- cität geladenen Batterie, die von Öttingen nachgewiesen hat (Pogg. Annal. 115. 513) haben Aufmerksamkeit erregt, weil man in ihnen eine Stütze zu finden glaubte einer deductiv ge- wonnenen ‘Hypothese über den Mechanismus der elektrischen Entladung. Ohne diese Rücksicht würden die negativen Ladun- gen aus lange vorliegenden Versuchen mit Leichtigkeit abge- leitet worden sein. Der Nebenstrom einer Nebenschliefsung ladet einen Condensator, und zwar wurde in den ersten darüber angestellten Versuchen stets negative Elektricität von dem Ende der Nebenschliefsung erhalten, das der mit positiver Elek- 408 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse tricität geladenen inneren Belegung der Batterie zunächst lag (Pogg. Annal. 51. 357). Später wurde nachgewiesen (Repert. d. Phys. 1842 S. 233) dals von jedem der beiden Enden der Nebenschlielsung positive und negative Elektricität erhalten wer- den kann, je nach der Stärke der Ladung der Batterie und der Weite der Lücke, die der Nebenstrom zu durchbrechen hat. Wird nun, und ich glaube nicht dafs die Versuche über die magnetische Ablenkung darüber jetzt noch einen Zweifel lassen, in der Hauptschlielsung der Batterie ein Nebenstrom erregt, so wird dieser der innern Belegung der entladenen Batterie, zu der er durch einen Luftraum übergeht, ebenso gut negative Elektricität zuführen können, wie in den erwähnten Versuchen der dem Innern nächsten Condensatorscheibe. v. Öttingen änderte die Schlagweite der Batterie, also gleichzeitig die La- dung der Batterie und die Weite der Lücke, die der Neben- strom zu durchbrechen hat, so dals die nach der Schlagweite veränderlichen Ladungen nicht auffallen können. In einem Schliefsungsbogen von gebräuchlicher Länge und Einrichtung ist der Nebenstrom viel zu schwach, um das Innere der Batterie negativ zu laden, das stets einen Theil der direkten positiven Ladung zurückbehält, aber man kann den Strom bekanntlich ver- stärken durch Verlängerung des Bogens und seine Spiralform. von Öttingen erhielt nur einigermalsen erhebliche negative Ladungen der Batterie, nachdem er in den Schlielsungsbogen eine Rolle von ganz ungewöhnlicher Drathlänge (nach der An- gabe über acht deutsche Meilen) eingeschaltet hatte. Der in einer solchen Rolle erregte Nebenstrom würde auch für viel stärkere Ladungen der Batterie mit negativer Elektricität, als beobachtet wurden, einen genügenden Grund abgeben. Diese natürlichste, weil inductiv gefundene Erklärung der negativen Rückstände wird durch experimentell einfache Ver- suche unterstützt. Eine Rolle von 30 Fuls Drathlänge wurde in den kurzen gutleitenden Schlielsungsbogen einer Batterie von 3 Flaschen eingeschaltet, von jedem ihrer Enden ein Drath zu je einer Scheibe des Condensators geführt. Der zur Collektor- scheibe führende Drath war durch das Funkenmikrometer unter- brochen, an dem die Kegelspitzen ;, Linie von einander ent- fernt waren. Nach der Entladung der Batterie durch den Fall- vom 24. Juli 1865. 409 apparat wurde die Condensatorscheibe heruntergeschlagen, die Collektorscheibe am Goldblattelektroscop geprüft. Nach Ladung der Batterie mit der positiven Elektricitätsmenge 6, erhielt ich, als die Collektorscheibe mit dem innern Ende der Rolle ver- bunden war die Divergenzen —_ 22° —+ 40 — 40 vom äulsere Ende der Rolle — 52 + 22 98 Die Divergenz mit positiver Elektricität der ersten Zeile und die beiden Divergenzen mit negativer Elektricität der zwei- ten brauchen nicht vom Nebenstrome der Rolle herzurühren, sie können durch den Hauptstrom und die Seitenentladung allein erklärt werden. Bei den negativen Divergenzen der zweiten Zeile wäre anzunehmen, dafs die Condensatorscheibe direkt geladen würde und diese die Collektorscheibe durch Influenz lüde. Die übrigen drei Divergenzen können nur von dem in der Rolle erregten Nebenstrome herrühren. Es wurde der Drath zwischen Rolle und Condensator- scheibe entfernt und die Condensation durch die isolirte mit Drathfortsatz versehene Scheibe vollführt. Als die Collektor- scheibe mit dem innern Ende der Rolle verbunden war, lie- ferte die frühere Ladung der Batterie die Divergenzen + 20° — 17 —10 —8 Die erste Divergenz ist der Seitenentladung, die übrigen sind dem mit dem Hauptstrome gleichlaufenden Nebenstrome der Rolle zuzuschreiben. Nach der Verbindung mit dem äufsern Ende der Rolle erschien kein Funke im Mikrometer, keine La- dung des Condensators in drei Versuchen, bei welchen die Bat- terie mit den Elektricitätsmengen 6, 10 und 15 geladen war. Es ist hier noch deutlicher als früher, dals die Seitenentladung, obgleich mit positiver Elektricität zur Collektorscheibe über- gehend, den Übergang der negativen Elektricität des Neben- stroms erleichtert. Diese schr verwickelten Versuche sind noch unsicherer als die ähnlichen mit dem Nebenstrome einer Nebenschliefsung an- gestellten, und man erhält, ohne den Grund davon zu finden, [1865.] r 34 410 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse bald Versuche die deutlicher, bald solche, die undeutlicher, als die angeführten, den Nebenstrom verrathen. Sichere, mit eini- ger Vorsicht zu jeder Zeit dasselbe Ergebnils liefernde Versuche werden durch das Mittel erhalten, das so gute Dienste in der Nebenschlielsung geleistet hat, durch das elektrische Ventil. Die Rolle im Schliefsungsbogen wurde wieder an beiden Enden mit dem CGondensator in Verbindung gesetzt, aber ın den Drath zwischen Rolle und Funkenmikrometer ein elektri- sches Ventil mit 1 Linie Luftdruck eingeschaltet. Dieser Drath war zuerst am innern, dann am äulsern Ende der Rolle be- festigt. Die Batterie wurde stets mit der Elektricitätsmenge 6 geladen. V: Elektricität von der Hauptrolle, gesammelt am innern Ende Collektor verbunden mit Spitze Fläche des Ventils Divergenz des Elektroscops. — 33° +58 —53 +70 —413 +7% am äufsern Ende. —60 +48 —60 +6 -63 +7%0 Es ist zu bemerken, dals die drei mit 70 bezeichneten Di- | vergenzen grölser waren, aber an der nur bis dahin sichtbaren | Theilung nicht bestimmt werden konnten und dafs zwei Fälle | vorkamen, am äulsern Rollenende, wo weder Funke noch La- | dung des Condensators bemerkt wurde. Die Zeichen der auf- | gefangenen Elektricität entsprechen durchaus der Regel des Ne- | benstromes, aber dadurch ist eine Mitwirkung des Hauptstromes | und der Seitenentladung bei der Ladung der Collektorplatte | nicht ausgeschlossen. Die ungewöhnlich grolsen Divergenzen mit positiver und die kleinen mit negativer Elektricität können | dieser Mitwirkung zugeschrieben werden. Als die Gondensa- ‚ torscheibe aufser Verbindung mit der Rolle gesetzt und isolirt | vom 24. Juli 1865. 411 war, gab das innere Ende der Rolle bei Ladung der Batterie mit der Elektricitätsmenge 6 folgende Divergenzen. v1. Collektor verbunden mit Spitze Fläche des Ventils. — 23° +58 —30 +37 —25 +23 Von dem äufsern Ende der Rolle konnte in 4 Versuchen, bei welchen die Batterie mit der Menge 10 geladen war, keine Divergenz erhalten werden. Diese Versuche, die ich mit gleichem Erfolge hinsichts der Zeichen der angesammelten Elektricität oft wiederholt habe, sind nur Corollare zu Versuchen des vorigen Abschnitts. Reihe V. stimmt mit I. und IL, Reihe VI. mit IV. vollständig überein. In den frübern Versuchen I., II. und IV. wurde die Elektrici- tät an einer Drathrolle gesammelt, die über der hier gebrauch- ten Hauptrolle lag, von dieser durch eine dieke Guttapercha- c und 5 allein einer Elektrieitätsbewegung zugeschrieben werden, die schicht getrennt war, und die Ansammlung konnte einzi Nebenstrom genannt wird. Die jener gleiche und durch das Ventil in gleicher Weise geregelte Elektricitätsansammlung in den Versuchen V. und VI. einer andern Elektricitätsbewegung zuschreiben zu wollen, scheint mir weder geboten noch ge- rechtfertigt. Ich brauche wol kaum zu bemerken, dals der in einer Rolle von nur 30 Fuls Drathlänge erregte Nebenstrom in den Condensator und nicht in die Batterie ging, weil er von der letzten im Augenblicke seines Entstehens durch einen viel zu breiten Luftraum getrennt war. 31* 412 Sitzung der physikalisch mathematischen Klasse Hr. Poggendorff las: Über Störung der Funken- Entladung des Inductoriums durch seitliche Nähe isolirender Substanzen. Als ich zur Prüfung der beiden neuerlich von der Akademie bewilligten Inductorien dieselben zunächst auf ihre Schlagweite untersuchte, boten sich mir einige bemerkenswerthe, und, wie ich glaube, noch nicht beschriebene Erscheinungen dar, von welchen ich mir erlauben will hier eine kurze Nachricht zu geben. Am deutlichsten beobachtet man sie bei dem gröfseren die- ser Apparate, der einen Inductionsdraht von nahe 2000 Meter besitzt, und theils deshalb, theils seiner vortrefflichen Ausfüh- rung wegen von sehr kräftiger Wirkung ist. Angeregt durch den in Quecksilber unterbrochenen Strom einer Batterie von drei Bunsen’schen Elementen mittlerer Gröfse hat derselbe zwischen zugeschärften Elektroden aus dicken Kupferdrähten eine Schlag weite von 8% par. Zoll, die auf 10 Zoll (27 Centimeter) steigt, wenn man die negative Elektrode mit einer Scheibe versieht !). !) Wie alle Inductorien von Siemens und Halske hat auch die- | ses oben auf eine ganz aus Metall gearbeitete Entlade -Vorrichtung. Ich | bediene mich indels derselben nicht, sondern ziehe es vor die Elektroden | von dem Apparate zu trennen, sie nur durch Drähte mit demselben zu ver- | knüpfen und von Glasständern tragen zu lassen, die an einer anf dem Ti- | sche liegenden Holzscale verschiebbar sind. In gleicher Weise versehe | ich die Metallscheibe, welche man gewöhnlich durch Anschrauben an der | negativen Elektrode befestigt, mit einem beweglichen Glasfuls. Diese zum Experimentiren mit grolsen Schlagweiten (für kleine ge- | brauche ich das Funkenmikrometer) sehr bequeme Vorrichtung hat unter | anderen den Vortheil, dals man während des Überspringens der Funken | Veränderungen mit der Entladung vornehmen, und verschiedene Erschei- | nungen mit Leichtigkeit wahrnehmen kann, die sonst nur schwierig zu be- | obachten sind. So z.B. fand ich auf diese Weise, dafs die Scheibe, auch wenn sie ;) die negative Elektrode nicht berührt, einen verstärkenden Einfluls auf die | Schiagweite ausübt. Man kann sie gut einen halben Zoll und mehr ent- | feınt von der negativen Elektrode aufstellen, und dennoch durchspringt |/ der Funke zwischen ihr und der positiven Elektrode fast dieselbe Strecke wie im Fall sie die negative berührt, so dals, da man zugleich einen Fun- | ken zwischen der Scheibe und der negativen Elektrode bekommt, die | vom 24. Juli 1865. 413 Elektrische Funken von solcher Länge gehen bekanntlich in Luft von gewöhnlicher Dichtigkeit niemals in gerader Linie, sondern beschreiben eine eigenthümlich geschlängelte oder ge- zackte Bahn, die bei jeder Entladung eine andere Gestalt be- sitzt. Es ist demnach klar, dafs man bei ihnen eine Unterschei- dung machen mufs zwischen Funkenlänge und Schlagweite, d. h. dem gegenseitigen Abstand der Elektroden, zwischen wel- chen die Entladung stattfindet. Vermöchte man die Funkeu- bahn zu rectificiren, so würde man sie offenbar um ein Ansehn- liches, vielleicht ein Viertel oder Drittel, gröfser finden als die Schlagweite. Diese Betrachtung führte mich zu der Frage, ob es nicht möglich sei, die Funken zu zwingen, eine gerade Bahn zu be- schreiben, dadurch z.B., dafs man sie durch eine Glasröhre leite. Demgemäls nahm ich zuvörderst eine enge Thermometer- röhre und schob in dieselbe, von jedem Ende her, einen Platin- Summe der beiden Schlagweiten noch etwas grölser ist, als die einzige im Fall der Berührung. Rückt man die Scheibe weiter ab von der negativen Elektrode, so wird der Funke auf der positiven Seite jedoch kürzer. Bei 2 oder 2% Zoll Abstand ist, unter den Umständen, unter welchen ich experimentirte, kaum ‚ein Unterschied zwischen den Schlagweiten zu beiden Seiten der Scheibe; diese steht also fast in der Mitte zwischen den Elektroden, welche unge- fähr einen gegenseitigen Abstand von 5 Zoll haben. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Funken besteht darin, dafs die von der positiven Elektrode ausgehenden auf den centralen Theil der Scheibe schlagen, während auf der anderen Seite die Funken von dem Rande der Scheibe zu der negativen Elektrode überspringen, wie denn überhaupt die Funken zu beiden Seiten der Scheibe, wenn sie einiger- maalsen lang sind, fast nie in ihrer gegenseitigen Verlängerung liegen. Schiebt man die Scheibe ganz an die positive Eiektrode, so ist die Schlagweite des einzigen Funkens, den man alsdann bekommt, wiederum eiwas grölser; allein sie ist doch im Vergleich zu der Schlagweite zwi- schen Spitzen mehr verringert, als sie durch Berührung der negativen Elek- trode mit der Scheibe vergrölsert wird. Während sie nämlich im letzte- ren Fall von 8% Zoll auf 10 steigt, sinkt sie im ersteren auf 5% bis 6 Zoll. Nach Grölse der Scheibe und nach Intensität des Stroms sind natür- lich die Erscheinungen verschieden, doch im Ganzen ähnlich. Kleinere Scheiben wirken minder kräftig als grölsere. 414 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse draht von 0””,3 Dicke, der das Lumen derselben locker aus- füllte. Bei jeder Entladung des Apparats zwischen diesen Dräh- ten erhielt ich nun wirklich einen geradlinigen Funken oder viel- mehr einen leuchtenden Strich von grofser Helligkeit; aber, was ich nicht erwartet hatte, die Schlagweite, hier identisch mit der Funkenlänge, war nicht nur nicht länger, sondern mindestens 2 Zoll kürzer als in freier Luft, betrug nämlich ungefähr 6% par. Zoll, stait der früheren 8%. Vermuthend, es möge diese Verkürzung davon herrühren, dafs die Luft durch die Gewalt der Entladung heftig ausgedehnt worden sei, und nicht habe rasch genug entweichen können, nahm ich jetzt bei Anwendung derselben dünnen Platin-Elektro- den eine weitere Röhre, eine Röhre von 1 Linie innerem Durch- messer. Allein wiewohl nun gewils Spielraum genug für die Ausdehnung der Luft vorhanden war, erwies sich dennoch die Schlagweite nicht vergrölsert, eher etwas kleiner als vorhin. Der Funke bestand übrigens auch jetzt noch aus einem fast gera- den Strich von grolser Helligkeit. Nun schritt ich zu Röhren von grölserer Weite, von re- spective 15, A ER unds., par. Lin. innerem Durchmesser, und entlud darin den Apparat zwischen Elektroden aus Kupferdrähten von 1 Linie Dicke, welche durch locker die Röhren verschlie- fsende und in der Mitte durchbohrte Korke in der Axe der Röh- ren gehalten wurden. Auch in allen diesen Röhren war die Schlagweite geringer als in freier Luft, obwohl sie zunahm mit dem Durchmesser ;, sie betrug nämlich respeetive 5, 55, 6% und 7% par. Lin. Allein der Funke war jetzt nicht mehr geradlinig, sondern geschlängelt wie in freier Luft, nur vielleicht nicht ganz so stark, jedoch stets heller als unter gewöhnlichen Unsständen. Röhren von Wachstaffet und Kautschuck zeigten im Ganzen dieselben Erscheinungen. Eben so verhielt es sich, als die Entladung zwischen zwei Glasplatten vorgenommen wurde, die in 2 Lin. Abstand parallell neben einander aufgestellt waren. Der ihnen parallel schön ge-. schlängelte Funke hatte nur eine Schlagweite von 6 Zoll. Ja als selbst nur eine Glasplatte den Elektroden seitwärts‘ fast bis zur Berührung genähert wurde, zeigte sich die Schlag- vom 24. Juli 1865. 415 weite gegen die in ganz freier Luft fast um einen halben Zoll verringert. Es fand sich ferner, dafs es zur Verkürzung der Schlagweite nicht nöthig sei, die Funken ihrer ganzen Länge nach neben Glas fortgehen zu lassen. Als nämlich die Elektroden in ihren gewöhnlichen Abstand von 8% Zoll gestellt waren, und nun auf jede derselben ein 1% Lin. weites Röhrenstück von etwa 3 Zoll Länge gesteckt wurde, in solcher Weise, dafs es ungefähr 2 Zoll vorragte, blieben die Funken aus. Die Elektroden mulsten bis auf 7 Zoll zusammengeschoben werden, ehe sie zum Vorschein kamen. | In gleicher Weise störend wirkte ein 3 Zoll langes Röhren- stück von 8 Lin. Weite, welches mitten zwischen den Elektro- . den, und mit seiner Axe ihnen parallel aufgestellt worden war. Auch hier blieben die Funken bei 8% Zoll Abstand zwischen den Elektroden aus, und wenn sie durch Zusammenschieben dersel- ben hervorgerufen wurden, gingen sie eben so oft um die Röhre herum, als durch dieselbe. Dieser, wenn man so sagen darf, Widerstand, welchen die Röhren dem Durchgang der Funken entgegensetzen, äulserte sich auch in allen früheren Fällen dadurch, dafs, wenn die Elektroden nicht tief genug in die Röhren hineinragten, und sie überdiefs einen beträchtlichen Abstand von einander hatten (wobei natür- lich die Spannung auf ihnen grols war), die Funken sehr häufig in einem weiten geschlängelten Bogen um die Röhre herum- sprangen, statt hindurch zu gehen. Die funkenverkürzende Wirkung der Glasröhren wird voll- ständig aufgehoben, wenn man dieselben von aulsen mit einer leitenden Substanz z. B. mit einem Streif von benälstem Papier oder besser von Stanniol bekleidet. Dieser Streif braucht die Röhre nicht ganz einzuhüllen; es genügt, wenn er das mittlere Drittel derselben zur Hälfte oder drei Viertel ihres Umfangs um- giebt; in keinem Fall aber darf er den Enden der Röhre zu nahe kommen, weil sonst von den Elektroden her äulserlich Funken auf ihn einschlagen. Die in solchen Röhren erscheinenden Fun- ken gehen in geschlängelter Bahn, und wenden sich mehrfach gegen den bekleideten Theil der Röhrenwand. 416 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Die Belegung der Röhren mit Stanniol stellt nicht nur die ursprüngliche Schlagweite der Funken wieder her, sondern ver- gröfsert auch dieselbe sehr bedeutend. Unter Umständen, unter welchen in freier Luft die Funken zwischen Spitzen bei 8% Zoll, und zwischen einer Scheibe und einer Spitze von 10 Zoll Abstand überschlugen, erhielt ich in einer Röhre von 1% Lin. innerem Durchmesser und 17 Zoll Länge, die auf dem mittleren Theil zu drei Vierteln ihres Um- fangs mit einem 10 Zoll langen Stanniolstreifen umgeben war, eine Schlagweite von 15 Zoll (40,5 Centim.). Diese Funken haben auf ihrer langen und krummlinigen Bahn eine verschiedene Beschaffenheit; in dem unbelegten Theil der Röhre sind sie dünn und relativ lichtschwach, in dem beleg- ten Theil dagegen breit und hell. Der letztere Funkentheil verschwindet, wenn der gegensei- tige Abstand der Elektroden zu grols ist für die Intensität des Stroms. Statt eines einzigen Funkens hat man dann zwei, die von den Elektroden auf die Innenwand des belegten Röhrentheils übergehen und einander nicht erreichen. Deutlicher und schöner beobachtet man diese Erscheinung, wenn man, statt der Röhre, eine einseitig belegte Glastafel an- wendet, und die Elektroden vor ihrer unbelegten Seite aufstellt. Man kann sie, je nach der Intensität des Stroms, einen Zoll and mehr von der Tafel entfernen, und erhält dann bei der Entla- dung zwei dünne lichtschwache Funken, die sich in schönen Verästelungen auf der Tafel ausbreiten, wie diefs besonders im Finstern deutlich wahrzunehmen ist. Ist der gegenseitige Ab- stand der Elektroden hinlänglich grols, so springen zwischen ihnen keine Funken über, und es ist klar, dals dieser Abstand jede beliebige Grölse haben kann (wenn nur die belegte Glas- tafel in gleichem Maalse vergrölsert ist), ohne dafs die beiden auf die Tafel überspringenden Funken zu erscheinen aufhören. Hat dagegen jener Abstand eine geringere Gröfse, so springen die Funken entweder blols zwischen den Elektroden über, oder, zugleich und abwechselnd zwischen ihnen und der Tafel, und man hat dann Gelegenheit den Contrast in der Helligkeit beider ——— a | vom 24. Juli 1865. 417 Arten von Funken gut zu beobachten, einen Contrast, der um so grölser ist, je näher die Elektroden der Tafel stehen '). In Zusammenhang mit allen diesen Erscheinungen stehen an- dere, welche geeignet sind, eine Erklärung derselben zu liefern. Legt man einen etwa zollbreiten Stanniolstreif seiner Länge nach lose auf eine Glasröhre und läfst Funken durch dieselbe gehen, so sieht man, dals er sich krümmt, dicht an die Röhre anschmiegt und so fest an derselben haftet, dals man sie 180° um ihre Axe drehen kann, ohne dals er abfällt. Er ist also, wie die Röhre, stark elektrisirt worden. Dafür spricht auch ein eigenthümliches Rauschen, welches man nach dem Durchgang eines jeden Funkens einige Sekunden lang hört, sobald der Stanniolstreif die Röhre locker umgiebt. Es entsteht offenbar daraus, dafs eine Unzahl elektrischer Fünk- chen von der Röhre zu dem Stanniol überspringt, obwohl man, selbst im Finstern, nichts davon wahrnimmt. Noch deutlicher erweist sich der elektrische Zustand der Röhre, wenn man quer über dieselbe, einen guten Zoll von je- dem oder auch nur von einem ihrer Enden, einen schmalen und langen Stanniolstreif hängt. Solche Querstreifen befördern eben- falls den Durchgang der Funken, und, nachdem derselbe erfolgt st, divergiren sie, wie die Blätter eines Elektrometers. Wenn man ihnen einen Finger nähert, schlagen sie oftmals gegen den- selben, zum Beweise, dals sie nach ihrer Entladung wiederholt wiederum geladen werden. | Der Streif auf dem Röhren-Ende, welches der negativen Elektrode zugewandt ist, erweist sich, nach dem Durchgang ‘) Eine interessante Abänderung des Versuches besteht darin, dals man die Glastafel auf der einen Seite mit zwei Stanniolblättern belegt, die einander nicht berühren, sondern nur bis auf einige Linien nahe kommen, Man erhält dann bei jeder Entladung des Inductoriums Fünkchen zwischen den beiden Blättern, es mögen die Elektroden auf einander oder auf die unbelegte Seite der Glastafel Funken aussenden oder nicht. Selbst wenn nur eine der Elektroden der Tafel bis auf etwa 1 oder 1% Zoll genähert ist, bleiben diese Fünkchen nicht aus. 418 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse eines Funkens mit dem Elektrometer geprüft, positiv elektrisch, der am positiven Ende dagegen negativ. Diese negative Elektricität zeigt der letztere Streif, auch wenn er bis zur Mitte der Röhre und selbst beträchtlich darüber hinaus fortgeschoben wird, was wohl darin seinen Grund hat, dals der positive Funke einen viel grölseren Theil der Röhre ein- nimmt als der negative. Dafs die Aulsenseite der Röhre, nach dem Durchgang des Funkens, die entgegengesetzte Elektricität von der zeigt, welche aus den respectiven Elektroden hervorbricht, hat mich, muls ich bekennen, anfangs sehr überrascht. Allein die Sache ist er- klärlich. r Bekleidet man nämlich die Röhre, etwas vor jeder Elektrode, mit einem Ring von Stanniol, und stellt unter demselben, in 1 oder 1% Zoll Abstand, ein Elektrometer auf, so wird dasselbe, so wie ein Funke durch die Röhre geht, geladen, positiv un- ter den positiven Elektroden, negativ unter den negati- ven. Und wenn man es darauf, nachdem man es entladen hat, ohne wiederum einen Funken durchschlagen zu lassen, mit den Ringen successiv in Berührung setzt, erweist sich der an den positiven Elektroden negativ, und der an der negativen positiv. Die Ladung des Elektrometers im ersten Fall wird nicht direct durch die Elektroden bewirkt, denn sie unterbleibt oder ist sehr gering, wenn man die Stanniolringe fortlälst. Es ist also klar, dafs hier der gewöhnliche Influenzprozels stattfindet, dals die in Funkengestalt von den Elektroden ausströmenden Elektri- citäten zum Theil auf die Innenwand der Röhre übergehen und die gleichnamigen austreiben, welche, nachdem sie rasch in die freie Luft entwichen sind, die Aufsenwand der Röhre in entge- gengesetzten Zuständen zurücklassen. Nur das rasche Entwei- chen der im Glase entwickelten gleichnamigen Elektricitäten könnte etwas Befremdendes haben '). ‘) Eine damit im Zusammenhang stehende Erscheinung ist folgende: Nähert man ein Goldblatt-Elektrometer einer der Elektroden, während Funken in freier Luft zwischen ihnen überschlagen, so erhält man sehr un- 'sichere und selten bleibende Divergenzen. Stülpt man dagegen über die vom 24. Juli 1865. 419 Die Elektrisirung, welche das Glas und andere Isolatoren unter den obigen Umständen erleiden, findet auch schon bei der blofsen Büschel-Entladung statt, und das führt, meiner Meinung nach, zu einer befriedigenden Erklärung des erschwerten Durch- gangs der Funken durch Röhren, die aus solchen Substanzen gebildet sind. Es scheint mir nämlich glaublich, dafs die Elektroden, schon ehe Funken erscheinen, einen Theil ihrer Elektricität an das Glas verlieren, und dals diese auf dem Glase angehäufte Elektri- eität abstolsend auf die Elektroden rückwirke, wodurch dann die Funken entweder ganz unterdrückt werden oder eine geringere Schlagweite erhalten, als sie in freier Luft besitzen, ‘Dadurch würde sich auch die den Funkendurchgang beför- dernde Wirkung der Stanniolbelegung erklären; denn sie muls die auf der Innenwand der Röhre angehäufte Elektricität binden und folglich abhalten, auf die Elektroden abstolsend einzu- wirken. Freilich habe ich bei unbelegten Röhren und unbelegten Platten, auf der den Elektroden zugewandten Seite, wenn ich sie nach dem Überschlagen von Funken mit dem Elektrometer prüfte, nur sehr unbedeutende Spuren von Elektricität auffinden können, dagegen immer sehr deutliche Anzeigen erhalten, wenn die abgewandte Seite belegt war; allein dieser Umstand möchte wohl unbedenklich dem schnellen Entweichen der Elektricität im ersteren Falle zuzuschreiben sein. Es könnte scheinen, als ständen die obigen Resultate in Wi- derspruch mit früheren Beobachtungen von Riefs, welcher bei einer elektroskopischen Untersuchung Geifsler’scher Röhren fand, dafs das die positive Elektrode enthaltende Ende derselben einen umgelegten Stanniolring positiv influencirt und das andere Ende Kugel des Instruments eine dieselbe noch nicht berührende Glaskappe (ich nehme dazu eine der Glaskappen, welche den gewöhnlichen Weingeist- lampen zum Verschluls dienen), so erhält man ganz unverändert in der Nähe der positiven Elektrode einen bleibenden positiven Ausschlag, und in der Nähe der negativen Elektrode eben so einen negativen, beides of- “ fenbar in Folge der durch Influenz aus der Glaskappe fortgetriebenen.Elck- tricität. 420 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse negativ '). Indels ist der Widerspruch nur scheinbar. Es wur- den nämlich diese Beobachtungen während einer fortdauernden Erregung des Inductionsstroms durch den elektromagnetischen Hammer angestellt, wogegen ich bei alle den angeführten Ver- suchen einzelne Entladungen anwandte ?), und somit in den Stand gesetzt war, die Wirkung der Röhren während einer Entladung und nach derselben zu untersuchen. Meine Beobachtungen an dem während der Entladung in einigem Abstand von der Röhre „aufgestellten Elektrometer stimmen mit denen von Riefls über- ein, wogegen die nach der Entladung an dem mit dem Stanniol- streif in Berührung gesetzten Elektrometer das entgegengesetzte Resultat ergaben, was auch, glaube ich, ganz in der Ord- nung ist. Um mich indels näher von der Sache zu unterrichten, nahm ich nun auch Geilsler’sche Röhren in Untersuchung. Bei einzelnen, aus freier Hand mit der Quecksilberwippe vollzogenen Entladungen des Apparats konnte ich an zwei Exem- plaren solcher Röhren gar keine sicheren Anzeigen von Elektri- eität erhalten; als ich aber die Wippe durch ein kleines galvani- sches Element in Thätigkeit setzte, erhielt ich solche sehr deut- lich, und zwar ganz so wie Rie[s angegeben, positiv vom po- sitiven Ende der Röhre. Nach Aufhebung des Stroms war in- dels bei Berührung des Stanniolringes mit dem Elektrometer wiederum keine Elektricität zu spüren. Eine dritte Röhre, die mit einem Hahn versehen: war und von mir selber ausgepumpt wurde, verhielt sich ähnlich. Wenn ich sie möglichst vollkommen evacuirt hatte, gab sie ganz diesel- ‘) Ann. d. Phys. u Chem. Bd. CIV. S. 324. ”) Ich bediente mich dazu des Halske’schen Unterbrechers (Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. XCVII. S. 641), den ich durch einen angeschraubten Platinbügel in einen Quecksilber-Unterbrecher umgewandelt hatte. In die- ser Form ist das Instrument besser als die Ruhmkorff’sche Vorrichtung zu einzelnen Unterbrechungen des Stroms geschickt, da man den Hebel, des- sen Platinbügel man durch Auftupfen mit dem Finger in das Quecksilber versenkt, mittelst der Spiralfeder an seinem anderen Ende nach Belieben anspannen, und somit ein sehr rasches Ausheben des Bügels aus dem flüs- sigen Metall bewerkstelligen kann. De vom 24. Juli 1865. 421 ben Erscheinungen wie die Geifsler’schen Röhren; je mehr Luft ich aber in dieselbe hineinliels, desto stärker wurden ihre elek- troskopischen Anzeigen, so dals sich selbst nach der Aufhebung des Stroms Elektricität nachweisen liels, und zwar negative am positiven Ende. Endlich liefs ich, mittelst der Quecksilberwippe, einen Fun- kenstrom durch eine offene Röhre schlagen. Die an beiden En- den aufgeschobenen Stanniolringe zeigten sich nun in dem Grade elektrisch, dals man nicht wagen durfte sie zu berühren, und wenn man das Elektrometer heranbrachte, divergirte es am po- sitiven Ende der Röhre positiv, und am negativen negativ. Nach Aufhebung des Funkenstroms mit dem Elektrometer berührt, ga- ben die Stanniolringe entgegengesetzte Elektricitäten in Bezug auf die von den Elektroden ausgehenden. Auch in anderer Gestalt bietet sich dieselbe Erscheinung dar. Die aus den Werkstätten von Siemens und Halske hervor- gehenden Inductorien sind zum Schutz gegen äulsere Verletzung mit einem Mantel von sogenanntem Horngummi bekleidet, einer Masse, aus welcher überdiels der ganze Körper dieser Apparate gearbeitet ist. Fängt man über diesen Mantel, nach beiden En- den hin, jedoch ihnen nicht zu nahe, einen Stanniolstreif und läfst den Apparat einzelne Funken geben, so findet man, nach jedem derselben, den Sireif am positiven Ende negativ und den am negativen Ende positiv. Erregt man dagegen mittelst der Wippe einen Funkenstrom, so erweist sich, während dessel- ben, der erstere Streif positiv, und der letztere negativ '). Eine ähnliche Übereinstimmung mit den Erscheinungen bei Röhren zeigt auch die vorhin erwähnte Glastafel mit getheilter Belegung. Alle diese Erscheinungen stehen im engsten Zusammenhang ") Daher springen denn auch Funken zwischen den beiden Streifen über, wenn sie einander zu nahe kommen, wie denn andrerseits ein breites Stanniolblatt, welches den Mantel seiner ganzen Länge nach (mit Aus- nahme der Enden) bekleidet, auch ohne ihn vollständig zu umschlielsen, sehr nachtheilig auf die Funken -Entwicklung zwischen den Elektroden “wirkt, ja sie unter Umständen wohl ganz unterdrücken kann. Leizteres ist indefs eine schon bekannte Erfahrung. 422 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 24. Juli 1865. mit den bei Röhren beobachteten und dienen der für diese gege- benen Erklärung zur Bestätigung. Schlielslich mag hier noch erwähnt sein, dafs die Glasröh-. ren bisweilen von den durchgehenden Funken arg verletzt wer- den. Bei den ganz engen Röhren und bei den 4 bis 8 Lin. wei- ten habe ich die(s nicht bemerkt, wohl aber bei den von 15 bis 2 Lin. innerem Durchmesser, doch auch bei diesen nicht allemal. Es scheint diefs von der Sprödigkeit des Glases abzuhängen. Die Verletzungen erfolgen durch die seitlichen Excursionen der Fun- ken, bei welchen dieselben häufig gegen die Röhrenwand schla- gen, und deshalb sind wohl die ganz engen Röhren vor ihnen geschützt, da darin die Funken geradlinig fortgehen. Hat ein- mal eine Röhre durch diese Seitenhiebe, wenn ich so sagen darf, eine kleine Verletzung davongetragen, so schlagen die Funken häufiger auf diese Stelle ein und bewirken krause, verästelte Risse, die sich der Röhre entlang immer weiter ausdehnen, und die- selbe zuletzt förmlich aufspalten, ohne sich in die Quere zu er- strecken. Bei längerer Aufbewahrung solcher verletzten Röhren bilden sich in ıhnen, ohne Funkenwirkung, von diesen krausen Rissen aus glatte Sprünge nach den verschiedensten Richtungen, welche die Zerstörung der Röhren vervollständigen. Mitunter treten auch die Funken durch die von ihnen gebildeten Risse zur Röhre heraus, und schlagen an der Aufsenseite in geschlängelter Bahn zur nächsten Elektrode über. Hr. Beyrich machte Mittheilungen aus einem Briefe des Hrn. Dr. Hilgendorff, worin dieser über seine von der Aka- demie unterstützten Forschungen in der Gegend von Steinheim berichtet. Gesammtsitzung vom 27. Juli 1865. 423 27. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Parthey las über die griechischen Papyrus- fragmente der Leipziger Universitätsbibliothek, Bei der Untersuchung der von Dr. Brugsch inKairo für die hiesige K. Bibliothek erworbenen 57 Papyrusfragmente stellte es sich heraus, dafs dieselben dem Hausarchive eines römischen Be- amten in Memphis aus dem dritten Jahrhundert n. C. angehören. Sie wurden in dem letzten Bande der Memorie dell’ Instituto archeologico veröffentlicht, welcher zu Ehren von Hrn. Ger- hards S0jährıgem Jubiläum so eben erschienen ist. Da alle diese Blättchen nicht mehr als 3—5 Zoll Länge und Breite haben, und da es bekannt ist, dals die ägyptischen Bauern die gefundenen Papyrusrollen zu zerschneiden pflegen, um sie an verschiedene Reisende zu verkaufen, so lag es nicht ausser dem Bereiche der Möglichkeit, dafs ein andrer Theil des Haus- archives sich in anderen Sammlungen vorfinden könne. Von Hrn. Haupt wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dafs in der Leipziger Universitätsbibliothek sich 35 Papyrusfragmente befin- den, und durch die gütige Vermittlung des Hrn. Oberbibliothe- kar Gersdorf erhielt ich dieselben zur Einsicht. Sie wurden von Hrn. Prof. Tischendorf in Sakkara bei Memphis er- worben. Jhre Untersuchung und Entzifferung ergab das überraschende Resultat, dals sie mit grosser Wahrscheinlichkeit demselben Grä- berfunde, wie die Berliner Fragmente angehören. Zwar hat sich zwischen den einzelnen Blätichen kein unmittelbarer Zusammen- hang nachweisen lassen, so dals das eine als Fortsetzung des an- dern sich zeigte, doch wenn man den Inhalt, den Charakter der Hände, die Textur des Papieres und die Grösse betrachtet, so kann über die Zusammengehörigkeit beider Sammlungen kaum ein Zweifel obwalten. Was zuvörderst die Grösse betrifft, so varııren die Leipziger Fragmente eben so wie die Berliner zwischen 23—6 Zoll in Länge und Breite, doch finden sich selten ganz genau überein- ‚stimmende Blätter. Die Textur des bräunlichen Papieres, die Schwärze der 424 Gesammtsitzung Tinte, die Zwischenräume der Zeilen sind in beiden Sammlun- gen dieselben. Jn den Händen herrscht viele Verschiedenheit, aber in allen derselbe Charakter, der sich bei der stehenden Schrift durch eine gewisse Schwerfälligkeit und Unbehülflichkeit, bei der liegenden durch grosse Flüchtigkeit auszeichnet. Mit ziemlicher Gewisheit kann man das Berliner Fragment 8 und das Leipziger 10 als von demselben Schreiber herrührend betrachten; eben so Berl. 29 verso und Leipz. 9; Berl. 44. 49 und Leipz. 12. Gröstentheils sind die Rückseiten von andrer Hand beschrie- ben als die Stirnseiten, und oft kopfunter gekehrt. Man benutzte eben in der Wirtschaft die älteren Blätter, besonders von den Rechnungen, zu neuen Aufzeichnungen. Sehr merkwürdig ist es, dals in dieser römischen Hauskanzlei nicht nur zwei Fetzen mit demotischer Schrift vorkommen (21. 22), sondern auch zwei (19. 20) die auf der einen Seite demo- tische, auf der andern griechische Schrift tragen. Sie stimmen im äusseren Verhalten so vollständig mit den übrigen Fragmen- ten, dafs man kaum annehmen kann, sie gehörten zu einer an- dern Sammlung. Die demotische Schrift ist auf no. 19 und 20 mehr verloschen, als die griechische, daher wohl als die ältere zu betrachten; doch bezeugt eben das Vorhandensein dieser de- motischen Blätter in den Hausakten eines römischen Beamten, dals im dritten Jahrhundert n. C. beide Sprachen in Aegypten neben einander hergingen. Das jüngste demotische Schriftstück war bisher eine von de Saulcy kopirte Inschrift aus der Zeit des M. Aurelius und L. Verus. Nach einer Bemerkung von Brugsch ist eine demotische Handschrift in Leyden, liturgischen Jnhaltes, in reinem Koptisch abgefalst, dem Style nach nicht unähnlich der Pistis Sophia. Leemans Aeg. Monumenten. Lief. 17. p. 384. , In Betreff des Jnhaltes ist freilich für beide Sammlungen, die Berliner wie die Leipziger, die Ausbeute nur gering; auch erschwert die -Unvollständigkeit der Blättchen nicht selten das Verständnils. Wenn bei vollständigen Handschriften der Sinn und Zusammenhang des Ganzen in vielen Fällen die Lesung der einzelnen Worte herbeiführen, so beschränkt sich bei so gerin- vom 27. Juli 1865. 425 gen Fragmenten wie die vorliegenden, das ganze Geschäft des Erklärers auf die Entzifferung einzelner Worte. Die historischen Angaben, welche sich mit Sicherheit aus den vorhandenen Überresten entnehmen lassen, sind folgende. Jm Berliner Fragment 17 wird Mevius Honoratianus genannt, der i. J. 232. 233 Statthalter von Aegypten war. Das Berliner Frg. 1 giebt einen Brief, worin religiöse Feste angeordnet werden, weil die Nachricht eingelaufen war, dafs C. Julius Verus Maximus, Sohn des Kaisers Maximinus, zum Caesar ernannt sei; dies geschah i. J. 235. Jm Leipziger Frg. 1 werden der Kaiser Marcus Julius Phi- lippus (Arabs) und sein Sohn Marcus genannt. Dies bestimmt die Zeit der Abfassung auf 247 — 249. Unsicher ist die Erwähnung des Elagabal (+ 222) im Ber- liner Frg. 2, und des Alexander Severus (222—235) in den Ber- liner Frg. 2 und 5. Andre Bruchstücke in beiden Sammlungen beziehn sich auf Geldangelegenheiten, Verkäufe und Landbesitz, haben aber zu wenig Zusammenhang, um einen Überblick über die Haushaltung des Besitzers zu gewähren, oder eine Prüfung der Zahlzeichen zu gestatten. Nicht ohne Interesse sind die Überreste von vertraulichen Briefen, worin allerlei Privatangelegenheiten besprochen werden. Berl. Frg. 23—30, Leipz. 2. Endlich befindet sich unter den Berliner Frg. eines (32), welches muthmaalslich als eine Lebensbeschreibung des verstor- benen Hausherren, oder als eine Leichenrede auf ihn betrachtet werden kann. Wirft man noch einen Blick auf die in beiden Reihen vor- kommenden Eigennamen, so zeigt sich ein völliges Durcheinan- dergehn der ägyptischen, griechischen, römischen. Man kann aber daraus keinen Schlufs zıehn auf eine engere politische Ver- schmelzung der drei Völkerschaften. Die römischen Beamten bil- deten immer nur einen kleinen Theil der Einwohner, die Grie- chen hatten während der 300 jährigen Dauer der Ptolemäerherr- schaft Zeit gehabt, sich in allen Klassen der Gesellschaft auszu- breiten, die Aegypter waren damals aus den höheren Stellungen [1865.] 32 426 Gesammtsitzung verdrängt, und wahrscheinlich nur noch auf den kleinen Grund- besitz angewiesen. Nur soviel stellt sich durch die Betrachtung der Fragmente heraus, dafs bei Pachtungen, Verkäufen und Quit- tungen, überhaupt in allen Geldsachen die drei Nationalitäten sich einer gleichen Berechtigung zu erfreuen hatten. Von den 35 Leipziger Fragmenten schienen nur die folgen- den 20 zur Bekantmachung geeignet, die übrigen 15 enthalten ganz unbedeutende Reste. 1. 1 roü zvechwros dbave 2 zei Eorı ÖE amorA 3 & oe HN apa A. 0 amo zw Tan. 708 5 Ölog. 05 amaır... avouß 6 .. ey Zeile 6—13 verblichen 7 [Ez:] aUToREKToRDS 8 zulsapos Magxov TovAsov 9 BıAimmou [eVrsßo0s] 40 EUTUN.DÜS zuL Magxou Zwei der Länge nach zusammengeklebte Streifen von lie- gender flüchtiger Schrift. Z. 7 ’Em. ist unsicher; statt dessen steht eine Abbreviatur, die auch ür0 bedeuten könnte. Z. 9. eiceQols ist nach der Analogie ähnlicher Kaiserin- schriften z. B. des Berliner Fragmentes 1, 7 ergänzt; im Origi- nale lassen sich nur 4 kleine Striche erkennen. Der obere Theil des linken Streifens und der rechte Strei- fen geben keinen Zusammenhang. Zeile 7—10 des linken Frag- mentes enthalten eine Erwähnung des Kaisers Philippus Arabs und seines Sohnes Markus. Es ist vermuthlich der Anfang einer Abschrift eines kaiserlichen nach Aegypten gesendeten Dekretes. + Da Philippus II im Jahre 247 n. C. seinem Vater Philippus I in der Regierung beigesellt wurde, und beide im Jahre 249 star- ben, so läfst sich das Datum des Papyrusfragmentes mit grosser Sicherheit in die Jahre 247—249 einschliessen. vom 27. Juli 1865. 427 2. 4—3 abgeblättert. Oogeov mexgge . Sum oumw ra övonare zarelız gıoraı eis dloanrews.. MM &- MEANS Mov rs maga#ın|ee ws, menbaı jo Mızgöv mioa- gıv Pr? SAoohbazov FÜ Dagı Svvnaanı$ \ > / 410 mem v4 zar domafloner J \ 11 ra aßdozavraz ou mandıa zur 42 EAov Fov Tov oizov. 13 Zoowcd Auf der Rückseite mit grösserer Schrift vielleicht von an- drer Hand AlpyAıu Seoyvu. Zusammenhangende Zeilen; liegende grosse Schrift. 2.5. us in zarausgırraı ist korrigirt. Z.9. ororbazov] & sieht dem / in zeu\a: sehr ähnlich. Z.9. degr] korrigirt aus peoı. Man ist geneigt, bagıw zu lesen: allein die Zeile schliefst sicher mit :, und der Anfang der folgenden ist eben so sicher kein w, sondern eher ein y. Z. 13. ist aufzulösen in &ogwsde, wenn mit dem Vater zu- gleich die unbeneideten Kinderchen und das ganze Haus gegrülst werden, oder in &ogwodei [vs euxone], wie es sich in dem Ber- liner Fragmente 28, 5 ausgeschrieben findet. Dieser Schluls eines vertraulichen Briefes läfst uns bedauern, dafs der Einblick in die häuslichen Verhältnisse des Alterthumes sich nicht weiter aufthut. Nach der Beischrift auf der Rückseite ist der Brief an den Aurelius Serenus gerichtet, ohne Zweifel einen römischen Beamten in Aegypten. Der Briefsteller bittet ihn, seine Aufträge nicht zu vergessen, und ihm mehrere Ge- genstände zu senden, deren Namen sonst nicht vorkommen. Z.8 mioagıs lälst sich kaum mit mıros, Erbse, in Verbindung seizen; es ist vielleicht ein Mischwort mit dem ägyptischen männlichen Artikel z.. Jm Koptischen bedeutet capıc, calamus, iuncus, asarum u. s. w.; es ist möglich, dafs das koptische Wort mitten 32* 428 Gesammtsitzung im griechischen Text steht. Z.9 wenn die Lesung öAcrbazos richtig ist, so könnte man an oerxos, Salbei denken. 1 Bmov...av..A agoı. 2 Iourie Tov.. u 3 Ife]eios vrorMmmo zar . A 4 Auligos AvgyAuos "Aorenı 5 N 0065 NT & 556 6 Aozeyria.... a 7 Aovsiov Eülmaro]ıdou 8 Oiarspies a I Ievrsivas “Hfo]err 10 Derngio ... dowv. 41 Zeumowvumm. Ozoowg 12 Zoapamıv [H]oazai6ı To 13 Kaps “Hoa[ 2 ]ıd: en 14 Auwgrwv "Ania vw Anfänge von Zeilen; flüchtige, liegende, sehr verblichene Schrift, die Ergänzungen daher unsicher. Z. 11 3:4 zweifelhaft, Liste von römischen männlichen und weiblichen Namen. Z.4 begegnet uns wieder Aurelius. Die Formen Aozgyrız (6), HevAsiva (9), Harngi (10) sind zu bemerken. Auf der Rückseite 9 unleserliche Zeilen. vom 27. Juh 1865. 429 4. Stirnseite. 1 oapre Te@mEQH Bsonoudin 41 2 z]ıls.. Bavovroiıs GN 3 ulr Joxgsmou Gy A ıwvos "A720. . gOMERG W776) 9 care damavys zoAU Gıs 6 os TED covord. Bv 7 cc sis rn rımyv Toü Sad] avov 8 yivercı 4 dom rour 4 9 eyrı AG uG. 10 dr[ö rolerzens Beomovd 41 sis [rn]v zunyv Foü Gabe vou 12 Öpey,tacs rauaezoc]e]es mo FoamEgns Beoyo| v > ” wm m Eisıöwpw Tw TOoU Mov Tun TEOMaLIVEOTE Aovr& Meute Altov]vsov 1) > BB p pp pi naar % N Lx, sEaxo[ ei ]es TaaaovTo Kurze Ausgänge von Zeilen und gegenüberstehende Anfänge; weitläufige Schrift ohne Zusammenziehungen. Wirtschaftsrechnung mit mehreren Abtheilungstrichen: Z.2 ®avovzor:s ist deutlich, aber in der Geographie Ae- gyptens völlig unbekannt. Yre]|pavouror:s wäre ebenso unbekannt. Z.7 und 11. Der Preis des Kohles (dab«vos) wird zweimal erwähnt. Z.42. 16. 17. Das Ausschreiben der Zahlen in Buchstaben ist sonst auf den Papyri nicht gewöhnlich. 2.14 Eisöwgw statt ’Irıöwew war bisher nicht angemerkt. 430 i Gesammtsitzung 4. Rückseite. 1 SMmows #. U P) 2 NER ou 3 euomıMovıTro U 4 kav. 0A bar (049) 3 Ayo .TEg zowe au 6 ’Anuwvis MoE ß u SMolwg 0lvw & 8 sruAoLoAod ß 9 edoareap ot E73 10 KARE nenn ap U 11 Aoures oAob ß Anfänge von Zeilen; grosse deutliche Schrift, wıe es scheint, von derselben Hand wie die Stirnseite. Fragment einer Rechnung. L b) ’ age AvoyAwv[os HOL Y 2. RVOUTOU RE REN E) \ \ \ 6 Eoriv radıa ..Emi FN i er EvzurAcı 0 Mich „ 2 oıwou TEAOUS c IMOTIO TWALR— Öeparına 5 SQ rn m = sUTN eo. voeo Anfänge von Zeilen; stehende grosse Schrift. Die Endun- gen Z. 6. 7. 8 sind abbreviirt, daher unsicher. Scheint-der Rest einer Quittung über empfangene Waaren. vom 27. Juli 1865. 431 6. Stirnseite. TE .. Dıira maos iO... ww... oo Beraleunn wu... 20 . 8 TEN 2 uß mm #gd— .. ou JH 2. is. Bavew NM ouvcb sSsovopyıaan ron m 3 Anfänge von Zeilen; gerade Schrift; sehr viel Abkürzungen. 6. Rückseite. »2 ou AvpyAıu ToU zu "Avovßadıos weo Ik... Isıdos mer® xuglou r ummmmmmev EERS ..... 8 ZHHINHEHRNIITINIIEIDOETELRO U INNEREN GV Tov 00 & sap e Anfänge von Zeilen; wie es scheint, von derselben Hand wie die Stirnseite. Z.1. Die wiederholte Erwähnung des Au- relius spricht für die Zusammengehörigkeit der Fragmente. 2.3. "Irıdos kann auch als Endung zum vorigen gehören. 432 Gesammtsitzung 42 1 EHNNAO viol Aszınov To 2 . GUV . YPOT .. domogov aA 3 . ro zullilime . . our|w]s im ze 4 IHN VG MINOV. ZU TW eo... 5 .0.TWws. Umo AdgoyAlou Amor 6 avapv .. Tys nenıTbn Eu. PL 2 ... Ö@ IN ahbvorov YO... H 8 megt AWMNV ...» hr) nn 10 ne a Anfänge von Zeilen; kritzliche ungleiche Schrift. 8. 1 28 54 Keo[öuvosllliliiililli 2 #2 ON zoo alero.. & 3 [Je + 00 ao .... © 4 #E + "Aoreurdos or RT BD) 2) Sr zie © 5000 E 6 0 84 Keodwvos .... 9% 7 2. + "Agrenıdos ae 8 Eey,wv J Or Eruleieailonoo © 9 ° 6+ Kepöwvos ... & 10 e o+ "Agremıdos er 11 3 Hr CR © 12 IN &+ Keoöwvos .... € 43 II &+ "Agrzwıdos a 14 I S+ zov &. & 45 ; ot Bo & 16 T+ 5 EWR WETY.aR. ad VS U ae en TS] Liegende, sehr zusammengezogene Schrift. Liste von Na- men und Zahlen. Eine Abbreviatur von 4 Buchstaben findet sich vom 27. Juli 1865. 433 hinter den Namen ’Agrsuıdos, Keoöwvos u. s. w. 16 Mal wieder- holt, hat sich aber trotzdem wegen des mangelnden Zusammen- hanges mit Sicherheit nicht auflösen lassen. aa» = 2. oa Bon = ergoVTL Bra ’Orovias 6 vopLeox, Awrotou simev To ou alersgou &ı havsow yevzo[ de: 29 \ MEv& Eis TWv Tov Ex Zeilen ohne Anfang und Schluls; grosse stehende Schrift. . ’ORovias könnte der Name Olbia sein. 10. gwe ..... HN pirakı darascı III . ges Konmerı III sı rov |mo]o eroyuevov ///I 05 a0: apyupiou Öacgyullllll cbegonevo[v] zuoü ev eu zacdeı . . mwv er IINNIHINav Ye co Um EMol On as Tg Zeilen ohne Anfang und Schlufs; stehende Schrift, Z. 5 ist @pyvgiov und Z. 8 Öo@yxuas ausgeschrieben, was sonst meist ab- gekürzt wird. 434 ya on m m © % > = > sSeoapanNnaaıa ra m me De Gesammtsitzung 41. Stirnseite. oe Ill eo . LOG R eo0e ee e ee. .o— ET EN Do ’AmoAAuvion Iapamıwvos es ee Magxos eo... vog Hrorsumiov . . Hal Zogamiwvos 5 III apoıos m. van IIll....... ö III Stövnos #. allllllges III . os vios .. Mlllidos...... Ill eezsor Au se le: OT ee . Flüchtige Schrift mit Abbreviaturen. 41. Rückseite. aA .. D s# elle & ;2 60000 @ sa. o.. & $ PIE, TAI, Ss 5 z@ #20g X s#, TAVION, & so. ned.. @ sız sgv. Yen. sıö Kurze Ausgänge von Zeilen; andre Hand als die Stirnseite. vom 27. Juli 1865. 435 -12. N, \ -_ vUro Tov om0o OV 2.00% IH. . AI. » a ill oo © LEN 37MWENS 4 00006 0.000 go . WS 0. TOUT....AHUV.. HOTE TE...» vo Tarabbıos Pevavolr: ZELTITILIITLTTLTTELITITIT . . HIN dos dorsw SVypoNyaaın po m - Liegende kritzliche Schrift, ».. ZITIIITITTERTTTTTTTTTTENTTI 2.8. Tosadıos und Yevavoür: können ägyptische Eigennamen sein. 13. BER Zoe 02. 2 SK.oU. N[eiA]oegag,ov ardAop . . ov PITTLTTETTTIILIETTTT IT or IHN ee AHTTITETLLITLTTTLTTLITETRTTTIITITL I ER zw. . AUDIT Km... HN Ki... Ö oUds Toum SNAP OD m \ , amors Umo ArorAwviov m» m © 0 Nenn J _ za Umo Anmwviov oTo T Liegende füchtige Schrift. Zeilen. Auf der Rückseite 5 gekritzelte 436 Gesammtsitzung 14. Stirnseite. ov Masgzias Y8 - ov Magwvos . YA UNT— Aweiwvos Lö+ a Na en DD mb Anfänge von Zeilen; kleine liegende Schrift. 44. Rückseite. Sec Jsır ser sı© MN 5# ae > Kopfunter gekehrt; grosse Schrift von andrer Hand als die Stirnseite. 15. Stirnseite. 1 .ews 0... [HIN 2 el Kygınıa 800 3 .ouvos za. [Ill A @ros a0... . MI 45. Rückseite. 1 ET ee leo ololeleke 2 sc 3 NTE OR Re 4 sg 5 - soulns]. . zava) sı= sonuaaomv » mo > sasaPpoND m en e vom 27. Juli 1865. 437 16. .&.. Überschrift. maons za Birogas . He “HAıoö wo RE Bar . 0 BrAoumevy Bar 08 ET aue.. IAOoUTOoS Bar Gerade Schrift. Ausgänge und einige Anfänge von Zeilen. 47. Stirnseite. 02 SO Fame ö OR ale 360 Hourzyie SATIWVODIRLNLS 1dLo20U0 SOn le es Be vo...%.0os zarallll III ouv: ee... II ydıozouvro ano... In —ooe00oo.e IE. ee Tour . . Toms 17. Rückseite. .e£ N. Ba. aAyvaı oOVvEews EVEISVRLU WE Ayla 18. . Kaupnpsovos INNEN ERELEELLILETDELDELDITITEERTTLTITELDDETENN IEELIELDEDELDLTLELTEDELETTDTTELIILITTLENN FERTIEIEEDLSERTLLLELEDITDELLETDEDILIITN N ne]a#Asıdou apmerov ©. vovi 438 app» Gesammltsitzung 19. "Aravögo OTE.. errLwpt Arovuo far very Anfänge von Zeilen; grosse stehende Schrift. Auf der Rückseite 14 demotische Zeilen. 20. Stirnseite. 47 Zeilen demotische Schrift. 20. Rückseite. 1 III vme . . E0WwS 2 III vme. .ı% 3 Ill... @mo Tis & 4 Ill.. Baros ano as & 5 Ill..v dnmo sis & 6 HN 66.5 6% Aye Index der Eigennamen. ’Anmwviou 13 11 Awgiwvos 14 4 ’Avcußadıos 6 verso 2 Eisıöwow 4 14 ’Arorıwvıdön 11 recto 3 Ei[raro ]|edou 7 ’ArorAwviov 13 10 “HArodwor 16 2 "Agrenıdos 8 4. 7. 10. 13 “HoazAıdı 3 12. 13 AvgpyAıos "Aprem... 3 4 Bzoöwg... 3 11 AdgnAtou 7958 Tovra 3 2 Algrrıw 6 verso 1 Tovarov 1 8 AvgyAiw Zeoyvu 2 verso Ils]eios 3 3 AvgnAıw[os] 5 1 "Isıdos 6 verso 3 Aszıunov 7 1 Awgıwv 3 14 Aozayria 36 Kegöwvos 8 1. 6. 9. 12 . Alwv]vsov 4 16 Kuga 15 2 vom 27. Juli 1865. Aovziov Eu[rarg]ısov 3 7 Magzias 1441 Magxos 11 recto 5 Mogxov 19 Magzov TovArov Birimmou 1 8.9 Meguwos 14 2 ’Orovias 9 2 Ovarsgies 3 8 Ilerngie 3 10 Tavrsivas 3 9 Hopryie 17 2 439 Irorsuciov 11 recto 5 Zapamın 3 12 Iapamiwvos 41 recto 3. 6 Zeumowv... 5 11 Zeorvw 2 verso Tasaddıos 12 8 Brimmou 1 9 PırRogas 16 1 SiAounsvy 16 3 Xaıpvjaovos 181 Yevavoom 12 8 An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Annales academici. Lugd. Bat. 1864. A. The quarterly Journal of the Geological Society. no. 82. London 1865. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. 9. London 1865. 8. Revue archeologique. 1864. 4. ‚14. Jahresbericht der Naturhistorischen Gesellschaft zu Hannover. nover 1865. 4. no. 3. 4. Paris, Juillet 1865. 8. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1863. Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. Ate Abth. Berlin 1865. 8. VII, 1. Wien Han- Silliman’s Journal, no. 117. New Haven 1865. 8. Comptes rendus de lacademie des sciences. Paris 1865. A. Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christiania, aar 1862. Tome 61, no. 1. 2. nia 1863. 8. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. Tome 60, no. 16 — 26. Christia- 42. Bind. Christiania 1863. 8. Hansteen und Due, Zesultate magnetischer, astronomischer und me- teorologischer Beobachtungen. Christiania 1863. 4. Lieblein, Ägyptische Chronologie. Christiania 1863. 8. Steffens, Egeberg, Voss, Committee- Beretning angaande Syphili- ‚sationen. s.l.eta. 8. Bidenkap, Apergu des differentes methodes de traitement contre la Sy- philis constitutionelle. Christiania 1863. 8. Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Monat August 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Kummer. 3. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Mommsen las über die Municipal- Verfassung der Cirtensischen Kolonie. Hr. Lepsius legte die folgenden Bemerkungen des Missio- nar Hrn. H. A. Jäschke vor über die östliche Aussprache des Tibetischen im Vergleich zu der früher behandel- ten westlichen, vgl. Monatsbericht 1860. p. 5. 257. Darjıling, 29. April 1865. „Endlich, nach halbjähriger Verzögerung, bin ich im Stande, indem ich Ihnen meinen besten Dank für die gütige Zusendung der 2° Edition Ihres Standard Alphabet ausspreche, zugleich eine Fortsetzung zu meinen im November 1857 an Sie abge- ‚ schickten Bemerkungen über die Tibetischen Lautverhältnisse beizufügen, von welchen Sie damals die Güte hatten, einen Ab- druck mir zuzusenden, der mich zwar sehr verspätet, aber doch glücklich erreicht hat. Ihr Standard Alphabet erhielt ich in Simla im Spätherbst vorigen Jahres, wohin ich mich ım September begeben hatte, in der Absicht sobald wie möglich weiter nach Darjıling zu rei- [1s65.] | 33 442 Gesammtsitzung sen, um hier bessere Unterstützung für meine Sprachstudien von Seiten tibetischer Lamas zu finden als in Lahul und den angrän- zenden Provinzen zu hoffen war. Ich glaubte damals, schon im November Darjiling erreichen und meinen Wohnsitz ganz hier nehmen zu können, um gar nicht mehr nach Lahul zurückzu- ‘ ren; allein während ich von Woche zu Woche in Simla gegen meine anfängliche Absicht aufgehalten wurde, änderten sich auch die übrigen Umstände dergestalt, dafs ich es für besser halten mufste mich allein und nur auf einige Monate hieher zu bege- ben, meine Frau nach Kyelang zurückkehren zu lassen und, wenn ich meinen Zweck so weit möglich erreicht haben würde, selbst ebenfalls wieder diesen meinen früheren Wohnort aufzu- suchen. Zu diesem Zweck, nämlich möglichster Gompletirung des Wörterbuchs, und vorzugsweise der Gewinnung einer An- zahl von Ausdrücken, die für die Bibelübersetzung unentbehrlich aber bei den beschränkten Kenntnissen der westtibetischen Lamas dort nicht zu erlangen waren, dann aber auch einer genaue- ren Einsicht in die Verschiedenheit des mündlichen Dialects die- ser Provinzen von den mir bisber bekannten, hoffte ich viel- leicht auch durch einen nur zeitweiligen Aufenthalt gelangen zu können. Ich reiste demnach ım Januar von Sımla ab, und zwar zunächst nach Calcutta, was ebenfalls nicht meine anfängliche Absicht war, mir aber den grolsen Nutzen gewährte, mich in der Bibliothek der Asiatie Society, deren Gebrauch mir aufs Freundlichste verstattet wurde, noch mit einer grolsen Menge nützlicher Data und Excerpte zu versehen. Im März endlich hier in Darjiling angelangt, mufste ich freilich inne werden, dafs ich auch hier nicht den gewünschten Grad von Bewandertheit in der eigenen Sprache und Wissen- schaft bei den tibetischen Lamas finden würde, mit welchen ich etwa in nähere Verbindung kommen könnte; allein ich fand sie doch um ein Beträchtliches reicher an Begriffen und Wörtern als jene westtibetischen, die kaum eine einzelne Seite in irgend einem ihrer Bücher wirklich. Wort für Wort verstehen, wenn sie sie auch noch so geläufig lesen können. Und jenen zwei- ten Theil meiner Absicht, das Studium des oder der osttibeti- schen Dialecte, in sofern sie von dem westlichen Sprachgebrauch vom 3. August 1865. 443 abweichen, habe ich, zwar nicht in lexicalischer Hinsicht, — dies würde natürlich einen vieljährigen Aufenthalt im Lande und un- ter dem Volke selbst im eigentlichen Tibet, erfordern —, aber in phonetischer, in Bezug auf die Aussprache der einzelnen Laute, in einem, wie ich glaube, ziemlich befriedigenden Grade erreicht. Natürlicher Weise werden sich auch in den verschie- denen Provinzen, ja vielleicht in den verschiedenen Gebirgsthä- lern ÖOsttibets einzelne Nüancirungen von Lauten finden, die auch diese wieder untereinander unterscheiden; aber doch stellen sich einige bedeutende, scharf ausgeprägte Züge heraus, welche der gebildeten Aussprache die in den Hauptprovinzen Tibets, welche gewöhnlich unter dem Namen Disang zusammengefalst werden, herrscht, allgemein eigen zu sein scheinen und weder _ in den kaschmirischen noch in den englischen Provinzen anzu- treffen sind. Ganz gleich scheinen mir in der Aussprache aller Provin- zen, so weit ich jetzt urtheilen kann, die Tenues: N 3 8, Br N, bei Ihnen die erste senkrechte Reihe; ferner E, die Aspira- ten P &; &, 9, A, die Nasale Ko» 9 g» X, dann ®%, und N,A, a, X; SY nur mit dem Unterschiede dafs ich hier im Osten einen Einfluls des auf den Consonanten folgenden Vocals höre, den ich im Westen nie wahrgenommen habe, indem näm- lich die £-Laute vor a, o, u tiefer gutturalisch tönen, vor e und i aber sehr palatal, und weiter: die mit nachschlagendem , ver- sehenen %-Laute vor a, o und u dieses y deutlich vernehmen las- sen, vor € und ? aber häufig, wenigstens die Aspiraten, dem = Zischlaute t$h gleich werden, so dafs man P’ PR» R nach ost- SQ Q tibetischer Aussprache durch ga, g0, gu‘); F und F durch ke und M?), > B g durch Ahya, Ihyo, Klıyus B und B durch khye und khyi oder ebenso gut durch zshe und the be- zeichnen könnte. Diesem Einflusse unterliegt selbst das I, so ") gha, gho, ghu. ?) Khe, hi. 335 AAA Gesammisitzung dafs eine Sylbe wie nen deutlich nyen lautet. In unsern west- lichen Provinzen dagegen sind dieselben Sylben einfach: kha, kho, khu, khe, khi, khya, khyo, khyu, khye, khyi und nen. Dieser Unterschied ist jedoch unwesentlich; er entspricht etwa dem deutschen Gebrauch im Falle des ch, wo der süddeutsche Gebirgsbewohner den tiefen Guttural bei allen Vocalen unver- ändert festhält, der Norddeutsche ihn nach e- und ?-Lauten in den Palatal verwandelt. Das nyen ist vielleicht vulgär. Ganz verschieden aber hat sich hier im Osten des Landes die Aussprache der zweiten Verticalreihe gestaltet, welche ich nach meiner früheren Kenninils als molles zu bezeichnen geneigt war. Sie werden nämlich im Anlaute aspirirt, und zwar keineswegs schwach, sondern so dals man bei schnellem Spre- chen sie kaum von den eigentlichen Aspiraten ihres Organs un- terscheiden kann, also: a gha, Ss dha, I bha, E d£ha; nur bei E wurde mir diese Aspiration geläugnet und dza als das Richtige angegeben, was aber darin seinen Grund haben kann, dals dieser Buchstabe in äulserst wenigen und obendrein meist sehr selten vorkommenden tibetischen Wörtern im Anlaute ohne Präfix sich vorfindet, und defshalb die umgestaltende Kraft sich seiner noch nicht so fest bemeistert haben dürfte. Denn dafs diese Aspiration erst ein später eingedrungenes Element ist, folgt wohl nicht nur aus dem Mangel derselben in den west- lichen Provinzen, obgleich sich in diesen fast durchgängig die ursprüngliche Aussprache reiner erhalten hat’), sondern auch daraus dafs die sanskritischen Aspiraten 7, «J und 77 nicht durch > Ä und I, was nach der jetzigen östlichen Aussprache ganz q richtig erscheinen mülste, sondern durch 7 \ ‚„ und _ ausge- drückt werden, während > S und 9 die unaspirirten Laute jT, & und &g bezeichnen. *) Ich höre jedoch dals sich Beispiele dafür auch in den östlichen Gebirgen, z. B.in Kham, wo I noch immer phya, und nicht, wie sonst fast überall, iSha, gesprochen wird, vorfinden. vom 3. August 1865. 445 Ich erwähnte oben dafs das E nur sehr selten im Anlaute „ohne Präfix” vorkomme: dies, die Berücksichtigung der an sich fast immer stummen Präfixbuchstaben, bildet nämlich einen zweiten wesentlichen Unterschied der östlichen und westli- chen Aussprache, indem die Anwesenheit eines solchen Präfix- oder auch eines übergeschriebenen Buchstaben (7 „a, ı) die Aspi- ration aufhebt und dann 9, d, d, dz ganz in der gewöhnlichen Weise ausgesprochen werden, d. h. etwas weicher als die Te- nues derselben Organklassen. _ Ein dritter Unterschied zeigt sich in den Rausche- und Sauselauten. Bj und N sind dieselben Laute wie in Westtibet, nämlich 3 (scharf palatal) und s (dental); aber 5 und | nicht die weichen oder vocalisirten Modificationen derselben, d. h. # und z — diesen Laut nehmen sie nur an wenn sie Präfixe vor sich haben —, sondern ebenfalls scharfe und rein consonantische Zischlaute, aber 6 unser gewöhnliches $, und N, wenn ich mich nicht sehr irre, s, d. h. das arabische (vw. Bei 4 und 3 bewirkt die Anwesenheit eines Präfixes keine Veränderung. Diese Beobachtung machte ich, ich gestehe es, mit einigem Widerstreben, wegen der sich darin zeigenden Inconsequenz, und ich bedurfte etwas Zeit, und wiederholter Versuche, ehe ich mich darin zurechtfand; aber wenn ich, nachdem ich end- lich die angegebenen Laute erkannt zu haben glaubte, sie danach aussprach, so wurde es verstanden und als richtig anerkannt. Also: wenn das Wort „s’” ausgesprochen wird, so versteht der Ost- und West- Tibeter den Begriff des Sterbens darunter, I (Wurzel von 9); bei „&” denkt der Ost- Tibeter nur an aa vier, oder A] “ Grund; der West-Tibeter kann aber noch als dritten Begriff den des Ruhens oder Beruhigt- seins, ® (Wurzel von 9a) dabei auffassen, welchen jener durch die Aussprache 5% auszeichnen würde. A bietet eine fast noch sonderbarere Erscheinung dar, näm- lich nicht einen Hauch, wie man aus Csoma’s h schliefsen möchte, auch nicht einen Nasal, wie die Aussprache die es als Präfix zu- 446 Gesammtsitzung weilen erhält, nahe legen will: sondern einen Semivocal ähnlich dem ® oder dem englischen »», X die Milch, fast wie wo-ma; SR die Eule, wie uug-pa. Dies könnte indessen vielleicht nur ein vulgärer Provinzialismus sein, da andererseits die häufig vorkommenden orthographischen Vertauschungen dieses Buch- staben mit S\, sowie die diesem völlig gleiche Aussprache in West- Tibet, auf eine sehr grolse Ähnlichkeit beider deuten. Dennoch läfst sich nicht läugnen dafs sich beim Aussprechen obi- ger Wörter eine Nasalirung ungemein leicht, fast unwill- kürlich, damit verbindet. Ferner könnte man auch an das schon in den attischen und ionischen Dialecten abgefallene Di- gamma des Altgriechischen denken. Doch kann ich über diese Einzelheit noch nicht genügend urtheilen, hoffe aber noch Meh- reres darüber aufzufinden. Die p-Laute mit untergeschriebenem y sind ganz gleich 8% & und &, nach den gleich anfangs gemachten Bemerkungen; J, wenn kein Präfix vorhergeht, — d#%. Was die k-Laute mit demselben betrifft, so habe ich diese schon oben erwähnt. Die Mutae mit untergeschriebenem r werden nach der hier geltenden Regel ohne Berücksichtigung ihrer Organklasse, aber nach den 3 oder vielmehr 4 Abstufungen der Härte als cerebrale £-Laute gesprochen: 1» 9 = ta, wobei Präfixe und übergeschriebene Buchstaben keinen Unterschied machen; R> I A008 Ak S I = dha, aber mit Präfixen oder übergeschriebenen Buchstaben = da. Bei X gilt sr für die feine und correcte Lhasaer Aussprache; in Tsang (Tasi - Ihunpo) spricht man, wie in Ladak, sr. 9 ist Sr. Die mit untergeschriebenem / versehenen Buchsta- ben folgen denselben Regeln wie in West - Tibet. Die übergeschriebenen Buchstaben bleiben fast durchweg stumm und ohne anderen Einfluls auf die Aussprache, als dals sie die Aspiration.der weichen Mutae (die ich jetzt ebenso wie im Griechischen, Medias, nennen möchte, aber ın anderem Sinne als dort, nämlich in so fern ihre Aussprache so grolse vom 3. August 1863. 447 provincielle Schwankungen zeigt) aufheben, jedoch wie es scheint nicht so constant wie die Präfıe. Von der „etwas här- teren” Aussprache die das y und "] nach Schmidt durch ein dar- überstehendes * erhalten soll, höre ich hier so wenig wie in Ladak; und 7X wurde mir ausdrücklich als völlig gleichlautend mit AN bezeugt. Die einzige Ausnahme bietet ®/, dar, welches ein mit starker Aspiration gesprochenes / ist, für welches mei- nes Erachtens die Bezeichnung Al treffender sein dürfte als /h (obgleich ich selbst der alten Gewohnheit gemäfs bisher noch immer Lhasa und Iha schreibe), da der Hauch wirklich beginnt ehe noch das / hörbar wird; aber da der Unterschied nicht er- heblich und die gewöhnliche Schreibart so zu sagen die etymo- logisch richtigere ist, indem nach tibetischer Betrachtungsweise der untere Buchstabe immer als dem oberen nachfolgend ange- _ sehen wird, so kann man sie wohl ohne Schaden beibehalten. Dies Q gehört, nebst dem vorhererwähnten X, zu den wenigen Fällen in welchen die osttibetische Aussprache mit der Schrift genauer übereinstimmt, oder mit anderen Worten die antike Ausspracbe treuer bewahrt zu haben scheint als der westtibeti- sche Sprachgebrauch. i In Hinsicht auf die Präfixe dürfte, aulser dem bereits Er- wähnten, zu dem was ich in meinem früheren Briefe gesagt habe, nichts Wesentliches hinzuzufügen sein. Einer besonderen Besprechung aber bedürfen die Conso- nanten ım Auslaute, oder vielmehr unter den zehnen, die überhaupt als Schlulsconsonanten vorkommen, vorzugsweise fol- gende vier: > S g und N. Wenn man blofs die Ladaker Aus- sprache vor Augen hat, so muls man den Eindruck gewinnen dafs die alleinige Schreibung der Media am Sylbenschlusse nur conventionell sei, da man an dieser Stelle, zumal nach kurzem Vocal — und nur dieser hat ım Tibetischen vor CGonsonanten Statt — ohne besondere Anstrengung den Unterschied zwischen Tenuis, Aspirata und Media oder Mollis nicht hörbar machen kann. Im Deutschen und Schwedischen ist der Vocal vor schlie- 448 Gesammitsitzung [sendem 9, d, b stets '") lang, und ein genau sprechender Deut- scher wird zwischen dem t ın „Staat” und dem d in „Grad” noch einen Unterschied hören lassen; wo aber provinciell der Vocal verkürzt wird, muls das d mindestens zum t werden, wenn man nicht jene besondere Anstrengung machen will die in der engli- schen Sprache Gesetz geworden ist, — und das Wort „Bad” reimt im Munde vieler Deutschen genau mit „Stadt” und „Statt”. Wiederum können wir das lateinische „ad” kaum anders von „a unterscheiden, als dafs wir das letztere um so schärfer, — aspi- rirter, aussprechen. Das Wort „Schmidt” schreiben wir, weil sich der Vocal verkürzt und somit der Endconsonant verhärtet hat, mit dt, obgleich der Plural „Schmiede” zeigt, dals die jetzt ungewöhnliche Schreibart „Schmied” und die demgemäls auf „Bied” reimende Aussprache die ursprüngliche sein muls. Nach Ladaker Aussprache nun sind die Wörter AA Ie ga ,‚ genau die deutschen: Lack, satt, topp! und könnten mit eben dem- selben Rechte au oder an geschrieben sein. Nach der hiesi- gen Sprachweise aber gilt diese Verhärtung nur in Bezug auf das 9 in vollem Maafse; a aber, und im höchsten Grade das S wird nur halb ausgesprochen (Stand. Alph. II Ed. p. 60, Anm.), indem der Luftweg an der betreffenden Stelle nur geschlossen wird, die Öffnung aber unterbleibt, so dals man eigentlich den Consonanten selbst nıcht hört, und nur durch das aufserordent- lich kurz Abgeschnittene, welches die Aussprache des Vocals da- durch erhält, auf dessen Vorhandensein aufmerksam gemacht wird. In Bezug auf das "] scheint mir dies indessen hier noch kaum so entschieden herrschend zu sein wie ın unsrer westlichen Provinz Lahul; desto mehr in Bezug auf das I welches aufserdem noch den vorhergehenden Vocal umlautend verändert, nämlich & in &, 6 in ö und % ın &. Genau denselben umlautenden Einfluls auf den Vocal übt das in sich selbst keine Veränderung erlei- dende ;) aus, z. B. 25 län, wenig oder gar nicht unterschieden ‘) So eben fällt mir das Wort „ab” ein; dies zeigt aber auch, für sich allein ausgesprochen, jene Härte fast unvermeidlich. vom 3. August 1865. 449 von Qg , len; a3 sÖn, ST gün. Die gleiche Wirkung des Schluls -N habe ich in meiner früheren Abhandlung wohl schon erwähnt, nur dafs dies, indem es selbst in der Aussprache ganz verschwindet, dafür den vorhergehenden Vocal, sowohl den um- gelauteten als den sonst nicht veränderten, d.h. e und ii, ver- längert. Ist es zweiter Schlufsconsonant, so hat es, wenn der nächstvorhergehende Consonant ein a ist, noch die Folge, dieses ebenfalls verschwinden zu machen, jedoch ohne Vocalum- lautung. Einige Beispiele zu dem Bisherigen: E\ me (die Vo- cale in völlig offener Sylbe werden hier kürzer gesprochen als in West-Tibet, wo dies Wort durch m& bezeichnet werden könnte) Feuer; Ar me, durch Feuer (Instrumental des vori- gen); ar med, non est, kaum von N zu unterscheiden, aufser durch die grölstmögliche Kürze, die durch das augenblickliche Schliefsen des Luftcanals durch Anlegung der Zungenspitze zu einem unausgesprochen bleibenden d verursacht wird; a mad, med, Unteres, unterer Theil. Wenn für das letztere eine Be- zeichnung erforderlich würde, so wäre wohl die adäquateste ein senkrechter Strich durch den Buchstaben: med, med, wenn man nicht etwa den Apostroph dafür genügend finden sollte: me’, oder me’d. — IT dhäg oder dhäg, Fels; AT läg oder lag, Hand; NN 7g, Arbeit; Ss la, ist; AST lepa (denn das e vor as ist ein sehr 2); S ri, Berg; ar ri, Figur; er ri, Gattung, Kaste; Ss ridpa oder ri’pa, mager; br dhüdpa, dhi’pa, Rauch; ls düdpa, Knoten; in La- da leiztere beide düdpa. Die meisten der in diesen Blättern gegebenen Regeln und Beispiele beruhen nicht nur auf meinen Gehörseindrücken, son- dern auf ausdrücklichen und von einem bestimmten Bewulstsein der schriftlichen und lautlichen Unterscheidung zeugenden Erklä- rungen. Dennoch würde ich mich etwas gescheut haben Ihnen solche 450 Gesammtsitzung Neuheiten, von denen sich weder bei Csoma ') noch bei Schmidt etwas findet, zu übersenden, da es doch zum Schluß nur Sikimer Lamas waren die ich befragen konnte, wenn auch solche die sich Jahre lang in Lhasa aufgehalten hatten, wenn nicht Georgi in seinem Alphabetum Tib. bereits gerade dasselbe sagte, wenn auch mit mancherlei Unsystematischem und Wun- derlichem vermischt; was zugleich ein Beweis ist dafs z. B. jene Aspiration der Mediae wenigstens schon über 100 Jahre alt sein muß. Csoma, der seine vollkommene Vertrautheit mit der Sprache in Zangskar und Kunauer erlangt hatte, war wohl mit der Lhasaer Aussprache gar nicht erst bekannt geworden, als ihn auf dem Wege dahin, hier in Darjiling, der Tod ereilte. Schmidt mag sehr wenig, vielleicht gar keine Gelegenheit ge- habt haben eingeborne. Tibeter zu hören, — wohl nur Mongolen die Tibetisch gelernt hatten; und die ungemeine, sicher grolsen- theils unverdiente Verachtung mit welcher er sowohl von Georgi als von dem unbekannten Sammler des unter Schröters Namen gedruckten Wörterbuchs, in welchem sich ebenfalls die osttibe- tische Aussprache im Wesentlichen ganz richtig bezeichnet findet, spricht, erlaubte ihm wie es scheint nicht, auf ihre Aussagen den mindesten Werth zu legen. — Zum Überflufs noch ein bekann- tes geographisches Beispiel; — wenn es nicht etwa schon in Emil Schlagintweits Verzeichnils tibetischer Namen angeführt ist, das ich hier nicht zur Hand habe —: der Äinchinjinga oder -junga , danach „gewöhnlich khin-tsin- dzin-ga ausgesprochen, heifst AETREEIT, nach osttibetischer Sprachweise: ghan- tShen-dzöd-na, die 8 Vorrathskammern des grolsen Gletscher- eises; oder vulgo auch RISSE RT die 5 Schneefürsten, Schnee- könige. Die Vocale wurden natürlich corrumpirt, ebenso die 2 letzten Sylben, da ein Europäer nicht daran denken kann jinga in ji-nga zu zerfällen; aber das g in k zu verwandeln wäre kein Grund gewesen, wenn nicht die aspirirte Media einem %& ähnlich klänge. ") Nach Schluls des Briefes bemerke ich dafs Csoma, den ich beim Schreiben nicht zur Hand hatte, doch der harten Aussprache der Mediae, „by some”, Erwähnung thut, wenn sie ohne Präfix stehen; er bezeichnet sie aber immer durch g, d, b. vom 3. August 1865. 451 Ihre Abhandlung über chinesische und tibetische Lautverhält- nisse ist mir nicht zu Gesicht gekommen, ebensowenig bis jetzt Foucaux Grammaire, obgleich ich diese im Laufe des Sommers zu erhalten hoffe; aber gegen p. 249 und 250 Ihres Standard Alphabets hätte ich manches einzuwenden. Wenn man der ac- tual pronunciation folgen will, so muls zuerst entschieden wer- den, welcher Provinz’) man den Vorzug geben will, da etwas was man als Normalaussprache des Tibetischen im All- gemeinen ansehen könnte, nicht existirt, sondern, wenn man auch von den Vulgarismen jedes einzelnen kleinen Thales ganz absieht, die feststehenden und anerkannten Gesetze der Aus- sprache, welche die Gelehrten oder Gebildeten einer ganzen Pro- vinz beim Lesen befolgen, bedeutend verschieden sind. Ent- schiede man sich aber z. B. für die „Lhassensium elegantia”, wie Georgi die in diesem Dialecte, soviel mir bekannt ist, culmi- nirende Verwischungs- und Verschluckungssucht nennt, so mülste man ihn doch wohl auch gründlicher zu studiren Gelegenheit ha- ben als bis jetzt möglich gewesen ist, da noch kein neuerer Lin- guist dort gelebt hat, und ein Aufenthalt von einigen Jahren unter dem Volke wohl noch dies und jenes schärfer bestimmen lehren würde. Ihr Specimen mülste, nach dem was mir früher schon, und besonders jetzt als Lhasaer Aussprache bezeichnet worden ist, so ausgedrückt werden: Dhei tshe dhei dhü na yul Wäranase ’dir dhansron na gyd Sig näte, dhansron dhe dhag-ghi tönpa Udpala se d£hawa dhampa tshö lobtsin gömpala gawäa, küm tu gyusin, sula dhampa tsho yödpa dhe dagla mrana etc. Die bei Ihnen angegebene Aussprache ist die von Nord-Ladak; nur sollte daun der Consequenz halber auch gnas te und dga was statt. gna-s te und d-ga-ba-s geschrieben sein, ebenso gut wie dus und t$hos. Der Versuch das etymologische und phonetische Princip bei ‚der Umschrift zu vereinen, wird wie mir scheint, ın allen den Fällen auf unübersteigliche Schwierigkeiten stolsen, wo Grup- *) Ich schrieb vor 7 Jahren, dafs auch Ladaker Lamas, sobald sie heilige Schriften läsen, gleich in eine Nachahmung der Lhasaer Aussprache verfielen; dies ist jedoch, wie ich jetzt sehe, nur sehr theilweise wahr. 452 Gesammtisitzung pen von zwei oder drei Buchstaben nach der gegenwärtigen Aussprache einen vielleicht einfachen oder diphthongischen Laut zu bezeichnen dienen der selbst von jedem der einzelnen Ele- mente verschieden ist, wie A (zla) für da und vieles dgl. Für den wissenschaftlichen Gebrauch in der europäischen Gelehrten- welt wird aber eine rein etymologische Umschrift doch immer das Wichtigere bleiben; und obgleich ich dabei des Princips wegen mehr für die Einführung eines einzelnen Buchstabenzei- chens zum Ausdruck dessen was im Tibetischen als einzelnes Zeichen erscheint, sein würde, z. B. A statt kh, j statt dz, 6 statt by etc., so möchte doch die praktische Rücksicht auf Er- leichterung des Drucks durch möglichste Anschlielsung an das in der lateinischen Typographie Bestehende vielleicht überwie- gen. Dann aber sind Zeichen wie 4 m etc. ganz überflüssig, ebenso wie die Trennung der Präfixbuchstaben etc. von der Wurzel‘). Dazu kommt, dafs bei der Regelmälsigkeit, welche ın den Abweichungen der tibetischen Aussprache von der Schrift herrscht, ein jeder Leser durch ein bis zwei Seiten pho- netische Anweisung in den Stand gesetzt werden kann, einen etymologisch transscribirten Text nach der Aussprache jeder be- liebigen Provinz vorzutragen, z. B. für Lhasa. Von zwei oder drei Consonanten im Anlaut wird nur der letzte ausgesprochen. Ausnahme 1. zl= d. Ausnahme 2. Wenn der letzte Conso- nant ein y ist, so lautet yy = €, phy = dh, by =j, und ähn- lich. Ferner: as am Sylbenschluls —=ä, es =£etc. Für La- hul mülste es heilsen: as = ai, es=ei etc. Für Kunauer: as=ä, ee =eEetc. Für Nord-Ladak fiele die Regel weg, da dort das s sein Consonantenrecht behauptet. Doch dies sind nur einige Beeispiele, die bei genauerer Bearbeitung natürlich noch anders geordnet und ausgedrückt werden würden. Noch möchte ich bemerken: g wäre eine ziemlich überflüs- sige Form, da die Aussprache dyw für gyu nur ein Provincialis- ‘) Auch das ’ zur Bezelchnung des A wäre nur nothwendig im An- fang der Wörter z. B. bei ’dir; nicht aber bei dei, da man einen auf einen andern folgenden Vocal in tibetischer Schrift ohne Hülfe des A gar nicht bezeichnen kann. vom 3. dugust 1865. 453 mus ist und gy« wohl in den meisten Gegenden vorherrscht, jedenfalls überall verstanden wird. Weit nothwendiger wäre die Figur &, da die Aussprache gaba für le nirgends zu finden ist und geradezu unverständlich sein würde. Worauf 7 beruht, d. h. in welchen Fällen » (X) wie d lautete, kann ich mich jetzt nicht entsinnen; und gegen b-y muls ich einwenden, dafs man nicht sagen kann das y sei in d£ oder {$ verwandelt und der p-Laut weggefallen, sondern die Verbindungen Py» by sind übergegangen zuerst offenbar in die etwas bequemeren ty, dy und dann in i5, d£; ebenso ky, gy, wenigstens vor e und t, in gewissen Gegenden. C£. Stand.-Alph. II. Ed. p. 72. Wenn Sie p. 33 meinen dafs Gilchrists System hier in Indien als anti- quirt anzusehen sei, so gilt dies vielleicht von den meisten wis- senschaftlichen Schriften; in Zeitungen und dergleichen Li- teratur wird es sich wohl stets erhalten, weil dem englischen Auge das ee, oo u. s. w. ebenso natürlich und gemüthlich er- scheint, als es einem anderen absurd und widerlich entgegen- tritt.” H. A. Jäschke. Die vorstehenden feinen und umsichtigen Bemerkungen des Hrn. Jäschke sind für die vergleichende Phonetik der Tibeti- schen Dialekte und somit auch für die Lautgeschichte der ganzen Sprache von unverkennbarem Werthe. Es ist eine willkom- mene Bestätigung der von mir in der Abhandlung über Chi- nesische und Tibetische Lautverhältnisse ') vorgetragenen Ansicht über die ursprüngliche phonetische Bedeutung der präfigirten und der übergeschriebenen Buchstaben in der obigen Bemer- kung (p. 445) enthalten, dals in der östlichen Aussprache noch jetzt eine regelmälsige phonetische Einwirkung derselben auf den folgenden Consonant zu hören ist. — Auch zur Feststellung der Umschrift in ihren Einzelheiten wird jetzt niemand besser befähigt sein als Hr. Jäschke. Ich bin ganz einverstanden mit ihm, dafs man für die Europäische Linguistik von der ety- -mologischen Umschrift nicht absehen darf; ob man aber für rein *) Abhandl. d. K. Akad. d. W. 1860. p 473 ff. A454 Gesammtsitzung praktische Zwecke die jetzige sehr veränderte Aussprache gänz- lich unbeachtet lassen kann, ist mir zweifelhaft, und wenn es möglich wäre eine Verbindung der etymologischen und der pho- netischen Schreibung, wie ich den Versuch gewagt habe, herzu- stellen, so würde ohne Zweifel auch die Linguistik dadurch nur Vortheil haben. Es wäre zu wünschen, dals Hr. Jäschke dar- über einen bestimmten Vorschlag machte und ihn durch Anwen- dung auf einen etwas längeren Text prüft. Von provinziellen Eigenheiten der Aussprache wie dyn für gyn absehen zu dürfen wäre nur vortheilbaft. Der Übergang von by zu dy und d£ ist ohne Zweifel richtig; der graphische Ausdruck wird aber durch diese Erkenntnifs nicht erleichtert. R. Lepsius. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Annales des sciences physiques et naturelles. 1l. Serie. Tome VII, 2. II. Serie. Tome VII. Lyon 1855. 1863. 8. Annales de la societe Linneenne Tome 10. Lyon 1863. 8. Memoires de !academie des sciences de Lyon. Classe des leitres: Tome 11. Classe des sciences: Tome 13. Lyon 1863. 8. Bulletin de l’academie royale des sciences. Tome 20, no. 6. Bruxelles 1865. 8. Journal of the Asiatie Society of Bengal. no. 123. Calcutta 1864. 8. Atti della societa italiana di scienze naturali. Fasc. 23. 27. Milano 1865. 8. Proceedings of the Natural history Society of Dublin. Vol. IV, Part 2. Dublin 1865. 8. Mit Begleitschreiben vom 6. April 1865. Verhandlungen der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. 48. Versammlung. Zürich 1864. 8. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern. Bern 1864. 8. The Natural history Review. no. 19. London 1865. 8. Sidler, Über die Wurflinie im leeren Raume. Bern 1865. 4. Schuller, Volksthümlicher Glaube und Brauch bei Tod und Begräbnifs im Siebenbürger Sachsenlande. Hermannstadi 1863. 1865. 8. F. Müller, Fragmenta phytographiae Australiae. Vol. 4. Melbourne 4864. 8. F. Müller, The Plants indigenous to the Colony of Victoria. Mel- bourne 1865. 4. vom WW. Jugust 1865. 455 F. Müller, Das Schicksal Dr. Ludwig Leichhardt’s. Melbourne 1865. 8, Zöllner, Photometrische Untersuchungen. Leipzig 1865. 8. 7. August. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Rudorff las über die lexicalen Excerpte aus den Institutionen des Gaius. Hr. Mommsen las über die Fälschungen des An- tiquar Clotten in Echternach. 10. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Reichert las über die contractile Substanz — Sarcode Protosplasma — und deren Bewegungser- scheinungen bei Polythalamıien und einigen andern niederen Thieren. Hr. W. Peters legte einen ın fossilem Copalharz ein- geschlossenen Gekko, Hemidactylus, aus Zanzibar vor. Unter dem Namen Copal kommen verschiedenartige Harze in den Handel, die theils aus America, theils aus Ostindien, theils aus Neuseeland und theils aus den tropischen Gegenden West- und Östafrikas herstammen. Der americanische Copal wird von Rhus copalinum und anderen Arten dieser Pflanzengattung, der indische oder orien- talische von Elaeocarpus copalifera abgesondert und an der Ost- küste Africas stammt der frische Copal von einem Baume, Tra- 456 Gesammtsitzung chylobium mossambicense, den ich dort enideckt habe und der von Klotzsch genauer beschrieben und abgebildet worden ist'). Aulser diesem frischen Copal, welcher vorzüglich von den Chinesen auf eine noch unbekannte Weise zubereitet und zum Lackiren verwandt wird, findet man an der Ostküste Africas den viel iheureren und zu besonders werthvollen Firnissen ver- wendbaren fossilen oder subfossilen Copal, welcher sich in klei neren oder grölseren Lagen, nicht weit von der Küste, in der Erde findet ?). Hr. F. O’Swald, welcher sich mehrere Jahre in Zanzibar aufgehalten, hat eine Sammlung von Stücken dieses fossilen oder subfossilen Copals mit Einschlüssen von Thieren und Pflan- zen heimgebracht, von denen er mir die ersteren zur Unter- suchung zugesandt hat”). Die meisten dieser Einschlüsse gehören den Gliederthieren an. Es befinden sich darunter nicht allein Repräsentanten sämmtlicher Ordnungen der Insecten, sondern auch Arachniden und sind die Arten nach Hrn. Dr. Ger- staecker’s Bestimmung zwar unbekannt, aber sämmtlich zu Gattungen gehörig, welche der gegenwärtigen Periode angehö- ren‘). Nur ein einziges Stück enthält eine kleine Eidechse eingeschlossen, von der selbst zwar, wie die Untersuchung ge- zeigt hat, keine Spur mehr übrig ist, indem der Abdruck der äufseren Oberfläche einen ganz leeren Raum einschlielst, von welcher aber die ganze äufsere Bildung und die Gestalt der einzelnen Körpertheile und Schuppen so deutlich ausgedrückt *) W. Peters, Naturwissensch. Reise nach Mossambique. Botanik. p- 21. Taf. 2. ?) C£.R. F.Burton, The lake regions of Central Africa. London 1860. II. p. 403 sgg. *) Hrn. O’Swald’s Mittheilungen zufolge stammt dieser Copal aus gegenwärtig ganz baumlosen Gegenden und findet sich hier je nach dem Terrain 3 bis 9 Fuls tiefunter der Erdoberfläche. Dafs der Baum, welcher diesen fossilen Copal geliefert hat, mit Trachylobium übereinstimmt, ist durch ein grolses ebenfalls in demselben gefundenes Blattstück erwiesen. *) Eine genauere Bestimmung dieser Arten wird von um so grölserem Interesse sein, als der Fundort dieser Copalstücke bekannt ist, während die Herkunft der von J. W. Dalman (Ägl. Veienskaps Academiens Hand- linger, för är 1825. Stockholm 1826. p. 375 sqq.) beschriebenen Copal- insecten unbekannt war. vom 3. August 1865. 457 ist, dafs sie sich sehr leicht als zur Gattung Hemidactylus ge- hörig erkennen lälst. Sie stimmt sogar, was mir besonders in- teressant zu sein scheint, abgesehen von der verblalsten Fär- bung, so genau mit einer noch lebenden Art überein, welche von A. Smith im Caplande, von mir in der Nähe des Cap Delgado, also ganz in der Nähe dieses Copallagers gefunden wurde, dafs ich keinen Grund sehe, sie von derselben zu tren- nen. Diese Art ist der von A. Smith (Ilustrations of the Zoo- logy of South Africa. Reptilia. Taf. 75. Fig. 3.) beschriebene und abgebildete Hemidactylus capensis, den Hr. Dr. J. E. Gray neuerdings') als eine besondere Gattung, Zygodactylus striga- zus, beschrieben hat. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Archiv des historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg. Band 17, 2.3. 18. Würzburg 1865. 8. Jahresbericht der Nicolai-Hauptsternwarte. Petersburg 1864. 8. 17. August. Gesammitsitzung der Akademie. Hr. Petermann las über die bis jetzt vorhande- nen Texte und Übersetzungen der armenischen Chronik des Eusebius. Die armenische Übersetzung der Chronik des Eusebius wurde den Armeniern selbst erst wieder zu Ende des vorigen Jahrhunderts, den europäischen Gelehrten aber 30 Jahre später bekannt. Im Jahre 1787 erhielten die Mechitharisten von Venedig durch einen gelehrten Armenier von Konstantinopel, den Lec- *) Proceed. zool. Soc. London. 1864. p. 59. Der ebenda als neue Gattung und neue Art beschriebene Homodactylus Turneri ist, wovon sich jeder leicht überzeugen kann, der nur die Abbildungen (Taf. IX. Fig. 2.) vergleicht, identisch mit A. Smith’s Pachydactylus Bibronü (1. c. Taf. 50. Fig. 1.). [1865.] 34 458 Gesammtsitzung tor Georg die Nachricht, dafs vor Kurzem eine alte Händschrift der Chronik des Eusebius in armenischer Übersetzung von Jerusalem dahin gebracht worden sei, und J. B. Aucher bat ihn in seinem Antwortschreiben dringend um eine Abschrift davon, die er auch im Jahre 1790 erhielt. Bei genauer Durch- sicht derselben kam er auf den Verdacht, dals sie nach Scali- ger’s Ausgabe der vorhandenen griechischen Fragmente inter- polirt sei, theilte dies im Jahre 1792 dem genannten Georg mit, und bat um eine neue, aber diplomatisch genaue Abschrift. Georg gestand, dals er sich bei jener erlaubt habe, Manches nach dem Griechischen zu ändern, überschickte aber eine zweite, dem Original bis auf die geringsten Kleinigkeiten vollständig entsprechende Abschrift, welche der Mechitharist Zohrab gegen das Ende des Jahres 1794 nach Venedig brachte. Sogleich machte sich Aucher daran, das Werk zu übersetzen, zu com- mentiren, und die griechischen Fragmente zu sammeln, und schon im Mai des folgenden Jahres war es druckfertig; aber durch allerhand unvorhergesehene Umstände wurde die Publication bis zum Jahre 1818 verzögert; und Zohrab, welcher die erste Handschrift entwendete, und von der zweiten sich eine Ab- schrift genommen hatte, kam ihm zuvor, indem er in Verbin- dung mit Angelo Mai in diesem Jahre eine lateinische Über- setzung davon zu Mailand herausgab. Letztere wurde bald Nie- bubr dem K. Pr. Gesandten in Rom bekannt, der in einer Abhandlung, betitelt ‚Historischer Gewinn aus der armenischen Übersetzung der Chronik des Eusebius” (in den Abh. der hist.- phil. Kl. der K. Akad, d. W. von den Jahren 1820—1. Ber- lin 1822. S. 37 — 114.) zuerst auf die Wichtigkeit dieses Fun- des aufmerksam machte. Erst nachdem er die Abhandlung ge- schrieben hatte, kam Aucher’s Ausgabe ihm in die Hände, von welcher er ohne Zweifel blos, weil Aucher seine Entrüstung über Zohrab’s Unredlichkeit, der sein Gelübde brach und aus dem Orden treten mufste, ın der Vorrede nicht unterdrücken konnte, höchst ungünstig urtheilt, ohne dessen Übersetzung verglichen zu haben, oder mit dem Texte vergleichen zu kön- nen. Ein gleich ungünstiges Urtheil über Aucher’s Über- setzung fällt aber auch der Armenist St. Martin, und sucht es im Journal des Savans. Feor. 1820. p. 97 ff. durch eine An- vom 17. August 1865. 459 zahl von Beispielen zu beweisen, in denen er jedoch bei der Absicht Einen der gründlichsten Kenner des Armenischen zu meistern sich selbst grobe Verstölse gegen die Grammatik zu Schulden kommen läfst. Wenn man auch bei Aucher zuwei- len auf Flüchtigkeiten stölst, da er seine schon 1795 gemachte Übersetzung, um die Ausgabe der mailändischen möglichst bald folgen zu lassen, nicht einer nochmaligen gründlichen Durch- sicht unterwerfen konnte, so ist die Zahl der Irrihümer bei Zohrab doch bei Weitem gröfser; und wenn er, wo die Hand- schrift ihm fehlerhaft erschien, dies nicht, wie Zohrab, immer in den Anmerkungen bemerkt hat, so hat er es doch stets im Texte durch Oursivschrift angedeutet. Berücksichtigt man noch dazu, dals in der mailänder Ausgabe das Armenische erst durch Zohrab in das Italienische, und dieses von A. M. wieder in das Lateinische übertragen wurde, und dafs der Letztere es sich angelegen sein liels, das Ganze, um ihm die Härte der Über- setzung zu nelimen, in eın gut lateinisches Gewand zu kleider, während Aucher bemüht ist, ohne Rücksicht auf die Latinität, den armenischen Text direct getreu wiederzugeben: so erkennt man leicht, dals — wie Niebuhr selbst S. 40 d. a. A. zuge- stehen muls — die mailänder Ausgabe zu einer Wiederherstel- lung des griechischen Textes ganz unbrauchbar ist, und der venetianischen unbedingt der Vorzug gebührt. Wenn endlich Niebuhr S. 43. d. a. A. und St. Martin 1. I. p. 101. und 105 Aucher den Vorwurf des Plagiais machen, so liegt die Wahr- scheinlichkeit des Plagiats vielmehr auf Seiten Zohrab’s, wel- cher Aucher’s schon längst vorher druckfertige Übersetzung sehr wohl während dessen langjähriger Abwesenheit benutzen konnte, als auf Aucher’s Seite, der nach seiner ausdrücklichen Versicherung erst bei der Abfassung der Vorrede (p. xıx.) die mailänder Übersetzung zu Gesicht bekommen hat. Wegen der nicht unbedeutenden Abweichungen- beider Übersetzungen von einander, und um die Überzeugung von der Richtigkeit der Abschrift zu gewinnen, wäre es in der That höchst wünschenswerth, den Codex noch einmal vergleichen zu können. Dieser ist jedoch gänzlich verschollen, und wird "wahrscheinlich aus Furcht vor Entwendung in Konstantinopel verheimlicht. Auch mir gelang es im vorigen Herbst nicht, 34* 460 Gesammtsitzung ihn dort zu ermitteln. Dagegen wurde mir in Venedig mit der grölsten Bereitwilligkeit die oben genannte zweite Abschrift, so wie der Anfang einer neuen von Aucher, und endlich auch ein noch nicht verglichener Codex, welcher erst vor etwa 40 Jahren nach St. Lazzaro gebracht worden ist, zur Verfü- gung gestellt. Der jerusalemer Codex, von welchem Aucher auf dem er- sten Blatse seiner begonnenen Abschrift eine genaue Beschrei- bung giebt, ist en Foliant, auf Pergament geschrieben, am Rande etwas abgenutzt, hier und da ausgebessert, und hat durch Feuchtigkeit gelitten. Das Pergament ist durch das Alter ver- _ dunkelt, die Schrift eine schöne Minuskel (runde Schrift), auf jeder Seite sind gewöhnlich 36 Zeilen, zuweilen eine mehr oder weniger. Eine Überschrift ist nicht vorhanden, — nur auf dem innern Deckelblatte steht von späterer Hand in schlech- ter Cursiv geschrieben: „Eusebius (der Schreiber hält es für zwei Worte, als bezeichne es „und Sebius”) Pämphili schrieb die Geschichte in 10 Theilen, deren 9 von der Menschwerdung Christi und von den heiligen Aposteln wie von der Kirchen- geschichte handeln, aber dieser erste von Adam an (beginnend) spricht über die Erschaffung der Welt, welcher auch Chronik pabbphntb genannt wird” — auch fehlen mehrere Blätter in der Mitte und das letzte Blatt, daher sich auch keine Angabe über den Schreiber und die Zeit der Abschrift findet. Die Schrift selbst und die Beschaffenheit des Materials weisen dar- auf hin, dafs der Codex zwischen dem A11ten und’ 13ten Jahr- hundert geschrieben sein muls. Näheres läfst sich darüber nicht bestimmen. Denn das im Kanon bei der 152ten Olympiade befindliche Siegel eines Katholikos Grigor würde, wenn es sich auch beweisen lielse, welcher Grigor damit gemeint sei, da 43 Katholici diesen Namen trugen, doch nur einen frühern Be- sitzer der Handschrift, nicht aber die Zeit von deren Abfassung kund geben. Zwar sind Zohrab und Aucher der Ansicht, dals der Chronist Samuel Aniensis, welcher auf Befehl eines Katho- likos Grigor — nach Zohrab Grigor V, 1189 ff., nach Aucher mit überwiegenden Gründen Grigor IV, 1113 ff. — sein Werk geschrieben, und für die frühern Zeiten auf Euseb. Chron. ba- sirt hat, diesen Codex vor Augen gehabt haben könne; allein vom 17. August 1865. A61 dagegen streiten mehrfache Widersprüche mit demselben. Vgl. J. on. Chr. 3. 7. 19. 30. 34. u. s. w. u. s. w. Dals die Abschrift, welche mir zur Benutzung übergeben wurde, nicht die erste, sondern die zweite von dem Lector Georg mit grölster Sorgfalt und Genauigkeit geschriebene war, davon überzeugte ich mich bald aus dem Mangel der von Au- cher angegebenen Correcturen, und aus der Nachschrift, wo Georg selbst dies bestätigt. Die von Aucher in Konstantinopel selbst angefangene Abschrift enthält nur 20 Seiten bis S. 98. Bd. I. von Aucher’s Quartausgabe, von denen die zwei letzten, da Aucher, wie er am Schlusse bemerkt, an der Fortsetzung verhindert wurde, von P. F. Thnkrean geschrieben sind. Der zweite Codex ist bis jetzt ganz unbekannt geblieben, da er seit kurzer Zeit erst nach Venedig gekommen ist. Er ist ebenfalls in Folio geschrieben, auf geglättetem Papier, und hat gleich dem jerusalemer 36 Zeilen auf jeder Seite. Die Seiten in dem Kanon stimmen genau mit denen der Abschrift Georg’s über- ein, auch zeigt er eine saubere, deutliche Minuskel (runde Schrift). Der Titel ist ganz derselbe, wie er nach Aucher’s Angabe in roher Oursivschrift auf dem innern Deckel der jeru- salemer Handschrift steht. Mit Ausnahme des Titelblattes ent- hält der Codex 302 Seiten, von denen S. 1—230 die Chronik des Eusebius umfassen. Auf der ersten Seite steht: [zruFpfauf wunhhfejwgen; Funlubwhugpnebfeb d. i. Eusebü Pamphylü (als ob er aus Pamphylien gebürtig sei) chronographia. Die folgenden Seiten 231— 301 enthalten die Chronik des Samuel Aniensis. Dann folgt S. 302 eine Notiz von dem Schreiber, aus welcher auf dem Titelblatt Folgendes entnommen ist: Mi- nas, Erzbischof von Amid (später Patriarch von Jerusalem, starb aber 1705 exilirt auf der Insel Cypern) der Besitzer die- ses Buches, schenkte es dem Erzbischof Sahak von Tigranakert — geschrieben von dem Schreiber Michael in Tokat im Jahre 1145 (der armenischen Zeitrechnung oder 1696 n. Chr.). Darunter steht ın Parenthese von den Mechitharisten zugeschrieben: „Die- ses Werk gab der Superior des Klosters Johannes des Täufers von Musch, Wardapet Zacharias, unserm P. Nerses Sargisean zum Geschenk.” 462 Gesammitsitzung Es ist auffallend, wie genau dieser Codex mit dem von Je- rusalem übereinstimmt. Seite für Seite und Zeile für Zeile sind wie in der Abschrift Georg’s, woraus man sieht, dafs beide Abschreiber mit grolser Genauigkeit geschrieben haben; es fin- den sich hier ganz dieselben Lücken, auch dieselben Schreib- fehler, dieselben Milsverständnisse und Corruptionen des Tex- tes’), wie J. Abr. 545. 595. 617. 718. 859. mit denselben Randbemerkungen, wie J. Abr. 619. 790. 859. 1541. 1552. 1592. u. s. w. u. s. w. Man wird deshalb versucht zu glau- ben, dafs dieser neuere Codex eine Abschrift des jerusalemer sei. Gleichwohl zeigen beide Codd. wieder so viele Ver- schiedenheiten in den Lesarten, welche nicht, wie die Verwech- selungen von ähnlichen Buchstaben als Schreibfehler angesehen werden können, wie J. Abr. 734. P%&ulu für Eghu J. 1792. zbbkgwl für zwpdbywb, so wie Zusätze in dem neuen Codex, welche in dem jerusalemer fehlen, wie J. Abr. 984. Yjwdnu zbtbgwı vgl. auch J. 1389. 1746., dafs man obige Annahme verwerfen muls, beide Handschriften auch nicht für Töchter einer Mutier ansehen kann, sondern zu der Vermuthung ge- nöthigt wird, sie seien erst im zweiten oder dritten Gliede mit einander verwandt. Da dieser neue Godex aber erst vor 170 Jahren geschrieben wurde, so darf man keinesweges die Hoffnung aufgeben, sein Original, welches, wie man aus meh- reren Buchstabenverwechselungen erkennt, wahrscheinlich in mesropischer Schrift geschrieben, und darum vielleicht noch älter als der jerusalemische Codex war, irgendwo in einer Bi- bliothek Klein- Asiens noch aufzufinden. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Quetelet und Heuschling, Statistique internationale (population). Bruxelles 1865. 4. *) Die Beispiele sind sämmilich aus dem Kanon entlehnt, welchen ich allein bis jetzt genauer verglichen habe. er vom 17. August 1865. 463 Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Breslau 1864. 8. Annuario del real observatorio de Madrid. Ano VI. Madrid 1864. 8. Bavaria. 3. Band, Abth. 2. München 1865. 8. Mit Ministerial- schreiben vom 15. August 1865. Preufsische Statistik. Heft 8. Berlin 1865. 4. Na u hut .e..arg: 1. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Dove trug eine von Hrn. Hermann von Schlag- intweit-Sakünlünski ihm überschickte Abhandlung vor: Über die mittlere Temperatnr des Jahres und der Jahreszeiten, und den allgemeinen Charakter der Isothermen in Indien und Hochasien; zweiter Theil: Himälaya, Tibet und Turkistän. I. Die Temperaturstationen. Die folgende Zusammenstellung, eine Fortsetzung meiner früheren Mittheiluug über die climatischen Verhältnisse Indiens '), “enthält die Mittelwerihe für die Temperaturstationen aus dem Himalaya, aus Tibet und Turkistän. Da in diesem Terrain das Sammeln numerischer Angaben weit mehr Schwierigkeiten machte als ın Indien selbst, das bereits viel längere Zeit der Herr- schaft oder doch dem Einflusse der Europäer unterworfen ist, wa- ren allerdings für einige Stationen (in Turkistän) nur genäherte Angaben, für manche nur die Mittel einzelner Monate zu er- halten. Für andere jedoch sind Beobachtungen auch bereits mehrere Jahre fortgesetzt; die Details über das Material sind ım vierten Bande der Results of a scientific mission to India and High-Asia zusammengestellt; die Methoden der Berechnung der Mittel sind dieselben, die ich im Aprilhefte der Sitzungs- ‘) Sitzungsberichte der Berliner Akademie, 27. April, 1863. Dort sind, nebst der Methode zur Berechnung des Tagesmittels, die Stationen aus Indien und seinen tropischen Umgebungen zusammengestellt. p. 197 —228. 466 Gesammtsitzung berichte von 1863 definirte; gewöhnlich konnte das Mittel aus Minimum und 4° p. m. angewandt werden. Bei einigen Sta- tionen mulsten noch Correctionen angebracht werden, die von den Stationen mit zahlreicheren Beobachtungsstunden und mehr- jährigen Reihen abgeleitet wurden. Nicht unwichtig war es für die Beurtheilung der Tempe- raturgesetze dieser ausgedehnten Gebirgsregionen, dafs die Sta- tionen in sehr ungleicher Höhe sich befinden. Auch die an vielen anderen Punkten während unserer Reisen kürzere Zeit angestellten Beobachtungen boten ein sehr verschiedenartiges Material, was so die Vergleichung wesentlich erleichterte; in den folgenden Tabellen sind aber solche kürzere Reihen nicht angeführt. Da die Veränderlichkeit in den Gebirgsregionen etwas grölser ist als in den indischen Stationen etwas südlich da- von, und da überdiefs die Zahl der Stationen nicht so grofs ist, habe ich hier nicht nur die Mittel der ganzen Reihen, son- dern auch die Monatsmittel der einzelnen Jahre angegeben. Die Zusammenstellung der Temperaturstationen ist in 4 geographische Gruppen gebracht und innerhalb derselben nach der Breite und Länge geordnet. Die Zahl der Stationen beträgt 43 und ıst vertheilt wie folgt: I. Bhutän, Sıkkim, Nepäl, im östlichen Himälaya . . . 13 II. Kämäon, Gärhväl, Simla, im mittleren Himälaya . . 16 II. Külu, Chämba, Lahöl, Kashmir, Müärri, im nordwest- lichen Himaläya . . . a N ee SE IV. Westliches Tibet und Turkistän . ne 2 ee In Beziehung auf die Tabellen sei noch heuer dafs die Temperaturgrade = Fahrenheit sind, wobei Mittel an denen der Stunden wegen Correctionen angebracht wurden oder solche für welche nicht das vollständige Detail von Beobachtungen vor- handen war, in Klammern gesetzt sind; doch sind auch diese jetzt als corrigirte Monatsmittel eingeführt, wenn nicht speciell die Reihe der Beobachtungstage angegeben ist. — Die Breiten sind nördliche, die Längen, östlich von Greenwich, sind auf die Madräs Sternwarte zu 80° 13’ 56” Östl. von Gr. bezogen. Kreuze vor den Positionen bedeuten, dafs | dieselben von der Great trigonometrical Survey so angegeben vom 1. Juni 1865. 467 sind; Sterne .beziehen sich auf detaillirte Bestimmungen von uns selbst '). Die Höhen sind in engl. Fuls?). Die Transcription, gleich jener in meinen früheren Abhand- lungen, ist folgende: Die Vocale und Diphthongen lauten wie im Deutschen; Consonanten wie im Deutschen mit folgenden Modificationen: ch=tsch im Deutschen = ch im Englischen; j = dsch im Deutschen = j im Englischen; sh = sch im Deut- schen; v= w im Deutschen. ° bezeichnet die Silbe, welche den Ton hat. 1) Vgl Band I. der Results. *) Nach Band Il. der Results. . ee ©. 468 Breite | Länge ee] m m m Narigün, im öst- lichen Bhutän [28 53. Bhutän, Westliche Pro- vinzen: o Gesammtsitzung D Devangiri 2651 19130 Tassgöng 2720 |91 38 3 IPunäkha 2735 |8934 = |Säsi 27 8 |91 29 = |Lenglüng Fort|27 39 \91 12 o Tassängsi Ft.|2734 |91 33 Töngso Fort 127 30 |90 19 Pankabari, in Sikkim 2649 |88 14 Darjiling, in Sikkim 7127 3.0/88 15.3 Tönglo Pic, in Sikkim Falüt oder Sin- ghalila Pic, in Sikkim +27 1.8188 3.9|10080 T |27 13.7|87 59.812042 1. Jahr 8/95 6.0| 3642l1855. 56 2150/1839 3182/1839 3739/1839 43251839 4523/1839 53871839 652711839 1790| 1855 71681850 1851 1852 1853 1855 1857. 58.59 Mittel | Januar 47 (27.-31) 42.4 42.9 37.6 39.4 43.9 42.0 | I Bhutän, Sikkim, Nepäl Febr. | März | 52 bl (19-24) 43 (11-14) 41.3 47.1 46.4 41.9 44.8 44.4 ” pr.|Mai | 68| 73 | 74| 74 80.0 58.962.8 64.4 57.9/62.1 60.9 63.2 64.1 63.6 63.5 64.4 63.1 60.9/62.2)62.0 Bean 61,5 61.5 58.7161.8.62.9'62.9 48.0 vom 4. Juni 1869. m östlichen Himälaya. 71| 67 62.3) 61.8 | 54.5 | 45.9 63.0) 54.3 61.8) 56.0 | 58.0 | 42.7 60.4 60.2) 56.6 | 50.5 | 44.1 61.1) 57.2 | 52.8 442 | 43.5 54.5 | 62.5 57.0 469 JunilJuli | ug.|Spt. | Oct. | Noy. | Dez. [DI-E|M.A-M.|1.J..[S:0.N. Jahr 58 52 Io 63.3 | 73.7 | 65.3 [63.1 338 54.4 470 Gesammtsitzung vom 1. Juni 1865. 471 | Breite Länge | Höhe Jahr | Januar Febr. | März | pr.| Mai uni Juli Aug. |Spt.| Oct. Nov. | Dez. |D-I.F|M.A.M.II.I.A. Kathmändu, | Hauptstadt von „ ‚| o, Nepäl * 127 42 1/85 12.2] 4354 1835 z 62.3169.1/69.471.5171.5/69.3| 61.2 | 49.8 | 43.6 1836 47.5 43.0 53.2 |60.6[68.6172.2,71.2]74.8170 9| 60.8 (55.6) (49.5) 60.7 1837 | 42.8 | 45.0 | 54.8.160.7)65.1/74.4169.4|72.9/70.61(64.7)|(5.6)| 54.8 60.9 1838 54.2 1839 50.0 53.4 59.7 164.2167.8171.3/70.7|74.972.3| 66.0 | 59.5 (49.5) 63.5 1850 73.3/70.8| 65.3 | 54.8 | 49.9 1851 46.3 | (50.0) | 56.9 60.8167.8]71.3/71.7|72.2]70.6| 63.9 | 52.2 | 45.7 60.8 1852 41.2 49.1 51.9157.1/63.9/68.7172.7|74.8|71.0| 65.3 | 56.4 | 49.3 60.1 1853 40.0 52,8 58.2.162.1/67.373.6174.371.9170.3| 63.3 | 55.8 | 49.9 61.5 1854 (45.4) | 50.0 57.1 61.5/68.3|73.0|74.1|73.6170.9| 65.6 | 59.2 | 49.9 62.4 1855 44.4 52.0 56.6 /61.9/69.6|73.0173.471.9/70.2] 64.2 | 55.9 | 47.2 61.7 1856 47.8 50.9 60.7 165.1 68.2173.7173.7|72.670.6| 71.0 , 56.7 | 50.4 63.5 1857 48.9 53.6 Mittel 45.4 50.3 56.6.\61.6,67.5[72.1,73.1,73.1,70.7) 64.7 | 55.6 | 49.5 148.4, 61.9 72,8| 63.7 |61.7 2 I. Kämäon, Gärhväl, Simla,im mittleru Himälaya. Lohughät oder ® | Rikhesar, in = lese, Kämaon 2924 |80 4 | 5649 18% 45.2 43.6 52.3 59.3)66.6]68.4169 3 69.1 67.3] 63.2 | 52.3 | 47.3 58.7 , 182 43.9 | 48.0 | 52.3 62.6[65.5|73.7173.0172.3 70.2] 629 | 51.6.| 455 601 Mittel 44.5 45.8 52.3 60.9/66.0|71.0/71.170.7.68.7| 63.1 | 51.9 | 46.4 145.6 | 59.7 |70.9| 61.2 159 4 Havalbägh, in Kämäon 2938 |7937 | 4114| Mittel 47 55 61 16 |73 |76 |78 |79 |75 | 69 60 52 |50.8| 66.6 | 77.6 | 68.0 165.8 Almöra, | in Kämäon + 29 35.2179 37.9] 5546 1852 49.0 575 | 55.6 14.9169.9175.4|72,7 12.8.73.1 67.1 | 60.2 | 53.2 64.3 1853 43 8 58.5 64.2 67.272 2)77.3174.1173.8 73.3] 65.8 | 61.3 | 55.6 ; 65.6 1854 50.5 43.5 65.5 63.8171.7172.8172.6171.4 70.9| 66.3 | 578 | 50.8 62.7 1855 46.8 Mittel 47.5 54.8 58.4 65.3]71.3|75.2|73.2]72.6 72.4! 66.4 | 59.8 | 53.2 |51.8 | 65.0 [73.7 | 66.2 |64.2 Nainitäl, in Kämäon * 29 23.6179 30.9) 6634 42.5 46.4 55.5 3 64.1)69.6/65.3)68.0 63.2| 58.1 | 55.0 | 48.4 |45.8| 59.6 |67.3 | 58.8 |57.9 Milum, in Kämäon * 3034.6,79 54.811265] 1855 635 472 Gesammtsitzung | Breite | Länge | Höhe [ Jahr | Januar Febr. März Dera, in Gärhväl +so1s.olrs 1.0 2240| 1850 1851 1852 57.5 | 64 1853 53.1 | 60.8 1854 58.2 | 53.9 1855 49.0 Mittel 54.5 | 59.6 Landäur, in Gärhväl 3027 |78 8 | 7511| 1852 39 48.4 1853 322 | 52 1854 435 | 36.1 Mittel 378 | 43.2 Maässuri, in Gärhväl + |30 27.678 3.0] 6715| 1855 1856 45.2 | 48.2 Mittel 45.2 | 48.2 Jhösimath, in Gärhväl 3034 |7929 | 4724 1855 Bädrinath, in Gärhväl 3046 |7920 |10124| 1855 Niti, in Gärhväl [3048 |7934 |11464| 1855 Sabäthu, in Simla + 130 58.576 58.5] 4205| 1850 1852 Dägshäi, in Simla +130 53.177 2.2) 6025| 1852 1853 39 53.6 1854 Mittel 39 | 53.6 Kotghär, in Sımla 3091 [7728 | 6412| 1812 *%) | (40) |(45) 1855 1856 42.4 | 499 Mittel 42.4 | 499 *) 184° unvollständig, wurde nicht in das Mittel genommen. JApr.|Mai |Juni|Juli | Aug. |Spt. 4 All 78.6 N. 86.11 74 |78.2)83.3)79.778 477.4 174.5179.7[79.1\78.9177.6175.6 74.3,80.7183.9 80.4 78.4177.2 74.6|75.3 81.2]77.6 60.2168.2|74.369.2167.6166.8 63.7/68.7|72.8/68.9]68.465.9 66.470 15.8)67.9167.3167 63.469 a (aD) (67) (65) og | (68) (72) 57.1168 9 72.8] 63.9169.3169.2 60.5[69.1,71.0 69.167.466 [1865.] vom 1. Juni 1865. 473 Oct. | Nov. | Dez. |P-J.F|M.A.M.II.T.A.]S.O.N.|Jahr 71.7 71.5 68.2 70.5 56.7 .6| 54.8 52.2 54.6 60 64.0 62.0 70.2 63.6 63.6 (56) 54.7 60.5 68.5]68.0,66.4| 57.7 | 49.4 | 46.5 64.1 | 55.8 63.1 | 57.1 58.4 | 52.3 61.5 | 55.1 | 56.4 48.1 | 39.9 52.1 | 44.7 47.7 | 40.5 49.3 | 41.7 | 40.9 53 46 53 46 |465 64.1 55.6 | 46.7 57.4 56.5 | 46.7 | 46.4 (51) 49.4 | 46.5 46.3 70.6 70.8 68.4 73.6 |80.9| 69.7 170.2 54.4 54.9 55.1 56.0 165.3] 55.9 [54.5 55.9 62.3 | 65.2 | 60.0 158.5 63.5 | 70.2 | 61.2 | 69.2 33 62.2 60.6 37.8 158.6 474 Gesammtsitzung | Breite | Länge | Höhe | Jahr | Januar | Febr. | März fy Kässauli, in Simla 3054 |77 3 | 6650| 1852 1853 36.3 1856 1857 42.7 Mittel 39.6 | 39.6 Simla, in Simla + |31 6.2]77 9.4| 7057| 1850 1851 39.7 | 431 1852 449 | 52.1 | 4798 1853 51.6 | 56.3 |: 1854 503 , 540 | 5251|: 1856 69.0 | 695 | 66 | Mittel | 45.0 | 50.2 | 525 | II. Kulu, Chämba, Lahöl, Kashmirf Sultänpur, in Külu * 131 57.877 5.8] 3945| 1857 Kängra, in Chämba +32 5.276 14.4) 2553| 1852 48.8 | 57.2 | 56.61 1853 45.6 | 59.5 | 66.7' 1854 52.8 | 49.5 | 64.4| 1855 51.5 Mittel 49.7 | 55.4 | 62.6) Dalhousie, in Chämba 3232 |76 0 | 6850| 1860 (40) | (46) | (62) Kärdong, in Lahöl * 132 33.8177 0.610242! 183 24 36 44 Srinäger, Haupt- stadtv.Kashmir* 34 4.6174 48.5| 5146| 1856 40 45 50 Märri,in Märri * 33 51.0]73 22.7) 6963| 1852 1854 1855 35.9 | 473 | 46,6) 1856 40 41.4 | 54.5 Mittel 37.9 | 44.4 | 50.6 69 es 70.4|68.2 »4.2|59.5167.3163.3]64.4 166 -170.2|68 165 > 4.2]64.2169.3167.2]65.9 66.1 >6.0164.5167.2166.7]64.5 64.7 59.961.870 |65.6163.4|64.4 158.3166.8|72.8|66.1|66.0165.7 51.2|67 3|71.1|65.6163.9|62.8 63 \61.2156.5/44.9]44 58.9|65.9|70.1/66.0|64.2]63.8 | 64.5 68.2 60.7 61.1 59.5 60.7 60.4 59.5 59.3 vom 1. Juni 1865. Oct. | Nov. | Dez. |P-I-FIM.A.M.II.I A.|S.O.N. Jahr 52.9 54.6 53.8 54.3 52.4 55.7 52.6 52.0 475 42.8 48.5 45.6 |41.6| 57.7 | 67.5 | 60.3 156.8 48.2 46.8 43.7 58.7 45.7 |47.0| 59.1 |66.8| 58.4 157.8 IMe&rri, im nordwestlichen Himälaya. D y 70.8 ud: 78.1[70.8 68.3|79.5|88.6 77.3174 |73.7 80.6184.5177 |76.4174 68.4|79.085.7|78.2176.0|75.0 (60)/(70)|76.2|75.3|70.7[65.6 47 49 |54 [63 160 152 167.5168.0178.9170.0|75.8167.0 54.8/64.6|73.769.4| . |71.7 61.8168.6|70.7|68.7|67.1|69.2 55.7/63.3/71.1167.7|65.9]67.7 58.9 71.2 68.3 63.2 67.6 56.8 > 6 57 60.5 60.2 59.9 60.2 55.6 61.3 61.4 59.2 60.6 64) 37 54 41.6 33.6 49.6 75.3 | 61.8 51.6 67.6 57 68.3 52.5 53.7 152.9| 70.0 |80.0| 67.7 |67.6 (45) (43.7)| (60.6) | 74.1 | (68.8) (ss.) 27 |29 | 46.6 159 | 45 l4a9 42 |42.3| 55.3 |71.3| 58 |56.8 44.1 45.2 43.2 141.8| 56.5 |68.2| 59.2 |56.4 | 35° 476 ‚Gesammtisilzung IV. Westliches Tibei | Breite | Länge lEe] Jahr | Januar | Febr. | März Känam, Kloster im Kanäur 32 Spiti, Thal im westlich. Tibet |32 10 |78 13000) 1846 192 | 18.7 | 24.5 Leh, Hauptstadt | von Ladäk *|34 8.377 14.611532 o 78 9296 Östl. Umgebun- gen von Ladäk: _ Lingti-Tödi-ju in Spiti 32 9 7812 |11316 Mud, in Spiti *|33 51.678 1.312421 Tsomoriri- Salzsee in Rüpchu 32 45.4 78 16 6115130 Skärdo, Hauptst. von Bälti * |32 20.2,75 44.0| 7255 1856 32 39 45 Büshia in Khö- tan, Turkistän* 3626 |7819 | 9310 Yärkand, Haupt- stadt von Tur- kistän 3810 |74 0 | 4200 vom 1. Juni 1868. _ 477 und Turkistän. Apr.|Mai JunilJuli |Aug.|Spt. | Oct. | Nov. Dez. |P-J.F|M.A.M.I.J:A.IS.O.N. Jahr 49.9 nennen 63.9| 56.2| 43.9 | 37.3 |35.8| 50.1 |67.7| 54.8 52.1 40.9149.0 59.5 63.6)58.6,55.5] 40.1 | 22.8| 14.3 |17.4| 38.1 |60.6| 39.5 |39.4 57.0] 39.0 | 44 150.156.2.66.4165.2)56.0| 40 | 34 |2ı |223| 43.4 |62.6| 433 j42.9 56.5| 39.5 | | 70.4 53.6 19.8 51 |68 I66 |69 |68 |59 | 525 | 43 |33 |35 | 51.3 |67.6| 51.5 [51.3 (22) | (45): |(61) (45) |(43) (38) | 64) |69) |) 64 478 , Gesammtisitzung II. Tabellen der Höhenisothermen und der Temperaturabnahme. Die resultirenden Werthe der Höhenisothermen sind ebenso wie die Temperaturabnahme in fünf Tabellen, für das Jahres- mittel und die Mittel der vier Jahreszeiten, vereinigt, zugleich sind sie graphisch auf den fünf beiliegenden Tafeln dar- gestellt. Bei der Construction der Profile wurde die Basis als von Südosten nach Nordwesten gerichtet angenommen, und die Folge der Gipfel steht als ein zweites unabhängiges Profil oberhalb jenem Durchschnitte, welcher die Contour quer durch die Hauptkämme und Pässe darstellt; in beiden dieser Umrisse sind nur einzelne der besonders charakteristischen Gestalten als Typen angegeben; bei der Angabe einer gröfseren Anzahl von Gipfeln und Pässen würde nothwendig ein Vorherrschen von Spitzen die Folge gewesen, die man nur nach ihrer Höhe, nicht mehr aber nach ihrer Form hätte unterscheiden können. A. Jahresmittel. Um die mittlere Temperaturabnahme möglichst gleich- mälsig auf die Gestaltung des Terrains, d. h. nur auf. solche Höhen zu beziehen wie sie in den verschiedenen Regionen vor- kommen, bestimmte ich dieselbe so, dafs ich das Mittel ') aller für 1° Fahr. hier angegebenen Differenzen nahm. Es ergiebt sich für Hochasien als allgemeines Jahresmittel der Temperaturabnahme 390 engl. Fufls 1° Fahr. Auf die einzelnen Theile bezogen waren die Mittelwerthe der Temperaturabnahme: Für den Himälaya und Tibet 385 bis 400 Fuls für 1° F., Werthe die auch innerhalb der einzelnen Gruppen je nach der Bodengestaltung wechseln; für den Künlün 380 Fuls für 1° F. ') Die resultirende Zahl bot zugleich eine Controlle für die Berech- nung der Jahreszeiten, da auch das Mittel von allen jenen Differenzen mit ‚dem Werthe von 390 übereinstimmte. vom 1. Juni 1865. 479 Im äufseren Himälaya '), wo durch die Nähe von Indien die Wärme der unteren Regionen etwas vermehrt wird, ist die Abnahme von 10,000 Fuls an etwas rascher als im Mittel. In Tibet folgt auf das Steigen der Isothermen bis gegen 16,000 Fuls eine Ausgleichung mit den allgemeinen Umgebungen, indem nun die Abnahme etwas rascher ist als über dem Südabfall der Himälayakette. In Turkistän sind die Regionen von Yärkand bis zum See Lop im Sommer fast so warm wie der Südabfall des Himälaya, was auch im Jahresmittel, verglichen mit der Breite, die Temperatur der Ebenen, welche die nördliche Basis von Hochasien bilden, von 3000 bis 4000 Fuls etwas erhöht, aber nach oben durch raschere Abnahme sich bald ausgleicht. Himälaya, Himälaya, | Wesil. Tibet, | Künlün, Nord- 5 Rand gegen | Südabfall der | Nordabfall des |und Südahfall, g Se Indien. Keite. Himälaya, im Mittel. SS Sn Karakorum. = = 3 ARE 2 | Höhe Diff. | Höhe Diff. | Höhe Diff. | Höhe Diff. | ” 70%, 0 751 70 2,200 Rn DS, 0 65 4,200... 1,950 65 60 | 6,200 3,950 60 55 8,200 6,000 °° | . 7,000 3,400 55 50 | 10,100 n 8,050 ji 9,000 ii 5,100 Ian 50 45 | 11,900 10,100 11,000 6,800 45- 40 | 13,700 °® | 12,150 | 13,000 '” 8,500 |40 35 | 15,500 " 14,200 ji 15,000 A 10,550 # 35 30 | 17,300, | 16.250 „, | 17,000 ©. | 12,600" [30 25 | 19,100 18,300", | 18,900 © | 14,650 ._ |25 20 | 20,350 „, | 20,800 ° | 16,600" |20 15 22,400 „, | 22,650 © | 18,550 15 10 24,400 24,500 10 5 26,400 ° | 26,300 °° 5 0 28,400 ° | 28,100 ) *) Für die Alpen hatte ich eine Abnahme von 540 par. Fuls für 1°C. — 320 engl. Fuls für 1° Fahr. erhalten. Phys. Geogr. der Alpen vol. I. p. 334— 370. Eine vergleichende Zusammenstellung aus Gebirgen ver- schiedener Länder siehe ib. p. 341. 480 Gesammtsitzung B. Jahreszeiten. 1. Winter: December, Januar, Februar. Der erwärmende Einfluls der tropischen Ebenen erreicht aber überschreitet nicht den Kamm des Himälaya, dagegen macht sich schon in Turkistän jene auffallende Depression der Temperatur im Winter, wie in Centralasien im Allgemeinen, bemerkbar. Mittlere Temperaturabnahme 380 engl. Fuls für 1° Fahr. Himalaya, Himalaya, Westl. 'Tibet, Künlün, g Band gegen | Südabfall der |Nordabfall des | Nord- und g Ss Indien. Kette. Himalaya, Süd-Abfall | = 2 Karakorum. im Mittel. z = E = Höhe Diff. Höhe Diff. Höhe Diff. Höhe Diff. So 65 60 | 2,000, | 60 55| 4,000 Omen 55 50| 6,100 2,100 ,, 50 45| 8,200. 4,200 45 40 | 10,100.) 6,400 3,600 | 40 35 | 11,800." 8,500 > 7,200 5,400 © | 35 30 | 13,400, | 10,600 9,100.» 7,200 | 30 25| 15,000. | 12,700 „ | 11,000” 9,100 0 | 25 20| 16,500 0. | 14,800 „, | 13,100 | 11,000. | 20 15 | 18,000 ©. | 16,800 „, | 15,200 © | 13,000, | 15 10. | 19,500 18,700 „| 17,300 © | 15,000 0, | 10 5 20,500 „, | 19,400 m | 17,000 5 N) 22,300 , | 21,400 © | 19,000 ) 5 24,000 „| 23,300 >” 05 -10 25,500 25,700 9 -16 27,000 | 26,600 °° -15 _ 20 28,500 ” | 28,100 °° _ 20 vom 1. Juni 1865. 2. Frühling: März, April, Maı. Diese Periode ist die heilse, trockene Jahreszeit der indi- 481 schen Ebenen; daher findet auch im äulseren Himälaya frühe ein rasches Steigen der Temperatur statt, während in Tibet die grölste Wärmeveränderung gegen das Ende des Frühjahres fällt. 1° Fahr. Mittlere Temperaturabnahme 360 engl. Fuls für Innerhalb der verschiedenen Gruppen zeigen einzelne in Thälern gelegene Stationen durch das Herabsinken und An- häufen kalter Luft häufig locale Depressionen; dasselbe gilt auch von der turkistanischen Ebene im Norden des Künlun. „| Himalaya, Himalaya, | Westl. Tibet, Künlün, 3 © | Rand gegen | Südabfall der | Nordabfall des| Nord- und © SS | Indien. Kette. Himälaya, | Süd-Abfall | = = Karakorum. der Kette. |F = EEE Babe Die |, Hohe mir. Pmon © 78 ) 78 75| 2,000 © 0 75 70) 4,000 '% Is00 70 65| 5,750 ®° 3,600 © 65 60o| 7,100 ® 5,400 | 3,200 60 55| 9,000 > 7,200 © 7,000 5,200 ° | 55 50| 10,50 °' 9,000 © 8,900 °° 7,200 © | 50 45| 12,100 °'° | 10,800 © | 10,750 °” 920° I 40| 13,650 °° | 12,600 © | 12,600 ”° | 11,200 | 40 35| 15,200 ” | 14,400 © | 14300 °° | 1320 | 3 30| 16,250 °° | 16200 © | 15900” | 15,200 ° | 30 25| 18,300 ° | 18000 © | 150” | 750 | 3 20 19,200 ° | 19,200 °° | 19,100 | 90 15 21,400 °° | 20,900 °° 15 10 23,100 °° | 22,600 °° 10 5 24,800 °° | 24,300 5 0 26,500 °° | 26,000 0 -5 28,200 ° 27,700 ° -5 482 Gesammtsitzung 3. Sommer: Juni, Juli, August. Das Eintreten der Regenzeit im Himälaya beschränkt die Temperaturzunahme, während zugleich die cenirale Lage Tibets dort die Temperaturerhöhung auffallend begünstigt. In der ganzen oberen Atmosphäre, welche durch die bereits so lange dauernden Luftströme sowohl von den Tropen aus als auch von den tibetischen Hochlanden viel Wärme zugeführt er- hielt, zeigt sich eine langsamere Temperaturabnahme, die sich bis Büshia in Turkistän erstreckt. Mittlere Temperaturabnahme 420 engl. Fuls für 1° Fahr. Locale Wärmeverminderung tritt ein, wo die Regen- menge ungewöhnlich grols, wie in Darjiling, Nainitäl. Die tibetischen Hochlande, besonders jene von Leh in Höhen von nicht über 12000 engl. Fuls, zeigen eine ganz ungewöhnlich starke locale Vermehrung der Wärme. Zugleich folgt dar- aus, dals die Wärmeabnahme über solchen Stellen beschleunigt erscheint, wenn man dieselben mit jenen höheren Regionen der Atmosphäre vergleicht, die sich bereits weniger von den allgemeinen Temperaturverhältnissen der freien Atmosphäre un- terscheiden. Solche Modificationen folgen nun überall wo lo- cale VVärmevermehrung den einen Gegenstand der Vergleichung bietet. In Indien wird, wo diese Periode die Regenzeit ist, dort auch die Wärmeabnahme mit der Höhe die rascheste. ıyed anyeısdws], Himalaya, Rand gegen Indien, Höhe Diff. 500 500 2,500 ° 4,500 A 6,250 7,850... 9,600" 11,600 ° 13,850 ” 16,100 18,350 ”” 00. vom 1. Juni 1865. Himalaya, Südabfall der Kette. | Höhe Diff. Höhe Diff. Westl. Tibet, Nordabfall des Himalaya, Karakorum. 20,900 22,500 24,100 25,700 27,300 Künlün, Nord- und Süd-Abfall im Mittel. Höhe Diff. 483 ayeg ıngerodwa], 484 Gesammtsitzung 4. Herbst: September, October, November. Auch ım Herbst sind die centralen Theile noch „relativ wärmer”; zugleich gilt diels auch im Allgemeinen von den Luft- schichten in sehr grofsen Höhen im Gegensatz zu jenen Re- gionen, welchen in dieser Jahreszeit allmählig die Schneeregion sich nähert. Mit dem Schneefalle selbst ist zwar, local be- grenzt, gewöhnlich ein nicht unbedeutendes Freiwerden von Wärme verbunden, aber zugleich folgt demselben für die etwas tieferen Regionen meist sehr bald die Vermehrung des Abflie- fsens kalter Luft. Mittlere Temperaturabnahme 390 engl. Fuls für 1° Fahr. Himalaya, Himalaya, | Westl. 'Fibet, Künlün, s Rand gegen | Südabfall der |Nordabfall des| Nord- und = Ss Indien. Kette. Himalaya, Süd-Abfall SS =: Karakorum. im Mittel. |7 5 - : Höhe Diff. Höhe Diff. Höhe Diff. Höhe Diff. 77 75 | 1,000 75 0 | 3,000 0 70 65 | 4,800 2,000 65 60 | 6,600. 4,000 60 55 | 8,400 6,000 4,600: 55 50 | 10,200 8,000 © 8,500 7,100 '° | 50 45 | 11,900 10,000 11,500 9,350 45 40 | 13,400 = 12,000 m 13,500 = 11,350 = 40 35 | 14,900» | 14,000 ©, | 15,250 | 13,100 | 35 30 | 16,400 %, | 15,900 %, | 17,000." | 14,850 > | 30 25 | 18,000 17,800 18,500 16,600 25 20 19,800 °° | 20,000 18,350 °° | 20 15 21,800 ° | 21,750 15 10 23,800 ° | 23,500 10 5 25,500 ° | 25,500 °° 5 0 27,800 ° | 27,500 N) vom 1. Juni 1865. 485 Il. Allgemeiner Typus der thermischen Verhältnisse. Nachdem bereits, was die einzelnen Gruppen periodisch unterscheidet, in kurzen Erläuterungen in Verbindung mit den numerischen Tabellen angegeben worden ist, seien zum Schlusse noch einige der für das Gesammtgebiet von Hochasien charak- teristischen Modificationen zusammengestellt. 1. Die gegen Indien gewandten Südabhänge sind durch das Vorherrschen aufsteigender Luftströme während des ganzen Jahres zu warm und die Höhenisothermen zeigen diefs indem sie in allen Jahreszeiten gegen den Südrand ansteigen (nicht unähn- lich ist auch am Südrande der Alpen gegen Italien die im All- gemeinen etwas nach aufwärts gerichtete Gestalt der Höhen- isothermen '). Die Isotherme von 74° 5, welche für die Ausläufer des Himälaya die Basis zur Vergleichunp mit der Temperatur im Meeresniveau bot, eignete sich um so mehr dazu, die verhält- nilsmälsig langsamere Abnahme erkennen zu lassen, weil sie unabhängig von den Himälayastationen aus der Verbindung di- recter Beobachtungen im Pänjäb und in Assäm gezogen wer- den konnte; zugleich war sie so auch unberührt von den ab- steigenden Luftströmen, welche, wie ich sogleich erläutern werde, die Temperatur längs des Fulses des Himälaya affıciren. 2. Untersucht man die verschiedenen Lagen der Stationen, indem man solche in Thälern mit jenen auf Abhängen vergleicht, so ergiebt sich für den Himälaya und auch für Tibet, dafs die Thäler durch das Zusammenströmen absteigender Luftmassen aus so grolsen Stromgebieten, wobei die Flufsthäler denen sie fol- gen durch Erosion so tief eingeschnitten sind, während des ganzen Jahres, auch während der Sommermonate, relativ zu kalt sind. Selbst jene Thalerweiterungen im Gebirge zeigen diels noch, die, wie die Umgebungen Kathmändus in Nepal und das Jhilumthal in Kashmir, früher grolse Seebecken waren’), die ‘) Vergl. Phys. Geogr. der Alpen, vol. I. Taf. VII. *) Wie ich bereits bei einer anderen Gelegenheit (British Ass., Du- blin 1857) zu erläutern Gelegenheit hatte, giebt es im Himälaya nur zwei 486 Gesammtsitzung jetzt durch die allmählig tiefer einschneidende Erosion der Flüsse entleert sind. (In den Alpen wird die relative Ernie- drigung der Wintertemperatur später, im Sommer, durch eine gegen Winde und Strahlung geschützte Lage für viele Thal- stationen wieder fast im gleichen Maalse ersetzt.) 3. Eine Untersuchung der indischen Stationen längs des Himälaya, in Bengälen, Hindostän und dem Pänjäb, zeigt, wenn wir ihre topographische Lage in Beziehung auf die Mündungen der grolsen Himälayathäler damit verbinden, dafs diese abstei- genden Luftströme auch hier, wenigstens in der Taräi und nahe dem Gebirgsrande die Atmosphäre etwas abkühlen; aber fast scheint diefs nur in sehr geringem Grade der Fall zu sein, denn ihr localer Einfluls wird dadurch sehr geschwächt, dals Passate mit so grolser Regelmälsigkeit und Stärke den einen Theil des Jahres thalaufwärts, den anderen thalabwärts ziehen. Vergleicht man dagegen über ein grölseres Terrain die Isothermen von 80 bis 75° F., welche längs des Himälaya- Randes hinlaufen '), so fällt auf, wie rasch hier zwischen 80 und 87° Länge östlich von Greenwich die Temperatur ge- gen Norden abnimmt, woran die absteigenden Luft- ströme des Himälaya den wesentlichsten Antheil haben. Auch die Alpen schon, wie Dove) jüngst sehr tref- fend nachgewiesen hat, zeigen einen ähnlichen Einfluls gegen Süden. Dafs nördlich von Central- und Südindien die Tem- peratur rascher abnimmt, als sie innerhalb der Zone sich än- dert, die dort von der Isotherme von 80° Fahrenheit umschlos- sen inselartig den Wärmeäquator umgibt, würde noch nicht den Einflufs des Himälaya als erkaltende Ursache erkennen lassen, da ja auch in Hochasien®) und von dort weiter nach Norden bis drei nennenswerthe Seen; die wenigen die in Tibet sich unter den vielen trocken gelegten Seebecken zu finden, sind alle salzig geworden. Ebenso fehlen, gleichfalls in Folge der ungewöhnlichen Erosion, alle Was- serlälle; wo sie als früher existirend zu erkennen, findet man nur unbe- deutende Stromschnellen. t) Siehe Karte der indischen Isothermen. Sitzungsberichte der Berl. Akad., April 1863. Fig. 2. ?) Dove, Sitzung der Berliner Geogr. Gesellschaft, März 1865. *) Der erste Raum im äufseren Himalaya (zwischen den Isothermen vom 1. Juni 1865. 487 die Temperaturabnahme mit der Breite rascher ist; aber darin läfst sich hier der Einflufs des Himälaya erkennen, dafs bei gleicher und selbst gröfserer Breite die Temperaturabnahme gegen Norden im Pänjäb weit langsamer ist als in Hindostän. In der Nähe des Pänjäb sind die zuerst folgenden Theile des Himälaya nicht so hoch, und die Fläche, über welche ihr ab- kühlender Einfluls sich auszubreiten hat, ist eine weit gröfsere; dort ist auch der Effect unmerklich, am bedeutendsten dagegen wird er, was ihn zugleich am besten als vom Himälaya ausge- hend charakterisirtt, wo die abkühlenden Luftströme im Süd- osten von Hindostän zwischen dem Fuls des Himälaya und das Barerplateau eingeschlossen sind. Weiter östlich dagegen, im Ganges- und Brahmapuütra - Delta, treten die Isothermen wieder weiter auseinander. 4. Die centralen Theile, Tibet und der Karakorüm, sind in gleicher Höhe bedeutend wärmer als der Himälaya, noch bei 15000 selbst 18000’, obgleich sie nördlicher liegen. Es ist diels die Folge der Massenerhebung '), die in diesen Regionen in gleicher Höhe noch weit mehr Gebirgsmasse der Insolation aussetzt, als diefs im Himälaya der Fall ist. Wäre der Radius der Erde um 10,000 bis 12,000 Fuls gröfser, so würde diels unter sonst gleichen Umständen keinen Grund zur Annahme von Temperaturverminderungen an der Öberfläche bieten; es zeigt sich diels in nicht unähnlicher Weise wo die Höhe der niedersten Thalsohlen in ausgedehnten Gebirgen 8000 bis 9000 Fuls beträgt, obwohl hier wegen der bereits beträchtlichen 74 und 73) ist noch etwas ähnlicher den Isothermendistanzen in den tro- pischen Umgebungen; dann erst folgt die raschere Abnahme mit der Breite, die übrigens noch immer etwas wärmere Isothermen ergiebt, als man nach den vereinzelten numerischen Daten früherer Reisender, die sich auch meist auf den Sommer beschränkten, erwartete. Doch ist der Unterschied nicht sehr bedeutend; gewöhnlich findet sich z. B. durch Srinäger die Iso- therme 70° F. gezogen, während 72 der Werth ist, den ich, ebenfalls auf das Meeresniveau bezogen, für diesen Theil des Himälaya erhielt. (Ab- geleitet aus den Stationen der Gruppe III. der obigen Tabellen.) ‘) In den Alpen hatte ich Gelegenheit zuerst relative Temperaturer- höhung in den centralen Theilen darzustellen in: Phys. Geogr. der Alpen, vol. 1. p. 378, 8.3. 488 Gesammtsitzung . Verdünnung der Atmosphäre der Verlust durch Strahlung sehr viel grölser wird, und diels ist es vorzüglich, wodurch solche Gebirge eine Beeinträchtigung der resultirenden Erwär- mung der Oberfläche der Erde werden. Dagegen, wo über grolse Strecken eine nicht bedeutende aber sehr undulirte Er- bebung den Boden bedeckt, ist selbst die absolute Wärme- entwicklung durch Insolation, bis zu einer gewissen Höhe, grölser, als sie auf Flächen im Niveau des Meeres sein würde, wie besonders die Untersuchung der Stationen im centralen und nördlichen Indien gezeigt hatte. In den Tropen machen sich solche Modificationen weit deutlicher fühlbar als in höheren Breiten, doch, auch für die Vermehrung der Wärmeentwicklung auf der Gesammt- oberfläche der Erde bleibt der Umstand nicht unwichtig, dafs die Oberflächen der meisten Continente und Inseln vor- herrschend mit kleinen Erhebungen bedeckt sind und dafs auch in vielen der grolsen Gebirge die bedeutende Massenerhebung derselben wenigstens zum Theile den Wärmeverlust in Folge lebhafterer Strahlung, Berührung mit Winden von kälterer Tem- peratur, etc., ersetzt. x 5. Auch in Turkistän macht sich — durch die 3000 bis 4000 Fufs hohe Thalsohle, welche die Gebirgskette des Künlün im Süden von jener des Sayanshän im Norden trennt — der Einfluls der Massenerhebung auf die Erhöhung der Temperatur bemerkbar. Bei 4200’ und 38° N. Br. fällt dort das Jahres- mittel kaum unter 54° F., was selbst bei einer Abnahme von 4° F. für 490 Fuls noch 64° F. im Meeresniveau erreichte '), während die Berechnung der Isothermen für die Basis aus den Umgebungen östlich und westlich davon den Werth nur zu 59 bis 60° im Mittel ergiebt; eine Wärmevermehrung, welche die Ver- minderung im Süden des Himälaya an Gröfse mehr als erreicht. 6. Die relative Wärmeentwicklung, die in der Mitte Hoch- asiens durch die Bodengestaltung begünstigt wird, scheint so nach Norden sich vorzüglich fühlbar zu machen, aber in vertie ‘) Vergl. die Isothermen in Hochasien auf Meeresniveau reducirt in meiner Karte, Sitzungsberichte der K. B. Akad. der Wissenschaften, 1865. Heft 3. Taf. 1. vom 1. Juni 1865. 489 caler Richtung die Erhebung der bedeutendsten Gipfel nicht zu überschreiten; hohe, vereinzelte Berge haben wir stets nur wenig von den Mittelwerthen abweichend gefunden, welche sich hier für das gesammte Gebirgsterrain ergaben, Temperaturen, die bei der gewöhnlich sehr stark bewegten Atmosphäre zu- gleich als jene der freien Atmosphäre in diesen Breiten be- trachtet werden konnten. 7. Die Schneegrenze, abhängig von dem Einflusse der Tem- peratur der Luft, der Heiterkeit des Himmels, der Häufig- keit und Temperatur der Regen auf die Menge des in fester Form fallenden atmosphärischen Niederschlages, ergab in Bezie- hung auf die Jahres-Isothermen folgende Resultate: 1°. Himälaya Südabhang 27%° bis HIN Dr. ....2. 0. 16,200 engl. Fufs bei 33° F. 4°. Himälaya Nordabhang 27%° bis BanNbr ..:.... ... 18,600 engl. Fuls bei 27° F. 2. Karakorüm am Nordrand von Tibet, Mittel beider rue 28° bis SON. Br... . . Se 19,100 engl. Fuls bei 25° F. 3. Künlün-Kette, Mittel, 36° bis BEN Bro. 2.020202. 15,450 engl. Fuls bei 26° F. Verglichen mit der Schneegrenze anderer tropischer und subtropischer Gebirgsketien und der damit zusammenfallenden Höhenisothermen, z. B. mit den Anden von Quito und Mexico, ergiebt sich, dafs sie nicht auf der Südseite des Himälaya relativ niederer ist und zu wärmeren Isothermen herabreicht, als der Breite entspräche (da auch die ungewöhnlich grofse Menge des Niederschlages meist auf den Rand des Gebirges und zwar in der Form von Sommerregen beschränkt bleibt), sondern dafs in Tibet die Schneegrenze, wegen des geringen Niederschlages re- lativ zu hoch ist; — Umstände, die unberücksichtigt geblieben waren, als die ersten Daten über die Höhe der Schneegrenze auf der indischen Seite des Himälaya mit jenen aus Tibet ver- glichen wurden. [1865.] 36 h DR f Aekiat » N IM x ’ rare. „ NIda2 10 MR AandT all, % PL RN aa 5 Ale / 2 ! Nur Rage | A u DR EL ENTE ER , BR dyanın HAN, ET SEE Mr a \ \ ri PARAT Hi % AULAOMTEL Kart Me ” Na, nk Mu ir N F . I NV NE, r 6 u . via t Ä z y r = B.. 3 REN I} ah Fe wirt N (3 an‘ ! EU RR EN La DR DAR ART RE t x # ER EN * € cr N er } rl sn ; a } ALT f ü v4 ir F 3 Run che» bier ' ä i EEE . NE ve ehr 3 F # DEN N h | \ Zr 1) r ® * AN een ; si, alle alle ET l f «iR AR “in ! j E p 14 NS F " \ Nler mn, Mat yo A Fee j Ds re EDER h HEREIN IT et) at vH Ama a geh FA EEE : A Pax f N Ba 2 a p- er "4° “ 13 { kanns vs ee sılarl areas: uuieıt I N % } 2 y ut % a Bu) " h AL IN ur “ A } Kr TE nr RER or ae usdibarl $ a R R z ‚naar 7; v or e ® f N B . \ RBB. en Kar akorum u. Könllin Taf.[. 3 HERMANN von’ /SCHLAGINTWEIT. = SAKÜNLÜNSKY. € in N. Jahresmitt el. N IN Hl Il ll INN ll I! ul Hoöken in engl. Bine Ianp: Fahrenheit. 1. Pässe über den Hımalaya nad Tibet: 13000 bis (8000 Fuss, 2. Pässe von Tibet nach Tigkisten 18,400 _ 18,800". | 13, Eidapass über den Büntin 17319! Le: "A. Höchste bewohnte Ore in Tibet 14,800 _ 15,000 (Kloster Hanle 15,17, Dorf Calshud 14,406) » 51 Das Indus- Thal beiieh in Ladak 10,723. . ‘6. rem der übetischen Salzseen 1,000 _ 15,200: e Erläuterungen. 71.Das Harakaschthal beim Nephritlager Gulbägashen 12,257. . B. Die höheren Vorberge des Himalaya 8000 _ 10,000. YulO. Tigfsze Gletscher des Himalaya : Chaia 10,520", - . # -Zsoji 10,967. *. Mut? Tiefste Gletscher im westlichen Tibet : Bepho 9,867, " Tazni Chitet 10,400. Mittlere Temperaturabnahme 390 für 1°F. ; Details siehe’Seite 478. 13. Gletscher im Bünlün , ähnlich jenen von Tibet, tef- - ster unbekannt. 14. Busleia , Dorf in Turkistan 9,510. 15. Müttlere Höhe der Hömalaya_ Gesundheitstatimen 7000. 16. Höhe des Indus bei Sfeardo in Ball, 7255 - 11.Die Biinges_Hbene bei Bendres 350). 18. Die Ebene vor Turkistan bei Yarkand 4,206. “ i Geo-Lith.Anst.r. CL.Okmamn in Berlin. * A ß R €. 164 B; nah . BR ER N fe Yu \ N v1 ‘ j + a LE ©” K: ”, ; ; N B se * PER x | LEN: . PR ” . h [ > SEEN a eh a el Aa De N A re ee 1 fi A u ! D £ hau e ’ i a | £ R ER ; Wr 8» De. rn u ME R r Gar ol u > “r Y ‘ RN Fin a „ ai | ur Fi a j . . Lich . L ” 1] 3 £. « N “ { r = ale. - u v r T t ” 7 “ \ - 7 R “ 3 2 e BL. ” “ f el n FR = N » i W ö w . >, j x j 4 R N i \ K $ Be ke a ß . R . AN HR > 1 r RT 5 ; af: h ö 2 3 ” D k j 5 R , Kae . er h . } : E r N B“ ; s Rt & > " ) * Ä > gr, \ „= um * 3 a ü v EN Rn \ > 4 Era Er de ö n N « A 1 . s M 5 N ne h 5 ' f ir hi t y 4 hy ei "on ” W W 4 . A } „ er . . 1 . a . h D ‘ „u N De R..% ne 2, . ; N er ar ' . LIT \ . - ya “ er 2 . ’ B . ” “ IU.r, ’ N En ae BEE SFR & f 4 u re . A n f N . Der! ; ji ee er z > EEE BR j h Ku | r | | a) R h 4 1 N h . » | i “ u” ' Ba N x ls i > ! Ä Ta oe . , . N A % ’ ; ‚ VL Haag “ en, f, 2 A x N h r . ” ® N ” F} 12 { - ', u ®. a MR % * # Pa) \ Paz {a ’ “ w \ ” u ‚ x Sn N h “ D B T N R Rn 4 N . H » s 3 u . ” = f g “ . ” D Ki 3 4 r P “ F yE Ä B Ri 2 ” z f ..- . * in ; H * ‘ A N ke . x N - I. FB Kira 5 r i % ” . . » v * ” % Au * R ie ? » ” » - “ h Dr i L u 5: LE \ k | ar « * 0 9 \ - e f 4 F . . ” | ” * i * , Te N \ P “ * „Wu « _ f . 4 ar » 1} 2 ö e > n Bea 2 TORE j hi ' ke y ; et DIE HÖHEN-ISOTHERME ’ (des « .: ‘ Himalaya ,Karakorum: u. Künlün. Ä B. Jahreszeiten: T.Winter (December, Januar , Februar.) lin 2 = == gl Ba Meeresmireau Höhen in engl: Fuss ; Temp : Fahrenheit. ‘ Mittlere Temperatur abmahıne 880; für KCARE Details siehe Seite 480. $ Geo -Lith. Anst v. C.L. Obmann. . x _ . * EZ e er z = 3 = ee Pr u _ insert pin ssgjss en nn nn rn TarIl. enatibericht d Mad. 1.Wine. Ang. 1865. se 8 OREBR2 | DIE HOHEN-ISOTHERMEN des Himalaya ,‚Karakorum u.Künlün. ’ —_ B.Jahresz eiten: IR \ ILFrühling (März, April, Mai.) 30 = — Sn Zez >= > —— 16 INTm = E = | _ == — 14 II ’ = = = M | : = 12 | | 10 8 | INN} ||| l INN III IM ATTTT TLNINN 6 h Il INN N IN INLINLLNLLHLLINLNNL | ILNMLILNLLND \ = UNUIINNIIIN 1 IN ı II im I] m | 4 1 | ll ) 2 A " Be I || I | N Il | || | HMILNLNLI Il INN) Io Kell | LINIE u) LINNNNINUNNINNUNUNDNNNNHNUNNN o | Meer esraremu ; | ” 3 * | - = Höhen in en Eison ; Temp: Fahrenheit. Mittlere Temperaturabnahme 360’ furl F. r Details siehe Seite 481. > Geo-Lith. Anst .v.C.L.OÜhmanmn. une ehe I eh er Ba Ali lan dm san rer re * Nr j BEN RISK Alte Wir Sr, ei wg h NUR. PROBEN. LER OO." urn a mueren j ’ BEREICH VERTRIEBS PU rat Sei r “ N y . . a. Br \ 2 Fa ß { ne ! f ü N en k De je ee er Da nn Tl Era r N ®% k n ; PENIS SE SL VL en ha en m hen nor an a 5 * E aa. erh rn “ . un ET nun un ET u N « ih \ U NERA nr % s 3 ‚ es ee A ER ER win ER AERERG ge eg ae n 0 er ER y is x Y Pe ae g nee \ 2 ee Dh in > ne hung Baron 2 En a ee “ »* “ i a . k : Ä i - ee s aa Ay N RN Bere, gr r \ N 5 . AS . h 4 In s N ee een Duo rn a MS X te ISIN RTEN ONE NDELTIUNERT OEROMABAE ENT 22 22 2. 0.c h ve pm a » RL ENLERL RS .. a N N u PR” Nr N EN H R' “r f Y e 1 RER; ea ah x Dt) N ’ g De a! a N Na PRSBUE wı . ri N RI BEER h $ . h Sue A * N Fa Rt aufta . n y ee yet Pad N“ se % “ ® Rue) fi „ Dr . ö D u: { ü 44 I . ” ’ hin & [1 “ . “ E Ta£.IV. TIEN-ISOTHERMEN des Himlaya, Karakorum u. Künlün. BEL. B.Jahreszeiten: I. Sommer (Juni, Juli , August)‘ Höhen in engl. Fuss; Temp: Fahr enheit. Mittlere Temperaturabnahme 42 0’ für IPF. Details siehe Seite 482, Geo- Lith. Anst v. C.L.Ohmann. 3 ” .. & > 4 \ ” ® » i r . ” Fi » * = E . p 3 “ i en 3 ” - - fe, r S j | s AR ” d > * Hg . Hi 5 5 : B - a z » . E x . z > 2 ee . f. = x « s = x B e r * = 2 & f% \ a . R E z _ r nz “ ö S * z fi = a rn y 2 . > * = E ‚ » > Üx ” ” bi . $ 4 ; nd ye en ” _ > - ‘ „ ® . - S 3 B Monatsbericht d. Akad. d. Wiss. Aug.1865. 5 & 4" TıtY | DIE HÖHEN-ISOTHERMEN des Himalaya ‚Karakorum u. Künlün. B. Jahreszeiten: IV. Herbst ( September,October, November) a Ei T HH | esmiveat Höhen in engl. Fuss Desm Feen: n Mittlere. Temperaturabnahme 390' für 1°F. Details siehe Seite 484. Geo-Lith.Anst.v: C.L.Ohmann. 10. Augusi. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Reichert las über die contractile Substanz — Sarcode, Protoplasma — und deren Bewegungser- scheinungen bei Polythalamien und einigen ande- ren niederen Thieren. I. Ergebnisse aus den mitgetheilten Beobachtungen über die morphologische Beschaffenheit und über die Bewegungserscheinungen der contractilen Substanz bei den Polytbalamien (Gromia oviformis). 1. An dem Polythalamienkörper sind, abgesehen von der Schale, zwei Bestandtheile zu unterscheiden: die contractile Lei- bessubstanz und der, die centrale Masse des Körpers bildende, farblose und gefärbte Körperchen, auch Bläschen führende Be- standtheil. 2. Über die morphologische Beschaffenheit der centralen, bläschenführenden Leibessubstanz hat sich bei der Gromia ovi- formis nichts Genaues feststellen lassen. Bläschenförmige Kör- per von der Grölse und Beschaffenheit, wie sie M. Schultze „Über den Organismus der Polythalamien u. s. w. S. 21“ beschreibt und Taf. I. Fig. 6, Taf. VII. Fig. 10 u. 12 zeichnet, wurden nicht beobachtet. Ob die vun diesem Naturforscher nicht beschrie- benen scheinbaren Vacuolen der contractilen Rindensubstanz zur Auffassung dieser bläschenförmigen Körper geführt haben, oder ob ich bisher nicht so glücklich gewesen bin, Thiere mit wirkli- chen, in der centralen Leibessubstanz gelegenen Bläschen zu erhalten, darüber mögen weitere Forschungen entscheiden. 3. Die contractile Leibessubstanz bildet die den centralen pläschenführenden Bestandtheil umgebende Rindenschicht des weichen Polythalamienkörpers. Ob dieselbe an der Öffnung der Schale mit einem Eingange versehen sei, war bei der Gro- ' mia oviformis nicht zu ermitteln; doch wurde in einem Falle 36* 492 Gesammtsitzung an der Öffnung der Schale eine körnige flockige Masse beob- achtet, die vielleicht von dem centralen Bestandtheile stammte. Die contractile Leibessubstanz stellt bei Gromia oviformis einen in der äufseren Form dem Gesammtkörper entsprechenden platt- gedrückten, ellipsoidischen Hohlsack dar, und richtet sich dem- nach hier, wie bei anderen Polythalamien, nach der Schale, mit nothwendiger Berücksichtigung der Siphonen. Sie ist wahr- scheinlich bei der Bildung der Schale betheiligt, scheint aber später fast vollständig von derselben sich abzulösen, da das Meerwasser zwischen Schale und Rindensubstanz selbst in grö- [serem Anfange eindringt; auch ist bekannt, dals der weiche Polythalamienkörper der Gromia oviformis theilweise die Schale verläfst. Aufser der Contractilität besitzt die Rindensubstanz des weichen Polythalamienkörpers wahrscheinlich auch die Ei- genschaft, Excrete zu liefern, durch welche zur Nahrung die- nende Thiere getödtet werden. Sie verräth ferner sensible Er- scheinungen dadurch, dals die ausgestreckten Fortsätze bei Be- rührung mit heterogenen Elementen sich zurückziehen; sie ist wahrscheinlich auch Respirationsorgan, und dürfte ihre lebhafte Körnchenbewegung zum fortwährenden Wechsel des Meerwas- sers beitragen. Aus der Art und Weise, wie die vielkammeri- gen Foraminiferen sich vergröfsern und wachsen, darf kaum be- zweifelt werden, dals sie einen wesentlichen Antheil bei diesem Bildungsprocesse hat. Es ist endlich von mir beobachtet wor- den, dals sich Abschnitte von ihr ablösen und, wie es scheint, gänzlich zu Grunde gehen, so dafs sie einer Art Regenerations- Procefs unterliegt. Durch Regeneration per intussusceptionem muls ın der zurückgebliebenen Rindenschicht die Ergänzung Statt haben. 4. Die contractile Rindensubstanz des Polythalamienkörpers ist im Ruhezustande, auch mit Hülfe des Mikroskops, als ge- sonderter Bestandtheil nicht zu erkennen; sie ist eine so dünne Schicht, dafs sie im optischen Querschnitt bei der Dicke des Polythalamienkörpers und der scheinbar formlosen, centralen bläschenführenden Leibessubstanz nur als Grenzlinie der letzte- ren und nicht doppelt contourirt sich darstellt. Sie wird aber sofort deutlich unterschieden, sobald sie bei der Contraction sich verdickt und Fortsätze entwickelt; auch wenn die centrale vom 10. August 1865. 493 Bläschen führende Masse passiv an ihr verschoben wird. Mag sie auch ursprünglich aus einem Complex von Zellen hervorgegan- gen sein, so ist doch im ausgebildeten Zustande nicht die ge- ringste Spur einer Zusammensetzung aus irgend welchen ge- sonderten Bestandtheilen wahrzunehmen. Sie zeigt sich in den Scheinfülsen ganz hyalin und farblos, kann aber an verdickten Stellen Farbe annehmen. An den verdickten Stellen und in .den stärkeren Fortsätzen erscheint sie auch fein granulirt, und gewährt mitunter ein mikroskopisches Bild, als ob sie selbst grölsere Körnchen entbielte. Obgleich bei anderen niederen wirbellosen Thieren die Anwesenheit solcher wirklicher Körn- chen in der contractilen Substanz nicht zweifelhaft ist, so muls dies doch vorläufig für die contractile Substanz der Polythala- mien in Abrede gestellt werden, da die körnige Zeichnung nur im Contractionszustande hervortritt und demnach auf Uneben- heiten der Oberfläche zurückgeführt werden muls. 9. In Betreff der Bewegungserscheinungen des Polythala- mienkörpers, welche mit der Contractilität der Rindensubstanz in Verbindung zu bringen sind, unterscheide ich active und passive. Zu den passiven gehören die Verschiebungen und oft scheinbaren Rotationen der centralen bläschenführenden Leibes- substanz in Folge von peristaltisch vorrückenden Einschnürun- gen des contractilen Mantels, und die Ortsveränderungen des Gesammitkörpers. Alle activen Bewegungserscheinungen geben sich durch allgemeine oder locale Veränderungen in der äulse- ren Form und morphologischen Beschaffenheit der contractilen Rindensubstanz selbst zu erkennen. a. In einfachster Weise zeigt sich die contractile Eigenschaft der Rindensubstanz durch langsam sich einstellende und langsam auch den Ort verändernde Einschnürungen des el- lipsoidischen Polythalamienkörpers, in grölserer oder gerin- gerer Ausdehnung. An der eingeschnürten Stelle ist die contractile Substanz verdickt und zeigt im optischen Quer- schnitt die Form einer mit der Concavität nach Aulsen ge- kehrten schmalen Sichel. Solche Einschnürungen sind regel- mälsig von passiven Verschiebungen der centralen bläschen- führenden Leibessubstanz begleitet. 494 | Gesammtsitzung db. An jeder Stelle der contractilen Rindenschicht erheben sich C in Folge der Contractionsthätigkeit Fortsätze in Form von Knötchen, Warzen, Papillen, auch von flachen, kuppenför- migen Erhebungen, von Lamellen, endlich von langgestreck- ten, regelmälsigen oder mehr unregelmäfsigen Vorsprüngen. Diese Erhebungen und Vorsprünge zeigen sich, so weit die gegenwärtigen Erfahrungen reichen, nur an der Aufsenfläche der contractilen Rindenschicht. Sie treten entweder an der Öffnung der Schale oder an einem vorgeschobenen Abschnitte des ganzen Polythalamienkörpers hervor; sie entwickeln sich aber auch im Innern der Schale an jeder beliebigen Stelle der Oberfläche des Polythalamienkörpers. Im letzteren Falle veranlassen sie das Auftreten scheinbarer Vacuolen und Al- veolen, die aber von Meerwasser erfüllt an der Oberfläche des Körpers und nicht im Inneren der centralen, bläschen- führenden Substanz sich befinden. Die Erhebungen beginnen mit einer anfänglich geringen Anhäufung contractiler Sub- stanz in jeder beliebigen Abgrenzung an der contractilen Membran; sie vergrölsern sich dann allmälıg durch den Hin- zutritt neuer Masse aus der Umgebung, wobei man die con- tractile Membran über die centrale bläschenführende Leibes- substanz sich fortziehen sieht. An einem lamellenartigen oder langgestreckten Fortsatze können durch Verstärkung der Con- traction neue Erhebungen verschiedener Form sich entwickeln, so dafs die ursprünglich häutige contractile Lamelle auf die- sem Wege in beliebig verästelten Formen übergeführt wird. Die feinste Form langgestreckter Fortsätze stellen die soge- nannten Scheinfülse der Polythalamien dar. Dieselben ent- wickeln sich am auffälligsten aufserhalb der Schale an der - Öffnung; sie fehlen aber auch nicht innerhalb der Schale bei der erwähnten Vacuolenbildung. In dem von ihnen gebil- deten sogenannten Sarcodenetze können, wie eine mitge- theilte Beobachtung lehrte, häutige Platten der contractilen Substanz dadurch eingeschoben werden, dals, so zu sagen, eine Portion contractiler Substanz, aus welcher Pseudopodien entwickelt sind, die Verbindung mit dem übrigen Theile der contractilen Rindenschicht nur durch einen feinen pseudopo- denartigen Faden unterhält: Die Scheinfülse können zwar vom 40. August 1865. 495 unmittelbar aus der Rindensubstanz hervorgehen, meisten- theils jedoch entwickeln sie sich aus gröberen Fortsätzen, — in Folge einer Verstärkung der Contractionsthätigkeit. — Als kleinste warzenartige Erhebungen der häutigen contrac- tilen Substanz sind die sogenannten Körnchen bei der Körn- chenbewegung zu betrachten. Dieselben treten am häufigsten an den Pseudopodien auf; ihr Spiel ist aber an allen Fort- sätzen, auch an der nicht verdickten und erhobenen contrac- tilen Membran, innerhalb und aulserhalb der Schale zu be- obachten. d. Bei der Rückkehr in den sogenannten Ruhezustand zieht sich jeder Vorsprung genau wieder auf die Stelle des contractilen Sackes oder bei complicirteren Fortsätzen auf die Stelle des Fortsatzes oder der Lamelle zurück, von welcher aus die Erhebung Statt fand. Bei verästelten Formen beginnt die Zurückziehung an den Endästen, respective an den Pseudo- podien, und zugleich hört die Körnchenbewegung auf; ihnen nach folgen, so zu sagen, die Stämme. Hiernach darf als Gesetz festgestellt werden, dafs die durch die Contrac- tion verschobenen Theilchen der contractilen Rindenschicht nach der Rückkehr in den Ruhestand genau wieder in der Ordnung und in dem Lageverhältnils vorliegen, in welchem sie sich befanden, als die Contraction begann. e. Alle Bewegungserscheinungen, bei welchen grölsere Massen der contractilen Substanz in Anspruch genommen werden, zeigen eine gewisse Trägheit beim Entstehen, wie bei der Rückbildung. Ein dicker cylindrischer Fortsatz gebraucht zu seiner Bildung unter dem Zutritt neuer Contractionsmassen stets sehr. lange Zeit, bis 4 Stunde und noch mehr; die Entwicklung der feinsten Pseudopodien und namentlich der Körnchen geht rasch vor sich. f. Die Contractionsthätigkeit bei der Körnchenbewegung ist noch dadurch ausgezeichnet, dals sie in den meisten Fällen unmittelbar nach eingetretenem Ruhezustande eine gleiche Thätigkeit in der benachbarten contractilen Substanz nach sich zieht, so dals dadurch ein Spiel von in beliebiger Rich- tung ablaufenden Contractionswellen erzeugt wird. Gesetz- liches in Bezug auf die Richtung dieser Contractionswellen 496 Gesammisitzung hat sich bis jetzt nicht feststellen lassen; dem Anscheine nach möchte das Entstehen, das Aufhören und, — an den Platten und Häuten contractiler Substanz, — auch die Rich- tung der Körnchenbewegung völlig regellos von Statten ge- hen. Obgleich übrigens das Auftreten eines sogenannten Körnchens der Körnchenbewegung eine gleichartige Con- tractionsbewegung in der Umgebung zu veranlassen pflegt, so sind mir doch oft Fälle vorgekommen, in welchen Körn- chen auftraten und stehen blieben, ohne eine Contractions- welle in Bewegung zu setzen. Überhaupt kann als eine Eigenthümlichkeit der Bewegungserscheinung der contracti- len Rindenschicht angesehen werden, dals eine jede Con- traclionsbewegung auf einem beliebigen Zustande der Inten- sität stundenlang ausharren kann. Vergleichung der contractilen Rindensubstanz des Polythalamienkörpers mit der Muskelfaser. Die Vergleichung der contractilen Rindenschicht mit der Muskelfaser wird ausschlielslich auf die morphologischen Erschei- nungen, und was aus diesen zur Erläuterung des gesetzlichen Verhaltens der Contractionsthätigkeit sich ableiten läfst, Rück- sicht nehmen. Die Vorgänge innerhalb der contractilen Sub- stanz der Muskelfaser, beim Übergang aus dem ruhenden Zu- stande in den aktiven und umgekehrt, sind allerdings noch sehr räthselhaft; selbst über den feineren Bau derselben bestehen Con- troversen; dennoch ist ein Versuch, die beiden bis jetzt bekann- ten verschiedenen Formen contractiler Substanzen mit einander zu vergleichen, wie mir scheint, gerechtfertigt, sobald nur aner- kannte und unzweifelhafte Thatsachen zum Vergleich herangezo- gen werden, und sofern dadurch -neue Gesichtspunkte und so ein wenn auch geringer Fortschritt zur weiteren Aufklärung der Contractionsthätigkeit für beide Gebilde sich gewinnen läfst. Von den Muskelfasern dürfen meines Erachtens folgende Eigenschaften zum Vergleich hervorgehoben werden. 1. In den Muskelfasern sind die contractilen Theilchen mit besonderer Beziehung auf die Längsachse eines Cylinders oder überhaupt auf eine Längsachse angeordnet; ein jeder Muskel be- vom 10. August 1865. 497 steht aus einem Aggregat solcher langgestreckter contractiler Formelemente. 2. Von den Muskelfasern sind andere Bestimmungen für ‘den Gesammt-Organismus als diejenigen, welche sich auf die ‚Contractionsthätigkeit beziehen, nicht bekannt. 3. Die Contractionsthätigkeit ist von Formveränderungen der Muskelfasern begleitet, die ich als active Bewegungserschei- nungen bezeichnet habe. Die passiven Bewegungserscheinun- gen zeigen sich in der Umgebung der contractilen Substanz durch Verschiebung der daselbst gelegenen Bestandtheile und elwa vorhandener sogenannter passiver Bewegungsmittel der Organismen, — durch Umsetzung der ursprünglichen Druck- kraft der verkürzten Muskelfaser in Zugkraft u. s. f. 4. In Betreff der activen Bewegungserscheinungen ist Fol- gendes bekannt. a. Beim Übergange der contractilen Substanz der Muskelfaser - in den sogenannten activen oder contrahirten Zustand nimmt dieselbe im Längsschnitt ab und im Querschnitt zu, entwe- der ohne Veränderung oder doch nur mit geringer Vermin- derung im Volumen; man darf es kurz auch so ausdrücken: der dünne langgestreckte Körper wird schlielslich in eine mehr oder weniger dicke Platte oder Scheibe umgewandelt. Bei der Rückkehr in den Ruhezustand "stellt sich die ur- sprüngliche, langgestreckte Form wieder ein. db. Die Verkürzung und Verdickung einerseits, so wie die Ver- längerung und Verdünnung anderseits kann scheinbar plötz- lich an der ganzen Muskelfaser Statt haben; sie kann aber auch als eine unter dem Mikroskop deutlich wahrnehmbare Contractionswelle von einem Ende zum andern ablaufen. ce. Die Contractionsthätigkeit kann auf einen beliebigen Ab- schnitt der Länge der Muskelfaser beschränkt oder locali- sirt sein. 1. Die Contractionsthätigkeit kann auf jedem beliebigen, zwi- schem den äulsersten Grenzen gelegenen, Zwischenzustande anhalten; sie kann dann entweder sich steigern, oder auch aus dem activen in den Ruhezustand übergehen. e. Während der Contractionsthätigkeiit müssen die Theilchen der contractilen Substanz in einer, der Form des activen 498 Gesammtsitzung und ruhenden Zustandes entsprechenden und dadurch gesetz- lich geregelten Weise, verschoben werden. Man hat sich also vorzustellen, dafs die Theilchen der contractilen Sub- stanz in jedem activen und Ruhezustande ein bestimmtes der jedesmaligen Form entsprechendes Orts- und Lagever- hältnils haben, dafs die Verschiebung derselben während der Contractionsthätigkeit auf diese Weise gesetzlich geregelt sei, und dafs die Theilchen nach einer Verschiebung genau wieder an den Ort und in das Lagerungsverhältnils zurück- kehren, in welchem sie sich zuvor befanden. Jede ander- weitige Orts- und Lagerungsveränderung der 'Theilchen ist von der Contractionsthätigkeit ausgeschlossen; es fehlt den- selben namentlich jene, den tropfbaren Flüssigkeiten zukom- mende gleich leichte Verschiebbarkeit in jeder beliebigen Rich- tung, so dafs das jedesmalige Orts- und Lagerungsverhältnils der Theilchen zu einander von zufälligen äulseren Umstän- den abhängt und die Möglichkeit beliebiger Orts- und Lage- veränderungen in sich schlösse. Auch von der Elasticität unterscheidet sich die Contractionsthätigkeit organisirter Kör- per, von anderweitigen Erscheinungen ganz abgesehen, da- durch, dafs die Verschiebbarkeit der Theilchen nur in einer bestimmten mit Beziehung auf die organisirte Form gere- gelten Richtung Statt hat. Ein Vergleich der morphologischen Eigenschaften und activen Bewegungserscheinungen beider con- tractilen Gebilde läfst folgende drei Unterschiede hervortreten: 4. Die Muskelfasern sind langgestreckte contractile Gebilde, in welchen die contractilen Theilchen während des sogenannten Ruhezustandes mit Beziehung auf eine Längsachse angeordnet sind. Welche specielle Form die Faser besitze, ob sie cylindrisch oder spindelförmig, oder ob sie, wie bei den glatten ungestreiften Muskelfasern, platt gedrückt sei und lancettförmig endige, das mag nicht selten schwierig festzustellen sein. Für die Verglei- chung genügt aber auch zunächst die Thatsache, dafs die con- “ tractilen Theilchen in einer Muskelfaser, mit Rücksicht auf eine Längsachse angeordnet, vorliegen. vom 10. August 1865. 499 Die Muskelfasern treten aufserdem als gesonderte contractile Elemente auf, durch deren Aggregation die Muskeln und Muskel- schichten mehr entwickelter thierischer Organismen gebildet werden. Die contractile Rindenschicht der Polythalamien stellt wäh- rend des Ruhezustandes ein sehr dünnes, membranartig ausge- breitetes contractiles Gebilde dar, in welchem die contractilen Theilchen mit Beziehung auf einen ın der Fläche ausgedehnten oder als Scheibe sich formenden Körper angeordnet sind. Die eontractile Rindenschicht der Polythalamien, mag sie auch ur- sprünglich aus Zellen hervorgegangen sein, bildet ein zusammen- gehöriges continuirliches Ganze, in welchem bei ausgebildeten Thieren mit unsern gegenwärtigen Hilfsmitteln keine gesonder- ten contractilen Elemente unterschieden werden können. 2. In den Muskelfasern ist die Eigenschaft der Contractili- tät, soweit unsere gegenwärtigen Erfahrungen gehen, die haupt- sächlichste, wo nicht die einzige Leistung, welche im Gesammt- Organismus verrechnet ist und zur Geltung kommt. Die con- tractile Rindenschicht der Polythalamien ist ein Hauptbestand- theil des Gesammtkörpers, von welcher die äuflsere Form des- selben abhängt, und die für den Gesammtkörper nicht blos durch die Contractilität, sondern auch durch ihre respiratorische, secretorische Eigenschaft u. s. w. thätig ist. 3. Die Muskelfaser verwandelt sich beim Uebergange aus dem Ruhezustande in den sogenannten activen oder Contractions- zustand — in einen plattgedrückten, scheibenförmigen Körper. Die contractile Rindenschicht der Polythalamien erscheint beim Uebergange in den activen Zustand, wie bekannt — in aufser- ordentlich wechselnden Formen. Wenn man indels in Erwä- gung zieht, dals dies contractile Gebilde ein continuirliches Ganze darstellt, an welchem die Contractionsthätigkeit an jeder beliebigen Stelle und in beliebiger Ausdehnung sich einstellen, unter Heranziehung neuer contractiler Theilchen die in Thätig- keit begriffene Masse vermehren, die Form verändern‘, endlich an jedem beliebigen Punkte sich steigern kann; — so lälst sich das charakteristische und wesentliche Verhalten beim Übergange in den Contractionszustand mit den Worten kennzeichnen: Die contractile häutige Platte verwandelt sich schlielslich in einen langgestreck- 500 Gesammtsitzung ten, unter Umständen cylindrischen Körper. Ist die Contractions- thätigkeit von geringer Intensität und auf eine kleine Stelle be- schränkt, so wird sich diese Contractionsform als ein kleines Knötchen und im mikroskopischen Bilde als ein scheinbares Körnchen an der contractilen Haut zu erkennen geben. Ver- grössert sich das Knötchen, so entwickelt sich daraus ein pa- pillenartiger, mehr oder weniger langgestreckter Körper, wel- cher an der, mit ihm in continuirlicher Verbindung stehenden, ruhenden contractilen Rindenschicht wie ein Tentakel oder wie ein Wurzel- oder Scheinfülschen hervortreten wird. Lammellen- artige Fortsätze, alveolenartige Hohlräume werden unter der Contractionsthätigkeit eines diesen Formen entsprechenden Ab- schnittes der contractilen Rindenschicht entstehen. Verästelte Formen können durch Steigerung der Contractionsthätigkeit an schon hervorgetretenen Foertsätzen, unter Heranziehung neuer Massen sich bilden. Auffallend ist, dals die verschiedenen Con- tractionsformen, so weit die gegenwärtigen Erfahrungen reichen, nur an der Aufsenfläche der contractilen Rindenschicht zum Vor- schein kommen. Welche Umstände hierauf einwirken, ist noch unbekannt, das Gesetz jedoch, dafs die im Ruhezustande als Platte oder Scheibe auftretende contractile Rindenschicht der Polythalamien beim Übergange in den activen Zustand schliels- lich langgestreckte Formen in verschiedener Abwechslung an- nehme, wird dadurch nicht alterirt. Von den drei namhaft gemachten Unterschieden lassen die beiden ersten, welche die reine morphologische Frage betreffen, vorläufig eine weitere Vergleichung nicht zu. Beide contractilen Gebilde sind jedenfalls morphologisch von ganz verschiedenem Werthe und verschiedener Bedeutung. Nur eine genaue Kennt- nils von der Bildungsgeschichte des Polythalamienkörpers und der Muskelfaser, sowie eine vergleichend anatomische Betrach- tung des Gesammtbaues der Polythalamie und der thierischen Organismen, in welchen gesonderte Muskelfasern anzutreffen sind, wird die rationelle morphologische Beziehung beider con- tractilen Gebilde zu einander dereinst feststellen können. Mit den Worten, dafs die contractile Rindenschicht der Polythala- mie eine unentwickelte Muskelmasse — Sarcode, Protoplasma — sei, ist eben so wenig, ja noch weniger gewonnen, als mit vom 10. August 1865. 501 dem Ausspruche: Die Polythalamie ist ein unentwickeltes Wir- belthier. In Betreff der Bewegungserscheinungen, in welchen sich die Contractionsthätigkeit ausspricht, sind gleichfalls die Unter- schiede auf den ersten Blick sehr auffällig. Bei der Muskel- faser — um den Vergleich zu vereinfachen und durch Auffas- sung der Extreme das Gesetzliche in ganzer Schärfe übersehen zu lassen — verwandelt sich eine cylindrisch geformte contractile - Substanz durch Contractionsthätigkeit in eine an Volum fast gleiche oder gleiche — kreisförmig begrenzte Scheibe; bei der contractilen Rindensubstanz der Polythalamien eine kreisförmig begrenzte Scheibe in einen — Cylinder. Eine genaue Unter- suchung lehrt indels, dafs man es nur mit verschiedenen Moda- litäten zu thun hat, unter welchen die contractile Substanz zur Vollziehung willkürlicher und unwillkürlicher Bewegungen und Leistungen im Organismus angelegt und verwerthet ist. Für die Vorstellung von der Contractionsthätigkeit, d. h. von der Verschiebung der contractilen Theilchen in einer bestimmten der jedesmaligen Form des contractilen Gebildes entsprechenden Richtung, ıst die Unterscheidung eines sogenannten activen oder passiven Zustandes von untergeordneter Bedeutung. Jene Kraft, welche die contractilen Theilchen aus einer, mit Beziehnng auf die Längsachse eines Cylinders geordneten Lage und Stellung in diejenige verschiebt und überführt, bei welcher die contractilen Theilchen mit Beziehung auf die Achsen des Cylinder-Querdurch- schnittes und in Form einer Scheibe gelagert sich darstellen; — sie ist in jeder Beziehung genau dieselbe, durch welche auch beim Übergange in den Ruhezustand die Verschiebung der con- tractilen Theilchen aus der Form der Scheibe in die des Cy- linders bewirkt wird, — und so umgekehrt in Betreff der Con- . tractionsthätigkeit bei den Polythalamien. Wird aber der Übergang der contractilen Gebilde in den sogenannten Ruhezustand und die Form dieses Zustandes gleich- falls als active Bewegungserscheinung in Rechnung gebracht, so zeigen Muskelfaser und contractile Rindenschicht der Poly- thalamien hinsichtlich der Contractionsthätigkeit völlige Über- einstimmung. Bei Beiden giebt sich dieselbe in dem Wechsel zweier bei contractilen Gebilden während der Action auftreten- 502 Gesammtsitzung vom 10. August 1865. den Grundformen zu erkennen: der langgestreckten, cylindrischen, und der in der Fläche oder im Cylinderquerschnitt sich ausbrei- tenden Scheibe oder Platte; die Unterschiede beziehen sich nur darauf, dals in beiden contractilen Gebilden, wie gesagt, von anderweitigen morphologischen Verhältnissen ganz abgesehen, nicht dieselben Grundformen in dem sogenannten activen und passiven Zustande der Contractionsthätigkeit verwerthet sind. Aus dem Vergleich der morphologischen Eigenschaften und Bewegungserscheinungen der Muskelfaser und der contractilen Rindenschicht des Polythalamienkörpers, hat sich demnach erge- ben, dals die contractile Substanz bei ihrer Action in zwei Hauptformen auftritt, in langgestreckter, unter Umständen cy- lindrischer Form, in welcher die contractilen Theilchen mit Rücksicht auf die Längsachse, etwa eines Cylinders, angeordnet sind, und in Form einer Platte oder Scheibe, in welcher die Anordnung der contractilen Theilchen mit Beziehung auf die im Querschnitt des Cylinders liegenden Achsen des Raumes gegeben ist. Die Contractionsthätigkeit selbst zeigt sich in der Ver- schiebung der contractilen Theilchen aus der einen Hauptform in die andere und umgekehrt. Jede der beiden Haupt- oder Grundformen der contractilen Substanz kann in den thierischen Organismen als sogenannter activer oder als Ruhezustand ver- werthet sein. In der Muskelfaser ist die Anordnung der con- tractilen Theilchen mit Beziehung auf die Längsachse des Cylin- ders als Zustand der Ruhe, die Scheibenform als activer Zustand verwerthet, umgekehrt bei den Polythalamien. —IENS— Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin in den Monaten September und October 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg. Sommerferien. 16. Getaher. Sitzung derphysikalisch-mathe- matischen Klasse. Fr nes mond.le) überidie elekiromos torische Kraft der Nerven und Muskeln. Hr. W. Peters las über die zu den Fampyri ge- hörigen Flederthiere und über die natürliche Stel- lung der Gattung Antrozous. 4. Über die Vampyri. Hr. Tomes') hat eine Zusammenstellung der dem Yampyrus spectrum verwandten Arten gemacht, wodurch in mancher Be- ziehung unsere Kenntniss dieser Thiere erweitert worden ist. Jedoch sind auch einige Arten, z. Th. nach dem Vorgange von Hrn. Gervais als synonyma zusammengestellt, die mir nicht zusammen zu gehören scheinen, welfshalb ich mir erlaube, eine kurze Uebersicht der Vampyrarien zu geben, so weit dieselben mir bekannt geworden sind. A. Ohren durch eine Zwischenhaut mit einander verbunden. I. MAacrorvs Gray. Schenkelflughaut hinten bogenförmig ausgeschnitten ; Schwanz lang, ragt mit seinem letzten Gliede über den Rand der Schenkel- . . 32771 4 1 2.3 flughaut hinaus. Gebils: 53 7 7 7 33° 41. M. Waterhousii Gray, Proceed. Zool. Soc. 1843 p- 21. M. Waterhousii Gosse. A natural. soj. Jamaica Taf. 6 Fig. 2. (*) Proceed. Zool. Soc. London. 1861. p- 102. [1865.] 37 504 Süzung der physikalisch - mathematischen Klasse 2. M. californicus Baırd, Report U. St. and Mex. Bound, Surv. II. 1859. Mammals, p- 4, Tatst. Fig. Da M. californicus Allen, Bats of North America. 1864. p. 3. 3. M. mexicanus Saussure, Mammiferes du Mexique p. 73. Diese Art ist nach der eigenen Angabe des Autors vielleicht identisch mit der vorhergehenden. B. Ohren nicht mit einander verbunden. a. Schwanz wenigstens so lang wie die Schenkeltlughaut. I. ZonczorzsınAa Tomes. Schwanz und Solana Une m) verlängert wie bei Fespertilio. 'Gebils nach Tomes: = 4. +. 4. L. aurita Tomes, Proceed. Zool. Soc. 1863. p. 81 Taf. 12. Ill. Macrorarııum Gray. Hufeisen wohl entwickelt. Ohren mälsig, Schwanz geht an den Rand der abgestutzten Schenkelflughaut. Körperflughaut läfst den letzten Theil des Unterschenkels frei. Gebils: E= - -- — —. 5. M. Neuwiedii Gray. Ph. macrophyllum Prinz zu Wied, Abbild, zur Naturg. Brasi- liens Taf.; Beitr. Naturg. Brasiliens 11. p. 188. M. Neusiedii Gervais; Castelnau, Voy. Amerique du Sud, Cheiropteres p. 50, Taf. 7. Fig. 2 (Thier), Taf. 10 Fig. 3, 3a. (Schä- del und Gebils). b. Schwanz viel kürzer als die Schenkelflughaut oder fehlend. a. Backzähne 3 Ze IV. Yımrrarvs Geoffroy, Leach. Hufeisen des Nasenbesatzes wohl entwickelt mit freiem Rande. Unterlippe mit zwei breiten, durch eine Mittelfurche getrennten Warzer® Ohren grofs. Erstes Glied des Mittelfingers merklich länger als der halbe Metacarpus und wenig kürzer als das zweite Glied desselben Fingers. Flughäute bis auf die Zehen herab- steigend. Kein Schwanz. Zähne: == _ — - >=; der zweite untere Lückenzahn wohl entwickelt. 6. Yampyrus spectrum Linne, Geoffroy al. In Bezug auf die geographische Verbreitung dieses Thiers erlaube ich mir beiläufig zu bemerken, dafs das hiesige zoolo- gische Museum ein Exemplar besitzt, welches der verstorbene Dr. Hoffmann aus Costa Rica einsandte, mit der Notiz „Le- panto, 1858“. vom 16. October 1865. 505 V. CurorToPrrzavs nov. subgen. Hufeisen wohl entwickelt mit freiem Rande. Unterlippe mit zwei breiten, durch eine Mittelfurche getrennten Warzen. Ohren grols. Erstes Glied des Mittelfingers merklich länger als der halbe Metacarpus, und wenig kürzer als das zweite Glied des- selben Fingers. Flughäute bis auf die Zehen herabgehend. Schwanz kurz. Schädel ähnlich wie bei Zophostoma. Zähne; 33-4 ==, von denen der zweite untere Lückenzahn sehr klein und nach innen gedrängt ist. 7. Chrotopterus auritus. Vampyrus (Lophostoma) auritus Peters. A4bh. Akademie der ‚Wissensch. Berl. 1856. p. 305. taf. 2. Vampyrus auritus Tomes, Proceed.Zool. Soe. 1861.p.104. taf. 18. VI. ScaızosromA Gervais. Hufeisen wohl entwickelt, Mitte der Unterlippe mit zwei nackten durch eine mittlere Furche getrennten Warzen. Uebri- gens im an mit Lophostoma übereinstimmend. Zähne: Sen 4 Zr länger als breit. 8. Schizostoma Behnii.n. sp. Das vorliegende Exemplar ist ein in Weingeist wohlerhal- tenes ausgewachsenes Weibchen. Die Ohren, welche ebenso weit von einander enifernt stehen, wie die Augen vom Schnauzen- rande, sind etwas kürzer als der Kopf, am äulseren Rande flach eingebuchtet und hier mit etwa 8 stärkeren Querfalten versehen, an der Basis der Aulsenseite, längs dem inneren Rande und neben dem Längskiel ziemlich lang, aber sparsam behaart; der untere Ohrlappen ist durch einen stumpfen Winkel vom äufseren Ohrrande abgesetzt und zeigt in der Mitte seiner Innenseite einen kleinen senkrechten Vorsprung; die Ohrklappe ist zugespitzt, am innern Rande verdickt und an der Basıs der Aulsenseite mit zwei Zacken versehen, von denen der obere grölsere abgerundet und schwielig verdickt ist. Die mälsig grofsen Augen liegen den Ohren viel näher als dem Schnauzenrande und das Gesicht er- scheint vor ihnen merklich abgeflacht, indem der Schädel hin- ter den Augen sich zu wölben beginnt. Das Hufeisen- ist wohl entwickelt, mit seinem mittleren Theile festgewachsen, aber wohl von der Öberlippe geschieden. Es ist merklich breiter als die Sulz 506 Sitzung der physikalisch-malhematischen Klasse Lanzette, die nur % länger als breit, ganzrandig und sehr spitz erscheint. Die Basis des Nasenbesatzes ist seitlich wie gewöhnlich von warzigen Wülsten umgeben. Der äussere Rand der Ober- lippe zeigt eine Reihe warziger Vorsprünge. Die Unterlippe zeigt vorn, wie bei den anderen Arten, zwei grolse dreieckige nackte Wülste, welche durch eine tiefe Längsfurche getrennt werden, in welcher man drei hinter einander liegende kleine runde Warzen bemerkt. Der Gaumen zeigt 7 Querfalten, von denen die beiden ersten gerade, die beiden folgenden in der Mitte bogenförmig nach hinten gekrümmt und die drei letzten in der Mitte getheilt sind, Die Zunge zeigt auf dem vorderen Theile der hinteren Hälfte und hinter der abgerundeten Spitze grölsere zwei- bis dreispitzige hornige Papillenüberzüge. Der Körper ist durch den Hals deutlich vom Kopfe abge- setzt; die Behaarung ist fein und dicht, am Halse ansehnlich länger, um den After herum sparsam. Die Behaarung setzt sich über die erste Hälfte des Oberarms und eben so weit, aber immer dünner werdend, auf die Lendenflughaut fort; auch die Basis der Schenkelflughaut zeigt eine sparsame Behaarung. An der Bauchseite dehnt sich die Behaarung auf alle diese Theile nicht so weit aus, wie auf der Rückseite. Das Enddrittheil des Ober- arms, das Ende des Oberschenkels und der Unterschenkel er- scheinen nackt, aber bei genauer Betrachtung erblickt man, na- mentlich auf der Rückseite, noch eine sehr spärliche feine Be- haarung dieser Theile. Der Schwanz reicht nicht ganz bis zur Mitte der Schenkelflughaut und läfst vier Glieder erkennen, von denen das letzte nur sehr kurz ist. Das zweite Glied des Mittelfingers ist merklich länger als das erste. Die Körperflughaut geht bis an den Tarsus, genau dem Sporn gegenüber, welcher merklich kürzer als der Fuls ist. Die Schenkelflughaut ist im ausgedehnten Zustande fast gradlinig, flach bogenförmig eingebuchtet. Was das Gebils anbelangt, so sind die beiden oberen Lückenzähne merklich breiter, und der untere zweite Lücken- zahn im Verhältnifs zum ersten gröfser als bei Schizostoma minutum Gervaıs. Auch erscheint der Schädel zwischen den Augen weniger niedergedrückt, als bei dieser Art. Die Oberseite des Thieres ist schön braun, die Unterseite vorn 16. October 1865. 507 blasser, bräunlichgrau. Die Haare der Rückseite sind an der Basıs weils, haben dann zwei breite, einen braunen und einen gelblichen weilsen, Ringe und braune Spitzen; die Haare der Bauchseite sind meistens an der Basis weils, in der Mitte braun und am Ende bräunlichgrau. Um den After herum stehen mehr einfarbige gelbliche Haare. - Meter Totallänge von der Schnauze bis zum Schwanzende . . 0,075 Meinsendes, Kopfest an. .ur. em he. win are) 2.70,0885 Beniter des Okres 2 neu ea on) ns nsals 8,020 BeitendeshObrst) „UN TEN 0,1085 Bensendes Obinklappe. .. . . 2.0. 0,0085 Länge des ganzen Nasenbesatzes . . © 2 2 2 0. .0,010 Basstendesshlufeisens . .. eu ee 00 Muenderfbanzetie 7. En. 0020002 ee en0,008 Besgeser Panzelte, . 0. 20.00 ne N 000 Abstand der Augen von einander. . » 2 2 2.2... 0,0083 Entfernung des Auges vom vordern Schnauzenrande . . 0,007 emesendesıSehwanzes. . 2er. nn to Kanse der Schenkelflughaut. . . .» » .» . 2.0 0,0289 Dimse des Oberarms .- . 0 - 2. 2. 2 202 22m 0,0285 Banoe des Unterarms. . nn. el OT Bd. ER. Mh.0005 1.G1.0,04 2.GH0,0 . . 2. 2... 20082 Baer = 005 ee 0,086 L.d.3.F. - 0,0403 _- 0,0157 2. Gl.0,0205 3. Gl.0,009 Kpl. 0,0035 0,083 L.d.4.F. - 008 - 0,013 - 0,0145 Kpl.0,025 . . . 0,067 Beesar 00 = oel2 = 00117 © 0,002... .0,70,065 Ponzendes Oberschenkelst "... . ,. „vr... 2.0 Tensendes Unterschenkels '. .. . . r.n 2 0,017 Besezdesskulses . . . . 0. on an. RNIT 00 Länge des Sporns . .» .» 2 2 2.2.2002. 8007—0,008 Totallänge des Schädels . . . . 4 LEHRE SRH \E0TOI023 Breite des Schädels über den Ohröffnungen 5 ARARE , SANBRE 05010 - - - hinter den Augengruben . . . . . 0,005 Bemsender Aahnreihe. "2... RT 20,010 Distanz der oberen Eckzahnspitzen . . 2» » 2... 00033 - - unteren Eckzahnspitzen . . » a 28 0:002 Diese Art ist mir gütigst von Hrn. Prof. Bahr in Kiel, 508 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse welcher ein einziges Exemplar in Cuyaba am 2. Aug. 1847 entdeckte, zur Untersuchung und Beschreibung mitgetheilt worden. Sie ist von den verwandten durch die beträchtlichere Grölse so wie durch die Proportionen der Glieder, namentlich der beiden ersten Phalangen des Mittelfingers leicht zu unter- scheiden. f 9. Schizostoma minutum Gervais. Castelnau, Voyage l.c. p. 50 Taf. 7 Fig. 1, Taf. 10 Fig. 5 u. 5a. 10. Schizostoma elongatum. Ph. elongatum Gray. Voy. Sulphur p. 19 Taf. 8 Fig. 2. Ph. scrobiculatum Wagner. Säugethiere. 1855. p. 627. V.elongatus Tomes e.p. Proceed. Zool. Soc. 1861. p. 105. Obgleich Herr Tomes in seiner sehr dankenswerthen Zu- sammenstellung der ?ampyri diese Art mit der vorhergehenden vereinigt hat und dieses darauf begründet, dals er Original- exemplare von Schizostoma minutum aus der Castelnau’schen Sammlung mit dem Originalexemplar von Dr. Gray’s Ph. elon- gatum verglichen und identificirt habe, so scheinen mir dennoch begründete Bedenken gegen eine solche Vereinigung vorzuliegen. Ich gestehe, dafs ich nicht gewagt haben würde, einem so ge- nauen Kenner der Flederthiere zu widersprechen, wenn meine aus Beschreibungen und Abbildungen der beiden Arten eninom- menen Gründe nicht durch die Vergleichung von Exemplaren unterstützt würden. Dieses Material besteht in zwei mexicani- schen Exemplaren von Ph. elongatum Gray, welche ich durch die Güte des Herrn Tomes selbst aus der Sall@’schen Sammlung erhalten habe und aus einem mir ohne Bestimmung zugegangenen brasilianischen Exemplar, welches ich für Schi- zostoma minutum Gesvais halte. Sämmtliche Exemplare sind getrocknet. Beide Arten unterscheiden sich von allen vorhergehenden dadurch, dafs die beiden ersten Phalangen des Mittelfingers gleich lang sind. Unter sich unterscheiden sie sich, abgesehen von der verschiedenen Farbennuance, bei ziemlich gleicher Grölse dadurch, dals 1. die Flughäute von Sch. elongatum bis an den Meta- tarsus gehen('), während sie bei Sch. minutum nicht ganz (') In Dr. Gray’s Beschreibung heilst es 1. c. p. 19: „The wing arises from the middle of the ankle“, was er auch als wesentliches Unterschei- ı vom 16. October 1865. 50% das Ende der Tibia erreichen, höchstens durch einen schmalen Haut- saum bis ans Ende der Tibia sich fortsetzen; 2. die Fülse von Sch. elongatum merklich kürzer als bei Sch. minutum sind; 3. die Spornen bei Sch. elongatum nicht allein absolut länger als bei Sch. minutum sind, sondern auch an Länge merklich die Fülse übertreffen, während sie bei letzterem kürzer als der Fuls sind; 4. das erste Drittheil des Vorderarms bei Sch. minutum so- wohl oben wie unten auffallend behaart ist, während dieser Theil bei Sch. elongatum ganz nackt oder nur am Anfang und auf der Rückseite allein sparsam behaart ist. VII. ZopnosromA d’Orbigny et Gervais. Das Hufeisen ist rudimentär, nur seitlich entwickelt; Unter- lippe wie bei Pryllostoma mit einer mittleren dreieckigen, nack- ten, am Rande mit Warzen besetzten, Fläche. Ohren grols. Erste Phalanx des Mittelfingers wenig kürzer als der halbe Meta- carpus und als die zweite Phalanx desselben Fingers. Flughäute bis auf den Tarsus oder Metatarsus gehend. Sporn länger als der Fufs. Schädel hinter den Orbitalgruben mehr oder weniger verschmälert; der harte Gaumen jederseits bis zum vorletzten Backzahn eingebuchtet. Zähne: 3 - + = der zweite un- tere Backzahn sehr klein, aber in der Zahnreihe liegend. 11. Lophostoma bidens. Vampyrus bidens Spix, Simiar. et Vespertil. sp. nov. p. 65, Taf. 36 Fig. 5. Unterscheidet sich von den andern Arten durch die weniger verschmälerte Postorbitalgegend, durch den weniger hohen zweiten unteren Lückenzahn und etwas kürzere Ohren, steht daher den eigentlichen Pryll!ostoma am nächsten. 42. Lophostoma amblyotis. Phyllostoma amblyotis (Natterer) Wagner, Archiv f. Natur- geschichte 1843 p. 365; Abhandl. Münch. Akad. V. 1. p. 164; Säuge- thiere. p. 625. Die beiden der Wagner’schen Beschreibung zu Grunde liegenden Exemplare des Kaiserlichen Zoolog. Hofcabinets zu Wien dungsmerkmal der Gattung Phyllostoma von Carollia angibt, bei wel- cher letzteren der Fuls bis zum hintersten Ende der Fulswurzel (ankle) frei sei. Sulphur. p. 17 und p. 21. 510 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse habe ich ebenfalls Dank der Liberalität des Hrn. Dr. Redten- bacher genauer untersuchen können. Diese Art ist etwas kleiner als Ph. elongatum. Der Kopf ist durch einen dünnen Hals deutlich abgesetzt und hat eine verdünnte Schnauze. Ohren sehr grols, länger als der Kopf, durch ein kurzes Band nach innen mit der Stirn verbunden; sie sind nackt bis auf die Basis und zwei Haarstreifen auf der inne- ren Seite. Die Ohrklappe zugespitzt, am vordern verdickten Rande mit einem, am hintern Rande mit drei Zacken. Augen mittel- grols, dem Ohre näher als dem Schnauzenende liegend. Lanzette spitz, etwa um ein Drittel höher als breit, Hufeisen nur seitlich entwickelt, Unterlippe mit einer dreieckigen nackten Fläche, von kleinen Wärzchen "umgeben. Die Körperbehaarung setzt sich oben wie unten auf zwei Drittel des Oberarms fort; auf der Bauchseite findet sich eine sehr sparsame wollige Behaa- rung bis über das erste Drittel des Vorderarms und unter- halb dieser Theile auf der Lendenflughaut in einem Streifen von etwa 5 Mm. Breite, während die entsprechenden Theile der Rückseite kahl sind. Die Dorsalseite des Metacarpus des Daumens zeigt ebenfalls eine kurze sparsame Behaarung. Mittelhandglied des Daumens ein wenig länger als die erste Phalanx. Zeigefinger gekrümmt und merklich kürzer als der Metacarpus des 3. Fingers. Unterschenkel halb so lang wie der Vorderarm. Sporn lang, etwa *, kürzer als der Unterschenkel; Schwanz so lang wie der Fuls, viergliedrig, mit der Spitze frei; Schenkelflughaut sehr breit, hinten flach eingebuchtet. Körper- flughaut geht fast bis ans Ende der Rückseite des Metatarsus der zweiten Zehe. Gaumen mit 7 Querfalten, von denen die 6 hin- teren in der Mitte eingeknickt sind; Zunge auf der Mitte des vordern Theils mit mehrspitzigen platten Stachelwarzen. Der zweite obere falsche Backzahn ist im horizontalen Quer- durchschnitt seiner Basis merklich kleiner als der Eckzahn. Der zweite untere Lückenzahn ragt mit seiner Spitze bis an den obern Rand des Cingulums des ersten Lückenzahns oder über denselben hinaus. Die Crista frontooceipitalis ist sehr entwickelt und der Schädel ist hinter der Orbita um % schmäler als die Schnauze in der Gegend des ersten Lückenzahns. vom 16. October 1865. sil Oben braun, unten blasser, die Haare des Rückens am Grunde weilslich, die des Bauches meist mit helleren Spitzen. Länge des Schädels vom vorderen Ende der Schneide- zähne bis zum Foram. magn. . . . U | Breite des Schädels in der Gegend der Ohröffnung . . 0,011 -..- - zwischen den Augen . . . . . 0,006 - - = zwischen den Schläfengruben . . 0,004 Aus der Brasilianischen Provinz Mato grosso. d trocken e) spir. Meter Meter Totallänge von der Schnauze bis zum Schwanzende . 0,095 0,090 Körperlänge von der Schulterhöhe bis zur Basis des ee ee an ir 0,0 Bemee des Kopfes, - - - .- . un. 0.000 0,02 Baer usa. 0. 0 une oa. 0 0, 0,088 Brierdelhe ee ee 0,0285 Länge der Obrklappe-. - . : 2 2 2 0 2 2.20 00 Länge Besslazeile . - ,. 00.2.0. See 0, m, 00 Breuer derselben , . ..- neuen 0 ie .ern. m ‚0,006 Abstand der vorderen Augenwinkel von einander. . — 0,0063 Abstand des Auges von der Mitte des Schnauzenendes — 0,008 Länge des Schwanzes . . . . . . (eingezogen 0,011) 0,016 Bensendes Oberarms ... . 1.1 2,:2.0000 0 =. 2.00. — :.0,0335 Bomse des Vorderarms ..,. “0 neuen ee. 0SL 0,055 Mittelb. 1. Glied 2. Glied 3.Glied Knorpel Länge des 1. Fingers 0,0065 0,0053 0,003 — :— 0,015 0,016 - - 2 - 0,0229 0,0075 — —_ — 0,0365 0,0355 - a - 0,042 0,019 0,0205 0,012 0,07 — 0,100 - - 4. - 0,044 0,0175 0,0165 — 0,005 — 0,081 - a 0,046 0,017 0,015 — 0,0043 — 0,081 Länge des Oberschenkels . . . »- . 2 2.2.02. 0025 iemze des Unterschenkels . . . .. ... 2... ,.005 0,0 MersmdesKnlses » >... 00200... 0,006. 0,085 BeusenleSporns 2... 0 Sue. ee 0 ...0,019 0,018 Länge der Schenkelflughaut. -. -. ». » 2 2 2.2 0,05 15. Lophostoma syloicola d’Orb. et Gervais. A. D’Or- bigny, Voyage dans !’Amerique meridionale, 1847. Mammi- 512 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse feres pag. 11 pl. 6 (mäfsig). Gervais, Castelnau etc. p. 48 Taf. 10 Fig. 6. (Zähne.) unterscheidet sich, nach der Abbildung zu urtheilen, nur durch die nicht so tief auf den Fuls herabsteigenden Flughäute, was jedoch auch Folge des Eintrocknens sein könnte. VII Traczrors Gray. Die Grenze des unteren Randes des Hufeisens wenig deut- lich, Unterlippe in der Mitte mit einer doppelten Reihe von Warzen; Schnauze und Kinn mit lappenförmigen Warzen; von der Mitte der Unterlippe steigt eine tiefe Kinnfurche herab. Ohren grols. Erstes Fingerglied des Mittelfingers etwas kürzer als der halbe Metacarpus und sehr viel kürzer als-das zweite Glied desselben yes Flughäute wie bei Phyllostoma. Gebils: = - — -- 43 3 s ; der zweite untere Backzahn sehr klein, nach innen gedrängt. 14. P. cirrhosus Spix. Trachops fuliginosus Gray. Tylostoma mexicanum Saussure, Mammiferes du Mexique p. 72 (Extr. aus Guerin’s Itev..et Mag. Zoolog. 1860). Obgleich ich keine Gelegenheit gehabt habe, die Exemplare von Hrn. Gray und de Saussure direct mit Y. cirrhosus Spix zu vergleichen, so zweifle ich doch nicht an der Zusammen- gehörigkeit derselben. Der zweite untere falsche Backzahn die- ser Art liegt an der innern Seite und ist von aulsen nicht sicht- “bar, woraus sich erklärt, dals er bisher übersehen worden ist. IX. PuyrızropenmA nov. subgen. Das Aeufsere ist übereinstimmend mit Phyllostoma s. >. Verschieden 1. durch die gröfsere Zahl der Backzähne, indem sich jederseits im Unterkiefer ein kleiner Lückenzahn mehr findet, welcher, wie bei Lophostoma, zwischen dem ersten und dritten eingezwängt, aber von aussen nicht sichtbar ist; 2. durch die eigenthümliche Form des Schädels, welcher im Profil dem von Phyllostoma zwar ähnlich ist, sich aber von demselben auffallend dadurch unterscheidet, dals, wie bei Schizoszoma, Carollia und Rhinophylla, der Schnauzentheil viel schmäler ist als die schmälste Stelle des Schädels in der Schläfengegend, welche letztere nicht schmäler ist, als der Interorbitalraum. Zähne: Hr 4 AR 2213 vom 16. October 1865. 513 45. Ph. stenops n. sp. Von der Grölse und Form des Pa. hastatum, verschieden durch das schmälere und etwas län- gere Nasenblatt. Das einzige mir bekannte Exemplar stammt aus Cayenne und befindet sich ausgestopft im Reichsmuseum zu Leiden. Ich habe, als ich dasselbe durch die grolse Liberalität des Hrn. Prof. Schlegel untersuchen konnte, unterlassen (was ich später, wo möglich, nachholen werde), die genaueren Malse zu nehmen, da es dasselbe ist, welches Herr Tomes l.c. als Pr. elongatum bezeichnet hat und ich erst später seine Verschiedenheit von die- ser Art erkannte. % 3-2 2-3 ß. Backzähne zz — 33° ?X. Mımon Gray. Die bierher gehörigen Arten würden sich von Phyllostoma und Zylostoma nur dadurch unterscheiden, dafs sie statt des drei- eckigen Warzenbesatzes am Kinn nur zwei WVarzen haben, welche durch eine Furche von einander geirennt sind. Gebils: 2 = ee =. Auch diese habe ich bisher nicht selbst unter- suchen können. ?16. Mimon Bennettii Gray. Mag. Zool. Bot. Il. p. 488; Proceed. Zool. Soc, Lond. 1847 p. 14. ?17. Mimon megalotis Gray. Proc. Zool. Soc. |.c. Phyllophora megalotis Gray. Voy. Sulphur p. 17. Taf. 5. Fig.2. Die letztere dieser beiden Arten ist von Hrn, Tomes bei der Aufzählung der Fampyrus-Arten gar nicht erwähnt worden; eine genauere Untersuchung derselben wäre sehr wünschenswerth. Wären Hrn. Gray’s Angaben über das Gebils nicht sehr be- stimmt, so würde ich vermuthen, dals diese Art und nicht ?A. elongatum Gray (non Geoffroy) mit Schizostoma mi- nutum Gervais identisch sei. XL ZrıosromA Gervais. Diese Gruppe ist mir nur aus Abbildungen und Beschrei- bungen bekannt. Hiernach zu urtheilen, stimmt sie in der Bil- dung des Nasenblatts, der Entwickelung des Hufeisens, der Bil- dung der Unterlippe, der Extremitäten, des Schwanzes und der Flughäute(') ganz mit Phyllostoma s. s. überein und unterscheidet (*) Bei 7A. erenulatum scheint die Flughaut auf den Mittelfuls herab- zugehen. 514 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sich von dieser Gattung nur dadurch, dafs die Zahl der unteren Schneidezähne auf zwei reducirt ist, vielleicht auch durch längere Spornen. Gebils: 5 2,3. Schädel ? 18. Pr. erenulatum Geoffroy, Ann. Mus. XV.p. 183 Taf. 10. Tylostoma er. Gervais 1. c. p.49. Taf. 8 Fig. 9 (Gesicht). Ph. longifolium (Natt.) Wagner. Abh. Münch. ‚Akad. \. }. p. 163 Taf. 2 Fig. 8; Süugethiere 1855 p. 622 Taf. 44. Warum Wagner das von Natterer in Mato grosso ent- deckte Exemplar für verschieden von Geoffroy’s Ph. crenu- Zatum gehalten hat, weils ich nicht, da nicht allein die von Geoffroy gegebene Abbildung, sondern auch seine Beschrei- bung und Malse keinen Unterschied erkennen lassen. Als ich im August d. J. in Wien war, fand sich das Natterer’sche Exemplar leider nicht vor. 49. Pr. Childreni Gray, Magazine of Zoology and Botany. 1838. II. p. 488. Tylostoma bidens Gervais (non Spix) 1. c. p. 49. Auch diese Art kenne ich nicht aus eigner Anschauung, sondern nur aus den kurzen Angaben von Gray, Gervais und Tomes (Proceed. Zool. Soc. London. 1861 p.107). Dafs diese Art nicht mit Yampyrus bidens Spix identisch sein kann, falls die Angaben der Herren Gervais und Tomes in Bezug auf das Gebils richtig sind, geht schon daraus hervor, dafs die Spix’sche Art nach meiner Untersuchung des einzigen Original- exemplars in München nicht 5, sondern 6 untere Backzähne be- sitzt, wie ich bereits früher (Adhandl. Berlin. Akad. Wiss. 1856 p- 304) vermuthet hatte. Dals Pryllostoma Childreni und T. bidens Gerv. identisch seien, entnehme ich daher auch nur aus den Angaben von Herrn Tomes. Was den Yampyrus bidens Spix anbetrifft, so habe ich die Aussicht, durch die liberale Unterstützung unseres Mitgliedes, des Herrn v. Siebold, in den Stand gesetzt zu werden, darüber nächstens eine genauere Mittheilung machen zu können. XI. Purısosroma Geoffroy e. p. Hufeisen des Nasenblattes wohl entwickelt, die Mitte der Unterlippe mit einer dreieckigen nackten Hautfläche, welche am Rande Vförmig gestellte Wärzchen zeigt. Ohren von mälsiger Länge. Erstes Fingerglied des Mittelfingers viel kürzer als der vom 16. October 1865. 515 halbe Metacarpus und sehr viel kürzer als das zweite Glied des- selben Fingers. Flugbäute bis an den Tarsus gehend. Schenkel- Alughaut sehr entwickelt. Schwanz stets vorhanden, aber viel kürzer als die Schenkelflugbaut. Schädel hinter den Orbital- gruben nur wenig zusaumengedrückt , aber schmäler als die Schnauze. Zähne: = +4 — =. 20. Ph. hastatum Pallas. - Ph. hastatum Pr. zu Wied. Addiüdungen zur Naturgeschichte Brasiliens. Taf. (Abbildung des ganzen Thieres). Ph. hastatum Blainville, Osteographie. Taf. 7 (Schädel und Gebiß). Ph. hastatum Gervais, Castelnau, Amerique du Sud. Cheiropteres Taf. 8 Fig. 8 (Gesicht). 21. Ph. discolor (Natterer) Wagner, Archiv für Naturg. 1843._p. 366; Abnh. der Akad. der VPissensch. zu München NE. np. 167. ?Ph. angusticeps Gervaisl.c. p. un. In der Gesammtform und in der Bildung der Flügel (weiche ebenfalls an den Tarsus gehen), des Nasenbesatzes, der Ohren, der Ohrklappe dem Pr. hastatum ganz ähnlich, aber kleiner als jene Art. Die Farbe ist nach den Exemplaren des Wiener Mu- seums entweder fast schwarzbraun oder dunkel kastanienbraun, wo- bei, wie Wagner ganz richtig angibt, die Haare am Grunde weilslich sind, welche Farbe am Halse, wie bei den andern Arten durchschimmert, da hier die gelblichweilse Grundfarbe der Haare weiter ausgedehnt ist; die Bauchseite erscheint braungrau. Die Mafse eines trocknen männlichen Exemplars, welche daher nur für die Harttheile zuverlässig sein können, sind folgende: Meter Länge von der Gegend zwischen den Ohren bis zum anzendealkenuiald schein sa Vantd sanionddchiano6h : Peissehides Kopfes; ulm aim. alälssyen wert nn 1551 10,034 Benserdesiganzen Ohrsı:\. nu .lnnenn. anna ln0,020 GralsterBreite.des Ohrsıı \.. 7 no an enie De) eine un. 090115 Länge des ganzen Nasenbesatzes . - » © 2 2.2... 0,009 Brereldersbanzeites si sl)... la seh ner ihedränlE 0,005 Distanz der oberen Eckzahnspitzen . . . .'. 0,0065 - - unteren Eckzahnspitzen . . » » 2.2... 0,005 516 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Meter Länge ,;des Schwanzes, ungefähr ... .....,... 2.0002 Länge des Oberarms, Bern nie Kia een ae Länge des Unterarm . . . teten L.d.1.F. Mh. 0,0045 1. Gl. 0,0047 9. Gl. 0.0037 302 L.d.2.F. - 0,043 - 0,0025 — af u ae nn L.d.3.F. - 00650 - 0,14 2.Gl.0,0245 3. Gl. 0,013 Kpl. 0,006 0,107 L.d.4.F. - 0,049 - 0015 - 0017 Krpl. 0,08 . . . 0,079 L.d.5.F. - 0,505 - 0008 - 0,012 - 008 . . . 0,074 Länge des Oberschenkels . . 2 N 202 00020. 0. 0,0245 Länge des Unterschenkels . . . ... . 0,020 Bängendes ‚Eülses) AUDI mNyaBz UFER TE NN BE Längerdes Spornse „We. wer. 220. BR 3 DE Er Von Natterer in der Brasilianischen Provinz Mato grosso entdeckt. Da das von Herrn Gervais kurz beschriebene PR. angu- sticeps aus Bahia in den Mafsen mit der vorstehenden Art übereinstimmt und kein einziges Merkmal angegeben ist, wo- durch es sich von derselben unterscheidet, so kann man es vor- läufig wenigstens nicht von ihr trennen. 22. Ph. elongatum Geoffroy St. Hilaire, Annales du Mu- seum d’hist. nat. XV. p. 182 Taf. 9. Ph. elongatum Gervais, l.c. Taf. 7 Fig. 3 (Gesicht), Taf. 10 Fig. 5 und 5a. (Schädel und Gebifs). Hr. Tomes hat mit dieser Art das von Hrn. Gray aufge- stellte PR. (Mimon) Bennettii vereinigt, welches aber nach Hrn. Gray’s Angabe in der Mitte der Unterlippe nicht eine drei- eckige mit Warzen umgebene nackte Stelle, sondern zwei Warzen wie FJampyrus spectrum haben soll, dabei aber sowohl nach Hrn. Gray’s als nach Hrn. Tomes’ Untersuchung nur zwei untere Schneidezähne hat. Hr. Tomes hat das Originalexemplar von PR. elongatum zu Paris verglichen und dasselbe mit PR. Bennetti übereinstimmend gefunden, und erklärt die Angabe von Hrn. Gervais, dals Ph. elongatum vier untere Schneidezähne habe, für unrichtig. Durch die Güte des Hrn. Dr. Redtenbacher, Directors des Kaiserl. Zool. Hofcabinets zu Wien habe ich ein Weingeist- exemplar aus Natterer’s Sammlung genauer untersuchen kön- vom 16. October 1865. 517 nen, welches dort als „Pryllostoma lanceolatum Natterer“ aufgestellt ist, und welches eine so vollständige Übereinstimmung mit den von Geoffroy und Gervais gegebenen Abbildungen zeigt, dals es mir sehr zweifelhaft geworden ist, ob Ph. Ben- nettii, von dem leider keine Ausmessungen vorliegen, wirklich mit jener Art identisch sei. Ich glaube daher, dals es nicht über- flüssig sein dürfte, eine Beschreibung des Natterer’schen Exem- plars, eines ausgewachsenen Weibchens, zu geben. Ohren um % kürzer als der Kopf, zugespitzt, hinten flach eingebuchtet; Lappen durch einen flachen Winkel abgesetzt; Ohr- klappe lang, spitz, am vordern Rande verdickt und ohne Vor- sprung, am hintern mit zwei Zacken, von denen der untere dickere wiederum einen unteren kleinen Fortsatz absendet. Schnauze ziemlich dick, der Abstand der vorderen Augenwinkel gleich ihrer Entfernung vom vordern Schnauzenende. Hufeisen wohl ent- wickelt, der untere Rand ganz frei, der Seitenrand oben mit einem winkligen Ausschnitt. Lanzette ganzrandig, doppelt so lang wie breit. Unterlippe mit einer dreieckigen nackten Fläche, von Warzen umgeben und mit zerstreuten Warzen besetzt, längs der Mitte vertieft, schmäler als die Lanzeite. Mund- winkel ragt ein wenig weiter zurück als der vordere Augenwinkel. Zunge auf der Mitte mit mehrspitzigen Warzen bedeckt, von denen sich auch wie gewöhnlich mitten auf dem Endtheil ein Haufen findet. Gaumenfalten 7, davon 6 geknickt. Zähne: = - —- = untere Schneidezähne zweilappig; obere mitt- lere Schneidezähne sehr lang, undeutlich zweilappig, mit längerem inneren Lappen; äufsere Schneidezähne sehr deutlich zweilappig und wenig vorragend. Eine genauere Beschreibung der Zähne ist überflüssig, da sie ganz mit Hrn. Gervais’ Darstellung übereinstimmen. Daumen bis zur Basis der ersten Phalanx von der Flughaut umfalst. Zeigefinger grade. Flughäute bis zu dem Metatarsus an den Tarsus angeheftet, nackt; jedoch ist die Bauchseite der Schulterflughaut, der zwischen dem Oberschenkel, dem Oberarm und der ersten Hälfte des Unterarms befindliche Theil der Bauchseite der Körperflughaut, das untere Ende des Oberarms und das erste Drittel des Unter- arms sehr sparsam behaart. Die Basis der Schenkelflughaut ist 518 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse auf der Bauchseite mit sehr zerstreuten, auf der Rückseite da- gegen ebenso wie der Oberschenkel auf eine weitere Strecke mit etwas dichter stehenden Härchen besetzt. Vom Schwanze lassen sich 5 Wirbel äulserlich erkennen, unter denen der letzte kurze frei über der Schenkelflughaut hervorragt (auch wohl zurück- gezogen sein kann). Die Spornen sind länger als der Fuls, kürzer als der Unterschenkel. Die Farbe der Oberseite ist braun, am Halse ein wenig blasser wegen der durchscheinenden längeren weilsgelblichen Grundtheile der Haare, an der Bauchseite mit Grau angeflogen; die Spitzen der Flügel sind weils. Meter Totallänge von der Schnauze bis zum Schwanzende . . 0,100 Körperlänge von der Schulterhöhe bis zur Schwanzbasis . 0,054 Kopflänge, Inalıt ey; wirehinee uhr barutue Al eu DEE hänze,jdes Ohrsiuie ulesaiasihmehle kerhenne mer» ren 0I0ZS Breite des; Ohrsyi. anlee etesrn #Rinn dh mrsk ner Arche > ee Länger der, Obrklappe, „till » immensen As üenllefite 0,0083 Länge des ganzen Nasenbesatzes . ». ». 2... 0,0185 Breiteidess Hufeisens dicnknua Mi Bares re A DORE Länge der/lanzetteiih-35.. -ulteaieıs - Kfeiijeaye wie eh D08E Breite, den, Lanzeite; zb e.fg- dylöries. rel. vahneähLergene Aulzrn ER RNTE Distanz der vorderen Augenwinkel . - 2. 2 2.2.0010 Breite des Warzenbesatzes der Unterlippe. . . . . . 0,0055 Länge des/Schwanzes unecl, 2 cenllolüiemerie «lu 10020 Tängesdes ‚Oberanmsı.,. .uneun-id-B unse. = . 0,035 Länge des Vorderarms . . Ele al ee ENDINER L.d.1.F. Mh. 0,005 1. Gl].0,0055 2, Gl. 0,0045 Ninikı elle ne L.d.2.F. - 0,4355 - 0,002 — ya . 0,0505 L.d.3.F. - 00565 - 0,016 2.Gl.0,030 3. Gl. 0,013 3 Kpl.c 0,007 0,120 L.d.4.F. - 0,055 - 0,0132 - 0,0185 Krpl. 0,0028 . . . 0,090 DAR: 20.056 470000132 0,0145, 00027 EEE Länge des Oberschenkels . 2 2 2 2 2 2000000. 0,04 Länge. des Unterschenkels . » 2» 2 2 2. 2 20000... 0025 Länge,des,‚Eulsest. ‚ien glei" Al eenulnıne Ses tar AralesebnRz Längerdes Sporas „nat; kuue nerknadte zeinlı- Ss lendeazeik: ONE Länge der Schenkelflughaut . . » 2 2 0 2.2.2 0.0,045 Breite des schmälsten Schädeltheils hinter der Ockitalerbeaa 0,0055 Breite des Interorbitalraumes -. - 2 =» 2 2.2 22.2. 0,008 vom 16. October 1865. 519 Meter Breite des Schädels hinter den oberen Eckzähnen . . . 0,007 Obere Zahnreihe einschlielslich der Schneidezähne . . . 0,012 Von der Örbita bis Ende der Schneidezähne. . . . . 0,0097 Abstand der oberen Eckzahnspitzen . . » 2 2.2... 0,0057 Abstand der unteren Eckzahnspitzen . . . » ul Das Exemplar stammt aus Brasilien vom Rio branco. XIN. CAroızr4 Gray. Hemiderma Gervais. Hufeisen in der Mitte kaum getrennt von der Öberlippe. Unterlippe mit einem Vförmigen Warzenbesatz und einer grolsen runden Schwiele in der Mitte. Ohren mälsig. Flughäute bis zum Ende der Tibia angeheftet. Schwanz und Sporn kurz. Zähne: 2 >=; Winkel der Wförmigen Kante der Backzähne sehr stumpf; Cingulum an der innern Seite der oberen wahren Backzähne nur mit einem Höcker, so dals deren Zähne von der Kaufläche betrachtet eine dreieckige Gestalt haben. 23. C. brevicauda. Ph. brevicaudumPr. zu Wied, Abbildung. Naturg. Brasil. Taf.; Beitr. Naturg. Brasil. 11. 192. il VYampyrus soricinus Spixl. c. p. 68. Taf. 36 Fig. 2. 6. !lPhyllostoma bicolor Wagner, Schreber Säugeth. Supplt. I. p.400. ?Artibeus fimbriatus Gray, Magaz. Zool. and Bot. Il. p. 487. Carollia verrucata Gray, Voyage of Sulphur p. 20 Taf. 8 Fig. 3. Phyllostoma Grayi Waterhouse, Zoology of the Beagle p- 3 Taf. 2, Taf. 35 Fig. 2. !Phyllostoma lanceolatum (Natterer) Temminck, Gray, List of Mamm. Brit. Mus. 1843 p. 20. !Ph. calcaratum Wagner, Abh. Münch. Akad. V. 1 p. 168. !Phyllostoma brachyotum[Wied](') Burmeister, Syst. Übers. Thiere Brasil. Säugeth. I. p. 56. (") Ph. brachyotum Prinz zu Wied, Abbild. u. Beitr. Naturg. Bras. 11. p. 196 hat zwar auf den ersten Anblick durch Grölse, Form der Ohren, des Nasenbesatzes, Proportion der Gliedmalsen, desSpornsund Ansatz der Flughäute eine grofse Ähnlichkeit mit Ph. brevicaudum, z. Th. auch mit Glossophaga. Indessen scheint diese Art, ganz abgesehen von dem Mangel eines Schwanzstummels, der möglicherweise übersehen sein könnte, nach der Beschreibung „ein breites, dickes, kurzes Thier“, „die drei nach- [1865.] 38 520 Sitzung der physikalisch-malhematischen Klasse Hemiderma brevicaudum Gervais l.c.p. 43 Taf. 7 Fig. 4, Taf. 9 Fig. 8 und 8a. !Carollia azteca Saussurel.c.p. 67 Taf. 20 Fig. 1. Keine Art hat zu so viel Verwirrung Veranlassung gegeben, wie dıe vorstehende, was darin seinen Grund hat, dafs man auf das Gebils und den Schädelbau nicht immer gehörig Rücksicht genommen hat. Ich habe die Originalexemplare zu den mit einem (!) bezeichneten Synonyma selbst untersucht und mich von ihrer Übereinstimmung überzeugen können. Alle diejenigen Exemplare, welche als schwanzlos beschrieben sind, wie Pr. bicolor Wagn. (P. soricinus Spix), Ph. brachyotum Burm., C. azteca Saussure, sind mit diesem Organ ver- sehen. Das ohne Untersuchung des Originalexemplars gar nicht zu enträthselnde PAR. calcaratum beruht auf der oberfläch- lichen Untersuchung eines trockenen Balges, an welchem der Rand der Schenkelflughaut so umgeschlagen war, dals es bei oberflächlicher Betrachtung aussah, als wenn dieselbe durch lange Spornen gestützt wäre. Daneben sah man aber ganz deutlich die wirklichen Spornen von 7 Millim. Länge, während Wagner diese zu 10% Lin. (28 Millim.) angibt. In den Sammlungen sind auch trockene Exemplare dieser Art und der Glossophaga soricina oft mit einander verwechselt worden. XIV. RuınopuyııA Peters. In der Entwicklung des Nasenblatts, der Ohren und der Gliedmalsen der vorhergehenden ähnlich. Die Flughäute gehen aber bis zu den Zehen herab und ein äufserer Schwanz fehlt wirklich ganz. Zähne: — -- + =; obere wahre Backzähne folgenden (unteren Backzähne) haben zwei Spitzen“, — — „und an ihrer inneren Seite bemerkt man mehrere kleine Höcker,‘ eher zu den Steno- dermen zu gehören. Leider ist, nach einer gütigen Mittheilung Sr. Durchl. des Prinzen zu Wied, das Originalexemplar von Ph. brachyotum nicht aufzufinden, so dafs ich die Frage über die Stellung dieser merk- würdigen Art unentschieden lassen muls. Denn dafs diese Art nicht, wie Hr. Tomes annimmt (Proceed. zool. soc. 1861 p. 64), mit Artibeus ja- maicensis Gosse (A. albomaculatus Gundlach) zusammenzu- stellen ist, ist klar, da letzteres nicht eine spitze, sondern eine stumpfe breite Schnauze hat und die Flughäute nicht an der Tibia, sondern an dem Tarsus endigen. vom 16. October 1865. 521 viel länger als breit und noch einfacher durch den Mangel der Entwickelung des Cingulums an ihrer inneren Seite. 24. Rh. pumilio Peters, Monatsberichte etc. 1865 p. 355. Wohin Pryllostoma infundibuliforme Rengger und Yampyrus auricularis Saussure (von dem nicht ein- mal das Gebifs untersucht ist) gehören, läfst sich nicht be- stimmen. Dafs die erste Art nicht zu Ph. spectrum Azara gehören könne, geht schon aus der Vergleichung der beiden be- treffenden Beschreibungen hervor. Aufserdem bat mich Hr. Pro- fessor Behn in Kiel darauf aufmerksam gemacht, dafs diese Azara’sche Art nichts als ein Dermodus sein könne, eine Deu- tung, die bisher noch von Niemand gemacht worden ist, aber auch mir wohl begründet erscheint. Um so weniger lälst sich aber die Rengger’sche Art mit langen Spornen und > Back- zähnen, wie es geschehen ist, mit Ph. rotundatum Geoffr. (Ph. spectrum Azara) vereinigen. 2, Über die systematische Stellung von Anzrozous. Leconte beschrieb im Jahre 1835(') eine Fledermaus unter dem Namen Yespertilio pallidus, von der er bemerkte, dafs sie sich von allen Yespertiliones durch die geringere Zahl (4) der unteren Schneidezähne unterscheide und dals er daher schwan- kend sei, sie mit denselben zusammen zu stellen, wefshalb er sie an das Ende setze. Hr. Baird(?) wiederholte 1859 Le- conte’s Beschreibung und gab eine Abbildung von dem Aeufsern dieser Art. Hr. Allen bildete aus derselben im Jahre 1862 eine neue Gattung Antrozous(°) und lieferte voriges Jahr in seiner vortrefflichen Abhandlung über die nordamerikanischen Fleder- mäuse eine Abbildung des Schädels und der characteristischen äulseren Theile. Er liels aber diese Gattung, obgleich er in ihrem Gebils eine Verwandtschaft mit den Pryllostomen fand(‘), mit den eigentlichen Yespertiliones (characterisirt durch den Mangel eines Nasenblattes, den langen, in der spitzzulaufen- (!) Proc. Acad. nat. science. Philadelphia 1835. VII. p. 437. () Unit. States and Mexic. Boundary Survey, Report II. 1859 p. 4, Taf. 61 Fig. 1. (*) Proc. Acad. nat. scienc. Philadelphia 1862 p. 247. (*) Monograph of the Bats of North America 1864 p. XU. 38° 522 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse den Schenkelflughaut eingeschlossenen dünnen Schwanz, 6 untere und in der Regel 2—2 obere Schneidezähne) zusammen, wie ich es, ihm nachfolgend, ohne das Thier gesehen zu haben, in einer vorläufigen Zusammenstellung der Gattungen der Fledermäuse ebenfalls gethan habe('). Auf die Verwendung der Hrn. Baird und Allen(?) babe ich nun neuerdings ein noch nicht ganz ausgewachsenes Exemplar dieser in Texas, Oregon, Californien und Sonora sehr gemeinen Art durch die Liberalität der Smith- sonian Institution zur Untersuchung erhalten und muls nach eigner Anschauung meine Ansicht etwas modificiren. Wenn diese Gattung auch in dem Aeulsern durch ein rudimentäres Nasenblatt, durch den gezähnelten Rand der Ohrklappe und die Zahl der unteren Schneidezähne eine Annäherung an die ameri- kanischen PRhyllostomen zeigt, wie Hr. Allen bereits hervor- gehoben hat, so entfernt sie sich doch ebenfalls im Äussern noch wesentlicher von ihnen durch die sichelförmige Form der Nasen- löcher und den nur mit zwei knöchernen Phalangen versehenen Zeigefinger. Die ihr am nächsten verwandte Gattung finden wir dagegen in einer weit entlegneren Gegend, in Australien, in der Gattung Nyctophilus. Mit dieser ist die Übereinstimmung sogar eine so grolse, dafs ich keinen Anstand nehmen würde, den Antrozous pallidus mit ihr zu vereinigen, wenn nicht die geringere Zahl der unteren Schneidezähne sie davon trennte. Das Verhältnils der einzelnen Glieder, die Entwickelung und der Ansatz der Flughäute sind bei beiden Gattungen ganz dieselben. Das senkrecht abgestumpfte Schnauzenende mit den sichel- oder vielmehr sförmigen Nasenlöchern und dem senkrech- ten queren oberen, in der Mitte eingeknickten Hautvorsprung (rudimentäres Nasenblatt) ist bei beiden ganz übereinstimmend und selbst das wulstartige hintere Nasenblatt von Nycztophilus (*) Monatsberichte d. J. p. 258. (?) Hr. Allen theilt mir noch brieflich auf meine Anfrage mit, dafs er niemals (obgleich er allerdings keine ganz jungen Thiere untersuchen konnte) 6 Schneidezähne gefunden habe, und fügt hinzu, dals die Zahl der unteren Schneidezähne, die an Brachyphylla erinnernde Schnauzenform und die am äufsern Rande crenulirte Ohrklappe Verwandtschaften mit den Phyllostomen, während die Schädelcharactere die der Fespertiliones und insbesondere die von Myolis seien. vom 16. October 1865. 525 ist bei Antrozous bereits angedeutet. In letzterer Beziehung findet sogar ein allmähliger Übergang von N. Geoffroyi, australis u. A. durch N. Gouldii zu A. pallidus statt. Die Ohren haben bei beiden fast dieselbe Entwickelung und Gestalt, und wenn auch auf den ersten Anblick ein wichtiger Unterschied darin zu liegen scheint, dals bei Nycztopkilus die Ohren durch eine hohe Hautfalte mit einander vereinigt sind, während sie bei Antrozous frei zu sein scheinen, so ist dies eben nur ein Schein, indem auch bei Anzrozous die verbindende Hautfalte in einer auf der Stirn befindlichen queren linienförmigen Wulst zu beobachten ist('). Ebenso ist die Ohrklappe ganz so wie bei Nyctophilus gebildet, indem ich bei N. Gouldii selbst den hinteren Rand derselben so fein sägeförmig gekerbt finde, wie bei Anzrozous(?). Der Schädel und Zahnbau zeigt keine weiteren Unterschiede als die oben erwähnte verschie- dene Zahl der unteren Schneidezähne, welche in derselben Weise sich auch bei sonst nahe verwandten Gattungen anderer Familien zeigt, z. B. Taphozous (mit 4 unteren Schneide- zähnen) und Emballonura (mit 6 unteren Schneidezähne). Wenn nun auch unbezweifelt Nyczophilus und Antro- zous einander am nächsten stehen, so stellt sich immer wieder die Frage; ob man sie den Megadermata oder den Fesper- tiliones anreihen soll. Ich bin dafür, (betrachte dieses aber nur als ein Provisorium), dals man sie den ersteren anschlielst, indem (*) Die Hautfalten, vermittelst welcher die Ohren an die Seiten der Stirn geheftet werden, finden sich bei den Fledermäusen ganz allgemein. Werden diese etwas mehr entwickelt, so treten sie zusammen und bilden ein Band zwischen beiden Ohren. Es ist daher das Verwachsensein der Ohren als ein graduell auftretendes nicht von solcher Wichtigkeit, um darnach allein Gattungen oder selbst Familien in natürlicher Weise zu trennen, wenn es auch als künstliches Merkmal unter Umständen von syste- matischem Werth sein kann. Ein schlagendes Beispiel hierzu liefert Ma- crotus, welches einige Autoren mit den altweltlichen Megadermata haben zusammenstellen wollen. (*) Die Abbildung von Baird I. c. zeigt diese Kerbung sehr deutlich, nach oben hin vielleicht zu deutlich, indem wenigstens das mir vorliegende Exemplar in dem oberen Drittheil eine solche regelmälsige Kerbung nicht mehr erkennen lälst. 524 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sonst die (bis auf 7’ryroptera) ziemlich natürliche Familie der Fespertiliones ein fremdes Element erhalten würde und die allerdings ganz künstliche aber bequeme Familie der Mega - dermata nicht alterirt wird, indem sie alle diejenigen Gattungen umfalst, welche einen mehr oder weniger entwickelten Nasen- besatz, mehr oder weniger verwachsene Ohren, eine Ohrklappe und nur zwei knöcherne Phalangen des Mittelfingers besitzen. Vielleicht dürfte später die Familie der Megadermata ganz aufzulösen sein und dann würden die Nyczophili (Nycto- philus und Antrozous) eine den Fespertiliones nähere Stellung erhalten. Schon jetzt eine besondere Familie der Nyeze- rides oder Plecoti (Nycteris steht in mancher Hinsicht, wie Hr. Tomes gezeigt hat, den Rkinolophi nahe, andererseits aber vielleicht noch mehr den Plecozus undCorynorkynchus, welche sich von den Fespertiliones auch durch eine Grube hinter den Nares auszeichnen), Ahinopomata, Megadermata, Mystacina, Noctiliones, Taphozoi, Dicliduri, Nyecti- ceji und Thyroptera zu bilden, würde ich nicht für zeit- gemäls halten, da es zunächst darauf ankommt, die grolse Zahl der bereits benannten Genera und Arten in möglichst übersicht- licher und verständlicher Weise zu ordnen ('). (*) Der von mir (Monatsb. d. Js.p. 351) gegebenen Uebersicht der Stenodermen habe ich noch hinzuzufügen: 8. Sturnira Gray. 1. Ph. lilium Geoffroy. !Ph. fumarium, exceisum etalbescens Wagner. !St. spectrum et Nyctiplanus rotundatus Gray (Ph. chrysocomos W agn.). !Ph. oporaphilum Tschudi. 2. St. chilensis Gervais. !Ph.erythromos Tschudi. 9. Brachyphylla Gray. 1. B. cavernarum Gray. 10. Centurio Gray. 1. C. senex Gray. C.flavogularis Licht. Ptrs. C. mexicanus Sauss. 2. C.(Trichocoryes) MeMurtrii Allen, “ Gesammtsitzung vom 19. October 1865. 525 19.Oct. Gesammitsitzung der Akademie. Bei der Eröffnung der Sitzung gedachte der Vorsitzende des während der Herbstferien am 26. Aug. in Spandau erfolg- ten Todes des Hrn. Encke, vieljährigen verdienten Mitgliedes und Sekretars. Die Akademie wird sein Andenken in dankbarer Erinnerung halten. Hr. Rudorff las über die Laudation der Murdia. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Report of the Superintendent of the Coast Survey. Washington 1864. 4. Results of Meteorological Observations from 1852—1859. Vol.1l. Part 1. Washington 1864. 4. Smithsonian Contributions to knowledge. Vol. 14. Washington 1865. 4. Smithsonian Report for 1863. ib. 1564, 8. 18. Jahresbericht der Staats- Ackerbau-Behördevon Ohio, Columbia 1864. 8, Transactions of the Homoeopathie Medical Society of the State of New- York. Albany 1863. 1864. 8. Statisties of Ihe Commerce of the United States. Washington 1864. 8. American Ephemeris for 1866. with Supplements. Washington 1864. 8. Proceedings of the American Philosophical Society. Vol. 9. Philadelphia 1864, 8. Proceedings of the Academy of natural seiences of Philadelphia. Phila- delphia 1864. 8. Transactions of the American Philosophical Society. Vol. XIN, 1. Phila- delphia 1865. 4. Journal. and Proceedings of the Portland Society of natural history. Vol. 1. Part 1. Portland 1862—64. 8. Annals of the Lyceum of natural history of New York. Vol. 8, no. 2. 3. New York 1864. 8. Report of the National Academy of seiences. Washington 1864. 8. Agassiz, Embryology of the Starfish. (Cambridge 1864.) 4. Baird, Aeview of American Birds. Part 1. Washington 1865. 8. Durch Untersuchung des Originalexemplars von C. senex im British Museum habe ich mich überzeugt, dafs die von mir beschriebene, nicht aus Cuba, sondern aus Mexico stammende Art nicht von demselben verschie- den ist, und das eben daher stammende Exemplar des Hrn. de Saus- sure zeigt der Beschreibung zufolge ebenfalls keine Merkmale, welche eine Trennung desselben begründen könnten. 926 Gesammtsitzung Boston Journal of natural history. Vol. 2. 3. 4. no. 3. 4. Bulletin de Tacademie royale des sciences de Belgique. "Tome 18. 19. Bruxelles 1865. 8. Memoires couronnes. Tome 32. ib. 1865. 4. Memoires couronnes. Tome 17. ib. 1865. 8. Corpus Chronicorum Flandriae. Vol. 4. Bruxelles 1865. 4. Quetelet et Heuschling, Statistigue internationale. Bruxelles 1865. 4. Quetelet, Phenomenes periodiques. ib. 1865. 4. . Quetelet, Histoire des sciences mathematiques et physiques chez les Belges. Bruxelles 1864. 8. Quetelet, Annuaire de l’observatoire. ib. 1865. 8. Annuaire de "’academie. ib. 1865. 8. Melsens, Memoire sur l’emploi de l’iodure de Potassium. ib. 1865. 8. Sıtzungsberichte der Wiener Akademie. 14 Hefte. Wien 1864—65. 8. Archiv östreichischer Geschichtsquellen. Band 31. 32. ib. 1865. 8. Fontes rerum austriacarum. 1. Abth. Band 6. 2. Abth. Band 21. 23. ib. 1865. 8. Observalions made at the Magnetical and Meteorological Observatory at Trinity College, Dublin. Vol. 1. Dublin 1865. 4. Reise der Novara. Geologischer Theil. 1. Band 2. Abih. Wien 1865. 4. Copies photographices des miniatures des manuscrits grecs. Livr. 11. Moskau 1863. folio. Flora batava. Fasc. 192.193. Amsterdam 1865. 4. Code annamite, traduit par G. Aubaret. Tome 1. 2. Paris 1865. 8. Mit Ministerialrescript vom 25. Sept. 1365. Nachrichten über Leben und Schriften des Hr. Karl Ernst von Baer. Petersbnrg 1865. 4. Das funfzigjährige Doctor-Jubiläum des Geh. Raths K. E. von Baer. Petersburg 1865. 4. Hugueny, Zecherches experimentales sur la durete des corps. Paris 1865. 8. Hugueny, Aecherches sur la composition chimique des eaux potables. Paris 1865. 8. Daremberg, La medecine. Ed. II. Paris 1865. 8. C. de Horatiis, Nuovi elementi della scienza acustico-musicale. Napoli 1865. 8. Liste chronologique des edits et ordonnances de l’ancien duche le Bouillon. Brux. 1865. 8. Mit Miuisterialrescript vom 15. Sept. 1865. Von der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam: Verhandelingen. Natuurkunde. Deel 10. Amsterdam 1864. 4. Letterkunde. Deel 3. ib. 1865. 4. vom 19. October 1865. 527 Verslagen. Natuurkunde. Deel 17. ib. 1865. 8. E Verslagen. Letterkunde. Deel 8. ib. 1865. 8. Jaarboek. ib. 1863. 1864. 8. J. v. Leeuwen, Senis vota pro patria. Carmen elegiacum. ib. 1864. 8. Hippocratis Zeliquiae ed. Ermerins. Vol. II. Trajecti a. Rh. 1864. 4. Catalogue du Musee Vrolik. Amsterdam 1865. 8. Verhandelingen van de Bataviaasch Genootschap van Kunsten en Weten- schappen. Deel 30. 31. Batavia 1863. 1864. 4. Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel 13. 14. Batavia 1864. 8. Natuurkundig Tijdschrift. Vol. 26. Fasc. 3—6. Batavia 1864. 8. Report of the 34. Meeting of the British Association. London 1865. 8. Abhandlungen der Kgl. Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Band 13. Prag 1865. 4. Sitzungsberichte. ib. 1864. 8. Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichsanstalt. 15. Band. no. 3. Wien 1865. 4- Memoires de Tacademie des sciences de Montpellier. Annee 1858. 1859. 5 cahiers. Montpellier. 4. Recueil des travaux de la Societe medicale allemande de Paris. Paris 1865. 8. Annales de la societe Linneenne de Lyon. Tome 11. Lyon 1865. 8. Transactions of the Linnean Society. Vol. 24. Part 3. Vol. 25. Part. 1. London 1864. 4. Journal of the Linnean Society. Vol. 8. 9. no. 30—34. London 1864. 8, Journal of the Asiatic Society of Bengal. no. 124.125. Calcutta 1864. 8, The Numismatice Chronicle. no.18. London 1865. 8. Journal of the Asiatic Society of Great Britain and Ireland. Vol. 1. Part 2, London 4865. 8- Journal of the Chemical Society. London. Januar—March 1864. 8. Annales des mines. Annee 1864. no. 6; 1865. no. 1. 2. Paris 1865. 8. Journal de l’ecole polytechnique. Tome 24. Paris 1865. 4. Bulletin de la societe des naluralistes de Moscou. Tome 38. no. 2. Moscou 1865. 8. Rendiconto dell’ accademia di Napoli. Vol.III, 7—12. IV. 1—4. Napoli 1865. 4. Giornale di scienze naturali ed economiche. Vol. I. Fasc. 1. Palermo 1865. 4. Fournet, Commission hydrometrique de Lyon. Lyon 1864. 8. Oversigt over det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinger. Kjöbenhayn 1864. 8. 528 Gesammtsitz ung American Jourzal of science and arts. no. 118. New Haven 1865. 8. Journal für Mathematik. Band 64. Berlin 1864. 4. Indische Studien, von A. Weber. 9. Band, Heft 2. 3. Leipzig 1865. 8. Würzburger Medizinische Zeitschrift. 6. Band. no. 3. 4. 5. Würzburg 1865. 8. Elfter Bericht der Oberhessischen Gesellschaft. Gielsen 1865. 8. Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 1865. 1. Heft 4. München 1865. 8. Wiener Numismatische Monatshefte. 1. Band, Heft1. Wien 1865. 8. Revue archeologique. Paris, Aoüt— Sept. 1865. 8. Bulletin des scances de !academie des sciences de Lyon. Lyon 1865. 8. Abhandlungen der Archäologischen Gesellschaft in Moskau. 1. Band. Heft 1. Moskau 1865. 4. Tyndall, On radiation. London 1865. 8. Airy, Essays. London 1865. 4. G. v. Eichthal, Ztude sur les origines bouddhiques de la eivilisation americaine. Paris 1865. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers vom 14. Okt. 1865. Spengel, A4ristotelische Studien. I. München 1865. 4. 26. Oct. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weber las über die Bhagavatiı. Hr. Partbey gab folgende früher gelesene Untersuchung über die iberische Halbinsel bei Pomponius Mela, die jetzt vollständig geworden, in den Monatsbericht. Bei Gelegenheit einer kritischen Ausgabe des Mela, die es versuchen wird, den Text dieses wichtigen Geographen nach den Handschriften, mehr als es bisjetzt geschehn, festzustellen, wurde die iberische Halbinsel einer eingehenden Betrachtung unterzogen, deren Resultate in den folgenden Bemerkungen nie- dergelegt sind. Wohl darf man bei Mela, als einem gebornen Spanier, recht genaue Nachrichten über sein Vaterland erwarten, doch muls man ihm das Zeugnils geben, dals er sich bei der Be- schreibung desselben einer grossen Unparteilichkeit befleissigt, indem er es nicht ausführlicher behandelt, als alle anderen Län- der. Unter den Küstenstädten des südlichen Spaniens innerhalb der Säulen des Herkules, nennt er die, bei keinem andern Schrift- steller vorkommende, von afrikanischen Phöniziern bewohnte vom 26. October 1865. 529 Stadt Tingentera, mit dem Beisatze „unde nos sumus”. 2. 6. 9. Dies ist die einzige positive Notiz, welche wir über Mela be- sitzen; seine angebliche Verwandschaft mit dem Rhetor Seneca beruht auf einer blossen Vermuthung. Als Zeitangabe dient die Erwähnung eines Triumphes über Britannien, welche nur auf den Kaiser Claudius gehn kann. Dieser Triumph wird bei Mela als unmittelbar bevorstehend geschildert: quippe tam diu clausam (Britanniam) aperit ecce principum maximus, nec indomitarum modo ante se, verum ignotarum quoque gentium victor, pro- priarum rerum fidem ut bello adfectavit, ita triumpho declaraturus portat. 3. 6.4. Dies führt auf das Jahr 796 der Stadt (43 n. C.) als Abfassungszeit der Geographie des Mela. Die Arbeit fällt also zwischen Strabo 66 v. C.— 24 n. C. und Plinius 23 —79 n. C.; zu ihrer Würdigung wird es nöthig sein, diese beiden Geleitsmänner immer im Auge zu behalten. Dafs Mela von seinem Vorgänger Strabo Kenntnils gehabt, ist kaum anzunehmen. Strabos grosses geographisches Werk wurde im Alterthume äusserst wenig benutzt. Da es selbst der umfassenden Belesenheit des Plinius entging, so ist nicht vor- auszusetzen, dals es dem Mela beim Entwurfe seiner knappen Umrisse vorgelegen. In Bezug auf Jberien mag hier eines ge- wils nur zufälligen Zusammentreffens zwischen Strabo und Mela Erwähnung geschehn. Sirabo (p. 155) sagt von den wilden Völkern der Nordküste, den Kallaiken, Asturen und Kantabrern orva de Tois dvonası mAsovdle, bevywv 70 dndss is yordns, & an Fi moos Hovns Eorıv axovs IINsuravgous zaı Bagdunres zaL "Ardoraryas za AAA« Aeıaw zur Ermnoreoe Fourwv dvonare. Mela (3. 1. 10) sagt kürzer von denselben Völkern: Cantabrorum aliquot populi amnesque sunt, sed quorum nomina nostro ore concipi nequeant. Eben so sagt er (3. 3. 3) von den deutschen Bergen: montium altissimi Taunus et Retico, nisi quorum nomina vix est eloqui ore romano. Dafs diese Übereinstimmung nur zufällig sei, ergiebt sich aus Plinius (3. 28) der von den nördlichen Völkerschaften Spa- niens ungefähr dasselbe sagt: ignobilium ac barbarae appella- tionis sed liberorum capitum; und etwas weiter: ex quibus prae- ter ipsos Bracaros Bibali, Coelerni, Gallaeci, Equaesi, Limici, (Querquerni citra fastidium nominentur. Jn ähnlicher Weise 530 Gesammtsitzung heifst es bei Plinius (3. 7) von den Städten in Baetica: ex his digna memoratu aut latiali sermone dictu facilıa. Aus welchen Quellen Mela seine Nachrichten geschöpft habe, läfst sich nicht angeben. Es finden sich überhaupt in seinem ganzen Werke nur drei Citate, zwei aus dem Cornelius Nepos (3. 5. 8 u. 3.9.3) und eine Berufung auf den Karthager Hanno. (3.9. 3.5.) Ausserdem spricht er an einigen Stellen (2.5.7; 3.6.8; 3.7.4) von den griechischen und lateinischen Schrift- stellern, die er benutzt, aber er nennt sie nicht. Von dem wenig jüngeren Plinius (23—79 n. C.) wird Mela an 9 Orten als Quelle angeführt, zu Buch 3. 4. 5. 6. 8. 12. 13. 21.22. Er nennt ıhn bald Pomponius Mela (3. 8. 12. 13. 21. 22), bald Mela Pomponins (4. 6), einmal blofs Mela (5). Die Beschreibung von Hispanien bei Plinius (3, 6—30) ist trotz ihrer Gedrängtheit weit ausführlicher als die bei Mela, es lälst sich daher schwer bestimmen, in wie weit und in welchen Punkten der letzte von dem ersten benutzt worden sei. Die Eintheilung des Landes in Gerichtsprengel (conventus iuridici) welche Plinius sehr ausführlich behandelt, wird bei Mela nicht erwähnt; auch werden bei Plinius sehr viel mehr römische Ko- lonıen, so wie Städte mit doppeltem Namen, einheimischem und lateinischem genannt, als bei Mela. Von den in unsern Text aufgenommenen Ortsnamen weichen sehr viele von der bisher gangbaren Schreibung ab, die von den früheren Herausgebern, ganz besonders von Jsaak Vossius in seiner Ausgabe vom Jahre 1658 mit der grösten Willkühr be- handelt ward. Man hielt sich weniger an die Handschriften, als an „Keminiscenzen und halbadäquate Phrasen”; man emendirte den Autor nicht aus ihm selbst, sondern man brachte ıhn mit den recipirten Lesarten der übrigen geographischen Autoren auf die gewaltsamste Weise in Übereinstimmung. Dieses Verfahren wird freilich zum Theile durch den Zu- stand der Handschriften entschuldigt, die in vielen Fällen auch den besten Willen des Herausgebers im Stiche lassen. Von den 40 Handschriften, welche Tzschucke anführt, reicht eine einzige vatikanische in das 9. oder 10. Jahrb. hinauf, alle übrigen sind aus dem 14. 15. u. 16. Jahrh. und lassen sich gröstentheils auf einen vatikanischen codex zurückführen; allein auch dieser ist weit vom 26. October 1865. 531 davon entfernt, uns den Text in wünschenswerther Reinheit zu überliefern. Für Spanien ist dieser Umstand um so übler, als man immer geneigt sein wird, dem Spanier Mela für die Ortsnamen seines Vaterlandes eine besondere Autorität zuzuschreiben. Die Wahl zwischen dem, was die Handschriften geben, und dem, was der Schriftsteller gesagt haben kann, ist hier oft so schwer, dafs ein Abirren vom rechten Wege unvermeidlich scheint. Die Recht- fertigung der von uns gewählten Schreibungen wird bei den einzelnen Namen folgen. Die iberische Halbinsel war in der Zeit, als Mela schrieb, schon. 70 Jahre lang römische Provinz. Sie hatte sich schnell mit römischer Sprache und Kultur vertraut gemacht. Mela nennt sie an mehreren Stellen „Hispania”, an einer Stelle (3. 1. 10) „Hispaniae”. Augustus hatte i. J. 727 u. c. (27 v.C.) die frü- here Eintheilung des Landes, welches in Hispania citerior und ulterior zerhiel, verändert. Die von ihm gebildeten 3 Provinzen: Tarraconensis, Baetica, Lusitania finden sich anch bei Mela. 2.18..3: Von Gebirgen nennt Mela nur den mons Pyrenaeus (2. 5. 1) welcher Hispanien von Gallien scheidet. Alle andern Gebirgs- züge der Halbinsel übergeht er mit Stillschweigen. Seine Schilderung von Hispanien ist fast nichts als eine Küstenbeschreibung. Nur selten werden ein paar Städte im Bin- nenlande angeführt. Diese Beschreibung beginnt an dem östlichen Ausläufer der Pyrenäen, verfolgt die Ost- und Südküste des Landes bis zu den Säulen des Herkules, wendet sich beim promunturium Sacrum nach Norden, beim promunturium Celticum nach Osten zurück, und schlielst am westlichen Ausläufer der Pyrenäen an der Gränze von Gallien. Es ist wichtig, auf diese regelmässige Umkreisung der Halb- insel immer Rücksicht zu nehmen: denn wir erhalten dadurch Gewisheit über die Lage mancher Küstenstädte, die sich aus den anderen Autoren nicht so genau ergiebt. Auch die Haupt- flüsse von Hispanien, der Jberus, Baetis, Anas, Tagus und Du- rius werden an den Stellen genannt, wo sie sich in das Meer 532 Gesammtsitzung ergiessen; nur der Anas wird ausserdem als die Gränze zwischen Baetica und Lusitanien bezeichnet. Von den Binnenstädten werden aufgeführt in Tarraconensis: Pallantia, Numantia, Caesaraugusta; in Lusitanien: Emerita, in Baetica: Hastigi, Hispal, Corduba. (2. 6. 4.) Die östliche Gränze zwischen Gallien und Hispanien hatte _ Pompejus auf dem Kamme der Pyrenäen durch eine Jaschrift bezeichnet, in welcher er sich rühmte, 877 spanische Städte be- zwungen zu haben. Plin. 3, 18. Diese Gränze scheint aber zu Melas Zeit noch ein wenig weiter nach Süden gegangen zu sein: denn er rechnet den Portus Veneris und den Ort Cer- varıa zu Gallien (2, 5. 8) welche von den übrigen Schriftstellern zu Hispanien gezählt werden. Dann folgen der Fluls Ticis bei dem Orte Rhoda, der Flufs Clodianum bei Emporiae. (2. 6. 5.) Ticis ist dis Lesart der besseren HSS. Vossius nennt ihn in den Anmerkungen (p. 187) Tichis. Er sagt dals alle HSS Ticer haben, und nimmt dies auch in seinen Text (p. 40) auf; es steht aber fest, dafs in keiner unserer HSS Ticer sich findet. Kurz vorher nennt Mela (2.5.8) an der Küste von Gallien zwei kleine Flüsse Telis und Ticis (Tichis). Diesen letzten hält Vossius für den heutigen Tech. Der Mons Jovis und die Scalae Hannibalis kommen nur bei Mela vor. (2. 6. 5.) Über die Richtigkeit der Angabe kann kein Zweifel sein: denn der erste Name hat sich in dem heutigen Montjui, der zweite in La Escala erhalten. Bis Tarraco folgen die kleinen Ortschaften Blande, Luro, Baetulo u. a. (2. 6. 5); die beiden ersten wurden bisher Blanda, Eluro gelesen; in den HSS sınd sie auf verschiedene Weise zu- sammengezogen, ohne dals man das e für eluro gewinnen kann. Plinius (3, 22) hat Jluro; danach lälst sich, in Verbindung mit Mela, die Lesung bei Ptolemaeus (2. 6.19) verbessern, der an dieser Stelle einen Ort ArAovowv hat; die Veränderung in Aidovawv wurde von Vossius vorgeschlagen. Jn dem Sucronensischen Meerbusen nennt Mela die drei kleinen Flüsse Sorobis, Turia, Sucro. (2. 6. 6.) Statt des ersten hat Vossius den Saetabis in den Text aufgenommen, obgleich dieser nach Ptolemaeus erst westlich vom Sucro ins Meer fällt. Der Sorobis wird von keinem anderen Autor erwähnt. vom 26. October 1865. 333 Jn dem zunächst folgenden Jlicitanischen Meerbusen wer- den die Städte Allon, Lucentia, Jlice genannt; weiterhin Car- thago, ohne den Beinamen nova oder Spartaria, vom punischen Feldherrn Hasdrubal gegründet. (2. 6. 6.) Von hier bis zur Meerenge der Säulen liegen unberühmte Städte, die nur der Ordnung wegen genannt werden: Urgi im sinus Urgitanus, Aderas, Velex, Maenoba, Malaca, Salduba, Lac- cipito, Barbesul. (2. 6. 7.) Statt Urgi geben einige HSS Virgi, was Vossius in seinen Text genommen. Bei Plinius (3, 6) steht a fine Urgitano und (3, 15) Urgia; das Jtinerarium Antonini (404) hat Urci, Ptole- maeus Ovgzn. Die beiden Namen Aderas und Velex stehen durch fast all- gemeine Übereinstimmung der HSS fest, und es ist ohne Noth daran geändert worden. Statt Aderas setzte Vossius Abdera; Plinius (3, 6) giebt Abdara, Strabo (156. 158) "AQdrge, Ptole- maeus "Aßdage, die Münzen (Mionnet Suppl. 1. p. 10) Abdera; allein Aderas hat sich in dem heutigen Namen Adra erhalten. Velex kömmt bei keinem anderen Schriftsteller vor: man lernt erst aus Mela, dafs es an der Küste zwischen Aderas und Maenoba gelegen habe. Die Änderungen, welche man damit vor- genommen, sind eben so gewaltsam als unglücklich. Vossius setzte statt Velex in seinen Text: Salambina, Ex; in den An- merkungen aber spricht er von Suel. Der Grund seiner Ände- rung ist der, dafs Ptolemaeus (2. 4. 7) zwischen "Aßdage und Mavoß« die Küstenstädte Zaraußıve und Zs& ansetzt. Tzschucke und die früheren Ausgaben folgen einem Vorschlage des Hermo- laus Barbarus, der ‚‚Suel, Hexi’”” lesen wollte. Nun liesse sich wohl ‚‚Aderas Velex” in ,‚adera suel ex” zerlegen; allein für die Lage wird dadurch nichts gebessert. &o0eA steht zwar bei Pto- lemaeus (2. 4.7) und übereinstimmend damit Suel im Jtinera- rıum (405); allein dieser Ort liegt viel weiter westlich zwischen Malaca und Cilniana. Plinius (3. 8) hat ein oppidum Suel zwischen Salduba und Malaca. Der Geographus Ravennas (p. 305, 7; 344, 1) setzt Suel zwischen Malaca (Macala) und Sabesola (Barbesola). ; Velex scheint- nichts anderes als das noch jetzt mehreren andalusischen Städten vorgesetzte Velez zu sein, das man ohne 534 Gesammtsitzung hinreichenden Grund für arabisch gehalten. Es wird hier zu- nächst auf Velez- Malaga zu beziehn sein, in dessen Nähe ein Flüsschen Velez ins Meer fällt. Von den übrigen mit Velez zu- sammengesetzten Orten nennen wir Velez Blanco, Velez de Be- nandella, Velez-Rubio. Vedmas in seiner Geschichte von Ma- laga (Cortes diecionario, t. 3. p. 384) las in seinem Texte des Mela: Sex oder Sexi, und hält dies mit richtiger Beurtheilung der örtlichen Lage für Velez-Malaga. Jm Folgenden geben die HSS des Mela (2. 6.7) „‚saldubal accipito”, mit vielen Varianten des ersten Namens, woraus un- bedenklich Salduba Laccipito herzustellen ist. Salduba steht zweimal bei Plinius; zuerst (3, 8) als Stadt ın Baetica, mit un- srer Stelle übereinstimmend, dann (3, 24) als alter Name von Caesaraugusta. Laccipito ist seit Hermolaus Barbarus durch Lacippo ver- drängt worden. Lacippo kömmt sonst nur zweimal vor; einmal bei Plinius (3. 15) in der Nähe von Barbesula, und hieran könnte man allenfalls an unserer Stelle denken; das andere Mal bei Pto- lemaeus (2. 4. 11) Aczizzw, allein in einer ganz anderen Lage, im inneren Lande, nördlich von "Aldage. Barbesul steht durch die HSS fest; bei Plinius (3, 15) und andern findet man Barbesula, das Tzschucke an unsrer Stelle in den Text genommen hat; allein die Endung auf -ul ist ge- wils eben so berechtigt als ähnliche bei Mela vorkommende auf l und r, wie Hispal, Lattobrigal, Subur. Auch im heutigen Spanien fehlt es nicht an Endungen auf |, wie Setubal, Ortegal, Ferrol, Muel, Teruel. Die beiden Säulen des Herkules heissen bei Mela (2. 6. 8) Abila und Calpes. Das letzte, welches in dieser Form zweimal bei ihm vorkömmt, haben die Herausgeber gegen alle HSS in Calpe verändert, und Vossius knüpft daran eine gelehrte Unter- suchung, wie der Berg nach dem Kruge z«?.=7 habe benannt werden können. Allein wenn auch Plinıus und Strabo überall Calpe geben, so haben wir doch eben an Velex gesehn, wie vorsichtig man bei Mela mit unberechtigten Änderungen sein müsse. ı Die Lage von Tartessus war bekanntlich schon im Alter- ihume ungewils; man wulste nicht mehr, ob die Stadt ausserhalb vom 26. October A863. 535 oder innerhalb der Säulen, ob sie an der Küste oder im Binnen- lande (bei Hispalis) gelegen. Auch Mela spricht sich nur un- bestimmt aus: Carteia, ut quidam putant aliquando Tartessos, eine Meinung, die auch Strabo (151) anführt. Nun folgen unmittelbar in der Meerenge die Städte Tingen- tera, Mellaria, Bello, Baesippo. Für die erste, die Geburtstadt des Mela, hat man nach den HSS nur die Wahl zwischen Tingen- tera und Cingentera mit geringen Abweichungen. Mela sagt von ihr: quam transvecti ex Africa Phoenices habitant; es ist daher nicht unwahrscheinlich, sie für eine Absiedlung des gerade gegenüber in Afrika liegenden Tingis zu halten, der sie sich in der Namenbildung als Tingentera anschlofs. Die Vorschläge von Casaubonus: Tingi contraria, und von Salmasius: Tingi al- tera gehn nach dieser Richtung. Vossius hat Tingi Cetraria in seinen Text gesetzt; er bemüht sich zu beweisen, es sei die- selbe Stadt mit Julia Joza oder Julia Traducta; wobei Ptole- maeus und Plinius des Jrthums angeklagt werden. Man hat auch hinter den Worten: et quam transvecti ex Africa Phoe- nices habitant, eine Lücke angenommen, die einen anderen fehlen- den Stadtnamen enthalten habe. Alles diels geschah meist nur aus dem Grunde, weil Tingentera, die Vaterstadt des berühmten Geographen Mela, sonst nicht weiter genannt wird, während man sich einfach damit hätte begnügen sollen, sie aus den bes- seren HSS an unserer Stelle kennen zu lernen. Die Schreibung Bello findet sich übereinstimmend in allen HSS, und hat daher bei Mela gewils dieselbe Berechtigung wie Belo oder Baelo, BaiAwv oder BeAuv bei den andern Schrift- stellern. Die Erwähnung der Jnsel Gades giebt dem Mela (2, 7) Ge- legenheit zu einer langen Abschweifung über alle andern Inseln, unter denen auch an der Ostküste von Hispanien genannt wer- den: die Baliaren, Ebusos und Colubraria (2. 7. 20—22). Auf Balearis minor liegen die beiden Kastelle Samo und Mago. Statt des ersten stand bisher in den allermeisten Aus- gaben Jamno, von Hermolaus Barbarus gegen die Auctorität der HSS gemacht, weil Ptolemaeus (2. 6. 78) den Ort ’Ieuve nennt, ' und Plinius (3, 77) Jamno. [1865] 39 536 Gesammtsitzung Auf Balearis maior liegen die beiden Kolonien Parma und Pollentia. Parma war wiederum gegen die HSS und ohne Rück- sicht auf die dialektische Verwandschaft von r und | in Palma verwandelt worden, weil diese Form bei Strabo, Plinius, Ptole- maeus sich findet. Nach diesem Exkurse kehrt Mela (3, 1) mit der Bedächtig- keit, die sein ganzes Werk auszeichnet, zur Küstenbeschreibung von Hispanien zurück. Die Erwähnung des grossen Oceanes giebt ihm Gelegenheit, mehrere Ansichten über die Ebbe und Flut anzuführen, ohne dals ‚er sich für eine derselben entscheidet. Dann knüpft er wieder an den portus Gaditanus an, nennt an der Küste Ebora, im Lande Hasta, wieder am Meere den Tem- pel der Juno u. s. w. Von der Mündung des Baetis gegen Westen bis zum Ende der Provinz Baetica liegen am Ufer die kleinen Ortschaften Olintigi und Onolappa. Beide sind weiter gar nicht bekannt, ihre Schreibung aber ist durch die HSS hinlänglich verbürgt. Olintigi ist von den Herausgebern unangefochten stehn geblie- ben, ja Vossius hat sogar eine Spur des Namens bei Plinius (3, 12) in dem Volke der Alontigiceli finden wollen, Onolappa dagegen wurde in Onoba, Laepa oder in Ossonoba verändert. Nun geben allerdings Strabo (143.170), das Jtinerarium (431), Ptolemaeus (2. 4. 11) und Plinius (3.7. 10) einen Ort Onoba zwischen den Mündungen des Baetis und Anas; Laepa hat man in dem „Latinorum Laepia” bei Plinius (3, 15) und in dem heutigen Lepe wiederfinden wollen; es ist aber nicht abzusehn, warum nicht neben diesen Orten auch ein Onolappa sollte ge- legen haben. Ossonoba palst gar nicht hieher: denn Ptolemaeus (2.5.3) setzt es westlich von der Mündung des Anas, auch kömmt es weiter unten bei Mela selbst an der richtigen Stelle vor. An der Küste von Lusitanien nennt Mela, von Süden nach Norden fortschreitend, die drei Vorgebirge: Cuneus ager, pro- munturium Sacrum und Magnum. Jn dem Landstriche des Cuneus ager liegen die Orte Myrtili, Balio, Ossonoba; das erste, im innern Lande, am Ufer des Anas, findet man in dem heuti- gen Mertola; Balio ist von Hermolaus Barbarus in Balsa ver- ändert worden, das bei Plinius (4, 116) Ptolemaeus (2. 5. 3) und vom 26. October 1865. 537 im Jtinerarium (426) sich findet. Die HSS geben fast einstim- i mig Balio, wenn auch mit dem vorhergehenden Myrtili zusammen- gezogen. Die Lage entspricht dem heutigen Palos, dem Ab- fahrtshafen des Columbus. Es bleibt dahingestellt, ob Balio oder Balsa dieser Form näher steht. Jn der Nähe des promunturium Sacrum nennt Mela die Stadt Lattobrigal und den portus Hannibalis. Die erste ist von den Herausgebern in Lacobriga verändert worden; man könnte sich allenfalls Lattobriga gefallen lassen, welches die Liste der Städte auf -briga um eine vermehren würde; allein die 9 Va- rianten der HSS halten alle das | am Ende fest, ja einige ver- längern den Namen in lattobrigaleth und lactobrigaleth. Ehe man dies für eine entschiedene Verderbnils erklärt, wäre zu unter- suchen, ob die bei Plinius (3, 11. 12. 15) vorkommenden En- dungen auf -et, wie Osset und Callet, so wie das auf Münzen erhaltene Ceret (Mionn. I. p. 86) auch verderbt sind. Vom promunturium Sacrum bis zum promunturium Celti- eum, an der ganzen Westküste von Hispanien, nennt Mela fast nur die Mündungen einiger Flüsse und sehr wenig Städte; Ulisippo am Ausflusse des Tagus; Ebora und Salacıa im Binnen- lande (3 1. 6), dann folgen, von Süden nach Norden fortgehend, die Flüsse Munda, Durius, Avo, Celadus, Nebis, Millia, Minius, Laeros, Ulla. Diese Namen stimmen im allgemeinen mit den recipirten Lesarten überein; nur ist statt Millia von den Herausgebern ge- gen die HSS Limia in den Text genommen worden. Mela hat den Zusatz: et cui oblivionis cognomen est Millia. Damit kann wohl nur gemeint sein, dafs der B@iname: Flufs der Vergessen- heit, dem einheimischen Millia beigelegt sei. Ptolemaeus (2. 6. 1) hat an dieser Stelle Ainıos voranos, Plinius (4, 115) giebt dem Flusse drei Namen: Aeminius, Limaea, Oblivionis. Strabo (153) sagt: 6 vis AyIns, 0v wes Ameiav oi de Beiıwva zaAoürı; aus dem letzten Namen hat man schliessen wollen, dafs Strabo kein Latein verstanden, weil er sonst die Korruption aus Oblivionis in Belion bemerkt hätte. Der heutige Name des Flusses Lima zeigt, dafs Millia als dialektische Verschiedenheit zu betrachten sei, etwa so, wie das heutige Lerida aus dem alten Jlerda ent- standen ist. 39* 338 ; Gesammisitzung Die darauf folgende Stadt Lambriaca so wie die Flüsse Laeros und Ulla kommen nur hier vor. Laeros ist der heutige Leriz. Vossius sagt, dals er beim Geographus Ravennas ge- nannt werde; damit kann er nur „‚Clerum” meinen, der sich unter den 10 Flüssen Hispaniens findet. Geograph. Rav. 4, 45 p- 321, 18. Ulla hat seinen alten Namen noch jetzt beibehal- ten; wollte man auch diesen im Geogr. Ravennas suchen, so könnte er nur in „Medulla” stecken. 4, 45. p. 321, 13. Vossius will einen Fluls Oil (verbessert OiA:z) bei Ptolemaeus (2. 6. 2) hieher ziehn. Diese nordwestliche Ecke von Hispanien ist von Mela selır ausführlich behandelt. Dann wendet er sich östlich, und nennt an der Nordküste im Lande der Artabri die Stadt Adrobrica an einem Meerbusen gelegen, in den vier kleine Flüsse sich er- giessen. Adrobrica ist durch die HSS hinlänglich gesichert; Vossius hat es willkührlich in Abobrica geändert, weil Plinius (4, 112) ungefähr an dieser Stelle ein Abobrica nennt. Eben so, doch mit mehr Glück hat Vossius zwei von den vier kleinen Flüssen emendirt. Die besseren HSS geben: per alia Ducanaris exit et Libya. Vossius liest: per alia duo Mearus exit et Jvia.. Einen Flufs Ducanaris kennt man nicht, und es ist möglich, dafs der Mearus der heutige Rio Mero sei. Piolemaeus (2. 6. 4) hat auch einen Flufs Mearus, aber er liegt viel weiter östlich. Der kleine Flufs Libyca ist eben so wenig bekannt als Jvia, welchen Vos- sius mit dem heutigen Juvia vergleicht. Zum Schlusse seiner Beschreibung von Hispanien nennt Mela einige Völker und Flüsse de® Cantabri, quorum nomina nostro ore concipi nequeant; es ist daher kaum zu verwundern, dals hier die Verderbnils der HSS und die Willkühr der Heraus- geber Hand in Hand gehn. Die besseren HSS geben fast übereinstimmend: per eosdem (Cantabros) et Salaenos Saunium, per Avariginos et Orgenomes- quos Namnasa descendit: et Devales Tritino Bellunte cingit, et Decium Aturia Sonans Sauso et Magrada. Vossius giebt jeden Versuch einer Emendation auf, indem er sagt: caeterum in gentium locorumque istorum vera nomina otium nunc non est inquirire. vom 26. October 1865. 539 Statt eosdem hat Reinold Concanos in den Text gesetzt, viel- leicht nur mit Rücksicht auf Horatius, 3, 4. 34. Statt Avarigi- nos giebt schon die Aldina Autrigones, das sich in allen Aus- gaben erhalten hat. Devales Tritino Bellunte cingit der HSS hat freilich keinen Sinn, und deshalb hatte Hermolaus Barbarus vorgeschlagen: Deva duplex Tritium Tobolicum attingit, allein Deva findet nur in dem heutigen Flulsnamen Deva einen An- halt; Tritium und Tritio, zwei verschiedene Orte stehn im Jtinerarium (pag. 395 u. 450); der eine davon heist bei Ptole- maeus (2. 6. 66) Toirıov Tovßogzov, der andre (2. 6. 55) Tarrıov MeraArov. Statt „Sonans Sauso et” gab Vinetus „et Oeasonem” weil Strabo (p-. 161) ein Oiccwv, und Ptolemaeus (2. 6. 10) ein Oiessw in dieser nordöstlichsten Ecke von Hispanien angeben. Den Flufls Magrada lernt man erst aus dieser Anführung des Mela kennen. Alle Versuche, diese letzten Stellen zu emendiren, haben mehr dazu gedient, den Schaden aufzudecken, als wirkliche Hei- lungen herbeizuführen, doch wird es immer, bis eine glückliche Verbesserung gelingt, am gerathensten sein, den Text der bes- seren HSS beizubehalten. W. v. Humboldt hat in den schönen Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens (Berlin, 1821. 4.) eine grolse Menge einheimischer Ortsnamen angeführt und geprüft, darunter auch die bei Mela vorkommenden. Er konnte sich natürlich nur an den damals recipirten Text halten; deshalb ist für die neuen Lesungen wenig Auskunft bei ihm zu finden; die an die Stelle der früheren Autrigones getretenen Avarigini lassen sich viel- leicht auf das vaskische Avarus (Humboldt p. 83) zurückführen. Wirft man nun einen Rückblick auf die Beschreibung Hispaniens von Mela, so scheint es unzweifelhaft, dals er diese, eben so wohl wie seine übrige Erdbeschreibung nach einer ihm vorliegenden Karte entworfen habe. Die meisten seiner Aus- drücke über die Gestaltung der Länder, die Richtung der Ge- birge, die Einbiegung der Küsten sind so unbestimmt und viel- deutig, dals man sie ohne eine daneben liegende Karte entweder gar nicht, oder doch falsch verstehn kann. Es würde daher sehr schwer halten, mit völliger Abstraktion von unseren mo- dernen geograpbischen Kenntnissen eine Karte nach seinen An- 540 - Gesammisilzung gaben zu konstruiren, was doch für Herodot, Strabo und andere Autoren mit mehr oder weniger Glück versucht worden ist. Mela giebt durchaus keine Maasse von der Grösse der Län- der, ein Beweis mehr, dals er den Strabo nicht gekannt, der gerade diesem Theile der Erdkunde eine besondere Sorgfalt wid- met. Mela hat nur an ungefähr 10 Stellen einige kleine Maass- bestimmungen über die Breite der Meerengen und Flüsse, über die Höhe der Pyramiden, die Ausdehnung des Mörissees u. s. w. Aber wir wollen mit den Autor nicht rechten wegen des- sen, was er unterlassen, sondern das, was er uns geboten, dank- bar hinnehmen. Wenn nichts anderes, so wird die neue Textrecension we- nigstens dies erreichen, dals Mela nicht mehr für eine Menge von geographischen Namen, welche gar nicht bei ihm vorkom- men, als Gewährsmann angeführt werde. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Annales de lobservatoire physique central de Russie. Annee 1865. 4. Memoires de la societe de physique et d’histoire naturelle de Geneve. Tome XVII, Partie 1. Geneve 1865. S. Atti dell’ accademia de’ Nuovi Lincei. Anno XVII, Sessione er Roma 1864. 4. Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie. II. 1. München 1865. 8. Gerhard, Etruskische Spiegel. 3. 4. Band, Lfg. 15. Berlin 1865. 4. Chrestomanos, M&9odog tus nouorixng dvalvcews.... Athen 1865. 8. Lassen, Indische Alterthumskunde. 1. Bandes erste Hälfte. Zweite ver- besserte und sehr vermehrte Auflage. Leipzig 1865. 8. Revue archeologique. Paris, Octobre 1865. 8. Pacini, Sulla causa specifica del colera asiatico. Firenze 1865. 8. Hough, Description of an automatic registering and printing barometer. Albany 1865. 8. DelaRive, Discours. Geneve 1865. 8. Marignac, Zecherches sur les combinaisons de Wiobium. (Geneve 1865.) 8. Cavedoni, J! monumento ancirano diCesare Augusto. (Modena 1865.)8. Lavizzari, Nouveaur phenomenes des corps cristallises avec 14 planches. Lugano 1865. 4. Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz Br andenburg. 6. Jahrgang. Berlin 1864. 8. — vom 26. October 1865. 541 Schriften der Kgl. Physikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu Königs- berg. 6. Jahrgang, Abtheilung 1. Königsberg 1865. 4. 30. Octbr. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Kirchhoff las Zur Geschichte der attischen Kleruchie auf Lemnos aus Inschriften. Derselbe legte von Hrn. Dr. Schubring eingesendete Abschriften griechischer und lateinischer in Sicilien befindlicher Inschriften vor. Derselbe legte folgende Mittheilung des Hrn. Dr. U. Köh- ler vor, d. d. Athen 1. October 1865. Über zwei neuentdeckte Bruchstücke von Poletenurkunden. [s- Tafel Nr. 1.] Vorstehende Inschrift ist auf einer Platte pentelischen Mar- mors eingegraben, welche seit einiger Zeit im Thurme der Winde aufbewahrt wird, woraus ich schlielse, dals sie in der Unterstadt gefunden worden ist; Genaueres ist mir über ihre Herkunft nicht bekannt. Der Stein ist m. 0,34 hoch, 0,22 breit und 0,11 dick und nach oben, rechts und unten abgebrochen. Indels fehlen nach rechts, abgesehen von einer zweiten Colonne, welche hier stehen konnte, nur wenige Buchstaben, die sich mit Ausnahme des Eigennamens Z. 7 überall mit Sicherheit ergänzen lassen, und das Ganze ist demnach folgendermalsen zu lesen: [N hi APFF: ’Erıza [eri«] Ogie [N ll AA "Erizagmie ’ASwovor 5 Keparaıv süv Erwvi[oıs] XXXX [RP] HHAAFFFINN I . HoAvusroarov rov Aro..» 6} 5 AyaııyVev 942 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse [FH HHFF Ilıoros 10 Il AAAAFHI "Emzapmie ’Ay- AUT Kebadaıov cur Erwvi [ers] HHAAAATHHI Kydırodwgou Meroizou &4 Ileıo [a:e%] 15h) HPAN.. Orr HIN HAAAT Ogarre [Hr 2 [HPAA OpgE [FIFI{IN] [HIHAAAA Sigee [FIN [H N 1C7) 2o FF HIP]JAr Trvgıos FH H[HIAA Opera HIN HAN FH 92E Hil HAAAAFFR Zeidn HIN HAAFr Drvgıds 25 FF HPHHF pp 3 Koörxeos ER. HPAAHEF RE re: Hu: PAAFF Kogızov motor HHH HHHF Zuoos [HF] F H [P] Fr Merırz [yvos] Die Inschrift rührt aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts vorchristlicher Zeitrechnung, und zwar, wenn auf die einige Male in ihr vorkommende eckige Form des P etwas zu geben und dieselbe nicht vielmehr durch die Ungeschicklichkeit des auch sonst nicht sehr accuraten Steinmetzen entstanden ist, aus den ersten Jahrzehnten derselben. Sie enthält ein Verzeichnils vom Staate verkaufter Güter, Önluomgarer, wie solche nachträg- lich von der mit dem Verkaufe beauftragten Behörde der Po- leten öffentlich aufgestellt wurden; zu den Öyuorgare gehörten aber aulser den eingezogenen Gütern auch die Gefälle von den dem Staate angehörigen und von diesem in Pacht gegebenen liegenden Gründen, erızagricı. Unter den confiscirten Gütern, welche in der Inschrift aufgezählt werden, ist von Interesse das Verzeichnils der Sklaven und Sklavinnen aus dem Besitze des Metöken Kypısoöwgos aus demPiraeeus (Z. 14ff.), welcher daselbst eine Fabrik besessen zu haben scheint. Die Sklaven werden in vom 30. October 1865. 543 demselben nicht mit Namen, sondern nach ihrem Vaterlande be- zeichnet, die anfgeführten Länder sind auch sonsther als die- jenigen bekannt, aus welchen Athen vornemlich seinen Bedarf an Sklaven bezog, nemlich Thrakien, Illyrien (vgl. über den spiritus asper in HILLYPIO=Z Franz. Elem. ep. p. 111), Sky- thien, Kolchis, Karien, Syrien und Kappadocien, wenn ich Z. 29 richtig ergänzt habe MELITT[ENOZ]; allerdings scheint MELITTIEYZ] näher zu liegen, allein es ist mir nicht be- kannt, dals aus Malta Sklaven ausgeführt worden seien. Die Preise halten sich zwischen 72 Drachmen (Kagızöv vardıov Z. 27) und 301 Dr. (Zvgos Z. 28), nach den sonstigen Anführungen, welche Böckh in der Staatsh. d. A. I. S. 95ff. besprochen hat, erscheinen dieselben ziemlich gering. Ein anderer Punkt indels ist es, der mich veranlalst, die Inschrift hier mitzutheilen. In derselben nemlich finden sich links von den Kaufsummen und mit diesen correspondirend Sum- men von sehr geringem Betrage angegeben. Ihre Bedeutung er- giebt sich sofort aus Z. 5 und 12: zebaraov cüv Erwvi[ors], denn so ist offenbar nach rechts hin zu ergänzen. Über die in Athen seit unbekannter Zeit eingeführte Kaufsteuer, ra Eruvıe, hat Böckh im angeführten Werke Bd. I. S. 439f. gehandelt, urkund- lich sicher beglaubigt erscheint sie hier zum ersten Male. Aus einer Vergleichung der verschiedenen Posten geht im Allge- meinen soviel hervor, dals die Kaufsteuer, wenigstens in der Zeit, aus welcher die Inschrift herrükrt, den Hundertstel des Werthes betrug, und Ähnliches hatte bereits Böckh aus einer Stelle der lexica Segueriana p. 255 ed. B. vermuthet; denn ob der von Theophrast bei Stob. Serm. XLIV 22 erwähnte Hun- dertstel auf die ‚zzwvie zu beziehen sei, erscheint mir fraglich. Im Einzelnen ist die Berechnung nicht so klar als man wün- schen sollte, man scheint ausgehend von 100 Dr. des Werthes, welche 1 Dr. Steuer zahlen, geringere Summen überschläglich berechnet und den Obolos als kleinste Kassenmünze angenommen zu haben, aufser diesem und der vollen Drachme kommt nur noch das Triobolon vor. Es scheint nemlich für 1—4 Dr. des Wer- thes 1 Obolos (vgl. 7. 9. 28), für 5—50 Dr. 1 Triobolon, füc 50—100 Dr. 1-Dr. Steuer bezahlt worden zu sein. Ich bin bei dieser Berechnung von dem Sichern ausgegangen und habe 544 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse darnach diejenigen Stellen, an denen der Stein beschädigt ist, ergänzt, aulserdem habe ich Z. 29 HIP]r geschrieben, obgleich ich auf dem Stein von dem eingeschriebenen A keine Spur habe entdecken können. Nur eine Stelle bleibt übrig, welche ich weder mit den auf diese Weise gewonnenen Resultaten zu ver- einigen noch auf andere Weise zu erklären weils. Ich setze dieselbe nochmals her, wie sie auf dem Steine steht: ä MOLYZTPATOTOAIO AAKYLEOEN -FH U ° HHFHF MIZTOZ 10 41 AAAAH/EMIKAPMTIAAA KYLESZI KEPALAIONZYNETON IC 13 HHAAAAFPTHI Von den Ergänzungen nach rechts hin ist bereits die Rede gewesen, nach links hin ist der Rand des Steines stark abge- scheuert, so dals Z. 9 in der Angabe der Eponien vom ersten Drachmenzeichen nur der Querstrich, Z. 10 von den Eponien überhaupt nichts erkennbar ist; aulserdem ist in der Angabe des Preises Z. 10 nach dem Drachmenzeichen ein Splitter aus dem Steine gesprungen, an dessen Stelle entweder das Zeichen für eine Drachme oder einen Obolos gestanden haben kann. Ilsros Z. 9 fasse ich als Namen des Käufers, der verkaufte Gegenstand, vielleicht das ganze, allerdings dann sehr geringe Hauswesen des Polystratos in Bausch und Bogen, wäre in diesem Falle nicht angegeben. Ähnliches findet sich auch in 2 andern Urkunden derselben Classe, auf die ich weiter zu sprechen kommen werde. Die Kaufsumme, welche vollständig erhalten ist, beträgt 202 Dr., wozu die Kaufsteuer von2Dr. 1 O. nach dem Obenbemerkten stimmt. Der zweite Posten, der Preis für die Pachigelder aus dem Demos Ankyle, beträgt nach dem was jetzt auf dem Steine steht 41 Dr., kann aber, wie bemerkt, 41. Dr. 1 O., oder was wahrscheinlicher ist, 42 Dr. betragen haben: die Kaufsteuer würde in jedem Falle ein Triobolon sein. Damit stimmt aber die Summe von 247 Dr. 10. nicht, welche nur dann möglich wird, wenn man Z. 10 die Kaufsumme zu 42 Dr., die Kaufsteuer aber zu einer Drachme ansetzt; denn einen Rechnungsfehler anzunehmen, der dann nicht einmal zu vom 30. October 1865. 545 erklären wäre, würde ein verzweifeltes Mittel sein. Da dieser Ansatz die ganze von mir angenommene Berechnung wieder fraglich macht, muls es um so wichtiger erscheinen, dieselbe auch anderwärts bestätigt zu sehen. Aus nicht viel späterer Zeit(') als die vorstehende Inschrift rühren zwei andere Poletenurkunden über verkaufte Grundstücke her, welche von Rangabe in den Antiquites Helleniques n. 348 und 2254 nach Abschriften von Pittakis mitgetheilt worden sind. Von n. 348 scheint das Origi- nal verloren zu sein, dagegen hat sich mir bei einer Revision der zweiten, deren Original sich gegenwärtig in der Stoa des Hadrian befindet, herausgestellt, dafs in derselben ebenfalls links von den Preisen die Kaufsteuer angegeben ist, was bei der Un- genauigkeit der bis jetzt vorliegenden Copien zu erkennen un- möglich war. Es beirägt aber daselbst die Steuer für 20 und 21 Dr. des Preises ein Triobolon, für 170 Dr. 2 Dr., was mit dem von mir berechneten Steuersatze stimmi. Noch muls ich einer von Rols in den Demen n. 15, Böckh in der St. II. 347 und vollständiger von Rangabe& in den Ant. Hell. n. 877. 878 herausgegebenen Inschrift Erwähnung thun, in welcher man eine Poletenurkunde mit Berechnung der Zrwvın hat erkennen wollen. Die Inschrift, welche auf der Burg ge- funden worden ist und nach Angabe der Herausgeber in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts gehört, enthält ein Verzeichnils ver- (*) Es scheint mir klar, dafs das vorliegende Bruchstück zu dersel- ben Urkunde, wie die oben erwähnten, gehört hat, welche ich in einer 1860 in den Jahnschen Jahrb. f. Phil. u. Päd. erschienenen Abhandlung zusammengestellt und auf die in Folge der Hermokopidenprocesse einge- treienen Gütereinziehungen bezogen habe. In der “hat erscheint Poly- stratos bei Andokides v. d. Myst. S. 13. sowohl im Texte als dem ein- gefügten Verzeichnisse der von dem Sklaven Andromachos als Mysterien- schänder denuncirten (vergl. auch Harpokration S. 156), und Kephiso- doros ebend. S. 14 im Verzeichnisse derjenigen, welche der Metöke Teukros als Hermenverstümmler angegeben hatte. — Es ist das ein Zusam- mentreffen, welches nicht zufällig sein kann, und so zugleich die Zusam- mengehörigkeit der Bruchstücke, die Richtigkeit der von mir behaupteten Beziehung der Urkunde und die Authenticität der in die Rede des Ando- kides eingefügten Actenstücke zu erhärten geeignet ist. A.K. 546 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse kaufter Grundstücke, in dem aufser den Kaufpreisen eine &z@rosry mit beigeschriebenen Namen und zwar bis auf den halben Obo- los berechnet wird. Indels scheint mir aus verschiedenen Grün- den weder jene Benennung der noch mehrfach dunkeln Urkunde, noch die Beziehung der in ihr berechneten !z«rosr; auf das Enwviov zulässig, letzteres namentlich auch, weil das Erwv:ov we- nigstens in der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts gar nicht mehr den Hundertstel betrug. Den Beweis hierfür liefert folgende Inschrift: [s- Tafel Nr. 2a.] Der Stein, pentelischer Marmor, ist vor einiger Zeit in einem Hofe westlich von der Stoa des Attalus gefunden wor- den, er ist m. 0,23 hoch, 0,20 breit und 0,9 dick, aber nach oben, rechts und unten abgebrochen. Orthographie und Form der Buchstaben sind die der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts und genauer wohl der ersten Jahrzehnte nach dem Archontat des Euklides. Ein Vergleich des Inhaltes lehrt, dafs die Zeile 25 Buch- staben enthielt und es läfst sich darnach das Ganze folgender- malsen herstellen: [s- Tafel Nr. 22.] Die Inschrift gehört zu derselben Classe, wie die vorher- gehende, nemlich zu den Poletenurkunden, und enthält ein Ver- zeichnils eingezogener und vom Fiskus verkaufter Häuser und vielleicht anderer Grundstücke; sie bietet aber auch sonst man- ches Interessante, was einer kurzen Erklärung bedarf. Indem ich eine solche zu geben versuche, knüpfe ich an Z. 8ff. an, da dieser Theil der Inschrift am vollständigsten erhalten ist. Es heilst daselbst von einem Leukolophos aus Salamis &rsygawero Bzouzvous Zumel[ravos oilzıiev, denn die auf dem Steine ange- wandte Abbreviatur AMET bedeutet offenbar arsygapsro. Das Zeitwort aroygabew, anoygabssIcı, welches im Allgemeinen „auf- zeichnen” bedeutet, fand in der attischen Gerichtssprache be- kanntlich namentlich in 2 Fällen Anwendung, einmal nemlich vom Aufzeichnen von Gütern, welche sich in Privatbesitz be- fanden, behufs Herbeiführung der Confiscation, zweitens von eingezogenen Gütern, auf welche von Privaten Ansprüche er- hoben wurden; es wird sich in der Folge ergeben, dafs hier INps ill ti ÄANFE: EMIKAı 1’. OPIAI Hl AA EMTIKAPMTIA AOMONOI KE®ALAIONZYNEFONI XXXXTHHAAFFFINN NPOLYZTPATOTOAIO Nr. 2a. io 11T I OC KIONAFTP PPAOENHOAO —ı . MAXOZENTPIAT OZE YO YMAXOAFP Y 4 KATABOAHAAAAFFE AEYKONO® OZEZZANA ei ATET:OEOM ENOEEYNT KIANENSAAAMIIIIF IHHHA IHITEITQ2MBOPPAO EMD OTOOENAENIKOAIK PrFFr DZINOMOZSAPIZTONG 125 ZEFTY Po 15 KATABONNPAAAFF sie AAAAF EMIKAPMIAAN (iR) "OEOMENOZETEPAOIKIA KYLESI AAAAN TIOIHITEITOMBOPPAO KE®BALAIONZYNETON IL NOTOOENAE EZHKESTO HHAAAAPFFI ma MEAHTOZMET AKAEOSZAN KE®1ZOAOPOMETO IKOEMTEP / 20 EFFY FO HPAM OPAITTA en HI HAAAT OPAITTA u re. KIONATPY[AHEZINDIFE- F PAA OPAIXs | TANBOJP PAOEN HOAO[SNOTOGENA - -H HAAAA zYPO = s [HHAP] EEYOYJMAXOZENP IATIO. dm KAP [en] . OZEYOYMAXOAT PYAIHOENEFFY EREEWARTFEHILLYPIOE [m] KATABOAH!AAAAFFF Burn. Mora. NEYKONOGBOZEEZANA[MINOZTAAE ANET:OEOMENOSE VITETALQNOSOI- FIIIHAAAAFFF cas X 194 40* 554 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse und 7 . vuzras 0° aAAVsozEv, Ems Öaidas masa>eiro u 140 und 7 {3 DE LDE REN DEN n J XaigEsHov —, OMOT My Em Yalav — moorgrmoim 1 881 und 7. m c c ERETHOV avdouv Övauevewv 6 TE wor size modsscıw & 220 und ahN oUx, Nası büras Öre oevaıro Öiwizew P 463 und ’ ER, & Alavre Merastoebavre zaT” alrous \ STaImoGV, Tore de ToumETO Xaws P 733 und 0} »y \ En N ’ 7 ar Ö ore nEv orıgrWev Emı Seiöwgov agovoev, 4 DIOR) , \ J ERNSS U angov Em avegizuv zugmov Deov, oUÖE zurerAuv* AN öre Ö% Srıprwev Em” sUger vVITE TRAdSTYS, EU] \ n 09 m @gov Emı imymivos (iyyMiva?) aros morıoio Seeszov W 226 und cosamı Ö° ögumssıs modaguns Ölos "Ayındeus Srzvon Evavrıßıov —, Torcazı eye z0ue Öumersos morcjolo nice wmovs DB 265. alle diese stellen, und die vielen ähnlichen die sich mit leichter mühe hinzufinden liefsen, hat sie hr Cobet nicht gelesen, son- dern in hitziger jagd auf ein des v empfängliches &ı das erste beste aufgegriffen ohne weiter rechts noch links zu schaun? oder hat er sie gelesen (wer möchte sich doch mit Homerischen fragen befassen ohne den dichter zum mindesten ganz gelesen zu haben?) und ist ım stande so obenhin zu lesen dafs ıhm entgeht, was einem anfänger in so vielen beispielen auffallen müste, wie der optativ ausdrückt was der indicativ nicht ausdrücken könte, was Beßryzew selbst A 108 E 66 73 394 661 5 412 x, 258 nicht ausdrückt? von QeßAYzeıw wirft sich die vorliebe für das v zunächst auf new, dem zu gefallen sie 70 aus der welt schaffen will (ex rerum natura sublatum erit), wie fest das auch steht in über- lieferung und analogie. angegriffen wird es mit starken redens- arten, schwachen gründen, keinem erfolge, den etwa ausge- nommen dafs mancher leser sich gemahnt fühlen wird an das Sophokleische er vom 30. October 1865. 555 auledıer For ororyT ohbAuszaven. “kein vernünftiger mensch könne angeben wie 77 entstehe aus ndss”. warum nicht wie zw reyy aus rw reiyee und AyuosSevn aus AyuooSevee und sucs@Y aus eucs@ee und Hoaziye aus “Hoa- #Aese und meec/OH oder zg2/@7 aus moso/ee oder mass ee? oder wie oi Bacırys aus oi Aacırss und “HoazAYos aus “HaazA2sos und sry: aus ozesi? Theodosius von Alexandrien und Chöroboskos kennen keine andere entstehung dieser formen (Anecd. Bekk. p. 979 980 1130 1190 1191 1195 1205 1227 1247). will hr Cobet die ge- lehrten und sorgfältigen männer darum unvernünftig nennen, so gebe er eine vernünftigere. danach wird er aber vergebens suchen, auch schon darum weil es ja gar nicht nötig ist dals 709 aus Ydee hervorgehe, sondern, wie zur ersten &rıSex und zur zweiten ZriSys als dritte 27.94 gehört, so gehört 704 zu ydex und yd4s: dals sich das barytone verbum mit dem auf x: in den perfecten und den passiven aoristen immer berührt, wie das contracte im im- perfect bisweilen (dmeimnryv dogmyryv moosauÖyTyV uAyTyV TUVEV- zyryv borrijryv), springt ja in die augen, und nirgend unverken- barer als bei ciö« (Aeolisch oö71:) mit seinem iönev eideiw zideiyv irSı iöpevar. und ferner, wo steht denn bei Homer ydse selbst oder sonst ein plusquamperfect auf ee mit diplomatischer oder metrischer sicherheit? B 832 und = 404 erheischt den spondeus der vers, / 29 das digamma, das ja, wie wir gesehn, auch hr Cobet anruft, wo es ihm ein helfer in not zu werden verspricht. “Homer habe gar viele plusquamperfecte auf &ı”: 21 werden aufgezält: es sind, die zusammengesetzten ungerechnet, einige 30: “wie sollte er aus Ydez 707 gemacht haben guum ydzı et posset et deberet. der dichter hat manches nur Ein mal unter vielmaligem verwandten, Siov z. b. und vagad Sins: und dıdw- ce, und aus derselben wurzel gebilde zu ziehn die in alle winde aus einander gehend die familienähnlichkeit mehr und mehr ver- wachsen, ist er so geneigt und so gewohnt dals töricht wäre in diesem beschränkten raume beispiele zu geben. was er übri- gens konte, tun konte (posset), konte er auch lassen; und ob er sollte und muste (deberet), das ist ja eben die frage, deren bejahung nicht als zugestanden vorweggenommen und so nebenher erschlichen werden durfte. “Homer könne nicht in demselben verse ysycvsı und 19% gesagt haben.” warum nicht? er der in demselben verse «ives "556 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse und vzizsı gesagt hat, biResıv zar TielsEv, beEew und &umAyssuev, Bavzsıv und Emısmeiv, 7r0sv Eros zar EmmauSov wort, yarcuv und rs Seos und Seaıwe. “02” komme vor für 7de«: so brauche man nur auch für ne zu und sei des leidigen 707 entledigt.” darauf kan nur verfallen wer, in dem dichter wenig zu hause, noch nicht weils dals derselbe weder in der conjugation für ze noch in der declination für & e’.setzt, sondern in beiden fällen «=, und damit, weil dieses vor nachfolgendem vocal für kurz gilt, denselben zweck erreicht ohne die deutlichkeit zu gefährden. dieselbe tugend hat er in e’ für &x gewahrt ‚durch das in alien drei beispielen (© 366 8 745 v 350) hinzugesetzte &yw. 4. "5.232 Cob. Preto, wie N 288 zu lesen ist (die. scholien kennen keine andre lesart), verhält sich zu EAysdaı wie reSvaws zu 7ESvgze und Szw zu Syrns (Homer Bl. s. 228). hr Cobet erkent nur Brfo an: es kömt ja von OrHrSeı. das active PAsiys, das aus dem Epicharm beigebracht wird, vergilst er auf den leisten zu schlagen: wie leicht liefs es sich recken zu £Ayrs. 9.5.9392 Cob. Der scholiast zu Sophokles Antigone erklärt arzurcrzue: durch mEmOG[ACE Memo yudrevnar, und kömt von MocyureUrgS auf dessen Homerische form #g4xr79. Homer selbst gebraucht #24zr72 zwar auch in allgemeinerem sinn nude Te Enzno elsevanı monaTHod TE Eoyauv 1443, kan aber doch in der besonderen anwendung aEX,OS VEUTEWV OL TE MONRTNgES ea 162 nicht misverstanden werden, nachdem er die zar& zg7&: fahrenden der andren klasse damaliger seefahrer entgegengesetzt hat: mehev mAEIS Üyar zersube; 2 rı zur mohew 7 Malıdıns araryrSe oid Fe Anısrnoss Ümenp ara; y 71 die vo4&:5 erläutert der hymnus an Apollon (397) durch einen synonymen zusatz em mongw Hal Yonmorrer vn Merevn ErmAeov, wie Maximus Tyrius (39 1) xennerısrns als gattungsbegrif von zenzrre gebraucht; und zg7zrn7ges sind noch dem späten Manetho geläufig: vom 30. October 1865. 557 re auögus Eropinv dınzovras ae rem eovras 1 132 menArNoaS zu AyErydov EAWOouEVOUG dıa mavres 4 424 Bere EIyzev movrov T’ 22a evVovras Üm’ Emmogiaus Basıunsw 6 447 ganz in der Homerischen bedeutung, ihm der das altertümliche seltsam genug zu parodiren pflegt, wie wenn er Homers 7s90- cotrıs Zawus oder Ion des Chiers «orov degocborrav asrege ver- arbeitet ın zaroßaryv you zaL Hegoıborrov EIyzEV, "Tragov wideguov mreguyun ya zaL Iry,a #ng00 5 146. und wie kömt o7&:: zu dieser bedeutung? wie negotium im Latein und handel oder handlung im Deutschen. Telemachos unterscheidet (y 82) zweierlei mg7&:5, Ornuos und iöir, gerade wie Menelaos (8 312) die verwandte xgsıw einteilt: zur Öymos wer- den die 2Zesia: gehören die den Priamos (2 235) nach Thra- _ kien, den Odysseus ($ 20) nach Messene führen: die id, wenn nicht auf persönliche angelegenheiten beschränkt, wie die reise des Telemachos nach Pylos und Sparta, wendet sich auf die grundlage des verkehrs unter den menschen, den austausch der bedürfnisse in handel und wandel. dessen betrieb aber, mit jeder erweiterung des gesichtskreises und jedem fortschritt der gesittung notwendiger lebendiger einflulsreicher, stellt bald allen andern betrieb dermalsen in schatten dals er auch die gemeinschaftliche benennung vorzugsweise führt, um so natürlicher als eine beson- dere für ihn noch nicht da ist: denn Zurogi« kent Homer nicht, und 247og05 nur in disparatem sinn '). die zweiheit des wortes hat das Französische aufgenommen, indem es die d4Wos manzıs dem. negociateur zuteilt, die id, dem negociant. die in &uzogie aufgegangene =97&:5 verlangte nun spielraum. den gab ihr das inselhafte und doch nicht Kyklopisch abgeschlossene Griechenland (: 125) am freisten und weitesten auf der see, die von drei himmelsgegenden .anspülend und durch unzälige busen und buchten eindringend ihren dienst entgegen trug, und draulsen, wie von hafen zu hafen, so von insel zu insel immer weiter lokte auf gewiun und abenteuer. da war denn die erste fichte in den *) besonders fühlbar wird der mangel eines adäquaten ausdrucks ı 126-9, 558 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse tälern des Pindus bald gefällt, die probe- und meisterfahrt mit der Argo bald bestanden; immer mehr rosse des meeres boten immer breitere rücken, und fertig standen die veöraı ci = mır- Arnoss easıw. auch vevrıroı hielsen sie und vauzaı Elrmogot oder vewv Emußyrogss, dem Choliambographen Sarascys Miglanzes, spät und in prosa ”Awrzges, nach umständen erıBaraı und meoiveu oder Saharroupyoi, Umo Emmogias megubsponevor; aber auch der äl- teste name dauerte aus gleicher wurzel und ansicht in gayue- reuraı fort, auf Sicilien in g7£ves (Anecd. Bekk. p. 1413). kraft dieses stambaumes F*tte.. die vo7xr7ges anspruch genug auf die stelle die sie in > einnehmen. ır Cobet, der nur At- tische mg9«@=roges zu kennen scheint, erhebt die stehende, d. h. so oft es beliebt aus der luft gegriffene und nicht einmal irgendwie scheinbar gemachte, klage über schwere verderbnis, treibt die wohlberechtigten aus und ersetzt sie durch zgyr72«s. monriges für wgerzges ist keine überlieferte form, wenn auch, zwischen zofrıs und merTigLoV, eine wahrscheinliche. wer sonst. eine ware ohne ursprungszeugnis auf den markt brachte, hatte diesen mangel zu entschuldigen oder wenigstens anzugeben: hr Cobet gebart mit dem unbezeugten worte frank und frei, als wäre es /ippis notum et tonsoribus. ein wort ferner ohne autorität sollte sich bescheiden da einzu- treten wo es nicht allein passt sondern auch vollständig und aus- schliefslich passt. tun das die wgyrngss? sind sie so sonnenklar in angemessenheit und notwendigkeit, dals wir ihnen glauben möchten, obschon nichts ähnliches in irgend einem andern seewesen je er- hört ist, Homers handelsschiffe seien keine kauffahrer sondern ver- kauffahrer, fahrzeuge mit lauter verkäufern bemant, und der Ta- phierfürst (« 184) segle als verkäufer nach Temesa uer« Yarzev, und die das Achäische lager mit wein versorgen (1 72), gehen nach Thrakien, woher sie ihn holen, tagtäglich als verkäufer hinüber? zwar weils weder Plato noch Xenophon von einem so wunderlich halben handel, sondern jener definirt die zurogızy. als ns neralAyrızys 70 Ersgov Megos 0 &E EINS eis ryV wor ÖLEAARTFOMEVOV 77 zaı mocseı, und dieser lehrt örı +ois Ewmrogors avrıbogrigesTei Tı avayzy, und verlangt für sie TomoUS mEOSY- Kovras WM Aa mgcrsı: aber beide sind ja auch um viele jahr- hunderte jünger und gewilzigter als die roh einfältige urzeit, die vom 30. October 1865. 559 sich im handel, wie ohne geld, so ohne kauf behalf, froh wenn sie ıhre ware los wurde. hr Cobet liebt, was andere tun oder meinen, unüberlegt zu finden. wie lange er wohl diese schnakischen verkaufleute mag überlegt haben. nicht länger, fürchten wir, als weiter unten (s. 761) den hämischen ausfall gegen einen heros unserer wissenschaft. oder erkennen wir darin der Nemesis walten, wie sie ein schönes talent ohne sittlichen halt nötiget seine eifersucht auf einen über- legenen geist erst dann auszulassen, nachdem es unter sich selbst gesunken in den kläglichsten gegensatz geraten ist? 6. s. 592 Cob. "Wir lesen vebeAn eiiunzvos wuous E 186 Boens eirunzvw unous P 492 Goaresıv eiAUMEVOL WILOUG E 479 eiAupzvor alYomı ar 2 522 vUxrı Ev UV eilvarcı eben ve meorwme TE vegIe Te yolva u 052 Berzsssi PN eilacerı zaL aovinsiw siruro (Iapmndwv) II 640 siruro de ward” ards ayım & 403 arra de mavra sirdvaraı (vidadsecı) M 286 dorie Ö° auroü zero Em’ ymeigov Vomchu eirumeve moAAy & 1353. aber To TEUNER Hd, TE mov Mara vaio Alkuns HeiseI Um” iNDos zsraAUmMEvE" Ha 2 MV aurov ervoew Vauadosıy © 317 dürfen wir nicht lesen. Aucrw rescribendum; namque Mus et zorrMUw Graeca sunt. was heilst das? ist denn siAvcw nicht Griechisch, sondern sr Uw überall in iAUw umzusetzen? wir finden keinen sinn in der verschrobenen rede, freuen uns aber wenn hrn Cobets horizont, der gar oft ein beschränkter ist, auch hier nicht hinausgereicht hat über die zwei verse die ihm iAdos ') !) warum ZAvog wiederholen, was schnitzerhaft ist? [1865.] 4 560 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse und eiAVrw unmittelbar über einander vorführten. über ein dutzend stellen erstreekt würde die orthographische reform unleidlich aus- fallen: so übel richtet sie die eine zu, über welche sie wirklich ergeht. denn was gewinnen wir hier mit AUcw? geradezu eine contradictio in adiecto. hr Cobet führt zwar von v. 319 nur sirisw an: aber Yoncdoroıw, mit absicht oder ohne absicht weg- gelassen, weicht darum nicht aus dem texte, und nun gepart mit Mucw gebiert es ein kindlein cui non risere parentes: “ich werde ihn bemodern mit sand” d. h. ihn bedecken mit moder, der aber kein moder ist sondern sand, sand der, indem er bemodert und weil er bemodert, kein sand ist. kan die logik nicht zufrieden sein mit ihrem anteil an der emendation? und nicht übler fährt die rhetorik. “die waffen werden mit moder bedeckt liegen, ihn selbst aber werde ich bemodern.” welch eine steigerung! oder auch nur welch ein fortgang! über dies alles, Homer hat verben auf Vw, wenn wir auch nur die einfachen zälen, über vierzig ErUw Aviv darum Euw abvm AyAUo Bow du yavıw da- zoUW dum siruw Evruw Eonrum Eouw Nmlw mUw In igum IIUw zAUw zUw zuzUw Auw Rasa) Mnguw au Evw oduw olUw vum Ogvuw TomvUuw TrÜW An Tayuw FOX Uw FeUm ÜMOSTEX,UW Um brUw buw, keines aber das zu einem nomen gleiches stammes in solchem verhältnis der bedeutung stünde wie zarırdw zu iRis: denn ds- dargvoeı ist zu fassen wie verweint oder eplore. sollte es nun nicht schon darum bedenklich sein das landwirtschaftliche wort mitten in das epos zu schleudern ? Somit hätten wir denn alle änderungen gemustert, die hr. Cobet in diesem bande über den Homerischen text verhängt. wie wenige ihrer auch sind, übergenug um den wunsch zu rechtfer- tigen, er möge ein feld aufgeben das ihm, auch wenn er sorg- fältigeren anbau daran wenden sollte, keinen ertrag verspricht. seiner kritik hauptzug geht auf purismus, straffzügeligen scheu- klapseligen purismus; und der mag für den herangewachsenen und scheinbar eine weile still stehenden Attischen dialekt taugen als grenzhüter und keuschheitswächter, geht aber irre und stol- pert von anstols zu anstols, sobald er die Homerische sprache — — vom 30. October 1865. 561 berührt, diese frülingsblüte des Griechischen geistes, die frisch und geschmeidig wie epheu einrankt in die freie beweglichkeit des hexameters, und durch immer neue wendungen und wandlungen hindurch einen reichtum an formen entfaltet, der nahezu die mög- lichkeit erschöpft. — Ne — Es; Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin in dem Monat November 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg. 9. November. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kronecker las über den Affect der Modular- gleichungen. Hr. Magnus übergab die folgende Mittheilung des Hrn. Dr. Paalzow, betreffend eine von diesem ausgeführte Unter- suchung über die Wärme des elektrischen Funkens. Zur Prüfung eines elektrischen Zündapparates, welcher den Zündstoff durch einen Funken zünden sollte, war die Kennt- nis der Wärme des elektrischen Funkens nothwendig. Es existiren über diesen Gegenstand ältere Versuche, welche in Riels’ Lehre von der Reibungselektricität $ 550 und 700 zusam- mengestellt sind. Neuere Versuche darüber sind angestellt von Poggendorff, Berliner Monatsberichte 1861 pag. 349 — 377; Pogg. Ann. XCIV pag. 310 u. 682—637 und Pogg. Ann. CXXI p. 307 und von Reitlinger, Zeitschrift für Math. und Phys. VIII p. 146—149. Diese Versuche haben ergeben, dafs eine Reihe von Funken der Elektrisirmaschine, wenn sie zwischen Holz und Holz oder Holz und Metall überschlagen, sowie auch eine Reihe von Funken der Induktorien eine bedeutende Erwär- mung verursachen. Dagegen ist es nicht gelungen bei den ein- zelnen Funken der Leydner Batterie die Wärme derselben direkt nachzuweisen. Denn weder ein in der Nähe des Funkens auf- gestelltes Quecksilberthermometer noch eine Thermosäule mit Multiplicator zeigten eine Spur von Erwärmung. Nur Knochen- hauer beobachtete in einem Riefs’schen Luftthermometer, in [1865.] | 42 564 Gesammitsitzung welchem sich statt des Platindrahtes 2 Elektroden befanden, zwischen denen der Funke übersprang, eine Depression der Flüs- sigkeitssäule und fand dieselbe abhängig von der Menge und Dich- tigkeit der Elektricität, schrieb sie aber nicht der vom Funken erzeugten Wärme, sondern der mechanischen Bewegung der Luft zu. Bei den nachfolgenden Versuchen kam es hauptsächlich darauf an, die Abhängigkeit der Wärme des Funkens von der Menge und Dichtigkeit der Elektricität und dem Widerstande des Apparates nachzuweisen, und da diese 3 Gröfsen bei der Leydner Batterie sich am leichtesten variiren und messen las- sen, so schien es zweckmälsig, zunächst die Wärmeverhälinisse bei den Batteriefunken kennen zu lernen. Die Wärme des Funkens wurde nach 3 verschiedenen Me- thoden gemessen: a. Mit Hülfe der Thermosäule und des Thermomultiplikator. Zu dem Zwecke wurde die eine Seite einer Thermosäule mit einer Kappe von Kammmasse, welche beinahe luftdicht schlofs, versehen. Elektroden von Messing wurden luftdicht in dieselbe hineingeschraubt und blieben 4—5”" von ein- ander enifernt. Sie waren zur 'Thermosäule so gestellt, dals kein Funke von ihnen nach derselben herüber schlagen konnte. Beim Überspringen eines Funkens zwischen den Elektroden wirkten die erwärmten Metalle und Lufttheil- chen sowohl durch Strahlung als auch durch Leitung auf die Thermosäule. b. Durch das Riels’sche Luftthermometer. c. Durch ein fein getheiltes Quecksilberthermometer. Die Resultate waren folgende: i Die Wärme des Funkens nımmt zu mit der Menge und Dichtigkeit der Elektricität. Beim nothwendigen Widerstande (darunter verstanden die kurzen dicken Kupferdrähte, welche von den Elektroden zu der äulseren und inneren Belegung der Batterie führten) hat sie den grölsten Werth. Mit wachsendem Widerstande nımmt sie ab und erreicht ein Minimum. Bei noch weiter wachsendem Widerstande nimmt sie wieder zu und er- reicht ein zweites aber kleineres Maximum, wie beim nothwendi- gen Widerstande. Bei weiter wachsendem WViderstande nimmt vom 2. November 1869. 565 | | ‚ sie abermals ab bis zu Null, wenn der Widerstand so grols ge- ' worden ist, dals sich die Batterie nicht mehr entladet, was bei Einschaltung von Wassersäulen durch gehörige Verlängerung derselben zu erreichen ist. | Bei den Widerständen des Schlielsungsbogens, bei welchen „die Wärme des Funkens in der Nähe des zweiten Maximums ‚liegt, treten als charakteristische Erscheinungen auf: 1. die Schichtung des Lichtes in verdünnten Gasen, 2. das Glühen des negativen Drahtes bei Einschaltung von feinen Drähten als Elektroden, 3. das Fehlen der Abria’schen Linien in feinen Pulvern, ein Beweis, dals die Luft fast gar nicht mechanisch bewegt wird. Es scheint also, dafs starke Wärme der Funken bei grofsem ‚ Widerstande des Schlielsungsbogens, Schichtung des Lichtes und Glühen des negativen Drahtes nur dann auftreten, wenn die Ent- ladungsdauer durch grolse Widerstände vermehrt worden ist, und die Geschwindigkeit der Elektricität und damit die mecha- nische Bewegung des Mediums, in welchem der Funke erscheint, eine sehr geringe ist; in welchem Falle man überhaupt erst der Luft das Prädikat eines Leiters geben kann. Will man die Ergebnisse über die Abhängigkeit der Wärme des Funkens vom Widerstande mit den bekannten Gesetzen der Erwärmung von Metallen und Flüssigkeiten durch elektrische Ströme in Zusammenhang bringen, so muls man annehmen, dafs bei den Funken vom ersten Maximum bis ersten Minimum die glühenden Metalltheilchen, welche in die Luft der Fun- kenstrecke hineingeschleudert werden, fast allein den Leiter bil- den, und so erwärmt werden, als ob sie dem Widerstande nach einen melsbaren Theil des ganzen Schlielsungsbogens ausmachen. Bei den Funken in der Nähe des zweiten Maximums dagegen folgt dann, dafs die Luft fast allein den Leiter bildet und der Widerstand derselben dann sehr grofs ist im Verhältnils zu dem des ganzen übrigen Schliefsungsbogens, gleichviel, ob derselbe aus festen oder flüssigen Körpern besteht. Da der Funke in der Nähe des zweiten Maximums grolse Ähnlichkeit mit dem elektrischen Büschel hat, so wurden auch die Funken der Elektrisirmaschine in Beziehung auf ihre Wärme 42* 566 Gesammtsitzung untersucht. Es hat sich gezeigt, dafs die Büschelfunken mit zischendem Geräusch viel mehr erwärmen, als irgend eine andere Art von Funken. Deshalb ist auch die Form der Elektroden von Einfluls auf die Wärme des Funkens, insofern der Büschel leichter oder schwerer auftritt, je nachdem die Elektroden spitz zulaufen oder abgerundet sind. Die gewonnenen Resultate über die Wärme des elektrischen Funkens sind also bei der Construktion von elektrischen Zünd- apparaten wohl zu beachten. Denn durch anderweitige Versuche ist festgestellt, dals die Zündstoffe in 2 Klassen zerfallen, in solche, die durch jeden elektrischen Funken gezündet werden, und in solche, deren Entzündung nur durch Funken in der Nähe des zweiten Maximums hervorgerufen wird. Wählt man also einen Zündstoff aus der zweiten Klasse, so muls dem Zündappa- rate ein solcher Widerstand gegeben werden, dals diese Art von Funken möglich ist. Hr. Lepsius las einen Nachtrag zu seiner Abhandlung über die ägyptische Elle. Hr. Haupt übergab der Akademie im Namen des Vfs. die ihr gewidmete Schrift des Hrn. Jac. Bernays, correspondieren- den Mitglieds, “Theophrastos’ Schrift über Frömmigkeit. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte” und hob in einigen begleitenden Worten den wissenschaftlichen Werth dieser Arbeit hervor. Die Akademie erkannte die Widmung dankbar an. Die grolse von Hrn. de la Rue aufgenommene Photographie des Mondes, welche Hr. Dove im Namen desselben der Aka- demie übergeben‘ hatte, war im Sitzungssaal aufgestellt. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Journal of the Asiatic Society of Bengal, no. 126. 127. Calcutta 1865. 8. The Natural History Review, no. 20. London 1865. 8. Atui della Societa italiana di scienze naturali. Vol. VII, Fasc. 2, Milano 1865. 8. vom 9. November 1865. 5067 Abhandlungen der historischen Klasse der Bayrischen Akademie der Wis- senschaften. 9. Band, 2. Abtheil. 10. Band, 1. Abtheil. München 1865. 4. Sitzungsberichte. II, 2. ib. 1865. 8. Muffat, Die Verhandlungen der protestantischen Fürsten in den Jahren 1590—1591 zur Gründung einer Union. München 1865. 4. Nägeli, Znistehung und Begriff der naturhistorischen Art. 2. Auflage. München 1865. 8. Cavedoni, Memorie archeologiche. (Modena 1865.) 4. Manockjee Cursetjee, A few passing Ideas for the benefit of India and Indians. London 1862. 8. - Origin and progress of the Alexandra Native Girl's english institution. London 1865. 8. Minute. (Bombay) 1855. 8. Dadabhai Naoroji, The Parsee religion. London 1864. 8, The Manners and the Customs of the Parsees. London 1862. 8. Im Auftrag des Herrn Manockjee Cursetjee übergeben von Hrn. Pertz. Bernays, Theophrastos’ Schrift über Frömmigkeit. Berlin 1865. 8. Im Auftrag des Hr. Verf. überreicht von Hrn. Haupt. 9. November. Gesammitsitzung der Akademie. Hr. Hanssen las historisch- statistische Erörte- rung der Nationalitäts- und Sprachverbältnisse des Herzogthums Schleswig. An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Glasnik. Vol. 16—18. Belgrad 1863—1865. 8. Prepiska o Unii Vladike B. Kraljevica. Belgrad 1863. 8. Spomenici srbski Dubrowacke archive. Belgrad 1862. 4. Carl Frommhold, Zlectrotherapie mit besondrer Rücksicht auf Nerven- krankheiten. Pest 1865. 4. Mit Begleitschreiben des Hın. Verfas- sers d. d. Pest 2. November 1865. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 13. Band, Lfg. 2. 3. Berlin 1865. 4. - Hippocrates. (Medizinische Zeitschrift.) 3. Bd., Heft 1. Athen 1865. 8. Geologische Karte der Schweiz. Blatt 10. Folio. Ferdinand Müller, Plants of the Colony of Victoria. Lithograms. Mel- bourne 1864—65. 4. 568 Sitzung der physikalisch- mathematischen Klasse Ferdinand Müller, Fragmenta phytographiae Australiae. Vol. 4. Mel- bourne 1863— 1864. 8. Im Aufirage des Hrn. Verfassers über- geben von Hın. Braun. 13. Novmbr. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. W. Peters las über die brasilianischen, von Spix beschriebenen Flederthiere. „Vespertilionum numerosus exercitus per omnes orbis partes vagatur, multumque a perfectione adhuc abest hujus ge- neris historia.” Mit diesem Satze begann Pallas(') vor jetzt hundert Jahren seine treffliche Abhandlung über den Yespertilio soricinus des niederländischen Museums. Es ist nicht zu leugnen, dafs seit jener Zeit unsere Kennt- nils von den Säugethieren dieser Ordnung sich ungemein ver- mehrt hat, indem sich die Zahl der benannten Arten gegenwär- tig auf nahezu 400 beläuft, während Linn& in der letzien Aus- gabe seines Systema naturae nur 7 Arten aufführt, von denen er seinem künstlichen System zufolge 6 mit dem Menschen und den Affen zusammen in die Ordnung der Primates, 1 dagegen zu den Nagethieren, Güres, stellte. Die Zahl der Flederihiere steht demnach, unseren bisherigen Kenntnissen zufolge, nur der der Nagethiere nach, welche wie sie über alle Welttheile verbreitet sind und mit denen zusammen sie sämmtlichen übrigen Säuge- thieren nahezu an Zahl gleich kommen. Leider hat noch immer der Pallas’sche Ausspruch über die unvollkommene Kenninifs der Flederihiere seine Gültigkeit, was hauptsächlich auch hier seinen Grund darin hat, dafs eine Menge von Autoren, die sich mit der Thierkunde beschäftigt haben, dieselbe nicht, wie es nothwendig ist, in Pallas’scher Weise, den äulsern und innern Bau zugleich berücksichtigend, betrieben, sondern sich, noch dazu oft in sehr oberflächlicher und flüchti- ger Weise, auf die Balgkunde beschränkt haben. Wir wissen daher mit Bestimmtheit noch nicht einmal, wie viele wirkliche Arten den bisher benannten entsprechen, da in einigen Fällen (*) Miscellanea zoologica. Hagae Comitum. 1766. p. 48. vom 13. November 1865. 569 dieselben Arten zwei-, drei- oder mehrfach unter verschiedenen Namen aufgeführt, in andern Fällen verschiedene Arten mit ein- ander unter demselben Namen confundirt worden sind, Es ist daher von besonderem Interesse, die Originalexemplare zu den Beschreibungen früherer Autoren, die nicht genügend oder we- nigstens den gegenwärtigen Anforderungen nicht entsprechend sind, so weit es möglich ist, aufs Neue zu untersuchen. Es betrifft dieses insbesondere die schwerer erreichbaren und daher z. Th. in den Sammlungen seltenen exotischen Formen. Durch die liberale Unterstützung meiner auswärtigen Collegen und Freunde habe ich bereits einen Theil des betreffenden Materials genauer untersuchen und abbilden lassen können und die daraus hervorgegangenen Resultate habe ich die Ehre gehabt, von Zeit zu Zeit der Akademie vorzulegen. Die verflossenen Herbstferien habe ich benutzt, um vorläufig die zahlreichen Arten von Flederthieren in München und Wien zu untersuchen, welche Spix und Wag- ner beschrieben haben und welche von den grolsartigen Reise- unternehmungen zur .Erforschung Brasiliens herrühren, die Spix und Martius mit Unterstützung der bayerischen, Natterer mit Unterstützung der österreichischen Regierung ausgeführt haben. Unser Mitglied, Hr. v. Siebold, der den durch ihn ge- _ genwärtig vortrefflich geordneten reichen zoologisch-zootomischen Sammlungen zu München vorsteht, hat mir mit grolser Libera- lität die eine genauere Vergleichung erfordernden, meistens sehr schlecht erhaltenen und durch fehlerhafte Präparation entstellten Exemplare, welche den Spix’schen Beschreibungen und oft ge- tadelten Abbildungen zu Grunde liegen, zur Untersuchung auf einige Zeit anvertraut. Ich bin so ın den Stand gesetzt, über ge für die Kenntnils der Chiropteren nicht unwichtige Zusätze zu den bisherigen Angaben machen zu können. diese Sammlung berichten und eini Die Zahl der von Spix in seinem Werke „Simiarum et Vespertilionum Brasiliensium species novae. Monachii 1823. p. 57 —68 beschriebenen und meist auf Taf. 35 und 36 abgebildeten Arten sind folgende: 1. Noctilio rufus, 2. N. albiventer, 3. Mo- lossus ursinus, A. M. nasutus, 5. M. fumarius, 6. Thyroptera tri- color, 7. Proboscidea saxatılis, 8. P. rivalis, 9. Vespertilio bra- siliensis, 10. Yampyrus cirrhosus, 11. Y. bidens, 12. V. soricinus, 370 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 43. Phyliostoma planirostre, 14. Glossophaga amplexicaudata, 15. Diphylla ecaudata. Nocrızıo Linne. 1. Noctilio rufus Spiaz. N. americanus Linne, Syst. nat. ed. XII. p. 88. (V. leporinus, ed. X. p. 32). N. unicolor (Geoffroy) Pız. zu Wied, Abbild. u. Beitr. Brasil. II, p. 223. N. leporinus (N. rufipes) d’Orbigny et Gervais, YVoyage dans U Amer. mer. Mammif. p. 12. Taf. 9. Fig. 1—4. N. unicolor Blainville, Osteographie, Cheiropteres Taf. 8. (Schädel.) Var. a. stria dorsali distincta. Vesp. mastivus Dahl, Skrifter af Naturhistorie-Selskabet. Kjöben- havn. 1797. 1V. 1. p. 132. Taf. 7. N. dorsatus Prz. zu Wiedl.c. N. leporinus var. dorsatus Blainville, Osteographie, Cheiro- pteres Taf. 4 (Skelet), Taf. 14 (Gebils). N. leporinus Gervais, Castelnau, Voyage Amer. Cheiropt. Taf. 12. Fig. 6. und 6a. Die Frage, ob es nur eine oder zwei grolse Arten dieser Gattung gibt, ist noch immer nicht mit hinreichender Gewils- heit entschieden. Nach dem Material, das ich habe untersuchen können, möchte ich glauben, dals es nur eine grolse Art gibt, welche von Westindien durch ganz Südamerica bis Chili und Para- guay verbreitet ist, da weder in den Körperproportionen, noch im Schädel oder Gebils genügende Merkmale zur Unterscheidung ge- funden sind und die Farbennüance allein kein hinreichendes Merk- mal zur Unterscheidung zweier Arten bildet. Ich will nur be- merken, dals bei denjenigen Exemplaren, welche ich von N. uni- color zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe, nicht allein bei einem längs dem Rücken aufgeschnittenen trocknen Original- exemplar Sr. Durchlaucht des Prinzen zu Wied, längs der Mittellinie eine versteckte Linie weilslicher Haare oder we- nigstens die Basis der Haare dieser Gegend von weilslicher Farbe gefunden habe. Die Länge des Vorderarms ist 0”,076 bis 0,092, des Fuls 0”,026 bis 0”,032, die Höhe des ganzen Ohrs 0”,023 bis 0”,030, am vordern Rande 0”,019 bis 0”,022. 2. Noctilio albiventer (Gffr.) Spix. (Taf. Fig. 2. Schädel.) vom 13. November 1865. 571 N. affinis d’Orbigny et Gervaisl. c. p. 11. Taf. 10. Fig. 1. N.leporinus Gervais, Castelnau, Voy. Amer. du Sud, Cheiro- pteres Taf. 12. Fig. 65. [Kopf in natürlicher Grölse (')] PN. ruber Rengger, Säugethiere von Paraguay p. 95. Von dieser auffallend kleineren Art befinden sich in der Spix’schen Sammlung zwei getrocknete Exemplare, ein ausge- wachsenes und, wie aus den unentwickelten Gelenkenden der Finger hervorgeht, ein ganz junges männliches Exemplar. Dals das erste wirklich ein ausgewachsenes und altes Thier ist, geht nicht allein aus der vollkommenen Verknöcherung der Finger- glieder, sondern auch aus der beträchtlichen Entwicklung des Schädelkammes hervor. Durch eine entstellende Präparation hat bei diesem, aber nicht bei dem Jungen, die Schenkelflughaut den Anschein bekommen, als wenn sie in eine Spitze ausliefe, wie es die Abbildung (Taf. 35. Fig. 2) zeigt, welche aus beiden Exemplaren componirt zu sein scheint. Dafs eine solche Spitze in der Natur nicht vorhanden ist, ersieht man sogleich daraus, dals die rechte Seite des Winkels, welche von dem Sporn allein gebildet wird, um 10 Mm. kürzer ıst als die linke, welche durch den zwischen beiden Spornen befindlichen freien Rand der Schen- kelllughaut um ebensoviel verlängert erscheint. Wenn Hr. Burmeister(?) behauptet, dals diese Art mit der vorigen ganz identisch sei, so möchte ich glauben, dals er eine solche Behauptung nicht aufgestellt haben würde, wenn er das Spix’sche Exemplar gesehen hätte. Unser Museum besitzt ebenfalls seit längerer Zeit ein in Weingeist aufbewahrtes Exem- plar dieser Art aus Paramaribo (Surinam), welches in der Fär- bung mit dem von Spix übereinstimmt. Der Gröfse nach ge- hört hieher ebenfalls der von Rengger beschriebene N. ruber, (*) Die Zähne, Fig. 6. und 6a., gehören nicht hieher, sondern zu der vorhergehenden Art. Ein grölserer Fehler dieser Art findet sich in dem sonst ausgezeichneten Werke auf Taf. 13, wo Fig. 6a und 65 zwar das Ge- bils von Zistiotus velatus darstellen, der unter Fig. 6 abgebildete Kopf aber nicht dieser Art, sondern dem Plecotus auritus angehört. Auf dieses letztere bin ich zuerst durch Hrn. Prof. Reinhardt aufmerksam ge- macht worden, von.dem wir eine ausgezeichnete Arbeit über die brasilia- nischen Flederthiere zu erwarten haben. (?) System. Übersicht der Thiere Brasiliens I. p. 60. 572 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse welcher sich in der Färbung so zu N. aldiventer verhält, wie N. unicolor zu N. dorsatus und welcher mir den Beweis zu liefern scheint, dals beide Arten, N. Zeporinus vo. ameri- canus Linne und N. aldivenzter Spix bald rostroih ohne Rückenbinde, bald rostbraun mit deutlicher heller Rückenlinie vorkommen. Im Gebifs finden sich in Bezug auf den Bau der einzelnen Zähne keine merklichen Verschiedenheiten zwischen beiden Ar- ten. Auffallend ist jedoch, dafs, während bei der vorhergehen- den Art, wie es auch die Abbildungen bei Blainville und Gervais zeigen, die oberen Backzähne sich, von der Kaufläche betrachtet, nur mit ihren äulsern Spitzen berühren, sie bei N. albiventer dicht an einander gedrängt stehen, so dals keine Zwischenräume zwischen ihnen bleiben. Der Schädel zeichnet sich durch seinen viel höheren Längs- kamm und besonders dadurch aus, dals der obere Theil des Hin- terhauptes, in welchen dieser Kamm ausläuft, weit mehr nach hinten hervorragt; auch liegt das Foramen infraorbitale in - gleicher Höhe mit dem Jochbogen, mündet nach vorn und kommt unter einem kleinen kammartigen Vorsprung hervor, wäh- rend es bei der vorhergehenden Art höher als der Jochbogen liegt und in einer Fläche nach oben gerichtet ausmündet, so dafs man es bei der Betrachtung des Schädels von ohen am deutlichsten sieht. Die Malse des ausgewachsenen re Exemplars sind folgende: Meter Von der Schnauzenspitze bis zum Ende des Schwanzes . 0,100 Ikänge des; Koplies: 7... wen... 0.00. ee ns Hohe, des ganzen Ohrs .. 00.0... .. 2 Dot Höhe des vordern Ohrrandes -. -. -. 2 2 2.2 2.2.0016 Wänge des Schwanzes 0. 1.00 Su . 0,017 Länge des Vorderarms . . Arch na na L.d.1.F. Mh. 0,004 ae elmıne Site ER EL RUE D..d.2.E.31- 110,052, 1 4 = 2.0.0011 aa: al N L.d.3.F. - 0,53 - 0,135 2. Gl.0,0375 Kpl.o, 0:02 ER EN L.d.4F. - 0,0555. °- 0,008 eW0,023°°2 0,003 ee Een 1.d.oaR. - 0,054 2% Seo os nkooer = 10.0023 oe vom 13. November 1865. 573 Meter Länge des Unterschenkels . . . . 2 2 ee nn.» 0,024 msendesnlulses . .. .. 0 tue en ee Bänse des Sporns „une li nenn nn 0,08 Morossus Geoffroy('). 3. Molossus ursinus Spix (Fig. 3. Schädel). Dysopes alecto Temminck, Monographies de Mammalogie 1. p- 231. Taf. 20 u. Taf. 23. Fig. 23—26 (mälsig). D.holosericeus etalbus Wagner; Abh. Münch. Akad. V. p. 198. Molossus rufus (Geoffroy) Gervais, Gastelnau. Voyage etc. p. 58. Taf. 12 Fig. 4 und Aa. (!) Um die systematische Stellung der Arten besser zu übersehen, gebe ich hier eine Übersicht der Gattungen. 1. Gen. Nyctinomus Geoffr. Oberlippe mehr oder weniger deutlich quergefaltet. Ohren sehr ge- nähert oder durch eine Haut mit einander verbunden. Zwischenkiefer durch eine Spalte wie bei Vespertilio von einander getrennt, die oberen Schneidezähne daher an der Basis weit von einander abstehend. Untere Schneidezähne in der Jugend 6, später 4 (selten 2)- 1. Subgen. Nyctinomus s. s., Oberlippe stark quergefaltet, Backzähne = _ == Europa, Afrika, Asien, Amerika und Australien. 1. N. brasiliensis Js. Geoffr. St. Hilaire. IN. naso Wagner. IN. multispinosus (Peale) Burmeister. N. fuliginosus Cooper. N. nasutus Temminck, Tomes, Allen excl. syn. N. rugosus d’Orbigny et Gervais. N. nasutus Gervais excl. syn., Gastelnaul.c. p. 61. N. brasiliensis Gervais, Castelnau |. c. pag. 60. Taf. 12. Fig. 2 und 2a. (Zähne). Var. N. musculus Gundlach, Monatsberichte. 1861. p- 149. Die von Hrn. Gervais nach einem einzigen Exemplar für M. rugo- sus angegebenen Verschiedenheiten liegen innerhalb der Grenzen der Art. Die cubanische Varietät hat den ersten oberer falschen Backzahn auffallend klein und freistehend. 2. N. gracilis Wagner. Eine sowohl im Äufsern wie durch ihren Schädelbau sehr ausgezeichnete Art. ?3. M. auritus Wagner. 574 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Diese Art ist zuerst von Spix in kenntlicher Weise be- schrieben worden und haben wir erst viel später aus Hrn. Ger- ? N. macrotis Gray, Gervais. PD. laticaudatus et coecus Kengger. 2. Subgen. Mormopterus Pirs. Oberlippe schwach gefaltet, Ohren deutlich getrennt, Schnauze flach. Backzähne = —_., Südostafrika, Madagascar und Mascarenen. 2. Gen. Chiromeles Horsfield. Oberlippe dick, ohne Querfalten. Ohren weit von einander abste- hend. Zwischenkiefer mit einander verwachsen. Obere Schneidezähne an einander stolsend, nicht mit den Eckzähnen in Berührung. Zähne 3.1 1 2 1 1.3 SEN Asien => = 7 55, obere Schneidezähne fast so grols wie der daran lende Eckzahn. Nur eine Art, M. Daubentonii, vom Senegal. ?4. Gen. Mops Fr. Cuv. Zähne a = -_ = Zwischenkiefer ver- wachsen? Obere Schneidezähne klein, von einander und von den Eckzähnen getrennt. M.indicus Fr. Cuv., aus Ostindien? 5. Gen. Molossus Geoffr. Oberlippe dick ohne Querfalten. Zwischenkiefer mit einander ver- bunden und die oberen Schneidezähne mit der Basis aneinanderstolsend. Tropisches Amerika. 1. Subgen. Promops Gervais. Ohren sehr grols, nach vorn gerich- tet und mehr oder weniger durch eine Hautfalte vereinigt. Backzähne -- — Die oberen. Schneidezähne mit ihren Spitzen divergirend und mit ihrer breiten Basis an die Eckzähne stolsend. 1. M. perotisPrz. zu Wied. 2. M. gigas Ptrs. Monatsb. 1864. p. 383. Dysopesrufus Temminck, non Geof[roy. ? Ist kleiner als ausgewachsene Exemplare von D. perotis. 3. M. abrasus Temminck. ?M. ferox Poeppig, Tschudi. !M. longimanus Wagner. M.ursinus Blainville (non Spix) Osteographie. Chiro- pteres Taf. 5. 4. M. ferox Gundlach, Monatsberichte 1861. p. 149. 5. M. nasutus Spix. M. fumarius Spix. 2. Subgen. Molossus Geoffr. s. s. Ohren nach vorwärts geneigt, mehr oder weniger deutlich durch eine Zwischenhaut ver- TE re vom 13. November 1865. 575 vais’ nachträglicher Darstellung ersehen, dafs dieselbe mit M. rufus Geoffr. zusammengehört. bunden. Backzähne = — 5 obere Schneidezähne mit der Basis an die Eckzähne stofsend, innere Ränder ihrer Spitzen parallel. 6. M. rufus Geoffroy, Gervais. M. ursinus Spix.. M. alecto Temm. 7. M. obscurus Geoffroy, Gervais. Var. a. M. velox (Natterer) Temminck. Var. b. M. tropidorhynchus Gray. 3. Subgen. Moloss ops Ptrs. Backzähne = 5; obere Schneide- zähne mit den Spitzen divergirend, an der Basis durch ein Diastema von den Eckzähnen getrennt. Ohren mälsig, dreieckig, deutlich von einander getrennt, Schnauze platt, Lippen dick, glatt. Schädel durch die flachere Gestalt und den Kamm vor der Orbita mehr dem von Mormopterus ähnlich. 8. M. Temminckii (Lund) Burmeister. 9. M. planirostris.n. sp. Ohren dreieckig abgerundet, wenig breiter als hoch. Flughäute nackt bis auf einen schmalen Saum der Lendenflughaut und unter der Dorsalseite des Unterarms, am 5. Finger und auf der Schulterflughaut über dem Unter- arm. Oben dunkelrostbraun, die Haare an der Basis weilslich; Unterseite an der Seite hellrostbraun, längs der Mitte vom Kinn bis Hinterbauch weils. Flughäute braunschwarz. Totallänge 0”,078; Kopf 0”,020; Vorderarm 0”,031; Mittelfinger 0”,058; Tibia 0,0095; Fuls 0”,008; Schwanz 0”,026. — 1 Exemplar im hiesigen Museum aus British Guiana, 1 im Museum zu München von der Barra do Rio negro in Brasilien und 1 im Museum zu Halle aus Bue- nos Aires, letzteres als M. naso Wagn. aufgeführt. 10. M. brachymelesn.sp. Ohren dreieckig abgerundet, wenig breiter als hoch. Flughäute an der Bauchseite nackt bis auf einen schmalen Streifen auf der Lendenflughaut neben dem Körper; an der Rückenseite ein Haarbesatz über dem Unterarm neben der Schulterflughaut und ein anderer zwischen dem 4. und 5. Finger und dem Vorderarm, welcher sich längs den beiden Enddritteln des letz- teren hinzieht. Oben dunkelbraun, die Haare a Grunde blasser, Unterseite rost- braun. Totallänge eines ausgestopften Weibchens 0”,104; Länge des Kopfes 576 Sitzung der phys!kalisch-malhematischen Klasse D as männliche Originalexemplar zeigt folgende Malse: Meter Totallängenin. 12 une er ee > Löngekdes Ko ps! IN ER 7 2 RER 7 ABA 023 Höhe’ des’ Ohrs? "7 27 PISRDEA ET SE IE AUR TER BEN 1 Nee Länge) des) Schwanzes . 2... 0 nl Se ee Länge des freien Endes desselben: x. Au. Ma ae Länge, desyOberanns, „rue 22 Sr Länge des Unterarms . . . see en ton L.d.1.F. Mh. 0,0045 1. Gl. 0,005 0. Gl. 0:0035,0 6 er ee L.d.2E. - 0055 =. 0,0015 — N L.d.3.F. - 0050 - 0,0233 2. Gl. 0,020 Kan 0,04 2.» 0,095 L.d.4.F. - 0045 - 000 - 005 - 0023. . .oor BEER 0,0 re 00 20002 2 200 Banse, des" Oberschenkels 3... 2 u un Ser Länge des Unterschenkels . . . . .'.. 0,018 Länge des Kulses; 4... 2... u. u ve Länee des, Spouns, . a. = oe ee u Länge des Schädels von dem vordern Rande der Schneide- zähne bis zu dem For. magnum . 2 2 2 2020.20. 0,018 Das Exemplar stammt nach Spix aus Parä, unser Museum besitzt Exemplare aus der Umgebung von Rio de Janeiro. 3. Molossus nasutus Spix (Taf. Fig. 4. Schädel). Ein trocknes, offenbar ganz verblafstes weibliches Exemplar, bei welchem der Schwanz unnatürlich weit aus dem Körper her- ausgezerrt ist, die beiden Häute der Ohrmuscheln unnatürlich auseinandergetrieben und mit Baumwolle ausgestopft sind, so dafs die Ohren unnatürlich auf einen schmalen Rand reducirt sind. Von Querfalten an der Seite der Schnauze, von denen Wagner (Schreber, Suppl. I. p. 474) spricht, findet sich keine Spur, wohl aber eine schwache Längsfalte parallel dem Seitentheile der Oberlippe. 0,0235, Ohr 0”,015; Vorderarm 0”,0425; Mittelfinger 0”,085; Tibia 0”,0125; Fuls 0",012. — Peru; im Museum zu Neuchatel als M. naso Wagn., aus welchem ich es durch Mn. Coulon’s dankbar anzuerkennende Liberalität habe untersuchen können. 11. M. aztecus Saussure. ee vom 13. November 1864, 577 Nach Erweichung des Kopfes läfst sich folgende genauere Beschreibung geben: Die Ohren haben eine dreieckig abgerundete Gestalt und bei einer Totalhöhe von 0”,012 eine Breite von etwa 0”,0085, sind daher ziemlich eben so grols wie bei M. odseurus, dem sie auch in der Form und Gröfse der an der Basis verschmäler- ten Ohrlappen sehr ähnlich sind. Die Ohren vereinigen sich nicht mit einander, sondern endigen sehr allmählig auf der Stirn und zwischen den Augen, 2”” von einander entfernt. Von dem Ende des Ohrs setzt sich eine sehr flache linienförmige Wulst fort, welche sich mit der der andern Seite in einen sehr schwachen Längskiel vereinigt, welcher auf dem letzten Drittel der Schnauze nicht mehr sichtbar ist. Die sehr kleine Ohrklappe von Länge und 5”” Breite hat eine abgerundete Spitze und sitzt auf einer breiten Basis auf, von deren unterem Ende ein sehr klei- ner spitzer Nebenfortsatz abgeht. - Die Nasenlöcher sind nach unten und vorn gerichtet und die Nase ist jederseits oben wie bei M. odscurus mit einem bogenförmigen gekörnten Kiel versehen, welcher mit dem der andern Seite in der Mitte zwischen den Nasenlöchern in einem Winkel zusammenläuft, sich aber nicht in einem Kiel längs der Mitte der Unterseite der Nase zwischen den Nasenlöchern fort- zuseizen scheint. Die Nase ist von dem Lippenrande wie gewöhn- lich durch ein Feld kurzer borstenartiger Haare getrennt. Die Entfernung der Augen von der Mitte des Schnauzenendes beträgt 7°®, Die Lippenränder sind wulstig, ohne Spur von Querfalten. Die Flughäute endigen am letzten Drittel der Tibia. Der Sporn ist grölstentheils knorpelig, sehr lang(') und ragt bis nahe an den Schwanz, von dem er nur durch eine 2”” lange Fortsetzung der Schenkelflughaut getrennt ist; der der rechten Seite ist an seiner äulsersten Spitze gabelförmig gespalten. Der Schwanz zeigt 11 Wirbel, von denen 6 über die Schenkelflug- haut hinausragen. Wagner gibt nur 10 Schwanzwirbel an, indem wahrscheinlich der letzte, nur 1”” lange von ihm über- sehen worden ist. (*) Es ist schwer genau zu bestimmen, wo der eigentliche Sporn auf- hört, da das Ende mehr ein feiner dehnbarer Faden ist. 578 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Die Körperbehaarung ist weich und ziemlich lang, und die Bauchseite der Lendenflughaut zeigt zwischen Oberschenkel und Oberarm eine sehr reichliche wollige Behaarung, welche sich sparsamer und kürzer in einem 8"" breiten Streifen unter dem Vorderarm fortsetzt und zu beiden Seiten der Mittelhand des 5. Fingers fast zur Mitte desselben herabsteigt. Die Schulterflug- haut ist auf der Bauchseite nur an dem dem Halse zunächst an- grenzenden Theile behaart; die Rückseite zeigt dagegen über _ dem Ellbogen und dem Unterarm eine kurze aber dichte Be- haarung, welche sich in eine spitze Haarschneppe bis zur Mitte des Unterarms fortsetzt. Ebenso zeigt sich unter dem Vorder- arm eine lange, etwa 6”"” breite sparsame Behaarung, welche neben dem 5. Finger und zwischen dem 4. und 5. Finger stär- ker wird und etwa bis zum Anfange des dritten Fünftels der Mittelhand des 5. Fingers herabsteigt. Die Farbe der Haare ist im gegenwärtigen Zustande braun, an der Basıs weilslich; die der Bauchseite sind zum Theil ganz weils, zum Theil braun mit weilser Basis und weilser Spitze. Die Flughäute sind ganz verblalst und ebenso der Haarbesatz längs dem Unterarm, während die Haare am fünften Finger noch braun sind. Der Schädel hat sowohl in seiner Gestalt, als in der Gröfse und in der Entwicklung des Mittelkammes grofse Ähnlichkeit mit dem von M. obscurus, nur ist er vorn ein wenig breiter. Der erste obere Lückenzahn, welcher zwar äufserst klein ist, entfernt diese Art von den andern eigentlichen Molossus und vereinigt sie mit Promops Gervais. Meter Von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzbasis ungefähr . 0,085 Länge des Schwanzes . . 2»... che . 0,051 Länge des hervorragenden freien SR: ae OR Länge des Oberarmsurae. an ee 001050 Länge des Vorderarms . . EN N a ENTE L.d.1.F. Mh. 0,0025 1. Gl.0,003 2, GL. 0,002 lad: 2 . 0,0075 1.0.2.8. 7701065772008 _ IE Bird L.d.3.F. - 0,044 - 0,0215 2. Gl. 0,0175 be 0,005 ER T-d.ASE, =, 10.097, 0, 3010185002-.0:0035 10,002 Pre 206 La.5SE. - . 0,0313. 5-, 0.00 22054 .-.. 0,0032 2 Seen vom 13. November 1865. 579 Meter Biinse, des Oberschenkels : . . 10.2 0008.00. ..0088 Benserdes Unterschenkels, - - =... 1. 21. =, . 007 Beer Einfses |... 0... 2.00 ee 0 ea 04 000,0 8010 Länge des Sporns. . . ea Ber RR Länge des Schädels Er Rn N und Hinter- hauptshöcker. . . - Er Sao ea 261210:018 Gröfste Breite über den Dan Be Sri 030095 Gröfste Breite zwischen den Augengruben. . . . . . 0,0067 Schmälster Theil zwischen den Schläfengruben . . . . 0,004 Länge der ganzen Zahnreihe *. + 2. :.+ 0.5 2908 2b 200,078 Abstand der oberen Eckzahnspitzen . . . - 0,004 - = wnteren Eckzahnspitzen - - 2 2 22. 0,002 3a. Molossus fumarius Spix. Das Originalexemplar in München ist früher in Weingeist gewesen, dann ohne Präparation mit dem ganzen Skelet getrock- net und sieht in diesem Zustande so aus, als wenn es in dem Schornstein geräuchert worden wäre, verdient daher mit Recht den Namen fumarius. Eine vorsichtige Aufweichung in schwacher Alaunlösung hat das Thier so verändert, dals vortrefflich alle in Betracht kom- menden Theile zu erkennen sind und eine genaue Messung sich vornehmen lälst. Die Ohren so wie die Ohrklappe stimmen in Gestalt und Gröfse ganz mit denen der vorigen Art überein. Die Ohren endigen zwischen dem vordern Theil der Augen, 1%”” von ein- ander entfernt und vereinigen sich durch eine niedrige, aber deut- liche linienförmige Wulst in dem sehr deutlichen und bei die- sem Exemplar (wie es auch die Abbildung zeigt) nackten mitt- leren Schnauzenkiel, welcher nicht ganz bis zum Ende der Nase hingeht. Die Nase ist durch das Eintrocknen zwar verschrumpft, man sieht aber noch ganz deutlich die bogenförmigen gekerbten Leisten, welche früher den schiefen oberen vorspringenden Na- senrand bildeten und welche sich in einem spitzen Winkel zwischen den Nasenlöchern vereinigen. In allem Übrigen stimmt das Exemplar mit dem von M. nasuzus so vollständig, auch in dem Gebils und Schädelbau überein, dals mir kein Zweifel an [1865.] 43 580 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse der Identität beider Arten übrig bleibt. Die Farbe ist weniger verblalst und die bei dem Exemplar von M. nasutus braunen Theile sind bier mehr schwärzlich, was offenbar kein specifischer Unterschied sein kann. Die geringere oder stärkere Entwickelung des Schnauzenkiels kann eben so wenig eine Unterscheidung für die Art abgeben, da es nicht allein von der Präparation, sondern auch von individuellen Zuständen abhängt, ob diese Hautfalte mehr oder weniger vorspringt. Meter Botallänge:i;..n adesekl:lg Nah: meelnleare er aaa 0,115 Länge des Kopfes . . - ; Et, Länge des Ohrs von der Bi Je Glekpeees bis zum höchsten Theil der Stirn . ... erlare e RS Breite -des Ohrs von der Mitte des haslteren Randes bis hin- ter. dem Auge te u. ne a ee ee ee ee Wales Abstand der Augen von der Schnauzenspitze . . . . . 0,007 Länge des Rumpfes von der Schulterhöhe bis zur Schwanz- basısuar ech Veh a Ze a en N innz Länge des Schwanzes . . RE ER rs LTE Länge des freien ee ae Ar A ne . 0,019 Längendes Oberaums 2. 1.0 1 1m. En 0 Länge des Unterarms. . . - R “0 Er 10:0 Länge d. 1. F. Mh. 0,003 1. Gl. 0,003 2. GL. 0,002 7a 2a ne Länge d.2.F. - 0,05 - 0,005 _ . .. 0,0465 Länged.3.F. - 09 - 002 2.Gl. 0,018 Kpl. 0,004 0,090 Länged.4.F. - 00° - 008 - 0,0085 - 0,002 0,070 Länge d.5.F. - 0,025 - 0,012 - 0,0065 - . 0,0025 0,048 Länge des Oberschenkels , . ı „7.1.0... '...20., Er u Länge, des Unterschenkels ;. . 2... 1.0. 2 eng Tängendesg Kulsesgi. „0.00. 2.0 000020 0.20 200 nn Länge des ,Spoms ey el ug lol nee ie ur eis Tuynoprera Spix. 4. Thyroptera tricolor Spix. Die kopflosen Überbleibsel des Spix’schen Exemplars sind hinreichend, um die vollständigste Übereinstimmung desselben mit der von Rasch (Ny: Magazin for Naturvidenskaberne, Chri- stiania. 1843. IV. 1.) so genau beschriebenen und ebenda abge- bildeten Art zu beweisen. Diese Art ist grölser und hat auch } A vom 13. November 18635. 581 einen längern und auffallend mehr hervorragenden Schwanz als die von mir beschriebene Zr. (Hyonycteris) discifera aus Puerto Cabello in Venezuela. Prososcınz4A Spix. EmsArzonur4A Temminck('). 9. Proboscidea saxatilis Spix. Vespertilio Naso Pr. zu Wied, Schinz, Übers. von Cwvier's Thierreich 1821. 1. p. 179. - Reise nach Brasilien. 1815. 1. p. 251. Abbildungen u. Beitr. Naturg. Brasil. Il. p. 274. 5 Über diese Art existirt kein Zweifel und der ältere Name des Prinzen zu Wied ist für dieselbe zu behalten. Was das Gebifs anbelangt, so will ich nur bemerken, dafs meistens jeder- seits zwei obere Schneidezähne vorhanden sind, von denen zu- weilen der äufsere kleine fehlt. 5a. Proboscidea rivalis Spix p. 62. Von dieser Art sagt Spix nur „‚differt corpore minore, supra fusco-brunnea, subtus pallide brunnea, alis supra caput prominentibus.” Diese Beschreibung palst ganz gut auf ein Exemplar, wel- ches mir Hr. v. Siebold zur Untersuchung zugesandt hat und welches nach Art des Molossus fumarius ohne weitere Prä- paration getrocknet und zusammengeschrumpft ist. Es gehört dasselbe ohne Zweifel zur vorhergehenden Art, mit welcher Pr. rivalis daher als synonym zu betrachten ist. 6. Vespertilio brasiliensis Spix. Taf. 36. Fig. 8. Es ist, da kein Exemplar vorgefunden ist, nicht einmal mit Sicherheit zu ermitteln, zu welcher besonderen Gattung diese Art gehört. Tracavors Gray. 7. Yampyrus cirrhosus Spix. Trachops fuliginosus Gray. Tylostoma mexicanum Saussure. (*) Der Name Emballonura ist zwar später als Proboscidea; letzterer muls aber unterdrückt werden, weil er schon viel früher verschiedene Male an Gattungen anderer -Thierklassen vergeben worden ist. 43* 582 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Das einzige Exemplar, ein ausgewachsenes Männchen, hat zwar sehr gelitten, indem es zum grölsten Theil enthaart und verblafst ist, jedoch ist es glücklicherweise in Weingeist aufbe- wahrt und zur Untersnchung wohl geeignet. Die Ohren sind so lang wie der Kopf, ganzrandig, am vor- ‘dern Rande convexer als am äufsern, mit einem innern Längs- kiel und 16 bis 18 Querwülsten, nackt, mit Streifen längerer Haare am innern Rande und auf dem Längskiel; der Basallappen des äufsern Ohrrandes ist durch einen stumpfen Winkel von letz- terem abgesetzt und zeigt an seiner inneren Seite einen zungen- förmigen Vorsprung. Die Ohrklappe ist lang, am Ende ver- schmälert, abgeplatiet, griffelförmig, am vordern Rande wulstig verdickt, an der Basıs des äulsern Randes mit einem breiten wul- stigen Vorsprung versehen, der unten einen platten eckigen zahn- förmigen, oben und innen einen rundlichen warzenförmigen Fort- satz bildet; über dem Vorsprung ist dieser Rand bis zum End- drittel sägeförmig gezackt, mit 5 bis 6 Zacken, von denen der unterste längste mehr isolirt steht. Die Augen sind ım Verhält- nils klein. Die Lanzette des Nasenbesatzes ıst am Rande äulserst fein gekerbt bis zur feinen Spitze hin und die Grenze des Huf- .eisens von der Oberlippe ist nur an den seinen Rand andeuten- den warzigen Vorsprüngen zu erkennen; die Seitenränder des Hufeisens sind sägeförmig gezackt, aber viel stärker als die Lan- zette.e Am Rande der Ober- und der Unterlippe befindet sich eine Reihe conischer Warzen, und das Kinn, welches in der Mitte eine breite glatte Längsfurche zeigt, ist jederseits mit langen conischen Warzen versehen, welche am zahlreichsten in zwei Reihen neben der Furche liegen und dahinter noch drei unregel- mälsige Querreihen bilden, von denen die hinterste nur zwei Warzen enthält. Die Körperbehaarung ist fein und besonders auf der Rück- seite lang; sie dehnt sich auf der Lendenflughaut bis nahe zum Ellbogen, und auf der vordern Extremität auf das Basaldrittel des Vorderarms aus; auf der Bauchseite ist das Enddrittheil des Oberarms und das Basaldrittel des Vorderarms nur sparsam be- haart. Die Flughäute gehen bis an die Fulswurzel, gegenüber dem Ursprung des Sporns; sie sind sehr breit, da der 5. Finger län- ee vom 13. November 1865. 583. ger als der 4. ist. Der Schwanz ist viel kürzer als der Unter- schenkel und läfst äufserlich fünf Glieder erkennen; das erste ist kürzer als das längste zweite, welches nur wenig länger als . das dritte ist; das vierte ist halb so lang wie das dritte und das Endglied ist äulserst kurz. Die Spornen sind kurz, nur halb so lang wie der Unterschenkel und. die sehr entwickelte Schenkel- flughaut ist am Rande bogenförmig ausgeschnitten. Die Farbe ist, nach den mehr erhaltenen Haarstellen zu ur- theilen, oben dunkelbraun, unten bräunlich grau. Die noch ge- färbten Flügelstellen sind dunkelbraun und die Krallen hell horn- farbig. Die Zähne haben auf den ersten Anblick in ihrer Form grolse Ähnlichkeit mit denen von Pryll. Rastatum. Jedoch sind die äulseren oberen zweilappigen Schneidezähne viel kleiner, die bei- den vorletzten wahren Backzähne hinten viel mehr ausgerandet, so dals das Cingulum hakenförmig nach hinten vorspringt; die unteren Schneidezähne sind dreilappig, an der Wurzel abstehend und der zweite kleine untere Lückenzahn ist länglich oval und liegt ganz an der innern Seite zwischen dem 1. und 3. Lücken- zahn versteckt. Zähne — --—- =. Der Schädel ist am schmälsten hinter den Orbitalgruben, ziemlich flach über und vor diesen letzteren. Der Jochbogen ist ausgezeichnet durch einen nach oben und vorn gerichteten hakenförmigen Fortsatz. Der harte Gaumen ist seitlich nur flach ausgeschnitten und vor den beiden Foramina ıncisiva findet sich in der Mitte ein einfaches kleineres Foramen. Die vorn abgerundete Zunge ist auf der Endhälfte mit platten schuppenartigen, zerstreuten pilzförmigen und auf der Mitte hinter der Spitze mit einem Haufen scharfer mehrspitziger Papillen bedeckt, welche meist die Basalhälfte der Zunge bedecken, auf der man zwei Papillae circumvallatae be- merkt. Der Magen hat eine bohnenförmige Gestalt und ist mit Inseetenresten angefüllt. Meter Totallänge bis zur Schwanzspitze. . . 2 2 22.2.0185 Länge des Kopfes . . . . Ian 8 eh Abstand der Augen von der Scheer u DE REITER 0:0095 - - Ss vonleinanderinsNn)% ET, IEDERSEIIE 0,0087 - - vom Ohr) „2: ln EL FIRE 0,0065 584 Sitzung der physikalisch-mathemaltischen Klasse Meter Höhe des Olkrs.harr Eshall. HaRE Dar . 0,030 Höhe des vordern Ohrrandes . 2 2 2 2 2 2.2 0..2..0,035 Breiteudes Ohrsh. 23®..3unl 00.0. am Bar Men He Bän&endertÖhrklappen Ru.aar 20h. Sun EEREaNT lEr. Berep in Länge des ganzen Nasenbesatzes . . . . . . 0,0125 Länge; der Lanzette iv gsun. IN-WEEIBE I Bun Sr TERN Beeite desi:Hufasenswilikan: Tor uote er 0,008 Breite der Lanzette . . . Er ORRERITTRN GR . 0,0075 Körperlänge von der Schulterküfle bis zur Schwanzbasis . 0,050 Pänce des Schwanzes m... 2. us. Se bange ıdes Oherarmsi: Wr. ans ei Tan DEE Länge des Vorderarms . - : er. see An FE RTOID L.d.1.F. Mh. 0,0065 1. Gl. 0,0058 2. eı. OR ee L.d.2.F. - 0,033 - 0,0068 — Aue .141295.4.0,0385 K.d.3.F. - 0,0465 - 0,020 2.Gl.0,0295 3. Gl. 0,0123 3 Kpl. 0,005 0,110 L.d.4.F. - 0,50 - 0,0163 = 0,0165 Krpl.0,008 . . 0,084 L.d.5.F. - 054 - 006 - 0065 = 0,0037... 0,087 Längel.des; Oberschenkelsiluin.s eins ae N - - Blünterschenkels vr ara Vale . 0,025 - AulRulsesb Atari ee . 0,018 - =USPOTNSTIR- NER. huetsch maRk SABINE Länge der Schenkelflughaut BR re RR RN Grölste, Längeiudes.Schädels (sl „u valinne. I0r meer. Länge des Schädels bis zum Foram. magn.. . . . . 0,024 Schädelbreite über den Ohröffnungen . . . 0,0125 Schmälster Theil des Schädels hinter den Orbitdigrubien . 0,0055 Abstand der Orbitalgruben . . 2 2 2 2202000202 0,007 Gröfster Abstand der Jochbogen . . ». . 2.22... 0,0152 Länge der oberen Zahnreihe . . . 2.2... 0,0065 Länge der unteren Zahnreihe . . » 2 2 2.2.202..2.08007 Abstand der oberen Eckzahnspitzen . . . .».. . 0,0054 Abstand der unteren Eckzahnspitzen . . » 2 2.2... 0,0038 Spix hat nicht angegeben, woher sein Exemplar stammt; jedoch befindet sich unter dem Glase ein etwas abgeriebener Zettel aufgeklebt, auf welchem sich noch eine Aufschrift „R. S. Francisco, 21 Apr.” erkennen lälst. vom 13. November 1865. 585 LornosromA d’Orbigny et Gervais. 8. Vampyrus bidens Spix. V. auriculis capite brevioribus, lobulo vix distincto, trago acu- zninalo, margine anteriore incrassato; prosthemate modico; calvitie labii inferioris triangulari verrucata,; alis ad tarsum extensis; dentis praemolaris inferioris secundi-apice haud prominente; cranio post fossas orbitales vix coarctato. Das ausgestopfte Exemplar, ein Männchen, erscheint offenbar kleiner als es im natürlichen Zustande war. Die Lendenflughaut ist zwischen dem Oberschenkel und dem Vorderarm in grolsen horizontalen Falten zusammengedrängt, welches beweist, dafs der Körper ansehnlich grölser war, als er jetzt ist. Eben so ist beim Abbalgen der Vorderarm nicht wieder herausgezogen wor- den, weshalb der Ellbogen am Körper steckt und der Oberarm gar nicht hervortritt, so dals das Thier auch in seitlicher Rich- tung viel kleiner erscheint, als es in der Natur gewesen ist. Die Behaarung scheint allerdings bis zur Mitte des Vorderarms, sowohl auf der Rücken- als Bauchseite, sich ausgedehnt zu ha- ben und die dünne wollige Behaarung auf der Bauchseite der Schulterflughaut und der Lendenflughaut ist offenbar mehr ent- wickelt als bei Z. amb/yotis, dem sie nach den noch sicher zu messenden Theilen an Grölse wenigstens gleich kommt, wenn ‘sie es nicht noch übertrifft. Die Ohren sind oval, ganzrandig, etwas kürzer als der Kopf, mit vielen Querfalten versehen, nackt, bis auf die hintere Fläche der Basalhälfte des innern Randes, einen Haarstreifen auf der innern Seite dieses letztern und einen schwächern Haar- streifen am Längskiele des Ohrs; der Ohrlappen an der Basis des Aufsenrandes ist wenig entwickelt und durch einen sehr stumpfen Winkel abgegrenzt; die Ohrklappe ist zugespitzt. Das Hufeisen ist rudimentär, die Lanzette länger als breit. Unterlippe mit einer dreieckigen nackten Stelle, welche mit Wärzchen bedeckt ist, von denen die äuflseren Reihen ein dop- peltes-in einander geschobenes V bilden. Die Flughäute umhüllen die Basis des ersten Fingerglieders des Daumens und gehen wenigstens bis zur Mitte des Tarsus herab. Das Mitielbandglied des Zeigefingers ist gekrümmt. Die 386 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Farbe war nach Spix oben schwarzbraun, unten mäusegrau, die der nackten Flügel schwarz. Jetzt sind die Haare braun, die des Rückens mit kürzeren, die des Bauches mit längeren blassen Spitzen, und die Flügel sind blalsbraun. Der Schädel ist hinter den Augengruben nur wenig schmä- ler als zwischen denselben, die Crista fronto-occipitalis wenig vorragend und die Basis cranıi ausgezeichnet durch die ziemlich starken Vertiefungen des Keilbeinkörpers. Der zweite untere Lückenzahn ragt nicht zwischen den angrenzenden Zähnen mit seiner Spitze hervor und kann daher leicht übersehen werden. Meter KängerdesuKopfes 0. 0... 0. 2 02 Totallänge des Ohbrs 7,0. al Su m re breite‘ des Ohrs „u. vor a MV hen nl A des Bangzender Ohrklappero 2 1. 22 2 ee ErgRE Iängerdes Schwanzes u. . er Dänge. des Vorderarms! 2 en E08 L.d.1.F. Mittlh. 0,0075 1. Gl. 0,007 2.Gl.0,0%4 . . 2 . . 0,07 L.d.2.F. - 0,03 - 0,007 — N ee L.d.3.F. - 006 - 0,020 2. Gl. 0,0125 Knorpel 0,006 0,054 L.dA4.Er. - 008. .- 00° -, 006 = 0,003 0,080 TId.o,E 0-0 00,00900 8-07 00le = 00 - 0,003 0,031 Länge des Unterschenkels . . . 5, 2 2 2 0 2.2 0.004 Tr; -— Fulses eo . e o Ü) Ö D o © o D O ® D 0,016 - ZINSDOENS HT en me lee De NC Re De gan Länge der Schenkelflughaut ungefähr . . » 2...» . 0,0% Wotallänge des Schädels. .ı . 2. Fo oBpEs Von der Spitze der Schneidezähne bis zum For. magn. . 0,022 Breite des Schädels über den Ohröffnungen . . . . . 0,0115 = - - zwischen den Augengruben . . . . 0,0062 = = 2 hinter den Augengruben . . . . . 0,0057 Durch seinen ganzen Bau schlielst sich diese Art zunächst an Ph. amblyotis Wagn. an und gehört mit ihr in die Gat- tung Lophostoma. Nach der Angabe von Spix unter Dächern am Rio $S. Francisco in Brasilien. CAaroLııA Gray (Hemiderma Gervais). 9. Vampyrus soricinus Spix. Ph. brevicaudum Prz. zu Wied. N Aa DD Du eh — (tn mn U m vom 13. November 1865. 587 Ein trocknes Exemplar aus der Spix’schen Sammlung, wel- ches Wagner nachmals dicolor benannt hat, so wie zwei in Weingeist conservirte Exemplare, welche aller Waährscheinlich- keit nach von Spix stammen, lassen nebst der von Spix gege- benen Beschreibung und Abbildung keinen Zweifel übrig, dafs diese Art mit dem von S.D. dem Prinzen zu Wied bereits mehrere Jahre vorher (A. Schinz, Übersetzung von Cuvier’s Thierreich. 1821. I. p. 164) unterschiedenen Ph. Brevicaudum identisch ist. Über die Synonymie dieser oft verkannten Art habe ich mich bereits früher (Monazsberichte d. Js. p. 521) aus- gelassen. Arrıseus Leach. 10. Pryllostoma planirostre Spix. Ph. perspicillatum Geoffroy. Nach Untersuchung des einzigen Originalexemplars in Wein- geist kann ich nur die Übereinstimmung desselben mit PR. per- spieillatum Geoffroy bestätigen. Gebils 3 = + >: GrossormAascA Geoffroy. 11. Glossophaga amplexicaudata (Geoffroy) Spix. — Gl. soricina Pallas Sp- An der Richtigkeit der Bestimmung diesen häufigen Art ıst nicht zu zweifeln. Es befinden sich mehrere Exemplare in der Münchener Sammlung, welche von Spix herzurühren scheinen. Diruyııa Spix. 12. Diphylla ecaudata Spix. Das Originalexemplar dieser bisher seltenen Art ist noch jung, wie die noch unverknöcherten Gelenkenden der Finger- glieder beweisen. Daher mag es kommen, dals es nur eine ge- = EI ° 3 . o ringere Zahl der Backzähne zeigt, — statt —, wie ich es an einem ausgewachsenen Exemplar unseres Museums aus Central- amerika fand('). (*) Während des Druckes dieser Zeilen habe ich durch Hrn. Dr. Rüppells besondere Güte Gelegenheit gehabt, ein frisches Exemplar von Ph. personatum Wagner zu untersuchen und muls dasselbe nun für 588 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Schädel von Noctilio leporinus L.; ausgewachsenes Männ- chen, ohne Dorsalstreifen, aus Cuba. ig. 2. Schädel von Woctiilio albiventer Spix; ausgewachsenes Männ- chen im Zoolog. Cabinet zu München. Originalexemplar. Fig. 3. Schädel von Molossus ursinus Spix (M. rufus Geoffroy); ausgewachsenes Männchen zu München. Originalexemplar. Fig. 4. Schädel von Molossus(Promops) nasutus Spix; ausgewach- s&ues Männchen zu München. Originalexemplar. Hr. Dove legte folgende ihm von Br. Prof. Dr. Spörer in Anklam zugeschickte Abhandlung über Sonnenflecke vor. In der Einer Königl. Akademie am 13. Juli d. J. vorge- legten Abhandlung habe ich mich am Schluls gegen Wilson ausgesprochen und angeführt, dals die Erklärung der keineswegs so regelmälsigen excentrischen Kernstellung (nahe den Sonnen- rändern) in den Vorgängen auf der Sonne zu suchen sei, nicht aber in den perspectivischen Verhältnissen. Es war meine Ab- sicht, speziellere Beläge hiefür erst später zu geben und zunächst über die Vertheilung der Flecken in den letzten Jahren eine Übersicht vorzulegen; indessen ein Aufsatz, welchen Gautier am 23. August d’J. der socieie helvetique des sciences. naturelles überreicht hat, veranlalst mich, schon jetzt eine Zusammenstel- lung aus dem vorliegenden Material zu geben. Indem Wilson’s Ansicht überaus lange herrschend gewe- sen, so dals auch Kirchhoff in seiner berühmten Abhandlung verschieden von Phyllops (Artibeus) undatus Gervais halten. Es gehört diese Art zu den Artibeus mit - Backzähnen, für welche ich, wenn man sie als besondere Gruppe abtrennen will, den Namen Uro- derma vorschlage. Das Exemplar unseres Museums aus S. Paulo in Bra- silien, dessen Übereinstimmung mit dem Natterer’schen Exemplar eben- daher nicht zu bezweifeln ist, hat zwar, wie Phyllops, einen tiefen re- gelmälsigen Ausschnitt des Gaumens, derselbe ist aber, wie sich bei ge- nauerer Untersuchung herausgestellt hat, nicht natürlich, sondern Folge einer Verletzung. Von-Pampyrops kann man diese Gruppe äulserlich durch die zweilappigen oberen mittleren Schneidezähne unterscheiden, welche bei jenem einfach, mehr meilselförmig sind. Cf. p. 356.- Monatsber. Akad Wiss.Berlin 1865.p.588. I.Noetilio leporinus. 2.N. albıventer. 3.Molossus ursinus. 4 M.nasutus. SD LRranz Wagner sez.u.lth Druckv. Gebr. Delius. . - P7 BE nn vom 13. November 1865. 589 für nöthig erachtete darauf Rücksicht zu nehmen, ferner erst noch in diesem Jahre der Hofrath Schwabe bei den Erschei- nungen am Sonnenrande sich mit Wilson einverstanden erklärt hat, sollte man wohl erwarten, dals eine grölsere Anzahl ent- sprechender Fälle leicht erlangt werden könnte, mithin die Un- tersuchung vorzugsweise solche Fälle behandeln würde. Ich habe mich aber schen bei den mehrjährigen Beobachtungen mit einem kleineren Fernrohr vergeblich bemüht, auch nur einen solchen Flecken zu finden, wie in populären Schriften abgebildet ist, wo die Form eines Fleckens während seiner scheinbaren Wanderung vom Ostrande zum Westrande ganz der Wilson’- schen Ansicht gemäls dargestellt wird; ebenso wenig ist es mir gelungen, seitdem ich mit einem 64 fülsigen Fernrohr arbeite; im Gegentheil ist es mir immer mehr räthselhaft geworden, wie denn überhaupt die Wilson’sche Auffassung zur Anerkennung und Herrschaft gelangen konnte. In den Vordergrund dieser Untersuchung stelle ich einen schönen Fleck, den ich durch die Witterung begünstigt vom 22. Sept. bis 4. Oet. d. J. täglich beobachten konnte. Die spe- zielle Behandlung der verschiedenen Theile dieser Fleckengruppe, namentlich die Zuziehung von Messung und Rechnung, kann zugleich als Beispiel einer detaillirten Erörterung gelien, wie sie meiner Meinung nach geeignet ist, um eine nähere Kenntnils der Verhältnisse zu erlangen. Der Mittelpunkt des Hauptgebildes, auf welchen sich die nach- folgenden Ortsbestimmungen beziehen, ist in den Zeichnungen Spt. 22 bis Sept. 29 auf einer horizontalen (Declinations-) Linie und in der Mitte zwischen zwei verticalen Linien zu finden; in den Zeichnungen Sept. 30 bis Oct. 4 liegt er in der Mitte des betreffenden Feldes. Bei den Zeitangaben bedeutet z. B. Sept. 25, 5 den wegen Aberration corrigirten mittleren Berliner Mittag des 25. September. Die Rectascensionen « und Declinationen sind mit ganzen Secunden angesetzt, während die allerdings nicht mehr zu verbürgenden Zehntel doch noch bei Berechnung der heliographischen Örter benutzt sind. 390 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 1865 0: 8 L b m u u. a) en Spt. 22,455 | + 18 47” | — 459 | 91,4 4,80 23,455 | + 13 40 — 452 | 90,60 8,11 24,557 | + 11 31 — 412 | 90,84 8,52 2549| + 915 2'336 | 91,01 8,50 26,40 | + 6 22 — 217 | 90,92 8,52 27,476 | + 3 14 — 058 | 90,64 8,37 28,499 |. 140... 9412:1442u0, 36, 1m,90,63 8,20 59.024 |, 3 10: 175.26 1 9099 8,06 Sol 6 301 295 09025 7,80 Oct. 1398 | — 8 49 | +513 | 90,44 7,80 2,608 | — 11 20 | +6 52 | 90,38 7,72 341 | — 12 28 +745 | 90,48 7,67 4,619 | — 13 15 | +845 | 90,6 7,9 Die Normalläingen Z gehn aus den zuvor berechneten helio- graphischen Längen 7 dadurch hervor, dafs letztere mit £= 14,295 dem Rotationswinkel der Sonne auf eine bestimmte Epoche 1865 Spt. 8,046 oder Oct. 3,230 (= 1862 Fbr. 6,5) bezogen sind. Wird bei diesen Längen Z und den obigen Breiten 5 eine der Zeit proportionale Änderung angenommen, so folgt mit Ausschliessung der beiden Randörter, nämlich des er- sten Ortes Spt. 22 und des letzten Oct. 3 = 22,84 + 14,242. (£ — Spt. 28,4875) 5b = +8,12 — 0,0964. (2 — Spt. 28,4875) Die nach dieser Formel berechneten / und 5 setze ich mit den verbleibenden Unterschieden her, dabei die Z selbst hinzufü- gend, während die 5 vorher schon aufgeführt sind. I ber. 2. Unt. | ber. 2. | Unt. . u mn un 310,87 | 311,17 | + 0,30] 8,60 + 0,49 327,29 | 327,29 0,001 8,49 — 0,03 340,21 | 339,99 | — 0,22 | 8,41 — 0,09 354,44 | 354,25 | — 0,181 8,31 — 0,21 8,38 8,44 | + 0,06 | 8,21 — 0,16 22,90 22,90 0,00] 8,12 — 0,08 36,07 36,18 | + 0,111 8,03 — 0,03 52,23 52,33 | + 0,10] 7,91 + 0,11 64,25 | . 64,29 | + 0,041 7,83 + 0,03 81,56 81,45 | — 0,111] 7,72 0,00 93,06 92,96 | — 0,10 | 7,64 — 0,03 vom 13. November 1865. 591 Die Formel für die berechneten 2 enthält den täglichen Ro- tationswinkel des Fleckens = 14,242, welcher mit dem Rota- tionswinkel der Sonne 14,295 verglichen eine tägliche Abnahme der Länge um 0,053 Grade, also einen Oststurm von 22 geogr. Meilen stündlicher Geschwindigkeit ergeben würde; allerdings nur ein Rechnungsresultat von geringem Werthe. Die Änderung der Breite, täglich = 0,0964, würde als zweite Componente einen Nordsturm von 6% geogr. Meilen stündlicher Geschwindigkeit ergeben. — Daraus würde ein NNO. Sturm von beinahe 8 geogr. Meilen stündlicher Geschwindigkeit re- sultiren. Diese Angabe würde voraussetzen, dals ein Schluls auf die Richtung der Stürme in gleicher Weise gemacht werden könnte, wie wir aus dem Zuge der Wolken auf die in der Höhe herr- schenden Stürme schlielsen. Die Zahlen für die Geschwindig- keit wären vollends nur als ein beiläufiger Versuch zu betrachten. Die Geschwindigkeit eines Sturmes aus dem Wolkenzuge ent- nehmend würden wir auch nur ein sehr unsicheres Resultat er- halten, denn wir sehen, dafs an einer Stelle Wolkenmassen sich auflösen und verschwinden, an einer andern Stelle Neubildungen eintreten, anderswo Theile unter Beibehaltung ihrer Gestalt mehr oder weniger abgerilsen werden und mit grölserer Geschwindig- keit und in anderer Richtung treiben, hier also erkennen lassen, dafs, während sich die Wolke in einer Hauptrichtung fortwälzt, gleichzeitig auch beträchtliche Stürme in anderen Richtungen vorhanden sind. So würden auch bei einem wolkigen Sonnen- fleck neben einer mittleren Hauptrichtung gleichzeitig andere Richtungen und grölsere Geschwindigkeit der Stürme zu denken sein. Wenn man die Vergleichung der Sonnenflecken mit Wol- ken darum nicht für zulälsig erklären wollte, dafs häufig grofse Beständigkeit der Flecke beobachtet wird, so wäre zu bemerken, dals eine solche Beständigkeit nur für sehr schwache Vergröfse- rungen existirt. Geht man aber über eine 200malige Ver- grölserung hinaus, so findet sich kein Gebilde, bei dem nicht eine schärfere Achtsamkeit in wenigen Stunden Veränderungen entdeckt, welche — wenn auch bisweilen nur gering erschei- nend — in Wirklichkeit doch sehr beträchtlich sind. Zu er- wägen ist immer die ungeheure Gröfse der Flecken und werde 592 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ich zunächst für den obigen Flecken Zahlen angeben, aus denen sich die Grölse der Gebilde leicht entnehmen läfst, ferner bei Vergleichung zweier Bilder desselben Fleckens erkennen läfst, dafs wir — um nicht Geschwindigkeiten vorauszusetzen, welche jede Vorstellung übersteigen — vielfach genöthigt sind, Auf- lösungen und Neubildungen der Massen anzunehmen und zwar in vielen Fällen auch dort, wo auf den ersten Anblick eine Ver- schiebung der Massen erfolgt zu sein scheinen könnte. Dieses führt uns aber dahin, die „oberhalb heller Flächen befindlichen dunkelen Flecken“ in einer unseren Wolken ähnlichen Weise zu denken. Zu den Zeichnungen ist ein Netz angewendet, bei welchem jede Quadratseite 175 Bogensecunden oder beiläufig den 110ten Theil des scheinbaren Sonnendurchmessers beträgt. Auf der Mitte der Sonnenscheibe ist demnach die Fläche eines kleinen Quadrats 54 mal so grols als unser Erdtheil Afrika, und gilt an den einzelnen Tagen folgende Gröfsenbestimmung für die klei- nen Quadrate, ebenfalls für Afrika als Einheit: Afr. Afr. Sept. 23 12,9 Sept. 29 5,6 24 8,5 30 6,3 25 6,8 Oct, 14.171 26 6,0 2,297 27 5,6 3 13,3 28 5,6 Man wird danach entnehmen, dals Spt. 24 der grolse geschlos- sene Hof etwa 60mal so grols als Afrika, derselbe Spt. 25 nur = 50 Afrika anzusetzen ist. Nach einer weiteren Verkleinerung bis Sept. 26 auf 35 Afrika würde diese Zahl ungefähr bis Oct. 1 gelten, darauf aber wieder eine erhebliche Steigerung einge- treten sein. Der Haupttheil unseres Fleckens, welcher Sept. 22 Vormit- tags schon 121 Grad vom Rande entfernt war, hätte Sept. 21 Nachmittags als feine Linie gesehen werden können. Aus dem ‘Umstande, dafs ich ihn nicht bemerkte, will ich noch nicht den Schluls ziehen, dals der Fleck erst inzwischen entstanden, in- dessen war doch Sept. 22 auffallend, dals von 9 U. 40 M. an, vom 13. November 1865. 593 zu welcher Zeit die Karte entworfen wurde, bis um 2 Uhr die Kerne stärker zunahmen, als den Projectionsverhältnissen entspricht, ferner auch andere Veränderungen sich geltend machten. Nicht minder zeigten sich Sept. 23 sehr beträchtliche Umformungen, namentlich eine um 11 Uhr angefertigte, hier nicht mitgetheilte Zeichnung gab den südwestlichen Theil der Kerne weit com- pacter, die nördlichen Ansätze wesentlich anders als die für 2% Uhr geltende Zeichnung. Betrachtet man für Sept. 22 und Sept. 23 die Zeichnung des Hofes, so ersieht man, dafs von einer der Wilson’schen Hypothese entsprechenden Form durchaus keine Rede sein kann, dafs indessen der Ausspruch. eines Beobachters anders gelautet haben könnte, wenn derselbe mit einem kleinen Fernrohr und mit geringer Vergrölserung das Gebilde betrachtet hätte, indem dann wegen der Unkenntlichkeit der hellen Kanäle im östlichen Theile des Hofes auch der Hof östlich breiter erscheinen mulste. Die Vergleichung der Bilder Sept. 24 und Sept. 25 macht den Eindruck, als wenn der südliche Theil des Kerns durch Stürme von links (auf © durch Ostströme) fortgetrieben sei, d. h. derartige Stürme hätten eine Auflösung der Massen links und Neubildungen rechts hervorgerufen. Schon Sept. 25, mehr noch Sept. 26, waren auffallend die zahlreichen Spitzen des Kerns. Wenn man oberhalb eines Magneten einen Papierbogen ausbreitet und Eisenfeilspäne aufstreut, so nehmen diese bekannt- lich sofort bestimmte Richtungen an und ordnen sich in Reihen; eine gleiche Regelmäfsigkeit zeigte sich namentlich auf der rech- ten Seite des Kerns. Die kleinen länglichen Fleckenstücke setz- ten sich hier so nahe dem Kern oder dessen Verlängerungen an, dals nicht wohl angegeben werden könnte, wo der Kern auf- hörte und der Hof anfıng. Dergleichen kommt nicht selten vor und ist neben der Zerlegung eines Hofes in kleine Flecke ein entscheidender Beweis dafür, dafs die Höfe ihrer Natur nach nicht wesentlich von den Kernen zu unterscheiden sınd. In Bezug hierauf wollen wir bei Besprechung des Mai 19 beobach- teten Fleckens noch eine Bemerkung hinzufügen, jetzt aber den Hofstreifen ins Auge fassen, welchen die Zeichnung Sept. 22 südöstlich nahe dem Hauptflecken zeigt. Während derselbe Sept. 22 um 10 Uhr nur als ein verwaschener Hofstreifen zu 594 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse erkennen war, zeigten sich in demselben schon um 1 Uhr zahl- reiche Flecke von einigen Secunden Durchmesser und an den folgenden Tagen löste sich Alles so vollständig in Flecke auf, dals sogar eine Abschätzung ihrer Anzahl nicht unmöglich ge- wesen wäre. Nach Sept. 25 änderte sich diese Parthie vollstän- dig, während auch der Hof des Haupifleckens auf der rechten Seite, ebenso der Kern ganz anders wurde. Rechts und links findet man Sept. 26 den Kern ausgedehnt über beträchtliche Flä- chen, welche am Tage vorher von zahlreichen länglichen Stücken eingenommen waren. Von der Sept. 25 sehr deutlichen Tren- nungslinie würde man für Sept. 26 eine Drehung behaupten können. Solche Drehungen sind mir nicht selten vorgekommen. Das Wort Drehung zu vermeiden, scheint mir keine Veranlas- sung, indessen möchte ich doch hervorheben, dals bei einem Ge- bilde von so ungeheurer Ausdehnung nur von einer scheinbaren Drehung die Rede sein kann, welche unter Einwirkung der Stürme dadurch hervorgerufen ist, dafs an der einen Stelle Kern- stücke aufgelöst, an einer andern Neubildungen hervorgerufen sind. Von dem im Hauptkern Sept. 25 und Sept. 26 vorhan- denen hellen Streifen konnten Sept. 27 noch Spuren bemerkt werden, wie die Zeichnung ergiebt, dabei. war ‚aber eine dem- selben anliegende tief-dunkele Kernstelle recht auffallend und er- hielt sich durch mehrere Tage. Diese dunkelen Stellen, auf welche zuerst Dawes aufmerksam gemacht hat, erscheinen mir nicht als etwas besonders merkwürdiges. Indem ich die Flecken oberhalb heller Flächen (der Fackelflächen) befindlich ansehe, finde ich die Erklärung der verschiedenen Schattirung der Kerne und zugleich dieser dunkelen Kernstellen einfach durch die An- nahme einer geringeren oder bedeutenderen Anhäufung der den Kern bildenden dunkelen Massen. Der Kern war Sept. 27 im Vergleich zu den früheren Ta- gen abgerundeter, mehr noch Sept. 28 und Sept. 29. Der Hof hatte einen andern Charakter angenommen, indem er rings um den Kern heller war und hier nicht mehr in Punkte aufgelöst werden konnte. In einem dunkelen ungleich breiten Randsaume war dagegen die Auflösung in Punkte sehr leicht zu erkennen, und besonders auf der südlichen Seite traten Punkte mit hellen Zwischenräumen, welche grölser als diese Punkte waren, an allen vom 13. November 1865. 595 Tagen (namentlich von Sept. 28 an) sehr deutlich hervor, wur- den sogar noch Oct. 4 um 9 Uhr sehr schön gesehn. Die Zeichnung kann dies besonders bei Oct 4 nicht mehr wiederge- ben, weil dazu der Malsstab der Zeichnung zu klein ist. Die Uebergänge der Kernform Sept. 29 zu derjenigen Oct. 3 sind aus der Zeichnung deutlich zu ersehn, so dafs ich nichts weiter binzufüge. Dies Gebilde Oct. 3 ist dadurch interessant, dals man vom östlichen Theile des Kerns anfangend eine dunkele Spirale herausfinden kann, neben derselben eine helle, wobei man denken könnte, dafs ın der letztern Stürme den Flecken umkreist und die kleinen Hof-Flecken weggefegt hätten. Bei dem Randbilde Oct. 4 um 9 Uhr war der westliche Theil des Hofes weniger deutlich als der östliche und um 2 Uhr 50 Mi- nuten nicht mehr zu erkennen. Mit der Wilson’schen Auf- fassung ist also auch das Gebilde am Westrande nicht zu ver- einen. Die Ausdehnung der Fackelfläche habe ich bei der Zeich- nung Sept. 22 und Oct. 3 angedeutet. Die Fackeln betreffend will ich besonders für Oct. 4 hinzufügen, dafs der Anblick sol- cher Randgebilde mit den umgebenden glänzenden Fackeln jeden Beobachter dagegen einnehmen wird, dals sich die Flecken oberhalb jener hellen Flächen befinden, indem man in einer wirklich überraschenden Weise die Fackeln als bergartige Er- höhungen und zwischen diesen die Flecken in einer um so grölseren Vertiefung zu sehn glaubt, je dunkler der Fleck ist. Angenommen selbst, es verhielte sich in der That so wie es nach dem Anblick erscheint, so wäre dennoch die Erscheinung als eine Täuschung zu bezeichnen, weil die für körperliches Sehen erforderliche Bedingung nicht erfüllt ist, nämlich dafs unsere Augen zwei von einander verschiedene Bilder empfangen, welche combinirt werden. Von dieser Täuschung frei zu werden, ist mir in solchen Fällen bei directer Betrachtung nicht möglich ge- wesen. Die Täuschung verschwindet, wenn man das Sonnen- bild in dunkelem Raume auf einer weilsen Fläche projizirt. Die glänzenden Fackelflächen wirken dann nicht so stark auf das Auge ein, und man hat das Bild auf einer ebenen Fläche vor sich, so wie auch — aber uns weniger bewulst — das direct [1865.] 44 596 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse betrachtete Bild des Fernrohrs in allen seinen Theilen auf einer ebenen Fläche liegen muls. Aus der Umgebung unseres grolsen Fleckens ist schon der lange Hofstreifen erwähnt, welcher sich Sept. 22 südöstlich zeigte. Weiter südöstlich war Sept. 22 ein kurzer Hofstreifen, in welchem erst Mittags ein dunkeler Kern erkannt wurde, gleich- mälsig von Hof umgeben. Derselbe wurde Sept. 23 in gleicher Weise gesehn (Z = 84,8 und 5 = + 4,9), er war Sept. 24 wei- ter nach links getrieben (Z = 85,0 und 3 = + 4,9); nun aber nicht mehr gleichmälsig behoft, sondern südlich fehlte der Hof gegenüber einem neuentstandenen Fleck, dessen Hof nach der entgegengesetzten Seite gerichtet war. Auch Sept. 25 bestand die entgegengesetzte Hofstellung, aber es war eine überaus be- trächtliche Drehung eingetreten, wobei wiederum das Wort Drehung in der oben erörterten Bedeutung zu nehmen ist. Sept. 26 war eine nördliche Verbinduug der Höfe hergestellt; Sept. 27 hatte der westliche Theil einen beträchtlichen Hof. Sept. 28 hatte die rechte Hälfte des Gebildes einen Hof auf der Südseite, die linke Hälfte auf der Nordseite und war der letz- tere Hof seiner ganzen Ausdehnung nach von einem hellen Ka- nal durchzogen. Sept. 29 fehlten die Höfe fast ganz und mit Sept. 30 hörte diese Parthie auf. Vergleicht man den Ort des Kerns für Sept. 23 mit den Oertern für die Mittelpunkte der späteren Gebilde: L 5 NR) nn) Sep. 3 848 +49 Da Ba. 5 856 +48 Sud Dr Be em so ergiebt sich folgendes: Während nach dem Anblick der Ge- bilde beträchtliche Stürme in wechselnden Richtungen herrschten, , resultirte eine Bewegung im Sinne eines Weststurmes. Die entgegengesetzte Richtung finden wir weiter nördlich. Es ist schon oben erwähnt worden, dals die Südspitze des; Kerns Sept. 25 den Eindruck :mache, als wenn die Veränderun-. gen unter Einwirkung eines Oststurmes hervorgebracht seien. a vom 13. November 1865. 597 Die zu erwähnenden Beziehungen weisen für die anliegende südöstliche Parthie ebenfalls auf einen Oststurm hin. Im süd- lichen Theil des Hofes giebt die Zeichnung für Sept. 25 einen neu entstandenen Kern, für dessen Westrand folgender Ort gilt: Se 6) L b Sept. 25,479 + 940” — 3750 86 +77 Die helle Stelle Sept. 26 links neben dem Kern ist der Anfang für die Auflösung des Hofes in dieser Gegend. Bis Sept. 26 sind an der früheren Ostgrenze des Hofes neue Kerne mit Hof entstanden, auch Sept. 27 vorhanden, die 'wir aber nicht weiter betrachten. Von dieser Stelle zieht sich südlich eine helle Strafse, (welche Sept. 25 vom Hof eingenommen war) und wir finden östlich von derselben zwei Kerne, nur auf der rechten Seite behoft. Für einen Punkt an der Westseite zwi- schen den Kernen gilt der Ort: Sept. 26,480 + 6/48” — 2/40” | 88,6 + 7,8 also haben wir hier dasselbe, allerdings veränderte Gebilde, wel- ches Sept. 25 den südöstlichen Theil des grolsen Hofes bildete. Die folgenden Oerter zeigen es weiter nach rechts getrie- ben, wodurch also (auf &) Osistürme angezeigt werden. Sept. 27,476 + 345” — 1/22” 83 +78 Sept. 28,492 + 030 + 010 278 +78 beide Oerter ebenfalls für die Mitte einer westlichen Grenzlinie geltend. Die Einbiegung des Hofes Sept. 28 war der Beginn seiner Auflösung und verblieben bis Sept. 29 nur einzelne Punkte, von denen der mitielste abermals östlicher liegt: Sept. 29,424 — 2730” + 1360” | 864 +77. Im Nordwesten der Gruppe befanden sich Sept. 24 aus- gedehnte Parthieen, von welchen nur kleinere bis Sept. 25 übrig blieben. Hier ist die Bewegung nach links (auf © Weststürme) durch folgende Oerter angezeigt, welche auf der Karte angege- ben sind mit Andeutung der Punkte, worauf sie sich beziehn: Au® 598 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse L d nn) u Sept. 24 92,6 + 10,8 - 27 93,6 + 81 - 28 93,8 + 7,6 - 29 94,2 + 86 Eine Gruppe, welche nordöstlich weiter abstand, so dafs sie auf der Karte nicht mehr angegeben werden konnte, darf nicht unerwähnt bleiben. Sept. 27 Nachmittags entstand ein kleiner Fleck, dessen Ort Z = 80° und = +-17°; dieser wurde an derselben Stelle auch Sept. 28 und Sept. 19 gesehn. Der grofsen Gruppe näher zeigten sich Sept. 28 drei Flecke, zwischen ihnen ein matter Hof (Ort des westlichen Flecks: Z = 83° und 3 = +-17°); an ihrer Stelle war Sept. 29 eine Gruppe sehr zahlreicher kleiner Flecke, auch noch Sept. 30, aber sehr matt sichtbar. Entfernt südlich war Sept. 30 die auf der Karte No. 12 angegebene Gruppe vorhanden, deren Ort Z= 86,7 und = +12. Von allen begleitenden Parthieen war Oct. 1 nur noch ein kleiner Fleck östlich vom Hauptflecken verblieben, darauf ver- schwand auch dieser. Der Hauptfleck ist nach Oct. 4 auf der uns abgewandten Sonnenseite verschwunden. In der folgenden Rotationsperiode wurden an der Stelle der Gruppe nur zer- streute Fackeln gesehen. Die Gegend in der Nähe des Längenkreises 90°, welche von unserer Gruppe eingenommen wurde, war in den Jahren 1862 und 1863 sowohl auf der nördlichen, als auch auf der südlichen Halbkugel wenig besetzt gewesen. Für das Jahr 1864 sind 14 Rotationsperioden gezählt worden, indem die ganze zu Anfang des Jahres sichtbare Sonnenscheibe in die erste Periode aufgenommen wurde; dagegen wird die erste Periode des Jahres 14865 von dem Längenkreise 0° gezählt, welcher 1865 Jan. 7 Nachmittags die Mitte der Sonnenscheibe passirte.e Von der ersten bis zur zehnten Rotationsperiode d. J. 1864 bestand bei 90° ein breiter leerer Streifen, nur durch drei Gruppen unter- brochen, zwei auf der südlichen, eine auf der nördlichen Halb- kugel. Mit der eilften Rotationsperiode trat für die nördliche Halbkugel eine entschiedene Änderung ein. Ein mit R bezeich- vom BNDversberm1 365 599 " neter „‚Fackelbezirk”, dem Längenkreise 90° westlich angrenzend, war in den Perioden 11 bis 13 mit schönen Gruppen besetzt; in der folgenden Periode waren nur Fackeln vorhanden. In der ersten Periode des Jahres 1865 schien dieser Bezirk erloschen, während sich östlich von 30° ein neuer Fackelbezirk Y zeigte. Dieser erstreckte sich später auch westlich über 30° binaus, nicht gleichmälsig in den einzelnen Perioden, immer Flecken- gruppen enthaltend bis zur zehnten Periode, in welcher der grolse Fleck beobachtet wurde. Zu den schönsten Gruppen dieses Bezirks gehören die auf den Karten 1. 2. 3. abgebildeten. Die im Mai beobachtete Gruppe (Karte 1) entstand erst Mai 17 auf der westlichen Hälfte der Sonnenscheibe.. Vom Mai 19 sind zwei Abbildungen mit- geiheilt, weil gerade die erste Entwickelung der Flecke in Be- ireff der Hofbildung von besonderem Interesse ist. Der Vor- mittags nur noch kleine westliche Fleck war Nachmittags be- trächtlich angewachsen, mehr und minder dunkele Theile ent- haltend, in einer Weise, dals zweifelhaft blieb, ob die ver- waschenen minder dunkelen Theile schon als Hof zu betrachten wären oder nicht. Dies reiht sich dem oben (bei Sept. 25) be- merkten an, auch dafür sprechend, dafs Kern und Hof nicht we- sentlich von einander verschieden sein können. Man findet nicht selten, dals die Entwickelung eines Flecks über diese Stufe nicht hinaus kömmt, während bei unserem Fleck eine interesse Fort- entwickelung statt fand. Das Mai 20 Morgens gesehene Ge- bilde änderte sich schon im Laufe des Tages erheblich, der nordöstlich vorgestreckte Arm des Fleckens verschwand und ein langer Kern entstand am Südwest-Rande des Hofes. Bei der auf Karte 2 abgebildeten Gruppe ist für Juni 8 die angesetzte Hofstellung der nordöstlichen Haupttheile bemerkens- werth. Von diesen einander nahen Theilen verschwand der westliche, während nach dem Anblick der Karte der östliche bis Juni 12 eine Drehung erfahren zu haben scheint. Hier ist aber Auflösung und Neubildung beobachtel worden, wie ich es als allgemein geltend in Betreff einer Drehung sagte. Nämlich Juni 9 war nur die nördliche Hälfte des Kerns verblieben und diese in drei Stücke zerfallen, welche sich später wieder zusammenschlossen und vergrölserten, wobei das östliche Stück vornehmlich nördlich 600 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sich vergröfserte. Die Umänderungen und Neubildungen waren überhaupt bei dieser Gruppe sehr beträchtlich. Die auf der Karte 5 abgebildete Gruppe ist erst Aug. 28 an einer Stelle entstanden, wo Aug. 27 nur Fackeln (nahe dem Ostrande) vorhanden waren. Auch bei dieser Gruppe werde ich auf eine specielle Beschreibung nicht eingehen. Ich hebe nur die schönen Hofstellungen hervor und erwähne bei Spt. 5, dafs die Zeichnung für den Mittag gilt, am Morgen aber der grofse Hof des östlichen Theils nicht so vorhanden war. Der läng- liche Kern in der Mitte der Gruppe hatte rechts nur einen mä- [sig breiten Hof, dem östlichen runden Kern fehlte links der Hof gänzlich, so dafs innerhalb einiger Stunden Neubildung des Hofes über einer Fläche statt fand, welche mindestens viermal so grols ist, als unser Erdtheil Afrika. Das Feld No. 17 war ursprünglich für einen kleinen dem Aequator nahen Fleck bestimmt, der Juli 4 am Ostrande als feine graue Linie erschien. Erst Juli 4 Abends wurde ein Kern an der Ostseite des Hofes bemerkt. Juli 5 war der Kern mehr abgerundet, nur nördlich und südlich behoft. Juli 6 und 7 wur- den sehr zierliche Hofformen gesehn, namentlich Juli 7 schöne weithin auslaufende Spitzen. Juli 8 war der Hof nur westlich. Von Juli 9 an folgten verwaschene Formen. Der jetzt auf dem Felde 17 abgebildete Fleck verdankt seinen Platz den Aufsätzen Secchi’s, welche in den astronomischen Nachrichten No. 1553 enthalten sind und mir gerade in diesen Tagen zukamen, als ich schon den grölsten Theil der Karte gezeichnet und die Be- stimmung für die einzelnen Felder getroffen hatte. Dieser Fleck zeigte Juli 9 eine der Wilson’schen Auf- fassung entsprechende Form, welche indessen aus einer nicht entsprechenden hervorgegangen ist. Nahe dem Sonnenrande Juli 8 war nämlich der Hof gerade auf der Ostseite nicht vollständig geschlossen. Juli 14 wurden im Kern zahlreiche helle Streifen in verschiedenen Richtungen gesehen; der süd- östliche Theil des Hofes war zu einer Spitze verlängert, deren kleine Flecken zwar ziemlich gleiche Gröfse hatten, indessen ihre Abstände von einander waren um so grölser, je weiter die kleinen Flecke von dem Kern entfernt waren, was häufig so vorkommt. Die Zeichnung für Juli 15 soll andeuten, dals der vom 13. November 1865. 608 Kern von zwei tiefdunkelen Streifen durchzogen und mit zahl- reichen Spitzen besetzt war. In dem südlichen Theile des Hofes war eine helle Bucht, welche bis zum Kerne reichte. Juli 16 war der Kern sehr locker, etwas weniger Juli 17; Verschieden- heit der Höfe war bemerklich und ist in der Zeichnung ange- deutet. Juli 18 hatte der Kern eine neu entstandene Verlänge- rung, welche links bis zum Rande des Hofes reichte. Juli 19 war bei heiterem Himmel die Luft zum Erkennen der Gestalt nicht günstig. Juli 20 wurde der Kern um 8 Uhr gesehen, nur nördlich und südlich behoft, darauf er$chien um 3% Uhr Kern und Hof als ein gleichmälsig dunkler schmaler Streifen. Secchi hat an den 4 Tagen Juli 17 bis Juli 20 die Ab- stände vom Rande gemessen und daraus den täglichen Rotations- winkel des Flecks berechnet. Neben Secchi’s Zahlen stelle ich die aus meinen Rechnungen hervorgegangen: Seechi Spoerer Juli 17 bis 18 14,13 14,23 Juli 18 bis 19 13,91 14,00 Juli 19 bis 20 13,7 13,7 Juli 20 Nachmittags habe ich ebenfalls nur den Abstand vom Rande gemessen, welcher 34 Bogensekunden betrug. Die Ver- gleichung desselben mit dem für Juli 19 aus Rectascension und Declination entnommenen Abstande giebt die obige Zahl 13,7. Dabei kann die völlige Übereinstimmung nur als eine zufällige gelten, weil der Einfluls der Beobachtungsfehler zu grols ist. Wenn der Abstand noch 10 Sekunden beträgt, wird durch einen Fehler von einer Bogensekunde die Länge schon um % Grad verändert. Die Abnahme der Rotationswinkel würde sich durch eine Strahlenbrechung der Sonnenatmosphäre erklären lassen, wie Secchi in einer behutsamen Weise ausspricht. Auch Car- rıngton hat sich mit dieser Frage beschäftigt und in den monthly notices April 1858 eine Untersuchung mitgetheilt, eben- falls auf die grofsen Schwierigkeiten aufmerksam machend. Bei meinen Untersuchungen der Rotationswinkel habe ich viele mei- ner Randörter unbenutzt gelassen, theils in der Absicht von der Strablenbrechung frei zu bleiben, theils in Rücksicht auf den 602 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse grolsen Einfluls kleiner Beobachtungsfehler. In den meisten Fällen zeigen sich leider die Gestalts- oder Ortsveränderungen so dominirend, dafs die Aussicht auf Ermittelung der Strahlen- brechung sehr gering ist. Der obige Fleck mag vielleicht als ein sehr günstiger bezeichnet werden können. 1865 a Ö L b ‚Juli 8,351 | + 15’21” | —1’43”| 25,75 | — 9,360 | + 14 11 | —2 5 | 25,51 11,561 | + 8354| —238 | 25,12 13,358 + 3 9 | — 2 38 | 25,00 14,459| + 056 | —2 29 | 25,15 145,454| + 431 | —2 13 | 25,06 16,445 | + 754 | —1 51 | 25,18 17,340 | + 10 33 | —1 28 | 25,13 18,423] + 13 9 | —0 53 | 25,07 ; 19,427 | + 14 46 | —0 26 | 24,781 — 5,1 Der Mittelwerth der Längen von Z von Juli 11 bis Juli 18 beträgt 25,10. Ein Einflufs der Strahlenbrechung durch die Sonnenatmosphäre verkleinert die Z am Westrande, daher Z für Juli 19 zu klein, entsprechend der obigen Betrachtung der Rotationswinkel.e Für den Ostrand mülsten die Z wegen der Strahlenbrechung zu grols sein, so wie es oben für Juli 8 und Juli 9 erhalten ist. Als ein interessantes, wenn auch noch nicht entscheidendes Resultat wäre also zu entnehmen, dals der Fleck, auf welchen P. Secchi hingewiesen hat, nicht nur für den Westrand, sondern auch für den Ostrand einen Einfluls der Strahlenbrechung zeigt. Eine nothwendige Folge der Strahlenbrechung würde sein, dals in einem schmalen Saume des Sonnenrandes noch ein Theil - DIE nl RRANNPRDP PDPREOSOSAAIA Er} der abgewandten Sonnenseite zu sehn wäre. Damit wäre in Übereinstimmung, dals der Sonnenrand keineswegs scharf abge- schnitten hell erscheint. Der äulserste Theil des feinen Saumes, welcher das matteste Licht sendet, würde bei Betrachtung der Sonne durch ein Blendglas nicht mehr sichtbar sein, ebenso nicht bei Projection des Sonnenbildes auf eine weilse Fläche, weil hier gleichfalls eine Lichtschwächung stattfindet. Wenn dagegen auf der uns (nach geometrischer Construction) abge- wandten Sonnenseite nahe dem Rande sehr intensive Fackeln vor- handen sind, — Fackeln, wie ich sie einmal von solcher Inten- — =——= — Ten ne vom 13. November 1865. 603 sität gesehn habe, dafs sie durch eine vorüberziehende Wolke hindurchleuchteten, während durch dieselbe die übrige Sonnen- scheibe völlig verdeckt wurde, — so würden diese auch noch in dem äulsersten sonst unsichtbaren Theile des feinen Sau- mes sichtbar sein können und feine Hervorragungen bilden. Es ist nun in der That zu verschiedenen Malen und erst am 3. August d. J. bei einer Randbeobachtung von Secchi beobach- tet worden, dafs sehr schmale Fackelstellen über den Rand hin- ausragten. Wenn nun aus dieser Erscheinung der Schluls ge- zogen wird, dals die Fackeln bergartige Erhöhungen seien, so würde die obige Erklärung den Schlufs nicht zulassen, und würde. andrerseits jene Erscheinung nicht meinem Ausspruche entgegentreten, dals sich die Flecken oberhalb der hellen Fackel- flächen befinden. Die Gruppe im Felde 18, welche auch Secchi in den er- wähnten Aufsätzen ihrer gewaltigen Veränderungen wegen an- führt, wurde aufgenommen in der Absicht, einige Bemerkungen anzuknüpfen über eine durch die Zeitungen verbreitete Notiz, dafs mit dieser Gruppe die magnetischen Störungen in Verbin- dung standen, auf welche zur Zeit der Zerreilsung des trans- atlantischen Kabels von Airy hingewiesen ist. — Auf einer vor- her leeren Stelle, welche Juli 29 nur erst mit einem kleinen Fleck und einigen andern fast Punkte zu nennenden Flecken be- setzt war, zeigte sich Juli 30 auf der Mitte der Sonnenscheibe jene bedeutende Gruppe, deren Bild für 4, Uhr Nachmittags so getreu als möglich wiedergegeben ist. Die Schwierigkeit der Zeichnung, namentlich die Eintragung in das Netz bei einem nicht mit Uhrwerk versehenem Fernrohr, wurde an diesem und den folgenden Tagen dadurch sehr erhöht, dals kaum einige Minuten vergingen ohne vorgekommene Änderungen in den fei- nen Details, daher denn auch eine Revision oder Verbesserung der fertigen Zeichnung kaum geschehen konnte. Die Gruppe habe ich bis Aug. 4 verfolgt; Aug. 5 kam sie an den West- rand, konnte hier aber wegen Regenwetter nicht beobachtet werden. Die grofsen Umwälzungen auf der Sonne seit Juli 30 kön- nen wir doch noch nicht mit denen vergleichen, die in kurzer Zeit das Gebilde Juli 30 hervorriefen auf einer Fläche, welche 604 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse das Dreifache der ganzen Erdoberfläche noch übersteigt. Indem zugleich Juli 30 die Fleckengruppe auf der Mitte der Sonnen- scheibe sich befand, so wäre man wohl berechtigt zu verlangen, dals der Eintritt der magnetischen Störung schon für Juli 30 nachgewiesen werden müfste, wenn ein Zusammenhang mit jener Gruppenbildung annehmbar erscheinen soll. Durch gefällige Mittheilung des Prof. Lamont habe ich die Münchener magnetischen Beobachtungen erhalten und daraus er- sehn, dals weder von Juli 29 bis Juli 30, noch an den nächst- folgenden Tagen etwas besonders Auffallendes in Betreff des Magnetismus der Erde vorgekommen ist. Die grolse magne- ‘ tische Störung trat in München erst Aug. 3 entschieden hervor. Ich finde mich daher nach dem vorliegenden und nach anderen ähnlichen untersuchten Fällen zu der Meinung veranlalst, dafs eine Abhängigkeit des Magnetismus der Erde von den auf der Sonne bei Bildung der Flecke thätigen Prozessen schwerlich in stärkerem oder auch nur in gleichem Mafse anzunehmen sei, wie die immer nur sehr untergeordnete Abhängigkeit unserer Witte- rungsverhältnisse von einem Einflusse des Mondes. Auf den Karten 19 bis 26 sind zwei Gruppen No. 70 und No. 120 abgebildet, welche zu verschiedenen Zeiten an dersel- ben Stelle der Sonnenoberfläche beobachtet wurden. Beide ge- hören einem Fackelbezirke an, der ın den einzelnen Rotations- perioden seit der 6. Periode des vorigen Jahres verfolgt worden ist, einige Ortsverschiebungen und Unterbrechungen zeigend. Die Gruppe No. 70 ist dieselbe, von welcher schon Zeich- nungen aus Rom und Palermo bekannt geworden sind. Von den beiden Kernen, welche Mai 25 und 26 im Haupttheil der Gruppe standen, löste sich der östliche völlig in kleine Flecken auf, während sich östlich der Hof zusammenschlofs, so dafs Mai 27 für ein schwaches Fernrohr das Gebilde der Wilson’schen Angabe entsprechen konnte. Darauf traten weitere Umformun- gen ein, wie auch die Zeichnung für Mai 29 zeigt. Später ver- grölserte und theilte sich das Gebilde, was nicht weiter erör- tert werden soll. Wir benutzen die Zeichnung Mai 26, um nun, mit der Wilson’schen excentrischen Kernstellung abzu- schlielfsen. Es sind wohl Beispiele genug angegeben worden zur Begründung meines Ausspruches, dals die Stellung der Höfe vom 13. November 1865. 605 an den Kernen den Vorgängen auf der Sonne, und nicht den perspectivischen Verhältnissen zuzuschreiben sei. Wir wollen noch einen Schritt weiter gehn und hervorheben, dals bei dem Auftreten der Gruppen am Östrande die vorangehenden west- lichen und meist stärker entwickelten Theile einer Gruppe in den beiden fleckenreichen Gürteln oft gerade auf der westlichen Seite die beträchtlichere Hofentwickelung haben, wofür die Er- klärung wohl in gleicher Weise wird gegeben werden können, wie für die „entgegengesetzte Hofstellung,” welche sehr häufig bei kleinen und einander nahen Flecken, aber auch nicht selten bei grölseren und weit entfernten Flecken beobachtet wird, (ver- gleiche Karte 1 für Mai 20 und Karte 2 für Juni 8). Auch bei der Gruppe 70 zeigte sich sehr schön Mai 26 der westliche Theil der Gruppe mit einem links geschlossenen Hofe, dagegen der kleinere östliche Theil nur auf der rechten Seite behoft. Die Gruppe No. 120 kann in Betreff der auf grofsem Ge- biete erfolgenden beträchtlichen Veränderungen als eine Ergän- zung der ausgezeichneten Gruppe No. 91 betrachtet werden. Während bei letzterer die unter verschiedenen und wechselnden Richtungen zu denkenden Stürme Neubildungen von Kernen und Höfen hervorriefen, dieselben wiederum zerstörten und andere Gebilde schufen, dabei weite helle Stralsen bahnend, eingefafst von Kernreihen, hinter denen die Höfe lagerten, finden wir in dem hier abgebildeten Haupttheil der Gruppe No. 120 die Bil- dung eines überaus bedeutenden und nur wenig zerstückelten Kernes mit -einem umschlielsenden überall zusammenhängenden Hofe, darauf Oct. 18 Spaltung des Gebildes von Süden her und zugleich Verkleinerung des östlichen Kernstückes. Die vielen Flecke, welche weiter südöstlich auf einer noch grölseren Fläche folgten, lassen wir unberücksichtigt. Ungünstige Witterung ge- währte den Anblick dieser schönen Gruppe aufser den auf der Karte angegebenen Tagen nur noch Oct. 10, wo aber wenig mehr als der Umrils gezeichnet werden konnte. Der Kern war Oct. 10 ziemlich rund, der Hof schon sehr grols. Bei dem Oct. 13 als eine Neubildung zu betrachtenden südöstlichen Kernstück wurde eine minder dunkle Stelle bemerkt, welche in der Zeichnung ab- sichtlich heller dargestellt ist, als sie gesehen wurde, Un- ter Zunahme der Ortsberechnung folgt, dafs das südlich davon 606 Gesammtsitzung befindliche Kernstück bis Oct. 15 aufgelöst worden ist, dagegen hat sich der östliche Theil ebenfalls zufolge der Rechnung nörd- lich durch Neubildung vergrölsert und den Oct. 13 dort vor- handenen isolirten Kern in sich aufgenommen. Die lange Kern- spalte Oct. 15 zeigte auffallend scharf begrenzte Ränder. Die Zeichnung für Oct. 18 giebt das Bild der von Süden her begin- nenden Auflösung des mittleren Theils.. Bei dem Anblick der Gruppe Oct. 18 Nachmittags war die Kernverbindung zwischen dem grofsen westlichen und dem verminderten östlichen Kerne noch mehr verkleinert und schon vollständig zerrissen, auch fehlte ein weit grölserer Theil des Hofes. Dadurch wird der Über- gang zu der Oct. 19 gesehenen Form erklärlich. Zur Ab- schätzung der Grölse gebe ich den Flächeninhalt eines der klei- nen Quadrate des Netzes an, nämlich Och 19, 768 Oct. 15 = s2 | für Afrika als Einheit. Oct. 18 = 13,5 Demnach würde das Gebilde Oct. 13 und Oct. 15 etwa 120mal so grols gewesen sein, wie unser Erdtheil Afrika, oder beinahe sieben mal so grols, als die ganze Erdoberfläche. Der Flächen- inhalt Oct. 18 war um den vierten Theil kleiner. Hr. Dove legte die von ihm berechneten fünftägigen Wärmemittel von 109 Stationen vor. 16.Novmbr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Homeyer las über das Friedegut in den Feh- den des deutschen Mittelalters. An eingegangenen Schriften nebst dazugehörigen Begleit- schreiben wurden vorgelegt: Ven der Kgl. Universität Christiania: Norske Universitets- og Skole-Annaler. I-\VI. Christiania 1860—65. 8. Norske Stiftelser. Bind II, 2. III. ib. 1857—1858. 8. Norske Rigsregistranter. II, 2. ib. 1865. 8. e Ge ” venflechen ; LER a Hr. Iarh. 70 NSCD. Menatsberdct Non. 1865 . £ 5 er, 7 z „pe Ne 15 (rt 40, Ri v2 2. Gruppe NoM5 Greppe No u5 Grippe No 101 Gruppe No 23 Gruppe Ne 68 2 Spt 24 Sp zz Juni & 1865 Mai 10 - FR ua el & +2'29 if 9. 6 | 5 ET Zupr ded | vn Bee NG rını 5,021 | art } Zi mo’ 23° +6" +5,65 | 8 Hirg: 31 | iR a P 7 Een 4 . BE} Habe “a le . a him 38 3 h -0°58 I+r «. if - Spt.5 Tann 22, 54 > jmıe 8 85” BE 14,313 900 su re u Spt 5485 Beh } A Pr 2 Mai 20 +0 #2 ni T — 1 20 ar R jr or 657 ++» Kur m’ 25° -u' ur \-s alas 25 & 1 : | | h +2’ #1] -2'1 + 3 8 2276 u 52,1 +6 el SıN NO b +46 “ 1, 2 10 n E 77 % Gruppe Gruppe Nous Gruppe Ne 15 B: v Spt. 26 2 Spt. 29 vo* -07 50 h e 2 2 \.uB2 Gruppe No 115 £ +2 | DraR 1 1 \ 16 . ; . Spt. 30 o I" A 2 | ILL A 2 R Yo1lE 1. L 13 Str. Oruppe Gruppe Nous Gruppe No 15 Jul 15 Jul 16 Juli u Juli 9 Jul 8 Och. 4 Del. 2. OA. E \ 7 are 2 [ RP, Spi 210,658 “” 36,7 ri 0° | +12 Intl 16 FB = 22 7 5 20.| ,, , 2 74 2 No 120 Gruppe Na 120 en Gruppe No.120 Gruppe No.120 Grappe Nero Gr No. 30 No. 20 Gruppe No.91 Det.10 Och 18 Ort. 13 Oct 6 Min 29, Me 25 Jul 3p Eu fe ask hAb SI x Ss N = nr \ T S EN N nr) N u| Falk 2 LU Sehitye Lil vom 46. November 1863. 607 Flateyjarbok. II, 1. ib. 1865. 8. Nicolaysen, Norske Fornlevninger. 4 Hefte. ib. 1865. 8. Norske Magasin. II, 2. ib. 1865. 8. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. XII, 4. XIV, 4. ib. 1864--65. 8. Meteorologische Beobachtungen, au/gezeichnet auf Christiania-Observa- torium. Band I. Letzte Lieferung. ib. 1865. 4. Norges Officielle Statistik. 12 Hefte. ib. 1863— 1864. 4. Schive, Norges Mynter i Middelalderen. Hefte 5. 6. ib. 1865. Folio. Norske Bygninger fra Fortiden. Hefte 5. ib. 1865. 4. Schriften der Kgl. Universität Christiania. 9 Hefte. ib. 1864. 4. R. Keyser, Norges Historie. 1, 1. ib. 1865. 8. Efterladte Skrifter. Forste Hefte. ib. 1865. 8. -Mit Bgleitschreiben des Hrn. Chr. Holst, d. d. Christiania 15. Oc- tober 1865. Meteorologische Waarnemingen in Nederland. Utrecht 1865. 4. Musee Teyler. Catalogue systematique de la collection paleontologigue par T. C. Winkler. Harlem 1863— 1864. 8. . Bibliotheca indica. no. 205—207. and New Series, no. 62 — 64. 66. 67. Calcutta 1865. 8. Plantamour, Resume melcorologique. Geneve 1865. 8. Bulletin de la societe geologique. Paris, Nov. 1865. 8. Det Kongl. Norske Videnskabers Selskabs Skrifter. Bind V, 1. Thrond- en 1865. 8. 23. Novmbr. Gesammtsitzung der Akademie, Hr. Rödiger las über den Gebrauch der Chronik des Eusebius bei den syrischen Geschichtschrei- bern, mit besonderer Berücksichtigung einer Hand- schrift des Britischen Museums. Die Verschmelzung griechischer und semitischer Bildung, wie sie sich seit Alexanders Eroberungszügen in Vorderasien all- mählig vollzog und für alle Verhältnisse des dortigen Völker- lebens neue Beziehungen und Gestaltungen schuf, brachte na- mentlich auch eine bedeutende Wandlung in den dort sich be- gegnenden Sprachen zuwege und pflanzte die Keime zu neuen fruchtbaren Litteraturverzweigungen. Wie auf griechischer Seite aus solchem Zusammengehen jener beiden Elemente die soge- 608 Gesammtsitzung nannte hellenistische Sprache und Richtung erwuchs, an welche sich formell auch die christlichen Urkunden anschlossen, so nahm auf der andern Seite die weit verbreitete aramäische Volks- sprache viel griechischen Stoff in sich auf, und die so sich um- gestaltende Sprache wurde nach der einen Seite hin zu jüdi- scher Schriftstellerei verwendet (das sog. Chaldäisch), nach einer andern Seite hin wurde sie, auf Grundlage der Bibelüber- setzung, die Trägerin einer christlich-aramäischen Litteratur, die wir die syrische zu nennen gewohnt sind. Während sich in der jüdischen Welt daneben der Gebrauch der hebräischen Sprache erhielt, und in diese in einer späteren Periode manche griechi- sche Schriftwerke, meist durch Vermittelung des Arabischen, übertragen wurden, hielten die syrisch-christlichen Gelehrten sich stetiger an die griechische Litteratur. Aristoteles’ Werke und die Commentare dazu, Schriften des Hippocrates, Galenus, Dio- scorides, Euclid, Ptolemaeus, die Geoponica u. a., selbst Homer, wurden in’s Syrische übersetzt und auch wohl in syrischer Sprache commentirt und weiter bearbeitet; insbesondere aber gingen bei den fortdauernden Beziehungen zur griechischen Kirche viele theologische und kirchliche Schriften der letzteren durch Be- nutzung, Nachahmung und Übersetzung in die syrische Littera- tur über, so dals diese fast ın allen Richtungen sich von griechi- schem Einfluls durchdrungen zeigt. Von einer andern Seite drang mit der Ausbreitung des Islam die arabische Sprache vor und verengte den Gebrauch der syri- schen mehr und mehr. Bibel und Liturgie wurden für das Volk in’s Arabische übersetzt, ebenso syrische Schriften anderer Art. Die syrischen Bücher wurden vernachlässigt, viele gingen zu Grunde. Was davon geborgen wurde, das liegt zum grölseren Theil jetzt noch unbenutzt und der Wissenschaft unzugänglich in Klöstern des Orients versteckt; von den europäischen Biblio- theken haben nur die italienischen, besonders die Vaticana, und das Britische Museum eine bedeutendere Anzahl syrischer Hand- schriften, doch findet sich Einiges von Werth auch in Oxford, Paris, Gotha, Berlin, Petersburg und anderwärts. Diese handschriftlichen Schätze sind bisher nur zu einem geringen Theile für die Wissenschaft ausgebeutet worden. Na- mentlich wird der Vatican, auch nach den Afleilsigen Arbeiten vom 23. November 1865. 609 der gelehrten Maroniten-Familie der Assemäni, noch viel Be- langreiches spenden, wenn er einmal zugänglicher wird. Ein erhöhtes Interesse für die syrische Litteratur hat sich kund- gegeben, seit das Britische Museum sich die von Rich gesam- melten Handschriften und die eines Klosters der Nitrischen Wüste aneignete. Die letzteren namentlich zeichnen sich durch hohes Alter und zum Theil wichtigen Inhalt aus, wie die bisherigen Publicationen von Cureton, de Lagarde, W. Wright u. A. schon genugsam beweisen. Von eigenthümlichem Interesse für uns sind die aus dem Griechischen übersetzten Werke, deren manche sich dort finden, zumal wenn die griechischen Originale verloren sind, wie z.B. die von Sam. Lee edirte Schrift des Eusebius megt Deobavesiac. Auch die Chronik des Eusebius haben die Syrer übersetzt; ausdrückliche Nachrichten besagen es, und ohnedies ergiebt es sich aus der häufigen Benutzung des Buches bei den syrischen Chronographen. Die Handschrift, welche den hauptsächlichsten Gegenstand der vorgelegten Untersuchung darbot, ist eine der im J. 1843 aus dem Kloster St? Maria Deipara in der Nitrischen Wüste ins Brit. Museum gekommenen und trägt die Bezeichnung „Additional ms. 14,643.” Es ist dieselbe, aus welcher Dr. Land im 1. Bande seiner Anecdota syriaca das erste und die letzten 20 Blätter bekannt gemacht hat, sie ist von ihm wegen eines unbedeutenden An- hanges (s. ebenda S. 40) mit dem Namen „Zider Chalifarum” belegt worden. Hier handelt es sich von der noch nicht edirten ersten Hälfte derselben, welche in einer von William Wright’s kundiger Hand gefertigten Abschrift vorliegt. Den Anlafs zu nä- herer Untersuchung derselben gab. die von Dr. Alfred Schöne uniernommene neue Herausgabe der Chronik des Eusebius, so- fern nach Land’s Andeutungen darin ein mehr oder minder ergiebiges kritisches Hülfsmittel für die Feststellung des Euse- bius-Textes vermuthet werden konnte. Es stellten sich folgende Ergebnisse der Untersuchung heraus: 41. Die in der Hs. enthaltene Chronik reicht bis in das 7. Jahrh. herab, das Jahr 636 Chr. ist das jüngste Datum. Der erwähnte Anhang über Muhammed und die ersten Khalifen führt noch bis zum Tode des Yazid II. im Anfang des J. 724. 610 Gesammtsitzung 2. Hiernach mag die Abfassung der Chronik selbst in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts, die Handschrift aber mit dem vom Schreiber beigefügten Anhange in das 8. oder spätestens 9. Jahrh. gehören, wie dies die Schriftzüge, auch nach Cure- ton’s, Land’s und Wright’s Urtheil, an die Hand geben. Siehe das Facsimile bei Land Taf. XI, n. 56, und Taf. XXV, n. 121. 3. Für die Darstellung der alten Geschichte bis auf die Zeit Constantin’s bildet der zweite Theil der Chronik des Euse- bius vorzugsweise die Grundlage. Daneben ist aber von der syrischen Bibel und von einigen andern Schriften Gebrauch gemacht. 4. Aus Eusebius entlehnt der Vf. vorzüglich die biblischen und kirchlichen Nachrichten, die Reihen der Könige und der Kaiser, von den übrigen Notizen nur eine reichliche Auswahl. 9. Diese Entlehnungen und Auszüge sind unmittelbar oder mittelbar aus einer syrischen Übersetzung der Euseb. Chronik geflossen, welche auf das griechische Original, und zwar auf eine Uncialhandschrift desselben, zurückgeht. 6. Die Hs. ist vorn defect. Das vereinzelte Blatt, welches Land (a. a. O. S. 18, 39 u. 165) für das erste Blatt, unsrer Hs. hält, bietet zwar den Titel eines Geschichtswerkes mit dem Namen des Eusebius dar, gehört aber wahrscheinlich zu einer andern Hs. 7. Die armenische Übersetzung der Euseb. Chronik ist unmittelbar aus dem griechischen Original gemacht. Doch giebt es einige wenige Stellen im armenischen Texte, welche die Be- nutzung der syrischen Übersetzung zu verrathen scheinen: mag es sein, dals der Übersetzer ab und zu den syrischen Text ein- gesehen hat, oder dals diese Stellen dem armenischen Texte aufgetragen sind. Hr. Braun trug vor über das Winden der Pflanzen und die dabei in Betracht kommenden verschiedenen Bewegungen. ; vom 23. November 1865. 611 An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Memoires et Bulletin de !’academie des sciences de Petersbourg. Tome 7.8. Petersburg 1863. 1864. 4. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Vol. 154, Part. 3. 155, Part. 1. London 1865. 4. Proceedings of the Royal Society. n. T0—77T. ib. 1865. 8. Journal of the chemical Society. April—Juni. London 1865. 8. Bulletin de la societe des sciences naturelles. Tome 8. Luxembourg 1865. 8. Zeilschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft. 19. Band, Heft 3.4. Leipzig 1865. 8. Berichte der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg i. Br. 3. Band, . Heft 3.4. Freiburg i. Br. 1865. 8. Joh. Kepleri Opera omnia, ed. Frisch. Vol. VI, 1. Francof. 1865. 8. von Maurer, Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland. Band 1. Erlangen 1865. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d. München 15. Nov. 1865. Lambert von West, Wo Newton und Huygens fehlten. Wien 1865. 8. Die Akademie erwählte Herrn Professor Dr. Hermann Schlegel, Director des Reichsmuseums zu Leyden, zu ihrem correspondirenden Mitgliede in der physikalisch-mathematischen Klasse. 27. November. Sitzung der philosophisch-hi- storischen Klasse. Hr. Hanssen las über dieEntwickelung des Agrar- wesens auf dem Gebiete der neuern Feldgraswirth- schaften mit besonderer Beziehung aufdasnordwest- liche Deutschland. Hr. Mommsen legte den cod. Chifletianus von Plinius Naturgeschichte vor. Hr. Kirchhoff legte eine von Hrn. James Yates einge- sandte griechische Inschrift von Xanthosin Lycien vor. “A block of white marble from Xanihus in Lycia was pre- sented to the Royal Institution in Liverpool by Joseph N. Walker, Esq in November, 1844. No one except myself has attempted to read it. In form it is a somewhat irregular three-sided prism. [1865.] _ 45 612 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Greek inscriptions are found on the three sides. One of the three, containing the shortest inscription, is narrower than ihe other two. Each inscription is mutilated not only at top and bottom, but on its two sides. I proceed to give an account of each inscription separately. IHZANANO TE. TAI TAIZTE®OANS ATATAT ZTAZIOEMOZI TEYOMENON EKAIENTAIZN NOAEZIMAZAIZ - XPYZQNZTEOAN 2IANAPAATAOO NAIATPOTOND2NM ONKAIN TAZAZNTATAIZTPOTY > IQNKAIATQNOOETHEZANTAK EYZANTAEIZPRMHNKAIENFAZ .EITEIAAPETHAIENENKANTA HOENTAYMOTOYKOINOYTAQNA PAKIZKAIAONTAXPHMATAAR OIN2EIZ TAZOYZI ZKAITOYZ AA TAANAAIZKO MENAAIA ZEIZTAZKATATENTAETHPIAA APETHZENENTHZEIZEATON TQNOIZEKAZTAMPOZTETA TA APABHTA IEZTAAMENAE=E TATHKAOONA NOT OAFQNOOETHEZ The letters have the small turns called „‚sheriff‘“ added at their extremities. I. OAIAEYZOTOYANO OYENTHTANHFTYPI OYKN KOZ ETATON XOPHFOIENTETR QNKAIENTHIIYPP NTHTOMTHIKAIEN INIKQDIAFR2NIMPONA TQNAOAQDNMETA XAONTQ2NTAIAQDN vom 27. November 1865. 613 Observe the Jota adscriptum in zoury: and (yur)vızwe. The letters have the same forms as in No. I except a, which in this inscription is written A The surface, broken off on the left-hand side, has been 4—7 centimetres wide; that, broken off on the right hand, rather less. The first word, OAIAEYE is evidently the name of the individual, who is commemorated, and who is stated to have been „the son of Apollodorus“. Is Oaıdevs a Lycian name, or is it, like Osvös, a contracted and altered form of @zoöwgos? IM. 10) AI AT IANEPAM TA MONI NTEOEN I AO NT A P2 AZ BETOYZ ATPOZ MOIPANTAZENTET T NAP TAQ A TOIATOAARQ EINAIA Fp MENON BER H2TOZ AIA TO This third inscription has been much more injured and obliterated than the other two. Its appearance leads me to conjecture that ıt has been used to form part of a pavement, and that this third side has been turned up, whilst the other two sides have been in part protected by being buried in the earth. It originally contained 16 lines. From what remains it appears to have been a hymn to Apollo, probably in Hexameters. Thus as we may conjecture, the first inscription was a record of the virtues of Apollodorus, ihe second was afterwards inscribed in celebration of his son, Thaideus; and the third was added in praise of their tutelary god, Apollo. This inscription is 40 centi- metres high, 35 wide’. ') *) Von No. 3 wird kein Verständiger eine Herstellung verlangen; dals die Inschrift metrisch abgefalst gewesen sei, dafür möchte ich wenigstens die Bürgschaft nicht übernehmen. Auch No. 2 ist in einer solchen Ver- A5* 614 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Hr. Bekker gab wieder bemerkungen zum Homer (vgl. s. 548). XXXVI 1. Wie man und frau in eintracht eine glückliche ehe führen, ist & 281—5 einfach und ansprechend geschildert. steht aber die schilderung an ihrer stelle? Odysseus aus todesgefahr kaum geborgen, in mangel und elend verkommen, steht plötzlich vor einem anmutigen frauen- bilde, und hoft auf hülfe und rettung. wie er teilname gewinne, sint er nicht lange. er versagt sich des mädchens knie zu um- fassen: entstellt wie er sich weiss, würde er eher schreck als fassung überliefert, dafs es mir gerathen scheint auf den Versuch einer zu- sammenhängenden Herstellung zu verzichten. Dagegen lälst sich von No.1 eine Lesung geben, welche abgesehen von den ersten und letzten Zeilen bis auf Kleinigkeiten als gesichert betrachtet werden kann. Ich schlage vor zu lesen und zu ergänzen: So=== - - Imoavanı - - - - -- - - ar - - raı 'orebavl or 6 &yuos 5 Savsiwv] [xJare& z& [marpıa] EraciSeu[iw] Zı[ldvpea?], [roAı]revousvov [8]: za: &v rats [@ARaıs] mokesı nacaıs, Xpuoa orebav[w ypant]- d, Avdpa dya9ov dıa mpoyovwv [yeronev]- ov xal z| poo |ra| rn Jo|a |vra zais [£op |r[ ars zuv S]- [vJsıöv xal ayuvoseryeavra x| ai mpeo ]- [B ]evoavra eig “Pounv anal Ev zacl|n 27 nor ]|- sıreiq dperh Sıeveynavra [xxi rıu ]- nYevra umo Tod xowvod ruv Alvxiwv rer ]- paxıg xal Sovra xpuuara Iw|pedv tu x]- oivo eis tas Sucila|s xal ToUG [ayüvas zei] [arre] Ta dvakıoxonsva dıa [ra Erria]- EL Tas xara mevrastypida [ywon£vag ], aperng Ev[ex Jev Tns eis &arov. - - - zuv ols Exaora mpoortralx ra] ı - - - [rlapapy r[& Em ]Jeororuiva, && - - - - [oe ]rary xaSovS .. nor -- - - - =. 6 dywvodermg -- - - - - Die Inschrift gehört der römischen Zeit an, frühestens den letzten Decennien des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung; gleichwohl haben wir alle Ursache, dem Hrn. Einsender für ihre Mittheilung dankbar zu sein. A. Kirchhoff. vom 27. November 1865. 615 mitleid erregen durch die von der sitte gestattete oder gar ge- botene berürung '). aber er staunt sie an wie eine himlische erscheinung, nent sie «vars« (149 und 175) wie Athene heifst (y 380) und Demeter (Z 326), aber kein weib?), vergleicht sie mit der stattlichsten unter den jugendlichen göttinnen°), preist ihre verwandten selig und vor allen ihren künftigen gatten, und immer aufs neue in ıhr anschaun versunken vergleicht er sie nochmals, und zwar mit dem schönsten was er auf weiten reisen gesehn; seine ansprüche aber beschränkt er auf das notdürftige, und zum lone wünscht er ihr was sie selber sich wünsche. was wünscht sie sich aber? das, sollte man meinen, sci der jungfrau geheimnis, ein geheimnis das tief in. dem jun- gen herzen schlummernd nur in träumen aufwacht (18), nur gespielinnen vertraut wird (245), dem vater aber verborgen bleibt (66), und um alles nicht im gerede des volkes verlauten darf (272). und dies innerste eigentum des scheuen mädchen- sinnes aus seinem verschluss hervorzureilsen und mit wildfremdem munde vor herrin und zofen zu besprechen, so zudringliche, so unkluge unbescheidenheit wird wem beigemessen? dem der wenige augenblicke vorher sein gefühl für schicklichkeit und anstand unverkenbar betätiget hat, ihm roü reg aaisryv würw Zu oubowmous ba eiseveı, ja der vielfach als Au uyrıv draravros ge- feiert wird. . die worte avöga re zu oizov hangen also über. und woran hangen sie? an einem halbvers der noch dreimal vorkömt ee ol aurW Zeus ayaYov TEAgTEILEV Or boss no nevovg 8 34 oude oe Pula amenzroV ye vessIm orı basst onsı nevowas 5 220: ZeÜ avo, Tyrepaeydv wor Zu avögcsıv orßıov ziwan, za 0 mavra® ya coca cbaesw Ar: evowg g 39 (vgl. A 37 v145 E58 c 112), immer aber die rede abschliefst, und abschliefsen. muss, weil widersinnig wäre, indem wir einem wünschen was er sich selber wünscht, ihm zugleich den kreis seiner wünsche zu verengen durch aufzälung des wünschbaren im einzelnen nach unserm ermessen; wie wenn wir sagten “tu was du willst, nehmlich das und das” oder “kom wann es dir beliebt, d. h. um halb zwei.” 616 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse was aber die ungeschickten worte anhängen, die nächsten fünf verse, passen sie in den zusammenhang? keinesweges. ehe- liches glück für Nausikaa ist bereits auf die schmeichelhafteste weise in aussicht gestellt. wie aber solch glück bewahrt und erhöht werden könne, ob durch eintracht oder durch welch haus- mittel sonst, wer erwartet, wer verträgt hier und jetzt darüber be- lehrung? und vollens von einem schifbrüchigen, der nach zwanzig- tägigem treiben auf offener see, unter unsäglichen drangsalen und entbehrungen zusammengebrochen, nun endlich den strand ge- wonnen hat, und erschöpft, hungrig und durstig, seine blösse mit blättern gedeckt, in einen kreis munterer mädchen trit. MeiNiyXıov zu #egdaneov dbaro MUov sagt der dichter. sein urteil in ehren zu halten, befreien wir ihn von einem auswuchs, der sich mit dem gegenteil jener prädicate bläht. !) wie allgemein die sitte des knieumfassens geherscht habe, ersieht sich nicht allein an dem häufigen widerkehren der malerischen attitüde, worin sie sich darstellt (wir sehen darin Thetis vor Zeus A 500 © 371, Kirke vor Odysseus, die mutter vor Phönix, den vater vor Meleagros, Odysseus nach anweisung der tochter vor Arete 5 310 n 142, Priamos vor Achilleus, .den herold vor Telemachos, Eurylochos und Leiodes vor ihrem verwandten und gebieter, und im gefecht sechs oder sieben verzagte oder überwun- dene, immer Troer, vor dem drohenden feinde), sondern auch an dem sprachgebrauch, der yowodpna: oder yovvaopaı oder ra ca yowvaS’ ixdvw geradezu für Alcoouaı zulälst, so dals Odysseus in demselben augenblick da er sich der handlung wohlüberlegier weise enthält, das wort unbedenk- lich findet (yovvodnal ce avacee), und Achilleus zu Hektor sagen kan yy ne xvov yolyuy youvatso (X 345). die zwischenstufen fehlen natürlich auch nicht: Auootonero youvav I A51, Alooero yovvouusvos O 660, youvwv cibanevor Arravevoonev Q 357. ähnlich ist dva xetpag deipaı H 130 gleichbedeutend mit AırtoSaı oder evEnoSar . yeveiov aıbaodaı ist K 454 durch die um- stände gebotene abkürzung, 473 blofse liebkosung. ?) äva& freilich ist dem man und dem gott gemein, kan auch nicht entbehrt werden, weil xupros und Seomörng fehlen, Seomorns, das sich dem verse so leicht wie ymurng und innorng angepalst haben würde, um so auf- fälliger als Seorowa elfmal in der Odyssee vorkömt. Hesiod hat weder die mänliche noch die weibliche form. *) die vergleichung klingt wie ein nachhall von & 102—9, aus ge- inger entfernung, bot sich aber auch sonst leicht: die mutige rüstige hülf- reiche von den besten im lande begehrte königstochter (35 und 139), die ihre schönheit von den göttern hat (9 457) und nicht, wie ihre dienerinnen, vom 27. November 1869. 617 von den Chariten (513), unsterblichen frauen ähnlich an wuchs und ansehn (16), wie Hera weifsarmig (101), sie schickt sich schon zu widerlegen was Kalypso behauptet (e 212) ob ws oUOb Zoıxev Iunras davdrycı deums nal eldog Epidew: eine behauptung übrigeus die weder den sterblichen, an den sie gerichtet wird, von seinem heimweh heilt, noch irgend einen Olympier je gehindert hat hernieder zu steigen und heroen zu zeugen. wenn aber (p 37 und = 57) mit Artemis und zugleich mit der um dpr£ueın wenig bemühten Afro- dite auch Penelope verglichen wird, mit der jungfräulichen und nicht altern- den herrin des wildes die zum mindesten vierzigjährige mutter des Tele- machos, mit der gemütlosen ehebrecherin die züchtige hausfrau, so sehn wir klar dafs der dichter bei solchen parallelen nicht das alter oder die gesinnung ins auge falst sondern xaS’ "EAAada xaAkıyuvaıxa allein die schön- heit. darum kan auch Helena neben Artemis gestellt werden, und ihre tochter Hermione neben Afrodite (3 122 und 19), gleich Kassandıa 2 699. 2. In der Ilias die ermordung der zwölf Troer knaben am scheiterhaufen des Patroklos (F 175), von dem dichter selbst gemisbilligt*), in der Odyssee die ermordung des ziegenhirten und der zwölf liederlichen mägde (x, 411), als natürliche folge des untergangs der freier ohne tadel geblieben, diese greuel werden nicht entschuldiget, beweisen doch aber auch keine be- sondere und eigentümliche roheit der Homerischen menschen, wenn uns ähnliche abscheulichkeiten auch anderwärts begegnen. das geschieht nun gar nicht selten in der mittelaltrigen poesie und geschichte. die romanze z. b. von der königin Helena (F. Wolf Samlung Span. romanzen in flieg. blättern s. 109), ein abriss vom Trojanischen kriege, den wir, wären die namen nicht, kaum widererkennen würden, schlielst wie folgt: preso llevan ä& Paris con mucha riguridad. tres pascuas que hay en el ano le sacan & justiciar. sacanle ambos los 0jos, los ojos de la su faz, *) xand Ib bpeoi undero Epya. 618 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse cortan le el pie del estribo, la mano del gavilan. treinta quintales de hierro a sus pies mandan echar, y el agua hasta la cinta por que pierda el cabalgar. kaiser Karls sohn Carloto, des meuchelmordes angeklagt, wird überführt und verurteilt (Romance de Baldovinos in Jac. Grimms Silva de romances viejos. p. 91): condenamos & Carloto primero ä ser arrastrado por el campo y por la arena por un rocin mal domado. despues de lo qual queremos que sea descabezado en un alto cadahalso, do pueda ser bien mirado, de fuera de la ciudad, por donde serä llevado. despues de lo qual cumplido y aquesto ser acabado, le corten los pies y manos, porque quede mas pagado. despues de lo qual mandamos que sea desquartizado. lo qual eumplido queremos sea un edificio obrado de piedra muy bien labrada y de eanto bien picado, que sea en lo venidero memoria de lo pasado, del caso de Baldovinos y de como fue& vengado... otro dıa de manana todo asi fue acabado. ya sacavan ä Carloto con hierros muy bien herrado, los pregoneros delante su gran maldad publicando. vom 27. November 1865. 619 quando fueran ä la puerta, don Renaldos lo ha tomado. en medio toda su gente lo ha bien aposentado. quando son en el lugar do ha de ser sentenciado, fu& todo executado segun que por la sentencia fu&E proveydo y mandado. Gano (oder Ganelon) von Maynz, der Judas Ischarioth unter den zwölf pairs, hat das unheil von Roncesvalles angestiftet. wie er gebülst, erzält Luigi Pulci (Morg. Magg. 28 Sff.): fu Gano menato in sala con gran grido e tuono, incatenato come un cane alano; e tantı Farisei intorno sono - che pensan solo ognun d’averne un brano. e mentre e’ volea pur chieder perdono e crede ancor, forse Carlo li creda, Rinaldo il dette a quella turba in preda. Carlo si stette a veder questa caccıa, e come in mezzo la volpe de’ cani, ognun fa la sua presa, ognuno straccia. chi lo mordea, chi li storce le mani, e chi per dilegion glı sputa in faccia. chi li da certi sergozzoni strani; chi per la gola alle volte lo ciuffa tanto che il cacio gli sapra di muffa. chi con la man, chı col pie lo percuote; chi fruga, chi sospigne, e chi punzecchia. chi gli ha con |’ unghie scarnate le gote; chi glı havea tutte mangiate le orecchia; chi lo intronava, e grida quanto e’ puote. chi il carro intanto col fuoco apparecchia. chı gli havea tratto con le dita gli occhı. chi il volea scorticar come ı ranocchi.”) *) oUd’ apa ol vıs dvourmri ye naptoın X 371. a xxx Sarrazis a fayt Guio menar. 6 0 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse e come e’ fu sopra il carro ıl ribaldo, il popol gridö intorno “muoja muoja.” intanto il ferro apparecchiato e caldo. non domandar come e’ lo concia il boja; che non resta dı carne un dito saldo; che tutte son ricamate le cuoja, si ch’ egli era alle man dı buon maestro, perch’ e’ facea molto l’uficio destro. egli aveva il capestro d’oro al collo e la corona de’ ribaldı ın testa. Rinaldo ancor non si chiama satollo, e’ I popol rugghia con molta tempesta; e chi gittava la gatta e chi il pollo, e ogni volta lo imberciava a sesta.; non sı dipigne Lucifer sı brutto dal capo a’ pie come e’ pareva tutto. fece quel carro la cerca maggiore. chi si cava pallını e chi pianelle per vedere straziare ıl traditore, si che di can non si strazia piu pelle. tanto tumulto. strepito e romore che rimbombava ıinsin sopra le stelle, “crucifigge” gridando, “erucifigge” ; e’l manigoldo tuttavıa trafigge. > e poiche ıl carro al palazzo & tornato, Carlo ordinato avea quattro cavaglı. e come a questi ıl ribaldo & legato, cominciano ı fanciulli a scudisciagli tanto che l’hanno alla fine squartato.') poi fe’ Rinaldo que’ quarti gittagli per boschi e bricche e per balze e per macchie a’ lupı a’ cani a’ cervi alle cornacchie. cotal fin ebbe ıl maladetto Gano. Garcia de Resende, der in seinen platten trovas (Cancioneiro menavo lo baten, que no | volo palpar. en xx locxs en sa carn lı fan lo sanc rayar. una corda lı van entorn lo col liar. Ferabras 3068. vom 27. November 1865. 621 geral 3 p. 624 Stuttgard) das tragische geschick der Ines de Castro als beleg verwendet für die alte regel ws 76 #ydeslonı za Euurov dgısreve: aazow, berichtet von ihren mördern come foy rey [Dom Pedro], trabalhou e fez tanto que tomou aqueles que a mataram. a hum fez espedazar, e ho outro fez tirar por detras 0 coracam.*) die grausamkeit wird sich die wage halten auf der einen und der andern seite, verletzt aber unser gefühl weniger auf der modernen, weil sie da im dienste des gesetzes auftrit. was Paris Garloto Gano erleiden, sind strafen, verhängt durch richter- lichen spruch, unter den auch der kaiser und der vater sich beugt, verhängt über landkundige oder förmlich erwiesene misse- tat”), statt dals die Griechischen helden persönliche rachgier treibt, die blind wütend den edelsten feind mishandelt wie den verworfensten knecht. auch Dantes zum teil grälsliche erfin- dungen in Hölle und Fegefeuer werden nur dadurch begreiflich und erträglich dafs sie gottes gerechtigkeit gegenüber der ver- stockten sündhaftigkeit darzustellen trachten und meinen. sodann - scheint uns natürlicher und anständiger dafs das edle Haymons- kind, des kaisers neffe, die hinrichtungen zwar befehliget und überwacht, sich aber nicht herabläfst hand anlegend dem pöbel und dem henker vorzugreifen, als dals der herlichste von allen die vor Ilion gestritten, den eine unsterbliche mutter geboren, des Zeus urenkel, dals der, gleich wie er, wenn gäste kommen, mit eigenen händen den schweinsrücken zuhaut und brät, so sich nicht scheut mit eben diesen lieben händen zwölf unschuldige kinder,”*) und vorher noch vier pferde und zwei hunde, ab- zuschlachten. *) Camoens (Lus. 3 136) hält sich verständig im allgemeinen: ndo correo muito tempo que a vinganga näo visse Pedro das mortaes feridas; que en tomando do reino a governanga a tomou dos fugidos homicidas. *) Towuv dyAaa vera > 337, Tpwwv neya9unwv vieag toYhovs W175. 622 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse er tut das aber nicht gerade aus blutdurst, wiewohl er auch des- sen kein hehl hat (3 120 X 346), nachdem er ihn an den sieben brüdern der Andromache (Z 421) und sonst vielfältig gelabt aber nicht gestillt (vgl. Y 467 und 493, 2 39), ein würdiger schützling der Hera, die den greisen Priamos mitsamt seinen söhnen und übri- gen Troern verschlingen möchte (A 35)*), und der Athene, die dem eigenen bruder den speer in den leib bort (E 856): er tut es schon darum weil er, wie keinen koch, so keinen henker zur verfügung hat. denn Heloten gibt es vor Troja nicht: die avögcmodss H 475 scheinen verirrt aus einer andern ordnung der dinge, wie sie in der Odyssee aufdämmert, gleich den Syrzs ö 644 und den syssitien ö 621—4; jedenfalls gehören sie nicht zu der stehenden bevölkerung des lagers. die wenigen herolde werden meist für das allgemeine beschäftiget, und sind eher beamte zu nennen, wie die T 43 aufgeführten. gefangene aber, mänliche, werden nicht gemacht, aufser die sich schnell verkaufen oder teuer lösen. und die avögss egnes, auch Öykov cvögss genant oder S440s, am gewöhnlichsten Acci, sind daheim allerdings so weit unfrei dals sie nicht nur gaben und steuern zalen (1 155—6) sondern auch aus ihrem erbe geworfen werden können (8+»176) oder mit dem erbe verschenkt (I 149 und 483): aber im felde bilden sie, obgleich während“ der &yog« mit dem stock in ord- nung gehalten (B 199 und 265), eine ebenbürtige und gleich- berechtigte menge, alles zoügo: oder vies 'Ayamv, alles Zowes Ayo oder Aavaoı **), ERLAUTES, z0_N HOMOWUTES, Aiyjayreı KomıoreL TEyUmwAOı, Euzunudss NRrzoRVAWUdES KERHOYLTWVES, gnicbıdoı tor ihYınor, HEYNE eiröpyror, Reyayvpor, jaEvso mvelovrss, UmegrVdavres bi.omroAs10t, en >oor oder Öorgshess cißyoı, ihrer fürsten ***) Ereiigoı Omcovss dio, wie jene selbst Segarovres"Aoyos, nur zum *) wenn Hekabe sich einen ähnlichen wunsch entfahren lässt (2 216), so kömt er wenigstens nicht aus gekränkter eitelkeit. auch der Almiran (Ferabras 4800) ist schwer gereizt, wo es von ihm heilst can l’almiran l’enten, tut lo sen a mudat. ab pauc no a ab dens l’emperayre mangat. «*) die dritte allgemeine benennung, "Apyelo:, hat nur selten ein epi- theton, Swpnxrat oder etwa iouwpor; die vierte, Iovaxaıot, niemals. er) dyol ävaxres dpxol, Avdpes EEoxor, Avdpeg äpıoror, üpıorijes, Bacırneg, BouAnbopoı dE yepovres, nyeuoveg, nynropss no& medavreg, xoipavor xoourTopss Opxapaı moımeves mponoL Onmdvropeg. vom 27. November 1865. 623 kriegsdienst verpflichtet. einzelne zu ‚bedienen oder was ein anderer nicht mag zu verrichten ist niemand gehalten. selbst drei- fülse und kessel zu tragen werden zovghres agısrres Mevay,aınv aufgeboten (T 123 und 238). so ergibt sich aus dem mangel einer dienenden klasse auch für die höchst gestellten was Hesiod den armen und arbeitscheuen einschärft: oudev Eoyov ovsıdos. 1) Ferabras 460 cels eran del linatge de Gaynes lo malvatz, que fetz la trassio don el fo escorjatz: aber 5078 Gaynelos ne vendet a la gen desfezada, don pueys fo ab rosis vilmen la carn tirada . mit vierteilen bedroht der Almiran auch seinen sohn, der sich hat taufen lalsen: mas Ferabras mo filh faytz tirar a rosis (4623), nicht milder gegen seine tochter: ardray Floripar, que m fay tal desonor. e ela e Is glotos auciouray a dolor (4293). und diese tochter ist doch la plus gentil donzela de xiiij regnatz (2012) oder, nach 3987, una gentil donzela ab le cor ben estan, die freilich, trotz aller gentillesse, in der beratung über Karls gesandte vorschlägt vos los faretz totz pendre, o eren desmembratz, e los pes e las mas totz agan detrencatz (2559), und einen alten man, der ihr widerspricht, anfährt filh de puta, — en fol vos aug gabar. si per las autras donas non fezes a blasmar, ieu vos dera tal colp que us feyra trabucar e us feyra las cervelas del vostre cap sautar. allerdings sind auch die gesandten ein eigner schlag diplomaten. Karl instruirt sie 2203: ieu vuelh vos (Roland) e vj comtes qu’ el mesatje fassatz. anaretz lo mati; ad Agremonia intratz. si trobatz ’almiran, ieu vuelh que li digatz que m renda la corona don dieus fon coronatz e las autras reliquias don ieu soy tan penatz ; et en apres que m renda mos cavayer membratz. e sinon o vol fayre, ja non er restauratz que ieu no | fassa pendre, o sera escorjatz. 624 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse und sie geben dem barschen auftrag noch dadnrch nachdruck dafs sie die köpfe vorweisen, die sie auf der reise nach Agremonia funfzehn Saracenen abgeschlagen haben. zu seinem trost merkt der geängstete leser bald dafs mehr gedroht wird als’ausgeführt. kein zweifel dals Karl beim ein- fall in Spanien (216) nou atenh Sarrazı no 1 fassa detrenchier: wenn er aber sagt que l’almiran fara viu escorgier et en un gran foc ardre, apres al vent levier, so bleiben das xev&’ evyuara, und eben so womit Balan sein herz erleichtert. vos seretz pendutz e seretz escorgatz (2535). Bafomet me maldia, cui ag mon cor donat, si ieu dormiray mays tro siatz demembrat (2458). trastuh sian pendutz et en forcas levatz (2545). ieu li faray sos huelhs de la testa volar (3665). cascus aura la testa e les membres trencatz (4023). 2) In Flor und Blancheflor (2614ff.) hat der könig von Babylon die zu seiner gemalin bestimte schöne teuer gekauft: da findet er sie in den armen ihres jugendfreundes. li enfant doucement dormoient; estreit acole se tenvient; bouce ä bouce ert cascuns dormans. er entbrent in zorn und eifersucht: tel duel en a, ne pot mot dire. en es le pas le vaut oceire. aber sobald der senechal ihn bittet biax sire, nes ocies mie, tant que jugie l’ aient vo gent. ses ocies par jugement, ruft er die barone zum gericht zusammen. in Ami und Amile (1230ff.) haben sich des kaisers gemalin tochter und sohn verbürgt dafs Amile sich stellen werde zum zweikampf. er säumt aber. der kaiser entschlielst sich kurz: isnellement a fait faire uns fossez - granz et pleniers et de bois bien plantez. il i voldra sa fame desmembrer, Buevon son fil, Belissant au vis eler.... “se il ne vient ains miedi passe, je voz ferai touz les membres cöper, ardoir en feu et la poudre venter. toz l’ors del mont ne voz perroit tanser, de voz ne face justice moult eruel.” vom 237. November 1865. 625° in Jourdain de Blaives ist der held, dem ein verräter die eltern er- mordet, das land genommen, das leben vielfach gefährdet hat, nach langjäh- rigen irrfahrten heimgekehrt und hat seinen widersacher überwunden (4060). Panfes Jordains celui meisme jor a commande as prinees tot entor que jugier facent Fromont le traitor et le sien cors maitent ä tel dolor cum il a desservie. au jugement furent tuit assamble et prince et conte et demainne et chase. assez i ont et dit et devise, tant qu’ en la fin se sont tuit acorde c’on escorchast le traitor prouve. “ etil si font, n’i ont plus demore. a un roncin ont Fromont atele. si le trainnent conireval la cite.... Fromont trainnent jusqu’a un vies fosse, escorchie l’ont comme buef escorne. a gran dolor a son tans afıne. Parme en porterent vif diable et maufe. a Die verse aisı Tor elyıorae Seor TErANoTES einev AAAYAw loryrı, Kagır [o avdgerei begovrss E 873—4 stimmen weder mit dem vorhergehenden noch mit dem nachfol- genden. nicht mit 872, weil, wer an einem unfug mutwilliger weise teil nimt, für erwachsenen nachteil keine genugtuung noch entschädigung zu suchen hat bei dem Uraros zgeL0vTWV, dessen veneoıs auch ihn treffen muls. und nicht mit 875: denn, wo viele sündigen, darf ja die schuld nicht der Athene allein und ihrem beschützer zur last gelegt werden. dagegen schlielst sich v. 875 recht verständig an 872: “hast du kein einsehn? du solltest doch, da das unwesen endlich und zuletzt von dir aus- geht.” obenein sehn die eindringlinge aus wie eine dittographie von 383—4 m0oAA0ı yao On TAyWEV ’Oruuma Öwner EX,ovres ze avöguv, Yanem’ EIyE em AAHAoıaı TıIevrss, und könten füglich deren stelle einnehmen. 626 Gesammtsitzung 30. November. Sitzung der Gesammtakademie. | Hr. Rammelsberg las über die niederen Oxydations- stufen des Molybdäns. | In einer ausführlichen Arbeit hat Berzelius die Vielzahl der Molybdänoxyde auf drei reducirt, Oxydul, Oxyd und Säure, für welche er das Sauerstoffverhältniss von 1:2:3 annahm. Die Zusammensetzung des höchsten dieser Oxyde, der Molybdänsäure, wurde von ıkm indirekt ermittelt; spätere Versuche von Svanberg und Struve einerseits, von Berlin ande- rerseits, haben eine Correktion nöthig gemacht, und wir nehmen jetzt an, dals die Molybdänsäure 12 Th. Sauerstoff gegen 23 Th. Molybdän enthält. Das dunkelbraune Molybdänoxyd, MoO?, enthält nur 8 Th. Sauerstoff auf 23 Molybdän. Da sich, den Erfahrungen von Uhr- laub zufolge, bei der Reduktion der Molybdänsäure bei Gegen- wart von Ammoniak stets etwas Molybdännitretamid bildet, so darf man annehmen, dals das von Berzelius analysirte Oxyd ein wenig Stickstoff und Wasserstoff enthalten habe. Indessen hat dieser Umstand kaum einen Einfluls auf das Resultat gehabt, denn Svanberg und Struve sowohl, als auch H. Rose, welche später das Molybdänoxyd durch Reduction der Säure in Wasser- stoff darstellten, fanden ebenfalls, dafs der Sauerstoffverlust ein Drittel beträgt, und ich darf hinzufügen, dals meine eigenen Versuche dasselbe ergeben haben. Was nun aber die niedrigste Oxydationsstufe, das Molyb- dänoxydul, anbetrifft, so hat Berzelius dessen Zusammen- setzung gar nicht ermittelt; er bemerkt blos, die Analysen hätten kein befriedigendes Resultat ergeben. Nach Berzelius soll dieses MoO durch Reduktion der Molybdänsäure mittelst Zink und Chlorwasserstoffsäure sich bilden. Schon vor längerer Zeit fand v. Kobell, dafs beim Kochen des natürlichen molybdänsauren Bleioxyds (Gelbbleierz) mit Chlor- wasserstoffsäure und metallischem Kupfer eine braunroihe Auf- lösung entsteht, und so viel Kupfer sich auflöst, dafs der Molyb- dänsäure die Hälfte ihres Sauerstoffs entzogen wird, mithin ein Sesquioxyd, Mo? O? hierbei sich bildet. Svanberg und Struve fanden, dals Molybdänsäure bei län- gerem Glühen in Wasserstoff die Hälfte ihres Sauerstoffs ver- vom 30. November 1865. 627 liert; es dürfte dieses Resultat aber wohl ein zufälliges, und der graue Rückstand keine homogene Substanz gewesen sein. Berzelius hatte ein dem Oxydul entsprechendes Chlorid, _ MoCl, beschrieben. Blomstrand zeigte jedoch, dafs dies ein ' Sesquichlorid, Mo? Cl?, ist, und bewies zugleich, dals die Molyb- dänsäure durch Chlorwasserstoffsäure und Zink gleichfalls zu | Sesquioxyd reducirt wird. Hiernach mufs die Existenz eines Molybdänoxyduls vorläufig ‚ als nicht erwiesen gelten und es werden die Sauerstoffmultipla der drei Oxyde, statt 1:2:3 jetzt=15:2:3=3:4:6. Die soge- | nannten Molybdänoxydulsalze sind Sesquioxydsalze. Im Nachfolgenden erlaube ich mir, meine Erfahrungen über | die Bildung der niederen Oxyde aus der Molybdänsäure vorzulegen. Molybdänsäure verliert beim Erhitzen in Wasserstoff ihren Sauerstoff, indem zuerst ein blaues molybdänsaures Molyb- dänoxyd, dann braunes Oxyd (Mo O?), schliefslich metallisches Molybdän entsteht. Zur vollständigen Reduktion reicht eine ‚ intensive Rothglühbitze aus; denn in einem Versuch betrug der Verlust 34,31 pCt. (berechnet 34,28 pCt.). Ich habe sodann die Reduction der Säure durch Zink bei Gegenwart von Chlorwasserstoffsäure untersucht. Statt der reinen Säure wandte ich öfter ein molybdänsaures Ammoniak an, dessen Säuregehalt durch einen besonderen Versuch ermittelt war. Die Zusammensetzung des in der braunen Auflösung enthaltenen Oxyds habe ich volumetrisch durch übermangansaures Kalı bestimmt. Die Auflösungen der niederen Molybdänoxyde werden dadurch zu Molybdänsäure oxydirt, und der der verbrauchten Menge ent- sprechende Sauerstoff ist der, welcher das niedere Oxyd in Molybdänsäure verwandelt. Kennt man also den ursprünglichen Gehalt der Flüssigkeit an Molybdänsäure, so berechnet sich leicht die Zusammensetzung des niederen Oxyds. Meine Versuche bestätigen die Angabe Blomstrands, dals durch die Wirkung des Zinks und der Ghlorwasserstoffsäure sich Molybdänsesquioxyd bildet. Wird Molybdänsäure mit Kupfer und Chlorwasserstoff- - säure gekocht, so löst sich eine gewisse Menge Kupfer als Chlorür auf, und die Flüssigkeit geht durch grün in braun über. Eine Reihe von Versuchen, mit der Säure selbst, mit molybdänsaurem [1865.] 46 628 Gesammtsitzung Ammoniak und mit Gelbbleierz lehrte, dass auch ın diesem Fall die Säure die Hälfte ihres Sauerstoffs verliert und zu Sesqui- oxyd wird. Behandelt man die Auflösung von Molybdänsäure oder von einem ihrer Salze in Chlorwasserstoffsäure mit metallischem Molybdän, so entsteht zuerst eine tiefblaue Auflösung von molybdänsaurem Molybdänoxyd. Ich habe gefunden, dafs bei län- gerer Einwirkung und bei anhaltendem Erhitzen zuletzt eine braune Auflösung erhalten wird. Sie konnte Molybdänsesquioxyd enthalten, wiewohl Berzelius behauptet, sie enthalte Molybdän- bioxyd, was er indessen nicht untersucht hat. Die reducirende Wirkung des Molybdäns ist offenbar schwächer als die des Zinks und Kupfers, und daher kommt es, dals man bei nicht hinreichend langer Behandlung in dem entstandenen Oxyde etwas zuviel Sauerstoff findet. Diejenigen meiner Ver- suche, bei welchen der Sauerstoffgehalt der relativ niedrigste war, ergaben die Richtigkeit von Berzelius’s Behauptung. Es bildet sich hierbei nicht Sesquioxyd, sondern Bioxyd, Mo O?, d. h. der Säure wird nur ein Drittel des Sauerstoffs entzogen. Durch Ammoniak wird ein Hydrat dieses Oxyds von der Farbe des Eisenoxyds gefällt, dies aber, wie die braune Auflösung überhaupt, oxydiren sich an der Luft sehr bald, und gehen schliefslich in Molybdänsäure über. Ich habe ferner versucht, das blaue Molybdänoxyd dar- zustellen. Schon Berzelius hatte ein solches aus molybdänsaurem a und Molybdänchlorid dargestellt und = Mo°O':—Mo Mo* gefunden. Indem ich die braune Auflösung des Bioxyds mit Doh,niahsnceih Ammoniak vermischte, erhielt ich Mo? 0° + 3aq, = Mo Mo + 3aq, welches in Wasser eine dunkel- blaue Auflösung bildet, aus welcher es durch Salmiak gefällt wird. Bei der Darstellung dieses Körpers setzt sich ein anderer in kleinen braunen Krystallen ab, die einer neuen Verbindung angehören, welche durch (2Mo Mo + Am Mo?) + 9aq bezeichnet wird. Bei Luftabschluss erhitzt, verwandelt er sich unter Ver- lust von Wasser und Ammoniak in blaues Mo° O® = Mo Mo:. | Wir kennen also nun drei blaue Verbindungen, in denen 4 At. Molybdänoxyd mit 1, 2 und 4 At. Molybdänsäure vereinigt | vom 30. November 1865. 629 f ist, und den beiden ersten, die ich hier nachgewiesen habe, ent- ' sprechen Blomstrand’s grünes und braunes Acichlorid. Vergleicht man das Molybdän mit dem Wolfram, so eh man, dals die Analogie in den Oxyden eine vollkommene wäre, wenn es, was nicht unwahrscheinlich ist, auch bei letzterem ein Sesquioxyd gäbe. Mo? O? W? O?° unbekannt Mo O? w 0: Mo 0° Ww 0? Mo? O° W: 0° Es darf nicht unerwähnt bleiben, dafs in neuester Zeit Delafontaine und Marignac die molybdänsauren Salze der Alkalien ibrer Zusammensetzung und Form nach genau untersucht haben, und zu dem Resultat gelangt sind, dafs die gewöhnlich ent- stehenden Salze weder RK? Mo? (Sauerstoff = 1:7,5) noch R® ' Mo? (Sauerstoff= 1:6,75) sind, wie bisher angenommen wurde, sondern R? Mo’ (S.=1:7), d. h. so, wie die gewöhnlichen Wolframiate nach Lotz und Scheibler. Ich bemerke blos, dals meine Erfahrungen an dem Ammoniumsalz biermit völlig im Einklang sind. Derselbe las ferner über die Krystallform der Li- thionsalze und deren Isomorphie mit Natronsalzen. Sehr wenige Lithionverbindungen sind bisher krystallo- graphisch untersucht worden, und keine derselben hat sich mit einer analog zusammengesetzten von Kali, Natron oder einer anderen Basis vergleichen lassen. So ist die Frage über ihre Stellung in Hinsicht auf Isomorphie direkt nicht gelöst. Blos das beständige Zusammenvorkommen des Lithiums mit Natrium, Kalium, Rubidium etc. in gewissen Mineralien liels auf die Iso- morphie der Verbindungen schlielsen, und einige wenige Angaben über künstlich dargestellte isomorphe Mischungen schienen den- selben Schluls zu gestatten. Ich habe mich bemüht, die Formen der Lithionsalze näher zu untersuchen, um isomorphe Mischungen derselben mit Kali-, Natron- und Ammoniaksalzen darzustellen. Einen Theil der erlangten Resultate erlaube ich mir vorläufig hier mitzutheilen. SchwefelsauresLithion, und zwar angeblich wasserfreies, ist von Schabus in seiner bekannten Arbeit als sechsgliedrig A6* 630 Gesammtsitzung (vollflächig) beschrieben worden, hätte demnach eine andere Form als die wasserfreien Sulfate der übrigen Alkalıen. Das ne ae Salz, welches ich untersucht habe, enthält 1 At. Wasser; es ist zwei- und eingliedrig, mit Vorherrschen der Flächen der Ver- tikalzone, a:b:c = 0,8278:1:1,2021, Winkel der schiefen Axen a und c=70°2%. Früher schon hat Grailich diese Form ge- messen, aber nichts über den Wassergehalt mitgetheilt, so dals seine Angaben nicht benutzt werden konnten. Chromsaures Lithion. Das einfache Chromat bildet rothbraune Krystalle, welche sich jedoch mit denen des Sulfats nicht vergleichen lassen, weil sie 2 At. Wasser enthalten. Sie sind zweigliedrig, a:b:c = 0,6619:1:0,4663. Das Bichromat, | gleichfalls 2 At. Wasser enthaltend, liefert braunschwarze zer- Niefsliche nicht bestimmbare Krystalle. Unterschwelelsaures Lithiıon, bisher noch nicht be- schrieben, enthält gleich dem Natronsalz 2 At. Wasser, und ist in der That mit diesem isomorph, das erste direkte Beispiel der Isomorphie beider Alkalien. Von mannigfachem Interesse dürften die isomorphen Mischun- gen von schwefelsaurem Lithion und schwefelsaurem Natron sein, mit deren Untersuchung ich noch beschäftigt bin. Läfst man die Auflösung beider Sulfate in dem Verhältnils gleicher Atome freiwillig verdunsten, so erhält man zuvörderst Krystalle von zum Theil ansehnlicher Gröfse, theils wasserhell, tiheils trübe. Die Form derselben ist eine sechsgliedrig-rhomboedrische; sie ist meistens eine Combinatien eines Rhomboeders, dessen Endkantenwinkel = 102° 28’, welches ich als das Hauptrhom- boeder betrachte, mit seinem ersten schärferen, wozu unter- geordnet die Endfläche und das zweite sechsseitige Prisma treten. Zwei Umstände machen diese Krystalle sehr interessant, zunächst das Vorkommen gewisser Flächen, welche an künstlichen Krystallen noch nicht beobachtet worden sind; es sind dies zwei Dihexaeder zweiter Ordnung, das eine aus der Diagonalzone des ersten schärferen Rbomboeders, welches seine abwechselnden Endkanten abstumpft, das andere aus der Diagonalzone des Hauptrhom- boeders. Die Zonenlage beider Formen ergeben ıhre Zeichen und die Messungen haben sie bestätigt; sie sind = 2a:a:2a:%c und %c, das erste ist das zweifach schärfere des letzten. Da vom 30. November 1865. 631 ein Dihexaeder zweiter Ordnung, wenn es dem Gesetz der rhomboedrischen Hemiedrie unterliegt, seine äussere Form be- kanntlich nicht ändern kann, so müssen diese Formen hier wie in ähnlichen Fällen als hemiedrische aufgefalst werden. Endlich habe ich des zweiten schärferen Rhomboeders zu erwähnen, welches den Flächenreichthum dieser Krystalle noch vermehrt, und welches neben dem schärferen Dihexaeder in die Diagonal- zone des ersten schärferen fällt. Neben diesen Krystallen, deren symmetrische Ausbildung das sechsgliedrige System unverkennbar zur Schau trägt, finden sich nun andere, anscheinend zwei- und eingliedrige, die jedoch, wenn man ihre Hauptzonen am Goniometer durchmilst, sich als iden- tisch mit den übrigen herausstellen. Ihr fremdartiges Ansehen verdanken sie lediglich der an rhomboedrischen Krystallen un- gewöhnlichen Ausdehnung nach der Diagonalzone einer der drei Flächen des Hauptrhomboeders, so dafs die Flächen dieser Zone scheinbar zur Horizontalzone einer zwei- und eingliedrigen Com- bination werden. In dieser isomorphen Mischung ist aber jedes der beiden Sulfate mit 3 At. Wasser verbunden, und deshalb ist ihre Form mit derjenigen der beiden Salze nicht vergleichbar. Krystalle des ersten Anschusses enthielten 1 At. Lithionsalz gegen 3 At. Natronsalz, \5+3 aq. In der Sitzung vom 9. Januar 1843') hat Mitscherlich ganz kurz die Existenz eines Doppelsalzes beider Sulfate angekündigt, eine bestimmte Formel jedoch nicht mitgetheiltl. Da er aber sagt, er bilde spitze Rhomboeder von 77° 32’, und das erste schärfere Rhomboeder an der zuvor erwähnten Mischung 77° 25’ ergab, so darf man glauben, dals dies dasselbe Salz gewesen sei. Ein zweiter Anschuls lieferte Krystalle von derselben Form, ın denen jedoch schon etwas mehr Lithion enthalten war. Sie enthielten nämlich 1 At. Lithion gegen 2 At. Natron. Hr. Mommsen legte die von den Herren Henzen und Hüb- ner so wie den von ihm selbst erstatteten Bericht über den Fort- 1) S. Monatsberichte von 1843 S. 4. 632 Gesammtsitzung vom 30. November 1865. gang der Arbeiten am Corpus inseriptionum Latinarum während des Arbeitsjahres 1. Nov. 1864 — 31. Oct. 1865 vor. — Hr. Henzen hat die Papiere von Suaresius, Ach. Statius, Seb. Macei und anderes mehr den Scheden eingeordnet oder einordnen lassen und die Ausarbeitung der stadtrömischen Inschriften für den Druck fortgesetzt. Eine eingehende Abhandlung über das Verhältnils der ältesten Einsiedler zu den späteren Sammlungen war beigefügt. — Hr. Hübner hat den Druck des zweiten Bandes bis zum 48. Doppelbogen fortgeführt; die Inschriften von Bae- tica sind damit beendigt und diejenigen der dritten und letzten geographischen Abtheilung, der Tarraconensis begonnen. — Hr. Mommsen hat ausser der Bearbeitung der Handschrift des Gammarus, worüber besonders Bericht erstattet worden ist (S. 372—380), und der Förderung der Vorarbeiten insbeson- dere für Deutschland, Afrika und Neapel den Druck des dritten Bandes bis zum 32. Doppelbogen fortgeführt; die in diesem Jahr gedruckten Bogen umfassen ausser dem Schluls der grie- chischen Landschaften die Inschriften Siebenbürgens. — Endlich wurde über den von Hrn. Dr. Zangemeister übernommenen vierten die Pinsel- und Griffelinschriften von Pompeii enthal- tenden Band berichtet, wovon der Druck sofort beginnt. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Acta literaria Sueciae. Vol. 1. et 4. Upsaliae 1720—1724, 1735—1739. 4. Nova Acta regiae societatis scienliarum Upsaliensis. Vol. V, 2. Upsaliae 1865. 4. Upsala Universitets Ärsskrift. Upsala 1864. 8. The American Journal of science and arts. no. 119. New-Haven 1865. 8. Bulletin de lacademie royale des sciences, no. 9. 10. Bruxelles 1865. 8. Revue archeologique. Paris, Nov. 1865. 8. Cremona, Sulle trasformazioni geometriche delle figure piane. Nota 2. Bologna 1865. A4. Die Akademie gedachte der leider in den letzten Tagen er- littenen Verluste. Herr Heinrich Barth, correspondirendes Mitglied der Akademie, starb am 25. Nov. in Berlin, Herr Lappenberg, auswärtiges Mitglied, am 28. Nov. in Hamburg. ——I— « MR Lu % r 3 * a 0 Ze Sue Monatsbericht der Königl. Preuls. Akademie der Wissenschaften zu Berlin in dem Monat December 1865. Vorsitzender Sekretar: Hr. Trendelenburg. 7. December. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. v. Ranke las über den Briefwechsel Friedrichs des Grofsen mit Prinz Wilhelm IV. von Oranien und mit dessen Gemahlin. Hr. Hofmann erläuterte die folgende von ihm vorgelegte Abhandlung: „Über das Amidodiphenyl- imid, eine neue organische Base von C. A. Martius und P. Griels.” Unter der grolsen Anzahl von Farbstoffen, welche wir der wunderbaren Entwicklung der Anilinfarbenindustrie verdanken, befindet sich auch eine, die unter dem Namen „Anilingelb” vor ungefähr zwei Jahren durch die bekannte Firma „Simpson, Maule und Nicholson” in London, in den Handel gebracht wurde. Wir hatten erfahren, dafs die Herrn Simpson, Maule und Nicholson das Anilingelb durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Ani- lin darstellten und dafs sie dasselbe für identisch hielten mit dem Diazoamidobenzol (C,5H,,N3), welches Einer von uns vor einiger Zcit ausführlich beschrieben hat. Da wir uns zur gemeinschaftlichen Ausführung einer gewis- sen Versuchsreihe vereinigt hatten, zu der eine grölsere Menge Diazoamidobenzol erforderlich schien, so beschlossen wir, um [1865.] 47 634 .. Gesammtsitzung der gerade nicht sehr angenehme Darstellung desselben zu ent- gehen, uns des käuflichen Materials zu bedienen. Wir erhielten dieses als ein braungelbes, lockeres, krystallinisches Pulver. Um uns zu überzeugen, ob dasselbe in der That mit dem Diazo- amidobenzol identisch sei, untersuchten wir sein Verhalten gegen kochende Chlorwasserstoffsäure, durch welche das Diazoamıdoben- zol bekanntlich eine sehr charakteristische Zersetzung im Sinne nachstehender Gleichung erleidet: GH ..N: —+ H,O= C,H,O + C,H-,N + 2N R ee u Diazoamidobenzol. Phenol. Anilin. Wir waren jedoch erstaunt, dabei auch nicht die aller- geringste Gasentwicklung zu beobachten und ebensowenig konn- ten in der tiefroihgefärbten, chlorwasserstoffsauren Auflösung, Phenol oder Anilin aufgefunden werden. Als wir die salzsaure Lösung dagegen mit Ammoniak übersättigten, nachdem wir sie durch Filtration von einer Spur eines unlöslichen Harzes hefreit hatten, entstand eine reichliche Menge eines gelben krystallini- schen Niederschlages, während sich in der Mutterlauge be- trächtliche Mengen Oxalsäure nachweisen lielsen. Durch diesen Versuch wurde nicht allein die vollständige Abwesenheit von Diazoamidobenzol im Anilingelb dargethar, sondern auch der Beweis geliefert, dals dasselbe, abgesehen von der Spur harziger Substanz, nur aus dem Oxalat einer organi- schen Base bestand. Über die Natur dieser Base mulsten wir vorläufig im Unklaren bleiben, da es nicht gelang, sie durch qualitative Reactionen mit irgend einem bekannten Körper zu identificiren. Da dieselbe mehrere bemerkenswerthe Eigenschaften erkennen liels, so beschlossen wir, sie einer eingehenden Unter- suchung zu unterwerfen. Was zunächst die Reindarstellung der neuen Verbindung anlangt, so gelingt diese schon, wenn man die auf vorherer- wähnte Weise aus dem käuflichen Material abgeschiedene Ver- bindung öfters aus warmen Alkohol umkrystallisirt. Zweck- _ mälsiger ist es jedoch, sie vorher der Destillation zu unterwerfen, wobei sie unzersetzt als gelbrothes Oel übergeht, das schon im Retortenhalse zu einer strahlig-krystallinischen Masse erstarrt. Ein einmaliges Umkrystallisiren des Destillationsproduktes aus vom 7. December 1865. 635 Alkohol liefert sie dann in der Regel von einer, zur Analyse hinreichenden Reinheit. Nach der Analyse kömmt der neuen Base, die wir aus Gründen, welche bei einer andern Gelegenheit erläutert werden sollen Amidodiphenylimid nennen wollen, die Formel: C,>2H,,N; zu; sie ist also merkwürdiger Weise isomer mit dem Diazo- amidobenzol. Dafs sie mit dem letzteren aber aulserdem nichts gemein hat, erhellt schon aus der Art ihrer Reindarstellung, und er- giebt sich vollends aus den nachstehenden Eigenschaften. In Wasser ist das Amidodiphenylimid selbst in der Sied- hitze nur sehr wenig auflöslich, reichlicher dagegen in Aether und heilsem Alkohol. Aus der heils gesättigten alkoholischen Lösung krystallisirt beim Erkalten der grölste Theil wieder aus, in gelben rhombischen Nadeln oder Prismen, von beiläufig 49° 20’, deren scharfe Seitenkannten durch breitere Flächen gerade abgestumpft werden. Da die Enden der sonst ziemlich grolsen Krystalle alle abgerundet waren, konnte Prof. V. von Lang, dem wir dieselben zur Messung übergeben hatten, nichts weiter über die krystallographischen Constanten mittheilen. Das Amidodiphenylimid schmilzt bei 130° C., erstarrt wie- der bei 120° C. und siedet ohne Zersetzung zu erleiden bei einer Temperatur die höher ist als der Siedepunkt des Quecksilbers. Mit Säuren verbindet es sich zu wohl charakterisirten Salzen, die zum grölsten Theil gut krystallisiren. Das Diazoamidoben- zol dagegen wird fast immer in messinggelben Blättchen er- halten die bei 91° C. schmelzen, und in höherer Temperatur explodiren. Erwärmt man dasselbe mit Säuren, so zersetzt es sich unter Entwicklung von Stickstoff. Dals das Amidodiphenylimid in ähnlicher Weise wie das Diazoamidobenzol durch Einwirkung von salpetriger. Säure auf alkoholische Lösungen von Anilin entsteht, haben wir im Laufe unserer Untersuchungen bestätigt gefunden '). Wir haben uns 1) Mene scheint der erste gewesen zu sein, welcher diese Bildung des Amidodiphenylimid’s beobachtet hat. Compt. rend. CII, 311 auch Jah- resbericht von Liebig und Kopp 1861. 496. 47* 636 Gesammtsitzung ferner überzeugt, dafs es in der That nur von der Temperatur abhängt, ob der eine oder der andere von diesen beiden Kör- pern bei dieser Reaction zu erwarten steht. Läfst man die sal- petrige Säure in der Kälte auf die Anilinlösung einwirken, so wird nur: Diazoamidobenzol erhalten; zur Bilduug des Amido- diphenylimid’s dagegen ist eine höhere Temperatur erforderlich. Unserer Erfahrung gemäfs verfährt man zur Darstellung des Amidodiphenylimid’s am zweckmäfsigsten in folgender Weise. Anilin wird in der dreifachen Menge Alkohol gelöst, und in die etwas erwärmte Lösung, ohne dabei abzukühlen, ein starker Strom salpetriger Säuren geleitet, so lange, bis die Flüssigkeit eine tief rothe Farbe angenommen hat. Man versetzt dieselbe darauf mit einem grolsen Überschuls mäfsig concentrirten Salz- säure, wobei die Mischung sofort zu einem braunrothen, dicken Brei erstarrt. Dieser wird auf ein Filter geworfen und zur Entfernung der Mutterlauge, welche stets eine beträchtliche Menge Phenylsäure enthält, nochmals mit sehr verdünntem Alko- hol gewaschen. Der Filterrückstand wird dann wiederholt mit kochendem Wasser ausgezogen, aus den vereinigten Lösungen die Basen mit Ammoniak abgeschieden und in oben augegebe- ner Weise gereinigt. Während wir mit den eben beschriebenen Versuchen be- schäftigt waren, wurde unsere Aufmerksamkeit noch auf einen andern gelben Farbestoff gelenkt, der durcb Einwirkung von zinnsaurem Natrium auf salzsaures Anilin entsteht und dessen Bildung soviel uns bekannt ist zuerst in der Fabrik der Hrn. J. J. Müller K Co. in Basel später auch von Hrn. H. Schiff ') beobachtet wurde. Die Vermuthung, dafs derselbe mit dem Amidodiphenylimid identisch sei, haben wir bestätigt gefunden. Will man sich dieser letztern Darstellungsweise bedienen, so kann man auf folgende Weise verfahren. Eine Mischung von 3 Theilen zinnsaurem Natrium und 1 Theil Anilinnitrat wird mit 10 Theilen Wasser versetzt und auf 100° C. erwärmt. Wird nun Natronlauge nach und nach in kleinen Portionen zuge- fügt, so tritt eine heftige Reaction ein. Sobald Säuren einer Probe eine tiefroihe Färbung ertheilen, unterbricht man die ‘) Journ. d. Chem. u. Phys. XIV. 110. 1764. vom 7. December 1865. 637 Operation und läfst erkalten. Versetzt man darauf mit Salzsäure bis zur Lösung des ausgeschiedenen Zinnoxyds, wobei ein star- ker Geruch nach Phenol zu beobachten ist, so wird eine be- trächtliche Menge eines rothbraunen Harzes abgeschieden. Die- ses wird zur Entfernung beigemengten Phenols mit verdünnter Natronlauge digerirt, und dann mit salzsäurehaltigem Wasser aus- gekocht. Die wässrigen Auszüge mit Ammoniak versetzt, liefern Amidodiphenylimid mit allen seinen vorhererwähnten Eigen- schaften. Zieht man nur die Darstellungsweise des Amidodiphenylimids mittelst salpetriger Säure in Betracht, so wäre es am einfach- sten, wenn man annehme, dafs es nach derselben Gleichung entstände wie das ihm isomere Diazoamidobenzol: 2C,H,N+HNO, =€,,H,,N; + 2H,0. Aber hiermit steht die leizterwähnte Bildungsweise desselben vermittelst. zinnsaurem Natriums und salpetersaurem Anilin nicht in Einklang, da hierbei keine so einfache Stickstoff Substitution möglich erscheint. Erinnert man sich übrigens, dafs bei beiden Darstellungsweisen das Auftreten von Phenol beobachtet wurde, so kommt man jedenfalls der Wahrheit näher, wenn man die in beiden Fällen stattfindenden Reactionen in gleicher Weise als einen Oxydationsprocels auffalst, nachstehender Gleichung entsprechend: 3C,H,N+30= (C,;H,,N; + C,H,O +H;O0. u von Sn nt mn Anilin. Amidodiphe- Phenol. nylimid. Das Amidodiphenylimid ist eine einsäurige Base und zwar sind seine basischen Eigenschaften nur schwach ausgeprägt, da alle seine Salze schon in Berührung mit viel Wasser in ihre Bestandtheile zerfallen. Die schwach sauren Auflösungen dieser Salze besitzen eine schön cochenillerothe Farbe. Von den Salzen sind hauptsächlich das Chlorid C,;H,,N;, HE€l Nitrat CG,.H,.,N;, HNO, Sulphat 2(C,.H,,N;)H,SO, und Oxalat 2(C,;H,,N;)H,C,;0, bemerkenswerth. 638 Gesammtsitzung In Wasser lösen sich die Salze mit Ausnahme des Nitrats schwer, Sulphat und Oxalat sind ‘selbst in ln Alkohol schwierig löslich. Auf Zusatz von Platinchlorid zu einer alkolischen Lösung des Chlorids scheidet sich das Platindoppelsalz: 2[C,;H,,N;, HCl], PtC1, in feinen braunrothen Nadeln ab. Setzt man zur alkoholischen Lösung des Amidodiphenyl- imids eine Lösung von Silbernitrat so fallen goldgelbe stark- glänzende Blätichen denen die Formel 2(C,, H,,N;), AgHO zukommt und die in kochendem Alkohol schwer, in Wasser oder Aether fast gar nicht löslich sind. Bleibt die alkoholische Lösung der Base längere Zeit in der Kälte mit Jodaethyl in Berührung, so entsteht eine schön krystallisirende jodwasserstoffsaure Verbindung der einfach äthy- lirten Base C,.H,.(C,;H,)N;,HI. Wirken dagegen diese Kör- per bei 100° auf einander ein, so wird Aethyl-Anilin und ein harziges Produkt gebildet. Über die Anwendbarkeit des Amidodiphenylimids als Farb- stoff können wir nicht viel günstiges mittheilen. Fast alle schwachsauren Auflösungen derselben färben Wolle und Seide intensiv citrongelb»e Aus einer Lösung der Pikrinsäureverbin- ‘dung kann Wolle in einer Farbe gefärbt werden, die dem Cochenilleroth, was Schönheit und Tiefe des Tons anlangt, wenig nachsteht. Delsungeachtet haben diese Farben eine sehr untergeordnete praktische Bedeutung, weil sie flüchtig sind und in Folge dessen von den damit gefärbten Stoffen, namentlich in höherer Temperatur, nach und nach wegsublimiren. Was die Stellung anlangt, welche das Amidodiphenylimid im chemischen Systeme einnimmt so ist es nach Berücksichtigung seiner im Voehergehenden erwähnten Eigenschaften von selbst verständlich, dafs es nicht mit dem ihm isomeren Diazoamido- benzol in ein und dieselbe Gruppe gehört. Es zeigt dagegen in mannigfacher Beziehung grolse Übereinstimmung mit jener Klasse von Verbindungen, deren erst-bekanntes Glied das von Mitscherlich entdeckte Azobenzol ist. In der That sind vom 7. December 1865. 639 wir sogar geneigt unsere Base geradezu als Amidoazobenzol C,H,ıN=C,.H,(NH,)N, anzusprechen. Im Falle sich diese Ansicht richtig erweist, so mülste ihre Darstellung auch aus dem Nitrazobenzol, dessen Existenz von Laurent und Gerhardt ') wahrscheinlich gemacht wurde, nach folgender Gleichung gelingen : GC, ;H;(NO,)N, — 3H,S=C,;,H;(NH,)N;, +35 m 2H,0; ———— a —— —— Nitrazobenzol. Neue Base. Diese Bildungsweise wäre dann ganz in Übereinstimmung mit der des Diamidoazobenzols (Diphenin’s) aus Dinitrazobenzol: C,.H,(NO,),N, + 6H,S=C , ;H,(NH,),N,;, + 68 +4H,0; Ed Binitrazobenzol. Diphenin. Wir hoffen, dals wir später ın der Lage sein werden diese Vermuthungen durch das Experiment bestätigen zu können. Dafs übrigens die angedeutete Beziehung des Amidodiphenyli- mid’s zum Diphenin nicht nur eine rein zufällige ist, möchte schon dureh die grolse Ähnlichkeit der beiden Verbindungen, sowie namentlich auch durch die ım Nachstehenden erwähnten Zersetzungserscheinungen genügend dargethan werden. Wird Amidodiphenylimid mit Zinn und Salzsäure erwärmt, so wird es rasch unter Enifärbung gelöst und in der Auflösung finden sich neben Chlorzinn zwei organische Basen, Anilin und das kürzlich von Hrn. Prof. A. W. Hofmann ?) beschriebene Paraphenylendiamin. Um diese von einander zu trennen wird das Zinn durch Schwefelwasserstoff entfernt, die filtrirte Lösung zur Trockne verdampft, der Rückstand in wenig Wasser gelöst und durch Zusatz von eoncentrirter Salzsäure das chlorwasserstoffsaure Paraphenylendiamin ausgefällt, welches bekanntlich in concen- trirter Salzsäure schwer löslich ist. Durch Wiederholung dieser Operation wurde das Paraphenylendiamin von jeder Spur Ani- lin befreit. Es wurde sowohl durch eine gut stimmende Analyse, als durch die Vergleichung seiner Eigenschaften mit der Hof- mann’schen Verbindung identificirt. 2) Auın. d. Ch. et Ph. 75. 73. ?) Proc. of the Royal Society, Juni 18. 1863. 640 Gesammtsitzung vom 7. December 1865. Man kann diese Umsetzung durch nachstehende Gleichung versinnlichen: G,.H, ıNaz - 4H = C,H-,N — C.H,N; msn (an) mn m Amidodiphenyl- Anilin. Paraphenylen- imid. diamin. Eine weitere Analogie beider Basen ergiebt sich aus dem gleichen Verhalten derselben beim Erhitzen mit einer Oxyda- tionsmischung aus Braunstein und Schwefelsäure; beide liefern dabei reichliche Mengen von Chinon. | Über einige weitere Zersetzungsproducte des Amidodiphe- nylimids soll bei einer andern Gelegenheit berichtet werden. Besonders werden wir eines blauen Farbstoffs zu gedenken haben, der sich beim Erhitzen des Amidodiphenylimids mit chlorwasserstoffsaurem oder 'salpetersaurem Anilin bildet. Auch das Diazoamidobenzol und Diphenin liefern unter diesen Be- dingungen einen blauen Farbstoff; es bleibt jedoch zu beweisen ob diese identisch sind. Am Schlusse dieser Abhandlung sei noch erwähnt, dafs sich aus dem Toluidin, sowohl durch Einwirkung der salpetrigen Säure wie des zinnsauren Natriums, eine dem Amidodiphenylimid homologe Verbindung darstellen läfst, welche ebenfalls in gel- ben Nadeln krystallisirt und mit letzterm auch in allen andern Eigenschaften die gröfste Übereinstimmung zeigt. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Die Fortschritte der Physik im Jahre 1863. 19. Jahrgang. Berlin 1865. 8. Verhandlungen des nalurforschenden Vereins in Brünn. 3. Band. Brünn 1865. 8. Nuove Memorie dell’ Instituto di corrispondenza archeologica. Lipsia 1865. 8. Edward Hincks, On the Assyrio-Babylonian measures of time. Dublin 1865. 4. — On the various years and months in use among the Egyptians. Dublin 1865. 4. Notice sur les travauz scientifigues de Mr. Anatole de Caligny. (Versailles 1862.) 4. nebst 9 verschiedenen Journalauszügen. Bericht über die Thätigkeit der St. Gallischen nalurwissenschaftlichen Ge- sellschaft während des Vereinsjahrs 1863—1864. St. Gallen 1864. 8. Sitzung der phys.-math. Klasse vom 11. Dec. 1865. 641 41. Decmbr. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Braun las über die Bestimmungsweise der Blattstellungs-Verhältnisse. | Hr. W. Peters las über einige weniger bekannte Flederthiere ( Prhyllostoma brachyotum, Coelops, _Furia, Lasionycteris). 1. Phyllostoma (Carollia) brachyotum Wied. Durch die besondere Güte Sr. Durchlaucht des Prin- zen zu Wied habe ich das einzige Originalexemplar, nach welchem diese Art aufgestellt ist, einen trockenen Balg, genauer untersuchen können. Kopf, Nasenblatt und Ohren haben ganz dieselbe Gestalt wie bei Ph. brevicaudum. Die Ohrklappe ist an beiden Seiten sehr kurz und abgerundet. Jedoch ergibt sich bei ge- nauerer Untersuchung, dals sie der Basis desselben Organs von Ph. brevicaudum entspricht und dafs ihre Kürze keine natür- liche ıst. Wahrscheinlich ist es, dals beide Ohrklappen bereits am lebenden Thiere verstümmelt und zwar, wie es nicht selten vorkommt, von Ungeziefer abgefressen sind. Dies geht auch daraus hervor, dals sie sehr ungleich sind, indem die rechte Ohrklappe kürzer und am Rande mehr abgerundet erscheint als die linke. Ein Schwanz scheint auf den ersten Anblick an dem ausgestopften Balge nicht vorhanden zu sein, wenn man aber die Schenkelflughaut gegen das Licht hält, so sieht man längs der Mitte der Basalhälfte derselben eine hellere, dunkler contourirte Linie ın derselben Weise und von derselben Ausdehnung wie der Schwanz bei PR. brevicaudum, so dals sich nicht daran zweifeln läfst, dals dieser Theil ebenso entwickelt ist, wie bei jener Art, wo dieses Organ, wie ich früher gezeigt habe, oft übersehen worden ist. Die Farbe ist dunkler, russiger, sonst sind die Haare der Rückseite wie bei PR. brevicaudum, an der Basis dunkelbraun, dann gelblichweils, dann braun und an der äulsersten Spitze meist wieder blasser. Die Körperproportionen sind bei beiden Arten ganz die- selben, wie aus den folgenden mit grölster Sorgfalt an den ge- irockneien Originalexemplaren gemachten Ausmessungen hervor- 642 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse geht. Die kleinen Abweichungen scheinen mir von um so geringerer Bedeutung zu sein, da dergleichen bei anderen ein- heimischen Flederthieren ganz gewöhnlich sind und nicht selten in noch mehr auffallender Weise vorkommen. Die Flughäute endigen an der Tibia, 1 Mm. oberhalb des Sporns, bei dem Exemplar von Pr. brevicaudum links ebenfalls, während der Rand der rechten Flughaut sich in gleicher Linie mit dem Sporn befindet. _ Zur Vergleichung stelle ich hier die Malse der Original- exemplare beider Arten in Millimetern zusammen. Ph. Ph. brach. brev. Millim. Höhe des Ohrs am innern Rande . . . 2 2.2.2.1 13 Länge) der; Zahnreihe „4.6. ef Se arsiiemete en 365508, Länge; des; Vorderaums 2.40» .uff- emancaree a = ig 1.F.Mh. 4,3; 4,3;1.Gl. 4,5; 4,5;2.Gl. 2,5; 2,5; 10,5;10,5 DB. 22 1,.35:8, 33,3: 50.208.323 5 4,3;4133 3.F. - 355,355; - 15,5; 16,5; 2.G1.20,6; 20,6;3.G1.10;9,6; K.;4; 82+; 86 4.F. - 34,5,34,5; - 11,513 5 - 118 11,3; Kpl. 2; 3; 60; 61 5.E._-.36,2;36,7:.= 11,3511,65,,.,—1110,53,19,5; = „2:22; 61,5; 62 Länge;,,des Unterschenkels,., ..... zul sseuls ee - 2, SPOENS Duni eleyinzugger ala nie "aba as - =, 4SChwanzes „fen eo afeıu ae bi sanslide 2 ee - Was das Gebifls anbelangt, so stimmen die einzelnen Zähne beider Exemplare in ihrer Gestalt vollkommen mit einander über- ein, nur sind sie bei drachyotum ein wenig kräftiger, ein Unterschied, der sich aus der sexuellen Verschiedenheit erklären läfst, da das Exemplar von drachyoztum ein männliches, das von brevicaudum ein weibliches Exemplar ist. Ferner ste- hen die Zähne bei drachyotum viel gedrängter, indem der Zwischenraum zwischen den oberen Eck- und den mittleren Schneidezähnen ein geringerer ist als bei drevicaudum, so dafs zugleich das äulsere Drittel dieser Schneidezähne vor den Eckzähnen liegt, während bei der letztern Art der innere Rand der Eckzähne und der äulsere Rand dieser Schneidezähne in derselben Längslinie liegen. Ferner deckt der erste falsche Back- zahn mit seinem äulsern Winkel die hintere äulsere Seite des Eckzahns und wird in derselben Weise von dem folgenden fal- vom 411. December 1865. 643 schen Backzahn gedeckt, während bei drevicaudum der erste falsche Backzahn nur mit der vordern äufsern Spitze den Eck- zahn berührt und beide falsche Backzähne sogar durch ein klei- nes Diastema von einander getrennt werden. Ähnliche zum Theil noch auffallendere Unterschiede finden wir in der Stellung der Unterkieferzähne : die Eckzähne sind einander so genähert, dafs sie nur durch einen Zwischenraum von etwa einem Drittel ihres Querdurchmessers (oder die Breite eines innern Schneidezahns) von einander getrennt werden und sich an die hintere äulsere Fläche der innern Schneidezähne an- legen, so dals sie die ihnen ebenfalls mit ihrer hintern Fläche dicht anliegenden äufseren Schneidezähne von oben ganz ver- decken, während bei Ph. brevicaudum die Eckzähbne um die Breite beider innern Schneidezähne von einander entfernt ste- hen und nur die äulsern Schneidezähne berühren. Eben so ste- hen die ersten untern Backzähne bei PR. brachyotum viel ge- drängter, indem von aufsen betrachtet der folgende immer über den vorhergehenden mit seiner vordern Spitze herübergreift, während bei Pr. dbrevicaudum der erste Backzahn viel weni- ger über den Eckzahn herübergreift, zwischen dem ersten und zweiten Backzahn eine kleine Zahnlücke vorhanden ist und der erste wahre Backzahn nur mit einer Spitze an den zweiten fal- schen Backzahn stölst. Ohne Zweifel würde ich hiernach in Übereinstimmung mit Sr. Durchlaucht dem Prinzen zu Wied beide Thiere für Repräsentanten verschiedener Arten halten, wenn ich nicht Gelegenheit gehabt hätte, eine Anzahl anderer Exemplare zu un- tersuchen, welche Mittelstufen und so den allmähligen Übergang von einem zu dem andern bilden, so dals eine scharfe Grenze zwischen beiden nicht aufzufinden ist. Schon das von Hrn. Gervais (Castelnau, Voyage dans l’Amerique du Sud. Cheiropte- res. Taf. 9. Fig. 8) abgebildete Gebils gehört einem Individuum an, welches eine Zwischenstufe zwischen den beiden Original- exemplaren von Pr. brachyotum und Ph. brevicaudum bildet. Jedoch findet die Unterscheidung beider Arten wenigstens als Varietäten in den Beobachtungen von Hrn. Gervais (l. c. p- 44) und Hrn. de Saussure (Mammiferes du Mexique p. 69) eine Stütze, indem auch diese unter einer Anzahl von Indivi- 644 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse duen einige von schön zimmtbrauner Farbe (Pr. brevicaudum Wied), andere mehr schwärzlich, russig (Pr. brachyotum W ied) gefärbt fanden. ') 2. Coelops Bernsteinii Ptrs. Archiv für Naturge- schichte 1862. II. p. 117. — Monographie der Chiropteren 'Tf. 6. Durch die grofse Liberalität des Hrn. Director Schlegel babe ich nun auch den Schädel dieser Art untersuchen können, welcher in allen wesentlichen Theilen mit dem von Ahinolophus überein- stimmt, sich aber durch diegeschlossene Platten bildenden Zwischen- kiefer und die sehr beträchtliche Verschmälerung hinter den Or- bitalgruben noch mehr an Pryliorkina anschlielst. Auch findet sich von dem zweiten untern verkümmerten, bei ARAinolophus constant vorkommenden Lückenzahn keine Spur. °) Meter Totallänge MN TE 20 EEE Sl AIEE 30.0 Länge''des’ Kopfes.) a, sn) man. var. 0 Bänge:derOhrsii. aTner 00.0 0R9T0,05 Länge des ganzen Nasenbesatzes . . 2 2 2 2 0.0. 0,010 Länge der Schenkelflughaut in der Mitte . . . 2 . . 0010 Länge des Schwanzes . . » 2 2 2 ee... 0,0015 1) Sr. Durchl. der Prinz zu Wied, dem ich die Resultate meiner Untersuchung mitgetheilt habe, besteht auf der Verschiedenheit beider Arten und schreibt mir darüber: „Ich habe beide Thiere frisch verglichen, ihre Verhältnisse verschieden gefunden, ihre Farbe, das Haar auf dem Felle, bei dem einen gröber und fester, einfarbig, bei dem andern zarter und weicher, zweifarbig, kurz ich bin ganz fest vom Gegentheil, d. h. von der Verschiedenheit beider Arten überzeugt. Meine ausgestopften Fleder- mäuse sind nun schon sehr verblichen, denn sie stehen nun heute gerade 50 Jahre dem Lichte exponirt in ihren Schränken, man kann also nicht ganz richtig über sie urtheilen.” ?) Dieser bei den Flederthieren mehr oder weniger entwickelte oder auch ganz fehlende Zahn der Ahinolophi und Vampyri liefert den Beweis, dafs die von Hrn. Owen aufgestellte und für die Zählung der Zähne ver- wandte Theorie, der zufolge von den falschen Backzähnen der Säugethiere die Zahl durch mangelnde Entwickelung von den vordersten an vermindert wird, nicht immer richtig ist und zu falschen Ansichten über die Homvlo- gie dieser Zähne verleiten kann. | vom 11. December 1865. 645 Meter ige des Oherarıns . . . =, esse. an en rn een Länge des Vorderarms . . . a 0 L.d.1.F. Mh. 0,006 1. GI. 0,0015 2. Gı. GOOIBEE 0 0.009 L.d.2.F. - 0,02 - 0,005 — ea a, ee 20.042 L.d.3.F. - 0,035 - 0,008 2.Gl.0,027° Krpl. 0,006. . . 0,066 BAR, —- 003. - 000 ,- .001 ,.- ar: 0,054 E.doE. - 005 .- 0010 - 004123. -.ı 0... .0057 Länge des Oberschenkels . . . 2 2 2 2.2200. 0016 Länge des Unterschenkels . . ». . 2 2 0.2.0.0. 0016 Bomeerdes Enlses . .. . .» oo 2 00 04 nie a, 0,010 Meassendes Sporps .. - » » © > =1- un wien e,: 00035 Kmmedes Sehädels . . .. - . % 2 or. 0 - ae 0 801% Länge der Zabnreihe-. . -. ». © 02 2 0 ee 00. . 0,0065 Distanz der oberen Eckzahnspitzen . . » 2 2... 0,0027 Distanz der unteren Eckzahnspitzen . . » 2 2... 0,002 Das einzige männliche Exemplar stammt, wie erwähnt, aus Gadok auf Java. Ob diese Art wirklich von C. Fritki Blyth aus dem Son- derbunde von Unterbengalen verschieden sei oder ob sie mit demselben übereinstimme, lälst sich nach der mangelhaften Kennt- nifs von der letzteren um so weniger entscheiden, da bisher meines Wissens kein Exemplar derselben nach Europa gekom- men ist. Die vorstehende Art ist für meine Monographie der Chiropteren auf Taf. 6 abgebildet worden. 3. Furia horrens Fr. Cuvier, Mem. du Museum. 1828. XVI. p. 149, Taf. 8. Furia horrens Gervais, Castelnau, Voyage Amer. du Sud. Chei- ropt. p. 69. Taf. 11. Fig. 2, Taf. 14. Fig. 6. Furipterus horrens Tumes, Proceed. Zool. Soc. London. 1856. p- 175. Durch die Güte meines Freundes, des Hrn. Prof. Kraufs in Stuttgart, habe ich Gelegenheit erhalten, ein in Weingeist wohlerhaltenes ausgewachsenes männliches Exemplar dieser merk- würdigen kleinen Art zu untersuchen und bin so in den Stand gesetzt, über die verschiedenen Angaben in Bezug auf den Bau derselben selbst urtheilen zu können. Fr. Cuvier hat ganz 646 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse richtig angegeben, dals der Schwanz nicht bis ans Ende der Flughaut reicht, er hat aber diese letztere selbst, wie bei den Vespertiliones, spitz zulaufen lassen. Hr. Gervais stellte da- gegen (l. c. Taf. 11. Fig. 2) nach der Untersuchung von trock- nen Exemplaren die Schenkelflughaut, wie bei den Emballonura abgestutzt dar, während Hr. Tomes in demselben Jahre, eben- falls nach trockenen Bälgen eine der Cuvier’schen ähnliche Dar- stellung gab, und dabei, wie schon früher Hr. Gray, die Ver- muthung aussprach, dafs das von Cuvier erwähnte Verhalten des Schwanzes Folge der Präparation sein dürfte, wobei dieses Organ theilweise herausgezogen worden sei. Das mir vor- liegende frische Exemplar nebst einem, durch Hrn. Tomes Güte erhaltenen Balg von Furipterus caerulescens, liefert nun den Beweis, dals die von Hrn. Gervais gegebene Darstellung die richtigere ist. Indessen ist seine Vermuthung, dals Hrn. Gray’s Mosia nigrescens zu dieser Art gehören könne, nicht zutreffend, da diese letztere ganz ohne Zweifel mit Emballonura monticola Temm. identisch ist und daher nicht aus Centralamerica, son- dern aus dem ostindischen Archipel stammt, während umgekehrt Centurio senex nicht in Amboina, sondern in Mexico oder Cen- tralamerika zu Hause ist. Die von Fr. Cuvier gegebene Abbildung liefert in Bezug auf die Physiognomie ein ziemlich getreues Bild. Die breite dicke, wulstige Schnauze erscheint sehr hervorragend im Ge- gensatz zu der platten Örbitalgegend. Die Nasenlöcher sind nach vorn gerichtet, queroval, nahe dem Oberlippenrande lie- gend und nur durch eine ganz schmale Brücke von einander ge- trennt. Die Mitte der Unterlippe ist durch eine dreieckige glatte Wulst ausgezeichnet, der eine kleine Längswulst der Oberlippe entspricht. Die Mundspalte ist ziemlich klein und reicht nicht bis unter das Auge. Die Augen sind klein und beruht die ent- | gegengesetzte Angabe Fr. Cuvier’s wahrscheinlich darauf, dafs dieselben unnatürlich hervorgedrängt waren. Die Ohren sind .mälsig grols, viereckig abgerundet, am Aulsenrande unter der Spitze eingebuchtet; der Ohrlappen ist nur wenig abgesetzt. Die Innenseite der Ohren zeigt kleine punktförmige Warzen, aus jeder von welchen ein Haar entspringt. Die Ohrklappe ist spitzwinkelig, dreieckig, kurzgestielt; der innere Winkel der Ba- ‘ vom 11. December 1865. 647 ‚ sis ist verdickt wulstig, der äufsere dünn und viel spitzer; der obere Winkel ist am längsten ausgezogen und endigt mit einem kleinen Knötchen. Der Körper ist dicht und fein behaart, und die Behaarung bildet ringsum einen Saum auf den Flughäuten, welche letzte- ren sonst nackt sind; nur die Querlinien der Schenkelflughaut sind unten mit kurzen seidenartigen Haaren besetzt. Die Ruthe ist weich und ohne Stützknochen. Der dünne Schwanz läfst äufser- lich 7 Glieder erkennen, von denen das 2te bis 4te die längsten sind; seine Endspitze erscheint auf der Rückseite der Schenkel- flughaut auf der neuntletzten Querlinie und von derselben zieht sich, wie Fr. Cuvier ganz richtig angegeben hat, eine ver- dickte Längslinie bis zum ebenfalls verdickten, flach bogenförmig ausgeschnittenen Rande der Schenkelflughaut hin. Die Extremitäten sind mälsig lang; der Vorderarm überragt nur wenig die Schnauze. Die beiden Phalangen des Daumens sind zusammen kürzer als das Mittelhandglied desselben Fingers; die Schulterflughaut geht an die erste Phalanx, während die Zwischenfingerhaut fast bis an die sehr kleine Kralle geht. Die Mittelhandglieder nehmen vom dten bis öten Finger an Länge ab, dagegen ist die erste Phalanx des fünften Finger auffallend länger als die der andern Finger. Die Flughäute, welche bis zur Mitte des Mittelfulses herabsteigen, erscheinen daher sehr breit. Die Fufssohlen bilden eine glatte Schwiele. Die Fülse sind klein, die Klauenglieder der Zehen verhältnilsmäfsig grols. Die erste Zehe besteht aus. zwei, die übrigen aus drei Gliedern. Die Spornen sind sehr lang, indem sie den Unterschenkel an Länge übertreffen. Die Farbe ist schwarz mit bläulichem Schimmer, an der Basis der Haare mehr bräunlich. Die Schnauze und Lippen sind mit rostfarbigen Haaren versehen und die Flughäute sind dun- kelbraun. £ Meter Totallänge bis zum Schwanzende . . » 2 2 2.2... 0,058 Beeren Konten ee ae ee te re 001 Höhe des Ohrs . . . 0,010 Höhe des vordern Ohrrandes : 0,0075 Bee Ohrsiın 26 2 ee ee 00075 648 Sitzung der physikalisch- mathematischen Klasse Meter Länge d. Körpers v. d. Schulterhöhe bis zur Schwanzbasis 0,021 Länge des Schwanzes . . 2. 2 22 2 2000000 0. 0,0225 Länge des Oberarms . © » 2 2 2 02 en ee. 0,073 Länge des Vorderarms. . . » 2... . er 2 Länge d. 1. F. Mh. 0,0018 1. Gl. 0,0005 2. Gl. 0,6007. - . . 0,003 Länge d.2.F. - 0,027° - 0,0003 — Eu: 0 2 ze Länged.3.F. - 001 - 0,005 2.Gl. 0,0196 Kpl. 0,0017 0,056 Länge d.4.F. - 008 - 0,0022 - 0,009 - Tförmig 0,042 Länge d.5.F. - 0,027 - 0005 - 0,053 - 0,0012 0,0435 Länge des OÖberschenkels - ., .,. - .:.. 0 oe og K0TE Länge des Unterschenkels . - © 2 2 2 2 2.20.0018 Länge. des Fulses . - „unse = 0 100 erie nege Länge des Sporns . .,, ensure m ge gem Je Länge der Schenkelflughau . -. . . . . » SR Von d. Schwanzspitze bis zum Rande d. Sahara Hochant 0,010 Das beschriebene Exemplar stammt aus Surinam. 4. Lasionycteris nov. gen. Unter dem obigen Namen trenne ich den Vespertilio noctivagans Leconte, den einige mit Fespertilio s.s., andere mit Yesperugo (Scotophilus) vereinigt haben, wegen seines eigenthümlichen Baus als besondere Gattung ab. Von beiden Gattungen unterscheidet diese Art sich durch die Gebilsformel = 1 2-2? i 25, durch welche sie mit Miniopterus überein- stimmt, während sie von dieser Gattung durch die verschiedene Bildung der Ohren, der breiten beilförmigen Ohrklappe, der Nase, des Schädels abweicht, von Yesperugo äulserlich leicht durch den Mangel der Spornlappen zu unterscheiden ist und durch die Form der Ohren und die Behaarung der Schenkelflughaut einen Übergang zu den Nycticejus und Atalapha bildet. Diese Gattung unterscheidet sich viel mehr von VFesperugo (Scotophilus), als die von Hrn. Allen für Synotus macro- tis und S. Townsendii aufgestellte Gattung Corynorkinus von Synotus, da hier der einzige Unterschied, bei sonst völ- liger Übereinstimmung, in der verschiedenen Gebilsformel (bei ersterem —-, bei letzterem - Backzähne) besteht. vom Al. December 1865. 649 Hr. Hofmann las über die Einwirkung des Phos- | phortrichlorids auf die Salze der aromatischen Mo- namine Ausgangspunkt folgender Versuche war eine zufällige Beob- | achtung. Gelegentlich einer eingehenden Untersuchung über die ' chlorirten, bromirten und nitrirten Abkömmlinge des Anilins war eine grölsere Menge von Phenylacetamid durch die Einwirkung ‚ des Acetylchlorids auf Anilin dargestellt worden. Aus dem bei ‚ dieser Reaction reichlich entstehenden Nebenproducte, dem chlor- | wasserstoffsauren Anilin, sollte das Anilin durch Zusetzung mit Natriumhydrat wiedergewonnen werden. Nachdem sich bei der ‚ Destillation die grölsere Menge des zurückgebildeten Anilins ver- flüchtigt und in der Vorlage angesammelt hatte, begann ein zäh- flüssiges Oel überzugehen, welches in der Röhre des Kühlappa- rates hängen blieb und allmälig zu einer krystallinischen Masse erstarrte. Sie konnte mit Leichtigkeit durch Waschen mit kaltem und durch Umkrystallisiren aus heilsem Alkohol gereinigt werden. So wurden schöne weilse Blättchen erhalten, schmelzbar bei 437° und bei sehr hoher, mit dem Quecksilberthermometer nicht mehr erreichbarer Temperatur, ohne alle Zersetzung flüchtig. Die Krystalle sind fast unlöslich in Wasser, schwer löslich in kaltem, leicht löslich in heilsem Alkohol, löslich ebenfalls in Äther, Die Lösungen sind neutral. In Säuren sind die Krystalle ebenfalls leicht löslich; aus den Lösungen wird durch Alkali die ursprüngliche Substanz unver- ändert wieder gefällt. Die chlorwasserstoffsaure Lösung giebt mit Platinchlorid einen schwerlöslichen, krystallinischen Nieder- schlag. Die neue Substanz erwies sich somit als eine wohlcha- _ rakterisirte Base, deren Zusammensetzung durch die Verbrennung _ mit Kupferoxid ohne Schwierigkeit bestimmt werden konnte. - Sämmtliche analytische Ergebnisse stimmten unzweideutig mit der Formel als einfachstem atomistischen Ausdruck für die neue Verbindung. Allein das ganze Verhalten des neuen Körpers und zumal die Rückbildung von -Anilin und Essigsäure aus demselben durch [1865.] 48 650 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse die Einwirkung concentrirter Schwefelsäure liels keinen Zweifel, dafs dieser Ausdruck verdoppelt werden müsse, die Base mithin durch die Formel C.H,,N; | darzustellen sei. Dieser verdoppelte Ausdruck fand denn auch. in der Analyse des bereits erwähnten Platinsalzes, sowie eines“ sich ölförmig ausscheidenden aber bald krystallinisch erstarrenden“ schönen salpetersauren Salzes Bestätigung, insofern sich ersteres‘ nach der Formel | 2[C,,H,,N,,HCI],PıCl, letzteres nach der Formel: C,.H,,N.,HNO, zusammengesetzt erwies. | Woher stammt dieser Körper und in welcher Weise lälst. sich obige Formel deuten? Durch Untersuchung des zur Darstel- lung des Phenylacetamids verwendeten Acetylchlorides war die Antwort auf diese Frage alsbald gegeben. Bei der Destillation desselben stieg das ‘Thermometer, nachdem das Hauptproduct übergegangen war, allmälig von 55° auf 78°. Die zuletzt über- gegangenen Theile waren reines Phosphortrichlorid. Letzteres‘ mulste sich offenbar an der Bildung der neuen Base betheiligt' haben. Ich liefs also zunächst Phosphortrichlorid auf Phenylacetamid| einwirken. Bildung des neuen Körpers erfolgte, aber in unbefriedi- gendster Menge. Ganz anders gestaltete sich der Versuch alsı Phenylacetamid und Anilin gleichzeitig in wechselnden Verhält-. nissen der Einwirkung des Chlorphosphors dargeboten wurden.. Die Verbindung entstand in allen Fällen, allein die Ausbeute‘ wechselte nach der Zusammensetzung der Mischung und schien‘ am gröfsten, als 1 Th. Phosphortrichlorid, 2 Th. Anilin und! 3 Th. Phenylacetamid miteinander gemischt und erhitzt wurden. Diese Gewichte entsprechen nahezu 1 Mol. Phosphortrichlorid,, 3 Mol. Anilin und 3 Mol. Phenylacetamid, und die Reaction war‘ somit nach der Gleichung: 3C,H-N-+3G; Ei Or 1» N. +H, PO, +3HCI! verlaufen. “vom 11. December 1865. 651 ‘Ganz ähnliche Resultate wurden erhalten als statt des Ani- lins in diesem Versuch eine proportionale Menge des chlorwas- ‚ ‚serstoffsauren Salzes angewendet wurde. Die Idee lag aber nahe, die Darstellung und Reinigung des Phenylacetamides zu umgehen und dasselbe während des Proces- ses zu erzeugen. Zu dem Ende wurden 6 Mol. Anilin mit 3 Mol. Acetylchlorid versetzt und mit 1 Mol. Phosphortrichlorid ge- mischt. Das Resultat hätte nicht besser ausfallen können. 6C, H- N+3 C,H, OCI-+-PCl,=3C, ,H,, N; +H, PO,-F6HCI1 Von diesem Versuch bedurfte es nur noch eines einzigen Schrittes zur wahren Darstellung der neuen Verbindung und zur Ausbildung einer allgemeinen Methode für die Erzeugung zahlloser analoger Körper. Es war offenbar auch nicht nöthig, das Ace- tylchlorid noch erst besonders zu bereiten. Die neue Verbin- dung mufste sich ebenso leicht erhalten lassen durch die Einwir- kung des Phosphortrichlorids auf Anilin und Essigsäure. Die Mischung war nur in der Weise zu machen, dafs sich nach der Umwandlung der Essigsäure in Acetylchlorids noch Phos- phortrichlorid vorfand, um den Rest der Arbeit zu verrichten. Es mufsten also in diesem Falle 6 Mol. Anilin mit 3 Mol. Es- sigsäure und 2 Mol. Phosphortrichlorid zusammentreten: 6C,H, N+3C,H, 0;,+2PCl,=3C,,H,, N: + 2H, PO,-+6 HC]. Die Reaction ist eine gewaltige und muls mit Vorsicht aus- ‚geführt werden. Man mischt zunächst im Sinne der gegebenen Gleichung 3 Gew. Th. Anilin mit 1 Gew. Th. Essigsäure und versetzt die in kaltem Wasser stehende Mischung langsam mit 2 Gew. Th. Phosphortrichlorid, bei welchen Verhältnissen letz- teres in kleinem Überschusse vorhanden ist. Die zähe Flüssigkeit wird alsdann ein Paar Stunden lang auf 160° erhitzt. Beim Er- kalten gesteht sie zu einer harten, zerreiblichen, hellbraun ge- färbten durchscheinenden Harzmasse, welche sich fast ohne Rück- stand— Spuren eines phosphorhaltigen amorphen Productes bleiben in der Regel ungelöst — in siedendem Wasser aullöst. Die klar- filtrirte Lösung nach dem Erkalten mit Natronlauge versetzt, lie- fert einen weilsen krystallinischen Niederschlag, welcher nur ge- waschen und aus Alkohol umkrystallisirt zu werden braucht. — 48° 652 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Die angeführten Gleichungen geben uns schon ein anschau- liches Bild des Qualitativen und Quantitativen der beschriebenen Versuche, allein sie gestatten doch keinen Einblick in den eigent- lichen Mechanismus der Reaction. Derselbe ist gleichwohl ein sehr einfacher. Das Phosphortrichlorid wirkt wasserbildend und wasseranziehend. Der erforderliche Sauerstoff ist in dem Phe- nylacetamid gegeben, allein das Molecul dieser Verbindung enthält nur noch 1 At. Wasserstoff des in ihr enthaltenen Ammoniak- - skelettes, die Wirkung erstreckt sich also stets noch auf ein anderes Anilin-Molecul, welches das zweite Wasserstoffatom lie- fert. Es entsteht auf diese Weise ein Diamin, in welchem neben zwei einwerthigen Phenylresten und einem aus den beiden ur- sprünglichen Ammoniakskeletten noch übrigen Wasserstoffatom die Atomgruppe C, H, dreiwerthig fungirt. Es sei gestattet, dieser Gruppe bis auf weiteres den Namen Aethenyl’) beizulegen. Die neue Verbindung wäre alsdann Aethenyldiphenyldiamin (GC, BE). C,..N.,N; —— (Ce 15) N, 1) Der Name Aethenyl für die Atomgruppe C, H;, welche in der neuen Base mit dem Werthe von 3 At. Wasserstoff fungirt, ist nach einem No- menclaturprincip gebildet, zu welchem ich, bei der gränzenlosen in der orga- nischen Chemie herrschenden Namenverwirrung, zur Verständigung im en- geren Schülerkreise bisweilen meine Zuflucht genommen habe. Vielleicht ist es einer weiteren Ausbildung fähig? Es liegt in der eigenthümlichen Entwickelung der modernen Chemie, dals sich mehr als je zuvor das Bedürfnifs geltend macht, die organischen Verbindungen um die Kohlenwassertoffe zu gruppiren, und es würde sich also darum handeln, ein gutes Nomenclaturprincip für die Verbindungen des Koblenstoffs mit dem Wasserstoff aufzufinden. Bereits sind der Versuche viele gemacht worden ohne dals bis jetzt etwas wirklich annehmbares zu Tage gefördert worden wäre. | In den Namen, die ich construire, ist die von Laurent eingehaltene Methode der Namenbildung mit dem von Gerhardt vorgeschlagenen und mehr oder weniger adoptirten Principe verschmolzen. Ein Beispiel möge die Bildung meiner Namen versinnlichen. Betrach- ten wir die wichtigsten aller Kohlenwasserstoffreihen, die Homologen des vom 11. December 1865. 653 und ihre Bildung, in einfachster Form gefafst, beruhte auf dem Austreten eines Wassermoleculs aus 1 Mol. Phenylacetamid und 4 Mol. Anilin. » BO HC gillrnäeggs Ey C,H, N + H N=7 10) + (C, H,)z N, H H H Ich war begierig, diese Auffassung durch den Versuch zu prüfen. Grubengases. Sämmtliche Glieder dieser Reihe lasse ich in an endigen, indem ich als Unterscheidung der Stufenfolge die ersten Sylben der latei- nischen Zahlwörter vorseize, welche die Anzahl der in dem Molecul ent- haltenen Kohlenstoffatome bezeichnen; hiervon sind jedoch die drei ersten Glieder ausgenommen, für welche unterscheidende Benennungen, die den alten Namen entsprechen, mit Fug und Recht beibehalten werden können. Durch Entfernung eines Wasserstoffatoms hört der Kohlenwasserstoff auf gesättigt zusein, die zurückbleibende Atomgruppe ist einwerthig geworden. An die Stelle der Endung ar tritt nunmehr die Endung yl. Ein zweites Wasserstoffatom tritt aus, die Atomgruppe wird zweiwer- . thig und endigt nunmehr in er, ein drittes Wasserstoffatom wird ausge- schieden, die Gruppe wird dreiwerthig und endigt in enyl.. Mit der Entfernung eines vierten und fünften Atoms Wasserstoff steigt die Wer- thigkeit der rückständigen Gruppe noch mehr, sie wird vier- und fünf- werthig und enthält nunmehr die Endung in und inyl'u. s. w. So entstehen folgende Namen: Methan (CH,)° Sextan (C;,H,,)° Aethan (C.H;)° Septan (C;H,.)° | Propan (C;H;)° Octan (C;H,s)° | ‘ Quartan (C,H, 0)° Nonan (C; H,,)° Quintan (C;H,.)° Decan (C,.H;;)° und ferner Methan (CH,)° Aethan (C.H;)° Propan (C,H,)° Quartan (C,H,.)° Methyl (CH;)' Aethyl (C,H;)' Propyl (C;H,)' Quartyl (C,Hs)' Methen (CH,)“ Aethen (C.H,)“ Propen (C;H,)” Quarten (C,H3)“ Methenyl (CH) Aethenyl (C; H;)“ Propenyl (C;H;)" Quartenyl (C,H,)“ Aethin (C.Hz)' Propin (C;H,)v Quartin (C,H;)ıw Aethinyl (C,H)» Propinyl (C;H;)’ Quartinyl (C,H,)' Propon (C;H.)" Quarton (C,H,)" Proponyl (C; H)v: Quartonyl (C,H;)'" Quartun (C,H,) Quartunyl (C, H)x 654 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Jodaethyl übt bei 100° keine Wirkung auf das Aethenyldiphe- nyldiamin aus, allein bei 150° reagiren beide Körper aufeinander. Nachö5bis 6 stündigem Erhitzen war b@im Erkalten aus der Mischung ein schönes Jodid auskrystallisirt. Es wurde mit Chlorsilber in das entsprechende Chlorid verwandelt und als Platinsalz gefällt. Die Analyse zeigte, dals die Aethylgruppe einmal eingetreten war. Durch Behandlung des Chlorids mit Natronlauge wurde die entsprechende Base abgeschieden. Sie ist ein dickflüssiges Oel, unlöslich in Wasser, welches in Berührung mit derselben nicht die mindeste alkalische Reaction annimmt. Bei er- neuter Behandlung mit’Jodaethyl wurde die Base zwar wiederum in ein Jodür verwandelt, allein die Untersuchung desselben ergab dals eine Aufnahme der Aethylgruppe zum zweitenmal nicht statt- gefunden hatte. Dies hätte gleichwohl im Sinne obiger Auffas- sung geschehen müssen. Der Versuch wurde delshalb mit Jod- methyl wiederholt, welches bekanntlich viel stärker reagirt, wie Jodaethyl. Jodmethyl wirkt in der That auf das aethylirte Pro- duct schon bei 100° ein. Als das gebildete Jodid mit Silberoxid zerlegt wurde, entstand eine stark alkalische Flüssigkeit, wo- raus sich alsbald erschliessen liefs, dals zu der in der Verbindung bereits vorhandenen Aethylgruppe nun mehr auch noch die Me- thylgruppe getreten war; ein Schluls, welcher auch bei der Ana- Es ist hier der Ort nicht, diesen Gegenstand weiter auszuführen. Die kurze Andeutung mag genügen. Eine oberflächliche Prüfung zeigt, welche Unzahl von Atomgruppen sich scharf und bündig nach diesem Systeme aus- drücken lassen. Ich fand es ganz bequem, einige der durch vorliegende Versuche noth- wendige Namen versuchssweise nach diesem Princip zu bilden. Auch die sauerstoffhaltigen Körper lassen sich einfach nach diesem Schema benennen. Die aus dem Aethylalkohol entstehende Säure ist Aethoxyl- säure (Essigsäure) die erstedem Aethenalkohol entsprechende würde Aethoxensäure (Glycolsäure), die zweite Aethdioxensäure (Oxal- säure) sein. Man würde von der Oxylsäure, von der Oxensäure, von der Dioxensäure einer Reihe z. B. der Quartanreihe sprechen und jeder wülste, dafs mit diesen Ausdrücken die Buttersäure, die soge- nannte Butylmilchsäure und die Bernsteinsäure gemeint sind. vom 411. December 1865. 655 Iyse des aus dieser Flüssigkeit gefällten Platinsalzes volle Bestä- | tigung fand. | Aus diesem Versuche erhellt die Natur des Aethenyldiphenyl- ' diamins in befriedigender Weise. Durch die Einwirkung des ‚ Jodaethyls war dasselbe in das tertiäre Diamin Aethenylaethyl- ‚ diphenyldiamin | & (C, H,)” (C;H,)2f Ne H Hs übergegangen, welches schliefslich mit Jodmethyl die in Wasser lösliche alkalische Verbindung [CC H,) "KO, EC ENAICCHNN 9 geliefert hatte. Bemerkenswerth ist die auflserordentliche Stabilität des Ae- thenyldiphenyldiamins.. Wie bereits bemerkt, destillirt es bei sehr hoher Temperatur ohne Zersetzung. Durch Schmelzen mit Kaliumhydrat wird es kaum angegriffen. Die Zersetzung erfolgt aber mit Leichtigkeit mittelst concentrirter Schwefel- säure. Schon bei gelindem Erwärmen entwickelt die Lösung des Aethenyldiphenyldiamins in Schwefelsäure Essigsäure, und beim Zusatz von Wasser zu der schwachgefärbten Flüssigkeit erstarrt dieselbe zu einem weilsen Krystallbrei von Sulphanil- säure, (C,H,)” iger ERDE +2H,S0, = ’m lor2cc. H,N,SO,) Es braucht kaum bemerkt zu werden, dafs sich die elegante Reaction zwischen dem Phosphortrichlorid und dem essigsauren Salze des Anilins, jenachdem man entweder die Säure oder die Base oder endlich beide varıirt, zur Darstellung einer fast un- absehbaren Reihe von neuen Körpern eignet, deren Zusammen- setzung für jeden besonderen Fall im Voraus bestimmt ist. Ich habe nur wenig in dieser Richtung gearbeitet. 656 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Toluidin verhält sich genau wie Anilin. Die gebildete Base ist von der Phenylbase kaum zu unterscheiden. Die Ana- Iyse des Platinsalzes führte zu der Formel (C, H,) C,;sH,sN; — (GE) N, . Weniger glatt verläuft die Reaction mit Naphthylamin. Das Product, erhalten durch die Einwirkung von 1 Mol. Phos- phortrichlorid auf 3 Mol. Acetylchlorid und 6 Mol. Anilin war eine unerquicklich zähe, kaum krystallinische Masse, die selbst nach mehrfachem Lösen und Fällen die harzige Beschaffenheit beibehielt. Die Analyse des Platinsalzes führte gleichwohl zu der Formel (C, H,;)” C,.H,sN; = (Crolin)s N, Anilin, Toluidin und Naphthylamin sind primäre Monamine ; es schien von Interesse auch ein secundäres Monamin in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Ich wählte zu dem Ende das Diphenylamin. Als eine Mischung von gleichen Moleculen Diphenylamin und Phenylacetamid der Einwirkung des Chlor- phors ausgesetzt wurde, verlief die Reaction wie gewöhnlich; die aus der Lösung des Chlorids mit Ammoniak gefällte Mafse war aber nicht zum Krystallisiren zu bringen und mulste deshalb als Platinsalz analysirt werden. Platinbestimmung sowohl wie Ver- brennung zeigte, dafs sich in der That das erwartete Aethe- nyltriphenyldiamin gebildet hatte C,H,0 C,H; H (C;,H,)” C,H, N+C,H, N=p O + (C,H,):7N; H H C,H, Ein ganz unerwartetes Resultat ergab dagegen die Einwir- kung des Phosphortrichlorids auf eine Mischung von Essigsäure und Methylanilin. Indem ich ausschliefslich mit einem se- cundären Monamin arbeitete, hatte ich gehofft, die Reaction nach der Gleichung vom 11. December 1865. 657 CH, ei we ag slc.H,'n|+ po }o =210+(C u. IN, H (C;H;); verlaufen zu sehen. Diels war aber nicht der Fall; die Einwirkung war eine un- regelmälsige und unter den Producten fand sich ein Chlorid, dessen zugehörige Base durch Silberoxid in Freiheit gesetzt, sich mit alkalischer Reaction in Wasser löste, und in Form eines Platinsalzes gefällt, sich als Aethenyldiphenyldiamin er- wiels, welches sich zweimal die Methylgruppe angeeignet hatte. Man hatte es hier mit einer Verbindung von der Formel [(C, B,)”(C,H,)2(CH,)N;] —_. ) zu thun. Offenbar war hier die Methylgruppe aus einem der Methylanilinmolecule als. Chlormethyl entwickelt worden, welche sich auf das bereits fertige Aethenyldiphenylmethyldiamin gewor- fen und dasselbe in das obigem Oxide entsprechende Chlorid ver- wandelt hatte. 2[(C,H,)(CH,)HN]C,H, OCl = H,O + [(C,H,;)”(C;H,). (CH;,)N,;]CH, Cl Noch mag hier einiger Versuche gedacht werden, welche mit den Abkömmlingen der Valeriansäure und der Benzo&säure ausgeführt worden sind. Quintenyldiphenydiamin. Zur Darstellung wurden 3 Mol. Valeriansäure mit 6 Mol. Anilin gemischt und die erkal- tete Flüssigkeit langsam mit 2 Mol. Phosphortrichlorid versetzt. Ein paar Stunden lang einer Temperatur von 150° ausgesetzt, lieferte das Gemisch eine zähe Masse, welche in Wasser löslich war. Natronlauge fällte eine krystallinische in Wasser fast unlös- liche Base, welche aus Alkohol umkrystallisirt ward. Die Ver- brennung des bei 111° C schmelzenden Körpers, sowie die Ana- lyse eines in rhombischen Tafeln krystallisirenden, in Wasser schwer, in Alkohol fast unlöslichen Platinsalzes führte zu der Formel 658, Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse (C, H,)’” C,H,.N;= (6, 15)2 N; Benzyldiphenyldiamin. Ersetzt man in der hier be- sprochenen Reaction die Essigsäure durch Benzo&säure, so entsteht die entsprechende Benzylverbindung. Ich habe diesen Körper durch die Einwirkung von 1 Mol. Phosphortrichlorid auf eine Mischung von 3 Mol. Phenylbenzamid und 3 Mol. chlorwasserstoffsaurem Anilin dargestellt. Die Reaction verläuft wie gewöhnlich. Die äusserst schwache Base krystallisirt in feinen seideglänzenden Na- . deln, die Chlorwasserstoffsäure-Verbindung in dünnen in Was- ser schwer löslichen glänzenden Blättchen, welche beim Umkry- stallisiren den ganzen Säuregehalt verlieren. Die Analyse führte. zu der erwarteten Formel: (C,H,)” C,.H,sN; — (Ge Ha) N; Diese Verbindung ist schon früher von Gerhardt beobachtet worden. Er erhielt sie gelegentlich einer Arbeit über die Einwir- kung des Phosphorpentachlorids auf die Amide, der letzten Untersu- chung, welche vor seinem Tode ihn beschäftigte. Kurze in sei- nem Nachlasse vorgefundene Notizen darüber sind von Hrn. Ca- hours') veröffentlicht worden. Die vorstehend betrachteten Phenyl-Verbindungen der Essig- säure- und Valeriansäuregruppe reihen sich naturgemäls an einen Körper an, welchen ich schon früher, allein auf ganz ande- rem Wege, erhalten und unter dem Namen Formyldiphe- nyldiamin?) beschrieben habe, für den ich aber im Sinne meiner gegenwärtigen Nomenclaturanschauungen den Namen Methe- nyldiphenyldiamin ansprechen möchte. — Ich erhielt die- sen Körper bei der Einwirkung des Chloroforms auf das Anilin; ‘) Ann. Ch. Phys. [3] LIT, 302. *) Proceedings of the Royal Society Vol. IX, p. 229. vom 11. December 1865. 659 seine Beziehung zu den vorhergenannten Verbindungen erhellt aus einem Blick auf die Formeln (CH I Methenyldiphenyldiamin C,;H,zN,;, = (C,H,), IN: H ö (C, H; Uli Aethenyldiphenyldiamin C,,H,,N,; = (C,H,); ? N: H (C, H, m Quintenyldiphenyldiamin C,„H,oN, = (C,H;) 2 IN: H Es schien der Mühe nicht unwerth, die Analogie des auf so abweichendem Wege erhaltenen Methenyl-Diphenyldiamins mit den in dieser Notiz beschriebenen Körpern noch durch einen be- sonderen Versuch festzustellen. Zu dem Ende unterwarf ich Phe- nylformamid') der Einwirkung einer Mischung von Anilin und Phosphortrichlorid. Der Erfolg zeigte, dals sich auf diese Weise die Methenylverbindung noch viel leichter erhalten läfst als mit Hülfe des Chloroforms. Noch mufs hier schliefslich der Beziehung gedacht werden, in welcher die beschriebenen Basen mit dem von Hrn. Prof. t) Ich habe bei dieser Gelegenheit grölsere Mengen von Phenylformamid dargestellt, welches sich leichter als auf dem bisher angewendeten Wege (Destillation des oxalsauren Anilins) durch Digestion von Ameisensäure- Aether mit Ammoniak erhalten lälst. Das Phenylformamid hat die merk- würdige bis jetzt nicht beobachtete Eigenschaft, durch starke Natronlauge aus der wälsrigen Lösung als eine feste schwach krystallinische Masse ge- fällt zu werden. Von der Flüssigkeit getrennt und durch eiliges Pressen zwischen Fliesspapier möglichst gereinigt, konnte die Verbindung der Ana- lyse unterworfen werden. Ihre Zusammensetzung ist CHO C, H;,NaO = C, u. N Na In Berührung-mit Wasser regenerirt sie Phenylformamid und Natrium- hydrat. 660 Sitzung der physikalisch-mathernatischen Klasse Strecker?) bei der Behandlung des Acetamids mit gasformiger Chlorwasserstoffsäure erhaltenen Acediamin C,H,N, = a N, stehn, welchem im Sinne der vorgeschlagenen Nomenclatur der Name Aethenyldiamin zukommen würde. Merkwürdig ist die geringe Stabilität dieser Verbindung, welche mit der gröfsten Leichtigkeit in Essigsäure und Ammoniak übergeht, dem Anilin Derivat gegenüber, welches die analoge Zersetzung nur mit der grölsten Schwierigkeit erleidet. Ein dem Quintenyldiphenyldiamin entsprechendes Quinte- nyldiamin ist bis jetzt nicht dargestellt worden. Dagegen existirt das Meihenyldiamin, obwohl die Verbindung, welche ich im Auge habe, bis jetzt in diesem Sinne kaum aufgefalst worden sein dürfte. Es ist dieser Körper nichts anderes als das Cyanamm onium Methenyldiamin (CH ] _ Methenyldi- a \ (Cyanammonium) 77° 2 phenyldiamin, \ °m lnuee Die Zersetzbarkeit dieses Körpers ist allbekannt; unter den Zerlegungsproducten findet sich Ameisensäure und Ammo- niak. | Es ist ferner bekannt, dals die Einwirkung des Ammoniaks auf das Chloroform (Methenyltrichlorid) Cyanammonium liefert, nach einer Reaction derjenigen vollkommen analog, welche die Bil- dung der analogen Phenylbase in dem entsprechenden Versuche mit Anilin bedingt. 14. Dec. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Beyrich las über einige Cepbalopoden aus dem Muschelkalk der Alpen und über verwandte Arten. Den Gegenstand der Abhandlung bildet die Beschreibung und vergleichende Betrachtung einer Reihe von Cephalopoden- Formen aus dem Muschelkalk von Reutte in Nord-Tirol. Sämmt- liche Arten, 7 Ammonites, 2 Nautilus und 1 Orthoceras wurden von Herrn Kutschker an einer von ihm »Sintweg« genannten Stelle aufgefunden auf der rechten Seite des Lechs unfern der ‘) Ann. Chem. Pharm. CIII p. 321. vom ‘11. December 1865. 661 Örtlichkeit, wo Escher von der Linth im Jahre 1857 die ersten Muschelkalkpetrefacten in den nördlichen Kalkalpen ent- deckte. Die Cephalopoden liegen in denselben Schichten mit den bezeichnenden und zuerst hier gefundenen Brachiopoden-Ar- ten Spirifer Mentzelü, Terebratula angusta, Terebratula vulgaris, Ahynchonella decurtaia und Retzia trigonella. Der folgende Auszug beschränkt sich darauf, die Beschreibung der Arten zu geben, und das Resultat der Vergleichungen, zu welchen die beschriebenen Formen Veranlassung boten. 1. Amm. binodosus Hau. Fr. v. Hauer 1850 in Denkschr. d. W. Ak. II, Foss. d. Ven. Alpen p. 61.2£.1, 3, 4 (excl. f. 2). — Amm. Thuilleri Oppel Paläontol. Mitth, 1863 p. 277 £. 77£. 3. — Amm. Winterbottomi Salter 1865 in Palae- ontology of Niti p. 63 f. 7 f. 5. — Ceratites? Himalayanus Blanford in Journal of the As. Soc. XXXII 1864 (Nr. 2, 1863) p.133 t. 2 £. 7, 7a. Ein scheibenförmiger Ammonit mit weitem Nabel, dessen innere Windungen reichlich zur Hälfte involut sind. Die Sei- ten sind flach gewölbt, fallen mit einer steilen Nahtfläche zum Nabel ab und scheiden sich durch deutlich ausgebildete Kanten von einem schmalen Rücken, der in der Jugend flach ist und im Alter bald mehr bald weniger gewölbt hervortritt, jedoch ohne eine bestimmte Kante oder einen Kiel zu erhalten. Die Seiten sind mit starken Rippen bedeckt, die sich zuerst am Na- belrande zu stumpfen, knotigen Anschwellungen verdicken, dann gegen die Mitte der Seite Spitzen tragen, sich gleichzeitig in der Zahl etwa verdoppeln und am Rande des Rückens wieder zu einem breiteren zugespitzten Knoten anschwellen, indem sie zu- gleich eine kurze Wendung nach vorn machen, auf der Mitte des Rückens aber verschwinden. Man hat in der Skulptur dem- nach 3 Spitzenreihen zu unterscheiden, eine umbilicale, eine la- terale und eine dorsale.. An einem Stück von 49 Mm. Durch- messer sind im Umfange der äusseren Windung am Rücken 32 Knoten, halb soviel auf den Seiten und noch ein paar weniger am Nabelrande zu zählen. Die Skulptur bleibt im Alter unver- ändert, so weit die vorhandenen Stücke zu urtheilen gestatten. Junge Stücke zeigen, dals sich die Skulptur schon früh in voller Stärke entwickelt; man sieht im Nabel auf dem freiliegenden - 662 Gesammtsitzung Theil der umhüllten Windungen bis zu den innersten Windun- gen hinein die knotig hervortretenden Anfänge der Rippen fort- setzen. Bei einem Durchmesser von 20 Mm. sind die Umbilical- und die Lateral-Spitzen schon deutlich gesondert; die Lateral- spitzen stehen aber noch weit unter der Mitte, den umbilicalen genähert, von denen sie sich allmälig beim weiteren Anwach- sen der Schale entfernen, so dals sie im Alter auf die Mitte der Seiten gerückt sind. Die Maafse des besterhaltenen Stückes sind: Durchmesser 49 Mm. = 1,00; Höhe der äufseren Win- dung von der Naht zum Rücken 22 Mm. = 0,45; Nabelweite 12 Mm. = 0,245; Dicke 15 Mm. = 0,31. Die Lobenlinie besteht aufser dem Dorsallobus aus den bei- den Lateralloben, aus einem grölseren Auxziliarlobus, welcher sich zwischen den Lateral- und Umbilical-Knoten einsenkt, und aus zwei oder drei kleineren einfachen Auxiliarloben, welche an der Nabelkante und zur Naht herab ihre Stellung haben. Der Dorsallobus, die beiden Lateralloben und der erste Auxiliarlobus laufen im Grunde in einfache starke Zähne aus, die sich an den Seiten der Sättel, allmälig kleiner werdend, heraufziehen, so dals nur der oberste Bogen der Sättel ungezähnt bleibt. Die Lateralkno- ten stehen am Abfall des Lateralsattels zum untern Laterallobus; der Dorsalsattel wird getheilt durch die Rückenkante mit den darauf stehenden Knoten. Zur Erläuterung des dmmonites binodosus aus dem Muschel- kalk der venetianischen Alpen gab Franz von Hauer 4 Figu- ren, a. a. O. Taf. II. Fig. 1—4; Figur 1 ein erwachsenes, Figur 2 ein jüngeres Exemplar, Figur 3 Bruchstück einer Varietät und Figur 4 ein Durchschnitt. Das als Varietät bezeichnete Frag- ment Figur 3 entspricht in der Skulptur allein vollständig der Art von Reutte und zeigt namentlich in der Zeichnung sehr deutlich auch die der Art charakteristisch zukommende An- schwellung der Falten am Nabelrande, welche die Beschreibung nicht hervorhebt. Ammonites Thuilleri gehört zu den Tibetanischen Ammoni- ten der Schlagintweit’schen Sammlung, welche Oppel in den Paläontologischen Mittheilungen von 1863 beschrieben und benannt hat. Die Ammoniten dieser Sammlung wurden von Oppel gesondert in solche, welche der Juraformation angehören vom 14. December 1865. 663 und andere, welche vermuthlich aus der jurassischen Formation herrühren. Die letzteren sind Trias-Ammoniten und gehören zu derselben Fauna, deren Inhalt vollständiger durch Salter’s Bear- beitung eines Theils der Strachey’schen Sammlungen in der Palaeontology of Niti, Calcutta 1865, bekannt geworden ist. Zu derselben Fauna gehören die beiden Ammonites peregrinus und brachyphyllus in den Monatsberichten der Akademie von 1864 und wahrscheinlich auch der Ammonites Jaguemontü L. von Buch’s. Es ist eine Fauna, die man ohne zu zweifeln, für eine Trias- Fauna erklären kann, die aber zu schnell für ein specielles Aequi- valent von alpinen Keuper- oder Hallstätter-Schichten in An- spruch genommen wurde; sie zeigt, wie sich aus den folgenden ‘Untersuchungen weiter ergeben wird, in den Cephalopoden min- destens eben so viele Annalogieen und zum Theil Übereinstim- mung mit Formen des alpinen Muschelkalks wie des alpinen Keupers, eben so in den begleitenden anderen von Salter be- schriebenen Muscheln. Ammonites Thuilleri ist nach Oppel’s Zeichnung und Beschreibung nicht zu unterscheiden vom Am- monites binodosus; weder in der Form, noch in der Skulptur, noch in den Loben ist ein bemerkenswerther Unterschied zu fin- den. Der Ammonites VPinterbottomi Salter’s kann für ein jün- geres Stück derselben Art gehalten werden und den Ceratites Himalayanus erklärte Blanford selbst (Pal. of Niti p. 166) für ident mit dem Ammonites Thuilleri. Von aulseralpinen Ammoniten des Muschelkalks ist dem Ammonites binodosus als eine nahestehende Art vergleichbar der Ammonites Ottonis L. von Buch’s. 2. Ammonites Luganensis Mer. Merian. Verhand. d. nat. Ges. in Basel 1854 p. 88. Von Hauer über Fossilien des Monte Salvatore in Wiener Sitzungs- ber. 1855 p. 408 Fig. 1. 2. Die Art ıst dem Ammonites binodosus nahe verwandt. Sie unterscheidet sich in der Form durch etwas kleineren Nabel und grölsere Höhe der äulseren Windung. An einem der besser er- haltenen Stücke beträgt bei einem Durchmesser von 33 Mm. = 1,00 die Höhe der äulseren Windung 16 Mm. = 0,485, die Nabelweite 7 Mm. = 0,212, die Dicke ungefähr 11 Mm. = 0,333. Die 664 " Gesammtsitzung Skulptur, in der Jugend wenig verschieden von Ammonites bino- dosus, unterscheidet sich im Alter durch geringere Stärke und durch allmäliges, zuletzt vollständiges Verschwinden der Lateral- knoten; auch die Dorsalknoten sind von geringerer Höhe und Stärke, jedoch ohne zu verschwinden. Von den Knoten am Na- belrande laufen nach dem Verschwinden der Lateralknoten un- regelmälsige, schwach sichelförmig geschwungene Falten zum Dor- salrande. Die Loben sind nicht verschieden von denen des Ammo- nites binodosus. Der Ammonit von Lugano wurde von Merian eben so wie von Hauer mit dem Ammonites binodosus verglichen. Er soll sich nach Hauer’s Angabe von letzterer Art auffallend durch einen gekielten Rücken unterscheiden; indefs zeigt die Abbildung doch nichts anderes als einen hoch gewölbten Rücken, wie er ebenso auch dem Ammonites binodosus und dem verwandten Am- monites Ottonis zukömmt. Da über eine angebliche Verschie- denheit der Loben nichts Bestimmteres gesagt ist, so nehme ich keinen Anstand, den Namen für die Art von Reutte anzuneh- men, welche hier häufiger gefunden wurde als der Ammonites binodosus und nicht in diesen zu verlaufen scheint. Sehr ähnlich ist dem Ammonites Luganensis der Ammonites antecedens aus norddeutschem unteren Muschelkalk. 3. Ammonites Reuttensis n. sp» Die Art ist durch 3 gröfsere Stücke und ein jüngeres ver- treten. Bei dem gröfsten von 60 Mm. Durchmesser kommen 2 der äufseren Windung auf die Wohnkammer. Bei einem Durchmes- ser von 49 Mm. = 1,00 ist die Höhe der äufseren Windung 27 Mm.= 0,551, die Nabelweite 7 Mm.=0,143, die Dicke 15 Mm. Die Seiten des flach scheibenförmig gestalteten Ammoniten fal- len mit einer schmalen, kantig begrenzten Nahtfläche in den en- gen Nabel ab; sie breiten sich flach bis zur Mitte aus und con- vergiren dann [langsam gegen den schmalen, hoch gewölbten Rücken, von dem sie nur durch eine kaum bemerkbare Kante geschieden sind. Die Skulptur beschränkt sich auf unregelmälsige, flache, sichelförmig gebogene Falten, die nur gegen die Mitte der Seiten deutlich hervortreten, ohne sich zu bestimmt ausge- bildeten Zähnen oder Knoten zu erheben. Das jüngere Stück vom 14. December 1865. 665 zeigt, dals auch in der Jugend keine hervortretenderen Skulpturen vorhanden waren. Von der Lobenlinie kömmt nur die mittlere Erhebung des Dorsallobus auf den schmalen Rücken zu stehen. Der schmale Dorsalsattel liegt ganz auf der Seite in derselben Fläche mit den beiden Lateralloben und den zur Naht hin folgenden, allmälig kleiner werdenden Auxiliarloben. Die Seitenloben laufen nicht nur in ihrem breiten Grunde in wenige starke Zähne aus, son- dern ähnliche starke Zähne ziehen sich auch an den Seiten der Sättel bis zu deren Höhe hinauf, so dafs kaum noch der mittlere Bogen des Sattels von Einschnitten frei bleibt. Zwischen dem unteren Laterallobus und der Nabelkante stehen 2 Auxiliarloben, welche in der Form und Zähnelung den beiden Lateralloben gleichen. Eine einfache stärkere Spitze an der Nabelkante und eine andere auf der Nahtfläche können noch als rudimentäre Auxiliarloben gedeutet werden. In der Form und Skulptur schlielst sich dmmonites Reut- zensis unter den vorigen beiden Arten zunächst dem Ammonites Luganensis an. Er unterscheidet sich durch engeren Nabel und durch die gröfsere Höhe der äulseren Windung im Verhältnifs zum Durchmesser, in der Skulptur durch das gänzliche Fehlen von Knoten oder Anschwellungen der Falten am Nabelrande, so wie durch das Fehlen der Lateralspitzen und der Zähne am Rande des Rückens. WVesentlieh tritt hinzu die Verschmälerung des Rückens, dessen Kante bei dem Ammonites Luganensis noch den Dorsalsattel tbeilt, während hier der Dorsalsattel ganz auf der Seite liegt. Auch die höher auf die Sättel sich binaufziebenden Zähne der Lobenlinie können als unterscheidendes Artmerkmal gelten. Theils dem Ammonites Reuttensis, theils dem Ammonites ‚Luganensis vergleichbar als eine jedenfalls äusserst nahe stehende Art ist unter, den indischen, durch Oppel beschriebenen Arten der Ammonites Voii, a. a. O. p. DOREEN lach Die beschriebenen Ammonites binodosus, Ammonites Luga- nensis und Ammonites Reuttensis mit den verwandten oder iden- tischen indischen Arten Armmonites Thuilleri und Ammonites Yoiti, den ähnlichen ausseralpinen Ammonites Ottonis und Am- monites antecedens fasse ich mit den gewöhnlichen Ammoniten [1865.] 49 666 Gesammtsiützung des oberen Muschelkalks Ammonites nodosus, Ammonites enodis und Ammonites semipartitus zusammen als natürliche Ammoni- tengruppe unter dem Namen der Nodosen. Den Namen Ce- ratiten vermeide ich, weil sich die Vorstellung des ausschliels- lich Bezeichnenden der Lobenlinie und einer dadurch bedingten wesentlicheren Verschiedenheit von anderen Ammoniten in der Litteratur so sehr an den Namen geknüpft hat, dafs ein fernerer Gebrauch desselben in abweichendem Sinne nur zu Missverständ- nissen führen könnte. 4. Amm. Studeri Hau. Von Hauer 1857. Pal. Notizen in Wien. Sitzungsber. XXIV. p. 146 11-4. | Unter den Ammoniten von Reutte der häufigste. Das grölste unter den zahlreichen vorhandenen Stücken hat 92 Mm. oder nahe 3% Zoll im Durchmesser bei erhaltener Wohnkammer; die meisten sind von 2 Zoll abwärts bis 1 Zoll grols. Der Am- | monit ist dick scheibenförmig, stark involut mit kleinem Nabel, | die grölste Dicke nahe am Nabel. Die flach gewölbten Seiten- flächen fallen steil, jedoch ohne scharfe Kante zum Nabel ab und convergiren langsam gegen den gerundeten Rücken hin, in wel- chen sie allmälig verlaufen. Sie sind mit breiten, wellenförmig gerundeten Falten bedeckt, welche in der Jugend gerade, im Alter leicht geschwungen sind, und auf dem Rücken allmälig ver- schwinden, ohne eine erhebliche Biegung nach vorn zu erhalten. Nur an jungen Stücken sind die Falten zuweilen undeutlich, oder fehlen selbst ganz. Ihre Zahl ist ziemlich schwankend, im Allgemeinen kleiner bei jüngeren als bei älteren Stücken, kaum mehr als 16 bei den grölsten im Umfange der letzten Windung. Die Falten wie ihre Zwischenräume sind bei erhaltener Schale noch von feinen Anwachsstreifen überzogen. Die Lobenlinie besteht aufser dem Dorsallobus und den beiden Lateralloben aus einer geraden Reihe von Auxiliarloben, welche allmälig zum Nabel hin an Grölse abnehmen. Die Loben wie die Sättel sind schon in früher Jugend deutlich gezähnt; die Zähne entwickeln sich im Alter im Grunde der Loben zu kurzen Fingern mit wenigen Seitenzähnen, eben so an den Sei- ten der Loben und auf den Sätteln. Ein mittlerer Finger im vom 14. December 1865. 667 Grunde der Loben ist noch nicht durch grölsere Länge von den seitlichen ausgezeichnet; eben so wenig bedingt das tieferere Ein- schneiden einzelner Finger in die Seiten der Loben und in die Sättel eine deutliche, in die Augen fallende symmetrische Glie- derung, wie sie Lobenlinien mit mehr entwickelter Verästelung zukömmt. Es sind schwach verästelte, ungegliederte Loben. In den relativen Dimensionen zeichnet sich der Dorsallobus durch ungewöhnliche Kürze aus; er erreicht kaum die halbe Tiefe des oberen Laterallobus und seine mittlere Erhebung hat an den Seiten nur 2 oder 3 schwach einschneidende Zähne. Der Dor- salsattel ist ungewöhnlich schmal und der den oberen vom un- teren Lateral-Lobus trennende Lateralsattel überragt die benach- barten Sättel auffallend an Höhe. Die Zahl der Auxiliarloben schwankt von 4 bis 6, mehr individuell als abhängig von ver- schiedener Grölse. 5. Ammonites eusomus.n. sp- Zwei grölsere und ein paar kleinere unausgewachsene Am- moniten erweisen das Vorhandensein einer zweiten dem Ammo- nites Studeri verwandten Art, welche sich von letzierem haupt- sächlich durch viel grölsere Dicke und durch geringere Zahl oder andere Stellung der Auxiliarloben unterscheidet. Die jün- geren Stücke, von 15 und 25 Mm. Dicke, haben keine Aehnlichkeit mit den Jugendformen des Ammonites Studeri; sie sind kugelig eingerollt, mit kleinem Nabel und mit sehr geringer innerer Höhe der äufseren Windung, etwa vergleichbar den Formen des Ammonites biearinatus salinus oder des Ammonites Globus in Quenstedt’s Cephalopoden t. 18 f. 10a und 15a. Das eine dieser Stücke läfst erkennen, dafs auf der Bauchseite nur wenige Auxiliarloben, 2 oder höchstens 3, vorhanden waren. Bei den grölseren Stücken wird die Form der Schale mälsig comprimirt und das Verhältnifs der inneren Höhe zur Dicke etwa vergleich- bar den Figuren 16 5 und 17 5 auf der angeführten Tafel des Quenstedt’schen Werkes. An den kleinen Stücken ist von äulseren Skulpturen nichts bemerkbar aulser feinen ungebogenen Anwachsstreifen bei dem einen, dessen Schale erhalten ist; die grölseren haben auf der Seite breite wellige Buchten, die gegen den Rücken hin verschwinden. An dem einen der gröfseren 49* 668 Gesammitsitzung Stücke, von etwa €0 Mm. Durchmesser ohne Wohnkammer, ist die Lobenlinie bis zum Nabelrande sichtbar und zeigt nament- lich in der geringen Grölse des Dorsallobus, der geringen Breite des Dorsalsattels und in der beträchtlichen Erhebung des Late- ralsattels die gröfste Übereinstimmung mit Ammonites Studeri. In dem Grade der Verästelung der Loben ist kein erheblicher Un- terschied bemerkbar; aber es folgen dem unteren Laterallobus bis zum Nabelrande hin nur 2 deutlich ausgebildete Auxiliarloben. Ammonites Studeri wurde aufgestellt von Hauer für Am- moniten, welche ihm theils von unbekanntem Fundort aus Dal- matien vorlagen, theils von Cibianı unweit Zoldo aus dem Muschelkalk der venetianischen Alpen; sie fanden sich hier in denselben Schichten, welche die Ammoniten von Dont lieferten und a. a. OÖ. von Hauer als den obern Schichten der Werfe- ner Schiefer beigesellte Kalksteine bezeichnet wurden. Die Über- einstimmung der Ammoniten von Reutte mit den Zeichnungen und der Beschreibung v. Hauer’s ist so vollständig, dals an der Identität nicht zu zweifeln ist. Die einzige geringfügige Verschiedenheit, welche die Zeichnung bei Hauer bemerken läfst, ist ein etwas stärkerer Schwung der Falten, welche wegen ihres Verschwindens gegen den Rücken hin scheinbar eine rück- wärts gewendete Biegung erhalten. Die Zahl der Falten ist an dem bei Hauer gezeichneten Stück etwas grölser, als sie an Stücken von Reutie vorkömmt; doch ist nach der Beschreibung an anderen Stücken von Cibianı die Zahl eine geringere. Dem Ammonites Studeri nahe verwandie Arten sind, wie Hauer schon bei Beschreibung seiner Art hervorhob, die aus Ablagerungen gleichen Alters stammenden Ammonites Dontianus und Ammonites Du«x. In auffallender Verwandtschaft zu diesen im Vorbergehenden betrachteten europäischen Ammoniten stehen wieder zwei der von Oppel beschriebenen Trias-Anmoniten aus Tibet von der Schlagintweit’schen Reise: Ammonites Everesti und Ammo- nites cognatus, in den Paläontologischen Mittheilungen t. 81 fig. 1, 2 und t. 81 f. 3. Die alpinen Ammonites Studeri, Ammonites eusomus und Ammonites Dontianus, den aulseralpinen Ammonites Dux und die vorn 14. December 1865. 669 indischen Ammonites Everesti und Ammonites cognatus fasse ich als eine natürliche Gruppe von Ammoniten zusammen unter dem Namen der Plicosi. Es sind’Ammoniten mit gerundetem Rücken, stark involut, von zusammengedrückt sphäroidischer bis flach linsenförmiger Gestalt. Die Seiten sind im Alter mit brei- ten Runzeln oder Falten bedeckt, die sich gegen den Rücken hin verlieren. Die Lobenlinie ist gezähnt oder schwach ver- ‚ästelt ohne bestimmte Gliederung der Hauptloben; mindestens zwei Auxiliarloben folgen dem unteren Lateral. 6. Amm. incultus n. sp- Die Art ist durch Überreste von fünf Individuen vertreten, welche ein ausreichendes Bild von der Form des Ammoniten im Alter wie in der Jugend verschaffen und die Lobenlinie in vor- züglicher Erhaltung kennen lehren. Die grölseren Stücke sind bei etwa 90 Mm. oder 34 Zoll Durchmesser noch ohne Wohn- kammer. Die Weite des Nabels ist ungefähr gleich der Höhe der äulseren Windung, etwa 35 Mm. bei den grölseren Stücken. Die inneren Windungen sind zur Hälfte freiliegend. Die flachen Seiten fallen ohne Kante zur Naht ab und verlaufen in gleicher Weise mit sanfter Biegung in den schmalen gerundeten Rücken. Der Querschnitt der Windungen ist daher elliptisch, mit einem Verhältnils der Dicke zur Höhe etwa von 2:3. Die Steinkerne der grölseren Stücke mit vollkommen erhaltener Lobenlinie las- sen keine Spur von Skulptur erkennen; die Schale war ohne Zweifel im Alter glatt oder nur mit feinen Anwachsstreifen be- deckt. Der sehr scharfe Abdruck der Schale eines jüngeren In- dividuums von etwa 20 Mm. Durchmesser zeigt, dals auch in der Jugend keine hervortretenden Skulpturen vorhanden waren. Die Lobenlinie ist an den äulseren Windungen der älteren Stücke ausnehmend stark verästelt, die Seitenloben sind tief und schmal, die von den Seiten ber in die Sättel einschneidenden Finger fast bis zur Berührung verlängert, so dals der Raum der Seiten ganz erfüllt ist von den blättrig verzweigten Linien. Der Dorsallobus allein ist breit und fast so tief wie der obere Laterallobus; ober- halb seines verzweigten Hauptastes schneidet noch ein tiefer Sei- tenfinger in den Dorsalsattel ein. Rechnet man im oberen Late- 670 Gesammtsitzung rallobus die unteren fünf Finger zum Grunde des Lobus, so zählt man auf der Seite des Dorsalsattels noch einen, und auf der Seite des Lateralsattels noch zwei tief in die Sättel einschnei- dende Seitenfinger. Der mittlere Grundfinger senkt sich nicht erheblich tiefer als die beiden zur Seite. Die Sättel sind unsymme- trisch durch Finger von geringerer Tiefe getheilt. Ausgezeichnet ist die Stellung der Auxiliarloben, welche in langer Reihe tief gesenkt zur Naht herablaufen, so dafs die Naht erst weit unter- halb des unteren Laterallobus von der Lobenlinie erreicht wird. Man zählt 4 zweizeilig gefingerte Auxiliarloben aufser einigen kleineren noch darunter folgenden Spitzen. Sehr viel einfacher sind die ersten Anfänge dieser Lobenlinien bei dem kleinen Stück von 20 Mm. Durchmesser; jedoch ist die Anordnung der Loben, und besonders die Senkung der Auxiliarloben schon ganz wie bei den grölseren entwickelt. Ammonites incultus ist mit keiner bekannten Art des euro- päischen Muschelkalks vergleichbar. Aber auch für ihn liefert die Cephalopoden-Fauna der indischen Trias eine Art von näch- ster Verwandtschaft; es ist dies der Ammonit der Palaeontology of Niti Pl. 6 Fig. 3, welchen Salter, irregeführt durch Suess, mit dem Ammonites neojurensis (). oder debilis Hau. vergleicht, ohne jedoch diese Bestimmung anzunehmen. Von jüngeren Ammoniten treten in die Verwandtschaft des Ammonites incultus der durch Winkler’s Abbildungen bekannt gewordene Ammonites planorboides Gümb. aus dem oberen Keu- per der Alpen (Zeitschrift d. deutsch. geol. Ges. 1861 p. 489 £. 9 f.3 mit unrichtig ergänzten, in der Natur gesenkten Auxiliarloben) und dieser führt herüber zu den bezeichnenden Ammonitenfor- men des untersten Lias, dem Ammonites planorbis und Johnstoni Sow. oder dem dmmonites psilonotus Q. Vereinigt man diese Am- moniten unter dem schon von Quenstedt als Collectivbenen- nung gebrauchten Namen der Psilonoten, so erhält man eine natürliche Gruppe, für welche die glatte oder einfach gerippte Schale mit glatt bleibendem gerundetem Rücken, geringe Involu- bilität und eine mehr oder weniger verästelte Lobenlinie mit einer Reihe gesenkter Auxiliarloben die bezeichnenden Merkmale abgeben. 2 | vom 14. December 1865. 671 7. Ammonites megalodiscusn. sp- Ein grolser scheibenförmiger Ammonit, ganz involut, mit scharfem, kantigem Rücken und verästelter Lobenlinie. Bei einem Dirchmesser von etwa 200 Mm. fehlt noch die ganze Wohn- kammer. Da der Steinkern glatt ist, läfst sich annehmen, dafs die Schale nur mit Anwachsstreifen bedeckt war. Die Loben- linie ist stark verästelt. Der Dorsalsattel ist breit, mit schräg ansteigender Wand des Dorsalsattels. Der obere Laterallobus ist irn Grunde dreiästig mit langem Mittelast, der untere Laterallobus kleiner von ähnlicher Form; ihm folgt eine Reihe von 5 bis 6, durch breite Sättel getrennter, allmälig kleiner werdender Auxi- liarloben.. Die Form des Ammoniten ebenso wie der Verlauf der Lobenlinie stimmt auffallend überein mit dem Ammonites oxynotus des Lias; er kann mit diesem und verwandten Arten Ammonites Guibalianus, Ammonites Lynx und Ammonites Cog- narti, zu einer natürlichen Gruppe der Oxynoten verbunden werden. 8. Nautilus semicostatus n. Sp. Aus der Gruppe der Imperfecti, als nahestehende Art ver- gleichbar dem Nautilus planilateratus Hau., Sitzungsber. d. Wien. Ak. d. Wiss, 1860 t. 2£. 1—4. Der Rücken ist noch mehr erweitert als bei dieser Art, die schmaleren Seiten mit dicken dicht nebeneinanderliegenden Rippen bedeckt, die am Rande des Rückens plötzlich aufhören. Die Bauchseite des äulseren Um- ganges ist nur wenig durch den Rücken der vorhergehenden Windung ausgebuchtet. 9. Nautilus quadrangulus.n. sp. Aus der Gruppe mehr oder weniger involuter Nautilen, bei welchen der Kammerrand auf den flachen Seiten eine weit rückwärts gewendete Bucht beschreibt, ohne dals sich in der Kammerwand selbst ein Lobus ausbildete.e Durch Abplattung des Rückens erhält der Querschnitt ein sechsseitiges Ansehn. Der Nautilus quadrangulus ist mälsig ıinvolut, die äulsere Win- dung stark ausgebuchtet durch den umhüllten Theil der vorher- gehenden Windung, die Seiten sind flach, kantig abgegrenzt vom Rücken. Aufser der tieferen Seitenbucht ıst am Kammerrande 672 Gesammtsitzung auch eine flache Rückenbucht unterscheidbar. Verwandt, ıber in der Form verschieden sind die Nauzilus Sauperi, trapezoda- lis und heterophyllus v. Hauer’s aus dem Hallstätter Kalke. 10. Orthoceras cf. dubium. Eine Orthocerasart von schlanker, fast cylindrischer Form mit weit- stehenden Kammern und centralem Sipho, gleich den Hallstäiter Arten Orthoceras dubium, latiseptatum, salinarium und pulchd- lum. Die Schale scheint glatt gewesen zu sein, so dals die Art dem Orthoceras dubium ident sein könnte. Aus den angestellten Vergleichungen ergeben sich als Fol- gerungen: 1) Unter 7 Ammoniten-Arten aus dem Muschelkalk von Reutte ist keine einer bekannten Art aus der reichen Cepha- lopoden- Fauna des unteren alpinen Keupers, — d. h. aus der Fauna des Halstätter Kalks mit Einschluls der Schichten von St. Cassian und Raibl ident oder auch nur so nahe stehend, dafs sie einer und derselben natürlichen Gruppe von Ammoniten zu- gestellt werden könnte. Die beiden Nautilus- Arten sind mit Arten des Hallstätter Kalks vergleichbar, die Orthoceras- Art möglicher Weise einer Art des Hallstätter Kalks ident. 2) Von den Ammoniten aus dem bunten Sandsteine der nördlichen Alpen, von welchen Gümbel kurze Beschreibun- gen gegeben hat, kann keiner den oben beschriebenen Arten nahe stehen. Man kann demnach annehmen, dals der bunte Sandstein der Alpen eben so wie der Muschelkalk durch eine eigenthümliche Cephalopoden-Fauna charakterisirt ist. 3) Aufserhalb der Alpen finden sich nur im unteren Muschelkalk Ammoniten, welche den alpinen Arten sehr nahe stehen und vielleicht als Varietäten mit der einen oder anderen zusammen hängen könnten. Dies sind die Ammonites Okttonis und antecedens unter den Nodosen und die Ammonites Dux un- ter den Plicosen. Dieses Verhalten stimmt überein mit der Verbreitung der Brachiopoden des alpinen Muschelkalks, die ausser- halb der Alpen entweder nur oder doch vorzugsweise im unte- ren Muschelkalk gefunden werden. i 4) Fast für alle Ammoniten von eulles nur mit Aus- nahme des Ammonites megalodiscus, fanden sich verwandte oder vom 14. December 1865. 673 selbst idente Arten unter den Trias-Ammoniten von den tibe- tanischen Hochpässen des Himalaya-Gebirges. Man_darf hieraus schlielsen, dafs mindestens ein Theil der dort auftretenden Trias- bildungen dem europäischen Muschelkalk im Alter gleich steht. Hr. W. Peters machte eine vorläufige Mittheilung über eine Arbeit des Dr. Hilgendorf über das Gebils der hasenartigen Nager. Hr. Dr. Hilgendorf ist seit längerer Zeit mit einer Unter- suchung des Gebisses der lebenden und fossilen hasenartigen Nager beschäftigt und hat mir einige Punkte daraus mitgetheilt, die mir so wichtig zu sein scheinen, das ich mir erlaube, dieselben hier vorzulegen. | 4. Unterscheiden sich die Schneidezähne von denen aller anderen Nager dadurch, dafs sie, wie es die hier vorgelegten Präparate zeigen, ringsum von Schmelz bedeckt sind, hinten allerdings in viel dünnerer Lage. 2. Sind die oberen Schneidezähne von Zepus callotis aus Mexico und Zepus nigricollis aus Indien gabelig schmelzfaltig (dentes camplicati), die entsprechenden Zähne der afrikanischen Hasen bilden durch eine einfachere Einbuchtung des Schmelzes einen Übergang von jenen zu den anderen Hasenarten. 3. Sind die oberen Backzähne junger Hasen mit einer balb- mondförmigen Schmelzröhre versehen, wodurch ein Übergang zu dem fossilen Myolagus gebildet wird. 4. Bestehen die unteren Backzähne Anfangs aus zwei ge- trennten Schmelzlamellen, welche erst später mit einander ver- wachsen, so dals ein wesentlicher Unterschied zwischen zusam- mengesetzten und schmelzfaltigen Zähnen der hasenartigen Nager nicht zu machen ist. 5. Die Milchzähne der Leporiden besitzen geschlossene Wur- zeln, die obern 3, die untern zwei in der gewöhnlichen Stellung. 6. Der letzte obere Backzahn von Zepus europaeus Pallas zeigt zuweilen eine Schmelzschlinge ganz in derselben Weise wie die vorhergehenden Backzähne. 7. Das Kiefergelenk der hasenartigen Nager ist: freier als bei anderen Nagern und gestattet dem Unterkiefer eine seitliche Bewegung wie bei den Wiederkäuern. 674 Gesammtsitzung An eingegangenen Schriften nebst dazu gehörigen Begleit- ' schreiben wurden vorgelegt: Kgl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. V, 1. Stockholm 1864. 4. Öfersigt af Kgl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar. ib. 1865. 8. Meterologiska Jahttagelser i Sverige. VW. ib. 1865. 4. Journal of the chemical Society. Juli—Sept. London 1865. 8. Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. no. 3. Moscou 1865. 8. Giornale di scienze naturali ed economiche. Vol. 1, Fasc. 2. Palermo 18065. 1, Astronomische Nachrichten. Band 65. Altona 1865. 4. Annales de chimie et de physique. Octobre. Paris 1865. 8, Christian Donaleitis Zitauische Dichtungen. Erste vollständige Aus- gabe mit Glossar. Petersburg 1865. 8. Mit Begleitschreiben des Hın. Prof. Schleicher, d.d. Jena 9. December 1865. 21.Dec. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Haupt las nachstehenden Aufsatz des Hrn. Gerhard über einen etruskischen Spiegel, darstellend He- lena’s Rettung, des Herakles Meerfahrt und die Licht- göttin Eos. Aus den Gräberfunden von Caere ist neuerdings ein Metall- spiegel zum Vorschein gekommen, welcher zu den vorzüglich- sten Denkmälern dieser Kunstgattung gehört. Seine Zeichnung ist mit durchgängiger Sorgfalt auf punktirtem Grund eingegra- ben. Das aus sechs Figuren und einem Götteridol bestehende Hauptbild ist oben sowohl als unterwärts von anziehenden klei- neren Darstellungen begleitet, und während der reiche bildliche Inhalt durch stylistische Vorzüge sich empfiehlt, welche man dem Kunstwerth des vielgepriesenen Semelespiegels im hiesigen kgl. Museum verglichen hat, ist auch die Zugabe erklärender etruskischer Namensinschriften, welche am obern Rand des Spie- gels zusammengereiht sind, nicht gering anzuschlagen. Ein so ausgezeichnetes Kunstwerk hat sehr bald den Weg ins britti- sche Museum gefunden, von wo aus die Güte des Hrn. Char- les Newton und seiner kunsigeübten Gemahlin mich in den Stand setzt eine von derselben ausgeführte genaue Zeichnung der Akademie vorzulegen. vom 21. December 1865. 675 Mitten im Haupibilde des’ gedachten Spiegels, im Vorder- grund eines Tempelgebälks, fällt zuerst ein Pallasıdol uns ins Auge, welches, obwohl nicht im strengen Styl der meisten Pal- ladien gezeichnet, uns doch unzweifelhaft das viel besungene, angeblich zwar von Diomedes geraubte, aber vermuthlich durch ein ganx ähnliches ersetzte, Pallasbild auf der troischen Burg anschaulich macht. Die Göttin, zur rechten Seite des Bildes hingewandt, ist mit langem gegürteten Chiton und auf der Brust mit der Aegis bekleidet, welche sowohl durch das Antlitz der Gorgo als durch zwei den Brustharnisch abschliefsende Ziegen- köpfe sich kenntlich macht; sie ist mit buschigem Helm bedeckt und beschuht, wie auch mit einem Halsband und Ohrringen geschmückt; ın ihrer linken Hand hat sie Schild und Speer ge- falst und scheint mit ihrer verdeckten Rechten, obwohl abge- wandten Blicks, die ihre Hülfe suchende Helena nicht schlecht- hin abzuweisen. In der That ist es Helena, nicht (wie auf den ersten Blick man zu glauben versucht wird) Kassandra, wel- che wir, der Darstellung weiter links vom Beschauer nachgehend, in der von ihrem Verfolger am Haar ergriffenen, vom abgestreif- ten Gewand nur rücklings und am Schenkel bedeckten, an Hals und Ohren geschmückten, auch beschuhten, schönen Frau hier _ vor uns sehen, welche mit beiden Armen das Idol der sonst den Achäern mehr als dem Hause des Priamos günstigen Göttin umklammert; ohne Beischrift ihres eigenen Namens ist ihre Per- son durch die Namensinschrift ihres Verfolgers gesichert. Mene- laos, Menle, ein mit zierlichem Harnisch und buschigem Helm gerüsteter, durch wallendes Haupthaar und männliche Schönheit hervorstechender, bartloser und unterwärts nackter Krieger hält in seiner Rechten das kurze zweischneidige Schwert zu Helena’s Verderben gezückt und wird ın diesem Beginnen von der hin- ter ihm stehenden Thetis, Trezhis, einer mit gegürtetem Chi- ton und Peplos bekleideten, an Stirn Hals und Ohren geschmück- ten und beschuhten Frau dadurch gehindert, dafs ihre Rechte seinen rechten Arm ergriffen, ihre Linke die linke Seite des Helden gefalst hält. Auch noch eine andere göttliche Mitwir- kung zu Helena’s Gunsten hat. der Bildner uns vorgeführt, in- dem hinter derselben, nur oberwärts sichtlich, die von jeher für sie sorgsame Liebesgöttin, durch alte Inschrift als Zuran be- 676 Gesammtsitzung zeichnet, in einer langbekleideten und verschleierten, an Stirn und Ohr geschmückten, Nebenfigur angebracht ist, und zwar nicht durch energisches Eingreifen in die Handlung, wohl aber als aufmerksame Zuschauerin ihre Theilnahme zu erkennen giebt. Wirksamer ist die Schutzwaffe welche Helena in ihrem eigenen Antlitz mit sich trägt. Von Menelaos gewaltsam am Haar er- griffen und dadurch genöthigt ihr Gesicht ihm zu zeigen, er- fährt sie von neuem den vielgeübten Zauber ihrer wundersamen und, wie der Erfolg es bewährt, mit siegreicher Macht noch immer begabten Schönheit. Der Künstler, der in ihrer Darstel- lung nicht zurückzubleiben bestrebt war, läfst auch sofort uns die Wirkung jenes Zaubers wahrnehmen, indem Menelaos den Ingrimm, den seine Handlung kundgiebt, im Ausdruck seiner Züge bereits verleugnet und statt der von ihm beabsichtigten tödtlichen Rache die Heimführung der ihm neuverbundenen Ge- mahlin durch jenen Sieg der Schönheit uns vorahnen lälst, der nach dem alten Epos des Lesches in der Lyrik des Ibykos und Stesichoros, wie in der Komik des Aristophanes, seinen Wieder- hall fand. k Die rechte Seite desselben Hauptbildes ist mit zwei Figu- ren ausgefüllt, deren Eingreifen in die bis hieher beschriebene Handlung weniger einleuchtend ist als der Werth, den sie für Abrundung des Bildes und durch ihre gefällige Persönlichkeit in sich tragen. Wir erblicken zuerst eine schöne vollbärtige und reichgelockte Heldengestalt, bekleidet lediglich mit einer umgeknüpften und über den Rücken herabfallenden Chlamys; seine Linke hält eine Lanze und einen Schild welcher letztere mit einem Stern verziert ist, seine Rechte ist in die Seite ge- stemmt, sein Ausdruck derjenige eines mit gespannter Aufmerk- samkeit der Haupthandlung zugewandten Zuschauers. Wäre diese Figur ohne Beischrift, so könnte man wegen der Nähe der The-. tis und vielleicht auch der Polyxena sie für Neoptolemos zu halten geneigt sein; nun aber überrascht uns oberhalb dieser Figur die Namensinschrift des Ajax, Aifas, und heilst uns in ihr den grimmen Sohn des Oileus erkennen, dessen Wildheit der Mythos bald ruchlos gegen Kassandra bald in beabsichtigter Stei- nigung der Helena nachweist, hier aber, nicht anders als den Menelaos, durch Helena’s unwiderstehliche Schönheit besänftigt vom 21. December 1865. 677 erscheinen lälst, wie solches selbst durch eine Mitleid verrathende Senkung des Hauptes ausgedrückt ıst. Eine andere Inschrift ‚zwischen Ajax und den Waffen des Pallasidols in zwei kurzen Zeilen angebracht, die wir nur Ceere lesen können, entzieht sich unserer Deutung, wie denn auch die hienächst zu erwäh- nende Figur unsres Hauptbildes nicht durchaus sicher sich deu- ten lälst. Eine langgelockte schöne Frau, an Hals und Ohren reich geschmückt, durch ihren Peplos von der linken Schulter über Rücken und rechten Schenkel herab nur leicht verdeckt, hält mit der Linken den Zipfel ihres Mantels und stützt in vor- gebückter Stellung mit der rechten Hand einen Speer auf. Ihr beigeschriebener Name lautet Phulphsna;, man hat bei der Ähnlichkeit des Lautes an Proserpina gedacht, deren durchaus verschiedener eiruskischer Name Prosepnai oder vielleicht auch Alpnu uns anderweitig bekannt ist, daher man die hier gemeinte Figur wol vielmehr im Personal der troischen Sage zu suchen hat. Es ist den Etruskern nicht zu viel zugemuthet wenn man an- nimmt dafs jenes Phulphsna die Polyxena des griechischen Epos uns vorführe; wie aber deren Erscheinung hier veranlafst und gerechtfertigt sei, ist sehr fraglich. Besondere Schwierigkeit macht der von Polyxena gehaltene Speer. Wenn, wie der Sprach- gebrauch in aiyuarwros und dogveruros es anzeigt, die durch Gewalt bewirkte Gefangenschaft als Erfolg des sieghaften Speeres betrachtet ward, so sträubt man sich billig eine Person, welcher diese knechtende Waffe in die Hand gegeben ist, als Kriegsge- fangene zu betrachten. Wollte man dennoch annehmen, dafs die hernach bekanntlich von Neoptolemos geopferte Polyxena diesem ihren Gebieter den Speer in ähnlicher Weise aufbehalte wie man für Tekmessa beim Telamonier Ajax, für Briseis beim Achill es vielleicht nicht unzulässig finden würde, so fehlt nicht nur in der Gruppirung des Bildes die Person des Neoptolemos, sondern auch die dabei vorausgesetzte mythische Grundlage, in- dem Polyxena dem Neoptolemos zwar als Sühnopfer für Achill, nicht aber, wie Andromache, als Sklavin anheimfiel.e. So kommt man auf die ursprüngliche Beziehung des Speeres zur Kriegsge- fangenschaft und auf die Möglichkeit zurück, dafs ein der römi- schen Subhastation verwandter Brauch es veranlafst haben könne, Gefangene, welche als vertheilbare Beute unter den aufgerichte- 678 Gesammtsilzung ten Speer gestellt worden waren, durch Umfassung desselben ausdrücklich als Kriegsgefangene zu bezeichnen, wofür ein ande- rer verständlicher Ausdruck ohne peinlicheren Anblick nicht leicht zu finden war. Eine Gesamtidee des ganzen Bildes wenigstens wird uns dargeboten, wenn neben Gefährdung und Rettung der Helena der grimme Ajax als ein bei deren Anblick mild fühlen- der Zuschauer erscheint, Polyxena aber, welche das vormals hülf- reiche Pallasidol vergebens anblickt, als sprechendes Bild der un- glücklichen Troerinnen den düstern Hintergrund der Iliupersis hier uns bezeichnet. Jene berühmte Sage von der Wiederauffindung Helena’s durch ihren schwer verletzten und nun als Rächer vor sie hin- tretenden Gemahl hatte, wie es scheint, im alten Epos und in den davon abhängigen Kunstgebilden eine wesentlich verschie- dene Auffassung erhalten. Von Menelaos in ernster Strenge ab- geführt erscheint Helena, vielleicht dem Bericht des Arktinos gemäls, in einer Reihe von Overbeck mit Wahrscheinlichkeit so gedeuteter archaischer Vasenbilder, dagegen die Vasenbilder von freierer Kunst vielmehr der durch Lesches und durch Ste- sichoros begründeten Wendung sich anschliefsen, laut welcher Menelaos, durch Helena’s Schönheit geblendet, der treulosen Gat- tin die alte Gunst von neuem zuwendet. Die mehreren sehr ansprechenden Darstellungen der letzteren Art, ohne Zweifel Nachbildungen eines uns unbekannten vorzüglichen Originals, haben anderwärts ihre ausführliche Behandlung gefunden; ohne daher bei ihnen hier zu verweilen, wird es lohnender sein zwei Umstände hervorzuheben, durch welche die Darstellung des caeretanischen Spiegels von jenen andern verwandten Gegenstan- des sich unterscheidet. Auffallend ist zunächst der Götterschutz, den Helena bei dem Idol der Pallas sucht, einer Göttin, welche, wie aus Homer uns bekannt ist, den Troern und ihrem Anhang stets feindlich war und diese Feindschaft auch auf alle Verwandte des Priamoshauses ausdehnte. Nichtsdestoweniger ist es selbst in der nicht grofsen Anzahl unsrer Vasenbilder keineswegs uner- hört, dafs Helena zum Idol der streitenden Burggöttin sich flüch- tet; ein andermal ist eine Statue Apolls ihr Ziel und, was am nächsten lag, Schutz bei Aphrodite zu suchen wird auf der Tabula Iliaca in einer unserem Spiegelbild ähnlichen Verfolgungsscene vom 21. December 1865. 679 uns vor Augen geführt. Ein anderer auffallender Umstand unse- res Bildes ist die Gegenwart der Thetis, welche uns zwar in Darstellungen von Achills drohendem Geschick, in den Scenen seiner Rüstung, seiner Trauer um Patroklos und andern Ereig- nissen seines Lebens ganz natürlich scheint, bier aber zu einer anderwärts nicht leicht nachweislichen Einwirkung auf das Ge- schick der griechischen Helden ausgedehnt ist. Als augenfällige Thatsache bleibt diese Einwirkung unleugbar aber befremdlich; indefs erklärt sie bei genauer Erwägung sich daraus, dals auch ohne Rücksicht für die Häuslichkeit der Atriden Thetis als Göt- tin die göttliche Tochter des Zeus, als Mutter Achills die un- vergänglich schöne Frau gern begünstigte, deren Anstaunung sie einst vor Troja zugleich mit Aphrodite dem Achill verschafft hatte und deren Verhältnils zu Achill durch die späteren Sagen von beider Verbindung auf Leuke, dem Lande der Seligen, auch dem Erfinder unseres Kunstwerks leicht vorschweben konnte. Zu einer ferneren inhaltreichen Bilderschau fordern die über und unter dem Hauptbild unsres Spiegels befindlichen Neben- gruppen desselben auf; sie zeigen uns oben das aus ähnlichen Werken auch sonst bekannte Bild der hier mit vierfachem Ros. segespann aufsteigenden und den Erdkreis beschauenden Licht- göttin Eos, unten dagegen ein auf den ersten Blick uns fremd- artig scheinendes, in der That aber jener aufsteigenden Göttin des Lichts sehr zupassendes Abenteuer des Herakles. Wir er- blicken den thebanischen Helden, sitzend in einem durch zwei- mal drei aufserhalb daran gehängte Amphoren ausgezeichneten Kasten, mit gehobenem linken und gesenktem rechten Knie, in seiner Rechten die Keule schwingend und in der Linken den Bogen erhebend, kenntlich durch diese Waffen, durch die un- fehlbare Beischrift Zercle und auch durch die Löwenhaut, welche unverkennbar in beiden sehr deutlichen Tatzen hinter ihm zwischen zwei aufgerichteten Stäben, wahrscheinlich als Se- gel zum Behufe der Schifffahrt, ausgespannt ist. Diese Annahme ist überraschend, indem sie statt eines durch die Amphoren wahr- scheinlich gemachten und dem zechlustigen Helden gar wohl entsprechenden Trinkgelages, welches auch auf etruskischen Gem- menbildern ähnlicher Darstellung sich voraussetzen läfst, viel- mehr den Gedanken einer mythischen Schifffahrt des Herakles 680 Gesammtsitzung in sich schliefst, deren komische Behandlung und Ausspinnung allerdings auch das für den durstigen Helden so unenibehrliche Flaschenfutter nicht vergessen haben wird. Augenfällig aber ist nicht nur das ausgespannte und durch beide an jene Stäbe ge- heftete Tatzen als Segel befestigte, obwohl seltsam gefaltete, Löwenfell unseres Spiegels, sondern auch das durchaus deut- liche Segel eines der vorher erwähnten Gemmenbilder, welches demnach auch andere gleichartige Darstellungen derselben Kunst- gattung auf einen zu Meere befindlichen und von einem schlich- ten Fahrzeug wie auf einem Flols getragenen Hercules uns deu- ten läfst —, dieses um so mehr, da eines jener Gemmenbilder in der aufgestützten Linken des Helden uns einen Fisch zeigt, während seine Rechte zugleich den Wein der Amphora ihm zuzuführen bemüht ist. Es darf nicht befremden, wenn die mehrfache und überall nur flüchtig skizzirte Darstellung eines in schriftlichen Zeugnissen und Spuren nur sehr unvollkommen erhaltenen Mythos uns Räthsel zurückläfst, wie wenn in unserm Bild der vorwärts schauende, etwa auf ein feindliches Abenteuer gerichtete, Blick des Herakles es in Frage stellt, ob der unver- zagte Held einem. der von Pindar angedeuteten Kämpfe gegen Meerwunder und Meerdämonen entgegensieht oder wohl gar den Altvater Okeanos bedroht, welcher laut Pherekydes durch Auf- regung des Meeres ihn beunruhigt haben sollte. Noch räthsel- hafter ist es, wenn ein etruskisches Gemmeübild den durch die angehängten Amphoren uns identisch erscheinenden Sitz, welchen Hercules auch noch auf einer Amphora ruhend einnimmt, zu- gleich auch mit einem kahlen Baum besetzt erscheinen läfst und mithin den Gedanken an eine Meerfahrt, wenigstens für dies übrigens durchaus hieher gehörige Monument, aufhebt. Abgese- hen hievon, genügt es uns die Grundlage festzuhalten, welche, von dem vorliegenden Spiegel und den verwandten Gemmenbil- dern ausgehend, nicht nur auf das vormalige griechische Kunst- werk eines meerfahrenden Zechers Herakles und seinen wahr- scheinlich in der griechischen Komödie vorauszusetzenden An- lafs uns hinweist, sondern durch wiederholte Anwendung und Verbindung desselben Bildes auf zwei verschiedenen Spiegeln auch die jenem heiteren Bild abgewonnene ernstere Bedeutung hinlänglich ans Licht stellt. Eben dasselbe Bild, welches wir vom 21. December 1865. 681 auf der Mündung des neuentdeckten Helenaspiegels vor uns haben, befindet sich mit geringen Abweichungen an gleicher Stelle auch unter dem auf die Geburt der Kabiren von mir ge- deuteten und der Akademie im Jahr 1861 vorgelegten orvietani- schen Spiegelbild des Grafen Ravizza, gegenübergestellt in gleicher Weise wie hier dem oberhalb des Hauptbildes auch dort an- gebrachten Wagen der Lichtgöttin Eos. Wenn, wie sich nicht zweifeln lälst, in diesem auf Werken derselben Kunstgattung öfters wiederholten Bild der Lichtgöttin das über den Erlebnis- sen der Menschheit waltende Göttergeschick angedeutet werden soll, so darf es als wesentliche Beigabe zur Vervollständigung jenes Gedankens gelten, dals unterhalb der aufsteigenden Licht- göttin auch eine Hindeutung auf die Göttermächte des Nieder- gangs sich hier vorfindet, in welcher Bedeutung die Meerfahrt des Herakles ihrer scherzhaften Darstellung ungeachtet in der That sich auffassen lälst. Diese Ansicht mit einiger Zuversicht auszusprechen ermächtigt uns der durchgängige mythische Zu- sammenhang des schiffenden Herakles mit den dämonischen Mäch- ten am Westrand der Erde, von wo er die Rinder des Geryon und die Äpfel der Hesperiden mit sich heimbringen sollte. Da- bin zu gelangen war nur durch das Schiff des Sonnengoties ihm möglich, welches dieser, anfangs milswollend aber durch des Hel- den Kühnheit besiegt, ihm zum Gebrauche verlieh, und je ver- schiedner man sich im Alterthum jenes Sonnenschiff dachte, desto weniger kann man Schwierigkeit haben neben der möglichen Form eines Kahns oder Bechers es auch in dem wie es scheint als Kasten oder Flols geformten Fahrzeug zu erkennen, welches die beiden von uns verglichenen Spiegel uns vor Augen legen. Haben wir aber oben den Wagen der Morgenröthe, unten das Fahrzeug vor Augen, mit welchem der Sonnengott laut Mimner- 'mos Stesichoros und anderen Dichtern vom Westrand der Erde im Lauf jeder Nacht den Ostrand derselben zum neuen Tages- lauf zu erreichen pflegt, so ist auch die Bedeutuug der unserm Haupibild beigesellten Nebengruppen in gleicher Weise gesichert wie wir durch Helios und Selene, die leuchtenden Göttermächte des Tags und der Nacht, sowohl die Giebelbilder des Parthenon als auch die Darstellungen römischer Sarkophage zu durchgän- [1865.] 50 682 Gesammtsitzung giger Andeutung der die Menschheit beleuchtenden und bewachen- den Göttermacht eingefalst finden. In dem vorher von uns nur kurz berührten oberen Bild ist die von vier Rossen gezogene Göttin bei allen Vorzügen siche- rer und lebendiger Zeichnung, welche diesem Spiegel durchgängig zukommen, mit der geringeren Ausführung dargestellt, welche ' bei einem typisch gewordenen und bereits oft wiederholten Bild | nicht befremden kann. Ohne dies dem Künstler zur Last zu legen, haben wir einfach zu berichten dafs von der Person der Göttin nur Kopf und Hals sichtlich sind, der Ausdruck ihrer Gesichtszüge nicht hervorstechend ist, charakteristische Attribute aber fehlen, wie deren eines doch selbst der Ravizza’sche Spie- gel enthält, indem er statt des die Göttin hier schmückenden Halsbands sie mit der bedeutungsvolleren Strahlenbekränzung versehen zeigt. Man kann hiebei darauf aufmerksam machen, dafs in den Kunstdarstellungen der Eos auch ihre sichersten Attribute, solche wie Fackel Strahlen oder Sonnenscheibe, ebenso sehr als die mancherlei anderen ihr zukommenden —, nächtliche wie der plutonische Helm und ein bellender Hund oder sonstige wie die Gefälse des Morgenthaus—, ihr nur sehr spärlich zuge- theilt werden. Dafür wird sie von Hermes, Phosphoros, Hekate oder Iris eingeführt, von Nike empfangen und in einem Pracht- wagen dargestellt, dessen vierfaches Rossegespann das zwiefache der homerischen Göttin überbietet. Ein ähnliches Mifsverhältnils spärlicher Ausführung und inhaltreicher Bedeutung wiederholt sich, wenn wir im Zusammenhang griechischen Götterwesens die von Homer so hoch gefeierte, thronende, von weilsen Rossen gezo- gene Lichtgöttin Eos ihres umfassenden Mythengespinnstes unge- achtet in Griechenlands Kultus der olympischen Götter und auch im italischen Tempeldienst vergeblich aufsuchen. Die Seltenheit ihrer Tempel betont ausdrücklich Ovid; neben der Sage von Eos und Kephalos fehlen sie auch in Athen und haben kaum in den Ländern des Ostens einige für die höhere Geltung des südlichen Frühlichts zeugende Kultusspuren zurückgelassen. Nichtsdestoweniger aber blieb Eos dem religiösen Naturgefühl der Hellenen auch später- hin in aller Würde geläufig. Als Titanide dem Helios und der Selene verschwistert und, wie die mächtigen Frühaufgänge des Südens, als bester Theil des jungen Tages auch wohl der Hemera vom 21. December 1865. 683 gleichgesetzt, pflegt sie dem Helioswagen voranzuziehn und läfst vielleicht auch ihm gesellt auf der himmlischen Laufbahn bis zur Höhe des Tages sich denken. Nebenher ist ihr anmuthrei- ches Erscheinen im Kreise der Sterblichen, ihre Entführung schöner Jünglinge, des Orion, Tithonos, Kephalos und Kleitos, und ihre Mutterschaft edler Heroen wie des Memnon, aber auch die Elementarkraft bezeugt, mit welcher sie von Asträos die Winde geboren .haben und mit der erfrischenden Morgenluft auch deren Thautropfen täglich herbeiführen sollte. Der letzt- gedachte Begriff der nährenden Morgenfrühe, dem griechische Luftgöttinnen wie Aura 'Thyia und Aglauros entsprechen, hat sich im römischen Namen Aurora erhalten ohne im italischen Kultus uns zu begegnen, in welchem dagegen die Begriffe des Frühlichts, der Tages- und Menschengeburt, verbunden mit dem des geistigen Lichtes und seiner Weissagung, in einer Reihe von Göttinnen italischer Benennung das umfangreiche Wesen der griechischen Eos mehr oder weniger wiederholen. Aus Latium und dem südlichen Etrurien ist vorzugsweise Matuta, ihres Namens eine mütterliche Göttin des Frühlichts, in aller Würde einer Geburts- und Lebensgöttin der griechischen Ilithyia gleich- gesetzt, uns bezeugt, und wenn es eben nur die Idee der grie- chischen Eos ist, welche in so verschieden benannten Gottheiten mannigfach sich abspiegelt, so darf es nun auch um so weniger uns verwundern, wenn wir das Viergespann der griechischen Lichtgöttin, der Überlieferung griechischer .Kunstformen gemäls, als waltende Göttermacht im oberen Raum etruskischer Spiegel nicht selten vorfinden. Hr. Weierstrafs machte im Anschluls an die von ihm in der Sitzung vom 20. Juli d. J. vorgetragene Abhandlung einige weitere Mittheilungen über die Theorie der allgemein- sten Abel’schen Transcendenten, 50° 684 Gesammtsitzung Hr. Hofmann ergänzte eine frühere Mittheilung durch die Abhandlung des Hrn. C. A. Martius über Amidodinaph- tylimid und Diazoamidonaphtol. Mehrere Jahre vor der Entdeckung der Diazoverbindungen durch P. Grie[s wurde von Perkin und Church ') unter dem Namen Nitrosonaphtylin eine Verbindung von der Formel C,oH;N;O beschrieben. Bald nach Entdeckung des Diazoamido- benzols von Griefs nahmen die genannten Chemiker ihre An- gaben in Betreff dieser Verbindung tbeilweise zurück ?) indem sie für dieselbe aus besser stimmenden Analysen die Formel C,,H, ;N;z entwickelten und sie für die dem Grie[s’schen Diazoamidobenzol «Azodiphenyldiamin) entsprechende Naphthyl-Verbindung erklärten. Auch in einer kürzlich von H. W. Perkin °) veröffentlichten Notiz über die Einwirkung des Wasserstoffs im Entstehungsmo- | ment auf diesen Körper wird ihm noch diese Constitution beigelegt. ® Veranlalst durch eine kürzlich von P. Gries und mir ge- machte Beobachtung *), nach welcher, je nach Art der Einwirkung | der salpetrigen Säure auf Anilin, zwei ganz verschiedene aber isomere Verbindungen gebildet werden, nahm ich das Studium der aus dem Naphtylamin durch Einwirkung der salpetrigen Säure sich bildenden Verbindungen wieder auf und gelangte dabei zu dem Resultate, dals der Körper welchen Griels in seiner Abhandlung als Diazoamidonaphtol bezeichnet wesentlich ver- schieden ist von dem Nitrosonaphtylin oder Azodinaphtyldiamin von Church und Perkin, dafs es somit auch in der Naphityl- Reihe zwei isomere Verbindungen giebt von der Zusammen- setzung C,0B,;N;. | Es sei mir hier erlaubt die Characteristik dieser beiden Ver- bindungen in Kürze zusammenzustellen. Die dem Grie[s’schen Diazoamidobenzol entsprechende Ver- bindung, das Diazoamidonaphtol: Sao loN }bilder sich ent- CuoHk;N;, weder durch Einwirkung des salpetrig-sauren Gases auf eine stark ı) Journ. of the Chem. Soc. IX, 1. ?) Journ. of the Chem. Soc. [2] 1. 208. ®) Journ. of the Chem. Soc. [2] 4. 173. *) Siehe dieses Heft p. 633. vom 21. December 1865. 685 abgekühlte Lösung von Naphtylamin oder dureh Fällen einer Lösung von chlorwasserstoffsaurem Diazonaphtol (C, H;N,,HCI) mit einer Lösung von Naphtylamin oder endlich, und dies ist bei Weitem die beste Darstellungsmethode, durch Einwirkung einer schwach alkalischen Lösung von salpetrigsaurem Natrium auf krystallisirtes, neutrales chlorwasserstoffsaures Naphtylamin. Die Bildung der Verbindung aus salpetriger Säure lälst sich durch die nachstehende Gleichung ausdrücken: 2(C,,H;,N)+HNO, =C,,H,;N; + 2H,0. Das Diazoamidonaphtol scheidet sich aus einer alkoholischen Lösung in gelbbraunen Blättchen ab die schon im Wasserbad zu einem Harze schmelzen, sich in höherer Temperatur aber unter Explosion zersetzen. Beim Erwärmen, selbst mit den schwäch- sten Säuren, spaltet es sich sofort in Naphtylamin und Naph- tylalkohol. Mit concentrirten Mineralsäuren liefert es eine vio- lette Färbung, die jedoch nur vorübergehend ist. Die Church-Perkin’sche Verbindung, das Nitrosonaphtylin (Azonaphtylamin, Azodinaphtyldiamin), für welches ich der Analo- gie mit dem aus dem Anılin sich bildenden Körper wegen den Namen Amidodinaphiylimid vorschlage, bildet sich sowohl durch Einwirkung des salpeirig-sauren Gases auf warme alkoho- lische Lösungen von Naphtylamin, wie auch durch Einwirkung von zinnsaurem Natrium auf Naphtylamin. In beiden Fällen ver- läuft die Umsetzung unter gleichzeitigem Auftreten von Naphtyl- alkohol und man mufs deshalb die Bildung dieser Verbindung als einen einfachen Oxydationsprocels auffassen in folgender Weise: "3C,,H;N +30 = (,,H,,N; + C,,H;0 + 2H,0. Was die Eigenschaften des Amidodinaphtylimid’s anlangt, so kann ıch ım Allgemeinen die Angaben von Church und Perkin nur bestätigen. Die Verbindung besitzt basische Eigenschaften und bildet mit den meisten Säuren wohl ausgeprägte und ziemlich beständige Salze, deren Lösungen alle eine violette Farbe be- sitzen. Aus der alkoholischen Lösung krystallisirt die freie Base in schönen, langen, rothgelben Nadeln, die sich beinahe ohne Zer- setzung destilliren lassen. Die reine Verbindung schmilzt bei 136° zu einem rothen Oele und erstarrt wiederum bei 125° C. Die hier aufgeführten Eigenschaften beider Verbindungen beweisen auf’s Bestimmteste ihre Verschiedenheit. Dals jedoch 686 Gesammtsitzung das Amidodinaphtylimid wirklich dem von P. Griefs und mir in oben erwähnter Abhandlung beschriebenen Amidodiphenyli- mid entspricht, scheint abgesehen von seiner Bildungsweise vor Allem durch seine Zersetzungsproducte bewiesen zu werden. Das Amidodiphenylimid wird nämlich unter dem Einflusse von Zinn- und Salzsäure in Anilin und Paraphenylendiamin übergeführt C,.H,,N; # 4H = C,H,N, + C,H,N Amidodiphenyl- Paraphenylen- Anilin, imid. diamin. Nach Perkin findet eine ganz analoge Umsetzung beim Amidodinaphtylimid statt: | C;oH,5N; + 4H = C,0H,0N; + C,oHs N Amidodinaphıyl- Naphtylen- Naphtylamin. BER imi diamin, Die Base, welche Perkin als Naphtyldiamin bezeichnet, und die er Ey: N, schreibt, besitzt in der That in ih- rem chemischen erhalten. die grölste Ähnlichkeit mit dem Pa- raphenylendiamin. Ohne Zweifel werden die beiden Verbindun- gen C,.H,;Ns und C,.H,.oN, durch Behandlung mit Braun- stein und Schwefelsäure einen Körper von der Formel: C,;,H,O,, das Chinon der Naphtyl-Reihe, liefern in derselben Weise wie Paraphenylendiamin und Amidodiphenylimid Chinon liefern. Hr. Kronecker lasüber einige Interpolationsfor- meln für ganze Functionen mehrer Variabeln. Indem ich versuchte meine Resultate über die Zerlegung der Discriminante von Eliminationsgleichungen auf die La- “ grange’sche Interpolationsformel anzuwenden, bin ich zu all- gemeineren Formeln gelangt, welche ungeachtet ihrer grofsen Einfachheit, so viel ich weils, bisher noch nicht aufgestellt wor- den sind, Es seien F,, F,,.... F, ganze, nicht homogene Functionen der Variabeln x,, x3,...x%, resp. von den Dimensionen v,,v2,-..v„.» Es seien ferner nr cm eoeoe0» ae vom 21. December 1865. 687 für k=1, 2,... m die m verschiedenen Systeme endlicher Werthe, für welche die n Functionen F gleichzeitig verschwinden. Als- dann besteht für jede dieser Functionen F eine Gleichung: F;,=(z, -Eu)FW’ + (a, —E,)FY’+ sun. +(2, —-&,) FÜ), in welcher FÜ), F%)..... ganze Functionen von &;, &3,...%, 5 Eirs Eanı»-- En bedeuten. Die aus den n? Functionen F/f, gebildete Determinante, welche also ebenfalls eine ganze Func- tion der Variabeln « und deren durch den vorderen Index k be- zeichneten Werthe ist, verschwindet stets, wenn darın für die Variabeln x eines der übrigen (m—1) Werthsysteme gesetzt wird. Diese einfache Bemerkung ist von fundamentaler Bedeu- tung für die Eliminationstheorie und kann bei Entwickelung der- selben füglich zum Ausgangspunkt genommen werden. Ich be- halte die Darstellung des hiernach einzuschlagenden Weges einer künftigen Mittheilung vor und erwähne hier nur, dafs die Be- trachtung jener Determinante ganz unmittelbar auf eine Verall- gemeinerung der Lagrange’schen Interpolationsformel führt. Bezeichnet man nämlich die aus den Functionen F/) gebildete Determinante mit D,(x,, &2,...x,) und setzt D; (En N) =4,, so stellt der Ausdruck: en D Be. k eine ganze Function von &,,%g... x, dar, welche für jedes der ın Werthsysteme: x = Ei, %z — Sp Hin —I Hr, resp. den Werih %, annimmt. Die hierbei zu machende Vor- aussetzung, dals keine der » Gröfsen A, gleich Null werde, kommt damit überein, dals das System der 2 Gleichungen: F=0 keines der m Werthsysteme mehrfach enthalte; denn der Werth von A, ist gleich dem Werthe, welchen die Functionaldeterminante von F,, Fz,.... F, für: De nk erhält. Ist ® (x,,®2...x,) eine beliebige ganze Function und Den so ıst die Differenz: 688 Gesammtsitzung layer.) EH: Dr 1 A, als homogene lineare Function der n Functionen F darstellbar. Auch die verschiedenen Determinanten D;, welche man erhält, wenn man die oben eingeführten, aber nicht vollkommen be- stimmten Functionen FY’.) anders und anders wählt, unterschei- den sich nur durch einen homogenen linearen Ausdruck von F/,, Base n°® Die Functionen F/’) können so gewählt werden, dals sie in den Gliedern der höchsten Dimension mit denen von Pr)? D; dx, übereinstimmen, wenn f; den Complex der Glieder höchster Di- mension in F, bedeutet. Alsdann sind auch die Glieder der höchsten Dimension von v, .vz...v,.D, für jeden Werth von k mit der Functionaldeterminante von f,, f2,...f, identisch. Be- zeichnet man nun diese Functionaldeterminante mit A (x ,, X3>--.%, ), so muls für jede Function $(x,,...x,) deren Dimension klei- ner als die von A d. h. kleiner als v, vg +... tv, —nist, K%4y%2...%,)*3 : . 191 G2ky° °** Onk R( a) ze ein &n:) durch Hinzufügung einer linearen homogenen Function von F,,F3,...F, auf eine niedrigere Dimension gebracht werden können. Hiernach muls entweder 1 (B) 27m Eanı- +++ En) = 0 k oder (O) Rlay an...) =bıfı + Pefe +... -HDa fa sein, wo unter d,, ®d2, ---®, ganze homogene Functionen von %uy %g ...%, zu verstehen sind. Die letztere dieser beiden Glei- chungen enthält die nothwendige und hinreichende Bedingung dafür, dafs die n homogenen Gleichungen: f=0 gleichzeitig zu befriedigen sind und dafs mithin die n Gleichungen: F=0 we- niger als v,.va...v, endliche Werthsysteme für die Variabeln vom 21. December 1865. 689 % 5, %gy...%, ergeben. Die Gleichung (C) besteht demnach nur, wenn m