ee ee eng 3 lan w = - i 5 5 u REE TEE EI TE ETNE L N ve 1 re ERTETERETT ie a 2 2 ur 2,2 De N 0 or EEE ZEN . - 3 R ee Ze r x u ® N kr ;. . R 2 rn zer PR PEUELDT BAR ee ee e . . NE . .r r . Bi rem B 5 ee ee ee > “ wi u EEE EEE une er zz en ne re E en ee TREE = RT ee ran d r Te ns Deo denigget PEBGREAPaeN Den Zu 0 52 2 2 iz ® < ” . . - u LEERE Ve ET 5 Zu tn EEE ge Brig F Te Ten - en en ge I tr n DEE TRETEN , ee DE TEE ae .r EEE EEE RESET LEERE N ne ee EEE er EDEL ER en een Y = ET nn LE ee . ei * an ae nn LEE ET LEITETE ER wie erg ee TEE a a ee VERTRITT Din: ee TEEN De u " o e r - . . Ba EEE ET En ne rin un re . u. N EEE ET Dein vr 2 EROEID A er . - - Be er = EEE REN TE 2; SE mn Zr an a en unnnn EWR 2 un mer RT RET u he EEE ange arm nein Ba ET SMITHSONIAN.. DEPOSIT ER w MONATSBERICHTE DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. Aus dem Jahre 1866. Mit 13 Tafeln. GEDRUCKT IN DER BUCHDRUCKEREI DER KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1867. IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. HARRWITZ UND GOSSMANN. MEER | " eo MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN . ZU BERLIN. Januar 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 8. Januar. Sitzung der. philosophisch-histo- “ rischen Klasse. Hr. Müllenhoff las über das Sarmatien des Pto- lemaeus. Die entdeckung des samländischen bernsteins durch die Römer in der zweiten hälfte des ersten jahrhunderts unserer zeitrechnung und der handelsbetrieb, der sich daran von Pan- nonien aus anschlofs, führte bald, wie die vergleichung der letzten capitel der Germania mit den nachrichten des Plinius und Strabo zeigt, zu einer genaueren kenntnis der völker in dem gebiet der Weichsel und der umgebung der Ostsee. auch Ptolemaeus oder vielmehr sein vorgänger Marinus von Tyrus, dessen kartenwerk jener nur einer neuen redaction unterwarf, ein zeitgenosse des Tacitus, hatte schöne nachrichten über die nicht deutsche nachbarschaft der Goten an der untern Weichsel. er kannte die preufsischen Galinden (Tarwdaı) und Sudauen Zovöwo) zu beiden seiten des Spirdingsees, wahrscheinlich auch ihre nächsten stammverwandten im nordosten, osten und süden, die Litauer und Jazwingen, und vielleicht selbst noch die nörd- lich auf die Litauer folgenden Kuren '). der deutsche gesamt- name des stammes fehlt bei ihm. aber dafs auch seine neue kunde auf demselben wege, auf dem Tacitus zuerst von den Aestiern erfahren hatte, durch den bernsteinhandel über Pannonien ") Zeuls 271 f. 655. 679. 699.- [1866.] 1 2 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse gewonnen war, ergibt sich deutlich aus dem nahen zusam- menhang, in dem die aufstellung der völker an der westgrenze Sarmatiens mit der auf der ostgrenze von Germanien steht: auf beiden seiten sind hier gleichmäfsig die namen die im und am gebirge dicht zusammengedrängt sein sollten in zwei lange reihen ausgestreckt und zugleich das asciburgische oder schlesische ge- birge mit der Weichselquelle und die Karpaten um 3—4 grad nach norden und süden auseinander geschoben. die karten, die hr. Kiepert vom Sarmatien und Scythien des Ptolemaeus Ukerts Skythien beigegeben hat, überheben uns hier wie im folgenden des eingehens in das detail der namen. aufserdem aber mufs Marinus noch eine ähnliche summarische angabe über die Slawen und Finnen gehabt haben, wie Taeitus und der verfasser der peutingerschen tafel. wie die namen Oveveda: und &ivvor beweisen, stammte sie aus deutschem munde und be- stimmte die lage der beiden groflsen volksstämme von den Goten aus. dies aber verführte den geographen sie mit der andern über die aistische nachbarschaft der Goten zu combinieren, ein gröbliches versehen kam hinzu, und die Ovevedaı, die die weiten ebenen zu beiden seiten des mittleren und oberen Dnjeprs bis zu den Waldaihöhen erfüllten, kamen als eins der "grösten völker’ Sarmatiens in den engen raum nördlich von den Goten und Galinden neben der Weichselmündung an die preufsische see- küste, wo niemals Slawen oder Wenden gewohnt haben, und der grofse finnische stamm, der den ganzen nordosten und norden über den Slawen Aestiern und Germanen vom Ural und der Wolga bis nach Skandinavien inne hatte, als eins der ‘kleineren völker’ südlich von den Goten an die mittlere Weichsel. Wenn diese fehler und versehen, je gröber, desto leichter berichtigt, gleichwohl den zuwachs neuer kunde von Germanien her nicht zweifelhaft lassen, so ist dagegen die kenntnis vom Pontus aus nach der Ostsee hin bei Ptolemaeus nicht im gering- sten fortgeschritten. die lage der Bastarnen wird allerdings im wesentlichen in übereinstimmung mit den übrigen zeugnissen der alten angegeben, auch in der beschreibung von Thracien die abteilung von ihnen, nach der die Römer das ganze volk Peueini nannten, richtig auf die inseln der Donaumündung und über ihnen die "Agmıo: d.i. die Karpen nach Bessarabien gesetzt; vom 8. Januar 1866. 3 aber beide namen werden auch noch einmal nördlich von den Bastarnen wiederholt, die Ilsvzivo: als eins der 'grösten völker’ Sarmatiens und als von jenen verschieden unterhalb eines ge- birges Peuke oder peukinischer berge, und zwischen ihnen und den Bastarnen die Kagmıavor = "Agrıcı. auf die Peukinen und ihr gebirge folgen dann noch nordwärts als südnachbaren der aisti- schen völker Transmontanen und Koistoboken mit nicht besserem rechte. die Koistoboken führt Ptolemaeus selbst noch einmal im nordöstlichen Dacien auf innerhalb der Karpaten, wo sie zu anfang des marcomannischen kriegs der angriff der Vandalen traf und wahrscheinlich damals bis nach Griechenland trieb, und nur hier im nächsten bereich der römischen kunde, wo auch Ammian Tranjugitani nennt und der name Transilvania später gebräuchlich wird, kann von Transmontanen die rede sein. abgesehen von den nächsten anwohnern der Weichsel, ist also die westliche hälfte des eigentlich slawischen gebiets bis zum Dnjepr bei Ptolemaeus nur mit namen angefüllt, die erweis- lich nicht dahin gehören, in wahrheit also ein vacuum. Nicht besser steht es um die osthälfte. freilich sieht es so aus als ob Marinus über den ursprung und obern lauf des Borysthenes besser unterrichtet war, als irgend einer der alten, die einstimmig (Herod. 4, 53. Strabo p. 107) die quelle des flusses für unbekannt erklären. allein beachtet man dafs Olbia auf der karte des Ptolemaeus der einmündung des aus dem Amadokasee kommenden nebenflusses ebenso nahe liest, als der mündung des hauptstroms ins meer, dafs dieser noch weit über jene einmündung hinaus und der nebenflufs fast seiner gan- zen länge nach mit städten besetzt ist, so kann man diesen nicht für den Pripjet und den Amadokasee nicht für die Rokitno- sümpfe halten. die Amadoker, nach denen aulser dem see auch noch eine stadt am Borysthenes und östlich davon ein angeb- liches gebirge benannt sind, kamen schon in der ältesten histo- rischen oder geographischen litteratur der Griechen vor, aus der der falsche Hellanikus (fr. 172 aus Steph. Byz. ’Auc«doxo:) seine bücher zusammenstellte. sie stammen daher nebst andern völker- und flufsnamen bei Ptolemaeus nur aus der gelehrten tradition. ein offenes geständnis der abhängigkeit von dieser und zugleich des völligen nichtwissens aber liegt in dem namen der Hamaxo- 1*® 4 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse bier, den Strabo p. 492 und andere wohlweislich den unbekann- ten völkern des fernen nordens überlassen, weil er auf alle Scythen oder Sarmaten anwendbar scheint, dem aber bei Ptole- maeus der grölsere raum im osten des Dnjeprs angewiesen ist. da auf der diathese von Sarmatien, die Mela einem alten grie- chischen geographen entlehnte, Agathyrsen und Hamaxobier wunderlicher weise auf der westseite der Maeotis platz gefun- den hatten, so können beide namen bei Ptolemaeus durch ein- schiebung andrer von osten her aus einander, die Hamoxobier ins innere Sarmatien, die Agathyrsen wie bei Dionysius dem periegeten v. 314—319 in den äufsersten norden gedrängt sein. auf dieselbe weise könnten auch die herodotischen Budinen von jenseit des Don als Buwöwwor mit ihrem Bovdwov oder Bwöırev 0g05 in den norden von den Hamaxobiern gekommen sein, wenn man sie nicht etwa mit den sonst unbekannten Tyovwa, die Ptolemaeus ihnen noch beigesellt, wie die Sovd:vo: dem aistischen stamme zuzählt. Woher aber stammt nun die menge der sonst meist unbe- kannten, aber keineswegs fabulos klingenden namen im osten und norden der Hamaxobier nach dem Tanais und der Ostsee zu? die kunde des Marinus erstreckte sich vom Pontus aus ins innere Rufsland in wahrheit nicht weiter als die Strabos. sie beschränkte sich auch bei ihm auf die völker der südlichen steppe und erweist sich hier nicht einmal überall zeitgemäfs und verständig, da selbst, abgesehen von den Taurosceythen über der Achilleslaufbahn, die lJazygen einmal richtig als metanasten zwi- schen Theis und Donau, dann aber wieder jenseit des Dnjeprs am asowschen meer noch als nachbarn der Rhoxolanen aufge- führt werden. neu und dankenswert ist nur die nennung der Karpen an der Donau: die Tyrageten neben ihnen und den Bastarnen waren schon dem Strabo bekannt. die Navegoı und die auf der karte bei Ukert fehlenden Togezzadaı sind nur zwei ortsnamen über dem isthmus entnommen. die Xcoüvc: aber ge- hören dann ohne zweifel schon zu der masse der östlichen völ- ker in der umgebung des peyırrov &Svos der "Aralvor IzuSau. kein andres glaubhaftes altes zeugnis spricht für die ausbreitung der Alanen über den Don. die Europaei Alani Ammians stam- men aus dem Ptolemaeus selbst, die Alania des Orosius 1, 2, 16 vom 8. Januar 1866. 4) ist nur eine willkürliche abkürzung von Roxolania oder Roxa- lania, s. über die weltkarte des Augustus s. 14. der poet Dio- nysius v. 305 zählt nur darum Alanen mit unter den völkern über den Pontus auf weil er noch im osten der Maeotis und des Tanais nach ganz veralteter ansicht Sauromaten wohnen lälfst. noch weniger kommen andre stellen in betracht. und wenn in unsern tagen ungefähr in der entfernung vom asowschen meere, wo die ptolemaeische karte das ’AA«Uvov 0206 hat, ein kleines gebirge entdeckt ist, so ist auch daraus nichts zu entnehmen, weil die gebirge im europaeischen Sarmatien von den geographen nur ganz schematisch, genau auf zwei parallellinien, im norden das wendische, bodinische, alaunische, im süden das peukinische und und amadokische angesetzt sind. auch. die zahlreichen slawischen und finnischen völkerschaften bieten für die im gefolge und umkreis der ’Adauvo: IzVSar auftretenden namen keine irgend- wie sichere anknüpfung, wenigstens entbehren Schafariks ver- suche in dieser richtung (slaw. altertumsk. 1, 208 f.) jeder methode und wahrscheinlichkeit. klar ist dafs die berührung jener namen mit den aistischen an der Ostsee nur erreicht ist durch die übermälsige ausdehnung der Maeotis, deren nord- spitze bis in die gegend von Tula und Kaluga auf die breite ungefähr von Königsberg und Simbirsk vorgeschoben ist. man müste die völker jedesfalls in viel südlicheren strichen suchen, als die karte ihnen anweist, wenn sie überhaupt auf die west- seite des Tanais und der Maeotis gehören. _ dals aber dies nicht der fall ist, dafs vielmehr das ganze innre Sarmatien für den Marinus ein leerer raum war, den er auf eine in der alten geo- sraphie sonst wohl beispiellosen weise mit namen ausgefüllt hat, wird hoffentlich die folgende erörterung ergeben. Die einfache verständige methode, von der Eratosthenes das erste glänzende und für alle zeiten giltige beispiel gegeben hat, die auch noch Strabos gröstes verdienst ausmacht, zuerst die verhältnismäfsig bestunterrichteten, neusten zeugen nach sorgsamer prüfung auszuwählen und auf sie seine darstellung zu gründen, alles fremdartige aber und mit ihnen unvereinbare fern zu halten, existierte für Marinus nicht. altes und neues galt ihm ungefähr gleich. unbedenklich verband er beides, um nur keine lücken zu lassen und den schein der vollständigkeit 6 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse und der vollkommenheit der kunde überall zu wahren. schlim- mer als poeten und prunkredner stellte er als kartenzeichner die dinge auch da noch als genau ermittelte, nach maafs und zahl bestimmte tatsachen hin, wo jede kunde aufhörte und er nicht die geringste gewisheit haben konnte. den mathematiker Ptolemaeus, der sein werk in die uns vorliegende gestalt brachte, trifft dann wenigstens der vorwurf gedankenloser, handwerks- mäfsiger arbeit, die sich jeder nachprüfung des einzelnen ent- schlug. diese systematiker sind erst die wahren sudelköche der alten geographie, und alles was der admiral Plinius etwa ähn- liches geleistet hat, ist gegen sie nur ein kinderspiel. Seit Herodot hatte Marinus zuerst wieder nachrichten über den südlichen Ural, die ihn bestimmten die seit Patrokles, dem admiral des SeleucusNicator und seines sohnes, und seit Eratosthe- nes feststehende annahme eines zusammenhangs des kaspischen meeres mit dem nördlichen ocean aufzugeben. dafs er durch die distancen und stationen des von ihm benutzten reiseberichts verführt das gebirge in mehrere abgesonderte ketten zerlegte, ist verzeihlich. er kannte den Jaik (Aw£) und die Wolga (‘P&) und wuste dafs jener mit mehreren nebenflüssen im gebirge ent- springe. höher im nordwesten sollte diese aus einer vereinigung zweier unbenannter, von westen und osten kommender flüsse entstehen, worin wohl eine kunde von der vereinigung der Kama mit der Wolga steckt, die quellen des Tanais aber tiefer im nordwesten im innern Sarmatien liegen und beide grofsen ströme endlich von verschiedenen seiten her an einem punkt über dem isthmus zwischen der Maeotis und dem kaspischen meere ein- ander nahe kommen. wie richtig im allgemeinen diese vorstel- lung ist, leuchtet ein. es muls die neue kunde auf demselben wege, auf dem schon seit einiger zeit das rheum oder rha pon- ticum bekannt geworden war, gewonnen sein, ohne zweifel durch den bosporanisch-tanaitischen handel '), da Olbia sowohl als Dioskurias in der Römerzeit ihre alte bedeutung verloren hat- ten, Tanais aber die kolonie von Panticapaeum an der mündung des flusses nach den neuerdings dort gefundenen, merkwürdigen . . SG ’ ').Dioscorides 3, 2 ‘P&, oi 3: £1ov xadodsı— yevväraı Ev vols umep Boomopov U 2 .. . f ronoıg, oDev noutßerar. vgl. Plinius 27 c.105. Ammian 22, 8, 28. vom 8. Januar 1866. 7 inschriften auch noch im zweiten und dritten jahrhundert seine bedeutung für die Bosporanen behauptete. Ptolemaeus nennt nicht nur den ort, sondern auch noch zwei weiter aufwärts am Aufs belegene städte Navages und 'EEcror:s und in der nähe ein sonst unbekanntes uey« &Svos Hegızg@ıdor, deren name in dem personennamen Heretgfıs (d.i. Herıglıs) auf der tanaitischen inschrift nr. LXX der Antiquites du Bosphore eimmerien sein gegenstück und damit seine beglaubigung findet. dagegen sind die Ie&auere: unter ihnen nur aus der tradition beibehalten und gegen alle alte zeugnisse statt an. die ostseite der Maeotis an die Tanaismündung gesetzt, wo man nach dem vordringen der Sarmaten über den flufs nur Aorsen kannte, Strabo p. 506. die Aorsen selbst aber sind im norden oder nordosten des kaspischen meeres hinter zwei völker eingeschoben, die schon dem Demodamas, dem feldherrn des Seleucus und Antiochus, im dritten jahrhundert v. Ch. vom laxartes aus bekannt gewor- den waren (Plin. 6 $ 50), die aber schwerlich dahin gehören wo zwischen Wolga und Jaik weder ein fluls “Punuos noch rhymmische berge platz finden. auch die Siraken, bei Ptole- mäus Iıoazyvoi, stehen unterhalb der Iaxamaten viel zu weit nördlich und die Yyscıor unter ihnen gehörten nach andern nachrichten (Ukert s. 555) zu den kleinen, den bosporanischen königen unterworfenen völkern auf der Sindike und dem west- lichen Kaukasus. die weitere prüfung ergibt dafs durch vor- schiebung; eines teils des gebirges, der sogenannten hippischen berge, gegen die Wolga nicht nur das untere, sondern auch das obere gebiet des flusses beinahe ganz von dem völkerreichen Kaukasus aus bevölkert worden ist. Die MıSgrdarov Xwo« zwischen dem Rha und den hippi- schen bergen unter den Sirakenen ist gewis das von Mithridates Eupator besessene oder durchwanderte gebiet am mittlern und westlichen Kaukasus, Strabo p. 496. 498 f. 555. die Melan- chlaenen sind die Manrali, die Mingrelier, wie bei Scylax und andern, die SaroIgyvaı sonst nicht bekannt, aber die Sxunvirer kennt der kosmograph von Ravenna 4, 2 und, was die heraus- geber desselben übersahen, Procop (de bell. goth. 4, 2 p. 467 Bonn.) als nachbarn der Lazen und Suanen. die Amazonen suchte und fand man seit den zeiten Mithridats im östlichen 8 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Kaukasus. aus dem westlichen sind dann noch die Oder. und 3:00: an den Rha versetzt (vgl. Plin. 6 $ 19) und hier wohl nur die Oödczı an der mündung die alten, schon dem Patrokles und Eratosthenes bekannten Utier oder Uitier (Udini bei Pli- nius 6 $ 38.) an der mündung des vermeintlichen kaspischen nordcanals. im osten des flusses unter seiner östlichen quelle folgen dann aufeinander die Havieodoı, die Kavodnl as Anoc und die Koge£o:; an der Maeotis aber nennt Ptolemaeus eine stadt Ievıcodıs und südlicher am Kaukasus Kovaıyvor über dem Kege£- gebirge, wo andre auch Kog«&o: als nachbarn der Kerketen be- zeugen, Ukert s. 502; der andre name scheint in dem Colopheni der tab. Peuting. IX enthalten. was endlich die übrigen namen in der umgebung der Wolga betrifft, so kommen die fabulosen VWrepßgsicı Seguerer, auch die Basırızoı Zagueren (d. s. eher Herodots abgefallene königliche Scythen am südlichen Ural, als Strabos Zopnaraı oi Basirsıo, Asyonevo:) und die Irzopeyo: Ias- Maraı, die als Irmobayoı DzySaı nebst Abiern Anthropophagen und Galactophagen noch im nordöstlichen Asien wiederkehren, nicht in betracht. die Zezere: und ’Asato: aber gemahnen an die Mescaio: und Zagerren weiter im osten, auf die die Saroves folgen, die die peutingersche karte (X B) im westen oder nord- westen, nicht wie Ptolemaeus im nordosten des kaspischen meeres aufführt. die Modoza: erweist die lesart Modacae des vet. Dalee. bei Plinius 6 $ 21 statt der vulg. Imadochi wieder als kauka- sisch, Phthirophagen nennen mehrere alten neben den Schwarz- mänteln in Mingrelien, und da Ovid trist. 2, 191 Colchi Mete- reaque turba verbindet, so werden auch die Marygo:, trotz der abweichung in den vocalen, und nach den bisherigen ergebnissen auch wohl noch die sonst freilich ganz unbekannten Zovaadyvor und Xa:v:des zu den kaukasischen völkern gezählt werden dürfen. wenn man nun auch die Siraken, Aorsen und vielleicht die Sasones mit ihren genossen wieder an die stelle bringt, die ihnen nach andern zeugnissen zukommt, auf den isthmus zwi- schen der Maeotis und dem kaspischen meere, so zeigt sich jetzt doch der raum an der mittlern Wolga und am Ural, über den dem Marinus gerade neue nachrichten vorlagen, leer und namenlos, und man müste schon annehmen dafs die explora- tionen hier nicht nur zu keinem neuen, sondern überhaupt vom 8. Januar 1866. 9 zu keinem resultat für die völkerwelt geführt hatten, wenn nicht die vermutung übrig bliebe, dafs Marinus vielmehr ihre ergeb- nisse diesseit im westen des Tanais in sicherheit gebracht hat, eine vermutung, die sich wie es scheint hinreichend bestätigt. Es ist schon von Zeufs 280 f. vermutet, dafs die Bogoöszor an den Rhipaeen über der Tanaisquelle und die auf der karte bei Ukert fehlenden ‘Po@«rzo: am hyperboreischen gebirge unter der östlichen Rhaquelle ein und dasselbe volk sind. die ent- scheidende stelle entgieng ihm. Orosius 1, 2, 3 fand auf seiner römischen weltkarte, die mit ihrer darstellung des nordens viel- leicht bis in den anfang des zweiten Jahrhunderts zurückreichte '), dafs der Tanais an den Rhipaeen entspringend altären und grenzzeichen Alexanders des grolsen im gebiet der Rhobasken vorbei flielse. die peutingersche tafel setzt die ara Alexandri noch richtig jenseit des Iaxartes-Tanais in Asien an. Marinus aber muls eine ähnliche quelle wie Orosius benutzt haben, da er altäre Alexanders und aufserdem noch altäre des Caesar d. i. ‚des Caesar Augustus in gemessener entfernung vom Don auf- führt. da von ihm nun ohne zweifel die zerteilung der Rhipaeen und hyperboreischen berge in zwei verschiedene gebirge her- rührt, weil er zuerst die Wolga in die alte geographie einführte und von dem nordwestlichen ursprung des Tanais gehört hatte, so haben die Rhobasken bei ihm aller wahrscheinlichkeit nach ungefähr ihre alte stelle behauptet, die mit ihnen identischen aber einer andern quelle entnommenen Borusken jedoch wurden mit dem Tanais in den nordwesten gerückt. und damit nicht genug. Plinius 6 $ 16. 17 erzählt dafs der Iberer Mithridates zur zeit des kaiser Claudius zu den Epageriten, einem sarma- tischen volk im Kaukasus, und noch zu andern Sauromaten ge- kommen sei, denen die Thaller oder Thaler benachbart seien, die östlich an den nordeanal des kaspischen meeres stielsen. Ptolemaeus hat nun im Kaukasus ’Ayogiraı, aber auch nördlich über den Borusken an der Ostsee Heyvgire: und "Aogso:, dann noch "Ayd>usscı und Faro. man könnte diese für die sonst ') vgl. Oros.1, 2, 22. über die weltkarte des Augustus s. 14. 25. die lesart der hss. an der oben angeführten stelle ist ausschlielslich und allein Rhobascorum und das Roxolanorum der ausgaben entbehrt jeder auctorität. 10 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse unbekannten Thaler halten, aber Plinius 6 $ 14 hat im Kauka- sus auch eine gens Salae, antiquwis Phthirophagi dicti et alias Suani, und noch eine andre, vielleicht wahrscheinlichere und richtigere anknüpfung wird sich finden. auf alle fälle lassen die Aorsen hier die ungeheuerliche versetzung von völkern aus dem Kaukasus und dessen nähe in den norden der Rhipaeen an die Ostsee nicht zweifelhaft, und dafs für die südlicher stehenden namen eine eben solche versetzung vom Ural auf diese seite des Tanais anzunehmen ist, lehrt der hauptname ’AAaövc: 3zVSeı, der auch bei Ptolemaeus im norden oder nordosten am Ural, da wo seine specialnamen aufhören, als ein collectivum von unbestimmter ausdehnung auftritt '), wie ähnlich auf der Peutingeriana (IX A). die verschiedenheit der namenform ’AXaüvo: und ’AAavor verrät wieder nur, wie Bogoöszor neben ‘Poßaszoı, Hayygiraı neben "Ayogireı, die benutzung verschie- dener quellen und nachrichten. nach dem übereinstimmenden, allgemeinen sprachgebrauch umfalste der name ’AAavo/, etwa seit der mitte des ersten jahrhunderts unsrer zeitrechnung, sämt- liche reiter- und nomadenvölker im norden des Kaukasus und im osten der Maeotis und des Tanais, reichte aber nicht, wie erwähnt, über den fluls nach Europa hinein. Versetzt man also die ’AAaüvo: ZzuSe: wieder zurück nach Asien, so würde damit das ’AA«Uvov egos zu einem teil des Ural und mit den einer andern quelle entnommenen ’Ar«v& 0:7 des Ptolemaeus im asiatischen Scythien im wesentlichen zusammen- fallen. die alte ordnung aber in der die alaunischen oder ala- nischen völker an der Wolga und am gebirge salsen läfst sich natürlich nicht mehr aus ihrer aufstellung im westen des Tanais bei Ptolemäus herstellen. aber es ist doch hervor zu heben, dafs mit der rückkehr der masse in den osten die am weitesten gegen westen vorgeschobenen Bodinen wieder in die alte stelle der herodotischen Budinen über der beugung des Don zurück- treten würden; und nimmt man dazu, dafs die abweichende form des namen von neuer selbständiger kunde zeugt, so ergibt sich eine schöne bestätigung des alten ansatzes. umgekehrt würden ‘) Ptol. 6, 14, 9. xarav&uovraı de Tauıng ıng ZxvStog zyv uEv mpeg äpxtous 67 3 x m E) [ e m ’ £) ’ macav Eyyug ng Kyvworov ol xoLvag narovuevoı AAavol Zxunat, vom 8. Januar 1866. 11 die am weitesten südwärts zwischen Bastarnen und Rhoxolanen so räthselhaft dastehenden Xovvo: jenseit des Rha die später hereinbrechenden Hunen ankündigen. auch die Yagyarıcı unter den Alaunen könnten, wie schon Zeufs 703 f. 709 vermutete, die späteren Satagarii, die Xavegcı an den Rhipaeen neben den Borusken die hunisch-bulgarischen Zxßeıgor oder Zaßızor sein, die nach dem vordringen der ersten abteilung des stammes, der eigentlichen Hunen, gegen westen im fünften und sechsten jahr- hundert im norden des Kaukasus erscheinen '). selbst die Aga- thyrsen — einem ansatz, wie der des Dionysius (oben s. 4), mochte Marinus die berechtigung für seine versetzung ihrer ge- sellschaft an die Ostsee entnehmen — brauchten nicht mehr ganz der fabel anzugehören und die 3«rc: nicht im Kaukasus gesucht zu werden. auch darauf hat Zeufs 714 schon hingewiesen, dafs Acatziren im fünften jahrhundert als ein mittelglied zwischen den Hunen an der Theis und den Bulgaren im osten die pon- tische steppe beherschen und dafs neben den Saviren Zero: auf- treten. täuschen diese spuren nicht, so lassen sie zuerst ein anwachsen derjenigen türkisch -tatarischen stämme jenseit der Wolga erkennen, die mit dem vierten jahrhundert über den Ta- nais vorbrechen und die grofse epoche der völkerwanderung herbeiführen. Herodot kannte im südlichen Ural nur das eine, nach seiner beschreibung zu ihnen zu zählende volk der Argim- paeer. die volle klarheit und sicherheit entgeht uns durch die gewissenlose willkür, mit der der geograph das ihm vorliegende, wertvolle material behandelt hat. wie weit seine nachrichten reichten und was sie enthielten, lassen uns noch ein oder zwei namen ahnen. hinter den Alanen, also allem anscheine nach auf der ostseite des Ural, stehen bei Ptolemaeus Yovo@yvo: und darunter im tieflande (Ev BaSzı 775 morames 6, 14, 8) an einem gebirge Euro. seit dem ausgange des mittelalters hat die fa- belnde gelehrsamkeit diese und andre namen, wie Nasovss USW., an deutsche völker anknüpfen wollen. mit besserem rechte dürfen wir daran erinnern, dafs den westlichsten zweigen des finnischen stammes, den Esten Finnländern und Lappen, der name Some Suomi Sabme noch bis heute gemeinsam ist. er mag !) Zeuls 711—715. 12 Gesammtsitzung ehedem viel weiter verbreitet und dem ganzen stamme geläufig gewesen sein, und man darf wohl vermuten, dafs der griechi- sche kaufmann, dessen reiseberichte Marinus seine neuen nach- richten verdankte, ihn jenseit des Ural vernahm, wo noch jetzt finnische Wogulen und ÖOstjaken im gebirge und in den nie- derungen des Irtisch und Ob hausen, von Tataren am obern Irtisch und Tobol, wie es scheint, auf ein kleineres gebiet be- schränkt als ihnen und ihren stammgenossen früher zustand. 11. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. W. Peters las über die systematische Stellung der Lepidosirenes. Nachdem noch einmal die äufseren und inneren Merkmale wiederholt waren, welche die Fischnatur der hieher gehörigen Gattungen (Lepidosiren und Protopterus) und ihre Trennung von den Amphibien beweisen, wurden besonders die Gründe hervor- gehoben, welche gegen eine Vereinigung dieser Thiere mit den Ganoiden zu sprechen scheinen, wie dieselbe bereits vor einigen Jahren von Gill (Proceed. Acad. nat. sc. Philadelphia. 1861. p- 13 fgg.) und neuerdings von Brandt (Bulletin Acad. se. St. Petersbourg. V. 30. Mai 1565. p. 139) vorgeschlagen worden ist. Es wurde bemerkt, dafs die Unterschiede der von J. Müller aufgestellten sechs Unterklassen der Fische vorzüglich in den Centralorganen der Circulation und Respiration zu suchen seien und dafs hiernach die Lepidosirenes, ganz abgesehen von der Bildung des Vorhofs und der Aortenklappen, durch den Mangel eines muskulösen Belages der Aortenwurzel (wenigstens fanden sich bei mikroskopischer Untersuchung dieses Theils von in Weingeist erhaltenen Exemplaren keine quergestreiften Primitiv- muskelbündel vor, während sie sehr deutlich aus dem Herzen selbst zu erkennen waren) und durch den Bau der blattförmigen, bis zur Mitte mit einander verwachsenen, der Knorpelstützen entbehrenden Kiemen wesentlich von den Ganoidei verschieden seien. Gegen die von Hrn. Steindachner aufgestellte Ansicht, dals die äufsern Kiemen des Protopterus nur für das embryo- nale und das erste Jugendleben von Bedeutung seien, wurde hervorgehoben, dafs diese Organe an Grölse zunehmen, selbst vom 11. Januar 1866. 13 nachdem die Thiere schon das fortpflanzungsfähige Alter (bei weniger als % Meter Länge) erreicht haben und dafs, wenn die- selben bei ganz alten Individuen verkümmert gefunden seien, dieses nicht als ein normaler, sondern nur als ein individuell vorkommender, vielleicht ebenso wie bei den Flossen aus Ver- stümmelung hervorgegangener Zustand zu betrachten sein dürfte. Dieses ist um so wahrscheinlicher, als auch an einem % Meter langen Exemplar der hiesigen Sammlung die Kiemen an der linken Seite fehlen. Es wurde dann bemerkt, dafs selbst, wenn bei der americanischen Gattung Lepidosiren den ganz eigen- thümlich gebildeten äufsern Kiemen des Protopterus ähnliche Organe gefunden würden, der bereits vor 22 Jahren (Monatsberichte 1844 p- 12) nachgewiesene zusammengesetzte Bau der paarigen Flossen von Rhinoeryptis (Protopterus) ein wesentlicher Unterschied dieser Gattung bleiben würde. Derselbe leste eine bereits vor längerer Zeit von ihm verfalste, aber nicht veröffentlichte Zusammenstel- lung der zu den Murini gehörigen Nagergattungen vor und hob besonders die von der Brandt’schen Eintheilung abweichenden Punkte hervor. MURINI. 1. Monzs. a. Mures orbis antiqui. 1. Mus Lin. (Subgen. Golunda Gray, Isomys Sunde- wall, Pseudomys Gray), 2. Pelomys Ptrs., 3. Hapalotis Lichtst. (Conilurus Ogilby), 4. Acomys Geoffr. (Acan- thomys Less. e.p., Gray, Brdt.). | b. Sigmodontes. Enthält aufser americanischen eine südafricanische Gattung 1. Drymomys Tschudi, 2. Holochilomys Brdt. (Ho- lochilus Wagner, non Brdt.), 3. Hesperomys Waterh. (Subgen. 1. Scapteromys Waterh., 2. Oxymycterus Waterh., 3. Nectomys Ptrs., 4. Calomys Waterh. [Eligmodontia Fr. Cuv.; Rhipidomys Wagn., Tschudi], 5. Phyllotis Waterh., 6. Acodon Meyen [Adrothriv Waterh.], 7. Onychomys Baird, 8. Oryzomys Bd., 9. Myoxomys Tomes), 4. Ri- 14 Gesammtsitzung throdon Waterh., 5. Sigmodon Say et Ord, 6. Neotoma Say et Ord, 7. Mystromys Wagn. c. Oriceti. 1. Oricetomys Waterh., 2. Saccostomus Ptrs., 3. Ori- cetus Pall. 2. GERBILL. 1. Gerbillus Desm. ex p. (Gerbillus Fr. Cuv., Brdt.; Meriones Wagn.), 2. Meriones lllig., Brdt. (Rhombomys Wagn. ex p.), 3. Rhombomys Wagn. ex p. (Otomys Smith, Malacothrix Wagn.), 4. Psammomys Rüpp., 5. Otomys Fr. Cuv. (Euryotis Brts.). 3. PLATACANTHOMYES. 1. Platacanthomys Blyth. 4. Purwomres. 1. Spalacomys Ptrs. (? Nesokia Gray), 2. Phloeomys Waterh. 5. DENDRoMmYES. 1. Dendromys Smith. Hat auch 5 Finger und nicht blofs 3 an der vordern Extremität, nur sind die seiten- ständigen sehr verkürzt. 2. Steatomys Ptrs. 6. Hrorouress. 1. Hydromys Geoffroy. 7. SMINTHI. 1. Sminthus Keyserl. et Blas. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Perrot et Guillaume, Zxrploration archeologique de la Galatie et de la Bithynie. Livr. 13—16. Paris 1865. folio. Le livre de lagriculture d’Ibn-al-Awan, Zraduit de l’arabe par J. J. Cle- ment-Mullet. Tome 1. Paris 1865. 8. Eudemi Rhodii Peripatetici Fragmenta collegit L. Spengel. Berol. 1866. 8. S. Methodii Opera et S. Methodius platonizans. Edidit Albertus Jahnius. Pars 1. Halis 1865. 8. A. Jahn, Symbolae in emendanda et illustranda S. Epiphaniae Panaria. s.l.cta. 3. A. Mühry, das Klima der Alpen unterhalb der Schneelinie. Göttingen vom 18. Januar 1866. 15 1865. 8. Mit Begleitschreiben des Herrn Verfassers d. d. Göttingen 26. December 1865. v. Malortie, Beiträge zur Geschichte des Braunschweig - Lüneburgischen Hauses. Heft 5. Hannover 1866. 8. Mit Begleitschreiben d.d. Han- nover 29. December 1865. Observations made at the Radecliffe Observatory, Oxford. Vol. 22. Oxford 1865. 8. Silliman’s Journal of science and arts. no. 120. New Haven 1865. 8. Bulletin de la societe vaudoise des sciences naturelles. no. 53. Lausanne 1865. 8. Würzburger Medizinische Zeitschrift. Band 6. Heft 6. Würzburg 1865. 8. Würzburger Naturwissenschaftliche Zeitschrift. 6. Band. Heft 1. Würzburg 1865. 8. Abhandlungen zur Kunde des Morgenlandes. IV, 1. Leipzig 1865. 8. 18. Januar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Dove las über die Witterungserscheinungen des Jahres 1865 im mittleren und westlichen Europa. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Acta Universitatis Lundensis. Lund 1864—1865. 4. (2 voll.). Mit An- schreiben des Universitäts- Bibliothekars Hrn. E. W. Berling, vom November 1865. Archiv für mikroskopische Anatomie herausgegeben von Max Schultze. Band 1. Bonn 1865. 8. Mit Schreiben des Hrn. Herausgebers d. d. Bonn 13, Januar 1866. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Nürnberg 1865. 4. Numismatie Chronicle. New Series. no. 19. London 1865. 8. Transactions and Proceedings of the Poyal Society of Victoria. Vol. VI. Melbourne 1865. 8. Bodemann, Aylographische und typographische Incunabeln der Königl. Bibliothek in Hannover. Hannover 1866. 4. Pimentel, Quadro descriptivo y comparativo de las lenguas indigenas de Mexico. Vol. 1.2. Mexico 1862—1865. 8. — — Memoria sobre la situacion actual de la raza indigena de Mexico. Mexico 1864. 8. E. Pechmann, Die Abweichung der Lothlinie bei astronomischen Beobach- tungsstationen. Wien 1865. 4. 16 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse N. von Kokscharow, Vorlesungen über Mineralogie. Band 1. Peters- burg 1865. 4. — — Monographie des russischen Pyroxens. Petersburg 1865. 4. — — Verzeichnifs der russischen Topase. Petersburg 1866. 4. Grotefend, Zpigraphisches. 5. Heft. Hannover 1866. 8. 22. Januar. ‚Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Beyrich las über ein neues Skelet des Ptero- dactylus longirostris. Hr. W. Peters las über einige neue oder weniger bekannte Flederthiere. 1. Rhinolophus clivosus Rüppell. Ein ausgestopftes Originalexemplar aus Mohila in Arabien ist, nach der vollständigen Entwicklung der Fingerglieder zu urtheilen, ausgewachsen. und, wie mir nach der Entwicklung der Saugwarzen scheint, ein Weibchen. Ohren, Form des Sat- tels, des Nasenbesatzes und des Gebisses ganz ähnlich wie bei Rh. ferrum equinum. Flughäute endigen an der Fufswurzel, wie dieses auch die Abbildung (Rüppell, Atlas. Säugethiere Taf. 18) zeigt, und setzen sich längs der Fulswurzel durch einen schmalen Hautsaum fort. Der zweite obere Lückenzahn liegt dicht an dem Eckzahn an, so dafs der äulserst kleine rundliche erste Lückenzahn nach aufsen in dem von den beiden gebildeten Winkel liegt. Der erste und dritte untere Backzahn stehen dicht aneinander gedrängt und der zweite kleine Lückenzahn, welcher noch kleiner als der obere erste ist, liegt wie ein Körn- chen ganz an der Aulsenseite in dem von jenen beiden Zähnen gebildeten Winkel. Der erste untere Backzahn ist doppelt so breit wie lang, viel niedriger als der dritte und nicht halb so hoch wie der Eckzahn. Die vordere Fläche des Sattels des Nasenbesatzes ist biscuitförmig in der Mitte verschmälert und oben breit abgerundet, wie dies auch die Abbildung zeigt; die hintere Spitze der oberen Fläche des Sattels ragt nur wenig vom 22. Januar 1866. 17 hervor und. bildet von der Seite betrachtet ein kurzes recht- winkliges Dreieck mit abgerundetem Winkel, welches lange nicht so hoch ist wie die Vorderfläche. Das Hufeisen ist ganzrandig, am vordern Einschnitt ohne zahnartige Vorsprünge. Die Länge der Ohren ist gleich ihrer Entfernung vom Schnauzenende und der den Ohrlappen vom äufsern Rande trennende Ausschnitt ist spitzwinkelig. Auch die Farbe der Haare ist wie bei abge- blafsten Exemplaren von Rh. ferrum equinum; die der oberen Seite sind weils mit braunen Spitzen, die der‘ Unterseite weils. Meter Totall. v. d. Gegend zw. d. Ohren bis zur Schwanzspitze 0,070 Länge des Kopfes . . . Ne ee re MO LE Länge des Vorderrandes a A N U ROSOLE Länge des Hinterrandes desselben bis zum Ko . 0,013 beine dag Sehyamzarı HR Ur Unterarm: '. . A NY 1. Finger Mh. 0,0037 Pr 1. 0,002 n a. 00157... nn, Bd 2. Finger - 0,030 - 0,0002 — 2. 1826105038 3. Finger - 0,033 - 0014 2. Gl. 0,025 Kpl. 0,0026 . ... „0,072 4. Finger - 0,033 - 0,02 -. 001455 - gabelförm. 0,056 5. Finger - 0,033 - 0,010 - 0,0125 - gabelförm. 0,055 rterschenlke ) Nr a a in en ar 0500 Eneoetihr: 7. een 7 «0,00 Aus diesen Mafsen geht hervor, dafs diese Art bedeutend kleiner ist als Rh. ferrum egqwinum, mit dem sie sonst im Bau die gröfste Ähnlichkeit hat. Dafs sie aber auch eben so wenig mit Rh. clivosus oder Rh. euryale Blasius zusammengestellt werden kann, leuchtet ein. Die von Blasius unter dem Namen Rh. clivosus beschriebene, aber ganz verschiedene Art muls da- her anders benannt werden, und schlage ich vor, sie nach dem trefflichen Forscher, der uns diese Art zuerst so genau kennen gelehrt hat, Rhinolophus Blasii zu benennen. 2. Rhinolophus fumigatus Rüppell. Auch diese Art, von welcher mir durch Hrn. Dr. Rüp- pell’s Güte das Originalexemplar aus Schoa vorliegt, ist wegen der Verwechslung von Rh. clivosus mit Rh. Blasii in späteren [1866.] 2 18 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse systematischen Werken unkenntlich geworden. Der Nasenbesatz stimmt, wie der Verfasser bemerkt, ganz mit Rh. clivosus und daher mit Rh. ferrum equinum überein. Ja es stimmt das Thier in allen Körperproportionen und in den Malsen der einzelnen Glieder so vollkommen mit diesem letzteren überein, dafs ich an dem einzigen getrockneten Balge nur den Unterschied finden kann, dafs 1. die obere Spitze des Sattelkammes noch kürzer er. scheint und 2. die Haare der Bauchseite an der Basis dunkel- braun gefärbt sind. Die Flughäute gehen bis an die Fersen- wurzel. 3. Synotus leucomelas Rüppell. Stimmt äufserlich ganz mit Synotus barbastellus überein, nur erscheint der Ausschnitt am äufsern Ohrrande schwächer; die Ohrklappe hat ganz dieselbe Gestalt; Proportionen dieselben wie bei $. barbastellus. Es ist offenbar ein noch nicht voll- kommen ausgewachsenes Thier. Auch der erste aber sehr kleine Lückenzahn ist vorhanden so dafs das Gebils >? + 22 + 2 ist, und das ganze Gebils stimmt Zahn für Zahn mit S. barbastellus überein. Ist die geringe Verschiedenheit des Ohrs nicht blofs Folge der Jugend und des Eintrockens? 4. Plecotus auritus L. Ein Exemplar des Frankfurter Museums aus Schoa, so wie das im British Museum als „Pl. Christü‘“ aufgestellte Exemplar aus Ägypten zeigen keine Merkmale, welche zu einer Unter- scheidung derselben von den europäischen Veranlassung geben könnten. Unsere Sammlung besitzt von derselben Art zwei Exemplare, welche der verstorbene Preufsische Gesandte Hr. von Minutoli in Persien gesammelt hatte. 9. Vespertilio ater (Bernstein). Unter dem obigen Namen habe ich von Hrn. Schlegel einen Vespertilio aus Ternate erhalten, welcher aufserordentlich nahe verwandt, wenn nicht identisch mit Vesp. tralatitoides Gray (V. tralatitius Temm., non Horsfield) ist, und sich nur von letzterem durch die beträchtliche Gröfse des ersten vom 22. Januar 1866. 19 unteren falschen Backzahns auszeichnet. Die dunkle schwarze Färbung kann nicht als Unterschied dienen, da man auch oft bei andern Arten eine ganz schwarze oder braune Farbennüance beobachtet. Hr. Dr. von Martens hat ebenfalls auf Ternate zwei ganz mit dem ersten übereinstimmende Exemplare, andre welche sich noch mehr dem javanischen V. tralatitoides nähern, in Seminis auf Borneo gesammelt. 6. Vespertilio Hasseltii Temminck. Diese Art ist fälschlich zu 1 »sperugo gezogen worden, denn sie hat >2— 55 Backzähne und schliefst sich unter den euro- päischen Arten zunächst dem V. dasycneme an, gehört daher zur Untergattung Leuconoe Boie. Aufser den javanischen Ori- ginalexemplaren aus dem Leidener Museum besitzt unsere Samm- lung zwei Exemplare, welche Hr. Dr. von Martens aus Bangkok mitgebracht hat. 7. Vespertilio leucogaster Wied. Die Untersuchung des Originalexemplars, welche ich Dank der besonderen Güte Sr. Durchlaucht des Prinzen zu Wied machen konnte, zeigt, dals diese Art En — = Back- zähne hat, und dafs sie mit V. albescens (Geoffroy) Tem- minck = V. nubilus Wagner identisch ist. 8. Vespertilio oxyotus n. Sp. Die Ohren haben 4 bis 5 undeutliche Querfalten, ragen angedrückt mit ihrer Spitze über die Schnauze hinaus, sind gegen die Mitte des Aufsenrandes und an dem Enddrittel des Innenrandes eingebuchtet, erscheinen daher ziemlich spitz, ob- gleich die Endspitze abgerundet ist. Die Ohrklappe ist von halber Ohrhöhe, sehr spitz, am vordern Rande grade, am hin- tern Rande flach concav, undeutlich gezackt, über dem untern abgerundeten Vorsprunge convex und nicht verschmälert. Der Kopf ist abgeplattet, mit der Spitze vorspringend; die Nasen- löcher haben die gewöhnliche Form und liegen ungefähr um ihren doppelten Durchmesser von einander entfernt. Das ganze Gesicht ist bis auf die nackte Umgebung der Nasengegend dicht behaart. 20 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Zähne 33 7 224°, Die beiden obern Schneidezähne stehen um den Durchmesser des äulsern von dem Eckzahn ent- fernt. Der innere ist um die Hälfte stärker als der äufsere und nach hinten und aulsen mit einem kleinen Höcker versehen; die beiden ersten falschen Backzähne stehen in der Zahnreihe und sind viel kleiner als der dritte;_der erste ist um die Hälfte stärker und höher als der zweite, dem er sonst in der Gestalt ähnlich ist. Von den untern dreilappigen Schneidezähnen ist der dritte der stärkste; sie stehen etwas schief zum Kieferrande, so dafs von vorn betrachtet ein Theil der hinteren Zähne von den vorhergehenden gedeckt wird. Von den untern falschen Backzähnen ist der erste doppelt so grols wie der zweite, an Gröfse dem dritten etwas nachstehend, aber lange nicht so hoch wie dieser. Die Flughäute sind sehr breit und gehen bis an die Wurzel der ersten Phalanx der ersten Zehe; das Mittelhandglied des fünften Fingers ist wenig länger als das des vierten; auf der Oberseite ist die Lendenflughaut neben dem Körper behaart und ebenso die Schenkelflughaut auf dem ersten Viertel; auf der Bauchseite findet sich eine weiter ausgedehnte aber spar- samere Behaarung, welche durch eine vom Ellbogen bis zum zwei- ten Viertel des Unterschenkels gehende Linie begrenzt wird. Der Schwanz ist so lang wie Kopf und Körper zusammen und lälfst 11 Glieder erkennen, von denen das letzte sehr kurze über die Schenkelflughaut hervorragt. Die Fufssohlen sind breit und ohne Querwülste. Der Sporn ist knorpelig weich und nimmt etwa die Hälfte des Raumes zwischen Hacken und Schwanz- spitze ein;„hinter seiner Basalhälfte findet sich ein schmaler Hautsaum. Die Oberseite ist schwärzlich braun und mit einfarbigen Haaren bekleidet, die Bauchseite ist braungrau, indem die braun- schwarzen Haare hier mit bräunlichweifsen Spitzen versehen sind. Die Flughäute erscheinen dunkel schwarzbraun. Meter Votallänge‘ fr. VIE IEEINADF NIREESTEN. FI ee Kopf..40.. 2 PRESENT „7 SEHR IE Obrlänger 2. #71. 19% 0,017 Ikängerdes yordern Ohrrandes 2 2 rer vom 22. Januar 1866. 21 Meter Ohrbreite . . . BERUITER. NN, 0. ZRDEE SER OSDGE Länge der Ghrlladpe SE EN I a A Beinse des Schwanzes . ... . seem. ee. e.0e 10,046 Bemzerdes Oberarms 1... - ec. er an, 0.00 827 0,0245 Länge des Vorderarms . EN 120.020 L.d.1.F. Mh. 0,0025 1. Gı. 0,0035 3 q. 0,002 ER ER L.p. 2.F. - 0,033 - 0,0034 —_ 0,0357 Bad 3. E. -" 0,0364. = 0,012 2. Gl. 0,0105 Kpl. 0,0065 0,063 L.d.4.F. - 0,0336 - 0,0098 - 0,0066 - 0,0023 0,055 L.d.5.E. - 0,034 - 0,0095 - 0,0062 - 0,0022 0,052 en enenkekp ame ee N MO Bimesschenkel .: ., 2... ee. un ae ander IIRTO0LES RI ee RE ER RE NEE EN RR 2903008 er ee EHE RR Das einzige mir bekannte Exemplar, ein ausgewachsenes Weib- chen, welches mir zur Untersuchung von Hrn. von Siebold zugesandt wurde, gehört dem zoologischen Cabinet zu München. Es ist von Hrn. Dr. Moritz Wagner auf dem Chimborazo, in einer Höhe von 9 bis 10,000 Fufs, entdeckt worden. Diese mit V. subulatus, yumanensis und affinis verwandte Art wird sich nach obiger Beschreibung doch leicht von diesen unterscheiden lassen. Bei keiner dieser Arten sind die Ohren so spitz und bei keiner hat der Tragus diese Gestalt. V. af- finis, welcher durch die Farbe ihr am nächsten steht, hat einen ganz anderen Tragus. Unter den bisher beschriebenen südame- ricanischen Arten dürfte ihr V. polythriv Js. Geoffr. am näch- sten stehen, welche mir zu einer eingehenden Vergleichung nicht genug bekannt ist. 9. Nyeticejus Rüppelliin. sp. Die Ohren sind von halber Kopflänge, länger als breit, abgerundet, am äufsern Rande flach eingebuchtet; der Tragus ist verlängert dreieckig, zugespitzt und, wie es scheint, nicht gekrümmt. Gebils „4 4 7! 1 32. Der Körper ist wohlbe- haart und die Behaarung geht auf der Rückseite fast bis ans Ende des Oberschenkels, während das Ende des Oberarms nackt ist und nur an der Bauchseite sparsam behaart erscheint. 22 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Die Basis der Schenkelflughaut ist ebenfalls oben wie unten behaart und an der Bauchseite ist die Lendenflughaut unter dem Oberarm sparsam wollig behaart, während von dem Unterarm parallele Haarreihen senkrecht herabsteigen. Die Farbe ist oben dunkelrostroth, unten blasser, die der Flughäute schwarzbraun. Sämmtliche Haare sind einfarbig. Meter Kotallänsge ungefähr... -— . ‚in. „Bene a ae Kopii. ua EM ne Er 9. de re 872 Obrlängeram innernrRande un... .- . an 2 pi Ohrklappen: ar. 20 dee. ee ee Schwanz 2 nen Morderarm“.2.... 0.0 00 ee. ee. 2 A: lud. BE, Mh.:.0,004 1. G1270;065522..@1. 0,005 % 772. 2a 120.2. = 0,04957 = 7.0,004 — A; 112°7 lerda3. BR. 7-2 0,050 - 0,04 2. Gl. 0,0155 Kpl. 0,0115 0,097 I.d-A.R. - 0,009. - 0,020 - . 0,0125 - 0,0025 0,083 L.d.5.F. - 0,046 - 09013 - 0,0062 - 0,0015 0,064 Unterschenkel‘. =... 2. a cu 0.00... 00 Ce ae ul. RL N Nee 1 SPORRAR TE ee ee ee el ee ken We Diese Art erscheint am nächsten verwandt mit den ost- indischen Arten, von denen sie sich aber entweder durch ihre vollständigere Behaarung, durch ihre geringere Grölse oder durch ihre gestreckteren Fingerglieder unterscheidet. Das einzige getrocknete Exemplar befindet sich im Frank- furter Museum, woher ich es durch Hrn. Dr. Rüppell’s Güte zur Untersuchung erhalten habe. Es stammt aus Sydney in Westaustralien und ist die erste von dort bekannt gewordene Art dieser Gattung. 10. Dysopes holosericeus et albus Wagner. Eine nochmalige directe Vergleichung der Wagner’schen Originalexemplare des Wiener Cabinets, welche ich, so wie die folgenden Arten durch die Güte des Hrn. Custosadjuneten Joh. " Zelebor habe vornehmen können, bestätigt die Identität dieser Arten mit dem Molossus ursinus Spix = M. rufus Geoffroy, Gervais. D. albus ist nichts weiter als ein Albino, bei dem vom 22. Januar 1866. 93 wie bei allen von mir bis jetzt gesehenen Flederthieralbinos, nur die Behaarung des Körpers weils, der Haarbesatz der Flug- häute dagegen in gewöhnlicher Weise dunkel gefärbt ist. 1l. Dysopes glaucinus Wagner. Das Originalexemplar des Wiener Cabinets zeigt die gröfste Übereinstimmung mit Molossus (Promops) ferox Gundlach aus Cuba, so dafs ich zwischen beiden keinen Unterschied finden kann. Diese Art ist sehr nahe verwandt mit Promops abrasus und unterscheidet sich von demselben fast nur durch stärkere Behaarung der Flughäute, namentlich auf der Bauchseite unter dem Ellbogen herum, während letztere Art hier ganz nackt ist. 12. Dysopes olivaceo-fuscus Wagner. Das einzige von Wagner besonders bezeichnete Exem- plar ist ein ausgewachsenes Individuum, während die anderen, wie aus der Beschaffenheit der Fingergelenke zu ersehen ist, junge Thiere sind. Es ist mir nicht möglich, einen wesent- lichen Unterschied zwischen dieser Art und dem M. velox zu finden, während letzterer auch selbst mir nur eine Varietät von M. obscurus zu sein scheint, bei welcher die Färbung heller braun erscheint und der auch bei M. obscurus nicht ganz feh- lende Haarbesatz der Flügel etwas stärker entwickelt ist. 13. Nyetinomus planiceps n. Sp. Die vorstehende Art, welche ich der besondern Güte des Hrn. Dr. Rüppell verdanke, ist wegen ihres geographischen Vorkommens besonders bemerkenswerth, indem sie aus Austra- lien stammt, von wo nur eine einzige grolse und ausgezeichnete Art der Gattung Nyctinomus, N. australis Gray, bisher be- kannt war. Die Schnauze ist breit und flach convex, ohne Längskiel; die Nasenlöcher liegen nach vorn und unten gerichtet am ab- gestutzten Schnauzenende und sind oben von einem gekörnten Kiel umgeben, welcher sich in einem stumpfen Winkel mit dem gekörnten Längskiel zwischen den Nasenlöchern vereinigt. Zwischen der Nase und dem Lippenrand findet sich ein schmaler Streifen borstiger Härchen. Die Oberlippe ragt weit über die 24 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Unterlippe vor und ist an den Seiten tief quergerunzelt. Die Ohren sind viereckig abgerundet, am längsten am vordern Rande, welcher sich auf der Schnauze so befestigt, dafs die Ohren sich nicht mit einander vereinigen, sondern nur bis auf 2 Mm. einander nähern. Zähne 32% 1724 23; der erste obere falsche Backzahn ist kaum länger als die innere vordere Spitze des zweiten, und der erste untre falsche Backzahn ist reichlich halb so grofs wie der zweite. Die Körperbehaarung ist auf der Oberseite länger als auf der Bauchseite, dehnt sich auf die Basis der Schenkel- flughaut aus und bildet sowohl oben wie unten auf der Lenden- flughaut einen etwa 10 Mm. breiter Saum. Die Flughaut zwischen dem 2ten und 3ten Finger ist sehr schmal. Unter- schenkel und Fülse sind kurz, letztere zugleich breit und auf den Zehen mit langen feinen Borsten versehen. Die Farbe der Oberseite ist braun, die des Bauches grau- braun, die der Kehle und des Vorderhalses bräunlich weils. Die Haare des Rückens sind braun, an der Grundhälfte weils- lich und an der äufsersten Endspitze blafsbraun; die Bauchhaare sind dagegen an der Basis und am Ende bräunlich weils und in der Mitte braun. Die Flughäute sind dunkelbraun. Meter Rotallängenean.. tn.n une. a ee eg Kopllängen 8. 2.0.3.0 100 008 ee ee Se Olnlenere 0 er 5 ae a Länge des vordern Ohrrandes . . . „72. 2. ...2004 Ohrbreite ur... 0..00.00.0.20. 0000 Re N) EB Länge des Schwanzes . . ee EZ Länge des freien ee I, Wänge des: Oberarms 2 1. "wa me ne Länge des Vorderarms. . . a LIEEE L.d. 1. F. Mh. 0,0023 1. Gl. 0,003 9. q. 0:00227.. 2.2. „s0r0ns L.d.2.F. - 0,033 - 0,0014 — 0,034 Lrdeaam. 000352 07 277700,0188,2:261.,050133 Trln 0,008 0,070 !) Da der Schwanz sich mehr oder weniger aus der Schenkelflughaut hervorstrecken kann, so ist die Länge des freien Theils bei derselben Art oft sehr verschieden. vom 22. Januar 1866. 25 Meter dA... 00835 ,.-. 0,01 - 0,010 - 0,002 0,056 .d. 52ER. -; 0,054 --.. 0,0085 -:. 0,005: - 008. 0,037 emmsendest@llterschenkels . . . 2... 8 200.0 0, 07307 0,0125 Hause des Unterschenkels. . . . . 2.2. 220 000.0 0,0095 Bemmendesslulsesp u... 02 00 unless lerne 0,008 Länge des Sporns . . . . ar: 5 2005 Die beiden tagen iblieen ee plare, welche dieser Beschreibung zu Grunde liegen, befanden sich in dem Frankfurter Museum, welches sie durch Becker aus Australien (angeblich aus Sydney) erhalten hatte. Das eine der beiden Exemplare ist unserer Sammlung durch die gütige Ver- mittelung des Hrn. Dr. Rüppell im Tausch abgetreten worden. 25. Januar. Öffentliche Sitzung zur Gedächt- nilsfeier König Friederichs des Zweiten. Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Herr Trende- lenburg, eröffnete die Sitzung mit einem Vortrag über Frie- derichs des Grolsen Verdienst um das Völkerrecht im Seekrieg, welcher mit einigen Ausführungen in der Bei- lage gedruckt ist. Sodann erwähnte der Sekretar den Statuten gemäfs die Veränderungen, welche die Akademie während des letzten Jahres in ihren Mitgliedern erfahren, und verweilte dankbar bei dem Andenken an Herrn Encke, der vierzig Jahre Mitglied und fast ebenso lange Sekretar der physikalisch-mathematischen Klasse gewesen. Die Akademie verlor folgende Mitglieder durch den Tod: Herr Encke, ordentliches Mitglied der phys.-math. Klasse, starb 26. August 1869. Herr Johann Martin Lappenberg in Hamburg, auswärtiges Mitglied der phil.-hist. Klasse, starb 28. November 1865. Sir William Hooker in Kew, Ehrenmitglied der Akademie, starb 12. August 1865. Der Fürst Friedrich von Salm-Horstmar in Coesfeld, Ehrenmitglied der Akademie, starb 27. März 1865. 36 Öffentliche Sitzung Correspondirende Mitglieder der phys.-mathem. Klasse: Herr Emil Lenz in Petersburg starb 10. Febr. 1865. „ Auguste Valenciennes in Paris starb 13. April 1865. William Hamilton in Dublin starb 2. Sept. 1865. „ John Lindley in London starb 1. Nov. 1865. Correspondirende Mitglieder des philos.-histor. Klasse: Herr Heinrich Barth in Berlin starb 25. Nov. 1865. „ Celestino Cavedoni in Modena starb 26. Nov. 1865. Kal Keil In Prorta starb 19. Dee. 1669: Neu gewählt wurden: Herr’ Hofmann, als ordentl. Mitglied der phys.-math. Klasse, bestätigt durch K. Kabinetsordre vom 27. Mai 1865. Der K. General-Lieutenant Johann Jakob Baeyer, als Eh- renmitglied der Akademie, bestätigt durch K. Kabinetsordre vom 27. Mai 1869. Ferner als correspondirende Mitglieder der physikalisch -ma thematischen Klasse: Herr Leon Foucault in Paris, gewählt am 2. Febr. 1865. „ Charles Marignac in Genf, gewählt am 30. März 1865. „ Thomas Huxley in London, gewählt 3. Aug. 1865. „ Hermann Schlegel in Leyden, gewählt 23. Nov. 1865. Correspondirende Mitglieder der philosophisch-historischen Klasse: Herr Jacob Bernays in Breslau. „ Giuseppe Fiorelli in Neapel. „ Max Müller in Oxford, sämmtlich gewählt am 12. Januar 1865. Herr Trendelenburg fügte als Vorsitzender der Hum- boldtstiftung folgenden Jahresbericht an: Das Curatorium der Humboldtstiftung für Naturforschung und Reisen knüpft an den letzten Jahresbericht, den es in der vorjährigen öffentlichen Sitzung zur Feier des Jahrestages König Friederichs des Zweiten erstattete, die folgende weitere Nach- richt an. Das Stiftungskapital, das in einer Hypothek und preufsi- schen Staatspapieren belegt ist, betrug am 1. Jan. 1865 52,400 Thlr; zur Vermehrung desselben kommen durch den Bestand des vo- rigen Jahres und einen von der Königl. Regierungs-Hauptkasse vom 235. Januar 1866. 27 in Aachen eingesandten Beitrag von 5 Thlrn. hinzu 197 Thlr. 9 Sgr. 1 Pf. Die im vorigen Jahre verwendbaren 2250 Thlr. sind auf Antrag der Akademie der Wissenschaften dem von der Humboldtstiftung im Jahre 1863 nach Süd- Amerika entsandten Reisenden Dr. Reinhold Hensel überwiesen worden. Die aus 1865 stammenden Einkünfte, so weit sie die für 1866 ver- wendbare Summe bilden, betragen 2275 Thlr. 12 Sgr. 10 Pf., also rund, wie im vorigen Jahre, 2250 Thlr., welche der K. Aka- demie der Wissenschaften zu stiftungsmälsiger Verfügung zu stellen sind. Von dem Dr. Reinhold Hensel sind nur sparsame Nach- richten hieher gelangt. Der in Süd-Amerika ausgebrochene Krieg, in welchen namentlich der Staat Paraguai verwickelt war, verhinderte ihn, schon eine Gegend zu erreichen, in welcher er für seine Aufgabe, fossile Überreste aus frühern geologischen Epochen aufzusuchen, ein ergiebigeres Feld zu finden hoffte, und wohin ihn die ihm für diesen Zweck von Hrn. von Gülich, K. preufsischem Geschäftsträger in den La Plata Staaten, gütig eröffneten Verbindungen wiesen. Dagegen sind zu Anfang d. J. sieben Kisten mit Natura- lien, welche bereits unter dem 3. Juni v. J. aus Porto Alegre abgingen, unbeschädigt hier angekommen. Die 883 Nummern dieser Sendung, von welchen eine einzelne nicht selten eine grölsere Anzahl von Exemplaren umfalst, bekunden den reich- lichen Ertrag, den der Eifer des Sammlers und Forschers auf dem Gebiete Brasiliens gehabt hat. Als Fundorte sind bezeich- net der Urwald von Serra Geral mit dem Rödersberg, der Ur- wald von Pikade do Cafe, andere unbenannte Urwälder, Porto Alesre, Säo Leopoldo, Costa da Serra, der Fluls Jacuhy, Rio da Cadea. Die Sammlung umfafst Land- und Sülswasserthiere aus den betreffenden Hauptabtheilungen des Thierreichs; sie ist besonders reichhaltig an Säugethieren, auch an Inseeten. Die etwa vorhandenen neuen Arten lassen sich jetzt noch nicht fest- - stellen; es befinden sich aber unter den Naturalien sehr werth- volle Exemplare, welche jugendliche und fötale Zustände schon bekannter Thiere darstellen, auch erwachsene zwar bekannte doch seltene Thiere. Einen besondern wissenschaftlichen Werth erhält die Sammlung durch die grofse Anzahl von Exemplaren 28 Öffentliche Sitzung vom 25. Januar 1866. und wichtigen Körpertheilen einer und derselben Species von verschiedenem Alter und Geschlecht. Es offenbart sich hierin von Neuem das Bestreben des Dr. Hensel, für die möglichst genaue Bestimmung der Arten und ihrer Varietäten die Grund- lage eines angesammelten reichen Materials zu gewinnen. Hr. Mommsen schlofs die Sitzung mit einem Vortrag über die.Stadtverfassung von Cirta, dem heutigen Constantine, in Africa. bDeılame Friederichs des Grolsen Verdienst um das Völker- recht-im Seekrieg. V Vortrag desHrn. Trendelenburg am 25. Jan. 1866. Am Jahrestage Friederichs des Grofsen bedarf es keiner Einleitung, die uns festlich stimme. Sein Name stimmt jedes Gemüth, und wer unter uns noch einer Anregung bedurft hätte, der fand sie, da er in die Nähe dieses Hauses kam und Frie- derichs Standbild schaute. Wer, an dem reichen Denkmal vor- übereilend, auch nur die königliche Heldengestalt in seinen Blick gefalst oder den kühn hervorsprengenden ritterlichen Reiterfüh- rer oder das kritische Wechselgespräch zwischen Kant und Les- sing oder den Grofskanzler Carmer auf dem Sessel des Rich- ters, mit dem Griffel am Landrecht, der trägt eine Empfindung für Friederich den Grofsen und sein Zeitalter mit sich in diese Räume. Und wir haben hier nur die Aufgabe, zu Friederichs Gedächtnils einen Zug zu bringen, der sich gern mit diesem Eindruck verschmelze und dazu beitrage, immer mehr Vorstel- lungen und immer mehr Erinnerungen mit diesen in Erz ge- dachten Gestalten zu verknüpfen. ' Seit in dem Jahre nach Friederichs des Grofsen Tode die Akademie seinen Geburtstag trauernd und dankbar feierte, seit an jenem Tage der Graf Hertzberg, des Königs Vertrauter im politischen Rath wie in wissenschaftlichen Arbeiten und im Um- gange des Lebens, das letzte Jahr des Königs zeichnete, sein Leben zusammenfafste und die Vorrede seines hinterlassenen Werkes histoire de mon temps las: hat sich in der Akademie die schöne Sitte gebildet und von Jahr zu Jahr fortgepflanzt, in öffentlicher Sitzung den Geburtstag Friederichs des Grolsen zu begehen. Dieser Tag war der Akademie in den Jahren der Noth eine Erhebung der Gemüther, und in den Jahren des Gedeihens und der Entwicklung ein Tag vaterländischer Freude. Bald wurde versucht das vielseitige Wesen des Königs in Einen erhellten Brennpunkt zu sammeln, wie in solchen Sitzungen wie- 30 Beilage. derholt geschah, in welchen der Begriff des grofsen Mannes, des grolsen Königs erörtert und an Friederich erprobt wurde; bald wurde versucht, einzelne Seiten seines Wesens zu beleuchten und auch wol Fragen der Zeit in ihm wiederzuspiegeln, wie dann geschah, wenn an seine philosophischen und staatsmänni- schen Gedanken, an sein Verhältnifs zu den Wissenschaften oder zur Religion, an seine Thätigkeit als Geschichtschreiber, an das Eigenthümliche seiner Poesie erinnert, oder in ihm die könig- liche Kunst betrachtet wurde, mit welcher er für die verschie- denen Zweige der Verwaltung die rechten Männer auserlas und mit seinem Geiste anhauchte. In allen vereinzelten Richtungen erschien Friederich immer Er selbst, mit sich einig, sein eigener Rathgeber, kühn und besonnen, gerecht und fürsorgend, uner- müdet für seines Reiches Grölse kämpfend, an seines Volkes Wohlfahrt bauend, das Menschliche pflegend, in edeln Gedan- ken lebend. Es mag denn heute gestattet sein, an eine frühere Darstel- lung einer einzelnen Seite in Friederichs schaffender Thätigkeit anzuknüpfen. Seine Absicht, an Stelle des Wirrsals der Gesetze ein klares und gewisses Recht und an Stelle bestechlicher und langwieriger Justiz unparteiische und promte Rechtspflege zu setzen, war vor drei Jahren der Gegenstand einer Erörterung. Wir sahen in Samuel von Cocceji den Mittelpunkt der ersten Justizreform. Ihr Ziel war, innerhalb des Landes die Gesetze zu verbessern und es lag in der Macht des Königs, einer sol- chen Verbesserung Geltung zu verschaffen. Anders war es nach der Natur der Sache im Völkerrecht, wo es nicht vom König allein abhing, Bestimmungen zu bes- sern; denn im Völkerrecht begegnet sich die Macht der Natio- nen und kein Staat ist darin allein Gesetzgeber. Wenn hinter dem bürgerlichen Gesetz die Macht des Staates steht, der es wahrt, und der, soweit sein Gebiet reicht, seine Hand darüber hält: so steht hinter dem auf Übereinkommen gegründeten Völ- kerrecht nur der Krieg als Wächter, der Krieg mit seinen Mü- _ hen und Leiden, der Krieg mit seinen zweifelhaften Erfolgen. Wo Nationen das Völkerrecht brechen und beim Bruch beharren, giebt es keinen andern Weg der Herstellung. Es kommt also darauf an, die Grundsätze des Völkerrechts dergestalt zur Über- Beilage. 3l zeugung, der Völker zu bringen, dafs seine Bestimmungen trotz nationaler Selbstsucht im Frieden, trotz entbrannter Leidenschaft im Kriege heilig bleiben, oder, wenn sie verletzt werden, in der Gemeinschaft der Völker Sühne finden. Für die Gewähr wech- selseitiger unverbrüchlicher Befolgung wirken Tractate unter den Nationen, und ihr Hüter, die nationale Ehre, dazu das Urtheil einer unterrichteten öffentlichen Meinung; denn das Böse scheuet das Licht. Es ist das Ziel, dafs das Völkerrecht Völkersitte werde. Äufserlich beginnend muls es innerlich Wurzel fassen, indem die Völker sich in das allgemein Menschliche, dessen Be_ dingungen das Völkerrecht gegen die Selbstsucht oder die Lei- denschaft der Nationen wahren soll, als in ihr besseres Theil hineinleben und hineingewöhnen. Aber der Weg ist schwer und langsam. Immer gehört Muth und Kraft dazu, die Sache des Völkerrechts, wenn es gebrochen wird, gegen die Macht und Übermacht durchzusetzen. Friederich der Grofse hat seinen Namen in die Geschichte des Völkerrechts eingeschrieben, da er, ohne Seemacht, ohne Flotte, das Recht seines im Seekrieg neutralen Staates gegen Ausschreitungen des mächtigsten Seevolks verfocht. Es mag vergönnt sein, diesen merkwürdigen Fall des euro- päischen Völkerrechts darzustellen; denn dieser Procefs, von Friederich dem Grofsen geführt, reiht sich würdig an die erste Justizreform- im Innern des Landes; er fällt in dieselbe Zeit, und Samuel von Cocceji ist in beiden thätig. Die Schriften und Gegenschriften des preufsischen und englischen Hofes sind damals gedruckt und in die Öffentlichkeit gelangt; und was zum Kern der Sache gehört, liest darin vor'). Nur für den Hergang im Einzelnen liefs sich einiges aus den Acten ergänzen, welche wohlwollend das Königl. Geheime Staats- archiv zur Einsicht gestattete. Die Sache der österreichischen Erbfolge, in welcher Frie- derich der Zweite die beiden schlesischen Kriege führte und für sich siegreich beendigte, hatte einen altlgemeinern Krieg er- zeugt. Auf der einen Seite standen Spanien, das aus der er- öffneten Erbschaft in Italien Macht begehrte, und Frankreich, das gierig in die österreichischen Niederlande hinüberschaute, und auf der andern England, dem Frankreich den Prätendenten 32 Beilage. aus dem Hause Stewart ins Land schickte, und Oesterreich, das als angegriffener Theil sich mit England jenen Gelüsten nach Machtvergrölserung widersetzte. Dabei kam es zum See- krieg zwischen Frankreich und Spanien einen und England anderen Theils. Der Handel war, wie in jedem Seekrieg, ge- fährdet; und schon als der Krieg drohte, zögerten die preulsi- schen Kaufleute mit Aussendung von Schiffen. Sobald der Kö- nig diese Lage erfuhr, warnte er seine Unterthanen, namentlich die Stettiner Rehder, Kriegscontrebande einzuladen und Schiffe zu verleihen; aber zugleich leitete er mit Frankreich und Eng- land Verhandlungen ein, damit diese Mächte ihren Kaperschiffen aufgeben möchten, die preufsische Flagge zu respectiren. Im Mai und Juni 1744 empfing der preufsische Vertreter in London, Andrie, beruhigende Zusicherungen von dem Staatssekretair Lord Carteret, welcher zwar nur mündlich, aber bestimmt im Namen des Königs von England erklärte, dafs die preulsische Flagge auf gleicher Linie mit den Flaggen der übrigen mit England ver- bundenen Mächte, solle respectirt werden, es sei denn, dafs Schiffe den Feinden Englands Kriegsmunition brächten; ferner dafs Holz und andere Materialien, welche zum Schiffsbau dienen, Tauwerk, Segel, Hanf, Leinsamen, Theer u. s. w. nicht sollen als Contrebande angesehen werden, dagegen aber Zufuhr von Mundvorrath nach belagerten oder gesperrten Orten. Lord Car- teret bezog. sich dabei ausdrücklich auf den zwischen England und Holland geschlossenen Vertrag vom Jahre 1674 als auf die Regel, die man auch in Bezug auf die übrigen befreundeten Seemächte des Nordens zu beobachten denke. Eine schriftliche Erklärung lehnte er ab, weil sie in solchen Fällen in England nicht gebräuchlich sei. Der König Friederich der Zweite liefs sogleich die Seestädte, namentlich Stettin, von dieser Nachricht in Kenntnils setzen, klärte überhaupt die Unterthanen über das Seerecht auf und sorgte für eine bündige Form der Seepässe. Aber schon im J. 1745 belästigen englische Kaper die Seefahrt. Oft wird dasselbe preufsische oder dasselbe neutrale Schiff, das preufsische Waaren führt, auf derselben Fahrt von verschiede- nen Kapern angehalten und durchsucht, und wenn auch losge- lassen, nicht selten beraubt oder mifshandelt. Schiffe mit Holz und Korn werden von hoher See in englische Häfen geschleppt : Beilage. 39 und dort von den Admiralitätsgerichten verurtheilt; insbesondere werden die Waaren verfolst, welche die Schiffe etwa für fran- zösische oder spanische Rechnung an Bord haben; und ‚es wer- den schwierige und weitläuftige Beweise für das Gegentheil er- fordert. Andere Schiffe, ohne Grund aufgebracht, werden zwar von den Gerichten freigesprochen, aber zu aller Unbill, welche sie erlitten, zu dem Zeitverlust, den sie erfahren hatten, zum Besten der Kaper in die Kosten verurtheilt. Einzelne Schiffe wurden über Jahr und Tag aufgehalten; die Waaren verdarben; aber Entschädigung wurde verweigert. So litt der Handel empfindlich. Die preulsische Regierung liefs es an Fürsorge nicht fehlen. Sie unterrichtete die anfragenden Kaufleute von dem Stande der Sache und der König gab seinem Geschäftsträger in Lon- don, dem Lesationssekretair Michell Befehl, die kräftigsten Ge- genvorstellungen einzulegen, an das gegebene Wort und an die Freiheit des neutralen Handels zu erinnern, welche die Englän- der selbst früher gesen Spanien vertheidigt. Als nichts hilft, da der Staatssekretair Graf Chesterfield dabei bleibt, dafs die Regierung in die Gerichtshöfe nicht eingreifen könne, da keine Entschädigung zu hoffen steht, droht der König (es war noch vor dem Abschlufs des Aachener Friedens) mit einem eigen- mächtigen Gegendrucke; denn er hat ein Objekt in der Hand, an dem er seine Unterthanen schadlos halten kann. Es hatte nämlich Kaiser Karl VI. im Jahre 1734 von eng- lischen Privaten eine Anleihe aufgenommen und seine Einkünfte aus den Herzogthümern Ober- und Nieder -Schlesien zum Un- terpfand gesetzt. Bei der Abtretung Schlesiens im Breslauer Frieden hatte der König die Bezahlung dieser Summe an die englischen Kaufleute übernommen und bereits den gröfsern Theil abgetragen. Jetzt hielt er an, um aus dieser Schuld den Un- terthanen den unbillig erlittenen Schaden und Verlust zu ersetzen und leste Hand auf die schlesischen Gelder bis zum Austrag der Sache, nachdem ihm namentlich der noch jugendliche Hertz- - berg ein Gutachten erstattet hatte. Im December 1751 berief der König eine Commission un- ter Cocceji’s Vorsitz, mit dem Auftrage, die Betheiligten mit ihren Klagen und Ansprüchen zu vernehmen, die Rechtspunkte [1866.] 3 34 Beilage. zu sichern und den Belauf des Schadens unparteilich festzustellen. Aus diesen Arbeiten, deren mühselige Sorgfalt noch heute die Acten darthun, ging eine völkerrechtliche Ausführung her- vor, um das Recht in der ganzen Sache klar zu legen und den auf die schlesischen Kapitalien zur Entschädigung preufsischer Unterthanen gelegten Arrest zu begründen. Der König liefs diese Schrift der englischen Regierung übergeben, und es war ihm so wichtig nicht mifsverstanden zu werden, dafs er selbst eine kurze französische Denkschrift entwarf und mit eigener Hand niederschrieb, mit welcher der Legationssecretair Michell die Übergabe in London begleiten sollte. In einem Artikel der Berliner Zeitungen vom 4. Jan. 1753 liefs der König den Weg, den er eingeschlagen, darlegen und seinen Entschlufs verkündi- gen. Se. Königl. Majestät würden sich, so hiefs es darin wört- lich, bei demjenigen unverbrüchlich halten, was von der Com- mission einmal gesprochen worden, folglich von dem den grols- britannischen Unterthanen schuldigen Gelde, die den Ihrigen zur Indemnisation zuerkannte Summe, nämlich 194,725 Thlr. 4 Gr. 5 Pf. incl. die Interessen a 6 pro Cento bis zum 10. Julii 1752 decurtiren lassen, wohingegen Hochdieselbe zu gleicher Zeit de- clarirten, dafs sie den Commissaris des Anlehens auf Schle- sien dasjenige, was annoch zu zahlen restirte, sowol an Capital als Interessen a 7 pro Cento, so den 10. Julii 1752 zu Ende singen, einhändigen lassen würden, jedennoch nicht anders, als gegen vorgängig von erwähnten Commissariüs über das ganze schuldig gewesene und auf Schlesien gehaftete Kapital, wie auch über die davon gefallene Interessen, behörig ausgestellte best- gültige Quittungen. Sollte man übrigens in England die von Sr. Königl. Majestät hierunter genommene billigmäfsige Arran- gements zu genehmigen abgeneigt sein, so würden Sie sothanen Überrest bei Dero Kammergericht allhier zu Berlin gerichtlich so lange deponiren lassen, bis es den Interessenten gefällig sein möchte, solchen von daher gegen ihre Quittungen zu erheben, und da der Lauf der Interessen nach diesem Vorgang natürlicher Weise von selbst cessiren mülste, so protestiren Sie auch hiemit auf das Feierlichste, dafs Sie zu deren Abtragung von nun an nicht mehr gebunden sein, sondern vielmehr mittelst dieser förm- lichen Protestation die-ganze auf Schlesien hypothecirte Schuld Beilage. 35 als gänzlich getilget und dieses Herzogthum deshalb von aller Obligation völlig befreit ansehen wollten. Zugleich gab der König für etwanige Einwände englischer Kaper, welche sich verletzt halten möchten, eine Frist von drei Monaten, innerhalb welcher sie sich bei der preufsischen Commission zu melden hätten. Dieser Artikel der Berliner Zeitungen hat, wie die Vergleichung in den Acten ergiebt, des Königs erwähnte eigene Denkschrift übersetzt. Der Schritt machte in Europa grolses Aufsehn. Das Ver- fahren war neu, in Preufsen über Prisen englischer Kaper ab- urtheilen zu wollen. Die Repressalien erschienen kühn und ihr Reeht wurde bezweifelt. Unter dem 8. Febr. 1753 erfolgte eine Antwort auf die preulsische Ausführung durch eine von englischen Juristen aus- gearbeitete Erwiederung. Montesquieu schrieb 4 Wochen später an einen Freund, der sich in Wien aufhielt: „wir lesen hier die Antwort des Königs von England an den König von Preufsen und sie gilt hier zu Lande für eine Antwort ohne Entgegnung“ (ine reponse sans replique’). Dies epigrammatische Wort eines Mannes, wie Montesquieu, wurde in den Büchern zum Stichwort und hat auf die Sache ein ungünstiges Licht geworfen. Allein die Entgegnung blieb nicht aus, und sie war in einem Sinne gefalst, der an das anklingt, was Montesquieu im Geist der Gesetze über Freiheit des neutralen Handels gelehrt hat. Der König gab der Commission den Auftrag, „auf die gründ- lichste und solideste Art zu replieiren“, und in den Zeitungen las man, dafs an einer Erwiederung gearbeitet werde, welche den natürlichen Gesetzen und den vernünftigen Völkerrechten entsprechen würde. Cocceji legte selbst Hand an und mit ihm namentlich sein jüngerer Genosse an der Justizreform, Friede- rich Behmer, der uns in seinem novum tus controversum die ju- ristischen Erörterungen mit dem nöthigen actenmälsigen Mate- rial hinterlassen hat. In der Entgegnung wurde die englische Antwort juristisch beleuchtet und namentlich die falsche oder lückenhafte Auffassung der zum Grunde liegenden Thatsachen aus deu Acten dargethan. Diese Erwiederung wurde im Octo- ber 1753 versandt. Mittlerweile war von England die Sache auf diplomatischen Weg geleitet. Frankreich bot seine guten Dienste zur Vermittelung an; der König lehnte sie nicht ab, 3® 36 Beilage. aber bestand darauf, dafs seine Unterthaneu nichts verlieren sollten. Inzwischen liefs er die ganze Summe, den Belauf des Schadens und den Rest an der schlesischen Schuld, beim Kam- mergericht niederlegen, und wartete ruhig, bis er im günstigen Augenblick zum Ziel kommen konnte. In einer Erklärung zum Westminstervertrag vom 16. Ja- nuar 1756, in welchem sich die Könige von England und von Preufsen für die Zeit des drohenden europäischen Krieges ver- banden, um namentlich Deutschlands Ruhe und Neutralität zu wahren, wurde der Streit dahin verglichen, dafs Grofsbritannien, um jeden Anspruch des Königs oder seiner Unterthanen zu tilgen (en extinction de toute pretention de Sa dite Majeste ou de: ses sujets) 20,000 Pfund Sterling zu bezahlen versprach, wenn der König den auf die schlesischen Gelder gelegten Arrest aufhebe?). Cocceji hatte diesen Erfolg nicht mehr erlebt. Der König erliefs unter dem 22. Mai 1756 an seinen Nachfolger den Grofs- kanzler Jariges den Befehl, 120,000 Thlr. (jene 20,000 Pfund Sterling) an die Beschädigten nach Verhältnifs dessen, was ihnen durch die Commission zuerkannt worden, vertheilen zu lassen; und es ist für des Königs Fürsorge bezeichnend, wenn er in der Kabinetsordre hinzufüst: „Mein expresser Wille aber ist, dafs Vorstehendes Alles ohne grofse Weitläuftiskeit, die das An- sehn einer processualischen Liquidation habe, auch sonsten über- haupt dergestalt geschehen soll, damit denen Interessenten des- ‚halb keine beschwerliche neue Kosten gemacht werden.“ So verlief dieser Welthandel. Es ist der Mühe werth, in diesem Procefs die Rechtspunkte genauer ins Auge zu fassen. Der Begriff der Neutralität, um den es sich vor allen han- delt, läfst sich nach zwei Seiten wenden. Von den Kriesfüh- renden wird er so aufgefalst, wie es ihren Interessen zusagt; sie verlangen, dals von dem Neutralen, weil er neutral ist, dem Feinde keinerlei Vortheil erwachse. Von dem Neutralen wird derselbe Begriff so aufgefalst, wie es dem entspricht, den über- haupt der Krieg nichts angeht und der daher in seinen freien Bewegungen nicht will beschränkt sein. Daher entspringen aus dem Begriffe der Neutralität Ansprüche von entgegengesetzter Richtung, Ansprüche der Kriegführenden auf Beschränkungen Beilage. 37 und Ansprüche der Neutralen auf ungehinderte Bewegung des Handels. Dieser Widerstreit zweier anscheinend aus demselben Be- griff entspringenden, anscheinend gleicher Weise berechtigten Richtungen beherrscht auch den vorliegenden Rechtsfall und bil- det ein Interesse der Betrachtung, zumal dabei im Besondern wichtige Begriffe und Grundsätze auftreten. Die preufsische Ausführung stellt sich auf den Grundsatz des freien allen Völkern gemeinsamen Meeres, welcher in der Natur der Sache und darum im Naturrecht begründet, im rö- mischen Recht gelehrt und z. B. von der Königin Elisabeth an- erkannt sei (exposition des motifs $. 14), auf den von Hugo Grotius im mare liberum durchgefochtenen Grundsatz. Sie thut wohl daran. Denn wenn das Meer frei ist und nicht der Englän- der Eisenthum, so ist das Schiff auf offenem Meere das ge- schlossene Gebiet einer neutralen Macht (territorium clausum nach Behmer novum ius controversum $.3 I. p. 32); und an einem neutralen Orte sind beide feindlichen Parteien sicher, folglich kann kein Feind seinen Feind an einem neutralen Orte angreifen oder seiner Effecten sich bemächtigen (exposition $. 22). Wenn das Meer frei ist und nicht der Engländer Eigenthum, so ge- hört das Schiff als neutrales Gebiet vor die Gerichte seines Landes und nicht vor die Seegerichte Englands. Die englische Antwort schiebt den Grundsatz des freien Meeres als überflüssige Allgemeinheit bei Seite. Aufihn komme es nicht an; denn es sei altes Seerecht, ein jedes Eigenthum _ des Feindes könne auf offenem Meere zur Prise gemacht werden, und seit undenklichen Zeiten sei das Prisengericht immer in dem Lande, dem der Kaper gehört. Das sei unbestrittenes Völ- kerrecht (rapport fait & S. M. Britannique in Ch. de Martens causes celebres I. p. 653). Die preufsische Ausführung behauptet, dafs es dem natür- lichen Recht zuwider laufe, am Bord eines neutralen Schiffs feindliches Eigenthum zu nehmen, es sei eben so wenig zulässig, als es angehe, in einem neutralen Hafen Schiffe oder Güter eines Feindes zu fassen; es widerspreche den allgemeinen Interessen des Handels, der bei solchem Verfahren kaum möglich sei, und r 38 Beilage. darum sei der Grundsatz, frei Schiff, frei Gut, überdies durch Verträge zwischen einzelnen Nationen anerkannt. Die englische Antwort beruft sich auf das positive Völker- recht, insbesondere auf das Ansehn des consolato del mare, Ge- wohnheiten des Seerechts aus dem 14. Jahrhundert. Darin heifse es ausdrücklich (e. 273): „Güter des Feindes, die sich an Bord von befreundeten Schiffen befinden, sollen confiseirt werden.* Diese beständige Gewohnheit alter und neuer Zeiten sei allge- meine Regel und nur besondere Tractate begründeten eine Aus- nahme, wie der Tractat mit Holland vom Jahre 1674. Ein solcher Tractat sei zwischen England und Preufsen nicht aufge- richtet. Die preufsische Ausführung behauptet, dafs kein englischer Kaper befugt gewesen, preufsische oder andere neutrale Schiffe, welche preufsische Unterthanen ganz oder zum Theil befrachtet hätten, anzuhalten, es sei denn, um nachzufragen und die See- briefe einzusehen, ob Contrebande an Bord sei. Sie schlielst aus der gesunden Vernunft ($. 20), dafs den Kapern nur das Recht zustehe, sich die Seebriefe und die Connossemente der angehaltenen Schiffe vorzeigen zu lassen und sich daraus zu überzeugen, ob Kriegscontrebande geladen sei. Sollte den Kapern freistehen, ein neutrales Schiff mit offener Gewalt an- zugreifen, Kisten und Kasten aufzuschlagen und Alles zu durch- suchen, so gäbe es keinen freien Handel mehr. Überdies sei dieser Grundsatz in Tractaten zwischen Seemächten festgestellt, 2. B. zwischen England und Holland im J. 1667 und 1668. Die englische Antwort kümmert sich um diese Schlüsse aus der gesunden Vernunft nicht, und setzt das Recht der Durch- suchung als Seerecht oder Seegebrauch, der sich von selbst ver- stehe, stillschweigend voraus. Der Begriff der Kriegscontrebande, der auf die Frage zu- rückgeht, welche Waaren der Neutrale nicht zuführen dürfe, ohne sich der Parteinahme schuldig zu machen, läfst sich schwer umgrenzen, aber weit ausdehnen. Der Kriegführende, der die Macht in der Hand hat, in Leidenschaft befangen, auf den Scha- den des Feindes bedacht, nimmt ihn weiter; aber der freie Han- del des Neutralen verlangt die engsten Grenzen. Schon Hugo Grotius (de iure belli ac pacis IN. 1. 5.) unterscheidet zwischen Beilage. 39 den Waaren, welche, wie Waffen, nur im Krieg gebraucht wer- den, und solchen, welche, wie Dinge des Luxus, im Kriege gar nicht, und solchen, welche, wie Geld, Lebensmittel, Schiffe, Schiffs- material, sowol im Krieg als aulser dem Krieg verwendbar sind. Nur die erste Gattung erklärt er für Kriegscontrebande; wo die Noth des Krieges Waaren der letzten Gattung zu nehmen zwinge, sei Ersatz zu leisten. Der König liefs, als der Seekrieg drohte, den Stettiner Kaufleuten bekannt machen, dafs die Engländer Schiffsbaumaterialien unter Contrebande zu rechnen pflegten. Als aber Lord Carterets mündliche Erklärung das Gegentheil zusicherte und Schiffsmaterial ausschlofs, gab der König dem Kaufmannsstande davon Kenntnifs; und im Laufe der Verhand- lungen (24. Jan. 1748) schrieb der Kabinetssecretair den Minis- tern: „dafs Se. Majestät von dem Worte Uontrebande keine weitläuftigere Explication gestatten könnte, als nur dafs solche Pulver, Gewehr, Kanonen und Kugeln involvirte.“ Die preufsische Ausführung bestand also nach dem natür- lichen Recht auf den eigentlichen und engen Sinn der Kriegs- eontrebande und litt nicht, dafs Holz und Roggen eingeschlossen würden. Dabei berief sie sich auf die zwischen den Nationen geschlossenen Seetractate, namentlich auf den Handelstractat zwischen England und Holland vom J. 1674 und auf das Wort der englischen Minister, das beim Ausbruch des Seekrieges unter Bezug auf die Seetractate dem Vertreter Preufsens gegeben ward. Die englische Antwort fulst dagegen auf die Gesetze des Landes und den Lauf der Justiz, in welchen sich in England die Krone nicht mische. Wäre es die Absicht gewesen, heifst es in der Antwort, zwischen Grofsbritannien und Preufsen eine besondere Bestimmung; zu vereinbaren, welche sich in besondern Punkten von dem Völkerrecht unterschiede, und ein neues Ge- setz zu begründen, nach welchem die Admiralitätshöfe Recht sprechen mülsten: so hätte das nur durch einen geschriebenen und feierlichen mit allen Formen bekleideten Vertrag geschehen können; ohne dies hätte weder die Erinnerung sich erhalten noch hätten die Admiralitätshöfe davon Kenntnifs empfangen können. Jene mündliche Verhandlung könne nicht Tractaten gleich gel- ten; denn sie würde der Gegenseitigkeit in den Leistungen ent- behren, da der König von Preufsen niemals zugestehen würde, 40 Beilage. dals irgend eine Klausel, welche die anderen Mächte in ihren Tractaten angenommen, ihn zu irgend etwas verbinden könne (rapport fait « S. M. Britannique in causes celebres I. p.- 62 u. 63). Die preufsische Ausführung, davon ausgehend, dafs das Schiff auf offenem Meere einen Raum befährt, welcher der Krone England nicht unterworfen ist, bestreitet die Anmalsung eines englischen Urtheilsspruches über eingebrachte preufsische Schiffe; England habe keine Jurisdietion über einen neutralen Souverain und dessen Unterthanen. Die preufsische Ausführung schliefst also die Befugnifs der Admiralitätshöfe aus und lehnt demnach die Forderung ab, dafs preufsische Unterthanen weiter an die englische Appellationsinstanz hätten gehen müssen. Es wäre zwar, sagt die Ausführung ($. 48), Sr. Königl. Majestät gleich viel gewesen, ob ihre Unterthanen unmittelbar von dem engli- schen Ministerium oder den englischen Gerichtshöfen Genug- thuung erlangt hätten; aber da diese Gerichte wider alle natür- lichen Rechte und alles Völkerrecht verfahren seien, so könne S. K. Majestät von Preufsen ihrer Seits weder die englischen unzuständigen Gerichte anerkennen, noch sich ihren ungerechten Entscheidungen unterwerfen. Daher habe der König eine Com- mission zur Untersuchung ernannt und durch dieselbe sei das Liqui- dum des Anspruchs auf Schadenersatz unparteiisch festgestellt. Die englische Antwort schneidet diese Betrachtungen kurz ab. Nach dem Völkerrecht und den Tractaten, auf die sich doch sonst der König berufe, sei es nie anders gewesen. Über Prisen werde von den Gerichten des Landes erkannt, dem der Kaper gehöre, und keine Krone habe das Recht, über Prisen, welche durch Unterthanen einer andern Krone gemacht seien, zu urtheilen, noch die von dem Gerichtshof einer andern Krone darüber ergangenen Erkenntnisse umzustolsen. Das sei unbestrit- tenes Völkerrecht (rapport p. 68). Endlich handelte es sich um das Recht der angewandten Repressalien. Durfte der König wegen der gegen preulsische Unterthanen durch englische Kaper verübten Gewaltthätigkeiten die im Breslauer und Dresdner Frieden englischen Unterthanen verbürgten Gelder anhalten, um daraus seine Unterthanen zu entschädigen ? Beilage. 41 Die preufsische Ausführung behauptet es nach dem allge- meinen Völkerrecht, dessen Bestimmung in der natürlichen Ver- nunft gegründet sei ($. 52 ff.), und beruft sich auf Hugo Gro- tius (de iure belli ac pacis 111.2 $. 2. IH. 13 $. 1. no. 2. II. 2 8.5 u. 7). Wenn ein Souverain den Unterthanen eines andern das Recht verweigert, das dieser für sie nachsucht, oder nicht gebührend zu Theil werden läfst; so müssen dafür sowol der Souverain als auch die Unterthanen aufkommen. Nach dem angeführten Völkerrecht, sagt Hugo Grotius, sind nicht blos die Güter eines Schuldners, sondern auch die Güter seiner Unter- thanen als Bürgen verhaftet. Diese Bestimmung schreibt noch Hugo Grotius der Übereinkunft der Völker zu, dem ius gentium voluntarium, also dem positiven Völkerrecht, aber die preulsische Ausführung dem Naturrecht. „Dieses Völkerrecht“, heilst es wörtlich in der deutschen Ausgabe $. 53, „gründet sich in der natürlichen Vernunft, weil die Unterthanen das Faktum des Kö- nigs approbiren und dessen Judicium folgen, folglich auch dafür stehen, und, wenn andere Zahlungsmittel fehlen, die Satisfaction aus ihrem Vermögen leisten müssen.“ Man könnte glauben, dafs diese Ansicht von den preufsischen Juristen erst zu Gun- sten des vorliegenden Falles gefalst sei, um für ihren Satz den grölsern Nachdruck allgemeiner Gültigkeit zu gewinnen. Aber dem ist nicht so. Cocceji hatte schon in seinen 1740 heraus- gegebenen elementa iustitiae naturalis et Romanae ($. 709) mit denselben Worten dasselbe gelehrt; und wir sehen, wie Cocceji’s Naturrecht, das den Entwurf des corporis iuris Fridericiani be- herrscht, selbst in die staatsrechtliche Deduction hineinspielt. Die preufsische Ausführung trägt kein Bedenken, dies dargethane Recht der Repressalien ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall anzuwenden und rechtfertigt damit des Königs Verfahren. Die englische Antwort stellt das allgemeine Recht der Re- pressalien nicht in Abrede; denn England hatte es z. B. gegen Spanien selbst ausgeübt. Aber sie schliefst die Anwendung in enge Grenzen und widerspricht, dafs dieser Fall derselbe gewe- sen, als der, um den es sich jetzt handele. Sie sucht aus der eigenthümlichen Natur der schlesischen Schuld zu zeigen, dafs sie unbedingt zu befriedigen sei und nicht Gegenstand von Re- pressalien werden könne. Der König von Preufsen habe sein 42 Beilage. königliches Wort gegeben, die an Privatpersonen schuldigen auf Schlesien haftenden Gelder auszuzahlen. Der König sei in Kaiser Karls VI. Verbindlichkeiten eingetreten, der sich für seine Per- son, seine Erben und Nachkommen verbindlich machte, das Ka- pital sammt den Zinsen auf die Art und Weise und in den Ter- minen, wie im Contracte angegeben worden, ohne einigen Auf- schub, Hindernifs, Rückhalt und Abzug,- unter was für einen Namen es auch sein möchte, wiederzubezahlen. Dies Wort würde gebrochen, wenn die Summe angehalten und an ihr Re- pressalien geübt würden. Die Verweigerung dieser Gelder würde ein offenbarer Bruch der übernommenen Verbindlichkeit und daher ein thatsächlicher Verzicht auf die Friedenstractate sein. Die preufsische Commission, welcher es oblag, die englische Antwort zu prüfen, beleuchtete diesen Einwand, sowie andere aus Nebensachen entnommene Einwürfe (s. Behmer novum {us controversum 1. 8. 85 ff.). Der König weigere die Zahlung nicht; er habe die von England selbst bewilligten Termine richtig ein- gehalten und das ganze restirende Kapital niedergelest. Die Natur der Schuld sei darum keine andere, weil die Klausel hin- zugefügt worden, dafs die Zahlung ohne Verzögerung, Verwei- gerung oder Abzug geschehen solle; sie enthalte darin nur die Verbindlichkeit eines jeden Schuldners ohne Unterschied, sie möge ausgedrückt sein oder nicht. Daher seien Repressalien auf dieses Kapital so gut als auf jedes andere zulässig. Da die Verletzungen Seitens der englischen Regierung nach dem Frie- den geschehen seien und sich die Repressalien gegen diese später erfolgten Verletzungen wendeten: so hätte die Sache mit den Friedenstractaten nichts zu thun und die Repressalien könnten nicht als ein Verzicht auf dieselben angesehen werden. In Betreff der Repressalien nimmt die in London über- reichte Erwiederung eine etwas andere Wendung. Sie sucht statt des Begriffs der Repressalien den Begriff der Compensation, also den Begriff der blofsen Abrechnung einzuführen und dadurch den Einwänden zu begegnen (replique $. 25 ff. in causes celebres S. 82 ff... Schon die im Haag 1753 erschienenen vielleicht auf preufsische Veranlassung verfalsten: Anmerkungen eines unpar- teiischen Fremden über die gegenwärtige Streitigkeit zwischen England und Preulsen in einem Briefe eines Edelmanns in dem Beilage. 45 Haag an seinen Freund in London, hatten den Schritt des Kö- nigs unter den Gesichtspunkt der Compensation gebracht’). Der Begriff mochte milder und darum versöhnlicher sein; ob aber juristisch richtiger, bleibt dahin gestellt; denn es fehlten dem vor- liegenden Falle Merkmale, welche der Begriff der Compensation erheischt. Der Andeutung Englands, die Garantie des Breslauer und Dresdner Friedens zurückziehen zu wollen, war bereits Friede- rich der Grofse zuvorgekommen; er hatte darauf hingewiesen, dafs allenfalls auch er an die Garantie, welche er in Bezug auf die Erbfolge der regierenden Familie in England und in den hannoverschen Kurlanden geleistet habe, nicht gebunden sein würde und die bestehenden Friedensschlüsse seiner Zeit schon wissen werde geltend zu machen (exposition $. 66. 67). In ähn- lichem Sinne waren schon im J. 1748 mündliche Erklärungen abgegeben worden. Die Basis der preufsischen Ausführung und der englischen Antwort ist durchweg entgegengesetzt. England fulst auf das Positive, auf uraltes schon im consolato del mare niedergelegtes Herkommen. Wo anders verfahren werden soll, verlangt es ge- schlossene Tractate, statt deren Friederich nur mündliche mils- verständliche Zusicherungen bieten kann. Preufsen behauptet für das natürliche Recht, das an sich gelte, keiner Tractate zu be- dürfen; ihm ist das, was allen Völkern nützt und allgemein der Menschheit frommt, der einzige sichere Grund des Völkerrechts, und Tractate haben nur die Bedeutung, dafs sie ihn bestätigen, aber nicht, dafs sie das Recht wie eine Ausnahme einführen. In diesem Sinne leitet Preulsen den Satz, frei Schiff, frei Gut, und den Begriff der Kriegscontrebande aus der Vernunft ab. England beruft sich ferner auf das anerkannte Recht der Prisen- gerichte in dem Lande, dem der Kaper angehöre. Preufsen hingegen beweist aus dem Begriff des neutralen Schiffs auf freiem Meere, über welches kein fremder Staat Herr sei, die Unmöglichkeit eines solchen ‘Forums und zieht daraus seine Folgerungen. Englands Antworterscheint bündiger, weil positiver; Preufsens Ausführung loser, ja dem Positiven gegenüber luftiger, weil das 44 Beilage. Recht, das sie verficht, im Gegensatz gegen das anerkannte erst zur Anerkennung aufstrebt. Aber dieser Feldzug des vernünftigen Rechts gegen das positive hatte seine grolse Bedeutung. Denn wie war das ge- gebene thatsächliche Recht entstanden? Dem positiven Seerecht sind -die Spuren von dem Rechte des Stärkern deutlich einge- drückt und der Neutrale, der gegen die gerüstete Seemacht und gegen den im Krieg Begriffenen der Schwächere ist, kommt darin zu kurz. Sein Handel wird geopfert und eigenmächtig zerstört, indem derselbe vom Markte des Verkehrs verdrängt oder in die Hand der kriegführenden Nation gebracht wird. Die preufsische Ausführung sagt es an einer Stelle rund heraus ($. 30): „Dieses ist gewils, dafs die englische Nation kein besser Mittel hätte finden können, den Handel der preufsischen Unter- thanen zu ruiniren.“ Das Seerecht ist der Welt von den See- mächten dietirt, die Herrn des Meeres und Meister des Handels zu sein trachten; daher ist es so gefalst, als hätte auf der See der Krieg, also die Seemacht, allein Recht und mülste gegen ihre Zwecke jedes friedliche Geschäft zurückweichen. Es war Friederichs des Grolsen, seines hellen Blicks und seines starken Willens würdig, den ersten Schlag gegen dies verjährte Unrecht zu führen. Indem die Repressalien die Befriedigung der preufsischen Ansprüche zu einem Interesse der fremden Unterthanen machten, welche durch die Beschlagnahme ihrer Gelder litten, wurde die zwischen den Kabineten streitige Frage ins Volk geworfen. Die öffentliche Meinung wurde rege; und es war ein Schritt zur Anerkennung des rechten Rechts, als Friederich- zum Ziel kam; denn erst das siegende Recht gründet sich im Bewufstsein der Völker. Aber nur ein Schritt. Friederich hätte schwerlich etwas ausgerichtet, wenn er nicht zufällig die englischen Gelder der schlesischen Schuld in der Hand gehabt hätte. Die Erklärung zu dem Tractat von Westminster, welche 20,000 Pfund Sterling zugesteht, will nur die Differenz enden und die Ansprüche lö- schen; aber enthält keine Zustimmung zum Recht als solchem. Die Vernunft der Sache hatte in einem einzelnen Falle gesiegt; aber bis zur allgemeinen Anerkennung war noch ein weiter Weg. Erst in der Anerkennung vereinigt sich mit dem Recht die Macht. Ohne die Anerkennung bleibt die Allgemeinheit der Beilage. 45 Vernunft eine theoretische Vorstellung; erst durch sie wird sie ein Gesetz des Lebens. Denn wer ein Recht anerkennt, ver- ziehtet nicht blofs auf Einspruch oder auf Hinderung, sondern stillschweigend leiht er dem Anerkannten Macht aus seiner Macht. Das vernünftige Recht, in der erleuchteten Einsicht Einzelner beginnend, bleibt ohnmächtig oder in zweifelhaftem Streit be- griffen, bis es allgemein der widerstrebenden Selbstsucht Aner- kennung abgewinnt; erst in der allgemeinen Anerkennung einer völkerrechtlichen Bestimmung liegt Macht aus der Macht Aller. Solche Anerkennung kann unter Staaten nur durch Tractate geschaffen und das positive Völkerrecht nur auf ihrem Grunde errichtet werden. Schon waren zu Friederichs des Grofsen Zeiten besondere Verträge zwischen einzelnen Mächten, wie z. B. zwischen Frankreich und Holland, für die Grundsätze geschlos- sen, um die es sich handelte; sie wurden zwischen diesen Völ- kern Richtschnur; aber es waren besondere Vereinbarungen. Es war nothwendig, dafs sich das Seerecht aus diesen Beson- derheiten wie aus Willkühren herausarbeitete und zu allgemein seltenden Bestimmungen gediehe. Friederichs sichere Hand that dazu den ersten Griff, und fafste die Sache beim rechten Ende an, nicht bei dem historischen, sondern beim philosophischen, nicht beim Herkommen, sondern bei der den Dingen einwohnenden Ver- nunft. Zugleich sorgte er dafür, dafs die Vernunft der Sache in sei- nem Beispiel den Anfang eines Herkommens begründe, dafs das phi- losophische Recht in Einem ersten Falle historisch wurde. Zu- nächst mehrten sich die Verträge, welche zwischen einzelnen Völkern den Grundsatz, frei Schiff, frei Gut, festsetzten. Schon früh, schon im Anfang des 17. Jahrhunderts hatte Frankreich ihn in Tractaten erstrebt; aber England sah noch lange, wenn es ihn zugestand, in diesem Zugeständnifs nur ein Privilegium®). Erst der Pariser Friedensschlufs vom Jahr 1356 drang durch; und so bedurfte die Geschichte gerade eines Jahrhunderts, um den von Friederich im Namen der Vernunft und des Naturrechts erhobenen Anspruch auf Allgemeinheit zur wirklichen allgemeinen Anerkennung zu bringen. Cocceji’s Ansicht ging noch weiter. In seinem Naturrecht ‘(8. 789) spricht er von den Pflichten der Kriesführenden und lehrt: „Keiner von beiden kriesführenden Theilen darf den Han- 46 Beilage. del der Neutralen mit seinem Feinde verhindern oder stören; und dies bleibt wahr, wenn auch die Kräfte des Feindes dadurch wachsen sollten, wie z. B. wenn Eisen, Waffen, Getreide und andere im Kriege brauchbare Dinge zugeführt werden;* und Cocceji, der hiernach den Begriff der Kriegscontrebande aus dem Seerecht streicht, nimmt nur durch das Recht der nothwen- digen Vertheidigung Zufuhr in die belagerte Stadt von dem Recht der erlaubten Waaren aus. In diesem Lehrsatz Coceeji’s kehrt der Begriff der Neutralität die andere Seite, die in ihm ist, heraus, und macht als seine Folge geltend, dafs der Neutrale der sei, welcher vom Kriege nichts leiden solle und nichts leiden dürfe. Der freie Handel fordert darin sein volles Recht und der Sicherheit wird genügt, welche friedlichen Völkern und den Geschäften des Friedens gegen den leidenschaftlichen Zwist an- derer gebührt. Ein so angesehener Lehrer des Völkerrechts, wie Heffter”), trägt kein Bedenken sich ausdrücklich an Coceeji an- zuschliefsen, indem er als einen Satz des zukünftigen Völker- rechts die Thesis hinstellt: „es giebt keine Contrebande und Han- delsverbote zwischen Neutralen und kriegführenden Mächten.“ Friederich der Grofse hatte in diesem Handel das freibeu- terische Unwesen der fremden Kaper erfahren und gegen ihre Gier und Rohheit gekämpft. Aber da er keine Flotte hatte, griff er dennoch im siebenjährigen Kriege, namentlich im J. 1759, zu dem Mittel Kapern Freibriefe zu ertheilen. Er hatte dabei im Auge, durch sie die Küsten von Überfällen feindlicher Schiffe frei zu halten und dem preufsischen Handel einige Hülfe zu gewähren. In der Anweisung, welche er den Kapern gab und von ihnen beschwören liefs, und deren Bestimmungen er den Gerichten für ihre Entscheidungen als Richtschnur vorschrieb, blieb er den Grundsätzen, die er verfochten hatte, getreu. In der Instruction ($. 4) verbietet der König andere Schiffe, als österreichische, schwedische, toscanische, zu nehmen oder zu be- lästigen; er verbietet andere Schiffe zu untersuchen, wenn sie sich durch Seepässe ausgewiesen, es sei denn, dafs aus den See- briefen ersichtlich sei, dafs sie Contrebande dem Feinde zuführen; er begrenzt den Begriff der Contrebande eng und erklärt für unerlaubte Zufuhr allein Zufuhr von Truppen, von Waffen, Pulver und Kriegsmunition; er spricht den Kapern auf feindlichen Beilage. 47 Schiffen nur Waaren und Eigenthum des Feindes als Beute zu ($. 2). Für den Gehorsam gegen diese Befehle soll namentlich auch eine Caution des Kapers in der Höhe von 3000 Pfund Sterling haften. So bestätigte der König in seinem Verfahren zum Schutze des neutralen Handels die beiden Grundsätze: frei Schiff, frei Gut, und, unfrei Schiff, frei Gut. Wenn freilich Friederich selbst die Kaper human machen möchte; denn er befielt (8. 1): ,‚Ihr sollt euch hüten, Grausamkeiten und Härten gegen irgend wen, sei es auch gegen unsere Feinde zu verüben“: so ist das ein vergeblicher Wunsch; denn einen Kaper human machen ist dem gleich, einen Mooren weils zu waschen. Am Schlusse seines Lebens ging Friederich der Grofse noch einmal auf dem von ihm beschrittenen Wege mit leuchtendem Beispiel voran. Die vereinigten Staaten Nord-Amerika’s hatten ihre Freiheit im Frieden errungen und sie sandten im J. 1785 ihre besten Männer, Benjamin Franklin, Thomas Jefferson, John Adams in die alte Welt, um Handelsverbindungen mit den Staaten abzuschliefsen. Vergebens pochten sie an die Thür der europäischen Höfe an; keiner wollte sich mit ihnen in Unter- handlungen einlassen. Aber Friederichs erhabene Denkungsart begegnete den philosophischen Gedanken eines Franklin. In dem Handelstractat vom 10. September 1785, der durch die Hand des Grafen Hertzberg ging”), dehnten Preufsen und die vereinigten Staaten die Sicherheit und Freiheit des Handels und der Schiffahrt zu Kriegszeiten so weit aus, als nie geschehen war. Sie verpflichteten sich, im Kriege mit andern Mächten selbst Kriegscontrebande gegenseitig der Confiscation nicht zu unterwerfen; es soll erlaubt sein, sie mit Beschlag zu belegen; aber wer es thut oder sie verwendet, muls billigen Ersatz leisten ($. 13). Sie verpflichteten sich, wenn zwischen ihnen Krieg ent- stände, ihn blos gegen Bewaffnete zu führen und namentlich keine Kaper auszusenden. Der Krieg soll nicht gegen Kauf- fahrtsschiffe noch zur Unterbrechung des Handels geführt werden ($: 23). Es werden gegenseitige Bestimmungen getroffen, das Loos der Kriegsgefangenen aufjede Weise zu mildern ($. 24), „Die beiden contrahirenden Mächte“, heifst es in edlem gegenseiti- gen Vertrauen zu Ende des Tractats ($. 24), „haben erklärt, dafs weder der Vorwand, der Krieg breche die Verträge, 48 Beilage. noch irgend ein Grund solcher Art diese Bestimmungen ver- nichten, oder aufser Kraft setzen solle, sondern dafs sie im Ge- gentheil gerade für Kriegszeiten zugesichert sind und wäh- rend derselben so heilig gehalten werden sollen, als die aner- kanntesten Artikel des Natur- und Völkerrechts.* In diesem Vertrag geschah der erste Schritt, die Kaperei zu untersagen “und Friederich der Grofse und die Staatsmänner Nord-Ameri- ka’s hatten sich vereinigt, um thatsächlich das Ziel zu stecken, dem das positive Völkerrecht nachzustreben hat. Es folgte bald ein Vierteljahrhundert voll blutiger Kriege und die richtigen Grundsätze kamen nur in einzelnen Tractaten zu einiger Geltung. Die Kaperei blieb im Schwange. In der Wuth des letzten Bürgerkrieges hat der Süden Nord-Amerika’s Kaperei in Schrecken erregender Weise getrieben und der Geist Franklins, der sie verworfen hatte, kam darin zu Schanden'°). Schon vorher hatte Nord- Amerika der Abschaffung der Kaperei widersprochen. Die im Pariser Congrels vom J. 1856 vereinigten europäischen Mächte thaten einen grofsen Schritt zu einem bessern allgemeinen Völkerrecht im Seekrieg. Sie fügten dem Pariser Friedensvertrage unter dem 16. April 1856 eine feierliche Erklärung bei und legten dann die darin enthal- tenen 4 Punkte den übrigen Mächten zu ungetheilter Annahme vor!'). Die vereinbarten Sätze lauteten: 1) Die Kaperei ist und bleibt abgeschafft. 2) Die neutrale Flagge deckt Feindes Waare mit Ausnahme der Kriesscontrebande. 3) Neutrales Gut mit Ausnahme von Kriegscontrebande soll unter Feindes Flagge gegen Wegnahme gesichert sein. 4) Blokaden müssen, um bin- dend zu sein, wirklich bestehen (effectiv sein) d. h. durch eine Streitmacht gehandhabt werden, welche genügt, um den Zugang zur feindlichen Küste wirklich zu hindern. Nord-Amerika war mit den drei letzten Punkten einverstanden und für den zweiten und dritten hatte es sich zwei Jahre früher bei den Mächten verwandt. Aber dem ersten der zur ungetheilten Annahme vorgelegten Punkte weigerte es sich beizutreten. Wie war es möglich, dafs der Staat Franklins der Kaperei, dem Krieg der Privaten auf dem Ocean, das Wort redete? Und doch hatte es einen guten Grund. Die vereinigten Staaten Nord-Amerika’s, die grundsätzlich weder ein grofses stehendes Heer noch eine Beilage. 49 ' grofse stehende Marine unterhalten wollen, sahen in dem An- trag, die Kaperei abzuschaffen, nur einen Vortheil, vielleicht eine List derjenigen Seemächte, welche grofse Flotten zu ihrer Verfügung haben. Die Herrschaft dieser Mächte über das Meer, so führte die Regierung der vereinigten Staaten aus'’), würde durch das Verschwinden von Kaperschiffen um Vieles erleich- tert werden. Die Hälfte ihrer Seemacht würde vielleicht aus- reichen, sich mit den Kriegsschiffen des Feindes zu beschäftigen und mit der andern Hälfte könnten sie seine Kauffahrer von allen Meeren wegfegen. Ausrüstung von Kapern sei bei aus- brechendem Kriege, wenn nicht gleich eine Flotte zu Gebote stehe, eine Hülfe für die Zwecke des Krieges und ein Schutz für den eigenen Handel. Kaper gehören nach dieser, wie nach der bisherigen englischen Ansicht, zur Marine selbst. Indessen wollte Nord-Amerika keineswegs den ersten Grund- „sätzen seines neugegründeten Staates untreu werden. Vielmehr . ging es im Schutz der friedlichen menschlichen Entwicklung einen Schritt weiter; es schlug den Zusatz einer Bedingung vor, unter welcher es bereit war, die Kaperei vom Seerecht auszu- schliefsen. Wenn auch den Kriegsschiffen das Recht entzogen würde, Privateigenthum der Feinde anzutasten, glaubte Nord- "Amerika in die Aufhebung des Kaperrechts eingehen zu können. Sein Vorschlag lautete: „Die Kaperei ist und bleibt abgeschafft und das Privateigenthum der Unterthanen oder Bürger kriegfüh- render Mächte auf hoher See soll vor Wegnahme durch die Kriegsschiffe der andern kriegführenden Macht mit Ausnahme von Kriegscontrebande gesichert sein.“ Es ist dabei geblieben. Nur Preufsen und Rufsland waren bereit den Vorschlag Nord- Amerika’s anzunehmen. Erst wenn ein solcher durchdrinst, wird der Seekrieg grundsätzlich dieselben gerechten Rücksichten als der Landkrieg nehmen, der längst in Feindes Gebiet, so weit es angeht, die Güter friedlicher Privaten schont, ja schützt. Es wird noch lange dabei bleiben; denn die Seemächte werden glauben, dem Seekrieg die eigenthüm- lichste und empfindlichste Waffe zu nehmen, mit welcher sie auf den Willen der feindlichen Nation Zwang üben. Aber im See- recht steckt so lange ein Rest des Seeraubes, als es sich zum fügsamen Werkzeug bietet, den Handel zu zerstören oder eine [1866.] 4 50 Beilage. fremde Handelsverbindung als Beute davon zu tragen. Um die Thätigkeiten des Friedens gegen den fremden Krieg völlig zu sichern, bedarf es noch immer der ausharrenden Bemühungen erleuchteter Staatsmänner in allen bedeutenden Nationen des Erdballs.. Für die allgemeine Anerkennung sind noch immer Ziele gesteckt, welche schon in jenem Rechtsstreit Friederich der Grofse ins Auge gefalst hatte. Noch immer sind Aufgaben in seinem Sinne zu lösen. Ungeachtet grofser Schwierigkeiten, welche die Bestimmung eines so relativen und mit der Geschichte der Bewaffnung wechselnden Begriffes hat, wie der Begriff der Kriegscontrebande ist, erscheint es vor Allem geboten, diesem Begriffe, um den noch nach den Kriegen heftiger Streit zu ent- brennen pflegt, das Zweideutige zu nehmen und ihn in enger und scharfer Begrenzung zu allgemeiner Anerkennung zu brin- gen. Das Recht der Durchsuchung auf dem offenen Meere bedarf genügender Beschränkung. Für die unparteiliche Hand- habung des Seerechts ist der Gedanke internationaler Prisenge- richte angeregt worden, aber die Mittel zur Ausführung sind noch nicht klar. Wie die Sachen heute stehen, so erhellt aus den erwähn- ten Verhandlungen, die mit Nord-Amerika über die Abschaffung der Kaperei gepflogen wurden, dafs Preulsen, wenn es nicht zu Schaden kommen will, nur bei genügender Flotte die edeln Grundsätze seines grofsen Königs wird wahren können. Macht ist an sich nicht edel, aber in der Wechselwirkung der Staaten setzt das Edle, will es nicht das Betrogene sein, Macht voraus. Wenn Friederich der Grofse dafür dachte und stritt, das Seerecht von einem Unrecht zu befreien, so trug er in diesem Streit dazu bei, das Gerechte in die Herzen der Nationen zu schreiben, und das gemeinsame Gewissen der Völker, das früher oder später in anerkanntem Völkerrecht seinen Ausdruck findet, zu schärfen und zu vertiefen. Wir freuen uns dessen an seinem Ehrentage und werfen, wenn wir an seinem Standbild vorüber nach Hause gehen, einen dankbaren Blick hinauf zu seiner Höhe. Beilage. ol Anmerkungen. 4) Die Actenstücke sind am vollständigsten zusammengedruckt in causes celebres du droit des gens, redigees par le baron Charles de Mar- tens. Tom. Il. p. 1 ff. Minder vollständig in Georg Friederich von Martens Erzählungen merkwürdiger Fälle des neuern europäischen Völ- kerrechts. 1. Band 1800 S. 236 ff. Die erste preulsische Staatsschrift führt den Titel: Zxposition des motifs, fondes sur le droit des gens universellement regu, qui ont determine le roi de Pru/se sur les instances reiterdes de ses sujets, a meltre arret sur les capitaux que S. M. avait promis de rembourser aux sujets de la Grande-Bre- tagne en vertu des traites de paix de Breslau et de Dresde, et a procurer sur les dits capitaux a ses sujets le dedommagement des pertes que leur ont causees les depredalions et les violences des armateurs anglais exercees contre eux en pleine mer. Berlin 1752. Bei Charles de Martens causes celebres II. p. 12. ff. Deutsch: Anführung der in dem allgemeinen Völkerrecht ge- gründeten Ursachen, welche $. K. Majestät von Preulsen bewogen, diejeni- gen Gelder, welche Sie vermöge des Breslauer und Dresdenschen Friedens denen Grolsbritannischen Unterthanen zu bezahlen versprochen, auf instän- diges Ansuchen Dero auf der See commerciirenden Unterthanen mit Arrest zu belegen, und dieselben wegen der Ihnen von den englischen Capern auf offener See zugefügten Gewaltthätigkeiten und dadurch zugefügten Schaden aus diesen Geldern zu entschädigen. Berlin 1752. Diese deutsche Ausgabe der Staatsschrift ist an manchen Stellen nicht so präcis als der französische Text; sie findetsichin Georg Friederich von Martens Erzählungen I. S. 240 £f. Die englische Gegenschrift (bei Charles de Martens II. p. 46 ff., fran- zösisch) führt den Titel: Rapport fait a S. M. Britannique par la commis- sion nommee pour repondre a l’exposition des motifs etc. mit dem Begleitungs- schreiben des Herzogs von Newcastle 8. Febr. 1753. Vgl. Joh. Jac. Mo- ser’s europ. Völkerrecht. 1778 Th. VI. S. 441 ff, Die preulsische Entgegnung wurde vorbereitet durch die gedruckten bei den Acten befindlichen remargues de la commission Prussienne sur le rapport fait a sa Majeste le roi de la grande Bretagne par les commissaires anglais servant de replique a ce rapport. Diese Bemerkungen sind als Be- richt an den König gehalten. Daraus ging hervor Aeplique faite au rapport des commissaires anglais touchaxt les depredations des armateurs anglais 1753. Im Auszuge die Rechtspunkte bei Charles de Martens ll. p. 73 ff. Weitere Ausführungen im Recht und in den Thatsachen, namentlich aus den Verhandlungen der preuflsischen Commission zur Vorbereitung der exposition 1752 und der remarques 1753 finden sich in Frid. Behmeri novum ius controversum. Lemgov. 1771. tom. I. p. 1 — 130. 4% 92 Beilage. Vgl. die Darstellung in Henry Wheaton histöire des progres du droit des gens en Europe et en Amerique depuis la paix de Westphalie jusqu’a nos Jours. 2. Ausg. 1846. I. p. 260 ff. 2) Montesquieu an den Abt de Guasco zu Wien, Brief vom 5. März 1753 in der Ausg. seiner Werke von 1826. VIII. S. 356. 3) Frid. Aug. Guil. Wencki codex iuris gentium recentissimi tom. II. 1795. p. 87. 4) In einzelnen Angaben sind Zweifel verbreitet, ob von Preufsen der Rest der Schuld an England bezahlt sei, zuerst österreichischer Seits 1756 in einem »Verzeichnils einiger friedensbrüchiger Unternehmungen«, sodann selbst von gelehrter Hand. Der ersten Verdächtigung begegnete Preulsen in seiner »ausführlichen Beantwortung der von dem Wiener Hofe heraus- gegebenen sogenannten kurzes Verzeichnils einiger aus den vielfältigen von Seiten des K. preulsischen Hofes wider die Berliner und Dresdner Tractate ausgeübten friedensbrüchigen Unternehmungen.« 1756. Moser Staatsarchiv 1756. 7. Theil S. 117. Vgl. Geschichte und ‚Rechisverhältnils der schle- sischen Staatsobligationen. Frankf. 1827. S.24. Die zweite Angabe wiegt schwerer, da sie sich ungeachtet dieser preulsischen Erklärung bei Georg Friederich von Martens findet (Erzählung merkwürdiger Fälle des europäi- schen Völkerrechis 1800. I. S. 284). Aber näher angesehn, beruht sie auf einer gelehrten Verwechslung, auf einer combinirten Vermuthung, die da hätte vorsichtiger sein mögen, wo sie, wäre sie wahr, auf Friederichs des Grolsen Charakter einen Flecken werfen würde. Die Quittung der engli- schen Gläubiger über Kapital und Zinsen, datirt vom 23. Jun. 1756, förm- lich und feierlich auf Pergament ausgestellt, liegt bei den Akten des Königl. Staatsarchivs. 5) Vgl. die Zeitschrift the true Briton vom 28. Febr. 1753, welche in England auf eine für Preufsen günstigere Meinung hinwirkte. 6) Heffter das europäische Völkerrecht der Gegenwart 1844. S. 281. 7) Hefftera.a. O. 8. 175. 8) S. in Behmer novum ius controversum ]. p. 14, namentlich p. 17. 9) Comte de Hertzberg recueil des deductions u. s. w. 1. p. 465 ff. Vgl. Berlinische Monatsschrift 1786 S. 233 ff. J. D. E. Preufs. Friede- rich der Grofse. 1834. 1V. S. 136 ff. Wheaton histoire des progresete.1.p. 369 ff. 10) Vgl. Wheaton histoire des progres etc. 1. p. 312. 44) Protokoll Nr. 24 vom 16. April 1856. Bei Dr. J. v. Jasmund Actenstücke zur orientalischen Frage. 2. Bd. 1856. S. 466 vgl. S.360. Vgl. die einsichtige Schrift L. Gessner le droit des neutres sur mer. Berlin 1865 p- 55 ff. p. 62. p. 429 ff. p. 432 f. 12) Vgl. das Schreiben des nordamerikanischen Staatsministers William L. Marcy an den Grafen von Sartiges.. Augsburger allgemeine Zeitung 1856. N. 244. 245. —IEN MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. Februar 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 1. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. G. Rose las: Über die regelmäfsigen Verwach- sungen, die bei den Periklin genannten Abänderun- sen des Albits vorkommen. Bekannt ist die grofse Neigung des Albits in Zwillingskry- stallen vorzukommen; sie ist in der That so grols, dafs einfache Krystalle zu den Seltenheiten gehören. Die Zwillingskrystalle sind aber hauptsächlich zweierlei Art; bei den einen sind die Krystalle mit der Längsfläche M verbunden, bei den andern mit der schiefen Endfläche ?P. Die erstern sind die, welche der Verf. schon bei der ersten Beschreibung des Albits bekannt, und jetzt noch neuerdings zum Gegenstande seiner Untersuchung gemacht hat.') Die letztern sind es, die ihn jetzt beschäftigt haben. Sie wurden zuerst von Mohs beschrieben; die Indivi- duen der Zwillinge haben nach ihm die Pfläche in gemein- schaftlicher Lage, und zeigen auf den Mflächen eine einsprin. sende Kante, die den Kanten P/M beider Individuen parallel geht; die Zwillingsaxe ist nach ihm die längere Diagonale von P. — Kayser zeigte darauf, dafs das Gesetz, wie es Mohs angegeben, zu den angegebenen Charakteren nicht passe; bei dem angegebenen Gesetze könne die einspringende Kante auf 1) Monatsberichte der Akad. von 1865, S. 234. [1866.] 5 54 Gesammtsitzung M an der Zwillingsgränze den Kanten P/M nicht parallel sein; . dies könne nur dann statt finden, wenn die Zwillingsaxe die Normale auf der Axe a in ab wäre‘). So müsse man also das Gesetz bei diesen Zwillingen angeben; indessen gäbe es auch Zwillinge, wo jene einspringende Kante den Kanten P/M nicht parallel wäre, und hier fände das Mohs’sche Gesetz in der That statt. Namentlich wäre dies bei einer Krystallgruppe in der früheren Sammlung des Medieinal-Raths Bergemann (jetzt in dem min. Museum der Universität befindlich) der Fall, bei welchem an den zweiten Krystall des Zwillings noch ein _ dritter nach dem Gesetze: Zwillingsaxe die Normale auf ab, an- gewachsen ist. Die 3 Krystalle wären also nach den Gesetzen verbunden, dafs die Zwillingsaxen wären bei den Ind. 1 und 2: die Axe 5 en Ale 3:dieE Normaler aufterh m a SE FREI 3 wu „ıdandh: Kayser hielt es für wahrscheinlich, dafs ein solcher’ drit- ter Krystall auch zu einem nach dem gewöhnlichen Gesetze gebildeten Zwillinge hinzutreten könne, und dann wären die 3 Krystalle nach den Gesetzen verbunden, dafs die Zwillingsaxen wären bei den Ind. 1 und 2: die Normale auf @ in ab a on Fl re n n„ ab Seen lÄRerdT; Da nun solche Zwillingsgruppen, wie siein Bezug auf die bei- den Axenebenen ac und ab schon beobachtet sind, auch in Be- zug auf die dritte Axenebene de vorkommen könnten, für jede Axenebene 4 Gesetze anzunehmen sind, so nimmt Kayser 12 Zwillingsgesetze beim Albit an, die theils schon beobachtet sind, theils der Analogie nach beobachtet werden könnten. Der Verf. sucht nun durch genaue Beschreibung und Zeich- nung einer Menge einzelner Fälle zu beweisen, dafs das von *) Wenn man mit c die verticale Axe parallel den Seitenflächen 7], mit a die kurze und mit 5 die lange Diagonale der Fläche ? bezeichnet, so kann man die Fläche ? auch nach den Axen, die in ihr liegen mit ab, und die Fläche 7 mit ac bezeichnen, wie Kayser geihan, und der Verf. hier beibehalten hat. vom 1. Februar 1866. 55 Mohs für die vorhandenen Zwillingskrystalle fälschlich ange- nommene Gesetz in der That niemals vorkommt; allerdings ist die einspringende Kante auf M an der Zwillingsgränze nur in den seltneren Fällen den Kanten PIM parallel, dies kommt aber daher, dafs die Flächen M stets vertical gestreift und gekrümmt, und die Zusammenwachsungsebene oft eine ganz unregelmälsig sekrümmte und gebogene Fläche ist, wie dies aber häufig vor- kommt, wenn die Zusammenwachsungsebene nicht auch die Zwillingsebene ist, wie z. B. bei den sog. Karlsbader Feld- spathzwillingen. Die äufsern Kanten P/M wären dessenun- geachtet doch genau unter einander parallel. Der einspringen- den Kante auf M an der Zwillingsgränze auf der einen Seite entspricht eine ausspringende Kante auf der andern Seite; beide kommen aber bald auf der rechten, bald auf der linken Seite vor, je nachdem die Ind. mit ihren obern, oder mit ihren un- tern Pflächen verbunden sind. Der Verf. weist nun weiter nach, dafs die Krystalle dieser Zwillinge nicht blofs mit der Zusammensetzungsfläche P verbun- den sind, sondern dafs unter den Albitzwillingen vom Gotthardt solche vorkommen, deren Individuen auch mit der Zwillingsebene, einer auf P senkrechten, und der kurzen Diagonale von P pa- rallelen Fläche verbunden sind. Es entstehen dadurch sechs- seitige Prismen, deren beide vordern, wie auch deren beide hin- tern Seitenflächen untereinander gleich sind, und entweder von den Flächen 7 oder ! gebildet werden, und bei denen rechts und links entweder die scharfe oder die stumpfe Kante P/M an der obern oder untern Pfläche liegt. Diese Zwillinge sind demnach zweierlei Art; der Verfasser hat aber stets nur solche beobachtet, bei welchen die Flächen 7 sich an der vordern Seite befinden, und diese Krystalle waren ferner nie blofs an- einander, sondern stets durcheinander gewachsen; was, da der Fläche T eine sehr deutliche Spaltbarkeit parallel geht, sich be- sonders im Bruch deutlich erkennen läfst. Diese Krystalle sind durch Vorherrschen der Pflächen in der Regel tafelartig, und auf dieser zuweilen zwei Zoll lang. Diese so durcheinander gewachsenen Krystalle kommen aber nun wieder in Doppelzwillingen vor, die so gebildet sind, dafs die einzelnen Zwillinge die Pflächen gemein, und auf dieser De 56 Gesammtsitzung senkrecht die Zwillingsaxe haben. Es finden sich diese Kry- stalle in Pfunders in Tyrol; sie erreichen oft eine ähnliche Gröfse wie die vom Gotthardt, aber auch bei diesen Tyroler Krystallen waren die einfachen Zwillinge stets von derselben Art, wie die vom Gotthardt. Es kann dies daher kommen, dafs der Verf. zufällig nur die der einen Art beobachtet hat, da die Zahl der untersuchten Fälle nicht sehr grofs war, es kann dies aber auch die Regel sein, wie bei den mit den Flächen M verbundenen Doppelzwillingen des Albits aus den Dolomiten von Savoyen, wo unter einer sehr grofsen Zahl von Fällen immer nur die eine Art dieser Doppelzwillinge, nie die andere Art beobachtet ist. Der von Kayser beschriebene oben erwähnte Drilling ist auch ein solcher Doppelzwilling, bei welchem nur von dem einen Zwilling der innere Krystall verdrängt ist. Die Zwillingsverwachsungen des Albits, die sich auf die Fläche P beziehen, sind also ganz analog denen, die sich auf die Fläche M beziehen. Bezeichnet man die Individuen, die in den Doppelzwillingen enthalten sind, der Reihe nach mit den Zahlen 1, 2, 3, 4, so haben bei den Zwillingen, die sich auf die Mfläche beziehen, zu Zwillingsaxen: 1) die Ind. 1 und 2, sowie 3 und 4: die Normale auf ac 2)lncs Sussmidh "aa Er 2 Si enllac DU See, untl, ia Dis zz Abe eNzerc Bei den Zwillingen, die sich auf die Pfläche beziehen, zu Zwillingsaxen: 4) die Ind. 1 und 2, sowie 3 und 4: die Normale auf @ in ab Mena 5 8 nel 2 2) n„ ab On > ee Zr er 1720-0) 77, Die Individuen beider Gruppen haben in gemeinschaftlicher Richtung: eine Ebene, die ersteren ac, die letzteren ab; dieser parallel 2 Zwillingsaxen: ce und die Normale auf c in ac oder a und die Normale auf @ in ab und eine Zwillingsaxe senkrecht darauf, die Normale auf ac oder ab. Die gemeinschaftliche Ebene ist also stets eine Axenebene, und von den Zwillingsaxen ist eine eine Krystallaxe, während die beiden andern senkrecht darauf stehen, aber die Axen des Systems in irrationalen Verhältnissen schneiden. vom 1. Februar 1866. 57 Mehr als diese 6 Gesetze, die aber nun sämmtlich durch die Beobachtung nachgewiesen sind, scheinen nicht vorzukom- men; denn da das Gesetz, wonach die Zwillingsaxe die Axe 5 ist, gar nicht vorkommt, also auch das Gesetz, wonach die . Zwillingsaxe 5b in ab ist, nicht vorkommen kann, so fällt der Grund für die Annahme der übrigen 6 Kayser’schen Gesetze fort, und dies wird um so wahrscheinlicher, als eine Krystall- fläche, die der Axenebene bc parallel wäre, sowie eine Spalt- barkeit parallel dieser Ebene, zu welcher dann die Zwillings- krystalle sich ebenso verhielten, wie die nach den drei ersten Gesetzen gebildeten Zwillinge zu der Axenebene ac oder die nach den drei folgenden Gesetzen gebildeten zu der Axenebene ab, beim Albit gar nicht beobachtet ist. Hr. Hofmann legte einen Aufsatz des Hrn. Dr. Rud. We- ber über den Proce[s der Schwefelsäurebildung vor. Nach der von Peligot') aufgestellten Theorie des Blei- kammerprocesses erfolgt die Oxydation der schwefligen Säure lediglich durch den Sauerstoff der Salpetersäure, welche sich durch Zersetzung der aus Stickoxyd und Sauerstoff entstandenen Untersalpetersäure mit Wasser gebildet hat. Diese zur Zeit fast "allgemein angenommene Theorie ist aus den Thatsachen herge- leitet worden, dafs trockne schweflige Säure auf Untersalpeter- säure bei gewöhnlichem Drucke nicht einwirkt, dafs dagegen schweflige Säure das Salpetersäurehydrat leicht zersetzt. Aus den Versuchen von Peligot geht aber nicht hervor, dafs eine Salpetersäure von dem Grade der Verdünnung, wie sie nach ‘seiner Theorie in den Bleikammern sich bilden muls, bei der in diesen Räumen herrschenden Temperatur von der schwefligen Säure auch factisch zersetzt wird. Wenn die gasförmigen Pro- ducte aus der zur Zeit üblichen Beschickung, nämlich: 100 Th. Schwefel, 220 Th. Wasser, 6 — 7 Th. Salpeter, auf einander reagiren, so kann sich nach der Peligot’schen Erklärung des Vorganges nur eine Salpetersäure bilden, welche 2 — 32 Säure- gehalt besitz. Diese Säure muls, wenn die Peligot’sche Theorie richtig ist, die schweflige Säure rasch und zwar bei der Temperatur von circa 40° in Schwefelsäure umwandeln. !) Ann. chim. et phys. 3”° Ser. T. 12 p. 263. 58 Gesammtsitzung Zur Prüfung des Verhaltens einer derartigen verdünnten Salpetersäure wurde in dieselbe schweflige Säure geleitet. Bei gewöhnlicher Temperatur fand nach Verlauf von — Stunde keine Schwefelsäurebildung statt. Nur in höchst geringem Maalse hatte sich letztere Säure erzeugt, als diese Flüssigkeit in einer ganz damit erfüllten Flasche während einer halben Stunde auf eirca 40° erwärmt worden war. Da nun die Bleikammern diese Säure verhältnilsmäfsig rasch produciren, 1000 Kub.-Fufs liefern pro Stunde eirca 5 Pfd. Säurehydrat, so ist diese verdünnte Salpetersäure nicht als das Agens, welches die Oxydation der schwefligen Säure vorwiegend bewirkt, anzusprechen. Zur Prüfung des Verhaltens der in der Bleikammer auf einander reagirenden Producte wurden Versuche über das Ver- halten der Flüssigkeiten angestellt, welche durch Einwirkung von Untersalpetersäure auf kaltes und erwärmtes Wasser sich bilden. Die bei der Berührung von Untersalpetersäuredampf mit überschüssigem Wasser erzeugte Flüssigkeit enthält neben Salpetersäure noch eine erhebliche Quantität salpetriger Säure, und scheidet in Folge dessen Jod aus Jodkalium in reichlicher Menge aus; sie kann, ohne jene Reaction einzubülsen, sogar kurze Zeit erhitzt werden. Dafs nicht Stickoxyd oder Salpetersäure die Ausscheidung des Jods veranlassen, ist bekannt und läfst sich leicht constatiren. Eine solche, salpetrige Säure enthaltende Flüssigkeit oxydirt schweflige Säure äufserst leicht, sogar schon in der Kälte. Leitet man in dieselbe schweflige Säure, so erhält man bei Zusatz von. einem Barytsalze sogleich einen starken, weilsen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt. Die Schwefelsäure ist durch die salpetrige Säure gebildet und die neben letzterer Säure vorhan- dene Salpetersäure wird, wenn die Flüssigkeit verdünnt ist, von der zugeführten schwefligen Säure nicht zerlegt. Um die Ge- genwart der Salpetersäure in solchen Flüssigkeiten zu erkennen, beseitigt man den Überschufs der zugeführten schwefligen Säure durch Chlor und fügt sodann etwas Schwefelsäure und Eisen- vitriol hinzu. Es tritt dann die bekannte Reaction ein. Hieraus erhellet, dafs die salpetrige Säure erheblich leichter als Salpetersäure die schweflige Säure oxydirt. Die geringste Menge salpetriger Säure in Wasser gelöst, verwandelt schweflige vom 1. Februar 1866. 59 Säure in Schwefelsäure. Ein Gemisch von 1 Th. Salpetersäure von 1,25 sp. Gew. mit 10 Th. Wasser bildet mit schwefliger Säure in Berührung gebracht, in der Kälte nicht sogleich Schwefelsäure. Bei der Erzeugung der Schwefelsäure spielt da- her die salpetrige Säure eine sehr wesentliche Rolle. Dieselbe oxydirt die schweflige Säure; die erzeugte Schwefelsäure bindet Wasser, und nun erst kann die Zersetzung der gleichzeitig ge- bildeten Salpetersäure erfolgen. Bei der Einwirkung von schwefliger Säure auf Gemische aus verdünnter Schwefelsäure und Salpetersäure wurden folgende Erscheinungen beobachtet: Auf ein Gemisch von 10 Th. Schwe- felsäure von 1,360 sp. Gew. und 2 Th. reiner Salpetersäure übt schweflige Säure in der Kälte keine Wirkung aus. Beträgt die Dichte ersterer Säure 1,395, so färbt sich die: Flüssigkeit in Berührung mit schwefliger Säure in der Kälte blau. Ein Gemisch, welches stärkere Schwefelsäure, bis zur Dichte 1,530 enthält, färbt sich alsbald intensiv grün. Enthält das Gemisch Schwefelsäure von der Dichte 1,630, so nimmt es eine gelbe Farbe an. Bei noch gröfserer Concentration der Schwefelsäure, wenn deren Dichte 1,740 ist, entstehen prachtvoll violett gefärbte Flüssigkeiten. Über letztere Erscheinung wird später Näheres mitgetheilt werden. Läfst man auf die gefärbten Gemische weiter schweflige Säure wirken, so werden sie unter Entbindung von Stickoxydgas schliefslich farblos. Die gefärbten Flüssigkeiten enthalten salpetrige Säure. Letztere kann neben Schwefelsäure von bestimmter Ooncentration unverändert bestehen; sie wird aber in Berührung mit derselben durch schweflige Säure leicht zersetzt, es werden Schwefelsäurehydrat und Stickoxydgas. ge- bildet. Auch hieraus folst, dafs die salpetrige Säure an schweflige Säure direct Sauerstoff abgiebt, und dafs behufs der Schwefel- säurebildung eine vorherige Zersetzung durch Wasser, nach Pe- ligot eine Ausscheidung von Salpetersäure, nicht erforderlich ist. Peligot behauptet ferner, es bilden sich in der Bleikam- mer aus dem Stickoxydgase nur Untersalpetersäure (NO,) nicht, wie Berzelius annimmt, salpetrige Säure (NO ,). Die Richtigkeit dieser Behauptung ist deshalb in Zweifel zu ziehen, weil die Kammerluft bei dem jetzigen Betriebe bekanntlich ihres Sauer- stoffs bis auf wenige Procente beraubt wird. Bei Mangel an 60 Gesammtsitzung Sauerstoff nimmt, wie ältere eudiometrische- Versuche mit Stick- oxyd schon gelehrt haben, letzteres nicht die zur Bildung von Untersalpetersäure erforderliche Menge von Sauerstoff auf. Die obigen Versuche sprechen dafür, dafs bei der Schwe- felsäurebildung die wesentliche Function des Wassers nicht da- rin besteht, dafs es, wie Peligot meint, aus Untersalpetersäure Stickoxyd und Salpetersäurehydrat bildet; das Wasser disponirt vielmehr, indem es zur Bildung des stabilen Hydrates der Schwe- felsäure Veranlassung giebt, die schweflige Säure, und zwar wohl vorzugsweise auf Kosten des Sauerstoffes der salpetrigen Säure, sich höher zu oxydiren. Das Wasser veranlafst bekannt- lich die Bildung von Schwefelsäure aus schwefliger Säure und freiem Sauerstoff; es bewirkt, dafs die schweflige Säure mehre- ren leicht reducirbaren Körpern, z. B. selenige Säure, Arsen- säure 'etc. Sauerstoff entzieht. Im trocknen Zustande werden letztere Körper bekanntlich nicht durch schweflige Säure redu- eirt. Ähnlich wie bei den letzt erwähnten Processen fungirt das Wasser bei dem Vorgange in den Bleikammern. Auch die Gegenwart von andern Körpern, zu denen die Schwefelsäure Verwandtschaft äufsert, veranlaflst die Oxydation der schwefligen Säure. Leitet man trockne schweflige Säure über Bleisuperoxyd, so erzeugt sich bekanntlich unter heftiger Erhitzung schwefelsaures Bleioxyd. Desgleichen erzeugen sich sehr leicht schwefelsaure Salze, wenn man über nur gelinde er- hitztes salpetersaures Kali, salpetersaures Blei- oder Silberoxyd schweflige Säure leitet. Bei den letzterwähnten Reactionen, desgleichen, wenn ein Gemenge von trockner schwefliger Säure und Untersalpetersäure durch ein erhitztes Glasrohr geleitet wird, bildet sich ein weilser, krystallinischer, schmelzbarer Körper, welcher nach der Formel 250; + NO; zusammengesetzt ist. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Transactions of the Royal Irish Academy. Vol. 24. Dublin 1864—65. 4, (6 Hefte.) Proceedings of the Royal Irish Academy. Vol. 7. 8.9, 1. Dublin 1864—65. 8. vom 1. Februar 1866. 61 Journal of the Asiatic Society of Bengal. No. 128. 129. Calcutta 1865. 8. Transactions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. 24,1. Edinb. 1865. 4. Proceedings of the Royal Society of Edinburgh. Vol. 5, no. 65. Edinburgh 1865. 8. Greenwich Observations for 1863. London 1865. 4. Report of the Commissioner of Patents for 1862. Arts and Manufactures. Vol. 1.2. Washington 1864—1865. 8. Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indie. Deel 28, Afl.1—3. Ba- tavia 1865. 8. Annales des mines, Tome 7, Livr. 3. Paris 1865. 8. Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt. Band 15, no. 4. Wien 1865. 8. Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie. 1865. II. Heft 3. Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen. Göttingen 1865. 8. B. Borghesi, Oeuvres completes. Vol. 4. Paris 1865. 4. Reise der Novara. Statistisch- commerzieller Theil. Band 1. 2. Wien 1865. 4. Rietz, Ordboköfver Svenska Allmoge-Spräket. Fasc. 6—8. Lund 1865. 4. R. Mac Donnell, Observations on the functions of the liver. Dublin 1865. 8. Grotefend, Zpigraphisches. No. 5. Hannover 1865. 8. Sammlung der Russischen Reichsgesetze. Petersburg 1864. 8. Mit Ministe- rialschreiben vom 24. Jan. 1366. Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde. Berlin. 1865.4. 5. Februar. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Rödiger las über den syrischen Text desRo- mans „Syntipas oder die sieben weisen Meister.“ Hr. Trendelenburg legte Einsendungen des Hrn. James Yates in Highgate vor, und zwar zwei nach den Steinen ge- nommene Abdrücke griechischer Inschriften, die sich im Museum von Chichester befinden, und einen Abklatsch einer römischen Inschrift von einem Bleiklumpen, der in dem alten Bette des Frome bei Bristol gefunden ist. Die philosophisch - historische Klasse ist Hrn. James Yates, der diese Abdrücke dem corpus inscriptionum Graecarum und dem corpus inscriptionum Lati- narum zur Verfügung gestellt hat, für diese willkommnen Bei- träge dankbar. 62 Gesammtsitzung 8. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Magnus las über die Polarisation der ausge strahlten Wärme und ihren Durchgang durch paral- lele Platten. In einer früheren Abhandlung habe ich gezeigt, dals die Wärme, sowohl wenn sie von einer glatten als wenn sie von einer rauhen Fläche von Platin ausgestrahlt wird, dieselben Wellen- längen enthält, so dafs die Spectra beider Wärmequellen genau die- selbe Ausdehnung besitzen, und Strahlen von derselben Brech- barkeit enthalten, die sich nur in Bezug auf ihre Intensität unter- scheiden, so jedoch, dafs das Maximum der Intensität in beiden Spectren genau an dieselbe Stelle fällt. Seitdem habe ich mich mit der Polarisation der von diesen Flächen ausgehenden Wärme beschäftigt. Über denselben Gegenstand haben früher die Herren de la Provostaye und P. Desains gearbeitet und ihre Er- gebnisse in einem Memoire Sur la Polarimetrie de la chaleur im Jahre 1851 veröffentlicht'). Diese Herren hatten sich zur Auf- gabe gestellt die Polarisation, welche die aus einer glühenden Platte austretende Wärme zeigt, zu vergleichen mit der des un- ter gleichen Umständen ausgesandten Lichtes, womit sich Arago früher beschäftigt hat, und aufserdem den inneren Zusammenhang zwischen der Polarisation des Lichtes und der Wärme durch Reflexion und Emission aufzufinden. So interessant die Resul- tate dieser Arbeit sind, so schien es mir doch wünschenswerth den Gegenstand noch von einem andern Gesichtspunkte zu be handeln. Da nämlich die Wärme, welche aus einer glühenden Platte hervorgeht, polarisirt ist, so fragt es sich, wie durch diese Po- larisation die Menge der unter verschiedenen Winkeln ausge- strahlten Wärme sich ändert. Diese Frage bezieht sich eben so wohl auf die Wärme wie auf das Licht.. Aber sie ist für das Licht auf experimentellem Wege weniger zu entscheiden möglich, da die Stärke oder Intensität des Lichtes sich nur schwierig messen läfst. In so fern können Untersuchungen über strahlende Wärme zur Ergänzung der Untersuchungen über das Licht dienen, da dieses die qualitativen Verschiedenheiten ‘) Annales de Chimie et de Phys. Il. Ser. XXXII. 112. vom 8. Februar 1866. 63 scharf erkennen lälst, die Intensitäten aber nur schwierig, die Wärme dagegen sich umgekehrt verhält. Zunächst überzeugte ich mich dafs eine vollständig plati- “ nirte oder mit Platinschwamm überzogene Scheibe keine Pola- risation zeigt, welches auch der Ausstrahlungswinkel der Wärme sein mochte Die Herren de la Provostaye und P. De- sains geben an, dals in der, von dem platinirten Platin unter einem Winkel von 70° ausgesandten Wärme, bei ihren Versuchen noch 0,13 polarisirt gewesen seien'), Wahrscheinlich war die Platte, die sie untersucht haben, nicht hinreichend platinirt. Bei einer mit Rufs bedeckten Platte fanden auch diese Herren keine Spur von Polarisation. Ebenso zeigt auch das Licht das eine vollständig platinirte Scheibe aussendet, keine Polarisation, welches auch die Neigung der Strahlen gegen die Scheibe sein mag. Wenigstens konnte ‚ich weder durch Einschalten einer Kalkspathplatte, noch des Babinet’schen Compensators, noch mittelst eines doppel- brechenden Prismas und Einschalten einer Gypsplatte, noch durch irgend eines der Mittel, durch welche sich die Polarisation des Lichts von der glatten Scheibe sehr leicht erkennen lälst, eine Spur davon entdecken’). S)lara. 0. 116. *) Bekanntlich hat Arago daraus, dals die Ränder der Sonne Licht aussenden, das nicht polarisirt ist, gefolgert, dals die Oberfläche der Sonne weder fest noch flüssig sein könne, dafs sie deshalb gasförmig sein mülse. Er sagt: Astronomie populaire 11 104: Il n’ya que le cas ou le corps incan- descent est, quant a sa densite analogue dun gaz, que les phenomenes de po- larisation et de coloration disparaissent. Diese Folgerung trifft, wie aus den erwähnten Versuchen hervorgeht, nicht zu, da selbst wenn die Ober- fläche der Sonne fest, dabei aber hinreichend uneben und rauh wäre, ihre Rän- der keine Polarisation zeigen würden. Aus der fehlenden Polarisation ist daher kein Schluls zu ziehen. Dennoch wird Jeder zugeben, dals die Sonne von einer gas- oder dampfförmigen Atmosphäre umgeben ist. Denn bei der hohen Temperatur, welche sie besitzt, sind die Substanzen, von denen wir nach den schönen Untersuchungen von Kirchhoff und Bunsen wissen dals sie auf derselben vorkommen, gewils dort geschmolzen und wahr- scheinlich befinden sich auch die uns noch unbekannten Bestandtheile dersel- ben im flüssigen Zustande. Ist dies der Fall, so findet auch die Bildung von Dämpfen und Nebeln statt, deren Schicht mächtig genug sein muls, um selbst wenn der Kern der Sonne ganz glatt wäre, die Wahrnehmung der Polari- sation zu hindern. 64 Gesammtsitzung Hierauf wurde das Verhältnifs der Erwärmung bestimmt, welche eine solche, vollständig platinirte und daher keine Po- larisation zeigende Scheibe unter verschiedenen Ausstrahlungs- winkeln hervorbrachte, und damit das Verhältnifs der Erwär- mung verglichen, welche eine glatte Scheibe unter denselben Ausstrahlungswinkeln erzeugt. Nach dem Lamb ert’schen Gesetze mülste die Erwärmung proportional dem Cosinus des Winkels sein, welchen die Nor- male der Scheibe mit der die Mittelpunkte von Scheibe und Säule verbindenden Linie macht. Allein da die Bestrahlung frei durch die Luft, ohne Anwendung von Röhren geschehen mulste, so konnte, um einen genügenden Ausschlag des Galvanometers zu erhalten, der Abstand der Säule nicht sehr grofs, etwa nur gleich 100 Durchmesser der Scheibe genommen werden. Unter solchen Umständen war weder eine Übereinstimmung mit dem Lambert’schen Gesetze zu erwarten, noch konnte überhaupt ein Schluls auf das Gesetz der Ausstrahlung aus diesen Ver- suchen gezogen werden. Die gefundenen Werthe waren sämmt- lich gröfser als sie nach dem Lambert’schen Gesetz hätten sein sollen, allein das Verhältnifs der Erwärmung unter verschie- denen Ausstrahlungswinkeln war stets nahe dasselbe, die aus- strahlenden Scheiben mochten platinirt oder glatt sein. Eine solche Übereinstimmung zwischen der polarisirten und der nicht polarisirten Wärme kann nur stattfinden, wenn die beiden rechtwinklig zu einander polarisirten Antheile, in die man die von der glatten Scheibe ausgestrahlte Wärme zerlegen kann, sich, für die verschiedenen Ausstrahlungswinkel, entweder beide gleich ändern, oder der eine um ebenso viel mehr, als der an- dere weniger. Um zu untersuchen, welches von beiden der Fall sei, wur- den diese beiden Antheile dadurch jedes Mal getrennt, dafs eine polarisirende Glimmersäule eingeschaltet wurde, die, je nach ih- rer Stellung‘, nur den einen durchliefs. Aus den auf diese Weise ausgeführten Bestimmungen geht hervor, dafs diese beiden Antheile sich bei verändertem Aus- strahlungswinkel nicht gleich ändern, dafs dagegen ihre Summe sich ebenso ändert, wie die von der rauhen Platte ausgestrahlte gesammte Wärme. vom &8. Februar 1866. 65 Als zum Vergleich, statt der glatten Platinscheibe, eine voll- ständig platinirte angewendet wurde, änderten sich, wie voraus- zusein war, die beiden rechtwinklig gegen einander polarisirten Antheile ganz gleich. Das Verhalten der beiden Componenten der von glatten Scheiben ausgestrahlten Wärme, findet seine vollständige Erklä- rung durch die Annahme, dafs die Wärme nicht von der Ober- fläche der Körper allein ausgestrahlt wird, sondern aus tieferen Schichten kommt; indem jeder Punkt im Innern des Körpers Wärme nach allen Richtungen von gleicher Intensität sendet, die zur Oberfläche gelangt und dort zum Theil wieder in das Innere reflectirt wird, zum Theil gebrochen heraustritt. Eine Annahme, die schon Fourier, Poisson und Biot gemacht haben'). Wenn aber die Wärme aus dem Innern ausgestrahlt wird, so muls sie in Bezug auf ihre Polarisation sich wie Licht ver- halten, das durch eine durchsichtige Platte gegangen ist. Die Lage der Polarisationsebene der ausgestrahlten Wärme ist dieser Annahme vollkommen entsprechend, noch mehr aber wird die- selbe durch das eben erwähnte Verhalten der beiden rechtwinklig gegeneinander polarisirten Antheile bestätigt. Denn auch in Bezug auf ihre Intensität mufs die Wärme, welche aus dem Innern kommt, denselben Gesetzen folgen, de- nen das Licht unterworfen ist, das aus einem Medium in ein 1) Die Herren dela Provostaye und Desains behaupten (Annales de Chim. et de Phys. XXXII 119), dafs nach der Ansicht jener Mathema- tiker eine Brechung der Wärme beim Austreten aus dem strahlenden Körper nicht stattfinde und in der That ist die Darstellung von dem Vorgange an der Oberfläche in den angeführten Stellen, die sie wörtlich abgedruckt ha- ben, der Art, dals sie eine solche Behauptung rechifertigt. Indels kam es bei der Abfassung jener Stellen auf die Brechung der Wärme nicht an, die Verfasser sahen von derselben ab, um ihre Ansicht einfacher darstellen zu können, wie das wohl zu geschehen pflegt; aber sie haben gewifs niemals daran gezweifelt, dals die Wärme, welche von einem Punkt im Innern kommt und aus der Oberfläche des Körpers heraustritt, ihre Geschwindig- keit und also auch ihre Richtung in dem neuen Medium ändert. 66 Gesammtsitzung anderes übergeht. Die Gleichungen, welche Fresnel für diese Intensität hergeleitet hat, gehen davon aus,.dafs ein Strahl un- ter einem bestimmten Winkel an die Grenze der beiden Medien gelangt, und drücken die Intensitäten des reflectirten und des gebrochenen Antheils desselben aus. Bei der Ausstrahlung der Wärme gehn zwar von jedem Punkte im Innern unendlich viele Strahlen unter allen möglichen Winkeln zur Oberfläche, aber diejenigen, welche gebrochen zu einem aufserhalb befindlichen Thermometer gelangen, haben sämmtlich im Innern des Kör- pers dieselbe Richtung, vorausgesetzt, dafs die Oberfläche, aus der sie austreten, eine Ebene ist. Befindet sich das Thermometer nämlich in der Normale der Oberfläche, so können nur solche Strahlen zu derselben ge- langen, die auch im Innern normal zu derselben sind, da nur diese normal heraustreten. Von jedem ausstrahlenden Punkte im Innern kann daher auch nur ein einziger Strahl zum Ther- mometer gelangen. Macht die Linie, welche ein Element der Oberfläche mit dem Thermometer verbindet, einen Winkel mit der Normale dieses Elementes, so können nur die mit dieser Linie parallelen Strahlen zum Thermometer gelangen und die Strahlen im Innern, aus’ deren Brechung diese entstehn, sind dann ebenfalls unter sich parallel. Es folgt hieraus, dafs stets die Strahlen im Innern, deren Wärme zum Thermometer gelangt, bei jeder Stellung dieses letzteren, unter sich parallel sind, und daher unter demselben Winkel die Oberfläche treffen. Bezeichnet (r) den Winkel, den diese Strahlen mit der Normale des ausstrahlenden Flächenelements machen, und (£) den Winkel, welchen die gebrochnen Strahlen mit derselben sin sin strahlen, welche aus der Platinscheibe austreten. Setzt man dieses Verhältnifs als bekannt voraus, so lassen sich die Gleichun- gen, welche Fresnel für die Intensität des gebrochenen und reflectirten Lichtes gegeben hat, unmittelbar für die ausgestrahlte Wärme anwenden. Bevor ich indefs auf diese Anwendung und die Übereinstimmung der obenerwähnten Thatsachen mit diesen Gleichungen weiter eingehe, will ich zuvor noch eine Beobach- bilden, so ist Fi n das Brechungsverhältnifs der Wärme- vom 8. Februar 1866. 67 tung anführen, welche ohne jene Gleichungen schwer zu erklären gewesen wäre. Als nämlich Wärmestrahlen, die nicht polarisirt waren, durch eine Anzahl paralleler Glimmerplatten, einer sogenannten Glim- mersäule gingen, und die Wärme, die diese bei verschiedener Incidenz hindurch liefs, bestimmt wurde, zeigte sich, dafs bei senkrechter Ineidenz weniger hindurchging als bei schiefer. Eine ähnliche Wirkung war vorhanden, wenn statt der Glimmerplatten Glasplatten angewendet wurden. In der folgenden Tabelle sind die Wärmemengen zusam- mengestellt, welche unter übrigens gleichen Umständen durch Glimmer- und Glassäulen, die aus verschiedener Anzahl von Platten bestanden, bei senkrechter Incidenz und unter einem Winkel von 35° mit der Glimmersäule gingen. ei Durchgelassene Wärme Verhältnifs. er Platten. incidenz 0° 35° 0° 350 Glimmerplatten jede 0,02”"” dick. 44 19 110 1 9 24 95 188 1 0000 12 280 340 1 1 4 634 590 1 10,93 Glasplatten jede 0,8” dick. 8 286 305 1 as 1,07 5 358 329 1 50,92 1 638 853 1 ,5.0,86 Glasplatten jede 0,3”” dick. 20 74 108 1 1,46 16 94 127 1 1,35 ‚12 128 146 1 1,14 8 190 182 1 0,958 4 320 a77 1. 0,366 Sobald diese Beobachtung für die Wärme gemacht war, zeigte sich, dafs auch das Licht sich ganz ähnlich verhält. Läfst man nicht polarisirtes Licht auf eine Glimmersäule von 44 Platten senkrecht auffallen, so gelangt sowohl gewöhn- 68 Gesammtsitzung liches Tageslicht als auch Lampenlichtt kaum hindurch, neigt man aber die Säule bis zum Polarisationswinkel, so erblickt man die Umrisse aller Gegenstände sehr deutlich. Wendet man statt dessen nur 4—8 Glimmerplatten an, so geht bei senkrechter Incidenz mehr Licht hindurch als unter‘ dem Polarisationswinkel. Mit Glasplatten ist die Erscheinung noch auffallender. Ich habe einen kleinen Apparat construirt, bestehend aus vierzig parallelen Glasplatten, die in einem Kasten aus Blech enthalten sind, dessen beide, den Platten parallele Wände läng- liche Offnungen haben, so dafs man hindurchsehn kann auch wenn der Kasten stark geneigt ist. Am besten läfst sich mit diesem die Erscheinung beobachten, wenn man ihn horizontal über einem stark beleuchteten, mit Schrift versehenen Papier hält. Man kann dann nichts von der Schrift wahrnehmen, neigt man aber den Kasten, so werden die Züge deutlich erkennbar. Diese Beobachtung für das Licht habe ich nirgend erwähnt gefunden, es wäre indefs doch möglich, dafs sie schon gemacht ist. Für die Wärme ist sie jedenfalls neu. Aber sie ergiebt sich für beide als eine Folgerung aus den Fresnel’schen Gleichungen. Fällt nämlich Licht, das nicht polarisirt ist, unter dem Winkel (r) auf eine ebene, von parallelen Wänden begrenzte, sin r durchsichtige Platte, deren Brechungsexponent n = sin „ Sei,so ist, wenn man von der Absorption durch die Substanz der Platte absieht, und die Intensität des auffallenden Lichtes = 1 setzt, die des reflectirten nach Fresnel'). se sin’(r—) ı tang°(r—e) 2 sin?(r+g) * tang”(r+-2) und des gebrochenen: \ sin?(r—g) ee _ tang” tang°(r—e) r " sin?(r+o) — tang?(r+e) In diesen Gröfsen drücken die ersten Glieder den in der Einfallsebene polarisirten Antheil, die zweiten den senkrecht auf diese Ebene polarisirten aus. ") Annales de Chim. et de Phys. Il. Ser. XLVI. 223. . vom 8. Februar 1866. 69 Gelangt das gebrochene Licht zur hinteren Fläche der Platte, so geht von dem in der Einfallsebene polarisirten, wieder sin? (r— go) sin? (r+2) hindurch; folglich geht von dem auf die vordere Fläche aufge- fallenen ae sin?(r—e) 1° 5 sin? (r-+e) hindurch, oder wenn man sin’(r—e) _ E sin? (r-+g) setzt, so ist die Intensität des aus der Platte heraustretenden, in der Einfallsebene polarisirten Lichtes 4° Ebenso ist wenn tang?(r— £) —ianger) 7 gesetzt wird, die Intensität des aus der Platte heraustretenden und senkrecht gegen die Einfallsebene polarisirten Lichtes 47° und die Intensität des gesammten durchgegangnen Lichtes Bei 3) ‘Da zwei rechtwinklig zu einander polarisirte Strahlen von gleicher Intensität keine Polarisation zeigen, so ist der polarisirt erscheinende Antheil des durchgegangenen Lichts =" — 4) Geht das Licht durch mehrere parallel hinter einander be- findliche Platten von derselben Beschaffenheit, so wiederholt sich der Vorgang in jeder derselben und wenn ihre Zahl v ist, so ist die Intensität des durchgegangenen Lichtes +(E?’’ +J?°’) [1866.] 6 70 . Gesammtsitzung Der darin polarisirt erscheinende Antheil ist - (E? vn 2 ?) Fällt das Licht unter dem Polarisationswinkel auf die erste Platte, so ist r= 90° — 9 und dann wird tang’(r— Died eg tang?(r-+g) folglich il ferner wird alsdann sin’(r—e) _ ie Pr 2 er) (sin’r — cos?r)” = cos?2r folglich die Intensität des durch v Platten hindurchgegangenen Lichtes ; 4 (sin?r +1) Wächst die Zahl der Platten, so nähert sich dieser Werth#; er kann aber nie kleiner werden als +. Die Intensität des in diesem Falle polarisirt erscheinenden Lichtes wird dann N en) Dieselbe nähert sich auch dem Werthe von Z ohne ihn jedoch je- mals zu erreichen. Esist daher das durchgegangene Licht niemals vollständig polarisirt, sondern enthält immer noch 4 sin?r unpo- larisirtes beigemischt. Für den Fall dafs das Licht senkrecht auffällt, ist nach Fres- nel') die Intensität des in die erste Platte eindringenden Lichts ar: 1-() Es ist folglich die Intensität des aus der hinteren Fläche dieser Platte heraustretenden [7 und des aus v Platten heraustretenden 9] !) A.a. O. 234. vom 8. Februar 1866. 71 Da Ant stets positiv und kleiner als Eins ist, so nimmt dieser Werth mit zunehmender Zahl der Platten beständig ab. Hieraus ergiebt sich dafs mit zunehmender Anzahl von Platten die Intensität des senkrecht hindurch gehenden Lich- tes geringer wird als des unter dem Polarisationswinkel hin- durchgehenden, dessen Intensität nicht unter + sinken kann. Ganz so wie für das Licht verhält es sich auch für die . strahlende Wärme. Aber nicht nur dafs die auffallende Erschei- nung des Durchganges derselben durch die Glimmer- und Glas- säulen aus den Fresnel’schen Gleichungen sich erklärt, die- selben geben auch Aufschlufs über den Vorgang bei der Aus- strahlung der Wärme, vorausgesetzt dafs man, wie oben geschehen, annimmt, dafs die Wärme nicht von der äufsersten Oberfläche allein, sondern von jedem Punkte im Innern des Körpers aus- gestrahlt wird. Bezeichnet, wie oben, od den Winkel, welchen die von dem ausstrahlenden Flächenelement zu dem Thermometer oder der Thermosäule gelangenden Strahlen mit der Normale dieses Flächen- elements machen, und r den Winkel, welchen die Strahlen im Innern des ausstrahlenden Körpers, durch deren Brechung jene hervorgegangen sind, mit der Normale machen, so dafs Ur . —— —=n der Berechnungsexponent des ausstrahlenden Körpers sing > für die Wärmestrahlen ist, so ist, wenn die Intensität der im Innern gegen die Oberfläche gelangenden Wärme gleich Eins gesetzt wird, die der heraustretenden +(E+J) ut undddE=1-— a) stets kleiner sin“(r-+2) tang’(r— als J=1— ua), so ist die tang’(r+2) polarisirt erscheinende Wärme 44-32) stets senkrecht gegen die Brechungsebene polarisirt. Da ferner E und J mit veränderlichem o sich nicht in glei- cher Weise ändern, so ist für verschiedene Werthe von go die 6* 42 Gesammtsitzung Änderung der beiden rechtwinklig gegen einander polarisirten Antheile verschieden, und zwar nimmt mit wachsendem 5 der rechtwinklig gegen die Brechungsebene polarisirte Antheil J we- niger schnell ab als der in dieser Ebene polarisirte £. Was den oben angeführten Beobachtungen vollkommen entspricht. Endlich ist noch hervorzuheben, dafs auch der ganze Werth >(E + J) sich mit veränderlichem o nicht proportional mit cos. og ändert; woraus folgt, dafs die gesammte ausgestrahlte, Wärme, sobald sie theilweis polarisirt ist, nicht mehr dem Lam- bert’schen Gesetze folgt. Sehr grofs scheint die Abweichung von diesem Gesetze nicht zu sein, sonst könnte die gesammte von der glatten Scheibe ausgestrählte Wärme sich nicht so gleich mit der von der pla- tinirten verhalten wie es nach den ausgeführten Messungen der Fall ist. Falst man das Ergebnifs dieser Untersuchungen zusammen, so ist zunächst durch sie bestimmt nachgewiesen, dafs die Wärme, welche ein glühender Körper ausstrahlt, nur zum kleinsten Theil von seiner Oberfläche, zum bei weitem gröfsten aber aus seinem Innern kommt, indem jeder Punkt im Innern Wärme aussendet, welche zur Oberfläche gelangt und nachdem sie dort gebrochen worden, heraustritt. Ferner liefert die Verschiedenheit der In- tensitäten von den beiden rechtwinklig gegeneinander polarisirten Antheilen der unter verschiedenen Winkeln ausgestrahlten Wärme einen neuen Beweis für die Gleichheit der Fortpflanzung von Wärme und Licht. Noch mehr aber, ergiebt sich diese aus der auffallenden Erscheinung bei dem Durchgange durch eine grölsere Anzahl von parallelen diathermanen Platten, durch welche bei senkrechter Incidenz weniger Wärme hindurchgeht, als unter dem Polarisationswinkel. Nach den bis jetzt vorliegenden Untersuchungen über die Wärme war’ die Annahme noch möglich, dafs aufser den trans- versalen Oscillationen, welche aus der Polarisation der Wärme gefolgert werden müssen, auch longitudinale vorhanden seien, oder, um es auf andere Weise auszudrücken, dafs bei der Fort- pflanzung der Wärme die Componente in der Richtung des Strahls eine nicht zu vernachlässigende Gröfse sei. Die oben erwähnten Versuche lassen aber keinen Zweifel darüber, dals vom 8. Februar 1866. 73 die Wärme sich ausschliefslich durch transversale Oscillationen fortpflanzt, weil sonst die Intensität der Wärme bei der Brechung und den Durchgang durch verschiedene Platten sich nicht nach denselben Gesetzen ändern könnte, welche für das Licht aus der Voraussetzung hergeleitet sind, dafs dasselbe nur auf trans- versalen Oscillationen beruht. Es ist aber durch diese Untersuchung nicht allein nachge- wiesen, dafs die Strahlung der Wärme von einem Körper zum andern ausschliefslich auf transversalen Oscillationen beruht, sie zeigt auch, dafs die Fortpflanzung im Innern der ausstrahlenden Substanzen gleichfals durch solche Oscillationen vor sich geht, und wahrscheinlich beruht auch die Leitung innerhalb der Kör- per ee neDlieh auf dieser Art von Bewegungen. Der las über den Einflufs der Absorption der Wärme auf die Bildung des Thaus. Da die Wärme von den Körpern in demselben Mafse aus- gestrahlt wie sie von ihnen absorbirt wird, so ist durch die Be- stimmung ihres Ausstrahlungsvermögens auch ihr Absorptions- vermögen gegeben und umgekehrt durch die Absorption die Ausstrahlung. Bei festen Körpern kann man die eine oder die andere Bestimmung leicht ausführen. Bei tropfbaren Flüssig- keiten hat die Bestimmung der Ausstrahlurg Schwierigkeiten ; denn da man nur die Oberfläche frei d. i. von keinem festen Körper bedeckt anwenden kann, so läfst sich nur die Ausstrah- lung nach oben beobachten, wobei die aufsteigenden Luftströ- mungen störend mitwirken. Fine dünne, an einer festen verticalen Wand haftende Schicht von Flüssigkeit, wie sie bei dem Leslie’schen Würfel angewendet wird, ist zur Bestim- mung der Ausstrahlung nicht brauchbar, weil sie nicht überall dieselbe Dieke hat, und selten alle Stellen der festen Wand be- deckt, aufserdem ist sie so dünn dafs sie die Strahlen dieser Wand selbst durchläfst, so dafs man nicht die Wirkung der Flüssigkeit allein, sondern mit ihr die der festen Wand erhält. Bei luftförmigen Körpern ist die Schwierigkeit noch grölser, weil man sie ohne jede feste Wand anwenden muls. Dennoch habe ich einige Bestimmungen der Ausstrahlung von trockner und feuchter Luft und einigen andern Gasen und Dämpfen 74 Gesammtsitzung ausgeführt. Man hat nämlich bisher bei diesen Körpern nur ihr Vermögen die Wärme durch zu lassen bestimmt und alle nicht hindurch gegangene Wärme als absorbirt betrachtet, dabei hat man sie in Röhren eingeschlossen, die an ihren beiden Enden durch Steinsalzplatten verschlossen waren. Allein für den Wasserdampf tritt dabei der Übelstand ein, dafs derselbe an den Wänden des Steinsalzes verdichtet wird, und da be- kanntlich die allerdünnste Schicht des Wassers nur eine aulserordentlich geringe Menge von Wärme durchläfst, so wird durch jene dünne Schicht von Wasser das Resultat beein- trächtigt. Um diesem Übelstande zu begegnen habe ich die Steinsalzplatten ganz vermieden, indem die Thermosäule in- nerhalb einer vertical stehenden Röhre angebracht war, de- ren oberer, aus sehr dünnem Glase bestehender Verschlufs unmittelbar von aulsen erhitzt wurde, und als Wärmequelle diente. Da indefs die nach dieser Methode für den Wasser- dampf von mir erhaltenen Resultate ganz von denen abweichen welche Hr. Tyndall bei Anwendung von Steinsalzplatten ge- funden hat, und dieser Physiker, obgleich der Einfluls der Stein- salzplatten leicht zu constatiren ist, immer wieder darauf zurück- kommt, dafs die Wärme von dem Wasserdampf mehrere Tau- sendmal stärker absorbirt werde als von der Luft, und da dieses aulserordentliche Absorptionsvermögen der Dämpfe theils von ihm selbst, theils von Andern zur Erklärung verschiedener, für die Meteorologie und die Physik der Erde wichtige Erscheinun- gen bereits zu Grunde gelegt worden ist, so erachtete ich es als eine mir obliegende Pflicht, womöglich auf eine andere Weise die Absorptiou der Wärme durch den Wasserdampf mit der durch die Luft zu vergleichen. Hierfür schien die Vergleichung ihrer Ausstrahlung sich besonders zu eignen, weil dabei alle festen Wände vermiedeu werden konnten. Eine solche Vergleichung hat schon Hr. Frankland in London vorgenommen!) und in einer Abhandlung „Über die physikalische Ursache der Eiszeit“ beschrieben. Er sagt daselbst, er habe ein einfaches Verfahren erdacht die Ausstrahlung des Wasserdampfs experimentell zu erweisen, so *) Pugg. Annal. CXXIII 418, vom 8. Februar 1866. 75 dafs viele Personen auf einmal den Effect sehen können. „Ein Holzkohlenöfchen, 14 Zoll hoch und 6 Zoll im Durchmesser, wird von einer Thermosäule zwei Fufs entfernt aufgestellt, und die Strahlung des Öfchens und der Kohlen wird durch einen doppelten Metallschirm von der Säule abgehalten. Nachdem die durch die Ausstrahlung der aufsteigenden und erhitzten Kohlen bewirkte Ablenkung des Galvanometers sorgfältig mittelst der Strahlung einer constanten Wärmequelle gegen die andere Seite der Sänle neutralisirt worden, läfst man einen Dampfstrom durch ein lothrecht den Ofen durchsetzendes Eisenrohr aufsteigen. Augenblicklich weicht das Galvanometer viel stärker ab als vor der Compensation wo es der vollen Ausstrahlung der erhitzten Luft und Kohlensäure ausgesetzt war. Bei Unterbrechung des Dampfstroms kehrt die Nadel sogleich auf Null zurück. Wenn nun statt des Dampfes ein Luftstrom durch das Rohr getrieben wurde, erfolgte entweder gar keine Ablenkung oder eine schwache in entgegengesetzter Richtung. Die Hitze des Ofens verhindert die Condensation des Dampfes.* Es ist möglich dafs die Condensation des Dampfes durch die Hitze des Ofens vermieden war, indefs würde dies voraus- setzen dafs der Dampf in der Mitte der erwärmten Luft sich hielt. Wenn er sich mit dieser mischte so mulste er an dem Rande derselben, wo sie mit kälterer Luft in Berührung kam, condensirt und in Nebel verwandelt worden sein. Ob aber eine Condensation stattgefunden, ob Nebel vorhanden waren, welche ihre Wärme gegen die Thermosäule strahlten, darauf kommt es hier allein an; denn dafs der Nebel die Wärme sehr gut absor- birt und folglich auch eben so gut ausstrahlt, hat wohl niemals Jemand bezweifelt. Es schien mir deshalb wünschenswerth den Versuch in veränderter Form anzustelleu und die Ausstrahlung der trocknen Luft mit der feuchten, sowie mit einigen andern Gasen und Dämpfen zu vergleichen. Zu dem Ende wurden die Luftarten oder die Dämpfe, de- ren Ausstrahlung untersucht werden sollte, durch ein Rohr aus Messing geleitet, das 15”” inneren Durchmesser hatte, und ho- rizontal befestigt war. Durch Gasflammen wurde dasselbe bis zur Rothglühhitze erwärmt. Das eine Ende war nach oben ge- bogen so dafs die erwärmte Luft senkrecht in die Höhe strömte. 76 Gesammtsitzung In der Entfernung von 400”” von diesem aufsteigenden Luft- strom, war die mit ihren beiden conischen Reflectoren versehene Thermosäule aufgestellt. Sie befand sich, um sie gegen seitliche Bestrahlung zu schützen innerhalb eines Kastens, der 1 Meter lang und 0,6 Meter hoch und ebenso breit war. Die vordere dem heifsen Luftstrom zugewandte Seite dieses Kastens war aus blankem Zinkblech. Vor dieser war noch ein doppelter Metallschirm angebracht um die Wärme des erhitzten Rohres abzuhalten. Die Zinkwand sowohl wie der Schirm hatten eine Öffnung von 50"" Höhe und 25”” Breite, deren Mitte in der Verlängerung der Axe der Thermosäule lag. Der in die Höhe gebogene Theil des Rohrs aus welchem die erwärmte Luft aus- strömte, befand sich in einem Abstande von 45”” von der Wand des Kastens, lag aber so tief unter der erwähnten Öffnung, dafs keine Wärmestrahlen von demselben zur Säule gelangen konnten. Der horizontale Theil des Messingrohrs machte einen Winkel von 40° mit der Ebene der Wand; dadurch wurde erreicht dafs weder die Flammen, welche zum heizen dienten, noch die aus diesen aufsteigenden Producte der Verbrennung, namentlich die Kohlensäure gegen die Säule strahlen konnten und dafs der erhitzte Theil des Rohrs so weit als möglich von der Wand entfernt war. Trotz dieser Entfernung des Rohrs und der an- gebrachten Schirme, erwärmte sich doch die vordere Wand des Kastens und strahlte gegen die Säule. Um den dadurch ent- stehenden Strom wieder aufzuheben, war dem abgewandten Conus gegenüber ein Gefäls angebracht in welchem Wasser durch eingeleitete Dämpfe im Kochen erhalten wurde. Durch einen mittelst einer Schraube beweglichen Schirm, wurde ähn- lich wie es Hr. Tyndall bei seinen Untersuchungen und Hr. Frankland bei dem erwähnten Versuch gemacht haben, der Conus so weit abgeblendet dafs stets ein gleich starker Strom in entgegengesetzter Richtung entstand. Zu dieser Methode der Compensation mufs man seine Zu- flucht in solchen Fällen nehmen, in denen, wie hier, eine all- mählige Erwärmung der Säule nicht zu vermeiden ist; sie steht aber der von Melloni benutzten bedeutend nach. Denn die Wirkung der Säule ist abhängig von dem Unterschied ihrer Tem- peratur und der der Wärmequelle von der sie bestrahlt wird. vom 8. Februar 1866. 77 Bleibt die letztere constant so nimmt die Säule um so weniger Wärme auf je wärmer sie selbst ist, ändert sich daher ihre Temperatur, so sind ihre Angaben nicht mehr unter einander vergleichbar. Die Anwendung der Compensations-Methode setzt deshalb voraus dals die Temperaturveränderungen, welche die Säule im Laufe der Zeit erfährt, gering sind gegen die Wirkun- gen die gemessen werden sollen. Die atmosphärische Luft deren Ausstrahlung untersucht werden sollte wurde mittelst eines grofsen Blasebalgs in das Messingrohr gedrückt. Bevor sie in dasselbe eintrat ging sie, wenn sie trocken sein sollte durch ein geräumiges Gefäls, das mit Stücken geschmolzenen Chlorcalciums gefüllt war, oder wenn sie mit Wasserdämpfen gesättigt sein sollte, durch einen Kolben in dem sich Wasser befand, das beliebig erwärmt wer- den konnte. Die Verbindung war mittelst Hähnen so hergestellt dafs die Luft nach Belieben durch das Chlorcalecium oder durch das Wasser geleitet werden konnte. Um sicher zu sein dafs in beiden Fällen die Temperatur der ausströmenden Luft, wenn auch nicht genau, doch wenigstens annähernd dieselbe war, und um zugleich zu erfahren, wie hoch die Temperatur der ausstrahlenden Luft war, wurde ein Ther- mometer so angebracht dafs seine Kugel sich mitten in dem aufsteigenden Luftstrom und vor der Mitte der Öffnung befand, durch welche die Wärme in den Kasten und gegen die Säule strahlte. Diese Stelle lag in der Höhe von 60”” über der Aus- strömungsöffnung des Messingrohrs. Daselbst zeigte das Ther- mometer 220 — 230° ©. Darauf wurde es in der Höhe von 180”” über der Ausströmungsöffnung angebracht, wo es noch 120—150° C. zeigte. An dieser letzteren Stelle befand es sich stets während der Versuche. Von derselben konnte es weder gegen die Säule strahlen, noch hinderte es den aufsteigenden Luftstrom. An beiden Stellen blieb die Temperatur dieselbe, es mochte trockne oder feuchte Luft durch das Rohr gehn, vor- ausgesetzt, dafs der Druck derselbe blieb unter dem die Luft durch das Messingrohr strömte. Bei den andern sogleich zu erwähnenden Gasen war der Druck unter dem sie in die er- hitzte Röhre gelangten so geregelt, dafs das Thermometer in 78 Gesammtsitzung der Höhe von 180”” gleichfalls auf der Temperatur von 120—130° blieb. Wurde trockne atmosphärische Luft durch das erhitzte Messingrohr geblasen, so brachte diese eine höchst geringe Wir- kung auf die Säule hervor. Der Ausschlag des sehr empfind- lichen Galvanometers betrug etwa 3"”" oder Scalentheile'). War die Luft durch den Kolben mit Wasser gegangen, so blieb der Ausschlag fast unverändert, er steigerte sich nur um etwa 3—5 Scalentheile. Wurde statt der atmosph. Luft trockne Kohlensäure durch die glühende Messingröhre geleitet, so betrug der Ausschlag des Galvanometers 100— 120 Scalentheile. _Gewöhnliches Leuchtgas lieferte nahe denselben Ausschlag. Wurde atmosphärische Luft durch den Kolben geleitet wäh- rend das Wasser in demselben auf 60—80° C. erwärmt war, so brachte die so mit Wasserdämpfen gesättigte Luft einen Aus- schlag hervor, der unregelmäfsig war und bisweilen bis zu 20”” anwuchs, aber sehr allmählig, während die Ausschläge, welche die Kohlensäure und das Leuchtgas hervorbrachten, plötzlich eintraten und schnell sich bis zum Maximum steigerten. Man könnte glauben, dafs von dem Kolben bis zu der erhitzten Stelle des Messingrohrs die Dämpfe sich soweit niedergeschlagen hatten, dafs an dieser Stelle nur noch wenig oder gar kein Dampf mehr vorhanden war. Aber abgesehn davon, dals eine solche Abkühlung auf jenem Wege unmöglich war, weil das kurze Stück von dem Kolben bis zu dem glühenden Rohr stets sehr . warm war, so konnte die grofse Menge von Wasserdämpfen leicht dadurch in der ausstrahlenden Luft nachgewiesen werden, dafs eine Glasplatte in dieselbe gebracht wurde, auf die sich reichlich Wasser niederschlug. Wenn das Wasser in dem Kolben so stark kochte dafs sich in der ausströmenden Luft Nebel zeigten, so gab das Galvano- meter einen Ausschlag von mehr als 100 Sealentheilen. Der- selbe Erfolg fand statt wenn keine Luft durch den Kolben ge- leitet wurde, das Wasser in demselben aber so stark kochte !) Das Galvanometer war dasselbe, welches in Pogg. Ann. CXXIV. 479 beschrieben ist. vom 8. Februar 1866. 79 dafs der Dampf aus der erhitzten Röhre strömte, wobei sich dann aber auch jedesmal Nebel zeigten. Waren keine Nebel sichtbar so gab das Galvanometer keinen grölseren Ausschlag als 20 Scalentheile, die Luft mochte noch so viel Dämpfe enthalten, Aus der Art wie dieser verhältnifsmäfsig geringe Ausschlag ein- trat, aus seiner Unregelmälsigkeit und dem langsamen Vorrücken der Nadel, ist man versucht zu schliefsen dafs auch dieser auf einer Bildung von Nebeln beruhte, die an der Grenze des auf- steigenden Stromes sich bildeten und nur wegen ihrer geringen Menge für das Auge nicht wahrnehmbar waren. Sobald der grölsere Ausschlag eintrat waren die Nebel jedesmal sichtbar. Sie sind mit solcher Sicherheit wahrzunehmen, dafs stets wenn der eine Beobachter die Nebel zuerst bemerkte, der andere, an dem Fernrohr befindliche, die Bewegung des Galvanometers an- kündigte. Ich glaubte dafs unter Anwendung der sehr sinnreichen Vorrichtung welche Hr. Toepler in seiner Abhandlung „Beob- achtungen nach einer neuen optischen Methode“ unter dem Namen Schlierenapparat beschrieben hat, die Nebel sich noch leichter würden beobachten lassen, indefs fand ich bald dafs diese künstliche Vorrichtung hier keinen Vortheil gewährt, zumal eine Täuschung in Betreff des Auftretens der Nebel gar nicht möglich war. Auch haben mehrere meiner Freunde, welche zu verschie denen Zeiten bei den Versuchen anwesend waren, namentlieh die Herren Dove, du Bois-Reymond, Hofmann, Pog- gendorff, Quincke, Riefs, sich überzeugt dafs die Luft, wenn sie bei gewöhnlicher Temperatur sich mit Wasser dämpfen gesättigt hatte, keinen grölsern Ausschlag als etwa 3”" hervorbrachte und wenn sie bei höherer Temperatur die Dämpfe aufgenommen, doch keinen gröfseren Ausschlag als 20”” erzeugte, dafs erst wenn Nebel sichtbar wurden der Ausschlag nahe so viel betrug wie von Kohlensäure, nämlich mehr als 100””. Aufser den Genannten hat auch Hr. Dr. Kundt, dessen Unterstützung ich mich bei dieser Untersuchung zu erfreuen hatte, sich von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugt. Aus diesen Versuchen geht, wie ich glaube, hervor dafs die Ausstrahlung des durchsichtigen oder eigentlichen Wasser- 80 Gesammtsitzung dampfs ungleich geringer als die von kohlensaurem Gase oder von Leuchtgas ist, und unbedeutend gröfser als von trockner atmosphärischer Luft. Daraus folgt dafs auch das Absorp- tionsvermögen der Luft welche durchsichtige Dämpfe enthält oder damit gesättigt ist, wenig von dem der trocknen verschieden ist, und dafs die Luft nur wenn nebelartiger d. i. condensirter Dampf in ihr vorhanden ist, die Wärme gut aus- strahlt und eben so gut absorbirt. Die Dämpfe der meisten anderen Flüssigkeiten oxydiren sich wenn sie mit atmosph. Luft gemischt durch das glühende Rohr gehn, oder wenn sie erhitzt aus demselben in die Luft treten. Besonders leicht oxydiren sich die Dämpfe von Aethyl- aether. Ging die Luft durch den Aether, der die Temperatur des Zimmers von 15° C. hatte, so war beim Heraustreten aus der glühenden Röhre der Geruch von Aldehyd und Essigäther sogleich wahrnehmbar, dabei stieg das Thermometer über der Ausströmungsöffnung sehr bedeutend, was auf eine fortgesetzte Oxydation der Dämpfe aufserhalb des Rohrs schliefsen liefs. Der Erwärmung entsprechend war auch der Ausschlag des Gal- vanometers so grols, dafs er nicht mehr beobachtet werden konnte. Ging die Luft durch absoluten Alcohol von 15°C. so betrug der Ausschlag des Galvanometers nur etwa 30”®. War derselbe bis zu seinem Kochpunkt erwärmt, so stieg der Aus- schlag auf 80—100"”. Es fand zwar auch eine Oxydation statt aber sie war im Vergleich zu der des Athers nur gering. Auch blieb der Stand des Thermometers ungeändert, es mochte dampffreie oder mit Alcoholdämpfen gesättigte Luft aus dem Rohre heraustreten. Ebenso verhielt es sich in Bezug auf die Temperatur bei Anwendung der folgenden Flüssigkeiten. Ging die Luft durch Amylalkohol von 15° C. so brachte sie einen kaum bemerkbaren Ausschlag des Galvanometers her- vor. Da dieser Alkohol erst bei 130—132° C. kocht, so bil- deten sich beim hindurchleiten der Luft nur sehr wenig Dämpfe. War er, wenn die Luft hindurchging, bis nahe zu seinem Koch- punkt erwärmt, so entstand ein Ausschlag von 60—80””. Methylalkohol, der schon bei 65° C. kocht, erzeugte wenn er von 15° C. angewendet wurde, einen Ausschlag von vom 8. Februar 1866. 81 60"m, war er bis zu seinem Kochpunkt erhitzt, so war die Oxydation so bedeutend, dafs keine Beobachtung stattfinden konnte. Ging die Luft durch kalten Essigäther so betrug der Ausschlag 30—50"”. War er bis zu seinem Kochpunkt erwärmt 200 — 220”, Durch Borsäureäther von 15° C. wurde ein Ausschlag von 30” erhalten, war er bis zu seinem Kochpunkt erhitzt, von 100—110"m, Eine gröfsere Anzahl von Dämpfen zu untersuchen schien überflüssig da wegen ihrer leichten Oxydation sichere Resultate zu erhalten unmöglich war. Zur Beurtheilung des Ausstrahlungs- vermögens der Wasserdämpfe bietet die Kohlensäure wegen ih- rer Unveränderlichkeit einen viel sicheren Anhaltspunkt als alle anderen Dämpfe. Der Vergleich mit dieser aber zeigt, wie schon oben bemerkt, in sehr bestimmter Weise dafs der Wasserdampf in seinem durchsichtigen Zustande ein nur sehr wenig grölseres Ausstrahlungsvermögen für die Wärme besitzt als die trockne atmosphärische Luft, und dafs daher auch das Absorptionsver- mögen beider wenig von einander verschieden ist. Aber ich glaube es hätte dieser Versuche nicht bedurft. Ein sehr bekanntes Phänomen das auf der Ausstrahlung der Wärme beruht, liefert einen schlagenderen Beweis für die geringe Absorptionsfähigkeit des Wasserdampfs als alle Versuche in den Laboratorien. Wäre der Wasserdampf in der That ein so guter Absorbent der Wärme wie Hr. Tyndall behauptet, so würde es niemals thauen können, denn der für den Thau unerläfsliche Wasserdampf würde gleichsam eine Decke über der Oberfläche der Erde bilden und würde ihre Ausstrahlung verhindern. Aber gerade da wo die Atmosphäre besonders wasserreich ist, in den Tropen bildet sich der Thau vorzugsweise, und jene Gegenden würden, wie bekannt, aller Fruchtbarkeit entbehren, wenn den Pflanzen nicht durch den Thau Feuchtigkeit zugeführt würde. Wollte man einwenden dafs der Dampf die Wärme zwar absor- bire, davon aber nur einen Theil zur Erde zurück, den grölse- ren hingegen von derselben fort in die höheren Schichten der Atmosphäre strahle, so würde dieser Vorgang der theilweisen Ausstrahlung sich von Schicht zu Schicht wiederholen, und in 82 Gesammtsitzung Folge davon mülste die Temperatur in den verschiedenen Schichten mit der Höhe abnehmen. Dies ist aber bekanntlich beim Thauen nicht der Fall, vielmehr sinkt die Temperatur nur zunächst der gut ausstrahlenden Oberfläche der Erde und ist wenige Fufse über derselben nicht niedriger als über einer schlecht ausstrahlenden Stelle die nicht bethaut. Aufserdem würde, da sämmtliche Schichten der Atmosphäre, so wie sie einen Theil ihrer Wärme von der Erde fortstrahlen auch einen andern zu derselben zurückstrahlen, eine Abkühlung unmöglich sein. Besäfse der Wasserdampf ein so grolses Absorptionsver- mögen, wie ihm Hr. Tyndall beilegt, so könnte nur aufseror- dentlich wenig von der ausgestrahlten Wärme bis zu den Wolken gelangen, da die mächtige bis zu diesen reichende Dampfschicht sie sämmtlich absorbiren würde. Es wäre dann nicht zu erklä- ren weshalb die Wolken das Thauen verhindern. Seit Wells denkwürdigen Untersuchungen nimmt man allgemein an dafs die Wärmestrahlen fafst ungeschwächt bis zu den Wolken gelangen und von diesen reflectirt zur Erde zurückkehren, fände ein solcher, fast ungehinderter Durchgang durch die feuchte Luft nicht statt, so könnten die Wolken in ihrer grofsen Entfernung die Ausstrahlung nicht ebenso verhindern wie ein Brett oder ein anderer fester Körper der in geringer Entfernung über der Erde sich befindet. Die Folgerungen welche Hr. Frankland für die Eiszeit und Hr. Tyndall für gewisse klimatische Erscheinungen aus der grofsen Absorptionsfähigkeit des Wasserdampfes herleiten, bleiben unverändert wenn man statt des wirklichen Dampfes den nebelförmigen setzt. Denn dieser ist es der zur Erhaltung des schönen Grüns der brittischen Inseln beiträgt, indem er so- wohl die brennenden Strahlen der Sonne mälsigt als grofse Kälten, die nur bei klarem Himmel und starker Ausstrahlung auftreten, verhindert. Vor Kurzem haben die Herren Secchi in Rom') und Cooke?) zu Cambridge in Amerika das von ihnen beobachtete *) Camptes rendus LX. 379. ”) Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences. Vol. VII. January 1866. , I vom 8. Februar 1866. 83 Auftreten gewisser Linien im Sonnenspectrum bei grofsem Feuch- tigkeitsgehalt der Atmosphäre in Zusammenhang gebracht mit der Absorption der Wärme durch den Wasserdampf. Abgesehn davon dafs, wie die oben angeführten Versuche zeigen, die Wärme von den durchsichtigen Wasserdämpfen nur aufseror dentlich wenig absorbirt wird, so entspricht auch die Absorption des Lichtes durch die geringe Menge dunkler Linien, welche bei feuchter Luft auftreten, verglichen mit der Lichtintensität des gesammten Spectrums, keineswegs einer so grolsen Absorp- tion der Wärme wie sie nach Hrn. Tyndall stattfinden soll. Vielmehr könnte man umgekehrt behaupten, dafs gerade die ge- ringe Abnahme der Lichtintensität bei feuchter aber vollkommen durchsichtiger Luft eine Bestätigung dafür liefert dafs auch die Wärmestrahlen sehr wenig von solcher Luft absorbirt werden. Wie sehr man sich. daher auch bemüht den durchsichtigen Wasserdämpfen ein sehr grofses Absorptionsvermögen für die Wärme beizulegen so geht doch aus den angeführten Versuchen, noch mehr aber aus den Erscheinungen des Thaus hervor dafs die starke Absorption nicht den durchsichtigen, sondern nur den nebelförmigen Dämpfen zukommt. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Nova Acta Academiae Leop. Carolinae. Vol. 32, Pars 1. Dresdae 1865. 4. Memoirs of the Royal Astronomical Society. Vol. 23. London 1865. 4. Proceedings of the Royal Institution of Great Britain, no. 4. 42. Lon- don 1865. 8. Rendiconto della societa reale di Napoli. Aprile, Maggio. Napoli 1865. 8. Abich, Beiträge zur geologischen Kenntnifs der Thermalquellen in den kaukasischen Ländern. Tiflis 1865. 4. von Martius, Vorträge über die Florenreiche. München 1865. 8. 15. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Schott las die dritte Abtheilung seiner alta- Jischen Studien. Hr. Hofmann legte die folgende Mittheilung des Hrn. C. A. Martius über eine Doppelverbindung von Ka- liumferrocyanid mit Kalium- und Natriumnitrat vor. 34 Gesammtsitzung In der chemischen Fabrik der Herrn Roberts Dale & Co. in Warrington finden zuweilen, aus den Blutlaugensalzfabriken stammende, kalihaltige Rückstände bei der Salpeterbereitung Anwendung. Die Mutterlauge, aus der sich der Kalisalpeter abgeschieden hat, setzt dann manchmal beim Erkalten eine nicht unbedeutende Menge eines schön krystallisirten Salzes ab, welches durch wiederholtes Umkrystallisiren aus kochendem Wasser leicht rein erhalten werden kann. Eine Analyse des mir von Herrn J. Dale zur Unter- suchung übergebenen Salzes führte zur Formel: Fe’ K,(NC), + 2NaNO, + 2KNO, „(RK — Fe (ni): + 4KNO, Diese merkwürdige Verbindung läfst sich auch erhalten, wenn man zu einem kochenden Gemische von Kalium und Na- trium-Nitrat eine Lösung von Kaliumferrocyanid setzt und nach- dem sich der gröfste Theil des Salpeters ausgeschieden hat die Mutterlauge sehr langsam verdampfen läfst. Das Salz krystallisirt aus einer heifs gesättigten wälsrigen Lösung in grofsen wohlausgebildeten Krystallen des hexagona- len Systems. Prof. v. Lang, welcher die Güte hatte dieselben einer genauern Messung zu unterwerfen, machte folgende An- gaben darüber: 111:100 = 4445 | Beobachtete Flächen : 111; 100; 133; 8I1; 455; 511; 111; berechnet: beobachtet: 100. 111 = 44° 45 45° 133. 111 = 38° 5 380 95° SELL Na Ingo 56° 50° 455. 111 511. 111 _ 63° 14° 64 appr. im. = zZ 1000105 =7155,58; _ Die Krystalle sind, wie die beistehende Figur zeigt, durch das Vorherrschen der Fläche 111 plattenförmig; die vom 15. Februar 1866. 85 Rhomboeder 811; 5Il und deren verwendete Formen 455, Ill treten nur untergeordnet auf. Mit Ausnahme von 111 sind die Flächen alle schlecht spiegelnd und daher nicht geeignet zu genauern Messungen. Die Krystalle besitzen eine hellgelbe Farbe, sind hart und spröde und liefern beim Zerreiben ein weilses Pulver. Bei län- germ Liegen am Lichte überziehen sie sich mit einer grünlichen Schicht. Höchst charakteristisch für diese Verbindung ist die Ei- genschaft beim Reiben oder Schütteln im Dunklen mit blaugrünem Lichte zu phosphoresciren. Das Salz ist leicht löslich in Wasser und kann ohne Zer- setzung zu erleiden umkrystallisirt werden. Beim schwachen Erhitzen verknistert es, in höherer Temperatur verpufft es fast so heftig wie Schielspulver. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Abhandlungen der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 7 Hefte. Leipzig 1865. 4. Berichte der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 3 Hefte. ib. 1864 — 1865. 8. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. 3. Band: Fraas, Ge- schichte der Landbau- und Forstwissenschaft. 4. Band: Peschel, Ge- schichte der Erdkunde. München 1865. 8. Marignac, Recherches sur les combinaisons du Niobium. Deurieme Me- moire. (Geneve 1866.) 8. Fenicia, L’avoiso di Dio. Componimento. Napoli 1865. 8. Annali del R. Museo di fisica e storia naturale di Firenze per il 18656. Nuova Serie. Vol. I. Firenze 1866. 4. Die Akademie wählte die Herren A. F. Stenzler in Breslau, W. H. Waddington in Paris, und M. F. Brosset in Pe- tersburg zu ihren Correspondenten in der philosophisch-histori- schen Klasse. [1866.] 7 86 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 19. Februar. Sitzung der physikalisch-ma- thematischen Klasse. Hr. Borchardt las über eine Aufgabe des Maxi- mums. — Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über neue Amphi- bien (Amphibolurus, Lygosoma, Cyclodus, Mastico- phis, Crotaphopeltis) und Fische (Diagramma, Hapa- logenys) des Kgl. zoologischen Museums. 1. Amphibolurus heterurus n. sp. Die Nasenlöcher öffnen sich seitlich und liegen der Schnauzen- spitze etwas näher als den Augen. Ein Längskamm, welcher am Nacken beginnt und etwas nach dem ersten Drittel des Schwanzes aufhört, um sich von dort in einen niedrigeren Doppelkdämm bis zum Ende des zusammengedrückten Schwan- zes fortzusetzen; die Schuppen, welche diesen Kamm bilden, sind auf dem Nacken am grölsten, auf dem Anfange des Rük- kens und auf dem Kreuze am kleinsten. Auf dem Rücken, dem Anfange des Schwanzes und auf der hintern Extremität mehr oder weniger regelmäfsige Querreihen von Schuppen, welche auffallend gröfser sind als die anderen. Die Supraorbital- schuppen sind auffallend klein, 3 bis 4 Mal kleiner als die Schuppen des Vorderkopfes, welche gekielt oder warzig zu- gespitzt erscheinen. Einige Schuppen der Schläfengegend, ein- zelne Reihen derselben über, unter und hinter der Ohröffnung, besonders aber ein Paar Schuppen auf der parotidenartig ge- _ schwollenen Haut der Unterkieferwinkel bilden dornartige Spitzen. Die Haut der Kehle bildet zwei Falten, von denen die vordere sehr viel flacher als die hintere ist. Im Allgemeinen sind die Schuppen des Rückens etwas gröfser als die des Nackens und des vordern Theils der Körperseite; die Kiele der Rücken- schuppen steigen schräg nach hinten in die Höhe und wo der Rücken in die Körperseiten übergeht zieht sich eine undeutliche erhabene aber nicht durch gröfsere Schuppen ausgezeichnete Linie hin, welche die Fortsetzung einer deutlicheren Falte der vom 19. Februar 1866. 37 Halsseite ist. Die Schuppen des Unterkinns und der Kehle, mit Ausnahme der kleinen Schuppen der vertieften Falten, scheinen dicker und daher stärker gekielt als die der Brust und des Un- terleibes, welche gröfser als die des Rückens sind. Die Schup- pen an der Aufsenseite der Gliedmafsen sind kaum grölser, aber schärfer gekielt als die der Brust. Die Schuppen der Unterseite des Schwanzes sind gröfser als die des Bauches, meist von tra- pezoidaler Gestalt und bilden von der zweiten Hälfte an nur zwei Längsreihen. Unter den Schenkeln befindet sich eine Reihe von 18 bis 20 Drüsenporen. Die Farbe der Oberseite erscheint dunkel olivenbraun; eine Reihe durch viel kürzere helle Querflecke getrennter schwarzer rundlicher Flecke vom Nacken bis zum Schwanze, auf welchem sie sich in breite, an den Seiten herabsteigende Querbinden ver- wandeln. Eine breite schwarze Längsbinde erstreckt sich vom Auge, das Ohr einschliefsend, bis zum Ende der Halsseite und auf jeder Schultergegend befindet sich ein schwarzer rundlicher Fleck. Die Extremitäten erscheinen an der Aufsenseite schwarz, mit schmalen unregelmäfsigen gelblichen Querbinden. Die Un- terseite des Kopfes, des Hinterleibes und des Schwanzes ist schmutzig gelb, die Kehle und die Vorderbrust schwärzlich, während die Hinterbrust schmutzig zinnoberroth erscheint. An einem andern Exemplar ist die Grundfarbe oben heller oliven- farbig, gelb und schwarz gescheckt, an der Bauchseite schmutzig gelb, mit einigen schwarzen Linien an der Kehle uud zerstreu- ten schwarzen Punkten an der Brust. Zwei Exemplare, von denen das gröfste 0”86 lang ist, aus Neu-Südwales (Clarence River) durch Hrn. G. Krefft. Diese Art hat wegen des Längskamms und der Querreihen grölserer Schuppen die nächste Verwandtschaft mit A. reticula- tus Gray, unterscheidet sich von diesem aber leicht durch die Kleinheit der Schuppen, welche die Supraorbitalgegend bekleiden, ' durch den auffallend zusammengedrückten Schwanz und durch die Färbung. Von A. cristatus Gray unterscheidet sie sich durch den Mangel an seitlichen Längsreihen gröfserer Schuppen und ebenfalls durch die Form des Schwanzes, welcher nach Hrn. Gray bei jener Art allmählig conisch zugespitzt (tapering) 7* 88 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse und mit gleichförmigen gekielten Schuppen bekleidet ist. Sie ist die grölste aller bekannten” Arten. 2. Amphibolurus pictus n. Sp. 'Amphibolurus ornalus Peters, non Gray, Monatsberichte etc. 1863 p. 230. Diese Art, welche ich früher für den Jugendzustand von A. ornatus hielt, ist nach Untersuchung trächtiger Exemplare wohl von letzterem zu unterscheiden. Das ganze Thier ist weniger abgeplattet, namentlich der Kopf höher, mehr wie bei A. angulifer gebildet. Der Kopf hat eine vierseitig pyramidale Gestalt, ist reichlich halb so breit wie lang, und um — breiter als hoch. Die Nasenlöcher liegen in der Mitte zwischen der Schnauzenspitze und den Augen. Die Schuppen des Oberkopfes sind wulstig gekielt, die der Supraor- bitalgegend ungefähr halb so grofs, wie die des Schnauzenrük- kens. Ein Kamm gröfserer Schuppen beginnt unter dem Na- senloch, geht bogenförmig unter dem Auge hin und bildet zu- letzt den obern Rand der weiten Ohröffnung. Ein schwächerer Schuppenkamm geht vom Mundwinkel aus, um unter der Ohr- öffnung fortzugehen. Die Kehlfalte ist meist doppelt, doch ist an einigen Exemplaren die vordere flache Falte verwischt. An den Halsseiten bilden sich durch die Hautfalten drei Gruben, eine kleine dreieckige hinter dem Ohr, welche oben von einem kleinen Kamm dornförmig verlängerter Schuppen, unten durch eine dornförmig vorspringende Schuppe begrenzt wird, eine mitt- lere unregelmälsig gestaltete, welche bis zum Unterkieferwinkel herabsteigt und deren oberer Rand zuweilen durch eine Fort- setzung des Schuppenkammes der vorhergehenden Grube mehr hervortritt, und eine hintere, vor und über der Schulter befind- liche bogenförmige Grube, welche die unmittelbare Fortsetzung der tiefen Kehlfurche ist. Ein sehr wenig entwickelter mittlerer Nackenkamm setzt sich durch eine Reihe gröfserer Schuppen bis auf den Basaltheil des Schwanzes fort. Die übrigen Rückenschuppen sind gleich- förmig, etwas grölser als die Seitenschuppen und etwas kleiner als die Bauchschuppen, welche letztere entweder wie die vom 19. Februar 1866. 89 Rückenschuppen schwach gekielt oder fast glatt sind. Der Schwanz ist an der Basis abgeplattet, nach dem Ende hin drehrund, allmählig conisch zugespitzt, wirtelförmig mit gekielten Schuppen umgeben, welche nur an der Unterseite ein wenig grölser als die Bauchschuppen sind. Die Femoralporen bilden eine ununterbrochene Reihe von einem Schenkel zum andern. Die vordere Extremität ragt bis an das Ende der Schnauze, die hintere bis an das Auge; die Schuppen sind besonders an der Aulsenseite des Oberarms deutlich gekielt. Die Farbe des Oberkopfes ist braun, ebenso die Grundfarbe des Körpers und Schwanzes, welche aber auch oft einen bläulichen Anschein hat; längs der Mitte zieht sich entweder eine vom Nacken bis auf den Schwanz verlaufende, an den Seiten unre- gelmäfsig gezackte schwarze Längsbinde hin oder diese Binde ist unterbrochen und wird durch unregelmäfsige Querbinden und Querstriche repräsentirt, welche durch schöne gelbe (in Wein- geist allmählig erblassende) Querflecke von einander getrennt werden. Diese gelben Mittelflecke sind daher mehr oder weni- ger unregelmälsig und eben so die von ihnen auf die Körper- seiten ausgehenden mehr oder weniger deutlichen Fleckenquerrei- hen. Die unregelmälsigen, die helleren Flecken umgebenden schwarzen Zeichnungen vereinigen sich zuweilen am Schwanze je- derseits zu einer unregelmälsigen Längsbinde. Die Unterseite ist meist gelb, an der Kehle im Leben prachtvoll dunkelblau'). Malse eines Weibchens, welches jederseits zwei fast kir- schengrolse Eier enthält: Totallänge 07165; Länge des Kopfes 07018; Schwanz 07103; vord. Extr. 07024; hint. Extr. 07042. — Südaustralien, 3. Lygosoma (Hinulia) pantherinum n. Sp. Die Rückenschuppen in 8 Längsreihen und der vordere Rand der Ohröffnung mit vorspringenden Schuppen, wie bei L. Whitei, dem die vorstehende Art am nächsten steht; der Kopf ist aber verhältnifsmäfsig viel kleiner und kürzer und die Schilder sind verschieden, indem die Nasalia aneinanderstofsen und 1) Nicht „dunkelbraun“, wie in den ‚„Monatsberichten 1863 p. 230. 2. 12 v. oben“ steht, 90 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse fast eben so grols sind, wie das Internasale, die Frontoparieta- lia, die Parietalia und das Internasale aber viel kürzer sind, so dafs diese Schilder zusammen nicht länger sind als das Fron-, tale medium, welches letztere dieselbe dreieckige, hinten lang zugespitzte Gestalt hat, wie bei jener Art. Die Grundfarbe der Oberseite des ganzen Thiers ist schön hell kastanienbraun. Längs der Mitte des Rückens geht eine unregelmälsige schwarze Längsbinde, welche bald schmäler, bald breiter wird und neben der von Zeit zu Zeit weilse kurze Längsflecken auftreten, welche nach aufsen wieder von gröfseren schwarzen Längsflecken be- grenzt werden. Jederseits, wo der Rücken in die Körperseiten übergeht, eine zweite, längs der Mitte der Körperseiten eine dritte und unten an der Seite eine vierte Reihe solcher weilser schwarz eingefalster Flecke; die letzte dieser Reihen liegt auf blafsgelbem Grunde. Die oberen Reihen setzen sich auf die Basis des Schwanzes fort, welcher weiterhin eine gröfsere seitliche und eine kleinere obere schwarze Fleckenbinde zeigt. Der Kopf ist oben mit einigen schwarzen Punkten an der Grenze der Schilder, unter dem Auge mit zwei weilsen von schwarzen ab- steigenden Linien eingefalsten Flecken und die Schläfengegend mit sparsamen weilsen und schwarzen Punkten geziert. Die Au- genlider haben nicht die characteristische weilse (orangengelbe) Färbung, wie bei L. Whitei, sondern die braune Grund- farbe. Die Bauchseite ist weils; an dem Unterkinn sieht man einige braune Punkte, jederseits am Unterleibe eine oder zwei zwischen den Schuppen verlaufende, und unter dem Schwanz Anfangs 5, dann 3 braune Fleckenlinien. Auch an dem vordern Rande der Unterseite der Schenkel befinden sich 2 solcher brauner Fleckenlinien. Totalläinge 0”183; Kopf 0”017; Schwanz 0”106; vord. Extr. 0"024; hint. Extr. 07034. Das mir vorliegende einzige Exemplar dieser ausgezeichnet schönen Art stammt vom Swan River (Australien); gekauft. 4. Cyclodus (Omolepida) luctuosus n. Sp. Diese Art hat dieselbe langgestreckte Körperform wie C. casuarinae, keine bogenförmige Furche hinter dem Nasenloch vom 19. Februar 1866. 91 und ebenfalls in der Körpermitte vierundzwanzig Längsreihen von Schuppen. Sie hat aber 1. das Interparietale viel kleiner lanzettförmig, 2. den vordern Rand der Ohröffnung mit 2 bis 3 spitzen Schuppen bedeckt und ist 3. oben und an den Körperseiten fast ganz schwarz, indem die grünlich gelbe Grundfarbe durch schwarze Längsbinden fast ganz verdrängt ist, so dafs sie nur in unregelmälsigen Flecken auf der Mitte der Kopfschilder, am Rücken in zwei seitlichen punctirten Binden und an den seitlichen Körpertheilen punctförmig zerstreut auftritt. Die Un- terseite des Kopfes und Körpers ist gelb, nur einzelne Schuppen zeigen einen breiten schwarzen Längsstrich. Unter dem Schwanze bilden diese Schuppenflecke Längslinien, wobei zugleich die Grundfarbe immer dunkler wird, so dafs das Schwanzende ganz schwarz ist. Totallänge 0”315; Kopf 0”030; Schwanz 07190; vord. Extr. 0”030; hint. Extr. 0”043. Dieser Beschreibung liegt ebenfalls nur ein Exemplar zu Grunde, welches aus King George (Südwestaustralien) stammt. 5. Masticophis spinalis n. sp. Hinterer Oberkieferzahn ungefurcht, aber länger als die vorhergehenden fast gleichlangen Zähne. Kopf langgestreckt, doppelt so lang wie breit, mit vorspringender abgerundeter Schnauze. Praefrontalia breiter als lang; nicht länger als die Internasalia. Nasenloch zwischen dem obern Theil der beiden Nasalia. Frenale trapezoidal, länger als breit. Zwei Ante- orbitalia, von denen das grosse obere nicht mit dem Frontale medium in Berührung steht, das untere klein ist wie gewöhnlich, unten zwischen dem 3. und 4. Supralabiale gelegen. Das Fron- tale medium ist sehr lang, vorn breit und! sehr stumpfwinklig, an den Seiten flach concav, hinten abgerundet spitzwinklig. Die Parietalia sind kaum länger als das Frontale und am hintern Ende abgerundet. Die Supraorbitalia sind vorn schmä- ler als hinten, wo sie viel breiter sind als das Frontale ebenda. 2 Postorbitalia. Temporalschuppen links 2 + 2 + 3, rechts 1-+2-+-3, indem hier die erste obere Schuppe mit dem Parie- 92 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse tale verwachsen ist. 8 Supralabialia, von denen das 4. und 5. ans Auge stossen; 10 Infralabialia, von denen das 1. mit dem der andern Seite hinter dem Mentale zusammentritt, das 5. das grölste ist. Zwei Paar lange Submentalia, welche mit fünf Infralabialia in Verbindung stehen und von denen die hinteren etwas länger sind. Körper sehr lang und dünn, mit 17 Längsreihen von glatten Schuppen bedeckt, von denen die des Rückens zwei Endgrübchen erkennen lassen; die Schuppen der untersten Reihe sind doppelt so breit, wie die des Mittelrückens. Die Schuppen an den Seiten neben dem After sind beträchtlich kleiner als die anderen. 203 Scuta abdominalia, 1 getheiltes Anale und 96 Paar Subcaudalia. Die Oberseite ist olivenfarbig grünlich braun. Eine schöne gelbe, schwarz gesäumte Längsbinde beginnt nahe dem vordern Ende des Frontale und geht längs der Mitte des Rückens, die mittlere und die Hälfte der jederseits daran stofsenden Schup- penreihe einnehmend, bis nahe an das Schwanzende. Eine un- deutliche gelbe Querbinde am hintern Rande der Praefrontalia, die Ante- und Postorbitalia, eine undeutliche schmale Längs- binde auf den Schläfenschuppen, der grölste Theil der Suprala- bialia und die Unterseite des Thieres sind gelb. Eine unregel- mälsig gezackte Binde am obern Theile der Supralabialia, welche am 5. Supralabiale unterbrochen ist und an dem Hintertheile des Halses schmäler wieder zum Vorschein kommt, sowie ein Fleck an der Vorderseite des Seitenwinkels der Bauchschilder sind schwarz. Eine undeutliche schwärzliche Linie zieht sich über das Ende der Bauchschilder und die dazwischen liegenden Theile der un- tern Schuppenreihe hin, welche letztere in der Mitte heller sind, so dafs über der schwärzlichen eine hellere Längslinie entsteht, welcher parallel an den Seiten des Körperendes und des Schwan- zes ähnliche Längslinien auftreten. Totallänge 0"835; Kopflänge 0°021; Kopfbreite 0”010; Schwanzlänge 0"220; Körperdicke 0”0105. Diese ausgezeichnet schöne Art hat das zoologische Mu- seum von einem Händler gekauft, nach dessen Angabe sie aus Mexico stammen soll. vom 19. Februar 1866. 93 6. Crotaphopeltis punctata.n. sp. Hinter den kurzen glatten Oberkieferzähnen, durch eine Lücke von ihnen getrennt, 1 oder 2 lange Furchenzähne. Kopf von länglich eiförmiger Gestalt mit stumpfer Schnauze. Na- senlöcher rund und zwischen zwei Nasalia und einem Inter- nasale sich öffnend, hinten von einer sichelförmigen Vertiefung umgeben. Augen mälsig grofs mit senkrechter Pupille. Rostrale doppelt so hoch wie breit, mit einem untern con- caven und einem obern convexen Rande, von oben betrachtet kaum sichtbar. Internasalia trapezoidal; Praefrontalia heptago- nal, etwas breiter als lang und um die Hälfte länger als die Internasalia; ihr vorderer, innerer und hinterer Rand sind grade; der äussere Rand dagegen stölst mit seinem letzten convexen Theil an das Anteorbitale, mit einem kürzeren mittleren graden Theil an das Frenale und vorn an das hintere Nasale. Das Frontale medium hat eine pentagonale Gestalt, ist reichlich um die Hälfte länger als breit und hat vorn einen sehr wenig merk- baren stumpfen, hinten einen spitzen Winkel. Die Supraorbi- talia sind vorn so breit wie hinten. Die Parietalia sind so lang wie die Praefrontalia und das Frontale zusammen und steigen hinter dem obern Postorbitale weit herunter. Das Frenale ist trapezoidal, wegen seines hintern untern spitzen Winkels länger als breit. Das einfache Anteorbitale steigt nicht ganz bis zum Frontale medium hinauf; von den beiden Postorbitalia ist das obere doppelt so hoch wie das untere. 'Temporalia:1 sehr lan- ges + 2. 7 Supralabialia, von denen das 3. und 4. das Auge von unten begrenzen, das 6. bei weitem das grölste und das 7. kleiner als das 5. ist. 9 Infralabialia, von denen das erste mit dem der andern Seite sich hinter dem Mentale vereinigt und das 9. das grölste ist. Zwei Paar fast gleich lange Submentalia, von denen jedes nur wenig kürzer ist als das Frontale medium; sie stehn mit 5 Infralabialia in Verbindung. Körperschuppen in 19 Längsreihen, verlängert rhomboidal, glatt und mit zwei äussert kleinen Endgruben versehen. 151 Scuta abdominalia, 1 getheiltes Anale und 65 Paar Subcaudalia. Die Farbe ist oben hellolivenbraun. Auf dem Kopfe finden sich 6 schwarze Längsstriche, 1 mitten auf dem Frontale me- 94 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse dium, 1 zwischen den hintern Enden der Parietalia, welcher auf die zweite Schuppenreihe des Nackens sich ausdehnt, 1 je- derseits auf dem hintern innern Theile der Supraorbitalia, welcher auf das Parietale übergeht und einer auf der Mitte jedes Pa- rietale.. Auf dem Nacken befinden sich zwei grosse runde in der Mitte mit einander zu einer Querbinde vereinigte Flecke, auf dem übrigen Körper vier Reihen blauschwarzer Flecke; die mittleren haben die Grösse einer ganzen oder halben Schuppe und liegen nahe der Rückenmitte, die kleineren an der äusseren Körperseite. Ausserdem erscheinen die Ränder sämmtlicher Schup- pen, auch die des Schwanzes, dunkler. Die ganze Bauchseite ist weilsgelb. Totallänge 0”493; Kopf 0"018; Kopfbreite 0”0095; Schwanz 0”124; Körperdicke 0”010. Ein Exemplar gekauft, angeblich aus Südafrica. Diese Art unterscheidet sich von Cr. rufescens (und hippo- crepis) leicht durch den schlankeren Kopf- und Körperbau, die geringere Zahl der Supralabialia, von denen nicht drei, sondern zwei an das Auge treten, durch die längeren Parietalia, das getheilte Anale und die Färbung. 7. Diagramma!) picoides n. sp. Die Körperhöhe zu der Körperlänge wie 1:4 und etwas grölser als die Kopflänge. - Die Stacheln der Rückenflosse mälsig lang, der dritte etwas über — der Körperhöhe. Der zweite Stachel der Analflosse länger und stärker als der dritte. Vier grolse helle Flecke, einer auf der ganzen Schnauze, einer auf dem Nacken, einer unter dem Anfange des strahligen Theils der Rückenflosse und einer auf dem Schwanze. Die weilse Farbe des Bauches setzt sich in einer unregelmäfsig gezackten 1) Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit zu bemerken, dafs Dia- gramma cavifrons Cuv. Val. wirklich ein Diagramma und nicht ein Pristi- poma ist, wie aulser anderen Exemplaren auch ein von Valenciennes erhaltenes Originalexemplar (No. 995 Mus. Berol.) aus Bahia beweist. Es wäre daher noch genauer zu erweisen, ob das von Dr. Günther (Catal. of Acanth. Fish. 1. p. 286) aufgeführte Pristipoma cavifrons wirklich mit der von Cuvier-Valenciennes beschriebenen Art identisch ist. vom 19. Februar 1866. 95 oder welligen Linie gegen die schwarze Farbe des Rückens ab. Am Schwanze, welcher eine Reihe von schwarzen Flecken trägt, flielst die weilse Farbe mit dem obern Fleck zusammen. Rücken- flosse an der Basis und am Rande schwarz, längs der Mitte weils, After- und Schwanzflosse unregelmälsig schwarz gefleckt. B.6.; D.12,19; A.3,7. — Squ. lin. lat. 100 +; über der Seitenlinie (bis zu Anfang der Rückenflosse) 16—17, unter derselben (bis zu den Bauchflossen) 31 — 32. Ein getrocknetes Exemplar aus Ostindien, durch La- mare Piquot. Diese Art steht zwischen D. pica uud orientale, mit denen sie in der Zeichnung Aehnlichkeit hat, abgesehn davon, dafs der Fleck unter dem Anfang der strahligen und nicht unter dem Stacheltheil der Rückenflosse befindlich ist. Die viel ge- strecktere Körpergestalt und die kleineren Schuppen lassen sie mit keiner von beiden vereinigen; in letzterer Beziehung steht sie D. pica, durch die Strahlenzahl der Rückenflosse dagegen . D. orientale am nächsten. 8. Diagramma microlepidotum n. Sp. Körperhöhe zur Totallänge wie 1:3, Kopflänge wie 1:4; Augendurchmesser 5 Mal in der Kopflänge und 14 Mal in der Länge der Schnauze. Der Oberkiefer reicht fast bis zur Ver- tikallinie des vordern Augenrandes. Vordeckel am hintern Rande grade und mit etwas schräge aufsteigenden Zähnen ge- zähnelt, am Winkel abgerundet, schwächer und sparsamer ge- zähnelt. Die Rückenflosse am obern Rande flach eingebuchtet, der 14. bis 16. verzweigte Strahl sind die längsten der ganzen Flosse und ihr Stacheltheil kann sich ganz in der Schuppen- furche verbergen; der zweite und dritte oder der dritte und vierte sind die längsten Stacheln. Schwanzflosse abgestutzt oder flach eingebuchtet. Die Entfernung der Rückenflosse von der Schwanzflosse ist grösser als die Schwanzhöhe hinter der erstern. Bräunlich mit Silberglanz; der Körper, namentlich die Ober- seite, Rücken- und Schwanzflosen sind mit runden schwarz- braunen Flecken bedeckt; der Rand der Rückenflosse ist schwarz, 96 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 19. Februar 1866. die Brustflossen sind gelb und die Bauchflossen, so wie der vor- dere Theil der Afterflosse schwärzlich. Lin. lat. circa 110; Iin. transv. #. — B. 6; D. 9,22 (10,22); A. 3,7 (3,8). Das zoologische Museum besitzt zwei Exemplare (No. 1016) dieser Art in Weingeist, von denen das grölste 0”240 lang ist; diese haben D. 9,22; A. 3,7; ein drittes getrocknetes Exemplar (No. 1021) von 0”440 Länge zeigt D. 10,22; A. 3,8. Aus China; von Meyen. \ Diese Art hat auf den ersten Anblick eine grolse Aehn- lichkeit mit D. punctatum (einerascens) C. V., von welcher sie aber durch die viel kleineren Schuppen zu unterscheiden ist. 9. Hapalogenys Meyenii n. sp. Körperhöhe zur Totallänge wie 1: 32, Kopflänge wie 1:42; Augendurchmesser 4 Mal in der Kopflänge und 1 Mal in der Schnauzenlänge. Der Oberkiefer ragt bis unter den vordern Rand des Auges. Das hintere Nasenloch liegt um 2 des Augen- durchmessers vor dem Auge und die Profillinie ist zwischen den Nasenlöchern etwas concav. Der hintere Rand des Vordeckels ist etwas wellenförmig und regelmäfsig gezähnelt. Die Unter- lippe dicht sammetförmig mit kleinen Bartfasern besetzt, welche aber kürzer sind als bei ZH. nigripinnis. Die Rückenflosse ist in ihrem vordern Stacheltheile am höchsten und der längste 4. Stachel ist gleich 1% des Augendurchmessers. Von den Anal- stacheln ist der erste sehr kurz, der zweite und dritte sind dagegen von gleicher Länge und nur wenig kürzer als die Rückenflossen- stacheln.. Die Schwanzflosse ist am hintern Rande tief ausge- schnitten. Die Brustflossen sind zugespitzt und ragen über die Bauchflosse hinaus. Die Rücken- und Afterflosse sind abge- rundet. Die Schuppen sind in der mittleren Körpergegend am gröfsten. — Farbe braun, metallisch gelbglänzend; dunklere Linien, durch die Mitte der Schuppen verlaufend steigen schräge nach hinten gegen den Rücken hinauf. B.6.; D.14,18; A.3,10. — Lin. lat. 103; Lin. transv. &. Das einzige Exemplar unseres Museums stammt aus der Sammlung von Meyen, welcher es in Manila erhalten hat. Gesammtsitzung vom 22. Februar 1866. 97 22. Februar. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weierstrafs las: Über eine Gattung reell pe- riodischer Functionen, 16 Geometrische und mechanische Probleme führen nicht sel- ten auf eine Differential-Gleichung da\ ? in der die von einander abhängigen Veränderlichen £,x reelle Grölsen bedeuten und 7 eine gegebene eindeutige Function von x ist. Ein besonderes Interesse hat der Fall, wo x eine perio- dische und stets endlich bleibende Function von t ist. Dies tritt ein, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 1) Es verschwindet F'(«) für zwei reelle Werthe a,b von x; 2) der Quotient er 2 5 m welcher mit v3 bezeich- net werde — ändert sein Zeichen nicht und wird nicht unend- lich, so lange x in dem Intervall @... 5 bleibt; 3) für irgend einen bestimmten Werth von t ist der zuge- hörige von x in diesem Intervall enthalten. Man setze nämlich, 5>«a annehmend, und unter ® eine neue reelle Veränderliche verstehend, a+b a—b le 5 + cos vo, so ist De 2 ü= ( "A cos vo), b-ı= —— (1-+ eos v) (.a—a) (b-ı)= (=) ine de a—b. d Te Ta 93 Gesammtsitzung und es wird also die gegebene 0 zu befriedigt, wenn man ® so bestimmt, dafs a Vir(a+2 os»)) ist, wobei der Quadratwurzel ihr positiver Werth beigelegt werde. Nun werde ferner —+b —b P,( + cos 0) mit f (cos ®) und das Integral bezeichnet, so ist U @ eine Function, welche, wenn v.beständig wachsend alle reellen Werthe von — © bis + 00 durchläuft, ebenfalls stetig wachsend von — © in + o© übergeht. Daraus folgt, wenn man YO=w setzt, dafs zu jedem reellen Werth von w ein Werth von v ge- hört, der sich stetig mit jenem ändert; oder mit andern Worten, dafs es eine ganz bestimmte continuirliche Function & (w) giebt, die für v gesetzt die vorstehende Gleichung befriedigt. Nimmt man also, unter r eine beliebige Constante verstehend, v=d(t+r) an, so hat man t#r=\Y(), d=\’(o)dv, 2 V/ (eos v), und es wird die Differential-Gleichung da\ ? } —) =F@) befriedigt, wenn man Bez cos [® (£+>)] = setzt. Es läfst sich aber auch leicht zeigen, dafs dieser Aus- druck jede Function darstellt, die unter den gemachten Voraus- setzungen der Differential- Gleichung genügt. Denn es ist stets vom 22. Februar 1866. 99 möglich, r so zu bestimmen, dafs für einen gegebenen Werth i, von t nicht nur x einen in dem Intervall «...b willkührlich do. i angenommenen Werth x,, sondern auch Fr vorgeschriebenes Zeichen erhält. Es folgt nämlich aus dem vorstehenden Aus- drucke von & dx b—-a. ’ © IE sin [pH] +7), di s ; und es hat daher, da PtHN)=7, positiv ist, sin [B (+r)] \ ale sets dasselbe Zeichen wie FR Man braucht daher nur einen Bogen v, so zu bestimmen, dafs at+b a-—b 3 + = COS 99 - e $ 3 d. wird und zugleich sin v, das Zeichen von 7), erhält, und 0 dann = YV@w)—to zu nehmen, so dals v,=# (to+r), um den angegebenen Bedin- gungen Genüge zu leisten. Aus der Formel dv. 2 J(eosv) ergiebt sich dl (+27) de) dv ae Y@+2)=Y() + 20, wo w eine Constante bedeutet. Da nun t+Hr=/Yl), und hieraus so folgt + Ww+-r=/(v-+-27), Pt +Wwr)=P(Hr) +27; und es ist daher arb a-—b = + E cos [P (+ r)] 100 Gesammtsitzung eine Function, die ihren Werth nicht ändert, wenn ? um ein beliebiges Vielfaches von 2w vermehrt oder vermindert wird. Ferner wird mo Kr, DM für =—T+u, v=r, zb für =— rw, v=2n, 2=a, woraus sich weiter ergiebt, dafs x die Grenzwerthe a, b un- zählige mal erhält, den erstern für =—r+42w, wo (wie überall im Folgenden) v eine beliebige ganze Zahl bedeuten soll, und den andern für =—-r+-(-+1)w. Auch folgt aus da di solchen Übergange von einer Grenze zur andern beständig wächst oder beständig abnimmt. | Aus der Gleichung Y@+2)=\/(v) + 2u erhält man, wenn man v=—7 setzt und bemerkt, dafs I-9=-16) ° dv > da le) wo Y 7, positiv zu nehmen ist. dem in Betreff des Zeichens von Bemerkten, dafs x bei einem ist, Führt man jetzt eine neue Veränderliche uw=—(t+r) ein, 102] so wird cosv eine grade Function von % mit der Periode 27, und kann daher in der Form coso=A,+24, c0osu-+24, C08W-+... +24, cosnu.... dargestellt werden, wo A,, A,... Constanten sind, die sich als bestimmte Integrale folgendermafsen ausdrücken lassen. Zunächst hat man ä nA, = feoso cosnudu o Es geht aber, der Gleichung = ((+)= 10 vom 22. Februar 1866. 101 zufolge, u stetig wachsend von o in = über, wenn v das Inter- vall 0...” durchläuft, und es ergiebt sich daher, da En dv wVf(cosv) le d A, =- fcosvcos (= WO) Lern w w Vf(eosv) Ganz ebenso erhält man, wenn G(x) eine beliebige, für alle in dem Intervalle @...d liegenden Werthe von x eindeutig be- stimmte und stetige Function ist: ist, G(&)=Bo+r2B, 608 uU... +2B, 008m...» 5 “ Nm dv -/ö (x) cos (Zr Ö)) V7(00s») wo für x der Ausdruck ee 2 2 zu Setzen ist. Durch partielle Integration erhält man ferner, wenn n> o ist, A4,= = sin v sin (= 7 ©) dv fer? Ye)-— ee) dv G(@) aber kann man stets auf die Form Go+G, c08v+G, 608 W-+.... bringen und deshalb, da 1 “ NT dv fe vv eos(( BE Y 0)} Vfleose) — = für vv sin(”- vo) dv [1866.] 8 102 Gesammtsitzung ist, DB, aus den in der Formel afutnto-n) enthaltenen bestimmten Integralen zusammensetzen. Als ein einfaches Beispiel für die Anwendung dieser For- meln erinnere ich an die Aufgabe, den Radiusvector eines Pla- neten und dessen Potenzen durch die Zeit auszudrücken, welche von Bessel und Hansen in der hier dargestellten Weise be- handelt worden ist. In den meisten Fällen aber, selbst wenn die Function F(x) eine einfache Form hat, sind die Coefficienten A,, B, sehr com- plieirt zusammengesetzte Gröfsen, deren direkte Entwicklung aus den aufgestellten Ausdrücken schwierig erscheint. Man kann sie jedoch fast immer durch ein Verfahren bestimmen, welches das Eigenthümliche hat, ohne jede Integration zum Ziele zu führen, und zugleich sehr geeignet ist, eine Einsicht in die Zusammensetzungsweise der zu entwickelnden Gröfsen zu ge- währen und so auch bei der Ermittelung angenäherter Ausdrücke für dieselben, mit denen man sich oft Begızan Sun, wesent- liche Dienste zu leisten. 2. Ich nehme an, es sei die Function 7x) nicht blofs für reelle Werthe von x, sondern auch für alle complexen inner- halb eines die Strecke a...b in sich enthaltenden Bereiches ein- deutig [definirt, und so beschaffen, dafs F', (x) weder Null noch noch unendlich grofs wird. Es wird kaum ein der analyti- schen Behandlung überhaupt zugänglicher Fall vorkommen, wo dies nicht zutrifft. Setzt man dann, unter «, £, &, z, reelle Gröfsen verstehend, 0) v=a+ßi, a=E-+ni, so hat man a+rb a-—b E= = -E : cos li cos a—bsin fi N — 2 = sın & Hiernach ist, wenn man £ einen bestimmten Werth bei- legt, « aber veränderlich läfst, der Ort des die complexe Grölse vom 22. Februar 1866. 103 x repräsentirenden Punktes, dessen Coordinaten &, n sind, eine Ellipse mit den Brennpunkten a,5 und den Halbaxen Sale coski, en D 0) . a . Setzt man daher fest, es solle 8 stets in dem In- tervalle —&@o...+£o bleiben, & aber alle Werthe von — oo bis —+-00 annehmen können, so liegt der Punkt x stets im Innern oder im Umfange derjenigen Ellipse, die zu dem Werthe Qo gehört. Diese kann man nun, wenn man nur £o hinlänglich klein annimmt, der die Punkte a, b verbindenden Geraden so nahe sich anschliefsen lafsen, dafs die Function F, (x) für alle so limitirten Werthe von x die angegebene Eigenschaft besitzt. Wird dann bestimmt, dals VF, (a) für cd positiv sein soll, so sind dadurch und durch die im Folgenden stets festzuhaltende Bedingung, dafs & beim Übergange von einem Werthe zum andern nicht aus dem 1 2 ı (2) eindeutige und continuirliche Functionen von x, und somit auch von v, vollständig definirt. Und da dieselben ihren Werth nicht angegebenen Bereich heraustreten darf, VF', (x) und als = ; 1 ändern, wenn #9 +2vz für v gesetzt wird, so kann man —— VF,(«) 1 s M 5 i oder ——— durch eine für alle jetzt in Betracht kommenden Vf (eose) Werthe von v» convergirende Reihe 0, t+2a, C089% +24, COSWH-..... darstellen. Setzt man dann > sin 2v VEO)=ao+2a, sin ohlas —— tn, so ist / (v) für reelle » dieselbe Function wie die eine Vorher- gehende so bezeichnete, und somit w=49% Jetzt werde eine Function z von v® durch die Formel mi — 0) [23] z=e 8 *% 104 Gesammtsitzung definirt, so lälst sich zeigen, dafs wenn « stetig wachsend von einem bestimmten Werthe «, in &5 +27 übergeht, während £ unverändert bleibt, der Punkt z eine einfache geschlossene Linie beschreibt, welche ganz innerhalb oder ganz aufserhalb eines mit dem Radius 1 um den Nullpunkt beschriebenen Kreises liegt, jenachdem £ positiv oder negativ ist, während sie, wenn ß=o, mit diesem Kreise zusammenfällt, vorausgesetzt, dafs der Grenzwerth £o hinlänglich klein angenommen werde. Setzt man nämlich T Ti : Bi ge YVe+l)=p+gi, z=e ae ; so ist IE ‚sin 2& p=0,2-+2a, cosfisin «-+2a, cos2i sin Bi sin 2£i cos2« g=a,R-+r2a, 2088 +20, — te und 3 Go Ha, cos£i cos«-+2a, cos2£i cos2«-+ ... Für A=o wird und es sind also beide Grölsen positiv, woraus erhellt, dafs bei “hinlänglicher Kleinheit von £o op s0: 3: stets posıtıv sein und qg das Zeichen von ß haben wird. Dann geht, wenn p, der Werth von p für @=«, TP o D ZPo . 7 .. . .. ist, z beständig wachsend von = in —— +27 über, während [23] « das Intervall &9...&0 #27 durchläuft, und es dreht sich die den Nullpunkt mit z verbindende Gerade beständig im positiven Sinne. Ferner ist TE — [79) > e =, vom 22. Februar 1866. 105 jenachdem &<0, und=1 für 0&=0; womit das Behauptete be- wiesen ist. f Man stelle sich nun vor, es durchlaufe v den Umfang des durch die vier Punkte — Bol, im — Bol; 27 + Bot, Boi bestimmten Rechtekes in dem durch diese Aufeinanderfolge fest- gesetzten Sinne, so beschreibt der Punkt z zuerst von einer be- stimmten Stelle 2, aus im positiven Sinne eine einfache ge- schlossene Linie (l,), die ganz im Innern des eben genannten Kreises liegt, geht dann vom Nullpunkt sich entfernend zu einer aufserhalb des Kreises liegenden Stelle 2, über, beschreibt von da aus, stets aulserhalb des Kreises bleibend, im negativen Sinne eine zweite einfache geschlossene Linie (2,), und kehrt darauf von 2, nach z, zurück, denselben Weg, den er beim Übergange von 2, zu 2, genommen, im entgegengesetzten Sinne durchlaufend. Nach einem bekannten Satze entspricht also je- dem Punkte z in dem von den Linien /,, !, begränzten Ringe ein Punkt v» des Rechtecks, der mit ihm durch die Gleichung —L6) z=e verbunden ist; wobei jedoch von den beiden Seiten des Recht- ecks, die durch die Punkte 0,27 gehen, eine ausgeschlossen werden muls. Und da 2 unverändert bleibt, wenn vo +2vr für v gesetzt wird, so erhält man aus diesem einen Werthe von v alle übrigen, die für denselben Werth von z die vorstehende Gleichung befriedigen, wenn man zu ihm alle Vielfache von 27 addirt. Hieraus folgt nun, dafs e" eine eindeutigeund con- tinuirliche Function von 2 ist. 7 Nun sei 9 der grölste Werth, den N. ‚„ nachdem man B=Ro gesetzt hat, annehmen kann, so ist nach dem Vorher- 7 gehenden ga<1, und zugleich » der kleinste Werth vone w2, P wenn d=—, genommen wird. Legt man also der Verän- Gerlichen z nur solche Werthe bei, die dem absoluten Betrage 106 Gesammtsitzung nach nicht kleiner als a und nicht gröfser als 4 sind, so gehö- ren diese alle dem von den Linien /,, l, ee Bereiche an, und zugleich läfst sich alsdann e” in eine Reihe Co +t,2+t622?+... +c0,2'+cd,7°’-+... entwickeln. Daraus folgt, wenn man —v für v, 4 für 2 setzt, ee +ceiz +c!2? +... und man hat daher die Gleichung cosv=A, +4, +z7')+4,@?+27°)+..., wo A,=c, te. ist, für jeden Werth von v, bei dem dem der absolute Betrag von mi =Y@) e nicht aufserhalb der angegebenen Grenzen liegt. Setzt man nun v=b(t+7), wo d(t+r) wieder die oben definirte reelle Function von ? bedeutet, so ist i+r=\() ; csv=A,+24, cos (+?) +24; cos a @) 2] und daher sind A,, A,, A,... dieselben Gröflsen wie vorhin. Es geht aber aus der vorstehenden Deduction hervor, dafs die durch die Gleichung a+b a—b = + — (40 +24, 0082(+9)+...) definirte Function von Z nicht nnr für reelle Werthe dieser Gröfse der Differential-Gleichung 200 292 Bebruar) 1866. 107 genügt, sondern auch für jeden complexen, dessen zweite Coor- . dinate — d.h. der reelle Theil von . — ihrem absoluten Be- tragenach eine gewisse Grenze nicht überschreitet. Diese kann nicht grölser als — 1g (2) sein; doch ist dies nicht nothwendig ihr wahrer Werth, indem durch das Vorhergehende nur nachge- wiesen wird, dafs es überhaupt eine solche Grenze giebt. Je grölser aber dieselbe ist, um so stärker convergirt die Reihe für x bei reellen Werthen von £. Aus der Gleichung b —b a=° ne ; (A+4,6@4+7)+4; @’+27°)+... =0,+l,@e+7')+0,(2@’ +2°)-+..., ergiebt sich jetzt, wenn wir wieder x und z als Functionen von v=«a-+-i ansehn, folgende Bestimmung der Coefficienten (C‘,. Man gebe £ irgend einen bestimmten Werth, bei dem der ab- solute Betrag von 2 für jeden Werth von « zwischen den Gren- zen go und z Meibt so ist 2m 27 dz dz N da = mi -de=o0, wenn n>o0. v Daraus folgt 27 1 dz fr .— — da = mil, 2 dv 27T 1 dz I fr .— — de=2nil, 2 dv o und daher auch 108 Gesammtsitzung Nun ist aber $(2°-+2”) als Function von x betrachtet ein- deutig. Denn hat man für einen bestimmten Werth von & einen der Gleichung b = c08V genügenden Werth v, so sind die übrigen in der Formel #v v+ 2vz enthalten; für alle diese aber hat, da L(tv+27)=E (0) +20 ist, +2” denselben Werth. Ferner ist 1 de mi 1 ri 1 zd w ee 2 w Vr, (x) de= — sinvde =tV(@—a)(b—a) de, wobei der Werth der Wurzelgröfse folgendermalsen fixirt wer- den möge. Für einen Punkt aufserhalb der Strecke a...b wird — niemals eine reelle negative Gröfse, und es ist daher für einen solchen VY(z— a) (b—x) völlig bestimmt, wenn festgesetzt wird, es solle Ve-)b-S)=ilc-a) Vest 5 und der reelle Theil von y positiv sein. Dasselbe gilt z2—a n V F(x), wenn man VFa)=V@-06-2)-VF, (@) nimmt und VF, (x) so fixirt wie oben angegeben worden. Nun ist für den Punkt, wo die betrachtete Ellipse die über 5 hinaus verlängerte Strecke a...d schneidet «=, also sinv = — sin ßi, und daher b—a te ne (b— x), wenn £ negatln z —V(e—a)(b—x), wenn ß positiv, indem es, weil V(@—a)(b—x) und sin («+£i) sich stetig mit « ändern, ohne jemals zu verschwinden, hinreicht dafs diese vom 22. Februar 1866. 109 Zeichenbestimmung für einen Werth von « als richtig nachge- wiesen wird. Dieses vorausgesetzt gebe man ® irgend einen negativen Werth, so dals die zugehörige Ellipse, wie aus den obigen Aus- drücken von &, 7 zu ersehen ist, von einem Punkte in ihrem Innern aus betrachtet. im positiven Sinne beschrieben wird. Dann erhält man, wenn man 4(2”-+2”"), als Function von x aufgefalst, mit P(x, n) bezeichnet, _ 1 (P@, n) de u) VFK) wo sich die Integration über alle Punkte der Ellipse zu er- strecken hat, an deren Stelle jedoch, was wohl zu beachten ist, jetzt jede andere einfache in sich zurückzulau- fende und die Punkte a,b in demselben Sinne um- schlie[sende Linie treten kann, wenn sie nur ganz in dem Bereiche liegt, für dessen Punkte F(«) die oben angegebene Beschaffenheit hat. Dieser Ausdruck von C, erweist sich nun in vielen Fällen zur Berechnung dieser Gröfse sehr brauchbar. Angenommen z. B. es gelinge, em für alle einem einfach begrenzten, YF,(& die Strecke a...b in sich enthaltenden Bereiche angehörigen Werthe von & durch eine Reihe 0 1 2 G(&n) + G(&,n)+G(ÜN)-+...; deren Glieder sämmtlich ganze Functionen von x sind, darzu- stellen; so ergiebt sich zunächst A C, ne: G (&,n)» dx zu») Var-a)b—x) unter der Bedingung, dafs jede einzelne Integration auf die eben A angegebene Weise ausgeführt werde. Da aber @(x,n) eine ganze Function von x ist, so kann man zur Bestimmung von G (x, n) ad N a)(b — x) 110 Gesammtsitzung den ursprünglichen Integrationsweg durch irgend einen Kreis ersetzen, der die Punkte a,b umschliefst, wobei es gar nicht nothwendig ist, dafs die Reihe 0 1 G(&,n) + G(&,n)+... für alle Punkte desselben convergirt. Ist nun c der Mittelpunkt des Kreises, so kann man ferner seinen Radius so grofs wäh len, dafs für alle Punkte des Umfangs 1 V&@-a)(b— x) > 240 1 . sich nach ganzen und positiven Potenzen von entwickeln vo läfst, wobei das Anfangsglied - : sein muls, wei @=0) ba) i(@ — c) F für alle reellen Werthe von x, die >b sind, positiv ist. Dann ist aber der Werth des en gleich ae De X V(@—-b)(b—2)) («—c)"' und somit Tr GR, n) 0,=-3 = 0; (\V@-a) en) (2—c)-! 1 wenn hier fir ————— die Entwicklung dieser Function V(«—.a)(&—b) 1 nach Potenzen von Se in der das Anfangsglied — ist, — -c gesetzt wird. Ganz ebenso ergeben sich die oben mit B,, B,... bezeich- neten Coefficienten, wenn nur die Function G(x) ebenfalls für alle complexen Werthe von x innerhalb eines die Sternecke a...b enthaltenden Bereiches eindeutig definirt und stetig ist. Man hat dann BE 1 (GG) Plan) de Aa 2 VF@ Gl, n) G (&) Veuen) (2 — c)"' vom 22. Februar 1866. 111 Nimmt man in dieser Formel G(«)=1 und n=o, so er- hält man noch ”»M (22) 7 Ga, OR (eo («—5)/ (e-c)"' wobei zu bemerken, dals 1 aa —G (20) Van ist. P Entwicklungen der Function — von der angegebenen 1 Form existiren aber stets. Dies geht schon daraus hervor, „Hals ja £ MER ee "YF,(@) als Function von ©» betrachtet für alle complexen Werthe dieser Gröfse, bei denen Ö zwischen —£o und £o liegt, durch eine Reihe bo +2b, c0oso + 2b, c08 +... darstellbar, cosnv aber eine ganze rationale Function von & ist. Ebenso ist eine Entwicklung nach Kngel-Functionen von u —a—b b—a Ellipse mit den Brennpunkten «a,b convergirt. Wenn ferner F,(x) für alle Punkte im Innern eines die Strecke a...b um- schliefsenden Kreises die vorausgesetzte Beschaffenheit hat, so läfst sich die in Rede stehende Function auch nach ganzen Potenzen von @—c entwickeln, wo c den Mittelpunkt des Kreises möglich, die für alle Werthe von x innerhalb einer bezeichnet, und dann erhält man vermittelst der vorstehenden Formeln die einfachsten Bestimmung der Gröfse C,. Alle diese "Reihen werden sich aber am einfachsten aus einer linearen Differential-Gleichung, der P(«, n) Vr,@ genügt, herleiten lassen, zumal wenn, wie das oft vorkommt, F(&) eine rationale Function von « ist. 112 Gesammtsitzung Aus der Gleichung 2" +2” =2P(a,n) erhält man nämlich, da dze ri mi da en, zu rn — ist, ee, 2=Pln)+ 2 —_ Dane = Plan) 2 FON Ye Der Wurzelgröflse VF(x) müssen hier ihre beiden Werthe beigelegt werden, indem z als Function von x zweiwerthig ist. Daraus folgt weiter, wenn man jetzt P,, F, F' statt P(x, n), F(«), F' (x) schreibt + m ee a) P,=o, Een. Da für Yo) = o ist für vo=o, und =u für v=z, so hat oder auch VF man P(a,n)=1, P(b,n)=(—1), so dafs die beiden Constanten, welche die allgemeine Lösung der vorstehenden Differential-Gleichung enthält, bestimmt werden können. 1 t tt . . x = Man kann aber, statt die Functionen P(x, n) und VF@) einzeln zu entwickeln, das Produkt derselben vermittelst einer ähnlichen Differential-Gleichung direct bestimmen. Bezeichnet man nämlich vom 22. Februar 1866. 113 2) mit R(x,n) oder R,, VF(@) so hat man +; FR, hr z NEN? N Fe dx w Be +3 re + (4 F’+(7) )R 2 Wird ferner, n>o angenommen en)=-(Z ) Vro— er) gesetzt, so erhält man aus der zweiten Gleichung für P, dP = n) id d er S 2 VF—— — “) =o oder 2 Fe + of m 2.) Qu a 0, ist, so © sich aus den Formeln (8 =, BR (z,n)dr,. DB, =. fe@r« n) da durch partielle Integration noch die folgenden: - fawnan 3.=—,, [eo ana Nun hat man Fame een V@a-)b—r) Oo n)= Hi, n)V(@— a) (b— x) zu setzen, und für G(z,n), H(x, n) Entwicklungen von der Form 114 Gesammtsitzung 0) 1 2 G (z,n) + G(&,n) + G(&,n) + «.- En len wo H, H ... ebenso wie G, a ganze Functionen von & be- deuten sollen aus den vorstehenden Differential-Gleichungen ab- zuleiten; worauf man dann aufser den schon vorhin angegebenen Ausdrücken von B,, C,, wenn n>o ist, (6 =; > (K«; n) V(x -a) ed) ._ _ erhält, in welchen Formeln für V (x —a) («— b) die mit «— c anfan- gende Entwicklung dieser Function nach fallenden Potenzen von 2% — € zu setzen ist. Hierbei ist noch zu bemerken, dafs man zur Entwicklung von G,, H, auch die Gleichungen dH b («— a) («—b) —+6- ae —-)A. +G,=0 IB En ey a anwenden kann, welche aus den vorhergehenden sich ergeben; oder auch die ee zweiter Ordnung, die sich aus ihnen für jede einzelne Funetion ablei- ten lassen. Zur 7 ae hat man dann er = TU G(an)= und, wie aus der ersten Differential-Gleichung selbst folgt, 1 (— 1)" Tan "ER vom 22. Februar 1866. 115 Alle diese Differential-Gleichungen sind besonders brauch- bar in dem schon erwähnten Falle, dafs sich ?,, @,, HZ, nach ganzen positiven Potenzen von «—c entwickeln lassen. Na- mentlich erhält man, wenn 7 eine rationale Function ist, und daher für die zu entwickelnde Reihe, 'z.B. für 7,, sich eine Differential-Gleichung 2 L 2 ee M - + NH,, in der Z, M,N ganze Functionen von & sind, finden läfst, zur Bestimmung ihrer Coefficienten Receursions-Formeln von mög- lichst einfacher Beschaffenheit. Es kann jedoch alsdann vor- theilhaft sein, zunächst für P(x,n) eine Entwicklung 0 1 Pan) + P(&,n)-H..., 1 in der P, P... ganze Functionen sind, herzustellen, so dafs in INCH, R) 4 a 4a) wenn auch G (x) eine rationale Function ist, ein vollständiges Abel’sches Integral wird, zu dessen Bestimmung es besondere Methoden giebt. Aus den obigen Formeln für 2”,27” geht noch hervor, dafs Bean a Ye) = (Pa, 9# en ZA 79) ist. Man kann daher P(x,n) aus P(«, 1), er F (x) zu- sammensetzen. In den meisten Fällen wird es aber einfacher sein, P(x,n) vermittelst der obigen Differential-Gleichung direct zu bestimmen, da man ja nur für die in der Entwicklung von Tr nr P(x, 1) vorkommende Gröfse — überall — zu setzen hat. w 02] In einer folgenden Mittheilung werde ich das Vorgetragene an einigen Beispielen erläutern. 116 Gesammtsitzung vom 22. Februar 1866. Hr. du Bois-Reymond legte Gypskrystalle aus der Sa- hara vor, welche er von Hrn. Martius in Montpellier erhalten hatte. —_ An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: 2 Reise der Novara. Nautisch-physikalischer Theil, 3. Abtheilung. Wien 1865. 4. Mit Ministerialrescript vom 17. Februar 1866. Comptes rendus de l’academie des sciences, Vol. 61, no. 6—26. Vol. 62, no. 1—4. Paris 1865 — 1866. 4. Bulletin de la societe de geographie. Tome 9. Paris 1865. 8. Journal of the Royal Geographical Society. Vol. 34. London 1864. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. 9, no. 5. 6. Vol. 40, no. 1. London 1865. 8. Quarterly Journal of the Geological Society. Vol. 21, no. 3.4. London 1865. 8. Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1868. Berlin 1866. 8. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. IV, 2. Basel 1866. 8. Colucci-Bey, Le Cholera en Egypte. Paris 1866. 8. Erdmann, Geologische Karte von Schweden. Lieferung 14 — 18. Stockholm 1865. folio. — N nt SER U mie AUUN MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. März 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 1. März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Riefs las eine Abhandlung zur Kenntnils des Nebenstromes der Batterie. In den drei diesem vorangehenden Aufsätzen über den Ne- benstrom der leydener Batterie habe ich eine Reihe von Ver- suchen beschrieben, die mit Hülfe des elektrischen Ventils- aus- geführt wurden, und gröfstentheils zu den sichersten Versuchen der Elektricitätslehre gehören'). Diese Versuche, mag man nun dem Nebenstrome ein gröfseres oder geringeres Interesse abge- winnen, dürfen nicht unbeachtet bleiben, wenn der Vorgang im Hauptstrome der Batterie richtig erkannt werden soll. Um diese Beachtung nicht zu hindern, wurden nur solche Wirkungen des Nebenstromes aufgeführt, auf die das Ventil den entschiedensten, nie fehlenden Einfluls ausübt, und solche Wirkungen übergangen, die der Apparat wenig oder gar nicht zu ändern vermag. In 1) Hr. Knochenhauer hat die Erfahrung mitgetheilt (Pogg. Ann. 126, 258) dafs ein ganz luftleeres Ventil, dessen Scheibe mit Platinblech bekleidet war, das sich faltig verschoben hatte, nur bei Einer Stellung con- stante Versuche gab, nicht aber bei der entgegengesetzten. Ich habe die Einrichtung eines brauchbaren Ventils genau beschrieben, auch ange- geben dals der Luftdruck darin eine Linie bis zwei Linien Quecksilber betragen solle. Dafs ein ohne Sorgfalt eingerichtetes Ventil unbrauchbar sein kann, ist mir nicht unbekannt geblieben und steht der oben gemachten Behauptung nicht entgegen. [1866.] 9 118 Gesammtsitzung der That hatte sich mir die Wirkungslosigkeit des Ventils erst in einer spätern Zeit der Untersuchung ergeben, und zwar glück- licherweise, da sie anfangs gesehen, von der Anwendung des Apparats bei dem Nebenstrome gänzlich abgeschreckt hätte. Jetzt aber darf die Mittheilung jener erfolglosen Versuche nicht verschoben werden; sie sind im Stande eine Vorstellung über die Beschaffenheit des Nebenstromes zweifelhaft zu machen, welche die Wirkung des Ventils nothwendig hervorrufen mulste, und es tritt die Forderung auf, diese Zweifel zu beseitigen. So scheint es mir, dafs gerade diese erfolglosen Versuche höchst beachtens- werth sind, und sie bilden die Räthsel, die ich bei Einführung des Ventils angekündigt habe. Aber auch von einem andern, allgemeinern Gesichtspunkte aus dürften jene Versuche lehrreich sein. Die Vorstellung über die Beschaffenheit des Nebenstroms der leydener Batterie ist durch Analogie gewonnen worden, indem man von den Strömen ausging, die durch Magneto - Induction bei abwechselndem Schliefsen und Öffnen eines voltaschen Elements erregt werden. Hier kann die Zeit zwischen zwei Strömen entgegengesetzter Richtung beliebig bestimmt werden und man wurde darauf ge- führt, den Nebenstrom der Batterie aus solchen Strömen zu- sammengesetzt zu denken, die unmelsbar schnell einander folgen. Soweit kann der Schlufs als unerschüttert gelten. Wollte man aber die längere und kürzere Zwischenzeit zwischen zwei Strö- men als unwesentlich betrachten, und die an den Strömen der einen Art gewonnenen Erfahrungen bei denen der andern Art wiederzufinden erwarten, so würde dies zu grolsen Täuschungen führen. Die Analogie darf festgehalten aber nicht dazu benutzt werden, die experimentelle Untersuchung zu umgehen. Die Erfahrung hat jetzt gelehrt, dafs der Nebenstrom der Batterie auf das schlagendste verschieden ist von dem Strome des Inductorium, dafs der letzte als die willkürliche Aufeinander- folge von Strömen entgegengesetzter Richtung anzusehen ist, während der Nebenstrom einen vollständigen Strom eigener Art bildet. Dafs demselben eine in jedem Falle bestimmte Richtung zukomme, habe ich schon früher überall angenommen und will hierüber an Folgendes erinnern. — Bei einem einfachen Strome vom 1. März 1866. 119 bezeichnet die Richtung das Fortschreiten der positiven Electri- cität von einem Ende des Stromleiters zum andern und kann daher direct nur bestimmt werden, wenn ein dauernd elektrisir- ter Körper entladen oder ein Körper durch die Entladung dauernd elektrisirt wird. Indirect wird die Richtung bestimmt durch eine von den vielen Wirkungen des Stromes, die nach seiner Richtung verschieden ausfallen, und keine davon hat sich zuverlässiger gezeigt, als die magnetische Ablenkung. Die Seite nach der eine in bestimmte Lage zum Stromleiter gebrachte Magnetnadel abgelenkt wird, 'gibt. die absolute Richtung des Stromes mit Sicherheit zu erkennen. Die relative Richtung zweier Ströme wird durch die Erfahrung gefunden, dafs Ströme derselben Ordnung, die in einem Drathe zusammenkommen, da- rin mit ihrer Summe wirken, wenn sie einander gleichgerichtet und mit ihrer Differenz, wenn sie entgegengerichtet sind. In dem vollständigen Nebenstrome geschieht die Fortschreitung der positiven Elektrieität in einander folgenden Zeitmomenten nach verschiedenen Seiten, es wird durch ihn weder die Magnetnadel abgelenkt, noch von einem Ende seiner Schlielsung ein Körper mit bestimmter Elektrieitätsart geladen. Die bestimmte Richtung des Nebenstroms kann sich nur bei der Prüfung seiner relativen Richtung ergeben. Zwei unter gleichen Bedingungen erregte Nebenströme, die in einem Drathe zusammentreten, bringen darin eine starke oder gar keine Wirkung hervor, je nach der gleichartigen oder ungleichartigen Verbindung jenes Drathes mit den Nebenspiralen; jeder Nebenstrom ändert die Wirkung des ihn erregenden Hauptstromes in entgegengesetzter Weise je nach der Seite, von welcher er in seine Leitung eintritt. Die zweite Erfahrung ist als ein specieller Fall der ersten nachgewiesen worden (Akad. Berichte 1862. 359). Welche Richtung in Be- zug auf die des Hauptstromes dem Nebenstrome beizulegen sei, ist hierdurch nicht bestimmt und kann nur aus dem Zusammen- halten verschiedenartiger Erscheinungen, mit grölserer oder ge- ringerer Wahrscheinlichkeit geschlossen werden. 9 * 120 Gesammtsitzung Zersetzung des Jodkalium, Durchbohrung von Pa- pier und Bildung von Staubfiguren durch den Ne- benstrom. An dem Magneto-Inductionsapparate ist auch bei schnellstem Spiele des Unterbrechers die Zersetzung der Jodkaliumlösung auf Fliefspapier leicht und reichlich zu erhalten. Es wird unter beiden mit dem Apparate verbundenen Platinspitzen Jod aus- geschieden, weil jede Spitze abwechselnd positive Elektrode eines Inductionsstromes wird. Der volle Nebenstrom der leydener Batterie gibt keine Spur von elektrischer Zersetzung, muth- malslich weil die Zeit, welche zwei entgegengerichtete Ströme trennt gegen die am Inductorium verfliefsende noch aufserordent- lich klein ist, zu klein, um das Ausscheiden des Jod möglich zu machen. Da aber das elektrische Ventil, wie die magnetische Ablenkung zeigt, von den beiden Strömen nur Einen beliebig zu wählenden zur Wirkung bringt, so war das Gelingen der Elektrolyse durch diesen Apparat zu erwarten. Der Nebenstrom wurde in einer ebenen Nebenspirale von 53 Fufs Drathlänge erregt, von deren Enden Dräthe zu den 20 Linien von einander entfernten Platinspitzen des Zersetzungs- apparats führten. Die Spitzen waren auf Fliefspapier gesetzt, das mit einer concentrirten Lösung von Jodkalium getränkt war. Die Elektrieitätsmenge 15 (Schlagweite der Maalfsflasche + Lin.) wurde aus 3 Flaschen durch die Hauptspirale entladen. War das Papier nals, so ging der Nebenstrom ohne Lichter- scheinung hindurch, aber auch ohne Spur von Zersetzung. Auf dem feuchten Papiere erschien bei dem Durchgange des Stromes unter jeder Platinspitze ein sternförmiger vielfach verästelter Funke, und unter diesem zuweilen Ausscheidung von Jod in schlecht begränzten, verwaschenen Flecken, also nicht von elek- trischer Zersetzung herrührend. Es wurde in einen der Dräthe zwischen der Nebenspirale und dem Zersetzungsapparate ein el. Ventil eingeschaltet von der Einrichtung wie bei den Versuchen über magnetische Ablenkung, Luftdruck darin 1 bis 2 Linien. Auch jetzt fehlte die Zersetzung auf dem nassen Papiere, war es trockener, so erschien der Büschelfunke unter beiden Spitzen und bei ziemlicher Trockenheit des Papiers wurde häufig ein scharfer Jodpunkt wie von elektrischer Zersetzung bemerkt. vom 1. Marz 1866. 12T Zuweilen entstand dieser Jodpunkt unter beiden Spitzen, ge- wöhnlich nur unter Einer, am häufigsten unter der Spitze, die mit dem innern Ende der Nebenspirale verbunden war. Das Sichere bei diesen unsichern Versuchen blieb, dafs wenn der Jodpunkt unter einer bestimmten Spitze erschienen war, die Wiederholung des Versuchs mit umgestelltem Ventile ganz Das- selbe gab. Die Stellung des Ventils hatte ‘keinen Einfluls auf die Zersetzung. Auffallend war noch die geringe Färbung des Jodpunkts, die stets schwächer blieb als bei Zersetzung durch den Hauptstrom, wenn die Batterie. mit der Elektrieitätsmenge 1 geladen war. Der Nebenstrom war in einer langen Spirale erregt und die Batterie mit der Menge 15 geladen; der Strom mulste also stark und es konnte von ihm nur ein kleiner Theil durch das Ventil und Papier gegangen sein. Als bei sehr nas- sem Papiere das Spiegelgalvanometer in die Nebenschliefsung genommen war, betrug die Ablenkung des Spiegels in der That nur einen Scalentheil, natürlich je nach der Stellung des Ven- tils nach der einen oder andern Seite. Bei Fortlassung des Papiers und metallischer Ausfüllung der Lücke erfolgte bei La- dung der Batterie mit der Menge 6 eine Ablenkung, je nach der Stellung des Ventils von + 99 und — 100 Scalentheilen. Keine besseren Erfolge von Zersetzung wurden erhalten, als die Scheibe im Ventile durch eine Kugel ersetzt wurde, die 15 Li- nien von der Deckplatte entfernt war. Die Wirkungslosigkeit des Ventils und der Umstand, dafs ohne Funken auf dem Pa- piere keine (scheinbar) elektrische Zersetzung zu erhalten war, veranlafste mich, die Versuche abzubrechen. Die Durchbohrung eines Papiers, das in einer Lücke des Schliefsungsdrathes eingeklemmt ist, giebt ein sicheres Zeichen der Richtung des Stromes bei der Batterie, der Elektrisirma- schine, dem Elektrophore, dem Inductorium. Das Loch findet sich stets in der Nähe der negativen Elektrode. Als dies Prü- fungsmittel bei den Schliefsungen der Nebenströme verschiedener Ordnung der leydener Batterie angewendet wurde, gab es stets die Richtung von dem innern Ende der Nebenspirale durch den Schliefsungsdrath zu dem äufsern Ende, und es wurde daraus geschlossen, dafs nicht von dem Nebenstrome, sondern von der ihm vorangehenden Seitenentladung die Stelle der Durchbohrung 122 Gesammtsitzung bestimmt werde (meiner Elektricitätslehre 2. 351). Es wurde jetzt der Versuch an dem secundären Strome wiederholt, in dessen Schliefsung ein normales Ventil eingeschaltet war. Die lange ebene Spirale lieferte den Nebenstrom bei Entladung der mit der positiven Elektrieitätsmenge 15 geladenen Batterie. Die Enden der Spirale waren mit zwei spitz zugeschnittenen Pla- tinblechen verbunden, zwischen welche ein Streifen starken Ve- linpapiers geklemmt und nach jedem Versuche verschoben wurde. Die Spitzen berührten die entgegengesetzten Flächen des Pa- piers und standen 2 Linien von einander. Bei der Entladung der Batterie ging ein glänzender schmetternder Funke über das Papier und durchbohrte es in der Nähe einer bestimmten Spitze. Der Versuch war sehr sicher; zwar war das Loch mehr oder weniger durchsichtlich, aber sein auf beiden Flächen wulstiger Rand fehlte niemals, so dafs eine Reihe von Versuchen später leicht zu controliren war. Mochte nun die Verbindung der Spitzen mit den Enden der Nebenspirale die eine oder andere sein, mochte das Ventil in den einen oder andern Verbindungs- drath eingeschaltet und seine Stellung eine beliebige sein, stets wurde das Papier an der Spitze durchbohrt, die mit dem äulsern Ende der Nebenspirale entweder metallisch oder durch das Ventil in Verbindung stand. Dafs die Richtung des Ne- benstromes je nach der Stellung des Ventils eine verschiedene war, konnte nicht bezweifelt werden, wurde indels noch in eini- gen Versuchen direkt beobachtet. Hierzu wurde das Spiegel- galvanometer mit in die Nebenschliefsung genommen und zwar in den ersten Versuchen so, dafs ein dem Hauptstrome gleich- laufender Nebenstrom positive Ablenkungen gab (nach steigenden Zahlen der Galvanometerscale) und die obere Platinspitze auf dem Papiere mit dem äufsern Ende der Nebenspirale verbunden war. Die untere Spitze stand mit dem Ventile und dies mit dem innern Ende der Nebenspirale in Verbindung. In den spä- tern Versuchen wurden die Verbindungsdräthe an der Neben- spirale versetzt, so dafs nun der gleichlaufende Nebenstrom ne- gative Ablenkungen hervorbrachte, und die untere Platinspitze durch das Ventil mit dem äufsern Ende der Nebenspirale ver- bunden war. Die Batterie wurde mit der Menge 15 positiver Elektrieität geladen. vom 1. März 1866. 123 Ablenkung Durchbohrung an der Ventil in Flächenstellung + 105 Scth. oberen Spitze Spitzenstellung — 35 oberen „ Verbindungsdräthe versetzt Flächenstellung — 81 unteren „ Spitzenstellung + 40 unteren „ Die Durchbohrung des Papiers erfolgte also stets an der mit dem äufsern Ende der Nebenspirale verbundenen Spitze. Die verschiedene Gröfse der Ablenkung bei gleicher Batterieladung ist durch die Verschiedenheit des in das Papier geschlagenen Loches erklärlich und nebenbei ist die Kleinheit der Ablenkun- gen anzumerken. Die grölste hier beobachtete Ablenkung er- reicht nur die, welche oben ohne Einschaltung des Papiers bei Ladung der Batterie mit der Elektrieitätsmenge 6 erhalten wurde. Es kann also von dem durch die Menge 15 erregten Nebenstrome nur ein kleiner Theil durch das Galvanometer ge flossen sein. Alle angestellten Versuche haben, wie die mitgetheilten, ge- zeigt, dafs die Stellung des Ventils und die davon abhängige Richtung des Nebenstromes ohne Einflufs bleibt auf die Stelle, an der ein eingeschaltetes Papier durchbohrt wird. Überall entsprach diese Stelle der am innern Ende der Nebenspirale erregten Seitenentladung, gegen die begreiflich die am äufsern Ende (im Schliefsungsbogen 53 Fufs weiter vom Innern der Batterie entfernt) auftretende Seitenentladung nicht in Betracht kam. Die Batterie war in den bisherigen Versuchen mit posi- tiver Elektrieität geladen, die Seitenentladung führte also posi- tive Elektrieität durch die mit dem innern Ende der Nebenspi- rale verbundene Spitze auf das Papier und die Durchbohrung fand an der andern Spitze regelrecht statt. Bei Ladung der Batterie mit negativer Elektrieität muls die Dürchbohrung des Papiers an der mit dem innern Ende der Nebenspirale verbundenen Platinspitze eintreten. Von den 10 Versuchen, bei welchen die Batterie mit der negativen Elektri- eitätsmenge 15 geladen und die Verbindungsdräthe wie das Ven- til in verschiedene Lagen gebracht waren, theile ich die Ver- suche mit, bei welchen das Spiegelgalvanometer mit in die Schliefsung genommen war. Die Stellung des Ventils wird wie 124 Gesammtsitzung früher, auf den dem Hauptstrome gleichlaufenden Nebenstrom bezogen. Ablenkung Durchbohrung an der Ventil in Flächenstellung + 84 Seth. unteren Spitze Spitzenstellung — 15 unteren „ Verbindungsdräthe versetzt Flächenstellung — 65 oberen „ Spitzenstellung -+ 19 - oberen „ In allen Versuchen wurde, gleichgültig welche Richtung dem Nebenstrome gegeben war, das Papier an der Spitze durch- bohrt, die mit dem innern Ende der Nebenspirale in Verbin- dung stand. In frühern Versuchen habe ich bereits nachgewiesen, dafs der Nebenstrom durch eine Lücke erst nach dem Vorangehn der Seitenentladung übergeht und seine Wirkung an einer Stelle äulsert, die durch die Richtung der Seitenentladung bestimmt wird (Ak. Berichte 1851. 300). Damals war aber vom Ge- sammtnebenstrome die Rede und es war anzunehmen, dafs die Seitenentladung den ihr gleichlaufenden Theil des Nebenstroms zur Wirkung bringt. Die hier beigebrachten Versuche zeigen, dals die Seitenentladung auch den ihr entgegenlaufenden Theil des Nebenstromes an der Stelle wirken läfst, die ihre eigene Richtung bestimmt. Die bei der hier gebrauchten Batteriela- dung entstehende Seitenentladung ist viel zu schwach, um ein Papier zu verletzen oder eine merkliche Erwärmung der Ne- benschliefsung hervorzubringen, was der Nebenstrom in hohem Grade leistet. Die vollständige Beherrschung des Nebenstromes durch die Seitenentladung scheint mir sehr merkwürdig und eine innigere Verknüpfung Beider anzudeuten, als wir bisher an- zunehmen berechtigt waren. — Staubfiguren bildete man durch den Nebenstrom in der Weise, dafs die Schliefsung der Nebenspirale an einer Stelle durchschnitten und zwischen die so gebildeten Drathenden eine Pechplatte gesetzt wird. Nach Entladung der Batterie bestäubt man die Platte mit einem Gemenge von Schwefelblumen und Mennige und erhält auf ihren beiden Flächen Figuren vom ver- schiedensten Aussehn. Die Begrenzung der Figur der einen vom 1. März 1866. 125 Fläche bildet ein sehr zierlicher gelber Strahlenkranz, die der andern ein scharfer rother Ring. Die Hoffnung, durch diese so auffallenden Kennzeichen die Richtung des Nebenstroms zu be- stimmen, ging nicht in Erfüllung. Es wurde gefunden, dafs von jedem Ende der Nebenspirale bei gleichen Versuchen bald die eine bald die andere Elektricitätsart aufgesammelt wurde, aber jedes Ende nur eine bestimmte Figur lieferte, nicht die andre. Um an demselben Ende eine andre Figur, als früher, zu erhal- ten, mulste die Elektrieitätsart gewechselt werden, mit der die Batterie geladen war. Es wurde geschlossen, dafs es die Sei- tenentladung war, welche die Abformung der Figuren an jedem Ende der Nebenspirale bestimmte (Elektrieitätslehre 2. 349). Durch die Stellung des Ventils läfst sich die Elektrieitäts- art im Voraus: bestimmen, die ein Ende der Nebenspirale ab- gibt und der Condensator wird beliebig mit der einen oder andern Elektrieitätsart geladen (Berichte 1865. 402). Es war demnach ein Einflufs des Ventils auf die Abformung der Staub figuren denkbar. — Der Nebenstrom wurde durch die oben gebrauchten ebenen Spiralen erregt, von dem innern Ende der Nebenspirale ein Drath zu der Scheibe eines normalen Ventils geführt, von dessen Spitze ein Drath ausging, der auf der Fläche einer Pechplatte endigte.e Auf der hintern Fläche der Platte stand das Ende eines Drathes, der zu dem äufsern Ende der Nebenspirale führte. Die Batterie war mit der positiven Elek- trieitätsmenge 10 geladen. Die vordere Pechfläche erhielt, nach den Versuchen am Condensator zu schliefsen, negative Elektri- cität vom Nebenstrome; es entstand auf ihr eine vollkommene Figur mit dem Strahlenkranze, auf der hintern Fläche die Figur mit dem rothen Ringe, ganz so wie sie der Nebenstrom ohne Anwenduug des Ventils gegeben hatte. Genau dieselben Figu- ren wurden an denselben Stellen gebildet, als das Ventil umge- kehrt, die Vorderfläche der Pechplatte demnach mit positiver Elektrieität versehen wurde. Wie auch die Dräthe an der Ne- benspirale befestigt sein mochten, in welchem von ihnen das Ventil eingeschaltet und wie es gestellt war, überall und ohne Ausnahme bildete das innere Ende der Nebenspirale die Fi- gur mit dem Strahlenkranze, das äufsere Ende die mit dem. Ringe. Nur wenn die Batterie mit negativer Elektricität geladen war, 126 Gesammtsitzung erschien die Figur mit dem Ringe am innern Ende der Nebenspi rale, die mit dem Strahlenkranze am äufsern. Die Anordnung des Versuchs war noch darin von dem am Condensator verschieden, dafs keine andere Unterbrechung als die durch das Ventil ge- bildete, von dem Strome durchbrochen wurde. Es wurde nun zwischen Ventil und Pechplatte eine Unterbrechung in freier Luft zwischen zwei 0,1 Linie von einander entfernten Kegel- spitzen, also ganz die Anordnung hergestellt, !die bei den Con- densatorversuchen gebraucht worden war. Zwischen den Ke- gelspitzen erschien bei der Entladung der Batterie ein licht- schwacher Funke. Die Form der Figuren blieb auch hier un- abhängig von der Stellung des Ventils. Nur waren, wenn durch die Stellung des Ventils die positive Elektrieität des Neben- stroms auf die hintere Pechfläche geführt wurde, auf dieser einige gelbe Strahlen sichtbar, aufserhalb oder innerhalb des rothen Ringes. Es konnte früher nur indirekt, durch einen Schluls aus einem hypothetischen Satze gefunden werden, dafs Staubfiguren in der unterbrochenen Nebenschliefsung ihre Abformung allein der Seitenentladung verdanken. Dies wird direkt bewiesen durch die hier aufgeführten Versuche, die aufserdem mit den Condensatorversuchen nicht im Widerspruche stehen. Denn wenn auch bei diesen die Seitenentladung unzweifelhaft in die Condensatorscheiben ging, so konnte sie nicht das Zeichen der aufgefangenen Elektrieität bestimmen, da der Nebenstrom un- vergleichlich stärker war, als die Seitenentladung. Der Nebenstrom wird bei gleicher Batterie im unterbrochenen Bogen verstärkt mit zunehmender Gröfse der zur Unterbrechung benutzten Con densatorflächen (Berichte 1853. 622). Er war also bei Ein- schaltung der Condensatorscheiben weit stärker als bei der Bil- dung der Staubfiguren, wo nur zwei Drathspitzen die Unter- brechung begrenzten, während die Seitenentladung in beiden Fällen gleich stark war. Erwärmung durch den Nebenstrom. Die Erwärmung des Schliefsdraths durch einen Nebenstrom der durch ein Ventil gegangen ist, ist sehr auffallend und wird es noch mehr, wenn man sie mit der Erwärmung vergleicht, vom 1. März 1866. 127 die der Magneto-Inductionsstrom hervorbringt. Ich will deshalb Versuche mit dem letztern voranschicken. Die Inductionsrolle meines 1855 in der Werkstatt von Siemens und Halske gefertigten Inductorium besteht nach der Angabe aus 14000 Fuls eines 0,25 Mm dicken Kupferdraths, der in 5 von einander getrennten Abtheilungen gewunden ist. Die mittelste Abtheilung ist gröfser als die übrigen und enthält eine bedeutend gröfsere Drathmasse. Es ist mir nur die Zahl der Windungen angegeben worden, die sich für die 5 Abthei- lungen der Reihe nach so stellt: 3467, 4839, 6815, 5358, 3419. Die Hauptrolle enthält in 2 Lagen 155 Fuss eines 1,4 Mm dicken Kupferdraths (478 Windungen). Der aus Eisendräthen bestehende Kern ist 15 Zoll lang und wiegt 2% Pfund. Der Un- terbrecher ist nach Halskes Angabe. Waren, wie es allgemein bei den Inductorien geschieht, die Dräthe der Abtheilungen der Inductionsrolle hinter einander verbunden, so blieb die Erwär- mung der Schliefsung, selbst am empfindlichsten Luftthermometer geprüft, nur gering. Ich verband daher die Abtheilungen neben einander, die 5 Anfänge der Dräthe unter sich und ebenso die 5 Endigungen, und erhielt bei Anwendung Eines kleinen Gro- veschen Elements die folgenden Erwärmungen des in die Schliefsung eingeschalteten Luftthermometers. Der Stand der Flüssigkeit darin wurde erst nach einigen Sekunden abgelesen, wenn er merklich constant geworden war. Das Ventil war von normaler Einrichtung, der Luftdruck darin 1 Linie, seine Stellung wird auf den Öffnungsstrom bezogen. Erwärmung durch Magneto - Inductionsströme. ohne Ventil mit demselben in Flächenstellung Spitzenstellung 45 Linien 11,5 1 43 10 1 43,9 12 1 Die Einschaltung des Ventils in die Schliefsung der Induc- tionsrolle vermindert die Erwärmung in hohem Grade; dafs dieselbe bei Flächenstellung des Ventils grölser ist als bei Spitzen- stellung, hatte sich bereits früher gezeigt (Berichte 1855. 407) aber, des unvollkommenern Apparats wegen, nicht in so schla- 123 Gesammtsitzung sender Weise, wie hier. Die Abnahme der Erwärmung durch Einschaltung des Ventils ist leicht erklärlich. Durch den ganz metallischen Schliefsdrath gingen in rascher Folge Inductions- ströme, das Ventil hielt davon eine grofse Anzahl zurück, so dafs die durchgehenden Ströme einander sparsamer folgten. Um so mehr war eine Verminderung der Erwärmung durch das Ventil bei dem Nebenstrome der leydener Batterie zu er- warten, bei welchem eine bestimmte Anzahl von Inductions- strömen erregt wird, Der Nebenstrom wurde, wie oben, mit Hülfe von zwei ebenen Spiralen erregt, die jede 53 Fufs Drath enthielten und 1 Linie von einander entfernt standen. Zur Ladung der aus 3 Flaschen bestehenden Batterie bediente ich mich mit grofser Bequemlichkeit einer Elektrophormaschine') der schönen Erfin- dung von Wilhelm Holtz. Obgleich die drehbare Glasscheibe nur 15 Zoll im Durchmesser, die ruhende nur zwei Belegungen besitzt, so wurde durch sie die Batterie in kürzerer Zeit gela- den, als durch eine Elektrisirmaschine mit 30zölliger Scheibe und zwei Reibzeugen. Der negative Conductor der Elektrophor- maschine war vollkommen abgeleitet, der positive durch einen Drath mit der innern Belegung der Batterie verbunden, deren äufsere Belegung (wie immer) mit dem Innern der Maafsflasche in Verbindung stand. In der Leitung zur Batterie befand sich ein drehbares Metallstück, durch welches, wenn die gewünschte Funkenzahl an der Maafsflasche erreicht war, die Verbindung der Maschine mit der Batterie schnell gelöst wurde. Die Ne- benspirale war durch 5$ Fufs eines $ Linie dicken Kupferdrathes geschlossen, in den das Thermometer und das Ventil einge- schaltet wurden. Das Thermometer enthielt einen kürzern und dickern Platindrath, als bei den Versuchen am Inductorium, war also weniger empfindlich als dort. Im Ventil betrug der Luftdruck 1 Linie, seine Stellung wird auf den dem Haupt- 1) Die Elektrisirmaschine benutzt die Influenzelektricität zweiter Art, der Elektrophor die erster Art; an jedem dieser Apparate wird Eine Art ungenützt fortgeschafft (Elektricitätslehre 1. 247). Die Maschinen von Holtz undT öpler (Pogg. Ann. 126 157. B. 125. 469) benutzen beide Arten der Influenzelektricität und dürften daher als Elektrophor-Elektrisir- maschinen kürzer: Elektrophormaschinen verständlich bezeichnet sein. vom 1. März 1866. ‚129 _ strome gleichlaufenden Nebenstrom bezogen. Es folgen die Mittel aus 3 Beobachtungen. Erwärmung durch den Nebenstrom der leydener Batterie Elektrieitätsmenge obne Ventil mit demselben in der Batterie Spitzenstellung Flächenstellung 6 12,8 Lin. 11,0 11,2 8 20,8 199% 19,2 10 32,2 30,2 29,0 12 44,3 . 43,8 42,3 Die Erwärmung der Schliefsung durch den Nebenstrom ist also nahe dieselbe, das Ventil mag in Spitzen- oder Flächen- stellung sein; sie ist in ganz metallischer Schliefsung zwar grölser als nach Einschaltung des Ventils, aber der Unterschied ist überall und zumeist bei den stärkern Ladungen der Batterie, sehr gering. Das zweite Ergebnifls ist in hohem Grade überraschend. In der ganz metallischen Schliefsung wird die Magnetnadel nicht abgelenkt, es müssen also die einander entgegengerich- teten Ströme eine völlig gleiche Elektricitätsmenge besitzen. Nach Einschaltung des Ventils wird die Nadel nach einer be- stimmten Seite abgelenkt, es können also nur Ströme Einer Richtung durch die Schliefsung gegangen sein; sind die der entgegengesetzten Richtung zurückgehalten worden, so wird die Erwärmung nur von der halben Elektricitätsmenge erregt wor- den sein. Wäre die Dichtigkeit im Gesammtstrome und in dem durch das Ventil gegangenen Strome dieselbe geblieben, so mulsten die Thermometerangaben der zweiten und dritten Reihe 6 10 16 22 Linien betragen, statt welcher 11 19 30 43 beob- achtet wurden. Die Erwärmungen bei voller und unterbrochener Nebenschliefsung waren um nicht mehr von einander verschie- den, als sie bei voller und unterbrochener Hauptschliefsung es sind, wo die Dichtigkeit der Elektrieität in der Batterie constant geblieben und die Menge durch die Unterbrechung nur wenig vermindert ist. Es lassen sich verschiedene Ursachen dieses merkwürdigen Verhaltens des Nebenstromes vermuthen. Dafs das Ventil alle Partialnebenströme, sowol die nach der einen wie die nach der 130 Gesammtsitzung andern Seite gerichteten zu derselben Richtung bringen sollte, ist das Unwahrscheinlichste. Die durch das Ventil vom Kreis- laufe ausgeschlossenen Ströme können zwar bis zum Ventil hin und in entgegengesetzter Richtung zurücklaufen, wobei sie zwei- mal durch den Drath des Thermometers gehen, sind aber, frü- ‚hern Erfahrungen zufolge, zu schwach als dafs man ihnen einen merklichen Einfluls auf die Erwärmung beimessen könnte. Es wurde zum Überflufs beobachtet dafs, als die Nebenschliefsung in freier Luft durch eine Metallscheibe und Spitze unterbrochen und dazwischen eine Glastafel gesetzt war, selbst bei Entladung der Elektrieitätsmenge 20 aus der Batterie, wobei Licht auf den Glasflächen erschien, keine Erwärmung im Thermometer merk- lich wurde. Die Verstärkung eines Stromes durch Condensation an dem Rande einer Scheibe ist zwar nachweislich (Elektrielehre 1. 413) aber viel zu klein, um die hier vorliegende Thatsache zu erklären. So läfst sich als Hauptursache der beobachteten Erwärmungen bei voller und durch das Ventil unterbrochener Nebenschliefsung nur Folgendes angeben. ‚Die einander entgegengerichteten Ströme, welche den Ne- benstrom der Batterie in der ganz metallischen Schliefsung zu- sammensetzen, 'kommen darin nicht zu voller Entwickelung. Sie folgen einander in einer Zeit, die selbst in Betracht der. Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität als sehr klein zu be- trachten ist. Die Endströme treten in die Schliefsung ein, be- vor die Anfangsströme darin erloschen sind und zerstören einen Theil derselben. Bei dieser Zerstörung verlieren die Endströme an Elektrieitätsmenge und gewinnen an Geschwindigkeit, sie sind es daher, welche die Richtung bestimmen, mit welcher der Gesammtstrom wirkt. In der magnetischen Ablenkung, die von der Geschwindigkeit des Stromes unabhängig ist, kann diese Richtung nicht hervortreten, wohl aber in der Magnetisirung von Stahlnadeln.. Die Erwärmung 'der vollen metallischen Ne- benschliefsung der Batterie wird also von einer geringeren Elektri- citätsmenge bewirkt, als die den beiden einander entgegenlaufen- den Nebenströmen zugehört; hat das Ventil von ihnen den einen Theil ausgeschlossen, so kommt der andere zu voller Entwicke- lung und erwärmt die Schliefsung fast eben so stark, wie früher beide Theile es thaten. Wenn auch die Elektrieitätsmenge des vom 1. März 1866. 131 vollständigen Einzelstroms nicht die des Gesammtstromes erreicht, so muls ihre Dichtigkeit grölser geworden sein durch die Ein- schaltung der Scheibe des Ventils. Für diese Verstärkung der Dichtigkeit durch die Scheibe spricht auch der Umstand, dafs die Erwärmung unabhängig von der Stellung des Ventils bleibt. In der Hauptschlielsung der Batterie ist die Erwärmung bedeu- tend grölser bei Flächenstellung des Ventils als bei Spitzen- stellung (Ak. Berichte 1855. 398), weil der Entladungsstrom stets von demselben Ende der Unterbrechung zum andern läuft, also bei Flächenstellung von der Scheibe des Ventils zur Spitze, bei Spitzenstellung von Spitze zur Scheibe. Der wirkende Theil des Nebenstroms hingegen tritt an verschiedenen Stellen der Unterbrechung ein, stets so dafs er im Ventile von Scheibe zu Spitze geht, und wird daher in jedem Falle in gleicher Weise condensirt. Die Dichtigkeit des Endstromes ist nicht so verschie- den von der des Anfangsstromes, um in der Erwärmung bemerk- lich zu werden. Bei der viel feineren Beobachtung der magne- tischen Ablenkung wurde diese Verschiedenheit merklich, indem vom Endstrome gewöhnlich eine etwas gröfsere Elektricitäts- menge durch das Ventil ging, als vom Anfangsstrome. Nach dieser Vorstellung ist der Nebenstrom der Batterie wesentlich verschieden von den andern zusammengesetzten In- ductionsströmen. Der Strom einer magnetischen Maschine mit rotirendem Anker und der des Inductorium bei vibrirender Zunge besteht aus einzelnen Strömen, die unabhängig von einander mit wechselnder Richtung in die nicht elektrische Schliefsung eintreten. Der Nebenstrom der Batterie besteht gleichfalls aus Strömen entgegengesetzter Richtung, aber solchen, die sich zum Theil decken und in der Elektricitätsmenge wie in der Ge- schwindigkeit ihrer Fortpflanzung gegenseitig verändern. An dem Nebenstrome experimentiren wir mit Einem Strome, dessen Theile untrennbar sind, an den Strömen der genannten Apparate mit zwei Strömen, die wir durch eine beliebige Zwischenzeit von einander trennen können. Daher die verschiedene Wirkung des Ventils, das nur an den Inductionsströmen seinem Namen entspricht, indem es von zwei verschiedenen Erscheinungen die der einen Art absondert und die der andern hervortreten läfst in derselben Beschaffenheit, wie sie vorher bestanden hatten. 132 Gesammtsitzung vom 1. März 1866. An dem Nebenstrome der Batterie hingegen zerstört das Ventil einen Strom bestimmter Art, um einen andern hervortreten zu lassen, der mit der Elektrieitätsmenge und Geschwindigkeit, die er besitzt, vorher nicht bestanden hatte. Nur seine Richtung hat der Strom beibehalten, und in Bezug hierauf darf der frü- here Ausdruck ferner gebraucht werden, dafs das Ventil von den beiden Theilen des Nebenstromes den dem Hauptstrome gleichlaufenden oder den ihm entgegenlaufenden Theil durchge- lassen habe. Die Erregung des Nebenstromes in der Neben- spirale wird durch Einschaltung des Ventils in ihre Schlielsung nicht verändert, was sich durch Beobachtung der Rückwirkung des Stromes auf den Hauptstrom nachweisen lälst. Hr. Böcking in Bonn, correspondierendes Mitglied der Akademie, seine Werke Gai Institutiones, codieis Veronensis apographum ad Goe- scheni Hollwegi Bluhmii schedas conpositum seripsit lapidi- busque exceptam scripturam publicavit E. B. und Gaii institutiones ad codieis Veronensis apographum emen- davit et adnotavit E. B. Quinta editio. Herr Böcking hat das erstere, mühevolle und für die Fest- stellung der Überlieferung wichtige Werk der Akademie gewid- met und dadurch zu besonderem Dank verpflichtet. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Amtlicher Bericht über die 39. Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Gie/sen im Sept. 1864. Gielsen 1865. 4. Neues Lausitzisches Magazin. Band 42. Görlitz 1865. 8. 6. Bericht des Offenbacher Vereins für Naturkunde. Offenbach 1865. 8. Poetae scenici Graeci ex recensione Dindorfü: Aeschyli Prometheus vinctus. Londini 1866. 4. Gai Institutiones codieis- Veronensis apographum ad Goescheni Hollwegi Bluhmii schedas conpositum seripsit lapidibusque erceptam scripturam publicavit Eduardus Boecking. Lipsiae 1866. 8. Gaii Institutiones. Ad codieis Veronensis apographum emendavit et adno- tavit E.Boecking. Ed. quinta. Lipsiae 1866. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Herausgebers d. d. 22. Febr. 1866. Pictet, Synopsis des Neuropteres d’Espagne. Geneve 1865. 8. Mahäbhärata, Buch 1. 2. Sanskrit-Text und bengalische Übersetzung. Burdwan 18062. 4. Sitzung der philos.- histor. Klasse vom 5. Marz 1866. 135 5. März. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. von Ranke las über Bischof Burnet und des- sen Geschichte seiner Zeit (zweite Abtheilung.) Hr. ken thelzee seine bemerkungen zum Homer fort. vgl. M. B, 1865 s. 614. XXXVD. 1. Etcoeıw und was zunächst davon abgeleitet und damit zu- sammengesetzt ist, ZUE mw) "Erızewv dupıerıroe, haben das digamma nah an sechzig mal, haben es nicht drei mal, B 575 3 401 u 355. aber die letzt angeführte stelle BorzesrzovF EAızss aA Boss nimt es an, wenn wir Qoszovro setzen für Qoszeszov$. und das tun wir ohne schaden für den sinn: die iterative form ist so wenig hier notwendig wie Y 221 (vgl. ® 448): und ohne schaden für den vers: denn die zweite hebung, die öfter als jede andre vorlieb nimt mit kurzen endsylben und einsylbern, wie Onranze re u 396 ri Erea ve TV 225 Sisgdereer ey T 41 1 285 382 raryAyve Mogcevre 5 483 ar ayere I 165 X 164 r 376 & 73 106 w 430 Altavre vöv I 556 eivorare Kooviöy, mehrmals, vyrUrte ri B 474 w vie Merewo A 338 "Agrz- möi oe & 151 vie’ üdarı A 830 vov mev Evi A 834 Tadgos erı M 4 9,499 ruv de Für ieyis O 275 ru & ag’ De) Arrye = 492% zur zUveov ayamadonevor & 224 65 Auov Aysıocr ß 14 Tyrt- mayov EodSılov v 374 yv 7 avros amovordı B 233 Aavryos araov a 208 und Ti 808 ye mooyzovro O 360 ”Hen de ueorıyı E 748 ömmus zev EIErnaw V 243 sidos re ueyeSos reB 68 zuRy re Meyary re EU, oder auch, was so häufig widerkehrt, Soumnasv de merwv muoev de diemgvsıov Sauyoer 8° "Ayırevc MasrıEev Adav wuEev (zAnısev) de Suges und Kuyornosiv d& MadıSTa Evnmasıv Hvrlası Ouumoww de yU- voerEiv orrousıw #)205 Welöds zev painer, [1866] 10 134 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse diese hebung trift, wie das o der zweiten person eigucco 5230 @X Ereo > 387 E45 arX 24201501 P559, so besonders oft das ro der dritten: El@Ayro Moos 11 753 Oaivuvro Towes H 447 eigucaro Swaryg A 186 moos Ö’ ZXero TAaüzov M 102 rs Eygro orevayuv € 428 Yyayero eos II 190 © 298 Teoryvde H390 X 116 zyelro nuyoznosı m 397 NA&ro Eüv y 302 #gcrL Sero Raegnv T 381 Sysüvro ueya HA4A izovro rgorL w154 zuiovro wrersen $ 350 zoamwvro Ilgı}soro Z 246 zreiwvovro Tesiwv u 38 Weig- vavTo Towew N 720 oyarro meodegouce v64 Eomasaro orzgvoro A 530 _ orscavro HEnTnpRS ß 431 Erodmero Zeus p4Al3 9% mW Zbero Towwv & 277 us Ebaro Zeus T 112 &s Eparo »Auiovs® T 301 X 515 Echpacaro Aryewv y 289 Wacıro mgorı II 655, dafs man II 594 versucht ist Ergdmero zreiwev zu lesen für Ergumer Exrewev. VL. auroVs Te zreivov E 265. fälle wie 4 mv Eyso# X 458 Öweresrz Q12 mrwyeveoz o 2 machen hoffentlich kein bedenken. 2. Absichtliche verstüämmelung des menschlichen leibes durch abhacken und zerfetzen der gliedmafsen kömt bei Homer, aufser dem gefecht, zwei mal vor, an dem Kentauren der die Lapi- thenhochzeit stört $® 295 und an dem ziegenhirten % 474; denn billig sehn wir ab von Polyphem, der notwehr unum- gänglich gemacht hat. weiter verbreitet erscheint die unsitte, zum entsetzen weit, in der altfranzösischen poesie, der nördli- chen und der südlichen, der Kärlingischen und der von der Tafelrunde, immer fast drittehalb tausend jahr nach den Troi- schen geschichten und in längst christlichem lande. beispiele gebe ich in einer nicht blumen- aber dornenlese aus etwa einem dutzend solcher gedichte, wie sie mir gerade vorliegen. Jourdain überfällt seinen feind bei tisch und haut ihm die nase ab, seinem sohne den kopf. Fromont besorgt künftighin li esnases zu heifsen') und mutet zehnen seiner barone zu sich ebenfalls die nase abzuschneiden. sie verweisen ihn .an seine leibeigenen. die jammern zwar vom 5. März 1866. 135 nos avons fait touz jors ä vostre gre: or nos volez ainsi desfigurer, werden aber keiner antwort gewürdigt: baron, tost les prennez. et cil si firent, quand il l’ot commande. a bons coutiaux lor ont les nes copes jJusques es denz. les ont si atornes, diable semblent d’enfer deschaainne. im Garin le Loherain wird nicht allein ein fliehender un- ritterlich übermant: brochant tuit quatre le conte vont ferir. grant cop li done chascuns & son venir. li uns fiert halt, P’autre bas, ce m’ est vis, si cum chascuns pot & poindre venir. Vescu li fendent soz la bocle d’or fin. li fers fu chaus, ne pot l’acier sofrir. el corz li plungent lor aciers Poitevins, copent l’eschine et le bras et le piz; mort le trabuchent droit en mi le chemin; si le devient com fait li lous mastin. done trait l’espez li Loherens Garins. arestez s’est desor son anemi. des le braier le porfent jusqu’ o piz; foie et pormon par terre en espandi: sondern auch die gefangenen sind ihres lebens nicht sicher: di moi Gautier, mon neveu l’orfelin, preigne soi garde de cax qu’ il a pris. s’ enianul — qui apartiegne Fromont le posteif, sempres li face tos les membres tolir. vgl. Dumeril p. XXXVI. sein heiliger stand schützt den bischof nicht. bien s’en alaist, ne fust ne mors ne prins, quant ses chevaus desous lui li chait. en une boue est voleis Lancelins. de toutes pars vienent li orfenin. bien voit l’evesque que ne pourra garir: lieve la main, si les cria merci. et dist Girbers “su vos vault mot petit.” 10,7 136 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse il trait l’espeie, dou clerc la teste print. le bras en print li chevaliers gentis. Hernaus li prous tint l’espie Poitevin: tous les bouiaus li fist del cors saillir. et dedans Mu£se firent le cors flatir. tout le depiecent et le laissent enqui. si veneor le troverent ensi. les pieces font par les chans recoillir, dedans un sac assenbleir et gesir. Karl Martell im Gerard von Roussillon kündiget an ne panrai chavalier tot no 1 vergong e del nes e dels oils no 1 fassa mong, sirven ni mercadier o pe o poig. Gerard selbst ruft den gesandten seines lehnsherrn entgegen jeu vos en jur lo paire glorios, se sai vengues messatge autre que vos, que del pe o del ponh lo fezes blos. kaiser Karl, auf die Haymonskinder ergrimt, nötigt ihren alten vater zu schwören que 8’ il les poist mais ne tenir ne baillier, tous les orz que dex fist ne lor auroit mestier qu’il ne lor feist tous les membres trenchier. dem Kaiser droht Doon et se ne me l’octroies, par dieu de majestes, vous seres or endroit trestout eschervel&s de mon branc esmoulu, et tout vif desmembres. in der Parise findet ein vater nach funfzehn jahren seinen sohn wieder: je vos charjai ma dame, la duchesse au vis cler. mais par le saint apostre c’om quiert au Noiron pre, si je de la duchesse ne sai la verite, je vos ferai ancui tot les membres coper. ein angeber Tristans gerät in dessen jagdgebiet. li vasau apres les chieng veit: Governal (Tristans hofmeister) saut de son agait. du mal que cil ot fait li membre. ä sespee tot le desmembre. li chief en prent, ä tot s’en veit. vom 5. März 1866. . 137 Gui von Burgund, zum könig gekrönt von den epigonen, deren väter schon in das siebenundzwanzigste jahr mit kaiser Karl zu felde liegen, versucht die neue macht an den vornehm- sten frauen: il en jure la crois par ire, ou diex fu mis, qu’il n’i a une seule qui tant soit de haut pris, se elle estoit sereur Karlon de saint Denis, ou se c’estoit bele Aude qui tant a cler le vis, ou ele estoit ma mere, que je dout mult et pris, se je en oi huimes la pärole tantir, que je ne li feisse touz les membres tolir. Turpin fordert einen Saracenenkönig auf seine feste zu übergeben: et se tu si ne I fais com devise li bries,' et Karles te puet panre, mors ies et trebucies. il te fera la teste fors du bust rooigner et arracher du cors et les mains et les pies. chastel ne seignorie ne t’i aura mestier. et il fera tes fils trestous vis escorcier, apres si les fera en un fu graeiller. et si fera ardoir ta cortoise moillier, ou au meins les mameles de son cors arrachier. im Erec li cuens est trahitres prouez. se ci poez estre trouez, ja n’eschaperoiz de la place que tot desmembrer ne vos face. im roman d’Aspremont fallen die Saracenen den Christen in das land: et maint france home i ont oste les chies et les mameles ostees des molliers. Flores, so eben erst Blanchefloren zu liebe Christ gewor- den, bekehrt seine untertanen: qui le baptesme refusoit ne en dieu croire ne voloit, Flores les fesoit escorcier ardoir en fu et detrencier. Aubri muss sich sagen lassen 138 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Borgoins, ja ne cuidies que li mien cors soit au vostre apaisies jJusqu’ en serez ocis et detreneies. ein engel sogar, derselbe vermutlich der schon früher ein- mal ziemlich mastig aufgetreten: devant le conte vint, aine mot ne li sonna, mes de la grant clart€ le bons quens aveugla. et li angre du pie si grant coup li donna que trestout estendu & terre le porta: dieser botschafter des himmels spricht also: or vous mande le roy qui tout a & jugier que vous treis les aillies as esp&es d’achier asaillir a lor tres et lor corps detrenchier, ochirre et decouper et lor corps mechaigner. worte und werke gleich wüst und ungeschlacht reifsen nicht ab. wir führen noch einige an: denn wir dürfen nicht kargen mit zeugnissen für ein fast unglaublich finstres und wildes leben. je vos ferai touz les membres tranchier. n’en partirai: si l’aurai desmembre. trancherons lor les testes et les nez et les os. le nes vus en deust trencher. se tant ne vos amasse entre vos et Ogier, je vos feisse ja tous les membres tranchier. s’il ne la rant, touz sera desmembrez. je ne 1 feroie por estre demenbrez. mex se laisast vif depecier. s’ a vostre amor me povoie acorder, je me lairoie un des membres coper. ains se feroit toz les membres tranchier. s’or en savoit li rois un mot, mon cors seroit demembre tot. ainsois voldroit toute iestre desmembrec’). se ne l’en ranz mecreant et mate, rois, si me faites tous les membres coper. se je vous ment, fetes moi detrencier. fai-moi detraire & queues de roncin et esrachier les membres grans et petis. si Karles vos puet prendre, nus ne vos puet tenser vom 5. März 1866. 139 qu’ il ne vos face pendre ou les membres coper?). ki en besoign ne li viendra edier, Karles li rois le fera detrenchier. s’ il m’ocioient as brans d’acier forbis o il avoient tos les membres rostis, ne seroit pas assez grant mesmis'). ains qu’il voient demain soleil bessie, seront tretout penduz et detrencie. ou se ce non, as espees d’acier vos covendra les membres .detrenchier. s’ il fust trouve, tantost fust detrenchie. se il se muevent, ses alez detrenchier. deservi a c’on li cope le poing. ainchies i sera & pieches depechies et feru par le corps de plus de quatre espees. miex voldroie c’om m’ &ust enfoie. ains me lairoie trestout vif escorchier. je me leroie miex la teste roongnier et les piez decouper et les dos iex sachier. je ameroie miex le pie avoir coupe et le cuer ens u cors et fendu et creve£. miels voudroie iestre percie d’une lance. si m’ait dex, qui tout a & jugier: si les puis penre, il auront mal loisir: je les ferai trestouz vis escorchier. garde sus tes iex, ne me met en oubli. se je ne l’ai en ma commandison demain, au jor, ansois que prime sont, poi vos poez fier es iex dou front. s’ ansois le vespre ses membres ne retaille au branc d’ acier, qui reluist et bien taille, trop estera couvers de fort escaille. se te puis encontrer, tost te desmembrerai, a m’espee d’achier les bouiaus te trairai. mais n’ iere lies s’ & mes mains ne vos pent. si je les tieng, je les metrai au vent. ne vos faudrai dusqu’ as membres tranchier. ne vos faudrons por estre desmembre. 140 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse ne me faudront por les bras esrachier. [membres. ne li faudroient por les membres perdant, por i perdre les commande au portier sor membres et sor vie. ce vos comant sor les membres trenchier. garde sur tes membres qu’il n’ i ait faussete. soiez treztuit en la grant praerie, touz sanz failliance, sor membres et sor vie. sor lor eulz & toz commande. ja sor lor eulz ne le pensasent que ja de lor mains m’atachasent. et quant vous devoiez roi Dexirier vengier, vous le venistes sour por fer lu detrencier. si ert la vile arse et li haut mur verse; n’ i aurait nul ke ne soit desmembretz?). Gerars moiesmes serait toz desmembretz, s’ il estleans ne pris nen atrapez. prenez-moi les mesages: chascun soit detrenchies. ce mesage en portez, ki git ci depecie. tuit seront del cors deshonore, o il auront o piee o pug colpe. beliebt sind redensarten wie je ne 1 feroie je ne 1 lairoie ne le rendroie il ne manjast por les membres coper ne le faisse il n’i alast ne vos faudrons ne 1 vos diroie ne m’ en iroie ne mangeroie il ne lairoie ne vos faudrons vos ne l prendriez je ne l leroie por les membres tolir, gewöhnlicher als die auch nicht seltenen aber mehr vereinzelten, die vom tod überhaupt hergenommen werden oder von weniger rauhen wegen zum tode, por les membres tranchier vom 5. März 1866. 141 por & perdre la vie ne le feroie $ pour la mort endurer por & perdre un des piez. s’ ieu en devia morir lei de prejur, si ausirai le roi joine o madur. ja pur murir ne vus en faldrat uns. ains me laissasse dou corps traire la vie. miex voldroie iestre mis a destruction. ne me faudront por & perdre les testes. qui me devroit tolir le chief sous le menton. je me lairoie eingois ocire d’une espee. oder die einen besitz verschmähen (vgl. Fierabras p. 154 a): por cant que vos avez por avoir qu’on me seust doner quanqu’ ad el mond, mis ad & nent por tot l’avoir du monde por tot l’aver que sia tro & Caumil de rachat ne prendroie trestot l’avoir Oton mix amast sa mort & voir que ne fesist cent mars d’a- voir eles valent mielz que I’ aveir de Rume®) por estre moi deshirete ne lairoie ne l’aide en re ac sencha säspaza, que Ih det Disdiers: no la pogra comprar totz us empiers ni volsist estre por tres- toute Allemaigne por le reaume Artu qui me donroit le raigne de Bawier et tot le raigne ke soit jus- qu’ & Poitier, ceste bataille ne feroie atargier qui li donat tot l’avoir de Damas, ne se tenist li rois qu’il ne plorast qui li donast de France la moitie et Orle- nois et Reins l’erceveschie, mien escient n?’ &ust le cuer si lie qui li donroit Estampes et Orliens, nes panroit pas por la cit de Meilant por trestot Orle- nois por tot Paris qui agues tout Paris e Reins adoncs al rei e l’o desses, non cuh de la danza mogues donat i volgra aver quatre eiptatz por que li coms fos vifs il ne lesgardast mie pour xXIj eites ne se le penseret por vint cites ne por tote l’onor que vos avez qui li eust done la eit@E de Laon, ne se tenist il point qu’il eust soupire miex l’ameroie que l’enor Costentin. ne deist mot pour l’avoir Coustentin, Pharaon por tote Lombardie, 142 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Normandie ne fust si lies por l’onor d’Abilant, de Dinant je ne vodroie por l’onor de Paris mieus amons morir ou le cuens de Clermont que tenir quant que vaut Paris jusqu’ en Piemont no dera lo jorn Karles son espero por Orlhes ne por Chastres ne por Samsos je m’en penroie trestot le monde & gr& ni volsist estre Karles por tot le monde por or ne por argent’), aveir, mangon se li donavatz d’aur aitan gran do cum en poiria metre dins sa maio por tout mangon, comme l’en porrait metre en cest donjon pour plain un val d’argent je n’en pren- droie mie plain un val d’or comble, rase pour plain val d’or fondu, moulu d’or et d’argent li ert un neis combletz ne fust si lies por cent livres d’or mier por mil livres . d’or fin por cent mars d’or peseiz por mil mars d’or pesant por eine cent livres de deniers Parisis por un mui d’or comble por un mui de besant qui don- roit a Karlon un mui d’or Espanois, ne tanroit il le siege entre ci & diz mois por cent muls d’or char- gie por tut l’or desuz ciel ne | gariroit tout l’or nostre seigneur por tot l’or deu ne volt estre cuard qui li donast trestot l’or Salemon°®), d’une lude ne deist o ne non pour l’or d’une cite, de dos, de treis, de diz cites d’une contree d’un pais por tout l’or deu desous eciel por tut l’ort que deus fist ne por tut l’aveir ki seit en cest pais por tiex dis pesans d’or por autretan d’or euit®) pour l’or (por tot l’or) d’Arragon, id’Avalon, de Baudas, de Be- sencon, de Biaucaire, de Bonevent, de Brandy, de Car- tage, Constentinnal, as Danois, de Hongrie, de Mirabel, de ce monde, de Monflor, de Monpellier: trestout li ors qui est & Monpellier ne le garrä, ne 1 face detranchier ardoir en feu ou tout vif escorchier: du pre Noiron, d’Orient, de Paris: pour tot l’or que soit tresqu’ a Paris: de paiennie, de Pavie, de Ponti. pour une roiaute por d’or plainne une tor ne remanroit vom 5. März 1866. 143 qui me donroit tout l’or de cest siecle vivant, le roiaume de Franche et quanque ili apent, et cheli de Bretaigne et Engleterre avant, et toute Ja Campengne et Bourgoigne la grant, desi en Lombardie et Romaigne la grant, ne guerpiroie mie Mahom ne Tervagant. por tot l’or d’Alixandre por le tresor Davi sur le pomel fisent l’aigle dreier: ne fu si riches puis le tans Desier il n’en penroit tout le tresor Gauffier qu’il ne nos face ardoir et graillier ou pendre as forches ou en eve noier por le tresor Karlon l’empereor mais n’agro lhi garso e gens tapina que no n’ac el tezaur Milo d’Aiglina du tresor au rice empereour de Rome l’uns por l’autre le lonc d’un esperon ne fuiroit pas por le tresor Sanson oder auch die im allgemeinen trotz aussprechen gegen gott menschen umstände, wie pour dieu a renoier se dex l’avoit jure, ne verrez mais autre jor ajorne je ne 1 lairoie por nul home, pur nul hum de car, por nul home vivant, pour home qui soit vis, qui soit neiz, qui de meire soit neiz, por home qui puist desconselier, que saiche por nul el siecle qui en seust prier por roi ne por homme vivant por paien tant soit fier ne aspre por nul bezonh que agues ne pur chose que fere puise ne pur destrece ne pur anguise por nul essoine por nule rien vivant'°), por rien qu’en li seust proier, que vous voies, pur ren del munde pour quanque a monde quoi qu’il deust couster cui qu’en doive abelir cui qu’an doie anuier, grever, peser qui qu’en chant et qui en plort qui qu’en lait ne gent qui qu’en soit desplaisant, airies qui que fole ou sage me tenge soit savoirs ou folie soit drois soit tors qui que s’en lot ne blasme qui que s’en plagne ou rie qui qu’en plort ne qu’en rie qui qu’en poise ne qui non & moi que chaut s’il vos en poise ä quel qui tort por quan que vei, qu’ a mes iex voi ou il nous aint ou il nous hest ou il veillent ou non ou bel lor soit ou 144 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse non cui fust lait ne cui bel qui veut en ait envie, irour il en aient malgre tout maugre soen il volsist ou non en nule guise, maniere a nul fuer por ren qui deust avenir or aviegne qu’avenir puet comment que lor en prengne ou bien m’en preigne ou mal m’en viegne ou tort a mal ou tort a bien Flores ne caut a coi quil tourt reseive je ou mort ou plaie miex vouroie estre a naistre. 1) so wird Wilhelm von Orense, seitdem er die nase im zweikampf mit Corsolt verloren hat, nicht mehr Guillaume Fierebrace genant sondern Guillaume au cort nez. das ist aber ein schimpf: grant honte en ai quant vieng entre mes pers. woraus sich auch die zumutung erklärt. als Floovant dem seneschal den bart abgeschnitten hat, si ann ai ses grenos li riches rois cope soulement por le duc qui si est atorne, et trestuit li baron refirent autretel. übrigens wechseln nicht beinamen allein. Gaydon heifst Thierry, bis sich ihm ein heher (geay) auf den helm setzt, wie jenem Römer ein rabe. 2) anderwärts: ains me laissasse ardoir et la poudre sauter. ?) sonst auch s’il vos tenoit —, tot Porz del mond ne vos auroit mestier, ne vos pendist comme lairon forsier und se vos i truis demain apres mangier, je vos ferai ou pendre ou graelier ou trainer a coe de somier, la hart au col, comme lairon forsier oder se vosi truis a demain par matin, do cors de vos farai si grant train, parle en iert jusqu’au jor de juiz. auch in aller form rechtens: tel justice ferons cum jugeront li Excler, de pender ou d’ardoir ou tot viu enfoier. *) in gleichem sinne s’il me veoit pendu ars noye ou bouly, si n’en aroit il mie le suen cuer assouvi. °) tu as perdu le chastel de Naisil: jo vis abatre et par terre flatir, vom 5. März 1866. 145 et cil dedanz furent par force priz; traine furent et escorchie tuit vif. 6) non ti degnara porgere la mano per quanto avere ha’l papa e lo soldano. Ciullo d’Alcamo. derselbe: se tanto aver donassimi quanto ha lo Saladino, e per aggiunto quant’ ha lo soldano, toccareme non poteria la mano. | nunca le oyeron mentira, nunca por oro ni plata. . Rom. de los infantes de Lara. 8) treis cenz henas de l’obre que fist faire rei Salemons stielt dem Karl Martell, aus seiner chambre qui est volte, Folchiers li Marengon, der mit Maugis den Autolykos der altfranzösischen fabel macht. im Gaydon hat Karl ein messer: la manche an fu de l’uevre Salemon. °) anderwärts no Ih valria aurs cuhs son pes d’aram. das aufwägen “mit gold, xpuc# Epucacdaı X 351, hier wie bei Homer hypothetisch, gibt sich mehrmals für factisch. so “al mesatge donet d’aur son pesan”, und “Karles n’ac cent trames davas totz latz: qui trobera Gerard, si l’amenatz, d’aur e d’argen Ih er vij vetz pesatz”. und von Blancheflore hören wir “en Babiloine l’ont menee, ä l’amiral l’ont presentee, et il l’a tant bien acatee: de son or Pa sept fois pesee”. auch “por si grant d’or cum il est toz”. und “de mon roge or te dorrai son pesant. du plus fin or de France richement rachatöe plus de xıı1j fois vos en serai pesee”. 10) ne pens a riens vivant fors k’a la bele au cler vis. el coms no ditz paraula ä re nascut. un fil avoie de ma femme espousee: plus bele riens de femme ne fu nee. tu enmenras la riens qu’ai plus amee: c’est Gasselin. d’aquesta ad dos filhs, mot gentas res. eben so wird chose gebraucht: he, Jourdain sire, franche chose honoree. et li demande “ya, quel chose iez-tu ci?” cine pies ot (Pipin) et demi de lonc: mes plus hardie chose ne fu onques choisie.e Blancheflor heilst povre cose de bas endroit, aber auch moult france cose: ainc millor cose ne veistes. und ein engel wird angeredet bonne chose. nicht anders im Spanischen: yo llor€ el rey mi marido, las cosas que yo mas queria. 3. Nachtrag zu M. B. 1865. S. 619 z. 12 lies er gebülst, singt uns das Rolandlied VCXCH: puis sunt turnet Baiver e Aleman e Peitevin e Bretun e Norman. 146 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sur tuit li altre l’unt otriet li Frane, que Guenes moerget par merveillus ahan. quatre destrers funt amener avant; puis si li lient e les piez e les mains. li cheval sunt orgoillus e curant. quatre serjanz les acoeillent devant devers un ewe qui est en mi un camp. Gu£nes est turnet & perdieiun grant: tres tuit si nerf mult li sunt estendant et tuit li membre de sun cors derumpant. sur.l’erbe verte en espant li cler sanc. Gu£nes est mort come fel recreant. ausführlicher, und mit wohlgefallen an dem grausenhaften, er- zält der hochbegabte aber übermütig mafslose dichter des Morgante Maggiore (28 8 ff.): s. 620 2. 5 v. u. füge hinzu nach Gano: und das von rechts wegen, wie der einsiedler Gerard von Ros- sillon belehrt (p. 208): que la divinitas e li aucetor nos mostro en la lei au redemptor qual justisia deu far de traidor, desmenbrar & chivals, ardre en chalor, la polvera de Ihui lai on chai por. ja puis non creistra erba ni altre labor, albres ni res que i traia & gran verdor. zu s. 621 2. 15 als anmerkung: Ganelons plait durchläuft sogar mehrere instanzen. festge- nommen sobald der hülferuf des olifanten das schon weit zu- rückgezogene heer einholt (CXXXV li rois fait prendre li cunte Guenelun: si l cumandat as cous de sa maisun. tut li plus maistre en apelet Besgun. “ben me le garde si cume tel felun: de ma maisnee ad faite traisun”. cil le receit, e i met cent cumpaignons de la quisine, des mielz e des pejurs. icil li peilent la barbe e les gernuns. cascun le fiert quatre colps de sun puign. vom 5. März 1866. 147 ben le batirent & fuz e & bastuns, e si li metent el col un caeignun; si l’encaeinent altresi cum un urs. sur un sumer l’unt mis & deshonor. tant le guardent que Il rendent & Charlun), wird er ausgestellt in Aachen (CCLXXD): Guenes li fels en caeines de fer en la citet est devant le paleis. & une estache l’unt attachet cil serf; les mains li lient & curreies de cerf, tres ben le batent & fuz et a jamelz. n’ad deservit que altre ben i ait. a grant dulur iloece atent sun plait. ein gericht aus vielen ländern zusammengerufen trägt an auf freilassung: ein einziger ritter (oder vielmehr der knappe Gay- don) verlangt den zweikampf und siegt darin. escrient Franc “deus i ad fait vertu. asez est dreiz que Gu£enes seit pendut e si parent ki plaidet unt pur lui, wie denn auch an diesen geschieht. es sind ihrer dreilfsig. zu s. 621 2. 5 v. u. anmerkung. die ritter der tafelrunde sind weniger ekel. si ge l pooie as poins tenir, ge li feroie asez ennui et lui pendre & un haut pin sagt Gavain, und ein genosse si ge l’encontre en mi ma voie, ja ne m’en tienge lois ne fois, s’a mes dos mains ne le fais pendre. desgleichen li fel parente, li lignaige au cuivert Ganelon: mais n’iere lies, sagt Guion, 3’ & mes mains ne vos pent. - wenn aber Wilhelm von Orense die dreizehn stralsenräuber aufhängt die er erschlagen hat, so entschuldigt er sich damit dafs er allein ist in dem wilden walde und doch gewohnt diese strafe für dies verbrechen unerlässlich zu achten. allein ist auch Ro- bastre in dem schlofs der dreifsig räuber, die er hängt nach- dem sie seinen knappen umgebracht. 148 Gesammtsitzung 4. &zwv, dem sein digamma schon durch das mehr als funfzig- malige «xuv gesichert ist, steht doch auch noch einige male, drei oder vier auf achtzehn, ohne digamma. so = 100 Zeus Ö ep2 y Hvoyaı deüg Er-IenEv olz EIEAovra. is Ö’av Eruv Torsvde da dgemor EA LUGOV vowe; wir brauchen aber nur ö’ zu streichen und gewinnen freie hand für rs ze. dafs 62 den zusammenhang hier eher stört als bin- det, sehen wir an miros Eyw oi Önze Ti zEv febeıe zur arras; 8 649 beie magegerDoUca. is Av Seov oUz 2IEAovre oh Ternoisw do; # 573. vgl. I 77 u 450 = 187 %, 12. mit gleichem recht ist E 365 rcv Fidev gesetzt für rov Ö’ ider. 8. März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Pertz las über die Zusammenkunft von Trä- chenberg am 10 — 12 Juli 1813. Hr. Hofmann las über Synthesen des Guanidins. Vor nahezu zwanzig Jahren hab’ ich bei der Einwirkung des Chlorcyans auf das Anilin einen Körper, das Melanilin ') erhalten, welcher, der Zeit nach, Ausgangspunkt einer sehr merk- würdigen Reihe von einsäurigen Triaminen geworden ist. Das Melanilin, ursprünglich als ein Diamin, als Cyandiphenyl- diamin angesprochen, läfst sich auch von 3 Mol. Ammoniak ableiten, in denen 2 At. Wasserstoff durch Phenyl vertreten sind; es stellt sich alsdann als ein Triamin, als Carbodiphenyl- triamin dar, in welchem die 3 Ammoniakmolecule durch die Gegenwart eines vierwerthigen Kohlenstoffatoms zusammengehal- ten werden. Dem Melanilin schlofs sich später das von Dessaignes?) bei der Oxydation des Kreatins erhaltene Methyluramin an. 1) Ann. Chem. Pharm. LXVI. 129, ?) Ann. Chem. Pharm. XCI. 407. vom 8. März 1866. 149 In dieselbe Reihe gehören ferner das bei der Einwirkung des Kohlenstofichlorids auf Anilin erhaltene Carbotriphenyl- diamin'), sowie die entsprechende Aethylverbindung, das Carbotriaethyltriamin?), welche sich bei der Behandlung des Natriumaethylats mit cyansaurem oder cyanursaurem Aethyl bildet. Seiner Zusammensetzung nach das interressanteste Glied dieser Reihe ist aber jedenfalls das von Herrn A. Strecker bei der Behandlung von Guanin mit oxydirenden Substanzen gebildete Guanidin, in sofern in diesem Körper die drei Am- moniakmolecule ohne Gegenwart substituirender Atomgruppen, welche seine Constitution verschleiern könnten, durch das Koh- lenstoffatom verkettet sind. Die Beziehungen aller dieser Körper zu dem dreifachen Ammoniaktypus erhellt durch einen Blick auf folgende Formeln: H; Dreifacher Ammoniaktypus . . . .. 2... H; In, H; Baripmamngr. no: a neue ee 5 > (Guanidin) H, Carbomethyltriamin . . NFRRENEL SEN SURUCHT,,) (Methyluramin, Meitylouanidin) H, (Melanilin, a anidin) H; Parbomiphenykriamm "2... 027.0 (OEH 5) (Triphenylguanidin) H; earbamaeihylimamin .. ..2...2..0..000.02.000.0%.000 (OH) (Triaethylguanidin) H;, C Carbodiphenyltriamin . . a Cıt8% !) Proceedings of the Royal Society IX. 284. ?) Proceedings of the Royal Society IX. 231. ?) Ann. Chem. Pharm. CXVII. 151. [1866.] 11 150 Gesammtsitzung Der Gedanke lag nahe das Guanidin, welches durch die schöne Arbeit des Herrn Strecker mit einer Reihe der interes- santesten Verbindungen in nächste Beziehung gesetzt worden ist, mutatis mutandis nach einem der Verfahren darzustellen, welche die von ihm ableitbaren Verbindungen geliefert hatten. Als ich vor einiger Zeit das in obiger Tabelle letztgenannte Carbotriaethyltriamin beschrieb '), machte ich bereits darauf auf- merksam, dafs sich das Guanidin wahrscheinlich aus der Cyanur- säure oder aus dem Biuret werde erhalten lassen, gerade wie der triaethylirte Körper aus dem cyanursauren Aethyl oder dem von diesem abgeleiteten, von den Herren Habich und Lim- pricht?) entdeckten, indifferenten Zwischenproduct, dem Tri- aethylbiuret, entsteht. Cyanursaures Aethyl C,;(C,;H,)3N;O, Cyanursäure C;H,N,O; Triaethylbiuret C,H;(C;H,);N;0;, Biuret C,H,N,O, Carbotriaethyltriamin C,H,(C,H,)3N30 Guanidin C H,N;O Diese Anschauung ist denn auch seitdem durch den Ver- such bestätigt worden, insofern Herr Finckh°) nachgewiesen hat, dafs sich das Biuret in der That in Guanidin überführen läfst. Ich habe mich in neuester Zeit ebenfalls wieder mit Ver- suchen über die Bildung des Guanidins beschäftigt und bin bei dieser Gelegenheit zu einigen Beobachtungen gelangt, welche mir würdig schienen der Akademie mitgetheilt zu werden. Das Guanidin, obwohl zuerst in einem ziemlich complieirten Procefs beobachtet, ist gleichwohl ein Körper von aufserordent- lich einfacher Zusammensetzung. Nicht mehr als ein Atom Kohlenstoff in seinem Molecul enthaltend, steht diese Base auf der unsichern Grenzlinie zwischen den Verbindungen der orga- nischen und unorganischen Natur. Das Molecul des Guanidins enthält die Elemente von 1 Mol. Kohlensäure + 3 Mol. Ammo- niak — 1 Mol. Wasser. !) Loe. cit. 2) Ann. Chem. Pharm. CIX. 104. *) Ann. Chem. Pharm. CXXIY. 331. vom 8. März 1866. 151 C0;, +3H;N-H,O=CH,N;, H,O Guanidin. Nun gelingt es allerdings sehr leicht das Molecul des Gua- nidins unter Zuführung eines Wassermolecüls im Sinne obiger Gleichung in Kohlensäure und Ammoniak zu spalten, allein die Aussicht Kohlensäure und Ammoniak unter Ausscheidung von Wasser in Guanidin zu verwandeln war in der That eine sehr geringe. Ich habe daher nur wenige Versuche in dieser Richtung angestellt, zumal die Anwendung der Chlorverbindung des Kohlenstoffs einen weit schnelleren Erfolg versprach. Hier lagen die bestimmtesten Analogien vor. Die Einwirkung des Kohlenstoffehlorids auf das phenylirte Ammoniak, das Anilin, hatte mir das triphenylirte Guanidin, das Carbotriphenyltriamin in die Hände geliefert; indem ich statt des Anilins Ammoniak auf Kohlenstoffchlorid einwirken liefs durfte die Bildung des Guanidins, des Carbotriamins selbst, mit Sicherheit erwartet werden. CC, + 3H,N = CH,N,;,, HCl + 3-HCl mn m m Chlorkohlen- Chlorwasserstoffs. stoff. Guanidin. Der Versuch hat meine Erwartungen nicht bestätigt. Ich bin nicht im Stande gewesen durch die Behandlung des Chlor- kohlenstoffs mit Ammoniak das Guanidin zu erhalten. Trotz mannigfaltiger Abänderungen des Versuchs hab’ ich bis jetzt in dieser Reaction Guanidin nicht beobachten können. Läfst man eine wälsrige Lösung von Ammoniak auf Chlorkohlenstoff ein- wirken, so erfolgt die Reaction erst bei sehr hoher Temperatur und das möglicherweise ephemer gebildete Guanidin geht wahr- scheinlich unter Wasser- Aufnahme alsbald in Kohlensäure und Ammoniak über. Wendet man eine alkoholische Lösung von Ammoniak an, so erfolgt die Einwirkung bei viel niedrigerer Temperatur. Nach zehnstündiger Digestion mit alkoholischem Ammoniak ist jede Spur von Chlorkohlenstoff verschwunden; allein die Umbildung ist eine complicirte, an der sich die Ele- mente des Alkohols betheiligen; es entstehen braune, harzige Producte und die Bildung von Guanidin, welche, man kann kaum daran zweifeln, unter günstigen Bedingungen bei dem EI 152 Gesammtsitzung Zusammentreffen von Chlorkohlenstoff und Ammoniak erfolgen muls, konnte auch hier nicht nachgewiesen werden. Der Versuch gelingt aber ohne Schwierigkeit wenn man statt des Chlorkohlenstoffs einen demselben ganz nahestehenden Körper, das von Stenhouse entdeckte Chlorpikrin ') auf das Ammoniak einwirken läfst. Man kann das Chlorpikrin als Chlorkohlenstoff betrachten, in welchem 1 Atom Chlor vertreten ist durch die Atomgruppe NO,, und ich durfte demnach erwar- ten, dafs die Einwirkung des Ammoniaks eine vollkommen ähn- liche Umwandlung veranlassen werde, wie sie die Theorie mit dem Chlorkohlenstoff in Aussicht gestellt hatte, mit dem Unter- schiede jedoch, dafs sich aus dem Chlorpikrinmolecule neben dem chlorwasserstoffsauren Guanidin nicht 3 Mol. Chlorwasser- stoffsäure, sondern 2 Mol. Chlorwasserstoffsäure und 1 Mol. sal- petrige Säure abscheiden müfsten CC, NO; +3 H,N = CH,N,, HCl + 2 HCl + HNO,. Chlorpikrin. Chlorwasserstoffs. Guanidin. Chlorpikrin kann mit wälsrigem Ammoniak Tage lang digerirt werden ohne eine merkliche Veränderung zu zeigen. Bei 160° !) Die Darstellung des Chlorpikrins in grölseren Quantitäten gelingt ohne Schwierigkeit, wenn man in folgender Weise verfährt. 45,0 Kilo frisch bereiteten Chlorkalks, mit kaltem Wasser zu einem dicken Brei an- gerührt, werden in einer verhältnilsmälsig geräumigen, in kaltem Wasser stehenden und mit Helm und Kühlschlange verbundenen Destillirblase von Steinzeug mit einer auf 30°C. erwärmten gesättigten Lösung von 4,5 Kilo Pikrinsäure versetzt und beide mittelst eines Stabes gemischt. Nach we- nigen Augenblicken tritt eine gewaltige Reaction ein; die freiwerdende Wärme treibt den grölsten Theil des gebildeten Chlorpikrins in die Vorlage über, welche, um das Entweichen nicht verdichteter Chlorpikrindämpfe in das Laboratorium zu verhindern, mit einer nach dem Schornstein führenden Abzugsröhre verbunden ist. Sobald die erste Einwirkung vorüber ist, er- hitzt man das Wasserbad in welchem die Blase steht zum Sieden, um das noch zurückgebliebene Chlorpikrin vollständig überzudestilliren. Die Aus- beute an Chlorpikrin beträgt 114 p. C. der angewandten Pikrinsäure. Es mag hier auch bemerkt werden, dals ich den Siedepunkt des Chlor- pikrins, welcher von Stenhouse zu 120° C. angegeben ist, etwas niedri- ger, nämlich 112° C., gefunden habe. vom 8. März 1866. 153 vollendet sich die Reaction in wenigen Stunden und zwar genau im Sinne der obigen Gleichung. Allein die salpetrige Säure erleidet bei dieser Temperatur mit dem überschüssigen Ammo- niak die bekannte Zersetzung: HNO, + H,N = 2H,0 + 2N. In Folge des enormen Gasdruckes, welchen die Stickstoffent- wicklung bedingt, werden die meisten Röhren schon während der Digestion zerschmettert; diejenigen, welche den Druck aus- gehalten haben, müssen mit der gröfsten Vorsicht vor der Lampe geöffnet werden und explodiren nicht selten noch in dem Augen- blick, in dem sich die Röhre aufbläst. Ich habe defshalb ver- sucht die Reaction durch Zusatz von Alkohol zu erleichtern. Eine Lösung von Chlorpikrin in alkoholischem Ammoniak ver- wandelt sich schon bei 100°, aber langsam. Die Flüssigkeit nimmt eine gelbe Farbe an und nach 48 Stunden haben sich Krystalle abgesetzt, die man unschwer als Salmiak erkennt. Man läfst nunmehr erkalten und öffnet die Röhren vor der Lampe um den selbst unter diesen Umständen entwickelten Stickstoff entweichen zu lassen. Nach sechs bis acht Tagen ist die Einwirkung vollendet, beim Öffnen der Röhre ist der furchtbare Geruch des Chlorpikrins verschwunden und die Flüs- sigkeit läfst sich mit Wasser mischen ohne getrübt zu werden. Die von den reichlich ausgeschiedenen Salmiakkrystallen getrennte stark ammoniakalische Flüssigkeit enthält neben Chlor- wasserstoffsaurem Guanidin noch eine erhebliche Menge von Salmiak und salpetrigsaurem Ammoniak. Mit Schwefelsäure angesäuert in eine jodkaliumhaltige Stärkelösung gegossen, be- wirkt sie alsbald eine tiefblaue Färbung. Zur Darstellung des Guanidins in reinem Zustande wurde die Flüssigkeit auf dem Wasserbade eingetrocknet und der krystallinische Rückstand mit absolutem Alkohol erschöpft. Es blieb wieder Salmiak ungelöst und die Lösung liefs nunmehr beim weiteren Eindampfen ein zerflielsliches Salz zurück, das chlorwasserstoffsaure Guanidin in nahezu reinem Zustande. Um Spuren noch vorhandenen Ammoniaks zu entfernen wurde die Base durch Silberoxid in Freiheit gesetzt und bis zur völligen Entfernung des Ammoniaks auf dem Wasserbade oder unter der Luftpumpe stehen gelassen. Die stark alkalische, 154 Gesammtsitzung aus der Luft schnell Kohlensäure anziehende Flüssigkeit wurde alsdann mit Chlorwasserstoffsäure angesäuert und mit Platin- chlorid versetzt. Die prachtvollen sehr löslichen rubinrothen Prismen, welche nach einiger Zeit auskrystallisirten, gaben bei der Analyse nachstehende Zahlen: I. 1.3600 Grm. Substanz, bei 100° C. getrocknet, gaben 0.2214 Grm. Kohlensäure und 0.2949 Grm. Wasser. U. 0.6424 Grm. Substanz, bei 100° C. getrocknet, gaben 0.2400 Grm. Platin. Diese Zahlen stimmen genau mit der Formel 2 [CH,N,; . HC]], PtC1, welche nachstehende Werthe verlangt: Theorie. Versuch. T I. GG, — 24 4.5 4.44 — H,— 12 223 2.40 — N, — 83 15.8 — —_ Pt — 198 30.3 —_ 37.36 Cl, — 213 40.1 —_ —_ 53l 100.0 Ich hatte gehofft auf diese Weise gröfsere Mengen des aus mehr als einem Grunde interessanten Guanidins darstellen zu können. Allein die langsame Verwandlung sowie die Spaltung des gleichzeitig gebildeten salpetrigsauren Ammoniums in gas- förmige Producte erschweren den Procefs. Die Ausbeute ist überdiefs nicht einmal die von der Theorie angedeutete. Unter Wasseraufnahme verwandelt sich ein Theil des gebildeten Gua- nidins in Kohlensäure und Ammoniak. In dem obern Theile der Digestionsröhren zeigte sich nach dem Erkalten stets ein leichter Anflug von kohlensaurem Ammoniak. Um die Entwicklung des Stickstoffs zu vermeiden habe ich. den interessanten Äther dargestellt, welchen Herr Bassett') durch die Einwirkung des Natriums auf eine alkoholische Lösung von Chlorpikrin erhalten hat. Dieser Äther, den man nach HerrnOdling’s glücklich gewählter Bezeichnungsweise als Ortho- kohlensaures Aethyl (Orthocarbonate of Ethyle) ansprechen darf, !) Chem. Soc. J. XVII. 198. vom 8. März 1866. 158 konnte sich durch die Einwirkung des Ammoniaks ebenfalls in Guanidin verwandeln. C(C;H,),O, +#3H;N + H,;0 = CH,N,H,0-+4[C,H,,HO] mn — mn Orthokohlen- Guanidin. Alkohol. saures Aethyl. Der Versuch hat auch diese Voraussetzung bestätigt. Bei 100° C. wirken Orthocarbonat und wälsriges Ammoniak nicht auf einander ein, bei 150° aber ist die Zersetzung in kurzer Zeit vollendet. Die klare Flüssigkeit liefert beim Verdampfen eine stark alkalische bei 100° nicht flüchtige Substanz. Nach dem Verjagen des Ammoniaks wurde die Base mit Chlorwasser- stoffsäure und Platinchlorid versetzt. Das sich hierbei ausschei- dende Salz hatte alle Eigenschaften der Platindoppelverbindung des Guanidins und lieferte auch bei der Analyse die diesem Salze entsprechenden Zahlen: I. 0.6716 Grm. Substanz, bei 100° C. getrocknet, mit Schwe- felwasserstoff gefällt ete. gaben 0.2501 Grm. Platin. I. 0.1920 Grm. Substanz, bei 100° ©. getrocknet und in ähn- licher Weise analysirt, gaben 0.0718 Grm. Platin. Diese Zahlen stimmen sehr gut mit der Formel: 2 [C H,N,, HC1], PtCl, Theorie. Versuch. 1. D. Platin-Procente 37.4 31.24 37.40 Die Ausbeute ist aber auch in diesem Falle gering, insofern das freie Guanidin noch gröfsere Neigung zeigt in Kohlensäure und Ammoniak überzugehen als das an Säuren gebundene. Überdiefs ist die Überführung des Chlorpikrins in Aethylortho- carbonat langwierig und kostspielig, so dafs auch diese Methode für die Darstellung gröfserer Mengen von Guanidin nicht zu empfehlen ist. Die Verwandlung des Chlorpikrins und des orthokohlen sauren Aethyls in Guanidin dürfte vielleicht Veranlassung geben das Verhalten einiger analoger Verbindungen anderer Elemente gegen das Ammoniak zu untersuchen. Man kennt einen dem orthokohlensauren Aethyl entsprechenden Kieselsäureäther, Orthokohlensaures Aethyl C(0,H,),O, Orthokieselsaures Aethyl Si(C,H,),O, 156 : Gesammtsitzung Unter geeigneten Bedingungen mit Ammoniak behandelt könnte dieser Körper in ein siliciumhaltiges Guanidin übergehen. Jedenfalls verdient bemerkt zu werden, dafs nach der Ana- lyse von Hrn. Persoz') die Moleeule des Chlorsilieiums und des Chlortitans nicht weniger als sechs Mol. Ammoniak fixiren. Die entstehenden weilsen, durch Wasser leider zersetzbaren Verbindungen lassen sich betrachten als Gemenge von Salmiak mit den chlorwassenstoffsauren Salzen von Guanidinen, welche Silieium und Titan an der Stelle des Kohlenstoffs enthalten, mithin als Silico- und Titanotriamine anzusprechen wären: Si'Cl, +6H,N =3 [H,N.HCI] + Si H,N, .HCl. An eingegangenen "Schriften wurden vorgelegt: Verhandlungen der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. 15. Band. Wien 1865. 8. Lotos. Zeitschrift für Naturwissenschaften. 15. Jahrgang. Prag 1865. 8. Jahresbericht 1. und 2. des Vereins für Erdkunde zu Dresden. Dresden 1865. 8. Khanikof, Ztudes sur Vinstruction publique en Russie. Partie 1. Paris 1865. 8. 15. März. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Trendelenburg las über die aufgefundenen Ergänzungen zu Spinozas Werken und deren Ertrag für Spinozas Lehren. Dritte Abhandlung. Hr. von Olfers übergab das folgende Werk: Das Modell eines athenischen Fünfreihenschiffs (Pentere) aus der Zeit Alexanders des Grofsen im Königlichen Museum zu Berlin. Mit vier photolithographischen Ab- bildungen. Berlin 1866. Derselbe legte eine Photographie des vor Kurzem in Aachen aufgefundenen Inschriftsteins auf Karl den Grolsen vor. ‘) Ann. Chim. Phys. XLIV. 319, vom 15. März 1866. 157 An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Memorias da Academia das sciencias de Lisboa. Tomo III, Parte 2. Lisboa 1865. 4. Lendas da India, por Gaspar Gorrea, Tomo IV, Parte 1. Lisboa 1864. 4. Portugaliae Monumenta historica. Leges et Consuetudines, Vol. I. fasc. 4. Olisipone 1864. folio. Dissertazioni della Pontificia Accademia Romana diarcheologia. TomoXV. Roma 1864. 4. Commissao geologica de Portugal: Opusculos por F. A. Pereira da Costa e Bernardo Antonio Gomes. Lisboa 1865. 4. Bulletin de la societe de geographie. Tome 10. Paris 1365. 8. The American Journal of science and arts. no. 121. New Haven 1866. 8. Natuurkundige Verhandelingen van de Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen te Haarlem. Vol. 21—23. Haarlem 1864—1865. 4. Verhandlungen der K. Cesellschaft für Mineralogie zu Petersburg. Jahr- gang 1863. Petersburg 1864. 8. Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 11. 4. München 1865. 8. Astronomische Beobachtungen auf der Universitätssternwarte zu Könies- berg. 35. Abtheilung. Königsberg 1865. folio. Chevreul, Zrpose d’un moyen de definir et de nommer les couleurs. Paris 1861. 4. et [olio. — Recherches chimiques sur la teinture. Memoire 11—14. Paris 1861—1863. 4. — Distribution des connaissances humaines du ressort de la philosophie naturelle ... Paris 1865. 4. — Considerations sur histoire de la partie de la medecine, qui concerne la prescription des rcmedes. Paris 1865. 4. — Discours d’inauguration de la statue elevee a la memoire de Buffon a Montbard (Cote d’or) le 8. Oct. 1865. Paris 1865. 4. von Reichenbach, Aphorismen über Sensitivität und Od. Wien 1866. 8. Die Sammlungen der Akademie für eine künftige Wieder- aufnahme des Corpus inscriptionum Graecarum sind durch zwei werthvolle und dankbar empfangene Geschenke vermehrt wor- den, indem die von den correspondierenden Mitgliedern der Aka- demie Ludwig Ross und Karl Keil hinterlassenen sich auf griechische Inschriften beziehenden Papiere von Frau Professor 158 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Ross in Halle und Frau Professor Keil in Pforta der Aka- demie übergeben worden sind. 19. März. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Rammelsberg las 1) Über die Isomorphie der Lithionsalze mit den Kali- und Natronsalzen. 2) Über die Salze der phosphorigen Säure. F / RE Hr. Ehrenberg machte eine vorläufige Mittheilung über einen Phytolitharien-Tuff als Gebirgsart im To- luca-Thale von Mexiko. Ich habe der Akademie bereits aus verschiedenen Gegen- den Süd-Amerika’s mehrfach geologisch besonders merkwürdige Gebirgsarten vorlegen können, welche einen bis dahin unver- mutheten Einfluls des organischen unsichtbar kleinen Lebens auf ausgedehnte Landstrecken und Gebirgsmassen zu erkennen gaben. Es gehören dahin die in unermelslicher Ausbreitung von Darwin beobachteten und mir in Proben zugeführten Tuff- artigen Wüstenflächen Patagoniens, von denen ich 1845 in den Monatsb. der Akad., dann in der Mikrogeologie pag. 293 um- ständlichste Nachricht gegeben habe. ' Ferner gehören dahin die als verwitterter Trachyt und Trachyttuff, von Meyen zum Theil als Bimstein bezeichneten grolsen Ablagerungen am Maibu Vulkan in Chile, von deren mitgebrachten Proben meine Analysen ebenfalls am gedachten Orte publieirt worden sind. Die Tripel-Lager an der Küste von Atacama, von denen 1856 nach Dr. Philippi’s Proben berichtet wurde, sind ohne vul- kanischen Charakter, wohl aber sind die von Alex. v. Hum- boldt umständlich beobachteten ungeheuren Schlammauswürfe der Vulkane in Quito, von denen der Akademie 1839, 1841 und 1846 Mittheilung gemacht wurde, in höchst auffälligem Verhältnifs zum organischen Leben; dahin gehören auch die Auswürfe des Imbaburu, welche 1346 von mir erläutert wur- den. Ferner war es möglich gewesen, den Schlammauswurf von vom 19. März 1866. 159 Cap es terre auf Guadeloupe zu analysiren, welcher 1843 die ‚entsetzlichen Verwüstungen auf dieser Insel veranlafst hatte, worüber in der Mikrogeologie ausführlich berichtet worden pag. 361. Ebenso hatte sich auch in Central-Amerika bei Honduras, wie Monatsber. 1856 pag. 429 bemerkt worden, ein wahr- scheinlich sehr ausgedehnter sogenannter Trachyttuff mit orga- nischen Einschlüssen erkennen lassen, wie die bei Mexiko unter dem Namen ZTisar in der Mikrogeologie bezeichnete weilse, ganz organische Erde. Eine der auffälligsten ist noch die bis 500 Fufs mächtige Ablagerung am Fall River in Oregon in Nord-Amerika unter einer 100 Fufs mächtigen Decke von dichtem Basalt, welche, von Fremont entdeckt, für weilse Porzellan- Erde gehalten worden, von der ebenfalls in den Monatsbe- richten 1849 und in der Mikrogeologie ausführlich berichtet worden. Alle diese Verhältnisse sind Ansammlungen oder Mi- schungen von Sülswasserformen und sprechen gegen die Er- wartung, dafs vulkanische Thätigkeiten, denen man durch ihre gewöhnliche Küstenlage eine nächste Beziehung zu den Meeres- verhältnissen zuzuschreiben geneigt ist, wirklich mit dem Meer- wasser in solcher Beziehung stehen. So ist nun durch Herrn Geh. Ober-Bergrath Burkart, welcher in den Jahren 1825 bis 1834 als Chef des Bergwesens von Tlalpujahua in Mexiko thätig war, eine Probe von bim- steintuffartigen Gebirgsmassen zur Untersuchung gebracht wor- den, welche eine überaus grofse Verbreitung in den Hochebnen bei Mexiko zu haben scheinen und vielleicht auch mit vulka- nischen Thätigkeiten in der Weise in Beziehung sind, wie die von Alex. v. Humboldt beobachtete Moya von Quito. Herr Burkart sandte an Herrn Rammelsberg eine Probe einer grauen tuffartigen Masse, welche derselbe meiner mikroskopi- schen Analyse anheim geben möchte, und die in geologischer Beziehung ein gröfseres Interesse habe. Die Probe hatte die Aufschrift: „Trachyttuff aus dem Toluca-Thale in Mexiko, ob bimsteinartig oder ein Infusoriengebilde?’”’” Da sich schon bei einigen wenigen Anblicken durch das Mikroskop meinerseits mit Zuversicht erkennen liels, dafs diese tuffartige Masse vorherr- schend aus solchen Pflanzen-Kieseltheilen bestehe, welche ich 160 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse mit dem Namen Phytolitharien bezeichnet habe und nur eine ge- ringe Beimischung von Baeillarien daneben aber kleinste unförm- liche schaumige Theilchen zeige, so trat ich in Correspondenz mit Herrn Burkart und erhielt von ihm das folgende Schreiben: Bonn. Febr. 1866. „Mit ganz besonderm Vergnügen habe ich aus Ihrem ge ehrten Schreiben vom 29. v. M. ersehen, dafs Sie in dem Ihnen durch Herrn Prof. Rammelsberg übersendeten problemati- schen Gestein aus: dem Toluca- und Lerma-Thale in Mexiko ein organisches Conglomerat von überwiegend kieseliger Natur erkannt haben, dessen Substanztheile fast ganz aus Phytolitha- rien- mit Beimischung von Bacillarien-Formen bestehen. Da Sie weitere Mittheilungen über Ausdehnung und Mächtigkeit der Schichten, welchen die untersuchten Gesteinsstücke entnommen worden sind, sowie über deren Lagerungs- und sonstige Lo- kalverhältnisse bald zu erhalten wünschen, so unterlasse ich nicht, Ihnen, so weit ich es vermag, darüber weitere Auskunft zu geben, muls aber bitten mir gestatten zu wollen, mich we- gen einer ausführlichern Darstellung des Vorkommens jener Gesteinsschichten nach Mexiko zu wenden, da ich solche in dem der Wichtigkeit des Gegenstandes entsprechenden Detail und auch eine bessere Situationszeichnung, als in der meinem Buch über Mexiko (Reisen und Aufenthalt in Mexiko Stuttgart 1836) beigegebenen Karte, in der Karte des Staates von Mexiko von v. Gerolt und de Berghes und in der Karte von Mexiko des geogr. Instituts zu Weimar (1852) enthalten ist, nicht zu geben vermag. Prof. de Castillo in Mexiko sagt mir über den Gegenstand nur, dafs das in Rede stehende Gestein im Toluca- oder Lerma-Thal zwischen Almoloya und Istlahuaca, auf einer Wegstrecke von 6 bis 7 Leguas (26,63 Leguas = 1°) sehr ver- breitet sei, und dasjenige, was ich aus eigener Anschauung vor etwa 40 Jahren davon kennen gelernt habe, beschränkt sich auf wenige Beobachtungen, die ich auf meiner Durchreise durch das Lerma-Thal zwischen Istlahuaca, Lerma und Toluca ge- macht habe aus denen ich nachstehende Zusammenstellung mit- zutheilen mir erlaube. Ähnlich wie das Hochthal von Mexiko auf dem Ostabhange liegt auf dem Westabhange der Cordillere das Hochthal von vom 19. März 1866. 161 Yvıuca oder Lerma, in welchem sich die Quellen des bei San Blas in die Südsee mündenden Santiago-Flusses, in ansehnlicher Höhe über dem Meere befinden. Es wird hier auf der einen Seite von der hohen Bergkette, welche zwischen dem Santiago- und dem Moctezuma-Flusse den Wasserscheider zwischen den beiden Weltmeeren bildet, in dem Cerro de Ajusco eine Meeres- höhe von 12054 par. Fuls, zwischen Mexiko und Lerma aber bei las Cruzes eine Meereshöhe von 9959’ erreicht — auf der andern Seite aber von einem Gebirgsarme der Cordillere be- grenzt, welcher den Nevado de Toluca, einen 14271’ hohen Trachytdom trägt und das Wassergebiet des Santiago- von dem- jenigen des bei Zacatula in die Südsee mündenden las Balsas- Flusse trennt. Gleichsam zwischen dem Cerro de Ajusco und dem Nevado de Toluca herabkommend, ist das Hochthal von Lerma im Allgemeinen Anfangs aus Süden gegen Norden ge- richtet, bis seine Gewässer weiter abwärts, mit wenigen kurzen Unterbrechungen, eine mehr ostwestliche Richtung annehmen. Die aus dem höhern Gebirge herabfliefsenden Gewässer sammeln sich südlich von Lerma in mehreren kleinen seichten Seen, aus denen etwas weiter im Norden der Lerma- oder Santiago-Flufs hervorgeht, und die früher offenbar eine weitere Verbreitung gegen Norden gehabt haben, allmählich aber durch die von den Gebirgsabhängen durch die Gewässer ihnen zugeführten Ge- steinstrümmer ausgefüllt worden sind. Von ähnlicher Bildung scheint auch die Thalfläche zu sein, welche sich in dem Hoch- thale von Lerma zwischen ‘den Ortschaften von Toluca in 8334’, Lerma in 8084’, Almoloya in 8014’, Istlahuaca in 7943’, den Thermalquellen von Octotitlan in 7883’, der Brücke bei la Sor- dana in 7804’ Meereshöhe und weiter in Nordwesten auf eine Breite von mehreren Leguas erstreckt, und im Allgemeinen das Ansehen der Hochebenen Mexiko’s trägt. Das Hochthal von Lerma ist zwar von aller Waldung entblöst, keineswegs aber ohne Vegetation. Es bietet an vielen Stellen einen den Acker- bau begünstigenden Boden dar, und findet man zwischen den oben genannten Orten mehrere ansehnliche Landgüter und mehrere Dörfer, welche Getreide und die Maguei-Pflanze zur Bereitung des „Pulque’” anbauen. 162 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Die das Hochthal von Lerma umschliefsenden Gebirge be- stehen aus Porphyr, vorzugsweise aber aus Trachyt und jün- gern vulkanischen basaltischen Gesteinen, mit deren Trümmern die Thalfläche oft in mächtigen Ablagerungen bedeckt ist, aus denen die letztern an vielen Punkten in anstehenden Felsmassen hervorragen. Auf dem Wege von Istlahuaca nach Lerma, von welchem sich jener nach Toluca fast in der Mitte zwischen den beiden ersten Orten, unweit los Cajones gegen Süden abzweigt, sieht man in der Nähe der etwa 3 Leguas südöstlich von Ist- lahuaca über den Lerma-Flufs führenden Brücke San Bernabe (in 8068’ Meereshöhe) weilslich graue, leicht zerreibliche Ge- steine in mächtigen Bänken geschichtet, welche ich früher als vulkanische Asche bezeichnet und für zerriebenen Bimstein ge- halten habe, und sich eine weite Strecke im Wege nach Lerma hin forterstrecken. An andern Stellen des Thales zeigen sich mächtige Bänke eines ebenfalls wenig festen Gesteins von äufserst feinkörniger grauer Grundmasse, in welcher kleine krystallische Körner von Sanidin und Brocken der benachbärten Trachytge- steine, letztere oft auch in gröfseren Blöcken eingeschlossen sind. Bei der horizontalen Lagerung beider Gesteine, dem nur an wenigen Stellen entblösten Boden und dem Mangel an Zeit, sie auch in dem Flufsbett des Rio de Lerma zu verfolgen, ist es mir nicht klar geworden, in welchen Lagerungsverhältnissen beide zu einander stehen, doch schien es mir als wenn die ersteren den trachytischen Trümmergesteinen sich untergeordnet zeigten. Auch habe ich die vermeintliche vulkanische Asche noch auf eine Strecke von ein Paar Leguas über die Brücke St. Bernabe hinaus, sowohl im Wege nach Lerma als in jenem nach Toluca, wahrgenommen, bis sich in letzterem bei dem Rancho las Palmillas, etwa 2 Leguas vor Toluca, basaltische Gesteine über die Ebene des Hochthales erheben. Doch auch weiter nach dem nördlichen Fufs des Nevado de Toluca hin treten die weilslich grauen, erdigen leicht zerreiblichen Gesteine wieder auf und scheinen auch hier in mächtigen Bänken abge- lagert zu sein, und da del Castillo sagt, dals sie sich zwischen Almoloya (an 4 Leguas nordwestlich von Toluca) und Istlahuaca verbreiten, so müssen sie also in diesem Theile des Lerma- Thales eine weite Ausbreitung haben. vom 19. März 1866. 163 Nicht unerwähnt darf hier das Auftreten heisser Quellen im Lerma-Thale bleiben, welche 4 bis 5 Leguas nordwestlich von Istlahuaca und etwa 2 Leguas von dem Dorfe Ocotitlan am südlichen Fufs der domförmigen hohen Berge dieses Namens gelegen sind. In der Nähe dieses Berges treten ganz ähnliche basaltische blasige Vulkangesteine wie bei Palmitas und Amicalco unweit Toluca auf, und werden weiter gegen Süden in der Thal- ebene durch mächtige Bänke theils fein- theils grobkörniger Por- phyrkonglomerate verdrängt, deren rundliche Körner aus gebleich- tem Felsitporphyr mit Einschlüssen von Hornblende und Glimmer bestehen und durch ein graues durchscheinendes hyalitartiges Bindemittel nicht allein mit einander verbunden, sondern häufig auch ganz umschlossen sind. Aufserdem zeigen sich aber auch Pflanzenreste aus grölseren und kleineren Stücken verkieselter Holzstengel, Zweigen und Wurzeln bestehend in dem Konglo- merate eingeschlossen, an denen sich zwar noch die Structur der Holzsubstanz, jedoch nicht soweit erkennen läfst, dafs daraus die Art der Pflanze zu bestimmen wäre. Das Konglomerat geht durch einen feinkörnigen Sandstein in ein fast homogenes Ge- stein über, in welchem nur noch die feinen Glimmerblättchen und Hornblende zu unterscheiden, häufig aber in Verbindung mit den Pflanzenresten graue und braune Holz- und Halbopale in kleineren oder grölseren Partien wahrzunehmen sind. Aus einer - Spalte in einem nicht sehr grofsen, vielleicht nur etwa 10 Fufs über die Thalsohle hervorragenden Felsen dieses Gesteins treten nahe bei einander mehrere Quellen warmen Wassers zu Tage, welches bei 14° Cent. der Luft eine Temperatur von 42° Cent. zeigt und in seinem Geruche dem Wasser der Aachener Heil- quellen ähnlich ist. Dies ist alles was ich über den Gegenstand mitzutheilen im Stande bin. Bei dem grolsen Interesse aber, welches dieses Gestein durch Ihre Wahrnehmungen für die Wissenschaft erlangt, dürfte es von Wichtigkeit sein eine nähere Untersuchung seiner unzweifelhaft grofsen Verbreitung und seiner Lagerungsverhält- nisse zu veranlassen, da auch weiter nach Westen und zwar noch über Walladolid hinaus, wahrscheinlich noch ähnliche Ge- steine vorkommen; ich werde daher versuchen den Professor del Castillo in Mexiko zu bestimmen, eine solche Unter- 164 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse suchung zu veranlassen und mir deren Resultate zugehen zu lassen. Es wird dabei aber auch wünschenswerth sein Hand- stücke der betreffenden Gesteine der verschiedenen Lokalitäten zu erhalten um zu ermitteln, in wie fern solche untereinander übereinstimmen und alle dem von Ihnen erkannten organischen Konglomerate angehören. — Ihr ergebenster Burkart. Aus diesem Schreiben geht hervor, dafs das trachyt- und bimsteintuffartige Gebirgslager in einer Erhebung von circa 8000 Fufs über dem Meere, nach den direkten Beobachtungen eines so erfahrenen Kenners des Bergwesens, eine überaus grolse Verbreitung haben könnte und dafs es wohl gar in der Art, wie der Polirschiefer von Bilin, in einer Verbindung mit Lagern von Halbopalen steht, welche noch weitere organi- sche Einschlüsse in sich aufgenommen haben, aus denen später- hin mannigfachere und grölsere gleichzeitige Lebensformen sich werden entwickeln lassen. Vorläufig scheint es zu genügen, auf die wichtigen geologischen Verhältnisse in weiteren Kreisen aufmerksam und die Hauptbestandtheile der jetzt bereits vorlie- genden Substanz namhaft zu machen. Die mir übersandte Substanz ist ein silbergrauer, leicht zu zerbröckelnder rauher Tuff, welcher mit Säuren nicht braust und beim Glühen sich etwas dunkler, nicht schwarz, färbt dann wieder blässer wird und eine lichtbräunliche Farbe annimmt. Die Substanz enthält mithin keinen kohls. Kalk und wohl eine geringe Spur Eisen. Die mikroskopische Analyse hat erkennen lassen, dafs die ganze Masse aus meist sehr kleinen, oft aber auch etwas grölseren Phytolitharien besteht, die wahrscheinlich vor- herrschend Gräsern angehören. Zwischen diesen liegen zer- streut, meist vereinzelt eine geringere Zahl von Bacillarien-Po- lygastern. Die ganze bisher beobachtete Formenzahl, welche die Masse bildet, beträgt 47 organische kieselerdige Körperchen, zwischen diesen liegen als Füllmasse noch eine grolse Zahl sehr kleiner schaumiger Kieseltheilchen mit gerissenen Wandun- gen und Hohlräumen. Ob diese Letzteren ebenfalls zellige Kie- seltheile aus Pflanzen, oder ob sie schaumsteinartige Glastheil- chen sind, hat sich vorläufig nicht feststellen lassen. Mit pola- vom 19. März 1866. 165 risirtem Lichte betrachtet, sind all diese Bestandtheile einfach liehtbrechend wie Glas, nur da wo sie in Packete zusammen gebacken sind, erschienen einige. farbige Lichtreflexe, die aber nicht dem durchgehenden Lichte angehörten. Es ergiebt sich hieraus, dafs unorganische Krystall-Fragmente, wie etwa der Quarzsand in der Moya von Quito, darin nicht vorhanden sind. Die sämmtlichen organischen Formen zerfallen in 29 Phy- tolitharien und 18 Polygastern. Es ist sehr bemerkenswerth, dafs die sämmtlichen, die ganzen Tufflager bildenden Formen nur den Charakter von Süfswasser- und Landformen zeigen. Die Mehrzahl dieser Formen sind weit verbreitete Phytolitharien und Polygastern, doch sind auch einzelne Formen darin, welche bisher nirgends weiter vorgekommen sind und die daher beson- dere Namen erhalten haben, manche sind unklar geblieben, da- her fraglich. Auffallend ist das Verhältnifs des Himantidium Arcus? welches die Hauptmasse des Kieselguhrs der vulkanischen Insel Isle de France (Mauritius) bildet. Von allen diesen For- men sind nämlich sämmtliche Phytolitharien, unter denen kein einziger Spongolith befindlich ist, als Meeresformen deshalb nicht denkbar, weil diese Gestalten noch niemals als Theile von Seegewächsen, sehr gewöhnlich aber als Bestandtheile von Grä- sern und auch wohl von Hölzern überall auf der Oberfläche der Erde vorgekommen sind. Rücksichtlich der Polygastern ist zu bemerken, dafs, wenn auch manche Süflswasserformen durch die Flüsse im Meere abgelagert werden, doch unter allen keine einzige ist, welche ausschliefslich als Meeresform, obwohl es deren sonst zahllose giebt, genannt werden könnte. Auch ist das Verhältnifs bemerkenswerth, dafs die Poly- gastern an Individuenzahl bedeutend geringer sind als die an Massenhaftigkeit weit überwiegenden Phytolitharien. Diese Tuffe des Toluca-Thales, welche eine so grofse Verbreitung zu haben scheinen, erinnern lebhaft an die von Herrn v. Humboldt zu- erst früher bezeichnete Schlamm-Masse von Quito, die viele mei- lenlange Landstrecken mit Tausenden von Menschen bedeckt und vernichtet hat und auch an den nicht schlammigen Aus- wurf des Imbaburu Vulkans.. Zwar unterscheidet sich die Moya von Quito wesentlich von den Tuffen des Toluca-Thales durch ihren entschiedenen Kohlengehalt, welcher dureh das Mi- [1866] 12 166 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse kroskop sich nicht als Graphit (Urkohle), sondern als verkohlte Grastheile zu erkennen gab, und so bedeutend war, dafs man diese Erde wie Torf zur Feuerung benutzt hat. Solche ver- kohlte Pflanzentheile fehlen in dem Toluca-Tuff und die beim Glühen nicht scharf hervortretende Schwärzung zeigt an, dafs der organische Kohlengehalt aus dieser Gebirgsmasse fast spur- los verschwunden ist. Wollte man nun näher auf die Frage eingehen, auf welche Weise das Verschwinden des Kohlengehaltes aus diesen unge- heuren Massen von Grastheilen vor sich gegangen ist, ob es eine allmälige Auslaugung durch Wasser, oder ob es eine Ver- flüchtigung der Kohle, durch vulkanische Hitze zu Stande ge- bracht, so bietet die Substanz allerdings Charaktere, welche ein Urtheil abzugeben erlauben mögen. Wäre die Substanz durch vulkanische Hitze so stark geglüht, dafs der Kohlengehalt der Pflanzen ganz verflüchtigt wurde, so wäre das nur denkbar, wenn die einzelnen feinen Phytolitharien und Polygastern häu- fig unförmlich, das heifst gefrittet und angeschmolzen wären, wie ich dergleichen in der Eifel im Jahre 15844 und 1845 be- obachtet und künstlich nachgemacht habe. Zwar könnte man darin eine Anzeige finden, dafs diese Gebirgsart einer vulkani- schen Hitze ausgesetzt gewesen sei, dafs verhältnifsmälsig nur wenige Polygastern in unzerbrochenem Zustande darin vor- kommen und auch die Kleinheit der einfacheren Phytolitharien durch Zerberstung beim Erkalten nach Hitze bedingt sei. Doch sind die Frittungserscheinungen so vollständig fehlend, dafs offen- bar davon abzusehen ist. Es ist mithin diese Art von Aus- scheiden der Kohle nicht annehmbar, und bleibt daher die an- dere Art der Ausscheidung durch meteorische Gewässer übrig, welche an den, an ihrer Oberfläche sehr reinlichen Kieseltheilen, und in den grolsen Schneebedeckungen der darüber befindlichen Höhen Anhalt findet und also eine sehr lange, beständige Ein- wirkung atmosphärischer Feuchtigkeit aulser Zweifel stellt. Es würde mithin das Resultat der Betrachtung dieser Gebirgsart sich dahin aussprechen lassen, dafs sie wohl ein, der Moya von Quito ähnlicher, Schlammauswurf irgend eines Vulkans in der Nähe gewesen sein möge, dafs aber ihre Ablagerung eine schon sehr alte sein müsse, die mit der, Moya genannten Substanz vom 19. März 1866. 167 von Quito bei Pelileo, als einem ganz neuen Auswurfstoffe nicht direkt verglichen werden könne. Ob der von Herrn Burkart im Jahre 1826 durch zwei Stunden hohe Schneebedeckung be- stiegene Krater des Vulcano de Toluca, dessen Höhe er zu über 14,000 Fufs angiebt, allein oder mit noch anderen Vulka- nen seit alten Zeiten allmälig diese jetzt unter Porphyr- und Trachyt-Geröll liegenden Tufflager, in Form schlammiger, viele Leguas weit als mächtige Bänke liegende Auswurfstoffe, geliefert habe, oder ob ganz andere Oberflächenverhältnisse zur Bildungs- zeit desselben stattgefunden haben, mufs weiteren Nachforschun- gen anheim gegeben werden. Die gegenwärtige Mittheilung ist nicht bestimmt, den Gegenstand zu erschöpfen und abzuschlielsen, sondern möge nur darauf hindeuten, dafs die zahlreichen Tuffe der Vulkane Central- Amerika’s, wie sie neuerlich wieder von Herrn Prof. Seebach in Costa Rica bestätigt worden sind (Pe- termann’s geograph. Mittheilungen 1865), welche so oft für Aschen- auswürfe und verwitterte Trachyte gehalten werden, doch wohl zuweilen Schlammauswürfe der Moya ähnlicher Substanzen sind, und deren noch mannigfach räthselhaften aber deutlich organi- schen Ursprung theilen. Die organischen Bestandtheile bildeten schon in der Moya von Pelileo die Hälfte der Masse und müssen in der gegenwärtigen Gebirgsart als fast allein Masse bildend angesehen werden. Ein Verhältnifs, welches durch Abschlemmen dieser gleichartigen feineren Theile mit Wasser zu Stande ge- kommen sein Könnte. Der wichtige Gesichtspunkt, welcher mich besonders an- regt, diese Untersuchungen jetzt schon, so weit es sich scharf ermitteln liefs, der Akademie vorzulegen, liegt besonders darin, dafs es den Anschein hat, als gehöre die hier angedeutete Gebirgs- masse wohl den alt urweltlichen Verhältnissen, nicht mehr den neueren an, und dafs es mithin den ersten Fall bildet, wo dies mit Gründen belegbar erscheint, indem die überlagernden Por- phyrgeröll und Trachytischen Massen wohl doch einen Mafsstab dahin abgeben. Die in der Mikrogeologie erörterten Verhält- nisse der vulkanischen Insel Ascension ergaben zwar ebenfalls nach den von Herrn Charles Darwin mitgetheilten Proben Phy- tolitharien Tuffe, dieselben zeigten aber mehr den Charakter einer oberflächlichen Moya als einer älteren geologischen Erscheinung. 12 * 168 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Herr Geh. Ober-Bergrath Burkart, welcher sich mit Herrn De Castillo in Mexiko bereits dieser Angelegenheit wegen, auf meinen Wunsch in Verbindung gesetzt hat, hofft, dafs der wissenschaftliche Eifer dieses ausgezeichneten Gelehrten und anderer mexikanischer Geologen dem Gegenstande gewils allen Eifer zuwenden werden, aber freilich mögen wohl Jahre ver- gehen, ehe weitere im gleichen Gesichtspunkte geprüfte Auf- schlüsse über die Ausdehnungs- und Massenverhältnisse von _ dort zu erwarten sind. Erklärung der Kupfertafel. Die Zeichnungen der Bestandtheile, welche hierbei der Akademie vorgelegt werden, sind dies Mal nicht von mir selbst aber unter meiner unmittelbaren Aufsicht genau entworfen, und mit den aufbewahrten Prä- paraten, welche hierbei in 20 Täfelchen in natura vorgelegt sind, auch selbst noch verglichen worden. Die vorn am Verzeichnils befindlichen Zahlen entsprechen denen der Figuren der Tafel. Die Einzelgruppe A giebt den schematischen Ein- druck und das ungefähre Zahlenverhältnils der Formen bei 300 maliger Vergröfserung, dabei auch die unorganischen schaumstaubartigen kleinsten Theilchen und ihr Verhältnils. Die Tafel enthalt nur die Formen des Toluca-Tuffes in 300 maliger Linear-Vergröfserung, die Hauptformen der übrigen Oertlichkeiten sind in der Mikrogeologie Taf. XXX VIII abgebildet. Der Tafel ist ein doppelter Maalsstab für die 300 malige Vergröfse- rung beigegeben, die obere enthält in 2 paris. Zoll Länge die angezeigten Veıgrölserungen nach Normal-Maals; der untere giebt die Maalse an, welche das beobachtende Auge wirklich sah. Beides ist in gleicher Weise in der Mikrogeologie sorgfältig durchgeführt worden und in gleicher Art sind alle in den Abhandlungen der Akademie früher gegebenen ähnlichen Abbildungen, wo es nicht ausdrücklich anders bemerkt wurde, dargestellt worden. Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über den Kehl- sack des Marabustorches (Leptoptilus crumeniferus). Nach Untersuchung von zwei Exemplaren des afrikanischen Marabustorches, welche in dem hiesigen zoologischen Garten gestorben waren, wird der kropfartig hervorragende Kehlsack dieses Vogels aus einer dünnen Muskelhaut gebildet und com- munieirt weder mit dem Kehlkopf noch mit der Mundhöhle, sondern öffnet sich an der linken Seite der Schädelbasis, wo die des 7 1843, Die Zal Lithostylidium Amphiodon . A —_ angulatum . — articulatum _ biconcavum —_ bicorne . —_ Bidens . _ calcaratum . 12 — cephalodon n. B —_ clavatum 61 15 — EI a ; _ —_— comtum . _ conicum . — constriclum —_ crenulatum. ; _ Crystallus . ? = curvalum een. —_ denticulatum . . — Emblema RER 20 — Kalcatumı — Formia : ... — Furca . EEG _ fusiforme a SB -- Hemidiscus late _ IHırundor ae _ irnegulare.. . -» — lacerum Bu 27 — laeve . Au — lobatum . . . 17 _ Microstauron n. sp. — obligquum eh — oblongum . . » . —_ Oligodon SS. 2: —_ ornalum ERENETNN _ Ossiceulum . — ovalum -. . 200 — o2ycephalum Me a _ Pes s _ Pecten oe N _ Pisciss oe na — Polnednum. ne —_ polypterum Ne — quadralum . ER —_ Rajula . ; — Rhombus ; _— roslralum ran 10 + 21 + 44444 26 Pi Ile cn, Zu Seite 168, Verzeichniss der organischen Formen im Phytolitharien-Tuff des Toluca Thales, verglichen mit der Moya von Guadeloupe (Cap es terre) 1843, der Moya von Quito, der Asche des Imbaburu, dem Tuff von Esquipalos und dem Vulkan-Tuff von Ascension. Die Zahlen der ersten Reihe beziehen sich auf die Kupfertafel und die gesperrten Namen auf den Toluca Tuff. ahaellliie Vulkane von Quito. rien Tuff aus] Cap es terre] m | Tuff von Tuff dem Toluca | Moya Moya Asche | Esquipalos von Thal bei 1843. von des (Honduras). | Ascension. Mexiko, Pelileo. Imbaburu. POLYGASTERN: 59. AlAchnanthes? » » -» .-.. +? i 2 — Dr a A +? x 16 _ A ee +? 3 R : Amphoralbyca. . » x... n I 5 + Chaelolyphla? . » » .» ... : 5 +? 5 h R — saripara er ö & R A Ä Cocconeis Pediculus © . = 5 — striata ee i : 3 > R Cocconema Cistula* . » ... 5 R E + 5 _ ? N er, +? i Difflugia Oligodon. » :» .». . & +? 3 |Eunotia amphioays . . . + + + + 14 _ gibberula ah 7 i H Ä _ Alla 0 00 Wo n = a © + 47 _ longicornis . 4 + i 15 —_ Monodon . Tr = —_ neo 5 ac R 7 _ ER i +? 2 _ Re EAREERN > z +? a _ a E , +? : ; 5 Fragilaria Rhabdosoma . . . . E ” + + h h = ? a 5: 3 5 ä 5 +? Gallionella calligera a = erenata ee 5 ” r N + — CR a De A i +? 2 + £ _ granulata . » . .. Q R + n = procera . ren B 6 + : 13 _ DR a AR, +? 0 Q 2 Gomphonema truncaum . . . . 5 P 6 ö + h _ gracle . . ..» c + a E x 18| Himantidium Arcus 60 + ö 8 : 7|Navicula amphioays. . . . + & E _ Baoillum nn. mm { 0 5 + 5 2 _ 0 EITL EYE = ar» ö 5 a + o r 8 — SRH o 8 006 + 2 ö a > R 9 _ ? O0 ANERer, +? 6 j 6 z 4 — > N +? F a 5 A 3 ._ 2 B en R 6 +? +? & ß _ 2 er anso aa & D a 5 +? R Peridnum? ! x. cv 2... E R +? . 5 B Pinnularia boreals. » x»... R + + + R + _ deeurrens? ». » » .». 5 . ö +? 6 _ inaequalis . - + 40 _ DENE hen en nn + h + R " _ (gefittet) » » » 0. ö B . e + — 2 3.0 Do 5 : +? & P Stauroneis amphilepa? . . . . 2 a - 6 R +? _ graclis. ı 0.0. R +? . ö _ Semen » nn. ö + + © _ Pe Pan ö ö ö +? B Stephanodiscus Epidendron . . . s R 5 +? R uulSrnmatg ET ar +? D i R : 12 _ A Re +2 ö _ A nr + Synedra Entomon ». » » ». » . . e 5 + Una 3 ö + + F EEE er, g + x E b H Trachelomonas granulata . .» . - + + _ laevs em B 0 + R + + 18 oO) Ta 13 15 7 | PHYTOLITHARIEN: 76. Amphidiseus » » » » 0. - = 5 4 1 _ obluus » » 2 == . + n # Assula Polystigma . » » . . =» 4 ei Lithodonlium Aculeus » » » » » P + A + 5 _ Bursa + © + © + + 4 _ furcatum . .» . + n + + r + —_ nasulum . a . - + + + + _ oblusum : » : . .« . . . + k 2 _ Platyodon + + + + } 4 = rosiralum.. + + . 32 + 3 _ Scorpius » . » + . . ® Lithodermatium macrosiomum . + “ 5 24| Lithomesites Coronula n. sp. + ö “ . A _ ornalus . er . zb . 5 ö _ Petn . ..» Ag + + Lithosphaeridium irregulare . . » ö + “ + Lithostomalium » » » ve » . » h 5 Phytolitha- Vulkane von Quito. ach Eee Fien Tuff aus] Cap es terre| ——— | 105 NT Er dem Tolnca|| _ Moya Moya Asche | Esqnipalo S Thal bei 1343. von des (Honduras). | Ascension. Mexiko. Pelileo, | Imbaburu. ll Amphiodon. . . R + + * 2 = angulatum . .» : » + + + Se 5 cn _ arliculatum * « » » o ir _ biconcavaum . » . * 5 c + _ bioone. » 0. 5 ® ar _ Bidens. x 2... : + 5 ? _ calaralum « . . » 5 “= 12 _ cephalodonn.sp. - + nn + _ clavalum » » x». « 0 au ne 38 15 _ Clepsammidium . + _ comlum Deus B $ 9 _ conicum. » . « + ng = consitriclum .» » * B 3 18 — erenulalum. . : » + + =H 25 _ Crystallus. . : » + . = ‚8 11 En curvalum . - + + an 4 7a. b _ denticulalum . . » + + + Er 57 2 — Emblma . x» 2.» a _ falaum . x»... » 1 _ Formica . » .. B _ Eurca . .ı. © + _ fusiforme . - + 5 — Hemidiscus . .» . » + = _ Hrundd . » ı..» ö 0 . E 22 _ irregulare. .. . + + ar w + _ lacerum » x... 5 SH 27 Mae. + + + + + a _ lbaum . » 2.» ö . + 17 _ Microstauron n. sp. . + 0 - - 8 _ obliquum . .. + + + . Ey _ oblongum » » » x = . 3 E e) . + _ Oligodon . . 2...» A 5 0 A . + _ omalım : :» x.» 5 o & > . + 13 _ Ossieulum ». .». . « + + + + =E + _ ovalum » » on “ gi 10 _ oxyce Ralılm ei + . ö 14 — De e ano... + + 21 _ D/EOLern re en + u _ Bircis 2 eh 5 0 + _ polyedrum. » .» » + + + — pohypterum . . . ö + . . _ quadraium. » .» . . ö + + + BE sb _ Rayula » 2: + + _ Rhombus . » .» » + + — rosiralum . = B . - + 26 _ nude + + Er + + + 16 _ Securis + + . 6 B 19. 20 _ Serra. . » + + + + + — SInUosum : » 2. + + + _ spiriferum . 2 + _ Taurus . N o + B + 28 _ Trabecula. . . . + + + + _ tubulosum ? - +? £ . 23 _ unidentalum + + + + + 6 _ venlricosum . + hr + 5 n Spongolilhis acioularis. » » . . x + ö B 2 . _ fistulosa » » .. » 6 A +? 0 E > _ oblusa? . 2» 2.2. 3 +? S " n B Thylacium semiorbieulare . . . -» ö 5 + I 9 ZT EN 9, 42 WEICHE PFLANZENTREILE: 7. Fichten Blüthenstanb . . . . . x u kleine nierenförmige Samen . . . z ; + x einfache glatte Pflanzenhaare. . . . + R + 2 Epidermis . . Pe Bi r + einzelne Spaltöffnungen ah : = 5 a Pflanzenzellgewebe . . . . er u + Pflanzenfasem - 2 2 22.0. z + R 2 ü Summe des Organischen: 142 47 3 | 66 32 34 | 49 UNORGANISCHE FORMEN: 6. braune Krystallprismen (Eabraden) 5 : + En grüne Krystallprismen . . 0 : Er + Ä kurzzelliger Schaumstaub. . + + + langzelliger Schaumstaub (Bimetenn 2) ö + + | Obsidianstaub (elasig © ohne Zellen) . h + a | Quarzsand en . + ; E | Gesammtsumme: 148 I 48 | 35 | 6% 35 NET EREITEEENE TE TREE SEIESESEHESFCHRI STETERENG TOR TE/SBEPE Eng SCCER ERBE TSPeCeTEIT STE SESEHTTEETISBOET ZEN CEREERFEEREFEEPSFERS SEE ESETSEE TEE SE TEE Phytolitha- Vulkane von Quito. rien Tuff aus] Cap es terre| mm N ze Tuff von Tuff dem Toluca Moya Moya Asche Esqnipalos von Thal bei 1843. von des (Honduras). | Ascension. Mexiko. Pelileo. Imbaburu. 2 + 7 + == + C 2 SE D . + Sr + s + 5 ö + == Sr er + + : + + Ä + +++ +: ++: +++++: + ++++ 1 |) ee N a cine r- > ll R IS . Ag | El I ‚Paris. Linien. Folugastern., p TE ae -Tuff aus dem Toluca Thale bei Mexiko. Phytolitharien d.K:dcad.d.Wisfensch. Marz 1866. vom 19. März 1866. 169 Kopfmuskeln ganz frei liegen, unter dem Flügelbein in die grofse Lufthöhle unter dem Auge und so direct in die Nasenhöhle. In beiden Fällen befindet sich in diesem Luftsacke eine senk- rechte häutige Scheidewand, welche bogenförmig bis zum 8. Halswirbel herabsteigt. Hr. Hofmann trug eine Notiz des Hrn. ©. A. Martius über ein verbessertes Verfahren zur Darstellung des Diazo-Amidobenzols vor. Bei Anstellung einer Reihe von Versuchen, deren Resultate ich einer späteren Mittheilung vorbehalte, hatte ich 'grölsere Mengen Diazo-Amidobenzol nöthig, welches ich mir anfänglich nach der von P. Griefs beschriebenen Methode bereitete. Diese Methode bietet schon beim Arbeiten mit kleinen Mengen einige Schwierigkeiten dar, denn es ist nicht leicht die Ein- wirkung des salpetrigsauren Gases auf das wasserfreie oder in Alkohol gelöste Anilin so zu reguliren, dafs die Bildung von Nebenproducten, vor Allem die Bildung des mit dem Diazo- Amidobenzol isomeren Amidodiphenylimid dabei vermieden wird; beim Arbeiten in gröfserem Mafsstabe aber ist sie gänzlich un- brauchbar, weil in Folge der durch die Reaction bedingten hef- tigen Wärmeentwickelung gewöhnlich der gröfste Theil des an- gewandten Anilins in harzige Zersetzungsproducte verwandelt wird. Im Nachstehenden will ich ein modifieirtes Verfahren be- schreiben, nach welchem es gelingt nicht allein das Diazo-Ami- dobenzol sondern überhaupt alle anderen ähnlich zusammenge- setzten Verbindungen mit Leichtigkeit und in jeder beliebigen Menge zu bereiten. | Dasselbe gründet sich natürlich ebenfalls auf die Einwirkung der salpetrigen Säure auf Anilin, es unterscheidet sich aber wesentlich darin von dem Grief[s’schen, dafs ich nicht das salpetrigsaure Gas auf wasserfreies oder in Alkohol gelöstes Anilin wirken lasse, sondern vielmehr eine wässrige Lösung eines salpetrigsauren Salzes auf Salze dieser Base. Man läfst zu dem Zweck zu trocknem völlig neutralem krystallisirtem chlorwasserstoffsaurem Anilin portionenweise und unter beständigem Umrühren eine auf + 5°C ahgekühlte, 170 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse schwach alkalische Lösung von salpetrigsaurem Natron flielsen. Sehr bald beginnt eine heftige Reaction, die Krystalle des chlor- wasserstoffsauren Anilins fangen an sich mit einer gelben Schicht von Diazo-Amidobenzol zu überziehen und endlich gesteht die ganze Masse zu einem gleichförmigen dicken eitrongelben Brei. Sobald dieser Zeitpunkt erreicht ist setzt man, um den Brei etwas flüssiger zu machen, noch etwas Nitritlösung zu, bringt ihn dann auf einen Spitzbeutel, wäscht mit kaltem Wasser nach und befreit endlich das Diazo-Amidobenzol durch Pressen von der anhängenden Mutterlauge. Hat man sorgfältig gearbeitet so mufs alles Anilin in die Diazo-Amidoverbindung übergeführt sein und die Mutterlauge darf nur Spuren von Chlorwasserstoff- saurem Diazobenzol enthalten. Das Gelingen dieser Operation hängt aber noch ab von der Beachtung einiger Vorsichtsmalsregeln die hier genau er- örtert werden müssen. Vor Allem ist Sorge zu tragen, dafs das chlorwasserstoffsaure Anilin vollständig neutral nnd krystal- lisirt ist. Die Nitritlösung soll ein specifisches Gewicht von 1,5 haben und darf höchstens — Procent freies Alkali und keine Carbonate enthalten. Man bereitet sie am besten durch Sättigen einer Lösung von caustischem Natron mit salpetriger Säure. Ferner ist darauf zu achten, dafs sowohl die Nitritlö- sung wie die während der Operation gebrauchten Gefälse möglichst kalt gehalten werden und endlich müssen die einzelnen Theile der Operation einander möglichst rasch folgen. Wollte man z. B. nach Zusatz des salpetrigsauren Natrons mit dem Filtriren zögern so würde, in Folge der leichten Zersetzbarkeit des Diazo-Amidobenzols in Gegenwart von Wasser, der grölste Theil der schon gebildeten Verbindung eine weitere Zersetzung erleiden. Bei Inangriffnahme von 5 Kilo. chlorwasserstoffsaurem Anilin mufs die ganze Operation in 5 bis 6 Minuten beendet sein. Die Menge der zur Bildung des Diazo-Amidobenzols nöthigen Nitritlösung richtet sich selbstverständlich nach ihrem Concen- trationsgrade. Es ist jedoch überflüssig die Stärke derselben zu kennen, da sich der Sättigungspunkt d. h. der Punkt bei dem alles Anilin in Diazo-Amidobenzol übergeführt ist, im Ver- laufe der Operation selbst zu erkennen giebt. Versuche das Chlorhydrat durch andere Anilinsalze zu ersetzen lieferten kein vom 19. März 1866. 171 günstiges Resultat. Bei Anwendung des Nitrats findet die Bil- dung des Diazo-Amidobenzols zu rasch statt, bei Sulphat, Oxalat, Phosphat dagegen zu langsam, in Folge der geringen Löslich- keit dieser Salze in Wasser. Das nach diesem Verfahren bereitete rohe Diazo-Amidoben- zol kann aus Aetherweingeist in eitrongelben Blättchen krystal- lisirt erhalten werden, mit allen Eigenschaften die ihm von seinem Entdecker beigelegt werden. Die Chlorhydrate von Toluidin, Cumidin, Naphtylammin und Benzidin liefern bei gleicher Behandlung die diesen Basen entsprechenden Diazo-Amidoverbindungen, ohne dafs sich irgend welche Nebenproducte erzeugten und es kann daher die im Obigen beschriebene Methode als die einfachste zur Darstellung der Diazo-Amidoverbindungen empfohlen werden. 22. März. Öffentliche Sitzung zur Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Königs. Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar Hr. Kummer eröffnete die Sitzung mit folgendem Vortrage: In unserem preufsischen Vaterlande, in welchem Fürst und Volk, seit einer Reihe von Jahrhunderten innig mit einander verbunden, zusammen gestanden und von geringen Anfängen zu weltgeschichtlicher Macht und Gröfse sich emporgearbeitet, zusammen gelitten und für Unabhängiskeit und Freiheit zu- sammen gekämpft und gesiegt haben — in unserem von Gott besonders gesegneten preufsischen Vaterlande hat das Geburts- fest unseres Königs eine eigenthümlich höhe Bedeutung. In den engeren Familienkreisen, so wie in den weiteren geselligen und corporativen Kreisen des ganzen Landes ist dieser Tag ein Tag der Feier, dessen wahre Weihe in dem Gefühle der Einheit des preufsischen Volkes mit seinem erhabenen Königshause begrün- det ist, ein Tag, an welchem in treuen Herzen die Wünsche für die Wohlfahrt unseres Vaterlandes mit den Wünschen für das Wohl unseres erhabenen Königs und Herrn und des ganzen königlichen Hauses sich vereinigen. Man hört wohl nicht selten aus dem Munde aufrichtiger Vaterlandsfreunde die Klage, dafs das innige Verhältnis zwischen 172 Öffentliche Sitzung König und Volk sich lockere, dafs die alte Treue im Volke schwinde und dafs der echte preufsische Patriotismus, der in dem Symbole „Mit Gott für König und Vaterland” Preufsen gerettet und zu neuer Macht und Gröfse erhoben hat, entweder abstrakten politischen Theorieen und Parteiansichten, oder auch einem unbestimmten Phantome des allgemeinen deutschen Pa- triotismus immer mehr das Feld räume. Diese Klagen werden durch manche Erscheinungen der Zeit mehr nur veranlafst als wirklich begründet. Es kommt in unserem gegenwärtigen Staats- leben vor, dafs bestimmte Tagesfragen der Politik die Gemüther erhitzen, dafs in dem Streite um Parteiprogramme und Sonder- interessen das höchste Ziel der Politik, das Wohl des Staats, zuweilen aus den Augen verloren, und dafs durch Parteischlag- wörter von verlockendem Klange die Menge irre geführt wird; aber alles dieses sind nur äufsere Erscheinungen, welche in der geschichtlichen Entwickelung unseres Vaterlandes nothwendig eintreten mulsten. Der allgemeine und wahre preufsische Pa- triotismus kann durch diese Erscheinungen wohl verdeckt, aber nicht erstickt werden; er würde plötzlich rein und klar wieder hervortreten, in allen verschiedenen Parteien und in dem gan- zen Volke, wenn die Unabhängigkeit unseres Vaterlandes auf’s neue von aulsen her geschmälert oder auch nur ernstlich be- droht werden sollte. Ein Aufruf unseres Königs Wilhelm würde sein ganzes Volk eben so mächtig ergreifen, als damals der Aufruf seines jetzt in Gott ruhenden Vaters des hochseeligen Königs Friedrich Wilhelm des dritten. Der thatkräftige Patrio- tismus, welcher im Kampfe und im Heldentode für König und Vaterland sich bewährt, ist dem preufsischen Volke noch nie verloren gegangen, er hat noch vor kurzem in den Thaten unseres Heeres sich glänzend bewährt, das Heer aber, welchem alle waffenfähigen Preufsen aller Volksklassen angehören, ist von dem Volke nicht zu trennen, sein Ruhm ist zugleich der Ruhm des ganzen preufsischen Volkes, so wie seine Stärke die Stärke Preulsens ist. Auch die Besorgnils, dafs der echte preufsische Patriotismus zu einem unbestimmten allgemeinen deutschen Patriotismus sich verflüchtigen möchte, ist in der That ganz unbegründet, Be- fürchtungen dieser Art kann Preufsen getrost denjenigen deut- vom 22. März 1866. 173 schen Staaten überlassen, welche Sonderinteressen geltend machen wollen, die mit dem gerechten Streben der deutschen Nation nach einer festeren Einigung der verschiedenen deutschen Län- der und Gebiete und nach einer festeren Begründung der deut- schen Macht ganz unvereinbar sind. Preulsen aber ist mehr als irgend ein anderer deutscher Staat in der günstigen Lage, das Erwachen ‘des deutschen Nationalgeistes mit voller Freude begrüfsen und befördern zu können, sowohl in der idealeren Sphäre der Poesie und Litteratur, als auch auf dem praktischen Gebiete der politischen und der materiellen Interessen. In der nationalen deutschen Poesie liegen gar manche sitt- liche Momente, deren Wiederbelebung und Kräftigung wie im Allgemeinen, so auch für unser preufsisches Vaterland in’s Be- sondere heilbringend ist, und welche uns als Deutschen beson- ders tief zu Herzen gehen. Dem Zwecke der heutigen Feier entsprechend will ich hier nur eines derselben erwähnen, näm- lich die deutsche Treue. In unserem Nationalepos, dem Nie- belungenliede, ist Hagen der Held, welcher unser Interesse am stärksten und dauerndsten fesselt. Wir sehen, wie er den Hel- den Siegfried ermordet und wie er die Wittwe des Gemordeten kränkt und beraubt. Was ist es, was einen solchen Mann zum ersten Helden des Niebelungenliedes erheben kann? Es ist nicht seine List, nicht seine Stärke und Tapferkeit und sein unbe- zwinglicher Muth; wir würden nur mit Grauen und mit Abscheu uns von ihm hinwegwenden, wenn er nicht durch ein hohes sittliches Motiv getragen würde, wenn nicht aus allen seinen Thaten, und selbst aus seinen Verbrechen die eine hohe Tugend rein und klar hervorleuchtete, die Tugend der deutschen Treue, der Treue gegen seinen König und Herrn und gegen das ganze Haus desselben. Von der anderen Seite sehen wir als Vasallen des Königs Etzel den Markgrafen Rüdiger, den Freund der burgundischen Könige. Er hat dieselben noch vor kurzem gast: lich bei sich aufgenommen, hat seine Tochter mit dem jungen König Giselher verlobt und hat alle reich beschenkt weiter ziehen lassen. Da nun der Kampf der Burgunden mit den Hunnen ausgebrochen ist, will er, beiden verpflichtet sich zu- rückhalten, ja er will dem König Etzel alles zurückgeben, was er an Land und Gut von ihm zu Lehn hat, und will mit seiner 174 "Öffentliche Sitzung Frau und seiner Tochter lieber arm und heimatlos aus dem Lande ziehen, als gegen seine Freunde kämpfen. Aber die Erinnerung an seine dem König Etzel und der Königin Chriemhild ge- leisteten Eide der Treue ist in ihm mächtiger, als die Gefühle der Freundschaft und der Liebe; er kämpft, siegt und fällt als tragischer Held, von seines Freundes Hand erschlagen, durch das Schwert, welches er selbst ihm als Gastgeschenk gegeben hat. Solche patriotische Motive liegen dem Deutschthum zu Grunde, wenn es in seiner sittlichen Tiefe aufgefafst wird. Leider konnte es jedoch nicht fehlen, dafs der wiedererwachende na- tionale Geist des deutschen Volkes, der nur zu lange Zeit ge- schlummert hatte, auch zn manchen Verirrungen Anlafs gab, ehe er dahin kam sein wahres Ziel und seine Bestimmung klar zu erkennen; dals allerhand gelehrte und populäre Theorieen und Projeete für die künftige Gestaltung des deutschen Reiches entstanden, welche mehr oder weniger von den geschichtlich ‚gegebenen, realen Verhältnissen absahen; dafs das nationale Streben zu einer Parteisache herabgezogen wurde; dafs die Idee der Einigung selbst neue Trennungen hervorbrachte und dafs man in dem Streite für die deutschen Farben die deutsche Ge- sinnung vernachläfsigte.e Aber die fein ersonnenen Theorieen sind veraltet und vergessen, die künstlichen Projecte einer neuen Verfassung des deutschen Reiches und die schlauen Pläne einer Umgestaltung der bestehenden Verfassung Deutschlands sind mifslungen; es ist von allem nur das stehen geblieben, und wird ferner bestehen und sich weiter entwickeln, was Preufsens Könige in echt deutschem Sinne für unser deutsches Vaterland gewirkt und geschaffen haben: die Einigung seiner Handels- interessen und die Hebung seiner Macht und seines Ansehens nach aufsen. Preufsens weltgeschichtlicher Beruf, den echten deutschen Geist zu pflegen, die wahren Interessen Deutschlands zu fördern und wo es Noth thut mit seiner Macht für dieselben einzutreten, ist von unserem Könige Wilhelm stets erkannt und stets ausgeführt worden. Noch hat Preufsen, noch hat unser König nur wenig Dank geerndtet für das, was er in diesem Sinne gethan hat, aber es kann nicht verfehlen mit der Zeit die besten Früchte zu tragen; denn kein verständiger Mann kann auf die Dauer seine Augen der thatsächlichen Wahrheit vom 22. März 1866. 175 verschliefsen, dafs in Preufsens Macht der Kern der deutschen Macht liegt und jeder deutsche Patriot, dem daran gelegen ist sein Vaterland mächtig und stark zu sehen, mufs dahin geführt werden Preuflsens Bestrebungen für die Hebung nnd Concen- trirung der deutschen Macht und Preufsens Erfolge in dieser Richtung ohne Neid und ohne bange Besorgnils für sein engeres deutsches Heimatland mit Freude zu begrülsen. In der Feier des heutigen Tages vereinigt die Akademie der Wissenschaften ihre Wünsche für das Heil des Königs und seines ganzen Hauses und für das Gedeihen des Vaterlandes mit denen des patriotischen preulsischen Volkes, dem sie ange- hört, sie hat aber Sr. Majestät nicht nur als ihrem Könige und Herrn, sondern auch als ihrem erhabenen Protektor ihre tiefste Verehrung und ihren Dank darzubringen. Die Akademie ist stets dankbar eingedenk der Zeichen und der thatsächlichen Be- weise königlicher Huld und Gnade, welche sie von des Königs Majestät erhalten hat. Sie hat namentlich auch in dem letzt- verflossenen Jahre einer grofsen königlichen Gnadenbezeigung sich zu erfreuen gehabt, in einer ansehnlichen Erhöhung ihres Etats, durch welche sie in den Stand gesetzt wird wissenschaft- liche Arbeiten und Unternehmungen, welche nicht nur ein: vor- übergehendes Interesse, sondern einen bleibenden Werth für die Fortentwickelung der Wissenschaften haben, kräftiger als bisher unterstützen und fördern zu können. Der höchste und beste Dank, den die Akademie seiner Majestät dem Könige darzu- bringen vermag, liest in der gewissenhaften und getreuen Er- füllung der Pflichten ihres hohen und edlen Berufs, der Pflege und Förderung der Wissenschaft. Die Akademie hat nicht die Aufgabe bekannte wissenschaftliche Resultate durch Lehre und Schriften zu verbreiten, sondern das Gebiet der menschlichen Erkenntnifs durch wissenschaftliche Forschung zu erweitern, sie arbeitet für die Freiheit des Geistes, welche im echt christlichen, so. wie im echt wissenschaftlichen Sinne in der Erkenntnifs der Wahrheit zu finden ist; ihre Thätigkeit erstreckt sich daher über das Gebiet unseres Vaterlandes hinaus auf alle Länder und Völker der Erde, in denen sie gleichen wissenschaftlichen Bestrebungen begegnet. Als königlich preufsische Akademie der Wissenschaften aber hat sie aufserdem noch die besondere Be- 176 Öffentliche Sitzung stimmung für die Forschungen und Arbeiten der einzelnen Ge- lehrten in unserem Vaterlande einen lebendigen Mittelpunkt zu bilden. Wenn die Akademie durch diese ihre vereinigende Thä- tigkeit und durch die Arbeiten ihrer eigenen Mitglieder die Fortentwickelung der Wissenschaften in Preufsen fördert, wenn es ihr gelingt die Achtung, welche unsere vaterländische Wissen- schaft bei allen gebildeten Nationen geniefst zu erhalten und zu erhöhen, und so zum Glanze des Thrones unseres erhabenen Königs etwas beizutragen, so erfüllt sie ihre patriotischen Pflich- ten gegen König und Vaterland innerhalb der ihr zugewiesenen Sphäre ihrer Wirksamkeit. Es wird daher der Feier des heutigen Tages nicht unan- gemessen erscheinen, wenn ich, im Hinblick auf das hohe Ziel unserer Akademie die Blüthe der Wissenschaften überhaupt, und in unserem Vaterlande in’s besondere zu fördern, Ihre Aufmerk- samkeit, Hochzuverehrende Anwesende, auf die Betrachtung der Bedingungen zu richten versuche unter denen Wissenschaften gedeihen und sich zur Blüthe entfalten. Ich kann und will bei der Betrachtung dieser Frage nicht den allgemeinen eultur- geschichtlichen Standpunkt einnehmen, der sich über alle Wissen- schaften und über alle Völker der Erde zugleich verbreitet; denn ich würde alsdann nur diejenigen allgemeinen Bemerkungen und Ansichten wiederholen können, die seit Aristoteles von Phi- losophen und von denkenden Historikern, geäufsert worden sind, welche die geistige Entwickelung der Völker mit Vorliebe betrachtet haben. Ich glaube vielmehr auf die Betrachtung einer einzigen Wissenschaft mich beschränken zu müssen, und ich wähle als diese die Mathematik, weil sie meine Fachwissen- schaft ist, über die ich mit einer gewissen äufseren Berechti- gung wagen darf einige Resultate meines eigenen Nachdenkens auszusprechen. Die Mathematik im engeren Sinne des Wortes, nämlich die reine Mathematik, wie sie im Gegensatze zur an- gewandten bezeichnet wird, erscheint aber auch aus objectiven Gründen für eine solche Betrachtung ganz besonders geeignet; denn als aprioristische Wissenschaft, welche das Material ihrer Forschung nur aus sich selbst nimmt, ist sie in ihrer Entwicke- lung von äufseren Zufälligkeiten möglichst unabhängig, auch hat sie vor allen anderen Wissenschaften den Vortheil voraus, vom 22. März 1866. 177 dafs in ihr das wirkliche Wissen von dem blofsen Glauben und Meinen streng geschieden ist; die Bedingungen ihrer Entwicke- lung und ihrer Blüthe lassen sich darum in möglichster Rein- heit beobachten und erkennen. Die geschichtlichen Anfänge der Mathematik kann man, wenn man nur auf die Kenntnifs einzelner mathematischer Wahr- heiten sieht, in das höchste Alterthum verlegen; denn es wird sich kein Volk finden, welches nicht gezählt, gerechnet und ge- messen, und bei diesen mathematischen Operationen nicht auch gewisse praktische Regeln befolgt hätte. Dergleichen Anfänge aber sind weit davon entfernt als Wissenschaft gelten zu können, da sie auch nicht einmal die niedrigsten an Wissenschaft über- haupt zu stellenden Anforderungen erfüllen, dafs die einzelnen, gleichartigen Beobachtungen, Kenntnisse oder Regeln nach be- stimmten Prineipien geordnet und in einen gewissen Zusammen- hang gesetzt werden müssen. Die Mathematik aber kann nicht als Wissenschaft angesehen werden, wenn sie nicht die höchste Anforderung erfüllt, welche in der vollkommenen Begründung ihrer Resultate besteht, in der Art, dafs dieselben ein System von Wahrheiten bilden, in welchem jede folgende auf den frü- heren beruht, und dafs dieses ganze System dadurch auf einige an sich evidente und unzweifelhafte Prineipien zurückgeführt, und auf diesen fest begründet wird. Die Mathematik, welche diese höchsten Anforderungen der Wissenschaft an sich stellte und sie auch erfüllte, konnte erst spät entstehen, sie ist ein Geistesprodukt des griechischen Volkes, und sie ist während des ganzen Alterthums auch ein ausschliefsliches Eigenthum griechischer Geistesbildung geblieben. Es ist nicht unwahr- scheinlich, dafs die Griechen gewisse mathematische Kennt- nisse von den Aegyptern erhalten haben, dafs namentlich Tha- les und Pythagoras in Aegypten einige astronomische und geometrische Regeln gelernt und sie nach Griechenland ver- pflanzt haben, aber es ist kein Grund zu der Annahme vor- handen, dafs die Mathematik bei den Aegyptern schon als Wissen- schaft existirt habe. In gleicher Weise hat man angenommen, dafs die ersten Anfänge der bildenden Kunst in Griechenland ägyptischen Ursprungs sind, aber wer möchte wohl hierin die Aegypter als Lehrmeister der Griechen betrachten oder ein 178 Öffentliche Sitzung ägyptisches Götzenbild als Muster eines griechischen Götterbil- des aufstellen wollen! So wie hier das, was das Handwerk des Bildhauers zur Kunst erhebt, nicht den Aegyptern zugeschrie- ben werden kann, so ist auch das, was die Mathematik zur Wissenschaft macht, nicht in Aegypten erwachsen, sondern ein eigenstes Erzeugnifs griechischen Geistes und griechischer Bil- dung. Es gehörte dazu ein so hoher Grad geistiger Freiheit, als ihn aufser den Griechen kein Volk des Alterthums erreicht hat, nämlich die Freiheit, nach welcher der Geist einer ihm von aulsen kommenden Auktorität sich nicht mehr blind und unbedingt unterwirft, sondern die Forderung stellt, dafs das, was er für wahr anneh- mensoll, sich vor ihm selbst als Wahrheit rechtfer- tigen und bewähren müsse.. In den orientalischen Völkern des Alterthums, welche sich von dem Verkehr mit anderen Völ- kern abschlossen, bei denen die Macht der Gewohnheit als erste herrschende Macht im Staate, in der Religion und in der Sitte unumschränkt waltete, und der Stand der Priester im aus- schliefslichen Besitz geistiger Bildung war, konnten wohl Kennt- nisse und Regeln von Geschlecht zu Geschlecht überliefert und nach und nach auch vermehrt und angehäuft werden, aber die höheren Wissenschaften, deren Lebenselement die geistige Freiheit ist, konnten auf solchem Boden nicht erwachsen. Selbst das weltbeherrschende römische Volk hat zu dieser geistigen Frei- heit sich niemals erheben können. Dasselbe war unübertroffen grols und schöpferisch in der Sphäre des Staats und des Rech- tes, aber die vorzugsweise theoretischen oder speculativen Wissen- schaften waren bei ihm nicht heimisch, sondern wurden erst in der späteren Zeit aus Griechenland nach Rom importirt, wo sie im allgemeinen nur schlecht gediehen. Die Geschichte der Mathematik im griechischen Alterthum giebt das erste und reinste Beispiel des vollständigen Verlaufs einer Blüthenperiode der mathematischen Wissenschaften. Das allgemeine Schema dieses Verlaufs, welches auch in der späte- ren Mathematik im allgemeinen wie im besonderen klar wieder zu erkennen ist, läfst sich etwa folgendermaafsen zeichnen. Eine geschichtlich nach und nach sich bildende, oder auch durch das Genie eines Einzelnen scheinbar plötzlich hervorgebrachte, vom 22. März 1866. 179 neue und fruchtbare Idee giebt der Wissenschaft den ersten, oder auch einen neuen Impuls. Diese Idee wird sodann in ihren Oonsequenzen verfolgt, und indem sie sich weiter entwickelt erzeugt sie neue Ideen und neue Resultate. In dieser Weise verläuft das erste Stadium einer Blüthenperiode der Wissen- schaft, welches als das vorwiegend schöpferische bezeichnet wer- den kann; es erreicht mindestens einen, gewöhnlich aber mehrere Culminationspunkte. Es wird sodann nach und nach das Be- dürfnifs vorherrschend, das, was in der Wissenschaft neues ge- wonnen worden ist, auch im Einzelnen zu durchforschen und so den ganzen Reichthum seines Inhalts zu entfalten. Zugleich geht dann die Richtung der wissenschaftlichen Thätigkeit auch dahin, durch Auffindung der verschiedenen Beziehungen, welche die neu erkannten Wahrheiten unter einander und mit dem älteren Besitz der Wissenschaft verbinden, die allseitige syste- matische Verbindung des Inhalts so herzustellen, dafs in der Vielheit der gewonnenen Kenntnisse die Einheit der Erkenntnifs erhalten werde. Durch diese Thätigkeit wird das zweite Sta- dium einer Blüthenperiode der mathematischen Wissenschaften charakterisirt. Auf dieses folgt sodann als drittes Stadium, das des allmäligen Verfall. Wenn die schöpferischen Ideen ihren Inhait entfaltet hahen, wenn die Energie des Geistes, welche dazu gehört neue Ideen hervorzubringen und überhaupt in die Tiefe der Wissenschaft einzudringen, mit der Zeit nachläfst, so tritt an die Stelle der wissenschaftlichen Forschung zunächst diejenige Gelehrsamkeit, welche im Sammeln von Kenntnissen ihre Freude und ihre Befriedigung findet, sodann wird diejenige popularisirende Thätigkeit vorwaltend, welche sich damit be- schäftist von dem, was in besseren Zeiten erarbeitet worden ist, das an sich trivialere leichter verständlich und dabei ver- flacht für sich selbst oder für andere zurecht zu machen; und so fristet die Wissenschaft wohl noch ein kümmerliches Leben, bis ein neuer schöpferischer Gedanke eine neue Blüthenperiode derselben hervorruft. Die höchste Blüthe der griechischen Mathematik, oder was dasselbe ist der Mathematik des Alterthums, fällt in die erste Zeit der alexandrinischen Schule von Euclid bis Apollonius, welcher Zeit auch Archimedes in Syracus angehörte. Es war 180 Öffentliche Sitzung diefs die Zeit, wo das erste, schöpferische Stadium der Ent- wickelungsperiode dieser Wissenschaft in das zweite übergehend seinen ganzen Reichthum entfaltete und der Mathematik eine künstlerisch vollendete Form gegeben wurde. Als äufsere Be- dingung, durch welche diese höchste Blüthe hervorgerufen, oder mindestens befördert worden ist, erkennen wir die durch das hochherzige und hochgebildete Königsgeschlecht der Ptolemäer geschaffene und erhaltene Vereinigung der ersten und besten Gelehrten der Welt in Alexandrien, welche in den anderen Wissenschaften und für dieselben nicht minder grofses geleistet hat als in der Mathematik. Die Blüthe der Wissenschaften läfst sich nicht künstlich durch äufsere Mittel hervorbringen; denn sie ist eine Arbeit und ein Produkt des Geistes, der nach ewigen Gesetzen sich ent- wickelnd in der Vielheit die Einheit, im Wechsel der Dinge das Bleibende, das Ewige, das Göttliche sucht und findet; es kann aber wohl ein hochherziger Fürst und eine weise Regie- rung zur Herbeiführung der äufseren Bedingungen des Gedei- hens der Wissenschaften in einem Volke oder Lande in’s Beson- dere, und dadurch auch für das allgemeine mächtig mitwirken. Als das wirksamste Mittel zu diesem Zwecke zeigt sich nicht nur im Alterthume in Alexandrien, sondern auch später in den geistig hervorragenden Staaten, die äufsere Vereinigung derjeni- gen Männer, welche den inneren Beruf zur Pflege und Förde- rung der Wissenschaft haben, und die Gewährung der für ihre geistigen Arbeiten nöthigen Mulse. Das dritte Stadium der Entwickelung der Mathematik des Alterthums, das des Verfalls, trat nur allmälig ein, und nicht ohne noch durch bedeutende Männer wie Diophant und Pappus unterbrochen zu werden, welche jedoch nur vereinzelt auftraten und auf die allgemeine mathematische Bildung ihrer Zeit keinen bemerkenswerthen Einfluls ausübten. Aus der Zeit des Mittel- alters, wo die griechische Bildung sich noch lange erhielt, ob- gleich der lebendige Geist derselben erloschen war, hat die Ge- schichte der griechischen Mathematik von keiner selbständigen wissenschaftlichen Arbeit mehr zu berichten. Diese Lücke wird durch die Mathematik der Inder und der Araber einigermaalsen ausgefüllt, an welche man jedoch vom 22. März 1866. 181 nicht denselben Maafsstab echter Wissenschaftlichkeit anlegen darf, als an die Mathematik der Griechen. Die bei den Indern selbst berühmtesten, und wahrscheinlich auch die besten ihrer mathematischen Werke von Brahmagupta und Bhascara, ersteres dem sechsten, letzteres dem zwölften Jahrhunderte nach Christi Geburt angehörend, sind durch Colebrookes englische Ueber- setzung zugänglich geworden. Ein eingehendes Studium der- selben zeigt, dafs die Inder, im Gegensatz zu den Griechen, mehr die Arithmetik als die Geometrie gepflegt haben und dafs sie sogar verstanden haben einige als schwierig zu bezeichnende arithmetische Aufgaben zu lösen. Aber die Regeln, welche sie zu diesem Zwecke anwenden, erscheinen nur ais Kunststücke, nicht als wissenschaftlich begründete Methoden; denn die For- derung des Beweises derselben fällt entweder ganz weg, oder spielt nur eine sehr untergeordnete Rolle. Die Inder besafsen eine für die Zeit des Mittelalters verhältnifsmäfsig hohe Cultur, und aulserdem die Neigung zu theoretischen Speculationen und zur Richtung des Geistes nach innen, namentlich in dem Ge- biete der Religion; ihre Priesterkaste, welche der Sorge für die äulseren Bedürfnisse des Lebens enthoben, die nöthige Mufse hatte, ergab sich aber lieber mülsigen Speculationen, als der für wissenschaftliche Arbeit nethwendigen Anstrengung des Geistes. Es fehlte den Indern, bei welchen die übrigen äufseren und inneren Bedingungen für eine, gedeihliche Entwickelung der mathematischen Wissenschaft vorhanden waren, nur das eine nothwendige Erfordernifs dazu: die Freiheit des Geistes, welche das Lebenselement der griechischen Wissenschaft war. Auch bei den Arabern war diese geistige Freiheit nicht vorhanden, aber sie wurde bei ihnen einigermaafsen durch die genaue Bekanntschaft mit den Werken der Griechen ersetzt. Obgleich die Araber darum zu der wissenschaftlichen Höhe der Griechen sich niemals haben erheben können, haben sie sich doch gewisse Verdienste um die Entwickelung der Mathematik erworben, nämlich einerseits dadurch, dafs sie die griechischen Meisterwerke übersetzt haben, wodurch einige vom völligen Untergange gerettet worden sind, und andererseits durch ein ihnen eigenthümliches Talent für den mathematischen Schema- tismus. Man kann diese ihre Richtung etwas paradox klingend, [1866.] 13 182 Öffentliche Sitzung aber doch durchaus richtig auch so bezeichnen: Die Araber verwendeten in der Mathematik ihr Nachdenken darauf, das Nachdenken entbehrlich zu machen. Das consequent durch- geführte dekadische Zahlensystem die praktischen Regeln des Rechnens in den vier Species sind von ihnen hauptsächlich so gut schematisirt worden, dafs sie jetzt mit dem besten Erfolge auf Dorfschulen gelehrt werden können. Auch die Trigonometrie zum Gebrauche der Astronomie verdankt ihnen eine Vervoll- kommnung in derselben Richtung. Es war erst der neueren Zeit und der christlichen Bildung der abendländischen Völker vorbehalten eine neue Blüthenperiode der mathematischen Wissenschaften zu entfalten, welche die der griechischen Wissenschaft weit übertrifft, sowohl an Reichthum neuer Gedanken und Resultate, als auch an Tiefe echter Wissen- schaftlichkeit. Diese Blüthenperiode, als ganzes betrachtet, scheint noch jetzt in ihrem ersten, dem schöpferischen Stadium zu sein; denn auch die neuste Zeit ist noch nicht ärmer geworden in der Hervorbringung neuer fruchtbarer Gedanken und neuer Re- sultate. Betrachtet man aber die Entwickelung der neueren Ma- thematik mehr in’s Einzelne gehend, so kann man in den verschie- denen Nationen, so wie auch in den verschiedenen mathematischen Disciplinen wieder verschiedene Blüthenperioden wahrnehmen, welche für sich den vollständigen Verlauf einer Periode gehabt ha- ben, so wie derselbe für die griechische Mathematik allgemein skiz- zirt worden ist. Die neue fruchtbare Idee, welche diesem mäch- tigen und dauernden Aufschwunge der Mathematik den Anstofs gab, und welche noch gegenwärtig fortfährt ihren aufserordent- lichen Reichthum zu entfalten, läfst sich im allgemeinen wie im einzelnen zutreffend bezeichnen als die Idee der Befreiung des Gröfsenbegriffs von den ihm anhaftenden, be- ziehungsweise unwesentlichen und störenden Be- schränkungen. Es giebt in der That in der ganzen neueren Mathematik keinen Fortschritt von gröfserer Bedeutung, welchem diese eine allgemeine Idee nicht deutlich erkennbar zu Grunde läge. Die erste grofsartige Schöpfung dieses Gedankens, bei wel- cher er sich mit der von den Arabern gepflegten und nach u, Du u vom 22. März 1866. 183 Italien verpflanzten Kunst des schematisirenden Rechnens ver- band, war die Buchstabenrechnung, diese der Mathematik eigen- thümlich angehörende Zeichensprache, in welcher die complicir- testen Reihenfolgen von Schlüssen nicht nur in der einfachsten Weise dargestellt, sondern auch mit vollkommener Sicherheit und Strenge so ausgeführt werden, dafs die den Geist anstren- gende Thätigkeit des Schliefsens durch die blofse Befolgung weniger rein formaler Regeln, wenn auch nur in einer bestimm- ten untergeordneten Sphäre des mathematischen Denkens, voll- ständig ersetzt wird. Die Algebra, welche in Italien besonders blühte, zog den ersten Nutzen aus dieser neuen Erfindung in der gelungenen Auflösung der Gleichungen des dritten und des vierten Grades. Die Befreiung des Grölsenbegriffs von einschränkenden Be- stimmungen wird in der Buchstabenrechnung schliefslich so weit getrieben, dafs der Inhalt des Begriffs sich vollständig verflüch- tigt, und dafs diese Disciplin, zu einem leeren Formalismus werdend, aus dem Gebiete der Wissenschaft heraustritt. Bis auf diese äufserste Spitze getrieben behält sie nur noch den Werth ein sehr nützliches ja selbst unentbehrliches Instrument für die Wissenschaft zu sein. Aber so wie die wahre Freiheit niemals in der Schrankenlosigkeit zu finden ist, welche den In- halt der Freiheit aufopfert, so hat auch die neuere Mathematik nicht dieser negativen, sondern ganz anderen positiven Befrei- ungen ihre höchste Blüthe zu verdanken. Es war hauptsächlich der ebenso tiefe als naturgemäfse und fruchtbare Gedanke der Betrachtung continuirlich verän- derlicher Gröfsen, welcher die neuere Mathematik hoch über die der älteren Zeit erhoben hat. Wie nahe auch diese Be- trachtungsweise liegt, wie deutlich auch die Natur selbst in allem was sich bewegt die continuirlich veränderlichen Gröfsen zur Anschauung bringt, so war dieser, auch der alten Philoso- phie nicht fremde Gedanke dennoch, selbst von den besten grie- chischen Mathematikern nicht in ihre Wissenschaft eingeführt, sondern eher geflissentlich von derselben fern gehalten worden. Durch die neue Gabe der continuirlichen Variabilität, wurden nun die mathematischen Gebilde, welche bis dahin in die Sphäre des starren Seins gebannt gewesen waren, in das freiere Reich 13® 184 Öffentliche Sitzung des Werdens versetzt, wo sie erst Bewegung und Leben er- hielten. Sie traten dadurch einander näher, ja mehrfach selbst so nahe, dafs sie ganz in einander übergingen, und somit nur als verschiedene Zustände eines und desselben Gebildes sich zu erkennen gaben. Indem die Gröfsen als continuirlich veränder- ‚liche nun selbst bis an die äufsersten Gränzen des Gröfsenge- biets, bis zur Null einerseits und bis zum Unendlichen anderer- seits verfolgt werden konnten, entstand die von Leibnitz und Newton geschaffene Analysis des Unendlichen. Auch die mit vollem Rechte vielfach bewunderte und von anderen Wissen- schaften, wenn gleich mehr nur in der äufseren Form nachge- ahmte, construktive Methode der Mathematik, nach welcher die einzelnen Sätze wie Bausteine auf einander und an einander gefügt und durch den Beweis, wie durch einen bindenden Mör- tel fest unter einander verbunden wurden, mufste durch diese neue Anschauungsweise eine wesentliche Veränderung erfahren, sie wich, namentlich in den neu geschaffenen Gebieten der hö- heren Mathematik, immer mehr der genetischen Methode der Deduktion, welche die Wissenschaft mehr in. organischer Weise erwachsen und den tieferen Gedankengehalt derselben deutlicher erkennen läfst. Ich will Ihre Geduld, Hochverehrte Anwesende, nicht so stark in Anspruch nehmen, dafs ich darauf eingehen sollte zu zeigen, wie der angegebene Grundgedanke der Befreiung des Grö- [senbegriffs sich im besonderen und einzelnen weiter entwickelte, wie er eine Reihe neuer mathematischer Disciplinen schuf, und die vorhandenen wesentlich umgestaltete. Ich mufls es mir auch versagen die mehr äufseren Bedingungen aufzusuchen und dar- zustellen, unter deren Einflusse die allgemeine Blüthe der ma- thematischen Wissenschaften bald in Italien, bald in Frankreich oder in England und in unserem deutschen Vaterlande besonders kräftig und reich sich entfaltet hat. Es möge das Gesagte hin- reichen, als ein Versuch an dem Beispiele der Mathematik zu zeigen, wie Wissenschaft und geistige Freiheit so eng mit ein- ander verbunden sind, dafs die erste Bedingung des Gedeihens echter Wissenschaft die geistige Freiheit ist, und dafs durch die Wissenschaft der Geist zu höherer Freiheit sich emporarbeitet. vom 22. März 1866. 185 Der Vorsitzende trug sodann einen Bericht über den Fort- gang der eigenen grölseren Unternehmungen der Akademie und über ‚ihre Mitwirkung bei anderweitigen wissenschaftlichen Zwecken und Arbeiten vor. Hierauf las Hr. Pertz: Über die Zusammenkunft in Trachenberg im Jahre 1813. Druckfehler in der Abhandlung: Über eine Gattung reell periodischer Functionen, $. 97 fl. S. 103, Z. 5 v. u. l. im Vorhergehenden st. eine Vorherge- hende. S. 113, Z. 9 v. u. ist zwischen der Gleichung a =. +() Q.=0, dx® und der folgenden Zeile fortgefallen der Passus: also dieselbe Gleichung wie für P, selbst. Da nun Kir? — 2 en S. 113, Z. 6 v. u. fehlt in dem Ausdruck von C, der Fak- 1 tor — 2w A 3919,27. 14. 0. 1. Plan) st. P(&,n). EN in er Hort ins och nnd ee Nike Aiobah N IN RRRESNEANEN nie M j; A a ) Shine: win f a Ss > er une - SR .. Re ur In N Re = % des = nn oe PN6)21:9) en ee a ae Mn Lan ie ae .b# 5) Sur iD: T Hi LER a : MEN b | Ehre Sa | MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. April 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Haupt. 9. Apr. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Haupt trug eine Abhandlung des Hrn. Geanrı vor: Etruskische Varianten zum troischen Sagen- kreis. Über die Grenzen der Ilias und der Odyssee, diesseits und jenseits, hinaus hatte das griechische Epos in Strömungen einer sagenreichen Dichtung sich ergossen, deren Inhalt nur in spär- lichen Bruchstücken auf uns gekommen ist. Die Armuth sol- cher Überlieferungen ist für uns doppelt empfindlich durch die Beschaffenheit ihrer Quellen, derjenigen namentlich welche in den Denkmälern etruskischer Kunst mannigfach getrübt, aller- dings aber auch reichlich genug für uns erhalten sind um auf eingehende Betrachtung Anspruch zu machen. In dieser Er- wägung unternehme ich es den durch zahlreiche Funde stark angewachsenen Bilderkreis der etruskischen Metallspiegel für die mancherlei Varianten des dafür benutzten trojanischen Sa- genkreises auszubeuten, wie solches durch die zur letzten Ab- theilung meiner Etruskischen Spiegel seit längerer Zeit aufge- häuften Inedita mir möglich wird. Der akademischen Klasse, deren ausdauernder Beistand die Erscheinung dieses Werks bis- her wesentlich förderte, wird die demnach von mir bezweckte [1866.] 14 183 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Darlegung zugleich zum Überblick meines noch rückständigen Materials dienen können. In überwiegender Mehrzahl vor anderen mythischen Stoffen bevorzugt sind in den eingegrabenen Zeichnungen etruskischer Spiegel das Urtheil des Paris und die Abenteuer der Helena uns vorgeführt, mit denen in mancher seltneren Darstellung die Anfänge und ersten Erfolge des Troerkriegs sich verknüpfen. Als litterarische Grundlage dieses vorhomerischen Sagenkreises ist bekanntlich fast nur die aus der Chrestomathie des Proklos uns überlieferte äulserst dürftige Inhaltsangabe der Kyprien des Stasinos (Welcker Epischer Cyklos U. S. 505ff.) auf uns gekom- men. Ohne viel Auslassung können wir daraus etwa die nach- folgenden Ereignisse als Gegenstände entnehmen, welche, in den elf Büchern jenes Gedichts ausführlich besungen, in der uns gebliebenen Notiz gerade ausreichen um als Überschriften für bildliche Denkmäler unseres Besitzes benutzt zu werden. Auffallend ist dafs von diesen durchgängig berühmten Momenten eines so vielgefeierten Sagenkreises der von Eris beim Hoch- zeitmahle der Thetis und des Peleus gegebene erste Anlafs jenes Unheils der bildlichen Darstellung wenig oder gar nicht anheimfiel; um so häufiger bot der Liebessieg des Peleus über Thetis (Etr. Spiegel Tafel 225. 226. 386. 337, 1. 2.) und vol- lends das Urtheil des Paris zu solchem Behufe sich dar. Aus Vasenbildern ist der von Hermes geleitete Zug der drei Göttin- nen nach dem Ida hinlänglich bekannt. Das Schönheitsurtheil selbst begegnet uns als häufiger Gegenstand in Spiegelzeichnun- gen eines gröfstentheils nur fabrikmäfsigen Kunstwerths (Tafel 184ff. 363 ff.), welcher jedoch durch manche anziehende Eigen- thümlichkeit vergütet wird. Namentlich finden wir unter jenen häufigen Gruppirungen der drei Göttinnen und des Paris dann und wann (Tafel 184. 370) den merkwürdigen Umstand, dafs der von Paris eigenhändig oder durch Hermes der Aphrodite gereichte Schönheitspreis nicht wie wir erwarten als Apfel er- scheint, sondern in einer länglich ovalen Form dargestellt ist (Tafel 184. 189. 370). Dieser Umstand darf insofern nicht be- fremden als jener im späteren Alterthum viel erwähnte Apfel für die ältere Dichtung und Kunst (vgl. Welcker Alte Denk- mäler V. S. 379£.) nicht bezeugt ist. Dafs er für den Mythos ER vom 9. April 1866. 189 des Parisurtheils nichtsdestoweniger typisch geworden ist, wird im Zusammenhang mit den Schönheitsagonen zu Lesbos, mit dem Mythos der Hesperidenäpfel und auch mit dem Kunstge- brauch der Venusidole begreiflich, welchen letzteren jedoch in ältester Zeit auch das Symbol eines Eies nicht fremd ist. Das- selbe Symbol als Schönheitspreis vorzufinden ist allerdings über- raschend, rechtfertigt sich indefs leicht durch die dem Ei eigen- thümliche Symbolik verschlossenen Lebens, vermöge deren die Orphiker in ihrem Systeme der Weltschöpfung ihren als erstes Urwesen betrachteten Eros oder Phanes aus einem riesigen Weltei entsprossen wulsten. Dafs man dem idäischen Schön- heitspreis einen so vollwichtigen Sinn beilegte, wird durch die Bedeutung erklärlich, in welcher derselbe laut dem Dichter der Kyprien das Verderben der übervölkerten Menschheit einleiten sollte, und dafs die etruskischen Bildner in eine so prägnante Symbolik eingegangen waren, wird in der besten der hier ge- meinten Spiegelzeichnungen (Tafel 370) durch die Gegenwart zwei geflügelter Schicksalsgöttinnen neben Mercur bestätigt, welcher dem Paris das Ei überreicht. Andere Spielarten desselben berühmten Mythos singen nicht von der hieratischen Bedeutung desselben, sondern, wie auch im Gedicht der Kyprien geschah, von den sehr menschlichen Bezügen weiblicher Schönheit und männlicher Schwäche aus. Laut diesem Gedicht ward Paris durch die Aussicht auf Helena’s Besitz zu seinem günstigen Spruch für Aphrodite bestimmt, wo- gegen die Anerbietungen der beiden anderen Göttinnen nicht ins Gewicht fielen. In einer oder der anderen Weise scheint diese Auffassung auf mehreren unserer Spiegel befolgt zu sein. Die lockende Verheifsung Aphroditens scheint der Gegenstand eines Spiegels (Tafel 371. Cudido Venos Vitoria Rit) zu sein, in welchem zugleich mit Venus und Cupido sich auch die Sieges- göttin ihm willfährig zeigt; desgleichen scheint die von Minerva versuchte Überredung unverkennbar zu sein in einem Bilde (Ta- fel 191), in welchem, wenn wir nicht irren, auch die Mit- wirkung der früheren Geliebten des Paris zu Hülfe genommen ist. Die Darstellung dieser Oenone ist auch aus anderen ver- wandten Spiegeln bezeugt; mehrere derselben (Tafel 372, 1 u. a.) scheinen sie gleichfalls und zwar im Zusammenhang mit einer 14* 190 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Abmahnung uns vorzuführen, welche Minerva an den zu unheil- voller Einschiffung nach Hellas bereits entschlossenen Jüngling ergehen läfst. Es scheint dies der Sinn derjenigen Gruppirun- gen zu sein, in denen als vierte Figur entweder Mercur (Tafel 372, 1) zugegen ist oder ein schwerer zu deutender Jüngling mit phrygischer Kopfbedeckung als Gefährte des Paris sich kund giebt (Tafel 193. 372, 2). Man hat in ihm den Attis als idäischen Jugendfreund des Paris erblicken wollen, wird aber, wenn dem Bezug auf nahe Abfahrt des Paris nichts entgegen- steht, vielmehr den Aeneas in ihm erkennen dürfen, welcher laut dem Gedicht der Kyprien auf Aphroditens Geheils mit Paris gemeinsam zu Schiffe ging. Für die Fahrt des Paris nach Griechenland und die darauf erfolgte Entführung der Helena werden als dahin einschlagende Ereignisse bei Proklos ein Empfang des Paris durch die Tyn- dariden zu Amyklä, die Aufnahme in Sparta bei Menelaos, ein beim Gastmahl von Paris der Helena gereichtes Geschenk, des Menelaos Reise nach Kreta und die auf dessen Geheils von Helena dem Paris erwiesene Gastlichkeit, die Zusammenführung beider durch Aphrodite mit darauf erfolgtem Beilager, sodann die Einschiffung nach Rion mit reichen Schätzen und die dort förmlich begangene Vermählungsfeier angegeben, nachträglich auch die dem Menelaos hierüber durch Iris verkündete Botschaft, woran dessen Heimkehr und die Rathschläge zur Befehdung Ilions sich knüpfen. Den reichen Stoff, welcher aus jenen verschiedenen Momenten für die Kunstdarstellung sich ergab, finden wir nur theilweise benutzt. Drei zu einander gesellte Jünglinge sind auf unsern Spiegeln (Tafel 5öff. 253 ff. vgl. IH. S. 49ff: 263 ff.) häufig ge- nug abgebildete um an den im Kypriengedicht vorausgesetzten Besuch des Paris zu Amyklä uns zu erinnern; doch ist kaum irgend eine dieser Darstellungen charakteristisch genug um lieber auf Paris und die Dioskuren als auf die ungleich öfter uns nahe gelegten drei Kabiren gedeutet zu werden. Gesicherter sind mehrere Darstellungen der Einkehr des Paris beim Menelaos (Tafel 207, 1. 2. 210. 377), denen vielleicht auch ein, wenn die Beischrift nicht trügt, mit Agamemnon als vierte Figur ausge- stattetes Spiegelbild (Tafel 382, 1) beigezählt werden kann. Mehrfach abgebildet auf unsern Spiegeln ist ferner die durch vom 9. April 1866. 191 Aphrodite herbeigeführte Zusammenkunft des Paris mit Helena; unleugbar findet sich jedoch nebenher auch manches den noch ungestörten Ehebund des Menelaos mit Helena bezeugende Bild. Gruppirungen dieser letzteren Art zeigen sich nicht minder als die spätere Buhlschaft mit Paris durch die Gegenwart der Lie- besgöttin begünstigt (vgl. 197. 200. 373, 1. 374. 375 auch wol 373, 2). Ihr hochzeitlicher Anlafs mag auch in den Fällen ge- meint sein in denen die Dioskuren neben Venus und He- lena (204. 380, 2. vgl. 205), neben Menelaos und Helena (201. 208. 373, 3) oder auch nur neben Helena (202. 203) sich erkennen lassen. Nicht weniger dürfen denn auch man- che andere von reiner Anmuth erfüllten Vermählungsbilder (374. 875) auf das anfänglich hochgefeierte eheliche Glück von Menelaos und Helena zurückgeführt werden, welches wir in dem berühmtesten Phantasiestück etruskischer Unterweltsscenen dem unteren Bilde des grofsen Durandschen Spiegels (Tafel 181. vgl. 217) sogar auf Elysium neu begründet fanden. Auch scheint der von Menelaos zuerst genossene bräutliche Reiz der Helena, von Venus und Cupido umgeben, in einer Gruppirung (Tafel 206) uns vorgeführt zu sein, deren lüsterner Ausdruck mich früher verleitete eine fünfte durch schmückendes Halsband ausgezeichnete Figur jenes Spiegelbildes als lauschenden Paris zu fassen, wie er etwa, als Buhle von Venus eingeführt, auf einem anderen Spiegel (207, 2 Echse Umaile) gedacht sein kann; es mag wohl vielmehr der unsterbliche Bruder der Helena, Poly- deukes, als Vermählungszeuge gemeint sein. Zurückgehend auf die kurz vorher bereits berührte Einkehr des Paris bei Menelaos beachten wir nochmals die meines Er- achtens darauf bezüglichen Gruppen einer von zwei Männern umgebenen Frau, zumal einer jener Spiegel (377) diese Ausle- gung inschriftlich unterstützt. Die eheliche Treue der Helena erscheint in diesen, nicht ohne Frivolität gruppirten Bildern mehr auf die Probe gestellt als erschüttert und die häusliche, schalkhaft vielleicht von Eros benutzte, Ankleidungsscene, bei welcher nach jetziger Auslegung der Kollerschen Schale (Overbeck Gal. 5. 263f. XI, 9) Paris von Menelaos eingeführt die Helena überrascht, ist mit der durch Horen und Chariten vollzogenen, vielleicht hochzeitlich gemeinten, Schmückung nicht zu verwech- 192 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse seln, auf welche wir alsbald zurückkommen werden. Wie aber Helena bei Euripides für ihr später begangenes Unheil den Me- nelaos wegen seiner Reise nach Kreta verantwortlich macht, ‚scheint dieses Verhältnifs auch in einem bisher unerklärten Spiegelbilde (Tafel 378) gemeint zu sein, dessen als Crisitha bezeichnete Hauptfigur vermuthlich die Helena als“goldige’ Schöne uns andeuten soll, in einer Gruppirung in welcher sie sehr wohl als abmahnend von der ihr häusliches Glück bedrohenden Reise sich deuten läfst. Nach erfolgter Entfernung ihres Gemahles jedoch fällt Helena durch Aphroditens Anstiften dem schönen Buhlen als leichte Beute anheim. Es wird dies, wie auf bekann- ten Reliefs in denen auch Peitho mitwirkt, durch Gruppirungen von Aprodite Paris und Helena (Tafel 194. 198. 376. 380, 1; mit Eros 207, 3) mehrfach uns vorgeführt —, auf einem unlängst entdeckten Inschriftspiegel (Tafel 579. vgl. 125.) mit dem sar- kastischen und in die Zeitfolge der andern Momente schwer ein- zupassenden Zug, dafs Helena als gelagerte Wöchnerin, ihr Kind Hermione im Arme haltend, den von Aphrodite eingeführten Paris bei sich empfängt. Die behagliche Komik dieser Dar- stellung wird in demselben Bilde von der Schreckgestalt einer aus höherem Raum gegen die Liebesgöttin gerichteten Sphinx durchkreuzt, und wie diese seltsame Nebenfigur den drohenden Ernst der hier vorbereiteten Liebesscene andeutet, scheint auch ein von der rächenden Furie begleitetes Spiegelbild (Tafel 331) in seinen empfindlich zerstörten Umrissen die zu der Völker . Verderben gesteigerte Zärtlichkeit von Paris und Helena uns ‚vorzuführen. Was hierauf weiter erfolgte, wird, wenn nicht auf „unsern Spiegeln, auf anderen etruskischen Werken, namentlich den Reliefs der Todtenkisten, uns anschaulich gemacht. Der ‚nach dem Vorgang des kyprischen Gedichts dort nicht selten dargestellten Einschiffung des Paris mit Helena und ihren Schätzen reiht als nächster Moment bildlicher Darstellung die nach der Ankunft zu Ilion gefeierte Hochzeit mit Paris sich an. Eine nicht geringe Zahl anmuthreicher Darstellungen scheint die Schmü- ckung zu diesem Hochzeitsfest in einer der Pracht des troischen Königshauses und der ihm holden idäischen Götterwelt entspre- chenden Weise uns vorzuführen (Tafel 211 —216; 383. 384); „doch bleibt die, durch alte Beischriften mehr erschwerte als aus- vom 9. April 1866. 193 gesprochene, Deutung jener in ihren mancherlei Varianten stets anziehenden Composition, auf welche, wenn nicht Venus, doch eine Göttin Malache sicheren Anspruch hat, für uns noch immer so unentschieden, wie uns die in den Kyprien mit allem Reiz der Horen und Chariten beschriebene Ankleidungsscene in dem bei Athenaeus daraus erhaltenen berühmten Fragment unschlüssig läfst, ob Aphrodite oder Helena als Hauptperson darin gemeint sei.') Eine für etruskische Werke mehr als für griechische zulässige Auskunft, die Annahme mehrfacher Anwendung einer und derselben Composition für verschiedene Mythen, scheint mir jedoch zu gestatten wenigstens einige jener Wiederholungen, na- mentlich Tafel 3384, für die bräutliche Schmückung der Helena festzuhalten. Jener mit Glanz und Üppigkeit begangenen Vermäh- lung folgte demnächst die auch in der Ilias ihr zugestandene fried- liche Häuslichkeit in Gemeinschaft mit Paris, begleitet von freund- lichem Verkehr des Hektor und anderer Priamiden, namentlich ihres nachherigen Gemahls Deiphobos. Ein nicht sicher gedeutetes 1) Die Schmückung Aphroditens zum Schönheitsurtheil des Paris, die Welcker (Ep. Cykl. II. S. 88£. 510 ff.) mit Wahrscheinlichkeit in jenen Versen erkennt, ist in den Schmückungsscenen unserer Spiegel offenbar nicht gemeint; denn mit den Chariten zugleich ist auch die als Turan be- zeichnete Göttin (Tafel 215) bemüht den Reiz der sitzenden Hauptperson, der inschriftlich sobenannten Malache, zu erhöhen. Auf das erste Erschei- nen der Helena vor Paris wurden eben jene Verse der Kyprien von Mei- neke (Arch. Ztg. 1845 S. 19f.) bezogen; aber auch mit dieser Deutung, die nach dem berichteten Hergang nur auf die erste Begegnung bei gastlicher Einkehr sich beziehen lälst, sind die gedachten unter göttlichem Beistand erfolgten Schmückungsscenen ebensowenig vereinbar. Endlich gewährt auch die nach Abreise des Menelaos durch Aphrodite bewirkte buhlerische Zusammenkunft der beiden Liebenden, die in bekannten schönen Reliefs von schlichter Darstellung uns vorgeführt wird, für so effectvolle Schmü- ckungsscenen keinen Raum. Nur auf Helena’s in Troja gefeierte Hochzeit also, wenn überhaupt auf Helena, könnten jene berühmten Verse bezogen werden. Da aber Athenaeus jene Verse aus dem ersten oder letzten Buch der Kyprien citirt (der handschriftliche Text ev rw: a lälst die Wahl zwi- schen ı& und a frei: vgl. Wecker ep. cykl. II S. 510£.) und jene troische Hochzeit der Helena nach der Reihenfolge des Gegenstands weder in das erste noch letzte der 11 Bücher des Stasinos fallen konnte, so ist jener "Verse Beziehung auf Helena wol aufzugeben. 194 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Spiegelbild scheint diese beiden mit Paris (Tafel 222), ein anderes alle drei Brüder mit Helena (Tafel 220) versammelt darzustellen. Weniger anziehend, aber doch auch nicht unbenutzt für bildliche Darstellung blieben die Ereignisse, welche, dem Ver- schwinden der Helena gegenüber, vom griechischen Festlande aus im Gedicht des Stasinos berichtet worden waren. Die Bot- schaft der Iris an Menelaos über die daheim ihm zugefügte Unbill ist in keinem erheblichen Kunstwerk bis jetzt nachge- wiesen, und auch die nach seiner Heimkehr mit Agamemnon und dann mit Nestor geführte Berathung bot dazu nur wenig sich dar; eine ähnliche Berathung zu verbündetem Kampf gegen Ilion scheint jedoch in einem Spiegelbilde gemeint zu sein, wel- ches laut seinen Beischriften den Menelaos, vermuthlich in Sparta, mit Palamedes Diomedes und Ajax gesellt zeigt (332, 2). An- deren bildlichen Stoff gewährte in Folge der Kriegsrüstungen das zweimal zu Aulis versammelte Griechenheer; darauf bezüg- lich ist auf unsern Spiegeln nicht nur der zur Weissagung opfernde Kalchas (Tafel 223), sondern, wie aus den Beischrif- ten hervorgeht, auch eine die Opferung der Iphigenia betreffende (Tafel 385) Unterredung zwischen Palamedes und Klytämnestra, Odysseus und Menelaos. Noch einen anderen Stoff zur :bildli- chen Darstellung gewährte der zwischen beide Aufenthalte zu Aulis fallende Feldzug nach Mysien. Eine allbekannte vorzüg- liche Spiegelzeichnung stellt die durch Achill erfolgte Heilung des Telephos dar (Tafel 229. vgl. 390, 2); vorangegangen war der mit dessen Verwundung endende Zweikampf Achills, dessen Abbildung sich nur selten mit Sicherheit erkennen läfst, während mancher andere Zweikampf entweder gar nicht auf diesen Helden oder auf einen anderen Gegner dessel- ben, etwa den Kyknos, bezüglich sein kann. Eingeflochten in die Zeitfolge jener Begebenheiten hatte das Epos in einer, für uns nicht durchaus klaren, Weise Achills Landung auf Skyros und dessen Vermählung mit Deidamia; ein Spiegelbild, in wel- chem die letztere einbegriffen zu sein scheint (Tafel 231) kommt hier mit andern zugleich in Betracht, in denen der bekannte Trübsinn der Etrusker es sich angelegen sein liefs die Weissa- gung von Achills frühem Tode für sich auszubeuten. Wohlge sichert ist diese Annahme für eine Gruppirung von Achill Her- vom 9. April 1866. 195 mes und Atropos (Tafel 230); aber die dort durch Erscheinung der Todesgöttin stark hervortretende Weissagung über Achills Geschick ist wol auch in den feierlichen Scenen seiner Ausrüstung einbegriffen, zu welcher Minerva in Gemeinschaft mit Thetis und Mercur (Tafel 390, 1.) oder auch mit einer Schicksalsgöttin (389), ein andermal auch in Gegenwart von Thetis und Patroklos (Tafel 228) oder allein des Patroklos (Tafel 227) mitwirkt, woneben im verwandten Sinn auch Darstellungen der mit Achill allein mütterlich gruppirten Thetis in Betracht kommen (388, 1. 2). Im Vergleich zu dem hiemit überblickten Reichthum vor- homerischer Momente sind die Gegenstände der Ilias im Bil- derkreis unserer Spiegel nur spärlich vertreten. Wir rechnen dahin einen inschriftlich bezeugten Zweikampf von Ajax und Hektor (Tafel 392), eine vermuthlich auf Hektor und Patroklos zu deutende Kampfscene (Tafel 394, 1) und, mit Übergehung etwaiger achilleischer Zweikämpfe (Tafel 391, 2. 3. 4) die auch vorhomerisch sein können, ein drittes Bild, in welchem mit Wahrscheinlichkeit das im achten Buch der Ilias an Hera und Pallas gerichtete Verbot des Zeus den Achäern zu helfen er- kannt wird (Tafel 395). Wiederum in grölserer Anzahl, aber dem Reichthum der vorhomerischen Gegenstände doch beträchtlich nachstehend, sind die dem Ende der Ilias sich anreihenden Gegenstände unserer Spiegel. Schöne darauf vorhandene Darstellungen, deren poe- tische Grundlage in der Aethiopis des Arktinos sich vorfand, sind die Kämpfe Achills mit Penthesilea (Tafel 233. 397, 2) und mit Memnon, und zwar wird der letztere nicht nur im Momente des Zweikampfs (Tafel 395), sondern auch in den um des Zeus Beistand flehenden beiden Müttern (Tafel 396), in der im Olymp erfolgten Seelenwägung beider Helden (Tafel 235, 1) und in der Bestattung des Memnon durch Eos und Iris (Tafel 397, 1) uns vorgeführt; aufserdem ist Achills Tod in der durch Ajax vollzogenen Wegtragung seines Leichnams (Tafel 234) uns vor Augen gerückt. Ein auf die kleine Ilias des Lesches zurückweisender Gegenstand findet sich vor in der Heilung des Philoktet durch Machaon (Tafel 394, 2). Aus dem Sagenkreise der Iliupersis begegnet uns in unseren Spiegelzeichnungen die Aufrichtung des hölzernen Pfer- 196 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse des (235, 2), die Wiedererlangung der Helena (Tafel 398), des Ajax Unglimpf an Kassandra (236. 399. 400, 1. 2) und das Geschick der Polyxena (Tafel 401), und zwar ist die Auffassung dieser berühmten Stoffe, namentlich im Bild der von Menelaos zum Pallasidol sich rettenden Helena, eigenthümlicher als dafs bei den etruskischen Bildnern eine unmittelbare Benutzung der ursprünglichen griechischen Dichtung sich voraussetzen lielse. Noch weniger ist dies der Fall bei den auf die Heimkehr der griechischen Helden bezüglichen Darstellungen, deren Grundlage in den Stoffen des alten Epos dürftiger war und deren Aus- spinnung vielmehr auf die Tragödie uns zurückführt. Wenig- stens für die Darstellungen vom Mord der Klytämnestra (237. 238) und von der Rückführung Iphigeniens (Tafel 239) bot die dramatische Poesie ohne Zweifel als Quelle sich dar, woneben allerdings das laut seiner Beischrift mit Thetis und Priumne bezeichnete Spiegelbild (Tafel 402), bezüglich wie es scheint auf die Niederlassung des Diomedes in Unteritalien, dureh eine selbstständige Überlieferung anderer Art begründet sein mag. Beachtenswerth ist überdies der Gebrauch, welchen die Bildnerei unsrer Spiegel von Gegenständen der Odyssee ge- macht hat, namentlich von des Odysseus Besuch bei Tiresias (Tafel 240), seinem Aufenthalt bei der Zauberin Kirke (403, 1. 2) und bei Kalypso (404), sowie von seiner Wiedervereinigung mit Penelope (Tafel 406 vgl. 405). Römische Dichterquellen mögen auch für diese Darstellungen ungleich malsgebender ge- wesen sein als der griechische Homer und die ihm verknüpften Dichter des epischen Kyklos. Hr. Kirchhoff las: Über eine attische Urkunde aus dem Jahre der Schlacht bei Mantinea. Der auf der Beilage mit A bezeichnete obere Theil eines Psephisma steckte früher auf der Akropolis in der Umfassungs- mauer der an der nordöstlichen Ecke des Burgfelsens belegenen Cisterne (der sogenannten Klepsydra); die gröfsere linke Hälfte war durch den Kalküberwurf verdeckt und nur ein schmaler Streifen der Schrift nach rechtshin sichtbar. Diesen damals allein sichtbaren Theil der Inschrift copirte zuerst Pittakis und veröffentlichte ihn 1835 in seinem Buche L’ancienne Athenes p. vom 9. April 1866. 197 155. 156. Später wurde der Stein aus der Mauer herausge- nommen, um der Sammlung in den Propylaeen, in der er sich gegenwärtig befindet, einverleibt zu werden, dabei aber an seiner rechten Kante nicht unerheblich beschädigt; dagegen kam nun nach Beseitigung des Kalküberwurfes die bis dahin verdeckte linke Seite der Schriftläche zum Vorschein. In dieser Ver- fassung wurde der Stein in der ’Eopyu. @gx. 902 und von Ran- gabe 386 publieirt und von Velsen abgeschrieben, dessen Copie der Darstellung auf der Beilage zu Grunde gelegt worden ist.') Da indessen die ältere Abschrift von Pittakis trotz ihrer Un- vollständigkeit unter den dargelegten Umständen ein unentbehr- liches Supplement dazu abgiebt, so habe ich sie der Velsen’schen Copie zur Seite unter « wiederholt. Leider hat Pittakis da- mals nicht nur schlecht gelesen, sondern auch in seiner leidigen Weise willkürliche und unsinnige Ergänzungen, ohne sie als solche zu bezeichnen, hinzugefügt und dadurch die Benutzung seiner Abschrift, wie so oft, erschwert; zum Glück lälst sich in diesem Falle das Ächte von dem Unächten mit leidlicher Sicherheit unterscheiden. Der untere, bisher verloren geglaubte, auf der Beilage mit B bezeichnete Theil der Urkunde ist erst ganz vor Kurzem bei Ausgrabungen hinter den Propylaeen zu Tage gekommen; die mitgetheilte Abschrift wird Hrn. Köhler verdankt, der auch die Zugehörigkeit zu A sofort erkannt hat. Die Uebereinstim- mung im Inhalt, Material (pentelischer Marmor) und der Stellen- zahl der einzelnen Zeilen (31) ist in der That so grofs, dafs auch ohne Autopsie die Zusammengehörigkeit beider Bruchstücke ‘) Von Varianten der älteren Abschriften bemerke ich folgende: Z. 1 hat Rangabe zu Ende noch die Reste eines X, Z. 4 zu Anfang ’E#ru. ein vollständiges MT, Z. 21 in der Lücke I Rangabe, Z. 24 gegen Ende ’Edru. zZIIMT, Z. 25 hat’Ed. noch ein Y unter dem letzten T der vorhergehen- den Zeile, Z. 26 dieselbe gegen Ende AE\ERN, Z. 27 Ende TRNAE Rangabe, ..AAENGS N ’Ednu., 2.28 ..OY/ ...AXXO.... Rangabe, | TAXM.... THNO "Ednp., Z. 29 fehlt bei Rangabe, ’Eöna. hat unter dein M der verhergehenden Zeile ein N, unter NO ein IN. Offenbar hat der Stein in der Zeit zwischen der Publication in der ’E#n«. und bei Ran- gabe eine weitere Absplilterung am unteren Theile der rechten Kante er- fahren. 193 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse unschwer zu erkennen war. Sie passen zwar nicht genau an einander, aber es können zwischen ihnen nur wenige Zeilen fehlen, die wir verloren zu geben haben. Abgesehen von diesem Defecte liegt die Urkunde jetzt vollständig vor. Ich lese mit den nöthigen Ergänzungen wie folgt: [Er: Xazr]ızrsid2 dgy,ovros [er: r]- [fs "Ara ]uavridos deurzge[s raur]- [eveie]s, 7 Nizosreero[s Rn = Beer] IerAyveüs Eysaluncrevsv], 5 [ra]ezossf 775 Four[eveies]. ['ESJo&ev zn Povry za To Open oe .] [-. ons Heiavızüs emeotarel[:, Bone [elizev ae 3 wv Akysı "Aorunglarns......]- [-]s zer 0 wer airoo EelrpiS[fer 7 Lovr]- 10 [#], rous wgoedgss, & av Aayule: mooeöze]- [ve]v ev FW Onmw, rgorayayl ev "Arruzo]- [&r]»» Aal ToUg Mer aurol eig [r0v özuov 2]- [is av meuTyU Ermrysiew zel: Yornarır]- [«:; ylvaunv RB EuularrssIa ıns Bovrgs] 15 [es] Tov Öyuov, Orı dozer =n [@ovRr, ere]- [5%] "Avdgovızos 6 Oerrarol|e Legonvruo]- [v#v] magc Tolg vonous Tuv "Alsdezrvovwv ] [#«:] Tols Armdbmv eisyyaye [Eredar sv] [zer] "Asrumgarss za TWv Er alüroV, wrre] 20 [puyJadsüreı "Asruzgaryv zaı [roüs ner «]- [ör2]; za Tas oVrias GEoeuNerole ee .] sl] dsdoy,Sı Tu Onmw, Tas ev [d:z«s 7e]- [s zJer« "Arruzgarss za TuV WET [&Vr°0 ye]- [yeluauzves 2v Auızrvosw [alrfersis =]- 25 pa]. & de nis nı ainaram "As[r]ufzoer, ze]- [E r3]s us avroV adızew Asrpwv[rwe 7 7]- [6 zowo]» 795 morsws is Asrbwr]......] Br ke rer u Ebert 1000010800 0 0 0 0. VÜT . 2 0 nn 8 8 2 2 0. . I EN RTET UEE e SYEl he ee ee | RE ER ec 10 15 20 25 Beilage, A. “Frei” IKAEIAOAPXONTO AANTIAOZAEYTEPA SHINIKOZTPATO "ANAHNEYZETPA AKOZTHITHZMPYT OZENTHIBOYAHIKAITRIA NHZMAIANIEYZETEZTATT ; ITENTPEPIQ@NAEFTEIAZTYKP AP ZKAIOIMETAYTOYEYH®IEZO FE ITOYzMPOEAPOZOIANNAAXRQ INENT2IAHMRIMPOZATAI da. BR. Nor. .EYIEPATEYZANTA .-.ATO.®.,. ..„ETPAMMATEYEN.. „ MPYTANEIAZ,. IZTOKPATHE... NEZOAITHIMONEI .. AK2QZIMP.E., .„ZAIEINAZTY.. MATEYZANTA... THZBOYAHZ HIBOYAHIEINAI Zu pag. 198. -„EAOZENTRIAHMRI.. .„EZTATRIKPA.,.. ANKAITOYZMITAYTOYEIZ TOYZEIZTONAHMONTRNAOHNAIRN HNTP2THNEKKAHZIANKA ANKAIXPH N2SMHNAEEYMBAAAEZOAI TENEZOAI TONAHMONOTIAOKEITHI ENIT ANAPONIKOZOOETTAANAO B. 5 10 15 20 25 30 ..„AOYIEPOMNHMONOZ DTAPATOYZNOMOYZTQ2NA = TR2NAMSIKTYONADN TOYZAEA®RNEIZHTATE EENITHNNOAIN AZTYKPATOZKAITQ2NMETA AETAYTOY AAEYZAIAZTYKPATHNKAI NKAI TON KAITAZOYZ AZAbEINETOC AETOO.. AEAOXOAITR2IAHMRSITAZMEN .„zZAEN. ATAAZTYKPATOZKAITR2NMET QN ETAY.OYK. IHMENAZENAM®IKTYOZINA zYNTEAEZEI EIAETIZTIAITIATAIAZT AZTYKPO.THZHN ZMETAYTOYAAIKEINAEN E.$2NTHNANT. IINTHZMONERZTHEAE NEA®RQNAEABOYN. IPN/ Ir TAZKAIAY NOOOIZKAI NAIT De EANIEZTe GE, nMmA ArTEIl PT2KOI TAIMAPA ONKANEZAI YTOETIZENIA PION KPATINOZEIPTENı IBOYAHIMTEPIAQNAZ ETEIEINAIAEAZTYKP IEKTONOYZAYTOKAIEINA HZTINOZ.NATOTPAYHTAIı.|! ®PATPIAZEMIMEAEIZOAI..AYTO HMBOYAHNTHNAIEIBO.AE.OYZANEAN AEHTAIEINAIAEAYTQ2IKA...EN\NEIANOI KONTIAOHNHZITHNAEYH®ONAONAITMEP. AYTOYTOZTPYTANEIZTOZ....THNAKAN ANTIAATPYTAN.ı ONTAZENTH..PR2THIE KKAHZIAIEINAIAEKAITOI.M..AAZTYK PATOZEKTETT2KOZI. ZOTENEIANKAPOAT EPAOHNAIOIZAPXEAAMR2I.PI..OZENDI AAMOTIMR2INIKA..PR2.TAT?O.AEIAPXE ANAIMENS2NIEXE...PATEIH...APXRIEN TINIKR2I.OAEYH®I ZMATOA.A.ATPA..|I TONFTPAMMATEATHZBOYAH.EN.THAH.,.|! OINHI.AIZTHZAI.NAKPOTON..EIZ..T HNANAFPA®HNTHZZTHN...ONAITONTA. IANTOAHMOAAAPAXMAZEK.NRN..TAYHOI ZMATAANAAIZKOMENSNT..AHMRS2IKANEEZ AIAEAZT.KPATHK..... M.TAAZTYKPAT OZEMIZENIAEZTOMPYTANEONEZAYPION re | ae: EN! armosxarosıa ;: ‚oasarra2r0A1 A2,LOTAITZON 10.0: » Rt 14 a BRANnR(o>0dnananıyo BOT zıavorrarımnsrortan EKTaHnA NK ATSHANNSEnMHTragN SB3HaT :° VKÖIBANKENTEITaHHMAHE 2 as "HR 320%» RE 2 Eh A RT | Eee Pant sortaieWanden" | Bull denantätsars et [2 A - x - A RE ERINTERBERTIN | Ana vom 9. April 1866. ıS) ee ee ee ee ov. zadtoaı [88 "Arruzgaryv zar eg ner a]- 35 urf Zm Ein [eis 70 mouraveiov zig au ]- grov. Koariwos eimev [ra ev aA #0. Iomreg #7]- ı Bovan eg wu "Ao[rusgarns... ch] > eyer Eivaı ÖE "Aoruzo[armv "AIyvaiov za]- 40 ı Exyovous aurd, zur ewalıe aürov durgs], yorıvos [&]» amoyganlyraı, [re]: [d4nov zer] boargias. Errıneisio Ic [88] airo[ü zer 7]- a Bovayv ryv aieı Bolv]ae[v]ovsev, Eav [72] deyraı. eiwaı de alrW ze: arjersıav oi- 45 zBvrı ’ASyunoı. vyv 2 LAbov Odvaı meo[:] auroo Täs meuraveıs Tös [nera] 77V ’Aran- avrıda mevrav[ev ]ovras &v Falı wjewrn &- AuiySig. Ewa de za rols] uler]e "Arrıx- arzs ErmenTWwaoTı [sera zaSar- 50 9 ’ASyvaroıs, [Alexsdauw, V’Ale[or]o&evw, Ale Juoruw, Nıza[ yo Jew[:]; Hergo[z]2e, "Aoxe- ?q, Mevwni, "Exel. - #]eareı, H[. . ‚Jeexw; ’Er- zwizw. [r]o de Yupısue roöle] a[v]eyge[Y a]: Fov YORJMACFER 775 Bovrz[s] ev [e]rrrfe 2]- 55 Sin [#]Jeı orioc [ev argomor[er]. eis [82] +- yv avaygaprv rrs orm|ns Ö]jeva rov rala]- iav 73 Oyus AA Öpaynas 2x [rev [z«]r« Yrpı- CHAT KVaAıTzonEVWV +[@] Öyau. HAarES- au ÖE a: »[ei z&s] »le]r« Aare 60 25 mi Eivin eis TO mouraveiov eis ug. Im Einzelnen ist hierzu nur wenig zu bemerken. Z. 1 steht der Name des Archon, den bereits Rangab& richtig ergänzt hat, jetzt fest durch das Protokoll der Urkunde ’Egsu. &9x. 4046, welches Nikostratos als den Schreiber vom Jahre des Archon Charikleides, nicht Phrasikleides, erkennen läfst. Z. 7 ist der Name des Antragstellers vielleicht in Kpa[riwos] zu ergänzen (vgl. z. 37) und anzunehmen, dafs der Verfasser des Probuleuma später in der Volksversammlung selbst seinen vom Rathe adop- tirten Antrag ergänzte und amendirte. Doch bleibt auch Ke«- [rvAos] möglich. Z. 18 beruht das ENITHNMOAIN der älteren 200 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Abschrift von Pittakis in seinem letzten Theile ohne Zweifel auf einer unstatthaften Ergänzung, während die erste Hälfte wirklich auf dem Stein gelesen sein mag. Was ich gesetzt habe, ist nicht sicher, aber dem Sinn entsprechend. Z. 21 vermag ich nicht auszufüllen. Rangabe’s Sewgovvrwv stützt sich lediglich auf das © der Abschrift von Pittakis, im Übrigen auf eine gänz- lich irrthümliche Auffassung des Sachverhaltes, wonach Asty- krates Führer einer attischen Theorie nach Delphi gewesen sein soll, während doch er sowohl, als seine Genossen sicher geborne Delpher waren, wie schon früher zu vermuthen stand, und jetzt aus den Angaben des hinzugefundenen Theils der Urkunde mit Evidenz erhellt. Z. 26 ff. sind die Ergänzungen durchaus unsicher. Z. 46ff. Der vorliegende Beschlufs ist laut Z. 2.5 am 30 Tage der Prytanie der Akamantis gefalst worden, also gegen das Ende derselben, wo eine ordentliche Volksversammlung in derselben nicht mehr in Aussicht stand. Es wird daher die durch das Gesetz vorgeschriebene zweite besonders förmliche Abstimmung über dem Antrag, dem Astykrates das Bürgerrecht zu verleihen, auf die Tagesordnung der ersten Volksversammlung in der un- mittelbar folgenden Prytanie gesetzt. Da diese nicht nach dem Stamm, sondern unbestimmt als die auf die der Akamantis fol- gende bezeichnet wird, so muls angenommen werden, dafs we- nigstens in diesem Jahre die Verlosung der Prytanien unter die Stämme nicht zu Anfang des Jahres für die ganze Dauer des- selben im Voraus Statt gefunden hatte, sondern der Stamm, der die folgende Prytanie haben sollte, jedes Mal erst gegen das Ende der vorhergehenden aus der Zahl der noch nicht an der Reihe gewesenen durch das Loos bestimmt worden ist. Jeden- falls war am 30 Tage der zweiten Prytanie der Stamm, dem die dritte zukam, noch nicht bekannt. Z. 52 hat es mir nicht gelingen wollen, die beiden verstümmelten Eigennamen sicher zu ergänzen. Was mich veranlafst die Aufmerksamkeit von Neuem auf das nun besser verständliche Psephisma zu lenken, ist der Umstand, dafs das Ereignis, auf welches es sich bezieht, wie die Stellung, die es demselben gegenüber einnimmt, mir vor- züglich geeignet scheint, zur Ilustration der damaligen politischen Lage des nördlichen Griechenlands beizutragen, wie es seiner- vom 9. April 1866. 201 seits durch das, was uns von der letzteren bekannt ist, seine Erläuterung erhält. Es ist nach den Praescripten zu schliefsen verfafst im Anfange des Boedromion des Jahres Ol. 104,2 unter dem Archon Charikleides, also kurz vor dem letzten Zuge des Epaminondas nach der Peloponnes, 9 Monate vor der Schlacht bei Mantinea, welche gegen die Mitte des Skirophorion eben dieses Jahres geliefert worden ist und in der die Athener an der Seite der Spartaner gegen Theben fochten. Damals war nach der Zerstörung von Orchomenos, der Wegnahme von Oropos und der Demüthigung Alexanders von Pherae der Einflufs The- bens im nördlichen Griechenland scheinbar fest gegründet; die böotischen Städte, die Phokier, Lokrer, Euböer, Aenianen, Ma- lier, die befreiten thessalischen Gemeinden und selbst Alexander von Pherae fügten sich seiner Hegemonie und es dominirte in dieser Stellung im Amphiktyonenrathe zu Delphi. Der Gedanke das Ansehn des letzteren für politische Zwecke zu nutzen lag nahe und ist in den Mafsregeln, welche etwas später den pho- kischen oder heiligen Krieg heraufbeschworen, nicht zum ersten Male praktisch geworden, wie unter anderen der vorliegende Fall beweisen kann. In Phokis regte sich schon damals Oppo- 'sition gegen die Thebanische Herrschaft, wie aus dem Umstande zu ersehen ist, dafs gleich darauf die Phokier, gestützt auf den Wortlaut des Bundesvertrages, dem Epaminondas die Heeres- folge auf seinem letzten Zuge weigerten (Xenophon Hell. Gesch. 7, 5. 4), wobei sie sich ohne Zweifel auf den Rückhalt ver- liefsen, den ihnen das mit Theben verfeindete und mit Sparta verbündete Athen gewähren sollte, ähnlich wie später in den Zeiten des heiligen Krieges. Der Astykrates unseres Dekretes nun und seine Genossen, welche der ganzen Sachlage nach wie nach Ausweis der dorischen Namenformen als geborne Delpher zu betrachten sind, dürften die Häupter oder besonders hervorragende Mitglieder derjenigen Partei in Phokis gewesen sein, welche im Vertrauen auf athenische Hilfe dem thebanischen Einflusse Opposition machte und deren Wirksamkeit man da- durch zu lähmen suchte, dafs man die Gefährlichsten ihrer Mit- glieder durch einen Spruch des Amphiktyonenrathes beseitigte: es ist bezeichnend, dafs als &is@ywysvs des Processes und Praesi- dent der Hieromnemonen bei dieser Gelegenheit gerade der Ver- 202 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse treter der mit Theben damals eng verbündeten und den Phokiern von jeher feindlich gesinnten Thessaler fungirt. Woher man den Anlafs zu dem Processe nahm und worauf die Klage lautete, ist nicht ersichtlich. Die Vertriebenen begaben sich nach Athen, welches an dem Spruche auf keinen Fall sich betheiligt hatte, vielmehr überhaupt während dieser Zeit sich grundsätzlich der Betheiligung an den Berathungen und Beschlüssen der Amphik- tyonen enthalten haben dürfte, führten Klage zunächst beim Rathe und baten um Schutz und Abhülfe ihrer Beschwerden. Der Rath schlug der Volksversammlung vor sich der Verbann- ten anzunehmen, den Spruch der Amphiktyonen als den Statu- ten des Bundes ebensowohl als dem in Delphi geltenden Rechte zuwiderlaufend für null und nichtig zu erklären und eine Re- vision des Processes zu verlangen oder zu veranlassen. Die Einzelheiten des Vorschlages, den der Rath in dieser Richtung machte, sind durch die Lücke, welche der Bruch der Platte in der Mitte hervorgebracht hat, verloren gegangen und durch keine Erwägungen irgend welcher Art mit Sicherheit wiederzugewinnen. Wenn indessen der Rath schliefslich dem Volke anrieth, die Beschwerdeführenden durch eine Einladung in das Prytaneum auszuzeichnen, was einem Präjudiz ziemlich gleichkam, so ist damit angedeutet, dafs es von vornherein nicht in der Absicht lag, eine ganz unparteiische Stellung zu der Sache und den Personen einzunehmen. Die Volksversammlung genehmigte nicht nur die Vorschläge des Rathes, sondern fügte der von diesem beantragten Auszeichnung noch andere hinzu, welche deutlich beweisen, wie sehr man von der Überzeugung durchdrungen war, dals Astykrates und Genossen im athenischen Interesse gehandelt und auf die Dankbarkeit des Staates Anspruch hätten und dafs der auf sie geführte Schlag mittelbar zugleich auf Athen geführt worden sei, daneben aber auch, wie wenig man sich verhehlte, dafs das Einschreiten Athens die Restitution der Verurtheilten schwerlich erwirken werde. Über den Verlauf, den die Angelegenheit weiter genommen, läfst sich natürlich nicht einmal eine Vermuthung aufstellen. Gesammtsitzung vom 12. April 1866. 203 12. Aprl. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Mommsen legte die ersten zehn Bücher seiner Pandektenausgabe vor und erörterte die dabei be- folgten kritischen Grundsätze. Hr. Pinder gab Mittheilungen über den beim Aache- ner Münster aufgefundenen angeblich das Grab Karls des Grofsen bezeichnenden Inschriftstein. Derselbe sprach über die von dem Professor Dr. Schneider in Düsseldorf begonnene Ausarbeitung einer antiquarischen Specialkarte derjenigen Theile der Rheinprovinz, in welchen sich Reste des römi- schen Alterthums vorfinden. Vorgelegt ward eine briefliche Mittheilung des auswärtigen Mitgliedes der Akademie Hrn. von Baer in Petersburg über ein in der Nähe der Tasowschen Bucht gefundenes Mammuth. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Bulletin de ’academie imperiale de medecine. Tome 30. Paris 1865. 8. Memoires de lacademie imperiale de medecine. Tome 27, partie 1. Paris 1865. 4. Bulletin de la societe de geographie. Tome 11, cahier 1—3. Paris‘ 1866. 4. Journal of the Bombay branch of the Royal Asiatie Society. Vol. VII, no. 22. Bombay 1865. 8. Journal of the Chemical Society. London, Oct. — Dez. 1865. 8. Quarterly Journal of the Geological Society. no. 85. London 1866. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. 10, no. 2. London 1866. 8. Bulletino, Annali e Monumenti dell’ Istituto di corrispondenza archeolo gica. Roma 1865. 8. et folio. Bulletin de la societe imperiale des naturalistes de Moscou. no. 4. Moscou 1865. 8. Bulletin de la societe des sciences naturelles de Neuchdätel. Tome VII, 1 Neuchätel 1865. 8. Atti dell’ Accademia de’ Nuovi Lincei. Vol. XVIII. Roma 1865. 4. [1866.] 15 204 Gesammtsitzung Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preufsischen Rheinlande. Jahrgang 22. Bonn 1865. 8. Abhandlungen der Senckenberg’schen Nalurforschenden Gesellschaft. 5. Band, Heft 3. 4. Frankfurt 1865. 4.. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 20. Band, Heft 1. Leipzig 1866. 8. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. 4. Band, no. 2. 3. Leip- zig 1866. 8. Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 15, Heft 3—6. Zürich 1864-— 1866. 8. Annalen der Landwirthschaft in den Preufsischen Staaten. Berlin, Jahrg. 1866. 4. u. 8. v.Salviati, Roeder und Eichhorn, Die Abfuhr und Verwerthung der Dungstoffe. Berlin 1865. 4. Perels, Die Fortschritte auf dem Gebiete des landwirthschaftlichen Ma- schinenwesens. Berlin 1865. 4 Mit Begleitschreiben des Hrn. Mi- nisters der landwirthschaftlichen Angelegenheiten vom 26. März 1866. Fournie, Physiologie de la voix et de la parole. Paris 1866. 8. Mit Begleitschreiben des vorgeordneten Ministeriums vom 17. März 1866. Sammter, Das Minutolische Institut. 2. Theil. Liegnitz 1866. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d. Liegnitz 19. März 1866. Das Model eines athenischen Fünfreihenschiffs Pentere im Kgl. Museum in Berlin. Berlin 1866. folio. H. de Charency, La langue basque et les idiomes de l’Oural. Cahier 2. Mortagne 1866. 8. Bruhns, Zesultate aus meteorologischen Beobachtungen. 1. Jahrgang. Leipzig 1866. 4. Fernandez-Guerra y Orbe, Munda Pompeyana. Madrid 1866. 8. Woticia di un precioso codice de la biblioteca Colombina. Madrid 1864. 8. El Fuero de Aviles. Discurso. Madrid 1865. 8. H. Abich, Zinleitende Grundzüge der Geologie der Halbinseln Kertsch und Taman. Petersburg 1865. 4. Dublin International Exhibition, 1865. (Kingdom of Italy.) Turin 1865. 8. Volpicelli, Zicerche analitiche sul bifilare. 1865. Roma. 4. Comte L. Hugo, Interpretation de l’inseription d’4lise. Paris 1866. 8. Programm des Gymnasiums zu Giessen. Giessen 1866. 4. vom 19. April 1866. 205 19. April. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Homeyer las über die Formel “der Minne und des Rechtes eines Andern mächtig sein” in den Ur- kunden des Mittelalters. Hr. Braun leste vor: Neue Untersuchungen über Uredineen von A. de Bary. Vor einem Jahre sind der Akademie eine Reihe von Un- tersuchungen über Uredineen vorgelegt worden, durch welche 3 besonders für eine Species dieser Familie, Puccinia graminis, die Heteröcie, d. i. der mit dem Generationswechsel nothwendig verbundene Wechsel des Wirthes, nachgewiesen und die gleiche Erscheinung für andre Arten wahrscheinlich gemacht wurde. Fortgesetzte Beobachtungen haben die damals mitgetheilten Re- sultate vervollständigt und erweitert. Es möge daher erlaubt sein, über dieselben hier einen Bericht zu geben, der sich an die frühere ausführliche Mittheilung unmittelbar anschliefst und daher kurz gefafst sein kann. Für die Puceinia graminis haben die mitgetheilten Cultur- versuche gezeigt, dafs ihre Uredo- und Teleutosporen ausschliefs- lich auf Gramineen entwickelt werden, dafs sie sich durch die Uredosporen in stets gleicher Form auf Gramineen fortpflanzt, dafs aber die Keimschläuche der Sporidien, welche aus .den überwinterten Teleutosporen erzeugt werden, nur in die Blätter der Berberitze, Berberis vulgaris, eindringen, um sich hier zu dem Mycelium zu entwickeln, welches das in den Entwicklungsgang dieser Species gehörende Aeeidium bildet. Dafs die Keimschläuche der Aecidiumsporen wiederum in die grünen Theile von Gräsern eintreten, um sich hier zu dem Uredo- und Teleutosporen bil- denden Pilz zu entwickeln, wurde durch im Grolsen gemachte Erfahrungen und durch die Vergleichung vollständig bekannter autöcischer Puceinien mehr als wahrscheinlich gemacht. Der direete und durch mikroskopische Untersuchung vervollständigte Nachweis hiervon konnte aber, wegen Keimungsunfähigkeit der angewendeten Aecidiumsporen, nicht geliefert werden. Im ver- flossenen Jahre gelang es, diese Lücke vollkommen auszufüllen. Am 8. Mai wurden frische reife Sporen des Berberis-Aecidiums auf feuchtgehaltene Objectträger und auf die Blätter von 8 Keim- 15 * 206 Gesammtsitzung pflanzen des Roggens ausgesät, die Aussaaten nach der in mei- nen früheren Arbeiten beschriebenen Methode behandelt. Die Roggenpflänzchen hatten das erste Laubblatt entfaltet und die Spitze des zweiten begann eben aus der Scheide dieses hervor- zutreten. Die Aecidiumsporen wurden auf das erste Blatt ge- sät und von dem zweiten absichtlich nicht fern gehalten. Am 9. Mai keimten die Sporen reichlich, sowohl auf den Objectträgern, als auf den Blättern, in der früher beschriebenen Weise. Auf abgeschnittenen Epidermisstückchen fanden sich am 9. und 10. viele Keimschläuche mit ihrer etwas angeschwollenen Spitze den Spaltöffnungen theils aufsen aufgeprefst, theils deutlich in die Spaltöffnungen eingetreten; der hintere Theil der Keimschläuche sammt der Sporenmembran war leer und im Absterben begriffen — Erscheinungen, welche den bei der Keimung der Sporen anderer Aecidien früher beobachteten völlig gleich sind. Am 14. Mai er- schienen auf den besäten Blättern gelbliche Fleckchen, am 16. be- gann auf einem Blatte die rothgelbe Uredo aus der Oberhaut her- vorzubrechen. Am 19. Mai hatten vier von den Versuchspflanzen reichliche Uredo auf dem ersten und einzelne Uredohäufchen auf der Spitze des mittlerweile entfalteten zweiten Laubblattes; die vier andern nur auf dem ersten. Das dritte, jetzt gleichfalls entfaltete Laubblatt war und blieb bei allen 8 Exemplaren pilzfrei. Sämmt- liche in der Cultur erhaltene Uredo hatten die früher beschriebenen für Puec. graminis charakteristischen Eigenschaften; aus ihren Sporen erwuchsen nach Aussaat auf andre gesunde Roggenblätter neue Uredolager gleicher Beschaffenheit. Die mit Aecidiumspo- ren besäten Blätter welkten Ende Mai und waren bis zum 1. Juni vertrocknet, ohne dafs in ihren Uredolagern Teleutosporen gebildet wurden. In meiner früheren Arbeit habe ich die Frage zum Theil offen gelassen, ob das Aecidium der Pucein. graminis sich nicht auch auf anderen einheimischen Dicotylen als auf der Berberitze aus eingedrungenen Sporidienkeimen entwickeln könne. Diese Frage kann gegenwärtig bestimmt verneint werden. Wenigstens hat sich gezeigt, dafs ein Eindringen der Sporidienkeime in die Epidermis der unten zu nennenden Pflanzen, welche zunächst in Betracht kommen könnten, nicht stattfindet, und dafs jeden- falls zwei der auf diesen vorkommenden Aecidien dem Entwick- vom 19. April 1866. 207 lungskreise anderer Puccinien als der P. graminis angehören. Von verschiedenen Berberis-Formen, welche ich in dieser Be- ziehung; untersuchen konnte, tragen die in hiesigem botanischen Garten unter dem Namen B. ilicifolia, B. canadensis und B. nepalensis eultivirten das Aecidium der P. graminis, und die Spo- ridienkeime letzterer dringen durch ihre Blattoberhaut. Die beiden erstgenannten dieser Formen kann ich aber von BD. vulgaris nicht unterscheiden, die dritte steht dieser jedenfalls nahe genug, um für eine Varietät gelten zu können'). Eine vierte Form des hiesigen Gartens, B. chinensis, liefs dagegen weder ein Ein- dringen der Sporidienkeime, noch im Freien ausgebildetes Aeci- dium beobachten, obgleich sie dicht neben der Aecidiumtragen- den und ihr ähnlichen „B. nepalensis’’ steht, und obgleich ich reichliche keimende Teleutosporen auf den Strauch brachte. Nachdem die Heteröcie der Puccinia graminis festgestellt war, hatte ich schon in meiner früheren Abhandlung wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs noch andere Uredineen bei gleichem Entwickelungsgang einen ähnlichen gesetzmälsigen Wechsel des Wirthes durchmachen. Am nächsten lag eine solche Annahme für die andern auf Gräsern vorkommenden Puccinia-Arten, denn diese zeigen sämmtlich, abgesehen von den Speciesunterschieden, auf dem Grase selbst das gleiche Verhalten wie P. graminis, eine Aecidiumform ist aber nie auf einer Graminee beobachtet worden. Auf der andern Seite kennt man eine ganze Reihe typischer Aecidien ohne zugehörige Uredo- und Teleutosporen. Von genannter Annahme und,den für P. graminis gewonnenen sicheren Resultaten ausgehend, suchte ich zunächst den voll- ständigen Entwicklungsgang, beziehungsweise die Heteröcie, nachzuweisen für P. straminis Fuckel, einen Parasiten, welcher dem Getreidebau kaum weniger verderblich ist als P. graminis. Die Beschreibung der Teleutosporen und Uredosporen jener Species wurde schon in meiner früheren Arbeit gegeben, und es ist hier nur das Eine noch hinzuzufügen, dafs die Zahl der Keimporen an den Uredosporen nicht immer 6, sondern oft 8 *) Ich rede hier nur von den Namen und Formen des hiesigen Gartens. Eine sichere Bestimmung letzterer ist mir mit den zu Gebote stehenden Hülfsmitteln nicht möglich. 208 Gesammtsitzung beträgt. Die Keimung der überwinterten Teleutosporen ist der von P. graminis gleich; den Inhalt dieser Zellen, sowie den des Promyceliums und der Sporidien fand ich immer ungefärbt. In die Blätter von Gramineen dringen die Sporidien-Keimschläuche nicht ein. Nach den Erfahrungen an P. graminis war daher anzunehmen , dals sie in eine dicotyle Pflanze eindringen und sich in dieser zum Aecidium-bildenden Mycelium entwickeln. Welche Species dies sei, dafür lag keine Erfahrung oder vor- gefalste Meinung als Hinweis vor; doch war auch auf der an- dern Seite ein planloses Rathen und Probiren ausgeschlossen durch die Erwägung, dafs vor allen solche Arten in Frage zu ziehen seien, auf denen, ein Aecidium ohne Teleutosporen und Uredo häufig vorkommt, und welche in der Nähe der die P. straminis tragenden Gräser zu wachsen pflegen. Solche sind Berberis, Rhamnus Frangula und cathartica (Aecid. Rhamni P.) Urtica dioica (Aecid. Urticae Sch.) Taraxacum officinale (Aeeid. Taraxaci), Ranunculus acris, bulbosus (Aecid. Ranunculacearum), Anchusa offieinalis (Aecid. Asperifolii P.). Auf abgeschnittene frische, jugendliche, aber entfaltete Blätter dieser Pflanzen wur- den daher gleichzeitig Sporidien der P. straminis ausgesät, die Aussaaten nach der früher beschriebenen Methode behandelt und untersucht. Ein Eindringen der Sporidienkeime wurde auf keiner dieser Pflanzen beobachtet aufser der Anchusa. Hier fanden sich 48 Stunden nach der Aussaat zahlreiche Keim- schläuche ins Innere der Oberhautzellen gedrungen, genau in derselben Weise, wie es für die gleichnamigen Organe anderer Puceinien festgestellt ist. Am 8. Tage nach der Aussaat erschie- nen an den besäten Stellen helle, weifsliche Fleckchen und in dem Parenchym war reichverzweigtes Uredineenmycelium, am 13. Tage waren schönentwickelte Aecidiumspermogonien vor- handen. Weiter ging die Entwicklung auf den abgeschnittenen (unter Glasglocke feucht gehaltenen) Blättern nicht, wegen des Faulens dieser. Gleichzeitig mit obigen Aussaatversuchen und später säete ich Sporidien der P. straminis auf die Cotyledonen von 4 in einem Blumentopf erzogenen Pflänzchen der Lycopsis arvensis. . Auch hier erfolgte sofort Eindringen der Keime, und zwar ist dieses an den grolsen durchsitigen Oberhautzellen in Rede stehender Cotyledonen deutlicher und schöner zu beobach- vom 19. April 1866. 209 ten, als in allen andern mir bekannten Fällen. An einem Prä- parat liefs sich selbst der Vorgang des Eindringens unter dem Mikroskop eine Strecke weit verfolgen: als dasselbe zuerst zur Beobachtung kam, hatten die kurzen Keimschläuche zweier Spo- ridien die Aufsenwand der Epidermiszellen eben durchbohrt, ihre Enden waren als kleine, dem übrigen Keimschlauch ohngefähr gleichbreite Körper im Innern der Zellen sichtbar, die Sporidien selbst noch gröfstentheils von ihrem feinkörnigen Protoplasma- inhalt erfüllt. Das eingedrungene Ende dehnte sich nun all- mählich zu einer kugeligen Blase aus, deren Durchmesser den ursprünglichen zuletzt ums dreifache übertraf, und in welche das Protoplasma der Sporidie in dem Maalse, als der Umfang zunahm, hineinwanderte. Dieses Wachsthum dauerte, im Wasser unter Deckglas, etwa 2 Stunden, dann trat Stillstand ein. Im Innern der besäten Stellen der Cotyledonen entwickelte sich nun sofort ein Mycelium; sein Auftreten wurde durch helle, angeschwollene Flecke angezeigt, auf welchen alsbald zahlreiche Spermogonien und nachher die Anlagen der Sporenbehälter des Aecidium’s erschienen. Letztere reiften und öffneten sich an zwei der Culturpflänzchen, und zwar am 17. Tage nach der Aussaat. Die beiden anderen Pflänzchen starben vor der Spo- renreife ab, offenbar in Folge der überreichen Entwicklung des Parasiten. An allen vieren blieb das Aecidium auf die besäten Stellen beschränkt, die Laubblätter frei von Pilzentwicklung. Vier in demselben Topfe stehende Keimpflanzen von Lycopsis, welche keine Sporidien erhalten hatten, wuchsen zu kräftigen, pilzfreien fruchttragenden Stöcken heran. Das aus der Cultur auf Lycopsis erwachsene Aecidium zeigte alle Eigenschaften des allbekannten Aecid. Asperifolü. Seine glatt- häutigen und mit 4 zart umschriebenen Keimporen versehenen orangerothen Sporen treiben gleich denen anderer Arten auf hin- reichend feuchtem Substrat lange ästige Keimschläuche, welche in die Spaltöffnungen phanerogamer Pflanzen eintreten. Nach- dem die Sporen der Culturexemplare auf den Blättern junger, im Topfe erzogener Roggenpflanzen zur Keimung gebracht waren, begann hier alsbald Uredoentwicklung. Schon am 6. bis 8. Tage nach der Aussaat brachen reife Sporen aus der Oberhaut hervor. Die Entwicklung des Pilzes blieb auch hier auf die 210 Gesammtsitzung besäten Blätter beschränkt, und Controlexemplare, welche mit den inficirten im gleichen Topfe gezogen, aber nicht mit Sporen besät wurden, pilzfrei. Die Versuche wurden alle nach der früher beschriebenen Methode ausgeführt und brauchen daher nicht detaillirt beschrieben zu werden. Was die Uredo selbst betrifft, so zeigte diese überall die für P. straminis charakteristi- schen Eigenschaften; ihre Sporen keimten leicht und aus den Keimen erwuchs neues Uredo-tragendes Mycelium. Auf einem der mit Aecidium infieirten Roggenblätter traten, an der besäten Stelle, selbst die charakteristischen Teleutosporenlager der P. straminis auf; sie wurden Anfangs Juli bemerkt, am 8. Juli ge- nau untersucht, die Aussaat war am 18. Juni gemacht worden. Schliefslich wurden noch Sporen von Aeeid. Asperifolii, welches spontan im Freien auf Anchusa oficinalis gereift war, auf je 1 Blatt von 8 in Töpfen stehenden jungen Roggenpflänz- chen gesät. Die Aussaat geschah am 1. und 3. August, die Keimung wurde am folgenden Tage constatirt, am 9. und 11. August hatte die Uredo der Pucc. straminis an den besäten Stellen, und nur an diesen, die Epidermis durchbrochen. Zum Überflufs wurden auch Sporen der in Rede stehenden Uredo und des genannten Aecidium auf den Blättern von Lycop- sis-Keimpflanzen zur Keimung gebracht. Die Keime traten, wie bei frühern ähnlichen Versuchen, in die Spaltöffnungen ein, ohne sich weiterzuentwickeln, die inficirten Pflanzen blieben pilzfrei. Die mitgetheilten Untersuchungen beweisen, dafs P. stra- minis ein heteröcischer Parasit ist, dessen Entwicklungsgang dem der P. graminis genau entspricht. Er entwickelt seine Uredo- und Teleutosporen ausschliefslich auf Gräsern und pflanzt sich auf diesen durch die Uredo gleichförmig fort. Das aus den Sporidienkeimen erwachsende Aecidium, welches einen integri- renden Theil seines Formenkreises bildet, kommt dagegen nur in Borragineen zur Entwicklung, nur in diese dringen die Spo- ridienkeime ein. Während sich das Aecidium der P. graminis nur in ein einer heimischen Species, der Berberitze, entwickelt, kann das der P. straminis auf verschiedenen Arten und selbst Gat- tungen der Borragineen zur Ausbildung kommen: zunächst auf den beiden oben genannten; dasselbe Aecidium wie auf diesen ist aber auch auf Nonea violacea DC von mir, auf Echium vom 19. April 1866. 211 vulgare von Rabenhorst (Herb: myc. Ed. 2. No. 288) beobachtet worden, und es ist nicht zu bezweifeln, dafs auch dieses zu der P. straminis gehört. In sofern dieser Pilz zu den gefährlichen Feinden des Getreidebaues gehört, sind somit die bezeichneten Borragineen schädliche Unkräuter, da sie dem Parasiten zum Ausgangspunkte dienen. Die dritte Art grasbewohnender Puccinien, auf deren Bio- logie meine Untersuchungen bis jetzt ausgedehnt werden konnten, ist P. coronata Cord. Die Teleutosporen dieser Art keimen nach Überwinterung, wie die der Verwandten; ihr Inhaltund der des Pro- myceliums und der Sporidien ist blafs gelbroth gefärbt. Nach der mehrerwähnten Methode wurden im Mai1865 Sporidien auf frische abgeschnittene Blätter derselben Pflanzenarten gesät, welche oben bei den Versuchen mit P. straminis genannt wurden. Die Spo- ridienkeime drangen ein in die Epidermis von Rhamnus Fran- gula uno cathartica, zumal in noch nicht völlig erwachsene Blätter derselben; an keiner der übrigen Pflanzen wurde eine Spur von Eindringen beobachtet. Hiermit war im Grunde schon eine ziemlich bestimmte Antwort auf die gestellte Frage gewonnen, denn alle früheren Untersuchungen hatten ergeben, dafs bei den Puceinien mit überwinternden Teleutosporen die Sporidienkeime immer in die Species eindringen, in welcher sich das Aecidium entwickelt. Die abgeschnittenen besäten Rhamnusblätter began- nen bald zu faulen und es kam auf ihnen kein Anfang von Ae- eidium zur Entwicklung. Da mir keine Topfpflanzen von Rham- nus zu Gebote standen, so versuchte ich, das Aecidium der P. coronata im Freien aus den Sporidien zu erziehen. Keimende Teleutosporen wurden am 25. Mai auf die Oberseite von zwei halb entfalteten, unter der Gipfelknospe stehenden Blättern eines etwa fulshohen Adventivsprosses von Rh. Frangula gebracht, wel- cher Adventivsprols an einem im botanischen Garten stehenden sehr starken Bäumchen dicht über dem Boden hervortrat. An dem reich belaubten Bäumchen wurden nur 2 oder 3 bereits im Absterben befindliche Aecidiumräschen fern von dem besäten Sprols gefunden; auch in den beiden Vorjahren hatten sich an demselben nur Spuren des Rhamnus-Aecidiums gezeigt. Der besäte Sprofs wurde mit einer innen befeuchteten Glasglocke überdeckt, so jedoch, dafs zwischen Glocke und Boden ein offe- 212 Gesammtsitzung ner Raum blieb. Nach 36 Stunden wurde die Glocke entfernt. Am 4. Juni erschienen auf den besäten Stellen der mittlerweile völlig entfalteten besäten Blätter gelbe Fleckchen, an welchen in der Folge die Spermogonien und cylindrischen Sporenbehälter des Rhamnus-Aecidiums zur Entwicklung kamen. Gleichzeitig trat auf den beiden zunächst unter den besäten stehenden Blät- tern, auf welche nach der Anordnung des Versuchs leicht Spo- ridien hinabfallen konnten, je ein Aecidiumfleckehen auf. Bis zum 18. Juni, da er abgeschnitten wurde, hatte der besäte Sprofs 8 Blätter über den besäten entwickelt, welche, gleich allen an- dern des Bäumchens, nach Beginn des Versuchs von Aecidium frei blieben. Diese Versuche liefern, im. Anschlufs an die vollständigen mit anderen Arten angestellten, einen hinreichenden Nachweis der Heteröcie von Puce. coronata und der Beziehung ihrer gras- bewohnenden Zustände zu dem Aecidium unserer Rhamnus - Arten. Aussaaten von auf Rhamnus gereiften Aecidiumsporen, sowohl durch obige Cultur erhaltener als spontaner, auf Blätter von Triticum vulgare und Secale ergaben zwar immer reichliche Kei- mung, aber, zahlreicher Wiederholungen ungeachtet, niemals Ure- do-Entwicklung. Dieses Resultat steht in Übereinstimmung mit der Erfahrung, dafs P. coronata auf genannten zwei Getreidearten auch spontan nicht vorkommt'). Auch einige Aussaaten auf Avena sativa, auf welcher sich P. coronata öfters findet, ergaben keine Uredo-Entwicklung. Auf die von P. coronata im Freien vor- zugsweise bewohnten Gramineen, wie besonders Holcus, habe ich keine Aecidium- Aussaaten gemacht. Während der Entwicklungsgang, für sich allein betrachtet, bei den drei oben besprochenen Puccinien ganz der gleiche ist, ‚herrscht zwischen denselben eine erhebliche und für den Ge- *) Es liegen allerdings Angaben über das Vorkommen von P. coro- nata auf Secale vor, so Leveille, in Ann. Sc. nat. 3. Ser Tom. V (1846) p- 271; Kühn, Krankheiten d. Kulturgew. Allein diesen liegt jedenfalls zum grolsen Theil eine Verwechselung mit der erst neuerdings unterschiedenen P. straminis zum Grunde. Ich habe P. coronata auf Weizen und Roggen nie gesehen, obgleich mir ein grolses Untersuchungsmaterial zu Gebote stand. Nach Corda’s ursprünglicher Angabe käme übrigens ?. coronata auf Zuzula vor, nicht auf Gramineen, auf denen sie alle Späteren fanden. vom 19. April 1866. 213 treidebau nicht unwichtige Verschiedenheit hinsichtlich der Zeit, in welcher die Entwicklungsglieder auftreten. P. graminis ist, wie ich in früheren Abhandlungen ausführlicher angab'), in jeder Beziehung streng an bestimmte Jahreszeiten gebunden. Ihr Aecidium erscheint im Frühjahr und bald nach der Blüthezeit der Berberis treten keine neuen Lager mehr auf. Die Entwick- lung und Vermehrung der Uredo und Teleutosporenlager dauert den Sommer über und endigt im Spätjahr, das grasbewohnende Mycelium überdauert den Winter nicht lebend, die nächstjährige Entwicklung beginnt daher mit der Keimung der Teleutosporen allein. Auch von dem Berberis bewohnenden Mycelium konnte ich ein Perenniren nicht nachweisen, wenngleich einige Beobach- tungen ein solches vermuthen lassen. P. coronata entwickelt ihre Aecidien ebenfalls nur im Frühjahr; ob ihr Rhamnus- und gras- bewohnendes Mycelium den Winter lebend überdauert (in Rham- nus also im strengen Sinne des Worts perennirt), habe ich nicht untersucht. P. straminis dagegen ist an keine Jahreszeit gebun- den, aufser insofern die Teleutosporen erst nach Überwinterung keimen. Ihr grasbewohnendes Mycelium bleibt den Winter über lebend in den überwinternden grünen Blättern der Gräser, um mit den ersten Frühlingstagen neue keimfähige Uredo zu bilden, oder schon während des Winters selbst, wenn man das Gras ins Treibhaus oder ins Zimmer bringt. Von ihrem Aecidium kann man während der ganzen nicht kalten Jahreszeit, vom Frühling bis zum Spätherbst, alle Entwicklungsstufen finden, ja selbst im Januar des verflossenen warmen Winters fand ich einzelne jugend- liche Exemplare auf Blättern der Anchusa officinalis. Eine Erklä- rung für diese Erscheinungen und Verschiedenheiten ist, soweit sie sich auf die verschiedene Dauer des Myceliums beziehen, zur Zeit ebensowenig möglich, wie für die Einjährigkeit oder Mehrjährig- keit anderer Pflanzen. Das Erscheinen der Aecidien von P. graminis und P. coronata im Frühling erklärt sich dagegen einfach: die Te- leutosporen keimen in feuchtem Frühlingswetter ungemein leicht und alle fast gleichzeitig, man findetzu Ende des Frühlings im Freien keine ungekeimten und keimfähigen mehr; aus den durch !) Monatsber. 1865 u. Annal. d. Landw. in den K. Preuls. Staaten Band 45. 214 Gesammtsitzung ihre Keimung gebildeten Sporidien entwickeln sich auf dem ge- eigneten Substrat rasch die Aecidien, diejenigen Sporidien aber, welche den günstigen Entwicklungsboden nicht finden, gehen je- denfalls in wenigen Tagen zu Grunde. Die Aecidien können im Freien somit nur im Frühjahr getroffen werden, soweit sie nicht vielleicht aus perennirendem Mycelium entstehen; und wenn das letztere überhaupt stattfindet, so lehrt die Erfahrung, dafs das perennirende Mycelium hier jedenfalls nur zu bestimmter Jahreszeit Fortpflanzungsorgane erzeugt, gleich fast allen anderen perennirenden Mycelien parasitischer Pilze. Wenn man keimfähige Teleutosporen dieser beiden Arten trocken aufbewahrt hat, so kann man aus ihnen den ganzen Sommer über Aecidien erziehen. Die Teleutosporen und Sporidien von P. straminis haben nun, für sich allein betrachtet, die gleichen Eigenschaften, wie die der P. graminis und coronata. Es begreift sich daher auf den ersten Blick schwer, warum das Aecidien der erstgenannten nicht auch nur im Früh- ling auftritt. In einer Verbreitung des Myceliums durch die ganze befallene Borragineenpflanze und einer fortdauernden Neubildung seiner Fortpflanzungsorgane in den neu austreibenden Blättern und Sprossen letzterer kann die Erscheinung nicht begründet sein, denn das Mycelium verbreitet sich nachweislich nicht weiter als in dem nächsten Umkreis der Aecidiumflecke. Vielmehr liegt der Grund in der Art des Vorkommens der Teleutosporen. Bei P. graminis stehen diese Organe auf der freien, aus der Epider- mis des Grases hervorgetretenen Oberfläche des Fruchtlagers; auch bei P. coronata sind sie nur lose von der zerrissenen Ober- haut bedeckt. Die Teleutosporen können daher, wenn die Be dingungen hierfür, nämlich hinreichende Feuchtigkeit und Wärme, gegeben sind, sofort und alle gleichzeitig keimen. Bei P. stra- minis sind dagegen die Teleutosporenlager auch zur Zeit der Reife von der unverletzten oder kaum gerissenen Epidermis be- deckt, und der Versuch lehrt, dafs sie nicht keimen, bevor diese Bedeckung von ihnen entfernt ist, auch wenn sonst günstige Keimungsbedingungen bestehen. Die Keimfähigkeit verbleibt ihnen dabei den ganzen Sommer über, gleichwie den trocken auf- bewahrten Teleutosporen der P. graminis, wenn sie auch gegen das Spätjahr hin allmählich abnimmt. An den vorjährigen todten Grashalmen mufs nun die Epidermis, welche reife Teleutosporen [at Harn A "N 5 Monats-Bericht. April 1866. de Bary ger. CF Schrei lich: vom 19. April 1866. 215 bedeckt, im Laufe des Sommers langsam verwittern, hier früher dort später, je nach der zufälligen Beschaffenheit der Umgebung. Es müssen daher zu den verschiedensten Zeiten Teleutosporen frei gelegt und hiermit in die Möglichkeit zu keimen gebracht werden. Hieraus folgt, dafs auch das mittelbare Product ihrer Keimung, das Aecidium, zu verschiedenen Zeiten auftreten muss. Erklärung der Figuren. Vergröfserung 390fach, in Fig. 5 etwas schwächer. Fig. 1. Puccinia graminis. Aecidiumspore keimend auf der Epidermis eines Roggenblattes, Spitze des Keimschlauchs in eine Spaltöffnung dringend. Aussaat am 8. Mai gemacht, Präparat am 10. Mai. Fig. 2—5. P. straminis. Fig. 2. Keimende Teleutospore. 5. abgefallene Sporidien. Fig. 3. Epidermisstück von der Oberseite eines Cotyledon der Lycopsis arvensis mit vier eindringenden Sporidienkeimen. Fig. 4. Die Zelle A von Fig. 3 mit den darauf liegenden Sporidien, 24 Stunden später als in Fig. 3. Fig. 5. Zwei Sporidienkeime, in die Oberhautzellen von der Blattunterfläche der Anchusa officinalis eingedrungen. Herr Pinder gab eine Mittheilung über die bei Co- blenz in der Mosel gefundenen Baureste, welche auf eine römische Brücke gedeutet werden. Herr Borchardt übergab die von Herrn Clebsch mit Unterstützung der Akademie besorgte Ausgabe der Vorlesungen Jacobi’ss über Dynamik und sprach über den Inhalt und die Einrichtung des Werkes. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Bibliotheca indica. Old series, no. 208 — 211. New Series, no. 65. 68 — 82. Calcutta 1864 — 1865. 8. Comptes rendus de l!’academie des sciences. Tome 62, no. 9—14. Paris 1866. 4. Bulletin de !academie de Belgique. Tome 21, no. 2.3. Bruxelles 1866. 8. Numismatic Chronicle. no. 4. London 1865. 8. Journal of the Royal Geological Society of Ireland. Vol. 1, 1. Dublin 1865. 8. 216 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Silliman’s American Journal of seience. no. 122. New Haven 1866, 8. Sitzungsberichte der Bayrischen Akademie. I, 1. München 1866. 8. Hedwigia. Band 4. Dresden 1865. 8. Jahrbuch der Geologischen Reichsanstalt. XVI, 1. Wien 1866. 8. Übersicht der Behörden etc. und Vorlesungen der Universität Wien. Wien 1866. 4. (3Ex ) Mit Begleitschreiben des Universitätskonsistoriums vom 1. April 1866. A. de Longperier, Quatre ertraits de la Revue archeologique. Paris 1865. 8. Quetelet, Sur l’etat de l!atmosphere a Bruxelles pendant 1865. (Bru- xelles 1866.) 8. Dudik, Mährens allgemeine Geschichte. Band 4. Brünn 1865. 8. G. L. von Maurer, Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland. Band 2. Erlangen 1866. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d. München 11. April 1866. 23. Aprl. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Kummer las über zwei merkwürdige Flächen vierten Grades und zeigte von ihm selbst angefer- tigte Gypsmodelle derselben vor. Wenn p, 9, r, s vier lineare Funktionen und & eine Funk- tion zweiten Grades der Coordinaten x, y, z bezeichnen, so ist (MS) gd?—ıarpgrs=o die Gleichung einer Fläche vierten Grades, für welche die vier Ebenen p=o, q9=0, r=o, s=o, singuläre Tangentialebenen sind, die diese Fläche in Kegelschnitten berühren. Wenn 7, 9, r, s vier von einander unabhängige lineare Funktionen sind, so bil- den diese vier Ebenen ein Tetraeder und jede der sechs Kan- ten dieses Tetraeders schneidet die Fläche zweiten Grades in zwei Punkten, welche Knotenpunkte der Fläche vierten Grades sind; dieselbe hat daher im Allgemeinen zwölf Knotenpunkte. Läfst man die Fläche $=o durch einen der vier Eck- punkte dieses Tetraeders hindurchgehen, so vereinigen sich drei dieser zwölf Knotenpunkte in einen, welcher ein uniplanarer Knotenpunkt wird, und wenn man die Fläche $=o durch alle vier Eckpunkte des Tetraeders hindurchgehen läfst, so vereini- gen sich viermal drei Knotenpunkte zu je einem uniplanaren vom 23. April 1866. 217 und man erhält eine Fläche vierten Grades mit vier uniplana- ren Knotenpunkten, deren Gleichung ist: (2) (agr+brp+epg+dps+egs+frs)’—4rpgrs=o Die Ebenen der uniplanaren Knotenpunkte sind zugleich Tangentialebenen der Fläche $# = 0; eine jede derselben schnei- det aus der Fläche vierten Grades eine Curve vierten Grades aus, welche in dem Knotenpunkte einen dreifachen Punkt hat. Die von einem jeden der vier Knotenpunkte ausgehenden einhüllenden Kegel sechsten Grades bestehen aus den drei durch diesen Knotenpunkt gehenden singulären Tangentialebenen und aus einem einhüllenden Kegel dritten Grades. Das Modell 1. zeigt diese Fläche, in welcher die Con- stanten so gewählt sind, dafs die Knotenpunkte real sind und dafs die Fläche möglichst symmetrisch wird und nicht in’s Un- endliche geht. Die vier singulären Tangentialebenen: p = z—k+taVı g=2z—k—ıVz r=—z—kr+yV2 s=—2—-k—yV2 bilden ein reguläres Tetraeder unddaoe=b=c=d=e=/=1 gewählt ist, so wird die Fläche P=o zu der dem regulären Tetraeder umschriebenen Kugel; die Constante A ist gleich + ge- nommen. Die Gleichung der durch das Modell dargestellten Fläche ist daher: 8) (@®+y’+2?—3k’)?’ —Z(@—k)’— ie’) (@+-K)’—2y?)= 0. Diese Fläche besteht aus sechs congruenten endlichen Theilen, deren jeder in zwei Spitzen ausläuft, je drei dieser zwölf Spitzen vereinigen sich in einem der vier uniplanaren Punkte. Das Modell bringt die einfachste und allgemeinste Art der unipla- naren Knotenpunkte zur Anschauung nämlich die der zweiten Ordnung in welchen die Ebene des uniplanaren Punktes aus . der Fläche eine Curve ausschneidet, die in diesem Punkte einen dreifachen Punkt hat. Wenn die drei durch diesen Punkt ge- henden Aeste der Curve alle real sind und in diesem Punkte drei verschiedene Tangenten haben, so hat ein $oleher unipla- narer Knotenpunkt stets die Eigenschaft, dafs in ihm drei ver- 218 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse schiedene Theile der Fläche sich vereinigen, ‘welche in der Nähe des Knotenpunktes nur diesen einen Punkt mit einander gemein haben. Einen interessanten besonderen Fall der Fläche (2.) erhält man, wenn man a=eb=c=d=e=/=1, und auh‘i=1 setzt, also (4.) (gr trp HpgHps + g5+ 75)? — Apgrs = 0. Diese Fläche hat aufser den vier uniplanaren Knotenpunkten noch drei gewöhnliche Knotenpunkte mit osculirenden Kegeln zweiten Grades und sie hat aufser den vier singulären Tangen- tialebenen noch sechs andere, also im Ganzen zehn singuläre Tangentialebenen. Sie kann auch als ein specieller Fall der allgemeinen Fläche vierten Grades mit 15 Knotenpunkten an- gesehen werden, nämlich als der Fall, wo von diesen 15 Kno- tenpunkten viermal drei sich zu vier üniplanaren Knotenpunkten vereinigen und drei als gewöhnliche Knotenpunkte bestehen bleiben. Die von den vier uniplanaren Knotenpunkten ausge- henden einhüllenden Kegel sechsten Grades bestehen hier jeder aus sechs der zehn singulären Tangentialebenen, während diese einhüllenden Kegel für jeden der drei gewöhnlichen Knoten- punkte aus vier singulären Tangentialebenen und einem ein- hüllenden Kegel zweiten Grades bestehen. Diese Fläche hat auch, wie ich an einem anderen Orte zeigen werde, die merk- würdige Eigenschaft, dafs das vollständige System aller ihrer zweifach berührenden Tangenten aus sechs getrennten Strahlen- systemen zweiter Ordnung und dritter Klasse besteht. Wenn die Fläche zweiten Grades p=o in der Gleichung (1.) eine der sechs Tetraederkanten berührt, so vereinigen sich "in diesem Berührungspunkte zwei Knotenpunkte der Fläche in einen und bilden so einen biplanaren Knotenpunkt. Läfst man die Fläche $ = o alle sechs Tetraederkanten berühren, so erhält man eine Fläche vierten Grades mit sechs biplanaren Punkten, welche durch die Gleichung 5.) (’+g’+r’+s’— 2g0r — ap - pg— ps —2g9s— rs)? —iApgrs=0 dargestellt wird. vom 23. April 1866. 219 Die sechs biplanaren Knotenpunkte dieser Fläche liegen so, dafs dreimal je vier in eine und dieselbe Ebene fallen, woraus unmittelbar folgt, dafs diese drei Ebenen, deren jede vier Kno- tenpunkte enthält, aus der Fläche vierten Grades Kegelschnitt- paare ausschneiden. Der von einem jeden der sechs Knotenpunkte ausgehende einhüllende Kegel sechsten Grades besteht aus den beiden durch denselben hindurchgehenden singulären Tangentialebenen und aus einem Kegel vierten Grades mit einer Doppelkante, in wel- cher dieser Kegel sich selbst berührt. Das Modell I. zeigt diese Fläche für den besonderen Fall, wo ebenfalls die vier singulären Tangentialebenen ein regel- mälsiges Tetraeder bilden und die Fläche 9=o die alle sechs Kanten desselben berührende Kugel ist. Die Gröfse A hat den besonderen Werth A=—; erhalten, für welchen die Fläche in einem endlichen Raume eingeschlossen ist und passende Ver- hältnisse ihrer Dimensionen erhält. Die Gleichung dieser be- stimmten Fläche ist: (6) @+y? +2? —k’)’+4le—h)’— 222) ((c+K)?—2y?) = o; sie besteht aus vier besonderen einander congruenten Theilen . deren jeder mit den drei anderen in drei biplanaren Knoten- punkten zusammenhängt. Das Modell bringt eine besondere Art der biplanaren Knotenpunkte zur Anschauung, nämlich die- jenigen, in welchen die beiden osceulirenden Ebenen real sind und eine beliebige durch die Durchschnittslinie derselben hin- durch gehende Ebene eine Curve ausschneidet, welche in diesem Punkte sich selbst berührt. Diese Knotenpunkte sind daher nicht als die einfachsten und allgemeinsten biplanaren Knoten- punkte anzusehen, weil bei diesen eine jede solche Ebene eine Curve ausschneidet, welche in dem Knotenpunkte eine Spitze hat, aber nicht einen Punkt der Selbstberührung. Die durch die Gleichung (5.) dargestellte allgemeine Fläche vierten Grades mit sechs biplanaren Knotenpunkten enthält als speciellen Fall auch die Steinersche Fläche, welche drei in einem und demselben Punkte sich schneidende Doppelgrade hat, nämlich für den besonderen Werth A=16. Für diesen Werth ist [1866.] 16 220 Gesammtsitzung vom 26. April 1866, (7.) (p’+g’+r’ +8’ —2gr -arp — pg— ps — 295 — rs)? — 6ipgra = 0, welche Gleichung in irrationaler Form durch (8.) Vp+Vg+Vr+Vs=o dargestellt werden kann, da diese rational gemacht genau mit der anderen übereinstimmt, und die allgemeine Gleichung der Steinerschen Fläche ist, wenn die vier singulären Tangential- ebenen derselben als die Ebenen p=o0, g=0, r=o, 3=o ge- wählt werden. Die sechs biplanaren Knotenpunkte der allge- meineren Fläche sind an der Steinerschen Fläche noch erkenn- dar vorhanden, sie liegen aber in den drei Doppelgraden und sind singuläre Punkte von uniplanarer Beschaffenheit geworden; es sind diejenigen sechs Punkte, in welchen diese drei Doppel- graden aufhören auf der Fläche selbst zu liegen und zu isolir- ten Linien werden. 26. April. Gesammtsitzung der Akademie. Hr, Petermann las über die armenische Über- setzung des eusebischen Kanons. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: 'Th. H. Martin, Notions des anciens sur les mardes et les euripes. Caen 1866. 8. Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 13. Band, Lfg. 4. Berlin 1865. 4. Revue archeologique. Paris, Avril 1866. 8. Annales de chimie et de physique. Paris Mars 1866. 8. Erster Jahresbericht des naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen. Bıe- men 1866. 8. NE A UG, 2, 1858 MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. Mai 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Kummer. 3. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Reichert las über die Saftströmung (Rota- tion,.Circulation) der Pflanzenzellen mitRücksicht auf die Contractilitätsfrage. Hr. Ehrenberg machte eine Mittheilung über den Be- richt des Capitäns des Schiffes Nymphe über San- torin. Derselbe sprach über Saamen aus den Pfahlbau- ten der Schweiz. Derselbe sprach über das Fozoon aus den ame- rikanischen Urgebirgen. Hr. Mommsen legte Bemerkungen des Hrn. Henzen vor über die Aufnahme der in den ältesten Syllogen (anonymus Einsiedlensis, Poggio, Signorili) ent- haltenen Inschriften in die späteren Sammlungen. Bereits im Jahre 1850 wurde in den Sitzungsberichten der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften p. 287 ff. von Mommsen wahrscheinlich gemacht, dafs die auf die Abschrift des s. g. anonymus Einsiedlensis zurückgehenden Inschrif- ten, welche sich in den epigraphischen Sammlungen des späten [1866.] 17 222 Gesammtsitzung Mittelalters wiederfinden, auf Poggio zurückzuführen seien, der bei seiner Durchforschung schweizerischer Klöster das uns erhaltene Bruchstück oder ein anderes Exemplar sei es in Ein- siedeln, sei es in S. Gallen gefunden und abgeschrieben haben werde. Er schloss daran die Vermuthung, es möge in späterer Zeit eine zweite, reichlichere Benutzung jener Schweizer Samm- lung Statt gefunden haben, welche das Vorkommen zahlreicherer Steine in späteren Syllogen erkläre. Mommsen’s scharfsinnige Erörterung ward, wenigstens hinsichtlich ihres ersten Theiles auf das Vollkommenste bestätigt durch die kurz nachher er- folgte Entdeckung der Poggioschen Sylloge selber, welche de Rossi in einem Codex der Vaticana und in ihrem zweiten Theile in einer Handschrift der Angelicana auffand und in seinen prime raccolte d’antiche iscrizioni in den Heften 127 und 128 des Giornale arcadico (p. 105 ff. des Separatabdrucks) im Jahre 1852 veröffentlichte. Jener Vateianische Codex enthält eine freilich anonyme Inschriftsammlung, deren erster Theil, in Minuskeln geschrieben, eine grofse Anzahl der Steine des Ein- siedlensis umfalst, während ein zweiter, in Majuskeln ge- schriebener Abschnitt offenbar Originaleopien bringt. Der An- gelicanus hat nur diese letzteren, aber in besserer Abschrift und ist daher bei der Herstellung des Textes in der Regel vor- zuziehen. — Die im ersten Theile vorkommenden Monumente aber sind nur solche, welche auch sonst in den mittelalterlichen Sammlungen sich wiederfinden, und es war daher sehr wahr- scheinlich, dass hier ein Exemplar derjenigen Sylloge vorliege, aus welcher letztere entlehnt sind. Die übergangenen Inschriften sind meistens solche, welche im funfzehnten Jahrhundert noch vor- handen waren und daher auch im zweiten Theile als von Origina- len genommen stehen; das Fehlen andrer erklärte Herr de Rossi aus dem mangelhaften und vielleicht zerrissenen ÖOriginalcodex, welchem die sehr schlechte Vatikanische Handschrift entstamme. Dafs aber diese Sammlung in der That diejenige sei, welche nach seiner eignen Angabe (dialogus de fortunae varietate im Thesaurus Sallengre’s I p. 503) Poggio veranstaltete, kann nach de Rossi’s auf Mommsen’s vorgängige Erörterungen ge- stützten Auseinandersetzung keinem Zweifel unterliegen. Ja, es ergiebt sich sogar aus Briefen Poggio’s, die schon früher von vom 3. Mai 1866. 223 Mommsen im Rheinischen Museum (N. f. IV p. 467) edirt waren, woher Poggio seine Inschriften des Einsiedlensis entnommen. Er erzählt, wie er, als er in Deutschland Bücher gesucht, einen Quinternionen mit Inschriften gefunden und bei Seite gebracht (in manicam conieci). Also nicht aus dem Codex von Einsiedeln stammen seine Abschriften, sondern aus jenem mitgenommenen Bruchstück einer verwandten Handschrift, welche sogar hie und da besser gewesen sein mufs, als jener. Wenn aber so [für den ersten Theil der Sylloge der Beweis, dafs sie von Poggio ausgehe, in genügender Weise geführt ist, so lälst sich für den zweiten ein solcher nicht weniger sicher herstellen, und zwar ergiebt sich derselbe daraus, dafs die Sammlung hauptsächlich Steine enthält, welche Poggio auch anderswo anführt, wogegen sich keiner in ihr findet, von dem man ver- muthen könnte, dafs er ihn nicht gekannt oder nicht beachtet hätte. Für die Auslassung einiger, welche Poggio in dem be- deutend später geschriebenen dialogus de varietate fortunae aller- dings anführt, giebt de Rossi hinreichende Gründe an, die ich hier nicht wiederhole, da der eine Hauptgrund für die Autor- schaft Poggio’s, die genaue Übereinstimmung der Lesarten in dieser Sammlung und in dem erwähnten dialogus, für sich allein ausreicht. Wenn auf diese Weise durch die sich ergänzenden und be- ‚stätigenden Untersuchungen Mommsen’s und de Rossi’s die Verbreitung von Inschriften, welche durch den Einsiedlensis bekannt sein konnten, in den jüngeren mittelalterlichen Sammlun- gen im Wesentlichen ihre Erklärung gefunden hat, so blieb doch eine Reihe von Fragen weiterer Erörterung vorbehalten sowohl hinsichtlich des Ganges jener Verbreitung, wie auch hinsichtlich der einzelnen Syllogen, welche dergleichen Inschriften enthalten. Es war bei dem mangelhaften Zustande des vorhandenen Ma- terials damals nicht möglich, die Untersuchung weiter zu führen, als es durch die obgedachten Gelehrten geschehen ist: erst die umfassende Durchforschung der Bibliotheken zum Zwecke des Corpus inscriptionum Latinarum hat eine genügendere Grundlage für jene Bestrebungen geliefert, und die Durcharbeitung des so gesammelten Materials setzt mich in den Stand, manche Punkte 17* 224 . Gesammtsitzung des Näheren zu beleuchten, deren Besprechung an diesem Orte vielleicht nicht ohne Interesse sein möchte. Wenden wir uns zuerst der Sammlung Poggio’s selbst zu.— Herr de Rossi hatte nach dem ihm vorliegenden Mate- rial geschlossen!, dafs dieselbe oder vielmehr das von Poggio in der Schweiz entwendete Bruchstück eines Codex nur die In- schriften von n. 6 bis n. 47 des Anonymus Einsiedlensis in sich begriffen habe, von denen die letzte, das Edict des Stadtpräfeeten über die Mühlen am IJaniculus, mit den Worten esse subdendum. illud abbreche. Er folgerte dieses, abgesehen von dem Vatica- nischen Codex, aus dem Umstande, dafs in keiner späteren Sylloge weder dieses Edict vollständig, noch irgend eine sei es der späteren, sei es der vor n. 6 des Einsiedlensis vor- hergehenden Inschriften sich finde. Dieser Satz bestätigt sich allerdings hinsichtlich des Schlusses jenes Ediets: aueh aus dem mir vorliegenden reichen Material ergiebt sich, dafs das- selbe, abgesehen von einer ihm angehängten Interpolation bei Felicianuss und dem von diesem abhängigen Ferrari- nus in der Recension des cod. Traiectinus, überall mit den oben angeführten Worten endigt; nicht weniger, dafs keine einzige der späteren Inschriften des Einsiedlensis irgendwe wieder vorkommt. Anders jedoch verhält es sich mit dem An- fange des Poggioschen Codexfragments ; denn es hat sich nun- mehr als unrichtig herausgestellt, dals jene ersten Nummern des Einsiedlensis in allen Sammlungen des 15. Jahrhunderts fehlen. ‘Vielmehr findet sich gleich die erste derselben, die bekannte Inschrift des Narses auf der Aniobrücke der via Salaria (Orelli 1162) in einer ganzen Reihe epigraphischer Sammlungen wieder, welche durchgängig den Poggio benutzt und namentlich die Sylloge des Einsiedlensis aus ihm entlehnt haben. Sie steht sowohl bei Cyriacus!) (cod. Parmensis f. 92’, cod. Ottobon. 2967 [olim Stoschii] f. 57; cod. Riccard. 996 f. 18); bei Fe- liecianus (cod. Veron. f. 151); im cod. Redianus f. 20’; wie auch bei Marcanova (Bern. f. 34, Mut. f. 48°), aus dem sie Ferrarinus (cod. Paris. f. 133’) gezogen hat. Ferner hat sie ') Dals der Ausschreiber des Poggio wirklich Cyriacus sei, wird unten des Weiteren bewiesen werden. vom 3. Mai 1866. 225 Iucundus (Veron. f. 46, Magl. 28, 5 f. 69’) und von ihm, aber bevor er die Inschrift emendirte oder auch corrumpirte, stammt sie bei Apianus 200, 2, wie die genau entsprechende, ausführ- lichere Ortsangabe nicht bezweifeln läfst. Mazochi aber zog sie gegen seine Gewohnheit nicht aus IJucundus, sondern vielmehr aus Ferrarinus, was aus gleicher Ortsangabe und gleichen Les- arten, wie EX PROPOSITO statt EX PRAEPOSITO und am Schlusse aus dem Zusatze POSVITQVE CARMINA sich ergiebt. Auch Cholerus (cod. Monac. f. 81) und der wenigstens in diesen Theilen völlig mit ihm übereinstimmende vermuthliche Alciatus des Fea’schen Codex f. 38’, ebenso der cod. Marcianus Lat. xıv 192 f. 28’, welchen ich der Kürze halber in der Folge eod. Belloni nennen werde, haben die Inschrift aus derselben Quelle, nicht weniger endlich der cod. Oliva f. 44 und Ioannes Bembus cod. Monac. f. 47.— Es wird auffallen, dafs ich als Be- weis für die Kenntnifs der ersten Steine des Einsiedlensis die In- schrift des pons Salarius anführe, die bekanntlich bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts auf der Brücke vorhanden und voll- kommen lesbar war. Dieselbe mufs jedoch, während die Verse auf der entgegenstehenden Seite stets sichtbar blieben, im Mittel- alter irgend wie, vielleicht durch den auf der Brücke befindli- chen Befestigungsthurm, verdeckt gewesen sein; denn es unter- liegt keinem Zweifel, dafs sie von den Zeiten des Anonymus Einsiedlensis bis auf Petrus Sabinus Niemand wieder uns aus eigner Abschrift bringt. Den Beweis dafür liefert nicht blofs Jucundus, welcher am Rande seines Veronenser Codex und so- dann auch im Magliabecchianus bemerkt: prosa ista alias erat coniuncta carminibus subscriptis in ipso ponte; nunc vero trans- lata est ad focum tabernae ipsius pontis et ab igne distructa (was, beiläufig gesagt, zwar nicht richtig ist, aber doch beweist, dafs er die Inschrift nicht sah), sondern vor Allem der Text der Inschrift selbst, wie ihn die Überlieferung bis auf Petrus Sabinus herab uns giebt; denn es wird Niemand glauben, dafs die Lesart PpItssImo, durch welche der Schweizer Mönch das p.Pp erklärte, oder das durchgehende POST. VICTORIAM. PARTHI- CAM, welches allerdings Iucundus auf eigne Hand in GOTHORUM änderte, einer zufälligen Übereinstimmung zu verdanken seien. — N. 2 des Einsiedlensis sind die die erste Inschrift begleitenden 226 Gesammtsitzung ‚Verse; diese waren, wie so eben bemerkt, stets sichtbar, wur- den von Signorili copirt und sind in den Sammlungen des 15. Jahrhunderts meistens aus ihm entnommen, wie die fast überall durchgehenden falschen Lesarten miramur statt calcamus und gentes statt mentes bezeugen. Dafs sie dennoch aus der Samm- lung des Einsiedlensis von Poggio ursprünglich mit herüberge- nommen wurde, beweisen der erwähnte cod. Belloni f. 22, eben so der cod. Oliva f. 44’ und selbst Io. Bembus f. 47’, welche alle die richtigen Lesungen des Anonymus haben. Bem- bus, würde man glauben, habe den Stein selbst copirt, wenn er nicht statt des richtigen per gaudia PRAE GAVDIA schriebe, was sich leicht erklärt, wenn man annimmt, es sei in seinem Origi- nal die Praeposition durch ein einfaches p ausgedrückt gewesen und von ihm mifsverstanden worden. — Was die Inschrift n. 3 des Einsiedlensis betrifft (Fabr. 451, 64; Murat. 232, 5), so findet sich dieselbe auffallender Weise ganz allein im cod. Belloni f. 61 wieder, und erhält diese sonst wenig werthvolle Sammlung dadurch für den Poggio eine ganz besondere Bedeutung, wes- halb ich sie, die ich bei der Bearbeitung der Inschriften für das C. I. L. als aus allerlei Syllogen zusammengesetzt nur sehr selten berücksichtige, bei der Bearbeitung jenes fortwährend anzuführen mich veranlasst fand. Ohnehin enthält diese Hand- schrift in den von Poggio herstammenden Theilen nicht selten die richtige Lesart, welche in dem auf uns gekommenen Exem- plar desselben verloren gegangen. — Dafs die Inschriften 4 und 5 des Einsiedlensis allgemein fehlen, erklärt sich leicht, da die- selben der Engelsburg angehören und unter den Inschriften dieser später wieder vorkommen. Es steht nach Obigem fest, dafs in den Quinternioneu des Poggio diese Inschriften des Anonymus vorhanden und aus ihm auch in seine Sylloge übergegangen waren. Weshalb sie im Vaticanus fehlen, weifs ich nicht anzugeben. Dieser Codex ge- hört, wie gleich gezeigt werden soll, einer zweiten Recension der Sylloge an, aus welcher von unsern Quellen nur Iucundus (mit ihm P. Sabinus und Mazochi) geflossen ist. Ob in dieser Recension überhaupt die ersten Inschriften fehlten, oder ob es ein blofser Fehler unserer Vaticanischen Handschrift ist, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden. Bei Iucundus fehlt vom 3. Mai 1866. 227 n. 3 des Einsiedlensis; n. 2 hat er, wenn nicht Alles trügt, selbst abgeschrieben (das folgt für mich aus dem Gegensätze, in welchen seine eben angeführten Worte die Inschrift des Narses zu den Versen stellen); n. 1 entlehnte er allerdings aus Poggio, aber wie er hie und da auch andre Hülfsquellen be nutzt hat, so könnte ‚er sehr wohl diese aus einer andern secundären Quelle gezogen haben, etwa aus Marcanova, während die sonst von ihm abhängigen Sabinus und Mazochi jener das Original abschrieb (cod. Mare. f. 63’), dieser (f. 3) den Fer- rarinus (cod. Paris. f. 133’), wie es scheint, copirte. In jedem Falle ist das Fehlen von n. 3 in allen diesen Sammlungen auf- fallend. Dafs nun eine solche erste, von der im cod. Vaticanus erhaltenen abweichende Recension bestanden habe, ergiebt sich aus Folgendem. In dem von Herrn de Rossi nach jenem edirten Exemplar der Poggioschen Sylloge ist die Inschrift n. 26 (Orelli 861), die beim Einsiedlensis (n. 38) in Capitolio angegeben wird, ad rır lucernas gesetzt und, da die ganze folgende Reihe bis n. 31 mit ibi eingeführt wird, so haben alle diese dem Capitol angehörende Inschriften eine falsche Orts- angabe erhalten. Herr de Rossi hat bereits auf p. 135 seiner prime raccolte gezeigt, wie dieses Versehen daraus entstanden, dafs in der vorliegenden Sammlung des Poggio die Inschrift des Titusbogens, der im Mittelalter mit dem Namen ad vır Iu- cernas bezeichnet wurde, weil im zweiten Theile aus eigner Abschrift vorkommend, im ersten ausgelassen, dagegen die Orts- angabe aus Versehen beibehalten und auf die nächstfolgende Inschrift übertragen ist. Nun aber kehrt dieses Versehen bei Iucundus und demnach auch bei den ihm folgenden P. Sabinus und Mazochi wieder. Es kann daher kein Zweifel darüber sein, dals jener Fehler nicht etwa unserm schlechten cod. Vaticanus eigen, sondern vielmehr ein Versehen der Sylloge des Poggio selber sei, von welcher jener ein allerdings nicht eben sorgfäl- tiges Exemplar ist. Untersuchen wir nun, wie es mit der Ortsangabe bei die- sen Inschriften in den andern Syllogen steht, welche wir auf den Einsiedlensis, d. h. auf Poggio zurückgeführt haben, so finden wir überall, wo diese Inschriften überhaupt vorkommen, das 228 Gesammtsitzung richtige in Capitolio. Es folgt daraus, was vorher behauptet wurde, dafs es eine doppelte Recension der Sylloge des Poggio gab, eine erste, welche ich in meiner Bearbeitung mit Poggius « bezeichnet habe, und eine zweite, von mir Poggius b benannte; jene vollständiger, nicht blofs wenn etwa der Anfang in b ge- fehlt haben sollte, sondern auch insofern sie, wie es scheint, keinen Stein des Einsiedlensis überging, und zugleich richtiger, da sie alle jene Inschriften in Capitolio ansetzt; diese beschnit- ten, sei es durch Poggio selbst, sei es durch einen späteren Redacteur seiner Sammlung, wobei ich indefs geneigt bin, viel- mehr jenes anzunehmen. Dafs in der vorhandenen Recension weggelassen ist, was Poggio selbst sah, hat Herr de Rossi gezeigt. Dafs anderer Seits in der ersten Recension eine ein- fache Abschrift der Sylloge des Einsiedlensis enthalten war, er- giebt sich daraus, dafs Monumente, welche Poggio gesehen dnd deshalb in seinen zweiten Theil aufgenommen hatte, den- noch in der ursprünglichen Form des Einsiedlensis vorkommen; so bei Cholerus f. 78 = Aleiatus Feae f. 34 die Inschrift der Trajanssäule (Orelli 29). Diese im zweiten Theile Poggio’s nach dessen eigner Abschrift gegebene Inschrift kann demnach ursprünglich auch im ersten Theile nicht gefehlt haben. — Man könnte sogar eine dritte Recension anzunehmen geneigt werden, indem in der oben angeführten Inschrift bei Cholerus und Aleciatus die eigenthümliche Lesart vTILITarıs für altitudinis steht, nicht etwa aus Versehen der genannten, in diesen Theilen identischen Sammlungen, sondern jedenfalls auf ein Exemplar der Poggioschen Sylloge zurückgehend. Es folgt dieses daraus, .dals auch Marcanova, der hier aus Signorili [chöpft, am Rande die Notiz hat: al. utilitatis. Ähnlich steht in der Inschrift Eins. 7, Poggio 2 bei Cholerus und Alciatus gothorum statt getarum; Marcanova aber hat im cod. Bernensis getarum al. go- thorum, welche letztere Lesart dann in den Text des cod. Mu- tinensis übergegangen ist. Dafs aber Cholerus und Alciatus hier nicht etwa aus Marcanova geschöpft haben, dafür liefert den Beweis der Umstand, dafs jene die Steine in derselben Reihenfolge geben, in welcher sie ursprünglich stehen, was bei diesem nicht der Fall ist. Sie müssen demnach direct aus Poggio stammen. — Besonders anzuführen ist, dafs in der In- vom 3. Mai 1866. 229 schrift der Substructionen und des Tabularium des Capitolini- schen Iuppitertempels, wo die uns erhaltenen, auf Poggio (56) zurückgehenden Abschriften sämmtlich die Worte et tabularium auslassen, dennoch Cholerus sie hat. Man wird daher mit Annahme einer dritten Recension wohl kaum zu weit gehen, statt eine blofse Familie von Abschriften anzunehmen, in wel- chen jene Abweichungen vorgekommen seien, und zugleich zu glauben, Cholerus habe aus Signorili die Inschrift des Tabula- riums corrigirt. Hat doch Poggio selbst, wo er in dem Dia- logus de varietate fortunae dieselbe anführt, die Worte et tabu- larium nicht ausgelassen! Den bisher angeführten Thatsachen gegenüber wäre aller- dings noch denkbar, dafs bei jener ganzen Reihe der aus Poggio a abgeleiteten Syllogen vielmehr eine directe Benutzung des in Poggio’s Besitz befindlichen Quinternionen Statt gefunden haben, und somit die Existenz einer doppelten Recension zu leug- nen sei. Eine solche Annahme, an sich wenig wahrscheinlich, erledigt sich jedoch durch das durchgehende Vorkommen ein- zelner Irrthümer, unter denen es hier genügt, auf n. 33 des Einsiedlensis, 22 bei Poggio zu verweisen (Orelli 1081). Die Inschrift stand in basi Constantini d.h. auf dem Fulsgestell der Reiterstatue des Constantinus.') Poggio setzt sie in basilica Con- stantini, und diese falsche Angabe findet sich gleichmälsig bei Cyriacus und Marcanova, welche allein die Inschrift wieder- geben; denn Iucundus kann nicht in Betracht kommen, da er ja aus Poggio 5 geflossen ist. Es ist aber nicht wohl anzu- nehmen, dafs der Originalcodex des Poggio, der oft besser, als der Einsiedlensis?), und von solchen Emendationen, so viel man urtheilen kann, völlig frei war, jene falsche Correctur be- reits enthalten habe.— Schlagender ist folgender Grund: Wer ) Beiläufig mag hier angeführt werden, dafs auf einem dem in der Va- ticana befindlichen Gruter des Scaliger angehefteten Blatte diese Inschrift nach einem alten Pergameniblatte (er velusta membrana) in statua Con- stantini angegeben wird. ”) Man vergleiche z. B. die Inschrift Eins. 40, in welcher er richtig CEIONIVM und IENYARIVS, eben so n. 39, wo er in der Zahl nicht xrıır, sondern das in xıııı"K zu ändernde xırııı hat. 230 Gesammtsitzung sich die Mühe geben will, in dem Cyriacanischen Codex von Parma die Blätter 98° — 99’ mit der vorhandenen Sylloge des Poggio und dem Anonymus zu vergleichen, wird sich überzeu- gen, dafs alle diejenigen Inschriften des letzteren ausgelassen sind, welche auch bei jenem fehlen, ferner alle mittelalterlichen. Eine einzelne Inschrift (Poggio 7, Eins. 14) hat Cyriacus be- reits gebracht auf f. 91’; Poggio 23: Ss. P. Q. R. — INCENDIO — RERSTITVIT kommt schon auf f. 76’ vor, wo Cyriacus sie ohne. Zweifel nach eigner Abschrift giebt.— N. 31 fehlt, eben so die letzte Inschrift, welche Poggio aus dem Einsiedlensis hat, wäh- rend die vorhergehende n. 33 a und die aus Poggio’s zweitem Theile entnommenen (so 36. 37. 38. 43. 44. 46. 50. 55. 56. 60. 61. 68) im cod. Parm. auf f. 90’—91 in gleicher Ordnung und meistens mit gleicher Ortsangabe stehen; die ausgelassenen sind bekannt und kommen meistens an anderer Stelle vor. Übrigens ist auch sonst die Benutzung der Poggio’schen Syl- loge keineswegs auf ihren ersten Theil beschränkt gewesen, sondern sie erstreckt sich eben sowohl auf ihren zweiten, d.h. die von Poggio selbst gesammelten Steine, und kann somit die oben angedeutete Hypothese wohl als beseitigt angesehen werden. Wir fassen die Resultate obiger Bemerkungen kurz dahin zu- sammen, dafs es wenigstens zwei Recensionen der Sylloge des Poggio gab, eine ältere, welche ohne Zweifel die ganze Sammlung des Einsiedlensis, so weit sie ihm durch seinen Codex bekannt ge- worden, enthielt, und eine jüngere modificirte, wobei es aulserdem wahrscheinlich ist, dafs noch eine dritte vorhanden gewesen, nicht blofs verschiedene Exemplare verschiedenen Werthes. Übrigens bringt die jüngere Recension, auch abgesehen von dem oben ausführlicher besprochenen Hauptfehler, im Ganzen weit weniger gute Lesarten, und will man als Beweis dafür den so sehr corrupten cod. Vaticanus allein nicht gelten lassen, so vergleiche man zugleich den Iucundus, der, von reinen Corruptelen abge- sehen, genau mit jenem übereinstimmt, wo er nicht etwa selber emendirt oder aus einem emendirten Exemplare schöpft. Man nehme nur in der Inschrift vom clivus Martis (Orelli 3) die un- sinnige Lesart Dvvam (Poggio 17) in der Vaticanischen Hand- schrift, die mit DIVIAM bei Iucundus stimmt, während die älteren vom 3. Mai 1866. 231 Sammlungen das richtige clivum haben; in der Inschrift Eins. 42, Poggio 30 das jenen gemeinsame CASTONIANO für das rich- tige COSCONIANO; Eins. 39, Poggio 27 nach der Zahl EA statt ocı. Übrigens entspricht der cod. Angelicanus offenbar der äl- teren Recension; allein es ist zu bedauern, dafs er nur den zweiten Theil enthält, der in diesem Falle für uns nicht in Betracht kommt. Der cod. Vaticanus ist so schlecht, dafs ich bei der Con- stituirung des Textes, wie ihn Poggio gegeben, häufig ihn ganz bei Seite gelassen, nur /etwa die Zeilenabtheilung beibehalten habe; im ersten Theile diente mir statt seiner namentlich Cy- riacus, im zweiten Theile der wenigstens etwas bessere Ange- licanus. Werfen wir jetzt einen Blick auf die von Poggio abhängi- gen Syllogen, so sind auf die erste Recension zurückzuführen: 1. Cyriacus Anconitanus. Die Steine des Einsiedlensis, also des Poggio, finden sich in grolser Anzahl in dem cod. Parmen sis (früher Asquini), welcher bekanntlich reich an Cyriacanis ist. Andern Theils enthält aber diese Handschrift Elemente, welche nicht so unbedingt für Cyriacus in Anspruch genommen werden können, und es fragt sich daher für uns, ob diejenigen Theile, welche dem Poggio entlehnt sind, ohne Weiteres dem Cyriacus beigelegt werden, ob überhaupt dieser jenen gekannt und be- nutzt habe. Die Inschriften des Poggio finden sich im cod. Parmensis in der Reihenfolge des Originalcodex zuerst von n. 2 bis n. 32 desselben auf f. 98’—99', dann von 33 « bis 68 auf £. 90’— 91’, von 77 bis zum Schlusse auf f. 103. Ver- schiedene Inschriften sind ausgelassen, zum Theil weil sie der Verfasser der Sammlung, wie es scheint, aus eigner Abschrift anderswo bringt: so offenbar die Inschriften des Constantins- bogens (P. 45), der Traianssäule (P. 86), des Gallienusbo- gens (67), der aqua Marcia (35—37) auf f. 77’ u. s. w; zum Theil auch, weil sie aus irgend einem andern Grunde an- derswo gegeben werden: so Einsiedl. 1 (fehlt in unserm Poggio) auf f. 92, Poggio 8 auf f. II’, Poggio 62 auf f. 78’. Einge- schoben sind zwischen die eben angeführten Serien andere aus Signorili entnommene, so wie einzelne, wahrscheinlich vom Verfasser der Sammlung selbst copirte Steine. — Dafs nun dieser kein anderer als Cyriacus sei, auch in den Theilen, welche aus 232 Gesammtsitzung Poggio herüber genommen sind, wird zunächst dadurch wahr- scheinlich, dafs eine nicht unbedeutende Zahl der Poggioschen Steine nicht allein im cod. Parmensis sich findet, sondern gleich- falls in diesem oder jenem der andern von Cyriacus abhängigen Sammlungen, wie in dem früher Stoschischen cod. Ottobon. 2967, dem Marcianus Lat. xıv 129, dem Vatic. 6875, und dem bekannter Mafsen ebenfalls mit Cyriacus zusammenhangenden Cenninus. Ich führe an: Poggio 14, im cod. Parm. f. 98’, im Ottobon. f. 62’; Poggio 62, im cod. Parm. f. 78’, cod. Marcian. f. 146; Poggio 63 im cod. Parm. f. 78’, cod. Ottob. f. 54'; Poggio 64 im cod. Parm. f. 79, cod. Marcian. f. 141’, Va- tie. f. 68; Poggio 67 im cod. Parm. f. 77’, cod. Marecian. f. 145, Vatic. f. 72 bis; Poggio 69 im cod. Parm. f. 78), cod. Marcian. f. 126, Vatic. f. 62’. — Entscheidend indelfs für diese Frage ist der Umstand, dafs die Inschrift Poggio 46, welche im cod. Parm. f. 91 steht, im Ottobon. f. 71 mit dem Zusatze ab exemplo Kiriaci Anconitani wiederkehrt; dafs aber dieses exemplum Cyriacanum eben doch nur eine Copie aus Poggio sei, bezeugt das in ihr so gut, wie in allen aus diesem abgeleiteten Sammlungen fehlende Epitheton IDAEAE. Nicht we- niger schlagend ist die Ableitung der bekannten Inschrift der arx von Ferentinum im cod. Parm. f. 103 aus Poggio 83, da der grobe Fehler A. HIPPIvsS statt A. HIRTIVS sich bei beiden findet; dieselbe !Inschrift aber mit demselben Fehler steht im cod. Ottobon. f. 70 mit der Notiz: ab eisdem (sc. Kiriaci) exemplaribus. Gleiches gilt von Poggio 85, im cod. Parm. f. 103, im cod. Ottob. f. 71 mit derselben Bemerkung: ab eo- dem exemplo (sc. Kiriaci). Esist also sicher, dafs Cyriacus den Poggio ausgeschrieben, und dafs auch im cod. Parm. die be- treffenden Theile von Cyriacus herrühren. Dafs er auf die erste Recension des Poggio zurückgeht, beweisen die oben an- geführten charakteristischen Merkmale, die bei ihm sich vor- finden. 3 2. Felicianus. Obwohl sonst vielfach von Cyriacus abhän- gig, hat Felicianus dennoch den Poggio selbstständig benutzt. Es beweist dieses Poggio 18 (fehlt allerdings in unserm cod. Vaticanus, mufs aber aus den von Poggio abhängigen Samm- lungen ergänzt werden.) In dieser Inschrift, derjenigen des vom 3. Mai 1866. 233 Titusbogens am Circus maximus (Orelli 759), las der Einsied- lensis TRIB. POT. X. IMP. XVvIL. POS. vım, und dafs der gleiche ‚Fehler Pos für cos auch in ‚dem Codexfragment des Poggio ‚zu lesen war, beweist die Mannigfaltigkeit der Lesarten an dieser Stelle. Marcanova schrieb im cod. Bernensis TRIB. POT. XVII. PONTIF. VIN, im Mutinensis IMPERATOR. XVII. PONTIF. VIII, Cyriacus TRIB. POT. X. IMP. XVII cos. vım richtig; Felicianus aber hat nicht diese Verbesserung, sondern schreibt sinnlos TRIB. POT. X. IMP. xvIi. xım, worin ihm Iucundus gefolgt ist. Eben so abweichend sind die Lesarten im Poggio 20, wo Cy- riacus die erste Zeile in fronte u. s. w. wegläfst und nachher sı statt SED conjicirt, wogegen Felicianus HERES statt HEREDEM und MONVMEN statt NOMEN schreibt. Dafs Poggio 34, das Edict über die Mühlen, in den uns erhaltenen Cyriacanischen Hand- ‚schriften fehlt, aber bei Felicianus steht, kann auch kaum ein Zufall sein; denn, wie wir oben sahen, enthält der cod. Parm. des Cyriacus die Poggioschen Inschriften von 33 a an in einer fortlaufenden, wenn auch unvollständigen Reihenfolge. Dafs das wichtige Ediet daselbst übergangen sein sollte, wenn es Cyria- cus überhaupt aufgenommen hätte, ist kaum anzunehmen, und so bestärkt auch dieser Umstand die Annahme, dafs Felicianus den Poggio direet benutzt habe. Übrigens beutete er ihn we- niger stark aus, als man erwarten sollte; denn in der That sind die aus ihm entnommenen Steine verhältnifsmäfsig nicht zahlreich, in dem älteren cod. Marcianus noch weniger, als im Veronensis, in welchem mehrere hinzugefügt worden sind. — Leider hat er die für die Entscheidung der Abstammungsfrage 'bestimmenden Steine mit der Ortsangabe in Capitolio oder ad »1I lucernas nicht aufgenommen, und ich gestehe, dafs ich lange schwankte, ob er der ersten, oder der zweiten Recension des ‘Poggio zuzuweisen sei. In der That zeigt er an einzelnen ‘Stellen grofse Übereinstimmung mit dem einzigen, sicher der zweiten Recension zugehörigen Iucundus: ich erwähnte bereits die gleichen Lesarten in der Inschrift des Titusbogens vom Circus maximus (P. 18). Die Inschrift des Titusbogens auf ‚der sacra via (P. 43) verknüpft Felicianus mit der bei Poggio ihr folgenden (n. 44): numini deor. aug. sacrum iovi optimo maximo cet. unter Weglassung der Worte numini deor., und 234 Gesammtsitzung auch darin schlielst sich ihm Iucundus an. Ferner hat letzterer die bekannte Inschrift des A. Pompeius von Terni (Poggio 79) durchaus in der bei Felicianus (Veron f. 107) vorkommenden Form und mit gleicher Ortsangabe (cod. Veron. f. 158; Magl. 28, 5 f. 116). Da nun Jucundus in der Regel aus der zweiten Recension des Poggio seine diesem entstammenden Inschriften gezogen hat, so erscheint der Schlufs gerechtfertigt, dafs auch Felicianus aus dieser die seinigen entnommen. Dessenungeachtet glaube ich vielmehr mit Sicherheit ihn auf die erste Recension zurückführen zu müsseu. Die angeführten Beispiele sind deshalb nicht entscheidend für eine Beziehung zur zweiten Recension, weil Iueundus ja diese Inschriften vielmehr, wie er es in andern Fällen gethan, aus Felicianus entnommen haben kann, und zwar ist dieses für die Inschrift von Terni und die des Titusbogens der sacra via dadurch festgestellt, dafs wir für sie die Les- arten der zweiten Recension im cod. Vaticanus noch haben, von denen aber Felicianus sich durchaus unterscheidet. Steht aber dieses fest, so wird es wohl nicht beanstandet werden, wenn ich für die Inschrift des Titusbogens im Circus maximus ein Gleiches annehme. Auch das Fragment der Sacerdotalfasten Poggio 62, welches in der Ortsangabe mit den uns erhaltenen Handschriften stimmt, schliefst sich in den Lesarten entschieden an Felicianus an, aus dem also Iucundus das aus Poggio 5 ihm bekannte Monument corrigirtee Dazu kommt aber auch ein positiver Beweis dafür, dafs Felicianus aus der ersten Recension geschöpft habe. Wir werden weiter unten sehen, dafs unter den von Poggio abhängigen Sammlern Marcanova sicher der ersten Recension angehört. Bei ihm nun sowohl, wie bei Feli- eianus, fehlen in dem Ediect über die Ianieulenssichen Mühlen die Worte suggerentibus nobis agnovimus et ideo stateras fieri. Die- selben finden sich dagegen in dem die zweite Recension dar- stellenden cod. Vaticanus; also kann Felicianus nicht aus dieser seine Steine hergenommen haben, sundern muls, wie Marcanova, der ersten angehören, die er dann hie und da corrumpirt hat, wenn nicht schon ein verdorbenes Exemplar ihm vorlag. — Aus Felicianus hat Ferrarinus in seiner ursprünglichen, uns im cod. Traiectinus erhaltenen Sammlung geschöpft, während er in den späteren Ausgaben von Marcanova abhängt und mitunter sogar vom 3. Mai 1866. 235 nach diesem jenes Lesarten corrigirt. — Aulserdem ist offenbar Lilius hin und wieder von ihm abhängig, wie weiter unten (7) gezeigt werden soll. — Über Iueundus und seine vereinzelte Abhängigkeit von Felicianus mögen die angeführten Beispiele genügen. — Über den cod. Redianus vgl. unter n. 4. 3. Marcanova. Weit mehr, als Felicianus, hat Marcanova den Poggio benutzt. Dafs er dabei nicht von jenem abhängt, folgt aus der gröfseren Anzahl der Steine, von welchen aus dem ersten Theile, der Sylloge des Einsiedlensis, nur wenige ausge- fallen sind, mehrere in der zweiten Hälfte, wo sie dann in der Regel aus Signorili genommen worden. Überdies ist bekannt- lich der Berner Codex des Marcanova sogar älter, als die Sammlung des Felicianus und jene Hypothese somit ohne Wei- teres beseitigt.') Die Ortsangaben sind häufig abgekürzt, in den Steinen selber dagegen die abgekürzten Wörter oft ausge- schrieben. Er kannte und benutzte dabei verschiedene Recen- sionen oder doch Exemplare des Poggio; denn wenn am Rande seines cod. Bernensis bei der Inschrift der Trajanssäule ( Pog- gio 86) bemerkt ist: al. utilitatis, bei dem Bogen der Kaiser Ar- cadius, Honorius und Theodosius (Poggio 2) al. Gothorum, so geht dieses eben auf eine andre Lesart bei Poggio selber zurück, wie oben angeführt wurde. Bemerkenswerth ist, dafs häufig der cod. Bern. die ursprüngliche Lesart des Einsiedlensis oder Poggio bewahrt, dagegen der cod. Mut. sie aus Felicianus cor- rigirt hat, z. B. in dem Ediet über die Mühlen, wo u. A. der Bern. richtig DECERNIMYS und (mit übergesehriebener Emenda- 1) Der Berner Codex des Marcanova, begonnen im Jahre 1457, ward im Jahre 1460 beendigt; die dem Mantegna gewidmete Sylloge des Felicia- nus trägt das Datum des Jahres 1463. Wenn ich dennoch bei der Bear- beitung der Inschriften den Felicianus vor dem Marcanova genannt habe, so ist dieses eines 'Theils defshalb geschehen, weil des letzteren Modeneser Codex in das Jahr 1465, also später fällt, ganz besonders aber auch wegen der Ableitung des Ferrarinus, dessen ältere im cod. Traiectinus enthaltene Recension von Felicianus, die neuere des cod. Parisinus und Regiensis aber vorwiegend von Marcanova abhängt. Übrigens scheint auch letzterer selbst in seiner späteren Recension den Felicijanus benutzt zu haben, wie gleich angeführt werden wird. Vgl. auch, was bei Gelegenheit des Signo- tili über Marcanova bemerkt werden wird. 236 Gesammtsitzung tion MOLENDARIOS, dagegen der Mut. mit Felicianus deerevimus und molendinarios hat. Die Inschriften stehen zerstreut, obwohl hie und da auch kleinere Serien in der alten Ordnung vorkommen; so auf f. 52°. 53 des cod. Mut. die n. 22—26 des Poggio ent- sprechenden Inschriften. Die für die erste Recension charakteris- tischen Merkmale finden sich bei ihm. — Aus Marcanova hat Ferrarinusin seinen späteren Ausgaben die in dem Utrechter Codex (vom Jahre 1477) aus Felicianus stammenden Inschrif- ten corrigirt und zugleich manche neu herübergenommen. Dabei ist zu erwähnen, dafs mitunter seine Lesarten nicht mit den uns vorliegenden des Marcanova übereinstimmen, so in den In- schriften Poggio 27 libertati ab imp. nerva .... restitutae, wo er die Zahl in Übereinstimmung mit Cyriacus oder Poggio a richtig giebt, nicht weniger Poggio 29 Pietati augustae und 30 locus absignatus (sic), in denen eine directe Herkunft aus Poggio an- gedeutet zu sein scheint. — Auch der cod. Riccardianus 767, aus welchem Osann die Einsiedelsche Sylloge edirt hat, hängt von Marcanova ab. 4. Der codex Radianus, von Alexander Strozza im J. 1474 geschrieben, enthält aus dem ersten Theile der Sylloge Poggio’s nur die Inschrift des Narses (Eins. 1) und Poggio n. 8; sämmtliche andere, die sich bei ihm finden, sind aus dem zweiten Theile, einige in Lesarten und Ortsangaben sehr mit Felicianus übereinstimmend (vgl. Poggio n. 36, die der cod. Redianus in ponte Salario versus orientem setzt, was irrthümlich der Ortsangabe des Felicianus zu n. 1 des Einsiedlensis ent- nommen ist); andere wieder mehr dem Marcanova entsprechend. Dafs aber der cod. Redianus im Ganzen hinsichtlich der Pog- gioschen Inschriften weder von diesem, noch von jenem abge- leitet ist, beweist für den Felieianus der Umstand, dafs ihm nicht wenige Steine fehlen, die der Redianus hat; für Marcano- va, abgesehen von allen sonstigen Verschiedenheiten in Lesart und Ortsangabe, das Fehlen der im Redianus vorkommenden Inschrift Poggio’s n. 56 bei jenem, der sie aus Signorili ge- nommen hat. Auch folgt der cod. Redianus in Poggio n. 61 entschieden einer ganz anderen Recension des Poggio, als die- jenige ist, welche Felicianus und Marcanova benutzt haben. Andrer Seits freilich weils ich für die Verknüpfüng der Inschrift vom 3. Mai 1866. 237 des Titusbogens mit der Inschrift numini deorum aug. sacrum keine andre Autorität, als die des Felicianus, anzugeben (s. S. 233), und stimmt hinwiederum die Ferentinatische Inschrift Poggio 84 in allen Einzelheiten der Lesung so genau mit Marcanova über- ein, dafs sie nur aus diesem hergenommen sein kann.— Ob- wohl die charakteristischen Merkmale der ersten Recension fehlen, da die entscheidenden Inschriften übergangen sind, so glaube ich dennoch wegen Übereinstimmung der Lesarten den cod. Redianus jener zurechnen zu müssen. 5. Vom cod. Marcian. Lat. xır 192 (Belloni) ist bereits mehrfach die Rede gewesen. An sich ein schlechtes Machwerk, das die Inschriften der verschiedensten Syllogen bunt und mit mannigfachen Wiederholungen, schlecht abgeschrieben, durch einander würfelt, dabei ganz besonders von Marcanova abhän- gig, hat er doch von Poggio nicht nur ein vollständiges Exem- plar der ersten Sylloge vor Augen gehabt, sondern aufserdem ein keineswegs schlechtes, wenn auch meistens schlecht ausgeschrie- ben. Ersteres beweist, wie wir gesehen haben (S. 226), der Um- stand, dafs er allein unter allen aus Poggio stammenden Hand- schriften die Inschrift n. 3 des Einsiedlensis hat; ferner finden sich, wie eben bemerkt, die Verse der Narses-Inschrift (Eins. 2) nur bei ihm in der richtigen Fassung des Urcodex, obwohl mit vielfacher Corruptel, ohne dafs ein Grund vorläge, hier etwa eine unabhängige Copie zu vermuthen. Die Inschrift des Septizoniums hat zwar Poggio (n. 19), sonst aber keiner der von ihm abhängenden Sammler; nur der cod. Belloni hat sie (£. 61), hängt ihr aber die erste Zeile des bei Poggio folgenden Monumentes an. Eben so hat er allein die Inschrift n. 33 des Poggio, die er auf f. 61° giebt. — Für die Güte seines Origi- nals spricht andrer Seits der Umstand, dafs z. B. in dem mehrerwähnten Ediet über die Mühlen am Janiculum (Poggio 34) allein der cod. Belloni (f. 9) die richtige Lesart des Ein- siedlensis ut omnium molendinariorum fraudes AMPVTENTVR be- wahrt hat, während alle andern von Poggio abhängigen Handschriften und sogar der uns erhaltene cod. Vaticanus des Poggio selbst computentur lesen, Ferner fehlen gleich nachher die allerdings vom Vaticanus nicht vergessenen Worte sugge- rentibus — stateras fieri in allen abgeleiteten Sammlungen; nur [1866.] 18 238 Gesammtsitzung der cod. Belloni hat sie wenigstens von zweiter Hand am Rande hinzugefügt. — Ich habe hiernach und in Rücksicht auf die we- nigen und schlechten Handschriften, welche uns von Poggio selber erhalten sind, es für gut gehalten, den cod. Belloni aus- nahmsweise für die Sylloge des Poggio überall zu eitiren, ob- wohl seine werthlosen Varianten durchgehends anzuführen mir keineswegs nöthig schien. Die charakteristischen Inschriften hat er richtig in Capitolio. 6. Ähnlich verhält es sich mit dem wenigstens in. diesen Theilen mit dem Alciatus Fea’s identischen Cholerus. Beide stimmen in Ortsangaben und Lesarten vielfach mit dem Marca- nova, bes. dem cod. Bernensis, überein, noch mehr aber mit demjenigen Exemplare des Poggio, aus welchem die mit al. eingeführten Varianten am Rande desselben herrühren. Zu den eben angeführten Beispielen des utilitatis für altitudinis und go- thorum statt getarum kann noch Einsiedl. 16 = Poggio 10 hinzu- gefügt werden. Daselbst v. 6 ist die richtige Lesart FRATRIS; Marcanova cod. Bern. setzt an den Rand al. PATRIS, welche Corruptel von demselben im cod. Mut. in den Text aufgenommen ist. Dieselbe falsche Lesart aber haben Alciatus und Choler. Dagegen haben dieselben in Einsiedl. 21 = Poggio 12 unter allen von Poggio abgeleiteten Handschriften allein die richtige Lesart PRIMIGENIAE. HELVIA. Dafs aber Cholerus und Aleciatus nicht etwa aus einem Marcanovaschen Exemplare geschöpft haben, ergiebt sich daraus, dals bei jenen die Poggioschen Steine wenigstens etwas mehr in der ursprünglichen Reihenfolge aufgeführt werden, als dieses bei Marcanova der Fall ist. Auch kommen Steine vor, welche bei letzterem fehlen oder von ihm aus Signorili genommen sind, wie denn schon oben bemerkt wurde, dafs die Inschrift der Traianssäule, wie sie Poggio aus dem Einsiedlensis 13 abschrieb, d. h. mit Auslassung der dort fehlenden Worte NERVAE. TRAIANO. AVG. GERMANICO, bei Chole- rus und Aleciatus wiederkehrt. Die Reihenfolge der Steine bei ihnen macht wahrscheinlich, dafs sie nicht etwa aus der ge- wöhnlichen Sylloge des Poggio, in der sie hinten (n. 86) steht, und mit zufälliger Auslassung jener Worte genommen sei. Auch die Inschrift des Bogens des Lentulus Seipio und Quinctius Crispinus (Poggio 42) haben aus Poggio nur Cholerus f. 74 vom 3. Mai 1866. 239 und der Aleiatische Codex f. 21.— Die für die Bestimmung der Recensionen entscheidenden Inschriften finden sich mit der richtigen Ortsangabe. Auch diese Sammlungen habe ich aus- nahmsweise für den Poggio citirt.— Nur beiläufig mögen zu grölserer Vollständigkeit die drei folgenden erwähnt werden, welche anzuführen sich nur sehr selten Veranlassung bot: 7. Iacobus Lilius, schrieb zu Bologna vor dem Jahre 1510 (benutzt ist der cod. Helmstad. jetzt Guelferbyt. n. 631). — Schwierig ist die Entscheidung der Frage, woher Lilius die dem Poggio entlehnten Inschriften, die übrigens nicht sehr zahlreich sind, genommen haben mag. Dafs er einen Cyriacus benutzt habe, steht fest; allein eine Vergleichung der von ihm aufgenommenen Steine mit den uns sonst bekannten Exemplaren zeigt in ÖOrtsangaben und Lesarten selten eine gröfsere Ver- wandtschaft mit Felieianus, häufiger mit Marcanova; anderswo scheint er auf Poggio direet zurückzugehen. Daher scheint es, dafs Lilius seine Inschriften, wie im Allgemeinen, so auch was im Besonderen die Sylloge des Poggio betrifft, aus den ver- schiedensten Quellen compilirte, wofür, glaube ich, einen sehr gewichtigen Beweis die Inschrift des Constantinsbogens (Lilius cod. Helmst. f. 106’) giebt, welche die Ortsangabe bei Poggio 47 mit derjenigen des Signorili in folgender Weise verbindet: in aqueductu Trivii qui dieitur Treyo (so für Traxo, Traxi des Poggio) in orto filiorum Iantrucii (so für Iannueii des Signorili) Palubariae (so für Palumbariae desselben); ef. Signorili n. 1. Ähnlich wird die Aufschrift des Gallienusbogens, die aus Signo- rili genommen ist, aus Poggio emendirt, indem dessen Lesart VINDICATISSIMVS statt des Signorilischen DEDICATISSIMVS aufge- nommen ist. — Die Frage hat übrigens wenig oder keinen prak- tischen Werth, da Lilius, durch schlechte Abschriften ausge- zeichnet, bei der Ausarbeitung des Corpus nur ausnahmsweise, wenigstens für diese Theile, in Betracht kommt, und ich ihn nur dann citire, wo besondere Gründe es nöthig machen. 8. Sanutus (cod. bibl. munieip. Veron., olim Ortii) ent- hält nur wenige Inschriften, welche auf Poggio zurückzuführen sind, namentlich auf f. 14—16; in welcher Weise, wage ich da- nach nicht zu bestimmen. Vorher gehen f. 1—7 Inschriften aus Signorili; f. 8—9' stimmen mit dem cod. Redianus; f. 9’ — 14 15 * 240 Gesammtsitzung sind Inschriften aus Jucundus. Ich bemerke indefs, dafs n. 69 des Poggio in der Ortsangabe bei Sanutus mit den schedae Valvassonii stimmt. Näheres wird sich vielleicht im Zusammen- hange späterer Arbeiten ergeben. Jedenfalls hat Sanutus für die hier besprochenen Theile derselben keinen Werth und ist von mir mit Stillschweigen übergangen worden. 9. Dasselbe gilt von Io. Bembus (cod. Monae. Lat. 10801). Inschriften Poggio’s finden sich bei ihm ziemlich zahlreich ein- gestreut, ohne dafs sich deren Ableitung klar erkennen lielse. Am wahrscheinlichsten ist mir, dafs sie direct aus Poggio ent- lehnt sind. Sowohl bei Lilius, wie bei den beiden zuletzt genannten Sammlern, fehlen die für die Bestimmung der Recension charak- teristischen Inschriften; die so viel gröfsere Verbreitung der ersten spricht allerdings für diese. Für unsre Zwecke genügt es, im Allgemeinen sie als mit Poggio zusammenhangend er- kannt zu haben. Dagegen .wird die zweite Recension für uns von dem sehr corrupten cod. Vaticanus und von Jucundus, dessen Handschrift in der Capitelbibliothek zu Verona und neben ihr die Maglia- becchiana 28, 5 vorzugsweise von mir benutzt werden, reprä- sentirt. Dafs letzterer dieser Recension entflossen ist, haben wir bereits zu Anfange dieses Aufsatzes gesehen; die Ortsan- gabe ad VII lucernas für die in Capitolio befindlichen Steine des Einsiedlensis läfst darüber keinen Zweifel. Zum Überflusse kann man noch einzelne auffallende Lesarten heranziehen, so in der Inschrift Poggio 28 zum Schlusse AIISTATYARYM, n. 30 locus adsignatus cet. CASTONIANO für COSCONIANO, n. 33«@ in dem auf die vectigalia promercalium bezüglichen Steine coN- STITVISSE für CONSTITVI IvSSIT bei cod. Vatic. und Jucundus Magl., Beispiele, zu welchen noch im folgenden einige hin- zukommen, und die ohne Zweifel sich leicht vermehren lassen. — Zugleich dürfte es nicht unangemessen sein hier darauf hin- zuweisen, wie es vorzugsweise diese Steine des Einsiedlensis und Poggio sind, die die Unrichtigkeit der Angabe des Iucun- dus erhärten, wenn er in der Dedication des zweiten Theils seiner Sammlung im cod. Veronensis sowohl, wie im Maglia- beechianus schreibt, nachdem er bevorwortet, dafs er nicht alle vom 3. Mai 1866. 241 Länder selbst habe besuchen und nicht Alles mit eignen Augen habe sehen können: quin ea quae ipse videre non potui, ab alüs perquisiverim et alienae fidei me commiserim, ut animo meo fla- granti quoad possem satisfacerem. cum ergo in superiori volumine annotaverim quae propriis laboribus et sudoribus congessi, operae pretium duwi etiam quae ab amicis et dignissimis diligentissimis- que viris accepi, in sequens opus describere. Hr. de Rossi hat bereits einzelne Ausnahmen von dieser Regel (fasti venosini p. 8) anerkannt, die er anderswo für Inschriften erklärt hat, welche, wenn auch nicht von Iucundus aus eigner Abschrift gegeben, doch zu seiner Zeit noch vorhanden und von ihm gesehen seien; indessen die hier besprochenen Inschriften zeigen klar, dafs diese Vertheidigung keineswegs stichhaltig ist.!) Von Iucundus hängen ab Petrus Sabinus und die unter Mazochi’s Namen bekannte Sammlung. Ersterer sagt ausdrück- lich in einem Briefe an Antonius Sabellicus, aus welchem die entscheidende Stelle bei Tiraboschi Lett. ital. VI 1 p. 185 ab- gedruckt ist, dafs er aus der dem Lorenzo von Medici gewid- meten Sammlung des Jucundus Inschriften entnommen habe, und bei der grofsen Übereinstimmung der Lesarten dürfen wir zu diesen unbedingt die Poggioschen zählen; dafs die Orts- angaben manchmal weniger stimmen, wird vorzugsweise in deren Abkürzung seinen Grund haben. — Für Mazochi ist die Sache nicht so leicht abzuthun. Der Compilator dieser Samm- lung, Franeiscus Albertinus, hat sich hie und da bedeutende Abweichungen erlaubt, namentlich sind die Ortsangaben oft sehr verschieden, und so ist es sehr natürlich, wenn man bei ihm zunächst eher an die Benutzung von Quellen, die er mit Iucun- dus gemeinsam habe, als an eine Ableitung aus diesem denken möchte. Indessen sind die Varianten im Texte gewils häufig !) [Auch für die übrigen Bestandtheile der Sammlung des Iucundus gilt dasselbe. Die Dalmatiner Steine finden sich in der allein malsgeben- den Veroneser Handschrift in drei Massen Bl. 106. 107 — Bl. 178. 179 — Bl. 187, welche sämmtlich dem ersten Theil angehören; von dieser ist die erste dem Iucundus eigenthümlich und aus den Steinen geflossen, woge- gen die zweite und dritte aus älteren Sammlungen schlecht compilirt und werthlos sind. Die Scheidung, die lucundus ankündigt, mag er beabsich-. tigt haben; durchgeführt ist sie nicht. Th. M. ] 242 Gesammtsitzung durch die grolse Nachlässigkeit des Druckes veranlalst, die Abweichungen in den Ortsangaben oft nur scheinbar, wie es denn sehr glaublich ist, dafs in der grofsen Hadriansinschrift Poggio 8 das in pede columnae des Iueundus durch das in foro Traiani des Mazochi nur erklärt wird, wie in proximo arcu ponti S. Petri (Poggio 9) mit in antiquo arcu haud longe a ponte ca- stelli bei Mazochi umschrieben ist. Aus der basilica Constantini (Poggio 22), die, wie wir oben anführten, selbst aus der basis Constantini des Einsiedlensis enstanden ist, macht Mazochi f. 33 die basilica Lateranensis, und, wenn er mit der betreffenden Inschrift diejenige der aedes Concordiae verschmelzt, die Iucun- dus (Veron. f. 152’) durch ein Romae trennt, so spricht dies im Grunde mehr für Abstammung des Mazochi aus Iucundus, als für beider directe Ableitung aus Poggio; denn bei letzterem stehen zwischen jenen beiden Inschriften noch diejenigen des Saturn- und Vespasiantempels (vgl. Poggio 22. 23 — 25). An- derer Seits ist freilich auch die Uebereinstimmung der Lesarten bei Iucundus und Mazochi sehr grofs. Die Inschrift des Bogens der Kaiser Arcadius, Honorius und Theodosius schliefst bei Poggio (2) und dem Einsiedlensis mit SPLENDORE; Iucundus hängt PERFECTVM an; statt DOCERE EXTI corrigirt er DOCVERE EXTIN- Gvı; in der Inschrift des Hadrian (Poggio 3) über die Erlassung der Steuerrückstände hat derselbe statt remittendo RETINENDO; in derjenigen des macellum Liviae (Poggio 11) ändert der cod. Vaticanus Valens in VALERIVS: Jucundus setzt GALERIVS, wäh- rend aus dem CELLOLIVIE das unsinnige COLLYVIAE wird; in der Capitolinischen Inschrift libertati u. s. w. (Poggio 27) hat der cod. Vatic. DCCCXXxXxXxIL. XXIHEA, Jucundus macht daraus DCCC. XXX. XXXI. XXXIHEA. Alle diese Lesarten, die sämmtlich, so weit wir sehen können, nur auf Iucundus zurückgehen, finden sich bei Mazochi wieder. Noch auffallender ist folgendes. In den mehr erwähnten Sacerdotalfasten (Poggio 62) werden die Jahre nach der gewöhnlichen Weise der sacralen Fasten mit A. P. R. C bezeichnet; Jucundus fügt in seinem cod. Veron. zur Erklärung ein A. v. c hinzu, welches im Magliabecchianus an die Stelle der richtigen Lesart getreten ist; Mazochi aber geht noch weiter und vereinigt die richtige Lesart mit der Glosse, indem er schreibt A. v. c. pP. R. c. — Für die Ab- vom 3. Mai 1866. 243 leitung aus einem gemeinsamen Original schien die Ortsangabe bei dem Bogen des Constantinus ein bedeutendes Gewicht in die Wagschale zu werfen, da Iucundus diese Inschrift nicht aus Poggio (45) hat, auf welchen dagegen die Notiz bei Mazochi (in arcu Oonstantini qui nunc dieitur Trasi) entschieden hindeutet; allein es ist zu bemerken, dafs Mazochi den Text dieses Mo- numentes nicht aus Poggio, oder doch nicht aus ihm allein giebt, und dafs er sehr wohl auch jene Ortsangabe anders- woher genommen haben kann. Dagegen scheint mir die Ab- leitung des Mazochi aus Iucundus ganz unwiderleglich durch Folgendes fest zu stehen. Die Inschrift Poggio 66 amplificatori urbis Romae domino nostro Constantino u. s. w. (Mazochi f. 54) wird von Iucundus und nach ihm von Mazochi zusammengezo- gen mit den letzten Zeilen der im Poggio vorhergehenden In- schrift des M. Antonius Antius Lupus, d. h. den Namen Q. FABIVS. HONORATVS. T. ANNAEVS. PLACIDVS. Jucundus setzt die Inschrift, die im Poggio ohne Ortsbestimmung steht, im cod. Veron. f. 154 nach Rom und giebt sie im cod. Magl. f. 95 ebenfalls ohne Ortsangabe, Mazochi aber setzt sie Romae in thermis Oonstantini. Poggio kann dazu keinen Anlafs gegeben haben; denn bei ihm geht die Inschrift des Antius Lupus vor- her, welche nach S. Paul und der via Östiensis gehört. Bei Jucundus aber, welcher letztere ausläfst, steht unmittelbar vor- her der Stein des Petronius Perpenna (Poggio 64), der in ther- mis Constantini gewesen sein soll. Es verstand sich also von selbst, dafs Mazochi, der überhaupt in den Poggioschen Steinen vorzugsweise der Recension des Magliabecchianus folgt, bei dem Fehlen jeder Ortsangabe jene auf diese Inschrift mit bezog. Der- selbe Fehler ist in den Apian p. 261 übergegangen, dessen viel- fache Ableitung aus Iucundus ohnehin zur Genüge bekannt ist. Beide haben, beiläufig bemerkt, die Lesart CONSORDANIVS, ent- standen aus dem CONSORDARIVS des Iucundus; Poggio hat im cod. Vatic. gleichfalls CONSORDARIVS; die ursprüngliche Les- art desselben war CONS. ORDARIVS, wie aus den anderen aus ihm abgeleiteten Sammlungen hervorgeht, hervorgegangen aus CONS. ORDINARIVS, welches hie und da, wie es scheint, durch blofse Conjeetur wieder in den Text gesetzt ist. Dafs auch die 244 Gesammtsitzung erstgenannten Lesarten die Herkunft der Mazochischen Poggiana aus Iucundus neu bestätigen, braucht kaum bemerkt zu werden. Wir sind hier an dem Punkte angelangt, wo mit Mazochi und Apian die gedruckten Inschriftsammlurgen beginnen, ver- mittelst derer, namentlich durch Mazochi, die bisher besproche- nen Inschriften des Einsiedlensis und Poggio-sich über die ganze folgende epigraphische Litteratur verbreiten. Panvinius und durch ihn Smetius, Ligorius, Manutius, Boissard, Gruter hangen alle, sei es direct, sei es einer durch den andern, von jenen ab, und selbst Iucundus hat noch weiter gewirkt, insofern viele der bei Gruter aus den Papieren des Metellus stammende Inschrif- ten aus dem Jucundianischen Codex des Cardinals von Carpi» viele in den Papieren des Pighius aus der gleichfalls Iucundia- nischen Sammlung des Cardinals von S. Croce genommen sind. Schliefslich mag noch bemerkt werden, dafs die Peutingerschen Papiere die Poggiosche Sammlung selbst nicht enthalten; ver- einzelte Steine sind aus Quellen zweiter und dritter Hand her- über genommen. Ich schliefse hieran einige Bemerkungen über die Verbrei- tung, welche die von Signorili gebildete Sylloge in den Samm- lungen des 15.. Jahrhunderts gefunden, wobei ich mich kurz fassen kann, da die Sache weit einfacher ist, als bei Poggio. Die Sammlung selbst erfordert nach Herrn de Rossi’s Unter- suchungen (le prime raccolte p. 3f#.) für jetzt keine näheren Erörterungen; nur erwähne ich, dafs seit jener Arbeit bessere Handschriften, als diejenigen, welche ihm damals zu Gebote standen, an’s Licht gekommen sind, so eine Chigische, eine von Utrecht und eine dritte von Catania. — Was nun die Ver- breitung der Signorilischen Abschriften betrifft, so finden wir sie zunächst in ausgedehnter Weise 1. von Cyriacus benutzt. Der treffliche cod. Parmensis enthält aufser vereinzelten Steinen grölsere Serien aus Signorili’s Sammlung auf f. 92 und 92’, 103 und 103’, und, wenn schon die Analogie mit den Poggioschen Steinen vermuthen läfst, dafs auch hier Cyriacus selbst der Sammler sei, so liefert dafür einen besseren Beweis das Vorkommen derselben Inschriften auch in anderen Cyriacanischen Handschriften und die Übereinstimmung | vom 3. Mai 1866. 245 der letzteren mit dem 'cod. Parmensis. Man vergleiche Signo- rili 9 im cod. Parm. f. 92 und cod. Marcianus Lat. XIV 124 £. 145’, namentlich die nur in diesen beiden vorkommende Les- art excellentissimi statt ewcelsissimi; eben so Sign. 26 im cod. Parm. f. 92 und cod. Vatic. 6875 f. 64. Wenn ferner im cod. Vatie. f. 75’ und dem ihm entsprechenden cod. Marc. f. 153’ die Verse der Salarischen Brücke in ponte Salario extra portam PICENAM gesetzt werden, so kann wohl nur der aus Picenum stammende Cyriacus in so ungewöhnlicher Weise die porta Sa- laria bezeichnet haben. Zwar hat der cod. Parmensis diese Bezeichnung nicht; allein auch er verbindet (f. 74) die Abschrift des Signorili mit einer abweichenden Ortsangabe. Varianten im Einzelnen können bei dem schlechten Zustande unserer Über- lieferung dabei nicht in Betracht kommen. 2. Gehen wir zum nächsten Nachfolger des Cyriacus, dem Felicianus, über, so scheint es, dafs auch dieser die Signorilische Sylloge gekannt und unabhängig benutzt, nicht etwa nur den Cyriacus excerpirt habe. Unsere Kenntnifs des letzteren ist zu unvollständig, als dafs wir daraus, dafs manche von Felicianus wiederholte Steine in unseren Oyriacanischen Handschriften feh- len, einen gültigen Schluls ziehen könnten; allein die Verschie- denheiten in den Ortsangaben und die Varianten im Texte sel- ber sind zu grofs und widersprechen entschieden einer Ableitung aus Cyriacus. Man vergleiche nur die so eben angeführten Inschriften, in denen Felicianus durchaus dem Signorili selbst folgt. Es schliefst dies natürlich nicht aus, dafs er auch für Steine, die bei Signorili sich finden, dennoch zuweilen die Ueberlieferung des Cyriacus vorzog, worauf z. B. bei der In- schrift des Trajansbogens von Ancona die Ortsangabe in MIRI- FICO arcu anconitano deutet (Felic. cod. Veron. f. 106); denn das fast gleichlautende mirificum opus in dem Itinerar des Cy- riacus im cod. Ottobon. 2967 deutet entschieden auf ihn als Abschreiber. — Von Felicianus hängt Ferrarinus in seiner er- sten Recension, der Utrechter Handschrift, ab; auch Lilius scheint, wie in Bezug auf Poggio, so auch hinsichtlich des Sig- norili ihn hie und da benutzt zu haben. 3. Für Marcanova steht die unmittelbare Ableitung aus ‚Signorili dadurch fest, dafs sich bei ihm viele Inschriften aus 246 Gesammtsitzung letzterem finden, die im Felicianus fehlen, während auch die Lesarten nicht selten bedeutend variiren. Für den älteren Berner Codex versteht sich das von selbst. Indessen hat er allerdings in seinem jüngeren Modeneser Codex den Felicianus auch für die Signorilischen Steine benutzt, wie denn in der Inschrift Sign. 82, dem Triumphbogen von Ancona, der cod. Bernensis ganz dem ursprünglichen Signorilischen Texte folgt, während der cod. Mutinensis nach Felicianus oder direct nach COyriacus modifieirt ist. Übrigens ist gerade dieses Beispiel entscheidend für seinen directen Zusammenhang mit Signorili, da aufser sei- nem cod. Bernensis nur noch der cod. Redianus jene Inschrift aus Signorili beibehalten hat. — Auch den Signorilischen Stei- nen gegenüber befolgt Marcanova das System, häufig die abge- kürzten Worte auszuschreiben. — Aus Marcanova sind geflossen die Signorilischen Steine zunächst des Ferrarinus in seinen spä- teren Ausgaben; die des cod. Oliva; des cod. Riecard. 767, wel- chen Osann abgedruckt hat; wenigstens theilweise entnahmen sie eben daher Cholerus und der Alciatus Fea’s; nicht weniger der cod. Marcianus des Belloni, bei welchem z.B. f. 41’ dem cod. Mut. des Marcanova f. 45 ff., f. 58 demselben f. 50ff. entspricht. Es versteht sich von selbst, dafs bei der Bearbeitung der Inschriften alle diese abgeleiteten Quellen mit Ausnahme des Ferrarinus einfach bei Seite gelassen sind. 4. Der cod. Redianus hat ebenfalls unabhängig aus Signo- rili geschöpft, wie die Reihenfolge beweist, in welcher bei ihm die einzelnen Serien Signorilische Steine bringen, und welche im Ganzen mit der ursprünglichen in Übereinstimmung ist, ab- weichend sowohl von Felicianus, wie von Marcanova. Damit soll nicht gesagt sein, dafs nicht auch von diesen Monumenten einzelne aus Felicianus genommen sind; so wird auch bei ihm die Inschrift des Titusbogens mit der folgenden numini deor. aug. zu Einer verbunden, und in derjenigen des Severusbogens ge- nügt das beiden gemeinsame insignibus virtutibus Forum (statt “ eorum) vielleicht für die Annahme der Abstammung des einen vom andern Exemplar. Wie dem aber auch sei, sicher sind wohl die Inschriften der Aqua virgo, diejenigen von Porta maggiore und von der Engelsburg direct aus Signorili geschöpft und bestätigen, was uns die Anordnung der Serien gezeigt hat. vom 3. Mai 1866. 247 5. Dafs Jucundus den Signorili gekannt und ausgeschrie- ben, bedarf keines besonderen Beweises, ist aber wiederum von Interesse hinsichtlich der Frage über die von ihm gesehenen oder nicht gesehenen Monumente; denn Steine des Signorili finden sich bei ihm sowohl im ersten, wie im zweiten Theile seiner Sammlung, unter jenen sogar einer, von dem er aus- drücklich sagt, dafs er ihn vergebens gesucht habe, und zwar Sign. 12, die bekannte Inschrift der Aqua Marcia, welche durch eine Transposition in der eignen Handschrift desselben eine falsche Ortsbestimmung erhalten hatte. Dafs er auch die be- kannte bisher räthselhafte Inschrift IvNIA- SILLANI- ET- 0SSA- NERONIS- CAESARIS (Sign. 49) im ersten Theile hat, ist ein eben so gewichtiger Beweis gegen seine oben von mir bestrittene Angabe; denn diese hatte er sicher weder abgeschrieben, noch auch nur gesehen'). — Von ihm hängen, wie hinsichtlich des Poggio nachgewiesen wurde, Sabinus und Mazochi ab: man vergleiche z. B. die Inschriften Sign. 19 (Castalius Innocentius u. s. w.) und 52 (M. Ovius u. s. w.) bei Iucundus (Veron. f. 48 und 49) und Mazochi f. 25 und 150, die genaue Überein- stimmung der Ortsangabe in der ersten, das falsche Anknüpfen einer andren Inschrift bei der zweiten. 6. Auch Lilius scheint die Sylloge des Signorili selbst ge- kannt zu haben, obwohl er Signorilische Steine häufig auch aus Felicianus nimmt; mit letzterem stimmen z.B. die Ortsangaben für die Inschriften vom Mausoleum des Augustus (Sign. 46. 47. 48. 49) sehr genau überein, namentlich ist n. 43 charakteristisch, !) Diese Inschrift, welche seiner Zeit Herrn de Rossi so viel zu schaf- fen machte (le prime raccolte p. 81ff.), steht bei Cyriacus im cod. Parm. f. 78, ohne Zweifel nach dessen eigener Abschrift, folgender Mafsen: in lapide effracto. Ich restituire darnach: Iunia Silani- e. IVNIA. SILANI. f. Sa. Neronis Caes sponSA. NERONIS. CAESaris hic. sita. (oder cremata) est _ und erinnere an Tacitus Ann. 2, 43 und 3, 29. Ihr Vater Silanus ward zu Ende des Jahres 769 wegen seiner Verwandtschaft mit dem Hause des Ger- manicus aus Syrien abberufen; alsu lebte damals noch die Tochter. Im Jahre 773 dagegen vermählte sich Nero mit Julia, Tochter des Drusus, und wird demnach seine Verlobte in der Zwischenzeit gestorben sein. 248 Gesammtsitzung wo beide in der falschen Angabe ad $. Sebastianum zusammen- treffen. Es möge ferner die genaue Übereinstimmung der Orts- angabe bei Sign. 57 angeführt werden, wo Lilius (cod. Helmst. f. 108) und Felieianus (cod. Veron. f. 139) statt in porticali carceris sanctorum Petri et Pauli gleichmälsig das sinnlose in pontecali haben. An eine gemeinsame Ableitung aus Cyriacus möchte ich jedoch nicht denken, da wenigstens unsere Cyriaca- nischen Handschriften abweichende und richtige Angaben haben. Dafs Lilius manche Inschriften hat, welche in unseren Cyriaca- nischen Codices fehlen, hat nicht viel zu bedeuten, da letztere uns die Sammlungen des Cyriacus sehr unvollständig darstellen. Zu bemerken ist, dafs in der Ortsangabe zu Signorili 32 Lilius mit dem Signorilischen cod. Ottobonianus vollkommen überein- stimmt: beide setzen der gewöhnlichen Angabe in pede columnae sitae in .foro Traiani, ubi hodie est ecclesia sancti Nicolai statt der Worte de columna hinzu: prope arcum Fuscorum de Berta. Eben so weicht er von Felicianus ab in der bekannten Inschrift des Commodus von Nepi (Sign. 41), in welcher sowohl Cyriacus, wie Felicianus nach dem Vorgange der besseren Signorilischen Handschriften das Wort iuvenes auslassen, wogegen es Lilius richtig hat. Manchmal componirt Lilius seine Texte aus Signo- rili und Poggio, wie z. B. die Inschrift des Gallienusbogens, nach der Ordnung, in der sie aufgeführt wird, und nach der Ortsangabe zu schliefsen, aus Signorili genommen ist, während Lilius das falsche dedicatissimus in das nicht weniger unrichtige VINDICATISSIMVS des Poggio verwandelt. — Für die Bearbeitung der Signorilischen Inschriften ist Lilius ohne Werth, und wurde er defshalb nur da angeführt, wo Besonderheiten bei ihm vor kommen. 7. Dasselbe gilt von Jo. Bembus, Sanutus, den Papieren Peutingers. Ersterer hat den Signorili selbst mit abgekürzten Ortsangaben ausgeschrieben, namentlich auf f. 435— 50, wo die Reihenfolge des Originals (Sign. n. 9— 79), obwohl mit zahl- reichen Auslassungen, eingehalten ist. Bei Sanutus finden sich die Signorilischen Steine gleich zu Anfange (f. 1—7), während einzelne anderswoher an anderen Stellen wiederkehren. — In den Peutingerschen Papieren findet sich eine Abschrift des eigent- lichen Signorili im cod. 526, aulserdem aber kommen die In- vom 3. Mai 1866. 249 schriften mehr oder weniger oft aus den verschiedenen bei ihm copirten oder excerpirten Sammlungen an vielen Stellen wie- der vor. Hiermit wären wir auch für Signorili bei der Epoche der gedruckten Werke angelangt, in die ihn weiter zu verfolgen nicht unsere Absicht sein kann. Wenn auch im Laufe der ‚ Ausarbeitung des Corpus Inscriptionum Latinarum Einzelheiten hinsichtlich der Fortpflanzung der hier behandelten ältesten Sammlungen noch Modificationen erleiden sollten, so glaube ich doch, die Grundlagen ihrer Geschichte in Obigem festgestellt zu haben. Rom im October 1865. j W. Henzen. An eingegangenen Büchern wurden vorgelegt: Bulletin de la societe de geographie. Paris, Avril 1866. 8. Lambert von West, Eine dringende Mahnung an Freunde der Physik, Mechanik und Astronomie. Wien 1866. 8. 7. Mai. Sitzung der philosophisch-histori- ‚schen Klasse. v Hr. Schott sprach über finnische und estnische heldensage. Die Ostsee-Finnen bewahren das andenken an einen ural- ten heros dessen name in seinen angeblichen söhnen selbst bei den Lappen nachklingt und nach welchem das eigentliche Finn- land (Suomi, Suomen maa) in alten sagen Kalevala heisst.!) Bei den Suomalaiset von dichtestem nebel der vorwelt umhüllt, ist Kaleva (Kalewi) in estnischen überlieferungen ein sehr an- schauliches, scharf gezeichnetes wesen, der durch nordlands adler nach Wiron ma (Estland) getragene erste könig der Esten, unter welchem ein goldnes zeitalter blühte. Als söhne dieses Kaleva betrachten die eigentlichen Finnen einen glänzenden verein anderer heroen von welchen drei die vornehmsten gestalten des grolsen sagenkreises sind den Lönn- *) Sihe s. 414 und 440 der academ. abhandl. vom jare 1862. 250 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse rot unter dem gesammtnamen Kalevala zusammengestellt hat. Sofern Kaleva Estland angehört, hinterlässt er nur drei söhne von welchen der jüngste nach ihm zur herrschaft gekommen.') Dieser gleich seinen brüdern namenlose jüngste sohn ist ein beständig abenteuer suchender kraftmensch, und das geschlecht der Kaleviden geht mit ihm, wenigstens für Estland und Liv- land, schon unter, da er ohne nachkommen bleibt und von seinen brüdern seit irem freiwilligen abzuge durchaus nichts mehr ver- lautet. Wie ich in meiner arbeit über die sagen von diesem jüngsten Kalewsohne (Kalewi-Poeg;) bereits hervorgehoben, so offenbart der ihn betreffende sagenkreis in manchen stücken nahe verwandtschaft mit der Kullervo-sage Finnlands welche der zweiten ausgabe des epos Kalevala in sechs gesängen (runo 31—36) eingefugt ist. Auch Kullervo wird öfter ein ‘sohn Kaleva’s genannt?), und ganz abgesehen von verschiednen anderen berührungspunkten, nehmen er und Kalewi-Poeg ein frühzeitiges gewaltsames ende: Kullervo stürzt sich nach allen verirrungen eines ganz verfehlten daseins aus gewissensqual in sein eignes schwert, und das schwert des estnischen helden tödtet, von unsichtbarer schicksalshand geführt, seinen ehemaligen besitzer als sühne für eine begangene übeltat. Der Kalewsohn Estlands tut in seinem abenteurerleben mehr gutes als böses, bei Kullervo ist es umgekehrt; der we- sentliche unterschied beider besteht aber darin, dafs die verge- hen des letzteren viel weniger ihm selbst als dem schicksal an- zurechnen sind. Die natur hat ihn zum helden geschaffen, das geschick zum sclaven entwürdigt. Für einen wirkungskreis geboren der seiner riesenstärke und seinem heldenmut freie ent- wicklung gewährt hätte, wird er von kind auf in die sphäre eines leibeignen knechtes gebannt dem man lauter beschäftigun- gen aufbürdet die seiner unwürdig sind. Er kennt das ganze *) Vgl. meine bemerkung über die drei Äalla-söhne der Lappen auf s. 447 des vorerwähnten bandes. *) Nur nicht in jener grolsen episode, wo er sohn Kalervo’s, des häuptlings einer fischercolonie ist. Vgl. meine schrift über Kullervo, s. 23— 26, und die über Kalewi-Poeg, s. 447. vom 7. Mai 1866. 251 brennende bedürfniss eines grofsen herzens, zu lieben und ge- liebt zu werden, aber die umgebende welt zerreisst dieses herz mit lieblosester härte.‘) Bereits in meiner skizzenhaften abhandlung über die ihn betreffende sage (1852) nannte ich iren unglücklichen helden den “verkörperten fluch der knechtschaft, das sinnbild eines vom schmählichsten zwingherrndrucke lange niedergebeugten volkes, dessen etwanige ausschreitungen nach endlich gesprengter fessel so gern in irem ganzen umfang ihm selber schuld gegeben werden, wobei die eingebildete statsweisheit übersiht, in was für einer schule man das volk erzogen, mit was für beispielen moralischer verworfenheit man ihm von oben vorgeleuchtet hat. Sehr merkwürdig ist aber der umstand dass diese in irer art vielleicht nur mit sich selbst vergleichbare sage, die wie ein gewaltiger düsterer felsen aus den wogen der ge- wöhnlichen finnischen volkslieder emporragt, nur in der sprache Finnlands vorhanden ist, dessen bewohner ungleich weniger tyrannisirt worden sind als ire estnischen brüder. Dennoch wird und wirkt der estnische held unter bedingungen die ihn allein für sein ganzes tun und treiben verantwortlich machen; und politische erbitterung des sängers giebt sich überhaupt erst im letzten gesange recht entschieden kund, wo Kalewi-Poeg einen ritterlichen meuchelmörder welcher ihn, den an Estlands zukunft endlich verzweifelnden, in seinem freiwilligen exile auf- gesucht hat, in beschimpfendster weise tödtet. Was die entstehung der Kullervo-sage betrifft, so mögen wenigstens ire ersten keime schon aus dem alten Biarmien (Beormien, Biarmaland) mitgebracht sein dessen name im heu- tigen Perm (Päärmä), wo noch jetzt ein finnischer stamm mit Russen zusammenwohnt, sich erhalten hat. Ich finde nemlich im zweiten bande der russischen zeitschrift Hepmerin c6opunks d. i. Perm’scher sammler (s. 168ff.) ein an sich ziemlich ‘) Vergl. eine vom standpunkte ästhetisch-psychologischer beurteilung wertvolle arbeit des herrn Cygnaeus, der man nur zu grolse breite und ein zu langes preambolo vorwerfen kann, betitelt “det tragiska elementet uti Kalevala’. Sie findet sich in dessen “Afhandlingar i populära ämnen’, 2. teil, Helsingfors 1853. z 252 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse ungeschlachtes russisches volksmärchen, in welchem einiges an unsere finnische sage lebhaft erinnert.') Die ehefrau eines ehr- samen popen wird von einem landstreicher der ir im walde begegnet, schwanger und gebiert einen mit bärenohren zur welt kommenden sohn der ‘nicht nach jaren sondern nach stunden wuchs (ema1s pocmn He 10 Toaamb a Io wacame), und wenn er hinaus auf die gasse kam, andere kinder todt schlug. Die leute sagten zu seinem pflegevater: “was hast du da für einen sohn, der bringt ja alles ums leben!” Der pope wollte den jun- gen Ivaschko (Hänschen, Hansel) Bärenohr (Uramko mersuzen yım): wie man ihn getauft hatte, aus dem wege schaffen ohne selbst hand anlegen zu müssen, und sagte einmal zu ihm: “geh doch und sih nach unserer schwarzen kuh im walde‘. Daselbst hauste nemlich ein bär und der priester hoffte, Ivaschko in seinen tod zu schicken. Dieser antwortete: “meinetwegen!’ ging in den wald, bemeisterte sich des bären der ihn angriff und schleppte ihn nach hause in den stall, wo er alles vih er- würgte. Mit genauer not kamen die menschen davon. Einige zeit nachher schickte der pope seinen unheimlichen pflegling im buchstäblichen sinne zum teufel, den aber Ivaschko wider alles erwarten dazu zwang, dass er die seit sieben jaren schuldigen kirchengebüren abtrug! Ivaschko schwingt . den geldsack auf seine schulter, trägt ihn nach hause und wirft ihn auf den tisch dass der tisch sich krachend spaltet. Der pope machte nun keinen ferneren versuch mehr, sich seiner zu entledigen, aber nach einiger zeit sprach Ivaschko zu beiden ältern: ‘ich sehe dass ir mir nicht gut seid: so backet mir einen kranzkuchen (kanaup) auf die reise und lasset mich fortzihen” Beides ge- schiht, und das weitere hat für unseren zweck keine bedeutung mehr. Der Ivaschko des russischen märchens wächst wie Kullervo und Kalewi-Poeg an grölse und leibeskraft wunderbar schnell heran und beginnt wie ersterer schon als kind mit zerstörenden 1) Das märchen ist in der mundart des landes Perm mitgeteilt die vom gewöhnlichen grofsrussischen wenig abweicht. Vgl. meinen artikel “Russische und finnische überlieferungen’ im 22. bande des Erman’schen archivs, s. 589 ff., 617 ff. In. vom 7“. Mai 1866... \, 253. kraftproben. Unter anderen tödtet er ein anderes kind das er wiegen soll. Sein pflegevater macht zweimal den vergeblichen versuch ihn für immer los zu werden, wie Untamo, der zwing- herrliche oheim des jungen Kullervo, diesen dreimal der drin- gendsten lebensgefahr aussetzt. Kullervo, an den schmied I- marinen für einen spottpreis verkauft, und von diesem als hüter der herde in den wald geschickt, treibt statt des vihes ein ru- del wölfe und bären heim und Ilmarinen’s weib (das dem un- glücklichen knaben einen boshaften streich gespielt hat) wird von den raubtieren zerrissen. Hansel Bärenohr ist in den wald geschickt um allda selber zerrissen zu werden, und weil er diese absicht des popen ohne zweifel geahndet hat, treibt er den bären heim statt der kuh, und dieser bringt das vih des popen um. Die worte Ivaschko’s mit denen er von seinen ältern scheidet, enthalten einen vorwurf ob irer lieblosen be- handlung, die er nicht verdient zu haben glaubt. Auch Kullervo verlässt das (endlich wiedergefundene) väterliche haus, nachdem er sich überzeugt hat, dass die gemüter der seinigen ob des von ihm angerichteten unheils gegen ihn erkaltet sind, mit ein- ziger ausnahme der mutter, und für diese allein fühlt auch noch sein verbittertes, der ganzen übrigen welt feindseliges herz. Wenn jene mähr aus dem volksmunde der russischen Permier nur alter nachhall der unentwickelten oder vielleicht missverstandenen Kullervo-sage ist, so müssen andererseits alt- nordische (scandinavische) sagen auf die letztere, wie auf die vom Kalewsohne eingewirkt haben. Der Sigfrid der Wilkina- sage wird als neugebornes kind in seinem gläsernen gefäfse, das Artvin in den fluss gestolsen, auf wunderbare weise gerettet; den jungen Kullervo steckt Untamo, weil der erst ‘kniehohe’ knabe schon rachegedanken vor sich hin gemurmelt, das erste mal in eine tonne die er ins meer wirft, aber nach drei tagen findet man ihn auf einer woge stehend und fische angelnd. Der junge Sigfrid entsetzt schon im knabenalter seinen pflege- vater, den schmied Mimir, mit so ungeschlachten kraftproben, dass dieser ihn nach dem walde schickt damit ein dort hausen- der drache ihn tödte; Sigfrid aber erlegt den drachen und bringt dessen abgeschnittenen kopf nach hause, wie Ivaschko den bä- ren der ihn zerreissen sollte, und wie Kullervo bären aus dem [1866.] 19 254 Sitzung der- philosophisch-historischen Klasse walde bringt die Ilmarinens weib umbringen. Kullervo rächt sich an dem weibe eines schmiedes, Sigfrid an dem schmiede selber den er nach seiner heimkehr todtschlägt. Dem Kullervo sagt ein rabe wie er sich am schmiede Ilmarinen rächen solle, und den jungen Sigfrid bringen zwei vögel auf den gedanken, seinen pflegevater zu morden. — Was Kalewi-Poeg betrifft, so hat dieser mit Sigfrid vorzugsweise gemein dass er bei prüfung der stärke von schwertern in der esse eines finnischen schmie- des eine sehr ähnliche 'kraftprobe ausführt wie Sigfrid in der esse des Mimir: er zerschlägt den ambos samt dem unterstützen- den klotze. Einen anderen einfluss scandinavischer sagen mag man darin erkennen dass der finnische und der estnische held durch ir eignes schwert sterben müssen. Aber Kullervo stürzt selbst- mörderisch in das seine, während das schwert des Kalewsohnes, als er darnach greifen will, aus dem bache wo es festgebannt gewesen, sich erhebt und ihm beide beine abhaut. Das selbst- erworbene schwert tödtet auch Odinn’s enkel Svafrlami in der Hervarar-sage, aber erst nachdem es in die faust eines gegners gekommen ist. Dem Kalewsohne hat der finnische schmied dessen sohn er im rausch erschlagen, fluchend geweissagt dass die durch schnöden mord entweihte waffe ihn selber einst tödten werde. Dem Svafrlami weissagt einer der kunstreichen zwerge die sein schwert Tyrfing geschmiedet, es werde ihm den tod ‚geben wenn er mit demselben höchstens drei ehrlose taten (priu nidingsverk hin mestu) getan haben würde. Jetzt einige zusätze und verbesserungen zu meinen beiden abhandlungen. Kullervo. S. 3. Auch Kalewi-Poeg zersprengt die ersten bande der kindheit, seine windeln. Dieser tut es erst nach einem monat, zerbricht aber zugleich auch die wiege. Herr W. Radlof hat bei den Teleuten von Tomsk ein mährchen entdeckt dessen held Ag Kübük (d.i. weisser schaum oder weisse sahne, unmalfsgeblich der waschlappigste aller hel- dennamen!) nach seiner geburt nur einen tag ruhig bleibt, am zweiten aber die wiege zerbricht, und — auf den fischfang sich begiebt. Sihe Erman’s archiv, band 23, s. 26. vom 7. Mai 1866. 255 S. 10. Der 7te vers von oben und die ganze 2te anmerkung sind auszustreichen. Die aus Renvall’s wörterbuche angeführten bedeutungen der wörter kohlu und mahla (mehrzahl mit ?) passen hier nicht; beide wörter drücken auch den begriff “qualen’, zu- nächst körperlicher art (schläge, verwundungen durch solche) aus, was übrigens selbst das neueste finnisch-schwedische wör- terbuch Euren’s unbemerkt lässt. In worterklärenden randnoten zu Kalevala erklärt herr Lönnrot kohlu durch kolhu, Iyömäa, pieksemä; mahla durch mehu (saft) und veri (blut): kohlut sind schläge, peitschenhiebe, veret: blutungen, blutvergiessen. Die verse: “kostamatta taaton kohlut, taaton kohlut, maammon mahlat' sind demnach etwa so zu übersetzen: “ungerächt des vaters leiden, vaters leiden, mutters qualen'. S. 17, oben. Stamm von virsi ist vir-te, die wurzel vir; diese ist verwandt mit viru gezwitscher und mit dem vir des magyar. vir-dul gellend schreien. Man würde also gröblich irren wenn man bei ersterwähntem worte an das lateinische versus, unser ‘vers dächte, welches bekanntlich von vertere herkommt und mit ‘singen’ oder ‘zwitschern gar nichts zu tun hat. Das wort ‘vers’ haben die Finnen zwar auch aufgenommen aber in der form värsy und nur in der bedeutung die es bei uns hat. Kalewi-Poeg. 8. 1 (414), zeile 13 v. o. streiche das wort “halb'. S. 6 (419, z. 12 v. u. streiche ‘cui bono?’ Es ziemt uns keineswegs, zu fragen warum Ukko die geraubte Linda lieber in einen felsen verwandelt als auf andere weise von irem räu- ber befreit. Über plötzliche versteinerung germanischer riesen sehe man Grimm’s deutsche mythologie, s. 517ff. Einer russischen sage zufolge zogen sich die letzten heroen (bogatyri) dieses volkes aus verzweiflung darüber dass die von ihnen öfter geschlagenen horden der Tataren immer “nachwuchsen’, endlich in steingebirg, in dunkle hölen zurück und wurden selber zu stein (okamensb.ın). ‘So — heisst es — ging ir geschlecht unter im heiligen Russen- land.!) Die Vogulen glauben dass die riesen irer vorzeit, wenn sie kraftlos geworden waren, in steine sich verwandelten und t) Sihe A. Filonov’s Pyceraa Xpnemomamia, s. 105. 19 * 256. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse darinnen fortleben. Man verehrt noch im Vogulenland menschen- ähnliche steine weil ein jarkum (kraftmensch, riese der vorzeit) sie bewohnen soll.') S. 8 (421). ‘K.-P. entwurzelt einen jungen eichbaum’ u. s. w. Die russische sage lässt iren volkstümlichsten helden, Ilja aus Murom, ebenfalls “mit der rechten hand eichen entwurzeln’ (Xpucmom. s. 133), allein er bedient sich ihrer nicht als waffe, sondern als brücke (über die Donau). S. 14 (427). Hier bitte ich, zeile 11—13 v. o. so zu verändern: ‘der hinzugekommene junge held springt hinab, bringt aber statt des kleinods der jungfrau einen mühl- stein den ihm feindliche zauberer nachgeworfen, und den er an seinen finger gesteckt, wieder herauf. Ich hatte hier ein- mal ausnahmsweise auf die schlechte Reinthal’sche übersetzung mich verlassen welche die textesworte (vers 963 — 965): “Mis tal sörmuksest sörmessa? Weski kiwi weereb käessa, Sorm käib läbi silmuksesta® so wiedergiebt: Hat er auch den ring am finger? Ei ja freilich hat er einen! - Wie ein mühlstein fast[?] zu schauen Schwebt[!] er ihm am kleinen finger. Sie heissen aber: Was hat er als ring am finger? Mühlenstein dreht an der hand sich, Finger geht durchs loch des steines.?) S. 15 (428). Den russischen nationalhelden 'Ija von Mu- rom versteckt die zu ihm von liebe erglühte gattin des titani- schen ungeheuers Svjätogor (d. i. Heiligerberg) in der tasche des gerade schlafenden eheherrn. Der wieder erwachte und auf seinem zelter weiter trabende riese ziht, von dem treuen rosse gewarnt, den vergleichungsweise so winzigen heros aus ‘) Sihe Reguly hagyomaäanyai (Reguly’s nachlass) band 1, s. 441 — 142. *) Geht durch d. h. steckt daran. Der ganzen zweiten zeile Rein- thals entspricht im texte gar nichts. vom 7. Mai 1866. 257 seiner tiefen tasche, nennt ihn seinen jüngsten bruder und lehrt ihm alles was ein bogatyr verstehen muss.') S. 28 (441), z. 8 v. o. Muljuma heisst “zerquetschen', “zertreten’, nicht eigentlich ‘verwüsten'. S. 31 (444), z. 20 v. o. ‘'Eherne gesänge’ ist wie ich schon vermutet hatte, eines der vielen Reinthal’schen quidproquo’s. Lunastusi, indefinit der mehrzahl von lunastus, heisst streng wörtlich ‘erlösungen. Herr Kreutzwald, wegen der auffas- sung des wortes in diesem zusammenhange selbst im zwei- fel, sagt mir brieflich dass vielleicht “durch schwere opfer zu lösende gesänge gemeint seien. S. 36 (449). Hier ist im dritten satze gezeigt wie Rein- thal ebenso geschmacklos als dem texte untreu von einem hemde spricht, das ‘noch weisser als der leib’ sei.. Hätte er den leib wenigstens für ebenso weiss wie das hemd erklärt, so würde er zwar immer noch falsch übersetzt, aber wenigstens eines in russischen sagen häufigen vergleiches (cs maambaya urb.1o .6b.10e) sich bedient haben. S. 39 (452), zu anm. 21: sitikmusta wird nach hrn Kreutz- wald nur von dunkelbraunen augen gesagt. S. 41 (454), z. 15 v. o. Unter goldnen tauen sind hier bortenartig gewirkte aus feinem gold- oder silberdrat zu ver- stehen: der text hat poordi köied bortene seile. S. 42 (455), ganz unten. Meine ‘gewissheit' ist hier zu schanden geworden. Herr Kreutzwald zeigt mir brieflich an dass wirklich höbesild silberbrücke zu lesen ist. So heisst nem- lich nicht ein band, sondern die grosse silberne brustspange. S. 45 (458), anm. 29. Peenikene heisst zwar buchstäblich !) Xpnemom. s. 103— 104. Den Svjätogor lässt die sage von sich selber rühmen: Kakb 651 A MATH HallleAG, Takb A ÖbI BCIO 3eMAo NOAHAIB Fänd ich den schwerpunkt vor, Ich höb die ganze erd empor! Auch soll ihn die erde selbst mit mühe getragen haben. 258 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse ‘kleinchen, wird aber nach hrn Kreutzwald von “hohem und dabei feinem schmächtigem’ wuchse gesagt.') S. 46 (459), oben. Von einem “ausrenken’ (gewaltsamen aus- sperren?) der hüfte und ‘verletzen’ des lendenknochens ist weder an dieser stelle noch an der s. 464 eitirten die rede. Die vers- zeilen 354— 356: “Niutest ehk niksatie, Labaluust ehk naksatie’ heissen wörtlich: (bist du) an der hüfte (taille) knisternd-, an dem schulterknochen knackend-berührt-worden? Niksatama und naksatama dürfen (wie herr Kreutzwald mich gütigst belehrt) nicht mit nikastama (verrenken) verwechselt werden wie Rein- thal zuerst getan: sie deuten nur auf rohe, gleichsam ein knistern erzeugende berührung. S. 49 (462), mitte. Die stelle aus Kalevala muss also übersetzt werden: ....... ‘doch ist das weh nicht arg genug, der schmerz nicht quälend genug, dass ich arme stürbe, u. Ss. w. Sinn: der schmerz hat nicht die kraft mich zu tödten (darum will ich im meere enden). — In der ersten anm. unten lese man udu statt udus; “meeres-nebel geht auf die dem blick undurchdringliche tiefe. S. 51 (464), anm. 40. Hier gilt wieder das zu s. 462 bemerkte. Zeile 7 v. u. lese man “übersetzer statt “verfasser, damit es nicht aussehe als träfe der vorwurf herren Kreutzwald. S. 52 (465), anm. 42. Die textesworte ‘täida sünnitaja soowi sind so zu übersetzen: erfülle (deines) erzeugers (d. h. meinen, des schmiedes) wunsch. sSünnitaja das nur 'erzeuger bedeuten kann, steht hier im genitiv-verhältnisse. Soowi als sub- stantiv fehlt im wörterbuche. S. 53 (466), anm. 435. Wenn der sagenhafte russische räuber Solovej (Nachtigall) als raubtier brüllte, so 'neigten sich die dunkeln wälder vor seinem gebrüll zur erde, die flüsse trüb- ten sich vom aufgewühlten kiese, paläste erbebten‘, u. s. w. Schon das einherschreiten der bogatyre hat gewaltige wirkungen: Es schritt Wolga Buslajevitsch über die feuchte erde, Da schwankte mutter erde hin und her, ') Herr Neus übersetzt es in seiner ausgabe estnischer volkslieder bald mit ‘zarte’ bald mit ‘holde feine’. vom 7. Mai 1866. 259 Da stob auseinander das wild im walde, Zerstoben die vögel unter den wolken, u. 8. w. Sihe Xpnemom. s. 113, 131, 136. S. 55 (468), anm. 47. Die braut oder geliebte wird an verschiednen stellen des Hohenliedes von dem bräutigam “meine schwester (nix) angeredet. S. 56 (469), anm. 51. Die textworte: “Kodusi on Taara koeas, kuldseid kalju kamberida müssen so verstanden werden: wohnungen giebts in Taara’s hause, goldne felsen-kammern. Nachdem die hehre erscheinung den helden ermahnt hat, nichts erfahren zu wollen was seine fassungskraft übersteige, beant- wortet sie in unbestimmten ausdrücken des Kaleviden frage “wo (ist) dir (hast du) in der ferne ein haus (kus sul kaugela koduda)?’ kodu-si ist hier indefinit der mehrzal, wie kodu-da der einheit. S. 62 (475). Brückenbauer heisst die wünschelrute weil sie dem flihenden gleichsam eine brücke baut um den verfolger abzuhalten (Kreutzwald). S. 66 (479), ganz unten. Kaste-keered wird der an stillen sommerabenden wellenförmig sich erhebende tau genannt (Kreutz- wald). Keer heisst drehen, auch drehend spinnen und als sub- stantiv “gedrehtes‘, ‘zwirnfaden’; keered ist mehrzal. S. 69 (482), anm. 82. Herr Kreutzwald spricht mir brief- lich die vermutung aus, dass jene angebliche erscheinung der mutter unseres helden im reiche Sarwik’s allerdings nur ein wesenloses bild sei, gleichsam das werkzeug wodurch der höchste gott selbst dem Kalewsohne den kunstgriff zur besiegung seines gegners eingab. S. 71 (484). Da der Este ‘wind’, auch im gemeinen le- ben, gern für ‘luft sagt, so braucht man die geister der abge- schiednen nicht gerade als nur in der stark bewegten luft, im winde wandelnde zu denken. S. 73 (486), anm. 98. Die meisten leser werden sich wol hier an des gefesselten Loki’s höllenstrafe erinnern, besonders an sein zucken so oft ihm das drachengift ins angesicht tropfet, welche zuckungen die erdbeben erzeugen sollen.') ‘) S. z. B. in Snorri’s Edda: Gylfaginning, cap. 50. 260 " Gesammtsitzung S. 74 (487). Das von Ahlgvist mitgeteilte mokseha-mord- vinische lied von: der welt-birke finden wir beim estnischen volke beinahe streng wörtlich wieder. Dieses in Neus estni- schen volksliedern (1850 — 52) vermisste lied hat mir herr Kreutzwald mitzuteilen die güte gehabt. Am 16. Mai, als dem Jahrestage, an welchem vor funfzig Jahren die Vorrede zu Franz Bopp’s Schrift: Conjugations- System der Sanskrit-Sprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache datirt ist, erstattete die Akademie demselben ihre Glückwünsche durch folgende von allen ordentlichen Mitgliedern unterzeichnete Adresse: Hochverehrter Herr College, am 16n Mai 1816 unterzeichnete Windischmann die Vorrede, durch die er Ihrem Conjugationssysteme der Sanskritsprache die Bahn zu bereiten suchte, in richtiger Erkenntniss der geisti- gen Kraft des jugendlichen Verfassers jenes nicht jugendlichen Werkes und in mannigfacher Ahnung des Einflusses den es auf die Entwickelung der Sprachwissenschaft haben werde. Aber kein Blick in die Zukunft konnte das grosse Gebäude ermessen, zu dem Sie, des nicht lange an den Tag gebrachten Sanskrit sich wissenschaftlich bemächtigend, in jener Arbeit den ersten Grundstein legten und dessen weite und feste Mauern Sie vor Allen in fünfzigjähriger unermüdeter Thätigkeit emporgeführt haben. Ihren Arbeiten und Ihrer Lehre verdankt unser Jahr- hundert eine neue Gestaltung der Sprachwissenschaft, glänzende Entdeckungen Ihrem Scharfsinne, Ihrer klaren und methodischen Betrachtung Regel und Muster verwandter Untersuchungen, Ihrem lauteren und unselbstsüchtigen Wahrheitsinne ein sittliches Bei- spiel wissenschaftliches Strebens. Mit weiser Sammlung der Kraft und mit der festen Sicherheit ausgeprägter Begabung und vollendeter Meisterschaft haben Sie Ihre tiefdringenden For- schungen vornehmlich der Sprachzergliederung und Sprachver- gleichung zugewendet; aber sie sind in viel weiterem Umfange von gröster Bedeutung und Wirkung gewesen, massgebend und festigend für alle philologische und historische Wissenschaft. nn. vom 17. Mai 1866. 261 Wie Viele’auch an dem heutigen Tage, an dem’ der Blick bei den fünfzig Jahren Ihres fruchtbaren Wirkens bewundernd verweilt, Ihnen ihre Verehrung und ihren Dank aussprechen, wir thun es mit besonderem Rechte. Unser Dank und unsere Glückwünsche gelten nicht allein dem Gelehrten, dem Eroberer neuer Gebiete der Wissenschaft, dessen die Akademie sich als des ihrigen rühmt, sondern auch dem Manne edler und milder Gesinnung, dem freundlichen Genossen, dem die herzliche Liebe aller gesichert ist, die eine nähere Gemeinschaft mit ihm ver- bindet. Möge Ihnen beschieden sein noch lange zu wirken und des gelungenen Wirkens sich zu erfreuen. Berlin, den 16n Mai 1866. Die Königliche Akademie der Wissenschaften. 17. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Herr W. Peters las über die Ohrenrobben (See- löwen und Seebären), Otariae, insbesondere über die in den Sammlungen zu Berlin befindlichen Arten. Dafs diejenigen Säugethiere, welche den Menschen keinen unmittelbaren Nutzen gewähren und sich durch ihre Lebens- weise und geringe Grölse gewöhnlich der Beobachtung entziehen, weniger bekannt sind, wie z. B. die kleinen Nager und Fleder- thiere, darüber darf man sich nicht wundern. Dagegen ist es auffallend, dafs Thiere, welche den Menschen unmittelbar den grölsten Vortheil bringen, welche einen Hauptgegenstand für die Schiffahrt, den Handel und die Industrie ausmachen und für deren Fang seit Jahrhunderten jährlich Tausende von Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, noch nicht wissenschaftlich hin- reichend bekannt sind. Ich will hier nicht von den Walthieren reden, deren ungeheure Grölse selbst unter den allergünstigsten Verhältnissen für eine erschöpfende wissenschaftliche Untersu- chung die gröfsten Schwierigkeiten darbietet, sondern von den meistens nur eine mälsige Grölse erreichenden Seehunden, be- sonders von den s. g. Seelöwen und Seebären, welche theils wegen ihres Pelzes, theils wegen ihres Specks zu vielen hundert- tausenden nach Europa gebracht worden sind. Man kann wohl 262 Gesammtsitzung sagen, dals es kein einziges Werk, keine einzige umfassende Abhandlung über diese Thiere gibt, worin nicht in der einen oder andern Weise, sei es durch Confusion ganz verschiedener Arten, sei es durch eine unnatürliche Zersplitterung einer einzi- gen in mehrere Arten, die Verwirrung über diesen Gegenstand vergröfsert worden wäre. Selbst die neuesten Zusammenstellun- gen von Hrn. Gray in England und Hrn. Gill in Amerika, denen doch die gröfsten Sammlungen der Welt für ihre Unter- suchungen über diese Thiere zu Gebote standen, sind hiervon nicht auszunehmen.. Unsere Sammlungen sind in diesem Zweige selbstverständlich nicht mit denen jener grolsen seefahrenden Nationen zu vergleichen, jedoch bieten sie immer noch einiges Material dar, um einen Beitrag zu der Kenntnils dieser in jeder Beziehung so wichtigen und merkwürdigen Thiere liefern zu können. Wenn ich hierüber gegenwärtig früher und daher in unvollkommnerer Weise, als ich seit längerer Zeit beabsich- tigte, eine Mittheilung zu machen mir erlaube, so bin ich hierzu einerseits durch eine Sendung des Hrn. Philippi und die Untersuchung eines neuen merkwürdigen Seelöwen des Hambur- ger Museums, andrerseits durch die von Hrn. Gill in Aussicht gestellte Monographie über diese Thiere veranlafst worden, da bereits in dem Prodromus dieser Arbeit einige Irrthümer ersichtlich sind, deren Berichtigung vor der weitern Ausführung von Wichtigkeit sein dürfte. Eine der Hauptschwierigkeiten für die Bestimmung der Arten liest darin, dafs nicht allein die äufsere Erscheinung dieser Thiere bei derselben Art je nach dem Alter und Geschlecht oft sehr verschieden, dagegen bei wirklich verschiedenen Arten sehr ähnlich ist, sondern auch das Skelet, namentlich der Schädel solchen Verwandlungen unter- worfen ist, dafs es in manchen Fällen grofse Schwierigkeiten hat, sie als blofse individuelle Verschiedenheiten zu erkennen und dafs daher die Zahl der Nominalarten eine verhältnilsmälsig grolse ist. Otaria, Peron. a. Ohren sehr kurz (15 bis höchstens 20 Millim. lang), Behaarung straff und ohne Unterwolle; Backzähne £—*, mit wohlentwickelten Nebenhöckern; knöcherner Gaumen vom 17. Mai 1866. 263 (bei ausgewachsenen Thieren) sehr concav, bis oder fast bis zu den Processus pterygoidei verlängert, am hintern Rande quer oder convex. Otaria s. s. 1. Otaria jubata. Phoca jubata Forster, 1775. Descript. anim. ed. Lichtenst. p. 66 n. p. 317. Phoque a criniere Forster, Buffon, 1782. Suppl. vı. p. 358. Taf. 48. Otaria leonina Peron, Voy. Terr. austr. 1816. II. p. 40. Otaria jubata (Forster) Desmarest, Mammalogie p. 248. Phoca jubata Blainville. Osteographie. Phoca. Taf. 3. (Skelet) Taf. 6. (Schädel, alt.) Otaria chilensis J. Müller, Archiv für Naturgeschichte. 1841. p- 333 (junge Schädel). Otaria jubata Gray, Zoology of the Erebus and Terror. Mammalia. Taf. 17. Fig. 1. 2. (Schädel, jung.) Otaria jubata Gill, Prodrome of a Monograph of the Pinnipedia (Proceed. Essex Institution) 1866. p. 7. Unser Museum hat durch Hrn. Philippi ein ganz altes Männchen aus Chile erhalten, an welchem leider die hinteren Extremitäten durch Fäulnifs etwas beschädigt sind, welches aber sonst sehr wohl erlfalten ist. Auch der Schädel ist nur am Hinterkopf verletzt, sonst aber so wohl erhalten, dafs sich die völlige Übereinstimmung mit den von Blainville abgebildeten, ebenfalls aus Chile stammenden Exemplaren ergibt. Dafs sich auf dieselbe Art die Forster’schen Notizen und seine von Buffon publieirte Abbildung beziehen, dürfte kaum zweifelhaft sein. Alle anderen Citate zu dieser Art habe ich als entweder zu unbestimmte oder offenbar unrichtige weggelassen. Die Gröfse dieser Art ist offenbar viel zu übertrieben (auf 10 bis 15 Fuls) angegeben, was zum Theil mit darauf beruhen dürfte, dafs man die hinteren Gliedmafsen bei der Längenangabe mit ein- geschlossen hat. Die Oberseite des Thieres ist gelblich weils und schwarz gesprenkelt, indem die platten borstigen Haare entweder ganz gelbweils, oder ganz schwarz oder schwarz mit weilsen Spitzen sind; die längeren Haare der Mähne sind in derselben Weise ge- färbt, auf dem Nacken aber vorwiegend gelblichweifs. Der Bauch und die Vorderbrust sind schwarz und rostroth gesprenkelt; die 264 Gesammtsitzung Seiten der Vorderbrust, wo die Extremitäten entspringen, sind mit rostrothen Haaren bedeckt, welche sich bis zu der nackten Un- tersohle auf die Extremitäten ausdehnen, während die Oberseite derselben mit kurzen rostbraunen’ Haaren bedeckt ist. Die Lippenränder, die Unterseite des Schwanzes und die Aftergegend sind mit rostrothen Haaren bekleidet. Die Schnauze ist schwarz und schmutzig gelbweils gesprenkelt, wobei die schwarze Farbe vorwiegend ist. Die Bartborsten sind schmutzig weils und stehen in sechs Reihen, von denen die oberste nur von 2 bis 3 dünneren Borsten gebildet wird. Die hinteren Gliedmalsen sind auf der Oberseite dunkel rothbraun und mit kurzen braunen, rothbraunen und schwarzen Haaren bekleidet. Die längsten Haare der Mähne haben eine Länge von 35 Millim., die Haare des Mittelrückens sind bis 12, die des Mittelbauches 8 Millim. lang. Die Verlängerung der Haare beginnt schon zwischen den Augen und an dem Kinn und die Mähne steigt weiter auf den Nacken als auf den Vorderhals herab. Meter Totallänge von der Schnauze bis zur Schwanzspitze . 2,30 Wänge,des. Ohrs; 2. kur or. zn ke RE länge des Schwanzes u.....0 .... 00m. 00 Länge der ganzen Handsohle ie . 0,550 Länge der Fufssohle bis zur Spitze der Mittelzehe A die Hautlappen Da: 0,435 Länge der Fufssohle bis zur hate iin ih Ha lappen ungefähr . .. B - 0,5 Dafs der Name Phoca ne L. nicht ie diese 8: son- dern auf den Anson’schen Seelöwen anzuwenden ist, welcher keine äulseren Ohren hat und jetzt gewöhnlich die Elephan- tenrobbe (Cystophora leonina L.) genannt wird, ist längst mit Sicherheit ausgemacht worden. 22. Otaria leonina Fr. Cuv. ?Loup marin Pernety, Voyage aux Iles Malouines. Berlin. 1769. I. p. 447. 562. pl. VII.* Fig. 1.') ‘) P. 447. „L’autre espece, moins grande, etc.; p. 562 „Ceux de la petite espece ont la tete ressemblante ä celle d’un dogue, dont on auroit coupe les oreilles tout ras”. vom 17. Mai 1866. 265 Platyrhynchus leoninus Fr. Guvier, Mem. Mus. d’hist. nat. XI. Taf. 15. Fig. 2 d. e. £. Otaria spec. G. Cuvier, Rech. Oss. foss. 4. ed. VII. p. 429. Taf. 219. Fig. 4. Otaria PernettiHamilton, Natural. libr. VI. p. 244. (Schädel). nn platyrhynchus.J. Müller, 1. c. p. 333. Neue Phokenart aus Brasilien Pander et d’Alton, Skelete der Robben und Lamantine. Taf. 3. Hauptfigur (Skelet), Fig. a (Schädel). ? Otaria molossina Lesson et Garnot, Voyag. Coquille p. 109. Taf. 3. Das von Pander und d’Alton abgebildete Skelet der hiesigen zootomischen Sammlung, welches Sello im Jahre 1822 aus Montevideo (also aus dem Rio de la Plata und nicht aus Brasilien) hieher sandte, gehört einem ganz alten Thiere an, wie die theilweise Verwachsung der Schädelnähte beweist. Es stimmt ebenfalls sehr gut zu den Cuvier’schen Abbildungen eines offenbar noch älteren Exemplars, dessen Gröfse leider nicht angegeben ist. Der Schädel ist beträchtlich kleiner als der der vorhergehenden Art und unterscheidet sich auch dadurch, wie es die Cuvier’sche Abbildung zeigt, dafs die Gaumenbeine bis zwischen die hinteren Backzähne verlängert sind, wie es übrigens auch die ganz jungen Schädel von O. jubata zeigen. Obgleich es nun möglich wäre, dals das Skelet, dessen Ge- schlecht leider nicht angegeben ist, einem Weibchen!) der vori- gen Art angehört, so ist mir dieses doch sehr zweifelhaft, nach- dem Hr. Gill nach Untersuchung der reichen americanischen Sammlungen die Verlängerung des Gaumentheils der Oberkiefer nach hinten sogar als ein besonderes Gattungsmerkmal der Otaria 3. s. zum Unterschiede von den übrigen Untergattungen besonders hervorgehoben hat. Es kann daher sehr wohl das aus dem La Platastrome stammende Sello’sche Exemplar einer kleineren Art !) Es scheint mir überhaupt noch nicht ausgemacht zu sein, dals bei den Otarien eine so bedeutende Verschiedenheit der Grölse zwischen den Männchen und Weibchen vorkommt. Steller erwähnt zwar, dals die Weibchen kleiner seien, jedoch würde seinen Abbildungen zufolge bei seinem Seebären diese Differenz nur % betragen und da er die Länge des Männchens zu 27020 (79, engl. Zoll) angibt, würde das Weibchen nur etwa 30 Centimeter kürzer sein. 266 Gesammtsitzung angehören, die mit der Otaria molossina Les. Garn. von den Maluinen (Falklandinseln) identisch wäre. Jedenfalls bedarf diese Art noch einer genaueren Untersuchung. Ich halte da- her einige Angaben über die Gröfsenverhältnisse des hiesigen Schädels nicht für überflüssig, nach denen die Gröfse des Ske- lets aus der Pander-d’Alton’schen Abbildung leicht zu entnehmen ist. * Meter Totallänge des Schädls . . . . . 0,270 Länge des harten Gaumens . . . . 0,160 Länge der oberen Zahnreihe 2 Grölster Abstand der Jochbogen . . 0,160 Abstand der oberen Eckzahnspitzen . 0,057 Abstand der Hamuli pterygoidei 0 a Länge einer Unterkieferhälfte 7 00 01 3. Otaria Godeffroyi.n. sp. (Taf. 1.) Ganz altes Männchen ohne bemerkbare Mähne, aber mit etwas längeren (dichtanliegenden) Haaren am Halse, Behaarung straff und ohne Unterwolle. Rücken schwarz und weils ge- sprenkelt, mit auf dem hintern Körpertheile undeutlich begrenz- ten helleren Flecken. Hinterkopf und Hals mehr schmutzig weils, indem die weilsgelben Haare hier vorwiegend sind. Die Schnauze graubraun, Lippen fahl rostbraun; Barthaare weils oder braun oder mit brauner Basis und weifser Spitze. Unterseite und Gliedmafsen braunschwarz. Die einzelnen Haare sind entweder ganz weils oder schwarz oder schwarz mit weilsen Spitzen, die der Bauchseite schwarz und rostbraun oder mit rostbraunen Spitzen. Die längeren Halshaare sind etwa 20 Millm., die des Rückens 10 bis 15 Millim., die des Bauches 8 Millm. lang. Das Hamburger naturhistorische Museum hat neuerdings ein schönes ganz altes Männchen dieser neuen Art von Felsen- riffen, welche 8 bis 10 engl. Meilen von den Chinchas-In- seln entfernt liegen, erhalten. Die Vermuthung lag sehr nahe, dafs es Tschudi’s Otaria Ulloae sei, jedoch ist dieses nach der Beschreibung, die Hr. v. Tschudi (Fauna Peruana p. 137.) von dem Schädel seiner Art gegeben hat, nicht wohl anzuneh- men. Denn während bei O. Ulloae der Gaumenrand nur etwas hinter dem zweiten Drittel der Entfernung der hinteren Back- vom 17. Mai 1866. 267 zähne von den Hamuli pterygoidei entfernt liegt, ist er hier zwischen diesen letzteren befindlich, und der zwischen dem Un- terkieferwinkel und dem Gelenkkopf befindliche Fortsatz ist nicht nach aulsen'), sondern wie bei O. jubata, welche dieser Art sehr nahe steht, nach innen gewandt. Der Schädel, dessen Kämme eine ebenso bedeutende Ent- wickelung zeigen, wie der von O. jubata, unterscheidet sich von diesem vorzüglich 1. durch geringere Grölse; 2. durch den schmäleren und tieferen Gaumen, welcher sich hinten verhält- nifsmäfsig viel weniger verengert; 3. durch die verhältnifsmälsig längeren, in der Mitte bis zu den hinteren Backzähnen vorragenden Gaumenbeine und die hiermit im Zusammenhang stehende viel weiter nach vorn gerückte Lage des Vomer; 4. durch das grölsere Foramen infraorbitale; 5. durch die mehr entwickelten Gehör- bullen; 6. durch die mehr nach oben gerichteten, oben auf der Basis vertieften Processus postorbitales. 7. Durch die verschie- dene Form des Unterkieferwinkels. Der vordere Orbitalrand liegt in gleicher Querlinie mit dem vierten Backzahn. Meter Totallänge nach der Rückenkrümmung . . 2 .2.....267 BansendesuOhrsp au ala. enilaiahst 3urstt.2na0898 205 ängendesl/Schwanzes in. ab und. ul no.letien no oft Länge der Handsolle . . . 0,53 Länge der Fufssohle bis zu der Spiloe er Mittelzehe. 0,45 Länge der Fufssohle bis zu der Spitze der mittleren Haut- ippeme el Hay lonıayn.. wah br An aorstinzert inkso O. Godeffroyi gvet. O. jubata g'vet. Meter Meter Totallänge des Schädls . . . 0,30 Länge bis zum For. magnım . 0,29 Länge bis zum hint. Gaumenrande 0,11 0,14 Von den Backzähnen bis zum Ha- mulus pterygoideus . . 0,095 0,13 Abstand der ober. BE ekuepitzen 0,072 0,094 Abstand der vorletzten Backzähne 0,050 0,068 !) Ob sich O. Ulloae in dieser Beziehung ähnlich wie O. ursina L. verhält, wäre an Tschudi’s Originalexemplar zu untersuchen, 268 . Gesammtsitzung 0. Godeffroyi Jvet. O. jubata Zvet. Meter. Meter Breite des Gaumens in der Mitte zwischen d. hintersten Backzäh- nen und dem Gaumenrande . 0,042 0,059 Höhe des seitlichen Gaumenrandes 0,032 0,029 Breite des Gaumens am hinteren Ivande: ... 0,030 0,035 Breite des Schädels an a I bögen a 0.193 0,223 Breite des Schädels an ne Ge. lenksruben 0,18 0,21 Breite des Schädels an a. ee bitaltortsätzen., . 2... 020.2... 2.0.09 0,115 Länge einer Unterkieferseite . . 0,24 0,27 Ich habe diese Art Hrn. Cesar Godeffroy zu Ehren benannt, dessen unablässigen Bemühungen, in allen fernen Welt- gegenden Naturalien sammeln zu lassen, wir bereits so viele interessante Entdeckungen in der Zoologie verdanken und durch den das Hamburger naturhistorische Museum das ganze Thier mit schöner Haut, vollständigem. Skelet und sämmtlichen Ein- geweiden erhalten hat. Dank der Liberalität der Museumsver- waltung, insbesondere des Hrn. Dr. Möbius, der sich auch die Mühe gegeben hat, meine anfangs nicht für die Publication bestimmten Notizen nochmals zu vergleichen, habe ich das Exem- plar beschreiben und den Schädel hier. vorlegen können.") ‘) Während des Druckes dieser Zeilen erhalte ich von einem Händ- ler das roh ausgestopfte alte Fell eines zweiten sehr bejahrten Männchens derselben Art, angeblich aus Callao in Peru, weiches die Haare der Schnauze verloren hat und auch sonst beschädigt ist, aber alle wesentlichen Theile und darunter den ganzen Schädel wohlerhalten zeigt. Derselbe ist eben so lang wie der von O. jubata, aber Gaumen und Zähne in ihrem Bau und ihren Proportionen stimmen ganz mit denen des Hamburger Exemplars überein, so dafs dadurch die Selbständigkeit dieser Art noch mehr bestätigt wird. Das Exemplar konnte seiner äulsern Erscheinung nach gar nicht von Otaria Jubata unterschieden werden, indem die Behaarung in ihrer Beschaffenheit und Färbung ganz dieselbe wie bei dem beschriebenen Exemplar der O, Jubata aus Chile (Juan Fernandez) ist. Nur ist im allgemeinen die Färbung ; E Monatsber Berl Aksı 1865 Mai. ee FT NEUN, ne ie MW; D AN Br Dr Otaria Philippii. . ao ug JDL Franz Wagen a Nr. vom 17. Mai 1866. 269 ?4. Otaria Byronia. Phoca Byronia Blainville, Journal de Physique. XCl. p. 28T. | 300. Taf. Fig. III. (Schädel). Sea Lion of Steller Hamilton, Nat. libr. VI. p. 232 (Schädel). Der Schädel ohne Unterkiefer des „Sea lion from the island of Tinian by Commodore Byron” in der Sammlung des Royal College of Surgeons zu London ist in mehrfacher Beziehung nach Blainvilles Untersuchung so eigenthümlich, namentlich auch durch die sehr kurze Schnauze, indem der vordere Orbitalrand in gleicher Querlinie mit dem Zwischenraum des 2. und 3. Back- zahns liest, dafs er kaum als irgend einer der vorherigen Arten angehörig betrachtet werden kann. b. Ohren sehr kurz; Behaarung kurz, straff und ohne Un- terwolle; Backzähne 2 — 2; knöchener Gaumen concav, der hintere Rand entfernt von den Hamuli pterygoidei, convex oder unregelmäfsig gebuchtet. Phocarctos. 5. Otaria Hookeri. Arctocephalus Hookeri Gray. Erebus & Terror Taf. 14 (Thier), Taf. 15 (Schädel). — Catalogue of Seals and Whales. 1866. p. 53. ? Phoca flavescens Shaw, Zoology I. 260. Taf. 73. Nach Hrn. Gray’s Beschreibung ist die Behaarung kurz, dicht anliegend, ohne Unterwolle; braungrau, blafs, unten fast weils; die einzelnen Haare ziemlich dünn, platt, schwarz mit weilsen Spitzen, welche letzteren an den unteren Theilen der Körperseiten länger werden. Beine röthlich oder schwärzlich, Barthaare schwarz oder weils, glatt. Vorderkrallen klein; Hin- terkrallen fünf, die zweite und dritte am gröfsten, die erste am kleinsten; die über die Zehen hervorragende Haut länger als die Zehen. Von den Backzähnen sind die beiden ersten kleiner, trüber, indem das Schwarzbraune auch an der Mähne mehr vorherrscht. Totallänge bis zur Schwanzspitze 2751; Ohrlänge 07015; Handsohle 07,50; Fulssohle 0750, von denen 0515 auf die die Nägel überragende Lappenhaut kommen; Schwanzlänge 07090. Die Nackenhaare sind bis 45 Millm., die des Mittelrückens 12 bis 13 Millim. und die des Mittelbauches 8 bis 10 Millim, lang. 3 [1866.] 20 270 Gesammtsitzung der dritte und ‘vierte haben einen vordern, der fünfte vorn und hinteri einen Nebenzacken. Unterkieferwinkel nach innen gebo- gen. Falklands-Inseln und Cap Horn. 6. Otaria Ulloae Tschudi. Otaria Ulloae v. Tschudi, Fauna Peruana p. 136. Taf. 6, Unser Museum besitzt zwei Otarienfelle, von denen ich das eine aufgestellt und mit der Bezeichnung, dafs es aus Neuchatel stamme, das andre ohne Bezeichnung vorfand. Es sind das ohne Zweifel diejenigen, welche Hr. v. Tschudi (l. e. p. 139) als Junge seiner Otaria Ulloae bezeichnet. Das aufgestellte enthält den zerbrochenen, aber sonst vollständigen Schädel, aus welchem hervorgeht, dafs es ein Junges von Otaria jubata oder O. Godeffroyi ist, das andere enthält leider nur das obere Ge- bils mit einem kleinen Schädelfragment, an welchem selbst der hintere Theil des Gaumeus fehlt. Dieses Fell hat eine Länge von 1710, kurze, 07015 lange, Ohren und ist mit kurzem steifen Haar versehen. Die Handsohle ist 0725, die Fufssohle bis zu der Spitze der Nägel 020, mit den Hautlappen 07265, der Schwanz 07035 lang. Die mittleren Zehennägel liegen um ihre ganze Länge .von den Einschnitten der Lappen- haut entfernt. Die Farbe ist, wie Hr. von Tschudi angibt, oben olivenbraun oder gelbbraun mit grünlichem Schimmer, unten blasser gelbbraun. Die einzelnen Haare sind schwarz- braun mit gelbbraunen Spitzen, die platten Barthaare schwarz mit helleren hornbraunen Spitzen. Die äufserste nackte Spitze der Ohren und des Schwanzes ist, wie Tschudi bereits ange- geben hat, schwarz. Das Gebifs zeigt eine grofse Ähnlichkeit mit dem von O. Hookeri, von der diese Art sich aber der Tschudi’schen Be- schreibung zufolge sehr auffallend durch den nach aufsen ge- wandten Unterkieferfortsatz unterscheiden würde. Wie sich dieses verhält und ob diese Art dennoch etwa mit O. Hookeri zu ver- einigen sein dürfte, der sie jedenfalls sehr nahe steht, wird sich nur durch die Untersuchung der Originalexemplare zu Neuchä- tel entscheiden lassen. c. Ohren länger 25 bis 45 Millm. lang; Behaarung länger und mit Unterwolle; Backzähne 2—-*; Gaumen con- vom 17. Mai 1866. 271 cav, am hinteren Rande tiefer winklig oder bogenför- mig ausgeschnitten (oder quer abgestutzt?). Arctocepha- lus Fr. Cuv. 7. Otaria pusilla. Petit phoque Buffon, Hist. nat. XIII. p. 413. Taf. 53; Suppl. VI | p- 357. Phoca pusilla Schreber, Säugethiere III. p. 314. Taf. 85. Arctocephalus ursinus Fr. Cuvierl.c Fig 11.a.b. c., Otaria adulte du Cap (Phoca ursina) G. Cuvier. Rech. Oss. foss 4. &d. Taf. 219. Fig. 5. Otaria Peronii Desmarest, Mammalogie p. 250. Otaria Delalandü Fr. Cuvier, Diet. scienc. nat. XXXIX p. 423. Otaria ursina Nilsson e. p.,l.c.p. 331. Otaria Lamari J. Müller e. p., Archiv j. Naturg. 1841. p. 334. Arctocephalus Delalandü Gray, Proc. Zool. Soc. Lond. 1859. Taf. 69 (Schädel). Halarctos Delalandü Gill, 1. ce. p. 7. Dals Cuvier’s Arctocephalus ursinus mit Arctocephalus Delalandii Gray und nicht mit der nordischen Otaria ursina Linne übereinstimme, ergibt eine sorgfältige Vergleichung der Abbildungen. Die Cuvier’schen Abbildungen gehören offenbar ausgewachsenen, aber nicht besonders alten Thieren an. Der von J. Müller als Otaria Lamarii bezeichnete Schä del aus der Lamare Piquot’schen Sammlung stammt eben- falls vom Cap der guten Hoffnung und gehört ohne Zweifel derselben Art an. Dieser Schädel ist nur 13 Centim. lang und noch mit dem Milchgebifs versehen, von dem nur die Schnei- dezähne gröfstentheils durch die Ersatzzähne verdrängt sind. Das dazu gehörige Thier (Nr. 1524 unseres Museums) ist 76 Centim. lang, hat 3 Centim. lange spitze Ohren, die Handsohle von 13% Centim., die Fufssohle bis zu der Spitze des Mittel- nagels von 10%, bis zur Spitze der Mittellappen von 134 Centim. Länge. Die längeren Nägel der drei mittleren Zehen liegen weit von den Ausschnitten des Hautrandes entfernt. Die Oberseite des Thieres ist glänzend schwarz, indem die Haare an der Grundhälfte schmutzig rostbraun, an der End- hälfte schwarz ohne graue Spitzen sind. Die Vorderbrust ist schwarzbraun, und der Hinterbauch mehr olivenbraun, indem die Haare an der Basis bräunlich gelb, in der Mitte schwarz 20 * 272 Gesammtsitzung und an der Spitze gelbrostbraun sind. Die kurzen Haare der Gliedmaafsen sind einfarbig schwarz oder schwarzbraun, nur nach dem Körper hin am Grunde braun. Die Wollhaare sind sparsam, rostbraun und haben schwarze Spitzen. Die Beschreibung, welche Nilsson l. c. p. 352 von dem Originalexemplar zu Buffon’s petit phoque gibt, nach welchem ebenfalls Schreber’s und Desmarest’s Phoca pusilla aufge- stellt ist, passt so genau auf das in unserm Museum befindliche Exemplar aus der Lamare Piquot’schen Sammlung, dafs an der Identität der Art nicht zu zweifeln ist. .. 83. Otaria cinerea. Otaria cinerea Peron et Lesueur, Voyage aur terres austral. Il. 25% Be cinerea Quoy et Gaimard, Astrolabe. Taf. 12. 13 (Thier), Taf. 15 Fig. 1.2 (Schädel). Phoca spec. Forster, Descript. animal. ed. L.ichtenst. p. 64. L’ours marın Buffon e. p., Suppl. vı. p. 337. Taf. 47 (Fig. Forsteri). Otaria Forsteri Lesson e. p., Dict. class. hist. nat. p. 421. Otaria Lamarii J. Müller e. p., 1. c. p. 334. Otaria ursina Nilsson e. p., 1. c. p. 332. Otaria Stelleri Schlegel e. p., Fauna japonica Taf. 22. Fig. 5. 6. Der von J. Müller als Otaria Lamarii bezeichnete zweite Schädel „aus Neu-Holland“ gehört zu einem jungen ausgestopf- sen Felle (No. 1525 Mus. Zool. Berl.), welches unsere Sammlung durch Sieber im Jahre 1824 aus Australien erhalten hat. Es ist ein ganz junges Thier, noch mit dem Milchgebifs versehen, unter welchem die Kronen der Ersatzzähne bereits entwickelt sind. Der Schädel ist am Hinterhaupt etwas verletzt, kann aber höchstens 13% Cent. lang gewesen sein. Er unterscheidet sich von dem der Otaria pusilla sehr leicht durch die viel schmäle- ren Nasenbeine. Die Zahl der Backzähne, 2, unterscheidet diese Art schon allein hinreichend von O. lobata, mit welcher Hr. Gray ohne weiteres die O. Lamarii zusammengeworfen hat. Diese Art scheint oft mit der O. pusilla verwechselt wor- den zu sein und daher ist es schwer, die Synonyme beider mit Sicherheit festzustellen. Jedoch glaube ich nach sorgfältiger Ver- gleichung, dals die von mir hier angeführten zusammengehören. vom 17. Mai 1866. 273 Unser 76 Centim. langes Exemplar ist mit dichter grau- brauner Unterwolle versehen, welche am Rücken von schwarzen, an der Grundhälfte graubraunen, an der Spitze grauen, am Bauche von blasseren schwarzbraunen, an der Basis graubrau- nen Stichelhaaren ohne graue Spitze bedeckt wird. Durch diese Haarfärbung, namentlich aber durch die dichte Unterwolle und die den Ausschnitten der Fufshäute genäherten Krallen ') ist diese Art auch äulserlich leicht von Otaria pusilla zu unter- scheiden. Übrigens sind in der Abbildung von Quoy und Gaimard die kleinen Nägel der Vordergliedmafsen naturwidrig grols abgebildet. ?9. Otaria Falklandica. Otaria Falklandica Shaw, Zoology. I. p. 256. Otaria Falklandica Hamilton, Ann. Nat. Hist. 1839 p.81 Taf. 4. — Natur. libr. vı. p. 271, Taf. 25. ? Arctocephalus nigrescens Gray, Catal. Seals and Whales. 1866. p- 32. Die O. Falklandica ist nur nach dem Fell, Arctocephalus nigrescens nur nach einem Schädel gekannt. Beide stammen von den Falkland -Inseln und könnten daher wohl zusammen- gehören. Der Schädel, zu dem Hr. Gray eine nicht publieirte Abbildung eitirt, soll dem von ©. Delalandii (O. pusilla) ähnlich sein, wird aber durch den queren Rand des Gaumens unterschieden. Die Zahl der Backzähne ist nicht angegeben. d. Ohren länger, Behaarung mit dichter Unterwolle; Back- zähne $ — 2, einfach, ohne Nebenzacken; Gaumen vorn mälsig concav, hinten flach, am hinteren Rande tief bogenförmig (oder bei jüngeren Thieren spitzwinklig) eingebuchtet. Callorhinus Gray. 10. Otaria ursina. Ursus marinus Steller, Novi comment. Acad. Petropol. 1751. 1. p- 331. Taf. 15. Phoca ursina Linne, Syst. nat. ed. x. p. 37. ‘) Die Handsohle ist 07152, die Fulssohle bis zur Spitze .der mitt- leren Krallen 0Y115, mit den Hautlappen aber ebenfalls 0152 lang. Die Ohrlänge beträgt 07030 ' 274 Gesammtsitzung - Phoca ursina Pander und d’Alton, Skelete der Robben und La- mantine. Taf 7. Fig. k.l.. Otaria ursina Peron, Voy. terr, austr. 1816. II. p. 41. Otaria Kraschenninikowü Lesson, Dict. class. d’hist. nat. p. 420. Callorhinus ursinus Gray, Proc. Zool. Soc. London. 1859. p. 359. Mammalia Taf. 58. Die beiden Schädel von Chamisso aus Kamtschatka, de- ren J. Müller ]. c. erwähnt, stimmen ganz mit Gray’s Callo- rhinus ursinus überein und sind bereits vor Jahren von Pander und d’Alton abgebildet worden '). Dafs diese Art aber von derjenigen, welche Fr. Cuvier als Ärctocephalus ursinus abge- bildet hat, ganz verschieden ist und dieser letztere vielmehr den Schädel von O. pusilla (Delalandii) darstellt, läfst sich leicht aus der Vergleichung erkennen. Unser Museum besitzt leider sonst nichts von dieser interessanten, bereits von Steller genau be- schriebenen Art. Nach Steller ist das alte Thier 27020 (795 engl. Zoll) lang und hat 07046 (1% engl. Zoll) lange Ohren. Das Weibchen ist nach der Abbildung zu urtheilen um ein Achtel kleiner. e. Ohren länger, Behaarung straff und dicht anliegend ohne Unterwolle; Backzähne + — >, ohne Nebenzacken; Gau- men (im Alter) vorn concav, hinten flach und verschmä- lert, tief eingebuchtet, mit querem oder unregelmäßsig eingeschnittenem Hinterrande. Eumetopias Gill. ll. Otaria Stelleri:. Leo marinus Steller, 1. c. p. 360. Phoca jubata Pander et d’Alton, |. c. Taf. 3. Fig.d.e. f. Otaria jubata Peron ].c. p. 40. 1 Otaria Stellerü Lesson, Diet. class. hist. nat. 1828. xııı. p. 420. Otaria californiana Lesson, ibid. Otaria Stelleri J. Müller, 1. c. p. 330 und 333. Arctocephalus monteriensis Gray, Proc. zool. soc. London. 1859. Mammalia: Taf. 72. Eumetopias californiana Gill e. c. p. 14. ‘) Die Unterkiefer, so wie die meisten Zähne dieser Schädel fehlen. Die von Pander und d’Alton Taf. 7 Fig. m. n. abgebildeten Zähne ge- hören aber gar nicht zu dieser Art, wie schon aus dem in Fig. 1. gezeich- neten ungelappten einzelnen Backzahn zu entnehmen ist. vom 17. Mai 1866. 275 Die Uebereinstimmung der Otaria ‚Stelleri mit A. Monte- riensis (Californiana) ist ganz unzweifelhaft. Die Abbildung von d’Alton ist nach dem von J. Müller erwähnten Schädel aus Kamtschatka gemacht und das zoologische Museum besitzt einen ganz ähnlichen Schädel nebst dem dazu gehörigen ausgestopften - Thiere, einem alten Männchen, bereits seit langer Zeit von der Behringsinsel durch Hrn. Brandt. Der Schädel des zoologischen Museums hat eine Länge von 365 Centim. und stimmt in den Proportionen ganz mit Gray’s A. monteriensis überein. Die Ver- schiedenheiten in den Abbildungen von Gray und d’Alton haben ihren Grund in der verschiedenen Art. der Zeichnung. An diesem alten Männchen sind die Haare der obern Kör- perseite überwiegend schmutzig weils, während die andern schwarz sind; die Haare der Bauchseite, so wie die etwas längeren (2% bis 3 Centim. langen) des Halses sind rostroth, letztere mit eini- gen schwarzen gemengt. Die langen Barthaare sind weils. Die Unterwolle fehlt ganz. Die Hinterkrallen liegen weit von den _ Hautausschnitten entfernt. Meter. Totallänge bis zur Schwanzspitze . . . 2 220202375 Wänseßdes’Ohrsi»'n; ‚vsnirop Aa ‚bap ea dn, MOV nat ‚0,030 - 2 4SchwanzesiWw. 201) Sbeur uam. 8 „SUBRRSS zo, Mi - “der Handsohle . . . | i \ 0,65 - - Fufssohle bis zur Spitze der miistlerch Krallen 0,45 - - - u = - - Mittellappen . 0,61 - SEmmleren Zehenkrallem.. = 1%... .... 0.2... .0088 - =. menge SEE ER RR Sdespkuthenknochens , 4... % . . va. 01 B nehaarıng nur in der Jugend mit Unterwolle?; Backzähne 2 — 7, gelappt, die beiden letzten unter der schmalen en Wurzel des Oberkieferjochfortsatzes; Gaumen flach concav, am hintern Rande bogenförmig (oder win- kelig) tief eingebuchtet. Zalophus Gill. ; 12. Otaria Gilliespü Macbain. Otaria Gilliespi Macbain, Zlep. phys. soc. Edinb. 1858. Arciocephalus Gilliespü Gray, Proc. Zool. soc. Lond. en p. 110. Taf. 70 (Schädel). — Californien. 276- . Gesammtsitzung 13. Otaria lobata. Arctocephalus lobatus Gray, Spicilegia zoologiea. 1828. ı. p. 1. Taf. 4. Fig. 2. — Zool. Erebus and Terror. Taf.16 (Thier) Taf.17 Fig. 3—5 (Schädel). Arciocephalus lobatus Gray, Gould, Mamm. Australia III. Taf. 49. Otaria austıalis Quoy et Gaimard, Astrolabe. Taf. 14 (Thier), Taf. 15 Fig. 3. 4 (Schädel). Otaria australis Nilsson |. c. p. 332 Otaria Stellerı Schlegel e.p.,l.c. Taf. 22. Fig. 1—4. Die Synonymie der vorstehenden Art habe ich nur den Be- schreibungen und Abbildungen entnommen, welshalb ich nicht ganz sicher bin, ob sie richtig ist. Ich würde sogar O. Gillies- pü, nur nach einem ganz alten Schädel gekannt, hiermit ver- einigen, wenn Hr. Gray, der A. lobatus mit Schlegels O. Stelleri identificirt hat, nicht ausdrücklich bemerkt hätte, dafs der alte Schädel von Gälliespü nur — so grofs ist, als der je- ner Art. g. Ohren länger, Behaarung mit dichter Unterwolle; Back- zähne 5 — *, gelappt, die drei letzten unter der breiten untern Wurzel des Oberkieferjochfortsatzes stehend; Gau- men vorn schmal und tief concav, hinten breiter und ab- geflacht, am hintern Rande tief winklig (oder bogenför- mig) eingebuchtet. Unterkiefer ohne Winkel, mit dem hintern Fortsatz nach innen gebogen. Arctophoca. 14. Otaria Philippii n: sp, (at. II ABC) Durch Hrn. Philippi in Chile hat unser Museum das Fell nebst dem Schädel eines ausgewachsenen, aber noch nicht sehr alten männlichen Exemplars dieser Art erhalten, welches der- selbe im December 1864 auf der Insel Juan Fernandez er- legt hat. Er schrieb mir zugleich, dafs er sie für die 0. For- steri halte und dafs, wie er glaube, diese Art seit Forster von keinem Naturforscher gesehen worden sei. Die genaue Be- schreibung, welche indels Forster von dem Gebils seiner Otaria gegeben hat (cf. Descript. anim. ed. Lichtenstein p- 65) läfst eine Vereinigung der vorliegenden mit der von ihm beschriebenen nicht zu, da weder die Zahl der Backzähne *, noch die sehr gelappte Beschaffenheit derselben passen. vom 17. Mai 1866. 277 Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese Art entweder gar nicht beobachtet oder mit andern verwechselt worden. Denn so viel ist gewils, dafs eine Beschreibung oder Abbildung des characterischen Theiles, des Schädels, den ich hier vorzulegen die Ehre habe, bisher nicht bekannt geworden ist. Wahrschein- lich gehören hieher die bei Dampier (Voyage round the world, London. 1729. I. p. 39) erwähnten Robben mit „feinem dichten kurzen Pelze’. Der vorn vertiefte, hinten lache Gaumen, welcher zwischen den hinteren Backzähnen doppelt so breit ist, als zwischen den Eckzähnen, die hakenförmig seitlich vorspringenden Enden der Kiefergaumenfortsätze, die sehr breite untere Wurzel des Ober- kieferjochfortsatzes, die äulserst flachen Ossa tympanica, die sehr lange, aber nach unten gar nicht vorspringende pars mastoidea, der schlanke Jochbogen, der schlanke winkellose Unterkiefer mit dem länglich abgerundeten, nach unten und innen gerichteten Fortsatze, die eigenthümliche spitze Form und der Mangel oder die schwache Entwicklung der Nebenzacken der Backzähne, welche sämmtlich durch verhältniflsmälsig grofse Zwischenräume von einander entfernt stehen, sind zusammengenommen eigen- thümliche Merkmale für diese Art. Oben schwarzgrau, auf dem Kopfe und Halse mehr gelb- grau, unten braunschwarz; die Basis der Gliedmafsen mit rost- braunem Schein; Lippen und Unterkinn vorwiegend rostbraun; Barthaare in sechs Reihen, theils schwarz, theils ganz weils, theils schwarz mit weilser Basis. Die hervorragenden Stichel- haare sind an der Basis rostbraun, am Ende schwarz, auf dem Rücken meistens mit ganz kurzen, auf dem Kopfe und auf dem Halse mit etwas längeren rostgelblichen Spitzen; an der Bauchseite ist das Ende der Stichelhaare entweder einfarbig braun- schwarz oder mit ganz kurzen rostrothen Spitzen versehen. Die dichte Unterwolle ist rostroth. Die Haare des Oberhalses sind 22 Millim., die des Mittelrückens 18 und die des Mittelbauches 11 bis 12 Millim. lang. Die dicht anliegende kurze Behaarung des Handrückens erstreckt sich nur auf die Mitte desselben, dehnt sich aber nicht bis auf das Ende der Finger aus, deren Spitzen mit ganz kleinen Nägeln versehen sind. Eben so dehnt sich die ganz ähnliche Behaarung des Fufsrückens nicht auf die letzten Pha- 278 Gesammtsitzung langen der Mittelzehen aus. Der Nagel der grofsen äufseren Zehe ist klein, platt und von aulsen abgestutzt, der der fünften innern Zehe ist ein wenig grölser und an der innern Seite ab- gestutzt. Die sehr entwickelten langen Nägel der drei mittleren Zehen sind ihrem Bau nach rinnenförmige Kuppennägel (te- gulae) und um ihre ganze Länge von den Einschnitten der Fuls- haut entfernt. Die Hautlappen des Fufses sind gleich lang, und wie gewöhnlich sind die der mittleren Zehen viel schmäler, als die seitlichen, von denen der äulsere (der grofsen Zehe) der breiteste ist. Der unter dem After liegende Hodensack ist nackt. Meter. Totallänge von der Schnauzenspitze bis zum Schwanz- ende we. ga, ln Mar m re, Bi 1,57 BängendesOhrs. . un.ar en... Rn ee 0,036 BauweidesuSchwanzesr .. wm. SS Er Per 0,035 Meinsehder#Hlandsohle::1. 7. 0. 2% 7... 2 Bene 0,30 Länge der ganzen Fulssohle . . . . . - 2 0,35 Entfernung der mittleren Nägel von der Spitze dr Lappenz u. = Mspia 10 NEE) ZUE eR rein, Länge des Schädels“ Pa a BETZ EHE ULEB 0,235 Im Äufsern hat diese Art en durch die Behaarung und Färbung, als die verhältnifsmäfsig langen Ohren am meisten Ähnlichkeit mit der Otaria cinerea, welche sich aber durch die mehr rostgelbe Unterwolle, die rostfarbige Bauchseite und (wie es auch die Forster’sche Abbildung zeigt) die bis oder fast bis zu den Hautausschnitten reichenden Nägel, so wie durch die überhaupt kürzeren Fufssohlen unterscheiden lälst. Ich habe die Art dem Entdecker, dem durch so viele aus- gezeichnete zoologische Arbeiten wohlberühmten Hrn. Dr. R. A. Philippi, gegenwärtig Director des naturhistorischen Museums zu Santiago de Chile, zu Ehren benannt. “ Zu dem Vorhergehenden erlaube ich mir zu bemerken, dafs, obgleich sich die Arten, wie es geschehen ist, in einzelne Gruppen vertheilen lassen, ich diese doch nicht als Gattungen betrachten kann, dafs ich es aber oberflächlichen Angaben gegenüber für ebenso nützlich wie nothwendig halte, diese Gruppen zu unter- scheiden. Wird erst eine vollständigere Kenntnils der Arten vom 17. Mai 1866. 279 erlangt sein, so wird man die dafür verwandten Namen fallen lassen können. In wie weit sich andere äufsere Merkmale als die Beschaffenheit der Behaarung für die Gruppirung verwenden lassen, ist noch nicht ganz sicher. Dafs bei den ÖOtarien die Länge der vorderen Extremitäten nicht, wie angenommen ist, ein unterscheidendes Merkmal der Seelöwen oder Haar- robben von den Seebären oder Pelzrobben liefert, geht schon aus Hrn. Gill’s Angabe hervor, dafs bei den Otarien die vorderen und hinteren Extremitäten dieser Thiere gleich lang sind, was wenigstens ziemlich zutreffend sein dürfte, wenn man nur die Sohlen in Betracht zieht und dabei die Fufslappen mit in Rechnung bringt. Über die Stellung einiger Arten habe ich nicht einmal eine Vermuthung wagen dürfen. Dahin gehört die von Tschudi (Fauna Peruana p. 137) angeführte Otaria aurita Humb. aus Callao, obgleich nach der Länge der Ohren zu vermuthen ist, dals sie den Pelzrobben angehöre. Über O. coronata, albicollis, poreina cet. wird sich wohl nie etwas feststellen lassen. Le Lion marin & criniere von Pernety (Voy. Iles Ma- louines. Berlin. 1769. H. p. 561, Taf. X.), copirt von Schre- ber (Tafel 83 B.) als Phoca jubata ist offenbar gar keine Ohr- robbe, die er sehr gut nach der eigenthümlichen Form der Gliedmalsen zu unterscheiden gewulst hat, wie die Taf. VIII.* Fig. 1. gegebene Abbildung und die Beschreibung einer solchen (l. e. p. 448) beweist. Diels geht auch aus seiner Beschreibung deutlich hervor, indem er ausdrücklich sagt (l. c. p. 562), dals diese Art, abgesehen von der langen Mähne, ganz mit dem „lion marin’” von Anson (COystophora leonina Linne) überein- stimme. Von diesem letzteren beschreibt er aber speciell die vorderen Gliedmafsen, um die mangelhafte Abbildung des Ver- fassers der Anson’schen Reise in dieser Beziehung zu rügen, indem er sagt: „Tout ce qwil rapporte est & peu pres vrai, excepte que ces Loups-marins, qu’il nomme Lions, ont les deux pies garnis de doigts, avec des articulations distinctes, mais unis par une membrane ou pellicule noire, et que ces doigts sont armes d’ongles, ce qui ne se voit pas dans la figure inserde pag. 100, dans le Voyage de cet Amiral.’ (l. ec. p. 479). Demzufolge stimmen auch in dieser Beziehung seine beiden Abbildungen 280 Gesammtsitzung von Cystophora leonina L. (Taf. IX.) und von seinem Lion ma- rin & criniere (Taf. X) mit einander überein. Dieser letztere „von fünfundzwanzig Fuls Länge”, mit Eckzähnen „von drei Zoll Durchmesser auf sieben Zoll Länge (mit der Wurzel)”, wie der so kenntnifsreiche und genau beobachtende Verfasser angibt, scheint eine Art zu sein, welche später von keinem Na- turforscher wieder beobachtet worden ist, an dessen Existenz deshalb zu zweifeln aber kein Grund vorliegt.') Ohne Zweifel gibt es noch eine Anzahl von Arten dieser Thiere, welche noch gar nicht wissenschaftlich untersucht sind, aber selbst eine genauere Erforschung der hier mit ziemlicher Sicherheit unterschiedenen Arten wird kaum zu erwarten sein, wenn sich nicht einflufsreiche Institute, wie z. B. die Zoological Society zu London (welche gegenwärtig eines dieser merkwürdi- gen Thiere, Otaria Hookeri?, lebendig besitzt) und die Smithso- nian Institution zu Washington dieser in jeder Beziehung so wichtigen Angelegenheit annehmen. ‘) Ob die auf den Inseln St. Paul und Amsterdam vorkommende, von G. Mortimer (Voy. of Cox. Lond. 1791. p. 11.) zu 21, von Staun- ton (Macartney, Embassy etc. China. Lond. 1797. 1. p. 211.) zu 18 Fuls lang angegebenen Seelöwen hieher oder zu Cystophora gehören, lälst sich bei den dürftigen Angaben gar nicht bestimmen, obgleich Peron (Vop. terr. austr. 1816. Il. p. 66.) hiernach eine Phoca resima, Desmarest (Mamma- logie. 1820. p. 2/7) eine Phoca Cozxü aufgestellt hat. Der von Forster dem trefflichen Pernety (nicht Pernetty, wie in der zu Paris 1770 ohne Zuthun des Verfassers herausgegebenen s. g. „zweiten Auflage” steht) gemachte Vorwurf der Ungenauigkeit in der Grölsenangabe ist gewils ungerecht. Denn Pernety ist in allen übrigen Angaben sehr genau, und gibt ausdrücklich an, dals er 25 Fuls, in anderen Fällen weniger gemessen habe. Der Vorwurf Forster’s ist vielmehr offen- bar daher entstanden, dals er eine ganz andere, die von uns als O. jubata aufgeführte Art, vor sich hatte, wobei ihn (Forster) wahrscheinlich eher der Vorwurf einer Überschätzung der Grölse trifft, indem er die Länge der grölsten Exemplare zu 12 bis 13 Fuls nach dem Augenmals (da er, wie er selbst erzählt, defshalb kein Männchen ausgemessen hat, weil er seinen Malsstab auf dem Schiffe vergessen hatte) angibt, während dieselbe höch- stens in einzelnen Fällen etwas über 8 Fuls (275 bis 276 Meter) betra- gen dürfte. vom 17. Mai 1866. 281 Erklärung der Abbildungen. Taf. 1. Otaria Godeffroyi Pirs. 1. Schädel eines alten Männchens von der Seite, 2. von oben; 3. von unten; 4. linkes Unterkieferende von innen und oben. — natürl. Gröfse'),. Nach dem Originalexemplar des Hambur- ger naturhistorischen Museums — Taf. 2. Otaria Philippü Ptrs. Schädel eines ausgewachsenen Männ- chens, in natürlicher Grölse. A. von der Seite; B. von oben; C. von unten. Von der Insel Juan Fernandez (Chile). Hr. G. Rose legte eine Mittheilung des Hrn. Prof. vom Rath überein Vorkommen des Augits als Fumarolen- bildung vor. „Eine Meile südlich von Andernach zwischen den Dörfern Plaidt, Saffig und Ochtendunk erhebt sich auf der rechten Seite des Nette-Flusses eine vielgipfelige vulkanische Hügelgruppe, deren höchster Punkt (der grofse Wannen) 902 p. F. üb. M. erreicht. Dieselbe besteht aus kegelförmigen Schlackenhügeln, theils aus deutliche Krater tragenden Vulkanen, welche sämmt- lich auf das Genaueste von Hrn. v. Dechen in seinem Werke „Geognostischer Führer zum Laacher See” beschrieben worden sind. — In einem der nördlichsten Schlackenhügel, dem sog. grolsen Eiterkopf, wird die Schlacken- und Aschenmasse des Berges von einer unregelmälsig sich verästelten Spalte durch- setzt, welche sich durch das Vorkommen des alle Wandungen der Kluft bedeckenden Eisenglanzes als eine ehemalige Fuma- rolenöffnung erweist. Der Eisenglanz, zuweilen mit prächtig blauer Farbe angelaufen, bildet theils sehr kleine durch das herrschende Rhomboöder begrenzte Krystalle, theils Tafeln, pa- rallel der Basis ausgedehnt, welche bis einen Zoll Gröfse er- reichen. Neben den einfachen finden sich auch sehr eigenthüm- lich ausgebildete Zwillingskrystalle. Auf den Eisenglanzen sitzen zuweilen sehr kleine lebhaft gelbe Krystalle, welche mit dem Eisenglanz in einer solchen Weise verbunden, resp. in densel- ‘) Dieser Schädel ist um eben so viel verkleinert, wie die Olaria ju- bata in Blainvilles Osteographie. Taf. 6, so dafs bei der Vergleichung dieser Abbildungen die Verschiedenheiten beider Schädel deutlich in die Augen springen. 282 Gesammtsitzung ben theilweise eingewachsen sind, dafs man für beide Mineral- bildungen eine gleichzeitige und gleichartige Entstehung anzu- nehmen sich unbedingt gezwungen sieht. Da nun für den Eisen- glanz die Entstehung auf dem Wege der Sublimation keinem Zweifel unterliegt (nachdem zuerst E. Mitscherlich die Art und Weise dieser Bildung näher dargelegt), so mufs für die die gelben Krystalle, welchem Minerale sie auch angehören, die- selbe Entstehungsweise in dem vorliegenden Falle zugestanden werden. Wenngleich die in Rede stehenden Krystalle so klein sind, dafs nur an den grölseren unter ihnen mit Hülfe einer Lupe die Form erkannt werden konnte, so war es doch durch mehrfache Messungen am Goniometer möglich, die Krystallform mit derjenigen des Augit’s zu konstatiren. Auch die kleinsten erweisen sich unter einem wenig vergrölsernden Mikroskope be- trachtet als zierlichst ausgebildete Augite. Ihre Form ist die bei den eingewachsenen Augiten gewöhnliche: das vertikale rhombische Prisma, welches in der vorderen Kante ungefähr 87 ° milst, nebst Längs- und’ Querfläche, und in der Endigung das gewöhnliche schiefe Prisma, dessen Flächen sich unter 1204° schneiden. Es wurde nicht versäumt vor dem Löthrohre den Kieselsäure-Gehalt der Krystalle zu konstatiren. Die in Rede stehenden gelben Kryställchen finden sich in jener Spalte nicht nur auf den Glanzen, sondern noch in einer andern Weise des Vorkommens, welche die oben ausgesprochene Bestimmung der Krystalle bestätigt. Die Fumarolen- Spalte ist nämlich zum Theil erfüllt oder auch umschlossen von einer sehr lockeren vulkanischen, kaum zusammengebackenen Asche, welche offenbar von den Dämpfen der Fumarole durchzogen und ver- ändert worden ist. Die schwarzen Augite, welche einen we- sentlichen Bestandtheil der Lava dieser Berge bilden, sind in gesetzmälsiger paralleler Verwachsung bedeckt mit sehr kleinen neugebildeten Augiten, von derselben Art, wie jene, welche auf den Eisenglanzen sitzen. Auf letzteren sitzen sie in unregel mälsiger Weise, auf den Augiten sind sie indels durch die ur sprünglichen Krystalle, welche zur Unterlage dienten, in ihrer Stellung bestimmt worden.” Dafs durch Sublimation gebildete Silicate vorkommen, hat vom 17. Mai 1866. 283 ® schon früher Scacchi behauptet'!). Er hatte auf Schlacken- und Leucitophyrblöcken in dem Fosso di Cancherone am Vesuv, wo nach vielen Anzeichen eine vulkanische Bocca bestand, kleine glänzende Melanitkrystalle beobachtet, und deshalb angenommen, dafs sie durch Sublimation gebildet wären, da sie nur an der Oberfläche und nicht im Innern des Gesteins sich finden, und an einem Orte vorkommen, der einst vulkanischen Exhalationen ausgesetzt gewesen war. Gleich diesen Melaniten nahm er nun auch von mehreren andern, auf ähnliche Weise am Vesuv vor- kommenden Silicaten, wie von Hornblende, Sodalith, Feldspath, Glimmer, Augit u. s. w. an, dafs sie anf ähnliche Weise durch Sublimation gebildet seien. Da indessen für Silicate die nur in Rissen, Spalten oder Höhlungen eines Gesteins, und nicht in demselben eingeschlossen vorkommen, noch andere Bildungs- weisen möglich sein konnten, so war dies blofse Vorkommen für die Annahme einer Bildung durch Sublimation nicht über- zeugend genug, und deshalb die Annahme von Scacchi auch mehrfach bezweifelt und bestritten. Die Beobachtung eines Vor- kommens von Augit auf dem offenbar durch Sublimation gebil- deten Eisenglanz in einer Fumarolenspalte aufsitzend, ist daher von grolsem Interesse, weil es für diese Bildung beweisend ist und nun auch nicht mehr daran zu zweifeln ist, dafs die übri- gen von Scacchi beobachteten Silicate durch Sublimation von Chlor- oder Fluorverbindungen mit Wasserdämpfen gebildet sind. Ebenso ist es nun auch als erwiesen anzunehmen, dafs der in den Kupferöfen von Sangerhausen vorgekommene Feldspath sich auf eine ähnliche Weise durch Sublimation gebildet hat. Hr. v. Olfers legte zwei Briefe des Hrn. Lepsius vom 19. März d. J. aus Cairo und vom 18. April aus Damiette vor. Im ersteren berichtete Hr. Lepsius über die reichen Denk- mälerschätze im Museum von Bulag, welches von seinem Di- rektor, Mariette-Bey, als das schönste Ergebnifs von dessen langjährigen, ebenso thätig und methodisch geleiteten als glück- lichen Ausgrabungen im ganzen Lande, auf Befehl der Regierung, überaus zweckmäfsig und geschmackvoll ausgeführt und ange- ‘) Vergl. Roth: Der Vesuv, eine Monographie S. 380, 284 Gesammtsitzung » ordnet worden ist, und rühmt die dankenswerthe Liberalität, mit welcher ihm von Mariette alle Theile des Museums und der Magazine zugänglich gemacht um seiner ausgedehnten Be- nutzung anheim gestellt worden sind. Hr. Lepsius hat diese Erlaubnifs dazu benutzt, von allen wichtigeren Denkmälern, deren Material und Beschaffenheit es gestattete, theils Abdrücke in Papier, theils Abgüsse in Gyps nehmen zu lassen. — Der zweite Brief enthält nähere Mittheilungen über die Reise des Hrn. Lepsius auf dem Isthmus von Suez und im östlichen Delta, deren Abdruck hier folgt. Ich fuhr, in Begleitung von Herrn Weidenbach, sowie der Herren DD. Reinisch und Rösler, deren Anschlufs schon früher verabredet war, am 2. April von Cairo auf der Eisenbahn nach Suez, wohin, wie ich nicht zweifle, das alte Klysma zu legen ist. Am 3. April schifften wir uns auf dem seit dem vorigen Jahre vollendeten Süfswasser -Kanale auf einer Barke, die uns von der Isthmus-Kompagnie zur Disposition gestellt wurde, ein. Dieser Kanal führt nach Nefiseh am Krokodilsee (Birget el- timsah), wo er auf den vom Nil nach Osten durch das Wadi Tumildt geführten Kanal stölst, der noch etwas über Nefzseh hinaus bis nach /smaelieh, an der Nordseite des Krokodilsees gelegen, fortgeführt ist. Von Nefiseh bis nach Suez sind Kilo- metersteine (No. 1 — 90) am Ufer gesetzt, die jetzt eben so bequem als genau zur Örientirung benutzt werden können. Zwischen Suez und /smaelieh waren es hauptsächlich drei kleine Ruinen- hügel, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zogen. Den ersten trafen wir unmittelbar bei der Station Madämeh, am Kilometer 83. Auf einer leichten natürlichen Anhöhe der Wüste fand sich ein Hügel von Erde mit einigem Steinschutt; darauf und am Fulse des Hügels mehrere grofse Blöcke von Granit, die ehemals zu ein oder zwei grolsen gewaltsam und zwar durch Feuer gesprengten Stelen gehört hatten. Es war fast nichts mehr von Darstellungen oder Inschriften darauf zu erkennen. Doch fanden sich auf einem Blocke noch die deutlichen Spuren von Persischer Keilschrift, auf einem andern von hie- roglyphischer Schrift. Der Augenschein lehrte, dafs hier nicht von Ruinen eines Wohnplatzes die Rede sein konnte, sondern nur von dem Unterbau der Steinmonumente, deren vom 17. Mai 1866. 285 Fragmente noch umherlagen. Der Hügel war bereits seit län- gerer Zeit bemerkt worden von den Ingenieuren der Kompagnie, und ich hatte schon in Cairo durch Linant-Bey davon ge- hört, der vor Kurzem die Kanalfahrt gemacht hatte. Früher zur Zeit der französischen Expedition unter Napoleon war er unbekannt geblieben. Ein zweiter Ruinenhügel war mir in der Nähe der Station Saluf el-terraba (schon verderbt aus saduf el-tursah, das Wasserrad am Kanal) angegeben worden. Wir blieben die Nacht in Schaluf, besuchten am andern Morgen mit Mr. Henry, chef de section & Chalouf, die gewaltigen Ar- beiten des Seekanals, der auf dieser Strecke zwischen Suez und Ismaelieh an 3 Orten, nämlich bei Suez, hier und bei /smaelieh in Angriff genommen ist, und fuhren dann hinauf bis Kilometer 61. Von hier gingen wir zu Fufs ungefähr 2} Kilom. nord- wärts zu dem bezeichneten Hügel, den wir noch näher von Kilom. 50 aus erreicht hätten, wegen einer grofsen Biegung des Kanals nach Westen, die fast einen Viertelkreisbogen um die Ruinenstätte beschreibt. Hier trafen dann auch die Hrn. Dr. Tessier und Le Blane ein, von denen uns der erstere schon Tags zuvor nähere Auskunft über die Ruinen gegeben hatte. Erst Anfang März war zuerst Dr. Tessier auf die be- schriebenen Steine daselbst aufmerksam geworden und hatte die Zeichnung von einem Blocke an Hrn. Aubert Roche, mede- cin en chef & Ismaälieh, gegeben. Bald darauf theilte Hr. v.Lesseps diese Zeichnung an Mariette-Bey mit und empfahl ihm, daselbst einige Nachgrabungen anstellen zu lassen. Dies geschah auf dessen Anordnung mit Hülfe einiger Kanalarbeiter durch Hrn. Charles de Lesseps, ‚dessen liebenswürdige Gastfreundschaft wir nachher mehrere Tage in Ismaelieh ge- nossen. Und so kam es, dafs 10 Tage vor unserer Ankunft zu den alten frei liegenden Blöcken noch mehrere neue an’s Licht befördert worden waren, die hart daneben unter der Ober- fläche lagen. Denn der ganze Hügel war schon von den Inge- nieuren der ersten französischen Expedition unter Napoleon Roziere und Devilliers aufgefunden und die Darstellungen der Blöcke, allerdings mit auffallenden Abweichungen von dem [1866.] 21 286 Gesammtsitzung jetzigen Befunde, beschrieben, auch mehrere Stücke Keilschrift und der Kopf eines Königs, mitgenommen worden.') Das Merkwürdige in den Darstellungen und Inschriften der Blöcke ist die enge Verbindung zwischen Persischer und Ägyp- tischer Weise, wie sie sich bis jetzt anderswo noch nicht wieder gefunden hat. Unter einem ägyptischen nach oben gekrümmten Himmel ist der geflügelte Diskus dargestellt, doch mit Persischer Zuthat, wie sie auch sonst bei ähnlicher Darstellung auf Per- sischen Denkmälern vorkommt. Darunter sind zwei Könige, jeder mit einer Persischen Tiara, sich gegenüberstehend darge- stellt, von denen jeder ein ägyptisches Königsschild vor sich hält, so dafs er die eine Hand darüber, die andere darunter hält. Leider ist nur der ‚Inhalt der einen Hälfte des linken Schildes erhalten; dieser bestand aber in acht Zeichen Keil- schrift, welche ohne Zweifel den Namen des Darius enthalten. Hrn. Mariette habe ich über das Resultat der in seinem Auf- trage erfolgten Ausgrabung des Herrn Charles v. Lesseps sogleich von Ismaelieh aus geschrieben; er hat sich vorbehalten, für das Juliheft der Revue Archeologigue einen Aufsatz mit den zugehörigen Zeichnungen einzusenden, auf die ich daher hier vor- läufig verweise. Die Blöcke, welche aus rothem Granit bestehen, enthalten aufser der obengenannten Darstellung theils Keilschrift, theils hieroglyphische Schrift, und in der letzteren findet sich das Schild des Darius in gewöhnlicher Weise Ntrius geschrie- ben, sowie einige Namen, in Schilder eingeschlossen, überwun- dener Völker, von denen eins Nahasi, die Neger, ein anderes Beber oder Bebel (Babylon?) genannt ist. Die 'Abdrücke, die wir genommen, scheinen zu beweisen, dafs es zwei Denkmäler waren; denn es sind zwei geflügelte Disken vorhanden, und unter beiden Keilschrift; man mülste denn voraussetzen, dafs eine kolossale Stele auf beiden Seiten beschrieben war, und auf der einen Seite nur im untern Theile eine hieroglyphische In- schrift, etwa die Uebersetzung, beigefügt war; denn in der That findet sich ein Block von 0"81 Dicke, welcher auf der einen Seite Hieroglyphen, auf der andern Keilschrift trägt, und mög- ‘) S. ihre Abbildung in der Description de !Epypte, Antiquites, Vol. V., pl. 29. vom 17. Mai 1866. 987 licherweise dem Untertheile der Stele angehörte. Da auch dieses Denkmal, wie es scheint, durch Feuer mürbe gemacht worden war, wodurch einzelne Theile der Inschrift ganz zerstört wer- den mulsten, so werden sich auch bei weiterer Nachforschung schwerlich alle Theile wieder auffinden lassen, um eine Ansicht des Ganzen herzustellen. Von Ismaelieh aus besuchten wir mit Hrn. Charles de Lesseps (sein Vater ist jetzt auf einer Reise in Syrien be- griffen) die Kanalwerke und die um den Krokodil-See liegenden Ruinen zu Pferde. Der Ausflug galt vornehmlich dem soge- nannten Serapeum, dessen Ruinen auf der Westseite des neuen Süfswasserkanals liegen. Die neue auf der Ostseite desselben aber westlich vom See-Kanal liegende Station ist danach gleich- falls ‚Serapeum genannt worden. Zu meiner Überraschung fand ich hier wieder keine Spur einer grölseren Anlage oder eines Tempels, sondern einen Hügel mit Blöcken, ganz den früher gesehenen ähnlich. Es konnte kein Zweifel sein, dafs wir hier wiederum die Reste eines Persischen Darius-Denkmals vor uns hatten. Zur vollsten Bestätigung fanden wir auch hier ein Stück Flügel vom Persischen Diskus, einen andern Stein mit Keilschrift und einen dritten mit Hieroglyphen. Die unbe- schriebenen Blöcke eines festen Kalksteins, die sich neben den beschriebenen Blöcken sowohl hier, als bei den beiden früheren Monumenten fanden, gehörten ohne Zweifel an allen drei Punkten den Sockeln der Monumente an, die darauf ruhten. Es pafst daher der Name sSerapeum ebenso wenig auf diese Stätte, wie der Name Cambysu auf die vorher- gehende bei Schaluf. Doch wäre es nicht unmöglich, da das Serapeum doch hier in der Nähe liegen mulste,' dafs wir die Reste desselben auf einer andern Stelle wiederzuerkennen haben, die wir noch auf demselben Ausfluge besuchten. Bei der Rückkehr nämlich von dem Persischen Monumente trafen wir, in östlicher Richtung, erst den neuen Sülswasserkanal, dann das völlig deutliche Bett des alten Kanals, das wir schon früher öfters getroffen, überschreitend, etwas mehr nach Süden gewendet, in geringer Entfernung, etwa 14 Kilom. vom Kilom. 14. des neuen Kanals, die Reste eines steinernen Gebäudes, dessen Grundmauern im Schutt, nach der Angabe des Mr. 2“ 288 Gesammtsitzung Lallemand, chef de la station au Kilom. 13, der uns dahin führte, stark massiv und wohl gefügt sein sollen. Da nicht wohl abzusehen ist, wie in späterer Zeit ein so grolses Gebäude, das ich auf 74 Schritt von W. nach OÖ. und 53 von N. nach S. abschritt, hierher gekommen sein sollte, wo keine grofse Wüstenstrafse vorbeiführt, so wäre es möglich, ‘dafs wir hierher den alten Serapistempel zu setzen haben, obgleich es mir an Mitteln fehlte, mich hinreichend zu überzeugen, dafs die Ge- bäudereste, die ich an anderer Stelle eher für arabisch gehal- ‘ten haben würde, wirklich antik seien. Eine geringe Ausgrabung würde dies entscheiden. Was nun aber die Persischen Monumente betrifft, so ist es klar, dafs sich ihre Errichtung auf den Kanalbau des Darius bezog, und dafs es Gedächtnifls-Stelen waren, welche das grofse Unternehmen verherrlichen sollten. Ich bemerkte auch bei allen drei Punkten, dafs es dominirende Anhöhen waren, welche man für sie gewählt hatte. Sie sollten ohne Zweifel von den auf dem Kanal Vorbeifahrenden gesehen werden, und waren eben deshalb von so kolossalen Verhältnissen und auf einen ansehn- lichen massiven Unterbau gestellt. Auch läfst sich bei allen drei Punkten die Nähe des alten Kanalbettes noch nachweisen, das ich bei den beiden letzten selbst durchschritten habe. Es ist mir nicht wahrscheinlich, dafs sich Darius auf die bis jetzt bekannten drei Monumente beschränkt haben sollte. Namentlich ist der Abstand des zweiten und dritten zu grofs gegen den des ersten und zweiten Monumentes, um nicht vermuthen zu lassen, dafs wenigstens noch Ein Monument sich zwischen dem zweiten und dritten befand. Wären mir die Verhältnisse im Anfange dieser Fahrt so deutlich gewesen, wie am Schlusse derselben, so würde ich selbst danach ausgeschaut haben. Es bedarf in der That nur einer Musterung der prominenten Hö henpunkte, die vom alten Kanal aus bequem gesehen werden konnten, um sich zu überzeugen, ob noch andere Stelen des Darius hier vorhanden waren; eine Aufgabe, der sich die Herren Ingenieure der Kanallinie leicht unterziehen können. Alle drei Denkmäler sind gewaltsam zerstört worden, vielleicht schon während des siegreichen Aufstandes der Ägypter unter Arta- xerxes, oder nach der völligen Abschüttelung der ersten Persi- vom 17. Mai 1866. 289 _ schen Oberherrschaft. Man hatte Feuer angelegt, das nament- lich dem Granit sehr schnell verderblich wird, und wir haben noch jetzt einzelne Stückchen Kohle im Schutt bei den Ruinen gefunden. Dann, scheint es, hat man die zersprengten Stücke der Stelen und ihres Unterbaus absichtlich in den Schutt ver- senkt und Alles mit übergeworfener Erde und Sand bedeckt, um womöglich jede Spur davon verschwinden zu lassen. Es ' würde nur geringer Ausgrabungen bedürfen, um diesen Erd- schutt gänzlich wieder zu entfernen und das, was von Frag- menten noch übrig ist, völlig zu übersehen. Da die Stelen wahrscheinlich im Wesentlichen identisch waren, so würde die Vergleichung aller drei Monumente vielleicht noch zu einer Wiederherstellung oder doch zu einer deutlichen Anschauung des gemeinschaftlichen Typus führen können, Ich übergehe hier nun, was sich über die Ruinenstätten um den Krokodil-See sagen liefse, an dessen nördlichem Ufer seit 3 Jahren die Stadt Ismaelieh gegründet ist, die bereits an 3000 Einwohner hat. Von hier aus, von dem Mittelpunkte der verschiedenen Kanallinien wird sich nun bald die genaueste Topographie auch der antiken Reste verzeichnen lassen, welche der Isthmus enthält, und welche auf den Plänen der andere Zwecke verfolgenden Ingenieure begreiflicherweise bisher noch wenig beachtet sind. Doch ist mir bereitwillig Alles mitgetheilt worden, was mir von den bisherigen Aufnahmen von Nutzen sein konnte. Eine, wie es scheint genauere und ausführlichere Karte als die bisherigen, steht in nächster Aussichst, von dem verdienst: vollen Mr. Larousse, ingenieur en chef de la division Suez. Von Ismaelieh aus machten wir die Seitentour in das Wadi Tumilat nach Tel el kibir, wo man vor kurzem einen Gasthof Hötel Pithom benannt hat, weil man hier das alte Pithom= Pa- tumos vermuthet. Das ist freilich nicht der Fall, sondern Pi- thom lag südwestlich davon, in der Nähe, doch nicht am Orte selbst, von Tel Abu Solimän. Ohne hier auf das Einzelne ein- gehen zu können, erwähne ich nur, dafs mir die Situationen und die Geschichte dieser Niederung, durch welche Ramses I. zuerst einen Kanal zog, und welche mehr als anderswo durch die Niveauverhältnisse und die jährlichen Nilüberschwemmungen bedingt wird, jetzt weit verständlicher als früher geworden sind. 290 Gesammtsitzung Ich verdanke manche interessante Nachweisungen darüber einem hier lange ansässigen Arzte der Regierung, Ibrahim Negib, von alttürkischem Blute, der mich zu meiner Verwunderung in geläufigem Deutsch ansprach und auf meine antiquarischen Interessen mit seltenem Verständnifs einging; das kam daher, dafs er von Abbas Pascha mit andern jungen Ägyptiern nach München geschickt worden war, wo er 6 Jahre lang Mediein und Naturwissenschaften, und unter anderm bei Prof. Lauth, dem Ägyptologen, auch Latein gelernt hatte. Er ritt mit mir nach Zauarnah und Tel el-Solimän, die ganze südliche Wüsten- küste entlang, wo wir grolse Ruinenstätten fanden, die zum Theil noch auf keiner Karte verzeichnet sind. An den jetzt Masyüta früher Abuyasab oder Abuyeseb genannten Ruinen hielten wir zweimal an. Ich habe früher nachgewiesen, dafs hier die Stadt Ramses des Alten Testamen- tes liegen mufste, was jetzt auch auf den neueren Karten so angenommen wird. Ich habe die Inschriften der alten ehrwür- digen Kultusgruppe, welche, aus einem Granitblock gehauen, den König Ramses I. zwischen Ra und Atmu thronend dar- stellt, abdrücken lassen, und denke das alte Wahrzeichen der Stadt wird nun wohl auch ferner seinen Platz behalten, da es namentlich in den Köpfen schon zu verstümmelt ist, um in einem Museum grolses Gefallen zu erregen. Wir durchstreiften die ausgedehnten Ruinen und schritten die Hauptumwallung der Akropolis ab, in deren Mitte der Tempel stehen mulste, dessen Lage durch die Granitgruppe angezeigt ist. Zum An- denken an die bekannte Frohnarbeit der Israeliten, liefs ich aus der ursprünglichen Umwallungsmauer, die ohne Zweifel zu den ersten Anlagen der Stadt gehörte, einen der gewaltigen Nil- ziegel herausarbeiten, die mit wenig Hechsel gemischt und mit . Cement verbunden, 0744 zu 0724 zu 0%12 in ihren Dimensionen haben. Ich habe ihn in /smaelieh verpacken lassen und nach Cairo gesendet; ich hoffe, dals er unversehrt nach Berlin kom- men wird, das einzige Originaldenkmal, das ich diesmal aus Ägypten wegführe. Wir kehrten nach Ismaelieh zurück und brachen am fol- genden Tage auf dem bis hierher bereits schiffbaren See-Kanal nach Norden auf. Kein Sülswasser-Kanal, sondern nur eine vom 17. Mai 1866. 291 doppelte nächstens dreifache Röhrenleitung führt den Bewohnern, den Arbeitern und der ganzen Stadt Port Said, die seit ihrer Gründung vor 6 Jahren bereits über 5000 Einwohner gewonnen hat, das Trinkwasser zu. Bald hinter /sma&lieh durchschnitten wir die höchste Erhebung des Isthmus, el Girs (mifsbräuchlich statt el Gisr „der Damm’’) genannt, wo, wie bei Schaluf, merk- würdige geologische Formationen zu Tage getreten sind. Unser Ziel war zunächst el Qantara (die Brücke), vollständig Qantara el yasneh, le pont du tresor, genannt, weil hier früher eine erst im vorigen Jahre abgetragene Brücke stand, über welche die grolse Stralse von Salhieh nach Syrien führte, und wo man früher wohl eine Abgabe für die Regierung erhob. Jetzt ist der Übergang etwas weiter nördlich (etwa um 1 Kilom.) gelegt, so dals die häufigen Karavanen durch das neue Qdntara, das bald zur Stadt erwachsen sein wird, passiren, wo sie eine von der Compagnie angelegte bequeme Tränke für das Lastvieh finden, und eine auch für die Menschen reich versorgte Station. Bis zu der neuen Stadtanlage herab zieht sich ein ausgedehntes merkwürdiges Gräberfeld, das zu den Ruinen einer ansehnlichen Stadt gehörte, welche in grölserer Entfernung, etwa 20’ zu reiten, nach Osten in die mit Tarfabüschen reich bewachsene Wüste hinein lag. Hier waren schon seit lange eine Anzahl grolser schön geschnittener Blöcke bemerkt worden, die sich nach oben verjüngten und daher einem zerbrochenen Obelisken ‚zugeschrieben wurden. Ich überzeugte mich bald, dafs es kein Obelisk, sondern zwei grolse Altäre von verschiedener Form ge- wesen waren, in dem bekannten harten hellbraunen Sandsteincon- glomerate ausgeführt. Der Tempel oder das Monument, zu dem sie gehörten, war von Seti I. zu Ehren seines Vaters Ramses 1. errichtet und von seinem Sohne Ramses I. ausgeschmückt wor- den, wie die Inschriften besagen. Um von hier aus einen Besuch in Pelusium, an dem mir viel gelegen war, zu machen, hatten wir fünf Kameele und ein Pferd von Ismaelieh hierher schicken lassen. Am folgenden Tage nahmen wir ein sechstes Kameel mit einem Führer von Qantara aus, und brachen nach ONO auf, zunächst die Syrische Stralse entlang, bis wir die Niederungen links umgehen und NNO gerade auf Tel el Her und Pelusium zureiten konnten. 292 Gesammtsitzung Schon vor dieser Schwenkung waren wir auf dem höchsten Punkte der Terrainerhebung zu den Ruinen eines kleinen an- tiken Forts oder Wachtposten gekommen, rechts von unserm Wege. Tel el Her war bedeutender, ein ansehnlich grolser Ruinenhügel, an den sich das flache Ruinenfeld einer Stadt an- schlofs. Von hier an durchschnitten wir ein mit Schilfbuckeln bedecktes, feuchtes, nach rechts hin aber sandiges Terrain, wel: ches sich in die alten Schlammflächen, die Pasader der Alten, die hier schon beginnen, nach NW vorschiebt, und von den Arabern @eziret el Farama genannt wird, „die Insel von Pelu- sium”. Hier mufsten wir, im Angesicht des Ruinenhügels von Pelusium, Halt machen und unser Lager für die Nacht auf- schlagen, weil es schien, als sei der schlüpfrige und weiche Weg für die schweren Kameele nicht gangbar; sie sanken, wie auch das Pferd, mit dem ich Versuche machte, zu tief in den Schlammboden ein, der jedoch für Fulsgänger wenigstens in die- ser späten Jahreszeit, theilweise allerdings ziemlich beschwerlich zu überschreiten war. Diese weiten Schlammebenen, die wir am andern Morgen durchschritten, dehnen sich von den Ruinen von Pelusium nach allen Seiten aus und gehen auch über die sogenannten Ruinen von Fdrama weit hinaus bis in die Nähe, wie es scheint, des Syrischen Wegs. Diesen versuchte ich mit einem Führer von Farama aus zu Fulse, jedoch vergeblich, zu erreichen, durch die Lufterscheinungen der Fata Morgana lange über die Entfernungen getäuscht, bis ich endlich die Richtung nach unserm Lager wieder einschlug, das ich übermüdet er- reichte und dann bald die Karavane, die ich schon früher hatte aufbrechen lassen, zu Pferde einholte. Dieser 4%stündige Spa- ziergang reichte jedoch hin, mich über die Natur der Umgegend und die Lage von Pelusium vollständig zu unterrichten. Von besonderer Wichtigkeit war mir aber das Terrain, auf dem wir unser Nachtlager in einem halben Zelte (die andere Hälfte war aus Versehen zurückgeblieben) gehalten hatten. Es war der ausgedehnteste Ruinenort, den wir noch gefunden hat- ten, zum grolsen Theil unter dem Sande verweht, doch überall reich mit Scherben bedeckt, wo der Sand den Einblick auf den alten Boden gestattete. Da Alles flach und ohne einen erheb- lichen Ruinenhügel ist, so ist das ungeheure Scherbenfeld auf vom 17. Mai 1866. 293 keiner Karte verzeichnet. Es nahm aber die ganze Geziret el Faramah ein, und war gegen Osten, also gegen die von Syrien her zugängliche Wüstenküste, mit einem fortlaufenden Walle be- grenzt, dessen festungsartige Einbiegungen an der Scherbenkette auf ihrem Abhange von den Sanddünen der Wüste unterschie- den, und bis über das westlich bleibende Tel el Her hinaus von mir verfolgt werden konnten. Die ganze Ebene würde im Durch- messer etwa in 40 Minuten zu Pferde im Trabe zurückgelegt wer- den, doch wird sich die Ausdehnung auch noch näher bestimmen lassen bei genauerer Zusammenstellung meiner Notizen. Hier nun, glaube ich, waren wir auf der Stätte des alten viel gesuch- ten Hauaris, das man vergeblich und immer von Neuem in den letzten Jahren in Tanis zu finden gemeint hat, obgleich ich wieder- holt und wie ich glaubte für jedermann überzeugend nachgewiesen hatte, dafs es entweder an der Stelle des späteren Pelusium oder in seiner Nähe gelegen haben mufste. Doch bedürfen diese neuesten Erfahrungen einer genaueren Erörterung als sie hier gegeben werden kann, uud ich bemerke nur noch, dafs der Name Her in Tel el Her selbst noch vielleicht einen Rest des alten Hauaris, wie es nach den Hieroglyphen lautete, enthalten dürfte. Ich hatte zum Theil wegen Pelusium die späte Jahreszeit für diese meine Ägyptische Ergänzungsreise gewählt, und in der That würde es in den früheren Monaten kaum möglich gewesen sein, die Ruinen zu erreichen, und die Umgegend zu durchstreifen. Wir kehrten nach Qaäntara zurück und schifften uns am folgenden Tage nach Port Said ein, schnitten beim Kilom. 28 (von Said aus gezählt) den alten Pelusisehen Nilarm, der mitten im Menzaleh-See noch kenntlich ist durch das, wie der neue Kanaldurchschnitt ergeben hat, mit reinem Nilschlamm ausge- füllte Bett des alten Nilarms, welches sich dadurch von den anders gebildeten Bodenschichten des Sees unterscheidet, und erreichten gegen Abend mit Hülfe eines kleinen Dampfers, der uns von Said aus, wegen der zahlreichen Maschinen und Schiffe, die das Ziehen vom Ufer aus erschweren, entgegen geschickt wurde, dieses Alexandrien der Zukunft, wie Port Said schon genannt worden ist. Hier blieben wir den fol- genden Tag, um die kolossalen Werkstätten, Büggermaschinen und die Fabrikation der künstlichen aus Sand und hydraulischem 294 Gesammtsitzung Kalk gefertigten Steinblöcke von 10 Kubik-Meter Inhalt, aus denen die Hafendämme gebaut werden, in Augenschein zu nehmen. Am 14. April verliefsen wir den Isthmus und schifften uns auf einer hinreichend geräumigen Fischerbarke auf dem Men zaleh-See eın nach Tanis, dem heutigen Sän. Gegenwind und das niedrige Wasser liefsen uns nur langsam vorwärts kommen. Unterwegs sahen wir die späten, meist wohl mittelalterlichen Ruinen der Insel Tennis, und mufsten zu Nacht an einem Damm liegen bleiben, den man quer durch den Tanitischen Nilarm gezogen hatte, um das Wasser nach oben hin zu stauen. Wir mufsten am anderen Morgen eine andere Barke besteigen, nachdem wir erst noch in der Nähe unseres Nachtlagers die gleichfalls späten Ruinen von Dibku besucht hatten, und kamen erst Mittags um 2 in S@n an. Hier hatten wir viel zu sehen und zu thun, weil die grofsen Ausgrabungen von Mariette eine unerschöpfliche Menge von Statuen und Monumenten aller Art ans Licht gebracht haben, die den ungewöhnlich grofsen und stattlichen Tempel Ramses II. erfüllt hatten. Ich übergehe hier aber Alles, was diese Fülle von Denk- mälern betrifft, die wir nicht einmal vollständig gesehen haben, weil ein grofser Theil der Denkmäler, der indiskreten Touristen wegen, von Mariette wieder mit Sand bedeckt worden. war, und wir nur einige Haufen wieder aufdecken lassen konnten, wozu mir Mariette die ausdrückliche Erlaubnifs gegeben hatte. Dagegen will ich Ihnen noch Einiges über den bedeutendsten Fund mittheilen, den wir hier gemacht haben, und dem aufser dem Stein von Rosette und der Tafel von Abydos kaum ein anderes Monument zur Seite zu stellen ist. Es ist eine zweite, oder wenn ich die verstümmelte von mir in Philae entdeckte Inschrift mitzähle, eine dritte Inschrift von Rosette, die hier ‘ zum Vorschein gekommen ist. Einer der Beamten des Isthmus den ich leider nicht mehr anzugeben weils, hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dafs er in dem zuvorderst ausgegrabenen Tempelhofe eine griechische Inschrift gesehen habe. Sie liels sich leicht wieder auffinden. Es war die Ecke eines Steines, der mit ungefähr 6 oder 7 Zeilen-Fragmenten aus einer Schutt- wand heraussah. Auf Befragen erfuhr ich von den Fellahs, dafs vom 17. Mai 1866. 295 hier‘ vor einigen Wochen ein Erdsturz erfolgt sei, der die Ecke freigelegt habe. Da dieser zufällige Einsturz nicht ein Resultat, sondern nur eine zufällige Folge der Ausgrabungen von Mariette war, die dieser bereits seit 13 Monaten eingestellt und abge- schlossen hatte, so hielt ich mich für berechtigt, dem Einsturz noch etwas weiter nachzuhelfen und die ganze Oberfläche des Steins frei legen zu lassen und in Papier abzudrücken, um sie zu publiciren. Unter einem geflügelten Diskus, von dem zwei Uräus- Schlangen herabhängen, beginnt eine hieroglyphische Inschrift von 37 Zeilen, und unmittelbar unter dieser die griechische Übersetzung in 76 eng geschriebenen Zeilen von 0"75 Breite auf eine Buchstabenhöhe von 0”007; der ganze Stein, mit der oberen Rundung, hat 2”16 Höhe und 0778 Breite. Alles ist vollständig vortrefflich und klar erhalten, in einem festen Kalk- stein eingegraben. Nur wenige Stellen sind etwas undeutlich und bedürfen genauerer Untersuchung, die aber ohne Zweifel den ganzen Text bis auf den letzten Buchstaben sicher heraus- stellen wird. Ich habe im Wesentlichen Alles im ersten Anlauf mit Leichtigkeit lesen können und hebe hier nur einige Punkte heraus. Die Inschrift ist datirt vom 9. Jahre Euergetes I., dem 7. Apelläus, der dem ägyptischen 17. Tybi gleichgestellt wird, mit Angabe des fungirenden Priesters des Alexander, der Adelphen und der Euergeten, so wie der Kanephore der Arsinoe Phila- delphos. Darauf folgt das Iyoisue. Aus dem Eingange geht hervor, dafs dasselbe von den Priestern beschlossen worden war, welche aus ganz Ägypten am 5. Dios zur Geburtsfeier des Königs, und dann am 25. Dios zur Thronbesteigungsfeier des Königs in Kanopus zusammengekommen waren. Darauf folgen die Gründe des Beschlusses in einer Aufzählung der Woblthaten, welche die Euergeten dem Lande erwiesen haben. Darunter wird erwähnt, dafs der König die von den Per- sern fortgeführten heiligen Götterbilder auf einem Feldzuge ihnen wieder abgenommen und nach Aegypten zurückgebracht habe, jedem Heiligthume das seinige wieder zustellend; dafs er dem Apis und Mneuis viel Gutes gethan, den Frieden im Lande erhalten, der durch ein zu geringes Steigen des Nils zu be- 296 Gesammtsitzung fürchtenden Hungersnoth dadurch abgeholfen habe, dafs er aus Syrien, Phönizien und Kypros Getreide kommen liefs u. a. Dafür werden ihm dann vielerlei Ehren dekretirt, nicht nur die allen seinen Vorgängen bereits gewährten, sondern auch neue. Darunter ist jedenfalls die merkwürdigste die, dafs den Euergeten jährlich in allen Heiligthümern des Lan- des ein allgemeines Volksfest gefeiert werden soll „an dem Tage, an.welchem das Gestirn der Isis (der Sirius) aufgeht (dvarerrsı 70 EITgoV 70 ns ’Irıos), welcher nach den heiligen Schriften als Neujahrstag geachtet wurde (v2ov ’Eros sivaı vonigeren) und welcher jetzt im 9. Jahre auf den 1. Payni fällt, an welchem auch die kleinen Bubastia und die grofsen Bubastia gefeiert werden (ra [atzgcr Bovußassıa zar To Meyer Bovßasrıa &ysrcu) und an welchem das Einsammeln der Feldfrüchte und das Steigen des Flusses stattfindet.” Diese Gleichstellung des Sothisaufgangs mit dem 1. Payni des 9. Jahres des Euergetes I. dürfte eine vortreffliche Bestätigung sowohl der Sothisperiode. als der Ptolemäer-Chronologie gewähren. Dann aber folgt, was noch merkwürdiger ist, die Bestim- mung, dafs dieses Fest niemals vom 1. Payni verlegt werden soll, wenn auch der Aufgang des Sirius sich nach vier Jahren verschiebe gegen das bisher übliche Jahr. Es sei von jeher ein Uebelstand gewesen, dafs die Sommerfeste allmälig im Win- ter und die Winterfeste im Sommer gefeiert worden wären we- gen der Verschiebung der beiden Jahresformen. Diesem Übel- stande solle hinfort dadurch abgeholfen werden, dafs aufser dem Feste am 1. Payni den Euergeten noch ein anderes Fest gefeiert werden solle, welches alle vier Jahre zwischen den letzten Tag der Epagomenen und dem Neujahrstag, d. h. dem ersten Thoth, eingelegt werde. Hier haben wir also die höchst bemerkenswerthe Thatsache, dafs einerseits das Nebeneinander- bestehen der beiden Jahresformen in den früheren Zeiten aus- drücklich und deutlich anerkannt wird, und andererseits, dafs im 9. Jahre Euergetes I. das feste Julianische Jahr in Ägypten bereits einmal in das civile Leben eingeführt worden war und, wie zu vermuthen, wenigstens während der noch folgenden Regierungszeit Euergetes I., also während 16 Jahren beibehal- ten wurde. Doch falste die Einrichtung damals offenbar noch BP om 17. Mai 1866. ; 297 keine Wurzel, da dasselbe alte Wandeljahr später, wie bekannt, noch einmal und an einem andern Punkte seiner Periode fest gehalten wurde. Ich schliefse hiermit mein vorläufiges Referat über dieses wichtige Dekret, in der Hoffnung, den Text selbst baldigst ver- öffentlichen zu können, und bemerke nur noch, dafs der Gewinn für die Hieroglyphik, wegen der Länge und Vollständigkeit des Textes, die ihm einen grofsen Vorzug vor der Inschrift von Rosette geben, begreiflicherweise noch viel gröfser und mannigfaltiger ist, als der aus dem historischen Inhalte dessel- ben gezogene. So sind gleich die fremden Völkernamen im hieroglyphischen Texte der Art, dafs sie uns neue Belehrungen gewähren, die fast nur durch eine direkte Übersetzung ge- wonnen werden konnten. Kanopus erweist sich als ein grie- chischer Name, denn statt seiner steht im hieroglyphischen Texte Sf))e d. i. Pekot, welches sonst unbekannt ist. Syria wird durch die vielbesprochene ar der Zeten wiedergegeben, und zwar durch A Omi or Reten-nu ibt, das östliche num Sn an! Reten, Phönizien durch | Sı Ar on en Keft „das Land von F DNS N a & Keft’, und Cypern dur an 158 + ]l IR IR = S= „die Insel Nebinai, Yan en im Meere ist”. Persien wird { [= h 3 wie gewöhnlich nur I nen Pers, geschrieben. Die Gruppe für die neuerdings besprochenen „Jahreszeiten” ist, wie schon fest- stand ” f nn ter-u, und das gleichfalls vielbesprochene Neu- jahr, des Wandeljahrs sowohl wie des festen Jahrs, \L. Der —Q Name des Heracleion in der Nähe von Kanopus hätte auch a niemand in der Form | IN 1 errathen können. Am ee) Ende des griechischen Textes wird noch gesagt, dals das Pse- phisma auf eine steinerne oder eherne Stele gesetzt werden soll ztegois Yanlaaarı zaı Alyvmrios za "Erryvizcis so dals die demotische Schrift unter der neuen Bezeichnung Aiyvrrız yaau- 298 Gesammtsitzung ara erscheint, während im hieroglyphischen Texte die hiero- slyphische Schrift eine besondere sonst noch nicht bekannte Bezeichnung hat. Die Stele von Tanis enthält aber nur den hieroglyphischen und den griechischen Text, der demotische fehlt, wie in Philae der griechische. Der merkwürdige Stein wird bald die werthvollste Zierde des Museums von Dulag sein; doch wird schon der genaue Papierabdruck, den Hr. Weidenbach davon genommen hat, zur vollständigen Publikation desselben hinreichen. R. Lepsius. Hr. Kiepert legte eine vom Eisenbahndirektor Hrn. Hyde Clarke in Smyrna eingesandte von Hrn. Alex. Swoboda ausgeführte Photographie der schon in der Ilias angedeuteten von Pausanias beschriebenen Felsstatue der Niobe am Sipylos, unweit Mänisa (Magnesia) vor, aus welcher der sehr zertrüm- merte Zustand dieses merkwürdigen Denkmals, die Ungenauig- keit der einzigen bisher darüber publicierten Skizze (in Steuart’s Ancient Remains in Lydia and Phrygia) und die Unzulässig- keit der darauf von Prof. B. Starck in seinem Buche über Niobe, p. 103ff. gegründeten Hypothesen über Styl und Her- kunft des Denkmals erhellt. Die Höhe der Statue ergiebt sich aus der Photographie durch eine darin aufgenommene mensch- liche Figur auf 22—25 Fuls (also beträchtlich höher als nach den älteren von Hrn. Starck gesammelten Angaben); aus der- selben ist unter der Loupe das feine Korn des Marmors der Felswand an den beleuchteten und nicht durch Wasser geschwärz- ten Stellen deutlich zu erkennen; einer Vervielfältigung des Bildes aber steht der fragmentarische Zustand des Denkmals selbst entgegen. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Abhandlungen der philos.-phil. Classe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 10, 3. 11, 1. München 1866. 4. Beiträge zur Geschichte der westlichen Araber, herausgegeben von M. J. Müller. Heft 1. München 1866. 8. vom 17. Mai 1866. 299 Hegewald, Morceaur choisis relatifs aux lettres et aux sciences. Carls- ruhe 1866. 8. Mit Schreiben des Hın. Verfassers d. d. Carlsruhe Mai 1866. Comte L. Hugo, Interpretation de l’inscription d’Alise. Paris 1866. 8. Mit Ministerialrescript vom 9. Mai 1866. A.J.H. Vincent, ZRecherches sur Tannee egyptienne. Paris 1865. 8. Beiträge zur Geschichte und Statistik der Gelehrten und Schulanstalten in Rufsland. Petersburg 1865. 8. Ed.de laBarre Duparcgq, Des imitations militaires. Paris 1866. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. St. Cyr 8. Mai 1866. Schriften des Museums in Klausenburg. Klausenburg 1866. 4. Mittheilungen des naturhistorischen Vereins in Pest. Band 4, Heft 1. 2. Pest 1864—65. 8, 81— 84. Publikation des Literarischen Vereins in Stuttgart. Stuttgart 1865. 8. Brandis, Handbuch der Geschichte der griechisch- römischen Philo- sophie. 3. Theil, 2. Abtheilung. Berlin 1866. 8. Ati dell’ I. R. Istituto veneto. Tomo 10. Venezia 1865. 8. Memorie dell’ I. R. Istituto veneto. Vol. 12, Parte 1.2. Venezia 1865. 4. Memorie della R. Accademia di Torino. Vol. 21. Torino 1865. 4. Atti della R. Accademia di Torino. I, 1. 2. Torino 1866, 8. Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg, 19, 1. Würzburg 1866. 8. Journal of the chemical Society. Januar. Februar. März 1866. 8. Preufsische Statistik. IX. Berlin 1866. 4. Gerhard, Denkmäler, Forschungen und Berichte. 17. Jahrgang. Ber- lin 1866. 4. 28. Mai. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Ewald las über die untersten Sennonbildun- gen des nordwestlichen Deutschlands. Hr. Hofmann legte eine Notiz „Zur Kenntnifs der Fluorverbindungen des Urans von Hrn. Carrington Bolton“ vor. Die Fluorverbindungen des Urans sind nur höchst unvoll- ständig untersucht, das von Berzelius beschriebene Oxyfluorid 300 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse UO FI’) ist in der That die einzige bis jetzt genauer beschrie- bene Fluorverbindung dieses Metalles. Ein genaues Studium dieser Verbindungen führte zu nach- stehenden Resultaten. Uranbifluorid und Uranoxyfluorid. Wässrige Flufssäure wirkt ziemlich heftig auf Uranoxidul- oxid unter Bildung einer gelben Lösung und eines unlöslichen grünen Pulvers. Die Lösung enthält das schon von Berzelius beschriebene Uranoxyfluorid UO Fl; das grüne Pulver ist Uran- bifluorid und hat die Zusammensetzung U Fl,. Es gelingt nicht das Uranoxyfluorids aus der Lösung krystallinisch abzuscheiden. Beim Verdampfen derselben erhält man ein fast weilses, sehr hygroskopisches Salz, welches sich ebenfalls leicht in Alkohol löst. Die alkoholische Lösung giebt beim Verdunsten eine gelbe durchsichtige amorphe Masse. Das Uranbifluorid ist vollständig unlöslich in Wasser und wird von verdünnter Säure kaum an- gegriffen; die aus dem Uranoxiduloxid dargestellte Verbindung besitzt die unangenehme Eigenschaft trotz aller Vorsicht leicht durch’s Filter zu laufen. Das Uranbifluorid kann man auch durch Einwirkung von Flufssäure auf Uranoxidul oder auf frisch gefälltes Uranoxidul- hydrat erhalten; aber auch der so dargestellte Niederschlag geht in’s Filtrat über. Weit vortheilhafter läfst sich das Uranbifluorid durch Re- duction des Oxyfluorid’s mittelst Zinnbichlorid darstellen. Die Bildung findet nach folgender Gleichung statt: 2UOFI+2KFlI+2KCl-++SnCl,;, = 2UFl;,+SnCl,+2H;0. Das mittelst Zinnbichlorid bereiteten Uranbifluorid läfst sich auf dem Filter gut waschen. Die Analyse der mittelst Zinnbichlorid dargestellten Bifluo- rids ergab . . . 76.4 und 75.5 °/, Uran, 24.0 °/, Fluor die Formel UFI, verlangt . 75.9 °/, Uran, 24.1 °/, Fluor Wird das Uranbifluorid in einem Strom von trockenem Wasserstoff erhitzt, so bildet sich eine kleine Menge eines roth- braunen Pulvers, welches in Wasser und verdünnten Säuren vollständig unlöslich ist, und dessen Zusammensetzung wahr- scheinlich dem ähnlich dargestellten Uransubchlorid entspricht. ') U= 120. vom 28. Mai 1866. 301 Doppelverbindungen des Uranbifluorids und Uranoxyfluorids. Auf Zusatz von Fluorkalium zu einer Lösung von salpeter- saurem Uranoxid fällt ein citrongelber krystallinischer schwerer Niederschlag aus, welcher in kochendem Wasser löslich ist. Aus einer kochenden wässerigen Lösung setzen sich beim Er- kalten kleine gelbe Krystalle ab, welche aus Urankaliumoxy- fluorid (2UOFI-+3KFI) bestehen. — Man erhält dieses Doppelsalz auch durch Lösen von Uransaurem Kalium in Flufs- säure oder durch Mischen von Fluorkalium mit Uranoxyfluorid, aber diese Methoden sind nicht vortheilhafter, als die zuerst ge- nannte. Durch Abkühlung einer heifsen gesättigten Lösung dieses Salzes erhält man eine flache Kruste, auf welcher sich grölsere Individuen abgelagert finden. Prof. Vietor von Lang hatte die Güte diese Krystalle zu messen und mir nachstehende Resultate mitzutheilen: Krystallsystem Monoklin. a:b:ce= 1.375:1: 3.477 ac= 99° 40’ Beobachtete Formen: (001), (110), (101). Fig. 1. Berechnet Gefunden 001-101 = 77° 0 020, 001-110 = 82° 14’ 82° 14’ 110-110 = 72° 50. -73° 50° 110-101 = 56°47’ 583° Die Krystalle sind, wie Fig. 1 zeigt, durch das Vorherr- schen der Fläche (001) tafelförmig. Beim freiwilligen Verdunsten einer Lösung des Salzes wer- den einzelne wohl ausgebildete Zwillings-Krystalle erhalten, die wie es scheint, Krystallwasser enthalten. Mangel an Substanz er- laubte jedoch keine genaue Analyse. Die Krystalle gehören dem tetragonalen System an: [1866.] 22 302 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ae — 32.0815 Beobachtete Formen: (101), (104), (001). Fig. 2. Berechnet Gefunden 101.001 = 64°20° 64° 20° N 101.101 =51°20 51920 PSEAEN 104. 001 = 27° 29 2 101.104 = 36°51’ 36° 50’ 7 Sf 101.011 = 79° 11! 78° 30° 102 - 001 = 46° 8 ie Die Krystalle sind Durchkreuzungzwillinge nach der Fläche (102), beide Individuen sind gleichförmig ausgebildet. Die Flächen (104), (001) finden sich selten. Der optische Cha- racter ist negativ. Beim Erhitzen des Salzes in einem Probirrohr schmilzt es zu einer rothen Flüssigkeit, die beim Erkalten wieder eine gelbe Farbe annimmt. — Bei sehr anhaltendem Erhitzen verliert das Salz einen Theil seines Fluorgehalts. Die Analyse der monoklinen Tafeln ergab: 49.86 °/, Uran, 19.12 °/, Fluor und 23.90 °/, Kalium. Die Formel 2 U0O Fl + 3KFl verlangt 49.59 °/, Uran, 19.61 °/, Fluor und 24.18 °/, Kalium. Das entsprechende Natrium Doppelsalz krystallisirt weit schöner als das Kaliumsalz, ist aber bedeutend schwieriger zu erhalten. Es ist nicht so beständig und zersetzt sich beim Umkrystallisiren ja selbst schon beim blofsen Erhitzen der Lösung. Die Krystalle gehören dem monoklinen Systeme an: a:b:c = 2.0272:1:0.5222; ac = 94°51’ Beobachtete Formen: (100), (110), (111), (132). vom 28. Mai 1866. 303 Berechnet Gefunden 110-100 = 45° 40’ 45° 40’ 110.100 = 69°? 20' 69° 20' I1l1-111l= 51° 20’ 51° 20' 111-110 = 57° 11’ 55° 132.100 = 97° 41’ 93? 132 110758219, 60° Die Krystalle sind Juxtapositionszwillinge nach der Fläche (100) und erscheinen, wie Fig. 3 zeigt, durch das Vorherrschen dieser Fläche als dünne Tafeln. Die Analyse dieses Salzes ergab: 56.9 °/, Uran und 6.2 °/, Natrium. Die Formel 2UOFI+NaFl+4H,O verlangt 56.6 °/, Uran und 5.42 °/, Natrium. Beim Umkrystallisiren zersetzt sich dieses Salz, indem sich kleinere Krystalle bilden, welche zwei Molecule Wasser weniger enthalten. Die Analyse des Salzes ergab: 61.3 °/, Uran und 15.1 °/, Fluor. Die Formel 2UOFI-+-NaFl+2H,O verlangt 61.85 °/, Uran und 14.69 °/, Fluor. Das entsprechende Ammoniumsalz konnte nicht rein erhal- ten werden; eine Lösuug von Uransaurem Ammonium in Flufs- säure gab wenige und nicht gut ausgebildete Krystalle. Chlorbarium giebt in der Lösung des Kalium-Doppelsalzes einen voluminösen eitrongelben Niederschlag, der sich bald als ein krystallinisches Pulver absetzt, unlöslich in Wasser aber lös- lich in verdünnten Säuren. Die Analyse ergab folgende Resultate: 41.1°/, Uran, 15.9 °/, Fluor, 34.6 °,, Barium und 3.4 °/, Wasser. Die Formel 4 UO FI+3BaFl,;, +2H,O verlangt 40.6 °/, Uran, 16.1 °/, Fluor, 34.8 °/, Barium und 3.1°/, Wasser. Ameisensäure bewirkt keinen Niederschlag in der Lösung des Urankaliumoxyfluorids, wenn aber die angesäuerte Lösung der Einwirkung des directen Sonnenlichtes ausgesetzt wird, beginnt 22* 304 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse sogleich eine Zersetzung, es scheidet sich ein grünes Pulver ab, und bei fortgesetzter Wirkung des Lichts wird die Lösung farb- los und enthält dann nur eine Spur Uran. Der so gebildete Niederschlag ist dem Bifluorid sehr ähn- lich, kann aber von diesem auf das Bestimmteste dadurch unter- schieden werden, dafs er beim Erhitzen auf Platinblech unter Zersetzung schmilzt und einen gelben Rückstand von Uransau- rem Kalium hinterläfst. In einem Probirröhrchen erhitzt schmilzt das Salz ebenfalls, aber der Rückstand besteht in diesem Fall aus schwarzem Uran- oxydul, welches in geschmolzenem Fluorkalium suspendirt bleibt. Die Zusammensetzung dieses Salzes ergiebt sich nach fol- genden Analysen als 2UFI+-KEFI: Berechnet 64.1 °/, Uran und 10.4 °/, Kalium. Gefunden 63.4 °/, Uran - 11.0 °/, Kalium. Die reducirende Wirkung der Ameisensäure nnter Einflufs des Sonnenlichts auf eine Lösung des Urankaliumoxyfluorids ist so vollkommen, dafs man im Stande ist, aus einer gegebenen Menge des Doppeloxyfluorids das Urankaliumfluorid quantitativ abzuscheiden. Diese Umsetzung läfst sich durch die Gleichung 2 UOFI+53KFD+3CH,0,=(2UFl, + KF)+ 2(KCHO,)+2H,0+C0, versinnlichen. Oxalsäure zersetzt die Lösung des Urankaliumoxyfluorids in ähnlicher Weise wie die Ameisensäure, jedoch unter Bildung von Nebenproducten; ein braunrother Niederschlag wurde mit dem grünen gemengt erhalten, welcher sich als das zuerst von Ebelmen beschriebene Uranoxydulhydrat erwies. Ein Versuch, die Reduction, statt durch Einwirkung des Son- nenlichtes, bei höherer Temperatur zu bewirken, mifslang. Eine mit Ameisensäure angesäuerte Lösung in einem zugeschmolzenen Rohr auf 120°C. erhitzt, blieb unverändert. — Das entspre- chende Urankaliumoxychlorid scheint durch gleiche Agentien nicht redueirbar zu sein. Bei einer Vergleichung der Chlor- und Fluor- verbindungen des Urans (die Jod- und Bromverbindungen sind noch zu wenig bekannt) zeigt sich als die ausgesprochenste Ver- schiedenheit die weit gröfsere Beständigkeit der letzteren. Das vom 28. Mai 1866. 305 Uranbichlorid ist flüchtig, sehr löslich ja sogar zerfliefslich, die ent- sprechende Fluorverbindung dagegen ist nicht flüchtig und völlig unlöslich. Gleichen Charakter zeigen die Kalium-Doppelsalze; das Urankaliumoxychlorid lässt sich nur schwierig darstellen, und kann nicht umkrystallisirt werden, während sich das Fluorsalz mit Leichtigkeit erhalten und wiederholt ohne Zersetzung umkry- stallisiren läfst. Es ist bemerkenswerth, dafs während das Fluorsalz sich unter dem gleichzeitigen Einflufs von Sonnenlicht und redueirenden Argentien so sehr empfindlich zeigt, das Chlo- rid diese Eigenschaft nicht im Geringsten besitzt. 31. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Mommsen las über die sogenannten tabulae honesta missionis. Hr. Ehrenberg machte folgende mündliche Mittheilung: Weitere Aufschlüsse über das an verschiedenen Stellen Berlins unter der Oberfläche liegende mäch- tige Lager von Infusorienkieselerde (nebst einem . Situationsplan). In den Jahren 1841 und 1842 habe ich der Akademie Mit- theilungen gemacht über aus mikroskropischen kleinen Organis- men bestehende Erdschichten unter den Strafsen und Häusern von Berlin, welche ungeahnte Schwierigkeiten für den Häuser- bau und vielfach sogar das Einsinken vieler grofser Neubauten, deren Unbewohnbarkeit und Umbau bedingten. Es ist darüber in den Monatsberichten ein weiteres Detail publieirt worden. Denselben Gegenstand habe ich in einem öffentlichen Vortrage in der Sing-Akademie 1841 berührt (das unsichtbar wirkende Leben) und mit Abbildungen erläutert. Eine ausführliche Dar- stellung der Formen, welche diese lebenden Erdlager bilden, ist in der Mikrogeologie auf Tafel 14 dargestellt und erläutert. Es war Anfangs besonders die Gegend der Louisenstrafse bis zur neuen Charite und die Karlsstrafse bis östlich von der Panke in diesen Beziehungen übersichtlich geworden, besonders aber auch die Insel, auf welcher das neue Museum gebaut ist, 306 Gesammtsitzung am Packhof. Allein die specielleren Untersuchungen des Terrains fanden bei den Grundbesitzern sowohl, als bei den Baubeamte- ten und Brunnenmachern keine Unterstützung, vielmehr Wider- stand, weil man dadurch eine Verschlechterung des Credits des Privat-Baugrundes veranlalst sah. Später als in Berlin die epidemische Cholera verechindeni? lich sich wiederholte, wurde die Gegend in der Karlsstralse nächst der Panke zu einem Schrecken der Bewohner der neuen Häuser, in denen z. Th. eine unerhörte Sterblichkeit ausbrach, namentlich starb daselbst am 22. und 23. August 1855 die ganze zahlreiche Familie des Oberst-Lieut. Teichert, bestehend aus Mann, Frau und vier Kindern, in dem mittleren der be- treffenden Häuser (jetzt Nr. 30) aus; so wie auch ein Jahr früher das Röhrwasser eines Brunnens desselben Hauses durch ein zufällig nahe gebrachtes Licht hell zu brennen anfing. Hr. Rammelsberg wurde damals polizeilich ersucht, über das brenn- bare Gas ein Gutachten abzugeben, und ich selbst gab auf den Wunsch des Stadtphysikus Dr. Magnus ein Gutachten über die mir beim Bau bekannt gewordenen Bodenverhältnisse jener Stelle, deren schlammiger Tiefgrund bis zu mehr als 70 Fuls Tiefe trichterartig mit jenen organischen Gebilden erfüllt war, und Grubengas entwickelte. So interessant und wichtig auch für geologische Sanitäts- und Bauverhältnisse jene Erscheinun- gen waren, so fehlte es doch damals aller Bemühung meiner- seits ungeachtet, durchaus an Kenntnifs einer grölseren Grund- fläche dieser Art. Alles beschränkte sich auf den Baugrund einzelner Häuser, oft nur eines Hintergebäudes oder auf das Ausgraben eines Kellers. Wenn ich daher heut der Akademie den Gegenstand noch- mals zur Kenntnils empfehle, so geschieht es besonders deshalb, weil zufällig günstige Umstände einen weiteren Ueberblick als bisher dargeboten haben. Es ist nämlich seit dem Winter des vorigen und diesen Jahres der in dieser Beziehung interessan- teste Oberflächenraum Berlins, welcher als zu Häusern untaug- lich, zu Brennholz-Niederlagen benutzt wurde, zum Aufbau einer Markthalle auserlesen worden, deren Bedürfnifs in der neueren Zeit immer fühlbarer wurde, und deren Zustandekommen die Marktverhältnisse der Stadt offenbar sehr erleichtern und ver- vom 31. Mai 1866. 307 bessern wird. Der Platz schliefst sich gerade nur durch den Strafsendamm der Karlsstrafse getrennt, an jene in sich zusam- mengesunkenen Häuser nächst der Panke an, und erlaubt nun eine weit speciellere Beurtheilung jener 1842 erwähnten Boden- verhältnisse. Im Januar v. J., wo ich von dem raschen Fort- gange des Unterbaues der Markthalle Kenntnifs erhielt, habe ich in der Gesellschaft naturf. Freunde auf das Interesse der Örtlichkeit aufmerksam gemacht, und ich wendete mich zugleich an den den Bau direkt leitenden Hrn. Baumeister Lent, mit der Bitte um gefällige Berücksichtigung einiger die Kenntnils der Verhältnisse erläuternden Fragen. Hr. Baumeister Lent ist, un- geachtet seiner sehr in Anspruch genommenen Zeit, mit solcher Vollständigkeit in meine Wünsche eingegangen, dafs ich dieselbe dankbarst anzuerkennen habe. Sie setzt mich in den Stand, heut der Akademie einen ausgearbeiteten Situationsplan der Markthalle mit den aus vielen Bohrversuchen hervorgegangenen Tiefenverhältnissen eines guten festen Baugrundes, und somit auch die Verhältnisse des Infusorienlagers, geographisch darzu- legen. Hr. Baumeister Lent hat mir, da er zu den Fahnen be- rufen worden ist, durch den Hrn. Bauführer Schäffer folgende Antwort auf mein Schreiben zugehen lassen: „— Die auf dem Situationsplan punktirten Linien geben die Tiefe an, bis zu der die zur Fundirung der Gebäude eingerammten Pfähle eingeschlagen sind, in der also der scharfe Sand anfängt, was auch die vorher ausgeführten Bohrungen ergeben haben. In Betreff der Lagerung der Schichten haben sich die von Ihnen gemachten Angaben auch hier bestätigt. Unter der 8—24 Fuls tiefen Schuttlage gab es Torf von 1—3’, Infusorienmasse, Mo- rast und Sand bis zur gröfsten Tiefe von 80’. Die übersandte Probe ist eine silbergraue Masse, wie ich sie in der Gegend M. des Planes fand, in einer Tiefe von 6—8’, in 1—2” hohen Streifen, und die im nassen Zustande sich seifenartig anfühlt. Die anderen grofsen Stücke sind in der Gegend N. gefunden, wo die Fundirung durch Senkkästen bewirkt wurde.” Diese vier mir zugekommenen grofsen Proben, welche ich hiermit vorlege, zeichnen sich wie die früheren von 1841 sämmt- lich durch grofse Leichtigkeit nach dem Trocknen aus. Die graufarbigen drei grölseren zu 6” Durchmesser fast kubisch be- 308 Gesammtsitzung stehen weit und vorherrschend aus den verschiedenen angezeig- ten Bacillarien-Formen und auch noch verschiedenen anderen, die bisher nicht verzeichnet wurden. Sie bilden die eigentliche interessante Tripelmasse oder das Kieselguhrlager jener Gegen- den und scheinen den bis 80’ tiefen Trichter gröfstentheils zu erfüllen. Die als silbergrau bezeichnete zuerst genannte Lage, welche in mehreren kleineren Stücken vorliegt, verdankt ihre weilse und hellsilbergraue Farbe einer starken Beimischung von mehlartigem, amorphem, kohlensaurem Kalk und zwar jener Form, welche als Wiesenkalkmergel oder Süfswasserkalk auch sonst häufig angetroffen wird. Eine Aufzählung der neu hinzu- tretenden Bestandtheile dieses Lagers mufs einer späteren Zeit vorbehalten werden. Resumirend stellt sich demnach das Verhältnifs auf dem Bauplatz der neuen Markthalle am Schiffbauerdamm jetzt so heraus, dafs unter einer Schuttlage von 8—24’ zunächst eine dünne Torfschicht von 1—3’ liegt, unter welcher horizontale Infusorienlager von verschiedener Mächtigkeit vorhanden sind. Besonders belehrend ist der Umstand, dafs auf dem ansehnlichen Bauplan zwischen der Karlsstrafse und der Spree, in der Mitte eine einzelne tiefe trichterförmige Einsenkung sich vorgefunden hat, welche erst in einer Tiefe von 80’ im scharfen Braunkoh- lensande ihr Ende erreicht. Bis zu 50’ Tiefe ist das Infusorien- lager mit Abzug der oberen angezeigten Schichten wie es scheint gleichförmig mit geringen Flugsand-Unterbrechungen vorhanden. In der trichterförmigen Vertiefung aber, welche, wie jene von mir 1842 angezeigte, nach dem Thierarzneischulgarten hin ge- legene, sich schnell verengt, wechseln Streifen von Flugsand und eine Morast genannte Substanz mit einander ab. Diese letztere morastige Substanz ist mir nicht zur Anschauung ge- kommen, allein es ist kaum zweifelhaft, dafs sie auch beim Trocknen leicht sein und aus einer reichen Mischung von Ba- eillarienschalen bestehen werde, indem sich solche Kieselschalen- lager, überall, wo sie vorkommen, nach dem Grunde hin senken. Der ursprüngliche Grund aber, auf dem sich neuere Wasserge- bilde aufgelagert haben, ist überall auf dem Situationsplane als der feste scharfe Sand wieder erkannt und angezeigt, welcher oben schon früher als Braunkohlensand von dem gewöhnlichen } $ u a Bone ge f y 77, HH: N ’ DH DD Y N, + /] 'schadgarten st.v. C.LÖlmann, R I. \,\ S as en N < 5 : : r 2 =, \ ER: ir & n Sure Fr 37 _ Sg = = E Sl. £ urn = ä S az 5 5 =: E en. re 3 rs R # Bi eu _ ; = > = 200 Fuss z er ; > Mon vom 31. Mai 1866. 309 oberflächlichen Flugsande unserer Gegenden unterschieden wor- den war. Aufser diesem einfachen Verhältnifs jener örtlichen ' Erdbildung ist nur noch zu wiederholen, dafs die silbergraue und weils gefleckte ebenfalls sehr leichte Masse, welche an einem beschränkten, mit M. auf dem Situationsplan verzeichneten Orte, in 8° Tiefe gefunden worden ist, einer nestförmigen Ablagerung von kohlensaurem Kalk angehört, die mit den Infusorienschalen keine Verbindung hat, vielmehr wohl einer zerstörten Anhäufung von Sülswassermuscheln ihren Ursprung verdankt. Endlich ist noch zu bemerken, dafs bei diesen Untersuchungen des. Bodens sich dies Mal keine Nester von phosphorsaurem Eisen oder blauer Eisenerde vorgefunden zu haben scheinen, da sie nicht erwähnt sind. Sie waren häufig in dem Grunde, auf welchem das neue Museum aufgeführt worden ist: Was die frühere Schädlichkeit solcher Verhältnisse für die Sanitätspolizei betrifft, so hat sich herausgestellt, dafs durch die neueren Wasserabzüge nach den neu gegrabenen Kanälen hin, und die auf die frühe- ren Sumpf- und Holzplätze allmälig mit Senkkästen und ge- mauerten Brunnen aufgebauten Häusermassen eine ansehnliche Verbesserung jener Gegenden eingeleitet haben, die bei fortdau- ernder Regulirung der Wasserläufe sich noch mehr verbessern werden und späterhin auch ein günstigeres Terrain für den Aufbau schwerer Häuser bilden werden. Die Zahl der von mir in der Mikrogeologie 1854 verzeichneten und auf Taf. XIV. abgebildeten diese Erde konstituirenden Formen betrug 146 Ar- ten, darunter 98 kieselschalige Bacillarien-Polygastern, 47 Phy- tolitharien und ein weicher Pflanzentheil. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Journal of the american Oriental Society. Vol. VIII. no. 2. New Haven 1866. 8. Journal of the Royal Dublin Society. no. 34. Dublin 1865. 8. Journal of the Royal Asiatic Society. Vol. II, 1. London 1866, 8. Journal of the Asiatic Society of Bengal. no. 130. Calcutta 1865. 8. Weue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft der ge- sammten Naturwissenschaften. Band 21. Zürich 1865. 4. Verhandlungen derselben Gesellschaft. 49. Versammlung. Genf 1865. 8. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern. no. 580 — 602. Bern 1866. 8. 310 Gesammtsitzung 2. Jahresbericht des Vereins der Ärzte in Steiermark. Gratz 1866. 8. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins zu Heidelberg. IV, 2. Hei- delberg 1866. 8. Winkler, Musee Teyler, Liv. 4. Haarlem 1865. 8. Siegfried, Geschichte der schweizerischen naturforschenden Gesell- schaft. Zürich 1865. 4. d’Avezac, Note sur une mappemonde turke du 16. siecle. Paris 1866. 8. Themistii Paraphrases Aristotelis librorum quae supersunt, ed. L. Spengel. Vol. 1. 2. Lipsiae 1866. 8. Ages of U. S. Volunteer Soldiery. New York 1866. 8. Kops, Flora batava. Fasc. 194. 195. Amsterdam 1866. 4. Nachtrag. 26. Apr. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Petermann las über die armenische Über- setzung des eusebischen Kanons. Die armenische Übersetzung der eusebischen Chronik, und folglich auch des zweiten Theils derselben, des Kanons, stammt ohne Zweifel aus dem 5. Jahrhundert n. Chr. Dies behaupten und beweisen die beiden Herausgeber derselben, Zohrab und Aucher'), und führen selbst Zeugnisse dafür aus demselben Jahrhundert an. Beide Gelehrte stimmen auch darin überein, dafs sie behaupten, die armenische Version sei unmittelbar aus dem griechischen Texte geflossen, und habe den Urtext meist so wortgetreu wiedergegeben, dafs derselbe, wo er fehlt, leicht aus dem Armenischen wieder ersetzt werden könne; Z. aber bemerkt (a. a. 0. S. XIX.) dazu, dafs die Übersetzung des zweiten Theiles weit fehlerhafter, und zuweilen in einem weit schlechtern Stil abgefalst sei, als die des erstern, so dafs er schon auf die Vermuthung gekommen sei, sie müsse von einem andern Ver- fasser herrühren, der entweder des Griechischen weniger kun- dig war, oder ein schlechteres Exemplar vor sich hatte; doch . will er diese Verschiedenheiten lieber der Unachtsamkeit der Abschreiber als der Unwissenheit des Interpreten zuschreiben. Die Ansicht Zohrab’s von der Ungleichartigkeit des Stils hat ihre vollkommne Richtigkeit, und ist um so auffallender, da sich bei den Armeniern, wie bei den Griechen, denen sie ja vorzugsweise ihre Bildung verdanken, die Klassicität der %) (vgl, A. Praef. p. XVII. Z. p. XVII. u. ff.) 312 Nachtrag. Sprache gerade in der Präcision des Stils kund gab, so dafs das Armenische vor allen andern zu einer wortgetreuen Übersetzung griechischer Autoren geeignet war, und jede Abweichung und Er- weiterung der Sätze durch Auflösung der Partieipialeonstructionen unnatürlich erscheinen mufste. Gleichwohl ist dies an vielen Stellen geschehen, und es fragt sich nun, wie wir diese so auffallende Erscheinung zu erklären haben? Denn, dafs sie lediglich den Abschreibern zur Last zu legen sei, wird wohl niemand im Ernst behaupten. Die Armenier waren gewohnt, bei ihren Übersetzungen sich der grölstmöglichen Treue zu befleifsigen, was ihnen um so leichter war, da die Flexibilität ihrer Sprache sich in alle Eigen- thümlichkeiten anderer Sprachen ohne Schwierigkeit zu fügen vermochte. So ahmten sie bei Übersetzungen aus dem Syri- schen ebenso diesem Stil nach, wie sie es bei dem Griechischen thaten, und wenn wir nun in der armenischen Version des Kanons vielfach auf Stellen stofsen, welche den schleppenden syrischen (semitischen) Stil verrathen: so müssen wir auf den Gedanken gerathen, dafs diese unmittelbar aus dem Syrischen übertragen seien. Es spricht aber auch noch manches Andere dafür: 1) Die Eigennamen, bei denen wir von den aus der Bibel- übersetzung und der armenischen Geschichte bekannten absehen müssen, zeigen a) vielfache Abweichungen in der Vocalisation, die wir, zumal da sie oft variiren, nicht sowohl den Abschrei- bern, als vielmehr einer defeetiven und unvollkommneren Vocal- bezeichnung, wie sie bei den Syrern stattfand, zuschreiben müssen: vgl. J. Abr. 480. Afzuu für Auades. 813. Phrkgnu für Adıdaros neben Merwgnu 735. 886 Sa wgunlublblu für ‘PadanevZos und rlhwgf.p für Avzıoı, weil im Syrischen su wie ov or u und o durch blofses Vau bezeichnet zu werden pflegen. — 657. pnumnu für Ugorros hrfunmu (vol. aa). 1466 hpajybunu (vel. Syns00.5.lol für oizoupzvy) und 1467 Ipfrunu für Kooisos. — 719. Ty*hykınau für Möyroc. — 676. buldfulpt, aber 1426. fuldjiu für toSpıa. — 753. U 4ktwgıng für Muzovawv vgl. 814. 817. 1 p4Ehg für Muzyvwv. — 1255. Urzeu für "Aoados. — 1545. YJaıınlgku, aber 1548 u. s. w. [jeıh£hgku. — b) die (aber auch bei den Armeniern vorkommende, und darum weniger be- weisende) häufige Unterlassung der Verdoppelung der Buchstaben, Nachtrag. 313 wie in 1254 Dfobyau, 1248 Abpzpiun, A ykynbkunu u.S. W. e) die Verwechselung von Buchstaben, wie J. 707. Tplyzwu für Miödgs, vgl. olj20 und „ol, 1:0 ebenso 601 M&nfzl&nu für IleıgiIovs aus wol un für wol; a 1261. 63. ‚pupnpu für „pwpnfu vgl. a n0;lo und en — 1344. Ur-pbipunu für Neze\\ws aus Verwechselung von _o mit _o, wiein PAwgkkıalı für (uppbgab 977. 1004. 1165. — u. Ss. w. 2) Ausdrucksweisen, wie yiywguy fpph für TE Hara Acidarov 735 nach dem Syr. DON, 9 ung vgl. auch 525. 752. 760. 791. u. s. w. ferner 1613. u. öfter ufulubkp morie- batur für mortuus est — und schleppende Constructionen, wie 505. 1991. 2079. 2149. 2177. u. s. w. 3) Mifsverständnisse: J. Abr. 555., wo der Armenier „Söhne” für „Frauen’ übersetzt, und Flo, FREE für OL 2 gelsen hat. — 601. las er ll _e) a für le — oo 869. laso für YA. 2121. Lolıo für Lol iD, da die Final- buchstaben damals wohl noch nicht bekannt, oder wenigstens nicht allgemein eingeführt waren. — 2261. „, 02] für oLL2] (221) oder al — J. 1486. (001 für Aoo1ı.z u. 8. w. Dagegen erinnert uns Manches in der arm. Version wieder an einen griechischen Ursprung. Die Eigennamen geben an und für sich kein sicheres Cri- terium dafür, da der Diphthong ev, welcher fast durchgängig richtig wiedergegeben ist, zwar im Syrischen gewöhnlich durch blofses Vau, zuweilen aber auch (vgl. a] für ed oder LoaL] für züyrs) durch a, bezeichnet wird, und ebenso o: bald durch blofses Vau, bald durch Jud, bald durch JJo=njf. Wenn wir aber ganz griechische Formen in der armenischen Übersetzung finden, wie die Accusative Vgewt I. 884. — Mhzmu 481 für Arddas — "phgıbfu 718 für Argos — jlygugum 1447 für eis "EAreör, und diese aus Unkenntnifs für Nominative angese- hen, mit angehängter Flexion, wie 854. ykın bgfulentp für Eafuf&nuf, wo im Griechischen wahrscheinlich uer« AtyısSov, und J. 667. Dpl.purbkuwj, wo zare ®oicov stand, während 635 der richtige Nominativ Peb.gunu sich findet, ferner den Artikel zu dem Namen gezogen, wie (]flhu für 6 Owaios 881 — Nehpku 1520 für o Heigaıeus — so sind wir genöthigt, auf ein grie- chisches Original zurückzugehen; jedoch alle diese Formen 314 Nachtrag. konnte auch der Armenier in der ihm vorliegenden syrischen Übersetzung gefunden haben; und die letzten 2 Beispiele be stätigen dies, da der Arm. die griech. Worte NeftEnu und Nybrkku geschrieben hätte. Auch die Composita, wie wywggbkobp J. 572. und öfter, für &rodvra — muhlqfuul 635. für ov- Ga os — umnbgwgkın 31.1: für a: \oyos — udbluugkın 427. für wavorros — qubswalwg 669. für Eregaröumse u.8S. w. weisen nicht nothwendig auf eine unmittelbare Übertragung aus dem Griechischen hin, da die Armenier sie lieben, und reich an Compositionen sind, zumal da sie sich auch, wie J. 2084., wo gybewinbgun für zyv zeberyv amsraySm steht, an Stellen finden, wo der griechische Text sie nicht hat. Ebenso unsicher ist der Beweis aus andern und falschen Lesarten, da diese, wie bei den Jahren 1406.:1425. 1498. 1514. 1561. 1587. u.s. w. auch aus einer syrischen Version in die armenische aufgenommen sein können. Trotz alledem finden wir jedoch auch eine ziemliche Anzahl von Stellen, aus denen deutlich hervorgeht, dafs sie unmittelbar aus dem Griechischen in das Armenische übertragen sind. Dahin gehören 1) solche, in denen die Wortstellung eine rein griechische ist, wie in dem so oft wiederkehrenden ... uf mn wppwunf a5) wıkmkugb Für FO ... Eros Hs ToU Deoü mais "Algaam Erayıyenias — J. Abr. a7. um. plrhuybabhe goSkgkgt für 6 &mı Asuzadlavos zera- »Aucnos — 642. ap wo VFrynd (für Frılnguyun.) yuunkpwgil für ö6 zare EUnoAmov moreW0S u. S. W. 2) häufige Partieipialeon- structionen, welche zwar den Armeniern selbst geläufig sind, aber doch, wie es scheint, um das Original möglichst getreu wiederzugeben, oft vermieden werden, wie 378. u. s. w., und selbst Genitivi absoluti vgl. J. 827. 1020. 1770. 1991. 2113. u.s. w. Wir sehen also, dafs die armenische Version theilweise aus dem Syrischen, theilweise aus dem Griechischen geflossen sein mufls. Dafs aber die Chronik des Eusebius zu wiederholten Malen in das Syrische übertragen worden ist, haben Z. und A.M. S. XX. der Vorrede aus mehreren Stellen von Assem. Bibl. Or. nachgewiesen, und Auszüge von zwei, wie es scheint, verschiedenen syr. Versionen sind in der neuern und neuesten Zeit bekannt geworden. Den einen derselben hat Bruns (aus der bodlejan. Bibl.) in Eichhorn’s Repertor. für bibl. und Nachtrag. 315 morgenl. Litt. Th. 11. S. 271. u. ff. mitgetheilt, von dem andern im britischen Museum befindlichen hat H. Rödiger eine kurze Notiz in dem Novemberheft 1865 dieser Monatsber. gegeben. Beide stimmen nicht zu dem armenischen Text, jedoch weist deutlich die durch das ebenfalls aus dem 5. Jahrh. stammende Vorwort zu dem B. Esther bestätigte falsche Lesart „Iudaeorum’” für „Iudithae” (vgl. S. 313. Z. 19.) auf das damalige Vorhan- densein einer syrischen Version hin. Es fragt sich nun, wie wir diese Erscheinung zu erklären haben? Entweder müssen wir annehmen, dafs der ursprüngliche Übersetzer selbst in Ermangelung eines vollständigen Exemplars den Kanon theilweise aus dem Syrischen, theilweise aus dem Griechischen übertragen, oder dafs ein späterer Gelehrter das Ganze aus mehreren Versionen zusammengestellt habe. Gegen die erstere Annahme läfst sich zuvörderst einwenden, dafs so kurz nach dem Tode des Eusebius schwerlich Einer von den Schülern Sahak’s und Mesrop’s, welche überall willkom- mene Aufnahme und die gröfste Bereitwilligkeit zur Förderung ihrer Studien fanden, sich genöthigt gesehen hat, zu einem man- gelhaften Exemplare dieses Werkes zu greifen, und seine daraus gemachte Übersetzung erst später zu vervollständigen. Aufser- dem würde ein und derselbe Interpret eine gröfsere Gleich- mälsigkeit in der Wiedergabe einzelner Ausdrücke beobachtet haben. Denn, wie wir oben bei den Eigennamen gesehen ha- ben, dafs sie auf verschiedene Weise geschrieben werden, so finden wir auch dasselbe Schwanken bei der Übersetzung ein- zelner Wörter. So wird &uoızos gewöhnlich, wie bei den J. Abr. 1540. 1560 u. s. w. durch ıhfruhbut, einige Male aber auch J. 1489. 14873. durch wfunmwpul übertragen. Am Auffal- lendsten aber ist die Übersetzung des Wortes Sorau@svsw. Dieses wird acht Mal von dem J. 1940 — 2117 durch Awnby wieder- gegeben, ein Mal J. 2009. durch Zywumfbr, wie Col. 2, 15., ein Mal J. 2182. durch 7b f &bdbjb, und ein Mal J. 2194. durch Zwmwpby glphugbwu (wahrscheinlich ein corrumpirtes griechisches Wort) XAulyt. Vielleicht sprechen für die Annahme einer Compilation aus mehreren Versionen auch Wiederholungen einzelner Data, vgl. J. 1519 mit 1541 und J. 1657 mit 1666, sofern man diese nicht gleich andern (vgl. J. 500 mit 525 — 589 316 Nachtrag. mit 709 —1529 mit 1544— 1514 mit 1558 — 1548 mit 1573 und 1579 — 1560 und 61 mit 1582 und 83 — 1550 mit 1586 — 1619 und 29 mit 1644) dem Eusebius selbst zur Last legen will. Wir kommen somit zu dem Resultat, dafs der Kanon des Eusebius schon im 5. Jahrhundert von mehreren Interpreten theils aus dem griechischen Urtexte, theils aus dem Syrischen in das Armenische übersetzt wurde, und dafs die armenische Version, wie sie uns jetzt nach den zwei Handschriften vor- liegt, theilweise eine mittelbare, theilweise eine unmittelbare ist. Es fragt sich nun, in welche Zeit wir diese Redaction wohl zu setzen haben. So viel ist sicher, dafs eine geraume Zeit ver- streichen mulste, bevor die verschiedenen Übersetzungen, die doch wahrscheinlich in mehreren Abschriften existirten, bis auf wenige Fragmente verloren gehen konnten. Die vielfachen Kämpfe mit auswärtigen fanatischen Feinden, welche mit gerin- gen Unterbrechungen mehrere Jahrhunderte hindurch das Land zerrütteten, führten eine vollständige Stagnation in der armeni- schen Litteratur herbei, aus der sich dieselbe nur langsam im 7. und 8. Jahrhundert wieder erhob. In diese Zeit des allmäligen Wiederaufblühens der Litteratur glaube ich die Sammlung der noch vorhandenen Fragmente von den Übersetzungen des euse- bischen Kanons und deren Redaction setzen zu müssen, da schon Autoren des 9. und 10. Jahrhunderts, wie Johannes VI. Ka- - tholikos, und Thomas Ardseruni sie zu kennen scheinen. Na- mentlich weist der Letztere (S. 34 d. Ausg. von Konstant. 1852.) bei dem corrumpirten Namen (eftku für 6 Sweiss nicht un- deutlich darauf hin, dafs er diese vor Augen gehabt habe. Es finden sich nun einige Lücken in dem armenischen Texte. Der Kanon ist ohne Anfang und Ende. Es fehlen die Jahre Abr. 1— 343, sodann 1031 — 1099, ferner 1167 —1220, und 2520— 2343. Dafs aber diese Stücke nicht ursprünglich, son- dern nur der Handschrift, aus welcher die beiden vorhandenen Codd.') geflossen sind, gefehlt haben, ersehen wir aus Zeug- !) Eine dritter Codex, wiewohl von neuerem Datum, aus dem J. 1695 n. Chr. findet sich in der Bibliothek von Etschmiadsin, wie aus den im vorigen Jahre erschienenen Katalog der dortigen Handschriften (s. S. 187. No. 1684.) hervorgeht. Nachtrag. 317 nissen anderer armenischer Autoren. So finden wir aus dem Anfang des Kanons Data bei Thomas Ardseruni, Samuel Anien- sis, und Wardan, bei den beiden Erstern mit ausdrücklicher Angabe der Entlehnung aus dem eusebischen Kanon, ferner 2 Data bei Samuel An. aus den hier fehlenden Jahren Abr. 1043 und 1085, und am Schlusse bei dem J. 2343, dem 20. Regie- rungsjahre Constantin des Gr. sagt Samuel ausdrücklich: „Hier ist das Ende der Chronik des Eusebius.” Der Cod. N. hat die Jahrzahlen zwar bis zum J. Abr. 2340, dem 17. Regierungs- jahre Const. des Gr. fortgeführt, jedoch, ohne vom J. 2320 an geschichtliche Notizen beizufügen. Es sei mir vergönnt, hier 2 Fehler zu verbessern, welche sich in dem Berichte vom 17. August 1865 S. 460 Z. 4 u. 3 v. u. finden. Dort ist nämlich zu lesen „Grigor IV., 1173 u. ff.” für „Grigor V,, 1189 u. ff.” und „Grigor I.” für „Grigor IV.”; auch bin ich jetzt zu der Ansicht gelangt, dafs der jerusal. Co- dex erst unter dem Katholikos Grigor VII. (1294 — 1307 n. Chr.) geschrieben sei, weil im 12. Jahrhundert, wie man aus Samuel Aniensis und Wardan d. Gr. ersieht, noch vollständige Exemplare dieses Werkes vorhanden waren, und der so sorg- fältige Schreiber die Lücken hätte ausfüllen können, [1866.] 23 3. Mai. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Reichert las über die Saftströmung (Rota- tion, Circulation der Pflanzenzellen) mit Rücksicht auf die Contractilitätsfrage. Ergebnisse. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen lassen sich schliefs- lich in folgenden Sätzen zusammenfassen. 1. Bei allen Pflanzenzellen mit rotirendem, eirculirendem oder rotirend-eireulirendem Saftstrome sind im Inhalte der Cel- lulosekapsel zwei Theile zu unterscheiden: der centrale oder in der Achse gelegene „Zellsaft” oder die „Zellflüssigkeit”, und die zwischen dieser und der Cellulosekapsel ausgebreitete „Man- telschicht.” 2. Die „Zellflüssigkeit”’ ist farblos oder gefärbt wie bei Tradescantia virginica, wenig zähflüssig, ohne Eiweilsgehalt, nach ihren sonstigen chemischen Eigenschaften nicht bekannt; sie ist mit Beziehung auf die Saftströmung der bewegungslose, ru- hende Theil des Zellinhaltes. 3. Zur „Mantelschicht”” gehören folgende Bestandtheile: die von mir bezeichnete „Mantelflüssigkeit’”’, die zähflüssige Sub- stanz, welche Hugo Mohl „Protoplasma’” genannt hat, Chlo- rophylkörperchen und andere sehr kleine feste Körperchen, de- ren chemische Natur nicht festzustellen ist, der Zellenkern, mi- kroskopische Krystalle und der etwa vorhandene Primordial- schlauch, welcher die Abgrenzung der Mantelschicht gegen die Cellulosekapsel hin bilden würde. | Nachtrag. 319 4. Die „Mantelflüssigkeit”’ ist bei den Characeen nicht zu übersehen; sie wurde aber irrthümlich der zähflüssigen Sub- stanz eirculirender Saftströme, den sogenannten Protoplasma- strömen, gleichgestellt und nur von Nägeli richtig unterschie- den. Bei den Pflanzenzellen mit eirculirendem Saftstrome ist sie zuerst von E. Brücke in den Brennhaaren der Urtica urens nachgewiesen; sie ist bei allen von mir untersuchten Pflanzen- zellen mit rotirendem oder circeulirendem Saftstrome beobachtet. Sie breitet sich zwischen der Cellulosekapsel oder dem etwa vorhandenen Primordialschlauch und dem Zellsafte aus, ist tropfbar-flüssig, wasserreich, zeigt nur einen geringen Gehalt an Eiweifs und mischt sich nicht mit dem Zellsafte. Ihr Salz- gehalt sowie die Anwesenheit anderer in ihr gelöster organi- scher Stoffe ist nicht genau zu ermitteln, doch darf vorausge- setzt werden, dafs sie in chemischer Wechselwirkung mit den übrigen Bestandtheilen der Mantelschicht stehe. 5. Die übrigen Bestandtheile der Mantelschicht werden von der Mantelflüssigkeit umspült, oder sind in derselben suspendirt. Zu den constanten gehören, von dem fraglichen Primordial- schlauch abgesehen: die zähflüssige Substanz, sowie die Chloro- phyll- und andere kleine Körperchen. Die „zähflüssige Sub- stanz’’ ist stark eiweilshaltig, mit Rücksicht auf den Cohäsions- zustand bald leichter, bald schwerer zähflüssig, und zeigt sich in verschiedener und zeitlich wechselnder Anordnung und Ge- staltung vor und während der Saftströmung, Der Kern, sowie die mikroskopischen Krystalle sind nicht immer aufzufinden. Unter den Krystallen wurden beobachtet: unregelmälsig stern- förmig gestaltete vom unbekannter chemischer Beschaffenheit (Hydrocharis morsus ranae) und in den Brennhaaren oxalsaurer Kalk. 6. Bei der Saftströmung der Pflanzenzellen sind nur die Bestandtheile der Mantelschicht, von dem Primordialschlauch abgesehen, betheiligt. Welches aber auch die Ursachen oder Kräfte sein mögen, durch welche die Strömungserscheinungen in den Bestandtheilen der Mantelschicht hervorgerufen werden, ihre Wirkung äufsert sich nachweislich zunächst und ausschliefslich in der bisher völlig unbeachtet gebliebenen Mantelflüssigkeit; diese wird dadurch in rotirende Strombewegung versetzt. Die 23* 320 Nachtrag. während der Saftströmung sichtbaren Bewegungen der übrigen Bestandtheile der Mantelschicht (der zähflüssigen Substanz, des Kerns, der Chlorophyli- und anderer kleinen Körperchen, der mikroskopischen Krystalle) werden durch die mechanische Ein- wirkung der rotirenden Mantelflüssigkeit auf sie unter der Mit- wirkung der Adhäsion und, bei der zähflüssigen Substanz, auch der Cohäsion herbeigeführt. Ausgenommen bleiben davon die unter günstigen Umständen sichtbaren molecularen Bewegungen sehr kleiner Chlorophyli- und anderer Körperchen. 7. Die rotirende Strombewegung der Mantelflüssigkeit, so- wie auch ihre Richtung wird zunächst an den frei in ihr schwimmenden und durch sie in Bewegung gesetzten Bestand- theilen der Mantelschicht, — und zwar sowohl bei den Pflan- zenzellen mit Rotation, als auch bei denen mit sogenannter Cireulation, — an den frei sich bewegenden Chlorophyli- und anderen festen Körperchen erkannt. Bei den Charen und bei Hydrocharis morsus ranae wird auch die zähflüssige Substanz in gesonderten Stücken, bei den Charen in kugeliger Form, in freie Bewegung gesetzt, und der Saftstrom wird dann „Rota- tion” genannt. 8. Die Bewegungsgeschwindigkeit der frei schwimmenden und rotirenden Substanzen ist unter sonst gleichen Umständen secundär abhängig von der Masse derselben, sowie von den Einwirkungen der Adhäsion, die an der Grenze des Zellsaftes, noch auffallender an der Cellulosekapsel und bei der gegensei- tigen Berührung der frei schwimmenden Bestandtheile unter- einander sich geltend machen. In Folge der Wirkungen der Adhäsion kann es auch geschehen, dafs die passiv mitbewegten Bestandtheile schnell vorübergehend oder auch andauernder zur Ruhe gelangen und sogar rückläufige Bewegungen annehmen. | 9. Die mechanische Einwirkung der rotirenden Mantelflüs- sigkeit äufsert sich auch durch die Gestalt- und Formverände- rung der zähflüssigen Substanz („Protoplasma”’), sowohl in ihrem frei schwimmenden Zustande (Hydrocharis), als auch, namentlich bei gelegentlich eingetretener oder andauernd vorhandener Ad- härenz an der Cellulosekapsel, in der Umgebung des Kerns oder an einer anderen günstigen Stelle (Hydrocharis, Urtica urens, Tradescantia u. A.). Diese Gestaltveränderungen gleichen Nachtrag. 321 der äulseren Erscheinung nach den Bewegungsformen contracti- ler Gebilde, namentlich den sogenannten amöboiden Bewegun- gen; sie werden aber durch die ganz unvermeidlichen Wirkun- gen der rotirenden Mantelflüssigkeit auf die zähflüssige Substanz zu Stande gebracht, sind häufig nachweislich mit einer bleiben- den Ortsveränderung der Masse verbunden, und können nicht als Wirkung molecularer Bewegungen der Theilchen in der Substanz selbst angesehen werden. 10. Es liegt in der Natur der Sache und wird auch durch unmittelbare: Beobachtungen festgestellt, dafs die in der Um- gebung des Kerns oder an einer anderen Stelle der Cellulose- kapsel ausgebreitete und adhärirende zähflüssige Substanz durch die mechanische Einwirkung der rotirenden Mantelflüssigkeit, bei einem günstigen zähen Cohäsionszustande, in längere frei endigende oder kreisförmig oder elliptisch sich schliefsende ein- fache oder verästelte Fäden und Stränge ausgezogen und unter der Mitwirkung der Adhäsion in ein zwischen der Cellulose kapsel und dem Zellsaft sich ausbreitendes mehr oder weniger complieirtes Netz verwandelt wird. Dies ist die Anordnung und Configuration der zähflüssigen Substanz bei den Pflanzen- zellen mit sogenanntem eirculirenden, oder circulirend-rotirendem Saftstrom; dies die Grundlage der vielbesprochenen sogenannten „Protoplasmaströme”. Bei dieser Anordnung der zähflüssigen Substanz gerathen die frei schwimmenden Körnchen sehr leicht in den Bereich ihrer Fäden und Stränge, können selbst ganz aus dem freien Bezirke der Mantelflüssigkeit verschwinden und vollführen unter dem Kampfe der Einwirkungen der rotirenden Mantelflüssigkeit und der Adhäsion solche schwankende und hüpfende Bewegungen, dafs man an die sogenannte „Körnchen- bewegung’’ contractiler Substanzen erinnert wird. Bei dieser Anordnung endlich kann- immerhin die zähflüssige Substanz selbst im Bereiche der Fäden und Stränge in Bewegung ge- rathen, was durch das Fortrücken von Wülsten mit adhäriren- den oder eingebetteten Körnchen oder Krystallen an den Fäden bewiesen wird; es kann aber auch die Zähigkeit der Substanz so bedeutend und das Kraftmaals der rotirenden Flüssigkeit so gering sein, dafs eine solche Bewegung entweder gar nicht oder 322 Nachtrag. doch nicht in der ganzen Ausbreitung des Netzes zu Stande kommt (E. Brücke). 11. Die Gestaltung der verästelten und netzförmigen Con- figuration der zähflüssigen Substanz ist hauptsächlich abhängig von dem Kraftmaafse der rotirenden Mantelflüssigkeit, von der Form der Cellulosekapsel, von der Anheftungsstelle der zäh- flüssigen Masse an der Cellulosekapsel und ihrem Lageverhält- nils zur Rotationsachse der Mantelflüssigkeit, endlich auch von ihrem Cohäsionszustande. 12. Zwischen den rotirenden, eirculirenden und rotirend- ceirculirenden Saftströmen der Zellen ist kein wesentlicher Un- terschied; bei allen ist die rotirende Mantelflüssigkeit in den Vordergrund zu stellen; an ihr ausschliefslich giebt sich die unmittelbare Wirkung der uns unbekannten Ursachen der Saft- ströme zu erkennen, und diese verhält sich überall gleich. 13. Die übrigen der mechanischen Einwirkung der rotiren- den Mantelflüssigkeit ausgesetzten Bestandtheile der „Mantel- schicht” bewirken es, dafs der Saftstrom der Pflanzenzellen der äufseren Erscheinung nach varürt; sie werden auch selbst- verständlich je nach den Umständen wechselnde Hindernisse demselben entgegenstellen. Von den hierher gehörigen Erschei- nungen möchte ich nur hervorheben, dafs in den zwischen den ruhenden Massen der zähflüssigen Substanz gebildeten Hohl- räumen die rotirende Mantelflüssigkeit vollkommen zur Ruhe ge- langen kann, und dafs alsdann in einem solchen Hohlraume Molecularbewegungen freier Körnchen wahrgenommen werden; dafs ferner bei Hydrocharis m. r., durch ein abgesondertes, den Hohlraum der Cellulosekapsel durchsetzendes Stück derselben, ‚die rotirende Mantelflüssigkeit in zwei gesondert von einander ablaufende regelmäfsige Rotationsströme abgetheilt wurde; dafs endlich durch solche Hemmungen an den abgerundeten Polen der Cellulosekapsel Reflexionsbewegungen des Stromes der ver- schiedensten Art auftreten können. 14. Bewegungserscheinungen, aus welchen das Vorhanden- sein einer contractilen Thätigkeit in der zähflüssigen Substanz, oder an den übrigen Bestandtheilen des Zellinhaltes abgeleitet werden könnte, fehlen bei den von mir untersuchten Pflanzen- zellen mit Saftströmung gänzlich. Nachtrag. 323 15. Bei den Saftströmungsbewegungen in den Pflanzenzellen kommt es zunächst darauf an, die Ursachen aufzufinden, durch welche die rotirenden Strömungsbewegungen der „Mantelflüssig- keit”’ bewirkt werden. Physikalische und chemische Vorgänge, durch welche diese rotirende Bewegung zu Stande gebracht wer- den könnte, sind jedoch bisher an den Pflanzenzellen nicht nachgewiesen. — SIEH Ben ne Be, Musa MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. Junı 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Kummer. 7. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Buschmann las die Fortsetzung von Zusätzen zur 2. Abtheilung seiner sonorischen Grammatik, behandelnd die ersten Redetheile. An eingegangenen Büchern wurden vorgelegt: Astronomische Nachrichten. 66. Band. Altona 1866. 4. Comptes rendu de l’academie des sciences. Tome 62 no 15 — 20. Paris 1866. 4. Bulletin de la societe geologique de France. Paris, Fevrier 1866. 8. Bulletin de la societe de geographie. Paris, Mai. 1866. 8. Bullelin de la societe des naturalistes de Moscou. Moscou 1865. 8. Supplement. Schubring, Sicilische Studien. (Berlin 1866.) 8. 11. Juni. Sitzung der philosophisch-histori- schen Klasse. Hr. Pertz las über das Romersdorfer Concilium vom 13. April um 1200. [1866.] 24 326 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 3 > Hr. Bekker fuhr fort in seinen bemerkungen zum Homer (s. 133) *). AZxXxVvm. ” Epitheta ornantia und perpetua hat die altfranzösische poesie wie die Homerische. vergleichung anbahnen mögen die beiwörter und umschreibungen die für gott und kaiser üblich sind, die gewöhnlichsten und mannichfaltigsten. a. DOMINUS DEUS. domine deus und domine deu (S. Leodegar fünf mal) domnidieu domideun donnideu don deus damnidiex damnedex dampnedeu dannideun dannes deus dannidex danideu danedeu nomini damme im Gaydon, dame in Eustache le moine für in nomine domini: vgl. dame von domina, damoiseau von dominicellus dammeldex damledeu-dex-diex dameldex damerdiex damridieu damidrieu damedeu daimedeu damledeu de trinitat biau dous dieu biax sire diex biau sire dex puissant deu le grant celui qui dix est apieles cel seignur qui deu se fait clamer dex sainte vertu nommee pere soverains qui est sobre nos le pere de la sus Xpistos Jhesus qui men en sus qui maint la sus qui maint en Bellient, au firmament, en Orient, en trinite, en sainte trinite l’esperite qui treibles est en unite qui loinz voiz et haut siez dieu nostre segnor deu le roi le roi aucor le magne rei l’autisme rei ke sor toz estes rois le roi de Belleent, des ciex, de tot le mont, de trinite bons rois, riche rois celestial li rois des rois que tous li mons honore vrais dieu de glore qui es en chieulz manans le glorieus poissant le glorious du ciel, de sainte majeste Jhesu Crist le pere glorieus damedex du ciel, de gloire _glorios rois celestres deu glo- riables, rois benignes le vrai segnor hautain qui est sire et rois li sire glorios le sire du chiel, qui de tout po- veir a qui tot le siegle guie qui tout a & baillier le roi du firmament qui au ciel, el mont fait vertu qui fait *) s. 134 z. 12 v. u. lies hat, und von dem popanz Echetos c 86. vom 11. Juni 1866. } 327 par toutes terres miracles et vertus, croistre jardins- et blez et reverdir le fus deu Jhesu de majeste le rois de majeste qui siet en majeste deu, sire, vrais rois de paradis vrais rois de tout le mon de del monde le segnor du monde qui est sire du mont qui do mont est li chies qui tout le monde guie qui tout le monde a sous lui & garder qui tout a en sa garde cui touz li mons, & qui le mont apent dieu-du trosne eler cui es lo tros qui fetz lo tro (le matin, quant parra l’aube del tron) qui tout a en baillie qui a par trestot poeste qui tout avoie (dex nos avoie) qui tot gouverne qui gouverne la gent qui tot le mond gouverne qui nous, qui tout doit gouverner qui gouverne eir et mer et vent celui gqni diex est poestis dex le tot poissant li pere omnipotent le vrai omnipotent vrais rois omnipotens qui sus tous a pooirs, puissance celui c’on claima creator li glo- rious seignour qui l’on apele Jhesu le creatour le pere criator dex li verais criators le roi qui toute chose crie qui toutes riens creastes qui creas eve et vent qui forma tres toute creature qui le monde basti par qui tos biens abonde de ki, par ki, en ki sunt tuz les biens qui sunt u munt (tutes les joies k’en ciel sunt) qui nos donne clarte, et soleil et clarte qui tot faiz et tot voiz qui tout a establi glorios pere qui le monde establis et home et fame estoras et fesis qui ciel et terre fist de nient qui fes et deffes, tout a ta volente, toute rien terrienne par ta grant poeste qui tot fist, tot seit et tot veit qui ben ad fet quanke il fist qui fist home charnal qui me fist qui me fesistes ne qui me feis et en mon cors ame meis a qui je suis aquel senhor per cui vivetz qui nous forma qui forma ciel et terre et nos qui me forma en la forme de soi jura dieu qui le fist a s’ymage qui forma Daniel, Israel, Lazaron, saint Loth, tote gent, la mer qui formas tout le mont le saint seignor qui le monde forma le roi puissant qui la terre a formee qui feis a ton raine et ciel et terre, mer et augue et champaigne qui flst Abel, Adan qui fist Eve et Adan et terre et ciel et June qui del limon fist Eve, Adan en ot forme qui fist ciel et rousee qui fist et nuit et jour qui fist air feu et terre et meir qui fist 24* 328 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse la terre et le ciel et la mer et les estoiles et les oisiax voler qui fist oisel volage qui la mer fist et les poissons i mist qui fait et fuille et for qui fait flourir le glay qui fait croistre la flor, resin qui fist et grain et paille et mont et - val qui fist la mer salee qui fist la nue, fist croistre la nue qui fait corre la nue qui estoras rousee qui la rousee fet venir par les chans et par bois et par pree par cui il fait oraige qui fist pluie et gelee et le chaut et le froit, ciel terre iner gelee, et si fait home et fame par sa bonne pensee par cui il pluet (gele, gresle) et vente*) qui estourais terre et mer et poison et le saint ciel qui fist la quarentaine qui nous donne du ciel et le vin et li bles et les poissons de mer, dont vous estes disnes le cors dieu jure en a le cors filio patre le pere esperital sainte voire,paterne la veroie paterne le pere vrai amant biaus peres roi amant (oder reiamant raiemant d. h. redimens) qui le mont reient por qui nos somes raiens de mort a vie dieu le vertadier qui aus siens point ne ment li bons qui non mentid qui onques ne menti qui ains ne seit mentir qui ja ne mentira qui ne faut qui ne faut ni nement qui tous les biens douctrine qui es fons et payres d’amor qui plain est de bontes qui refuser ne sait nului qui aus siens n’est pas oublieux qui pere est de pities celui roi ou il n’a point d’amer or les sequeure dex qui le poveir en a le sappient le vrai sauvierre qui tout a & sauver, puet salver qui nous, qui toz biens puet sauver qui le mont doit sauver qui mainte ame a sauvee qui sauva Daniel qui par la mer salee conduit la gent qu’il ot d’Egypte delivree le pere justisier le verai justisier le haut roi justisier qui le ‚monde a jugie, doit jugier, doit en la fin jugier qui tous nos jugera qui tot puet jugier, justisier qui tot a en justise qui ciel et terre a tot & justisier le dreh jutgaire le droiturier monsignor droiturier le vrai roi droiturier qui est bons droituriers qui chascun paie selone ce quil dessert del sire qui confondi Chayn le roi ou on croit *) Mahomet te gart, qui nous donne du chiel et la pluie et le vent. Mahon vos confonde, qui [et pluie et rousee. vom 11. Juni 1866. 329 a qui m’ame s’atent ui j’ai m’ame vodee oü nous sommes creant ou li bon sont creant le mien signor en cui je crori ou om se fie en qui me fierai, nous nous fions, j’ai ma fianee qui ma foi a plevie qui ses amis avance qui tant les puet amer qui conseille sa gent qui nous doit conseiler qui me set conseiller li glorious ki devum aürer cel signor que l’on doit aorer cui je veul aourer par Jhesu qui dieus est aoures que on aore et prise cui tos li mondes prie que l’en prie celui segnor que nous de- vons proier qui pardonne pechies qui pecheors apelle, salue a qui s’atendent pecheor qui de le mort nous vaut tous racater que nous servons et iver et este le saint sauveor que devon aorer, qui maint en trinite, qui le monde a fourme, qui fet pleuvoir la nue, c’on pourtret en painture, qu’on quiert en Bethleem, qui de vierge fu nes c’on requiert outre mer cel sire qui est sans fin cel dex qui reigne sanz fin qui semper fu et semper est qui toz tans iert et fu qui est totans (tous jors) et fu qui tos jors regne et dure qui preudom fist son fils damidrieu qui nos reens el redem- ptor sire Jhesu Crist Jhesu Crist res esperitablle Jhesu nostre pere damedieu qui ot & non Jhesus celui qui es sainx chieux est apelez Jhesum qu’on apele Jhesu Jhesu Crist qui les biens nous envoiie Jhesu de gloire, de majeste Jhesus de sainte gloire, cui tout le monde apent par deu le rei Jhesu je vous quemant au disne roi Jhesu Jhesu omnipotent damidrieu Jhesu del tro celui qui par seigno- rie a la porte d’enfer desclose & qui mon cuer s’assent qui cha jus fist nasance ce dieu qui fiuz est et pere, et qui de cele fist sa mere qui estoit sa fille et sancelle qui de ta fille feis mere, fist sa mere le fiz Marie, sainte Marie le rois qui fu nez de Marie dieu qui de vierge fu nez qui daigna nestre en la virge Marie qui naqui de pucele qui de la sainte vierge nasqui en Bethleen qui en la vierge prist om- brage, preistes vostre ostal, se daignoit aombrer cheli qui par saint Gabriel s’esconsa en la vierge Marie o le cors bel qui char prist en Marie qui en la vierge preis annunxion qui en la pucele prist por le pueple umaniteE qui par con- pensement vint en la virge por sauver bonne gent qui des- 330 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sandis en la virge pucele qui prist son herbregage es flans sainte Marie ki por son pueple en terre descendi eil da- medex de gloire qui en croiz fu drescie, pene cil de gloire qui en la croiz fu mis glorios sire qui fus cerucefie qui pour nous fu destrois, martir qui sa char ot clauwee qui fu feru des claus por reembre d’enfer des peines prineipaux qui le tuen saintisme cors por le pueple meis a mort dex qui en crois pendi qui se laissa pener qui te laissas morir en sainte crois et drecier et clofir qui en la croiz se laissa traveiller qui vint a passion (por nous geter d’enfer, cele male meson) qui sofri passion et en la vierge prist in- carnation qui por nos racheter sofri peine et haan chil dix qui espandi son sene por peceours jor de venredi grant qui se laissait pener en sainte croiz por son pueple essaucier, sauver, pour le mont respiter glorious pere, qui en croiz fustes mis et home et fame & tes ij mains feis Jhesu Crist, qui se laissa plaier en l’arbre de la croiz pour nous jetter d’enfer qui junas el desert qui manja a la ceine qui de l’iaue fist vin (au jour qu'il sist as noces du roy, de saint Archedeclin) qui de mort suscitas Lazaron qui pardon fist Longis qui sa mort pardonna & Longis que Longis navra qui passas mer sans nage. b. KARLMAN. . Karlemaines Kallemaignes Karles li maynes Kalles Challon Charles li magnes Charles le fiz Pepin, le roi, li vieuls Karles li frans, li nobiles nostre avoe, nostre droit avoe nostre empereres nostre emperere ber, dreis, magne, main, riche li empereres frans, loieiz, quernu, roial, sene, vaillant l’emperial l’emperere d’Ais (Aix), de France, de France la garnie, l’honoree, la loee, le roion l’em- perere poissant de France le regne, de France et de Laon Karles nostre roi de France l’absolue, cui (ou) douce France apent, qui dulce France tient, qui France a en baillie, & bailler, a garder, atenir deRome lireis d’Aix la Chapelle, de S. Denis (Denise, Denie), des Frans, de Monloon leriche roi Karlon, le riche rois proisies, puissant le bon roi, le bon roi conneu, corone, seignoril li coronez, li magne corones Charlemaine a l’adure vom 11. Juni 1866. 331 coraige au cuer france le fort roi corajaus, droiturier, poestis qui moult fu poestis drois empereres monsignor droiturier le ber, le nobile ber le no seigneur le fer, le noble ju- sticier Karlon le fier, o le cuer fier, & la fiere vertu, au fier viaire, au vis fier, qui tant a le vis fier, qui fier a le vi- sage, ki moult ot de fierte, en cui est grant firt*) le guerrier, le nobile guerrier o le grant hardement, qui tant paroit hardi qui tant fait a proisier qui tant fu redotes qui fist & rasonnier qui tant ot de renon, grans vertus le vieil chanu le flouris a la barbe canue, florie**), grifaigne, meslö£ee o le flori grenon a poil blanc, chanu, melle, qui le poil a ferrant, flori membre, a la chiere membree li meillor roi qui onques portast armes et le plus fier et le plus justisable le meillor corones qui fust el mond n’en la crestiente li bons rois poestis, qui des rois Crestiens est toupace et rubis***). Erläuterungen. zu S. 326 z. 15. Gewöhnlich wird dame le de geschrieben, oder gar dame l diex, le für den artikel genommen. den verträgt aber dam weder vor noch nach sich, gerade wie sire oder seignor: dam abbe, sire roi, seignor baron. dafs das I aus n entstanden, wie in alma und descomulgar, zeigt die reihe der formen. ein gleich gewöhnlicher fehler ist a celer ne le quier statt aceler, da doch je quier a celer so solök ist wie je veux & celer. vgl. Fierabras p. 156 a. zu den dort gegebenen beispie- len von vorgeschlagenem a treten noch aajisier aancrer acertes achascier achetivee acleroier aconduire aconforter aconseil aconsuit aconter acoper acraventer adamagant adementer adeviner afiner ajoster aleverr amanagier amati amembre ame- schever amesurer amonstrant amonter aparler *) fierement se contient a guise de sanglier, und plus fu fiers que lieparz ne sengler. r **) “tot ai flori le poil et blanc com nei” sagt T'hierry über hundert jahr alt. **) prist l’autre seror a feme, ki d’autres fu safırs et gemme. 332 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse apenser aperdre aracater asaluer asurmonter ataster atenir avoller. zus. 826 z. 17. der trinität (treis noms et un seul dieu: qui ne | croit, il varie) wird nicht häufig gedacht. immer scheint erste und dritte per- son in einander zu fliefsen: Jhesu du chiel, le pere creatour. au non de Jhesu Crist qui le monde estora. crerai Jhesn Crist, qui fist ciel et rousee. or vous conjure je de dieu de majeste et de la sainte virge, qu’en ses flans l’a porte. damedex, sire pere, qui en croiz fu penez. daher auch einmal se deu plaist et le saint esperit, das andre mal Jhesus qui ne menti soit de vos garde, et li sains esperis. wenn es aber heilst pour dieu et pour la trinite, je me fie en dieu et en la trinite, les Danois ne croient en dieu ne en la trinite, so wird das zu verstehen sein wie merchi deu et son non, dammeldeu jure et la soie vertu, oder wie Francheis n’Angevin, meillor n’eust en France n’en Berri. zu 8. 928 z. 13. “cors oder corps dient häufig zur umschreibung, wie Air ts lavog o'Tevos: de sa main se seigna, au veray cors de dieu le sien cors quemanda. en France fu li miens cors ne&, et por cou ai ge de vo cors grant pite. helas, dist Hues, mon cors que devenra? de maint plus grant peril est mon cors escapes. dex puist ton cors honnir confondre vergogner. bien soies vos trove: (Fierabas p. vun, wo dieselbe spälte noch 7 beispiele giebt). vom 11. Juni 1866. mais ne cuidoie a vo gent cors parler. onques en mon lignage traitour ne regna fors mon cors seulement verstärkt il meismes ses cors est maintenant montez. il meismes ses cors li vait l’eve donner. denselben dienst leistet char (xg#<): la char du bon roy ont forment regretee, qui en Borgogne estoit. qui dieux veult aidier et la verge loce, il n’est hon qui le puist avoir sa char grevee. 339 ne fust — qui point &ust connu sa char ne avisee, non mie sa moullier. et dit la dame “mieus vouroie morir que ja ma chars pust la soie sofrir.” zu Ss. 330 z. 11 v.u. avoe schutzherr in allerlei verhältnis. also gott: Adam: dammeldex qui est mon avoes (vgl. s. 327 z. 10). nostre premier avoe. die jungfrau Maria: heilige: virgo sacrata, donami grazia e virtu pronta e ingegno contra a nemici tuoi, nostra avvocata. saint Denis jure (Karles), qui est son avoes. caballero soy de Cristo, ayudador de Cristianos contra el poder de los Moros, y dellos soy abogado (sagt Santiago). der lehnsherr: se ne fust pour icheu qu'estes mes avouds et que j’en doi tenir toutes mes herites, tost vous Eusse dit “sire roy, vous mentes.” seroies par li roi coronnez et de Gascogne sires et avoes. par cui vos estes roine coronde, 334 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse de toute France dame et avo&e. sont parjure contre lor droit seignor et lor droit avoe. cant vos estes si home, il est vostre avoe*). der ehemann. von dem bräutigam hoft die braut en lui aurai moult vailliant avoe. zu 8. 880 z. 15 v. u. Pulei hat öfter Carlo Mano (Man, Manno), was sich natür- lich auch Carlomano schreiben lässt, als Carlo Magno, gebraucht überdies magno noch für grande: l’alta corona magna, magno imperadore, magno Mecenate, magno palazzo, magno re und, mit Ariost O. F. 5 83, magno signore; und wenn Karl in seiner frühen jugend Mainetto geheilsen hat (Morg. M. 25, 32 und 55, 27 281, 28 54), so war das schwerlich ein vorgreifen. zu s. 330 z.12 v. u. li vieuls. im Huon sagt er LX ans a que sui faiz chevaliers. li cors me tramble sous l’ermine deugie: je ne puis mais errer ne cevaucier und Karlot l’enfant, qui jou aime et tien chier, quant l’engerrai, cent ans avoie. im Gaydon Y ij cent ans a acompliz et passez que je fus primes chevaliers adoubez. anderwärts ij cent ans a, que de fit le seit on, que je chausai premiers mon esperon. daher ihn seine feinde un vieil roi asot@e nennen, oder le vieil- lard assote: tant a vescu que torne & folison. zu, 3.3850 2.2 My. u. empereur und roi steht so ziemlich auf Einer linie. zu an- fang des Provenzalischen Gerard von Roussillon heifst eine und dieselbe frau reina und molher d’emperador, und dieser empereres ist Karl Martell, wie auch sonst wir lesen *) il est vos hons liges, vous estes son escu. vom 11. Mai 1866. 335 morgues, vos men iretz & messenhor au roi Karlon Martel l’emperador. in Aubri dem Burgunden wird sogar Orry de Eher so ge- nant, und seine gemalin empereiz, der sich doch selber für Pi- pins home lige erklärt, indem er auf die frage voudrois tu croire Mahon et Cahu antwortet je ne ferai & nul jor tel desroi que je ensemble mes dos signors renoi, Jhesu de gloire et Pepin nostre roi. und wenn, in Flor und Blancheflor, der amiral oder roi von Babylon seine barone versammelt, vienent roi et empereour et due et conte et aumacor. im Floovant versöhnt sich Richier mit dem herzog Emelon et li randi sa terre et trestot son anpire. der seneschal, im Gautier d’Aupais, de quanque ses sirz a est toz emperiauz. ja die ursprüngliche bedeutung von imperator scheint nicht ver- gessen: im Alexanderroman heifst es au disime jor est l’os venue & Caras, u l’or but tout boullant li emperere Cras. zu 8. 331 z. 2. im Gerard de Roussillon fu i Thierry d’Ascane, li dux poissans, li saives droituriers, li vielz ferrans. onques ne jutga tort ses escianz, ne one ne prist loier le pris d’un ganz. Pipin sagt eben da gries vos sera ma droiture & sofrir. sonst vos ne vos deves pas nulement corecier sen fet & un mauves sa droiture paier und si sai cacier le cerf et le sangler. quant jeu lai pris, le prise sai corner et la droiture en sai as ciens doner. 336 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Zus 3o ZN. justisier oder justicier (Senirrorö2os) ist im himmel gott (s. 328 z. 10 v. u.), auf erden jeder herr über land und leute. de tut li mund aiez justixion sagt zu Karl der apostoile bei der krönung; und ein ungläubiger fürst wird angeredet Agolans sire, nobile justicier. dessen sohn Hiaumont avoit sous lui & justicier par sept foies cent mil Ture. eine erbtochter heilst la pucele qui Gascogne justise. daher auch bei jedem ritterschlag c'est costume A novel cavalier: aincois quil doie ses garnemens baillier, doit oir messe et damedeu proier ke il li doinst bien terre justicier. und Hugo Capets ohm und pate, der schlächter, hat bien ij mille livrees de terre & justicier. nicht minder führt der justiecier im kriege an: de Gofroy de Paris firent lor justicier por maintenir la guerre et por ax forcier. justicier une terre ist demnach synonym mit gouverner garder ' maintenir tenir, Tewirrevsw, und begreift die gesamte verwaltung und regirung, als deren hauptteil die rechtspflege gilt. und weil diese am häufigsten das strafrecht zu üben hat, so wird justi- cier, wie Ödizaolv, auch geradezu für züchtigen abstrafen hin- richten gebraucht: li serjans qui plus vaut sans trichier que iij autres ne font pour felons justicier; . tant par fu grans et fors. den almirante Guarinos en tres fiestas que hay en el ano le mandaba justiciar; und wie er einmal frägt ob der tag gekommen sei que me suelen justiciar, antwortet der kerkermeister vom 11. Juni 1866. 337 no es venida la pascua que te suelen azotar. ähnlichen wandel der bedeutung erleidet .confesser: a son tinel les a si confesse. li euens Guillaume m’eust mal confesse, und discipliner: Gane mon frere fist ardoir en un re sur Rochepure et tout discipliner. übertragen wird justicier auch auf kampf: & lors espees se vont bien justisant. je vos cuit si por armes justicier que celle teste vos ferai reoignier. jai & ceste grant hache trente reis justicie, und auf liebe: la seue amor me destreint et justise. qui d’amors est justieies, cou cuide faire certement dont s’emervellent moult de gent. 2. Wie Homer nızg05 und örryos verwechselt oAryos nev Erv (Als) EIN , 7 x > N \ a) \ , Ewv oAlyog TE zaı ourıdavos ( OövrTeus) \ / \ m SEEN al oAryn mev moWra Hogusser (2215) , > » 23.79 midaros and oALyyS 5 ’ N. a SAN ToIs oAıyorst, vermöge einer begrifsverwandtschaft die auch w«ügos zu parvus hinüberführt, so finden wir oft peu wo wir petit erwarten, petit wo peu, jenes z. b. per una pauca porta s’en van issir. en una maiso pauca et estremiera. dos paucs mestiers. li jorn son lonce e Mai, paucas las nug. tals es granz que non es pros et tels es paucs ques vigoros. nous ne savons dire ne poi ne grant se il est mors. dies in la cuirie dessous li a petit valu. petit avez vescu. 338 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse tam petit non dormira. de Franceis i ad asez petit. moult petit a mangie, mes asez but de vin. petit de gent avez. fei la sezer un petit plus pres davance. 3. Oben s. 141 — 3 hat sich zusammengefunden was die trou- veren für hohe werte, für bedeutende gröfsen ansehn. wie sie das kleine und das geringe messen, wird an folgenden beispie- len ersichtlich sein. les os li froisse ausiz comme un agnel ne daria per sa via un ailh. ceste vantance ne pris dos alz peleiz. s’il ne se venge, ne vaut dos aus pelez n’en donroie une aillie. n’em- pire une aillie. il n’en tenroöit valissant une aillie onques n’i forfist une aloe plumee. n’i durerion puis une aloe sauvage. il vous doute plus que aloe faucon james n’arai du vostre vaillant un anel d’or ne perderoie vaillant un Angevin. n’en tient un Angevin. ce ne li vaut mie le pris d’une Angevine aincois c’on fust ale le trait a un archer n’en isteriez tant com un ars destent no 1 segra de terra un sol arpen. plus tost t’aurai ocis et detranchie que n’i iriez demi arpent & pie. en trestot Montorgueil n’ot si fort bacheler qui portast le baston un arpen mesure. dagegen on alast bien iij arpens et demi ains que nus d’euls saiche ses pies & lui il n’en doit perdre un aune son pais le coupa si comme un auqueton. ausi li ront com un pant d’auqueton je ne m’i prisaria un auriol (vgl. oriol) n’i valut arme la monte d’un balais en la sale sorti plus d’une bastonnee ja n’aura home en tot cest reigne qui por vostre seneschauci& me donast une Beauvoisine je non pretz menassar jes un bee d’ana ne vaus pas un berchier valissant un bezan. ne sol quatre besanz entiers ne li vol metre en s’aumosniere ne done une dille si je vif seulement tant c’om cueille la blee la joie de cest mont ne pris mie une bole jeu non pretz ma plaia mia un bolei ja puis lor force ne vaura un boton. je ne donroie de Karles valissant un bouton quant c’avons perdu ne soing une brebis anc ne li diz ni das ni bus d’aisso non dis ni duf ni baf ne vaut une carpite no um. Tim: 1866. 339 presar sa guerra puis una castenha. en prison les tienent li Sar- razin d’Espaigne: ja n’en istront por roi ne par chastaigne. ne prisent vos menaces le pris d’une chastaine je ne pris pas plain poing de cendre ta menace ne vos pris toz une vil chambriere il n’en l’empire vaillissant un chertain. il les salue com hom de grant certain il ne prise son cors vaillant une cheue ge ne-te pris plus c’un chien enragie. Mahomet n’a plus de povoir e’un chien ponrri puant. ne les pris toz un viel chien recreu. Mahomet ne vaut vaillant un chien tue mener en lien comme chievre escornee ne le pris une chime la pel du serpent n’i valut une cine onques ne vos requist vaillant une cinele non pretz vostra menassa un codoig si tost comme le ber le col passe en a, il fu sain comme pomme nos fan sai aparer lo gulh d’un cong se venjanche n’en prent, ne vaut ne c’un contrais les veines en ront comme une viez courroie vo menacher ne prise un peu de croie je mi donroie un de. n’en donasse un seul de. ne le douc mais la montance d’un de valissant un denier, un soul denier. pour lui ne ferions la monte d’un denier.: n’en aurois dos de- niers moneeiz. non presarem asaut dos fals deniers. il n’en a de sa terre quatre deniers. n’eussiez pas conte quatre denier quant Malabron li vint devant & l’encontrer. n’eussiez pas conte six denier de randon quant il vint. vaudenier wie vaurien mi perdirent le vaillant d’une denrde. vaillant une derree (desree). ains n’i mesfit derree. ne vous leroie de terre derree ne demie. n’aurai du vostre qui vaille une desree n’en tendra plain doi ne demi pie tant com je vive perde de terre un dor. n’a nul oir de sa seror qui apres sa mort tiegne dor de s’onor ne le prise une escalogne cil brise comme une escorce sa lahce de vostre amor ne m’est une escwielle entre LXIj ne | porent remuer, ne solement plein espan sus haucier li haubers ne vaut une espaniere ne vos pris tos quatre vaillant un espe- ron par le periuis i passast de volee un esperviers sans point de demoree ne m’aime un espi. li nasax ne li cheicle n’i valut un espi. il ne prise Doon un espi de fourment ne li valut le pris d’un Estampois il n’i conquesta vaillant un esterlin n’en porteres du mien qui vaille une estriviere ne li vaut un /estu. vaillissant dos festus. tout li a derout comme 340 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse un festu de ble. laissiez la dame: n’i avez un festu (gleich nach- her petit vos en fu). tout comme peseroit un festuet de ble. comme feuille de chol li a freint le capel. tout chen ne valut la feuille d’un bos, d’un lis. ne doute nostre espee la feuille d’un noier. ne li valut la feuille d’un sarment. comme un feul de rosier, de seu. je ne prise pas Mahom la fuille d’un aubor la bone bruine ne li valt une fie. ne lor donroit mie a toz le vaillant d’une fie tu ne sez vaillant une figue ne prisent tot le mont une flor. ne me priseront la monte d’une flor. je n’en donne une flour je ne les dout tous iij vaillissant un Jormage. la cauche n’i valut la monte d’un formage je ne veul plus du vostre la monte d’un fusel ja de vos terres ne tenres mais plain gant. ne vous leroi de terre demi pie ni plain gant. s’or ne se peut vengier, il ne se prise un gant. de tout l’avoir que avez en present, n’en porteres la vaillance d’un gant. li hastieux ne valent la monte de dos gans. tot les diex ou jai este creant, ne vallent pas la couture du gant. ne valt la coiffe un viez gant descosu plus pauvre que n’est garchon d’estable l’ausbere ne pesa ges plus d’un sol Garnier ausiz le fent com feist un gastel. ausiz les froissent comme un gastel rosti. onques vaillissant un gastel n’i perdi no presarem sa guerra una glan. ne lor valent escut per una glan nes douteroie la montance d’un glay je n’i donroie un po de gloise ne les prise pas deus gomers la vostre traison ne vaut goute d’argent si Karles nos combat, non pretz un grel ne valent mes ti cop un haneton no i prezes aver le pretz d’un jone le bachin li effondre con s’il fust de laiton il ne me prise vaillant une laitue n’i ai conquis vaillant un fer de lance. en covenant eus & damledeu que ne fuiroies de bataille champe por Sarrazins plaine lance d’este no li laissarai d’onor solo una legua, pesant d’un Zöge, un plen besto, tant cum val un seus (sonst: ne li lairoi de terre ne d’onour & tenir ou il puisse vis estre ne mors puisse gesir) plus ot cuer assez que un lievre n’en a je n’en prendrai une maalle. mar i perdra vaillant une maaille ne vaut aux Saisnes arme un denier Maconnais en tant que l’on auroit sa main close et ouverte il ne me doutent mie vaillissant un mallart de tot lor avoir ne retendra mangon contre son cop ne vaut vom 11. Juni 1866. 341 arme un mantel il n’i mesferoient le vaillant d’un Marchois prendetz de mon aver cascus mil mas. ne li devetz pas tolre un mas de terre. el non a de Gasconha ne castel ne mas ne vous prise un mastin. Mahon ne vaut pas un ort mastin puant jeu non pretz vostra perda un moissato & son col le geta aussi comme un mouton. ne prison vostre don un mouton escorne. ainsiz l’affronte com feist un mouton chevaliers qui ne suit ne pris pas un Nantois n’i laissa vaillant ij naviaux. pas un nesel se de bas linaige estes, n’i conte un neut d’estrain ch’est tout pour noient que il s’en sunt pene. ne plus qu’un fin noient trestout chen ne prisa n’en donroit une nois. de sens il n’a ij nois. ne vos pretz miga una notz. no pretz la guerra de Karles puis una notz. certes ne vos redout je mie la monte d’une nois pourrie no darai un of, se us iraissetz. quan que dizetz, un of non val. deh& ait qui pour lui un oef en fera. vostre mellee ne vaut pas un oef ci. autre tezaur non pretz un ou coat. chen ne vous puet aidier vaillant un oef pourri. ne li valut ne que ij oes peles la coife n’i valut vaillant un oli- vier je ne me prezereie un oriol vos non avetz chastel que pretz un ort n’en donne (ne vault) une osiere la vielle broigne ne li valut un paxle arme n’i vaut une »aille d’avaine vous n’aurez ja un pain vaillant. ne poise pas (nes doutroit il) un blanc pain bulete mors est en un palu no li val ses auberes un pan de foc, la ventaille le viez pan d’une nasse li hauberes n’i vaut un Parisis. il ne leur puest aidier vaillant dos Parisis ne pour toi un pas reculerai n’est hons qui ä li vaille une pertris plumee. le heaume ne li valut l’ele de ij pertris toi ne tes diex ne valent une pie ne li devetz toldre plein pie de terre. si je recule ja quatre pies mesures, voeil que me pendetz ains &ust on err&e d’une pierre le ru que l’uns parlast & l’autre: tel joie ont il eu ne valent li haubere ne que dos pignes viex. sans avoir du sien le vallue d’un pine ja ne li remaindra point de s’onor tot ce ne prise une poire porrie vostre escondit n’i vaut un pois. lVescu ne l’auberes ne li valent un pois. li ung ne prise l’autre qui vaille quatre pois. ains n’en perdi la montance d’un pois un anelet qui ne vaut Poitevin neis l’empereres de Rome n’i feroit vaillant une pomme. Mahom ne vaut pas une [1866] 95 342 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse pomme paree. la pel&ure d’une pomme de lor dete ne paieroie. ne pris son dangier une pume meure ne Ih laissarai de terra sol un plen ponh ausiz l’affronte comme feist un porcel ainchies que en eEust un pouchin escaude. on ne le doit prisier un pouchin escaud&E je n’en dorroie une punoise le cheval a coupe comme un raim d’olifant (olivier?). le deront comme un raim de pommier. a son col le geta comme un raim de sarment. seignorie que j’ai &ue ne pris pas un rain de segue. sa lance brise comme un rains de seu ausiz le froisse com rainscel d’olivier. tout aussi le deront comme un rainsel pele devant li les gavele com ramille menue Alixandre 1y rois, le sire de Caldee, ne Artus de Bertaigne n’y vallurent rien nee. il n’est rien nee que tu vailles n’a de terre roie ne vaus un romoisin ne m’o presaria un roscinhol 1a coiffe blanche ne li vaut un rosel. le col li tranche ainsizz comme un rozel. tu ne dorroies en mon doel un rossel honni soit or comme fils de mastin qui leur donra la monte d’un rouein ne m’est remez vaillant un sac ne li valut arme ne c’un samiz. ne li valut la monte d’un samiz. onques la maille du blanc haubert treslis ne li valut un bliaut de samiz lor haubert ne valent une sarge porrie ni mefferoient il vaillant un sigamor quan que tu fes ne pris un soufflement de ces autres ne quier un trestot soul bailer. ains que vous oussiez LX sous contes, €&t plus de xxx lieues par la mer traverses ne le prisa vaillant un soulers viez. n’i forfist l’oreille d’un souler ne l doute ne creint vaillant une sueire ne li vaut la monte d’un Zabor ne Zant ne quant sicomme un vies Zapis lors li a depechie plus de xımj fois le beise en un ienant. il aleve la main, de dieu se va seignier trois fois en un tenant le fort escu ne li vaut un terin n’i arai une toüe l’aubers n’i vaut une toile ciree. ausiz li tranche comme toile porrie li haubers jazerant n’y vally un tournois ne vos aiment le Zrongon d’une lance vaillant un iros. jeu non pretz vostre orgulh ni vos un tros ne li val ses aubercs pur un varesc vos mariages ne pris ge mie nes un trespas de vent. vom 11. Juni 1866. 343 4. Der Homerischen, auch wohl tragischen weise örtlichkeiten zu umschreiben ’Arsıclov ZvSa zoAwwn zerryran A 757 0>1 "Egmoros Aohos Errı m 471 HEvoucw EvIa wediov Arwros Sons agdsı Aeschyl. Pers. 807 entspricht zuweilen die Romanische, in der Cronica del Cid do es Santo Thome llamado 275 do es Oter redondo llamado 155 do es Lerma llamado 444 do es Pena-fiel lamado 454 do es Cerrato llamado 566 do llaman val de Pero 277 qual disen Benavente 547 636 oder do es Mororuela poblado 693 que es Birviesca lamado 679. im Romancero del Cid honraste la mia casa, do Cardena era nombrado, und legados son 4 San Pedro, do Cardena se nombraba. ähnlich ist encor i a gent de religion: a Saint Guillaume el desert le dist on. desi qu’& Rome, qu’en dit en pre Noiron. lors lor pria que la ou l’on martiria Saint Morice li monstrissont. Hr. Kirchhoff legte folgende Mittheilung des Hrn. Dr. Koehler in Athen vor: über die Zeit der Archäresien in Athen. Die Frage, zu welcher Zeit des Jahres das attische Volk seine höchsten Beamten gewählt habe, ist bekanntlich in neuerer 25* 344 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Zeit mehrfach und von bewährten Auktoritäten zum Gegenstand der Untersuchung gemacht worden, ohne dafs man zu einem übereinstimmenden Resultate gelangt wäre. Diefs ist um so auffallender, da, ganz abgesehen von der Wichtigkeit, die der- gleichen Wahltage in jedem freien Staate zu jeder Zeit haben werden, in Athen ins Besondere dieselben zu den bewegtesten im Jahre gehört haben müssen, mag man nun das dort so ent- wickelte Parteileben im Allgemeinen, oder den bekannten Ehr- geiz der Individuen oder endlich die gröfsere Lebhaftigkeit der Südlander überhaupt mehr in Anschlag bringen. Noch jetzt, unter ganz veränderten Verhältnissen, versetzen die Gemeinde- wahlen jährlich das ganze Königreich Griechenland in Aufregung. Man sollte daher wohl erwarten, bei den Geschichtsschreibern positive Nachrichten über die Archäresien zu finden, und ich weils mir ihr fast absolutes Stillschweigen in der That nicht anders zu erklären, als aus der idealen Auffassung, welche recht im Gegensatze zu der ihren Ursprung aus der Chronik nie verleug- nenden römischen, in der griechischen Geschichtsschreibung vor- herrscht, und unter deren Einflufs dieselbe die äufsern Formen des staatlichen Lebens selten berührt. Es wird daher erwünscht sein, wenn diese Lücke von einer andern Seite her ausgefüllt wird. Auf einer Platte hymettischen Marmors nemlich, welche auf der Akropolis aufbewahrt wird, findet sich folgendes Präscript eines Volksbeschlusses: [EITIZYMMAXO YAPXON[TOZENITHE..... AOZAEKATHZTPYT/[NEIAZHIAP...HZ OEOA )POYOOPIKIOZET:[AMMATEYENMOY NIXIC IIIIIZAEYTEPAIMET[EIKAAAZMIAI 5 KAIENNIOZTEITHZMPYTANL[IAZHIHZAN APXAIPE ZIAIKATATHNMANT[EIANTYKNI TONTPOEAPONETEYH®ITEN)...... H PAIZTIINOZEPXIEYZKAIZY[MTPOEAPOI [EA]RFENTEIBOYAEIKAITOIAH[MAI..... 10 ns u ee re ER EEE 1+1u? zt+ia% A1-+u? (z-+?u) (1+1?) 1—u? ee Kar 1-+ 1? = 1-4? gefunden wird. Da andererseits aus den obigen Formeln folgende folgt: m — Cılı m + Cılı — 1. so sind die obigen Behauptungen gerechtfertigt. Andrerseits habe ich am a. O. (pag. 56) nachgewiesen, dafs während das Argument 2 ein reeller echter Bruch bleibt, auch die Argumente y, und y, reelle echte Brüche sind, deren: erster y, die Grenzen 0 und _——— Vıze; I, zweiter y, die Grenzen 1 und ———— 1+c;ılı nicht überschreitet. In der That lehren die obigen beiden For- meln in Verbindung mit der daraus folgenden — 1,—]/(t-2)(1—?r?u?z? dals so lange z ein echter Bruch ist: die Gröfsen y} und y3: gleiches 1—yi und 1—y3: gleiches m: lei = - yi) und (= - yi) ungleiches Zeichen haben, woraus das Behauptete sofort folgt. — Diese von mir hier in ihren Hauptpunkten wiederholte Transformation, ist später von Eisenstein in ihrem allgemeinen algebraischen Prinzip auf sinnreiche Weise reprodueirt worden, ohne dafs es ihm gelungen zu sein scheint sie in ir- vom 25. Juni 1866. 415 gend einer Art zu verallgemeinern, oder auch nur die wesent- liche Schwierigkeit, welche bei ihrer Auffindung zu überwinden war, nämlich die zur Berechnung der aus ihr fliefsenden Inte- grale geeignete obige Form aus derselben algebraischen Quelle abzuleiten oder zu modifiziren. Später hat ein ausgezeichneter Schüler des Hrn. Weier- stral[s die obigen Formeln aus den modernen und bewunde- rungswürdigen Prinzipien der Funktionentheorie aufs Neue construirt. Ich habe seit längerer Zeit die Ausdehnung dieser Trans- formation auf die Umformung des Aggregats zweier solcher -ul- traelliptischer Integrale mit beliebigen obern Grenzen zum Ge- genstand meiner Untersuchungen gemacht. Dieselbe steht einer- seits mit der ursprünglichen Auffassung der Abelschen Funktionen als Funktionen zweier Argumente im Einklang, und führt an- dererseits auch die Fortsetzung meiner Transformation auf ihre richtigste Bahn. Da bisher dieses Problem von keinem Geometer mit Er- folg behandelt zu sein scheint, so wird es wohl nicht ungeeignet erscheinen, wenn ich eins der vielen Resultate, auf welche ich bei diesen Untersuchungen gekommen bin, ohne weitere Aus- führung der Akademie hier mittheile. In der That wird dadurch die oben gestellte Aufgabe nach einer Richtung hin vollständig gelöset. Ich stelle nämlich folgendes Theorem auf: „Wenn man die beiden beliebig gegebenen Argumente 2, 2, und die beiden neuen %; Y; nennt, so finden zwischen ihnen, bei sonst gleicher Bezeichnung wie oben, nur dafs der Kürze halber: (— (1—2?2?) a= — u” A—n?z}) 4 are) u—n? &8,) Az, (1—2r? 23) GE) a "7 ee) re A) G-2)Q—ar29) (1-23) (—r"2}) a nn (—x?2}) en = 2?) (—x? 2?) — A (21 28) gesetzt wird, folgende Gleichungen statt: at (Arulı 25) — #21 89 Anl 23) a d 2% Au 2123 Aru2ı?az —Aıu(ı25) 416 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ar ren 22 A212 A,u2ı22 — Aıa2ı22 und die dazu gehörigen Differentialgleichungen sind: 4-Hruz? 14 ?ruz? m, +c;ılı 1 1 — a BE ne, ee Ze || Zei — — 7) ) Az, a Az; z 2 Dy, Ya Dyz z 1—?uz? 1—Auz? m, -+c, 1, i— m? y? AZ 1 dz, + 2 dz, — 1 ot Yı dyı Az] Az, 2m, Dyı 1— m? Y3 di ) Tu SR FEIERTE 2 Dyz Man sieht hieraus, dafs die Moduln in dieser Transformation dieselben sind wie in meiner älteren. Dafs auch die neuen Argumente %y, Yz so lange z, und z, echte Brüche sind, die obigen Grenzen nicht überschreiten also auch echte Brüche sind, habe ich auch auf ähnliche Art nachgewiesen. Dies so wie den Beweis des ausgesprochenen Theorems, die Aufstellung der übrigen nicht so nothwendig zur Transformation gehörigen Formeln, und endlich die Benutzung derselben zu einer ge- eigneten Berechnung des Aggregats der gegebenen beiden Inte- grale in geeigneter und bequemster Form behalte ich mir vor bei einer andern Gelegenheit der Akademie mitzutheilen, und bemerke nur noch dafs diese Berechnung nur unwesentliche Modifikationen meines am angeführten Orte auseinandergesetzten Algorithmus erfordert. Königsberg, den 15. Juni 1866. F. Richelot. Hr. Ehrenberg legte die folgende Mittheilung vor, welche er auf seine Anfrage von Hrn. Dr. W. Siemens hierselbst über eine von diesem in Gemeinschaft mit seinem Bruder Wil- helm in London vorgeschlagene Methode für fortlaufende Be- obachtungen der Meerestemperatur bei Tiefenmessungen erhal- ten hat. Die Methode beruht auf der Thatsache, dafs der Wider- stand der Metalle von ihrer Temperatur abhängig ist. Durch Messung des Widerstandes einer isolirten Drathrolle, deren vom 23. Juni 1866. 417 Widerstand bei einer bestimmten Temperatur bekannt ist, kann man mithin auf die Temperatur des die Rolle umgebenden Meerwassers schliefsen. Es ändert sich z. B. der Widerstand des Kupfers für 1 Grad der hunderttheiligen Skale um 0,394. Diese Methode leidet aber an dem Übelstande, dafs man die Enden der Widerstandsrolle durch sehr gut leitende, also dicke Dräthe mit dem Schiffe verbinden mufs, damit der durch die veränderte Temperatur ebenfalls geänderte Widerstand der Zuleitungsdräthe keinen merklichen Fehler hervor- bringt. Auch erfordern genaue Widerstandsbe- stimmungen sehr gute Ap- parate und experimentelle Gewandtheit. Wir haben daher in neuerer Zeit die Methode insofern abgeän- dert, dafs die Wider- standsmessungen ganz fortfallen und die Tempe- ratur der Meerestiefe am Bord des Schiffes durch ein gewöhnliches Queck- silberthermometer abgele- sen wird. Es wird dies dadurch ermöglicht, dafs die am Ende des zwei- dräthigen Kabels, welches als Lothschnur dient, ein- geschaltete Widerstands- rolle mit drei anderen am = Bord des Schiffes befind- = lichen genau gleichen Wi- derstandsrollen und einem Galvanometer mit astati- scher Nadel zu einer so- genannten Wheatstone- schen Brücke combinirt 418 Gesammtsitzung wird, wie dies aus der umstehenden Figur zu ersehen ist. Die eine der auf dem Schiff befindlichen Widerstandsrollen liegt in einem Wasser- oder Ölbade, welches beliebig abgekühlt oder erwärmt werden kann. Ist die Temperatur dieses Bades, mit- hin auch die der in ihm befindlichen Drathrolle, verschieden von der Temperatur des Wassers, welches die ins Meer ver- senkte Drathrolle umgiebt, so durchläuft ein Storm das Galva- nometer und die Nadel desselben wird abgelenkt. Findet keine Ablenkung statt, so sind die Temperaturen des Meerwassers und des Bades genau gleich. Die Ablesung des in letzterem befindlichen Thermometers giebt mithin die Temperatur der Meerestiefe. Da der eine Zuleitungsdrath dem Zweige der versenkten Rolle, der andere dem der im Bade befindlichen Rolle angehört, und beide gleichmälsig durch das umgebende Meerwasser erwärmt oder abgekühlt werden, so ist ihr störender Einflufs vollständig eliminirt. Es können mithin sehr dünne Zuleitungsdräthe benutzt werden, was von bedeutender practi scher Wichtigkeit ist. Das beim Aufstofsen auf den Meeresgrund ablösbare Ge- wicht und die Einrichtung zum Heraufholen von Grundproben bleiben unverändert. Die Ersetzung der bisher gebräuchlichen Hanfschnur durch ein dünnes zweidräthiges, mit Hanf umspon- nenes Kabel vertheuert allerdings den Apparat ansehnlich und macht aufserdem die Anwendung einer besondern Vorrichtung zum Aufwinden und Abrollen des Kabels nothwendig, dagegen wird aber die grolse Festigkeit eines solchen Kabels auch den häufigen Verlust der gebräuchlichen Hanfschnur verhüten. 28. Juni. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Haupt las über verwandte syntaktische Er- scheinungen im Griechischen, Lateinischen und Altdeutschen. Derselbe legte sechs eigenhändige Briefe von Philipp Sidney vor. vom 28. Juni 1866. | 419 Herr Mommsen legte eine Sammlung von Briefen von und an Pighius vor. Dieselbe bildet einen Theil der grofsen Brief- sammlung, die der Bürgermeister von Frankfurt am Main Zach. Konr. v. Uffenbach (f 1734) angelegt.hat und die nach seinem Tode an Pastor Wolf in Hamburg') und mit dessen Büchern in die Hamburger Stadtbibliothek gekommen ist. Die Zahl dieser Briefe, die zwischen 1557 und 1597 meistens la- teinisch, zum Theil aber auch italienisch, französisch und hol- ländisch geschrieben sind, beträgt 264; sie sind in Frankfurt für Uffenbach im Jahre 1725 abgeschrieben ex ipsis autographis, quae in Bibliotheca Regia Berolini habentur und mit sorgfältigen Verzeichnissen der Briefe theils in chronologischer, theils nach ihren Schreibern in alphabetischer Folge versehen. Leider ist es nicht gelungen die Originale wieder aufzufinden. Ohne Zwei- fel sind dieselben nach Pighius Tode (1604) mit dessen übrigen Papieren an Eberhard von Vollenhofen, den Kellermeister des Capitels zu Xanten und Freund des Pighius, von diesem im J. 1646 an den eifrigen Sammler Hermann Ewich Prediger zu Wesel und im Jahre 1680 durch Ewichs Sohn mit den sonstigen Ewichschen Sammlungen in die damalige kurfürstliche Biblio- thek gekommen ?). Aber weder in der Königlichen Bibliothek noch in der Bibliothek des K. Museums, in welche, vermuthlich mit der ehemaligen Kunstkammer, ein Theil der Pighischen und Ewichschen Handschriften übergegangen ist, haben diese Briefe sich vorgefunden und auch in den älteren Katalogen beider ') Vgl. den Conspectus supellectilis epistolicae et literariae manu ex- aratae quae ewstat apud Io. Christophorum Wolfium pastorem Hambur- gensem. Hamburg 1736. 8. Der Band, der die Correspondenz des Pighius enthält, ist darin als epp. mss. 4° vol. 6, S. 180 fg. beschrieben; offenbar gehört er zu denen, von denen es in der Vorrede heilst: nonnulla volu- mina Uffenbachius ex avroypabors diligenter describi recens curavit. *) Oelrichs (Entwurf einer Geschichte der K. Bibliothek zu Berlin 1752. S. 108 fg.) giebt ein Verzeichnils der sechzehn von Ewich er- worbenen Handschriften, worunter die Nummern 1. 4. 5. 12. 13. 14. 16 sich theils in der Bibliothek, theils auf dem Museum wiedergefunden haben. Von Briefen spricht er nicht, obwohl die N. 10 fol.: virorum clarıssimorum manuscripta varia adiectis nonnullus alivs die Briefsammlung bezeichnen kann. 420 Gesammtsitzung Anstalten wird ihrer, so viel sich hat ermitteln lassen, nirgends gedacht, so dafs wir zur Zeit wenigstens auf die Hamburger Abschriften angewiesen sind. Ein sehr hervorragendes Interesse nehmen diese Briefe allerdings nicht in Anspruch; wenn sie auch theils aus der Brüsseler Zeit, wo Pighius viele Jahre zugleich mit Anton Mo- rillon als Secretär des Bischofs von Arras, des späteren Car- dinals Granvella lebte, theils von seiner zweiten italienischen Reise 1574/5 mit dem jungen Erbprinzen von Cleve'), theils aus Xanten, wo Pighius die letzten dreifsig Jahre seines Lebens zugebracht hat, manche Einzelnheiten mittheilen, die für diesen oder jenen Forscher brauchbar sein mögen. Für den Epigra- phiker nicht ohne Werth sind die Briefe von und an Nicolaus Florentius von Haarlem, durch den in den Jahren 1558— 1567 Pighius, Laevinus Torrentius und andere holländische Gelehrte dieser Zeit mit Inschriften und anderen antiquarischen Neuig- keiten aus Rom versehen wurden, so wie die an Io. Bapt. Fonteius aus den J. 1575. 1576, dem Pighius von ihm in Modena und in Xanten abgeschriebene Inschriften einschickte, ') Ich weifs nicht, was Pighius veranlafst hat in der Beschreibung dieser Reise, dem Hercules Prodicius, seine persönliche Begleitung zu ver- schweigen und statt seiner durchgängig einen ‚Verwandten‘ Corona Pighius einzuführen, dem er nicht blofs alles, was er auf dieser Reise gethan und erlebt hat, sondern auch seine früheren Lebensereignisse beilegt; zum Beispiel führt er ihn also ein (p. 139): adsciscere placuit unum ex aula Burgundica et ex familia domus Granvellanae .... accersitur ex hac quidam Corona Pighius mihı sanguine iunctus, qui iduvenis studiorum causa per annos octo in Italia manserat et inde reversus Antonio Perenotto cardinali Granvellano .... fuerat ab epistulis Latinis et a bibliotheca per annos amplius quattuordecim, vir in bonis disciplinis, historia veteri et in anti- quitatum observatione haud mediocriter versatus. Hasselt (Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins 1, 172) hat sich durch diese seltsame Per- sonification täuschen lassen und die ganz verkehrte Meinung aufgestellt, dafs die Berliner Papiere des Pighius nicht die des Stephan, sondern die jenes Doppelgängers seien, der schwerlich überhaupt existirt hat. Aufser anderen vollkommen sicheren Zeugnissen, z. B. der dem zweiten Bande der Annalen vorgesetzten gleichzeitigen Biographie, zeigen zum Ueberflufs unsere Briefe mit völliger Evidenz, dafs der Begleiter des Clevischen Prinzen kein anderer war als Stephan Pighius. vom 28. Jnni 1866. 421 wogegen die zahlreichen Briefe von und an Metellus dem Philologen keine Ausbeute gewähren. Beachtung verdient auch das Schreiben an den österreichischen Gesandten in Constanti- nopel Karl Riem aus Wien vom 6. Aug. und dessen Antwort vom 1. Nov. 1574, so wie ebenfalls hieher gehörenden Billete des Sambucus an Pighius während und nach seinem Wiener Aufenthalt. Sie betreffen das ancyranische Monument, wovon Pighius, der nach Vollendung seiner Fasten von Gründung Roms bis auf Caesar eine Fortsetzung derselben bis auf den Anfang der Regierung Vespasians auszuarbeiten begonnen hatte, Abschrift zu haben wünscht und selbst die (auf 20— 30 Du- caten angeschlagenen) Kosten tragen zu wollen sich erbietet. Die Briefe zeigen, dafs Busbeck selbst keine Abschrift besafs und auch, wie es scheint, nicht wulste, dals seine Begleiter eine genommen hatten; er verwandte sich vielmehr bei Riem für Pighius um zu bewirken, dafs dieser an Ort und Stelle Abschrift nehmen lasse. . Riem antwortet: nisi istae vestrae litterae me iam plane ad iter accinctum deprehendissent, cupidissime sane id et tibi et D. Bousbequio, cui omnia debeo, et litieris et rei ipsae dedissem, ut Ancyram pictorem meum mitterem, qui quicquid illud esset, inspiceret et describeret. Erreicht ward also nichts und wenige Jahre später (1579) machte Andreas Schott die ihm von Busbeck mitgetheilte Abschrift zuerst im Druck bekannt. Aber von grölserer epigraphischer Wichtigkeit sind die Briefe des Martinus Smetius und des Marcus Laurinus an Pighius, insbesondere die, welche sich auf die von dem ersteren angelegte Inschriftensammlung beziehen. Ueber diese und ihre wunderbaren Geschicke ist in der letzten Zeit mehrfach, auch in diesen Monatsberichten!) verhandelt worden, und wenn auch die Selbstständigkeit der Sammlung des Smetius seit diesen Er- örterungen als festgestellt gelten durfte, so waren doch keines- wegs alle Zweifel beseitigt. Smetius selbst berichtet in der Zu- schrift vom 1. Febr. 1565, die er dem für M. Laurinus geschrie- benen, jetzt im Original in Leyden aufbewahrten und durch ') S. G. B. de Rossi, Monatsberichte der Berliner Akademie 1858, 630 fg. und annali dell‘ Instituto 1862, 220 fg. und meine Bemerkungen Bullett. dell’ Instituto 1862, 44 fe. [1866.] 30 422 Gesammtsitzung Lipsius zum Abdruck gebrachten Exemplar seiner Sammlung vorgesetzt hat, dals alle seine in Italien 1545 — 1551 zusammen- gebrachten epigraphischen Collectaneen, mit Ausnahme allein der für Laurinus bestimmten nur bis zum 51. Blatt gediehenen Reinschrift, im Brande seines Hauses untergegangen sei und dafs er die übrigen 124 Blätter conquisitis quibusdam aliorum eiusdem studü amatorum exemplaribus nach Möglichkeit und wohl nicht ohne manche Fehler wiederhergestellt habe. Und doch unterscheiden sich diese äufserlich in nichts von den ersten 5l und das ipsemet omnia vidi ist hier nicht weniger häufig als dort. Hier nun finden sich zwei Briefe von Smetius an Pighius, ge- schrieben der erste am 27. Jan. 1558, unmittelbar nach jenem am 13. Jan. vorgefallenen Brand, der zweite am 18. Sept. desselben Jahres, und verschiedene Briefe von Laurinus an Pighius aus derselben Zeit, aus welchen der Hergang der Sache vollständig klar wird und die schon darum wohl verdienen voll- ständig mitgetheilt zu werden, weil wir von beiden für die Litteraturgeschichte dieser Zeit nicht unwichtigen Männern sonst nur wenig wissen. Denn auch Junker Marcus Lauweryn, latinisirt Laurinus, Herr von Waetervliet bei Brügge, wo er unverheirathet und hochbejahrt im Jahre 1610 starb'), hat in der gelehrten Welt keine unbedeutende Rolle gespielt, wenn er auch nicht oder doch nicht unter seinem Namen als Schriftsteller aufgetreten ist. Er besafs ein sehr bedeutendes Münzkabinet, für das er Hubert Goltz Italien, Deutschland und Frankreich bereisen lies. Die grolsen numismatischen Publicationen Goltzs sind auf seinen Betrieb und wie es scheint, auf seine Kosten in Brügge erschienen. Die dort gewils mit zu diesem Zweck errichtete Druckerei und überhaupt die Vorbereitungen zur Her- ausgabe der goltzischen Münzwerke werden vielfach in diesen Briefen erwähnt. An den Fälschungen, die Goltz sich zu Schul- den kommen liels, war sein Patron ohne Zweifel nicht betheiligt; wogegen diesen Briefen zufolge, die Commentare zu den goltzi- 1) Vgl. über ihn Foppens bibl. Belgica 2, 839 und Goltz in der Zueignung seines Caesar. Auch sein Bruder Guido. beschäftigte sich mit den gleichen Studien; an ihn schreibt Pighius in einem Briefe vom 21. Apr. 1558 unter anderm: De Ammiano Marcellino alüisque Corbeiensis monasteri libris si quid indagare poteris per occasionem, velim ne negligas. vom 28. Juni 1866. 423 schen Münzwerken von ihm herrühren ') und Goltz selbst haupt- sächlich nur die Holzschnitte geliefert zu haben scheint”). Dar- aus erklärt sich auch, weshalb Panvinius den Brief vom 13. Jan. 1) M. Laurinus schreibt an Pighius aus Brügge Palmsonntag 1563: Julium nostrum [gemeint ist das unter dem Namen des Goltz zuerst Brügge 1563 gedruckte Werk: Julius Caesar sive historiae imperatorum Romano- rum ex antiquis numismatibus restitutae liber primus] tibi non usquequague improbari merito gaudeo. Quod ad historiam attinet, idem ego vel ab initio quod tu sensi, uidelicet prolixitatem utpote fastidiosam maximopere fugien- dam, imo aliam.... decuplo contractiorem antea paraveram; sed hac in re aliorum adhortationibus . ... obtemperavi, maxime quod dietitarent [vitam) Julii Caesaris nondum ab aliquo satis exacte aut elaborate conscriptam. Quorum consilia sequutus concinnata ex omnibus antiquis scriptoribus non sine maximo labore ea quam tu wides historia video me plerisque nimium, alüs vixdum satisfecisse.... Quod scribis de nummorum elogüs notisque nummorum indieibus in margine ipsius historiae addendis, ta me deus iuvet ut mihi primum in animo fuerat in contractiori nostra historia hoc obser- vare; imo ut in unius atque alterius imperatoris vita amte annos aliquot a me conscripta hoc praestiti, inter ceteros in Nerva, additis semper in mar- gine et nummorum ipsorum elogüs et notis ipsis numerantibus [numeralibus?] ad inveniendos nummos. Imo [iam?] quando id mihi auctor es, constitui in sequentium imperatorum nummis hanc rationem sequi. Annotationes sive ex- plicationes ipsorum nummorum seorsim per se excudentur minori forma; hane provinciam fratri delegavi, qui iam fere eas ad calcem perduxit. Auch Banduri (num. impp. I p. XII) sagt: (Goltzius) quae edidit, pleraque a Marco Laurino Brugensi doctissimo et antiqwitatis studiosissimo viro con- scripta nonnulli produnt. °) M. Laurinus schickt an Pighius aus Brügge 30. März 1564 die Idyllien des Bion und Moschus, quae .... abhinc dies paucos ex officina Goltziana prodierunt, quam Goltzius noster inita cum tribus viris cum Graece tum Latine doctissimis Francisco Nantio, Adolpho Mechercho et Iacobo Raevardo nostratibus abhine menses complusculos instituit, qui ipsi subinde correctorum vices subire non gravantur, quamquam alioqui locupletes .. . nec minimi hic nominis. Ex bittet den Pighius ihnen von seinen Arbeiten, insbesondere den Fastencommentar in Verlag zu geben: si quae forsan numismata scriptis tuis . ..... inserta volueris, Hubertus noster illa sine ullo tuo impendio ipse delineabit et in buxum incidenda curabit, aliquanto forsan Jelieius et fidelius quam alüi plerique, uti ipse nosti. Auch von H. Goltz selbst findet sich ein Brief an Pighius vor aus Brügge 24. Nov. 1567; es ist bezeichnend, dafs er holländisch geschrieben ist. 30* 424 Gesammtsitzung 1567 '), worin er Klage führt über die Plagiirung seiner Fasten (zuerst Venedig 1558) durch die zuerst in Brügge 1566 er- schienenen ‚fasti magistratuum et triumphorum Romanorum ab urbe condita ad Augusti obitum ex antiquis tam numismatum quam marmorum monumentis restituti, nicht blofs an den auf dem Titel des letzteren Werkes allein genannten Hubert Goltz, sondern an M. Laurinus und Hub. Goltz zugleich richtet. I. Martinus Smetius Pighio S. P. Haud facile credas, doctissime Pighi, quantum mihi ac- cesserit animi ad prosequendas illas meas inscriptiones, post- quam apud te fuissem tuaque omnia vidissem, ac etiam accep- tis a te multis egregiis epigraphis locupletior factus essem '). Cum itaque domum redissem, eas suo quamque loco libro meo inserui: ac deinde schedas meas omnes diligentissime excussi, et quiequid in eis observatu dignum etiam quantulumeungue minutum reperi, eidem libro aut additis aut insertis foliis ad- iunxi. Quumque interea nihil istine de transcribendo in gra- tiam Episcopi libro mihi nunciaretur, ego me totum in hoc dederam, ut eundem librum mutato atque emendato aliquantulum ordine, mea ipsius atque amicorum causa describerem eumque (ubi colophonem addidissem) in bibliotheca Laurini nostri de- ponerem: ubi et ipsi atque aliis viriis doctis quos libenter ad- mittit usui ac voluptati et mihi mei etiam apud posteros in hanc rem studii ac sedulitatis perpetuum testis esse potuisset. Sed nunc subito atque horrendo casu omne institutum meum plane abreptum [abruptum?] est. Quum enim liber ipse nuper satis, ut mihi quidem videbatur, feliciter ceptus, felieissimum iam ageret progressum, adeo ut proxima aestate finiendum spe- rarem, fata iniquissima omnem spem illam mihi prorsus ad- emerunt. Nam 13. huius Ianuarii mensis die, paulo post horam noctis IX., quum me solito maturius, ob praecedentem lassi- tudinem ac prope sine somno propter furentes ventos anteactas ?) Mai spieil. Rom. 9, 541. ?) Dies sind die Inschriften, welche Smetius zu bezeichnen pflegt als a Pighio vel Morillonio acceptas. Beide lebten damals zusammen in Brüssel im Hause des späteren Cardinals Granvella. vom 28. Juni 1866. Au 425 duas noctes, quieti dedissem ac profundissime dormirem: fatalis ignis e vieini stabulo in aedes meas illapsus eas dicto eitius penitus oceupavit meque ita subito oppressit, ut nisi a vieinis crebris pulsibus clamoribusque exeitatus fuissem, forte vivus cum duabus sororibus mihi cohabitantibus suffocatus et con- crematus essem. At illi, vi perfraetis aedibus, quaeeungue potuerunt suppellectilia semiusta extraxerunt. Ego ipse plane attonitus, et quid agerem aut quo me verterem anxius, praeter togas binas binaque Biblia sacra et pecuniae quod habebam aliquantulum, nihil omnino extuli. In ea autem domus parte, quam primum incendium invasit, erat cubiculum satis amplum, in quo tum nemo dormiebat: sed stabat in eo lectus instratus et mensa quadrata, in qua iacebat liber ille meus, quem prae- terito vere tibi exhibui, cum omnibus meis schedis exemplari- busque antiquariis atque instrumentis scriptoriis: et praeterea Caius Plinius de Nat. Histor. Titusque Livius et Calepinus ex postrema editione nuperrime a me coempti et nescio quae alla. Quae omnia ita exusta et concremata sunt, ut ne unum quidem lIota superfuerit ac de mensa etiam ipsa propter [praeter?] seram ferream quae suberat nihil penitus repererim. Ibi quidem scribere assidue solebam: sed quotiescunque folium unum aut alterum absolveram, ad alterum cubiculum, in quo dormiebam, illud deferebam et in ima gazophylacii parte se- ponebam. Porro loculi superiores ipsius gazophylacii, in quibus erant numismata cum antiqua tum recentia a Laurino transfusa et a me missa et praeterea tabulae signatae et alia quaecun- que habebam rariora, perusti plane sunt. Inferior vero pars non tantum damni accepit. Inde remisso paululum per con- tinuam aquae infusionem incendio, extracta fuerunt inter alia 50 quae ibi seposueram folia, solae seilicet atque unicae omnis meae antiquitatis reliquiae: quibus priores duae libri partes continentur. Prima videlicet, in qua quicquid ad loca aut aedificeia seu publica seu privata pertinebat habebatur: et se- cunda ad quam omnia quae ad Deos et sacra spectare vide- bantur retuleram. Tertiam partem solummodo exorsus eram. In ea ponendi erant omnes imperatorum tituli basesque at- que tabulae honorariae atque etiam epitaphia consulum atque aliorum magistratuum seu illustrium virorum. Ad quartam 426 | Gesammtsitzung peractum esset, nisi circumactus ventus omnem ignis impetum in meas aedes solas, reliquis salvis, detulisset. Sieque ego solus, quod in multos constitutum erat, immerito sane lui, ca- nisque (quod aiunt) peccatum sus dependi. Marti igitur belli- coso, cui cum Musis pacatissimus [—mis?] raro bene convenit, hance calamitatem acceptam fero.. Deus det ut succedens ali- quando pax meliora foveat. Vale et quid hac de re, quam a te quantis possum precibus contendo, apud te constitueris, quamprimum poteris quaeso responde E pago nostro West- wynckele medio fere inter Gandavum et Brugas itinere 27 Ia- nuarii 1558. - Tibi addietissimus Martinus Smetius. Optimo atque doctissimo viro dno Stephano Vinando Pighio in familia reverendmi episcopi Atrebatensis Bruxellae. II. Laurinius Pighio. Calamitatem casumque miserandum optimi Smetii nostri malim te ex eius ad te literis cognoscere, doctissime idemque amantissime Pighi, quam ex meis, ne videar tibi tam tristis et infelieis nuncii taedium velle duplicare. Hoc unum addidero, ho- minis et eruditionem et cum vitae probitate pietatem meliore fato dignam. Sed quod me propius tangit circa hanc rem, non pos- sum non in sinu tuo deflere. Non dubito te vidisse vere proximo, cum apud vos esset Smetius noster, volumen illud, inquo ille (meo potissimum hortatu et instigatu) congesserat omnes in- scriptiones suas antiquas, observato certo et peculiari ordine. Hunc librum ego aequissimis condicionibus abhine menses ali- quot ab eo impetravi. Sed et hic liber eodem incendio, hei mihi, absumptus est, et ita absumptus, ut nihil religuum sit, unde possit reparari. Periere enim simul omnia et [e?] penna ipsius exem- plaria sive aurosryesdıc, e quibus ille volumen illud descripserat et coneinnaverat. Haec res quanto me luctu affecisse debuerit aut potuerit, non est qui te melius iudicet, utpote et ipse anti- quitatis observator et admirator studiosus. De te conjecturam facies. Tuli certe primum perquam moleste, meque adhuc quo- tidie tam insignis iacturae recordatio excruciat ac tantum non enecat. Sperabam enim de libro illo aliguando gloriari tanquam vom 28. Juni 1866. 427 atque ultimam partem infinita inferioris sortis ut militum atque offieiariorum domus Augustae et privatorum, artifieum ac ne- gociatorum caeterorumgque communium hominum epitaphia con- gerere decreveram. @Quorum mihi nulla omnino supersunt praeter pauca simpliciora, quae nuper ex schedis meis selegeram et Laurino nostro legenda forte dederam. Quo igitur modo aut qua via suppleri hae partes possint non video, nisi tu nobis suppetias ferre velis, tuorumque exemplariorum usum aliquam- diu permittas. Quod te non libenter facturum credo, propter annotationes tuas atque observationes diligentissimas, quas om- nibus communes esse puto nolis. Verum ego persancte tibi promitto iuroque (modo hoc impetrari abs te possit) me praeter nudas insceriptiones nihil desceripturum, aut aliis communica- turum. Rogo igitur per eam quam diu inter nos aluimus ami- eitiam fidemque, ut hac in re mihi opem feras atque huic po- tissimae calamitatis meae parti mederi velis.. Nam pecuniam materiamque ad domum reaedificandam alii promittunt ac iam offerre ineipiunt: suppellectilem vestesque ipsemet mihi paulatim comparabo: haee vero, quorum iacturam omnibus rebus aliis antepono, a te uno expectanda mihi sunt. Ne igitur tu mihi hac in parte desis, etiam atque etiam oro. Caeterum quia haec per nuncium publicum aut alium quemvis transmittere forsitan non voles: ego ipse si sic videbitur, guum primum citra meum ac meorum incommodum potero, iterum istuc ad te veniam, ut ea quae voles praesenti praesens communices, et si quae erunt, quibus carere nullo temporis spatio poteris, aut quae auferri omnino non possent, ut ea celerrime istic excipiam. Ea vero quae asportari ad tempus sines quorumque usum mihi ad dies aliquot concedes, ubi domum rediero, quanta potero celeritate minusculis etiam litteris describam, posteaque eadem qua ac- cepero fide restituam. Sed miraberis fortassis, mi Pighi, unde natum sit hoc incendium, quaque mea aut meorum incuria male custoditus ignis mihi tantum incommodum attulerit. Verum ex fomentorum religuiis atque aliis indiciis coniecturisque com- pertum est, nebulonem quendam peregrinum et vagabundum, qui praeterito autumno cum aliis duobus in fossorem a meis electus fuerat, ignem data opera stabulo subdidisse, ut totam vieiniam sicuti minatus erat perderet. @uod haud dubie ita 428 Gesammtsitzung unico et singulari tum ornamento tum subsidio bibliotheculae, quam instituo. Sed nunc omnis haec spes, non ut aiunt sed re vera et vero eventu in cineres concidit. Sed primo visum erat Smetio nostro, priore illo volumine (quod vidisti) sibi retento alterum exemplar mutato nonnihil ordine et accuratius quatenus fieri potuisset describere, cumque in secunda illa descriptione bonos iam progressns fecisset, commodum ea folia, quae iam descrip- serat, alibi ab aliis seposuerat nec sine periculo furenti undique incendio eripuit. Ea sunt numero 50. Quibus continentur ea quae ille tibi literis significavit. Antea miserat ad me et alios tres quaterniones, quibus continebantur ex quarto et postremo libri ordine quam plurima. Quae simul constituunt facile mediam partem libri. Reliquam quam ille sperabat brevi, saltem ante exactam aestatem absolvendam, unde peti possit non videt amissis ipsis @urosysdioıs. Quare tantum non coactus est spem omnem atque animum absolvendi libri, colophonemque tam egregiis plau- sibilibusque inceptis ac progressibus imponendi penitus abiicere, non sine meximo meo dolore. Unicum videbatur restare refu- gium, tu scilicet nobis exorandus, cum e tuis schedis et obser- vationibus satis possint aliquo modo quae desiderantur recu- perari. Quod si est (ut et esse non dubito) iu mihi numen es in terris vel praesentissimis [praesentissimum ?] omnibusque votis implorandum, utpote qui nos ex afflietissimis et miserrimis possis vel superis ipsis beatiores reddere. Sed videbatur Smetius mihi nonnihil diffieultatis hac in parte a te submetuere, propter an- notationes tuas doctissimas et diligentissimas marginibus com- mentariorum tuorum passim additas, quas nolle te vulgari, vel cuilibet inspiciendi facultatem fieri, nulli, dummodo sani iudicii, mirum videri debet. Sed scis quam [qua?] fide hac se in re usurum Smetius tibi receperit, scis quatenus fidendum habeas homini, quem non a paucis diebus, sed longo usu et assuetudine et quasi ab incunabulis saltem literariis pernosti socius et com- mystes eorundem studiorum. Quare si quid eius apud te fides, si quid preces valent, iisque iunctae et nostrae vel obnixissi- mae, si quid apud te momenti aut ponderis habet necessitudo nostra non inauspicato malisve avibus inchoata, melioribus uti spero confirmanda, denique si me cupis quoad vivam tibi ob- noxium, Piggi carissime, succurre afflietis atque ex maestissi- vom 28. Juni 1866. 3 429 mis vel laetissimos redde, ac patere quaeso iis rationibus, quas Smetius noster tibi suis litteris indicavit, quibusve alioquin tibi erit commodissimum, id quod deest operi tam eximio (manco in fine ac deformi) ex tuis exemplaribus sive observationibus sup- pleri. hac ratione efficies ut de libro ipso non minus tibi et quidem lubentissime quam ipsi Smetio debeam. Ipse quidem (qua est in me benevolentia) si modo te sinis exorari pollicetur, se nullis laboribus nullis vigiliis pareiturum, donec meae expec- tationi et desideriis satisfecerit, et damna accepta quomodocun- que repararit. Quare, optime Piggi, noli quaeso committere, ut per te stet quo minus ardentissimorum votorum compos fiam. Noli invidere tui amantissimo iisdemque tecum antiquitatis stu- diis initiato id, quo nisi sors invidisset alioqui fuerat potitu- rus. Minus aegre mihi crede minorique cum animi molestia et toto libro fueram cariturus, quam libro mutilo usurus sim, qui aliud nihil quam memoriam rei tristissimae mihi refricaret ma- gisque me angerent et afficerent ea quibus me privatum vide- rem, quam delectarent ea quae salva sunt. Ego vieissim si qua in re studia tua possum iuvare aut promovere, nusquam deero, nihilgue non rerum mearum et can- didissime et promptissime communicavero. Nec est quod ve- rearis ne liber vulgetur, ubi in manus maas pervenerit et proinde vilescat, cum tanquam ad rem pretiosam et sacram ne inspi- ciendi quidem omnibus temere copiam facere decreverim, si modo semel ea potiri daretur. Quare non est quod aliquid tale me- tuas. Fac igitur, mi Piggi, ut re ipsa sentiamus preces utrius- que nostrum non fuisse vanas apud te aut inefficaces et quam- primum commode poteris vel per hunc tabellarium aliquid saltem hac de re rescribe, ut possit Smetius noster res suas secundum ea quae a te rescribentur comparare. Si votis nostris annueris decrevit Smetius noster secunda instantis quadragesimae heb- domada ad vos excurrere; quare aliquid quaeso rescribe, quia donec rescripseris omnia nostra in suspenso sunt, pendent vota, pendet et ipse animis [animus?], quare miseros quam primum hoc suspendio libera. Numulos meos quos misi tibi probari, exspectationique tuae satisfacere vix credas quam ex animo gaudeam, maxime quod 430 Gesammtsitzung scribis quosdam esse qui institutum tuum iuvare possint, inci- pientque mihi demum serio placere, postquam eos Piggio meo placuisse intellexi. @Quales quantos sumsi, hoc certe tibi per- suadeas velim, me animo aeque lubentem Pighio eos transmi- sisse quam tu forsan ipsos acceperis. Tantae mihi laetitiae fuit oblatam occasionem tibi gratificandi. Laborem quem impendi deseribendis tum titulis tum argumentis nummorum imperato- riorum meorum, non est quod tantopere deplores, qui mihi non minori voluptati quam utilitati inter deseribendum fuit. Nihil est enim, quo aeque delecter, guam curiosa istius modi numis- matum lectitatione et observatione, tum propter ordinem con- sularium aliarumque dignitatum, tum et propter alia pleraque. Quod autem animum tuum tam propensum declaras ad red- denda paria vicesque mutuas reponendas ubi se occasio obtu- lerit, utique in hoc agnosco studium in me tuum, satis confi- dens te non aliam exspectaturum praeter eam quae se imprae- sentiarum (licet nobis invitis) obtulit. Quin haec sola potest non dico te solvendo reddere (de quo videris subdiffidere), sed et insuper efficax est, et hanc obligatiuneulam, qua te mihi de- vinetam gaudes [—tum gaudeo ?], penitus extinguere, et aliam eius loco producere, quae me tibi vel herculeo nodo- in perpetuum devinciat. Quod de me tam modeste sentis tanguam exactore minus importuno, facis quidem pro tuo candore et humanitate, sed vereor ne litterae istae huic tuae tam probae de me opinioni multum pepererint praeiudicii aut de ea multum ademerint, dum tibi haud immerito importunus videbor, qui non dubitarim ho- minem mihi vel nullo vel levissimo benefieiolo demeritum de re tali interpellare, quanguam meliora mihi a te expectanda elamitent humanitas ista tua et candor animi singularis. Ut autem intelligas cupere me quantum in me erit institutum tuum promovere, mitto ad te duos alios nummulos consulares; ii postea accessere. In uno videntur vestigia litterarum nominis T-DEI- DIVS, cum argumento belli servilis, paludatus enim hinc sagatus (—tum?) alterum flagro incessit, tanquam civis Romanus servum. Alter habet nomen C-HYPSAEI. Et si qui praeter hos postea ac- cedent, ut facient plurimi propediem uti spero, eos itidem, sal- - tem qui id merebuntur, ad te mittam. Tu modo studium in vom 28. Juni 1866. 431 te meum aequi quaeso bonique consule et Laurinium tuum ma- gis ac magis amare pergito. Brugis XI Februar. (1558). Tuus ex animo dum suus M. Laurinus. Fr(ater) Guido te ex animo salutat. Jacobum pietorem rogo aliquando de meis rebus absolvendis interpelles. Optimo atque eruditissimo viro dno Stephano Piggio in familia Riwi Atrebaten. Bruxellae. III. M. Laurinus Pighio. Nummos illos tuos, optime amicissimeque Pighi, quos nuper isthine mecum abstuli transfusurus illos in plumbum, prius ad te fueram remissurus, nisi contigisset me tardius Brugas reverti quam cogitaram idque quod Mechliniae tum et Antwerpiae et Gandavi inter reditum me oportuerit aliguantulum diutius opi- nione haerere. Cum itaque domum reversus intellexissem, Smetium nostrum statim a feriis hisce pascalibus ad te pro- fectionem instituere: nulli visus sum mihi tutius eos committere potuisse, maxime cum tabellarius noster qui statis temporibus ultro eitroque hince Bruxellas commeat, non esset tum ad manus ut eos potuerim prius remittere. Quare si opinione aut ex- pectatione tua tardius redierint, ignosces mihi. Numerus eorum erat XXI: qui autem illi fuerint, videbis in Elencho illo a me descripto quem tibi reliqui, seilicet illi quibus asteriscus in margine appositus est. Quo autem nitidius transfundi possent, repurgavi illos a sordibus, quae inhaerebant, sed ita caute et religiose ut nihil laeserim eorum quae solent antiquitati et numis gratiam aliguam et elegantiam conciliare. Qualis est aerugo illa viridis in superficie, quam antiquarii vermicem ap- pellant, quemadmodum potes videre, sed solum sustuli super- flua, quae subtilitates et literas pene obscuraverant. Velim autem per Smetium nostrum ad me mittas religuum illud nummorum tuorum quos desiderabam ad transfundenda ex- emplaria, illos potissimum quos in hac schedula hisce literis inclusa desceripsi. @Quos quamprimum ad te remisero, et ma- turius uti spero quam istos. Mitto simul ad te numos aliquot consulares, quos a reditu meo acquisivi; si qui sunt qui pro- posito tuo videbuntur servire iis utaris quamdiu videbitur; si 432 Gesammtsitzung iis qui hactenus apud te fuerunt non amplius uteris, poteris non incommode per Smetium nostrum remittere. Si vero ad- hue tibi usui sunt, utere et illis quamdiu videbitur. Causam autem institutae per Piggium [Smetium?] ad te profectionis puto te facile coniicere quaenam sit, spes seilicet recuperandi in schedis tuis iacturam illam mearum inscriptionum fatali illo incendio, ut nuper potuisti intelligere, deperditarum, et cum non dubitem te ut pollieitus es te [te del.] amice et candide omnia tua communicaturum, minus puto necessarium prolixius in praesentiarum hac de re tecum agere. Et ut maxime putarim ita expedire, facile id a te uti spero impetrarint postremae meae quas super hac re nuperrime ad te scripsi, antequam isthuc venirem. Quare quiequid id est totum tuae committo benignitati et humanitati animoque isti in me tuo quem ex- pertus sum minime vulgarem. Valebis igitur Piggi doctissime ac Laurinium tuum solito affectu prosequere. Prugis 14 kl. Mai. 1558. Tuus ex animo dum suus M. Laurinius. Eruditissimo atque humanissimo viro Dn. Stephano Piggio in aedibus Rvdmi Episcopi Atrebatensis Bruxellae. IV. Martinus Smetius Pighio S. P. Spero aliquando futurum, mi Pighi, in [id?] quod futurum tu ipse ominabaris, ut inscriptiones illas meas quas casu plane miserando amiseram, tandem recuperem. Abs te enim plurimas nuper quum apud te essem recepi, easque praecipuas. Interea etiam revolvi sedulo, tum Mazochii librum impressum, tum duos manuscriptos, alterum videlicet Maximiliani Waelscaple Antwerpiensis, alterumque cuiusdam nobilis Insulensis Laurini nostri affinis: e quibus nonnulla excerpsi, sed plerumgue ita corrupte incompositeque nullo observato versuum ordine scripta, ut in ordinariam suam formam gratiamque restitui nequiverint. Ea velim (modo impetrari abs te possit) e tuis schedis cor- rigere, et alia quaedam, non admodum tamen multa, quae mihi adhuc desunt, exscribere. Ad quam rem unius diei spatium mihi satis futurum existimo, quo apud te quam potero minime molestus esse desidero.. Quod quidem te, pro solita tua in me vom 28. Juni 1866. 433 facilitate benignitategue haud gravatim concessurum confido, adeo ut te etiam non praemonitum accedere nihil veritus essem, si mihi te Bruxellae esse constitisset. Verum quando herum tuum Rdmum propter bella semper abesse nihil dubitavi, me- tuebam, ne et tu, aut ipsum secutus, aut alio profectus, domo abesses. Quare consultius visum fuit, te primum per literas monere rogareque num Bruxellae sis et an mihi ad unam die- culam tuarum schedarum usum, sicut nuper faciebas, permittere velles. Quod et ego et Laurinus noster, quantis possumus affeetibus, desideramus, oramus et obsecramus. Ego enim im- minuto valde per longiquitatem temporis rerum amissarum do- lore, animum recepi, decrevique librrum meum in pristinum suum statum restituere: non ad tuarum rerum, quibus meae eonferri nullo modo possent, aemulationem aliquam, sed ad privatum nostrum usum et securam iucundamque praeteritorum meorum laborum recordationem, alias enim viderer mihi frustra Italiam vidisse, tantosque describendi et colligendi labores in vanum consumsisse. Precor igitur, ut vel tribus verbis ad Lauriuum nostrum scribendo indicare digneris num Bruxellae sis, et an te sine magno tuo incommodo proximo Octobri ac- cedere possim. Hac re sane nihil posses nobis facere gratius expectatiusque. Vale 18 Sptbr. 1558. Tuus integre Martinus Smetius. Domino Stephano Pighio domino et patrono suo imprimis observando. Bruxellae in Palatio Rdmi Epi Atrebatensis. Wenn nun auch diese Briefe im Wesentlichen nur dasjenige bestätigen, was ich über die Wiederherstellung der Sammlung des Smetius schon früher vermuthungsweise aufgestellt hatte, so erfahren wir doch hier zuerst genau und vollständig den Hergang der Sache. Schon in Italien hatte Smetius die von ihm gesammelten Inschriften, nach gewissen Klassen geordnet, in einen Band zusammengestellt; dies ist die Sammlung, deren System Panvinius sich mit Verschweigung des Namens des Sme- tius aneignete und die er dem von ihm beabsichtigten Inschriften- werke zu Grunde zu legen gedachte '), Die davon im J. ‘) Dafs er nicht blofs die Sammlung, sondern auch den Urheber 434 Gesammtsitzung 1551 für Fulvio Orsini genommene Abschrift befindet sich jetzt in der Bibliothek zu Neapel '). Im Frühjahr 1557 kam Smetius nach Brüssel und legte den gelehrten Secretären des damaligen Bischofs von Arras, späteren Cardinals Granvella, Stephan Pighius und Anton Morillon seine Collectaneen vor. Diese scheinen ihm Hoffnung gemacht zu haben, dafs ihr Pa- tron ihm die Anfertigung einer Abschrift der Sammlung auf- tragen werde; indefs diese Aussicht erfüllte sich nicht. Dagegen erhielt Smetius einen gleichartigen Auftrag von Marcus Laurinus in Brügge, nachdem er inzwischen die ursprüngliche Sammlung theils durch nochmalige genaue Durchsicht seiner Collectaneen, theils durch Eintragung der späterhin namentlich von Pighius und Morillon ihm mitgetheilten Steine aut additis aut insertis Jolüs beständig vermehrt hatte. Die Anfertigung der zweiten Reinschrift unterbrach am 13. Jan. 1553 der Brand, der das Haus des Smetius im Westwynckel und damit seine sämmtlichen Collectaneen vernichtete mit Ausnahme der ersten 51 Blätter der zweiten Reinschrift. Nachdem Smetius, um Laurinus For- derung gerecht zu werden, sich dazu verstanden hatte das de- fecte Werk, so gut es sich thun liefs, zu ergänzen, wandte er sich defshalb an die Freunde, denen er vorher seine Papiere mitgetheilt hatte. Bei Laurinus fanden sich drei Quaternionen aus dem vierten Theil, einfache Grabschriften enthaltend, die Smetius aus seiner Sammlung herausgenommen und ihm zur Ansicht mitgetheilt hatte. Aufserdem standen ihm zur Verfü- gung die Sammlungen von zwei Freunden, des Canonicus von Utrecht Maximilian Waelscapple und eines mit Laurinus ver- schwägerten Patriciers von Lille, von denen bekanntlich die erste jetzt unter den von OÖ. Jahn erworbenen Kellermannschen Pa- derselben sehr wohl kannte, zeigt der Brief den Panvinius an Laurinus und Goltz vom 13. Jan. 1567 (Mai spiel. Rom. 9, 545), worin er von gewissen Inschriften sagt, dafs die genannten Gelehrten sie finden würden in Smetiano et Mazochiano codicibus. Er scheint also selbst das gewulst zu haben, dafs Laurinus die Handschrift des Smetius erworben hatte. ') V. E. 4. fol. Abschrift dieser Abschrift ist die von Hübner in den Monatsberichten 1856, 551fg. beschriebene Handschrift im Vatican n. 5284. vom 28. Juni 1866. 435 pieren sich befindet‘'). Daneben benutzte er auch den gedruck- ten Mazochi, den er auch in seiner Sammlung nicht selten anführt. Jene also sind die aliorum eiusdem studii amatorum exemplaria, die wesentlich auf den Sammlungen des Smetius beruhten und nach deren Untergang die Möglichkeit boten das Verlorene eini- germalsen wiederherzustellen; und ich hatte mich nicht geirrt, als ich in Antwort auf die Frage Rossis, woher denn Smetius seine verlorenen «urosyxedır ergänzt habe, insbesondere auf diese Waelscapplesche Handschrift hinwies. Freilich genügten diese Excerpte dem Smetius selbst keineswegs; namentlich vermifste er häufig darin die Zeilenabtheilung. Aber Pighius hatte bei sei- nem ersten Aufenthalt in Rom 1554 im Ganzen genommen die- selben Steine wie Smetius vorgefunden und sie nach denselben Grundsätzen und mit derselben Sorgfalt abgeschrieben; an die- sen also wandte er sich theils unmittelbar nach dem Brande, als er alles verloren glaubte, um aus dessen Collectaneen die seini- gen zu ergänzen, theils nachdem er jene Abschriften seiner Ab- schriften sich verschafft hatte, um diese nach den besseren pighi- schen zu rectifieiren, welche — bei der Eifersucht des Pighius nicht eben einer günstigen Aufnahme im Voraus versicherte — Bitte der einflulsreiche Laurinus natürlich nachdrücklich unter- stützte und mit gutem Erfolg. Smetius ging im April und noch einmal, wie es scheint, im Herbst 1558 zu Pighius nach Brüssel und erhielt dort wenigstens einen Theil des Gewünschten, so dafs er die Laurinus bestimmte Abschrift vollenden konnte, die dann einige Jahre nachher bei der Plünderung der Sammlungen des Laurinus durch englische Soldaten der Besatzung von Ostende abhanden ') und später in England wieder zum Vorschein kam. 1) Vgl. darüber I. N. p. XX. Die Sammlung ist im J. 1554 an- gelegt und schöpft, wie dort näher nachgewiesen ist, insbesondere aus den Papieren des Smetius. Unter den Briefen an Pighius findet sich auch einer von Maximilianus Waelscapplen aus Utrecht 1. Aug. 1563. ?) Flayder im Leben Gruters (vor der zweiten Ausgabe der Inschriften p. 49): Laurinus interim, bellis civilibus in Belgico exortis, Brugis in Gal- liam fugam molitur et simul antiquas illas inscriptiones cum instructissimo antigquorum numismatum thesauro (et ipso opera Huberti Goltzüi toto orbe ... conquisito) secum vehere meditatur ..... Inter vias ab Anglis militibus, qui Östendae praesidium agebant, cum pulvisculo ommia nefarie abrıpiuntur. 436 Gesammtsitzung Immer war die Ergänzung, wie Smetius selber bestimmt genug sagt, eine unvollkommene und es kann nicht befremden, wenn ° sowohl die neapolitanische Handschrift des Smetius wie auch selbst diejenige des Waelscapple die gedruckte Sammlung an nicht wenigen Stellen berichtigen und ergänzen; dafs die von Smetius als seine eigenen gegebenen Abschriften von f. 52 an theilweise nach Pighius berichtigt sind, ist neu und für die epigraphische Kritik beachtungswerth. Hr. Kronecker trug eine Abhandlung des Hrn. H eine über Kettenbrüche vor. $. 1. Die Untersuchungen, welche ich hier mittheile, be- ziehen sich auf den Kettenbruch in welchen sich ß fie, [27 verwandeln läfst, wenn « und Ö reelle oder imaginäre Constante bezeichnen, (2) irgend eine Function von z ist, welche x einen bestimmten endlichen Werth ertheilt, und wenn die Integration auf einem gegebenen Wege erfolgt. Sind « und £ reell, so denken wir uns auch den Weg reell. Es handelt sich hier also um sehr allgemeine Functionen ce; integrirt man z. B. über eine sogenannte Peripherie um x, so verwandelt sich & unter den bekannten Bedingungen in —2rif(e). Schon in früheren Arbeiten habe ich ein besonderes Gewicht auf die Näherungsnenner gelegt, und sie z. B. im 32. Bande Foppens bibl. Belg. 2, 839: COoeperat (Laurinus) perducto ad umbilicum Augusto (erschien zuerst Brügge 1574) reliquos deinceps ad Domitianum Caesares simili Venere et elegantia expolire; sed bellis civilibus undique in Belgio exorientibus spoliato in itinere Ostendano maxima antiquariüi parte Laurino et typis Goltzianis a servo fure ablatis pulcerrimi illi conatus plane conciderunt. Mit der Katastrophe des Smetius, der den nach Dendermonde marschirenden Spaniern in die Hände fiel und, da sie ihn für einen pro- testantischen Prediger hielten, von ihnen aufgeknüpft ward (Foppens 2, 861; Flayder a. a. O.) hängt dieser Vorfall nicht unmittelbar zusammen. vom 28. Jumi 1866. 437 des Crelle’schen Journals S. 209 benutzt, um den Kettenbruch selbst zu finden; es liefern nämlich die bekannten recurrirenden Formeln, welche je drei aufeinander folgende Näherungsnenner verbinden, sofort die Partial-Zähler und Nenner des Kettenbruchs. Im Folgenden gebe ich die Näherungsnenner des Ketten- bruchs für « an, und zwar wird ein solcher Nenner, wenn er vom nten Grade ist, durch ein nfaches Integral ausgedrückt; aus demselben findet sich durch je ‘eine Integration der Nähe- rungszähler und der Rest, d. h. die Differenz zwischen s und dem Näherungsbruche. Es werden sodann einige Eigenschaften der Näherungs- nenner von © angegeben, und u. a. findet sich eine Beziehung zu einer Reihenentwickelung, die in einem speciellen Falle, wel- chen ich näher untersuchte, in dem nämlich /(x) gleich 1 divi- dirt durch die Quadratwurzel aus einer ganzen Function von x ist, eine Analogie mit der Entwickelung in trigonometrische Reihen darbietet. Zugleich zeigt sich, dafs in diesem Falle die Näherungsnenner von « zu jenen ganzen Functionen gehören, die einer linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung genü- gen, über welche ich in einer früheren Mittheilung vom 7. Ja- nuar 1864 berichtete. Der Rest tritt als eine zweite Lösung derselben Differentialgleichung auf. Unten gebe ich die Resul- tate an wenn die erwähnte Quadratwurzel aus einer ganzen Function vom dritten Grade gezogen wird. $.2. In der Analysis haben solche Gesetze für Entwicke- lungen die gröfste Bedeutung, nach welchen die Entwickelung nur auf eine Weise erfolgen kann. So stellt man ein Gesetz auf, um eine reelle Zahlgröfse « auf völlig bestimmte Art in einen Kettenbruch zu verwandeln, dessen Partial-Zähler sämmt- lich 1, dessen Partial-Nenner positive ganze Zahlen sind. Um in ähnlicher Weise eine Function von 2 — sie heilse & — zu entwickeln, kann man zwei verschiedene Gesetze aufstellen, von denen das eine Kettenbrüche solcher s liefert, welche sich nach ganzen absteigenden Potenzen von x ordnen lassen, das andre auf Reihen anwendbar ist, welche nach ganzen Potenzen einer Gröfse 2—c aufsteigen. [1866.] 31 438 Gesammtsitzung Im ersten Falle setzt man Gr G% ee: er — en wer etc. ern Tg wenn G,, G,, etc. ganze Functionen von x bezeichnen, und o,, 0,, etc. für = 00 selbst unendlich werden.') Dies Gesetz gibt offenbar einen ganz bestimmten Kettenbruch für s, und @,, G,, etc. sind mindestens vom ersten Grade. Man beweist be- kanntlich leicht den Satz: Sind irgend welche ganze Functionen Go; G1; @:, etc. @,_ı gegeben, und man fügt ihnen eine solche Grölse «, hinzu, dafs der aus den Partial-Zählern 1 und den Partial-Nennern G,, Gı, @,, etc. @,_ı, 7, gebildete Kettenbruch gleich « wird, so ist dies immer die Entwickelung von s, welche man nach obigem Gesetze erhält, sobald nur für = auch 0, ==ie9. Ist gleich das Folgende so gefalst, dafs es sich ausschliefs- lich auf diese Art von Kettenbrüchen bezieht, so kann es doch sofort auch auf solche übertragen werden, welche nach auf- steigenden Potenzen von 2 —c geordneten Reihen entsprechen. Man erhält solche Kettenbrüche indem man setzt — c)90 — c)9ı a 2 Sole RC % ; eic. co] 635 und unter k,, %ı, ete. Constante versteht von denen nur X, Null sein kann, unter 9,, 91, etc. positive ganze Zahlen, unter 1, ©, etc. Functionen von x, die sich für <=c in eine von Null verschiedenen Constante verwandeln. Der Coefficient der: höchsten Potenz von x in jedem Nä- herungsnenner ist zwar vollkommen bestimmt doch für das Fol- gende ohne Wichtigkeit. Es soll deshalb Näherungsnenner ‘) Des bequemern Ausdrucks wegen soll der Fall eines rationalen c, also eines abbrechenden Kettenbruchs überall ausgeschlossen werden. Um diesen Fall zu umfassen mülste man die obige Bedingung für c,, ©, etc. durch die im allgemeinen mit ihr übereinstimmende ersetzen, dafs 1 1 6 —, —, etc. für 2=mx verschwinden. co, c, vom 28. Juni 1866. 439 schlechtweg auch das Product des wahren Nenners in eine willkürlich gewählte Constante heifsen. Zähler und Rest sind dann der wahre Zähler und Rest mit der gleichen Constante multiplieirt. Die Bestimmung der erwähnten Constante bietet nicht die mindeste Schwierigkeit dar. $. 3. Die Function, welche in einem Kettenbruch ent- wickelt werden soll, sei und wie im 8. 1. fie on so dals @, gleich Null wird. Es mögen die unbekannten Par- tial-Nenner @G,, G,, ete. vom Grade 91, 9z, etc. sein. Zähler, Nenner und Rest des vten Näherungsbruches heifsen Z,, N,, R,, denen zuweilen noch das Argument, also hier x, hinzuge- gefügt wird. Die Zählung ist so zu verstehen, dafs Zwei gesetzt wird. Z, N und R sind durch die bekannte Gleichung 1) N, o—Z,=R, verbunden. Der Grad von N, sei n, so dals n=9ı+92:+...+9, also n nur dann v ist, wenn der Kettenbruch durchaus regel- mälsig wird, d.h. wenn alle Partial-Nenner vom ersten Grade sind; in allen übrigen Fällen hat man n>v. Man weils dafs die nach fallenden Potenzen von x geord- nete Function A, mit der —(n+9,;,.)ten Potenz von x be- ginnt, und dafs dieser Umstand ein System von linearen Glei- chungen zur Bestimmung der Coefficienten von N, liefert. Durch ihre Auflösung finde ich folgendes Resultat: Sind x,, 2£z, ete. x, Veränderliche, nach welchen von « bis @ integrirt wird, setzt man ferner Y@)=(@-3)(e—8;)..... (x2—x,) 3.0 440 Gesammtsitzung und bezeichnet die Discriminante von J(a@), also das Quadrat der Producte der Differenzen aus je zwei von den Grölsen z,, &,, etc. x, durch A, so wird der vte Näherungsnenner durch das rfache, der Nä- herungszähler und Rest aber durch das einfache In- tegral ausgedrückt B 2) N, N @ fa) le)... a) ad, EN BEER, ß N,(&)—N,(@) —2 zZ, = [22 R [6 R, -fN, Oy26) _ FC) de L $. 4 Es könnte so scheinen, als ob diese Formeln noch nicht zur Bestimmung der N bei gegebenem / ausreichen, indem die Anwendung der Formel (2) verlangt, dafs man den Grad n des Nenners N, im Voraus kennt. Es läfst sich aber beweisen, dals immer und nur dann ein Nenner nten Grades existirt, wenn der Öoefficient der höchsten Potenz von zin (2), d.h. wenn [6 3) „Jaedi@2.-I@) aaa, dxok 2 A: = nicht verschwindet. Man wird daher aus (2) dennoch alle Nenner N,, N,, etc. erhalten, indem man für n successive sämmt- liche positive ganze Zahlen setzt, für welche (3) nicht ver- schwindet. Der Gang des Beweises ist folgender: Da man den Ketten- bruch und speciell g,,ı, den Grad des »—+-1ten Partial-Nenners noch nicht kennt, so kann man nur sicher sein, dafs jeder Nenner N vom nten Grade die Eigenschaft besitzt, im Producte N.s die negativen Potenzen bis zur —nten incl. fortfallen zu lassen; die Lücke, welche dadurch entsteht, dafs man über die " vom 28. Juni 1866. 441 zunächst folgenden Potenzen im Ungewissen bleibt, läfst sich jedoch ausfüllen, wenn man als zweite Eigenschaft ins Auge falst, dafs N und Z keinen Theiler gemein haben. Diese beiden Eigenschaften sind, wie sich leicht zeigen läfst bestimmend, d.h. jede ganze Function nten Grades N, welche die Eigenschaften besitzt, erstens, dals im Producte N-s die negativen Potenzen bis zur —nten incl. fortfallen zweitens, dals die ganze Function Z, welche die nicht negativen Potenzen im Producte N-s enthält, mit N keinen Theiler gemein hat, ist ein und daher der Nähe- rungsnenner nten Grades von ro. Dies voransgesetzt stelle ich der Reihe nach folgende drei Punkte fest: 1) Existirt ein Nenner N vom nten Grade, so ist eine ganze Function nten Grades, also dieser Nenner, durch die erste Bedingung allein schon vollständig (d. h. bis auf einen constanten Factor) bestimmt. 2) Ist umgekehrt eine ganze Function als Function nten Grades durch die erste Bedingung schon vollständig bestimmt, so genügt sie von selbst der zwei- ten, ist also ein Nenner nten Grades. 3) Die nothwendige und hinreichende Bedingung dafür, dafs durch die erste Eigen- schaft allein eine ganze Function nten Grades N vollständig bestimmt sei besteht darin, dafs (3) nicht verschwindet. Um den ersten Punct festzustellen bezeichne N oder N (x) den Nenner nten Grades, dessen Existenz vorausgesetzt wird, der also beiden Bedingungen genügt, und daher die einzige ganze Function nten Grades ist die beiden genügt; ferner sei N' (x) eine davon verschiedene Function nten Grades, wenn es solche giebt, die der ersten Bedingung allein genüst. Es mögen Z und Z' den Buchstaben N und N! entsprechen. Dann wird für jeden von Null verschiedenen Werth der willkürlichen Con- stante A auch AN+N' mit 2Z-+Z! einen Theiler, also auch einen Theiler ersten Grades &—« gemein haben. Da N(«) nach der Voraussetzung nicht mit Z(«) zugleich verschwindet, so müssen verschiedenen A auch verschiedene & entsprechen. Es folgt nämlich aus den zwei Gleichungen AN()+N'()=o AZla)+Z(e)=o, von denen wenigstens eine nicht Null als Factor von A enthält, dals jedem & ein A, verschiedenen « verschiedene A entsprechen 442 Gesammtsitzung (höchstens einer Anzahl von je n verschiedenen « können gleiche ? entsprechen). Unendlich vielen verschiedenen A entsprechen also unendlich viele verschiedene «, und man hat für unendlich viele, daher für alle x N(«)Z' (2) — N'(z)Z(e) =o was wegen des gleichen Grades von N und N" nicht möglich ist. Um auch die Umkehrung (ad 2) zu beweisen nehme man an, es sei N=a-+t0,2+....+.a, ı durch die erste Bedingung allein vollständig bestimmt. Diese ist gleichbedeutend mit der Erfüllung eines Systems von n linearen homogenen Gleichungen, deren Unbekannte der Reihe nach @o, @ı, etc. a, sind. Hätte nun N mit Z den Theiler ö ge- mein, so würde N zsmbotbiat..Hbaa” (m37 i, ist, also füra=o bis v=v—1 also sicher bis v=r—1 verschwindet. Es dürfte aber, da auch $ einen regelmälsigen 444 Gesammtsitzung Kettenbruch giebt, i, nicht verschwinden. Daher ist ZL eine Constante. Fügt man hinzu dafs, wie sofort aus (2) folgt, alle reellen Wurzeln von N=o zwischen « und £ liegen müssen, so hat man den Satz: Alle Wurzeln von N,(x«)=o sind un- gleich und reell. Sie liegen zwischen « und A. $. 6. Bisher ist es mir nicht gelungen, die vielfachen In- tegrale (2), durch welche die Nenner N ausgedrückt werden, durch directe Methoden, z. B. durch Einführung neuer Verän- derlichen, auf wesentlich einfachere zu reduciren, während man doch weils, dafs eine Reihe von Fällen existirt, in denen die Integration sogar vollständig ausgeführt werden kann. So z.B. kennt man ans meinen früheren Arbeiten den Ausdruck für die Nenner in Form einfacher endlicher Reihen im Falle Ja) =. (—ıx) B=% P=1 in welchem s sich in eine hypergeometrische Reihe verwandelt, deren erstes Element 1 ist. Für Ai a—=—1 B=1 wird 1 N, fear, 13... de, —=cP’l(z) —1 wenn P die Kugelfunetion und c eine Constante bezeichnet, deren Werth durch die Gleichung c+ [1+(1+3) » (1+3*5) 22... (1e3°5... 01) = 2’ [1-M2.... I]? gegeben ist. Aus dem vorigen Paragraphen weils man, dals die Wurzeln dieser Nenner verschieden und reell sind und zwi- schen o und 1, resp. zwischen —1 und +1 liegen. Dieses Re- sultat ist für die Kugelfunctionen schon lange bekannt. $. 7. Entwickelt man eine Function $ (x) nach Functio- nen, die M,(x) heilsen mögen, so ist die Bestimmung der Co- efficienten besonders bequem, wenn es eine Function /(«) giebt, welche für jedes ganze « und v vom 28. Juni 1866. 445 Bß f M,@)M,(@)-f@)di zu Null macht, so bald » von »v verschieden ist. Derartige Ausdrücke M sind die Nenner N und man hat den Satz: Lälst eine Function $(z) sich in eine nach den Nennern N von c fortschreitende Reihe entwickeln P@)==ZA,N,(), so werden die Constanten A durch die Gleichung Bß 4,=efbON, IC): bestimmt, wenn man zur Abkürznng ß fa.) de ‚setzt. Hat man ganze Functionen N,(x) vom vten Grade, wenn v der Reihe nach alle ganze Zahlen von O bis oo vorstellt, und es verschwindet für jedes von » verschiedene ganze 1 & So, @r@«s, so sind die N, die Nenner in dem Kettenbruche für oc. So ist bekanntlich TE (a) Se: BU-cosvudu=o0. 0 Macht man hier cos v=x, so dals also cos vu eine be- kannte ganze Funktion vten Grades von x ist, die N, («) heilsen mag, so wird 446 Gesammtsitzung (b) SN@N@ =: Vı— 2? und man erfährt hieraus, dafs diese Function N,(z) der vte - Näherungsnenner ist von F 1 dz 7 c= . = —, Dr, —q Es war bisher ein Satz nicht bekannt, der auch für die elliptischen Functionen zur Coefficienten-Bestimmung bei Ent- wickelung von $ (am u) ebenso dienen kann, wie (a) oder (b) bei Entwickelung von ®(u) nach Cosinus oder Sinus der Viel- fachen von u. Aus unseren Untersuchungen geht aber hervor dals £=sinamu gesetzt, die Näherungsnenner N, (x) von 1 dz @ Never dieselbe Rolle bei Entwickelung von $ (amu) spie- len, wie die cosvu bei der von &(w), indem man die beiden (gleichbedeutenden) Formeln hat 32C (a*) JS „(sin am «) N, (sin am vu) du= 0 (b*) N ® N, )—r——- 0. 1— 2? Vı—k’x? Ähnliches erhält man für alle Abel’schen Fune- tionen. $. 8. Schlielslich sollen die Nenner N, welche aus dem besondern Werthe (4) von s entstehen, und deren Bedeutung hier nachgewiesen ist, näher untersucht werden. Damit aber die Untersuchungen, die hier der Kürze halber auf elliptische Functionen beschränkt bleiben, sich unmittelbar auf alle Abel- vom 28. Juni 1866. 447 schen Functionen leichter übertragen lassen, wird statt der Form (4) von « die andere B dz en m ——p L X) — (ft — — een VL (@) (2) (2 )(@ P) (z y) gewählt; auch sollen, um Weitläuftigkeiten zu vermeiden «, £, y reell und so beschaffen sein, dafs «e<@ re, a ' aa Kor u Bu vn Rn Sch ee Bun ton. ms, Sasloäenenunuen Ctkasingetr Tara pic ee, heine Mens 208. AOL gun. N re “ > RS TEN BAER ne AYS eh, '3 \ ee Ki ER, so) ee he, er a Re Mer ER ee ARE: EHER, a = R N, RR et llelgeis Sn ei URAN ‚Küh, ing IE ER) A Er Nr a dee. ehe ” al Bed an a, er Wi Ei ed Bw IKCBHN Aa! ” MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. 5 Juli 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Kummer. 5. Juli. Öffentliche Sitzung zur Feier des Leibnizischen Jahrestages. Der an diesem Tage vorsitzende Sekretar, Herr Haupt, eröffnete die Sitzung mit folgenden Worten. Die Akademie der Wissenschaften folgt der Sitte deutscher Gelehrsamkeit, die, rastlos arbeitend im Dienste der Wahrheit, Schaustellungen und festliches Gepränge meidet, in ernstem Be- wustsein ihrer Pflicht den Blick lieber auf die Ziele richtet denen sie zustrebt als auf das Erreichte und Gelungene, und der sicheren Macht wissenschaftliches Fortschrittes vertrauend auf die leichtgewonnene Gunst des Augenblickes gern verzich- tet. Nur dreimal im Jahre versucht sie Freunde der Wissen- schaft denen das Geistesleben unseres Vaterlandes am Herzen liegt um sich zu versammeln, um von ihren Arbeiten Rechen- schaft zu geben und in schlichter Rede es zu bewähren dass sie ihrer Aufgabe und dem von den Vorfahren ererbten Sinne treu bleibt. Indem wir heute versammelt sind um das Gedächtniss Leibnizens, des geistigen Begründers der Akademie zu begehen, fühlen wir die Übermacht einer gewaltigen Gegenwart, in der [1866.] 32 454 Öffentliche Sitzung Preussens und Deutschlands Geschicke auf blutigen Feldern der Entscheidung entgegenrollen, und kaum vermögen wir jetzt, wo der Tag und die Stunde mächtig an unsere Herzen schlagen, die Gestalten der Vergangenheit in ruhiger Betrachtung fest zu halten. Unwillkürlich legen wir an sie die Gedanken die jetzt unsere ganze Seele bewegen. Ich hoffe deshalb Nachsicht wenn ich meine Rede, für die ich lange Aufmerksamkeit weniger als je erwarten darf, auf einige Worte über Leibnizens vaterländische Gesinnung beschränke. Aus der staunenswerthen Fülle des leibnizischen Nach- lasses sind in den letzten Jahren viele Aufsätze und Briefe zu Tage gefördert worden die Leibnizens politische Ansichten und mannigfache Arbeiten zu vollständigerer und zusammenhangen- derer Kenntniss bringen. Kaum hat den Herausgeber ein rein wissenschaftlicher Antrieb bewogen mit diesen politischen Schrif- ten den Anfang zu machen. Zur Schau getragen wird Leib- nizens Thätigkeit für die welfische Hausmacht, sein Eifer für Österreich und das römische Kaiserthum, seine Missbilligung brandenburgischer Politik. Dies ist gleichgiltig. Denn verge- bens werden in solchem Sinne aus einer fernen Vergangenheit Ansichten und Bestrebungen heraufbeschworen die, durch ihre Zeit bedingt, in diesen Bedingungen Bedeutung und Rechtfer- tigung oder, wo sie irrten, Erklärung und Entschuldigung haben: einer anderen und Anderes fordernden Zeit gegenüber sind sie machtlos wie Schatten. Wer mit den Gedanken unserer Zeit, mit den Gedanken an denen wir festhalten in diesem Lande, festhalten in Ver- kümmerung und Zerwürfniss, in Gefahr und unter blutigen Opfern, wer mit diesen Gedanken an Leibnizens staatsmänni- sche Aufsätze tritt, dem mag es für Augenblicke begegnen dass er Einzelnes ungeschrieben und ungedruckt wünscht: wer aber die gesammte Thätigkeit des unvergleichlichen Mannes, seine politischen Ansichten in ihrem Zusammenhange überblickt, vor dem steht die grosse Gestalt unverkleinert und unbefleckt. Der Verlauf der zwei Jahrhunderte die seit Leibnizens erster politischer Thätigkeit vergangen sind hat der Richtung seiner Hoffnungen und Forderungen nicht Recht gegeben. Wo er noch den Schutz und die Kraft Deutschlands suchte und vom 5. Juli 1866. 455 durch seine Rathschläge zu festigen strebte, da hat sich, zu- weilen scheinbar gehemmt, nie wirklich festgehalten, von Men- schenalter zu Menschenalter der Verfall beschleunigt. Aber was Leibnizens ganzes politisches Denken und Trachten be- dingte und belebte, die edelste Vaterlandsliebe, mächtige und tapfere deutsche Gesinnung, das liegt rein und unantastbar vor uns, in so klaren und auf das Bestehen und Gedeihen der Nation gerichteten Gedanken dass es zweifellos ist auf welcher Seite heutzutage Leibniz stehen würde. Leibniz war zwei Jahre vor dem Frieden geboren der, ein Nothwerk der Ermattung, nicht die Frucht eines entscheidenden und erhebenden Sieges, dreissigjährigen Kämpfen und Verhee- rungen Deutschlands ein Ende machte. Aus diesen Kämpfen und dieser Verwüstung war Deutschland durch den Frieden endlich erlöst; aber es blutete aus tausend Wunden. Es steht fest dass manche Gegenden Deutschlands noch jetzt, nach mehr als zweihundert Jahren und nach fünfzig Jahren ununterbrochenes Friedens und mannigfaltiger Entwickelung, den gesunden und gleichmässigen Wohlstand nicht völlig wieder erreicht haben den sie vor dem dreissigjährigen Kriege hatten. Aus der Trennung und Zerwürfniss ward die Einheit des Reiches äusserlich hergestellt, aber die innere Zersplitterung nicht zu einem festgeschlossenen Ganzen vereinigt. Und nicht selbständiger gieng Deutschland aus dem langen Kriege hervor, sondern abhängiger als jemals vom Auslande, gefährdet durch Schweden und vor Allem durch Frankreich. In diesen Anschauungen verbrachte Leibniz seine Jugend, in ihnen sein ganzes Leben, sie waren es die seine ganze Thä- tigkeit wesentlich bedingten. Denn mit wie energischer Geisteskraft er sich auch in ab- stracte Wissenschaft versenkte, wie hoch er sich in philosophi- scher Speculation erhob, wie umfassend und kosmopolitisch auch seine Gedanken waren, der Kern seines ganzen Wesens und Thuns war die lebendigste Vaterlandsliebe, seine ganze Seele war in allen Zeiten seines Lebens erfüllt von Sinnen und Trachten für die Kräftigung Deutschlands. Und dieses Sinnen und Trachten verdient unsere Bewunderung auch wo es erfolg- los war oder der Flug des rastlosen Geistes zu hoch gieng. 32* 456 Öffentliche Sitzung Als er versuchen wollte den Ehrgeiz und die Habgier Lud- wigs des vierzehnten von dem gefährdeten Deutschland auf Ägypten abzulenken, da fasste sein grosser Sinn den französi- schen König zu gross und zu hoch: deutsche Länder, preisgege- ben von deutscher Zerwürfniss und Schwäche, verrathen von der Geldgier und dem Protestantenhasse deutscher Fürsten, waren eine nähere und bequemere Beute. Vielfältig hat sich Leibniz mit einer Versöhnung und Ver- einigung der christlichen Confessionen beschäftigt, ja er ist eine Zeit lang der Mittelpunkt irenischer Bestrebungen gewesen. Vielleicht hat keine Richtung seiner Thätigkeit grössere Missdeu- tung erfahren, bis zur Verketzerung durch protestantische Eiferer und bis zu dem von Katholiken verbreiteten Märchen dass er zur katholischen Kirche übergetreten sei. Auch hier hat wohl Leibniz den Flug so hoch genommen dass er die Kleinheit der Menschen aus den Augen verlor. Er hat auch wohl in seinem friedlichen und von echter Religiosität erfüllten, aber nicht in enge Formeln gebannten Streben es nicht voll ermessen dass- die geistige Freiheit des wahren Protestantismus jeden unschul- digen Glauben ehrt und gewähren lässt, aber mit dem Papst- thume niemals Frieden schliessen kann. Aber hervorgegangen sind diese erfolglosen und vielleicht irrenden Bemühungen Leibnizens aus edlem und mildem Sinne, und vor Allem aus seiner nie beruhigten Sorge um die Einheit und Kraft des ge- liebten Deutschlands. Die Einheit und Kraft Deutschlands schien ihm verloren ohne ein mächtiges Oberhaupt. Dies erblickte er in dem Kai- ser, dessen Stärke ihm an Österreichs Herscherhaus gebunden erschien. Auch sein oft prophetisch in die Zukunft dringender Geist konnte es nicht hell erkennen dass sich eine andere Stätte vorbereitete die allmählich den Kern der deutschen Macht enthalten sollte. Wie konnte er ahnen dass Friedrich der zweite kommen, dass er die Gedanken des grossen Kurfürsten in grös- serem Masse durchführen und eine Entwickelung Preussens vorbereiten werde, die sich, wir hoffen es mit Vertrauen, zum Heile Deutschlands erfüllen wird. Dem Eifer für die Macht des Kaisers ist Leibniz lebenslang .treu geblieben. Was er mehr als einmal über die Nothwendig- vom 5. Juli 1866. 457 keit einer gebietenden und das durch Eigensucht und Hader der Fürsten zerklüftete Deutschland einigenden und schützenden Macht ausgesprochen hat, das gilt noch heute. Wir dürfen nur einen Namen ändern. Und wer seine deutsche Gesinnung er- kannt hat, dem ist es zweifellos welchen Namen er heute nennen würde. Was in der österreichischen Macht schon damals krankte, das hat Leibniz sehr klar gesehen. Er hat seine warnende Stimme gegen die Unterdrückung der Protestanten erhoben; er hat es an andern Mahnungen nicht fehlen lassen. Merkwürdig vor Allem ist ein in Wien im Oktober 1688 an den Kaiser Leopold gerichteter Aufsatz über geschwinde Kriegsverfassung, vornehmlich zum Schutze gegen Frankreich. Aus diesem überaus kräftig geschriebenen Aufsatze, der von grossen allgemeinen Ge- danken bis zu einzelnen Anweisungen geht und Leibnizens um- fassendes und genaues Wissen auch in diesen Dingen zeigt, sei es mir erlaubt eine Stelle auszuheben auf die unsere Tage ein helles Licht werfen. “Man muss nicht glauben dass alle Klugheit in Frankreich beschlossen. Der gute Fortgang ihrer Anschläge kommt nicht eben daher dass sie allezeit klügere Leute haben als wir, son- dern dass wir klügere Leute vonnöthen haben als sie. Denn wo die Sachen einmal wohl eingerichtet und an der Schnur sind, wie bei ihnen, da kann ein mittelmässiger Verstand zu- reichen; wo aber Alles so schlecht und verwirrt ist als bei uns, da muss man treffliche Helden und ausbündige Geister haben das Werk wieder emporzubringen. Ihnen ist ein Fabius Cunc- tator gut ‘genug, wir aber müssen Scipiones haben. Mit der gemeinen Leier und dem blinden Anlauf ist allhier nichts zu richten: der Krieg ist anjetzo eine rechte Wissenschaft, trotz der subtilsten Mathematik und mit Einem Worte fast aus der Bassette zum Schachspiel geworden.” Unsere Zeit lehrt noch eindringlicher als die damalige dass mit der alten Leier und dem blinden Anlaufe nichts auszurich- ten ist; viel mehr als damals ist der Krieg eine rechte Wissen- schaft. Aber noch über aller Wissenschaft steht der Geist eines aus dem ganzen Volke hervorgegangenen Heeres, in dem das Bewustsein der heiligen Güter deren Verteidigung es gilt, in 458 Öffentliche Sitzung dem eine todesmuthige Vaterlandsliebe gewaltig lebt und von Sieg zu Siege führt. Gott segne unser Heer, Gott segne das Vaterland. Hierauf verlas derselbe die folgende Preisaufgabe. Seit dem Erscheinen des Chronicon Gotvicense sind in fast allen Theilen Deutschlands vielseitige Forschungen über die ältere deutsche Geographie angestellt und, begünstigt durch die erweiterte Kenntniss unserer Geschichtsquellen, nach und nach einem vorläufigen Abschlusse angenähert worden. Es erscheint thunlich und wünschenswerth die bisherigen Ergebnisse dieser Forschungen zusammen zu fassen. Die Königliche Akademie der Wissenschaften stellt daher als Preisaufgabe eine Übersicht der Ergebnisse der über die Geographie des deutschen Reiches bis auf die Zeit des Kaisers Hein- rich des fünften angestellten gelehrten Untersuchungen, mit vorzüglicher Beachtung der einzelnen Bestandtheile des Reiches, seiner kirchlichen und weltlichen Eintheilung bis zu den Gauen und ihren Bezirken hinab. Ausgeschlossen bleiben die zum langobardischen Reiche gehörigen Länder. Als Grundlage der Arbeit sind die Geschichtschreiber, die Urkunden, die sonstigen Geschichtsquellen und die darauf ge- stützten gelehrten Forschungen zu benutzen und Verzeichnisse derselben beizufügen. Erläuternde Übersichtskarten werden ge- wünscht, aber nicht als Bedingung der Preisertheilung ge- fordert. Die Arbeit kann in deutscher, lateinischer oder französi- scher Sprache abgefasst sein. Die ausschliessende Frist für die Einsendung der dieser Aufgabe gewidmeten Schriften ist der 1. März 1869. Jede Be- werbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äussern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von Einhundert Dueaten ge- schieht in der öffentlichen Sitzung am leibnizischen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1869. vom 5. Juli 1866. 459 Hierauf erstattete Hr. Kummer folgenden Bericht über die von der physikalisch-mathematischen Klasse gestellten und neu zu stellenden Preisaufgaben. Die physikalisch- mathematische Klasse der Akademie hatte in der öffentlichen Sitzung am Leibniztage des Jahres 1563 aus dem von Cothenius gestifteten Legate folgende Preisaufgabe gestellt: „Die Akademie wünscht eine umfassende Arbeit über den Einfluls der beiden Modifikationen der Kieselsäure auf die Vegetabilien. Die Arbeit soll eine Reihe von vergleichenden Versuchen umfassen über das Wachsen gewisser Vegetabilien, namentlich der zu ihrer Existenz viel Kieselsäure bedürftigen Getreidearten in einem Bo- den von bestimmter Zusammensetzung, der aufser den anderen zur Nahrung der Pflanzen nothwendigen Be- standtheilen bestimmte Mengen von der einen oder der andern der beiden Modifikationen der Kieselsäure ent- hält. Man kann zu den Versuchen einerseits sich eines reinen Sandes bedienen, der von fremden Bestandtheilen durch Säuren vollkommen gereinigt und dann fein pul- verisirt worden ist, oder des fein zertheilten Feuersteins, andererseits vielleicht der gut gereinigten Infusorienerde aus der Lüneburger Heide, die leichter in grofser Menge zu erhalten sein könnte, als die auf chemischem Wege dargestellte Kieselsäure. Die Akademie wünscht ferner, dafs aulser den beiden Modifikationen der Kieselsäure einige von den sehr verbreiteten Silikaten in fein gepul- vertem Zustande angewendet werden, namentlich Feld- spath und feldspathartige Mineralien, so wie Thonarten.” Für diese Preisfrage ist eine Bewerbungsschrift eingegan- gen, mit dem Motto: Parum servabis donec majora parabis über welche die physikalisch-mathematische Klasse der Akademie folgendes Urtheil gefällt hat: Der Verfasser dieser Schrift hat die gestellte Frage in dem Sinne bearbeitet wie die Aufgabe verlangt. Er zieht aus seinen Versuchen den Schlufs, dafs Zufuhr von amorpher Kieselsäure zu den Bodenbestandtheilen eine beträchtlichere Vermehrung 460 Öffentliche Sitzung des Kieselsäuregehalts in Heu und Stroh bedingt, als Zusatz einer gleichen Menge krystallisirter Kieselsäure. Die Versuche sind in grofsem Maalsstabe angestellt, so dafs man die That- sache als festgestellt betrachten darf. Nur wäre zu wünschen gewesen, dafs der Verfasser die von ihm benutzte natürliche amorphe Kieselsäure, welche er als ein Kieseleonglomerat be- zeichnet, auf ihre Dichte und unter dem Mikroskop geprüft hätte, weil bekanntlich viele dichte Quarzmassen sich gegen Kalilauge ähnlich verhalten, wie jenes Conglomerat. Auch ver- mifst man die Verwendung der in der Preisaufgabe vorgeschla- genen Infusorienerde. In Anerkennung jedoch, dafs der Verfasser die Frage durch zweckmälsig angestellte Versuche gelöst, und dafs er dabei mehr- fache neue und interessante Beobachtungen gemacht hat, be- schliefst die Akademie ihm den ausgesetzten Preis von 100 Dukaten zuzuerkennen. Der nun eröffnete Zettel ergab als Verfasser dieser ge- krönten Preisschrift Herrn Dr. August Vogel, Professor an der Universität und Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften in München. Ferner hatte die Akademie in der öffentlichen Sitzung am Leibniztage des Jahres 1864 nach der Bestimmung der Stei- nerschen Stiftung folgende geometrische Preisfrage gestellt: In einer in den Monatsberichten der Akademie vom Ja- nuar 1856, sowie in dem 53. Bande des Crelle’schen Journals veröffentlichten Abhandlung hat Steiner eine Reihe von Fundamental-Eigenschaften der Flächen dritten Grades mitgetheilt, und dadurch den Grund zu einer rein geometrischen Theorie derselben gelegt. Die Aka- demie wünscht, dafs diese Arbeit des grolsen Geome- ters nach synthetischer Methode weiter ausgeführt und in einigen wesentlichen Punkten ergänzt werde, dazu würde es zunächst nothwendig sein, die gröfstentheils nur angedeuteten oder ganz fehlenden Beweise der auf- gestellten Hauptsätze zu geben; dann aber mülste die Untersuchung auch auf die von Steiner nicht berücksich- tigten Fälle, in denen die zur geometrischen Construction der in Rede stehenden Flächen dienenden Elemente zum vom 3. Juli 1866. 461 Theil imaginär sind, ausgedehnt werden. Aufserdem ist eine genaue Charakterisirung der verschiedenen Gattun- gen von Raumeurven, in denen zwei solche Flächen sich schneiden köunen, zwar nicht unumgänglich erforderlich, würde aber von der Akademie als eine wichtige Ergän- zung der Steinerschen Theorie betrachtet werden. Es sind für diese Preisfrage vier Bewerbungschriften recht- zeitig eingegangen. Die erste Bewerbungsschrift unter dem Titel: Traite syn- thetique des surfaces du troisieme ordre, mit dem Motto von Chasles: Les doctrines de la pure geometrie offrent souvent et dans une foule de questions cette voie simple et naturelle qui penetrant jusqu’& l’origine des verites met a un la chaine mysterieuse qui les unit entr’elles, et les fait connaitre in- dividuellement de la maniere la plus lumineuse et la plus complete mufs von der Bewerbung um den Preis darum ausgeschlossen werden, weil sie, in seltsamem Widerspruch mit ihrem Titel, die Forderung, dafs die Theorie der Flächen dritten Grades im Anschlufs an die Steiner’sche Arbeit nach synthetischer Methode behandelt werden soll, ganz unberücksichtigt läfst, und nicht nur von einer bestimmten Form der Gleichung derselben ausgeht, sondern auch im weiteren Verlauf der Untersuchung fortwährend die Hülfsmittel der analytischen Geometrie in Anwendung bringt. Der Verfasser der zweiten, in deutscher Sprache verfafsten Preisschriften mit dem Motto: Gutta cavat lapidem, non vi, sed saepe cadendo hat sich dagegen bestrebt, der gestellten Aufgabe in allen ihren Theilen Genüge zu leisten, und es mufs anerkannt werden, dafs ihm diefs zum Theil wohl gelungen ist. Die meisten der von Steiner in der genannten Abhandlung ohne Beweis aufgestell- ten Sätze hat er nach rein geometrischer Methode ganz: gut be- gründet. Auch den richtigen Weg um zu einer geometrischen Construction derjenigen Flächen zu gelangen, bei denen die 27 graden Linien sämtlich reell sind, hat er nicht verfehlt. Um so mehr ist zu bedauern, dafs hierbei ein Irrthum, der sich in dem einleitenden Kapitel findet (dafs 2 Flächen zweiten Grades stets 462 Öffentliche Sitzung ein gemeinschaftliches Polar- Tetraäder mit 4 oder 2 reellen Ecken haben sollen) verderbliche Folgen gehabt hat, so dafs Flächengattungen aufgezählt sind, die gar nicht existiren. Aufser- dem ist, abgesehen von verschiedenen anderen Mängeln, der Ver- such, die verschiedenen Arten der Durchschnittscurven zweier Flächen dritten Grades zu bestimmen, nicht befriedigend aus- gefallen. Die dritte, ebenfalls in deutscher Sprache verfafste sehr umfangreiche Preisschrift mit dem Titel: Synthetische Untersu- chungen über die Oberflächen dritter Ordnung, mit dem Motto: Peut donc qui voudra dans l’etat actuel de la science ge- neraliser et creer en geometrie; le genie n’est plus indis- pensable pour ajouter une pierre a l’edifice zeugt von einem aufserordentlichen Fleifse, den ihr Verfasser auf dieselbe verwandt hat, und von einem gründlichen Studium der Methoden der neueren Geometrie. Von den Steiner’schen Er- zeugungsweisen der Flächen dritten Grades ausgehend entwickelt der Verfasser auf synthetischem Wege die Haupteigenschaften derselben. Er untersucht ferner die Beziehungen, in welchen die auf diesen Flächen liegenden graden Linien zu einander stehen, und die Fälle, in welchen dieselben zum Theil imäginär sind. Auch hat er die Raumcurven, in welchen zwei solche Flächen sich schneiden, gründlich untersucht. Manche Schwierigkeiten der rein synthetischen Untersuchung hat er allerdings nicht über- winden können, aber er verdeckt dieselben nicht, sondern ge- steht es selbst offen ein, wo er etwas hat unergründet lassen müssen. Die vierte, ebenfalls sehr reichhaltige und sehr sorgfältig ausgearbeitete Bewerbungsschrift ist in französischer Sprache ver- fast unter dem Titel: Memoire de Geometrie pure sur les sur- faces du troisiöme ordre, und mit dem Motto von Steiner: „Es ist daraus zu sehen, dafs diese Flächen fortan fast ebenso leicht und einläfslich zu behandeln sind, als bis- her die Flächen zweiten Grades.” Diese schlägt zur Lösung der gestellten Aufgabe einen ganz anderen Weg ein. Sie gründet nämlich die Theorie der kubi- schen Flächen auf eine vorausgeschickte ausführliche Untersu- chung über die allgemeinen Eigenschaften der Flächen aller Grade. vom 5. Juli 1866. 463 Die Steiner’schen Sätze ergeben sich auf diese Weise sämtlich als specielle Fälle allgemeinerer Theoreme, und es tritt eben des- wegen die wahre Bedeutung derselben um so klarer hervor. Auch hat sich der Verfasser nicht darauf beschränkt die von Steiner . und anderen Geometern aufgestellten Sätze über die Flächen drit- ten Grades zu begründen, sondern hat mehreres werthvolle hin- zugefügt, was er selbst gefunden hat. Auf die von der Akademie gewünschte aber nicht geforderte Discussion der Durchschnitts- eurven zweier Flächen dritten Grades ist er nicht eingegangen. Für die Beurtheilung dieser Schrift, namentlich im Vergleich zu der vorhergehenden, ist jedoch zu berücksichtigen, dafs es sich bei der gestellten Aufgabe nicht darum handelte, eine geometri- sche Theorie der Flächen dritten Grades nach irgend einem Plane zu entwerfen, sondern dafs die Steiner’'sche Abhandlung zum Grunde gelegt und das in dieser Enthaltene weiter ausgeführt und vervollständigt werde. Hieran hat sich der Verfasser aber zu wenig gehalten. Das Endurtheil der Akademie über diese Preisbewerbung um den Steiner’schen Preis lautet demgemäls so: Der erstgenannten Arbeit mit dem Motto: Les doctrines de la pure geometrie etc., so wie auch der zweiten, mit dem Motto: Gutta cavat lapidem etc. wird der Preis nicht ertheilt. Die dritte Arbeit mit dem Motto: Peut donc qui voudra ete., sowie auch die vierte mit dem Motto: Es ist daraus zu sehen etc. entspre- chen zwar auch den in der Aufgabe gestellten Forderungen nicht so vollkommen, dafs einer von ihnen der Preis unbedingt zu- erkannt werden mülste; beide aber sind gediegene Leistungen, denen die Akademie ihre Anerkennung ausspricht, indem sie be- schliefst, die für den Steiner’schen Preis ausgesetzte Summe von 600 Thalern zu gleichen Theilen unter beide zu theilen. Die versiegelten Zettel, welche die Namen der Verfasser der ersten und zweiten Arbeit enthalten, müssen nach Bestimmung der Statuten hier Öffentlich verbrannt werden. Die Namen der Verfasser der dritten und vierten Arbeit dürfen jetzt noch nicht publizirt werden, weil keiner dieser Arbeiten der volle Preis zuerkannt worden ist. Die Verfasser dieser beiden Arbeiten werden in geeigneter Weise öffentlich aufgefordert werden, sich zu melden, und zu erklären, ob sie die Eröffnung ihrer versie- 464 Öffentliche Sitzung gelten Zettel wünschen und die ihnen zuerkannte Prämie in Em- pfang nehmen wollen. Die Akademie stellt nun aus dem Steiner’schen Legate folgende neue Preisfrage: Für diejenigen geometrischen Probleme, deren algebraische Lösung von Gleichungen von höherem als dem zweiten Grade abhängt, fehlt es noch an der Feststellung der zur constructiven Lösung derselben erforderlichen und ausreichenden fundamenta- len Hülfsmittel, sowie an den Methoden zur systematischen Be- nutzung dieser Hülfsmittel. Indem die Akademie die Frage, die sie stellt, auf die Probleme beschränkt, welche auf kubische Gleichungen führen, wünscht sie, dafs wenigstens an einer Anzahl von speeiellen Beispielen gezeigt werde, wie diese Lücke in dem Gebiete der constructiven Geometrie ausgefüllt werden könne. Namentlich verlangt sie die vollständige Lösung des folgenden Problems: „Wenn dreizehn Punkte in der Ebene gegeben sind, so sollen durch geometrische Construction diejenigen drei Punkte bestimmt werden, welche mit den gegebenen zusammen ein System von sechzehn Durchschnittspunkten zweier Curven vierten Grades bilden.” Bei der Lösung sind die Fälle zu berücksichtigen, in wel- chen einige der dreizehn Punkte imaginär und demgemäfs nicht als individuelle Punkte, sondern als Durchschnittspunkte vorge- legter Curven gegeben sind. Gewünscht wird ferner, dafs sämmt- liche geometrische Constructionen durch die entsprechenden al- gebraischen Operationen erläutert werden. Die Arbeiten können in deutscher, französischer oder latei- nischer Sprache abgefalst werden. Die ausschlielsende Frist für die Einsendung der dieser Frage gewidmeten Preisschriften ist der 1. März des Jahres 1868. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses ist auf dem Äufsern des versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 600 Thalern geschieht in der öffentlichen Sitzung am Leibniztage im Juli des Jahres 1868. Sitzung der philos.-histor. Klasse vom 9. Juli 1866. 465 Die Sitzung ward von Hrn. Hagen mit einer Gedächt- nifsrede auf J. F. Encke beschlossen. 9. Juli. Sitzung der philosophisch-histori- schen Klasse. Hr. Trendelenburg las über eine Lücke in Kants Beweis von der ausschliefsenden Subjectivität des Raumes und der Zeit. PP r Hr. Bekker schlofs an s. 343 weitere Bemerkungen. AXXIX. I. Die verse oirw ou Au mE Umsonevei bir.ov given, 05 on Tora Moruv AureAure Aceoyva WI Erı zar Aucsı" FoU Yag #00Tos EITL Meyınrov habe ich I 23 ausgemärzt, hätte ich aber mit noch vollerem recht auch B 116 ausmärzen können: denn was dort mülsige wiederholung ist, wird hier zu widerspruch in sich selbst, und verdunkelt beziehungen die nur in nächster nachbarschaft klar sind. nachdem der wille des Zeus erkant ist und in einem befehl ausgesprochen, wozu noch eine vermutung über diesen willen (116)? und da derselbe auf erhaltung der stadt geht, wie darf sich die vermutung darauf stützen dafs Zeus viele städte zerstört hat und noch zerstören wird (117— 8)? der zusammen- hang aber leidet, wenn öys#Az« (118) entfernt wird von aisyocv (119): die verse 119— 122 begründen ja jenes duszrz« "Asyos izzsScı und führen es aus. begeben wir uns also der unnützen erweiterung von N 226 und & 69. wer übrigens für za: Aucsı (118) vorzöge zaaAryrsı nach #e)2..1,ew, könte anführen anye Edwzev ern @oRos vo Er dwrei, und würde wenigstens durch Huzv maraı 70 Erı zu vüv nicht widerlegt, 466 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 2. Mit dem verlust seiner Briseis bedroht zieht Achilleus (A 194) das schwert gegen Agamemnon. Athene rät ihm ab von so einem aoy,zıw «eıoav adızwv, und alsbald gibt er es auf. Dies ist der einzige fall dafs bei Homer auch nur ange- setzt wird zu der roh ungezogenen selbsthülfe, die wir in den chansons de geste ohne bedenken und ohne mafs geübt sehn. selten bleibt da geselliger verkehr ungestört durch tätlichkeiten; kein wortwechsel wird lebhaft ohne zu raufereien zu neigen, ja zu mord und todtschlag. in den quatre fils Aymon spielt Regnaut schach mit einem neffen des kaisers, Bertoulet. Regnaut savoit du jeu asses et largement: par trois fois a mache Bertoulet au corps gent. et a la quarte fois s’ aira durement par un trait que Regnaut li joua fierement, qu’il en feri Regnaut en vis si durement, si que le sang vermail parmi le nes descent. la fu moult aires et plain «de mautalent. ja tuast Bertoulet la endroit en present, quant de sa douce mere li vient ramembrement, qui li avoit prie & son departement que, s’on li meflaisoit par aucun convenant, qu’ il s’en plaindit au roi sans prendre vengement. der könig erwidert aber auf seine beschwerde garcon, ales vous ent. maudict soit Bertoulet de dieu omnipotent, quant si pou vous en fict & ce commenchement: car enfans pou batus pleure trop longuement. und Regnaut? { quant Regnaut ot le roi qui ensement parla, tost et isnelement vers la chambre s’en va. ou qu’il voit Bertoulet, en hault li escria “se ne vous deffendes, vo corps le comparra.’” il entoise Floberge, que Maugis li donna: jusque cyens es dens le fendi et coupa. Bertoulet chay mort, oncque mot ne parla. wovon denn die folge ein vieljähriger verheerender krieg ist. vom 9. Juli 1866. 467 wieder zu einem schachspiel führt uns Parise die her- zogin. der eine spieler, von seinem widerpart fitz & putain ge- schimpft, a auce le poign qui fu gros et quarez, et fiert le fil Gontagle entre front et le nez: les ieux qu’il ot ou chief li fist andos voler. li autre saillent sus, s’ont les coutiaux covres. Hugues tient l’eschaquier, si est vers aus allez. il li lancent au piz les cotiaux acerez: quatre plaies li firent es flans et es costes. mais Hugues les ateint, n’en lait nul eschaper. si en fiert un des treis, toz est escervelez. puis auca l’eschaquier, s’a un autre tue. li carz torne en fuie, mais Hugues l’a aste: de l’eschaquier qu’il moine li a tel cop done, au milieu du celer l’a mort acravante. in dem streite um Aye d’Avignon droht Karl ja ne vivrez o li demi an ne entier que je ne vos en fiere de m’espee ens el chief, und dennoch tant demenerent l’ire que vint a grant tencon. Auboin tent les mains vers le chief au baron, que il le vout saisir par les cheveus en son: mais Garniers le feri du poign de tel rendon, du sans qui ist des dens li covri le menton, et moillierent les gueules de l’ermin pelicon. im Gerard de Viane quant Olivier s’oit si menecier..., tel doel en ait, le cuer cuide chaingier: s’il ne s’en venge, ne se prise un denier. envers Harnant se prist a aprochier, pais avant autre, en guise d’ome fier. par les chavolz le vait & lui sachier si durement qu’il le fist anbronchier. hauce le poign, tel cop li vait paier ke le maistre os del col li fist brisier. parmi la bouche li fist le sanc raier. encontre terre le fist jus trebuchier. 468 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse derselbe Olivier sagt zu Roland “si j’en voisise vostre faucon porter, que fesies?”... et dist Rollans “ja n’oreiz veriteiz. par cel apostre qu’on quiert en Noiron prey, del gros del poign tel tense te doney ke les ij oelz te feisse voler voiant cealz de Viane.” Oliviers l’ot, si teint comme charbon... “tel vos donaise sor le neiz de mon poign ke le cler sanc s’en isist abandon voiant toz cealz dou siege.” im Gaydon Riolz l’entent, a poi n’est forsenez. par grant vertu est vers le duc alez. en haut parole, car bien fu escoutez. “sire vassal, moult grant tort en avez.”... jusqu’a son vis li a sa main porte, et en apres en vola li sans _clers. eben da Amboyns I!’ ot, a poi n’est forsenez. jusqu’a la barbe li a le poing porte, que cent des poils en a jus avale, et puis le sanc, dont Riolz fu irez. Riolz le voit, a poi n’est forsenez. hausa le poing, qu’il ot gros et quarre, baissa le coute et lait le cop aler. parmi le col a Amboyn donne, que ä ses pies l’a ä& terre verse. hauce le poing, trois cops li a donnez. und bald nachher li dus s’escorce, si est avant alez. hauce son poign, qui est gros et quarrez. grant cop li done dus Naymes sor le nes, si que le sanc en est aval coulez. as pies le roi chai toz enversez. der kaiser selbst ist kein muster von gelassenheit und würde. im Doon vom 9. Juli 1866. 469 devant le roi avoit un jeune soudoier, l’omme en trestout le mont que Do avoit plus chier. quant eil oit Doon issi lait menachier, tant respondi le roi qu’il le fist courouchier et que il le feri d’un bastou de pommier, si que par devant li le fist agenoiullier. chil saut sus vistement, si commence 23 sainier. er leidet aber auch was er anderen tut. wie er sich mit seinem Nestor Naymes in pilgers kleidern bei herzog Gaydon eingeschlichen, werden sie erkant von dessen dienstmannen, Naymes söhnen, und der älteste, Richier, par l’esclavine va son pere saichier... “de truandise vos savez bien aidier... mar i venistes mon seignor espiier.” “va, glouz’” dist Naymes, “dex te doinst encombrier. iez tu venus por nos contraloier?” hauca la paume, dont li doit son plenier: tel buffe en donne son ainzne fil Richier, toute la face li a fait roujoier. Richiers le voit, le sens cuide changier: se dex n’en pense, li peres droituriers, ja se voldra de la buffe vengier. et nonporquant ne se volt atargier, ne son coraige ne pot asozploier. par la poitrine va son pere sachier: tout le descire decy ens el brayer, que la poitrine li voit on blanchoier. Karles le voit, vis cuida enraigier; ne set que faire mais que Naymon aidier. ne connut mic le fil Naymon, Richier; prent le baston duc Nayme le Baivier, les iex roeille, bien resemble aversier. Richier feri parmi le hanepier que & la terre en fist le sanc raier. voit le Bertrans, n’ot en lui qu’airier. il saut avant sans plus de menacier, parmi la barbe va Karlon empoingnier. par tel vertu le va Bertrans saichier, [1866.] 33 470 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse plus de cent poils en a fait esraichier, le roi Karlon a fait tout embronchier. li rois se dresce, n’ot en lui qu’airier: Bertran saisi, ne le volt espargnier. par les chevox l’est alez empoingnier. vers lui le saiche nostre empereres fier que tout envers l’abati el fouier. rate den Agolant um sich versammelt Balan saut sus & la chiere membree: grant ot le cors et la poitrine lee. fier le regarde, et la chiere enflee. il passe avant et dist reson membree. “Salatiel, fiz de pute provee...” il passe avant: si li a bien tiree sa grande barbe, qui fu entremeslee. o le poing destre li donna tel farree, si ke des denz li brise l’eschinee. und wie die leidenschaft unbändig bleibt im palaste, den augen des herschers, so in der kirche. dex, dist Guillaumes, qui me seit conseillier ou je le truisse, si que 1 puisse baillier. len li enseigne par dedens le mostier. li cuens i vet, poignant toz eslessiez, et apres lui quatre-vint chevalier. Richart trova & l’autel apoie: ne lessa mie por ce quiert el mostier. le poing senestre li a mesle el chief; tant l’enelina que il l’a embrunchie. hauce la destre, ens el col li assiet: tot estordi l’abati ä& ses piez, que toz les membres li peust l’en tranchier, ne remuast ne les mains ne les piez. (königin Blancheflor hat gesagt or ont deable fete ceste acordee: Mauchief puist prendre par qui est porparlee. das hört Wilhelm von Orange (s. 295): nicht anständiger geht es bei den ungläubigen her. in einem unter ja sie verschont die frauen nicht, nicht die christlichen vom 9. Juli 1866. 471 si l’en a regardee. “tes-toi” dist il, “pute lisse provee! Tiebauz d’Arrabe vos a ensoinantee et mainte feis comme putain folee. ne doit pas estre ta parole escotee... li vif deable vos ont or coronnee.” passa avant, del chief li a ostee') voiant Francois, & la terre jetee. parmi les treces l’a Guillaumes combree. isnelement mist Ja main & l’espee. ja li eust la teste tost copee: par home nul ne li fust devece: quant Hermangars li a des poinz ostee. im Aubery: li dus le vit: si l’en pesa forment pour ce quelle ot parle si folement vers l’estrange hom, qu’il ne connoit noient. a main enverse la feri durement desus le nes, par si fier mautalent, le sanc vermeil en contreval descent. im Gaydon la damme l’oit, li vis li est muez. “sire” fait elle, “ce iert desloiautez...’” quant Hertaus l’oit, a poi que n’est desvez. hauce le poing, qu’il ot gros et quarre: si a ferue par entravers le nes que li. cler sans l’en est aval coulez.) und nicht die Saracenischen: quant Flandrine le voit, de rire s’efforcha... et quant li Aubigant son pere l’escouta, de sa paume ens u vis un grant coup li donna. und wiederum quant Flandrine le voit, s’en a gete un ris... son pere l’a oje, par poi n’esrage vis. grant coup li ra donne devant emmi le vis. !) li a ostee] la couronne? es scheint ein vers ausgefallen, wiewohl Jonckbloet keinen anstofs nimt. 33* 472 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Auch in Spanien regnet es ohrfeigen und püffe in den höchsten kreisen der gesellschaft. el emperador con enojo que habia de lo escuchar (Rolanden), alzöo la mano con sana, un bofeton le fuera a dar, que otra vez no fuese osado al emperador asi hablar. Grimm Silva p. 96. oyendo el Cid sus razones desta manera ha fablado “dexemos los reyes, duque; y si os sentis agraviado, ayamos lo los dos solos. de mi 4 vos sea demandado.” allegö se cabe el duque: un gran rempujon le ha dado. Romancero del Cid p. 249, levantö se Pero Bermudez, el que las damas criö, y al conde que esto hablaba, dio le un grande bofeton. Wolf Rom. in flieg. bl. p. 165. calles calles, perro Moro: sino, dar te he una bofetada. ib. p. 174. los traidores con enojo a la infanta mal traian. dan le una gran bofetada en su hermosa mejilla. ib. p. 160. 3. Der speer ist bei Homer in der regel eschen: dogy nsiAwov 7 mal, neirıwov Eyy,os d mal, nern evyarzos iSurriwv ögszry Iy- Aus anzol@ageıe AarzoyAuyıv so oft dals auffält unter den mehr als 30 ÖovgızAvror und den über 20 mal teils einzeln teils in masse auftretenden aiyuyrai, geschweige dreier eyyeszeroı, nur 3 Zum- vom 9. Juli 1866. 473 Merle zu finden, Euphorbos Peisistratos und Priamos. dagegen kaum 10 mal dyxee dEvosvra (d. h. ö£vwe, wie Sodoevrı EAiw so viel als godrww; auch hat Euripides eig 8° EvSes o&Unv für zuQes Öopu). dasselbe holz gibt den ritterspeer, lance fraisnine oder de fraisne, espiez fresnin: lances ot fors, de fraisne, bien planees. ces fers de ces espies an fraisnes anhantes. et puis li ont un roit espie livre: il fu de fresne, si ot fer acere. entre ses poinz tenoit sa hanste fraisnine. qu’as fait de ton escu, de la hanste fresnine? le roi tint un espie de fresne moult pesant. plus li briserent sus de fust fraisnis que en carete ne traisist un roneis. vgl. Frane. Michel Glossar zu Tristan unter fresnine. zur aushülfe trat, wie bei den Achäern die d&Vr, im mittel- alter der apfelbaum ein: une lanche pongnal, qui estoit de pommier, fet aguisier devant et u feu brasoier. brandist la hanste, qui estoit de pommier. ardent ces hanstes de fraisne et de pumer. auch bastons pommerins kommen vor; besonders aber die stäbe der pilger, oft genug als waffen gebraucht, waren von diesem holze: il tenoit en sa main son bon bourdon fresnin. - im Gerard de Rossillon kömt einmal eine lansa de sicamor vor, anderwärts auch einzeln une lance sapine, und, als variante, espiel de cornier. welch holz für untauglich galt, wie den Grie- chen das feigenholz, zeigt der vers la lance brise, qui ne fu pas d’osiere (vgl. p. 341 20). woher aber der vorzug der esche? aus dem grunde ver- mutlich aus welchem sie Roger Ascham in seinem Toxophilus (Works 2 p. 120 ed. Giles) zu pfeilen empfielt: “of all other woods that ever I proved, ash being big is swiftest and again heavy to give a great stripe withall’” d. h., wie sein herausgeber erklärt, ash is the wood which in a quantity proper for an arrow has weight enough to stripe hard and lightness enough ta fly far. f 474 Gesammtsitzung von pfeilen übrigens unterscheidet Ascham zwei arten, fork- head und swallow-tail: (oyzwos bei Pollux). die darauf bezüg- lichen verse, A 123 und © 291, übersetzt er (2 p. 144 und 130), ohne weiteres, als wäre das allgemein üblich gewesen unter Heinrich dem Achten und Elisabeth, in hexametern: up to the pap his string did he pull, his shaft to the hard head und eight good shafts have I shot sith I came, each one with a fork head. 12. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weber las über das Bhagavati-Sütra (zweiter Theil). An eingegangenen Büchern wurden vorgelegt: Giornale di scienze naturali. Vol. I, no. 3.4. Palermo 1866. 4. Numismatie Chronicle. Part 21. London 1866. 8. American Journal of Science. No. 123. New Haven 1866. 8. Journal of the chemical Society. London, April — June 1866. 8. Schriften der Universität Kasan. 1863—1865. 8. (10 Hefte.) Jahresbericht des physikalischen Vereins. Frankfurt a. M. 1864—65. 8. Journal für reine und angewandte Mathematik. Band 65. Berlin 1866. 4. H., A. and R. de Schlagintweit, Results of a scientific Mission to India and High Asia. Vol. 4. Leipzig 1866. 4. and folio. Th. H. Martin, La joudre, lelectricite et le magnetisme chez les an- ciens. Paris 1866. 8. G. A. Neumeyer, Schie/s- und Sprengpulver. Altenburg 1866. 8. Fizeau, Memoire sur la dilatation des corps solides par la chaleur. (Paris 1866.) 4. 19. Juli. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Beyrich las eine Abhandlung des Hrn. Dr. Hil gen- dorf: Über Planorbis multiformis im Steinheimer Sülswasserkalk. Der Süfswasserkalk von Steinheim ist in der geognostischen Litteratur berühmt geworden durch das massenhafte Vorkommen vom 19. Juli 1866. 475 einer ihm ausschliefslich angehörenden Schnecke, welche ebenso wenig mit anderen lebenden, wie mit anderen aus europäischen Tertiärbildungen bekannt gewordenen Sülswasserschnecken nä- her vergleichbar schien. Anfangs durch Bronn und Schübler (bei v. Zieten) zu Paludina gestellt, erhielt sie später durch L. v. Buch und Deshayes den allgemein bis jetzt beibehal- tenen Namen Valvata multiformis'). Nicht allein durch ihre eigen- thümliche Schalform, sondern mehr noch durch ihre aufserordent- liche Variabilität, wofür lebende Schnecken keine Analogie dar- bieten, erregte die Schnecke von Steinheim das Interesse der Paläontologen. Ihre mannichfaltigen, zwischen flach scheiben- förmiger bis hoch kegelförmiger Gestalt schwankenden und durch Übergänge aller Art mit einander verbundenen Formen sonderte zuerst Key/[sler in seiner Reise durch Teutschland 1751 in fünf, darauf Schübler auf wissenschaftlichere Weise in 4 Varie- täten: planorbiformis, intermedia, trochiformis und turbiniformis; diesem fügte später v. Klein eine fünfte Varietät rotundat« hinzu. Beide Autoren gingen bei Unterscheidung ihrer Varie- täten von der Annahme aus, dafs die sämmtlichen Formen in derselben Schicht durcheinanderliegend vorkommen. Dagegen hatten schon frühere Beobachtungen den Verfasser erkennen las- sen, dals diese Vermengung nur einer oberen Schicht angehört, welche ohne Zweifel als eine sekundäre Ablagerung durch Zu- sammenschwemmung des Materials aus mehreren älteren Schich- ten entstanden ist, dals aber in den tieferen, unaufgewühlten Schichten die verschiedenen Formen nach bestimmten Regeln vertheilt liegen und nur in gewissen Horizonten durch Übergänge in einander verlaufen. Nachdem mir durch die Liberalität der Königl. Akademie der Wissenschaften die Mittel gewährt worden, diese Beobachtungen weiter zu verfolgen, beehre ich mich, der- selben das Resultat desjenigen Theiles meiner Untersuchungen vorzulegen, welches die Entstehung und Geschichte der Varie- täten der sogenannten Valvata multiformis betrifft. Die Benennung der Schnecke von Steinheim als Paludina oder Valvata beruhte auf Vergleichung der Schalform mit leben- den Sülswasserschnecken. Obwohl die flacheren Formen, wie !) Mörch hat den Gattungs-Namen Poecilospira für sie vorgeschlagen. 476 Gesammtsitzung . der Name der var. planorbiformis anzeigt, noch mit Planorbis verglichen werden konnten, sah man sich doch durch das Vor- kommen der höheren kegelförmigen Gestalten bestimmt, den Na- men einer Gattung zu wählen, in welcher die kegelförmige, in der Gattung Planorbis damals noch unbekannte Schalgestalt die gewöhnliche ist '). — Andere mit den Varietäten der so ent- standenen Valvata multiformis zusammenliegende Schnecken, wel- che sich weniger von gewöhnlichen Planorbis-Arten zu unter- scheiden schienen, erhielten den Gattungsnamen Planorbis, so die beiden durch v. Klein beschriebenen Planorbis oxystomus und Kraussiü. Die Beobachtungen. aber über das Vorkommen dieser Planorben und über ihre Verbindung mit den Varietäten der Valvata multiformis haben zu der Überzeugung geführt, dafs nicht nur die schon früher als Varietäten einer Art zusammen- gefalsten Formen der Valvata multiformis, sondern auch jene Pla- . norben bei v. Klein, und mit ihnen noch eine grölsere Zahl neu aufgefundener Formen sämmtlich durch Übergänge verbun- den sind und in genetischem Zusammenhange miteinander ste- hen, daher auch als Abänderungen einer gro[sen Art in derselben Gattung vereinigt werden müssen. Da sich herausstellte, dafs die Entstehung der fremdartigen, kegelförmigen Gestalten, welche den Namen Paludina oder Valvata veranlafsten, von der gewöhn- lichen Planorbis-Form abzuleiten ist, überdies auch die Schal- form der letzteren, sowie einiger zu Valvata gerechneten For- men die Annahme verhindert, dafs diese Schnecken den für Val- vata erforderlichen Deckel besalsen, so wurde es nöthig, für die gesammte Formenreihe den Gattungsnamen Planorbis anzuneh- men. Indem ich für das Ganze den alten Artnamen multiformis beibehalte, sondere ich die somit als Planorbis multiformis zu verbindenden Formen in 19 Varietäten. Der Charakteristik dieser Varietäten und den Erörterungen über die Art und Weise ihrer Verbindung mit einander mögen einige geognostische Be- merkungen vorausgehen. Die Süfswasserformation von Steinheim wurde theils in der Mitte, theils an den Rändern einer kesselartigen Vertiefung ‘) Subgenus Carinifex. Binney. vom 19. Juli 1866. 477 des weilsen Jurakalks abgesetzt, über deren eigenthümliche Er- scheinung neuerlich Prof. v. Quenstedt (Naturw. Würtemb. Jahreshefte. 1866. H. 1) Ausführlicheres mitgetheilt hat. Ihrem organischen Inhalte nach zerfällt diese Formation in zwei we- sentlich verschiedene Abtheilungen von Sülswasserkalken. Die eine, als fester, dichter, gelblich grauer Kalkstein entwickelt, zeigt sich am Westrande des Kessels; sie enthält aufser zahl- reichen Landschnecken verschiedene Planorben aus den Grup- pen des corneus, vortex und nitidus, welche der anderen Abthei- lung ganz fehlen, daneben aus der Reihe der uns hier allein beschäftigenden Formen des Planorbis multiformis nur die eine als Planorbis m. aequeumbilicatus unterschiedene Varietät. Die Altersbeziehungen dieser Kalksteine zu den anderen konnten durch Beobachtung von Auflagerung des einen oder anderen nicht festgestellt werden. Zu der zweiten Abtheilung von Süls- wasserkalken, deren organische Reste bis jetzt allein beachtet wurden, gehören die Ablagerungen in der Mitte des Kessels in der Umgebung] des südlich von Steinheim sich erhebenden Buckels, aufserdem die am Nord- und Südrande des Kessels abgesetzten Sülswasserkalke. Die Ablagerungen dieser Abthei- lung umschliefsen aufser der; genanuten Varietät die gesammte übrige Formenreihe des Planorbis multiformis. Die Profile und fast ausschliefslich das Material, auf wel- chem die vorliegeuden Untersuchungen beruhen, lieferten 3 Kalk- gruben, von denen zwei noch im Gange sind, die dritte auf dem Klosterberge wieder verschüttet ist. Das in diesen Kalkgruben gewonnene Material ist ein lockerer, deutlich geschichteter Kalk- sand, der oft durch Bänke festen Kalksteins unterbrochen ist; stellenweise wird er thonig. Die gesammte Mächtigkeit der beob- achteten Schichten würde sich auf etwa 45 Fufs belaufen, wenn dieselben an der nämlichen Stelle sämmtlich in günstiger Weise entwickelt wären. Die Zahl der petrographisch zu unterschei- denden Schichten mag etwa 40 betragen. In der gesammten Schichtenfolge vertheilen sich die Varie- täten des Planorbis multiformis in der Weise, dafs einzelne Schich- ten als Schichtenfolgen durch das ausschliefsliche Vorkommen oder durch Vorherrschen einzelner oder mehrerer Varietäten charakterisirt werden, welche sich innerhalb der Schicht con- 478 Gesammtsitzung stant oder wenig variirend verhalten, zur Grenze gegen die fol- gende Schicht hin aber durch Übergänge zu den nachfolgenden Formen herüberführen. Dieses Verhalten gestattete, die ganze Ablagerung in 10 Zonen zu theilen und die Entwickelung der Varietäten des Planorbis multiformis innerhalb dieser Zonen in der Form eines Stammbaumes darzustellen. Die weiter unten folgende Anordnung ist dazu bestimmt, den Stammbaum zu veranschaulichen. Die 10 Zonen benenne ich nach den bezeichnendsten Va- rietäten: 10) Zone des Planorbis m. supremus. 9) Zone des Planorbis m. revertens. 8) Zone des Planorbis m. oxystomus. 7) Obere Zone des Planorbis m. trochiformis, mit Pl. m. elegans. 6) Untere Zone des Planorbis m. trochiformis, ohne Pl. m. elegans. 5) Obere Zone des Planorbis m. discoideus, mit Pl. m. costatus. 4) Untere Zone des Planorbis m. discoideus ohne P!. m. costatus. 3) Zone des Planorbis m. sulcatus. 2) Zone des Planorbis m. tenuis. 1) Zone des Planorbis m. Steinheimensis. In den drei obersten Zonen finden sich weder Limnaeen noch Fische. Nur in den fünf unteren Zonen kommt Limnaeus socialis vor. Fischreste ohne Limnaeen finden sich sehr zahl- reich in der 6. und 7. Zone. Die kleinen für Paludina globulus Desh. gehaltenen Schalen trifft man dagegen, wenn auch etwas in der Form ändernd durch alle Schichten hindurch. vom 19. Juli 1866. 479 Entwickelung der Formen der Planorbis multiformis. 10 supremus | 9 erescens revertens | | 8 costatus cerescens oxystomus denudatus | | | 7 —_ costatus minutus trochiformis elegans pseudotenuis | | ee. 6 costatus minutus trochiformis pseudotenuis | | F | \ ! I rotundatus pseudotenuis 3 costatus minutus triquetrus discoideus | ee | Kraussii ) A minutus discoideus Kraussii | | | 3 minutus sulcatus Kraussii | | | 2 minutus tenuis Steinheimensis | [I gen 1 parvus Steinheimensis ee rear aequeumbilicatus Für die Beurtheilung des Verhaltens der 10 Zonen zu den in den einzelnen Gruben beobachteten Schichten können die fol- genden Profile zum Anhalt dienen; die zur Seite gestellten Zah- len bezeichnen die Zonen, welchen die einzelnen schneckenfüh- renden Schichten angehörenden. Die Bezeichnungen %, % deu- ten die Regionen an, in welchen sich die Übergänge zwischen den Formen der betreffenden Zonen ausbilden. An der tiefsten Stelle der alten Gruben wurde durch Gra- ben die folgende Schichtenreihe blofsgelegt. 20” Kalkplatten; früher der Boden der Grube an dieser Stelle 8 Klebsand (thoniger Sand) 27 Letten mit 3 Streifen schneckenhaltigen Sandes = 4? 22 Sand mit Pl. m. sulcatus 1 Letten - 23 1 Sand mit Pl. m. sulcatus 480 Gesammtsitzung 18 Letten - Sand 3 9 Leiten 3 4 Sand (thonig) mit Pl. m. tenuis und sulcatus zu unterst Letten mit einer dünnen Lage von P!. m. tenwis, nach unten mit grölseren eckigen Stücken h 2 Jurakalk. Eine zweite Stelle der alten Grube zeigte an einer steilen Wand das folgende Profil, dessen tieferer Theil durch Graben aufgedeckt wurde. 1’ Ackerkrume 8 Schutt von verschiedenen früheren Schichten. Fast nur Schneckenschaalen, Pl. m. trochiformis, dis- coideus, oxystomus und deren Begleiter. Zahl- reiche Helix. Grofse Blöcke von tuffartigem Kalk- stein 30” Schneckensand; erste Pl. m. trochiformis 6 4 Kalkplatte 3 Sand mit der Zwischenform von Pl. m. discoideus und trochiformis 2 Kalkplatte 36 Schnecksand 5 Kalkplatte an 1 Schneckensand 2 Kalkplatte 18 Schneckensand 15 Kalkplatte 22 Schneckensand 4 Kalkplatte 98 Schneckensand 1 Kalkplatte 42 gelber Schneckensand 5 Kalkplatte (Boden der Grube an jener Stelle) 9 Schneckensand 2 Kalkplatte 6 Letten 6 Schneckensand vom 19. Juli 1866. 481 4” Letten ri 9 oocovPpr om Do m m DD Schneckensand Letten Kalkplatte Letten Schneckensand Letten Sand mit wenig Schnecken Klebsand Schneckensand Klebsand Schneckensand Letten. w\® Darunter noch thoniger Sand mit zwei Lagen von 2 Schnecken. Auf massigem Sülswasserkalkstein ruhend. 1 Eine dritte Stelle der alten Grube, die am meisten nach Süden gelegene, gab unter deu Ackerkrume und einer dünnen Schicht zusammengeschütteter Schnecken nachstehenden Durch- schnitt, dessen Schichten hauptsächlich in die sechste Zone fal- len, nur die obersten zeigen schon Spuren von Pl. m. elegans. 6” Kalkplatte, B) Fi oO: mn wvowo»Pr > »$ wa a w Schneckensand durch 5 Kalkbänke getheilt, ähnlich wie die unteren Lagen, Kalkplatte, Schneckensand, Kalkplatte, Schneckensand, Kalkplatte, Schneckensand, Kalkplatte, Schneckensand, Kalkplatte, Schneckensand, Kalkplatte, Schneckensand, Kalkplatte, Schneckensand, 482 Gesammtsitzung 1" Kalkplaite, 12 Schneckensand, 18 Sand ohne Schnecken, 1 thoniger Sand, 30 Sand mit wenig Schnecken, Schneckensand mit der Übergangsform vom Pl. m. discoideus zum trochiformis. ; Das vierte Profil endlich, von einer Stelle zwischen den beiden vorhergenden entnommen, enthält die Schichten der sie- benten Zone, paläontologisch sehr scharf getrennt von den ihre Unterlage bildenden der sechsten. Ackerkrume, Schutt von Schneckenschaalen, Verdrückte Schichten mit Pl. m. oxystomus, 7” gelber Sand mit Schnecken 15; Kalkplatte 7 N 6 4 gelber Sand mit Schnecken 2 sckneckenleerer Sand 16 Sehneckensand 2 Letten 3 Schneckensand 2 Kalkplatte 3 Schneckensand 2 Kalkplatte 15’ schneckenleerer thoniger Sand mit 3 Kalkplatten 6° Schneckensand mit der Uebergangsform zwischen Pl. m. discoideus und trochiformis, 4 Letten 2 Schneckensand | 15 Sand ohne Schnecken d Sckneckensand. | Die zweite, neuere Grube enthält fast gar keine Kalkplatten; schneckenleerer und schneckenreicher Sand wechseln und werden oben von einer thonigeren Lage bedeckt, welche die Zwischen- formen von Pl. m. trochiformis und oxystomus enthält. Die an- deren Vorkommnifse sind sämmtlich in der ersten Grube auch zu finden. vom 19. Juli 1866. 483 Die dritte Grube endlich enthält von unten an gezählt Schich ten mit Pl. m. Steinheimensis (nicht in situ gesehen), discoideus, trochiformis (bei einer früheren Anwesenheit in schmaleren Strei- fen beobachtet, jetzt verschwunden), oxystomus (jetzt ebenfalls nicht mehr vorhanden), revertens und supremus, alles frühere in Kalksand, den letzteren in einem thonigen Kalkstein. Den vorgehenden geognostischen Erörterungen schliefse ich zunächst die genauere Beschreibung sämmtlicher Varietäten des Planorbis multiformis an. Die Charakteristik bezieht sich auf die typischen Formen der Varietäten, ohne die verbindenden Zwischenformen zu berücksichtigen. Eine beschreibende Diag- nose der ganzen Art würde bei der Vielgestaltung ihrer Varie- täten kaum von irgend einem Nutzen sein. Das Gemeinschaft- liche aller Formen besteht nur in dem runden, glatten, in einer Ebene aufgerollten Embryonalende und in der schiefen, immer vollständigen Mündung. Alle übrigen Eigenschaften sind den bedeutendsten Schwankungen unterworfen. Behufs leichter Er- kennung sind die Varietäten nicht nach der Abstammung, sondern nach ihrer Form geordnet. A. Umgänge frei; Schale walzenförmig. 1. Planorbis multiformis denudatus. Fig. 19. Umg. 34 —4 sehr langsam zunehmend, fast drehrund nur eine kleine Abflachung an der Innenseite bemerkbar. Nur der erste Umgang in der Ebene bleibend, die anderen frei, kork- zieherartig gewunden; ohne sichtbare Anwachsstreifen. Schale walzenförmig, an der Mündung ein wenig dicker. 2"” hoch. In der obersten Schicht von Nr. 7 (obere trochiformis-Zone). Aus dem P/. m. costatus durch allmähliges Freiwerden der Win- dungen und Auseinanderrücken der Rippen bis zum Verschwin- den entstanden. B. Schale scheibenförmigs; rundliche, oder nur mit stumpfer Kante versehene Umgänge. 2. Plan. multif. costatus. Fig. 18. 18a. Plan. costatus v. Klein. a, typus. Umgänge 25—3 gleichmäfsig gerundet mit regel- mälsigen Rippen in der Richtung der Anwachsstreifen; lang- 484 Gesammtsitzung sam zunehmend, wenig involut. Mündung ohne Lippe oder Ver- dickung. Nabel unten stärker als oben. 1—1%"" im Durch- messer. In Nr. 5 (gelblich) 6 u. 7 (öfter weils). Aus dem Pl. m. minutus durch Verstärkung und Entfernung der Anwachsstreifen. Ursprung des denudatus. £, platystomus. Gegen die Mündung zu stark abgeplattete und verbreiterte Umgänge. Mundsaum sehr schief. Oberfläche eben oder etwas convex, Rippen weitläufig. In Nr. 6 u. 7 (trochiformis - Zonen). y, major. 35—3% Umgänge. 3”" Durchmesser; kaum in volut. Rippen nicht ringsum gleichmälsig ausgebildet. In Nr. 8 (oxystomus - Zone). 3. Plan. mult. o@ystomus. Fig. 7. Plan. oxystoma v. Klein. Umgänge 4, im Durchschnitt oval (abgesehen vom Eindruck der vorigen Windung), oben breiter; der letzte rundlicher; steil gegen den Nabel abfallend; mäfsig involut ziemlich stark zu- nehmend; dünnwandig. Anwachsstreifen deutlich öfter einige Spiralstreifen. Mündung umgebogen, innen mit ringför- migem Wulst, hinter dem öfter noch einige ähnliche sich finden. Schale oben wenig concav, unten eng genabelt; weils, 5”"® im Durchmesser. In Nr. 8 leitende Form. Entsteht aus dem Pl. m. trochi- Jormis durch Herabdrückung der Spira, Verschwinden der Kan- ten und Ausbildung des Mundsaums. Wird zum P/, m. revertens. 4. Plan. multif. revertens. Fig. 8. @, typus. Umgänge 4, so hoch als breit, herzförmig; unten steil gegen den Nabel abfallend; diekwandis; mäfsig schnell zunehmend, ziemlich involut. Anwachsstreifen deutlich. Mündung etwas nach aufsen abbiegend; Mundsaum scharf ohne Umbiesung. Schale unten eng oben deutlich genabelt; weils; 4—5”" im Durchmesser. In Nr. 9 leitende Form. Entsteht aus dem Pl. m. oxy- stomus durch Rückbildung des Mundsaumes und Niedrigerwerden vom 19. Juli 1866. 485 der Umgänge. Dem Pl. m. Steinheimensis (in Nr. 1) ziemlich ähnlich; deswegen revertens genannt. ß, depressa. Umgänge noch etwas niedriger, evoluter und langsamer zunehmend. Zusammenliegend mit «, typus. 5. Plan. multif. supremus. Fig. 9. Umgänge 45; höher als breit, rundlich dreieckig, oben schwach, innen stärker concav, unten etwas convex, sehr involut, stark zunehmend, dickwandig. Anwachsstreifen deutlich, öfter grob. Schale oben stark convex mit seichter Längsfurche; Nabel unten eng, oben deutlich. Mündung etwas nach aufsen und wenig nach unten ziehend kaum erweitert, scharf. Durch- messer T7””. In Nr. 10 Leitform. Aus dem revertens durch Erhöhung der Umgänge und Ausbildung der Furche entstehend; letzte beob- achtete Form. 6. Plan. multif. Steinheimensis. Fig. 2. a, typus. Umgänge 47, etwa so hoch als breit, regelmäfsig rundlich, unten nicht auffallend steil gegen den Nabel abfallend, mäfsig stark zunehmend, nicht sehr involut, diekwandig. An- wachsstreifen undeutlich. Mündung ein wenig nach aufsen und unten ziehend; Mundsaum scharf. Schale oben wenig concav, unten offen genabelt, weils. Die ersten zwei Windungen gelb- lich. Durchmesser 6"”. In Nr. 1 Leitform, auch noch in Nr. 2. Mit dem Pl. m. aeque umbilicatus durch Uebergangsexemplare zusammenhängend, vielleicht von ihm abstammend. Von ihm stammt der tenuis. ß, involutus. Die Umgänge stärker wachsend, weit invo- luter, oben deutlich genabelt. Stammform des Pl. m. Kraussüi Als Anführer der Hauptreihe der berühmten Steinheimer Formen, ist diese Varietät nach dem Orte bezeichnet. 2. Plan. multif. Kraussiüi. Fig. 12. Plan. Kraussii v. Klein. Umgänge 3, rundlich viereckig, so hoch wie breit, sehr schnell zunehmend, ziemlich involut (anscheinend wegen der [1866.] 34 486 Gesammtsitzung starken Zunahme noch mehr), mäfsig dickwandig. Anwachs- streifen sehr schwer zu sehen. Schale weils, glänzend. Die ersten Windungen gelblich. Nabel unten eng, oben deutlich. Mündung etwas nach aufsen und unten gebogen. 2—25”" im Durchmesser. In Nr. 3, 4 und unteren 5. Entsteht aus dem Plan. m. ‚Steinheimensis @. involutus durch Verminderung der Windungs- zahl und einige Abplattung. Wird zum pseudotenuis. 8. Plan. multif. (?) aequeumbilicatas. Fig. 1. Umgänge 37, rundlich, aufsen etwas unter der Mitte mit undeutlicher Kante, ziemlich so breit als hoch, wenig involut und langsam an Grölse zu nehmend; Mündung etwas nach aufsen kaum nach unten biegend. Schale oben und unten gleich ge- nabelt, glänzend mit feinen, kaum sichtbaren Anwachsstreifen. 3”= im Durchmesser. In den Landschneckenkalken am Westrande des Beckens. Einige sehr ähnliche Exemplare in der ‚Steinheimensis - Zone. Vielleicht der Stammvater der gesammten Art; indefs wird erst die Altersbestimmung der Westkalke zur Bestätigung abzuwarten sein, da die Vergleichung der Exemplare noch keine vollkommen sicheren Resultate gegeben hat. Steht der Form nach zwischen parvus und Steinheimensis. (Aufserdem möglicher Weise wichtig als Verknüpfungsform der Steinheimer Planorben mit den an- deren Würtembergischen, da sie dem Plan. laevis v. Klein in Zwiefelten, Hohenmenningen etc. nahe zu stehen scheint. Das als Plan. laevis v. Klein in Sandberger’s Conchylien des Mainzer Tertiärbeckens Tf. VD, f. 10 abgebildeto Exemplar hat dagegen weder mit unserer Varietät noch mit dem Pl. laevis v. Klein etwas zu thun; die Umgänge sind viel zu breit. Der Vergleich mit dem lebenden Pl. Liebmanni aus Mexiko ist eben- falls nicht glücklich). 9. Plan. multif. parvus. Taf. 14. 9 Umgänge 3/, rundlich, etwas dreieckig, sehr langsam, zu- nehmend, wenig involut. Anwachsstreifen fein. Mündung nach vom 19. Juli 1866. 487 aulsen und unten ziehend. Die Umgänge oben und unten gleich sichtbar. 25”” im Durchmesser. In Nr. 1. Wahrscheinlich ein verkümmerter Pl. m. aeque- umbilicatus. Stammform des Pl. m. minutus. 10. Plan. multif. minutus. Fig. 15. &, typus. Umgänge 2',—3, rundlich, etwas breiter als hoch; oben und unten etwas platt gedrückt; wenig involut, ziemlich langsam an Dicke zunehmend, sehr fein gestreift, glänzend. Unten alle Umgänge sichtbar, fast eben so deutlich als oben. Nähte mäfsig tief. Mündung nach aufsen und ein wenig nach unten abbiegend. Gelblich. 1,"" im Durchmesser. ß, teres, einfach runde Umgänge, mit tieferen Nähten. In Nr. 4—7. Aus dem Pl. m. parvus (?). Stammvarietät des costatus und Zriquetrus. Wird zum crescens. Von v. Ziethen als Pl. hemistoma Sow. abgebildet; bei diesem decken sich die Umgänge aber nur auf der oberen Seite und sind im Durchschnitt dreieckig. ll. Plan. multif. crescens. Fig. 16. Umgänge 35 — 4 etwas, breiter als hoch, herzförmig im Durchschnitt, langsam zunehmend, wenig involut, dünnwandig, Nähte sehr flach. Anwachsstreifen deutlich, Mündung etwas nach aufsen und unten biegend. Nabel unten fast eben so offen als oben. 3—4"”"” im Durchmesser. In Nr. 8 u. 9. Entsteht aus dem Pl. m. minutus durch Vermehrung der Umgänge und Ausbildung einer abgerundeten Kante. 12. Plan. multif. triquetrus. Fig. 17. Umgänge 3, breiter als hoch; im Durchschnitt dreieckig mit gerundetem Aussenwinkel, oben mehr oder weniger concav, unten eben; mäfsig involut und nicht gerade schnell zunehmend. Nabel beiderseits ziemlich gleich offen. Nähte mäfsig tief. Farbe gelblich. Anwachsstreifen undeutlich. In Nr. 5. In einer Schicht sehr zahlreich. Aus dem PI. m. minutus durch Abplattung der Umgänge. Vom tenuis durch 34* 488 Gesammtsitzung die Grölse, das Lager und den Mangel einer Furche unterschieden; sonst ähnlich. C. Schale scheibenförmis; Umgänge mit deutlichen Kielen. 13. Plan. multif. tenuis. Fig. 3. Umgänge 4, breiter als hoch, viereckig, aulsen etwas nie- driger, oben mit seichter Furche, unten eben; an der unteren Aulsenkante mit scharfem Kiel; diekwandig; mälsig stark zu- nehmend, oben wenig involut, unten mehr. Oberseite der Schale etwas convex mit flachen Nähten, kaum genabelt; unten eng genabelt. Anwachsstreifen deutlich, oft gröbere regelmäfsige Runzeln bildend; öfter deutliche Spiralstreifen. Mündung etwas nach aulsen und etwas nach unten biegend. 4"” im Durchmesser. In Nr. 2 u. 3; in 2 Leitform. Aus dem Steinheimensis durch Abplattung der Umgänge und Ausbildung der Kante. Wird zum sulcatus. — Ein links gewundenes Exemplar wurde gefunden. 14. Plan. multif. pseudotenuis. Fig. 13. Umgänge 3, sehr wenig breiter als loch, rundlich -vier- eckig an der unteren Aulsenkante mit scharfem Kiel, oben zu- weilen mit einer seichten Furche; oben wenig, unten etwas stärker involut, aber stark zunehmend. Schale oben ein wenig convex, kaum genabelt; unten eng genabelt. Anwachsstreifen deutlich. Mündung nach aufsen und etwas nach unten biegend. Durchmesser 2”®. : In Nr. 5 oben, Nr. 6u.7. Aus dem Pl. m. Kraussü durch Abplattung und Ausbildung der Kante. — Dem P/l. m. tenuis sehr ähnlich, aber etwas kleiner, dünnwandiger und weniger platt. 15. Plan. multif. discoideus. Fig. 5. Valvata multif. var. planorbiformis v. Klein etc. &, iypus. Umgänge 4,—4,, viereckig, höher als breit, unten und oben concav, aulsen convex; alle 4 Kanten können mit einem Längswulst besetzt sein; oben fast nicht, unten mässig involut; dickwandig; Anwachsstreifen deutlich; öfter mit einigen vom 19. Juli 1866. 489 » Spiralstreifen. Schale scheibenförmig, oben breiter; oben kaum, unten mälsig eng genabelt.e. Mündung nach aufsen und unten biegend; Innenlippe etwas umgebogen. Durchmesser 6 —7"”. In Nr. 4 und 5 Leitform. Aus dem Pl. m. sulcatus durch Verringerung des oberen Längswulstes und Ausbildung der oberen Aulfsenkante. Wird zum trochiformis. ®, inornatus. Furchen und Kanten weniger markirt; Schale oben etwas convex. An der Gränze von Nr. 4 u. 5. Ursprung des Pl. m. rotun- datus. 16. Plan. multif. sulcatus. Fig. 4. Umg. 4, höher als breit, viereckig, obere Innen- und untere Aussenkante mit starken Längswülsten, ersterer nach aulsen, letzterer nach innen zu scharf abgesetzt, wodurch Ober- und Unterseite gefurcht erscheinen; mälsig schnell wachsend, oben wenig, unten etwas stärker involut. Anwachsstreifen sehr deut- lich, gewöhnlich regelmäfsige gröbliche Runzeln bildend. Spiral- streifen besonders unten; oft sehr scharf. Mündung nach aufsen und unten biegend. Durchmesser 8 — 6"”. In Nr. 3. Entsteht aus dem Pl. m. tenuis wird zum dis- coideus. D. Schale nicht scheibenförmig, Gewinde vortretend. 17. Plan. multif. rotundatus. Fig. 10. Valv. multif. rotundata v. Klein. Umgänge 3% —4. Durchschnitt birnenförmig, oben ver- schmälert, aufsen mit abgerundeter Kante. Nähte wenig ver- tieft. Anwachsstreifen deutlich. Schale kugelig niedergedrückt, etwas glänzend: eng genabelt.e. Durchmesser 3 — 4””, In Nr. 5 oberste Schicht. Entsteht aus dem Pl. m. discoi- deus 2 inornatus, durch Schiefwerden der Winkel und Aus- sackung der unteren Seite der Umgänge. 490 Gesammtsitzung 18. Plan. multif. trochiformis. Fig. 6. (Valv. m. trochiformis v. Klein etc.) a, typus. Umgänge 5—6, im Durchschnitt birnförmig, mit mehr oder minder deutlicher Aufsenkante, mäfsig stark zu- nehmend. Nähte nur eine feine Linie bildend, nicht vertieft, Profil gradlinig. Anwachsstreifen deutlich, öfter einige Spiral- linien erkennbar. Schale kegelförmig, enggenabelt. Innenlippe etwas umgebogen. Höhe 6 — 8””. Hauptsächlich in Nr. 7 wird zum Pl. m. oxystomus. In Nr. 6 und 7 Leitform. Aus dem Pl. m. discoideus. B, turbiniformis. (Valv. m. turbiniformis aut.). Das Profil zicekzackförmig, da sich die Umgänge nicht auf, sondern unter- halb der Aufsenkante an die vorigen anlegen. 8 — 10”” hoch; 54 —65 Umgänge. In Nr. 6 wird zum Pl. m. elegans. 19. Plan. multif. elegans. Fig. 11. Umgänge 4— 5, im Durchschnitt etwa fünfeckig, höher als breit. Der obere der vorigen Windung anliegende Winkel spitz der neben ihm liegende äufsere deutlich, innen stumpfwinklig aulsen durch einen scharfen Kiel bezeichnet, die drei anderen Winkel undeutlich. Die Oberseite des Durchschnitts schwach Sförmig gebogen. Schale niedergedrücktkegelförmig; eng ge- nabelt; dünnwandig. Profil geknicktlinig. Anwachsstreifen deut- lich, öfter einige Spiralstreifen. Innenlippe wenig umgebogen. Durchmesser 5 — 6"”. ‚In Nr. 7. Entsteht aus dem Pl. m. trochiformis B turbini- Formis durch Niederdrückung der Spira. Überblickt man den oben gegebenen Stammbaum, so er- sieht man, dafs von den 19 Varietäten in der untersten Zone nur 2 vorhanden sind, der parvus und der Steinheimensis. Nach und nach treten die anderen zum Theil auffallend verschiedenen Formen auf und vergehen wieder, nur der supremus behauptet zuletzt noch das Feld. In den dazwischen liegenden Lagern vom 19. Juli 1866. 491 ist der Formenreichthum oft viel bedeutender, er steigt bis zur Anzahl von 6 Varietäten in derselben Schicht. Untersucht man irgend eine einzelne Schicht, etwa aus der 8. Zone (oxystomus-Zone), so ist es auflserordentlich leicht alle darin vorkommenden Formen zu sondern, kein einziges Exemplar wird sich finden, wo man sich fragen könnte, ob es zu dieser oder jener Varietät gehört. Zwar wird der costatus einmal ein wenig schwächere Rippen haben, ein ander Mal etwas stärkere, aber rippenlos ist er nie, und zwischen den Anwachs- streifen des crescens oder des oxystomus und den Rippen des costatus ist noch ein grofser Unterschied. So schwankt auch die Form des crescens, er ist bald ein wenig rundkantiger bald deutlicher gekantet, doch halten sich diese Schwankungen in engen Grenzen. Kurz Alles ist in bester Ordnung. Nehmen wir eine zweite Schicht, etwa aus der 4. Zone, so haben wir _ wieder 3 Formen, den eckigen discoideus, den schön gerundeten Pl. m. Kraussii und den winzigen minutus. Leicht ist es Gruppen zu bilden, kein Stück giebt zu einem Bedenken Anlafs. Auch ist bei discoideus und Kraussi Alles so einerlei und einförmig, wie man es nur wünschen kann. Anders schon bei minutus, da sind manche Exemplare etwas platter, die andern etwas run- der, aber es giebt so viele Mittelexemplare und das Aussehen ist im Ganzen so gleichartig, dafs man nicht in Versuchung kommt eine Scheidung vorzunehmen. Vergleicht man nun den Inhalt beider Schichten mit einander, so sieht man auf den ersten Blick, dafs an eine Übereinstimmung der Petrefakten in beiden nicht zu denken ist; man glaubt 6 gute, leicht zu unter- scheidende Species vor sich zu haben. — Ganz anders gestaltet sich aber die Sache, wenn man alle Schichten in Betracht zieht. Zwischenformen mehren sich fort und fort, so dafs zuletzt, hätte man nicht die Lagerungsverhältnisse, Alles in eine endlose Ver- wirrung sich auflösen würde. Die Lagerung allein vermag den Schlüssel zu geben, sodafs man, mag auch hier und da noch eine kleine Unklarheit zurückbleiben, doch im Grofsen und Gan- zen die Ordnung herstellen kann. Die Schichten, in denen die Exemplare eine gewisse Ein- förmigkeit zeigen, dienen als Ausgangspunkte, von welchen aus die zwischenliegenden Schichten mit ihren zweideutigen und in 492 Gesammtsitzung der Form sehr schwankenden Exemplaren zu untersuchen sind. So erhält man die Unterscheidung zwischen den typischen Va- rietäten und den Zwischenformen. In der Praxis ist die Aufgabe gewöhnlich allerdings nicht so schwierig; denn die Schichten mit den Zwischengliedern scheinen an Entwickelung den Schichten mit den typischen Va- rietäten oft nachzustehen, so dafs von selbst die letzteren ins Auge fallen, ja die verwirrenden Zwischenformen sich der Auf- merksamkeit völlig entziehen können. Sie sind indels stets an dem ihnen zukommenden Platze, zwischen den beiden Extremen. Die Zwischenschichten liefern den Beweis, dafs die andern Formen durch allmähliche Umbildung aus der früheren entstan- den sind; sie machen es ferner möglich Form an Form zu reihen, und die Entwickelung nach abwärts zu verfolgen; dort zeigt sich denn, dafs, was oben deutlich getrennt erschien, un- ten zusammenfliefst. So entsteht ein Stammbaum, der mit Haupt- und Nebenästen reichlich ausgestattet ist. Der Zweig, der durch die Zahl und Gröfse seinem Indi- viduen am meisten in die Augen fällt, wird vom Pl. m. Stein- heimensis, tenuis, sulcatus und deren weiteren Nachkommen ge- bildet, er enthält 3 verschiedenen Formen und zeigt 4 sehr be- deutende Gestaltveränderungen; er mag im Folgenden seiner Wichtigkeit wegen etwas genauer behandelt werden. Die Zone (1.), deren Schilderung den Anfang machen mülste, ist mir leider nur mangelhaft bekannt, da sie bei meinem letzten Besuch der Gegend unzugänglich war. Sie enthält die echten Steinheimensis; doch zeigen schon hier einzelne Exemplare eine Andeutung von tenuis-Kennzeichen; am Ende der letzte Win- dung tritt oben eine undeutliche Furche auf, und die Abplattung der Umgänge ist auf der Oberseite oft schon recht merklich. Doch kein einziges Exemplar würde mit einem tenuis verwech- selt werden können. Dagegen kommt in der nächsten Zone (der untersten, zu der ich in der alten Grube gelangte) ein tenuis-artiges Äufsere den meilsten Exemplaren zu, nur die scharfe Kante auf der Unterseite ist bei keinem Exemplare aus- gebildet, so dafs ein eigentlicher tenuis (unter etwa 1000 Exem- plaren) noch nicht zu finden ist. Diese erscheint erst in der nächsten Schicht in der Begleitung von echten, meist involuteren vom 19. Juli 1866. 493 Steinheimensis; beide Zonen zusammen geben eine Reihe von Exemplaren, die von der schönsten Rundung eines Steinheimen- sis zu der breiten scharfkantigen Form des zenuis jede Abstu- fung zeigen. Doch scheint in den tenuis-Zonen schon eine kleine Lücke zu sein, so dafs aus ihr allein eine Reihe nicht mehr gut herstellbar ist. Man kann die 3 Schichten als Steinheimen- sis-Zone, Übergangszone des Steinheimensis zu tenuis, und tenuis- Zone bezeichnen. Für die Übergangszonen würde sich als ein passendes Symbol zum Zweck einer kurzen Bezeichnung der folgende (auf unseren Fall sich beziehende) Ausdruck empfehlen: u —-Zone; Für die Zwischenform selbst wäre viel- Steinheimensis leicht ein Ausdruck geeignet analog dem für die Bastarde ge- bräuchliche gebildet und sich an den für die Zone gewählten anschliefsend nämlich Steinheimensis: tenuis. Ein ähnliches Spiel wie bei dem ersten Übergang zeigt sich fast bei allen folgenden. Von der nächsten Form, dem sulcatus, der sich durch grölsere Höhe der Umgänge auszeichnet, findet man in der tenuis-Zone kein einziges Stück; dann folgt eine Zwischenzone, sehr reichhaltig worin: evolute Steinheimensis in ziemlicher Zahl, tenuwis in grofser Menge; daneben aber schon einige Exemplare, die dem sulcatus sehr nahe stehen, und ob- wohl vielleicht bei keinem Exemplar die Windungen höher als breit werden, so übertreffen sie hierin doch manche Exemplare der sulcatus-Zone? Es läfst sich aus der az eine tenuis sehr enggeschlossene Reihe vom tenuis zu den sulcatus -ähnli- chen bilden, die nach Hinzufügung von den Extremen aus der suleatus-Zone eine grolse Differenz der Endglieder zeigt. Ob- gleich der tenuis in diese nächste Zone noch hinüber geht, so scheinen doch die Mittelglieder hier selten zu werden. Weit weniger vorstechend sind die Umänderungen, die jetzt folgen. Der sulcatus und discoideus sind ziemlich nahe in ihrer Form, nur die obere Aufsenkante wird mehr ausgebildet, und wenn auch fast jedes einzelne Exemplar des sulcatus durch die Runzeln, die starke Ausbildung des oberen Innenwulstes und die geringere Grölse sich von einem discoideus der oberen Schichten sicher unterscheiden läfst, so darf man doch nur einen 494 Gesammtsitzung Blick auf den Inhalt der Zwischenschichten werfen um jeden Zweifel an dem Vorhandensein der Übergangsformen fallen zu lassen. Bemerkenswerth ist, dafs die Furche der Oberseite an der Grenze der Zonen Nr. 4 und 5. (d.h. zur Zeit der Bildung des Pl. m. costatus) sehr abnimmt um dann in den höheren Zonen wieder stärker zu werden, was wohl mit der Ausbildung der oberen Aufsenkante zusammenhängen mag; diese ist dann beim trochiformis die allein vortretende, die untere wird zu einer erhabenen Linie, die auf die Gestalt des Umgangs ohne Ein- wirkung ist. Der Übergang vom discoideus zum trochiformis ist der schon längst bekannte, der auch die ersten Veranlassung zu diesen Untersuchungen gegeben hat. Er ist besonders im- ponirend, indefs nicht von gröfserer Merkwürdigkeit als die ersten beiden und der dann folgende, da die Veränderlichkeit in der Höhe der Spira häufig bei Schnecken beobachtet wird. Jedoch ist zu bedenken, dafs auch der Durchschnitt der Win- dungen sich ändert; er wird spitzwinklig; ja diese Winkelver- änderung ist wohl als die Ursache der Formveränderung zu betrachten und dadurch mittelbar auch als die Ursache der Ver- mehrung der Windungszahl, welche von 44 auf 6 steigt; denn der Kreis den jeder näshste Umgang zu umspannen hat, ist bei der kegelförmigen Schale geringer als bei der scheibenförmigen. Über die Vollständigkeit der Verbindungsreihe zu sprechen ist unnöthig, da dieselbe allbekannt und unbestritten ist. Die Grölse der Differenz läfst sich numerisch leicht feststellen durch die Messung des Winkels an der Spitze der Schale; man findet Exemplare an denen er nur 25° beträgt gegenüber den discoi- deus-Exemplaren, wo die Schale oben vertieft ist, so dafs der Unterschied sich in runder Summe auf 2 Rechte angeben läfst. Bei diesem Übergange ist die Seltenheit der Zwischenglieder, d. h. die verhältnifsmäfsig geringe Mächtigkeit der en Zone recht in die Augen fallend. In der alten Grube schwankt sie von —’ bis zu 6”, während die discoideus sowohl als die trochiformis-Zone nicht unter 10’ geschätzt werden dürfen. Merk- würdig ist das völlige Fehlen dieser Zwischenzone in der Grube vom 19. Juli 1866. 495 des Hrn. Kopp an der Heidenheimer Stralse; wie abgeschnitten folgt hier der Sand mit trochiformis auf den mit discoideus, ohne dals eine Steinplatte oder ein schneckenleerer Streifen da- zwischen läge; mit dem Finger kann man die Gränze zudecken. Die extremen Formen der neuen Varietät sind in der Zwischen- zone noch nicht zu finden, doch sinkt der Winkel an der Spitze schon öfter unter einen Rechten. Die alte Varietät geht wieder über die Zwischenzone hinaus, jedenfalls noch in die untersten trochiformis-Schichten hinein; ob aber einzelne noch etwas höher sich findenden Exemplare des discoideus nicht schon auf sekundärem Lager sind, ist zweifelhaft, sie haben fast stets eine etwas andere Erhaltung als die trochiformis. Noch ist eine Unregelmäfsigkeit des Vorspiels bemerkens- werth. Nachdem nämlich in der vorletzten Schicht eine grolse Anzahl von Exemplaren oben schon ein wenig gewölbt geworden, zeist sich in der letzten discoideus-Schicht wieder die vollstän- digste Scheibenform. Auffallend ist, dafs grade in dieser Schicht der rotundatus sich charakteristisch eutwickelt, der durch eine ganz ähnliche Umwandlung entsteht. Dieses Zurückgehen ist in beiden Gruben übereinstimmend zu beobachten. Die Veränderungen in den gesammten trochiformis-Schichten sind nicht sehr bedeutend und beschränken sich fast nur darauf, dafs die extremere Form des turbiniformis, die in den unteren Schichten enschieden überwiegt, in den oberen dem typischen trochiformis das Feld räumt. Dabei wird schwer zu entschei- den sein ob sich die Zurbiniformis allmählich in die echten trochi- Jormis verwandeln, oder ob die letzteren nur die zahlreichere Nachkommenschaft der in den unteren Schichten spärlicheren Exemplare der typischen Varietät sind. — Die Beschaffung des Materials zum Nachweis der nachfolgenden Umwandlung des trochiformis in den oxystomus erforderte einen grolsen Zeitauf- wand. Nachdem ich hauptsächlich für diesen Zweck dem Orte im April 1863 einen mehrtägigen Aufenthalt gewidmet und bei meinem letzten Besuch ebenfalls mehrere Tage auf die genaueste Untersuchung der Gränze zwischen der trochifo«mis- und der owystomus-Zone verwendet hatte, war ich doch nicht im Stande, aus der alten Grube eine Reihe von Exemplaren aufzuweisen, die den Übergang in befriedigender Weise vermittelten. Ein Hand- 496 Gesammtsitzung stück einer Kalkplatte zeigt auf’s deutliehste, wie scharf ge- trennt die Formen sich hier überlagern; auf der einen Seite Pl. f. trochiformis, auf der anderen Pl. m. oxystomus in der charakteristischsten Ausbildung, aber kein einziges Exemplar von einer Mittelform. Dafs dennoch der Pl. m. o@ystomus in der That von dem P!. m. trochiformis und nicht, was a priori wahrscheinlicher schien, von dem Pl. m. Kraussii, wurde erwiesen durch ein Vorkommen in der neuen Grube, wo sich in einer thonigen Schicht nesterweise eingelagert schneckenreichere Stellen fanden, die zum Theil noch trochiformis, zum Theil owystomus, zum Theil aber eine verhält- nifsmäfsig grofse Zahl von Übergangsformen enthielten. Es mag diese Schicht vielleicht nur eine sekundäre Bildung sein; in diesem Falle würde wahrscheinlich weiter oben nach der Höhe des Berges zu die noch unversehrte, ursprüngliche troeOTEE oxystoma Zone zu finden sein. Dafs die oberste Schicht in der alten Grube eine sekundäre Ablagerung ist, darüber kann wohl kaum Zweifel herrschen. Sie enthält hauptsächlich zrochiformis, dabei eine ziemliche An- zahl discoideus und rotundatus und, was uns hier besonders in- teressirt, einzelne oxystomus. Ein oxystomus kommt nun in einer trochiformis-Schicht, sonst nie vor, selbst in den Nestern mit den Übergangsformen ist er jedenfalls sehr selten, wenn über- haupt schon vorhanden. Dafs die oxystomus nicht etwa mit den trochiformis zusammengelebt haben beweist, wohl ein Hand- stück aus der fraglichen Schicht; eine Kalksteinknolle mit einer grofsen Helix; letztere ist mit oxystomus - Schalen erfüllt, die Knolle dagegen hat nur trochiformis, was sich blofs so deuten läfst, dafs die Helix zuerst in einer Ansammlung von ox@ystomus- Exemplaren sich befand und mit diesen sich vollstopfte und dann aus ihrer früheren Lagerung herausgerissen und mit den trochiformis-Schalen umgeben wurde. Als eine wirkliche Andeutung für die bevorstehende Um- wandlung kann man dagegen das Vorkommen einzelner Exem- plare in den trochiformis-Schichten, zumal den obersten, auf- fassen, bei denen die Oberseite der Umgänge sich schon merk- lich wölbt, oder der Mundsaum sich ein wenig umzuschlagen vom 19. Juli 1866. 497 beginnt. Auch dafs die letzte Windung sich öfter etwas nach oben zieht, mag man hier bemerkt werden: In der Übergangszone bilden sich diese drei Abweichungen dann stärker aus. So vollzieht sich eine Umbildung, bei der drei Eigenschaften zugleich geändert werden; davon ist die Niederdrückung der Spira und die Abrundung der Umgänge eine Rückkehr zu dem früheren Typus des Pl. m. Steinheimensis und die Ausbildung des Mundsaums etwas Neues; der steile Abfall der Umgänge gegen den Nabel, und die beiden erhabenen Linien, welche sich oft als Andeutung der Kanten noch finden, sind das Erbtheil vom trochiformis. Die Spur der Kanten war für mich immer der sicherste Fingerzeig für das Herkommen des owystomus. Die Herstellung einer gleichmälsig aussehenden Reihe wird bei einer Anhäufung der ändernden Merkmale schwierig, da die Natur nicht in Bezug auf alle harmonisch fortschreitet, sondern die verschiedenen Grade des Fortschritts mannichfach eombinirt; Exemplare mit einer noch gut entwickelten Spira aber schon mit ganz gerundeten Umgängen, andere schon ganz schei- benförmig aber noch sehr deutlich kantig u. s. w., kurz alle möglichen Zusammenstellungen scheinen vorzukommen, hoch sind einige häufiger, andere seltener. Bedenkt man weiter, dafs, wie in diesem Falle, oft nur ein geringer Bruchtheil der Exemplare völlig unverletzt und frei von allen Unregelmälsig- keiten der Ausbildung ist, so wird man einen richtigen Maals- stab dafür bekommen, was man von einer Uebergangsreihe ver- langen kann. Eine einzige Reihe ist überhaupt nicht im Stande, ein klares und vollkommenes Bild der Metamorphose zu geben, dazu gehören wenigstens mehrere; am deutlichsten belehrt na- türlich das vollständige Material; es kann oft sehr schwer sein, eine untadelhafte Reihe zusammenzustellen, und doch noch schwerer eine Trennung gewissenhaft durchzuführen. Wenn es trotz aller Schwierigkeiten dennoch gelungen ist, mehrere gute Reihen von Uebergangsexemplaren zu erhalten, so darf man wohl die Behauptung, der Pl. m. oxystomus entstehe aus dem trochiformis, für hinreichend begründet halten. Die beiden noch folgenden Umwandlungen sind weit weniger merkwürdig; sie könnten etwa denen des sSteinheimensis zum 498 Gesammtsitzung tenuis und des tenuis zum sulcatus verglichen werden, doch sind bei ihnen die Extreme bedeutend näher. Der oxystomus drückt sich zum revertens nieder, und dieser hebt sich mit Ausbildung einer Furche zum supremus. Der Uebergang vom ozystomus zum revertens ist leicht darzuthun; doch bedarf man dazu einer früher von mir beobachteten Schicht (von der Grube auf dem Klosterberge), die leider jetzt nicht mehr aufgedeckt zu sein scheint. Bemerkenswerth ist, dafs einige Exemplase der rever- tens- Schicht nach der Mündung zu, sich merklich niederdrücken und verengen. Exemplare die sich durch Umgänge von geringer Höhe auszeichnen (Pl. m. revertens 2 depressus), erinnern sehr an den Pl. m. parvus der Steinheimensis- Zone. — Der letzte Uebergang vom revertens zum supremus, ist wegen der schlechten “ Aufschlüsse weniger genau untersucht worden; da indefs eine bedeutende Abweichung eigentlich nur in der Grölse besteht, so nehme ich keinen Anstand, auch diese letzte Form der ge- staltreichen Species als Varietät unterzuordnen. Der Hauptast weist nun noch zwei kleine Seitensprossen auf. Ein unterer bildet sich an der Gränze der vierten und fünften Zone, wo bei dem discoideus die Furche der Oberseite stark zurücktritt; schon in diesen ’Gränzschichten finden sich zahlreiche Exemplare, die merklich kleiner bleiben und durch Mangel der schärferen Kiele und Furchen den Namen inornatus als Subvarietät verdienen. Der Zusammenhang zwischen den gröfseren discoideus und der neuen Form verschwindet in den nächsten Schichten; letztere wird immer gewölbter auf der Ober- seite, bis diese Umwandlung in der letzten discoideus- Schicht (als Pl. m. rotundatus) das Maximum erreicht. Die gleichzeitig auftretende Herabsenkung der unteren Wandung der Umgänge, vermehrt die Unähnlichkeit mit den gerade in der letzten Schicht typischen discoideus-Exemplaren, so dafs eine klare Trennung zwischen beiden gegeben ist. Anschlufs und Umwandlung sind schon bei geringem Material deutlich; dagegen hält es schwer festzustellen, ob nicht schon früher vorkommende Formen aus N. und der sulcatus-Zone den Anschlufs an die tenuns Hauptreihe vermitteln, wobei dann allerdings der Mangel in den zwischenliegenden untersten discoideus-Schichten störend sein vom 19. Juli 1866. 499 würde. Schwer ist es auch zu ermitteln, ob ein Anschlufs des rotundatus nach oben hin zu den trochiformis stattfindet; denn es giebt allerdings einzelne Exemplare, die man als Mittelformen ansehen könnte; doch dürfte das mehr eine zufällige Erscheinung und nicht mit den normalen Uebergängen zu vergleichen sein, bei denen die Zwischenformen nach Hunderten und Tausenden zählen und in bestimmter Weise gelagert sind. Fände ein solcher Anschlufs statt, so würden der trochiformis zwei Wurzeln haben, was ein höchst unwahrscheinliches Verhalten ist. Der andere Seitensprols stammt vom trochiformis & turbini- Jormis, dessen Spira sich niederdrückt, er bleibt ohne weitere Umwandlungen und enthält nur den Pl. m. elegans. Es findet bei diesem Seitensprossen wieder eine ganz ähnliche Beziehung zu der Fortsetzung des Hauptastes statt, wie bei der vorigen Abzweigung: der Seitenzweig antieipirt die Entwickelung des Stamms und neigt sich offenbar nach der neuen Form hinüber, ohne jedoch, wie es scheint, eine Verknüpfung damit einzugehen. Der zweite Hauptzweig, der kleinste von den dreien, ent- hält den Pl. m. Kraussiü und pseudotenuis. Er hängt mit dem ersten auf’s Deutlichste durch den Pl. m. Steinheimensis 8 in- volutus zusammen und bietet nur wenig Bemerkenswerthes bis zur Mitte der oberen discoideus-Zone; die etwas geringere Grölse und etwas abgeplattetere Form der Umgänge, durch welche sich der typische Pl. m. Kraussii in der unteren discoideus -Zone auszeichnet, würden kaum zur Unterscheidung einer Varietät Veranlassung geben, wenn nicht die Lagerung, eine etwas ge- ringere Zahl der Windungen und der Umstand hinzukäme, dafs schon ein Speciesname für denselben früher aufgestellt war. An der Gränze der oberen und unteren discoideus-Schichten fällt die Seltenheit der Exemplare auf, ich besitze aus 3 Schichten kein einziges Exemplar, habe indessen nicht besonders danach gesucht, weil der Anschlufs in der Gestalt durch die Lücke nicht gestört wird. Sobald nun aber die Exemplare wieder häufiger geworden sind, zeigen sie eine grölsere Abflachung und bilden allmählig eine scharfe Kante an der unteren Aufsenecke der Windungen, selbst die seichte Furche der Oberfläche fehlt nicht, so dafs eine dem tenuis äulserst ähnliche Form (Pl. m. pseudotenuis) entsteht. Es lag natürlich sehr nahe, diese vom 800 Gesammtsitzung tenuis selbst abzuleiten, allein die Menge der deutlichsten Ueber- gangsexemplare zum Pl. m. Kraussiü setzt sich dem entgegen, und dann ist es zweifelhaft, ob der tenuis überhaupt bis zum Anfang der pseudotenwis hinaufreicht. Nur 4 Exemplare fanden sich noch über der sulcatus-Zone und zwar durch eine weite Lücke von dem regulären Lager des tenuis getrennt in der un- tersten Schicht mit costatus (Nr. 5), und sie reichen auch nach oben an die pseudotenuis nicht heran. Sie können möglicher- weise sich auf sekundärem Lager befinden. — Eine ähnliche Wiederholung der tenuis-Form werden wir im dritten Hauptast kennen lernen. — Die trochiformis- Schichten scheinen alle die neue zierliche Form zu enthalten, doch findet man immer nur einzelne Exemplare; in der oxystomus-Zone dagegen dürften sie schon fehlen. Die Verknüpfung des letzten, dritten Hauptastes, mit dem ersten bietet eigenthümliche Schwierigkeiten. Vielleicht geschieht sie durch den aequeumbilicatus in den Landschneckenkalken des Westrandes; denn dieser scheint sich einerseits mit dem Steinheimensis und andrerseits mit dem parvus, der Stammform des dritten Hauptastes, eng zu verbinden; doch ist es schon unmöglich die parvus- Exemplare von den jüngeren Steinhei- mensis-Exemplaren mit der gleichen Windungszahl (3 — 3%) scharf zu trennen, so dals ich längere Zeit Anstand nahm, den parvus als eine besondere Varietät einzuführen. Leider besitze ich aus der eigentlichen Steinheimensis-Schicht keine kleineren Exemplare und gerade diese mülsten die Sache zum Ausschlag bringen und zeigen, ob die Beziehungen zum Steinheimensis oder aequeumbilicatus enger sind. Ein künftiger Besucher sollte die Mühe und Kosten nicht scheuen, die Grube auf dem Kloster- berge aufräumen zu lassen, um die Schicht, die wahrscheinlich noch nicht bedeutend durch die frühere Ausgrabung gelitten hat, einer möglichst genauen Untersuchung zu unterwerfen. Mag immerhin die Verknüpfung noch der Bestätigung bedürfen, so ist doch nach dem bisher Gefundenen eine Trenuung ein ebenso unsicheres und dem Angriff ausgesetztes Unternehmen. Der Uebelstand für die in Rede stehende Zweig einen neuen Species- namen aufstellen und vielleicht später wieder einziehen zu müssen, bestimmte mich vollends, in der Nomenclatur die Verknüpfung vom 19. Juli 1866. 901 als bewiesen anzunehmen. Schon in der tenuis- Schicht sinken dann die parvus-Exemplare auf 2%; Umgänge. Durch diese Verminderung der Umgänge verliert der parvus an Charakter, der ja hauptsächlich in dem langsamen Zunehmen der Win- dungen besteht, und ist so in den sulcatus-Schichten nicht mehr von den jungen tenuis-Exemplaren zu unterscheiden. Liest man aus dem Material dieser Schichten alle kleinen Exemplare aus, so kann man leicht die Jungen des sulcatus und Kraussii ab- sondern, die durch die schnell an Höhe zunehmenden Umgänge sich verrathen; in dem Rest aber ist dann schwer sich zurecht- zufinden, da die tenuis erst nach 2 bis 2%, Umgängen Kanten bekommen und damit die Differenz gegen die parvus aufgehoben wird. Dafs die fraglichen Formen aber nicht lauter junge tenuis sind, dürfte wohl daraus hervorgehen, dafs sie noch in den nächsten Schichten, wo keine tenuis mehr zu finden sind, in grolser Menge angetroffen werden. Unmittelbar über der sul- catus-Zone, haben wir nun einen Ausgangspunkt in dem typi- schen Pl. m. minutus; der dritte Hauptast ist hier deutlich von dem anderen abgelöst und beginnt gleich darauf sich zu ent- wickeln. Zur längsten Lebensdauer bringt es der charakterlose und wenig sich umändernde minutus-crescens-Zweig. Die Aus- bildung der Kante des crescens, die überdies nicht stark ent- wickelt ist, leitet sich schon an der Gränze der discoideus- und trochiformis -Schichten ein, allmählig nimmt dann die Gröfse der Schale und die Zahl der Windungen zu, so dafs man schon in erumen -Zone den crescens' fast völlig ausgebildet an- trochiformis trifft; in der revertens-Zone, die ihn nur spärlich enthält, zeigt er sich am charakteristischsten und scheint hier auszusterben. — Die rundere Untervarietät des minutus mit tieferen Nähten die schon in den ersten Schichten unterschieden werden kann, ge- langt in der oberen trochiformis-Zone, zu einer gewissen Ab- trennung von den den crescens zusteuernden Exemplaren, sie bleibt immer bräunlich - gelb und ist oben concav und unten eben, wird aber ebenfalls grölser und erreicht fast den doppelten Durchmesser der kleineren Exemplare in den unteren Schichten. Seitenzweige haben wir an diesem Ast zwei. Der kleinere wird von der dritten tenuwis- artigen Varietät, dem triquetrus, ge- [1866.] 35 502 Gesammtsitzung bildet, der in’ einer der unteren costatus- Schichten, noch vor dem Auftreteu des pseudotenuis in grolser Menge und sehr cha- rakteristisch zu finden ist, in der gleich darunter liegenden Schicht ist er sehr selten, doch noch charakteristisch genug und läfst sich in einzelnen Exemplaren, die dann allerdings besonders auf der unteren Seite schon mehr abweichen, noch tiefer verfolgen, wo er von dem typischen minutus untrennbar erscheint. Man könnte daran denken, ihn für einen verkümmerten tenuis zu halten, doch ist ein allmähliges Abnehmen der Gröfse und Windungs- zahl an diesem nicht nachzuweisen und ja durch das Ent- stehen des pseudotenuis schon der Beweis gegeben, dafs aus verschiedenen Stämmen ähnliche Bildungen hervorgehen können. . trochiformis P N 2 BR Ueber die oe scheint die Form nicht hinauszu- discoideus gehen. Viel klarer wird die Entwickelung des zweiten Seitenzweiges, die wegen des falsbareren Merkmals (der Rippen) sich leichter beobachten läfst. Die Anwachsstreifen, die bisher sehr fein und kaum sichtbar waren, werden in der Gränzschicht bei vielen Exemplaren gröber, bleiben aber dicht gedrängt und so wenig regelmälsig, dafs von ‚„‚Rippen’” noch nicht die Rede sein kann; erst in der nächsten Schicht greift die Regelmäfsigkeit der An- ordnung durch, und wir dürfen von einem Pl. m. costatus sprechen. Die Rippen rücken dann weiter auseinander und bilden sich stärker aus, zuletzt so stark, dafs man an einigen Exemplaren die Richtung der Lamellen beurtheilen kann, welche etwa der der Mündung entspricht; auch die Entfernung der Rip- pen gelangt zum äulsersten Extrem, d. h. wird gröfser als die ganze Länge der Röhre, wodurch die Schale wieder rippenlos erscheint. So zähle ich in den vorletzten Schich- ten mit trochiformis in verschiedenen Exemplaren 10, 4, 3, 1 Rippen; dabei werden die Umgänge freier, biegen nach unten, und endlich in der obersten Schicht erscheinen dann rippenlose, korkzieherartig gewundene Gestalten (Pl. m. denu- datus). Dafs wir es hier mit keiner blofsen Monstrosität zu thun haben, zeigen die Häufigkeit der Form, die regelmäfsige Combination der beiden von einander, wie es scheint, ganz unab- hängigen Merkmale und die sichtlich auf dieses Ziel gerichtete Monatsbericht dA HA. d WJult 106 ..- @ DB 932 7 Po an == < _ (& ’ oo ; ON ©) pe wen 4 & 9) #5) 6) = f = | f M (4) Ka ® 3 = w \ [ E „—— 7 BEER „ £& x © ) ® E r a & ® ) wS & ! (f u ” 2 ® O | f2 } ® \% \ F E . = \ i wu ZU ON pe: Tg HERR A Ro n rn vom 19. Juli 1866. 503 paläontologische Entwickelung. Leider scheint die merkwürdige u Varietät jetzt in Steinheim nicht mehr vorzukommen, da die Schicht, die sie enthielt (oberste trochiformis- Schicht), sich bei meinem letzten Besuch nicht mehr finden liefs. — Der typische Pl. m. costatus besteht dabei fort, in den oxystomus- Schichten erscheint er ohne erhebliche Formdifferenz etwas gröfser (Sub- varietät %, major). Als eine Subvarietät verdient weiter der Pl. m. costatus ® platystomus Erwähnung, dessen Schlufswindung stark abgeplattet erscheint, und der daher ebenfalls in dem Zweig des costatus eine Erinnerung an den tenuis- Typus bietet. Damit sind wir zum Schlufs unserer Darstellung gekommen, die hoffentlich, wenn auch in gedrängtester Kürze gehalten, doch ein ungefähres Bild davon geben wird; wie im Steinheimer Becken die Umgestaltung organischer Formen vor sich ging. Erklärung der Tafel. Die Skizze in der Mitte der Tafel giebt die Varietäten in natürlicher Grölse; in gleichem Niveau stehende Nummern gehören gleichen Zonen an; die Linien bezeichnen die Abstammung, die nebengesetzten kleinen Figuren die Gestalt der Windungsdurchschnitte (der eckigwerdenden Va- rietäten). Die ausgeführten Figuren sind in dreifacher Gröfse gezeichnet ausgenommen Fig. 6 (%, der Schli indefs auch *), die Schliffe der kleinsten Varietäten (, — °%,) und Fig. 19 (%,). Fig. 1. Planorbis multiformis (?), var. aequeumbilicatus. Aus den west- lichen Kalken. Fig. 2. Planorbis multiformis, var. Steinheimensis; aus Zone 1. Fig. 3. Pl. m., var. tenuis; aus Z. 2. Fig. 4 Pl. m., var. sulcatus, aus 2. 3. Fig. 5. Pl. m., var. discoideus, = Valv. m. planorbiformis. Schübler; aus Z. 5. Fig. 6. Pl. m., var. trochiformis, ß turbiniformis. Schübler; aus Z. 6 der Schliff von dem typischen trochrformis; aus Z. 6. Fig. 7. Pl. m., var. oxystomus. v. Klein; aus Z. 8. Fig. 8. Pl. m., var. revertens; aus 2. 9. Fig. 9. Pl. m., var. supremus; aus Z. 10. Fig. 10. Pl. m., var. rotundatus. v. Klein; aus Z. 5. Fig. 11. Pl. m., var. elegans; aus 2. T. Fig. 12. Pl. m., var. Kraussü. v. Klein; aus Z. 5. Fig. 13. Pl. m., var. pseudotenuis; aus 2. 7. Fig. 14. Pl. m., var. parvus; aus Z. 1. Fig. 15. Pl. m., var. minutus = Pl. hemistoma. v. Zieten; aus Z. 5. 35 * 504 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Fig. 16. Pl. m., var. cerescens; aus 2. 8. Fig. 17. Pl. m., var. triquetrus; aus Z. 5. Fig. 18. Pl. m., var. costatus. v. Klein. P platystomus; aus Z. 7. Fig. 18a. (nur in der Skizze) idem. y major; aus Z. 8. Fig. 19. Pl. m., var. denudatus; aus 2.7. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Bavaria. 4A. Band, Abth. 1. München 1866. 8. Mittheilungen aus dem Osterlande. 17. Band. Altenburg 1865. 8. Journal of the Royal Geographical Society. Vol. 35. London 1865. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. 10 no. 3. London 1866. 8. Bulletin de la societe de geographie. Paris, Juin 1866. 8. Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 16. Band, no. 2. Wien 1866. 8. Marignac, Recherches sur les combinaisons du Tantale. Extrait. Geneve 1866. 8. 23. Juli. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. HE Räichen: las über die contractile Substanz und den feineren Bau der Campanularien, Sertu- larien und Hydriden. Ergebnisse. 1. An den Campanularien und Sertularien sind, wie auch bei andern Zoophyten, mit Allman zwei Theile zu unter- scheiden: die eigentlichen Polypen oder die Polypenköpfe im ungeschlechtlichen oder geschlechtlichen Entwickelungszustande, und der Träger dieser Polypenköpfe, nach Allman Coenosarc, nach van Beneden subsitance commune, das Üoenenchym späterer Autoren. Der Träger der Polypen ist ein jugendlicher Zu- stand dieser Thiere, aus welchem durch Knospenbildung die sogenannten Polypen oder Polypenköpfe hervorgehen; man kann ihn passender den „Polypenstamm” (Polypophylon) nennen. 2. Bei den von mir untersuchten Campanularien und Sertu- larien zerfällt der Polypenstamm stets in einen Abschnitt, der, zur Befestigung des Polypenstockes dienend, die Wurzeln Sto- vom 23. Juli 1866. 905 lonen oder den „Wurzelstock’”’ darstellt, — und den einfachen oder verzweigten „Stengel”, welcher endständig oder wandständig die Polypen unmittelbar trägt. 3. Am Polypenkopfe treten als schon anerkannte unter- scheidbare Abtheilungen hervor: das Mundstück (trompe buccale van Beneden) und der Magen (l’estomac v. B.; post buccale cavity All.; cavitdE post buccale Miln. Edw.) mit dem Fühler- apparat. Bei den ungeschlechtlichen Polypenköpfen der Cam- panularien und Sertularien mu[s noch das „‚Übergangsstück” des „Magens” zum „Stengel’”’, besonders hervorgehoben werden. Das- selbe liegt bei den Campanularien und Sertularien im Grunde der Glocke oder der Zelle des Polyparium. Es pflegt dieser Abschnitt der Glocke oder der Zelle zuweilen äufserlich, häu- figer an der Innenfläche durch einen ring- oder halbringförmigen Vorsprung von dem übrigen Theile sich abzusondern, so dafs das Übergangsstück in einer mehr oder weniger abgekammerten Höhle der Zelle seine Lage hat. Lister hat den ringförmigen Vorsprung bei den Campanularien das Diaphragma oder Septum genannt. Aufserdem machen sich noch zwei zwischen den drei Abtheilungen gelegene verengte Stellen bemerkbar, von welchen die zwischen Mundstück und Magen eingeschobene die „Schlund- enge” und die zwischen dem Magen und Übergangsstück in der Öffnung des sogenannten Diaphragma gelegene die „Pfört- nerenge” heilsen mag. — Bei vielen hierher gehörigen Gattun- gen trägt der Stengel die durch ihre Nesselorgane besonders ausgezeichneten Nebenköpfe, am häufigsten in der Umgebung der Polypenköpfe als scheinbare Anhänge derselben. 4. Bei den Hydriden geht der Magen ohne deutlich abge- grenztes Übergangsstück in den Polypenstamm oder Fufs über; auch die Pförtnerenge ist äufserlich nicht markirt, giebt sich aber bei Abschliefsung der Magenhöhle von dem Hohlraum des Fufses zu erkennen. Die Hydriden einerseits und die Cam- panularien und Sertularien andererseits unterscheiden sich ferner dadurch, dafs die ersteren nackt sind und kein Polyparium be- sitzen, endlich noch besonders durch den Bau der Fühler. 5. Die Campanularien, Sertularien und Hydriden bestehn, wie allseitig anerkannt wird, in allen Abschnitten, von den Armen zunächst abgesehen, aus zwei Hauptbestandtheilen oder 506 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Schichten, dem von Allman sogenannten Ectoderm und dem Endoderm. Zwischen diesen beiden Hauptschichten ist überall noch ein dritter accessorischer Bestandtheil, die von mir genannte „Stützlamelle” oder „Stützmembran”, eine Art inneres Skelet, eingeschoben. Derselbe ist bereits von Leydig und Kölliker (Basement membrane) vermuthungsweise aufgestellt. Allman hat wohl die Stützlamelle zur Muskelfaserschicht gemacht. 6. Das Ectoderm besteht im entwickelten Zustande nicht aus Zellen; es ist kein Epithel, wie allgemein angenommen wird, es ist die eigentliche und einzige contractile Substanz der Polypen, vergleichbar derjenigen der Polythalamien, enthält ein- gebettet die Nesselorgane, zuweilen auch Pigmentkörnchen, sonst aber auch nicht die geringste Spur von Kernen oder von irgend einem Zellenbestandtheil. Die contractile Substanz selbst ist völlig durchsichtig und von völlig gleichartiger homogener Beschaffenheit, wie bei den Polythalamien. Den Anschein eines zelligen Baues gewinnt sie nur bei gewissen Contractions- zuständen, namentlich bei dem papillaren. 7. Bei dem Übergange der Rindenschicht aus dem Zustande der Ruhe in den sogenannten activen Contractionszustand nimmt dieselbe an Dicke zu, es erscheinen ferner auf der äulseren Fläche Knötchen, Wärzchen, papillenartige Vorsprünge, Wülste an beliebiger Stelle, in beliebiger Zahl und in beliebi- ger Grölse. Die Wülste sind regelmäfsig quer gerichtet, mehr weniger vollständig den Hohlkörper umfassend. Solche ring- förmige Wülste bilden sich aber nur an den sehr beweglichen Abtheilungen des Körpers, bei den Hydriden also überall. Bei der Hydra können Kopf und Fufs auf diese Weise ein sehr regelmäfsig geringeltes Ansehn annehmen. Auch die Contrac- tionspapillen erscheinen zuweilen sehr regelmäflsig vertheilt und bedingen dadurch die polyedrische Epithelzeichnung, als deren Kerne zerstreut und versteckt liegenden Nesselorgane gedeutet worden sind. 8. Die papillenartigen Vorsprünge können sich bis zu wirklichen Wurzelfüfschen verlängern, die in den meisten Fällen zur Befestigung des Körpers benutzt werden. Bei der Hydra wurden solche Wurzelfüfschen am Rande der Fufsscheibe beo- bachtet; bei den Campanularien und Sertularien kommen sie vom 23. Juli 1866. 507 mehr vereinzelt am Stamm, häufiger und oft in gröfserer Zahl an dem „Übergangsstück” vor. Die Wurzelfüfschen setzen sich hier mittelst einer scheibenförmigen Erweiterung an das Poly- parium fest und sind als angeblich stabile Befestigungsbänder in den Zeichnungen früherer Schriftsteller mehr weniger deut- lich angedeutet. Bei den Hydriden entwickeln sich solche Wurzelfülschen von faserähnlicher Form in grölserer Zahl auch an der Innenfläche der contractilen Schicht und setzen sich an die Stützlamelle fest. Es sind dies die von Kölliker erwähnten Muskelfasern der Hydriden. Fadenförmige Pseudopodien mit der sogenannten Körnchenbewegung wurden nicht beobachtet. 9. Der zweite Hauptbestandtheil der Hohlkörperwand, das Endoderm, besteht überall aus einer einfachen Zellenschicht die epitheliumartig ausgebreitet und meistentheils mit Cilien ver- sehen ist. Die Form der Zellen ist veränderlich je nach den Contractionszuständen der eigentlichen contraetilen Schicht. Im ausgedehnten Contractionszustande sind die Zellen mehr platt gedrückt, bei der Hydra sogar entsprechend der Längsachse oft sehr lang ausgezogen; in gleichem Schritt mit der Ver- kürzung nimmt ihre Dicke zu, und die Zellenschicht gewinnt schliefslich das Ansehen eines Cylinderepithels. Es ist nicht erwiesen, auch nicht bei der Hydra, dafs diese Zellen durch eigene COontraction ihre Form zu verändern vermögen; es ist dieses sogar in hohem Grade unwahrscheinlich. Die Innen- fläche dieser Zellenschicht ist vollkommen frei gegen die mit körnerhaltiger Nahrungsflüfsigkeit erfüllte Höhle gewendet. Etwa vorhandene Pigmentkörnchen liegen innerhalb der Zellen und bilden niemals eine abgesonderte Schicht (Agassiz). 10. Die Stützlamelle besteht aus einer glashellen, textur- losen, weichen, elastischen Substanz, welche bei gewöhnlicher Temperatur in Kalilösung und selbst in chemisch reiner Schwefelsäure nur wenig aufquillt und sich nicht, wenigstens nicht bei halbstündiger Behandlung mit den genannten Reagen- tien, auflöst. Die Stützlamelle mufs als ein Excret der con- tractilen Substanz betrachtet werden, da sie bei der Hydra auch in dem frei endigenden Abschnitte der Fühler vorkommt, wo die innere Zellenschicht fehlt. Die contractile Schicht bildet demnach, zum eigenen Schutz und zur Stütze, allmälig fest 508 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse werdende Exerete sowohl an der äufseren als an der inneren Fläche. Bei den Oampanularien und Sertularien wird durch ihr Exeret nach Aufsen das Polyparium, nach innen die Stütz- lamelle gebildet; bei den Hydriden bildet sich nur die Stütz- lamelle; in anderen Fällen (Gromia u. s. w.) erscheint nur ein äulseres Skelet. 11. Die Fühler der Hydriden sind einfache Schläuche, deren Hohlraum in offener Verbindung mit der Magenhöhle steht; die körnchenhaltige Nahrungsflüfsigkeit bewegt sich ebenso durch die Fühler, wie durch die Höhle des Kopfes und des Fufses. Nach der morphologischen Beschaffenheit der Wan- dung des Schlauches müssen der Länge nach zwei Abschnitte, der befestigte und der frei endigende, unterschieden werden. An dem ersteren ist die Wand aus denselben Bestandtheilen zusammengesetzt wie am Polypenkopf und besonders am Fulse; an dem freiendenden Abschnitte fehlt die innere Zellenschicht. Auch bei den Fühlern der Sertularien und Campanularien fehlt die innere Zellenschicht und zwar der ganzen Länge nach. Von der Stützlamelle gehen aber in regelmäfsigen Abständen Scheidewände aus, welche den Hohlraum des Fühlers in Kam- mern abtheilen, die wahrscheinlicher Weise durch eine centrale Öffnung in der Scheidewand untereinander communieiren. Diese Kammern enthalten im ausgebildeten Zustande der Thiere keine Zellen, weder Knorpelzellen noch Epithelzellen. In jeder Kammer hat die von mir bezeichnete contractile Achsensub- stanz ihre Lage, die genau von derselben Beschaffenheit ist, wie die äufsere contractile Schicht, und nur der Nesselorgane _ entbehrt. Im verkürzten Zustande füllt die contractile Achsen- substanz mit ihren einzelnen Stücken jede Kammer fast voll- ständig aus; im mehr weniger ausgedehnten Zustande füllen sich die Kammern von der Magenhöhle aus mit einer Flüssigkeit, die niemals Körnchen führt und vielmehr reines Meerwasser zu sein scheint. Die contractile Achsensubstanz nimmt dann die Achse jeder Kammer ein, von einem Septum zum andern sich hinziehend; ihre Form ist verschieden je nach dem Contractions- zustande; an den Septa breitet sie sich scheibenförmig, viel- leicht auch mittelst einiger Fortsätze aus; sie bietet öfters das Bild einer verästelten Zelle dar. Wie in der äufseren contrac- von 23. Juli, 1366. 509 tilen Schicht, so findet sich auch in dieser Achsensubstanz keine Spur von einem Zellenkern. Knotige Anschwellungen oder ein, vor oder dahinter in der äufseren contractilen Schicht gelegenes Nesselorgan können das Bild eines Zellenkerns vor- spiegeln. 12. Die Bewegung der Nahrungsflüfsigkeit erfolgt hier, ganz unabhängig von den etwa vorhandenen Cilien der inneren Zellen- schicht, nur durch Vermittelung der Contractionen in der äulseren contractilen Schicht. 13. Der von Huxley und später von Kölliker unternom- mene Vergleich des Hohlkörpers der Hydrozoen mit den ersten Anlagen oder den ersten Entwickelungszuständen des Organis- mus der höheren Wirbelthiere hat keine thatsächliche Grund- lage; er geht sogar von irrthümlichen Voraussetzungen aus, sowohl in Betreff der Beschaffenheit und der Bedeutung der ersten Anlagen des Wirbelthieres, als auch hinsichtlich der Structur des Hydrozoenkörpers. 14. Da sowohl das äufsere Skelet (Polyparium) als das innere Skelett oder die Stützlamelle der Sertularien, Campanu- larien und Hydriden als erhärtete Excrete der contractilen Schicht des Hydrozoenkörpers angesehen werden müssen, so ist ein Vergleich derselben mit Bindesubstanzgebilden unstatt- haft. (Kölliker) Hr. W. Peters machte eine Mittheilung über Fische (Pro- topterus, Auliscops, Labrax, Labracoglossa, Nematocentris, Serra- nus, Scorpis, Opisthognathus, Scombresox, Acharnes, Anguilla, Gymnomuraena, Chilorhinus, Ophichthys, Helmichthys). 1. Protopterus anguilliformis. Nachträglich (cf. Monatsberichte d. J. p. 12) habe ich mich auch an einem besser erhaltenen Weingeistexemplar in Gemein- schaft mit Hrn. Prof. Haeckel von der muskulösen Beschaf- fenheit des Aortenbulbus überzeugen können. Jedoch sind die Muskelfasern viel feiner als im Herzen. 510 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Auliscops nov. gen. ') . Corpus elongatum, nudum, scutorum ossium seriebus qua tuor (dorsali, subcaudali et utrinque laterali) armatum; rostrum elongatum, rictu terminali parvo; nares distantes; dentes intermawillares et mandibulares minuti, vomerini et palatini nulli; praeoperculum cum osse infraorbitali con- jJunctum; apertura branchialis lata; branchiae et radii bran- chiostegi utringue quatuor; pseudobranchiae liberae, pectini- Jormes; pinnae ventrales thoracicae, approximatae, paulo post pectorales insertae; pinma dorsalis posterior brevis anali opposita, anterioris vestigium ex spinis brevissimis sejunctis formatum; pinnae caudalis radii mediü breviores. Appendices pyloricae duae, intestinum breve; vesica aerea simplex tenuis, elongata. Diese Gattung bildet ein merkwürdiges Verbindungsglied zwischen Fistularia und Spinachia, auf deren nahe Verwandt- schaft zuerst Hr. Dr. Günther in seinem dankenswerthen und mühsamen Werke, Catal. Acanth. Fish. II p. 535., aufmerksam gemacht hat. Durch die nahe hinter den Brustflossen befind- lichen Bauchflossen stimmt sie mit den Gattungen Aulorhynchus Gill (aus Californien) und Aulichthys Brevoort (aus Japan) überein. Die letzte dieser Gattungen steht ihr am nächsten, unterscheidet sich aber sogleich schon, der Beschreibung nach zu urtheilen, durch die weit von einander stehenden Bauchflossen und die Lage der Nasenlöcher. 2. Au. spinescens n. sp. (Taf., Fig. 1—3.) Au. flavescens, obsolete fuscofasciatus, iride, praeoperculo, operculis pectoreque argenteis. BEP: 105 550025 21ER IE Habitatio: California. 2 Dieser Fisch hat das Ansehen eines schlanken Seestichlings mit längerer Schnauze und mit weniger entwickelten Knochen- platten und Dorsalstacheln. Der Kopf und Körper ist etwas abgeplattet, der Schwanz in der Gegend der After- und Rücken- flosse, so wie kurz vor der Schwanzflosse zusammeugedrückt, in 1) avdtozos, u. vom 23. Juli 1866. 51l der Mitte aber wegen der Seitenkiele abgeplattet. Die Schnauze bildet die halbe Länge des Kopfes und ist abgeplattet; die Mund- spalte befindet sich vorn und ist bei geschlossenem Munde etwas nach oben gerichtet, wobei das abgerundete Ende des Unter- kiefers die Zwischenkiefer überragt, ganz so wie sich dieses bei Fistularia verhält. Die Zwischenkiefer, welche allein den obe- ren Mundrand bilden, so wie die Unterkiefer sind mit kleinen Zähnen bewaffnet, welche an den Seiten einreihig sind, während sich vorn hinter denselben eine schmale Binde von Sammtzähnen befindet. Der obere Ast der Zwischenkiefer reicht bis zur Mitte zwischen Augen und Schnauzenspitze; die Oberkiefer sind nur reichlich halb so lang wie der zahntragende Theil der Zwischen- kiefer und am Ende, wie gewöhnlich, verbreitert. Das vordere Nasenloch liegt ganz vorn, von dem hinteren, welches % Augen- durchmesser vor dem Auge liegt, um mehr als zwei Augen- durchmesser entfernt. Das Auge nimmt das dritte Sechstel der Kopflänge ein. Das Praeoperculum artieulirt mit dem hinteren unteren Infraorbitale und bildet nebst dem Interoperculum den seitlichen unteren Theil der Schnauze, während über demselben das sehr langgestreckte Infraorbitale anterius die Seite der Schnauze bildet. Der Rand der Opercularstücke ist unbewaffnet; der hin- tere untere Theil des Operculums und des Suboperculums ver- längert sich durch einen abgerundeten Hautlappen. Die Basis der Brustflossen, welche aus einem einfachen gegliederten und neun verzweigten Strahlen bestehen, liest um einen Augendurch- messer hinter dem Opercularrande. Die Bauchflossen liegen unten bei einander, reichlich einen halben Augendurchmesser hinter der Basis der Brustflossen; sie sind reichlich halb so lang wie die Brustflossen und bestehen aus fünf gegliederten Strahlen, von denen der erste und letzte einfach, die drei mittleren ver- zweigt sind. Die Rückenflosse beginnt hinter dem siebenten Zwölftel der Totallänge und steht über der Afterflosse; beide Flossen haben eine gleiche Länge und elf gegliederte Strahlen, von denen der erste und die drei kürzeren letzten nicht ver- zweigt sind. Die Schwanzflosse ist gabelförmig, hat elf ver- zweigte, einen oberen und einen unteren langen gegliederten ein- fachen und oben wie unten vier kurze Basalstrahlen. Zwischen dem Hinterhaupt und der Rückenflosse befindet sich eine Reihe 512 Sitzung der physikalisch-mothematischen Klasse von 27 Knochenplatten, welche mit Ausnahme der beiden vor dersten, einen sehr kurzen beweglichen Stachel tragen. Die Rückenflosse steht auf 11 weniger deutlichen Knochenplatten und hinter denselben zählt man noch 15 Knochenplatten, von welchen die letzte, nicht ganz bis zur Schwanzflosse reichende, sehr schmal und zugespitzt ist. Die Reihe der Seitenplatten be- ginnt vom seitlichen Theil des Hinterhaupts und steigt in einem Bogen zur Mitte der Körperseite herab, um dann ganz gerade bis zur Schwanzflosse zu verlaufen. Vor der unteren Schwanzreihe von Platten befindet sich eine Platte vor dem After, weiche mit einem beweglichen kurzen Dorn versehen ist. Sämmtliche Platten sind so wie die Kopfknochen durch wurmförmige Eindrücke und Erhabenheiten ausgezeichnet. Die Grundfarbe ist schmutzig gelb; staubförmiges schwarzes Pigment bildet auf der Oberseite des Kopfes, auf dem Rücken und dem Schwanze unregelmälsige breite dunkle Querbinden. Die Seiten des Kopfes, die Iris, die Kiemendeckel, die Gegend vor den Brustflossen und vor den Bauchflossen sind glänzend silberig. Das einzige Exemplar ist ein Weibchen mit entwickelten Eierstöcken, aus denen hervorgeht, dafs es ein erwachsenes Thier ist. Der rundliche Magen enthielt Fischleich; vor dem Anfange’ des einfachen Darms befinden sich rechts zwei Appen- dices pyloricae. Die dünnhäutige silberige Schwimmblase er- streckt sich über den Magen. Totallänge 0%120; Kopf 05029; von der Schnauzenspitze bis zum After 07070; Körperhöhe am Anfange der Rückenflosse und gröfste Körperbreite 07007. Das Exemplar stammt aus Californien und ist dem zoolo- gischen Museum mit anderen interessanten Gegenständen von Hrn. Schmidt in Californien geschenkt worden. 3. Labrax Schoenleinii Ptrs. (Monatsberichte 1865. p- 96). Da ich unter der betreffenden Sammlung von Fischen aus Celebes auch noch eine andere Art gefunden habe, welche dem Mittelmeer und dem atlantischen Ocean angehört, nämlich Julis pavo, welcher als J. viridis bestimmt war, so könnte das Exem- vom 23. Juli 1866. 913 plar von Labrax ebenfalls durch irgend eine jetzt nicht mehr aufzuklärende Verwechselung mit jener Sammlung vermengt sein. Es würde daher, wenn die von mir angeführten Merkmale mit denen von ZL. lineatus Gthr. übereinstimmen, kaum an der Übereinstimmung bei der Arten zu zweifeln sein. Labracoglossa nov. gen. ') Corpus elongato - ellipticum, squamis modicis ctenoideis tectum; rostrum breve; rictus parvus adscendens; dentes velutini brevissimi intermazillares, mandibulares, vomerini, palatini et linguales; ossa pharyngea superiora et inferiora dentibus velutinis armata; operculum spina armatum, prae- operculi margo vix subtiliter serratus, praeorbitalis margo glaber; genae operculaque squamata; radii branchiostegi septem; branchiae utrinque quatuor ; pseudobranchiae liberae; pinnae ventrales thoracicae; dorsalis unica longa, radüis spinosis tenuibus (11); analis. longa spinis tribus; cau- dalis furcata; pars pinnarum verticalium posterior squa- mata; linea lateralis continua. Appendices pyloricae (plu- res?), vesica aerea simplex, tenuis. Diese Gattung schlielst sich zunächst denjenigen Percoiden an, welche Hr. Dr. Günther zu der Gruppe der Grystina ver- einigt hat. Sie unterscheidet sich durch die aufserordentlich grolse Zahnplatte auf der Zunge, das schwach bewaffnete kleine Maul und die grofse Zahl der Rückenstrahlen (11, 26) leicht von den anderen hierher gezählten Gattungen. 4. Labracoglossa argenteiventris n. Sp.; nigricans, subtus argentens. BR2P. 1, 17V. 1,5; D. 11,26; A. 3, 23,20) 17° Sau‘ lin. lat. 66, transv. 3. In der allgemeinen Körperform einem Häring ähnlich; die obere Profillinie fast gerade, die untere flach convex. Körper- höhe kaum grölser als die Kopflänge, zur Totallänge (mit der Schwanzflosse, deren Länge der Körperhöhe gleich kommt) wie 1:5. Interorbitalgegend flach convex, an Breite gleich einem 1) raßas, YAUTTK. 514 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Augendurchmesser, Schnauze abgerundet um ein Drittel kürzer als der Augendurchmesser. Die beiden Nasenlöcher liegen jeder- seits oben nahe hintereinander, das hintere in gleicher Querlinie mit dem vorderen Augenrande. Das Auge ist nicht ganz vier Mal in der Kopflänge enthalten. Der Oberkopf ist fast bis zu den Nasenlöchern beschuppt; der Kiemendeckel, die Backen und selbst der hintere und der untere Theil der Augenlider sind be- schuppt; jedoch sind die Schuppen der Augenlider sehr viel kleiner. Die Mundspalte ist klein, ihr vorderes Ende bei ge- schlossenem Maule bis zur Höhe einer Horizontallinie herauf- ragend, welche das oberste Viertel des Auges abschneidet. Der hintere Rand des Oberkiefers in gleicher Verticallinie mit dem vorderen Augenrande und dem vordersten Ende der Kiemen- spalten. Zwischen- und Unterkiefer mit einer schmalen Binde sehr schwacher Sammtzähne; Vomer mit einer sehr deutlichen rundlichen Zahnplatte, welche nach hinten in einen spitzen Fort- satz ausläuft; Gaumenzähne in einer schmalen langen Binde; die Zunge von einer langovalen Zahnplatte bedeckt, welche nur den vorderen Theil der Zunge frei läfst. Die Schlundfortsätze der vorderen Reihe des ersten Kiemenbogens sehr lang, die der hinteren Reihe so wie an den übrigen Kiemenbogen sehr kurz; hinter der vierten Kieme eine Querspalte. Der Vordeckel ist am hinteren Rande schwach gezähnelt; der Kiemendeckel bildet nach hinten einen kurzen platten dreieckigen Dorn, welcher durch einen concaven Ausschnitt von dem oberen Theil des Kiemen- deckelrandes getrennt wird. Die Schuppen sind ziemlich dünn, rauh und am freien Rande sägeförmig; sie bilden längs der geraden Seitenlinie 66 Quer-, oberhalb derselben 5, und unterhalb derselben (bis zum After) 12 Längsreihen. Die Brustflossen überragen die Bauchflossen und den An- fang der Rückenflosse; sie haben 1,17 Strahlen, von denen die mittleren die längsten sind. Die Bauchflossen, mit 1,5 Strahlen, inseriren sich um $ Augendurchmesser hinter der Basis der Brust- flossen. Die Rückenflosse beginnt um 1% Augendurchmesser hinter der Insertion der Brustflossen und endigt zugleich mit der Afterflosse um 2 Augendurchmesser vor der Basis der Schwanz- flosse; sie hat elf dünne Stachelstrahlen, welche von dem ersten vom 23. Juli 1866. 815 bis sechsten allmählig an Länge zu-, vom siebenten bis zum zehnten wieder abnehmen, während der elfte dem vierten gleich- kommt; die gegliederten Strahlen, deren Zahl sich auf 26 be- läuft, nehmen von den ersten an, welche die längsten der ganzen Flosse sind, allmählig an Länge ab, so dafs die ganze Flosse vor dem weichstrahligen Theil leicht eingebuchtet und nach hinten zu am niedrigsten erscheint. Die Afterflosse beginnt hinter dem vierten Siebentel der Totallänge (ohne die Schwanzflosse); sie hat drei Stachelstrahlen, welche in rascher Progression an Länge zunehmen, von denen aber der längste dritte nur drei Fünftel der Länge der ersten gegliederten Strahlen erreicht; von diesen sind 23 vorhanden, welche wie an der Rückenflosse allmählig kür- zer werden, so dafs die letzten nur ein Drittel der Länge der ersten erreichen. Die gabelförmige Schwanzflosse hat fünfzehn verzweigte Strahlen, oben und unten einen unverzweigten ge- gliederten und mehrere ganz kurze Strahlen. Die Basis der Schwanzflosse, so wie der weichstrahlige Theil der Rücken- und Afterflosse sind wie bei den Haemulon, Caesio und Pimelepterus mit Schuppen bedeckt. Die Farbe und Zeichnung des einzigen nicht sehr wohl erhaltenen Exemplars ist nicht ganz sicher anzugeben. Die oberen Theile sind schwärzlich und es hat das Ansehn, als ob die dunkleren Endhälften der Schuppen, namentlich auf der Mitte des Körpers, Längsfleckenreihen gebildet hätten, während die Seiten des Kopfes, die Iris und die Bauchseite des Fisches silberglän- zend sind. Die Flossen zeigen keine Zeichnungen, sind aber mehr oder weniger mit schwarzem Pigment punctförmig be- streut, welches den senkrechten Flossen eine dunklere Fär- bung gibt. Die Eingeweide waren grölfstentheils entfernt, jedoch salsen noch die Enden von etwa 10 Blinddärmen auf dem übrigge- bliebenen Stück des Magens, so wie auch die Schwimmblase erhalten war. Totallänge des Fisches ohne die Schwanzflosse 07143; Schwanzflosse 07035; Körperhöhe 0%035. Yokuhama; aus der Sammlung des Hrn. Berendt. 516 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Nematocentris nov. gen.') Corpus compressum, oblongo-ovatum; rostrum breve depres- sum, prominens; rictus parvus horizontalis; dentes velutini intermawillares, mandibulares, vomerini et palatini; oper- cula glabra, praeoperculo margine duplici; genae opercu- laque squamata; radii branchiostegi utrinque sex; branchiae quatuor; pseudobranchiae liberae; pinnae ventrales thora- cicae; pinnae dorsales duae sejunctae, approximatae, prima spina unica et radüs simplieibus flexibilibus (4), secunda spina et radis articulatis ramosis; analis longa, spina unica; squamae mediocres, cycloideae, margine obsolete ere- nulato; linea lateralis nulla. Appendices pyloricae paucae; vesica aerea simplex. Durch die zwei Rückenflossen und den doppelten Praeoper cularand so wie durch andere Merkmale dürfte diese Gattung sich den Apogon und wegen der unbewaffneten Kiemendeckel- stücke und des Mangels der Seitenlinie zunächst der Gattung Nannoperca Gthr. anschliefsen. Die weiche biegsame Beschaf- fenheit der Strahlen der ersten Rückenflosse ist eine Eigenthüm- lichkeit, welche sie von allen anderen bisher bekannten Gattun- gen leicht unterscheidet. | 5. Nematocentris splendida n. sp.; rubescens, nitore argenteo; pinnis pectoralibus flavescentibus, violaceorubris, dorsali secunda analique longitudinaliter violaceorubro lineatis. BACH PET 10,082 105.085 2. 1.10.09 01019.068 = Squ. ser. transv. 32, long. 13. x ; Die Körperhöhe in der Gegend der ersten Rückenflosse zur Körperlänge (ohne die Schwanzflosse) wie 1:2, Kopflänge zu derselben wie 1:4. Die Schnauze ist kaum länger als das Auge, dessen Durchmesser 35 mal in der Kopflänge enthalten ist; die Interorbitalgegend ist flach und ein wenig breiter als ein Augendurchmesser; die Höhe der Schnauze ist geringer als ihre Breite; der mittlere abgerundete Theil der Zwischenkiefer springt etwas vor, überragt aber nicht den vorderen Theil des ') vnua, xevrpis. vom 23. Juli 1866. 517 Unterkiefers, welcher eine flache Concavität bildet. Die Nasen- löcher liegen in einem Grübchen an der Spitze des Anteorbitale ganz nahe dem Mundrande. Der Oberkiefer reicht nicht bis an den vorderen Augenrand. Die Körperschuppen sind fest anliegend, cycloidisch, am hinteren Rande undeutlich erenulirt; sie bilden 32 Quer- und zwischen der ersten Rückenflosse und dem An- fang der Afterflosse 13 Längsreihen. Die Brustflossen liegen in der Mitte der Körperhöhe und reichen nach hinten bis zum Anfang der Afterflosse; sie haben einen einfachen und 12 ver- zweiste Gliederstrahlen. Die Bauchflossen sind zugespitzt, liegen dicht neben einander und sind am inneren Rande durch eine zarte Membran mit dem Körper verbunden; sie haben 1 Stachel und 5 verzweigte Gliederstrahlen, von denen der erste und zweite bis an die Afterflosse reichen. Die Rückenflossen liegen um einen Augendurchmesser von einander entfernt; die erste besteht aus 5 einfachen Strahlen, von denen die vier letzten ganz dünn und biegsam, der zweite bis vierte noch beträchtlich länger als der dornförmige erste sind; die zweite Rückenflosse hört ein wenig vor dem Ende der Afterflosse auf und hat einen Stachel und 10 verzweigte Gliederstrahlen. Die lange Afterflosse be- ginnt hinter dem zweiten Fünftel der Körperlänge und hat 1 Stachel und 19 verzweigte Strahlen (die letzte, wie in der Rückenflosse doppelt), von denen die hintersten, wie in der Rückenflosse, die längsten sind. Die Schwanzflosse ist abgerun- det oder abgestutzt. Die Farbe erscheint im allgemeinen schön braunroth, mit, namentlich an den Schuppenrändern, starkem Silberglanze; eine concentrirte silberige Längsbinde verläuft von der Mitte des Körpers auf die Mitte des Schwanzes. Die Brustflossen er- scheinen gelblich, die Bauchflossen violetroth mit schwarzen Spitzen, die zweite Rücken- und die Afterflosse mit violetrothen Längslinien und dunkeln Rändern. Am Pylorus scheinen nur vier Blinddärme vorhanden zu sein. Die einfache Schwimmblase ist dünnhäutig. Das einzige Exemplar ist 0,100, ohne Schwanzflosse 07082 lang. Wir verdanken &s dem Hrn. G. Krefft, nach dessen Angabe es aus dem Fitzroyflusse in Ostaustralien (Rockhampton) stammt. [1866.] 36 518 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 6. Serranus undulatostriatus n. sp. Körperhöhe gleich der Kopflänge und zur Totallänge (mit der Schwanzflosse) wie 1:3%. Augendurchmesser gleich der Schnauzenlänge ohne die Zwischenkiefer und fünfmal in der Kopflänge enthalten. Interorbitalraum gleich 2 Augendurch- messer. Der Oberkiefer ragt nicht ganz so weit nach hinten, wie das Auge. Die Unterlippe springt bei geschlossenem Maule über die Zwischenkiefer vor. Die Eckzähne sind klein, aber deutlich; unter den sammtförmigen Zwischenkieferzähnen zeichnen sich einige am vorderen innern Ende durch ihre fast den Eck- zähnen gleiche Entwickelung aus. Die Vomerzähne bilden ein mit der Spitze nach vorn gerichtetes V. Der Vordeckel ist am hintern Rande fein und regelmäflsig gezähnelt, am Winkel mit drei gröfseren vorspringenden Zähnen versehen und am unteren Rande ungezähnelt. Das Subopereulum und das Interopereulum sind glatt bis auf eine undeutliche Crenulirung des hinteren Theils des letzteren. Der Kiemendeckel hat drei Dornen, von denen der mittlere der längste ist. Das Anteorbitale, der ganze Oberkopf bis auf die Schnauze, die Backen bis zum Rande des Vordeckels, das Interoperculum nnd der Unterkiefer sind mit Schuppen be- deckt, welche viel kleiner sind, als die des Operculums und Sub- operculums, an Kleinheit aber von denen des Oberkiefers und des vorderen Endes des Zwischenkiefers übertroffen werden. Die ctenoiden Körperschuppen sind klein, bilden ungefähr 105 Quer- reihen, zwischen der Seitenlinie (welche bogenförmig der Rücken- linie fast parallel, nur unter dem fünften und sechsten Stachel- strahl der Rückenflosse etwas genähert, verläuft) und dem An- fang der Rückenflosse ungefähr 15 und zwischen ihr und dem Anfang der Afterflosse ungefähr 30 Längsreihen. Die Schuppen werden nach der Rücken- und Afterflosse hin immer kleiner und diese Flossen selbst sind bis zu zwei Drittel dicht beschuppt, eben so wie auch die Schwanzflosse. Die Brustflossen überragen mit ihrer Spitze die Bauchflossen, erreichen den After und bestehen aus 1,17 Strahlen. Die Rücken- flosse ist nur wenig eingebuchtet; ihre längsten Stacheln sind der 3., 4. und 5., welche reichlich zwei Augendurchmesser lang und sehr wenig kürzer (um ,,) als die längsten gegliederten Strahlen sind; sie hat elf Stacheln und funfzehn gegliederte vom 23. Juli 1866. 519 Strahlen, von welchen der letzte doppelt ist. Die Afterflosse ist abgerundet und hat drei Stacheln und acht Gliederstrahlen, darunter der letzte doppelt. Die Schwanzflosse ist ebenfalls ab- gerundet und hat aulser 15 verzweigten oben und unten einige kürzere einfache Strahlen. Dunkelumberbraun; über der Grube für die Aufnahme des Oberkiefers ein schwarzer Streifen; am Körper zahlreiche unre- gelmäfsige wellenförmige Längslinien, welche meist nach hinten in die Höhe steigen; Rücken- und Afterflosse an der Basis schwärzlich, am Rande, ebenso wie die Schwanzflosse, blasser. Totallänge 0”140. Neu-Südwales, Sydney. Unsere Sammlung hat schon vor zwei Jahren das beschrie- bene Exemplar von einem Händler gekauft, und habe ich bis- her, in der Hoffnung, irgendwo eine Beschreibung desselben zu finden, um es einreihen zu können, eine Veröffentlichung der- selben verschoben. In der Körperform und Zähnelung des Vor- deckels hat diese Art am meisten Verwandtschaft mit $. crapao, von welchem sie sich aber sowohl durch die Zeichnung als auch dadurch unterscheidet, dafs der weiche Theil der Rückenflosse keineswegs im Vergleich zu dem Stacheltheil erhöht erscheint. 7. Siccorpis 500 sn. sp. Ba: PD. 1,,1550A..1,5, 0. 5,29, A.3,315 ©.,13. Ein. lat. 55.2 Höhe zur Länge (ohne die Schwanzflosse) wie 1:2, Kopf- länge zu derselben wie 1:3. Das Auge sehr grofs, der Augen- durchmesser gleich — der Kopflänge und gleich der Entfernung des hintern Kiemendeckelrandes vom Auge. Schnauze halb so lang wie der Augendurchmesser; das hintere Ende des Ober- kiefers reicht bis unter die Mitte des Auges. Die Kieferzähne der äufsern Reihe kaum gröfser als die andern; Vomerzähne in einem dreieckigen Haufen, Gaumenzähne in einer schmalen Binde. Vordeckel von jüngeren Exemplaren am unteren Rande fein ‚gezähnelt, an. älteren fast ohne Zähnelung; Kiemendeckel mit einem stumpfen platten Stachel. Die Schuppen sind ey- cloidisch mit sehr feinen concentrischen Streifen und von mäfsi- ger Gröfse; die Seitenlinie verläuft fast grade, parallel der Rückenlinie, drei Mal so weit von dem Anfange der Afterflosse 36* 520 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse als von der Rückenflosse entfernt, geht nicht auf die Schwanz- flosse über und wird von ungefähr 55 Schuppen gebildet; zwi- schen dem Anfang der Rückenflosse und der Seitenlinie 7, zwi- schen der Bauchflosse und derselben 19 Schuppen. Die Rücken- flosse hat nur fünf Stacheln, welche rasch und progressiv an Länge zunehmen, so dafs die des fünften dem Augendurchmesser gleichkommt, und 29 verzweigte Strahlen, von denen der letzte doppelt ist. Die Afterflosse beginnt ein wenig vor der Mitte des Körpers (die Schwanzflosse nicht mitgerechnet) und ragt nach hinten mit ihren letzten neun Strahlen über das Ende der Rückenflosse hinaus; sie hat drei Stacheln und 31 (davon der letzte doppelt) verzweigte Strahlen. Die ersten verzweigten Strahlen der Rücken- und Afterflosse sind, ohne übermäfsig ver- längert zu sein, die längsten und der Rand dieser Flossen er- scheint daher wie bei den andern Arten eingebuchtet. Die ga- belförmige Schwanzflosse hat aufser 15 verzweigten oben und unten mehrere einfache Strahlen. Nebenkiemen sehr entwickelt, vier Kiemen. Silberig, nach der Basis der Rückenflosse hin bläulich, die Spitze der Rückenflosse schwärzlich. Von den beiden mir vorliegenden Exemplaren ist das eine mit der Schwanzflosse 07155, ohne dieselbe 07097 lang. Neu-Südwales; durch Hrn. G. Krefft. Diese Art ist leicht von allen andern durch das grofse Auge und die geringe Zahl der Rückenflossenstacheln zu un- terscheiden. 8. Opisthognathus macrolepis n. Sp. B.57.0B:220, 09741 ,15:60.294, 01.213: Das hintere breite Oberkieferende reicht bis zur Mitte zwischen dem Auge und dem hinteren Rande des Kiemendeckels. Körperhöhe zur Körperlänge wie 1:5, Kopflänge zu derselben wie 1:44. Die Augen liegen einen Viertelaugendurchmesser von einander entfernt. Das vordere Nasenloch ist tubulös, das hin- tere nahe vor dem Auge liegende queroval. Die äufsere Reihe stärkerer Zähne ist nach vorn gerichtet, die des Unterkiefers fast horizontal. Die Schuppen werden auf dem Schwanze viel gröfser als auf dem Körper; sie bilden 55 Querreihen und ro. vom 23. Juli 1866. 521 zwischen der Rückenflosse und dem Anfang der Afterflosse 16 bis 17 Längsreihen. Die Seitenlinie steigt von dem Kiemen- deckel zur Rückenflosse hinauf, verläuft dann dicht neben der- selben und endist unter dem zwölften Strahl dieser Flosse. Die Rückenflosse hat 24, die Analflosse 13, die Brustflosse 20, die Bauchflosse 6 (von denen die zweite und dritte verlängert sind) und die Schwanzflosse auflser einigen kurzen unverzweigten 13 verzweigte Strahlen. Die Körperfarbe ist braun. Die senkrechten Flossen sind schwarzbraun, an der Basis durch eine helle weilse Linie ausge- zeichnet. Totallänge des einzigen Exemplars 07093. Bangkok; gesammelt von Hrn. Lieutenant Berendt. 9. Scombresox brevirostris n. Sp. Diese Art unterscheidet sich von allen bisher bekannten dadurch, dafs die Kiefer nicht schnabelartig verlängert sind, in- dem die Zwischenkiefer nur zugespitzt, wie bei den meisten Hemirhamphus erscheinen und der Unterkiefer nur wenig (zwei ' Millimeter) über dieselben hervorragt. Die Körperform ist sehr gestreckt, indem die Höhe zur Totallänge sich verhält, wie 1:10, die ganze Kopflänge zu der- selben wie 1:5. Das Auge ist etwas über sechsmal in der Kopflänge und zweimal in der Schnauzenlänge enthalten. Der mit dem Zwischenkiefer verbundene Oberkiefer ist am hinteren Ende sehr verschmälert; das Praeorbitale ein wenig länger als der Augendurchmesser und merklich länger als hoch. Zwischen- und Unterkiefer sind vorn mit wenigen sehr kleinen Zähnchen bewaffnet, an der Spitze selbst zahnlos. Der Körper ist, wie gewöhnlich, mit eyeloidischen leicht abfallenden Schuppen be- deckt und an jeder Seite der Bauchgrenze! findet sich eine Längsreihe kleiner Schüppchen. Die Brustflossen haben 14 ge- gliederte Strahlen, von denen der erste sehr breite und die bei- den letzten kleinen einfach, die übrigen verzweigt sind. Die Bauchflossen, mit 1,5 Strahlen, sind in der Mitte der Totallänge inserirt und liegen um eine Körperhöhe von der Afterflosse entfernt, welche letztere ein wenig vor der Rückenflosse beginnt und 14 Strahlen aufser 6 pinnulae zeigt. Die Rückenflosse be- 522 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ginnt über dem fünften Strahl der Afterflosse und hat aufser 5 einzelnen pinnulae 12 Strahlen. Die gabelförmige Schwanzflosse hat 15 verzweigte und oben und unten aulser einem langen mehrere kurze unverzweigte Strahlen. Meter. Totallänge mit, der Schwanzfllose . „».. . . .2......022 Körperhöheyy - guy: temisrtas anlıen arena a Koptllänve; .ı .0..2 ... mıt.n. re elte ar re Augendurchmeser . . . LT Von der Spitze des een Ey zum Ans au San - der Schnauze bis zum Auge . . ....005 - - - - - bis zur Ventralfllose . . 0,110 0... - - - - - Afterflosse ze DE HRTAR: Unsere Sammlung besitzt zwei Exemplare, welche es der besonderen Güte des Hrn Schmidt in Californien verdankt. 10. Acharnes speciosus Müll. Trosch. Ein zweites sonst ganz mit dem Originalexemplar übereinstim- mendes Exemplar hat in der Rückenflosse 14 Stachel- und 18 geglie- derte Strahlen. Es ist dasselbe eben so wie das Schomburgk’sche Exemplar, verblafst und nicht ganz, wohl erhalten. Ich habe nun dieses letztere noch einmal genau untersucht und finde bei directer Vergleichung mit dem Bloch’schen Originalexemplar und anderen von (ichla ocellaris, abgesehen davon, dafs es 16,17 (die beiden letzten nicht aus derselben Basis hervorge- henden Strahlen nicht zusammengezählt) Strahlen, oder einen Stachelstrahl mehr und einen Weichstrahl weniger hat, auch nicht den geringsten Unterschied, aufser dals die sonst genau eben so gebauten Schlundknochen durch eine feine Linie von einander getrennt sind. Die Körperproportionen, die Beschup- pung, das einfache Nasenloch, der Bau der Kiemen und Schlund- fortsätze sind bei beiden Arten ganz dieselben. Da nun überhaupt bei den Chromiden nicht selten die Zahl der Flossenstrahlen um eins variirt und noch häufiger statt eines Weichstrahls ein Stachel- strahl oder umgekehrt sich findet, so habe ich die Überzeugung gewonnen, dals Acharnes speciosus mit Cichla ocellaris identisch ist. Was noch mehr dafür spricht, ist, dafs auch bei denjenigen Exemplaren, bei denen die Zahnplatten der untern Schlundknochen vom 23. Juli 1866. 523 dicht zusammenstofsen, diese letzteren sich leicht gegen einander bewegen lassen. Es dürfte dieses Beispiel wohl am schlagend- sten beweisen, dafs die Verwachsung oder das Getrenntsein der unteren Schlundknochen nicht den Werth eines Ordnungs- characters haben könne. 1l. Anguilla amboinensis n. Sp. Gelbbraun, mit dunkelbraunen Flecken und Marmorirungen, am Bauche gelblich; Rücken-, Schwanz- und Ende der After- flosse ebenfalls gefleckt; Brustflossen, der gröfste Theil der After- flosse und der Rand der Rückenflosse blafs. Schnauze breit und abgerundet, 1: Augendurchmesser lang, Unterkiefer vorragend. Mundwinkel in gleicher Querlinie mit dem hinteren Augenrande. Zähne zahlreich klein in breiten Binden, die des Vomers etwas schmäler als die des Oberkiefers'). Anfang der Rückenflosse doppelt so weit von den Brustflossen wie von dem After entfernt. Meter. Bioallameee 3, au on ee nk th. 2 0.05805 Von der Schnauzenspitze bis zum Mundwinkel . . . 0,009 - 0. - - zu den Brustflossen ts. 1804050 - - - zu der Rückenflosse . . 0,090 -..- - - zum After A Es »ss oh Amboina. ‘) Diese Knochen, wie Owen, Richardson, Kaup, Bleeker u. A., ossa palatina zu nennen, dafür dürfte wohl kein anderer Grund vorliegen, als dafs bei einigen Gattungen, z. B. Echidna, Gymnothoraz, die untern Gaumenbeine fehlen oder verkümmert sind, während sie sich bei Anguilla, Conger u.a. wohl entwickelt zeigen. Dafs man sie für Ossa intermaxillaria gehalten hat (Müller, Stannius), mag zum Theil daher kommen, dafs man die bei einigen, z. B. bei Conger, sehr ent- wickelten Lippenknorpel für Oberkiefer gehalten hat. Die Eigenthümlich- keit der Aale besteht darin, dafs die Intermazillaria (os nasale Owen u. A.) nicht allein unter einander und mit dem Vomer, sondern auch mit dem Nasale (os ethmoideum Cuv.) in den meisten Fällen so verwachsen, dafs die Grenzen sehr schwer oder gar nicht zu erkennen sind. 524 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 12. Gymnomuraena fusca n. Sp. Einfarbig dunkelbraun. Hintere Nasenöffnung ohne Röhre, Auge in der Mitte zwischen Mundwinkel und Schnauzenende. Kopflänge zur Körperlänge wie 1:10; Schwanz fast um die Hälfte länger als der übrige Körper; die Rückenflosse viel höher als die niedrige Afterflosse; beide häutig. Zähne auf den Kie- fern in zwei Reihen, die der innern Reihe viel kürzer und we- niger zahlreich als die der äufseren Reihe; Vomerzähne in ein- facher Reihe. Meter. Totallänge . . . . : i late oe Von der Sa enseiize bis zum N ss fy/efgeger ADB - - - zur Kiemenspalte . . . 0,019 2 - - - zum After Erle re nes Länge der Rücken- und Schwanzflosse zusammen . . 0,0075 Körperhöhey 1 oh ns 2-1 smsaieml aba ae Amboina. 13. Chilorhinus (Muraenichthys) vermiformis np.) Schnauze nicht ganz zwei Augendurchmesser lang, Mund- winkel einen halben Augendurchmesser hinter dem Auge ge- legen. Zähne der Kiefer und des Vomer in einfacher Reihe. Rückenflosse und Afterflosse sehr niedrig, erstere merklich kürzer als die zweite. In Weingeist farblos. Meter. Totallänge Geh ES. . T-1388 Von der Schnauze bis zur. Kiemenofinung, ... De ra -..- - =, "Zu. Alter, v0. u 0 nA au, - - zur Rückenflosse NE > 0050 - - - zum Mundwinkel . . . . . 0,0022 Da n; J. Nietner. ‘) Der Unterschied zwischen Chilorhinus Lütken und Murae- nichthys Bleeker besteht nur in der mehr oder weniger langgestreck- ten Körpergestalt; es gehören daher zu Chilorhinus: Muraenichthys gymnopterus, gymmotus, macropterus, macrostomus, microsto- mus, Schultzii Bleeker. vom 23. Juli 1866. 525 14. Ophichthys (Herpetoichthys) ater n. sp. Spitze Zähne in zwei Reihen auf den Oberkiefern, in einer Reihe auf den übrigen Knochen. Länge des Kopfes und Rumpfes ‘zur Schwanzlänge wie 3:4; Körperhöhe zur Totallänge wie 1:20. Schnauze spitz abgerundet und wenig vorragende Oberlippe. Augen ziemlich grofs, in gleicher Entfernung von der Schnauzen- spitze und dem Mundwinkel. Das vordere röhrenförmige Nasen- loch liest in der Mitte zwischen Schnauzenspitze und Auge, das hintere ebenfalls, aber kürzer, röhrenförmige in der Mitte zwischen dem vorderen und dem Auge. Die Brustflossen sind länglich abgerundet und haben 16 Strahlen. Die Rückenflosse beginnt 47 Augendurchmesser hinter dem oberen Theil der Basis der Brustflosse. Die Entfernung der Kiemenöffnungen von einan- der ist geringer als die Breite einer derselben. Das Ende der Rücken- und Afterflosse liegt in einer scheidenförmigen Furche versteckt, welche vor der 7 Mm. langen plattconischen End- spitze des Schwanzes liest. Die Farbe des ganzen Fisches ist im gegenwärtigen Zu- stande schieferblau, nur ein Ring um den After herum er- scheint gelb. Meter. Rorallänge .'.. °. ; en. le tr 0360 Von der Schnauze bis zur Ateröffnung a u Bi cu ER Schwanzlänge . . . - Safe ID RR ER T Von der Schnauzenspitze bis zur Rückenflosse Bo 0... - ir rBrustilosser 1 20002.200..080,080 > - - zum Auge ee Peneender Mundspalte = !.: . 2 2.0200 >2.2.20081 Diürechmesser des Auges . ! . . .#. 2 2.2 0 72,.0,008 Menge der Brustlosse ! . 2 2 02 ne una. 0. 0,026 Kiemenspalte . -. . - : ES en ER 05020 Entfernung der ar vonklemander 2. Ron Körperhöhe hinter den Brustflssen . . 2» 2... 0,030 Fundort: Chile, aus der Sammlung von Meyen. 15. Helmichthys oculus n. sp. (Taf. Fig. 4.) Der Körper ist reichlich halb so dick wie hoch und die . Muskelabtheilungen sind sehr deutlich. Die obere Profillinie der 526 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 23. Juli 1866. über den Unterkiefer vorragenden Schnauze convex. Das grofse Auge um seinen Durchmesser von der Schnauzenspitze entfernt. Das vordere am Rande der Oberlippe und hinter dem ersten Drittel der Schnauze befindliche Nasenloch tubulös, das hintere, eine ovale Längsspalte, in der Mitte zwischen jenem und dem Auge, niedriger als das letztere gelegen. Die Maulspalte, welche etwas nach vorn in die Höhe steigt, reicht bis unter die Mitte des Auges und der Rand der Kiefer läfst einzelne kurze spitze Zähnchen erkennen. Die Brustflossen ragen mit ihrer Spitze über den Anfang der Rückenflosse hinaus. Rückenflosse und Afterflosse allmählig nach vorn hin sehr niedrig, aber mit deut- lichen Strahlen, hinten, wo sie mit der Schwanzflosse zusammen- fliefsen, so hoch wie die Spitze des Schwanzes. Am Bauche bis zum After, welcher sich vor der Körpermitte befindet, ein Längskiel der Haut. Seitenlinie gerade, der Rückenfirste etwas näher als dem Bauchkiel. Farblos, nur unter dem Unterkiefer einige schwarze Pünktchen; Iris silberglänzend. Meter. Totallänge . . . . . Aare: a. Von der Schnauzenspitze bis zum After ri, = = - - zu den Brustflossen . 0 DE ER - - zur Rückenflosse 2 un ner = - --.zum, Auge „2... ea 5, - - zum Mundwinkel . . . 0,0042 Vom Kinn bis zum Mundywinkel_ ..°..2.. 200. 2. 2 Länge der Brustflossen . . . 0,006 Höhe des Kopfes in d. Mitte Dadıen An u. en. 0,007 Körperhohe. in der; Mitieg. u. 2.02 ur 0 Ra - am Anfange der Rückenflosse . . . . . 0,009 Körperbreite .; „0 uesmumnerus 20 on on Amboina. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1-2. Auliscops spinescens Ptrs.; 3. die Bauchflossenge- gend von unten, in natürl. Gröfse; 4. Helmichthys oculus Ptrs. in natürl. Gröfse. syn sÄmaN 5% ER, 7 0; Be mes RES v + x, Gesammtsitzung vom 26. Juli 1866. 927 26. Jul. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Ewald las über die Belgische Turtia und ihr Verhalten zu verwandten Kreidebildungen Nord- deutschlands. Hr. Hofmann legte eine Mittheilung des Hrn. Professor Baeyer über dieReduktion aromatischer Verbindun- gen mittelst Zinkstaub vor. Der Sauerstoff ist den aromatischen Verbindungen in der Regel schwieriger zu entziehen wie den fetten, weil er in jenen oft mit viel gröfserer Hartnäckigkeit festgehalten wird. So wirken z.B. die bekannten Reduktionsmittel nicht auf die Phenylsäure, und es bedarf des Umweges durch das Brom- benzol um Benzol daraus darzustellen. Diese Substanz wird indessen direkt und mit Leichtigkeit redueirt, wenn man die Dämpfe derselben über erhitzten Zinkstaub leitet. Man erhält eine reichliche Ausbeute an Benzol, welches von einem Neben- produkte, vielleicht dem Phenyläther Limpricht’s, einen an- genehmen Geruch nach Geranium besitzt. Zu gleicher Zeit bilden sich noch andere flüssige und feste Nebenprodukte von höherem Siedepunkte, aber nur in geringer Menge. Das HO der Säuregruppe wird ebenfalls durch Zinkstaub reducirt: Benzoesäure und Phthalsäure liefern auf die beschriebene Weise behandelt Bittermandelöl. Bei einer Untersuchung über den Indigo, welche der Ver- fasser in Gemeinschaft mit Herrn Knop unternommen hat, war die Reduktion des Isatins bis zum Oxindol geführt worden, konnte aber auf den bekanten Wegen nicht weiter fortgesetzt werden. Durch Erhitzen mit Zinkstaub gelang es nun leicht diesem Körper, der der Phenylsäure entspricht, auch den letzten Sauerstoff zu entziehen und so das Indol C,H,N darzustellen, welches die Muttersubstanz der Indigogruppe ist. Wie näm- lich die Kohlenwasserstoffe den Ausgangspunkt bilden für die entsprechenden Alkohole, Aldehyde und Säuren, so ist das Indol der Ausgangspunkt für die ganze Indigogruppe, wie man aus folgender Tabelle sieht: 528 Gesammtsitzung NC,H, Indol NC,H,(HO) Oxindol NC,H,(HO), Dioxindol (Hydrindinsäure) NC,H,(HO), Trioxindol (Isatinsäure) NC;H, 0”(HO) Isatin NC,;,H, 0” Indigblau In seinen Eigenschaften steht das Indol dem Naphthylamin nahe; es riecht genau ebenso, destillirt bei hoher Temperatur unzersetzt und verdichtet sich zu einem krystallinisch erstarren- den Öle. Sehr charakteristisch ist die kirschrothe Färbung, welche es einem mit Salzsäure befeuchteten Fichtenspahne ertheilt. — An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Catalogue des manuscrits hebreux et samaritanes de la bibliotheque im- periale. (Paris 1866.) 4. Mit Begleitschreiben des Directors der Kaiserlichen Bibliothek, Herrn J. Taschereau, d. d. Paris 29. Juni 1866. Bulletin de lacademie de Petersbourg. Tome 9. Petersburg 1866. 4. Memoires de lacademie de Petersbourg. Tome 9. et 10. no. 1. 2. ib. 1865 — 1866. 4. Brosset, Memoires sur un voyage archeologique dans la Georgie et Ü Armenie. Petersbourg 1849 — 1851. 8 et 4. Histoire de Siounie par Steph. Orbelian, traduite de larmenien. Livr. 1. 2. Petersb. 1864—66. 4. — Histoire de la Georgie. Derniere livraison. Petersb. 1858. 4. Les ruines d’ Ani. Petersb. 1860— 1861. 4. et folio. Perepiska. TPetersb. 1861. 4. Extraits des Tomes 4. 6. 8. des Memoires de ! Academie. Petersb. 1862 — 1864. 4. Ascoli, Studi irani. Articolo primo. (Milano) 1866. 4. Comptes rendus de lacademie des sciences. Tome 62, no 24—26. Paris 1866. &. Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift. 6. Band, Heft 2. Würz- burg 1866. 8. STATUT DER BOPP-STIFTUNG. Mu OO} Eomi ul See Am 16. Maı 1866 als dem Jahrestage, von welchem vor fünfzig Einleitung. Jahren die Vorrede zu’ Franz Bopp’s erster Schrift: „Con- jugations-System der Sanskrit-Sprache in Vergleichung mit je- nem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache” datirt ist, wurde demselben zur Begründung einer Stiftung, die seinen Namen tragen soll, durch ein Comite die Summe von 7750 Thalern als der bis dahin angemeldete Betrag der für diesen Zweck eingeleiteten Sammlung übergeben. Nach- dem diese Summe seitdem noch bis auf 7945 Thaler angewach- sen, ist, im Einverständniss mit Professor Franz Bopp und der Königlichen Akademie der Wissenschaften, nachstehendes Statut für die Stiftung festgestellt worden. &.1. Der Zins-Ertrag der Bopp-Stiftung ist bestimmt alljährlich am 16. Mai entweder 1) zur Unterstützung eines jungen Gelehrten, wes Landes immer, der seine Studien auf der Universität bereits vollendet hat, behufs der Fortsetzung derselben, wo es auch sei, oder 2) zu Preisen für vorliegende wissenschaftliche Leistungen oder zu Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen ver- wandt zu werden, — beides unter Beschränkung auf das von Bopp erschlossene Gebiet der Sanskrit-Philologie sowie der ver- gleichenden Sprachforschung namentlich innerhalb des indo-germa- nischen Völkerkreises. Die Verleihung eines Preises für gedruckte Werke wird auf solche beschränkt, die im Laufe der letzten drei Jahre erschienen sind. Im Fall beschlossen wird, eine wissenschaft- liche Reise oder grössere Druckwerke zu unterstützen, darf zum - Besten derselben über die Rate von zwei auf einander folgenden Be ee _ Jahren zugleich verfügt werden. Die Verlängerung auf ein drittes Zweck der Stiftung. 932 ı Statut der Bopp-Stiftung. Jahr ist nicht ausgeschlossen. Die Verwendung des Jahresertra- ges wird jedesmal im Maihefte der Monatsberichte der Akademie oder an einem sonst geeigneten Orte bekannt gemacht. 8.2. Verwaltung Die Königliche Akademie der Wissenschaften übernimmt die der Stiftung. Verwaltung der Stiftung nach Mafsgabe dieses Statuts und ver- tritt die Stiftung nach aussen. Br Das Vermögen der Stiftung, das pupillarisch sicher angelegt wird, und dessen Ertrag zu keinen andern als den Stiftungs- zwecken verwandt werden kann, wird mit dem Vermögen der Akademie verwaltet und zwar nach den Bestimmungen, welche für dieses in den Statuten der Akademie festgesetzt sind. In den Rechnungen wird das Vermögen der Stiftung als ein in sich geschlossenes Ganzes mit Einnahme und Ausgabe für sich auf geführt. Die Kasse versieht die Akademie bis zum 15. März jedes Jahres mit der Rechnung darüber, sowie mit der Nach- richt über die am 16. Mai desselben verwendbare Summe. 8.4. Dieselbe Commission, welche die Akademie zur Vorbera- thung der Verwendung des jährlichen Ertrages ($. 6) einsetzt, sieht alljährlich die Rechnung des vergangenen Jahres ein und legt der Akademie ihre etwaigen Bemerkungen zur Erledigung vor. Sie richtet ihre Thätigkeit auch auf die Mittel, den Ver- mögensstand der Stiftung zu mehren. Beiträge zur Stiftung, welche ferner eingehen, werden, falls der Geber nicht eine an- dere Bestimmung trifft, zum Capital geschlagen. 8. 5. Das Maximum der für ein Jahr aus dem Zinsertrage des letzten Jahres verwendbaren Summe beträgt zunächst 300 Thaler. Sollten die Zinsen die Summe von 300 Thalern noch nicht er- reichen, so bilden die Einkünfte des vorhergehenden Jahres auf 10 Thaler abgerundet die für das laufende Jahr verwendbare Summe. ® Statut der Bopp-Stiftung. 533 _ Überschüsse werden so lange zum Capital geschlagen, bis der Mehrbetrag an Zinsen die Summe von 150 Thalern erreicht. Sobald dies der Fall ist, hat die gedachte Commission darüber zu berathen, ob diese Summe zu der früheren Rate von 300 Tha- lern hinzutreten solle, oder ob im Sinne der Bestimmung von $. 1 andere Vorschläge, wie etwa zur Bildung einer zweiten Rate, an die Akademie zu richten seien. Die Entscheidung wird nach denselben Bestimmungen, welche für die Vorschläge zur jähr- lichen Verwendung ($. 9) gelten, herbeigeführt, jedoch ist dafür die Übereinstimmung der Commission, der philosophisch-histo- rischen Klasse und der Gesammtakademie erforderlich. Wenn auf diesem Wege kein Beschluls über eine andere Art der Ver- wendung zu Stande kommt, so wird der Überschuss weiter zum Capital geschlagen, aber der vorberathenden Commission steht in jedem Jahre das Recht zu, über die Frage neue Anträge durch die philosophisch--historische Klasse an die Gesammtakademie gelangen zu lassen. 6 Die philosophisch-historische Klasse der Akademie der Wis- senschaften erwählt nach vorhergehender Berathung in verdeck- ter Abstimmung auf je vier Jahre eine vorberathende Commission der Bopp-Stiftung. Diese Commission soll aus fünf Mitgliedern bestehen, von welchen drei ordentliche Mitglieder der philoso- phisch - bistorischen Klasse 'sein müssen, zwei ausserhalb der Akademie stehen können. Für die Wahl der Letzteren gilt die Bestimmung, dass sie wissenschaftliche Männer und in Berlin wohnhaft sind. Zur Wahl der Commission sind die Mitglieder der philosophisch -historischen Klasse durch eine Anzeige ein- zuladen. Die ausscheidenden Mitglieder sind wieder in die Com- mission wählbar. Die erste Wahl geschieht, sobald dies Statut bestätigt ist. 8.7. Sollte ein Mitglied der Commission vor Ablauf der Wahl- periode ausscheiden, so hat dieselbe dies der Akademie anzu- zeigen, und die philosophisch -historische Klasse wählt für die noch übrige Dauer der Wahlperiode ein anderes Mitglied in der- selben Weise. [1866.] 37 Zusammen- setzung der Commission. Bestimmung 534 Statut der Bopp-Stiftung. 8: 8. Spätestens in der ersten Hälfte des der Wahl folgenden Monats ladet von den gewählten Mitgliedern der Akademie der- jenige, welcher der Akademie am längsten angehört, die sämmt- lichen Mitglieder der vorberathenden Commission zu einer Sitzung ein, in welcher dieselbe sich durch die Wahl eines Vorsitzenden, eines Stellvertreters und eines Schriftführers constituirt. Die Commission fasst ihre Beschlüsse nach Stimmenmehrheit. Zu einem gültigen Beschlusse ist die Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern erforderlich. Bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. 8. 9. Professor Franz Bopp hat die Verfügung über die Ver- über die Ver- wendung des Ertrages nach Maassgabe dieses Statuts ($$. 1.5. wendung desu. 10) und giebt von seinem Beschluss jedesmal der Akademie Ertrages. Kenntniss, sowohl behufs der Benachrichtigung an den Betreffen- den, die von Prof. Franz Bopp und dem vorsitzenden Sekretar der Akademie zu unterzeichnen ist, als auch behufs der durch das Sekretariat auszustellenden Zahlungsanweisung an die Kasse. Im Fall seiner Behinderung, sowie nach seinem Ableben, tritt die Königliche Akademie der Wissenschaften an seine Stelle und ist dabei an die folgenden Bestimmungen gebunden. Die vor- berathende Commission hat, auf dem. Gange der Beschlussnahme, das Recht des ersten Vorschlags an die philosophisch-historische Klasse. Sie erstattet zur Begründung ihres Vorschlages an die- selbe einen Bericht, welchen sie in deren Sitzung durch ein von ihr bezeichnetes Mitglied der Klasse zum Vortrag bringt. Wenn die Klasse beitritt, bringt sie den Vorschlag an die Gesammt- akademie: wenn sie abweicht, versucht sie eine Verständigung mit der Commission. Wird eine solche nicht erreicht, so hat sie den Vorschlag der Commission nebst dem ihrigen der Ge- sammtakademie zur Entscheidung vorzulegen. Diese kann nur annehmen oder ablehnen. Lehnt die Akademie den gemein- samen Vorschlag der Klasse und der Commission, oder, im Fall diese sich nicht geeinigt haben, den Vorschlag der einen, wie der anderu ab, so ruht die Verwendung des Ertrages für dies Jahr und der Betrag wird zum Capital geschlagen. Die Statut der Bopp-Stiftung. 530 Abstimmung in der Klasse und in der Akademie erfolgt ver- deckt. Die Mitglieder der Klasse und der Akademie werden zu den betreffenden Sitzungen durch eine Anzeige eingeladen. Die Nachricht, die über die Verleihung dem Betreffenden zu geben ist, wird mit der Unterschrift „die Bopp-Stiftung” von dem vorsitzenden Sekretar der Akademie und den Mitgliedern der vorberathenden Commission unterzeichnet. Die Zahlung erfolgt auf Anweisung des Sekretariats der Akademie. $. 10. ; Bewerbungen und Vorschläge müssen bis zum 1. Februar des Jahres zu dessen 16. Mai die Verleihung erfolgen soll, an die Königliche Akademie der Wissenschaften gerichtet werden. Die Akademie übergiebt sie der vorberathenden Commission zur Mittheilung an Professor Franz Bopp oder zu weiterer eigener Behandlung. Die Entscheidung ist an die eingegangenen An- meldungen in keiner Weise gebunden. $. IR. In der öffentlichen Sitzung, welche die Königliche Akademie Bericht über der Wissenschaften im Juli jedes Jahres zu Leibnizens Gedächt- die Stiftung. niss hält, wird durch den dirigirenden Sekretar der philosophisch- historischen Klasse ein von der vorberathenden Commission ent- worfener kurzer Bericht über die Wirksamkeit der Stiftung im verflossenen Jahre und den Vermögensstand derselben erstattet. Diejenigen Mitglieder der Commission, welche nicht zugleich Mitglieder der Akademie sind, werden zu dieser Sitzung beson- ders eingeladen. Der erstattete Bericht wird in den Monatsbe- richten der Akademie abgedruckt und ein Abdruck desselben je- dem Mitgliede der Commission zugestellt. 512: Abänderungen dieses Statuts bedürfen des übereinstimmen- Abänderun- den Beschlusses der vorberathenden Commission, der philoso- gen des Sta- phisch-historischen Klasse und der Gesammtakademie sowie der tuts. landesherrlichen Bestätigung. Jener Beschlufs ist auf demselben "Wege wie bei Vorschlägen über Verleihung ($. 9) herbeizuführen. Jedoch sind zu einem dem Antrage der Commission beitretenden 536 Statut der Bopp-Stiftung. Beschlusse in der Klasse und in der Gesammtakademie so viele bejahende Stimmen erforderlich, als zwei Drittheile der Zahl ihrer ordentlichen aktiven Mitglieder beträgt. Bopp. Die Königliche Akademie der Wissenschaften Kummer. Trendelenbureg. Haupt. Das Comite für die Gründung der Bopp- Stiftung A. Böckh, Geh. Rath und Prof., Mitglied d. Akademie der Wissenschaften. Lepsius, Professor, Mitglied der Akademie der Wissen- schaften. Rödiger, Professor, Mitglied der Akademie der Wissen- schaften. Dr. Kirchhoff, Professor, Mitglied der Akademie der Wissen- schaften. K. Müllenhoff, Professor, Mitglied der Akademie der Wissen- schaften. Steinthal, Professor. A. Weber, A. Kuhn, Prof. am Cölnischen Real-Gymnasium. Petermann, Professor, Mitglied der Akademie der Wissen- schaften. Trendelenbursg, Professor, Sekretar der Akademie der Wissen- schaften Professor, Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Schriftführer. Das vorstehende Statut der Bopp-Stiftung wird mit der Malsgabe zu $. 12, dafs Abänderungen desselben nicht der landesherrlichen Be- stätigung bedürfen, sondern mit Genehmigung des Ministers der geistlichen, Unterrichts und Medieinal- Angelegenheiten zulässig sind, hierdurch von mir bestätigt. Berlin, den 21. Juli 1866. (L. S.) Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal- Angelegenheiten v. Mühler. MONATSBERICHT DER KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. August 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Kummer. 2. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Rammelsberg las über die phosphorige Säure und deren Salze. Die Mehrzahl der unorganischen Säuren ist dadurch charak- terisirt, dafs sie Salze giebt, welche entweder an und für sich, wasserfrei sind, oder, wenn sie Wasser enthalten, dasselbe in höherer T. abgeben. Da sie nach dem Verlust des Wassers noch ihr früheres Verhalten zeigen, und da ihre Säure sich als- dann mit allen ihren ursprünglichen Eigenschaften abscheiden läfst, so wird mit Recht angenommen, dafs das Wasser als fer- tig gebildetes, als Hydratwasser, in solchen Salzen enthalten sei. In diese Kategorie gehören auch einige wenige organische Säu- ren, wie z. B. Oxalsäure und Mellithsäure. Der gröfste Theil der organischen Säuren jedoch, welche aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen, liefert Salze, welche eine gewisse Menge Wasserstoff nicht in der Form von Wasser enthalten, da er ohne Zersetzung der Salze sich niemals abscheidet, und auch nur theilweise in Gestalt von Wasser erscheint, wenn die Salze durch trockne Destillation zersetzt werden. Man hat daher gleichfalls mit Recht diesen Wasserstoff als einen Bestandtheil der Säure betrachtet. [1866.] 38 538 Gesammtsitzung | Was im Gebiet der organischen Säuren die Regel, das ist in dem der unorganischen gleichsam die Ausnahme. So weit unsere Kenntnisse bis jetzt reichen, schliefsen sich blofs die Säuren des Phosphors in dieser Beziehung den organischen an aber es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den Sal- zen der Phosphorsäure einerseits und denen der phosphorigen und der unterphosphorigen Säure andererseits. Denn die nor- malen phosphorsauren Salze enthalten keinen Wasserstoff, und die sauren Salze, welche in höherer T. Wasser verlieren, gehen dadurch in Salze über, deren Säuren, an und für sich von der Phosphorsäure wohl unterschieden, doch durch Aufnahme der Elemente des Wassers wieder in die gewöhnliche Phosphorsäure zurückkehren. Das Radikal der verschiedenen Phosphorsäuren ist in der Glühhitze unzersetzbar, es ist wasserstofffrei. Dage- gen wissen wir durch die klassischen Untersuchungen H. Rose’s vor fast vierzig Jahren, dafs alle Salze der phosphorigen und der unterphosphorigen Säure chemisch gebundenes Wasser ent- halten, welches sie durch Zersetzung ebensowenig verlieren können als dies bei den Ammoniaksalzen der Fall ist. Durch Graham’s und Liebig’s Arbeiten, die ein- und mehr- basischen Säuren betreffend, wurde die Aufmerksamkeit von neuem auf jene beiden Säuren des Phosphors gelenkt, und Wurtz suchte, gestützt auf eigene Versuche und die älteren H. Rose’s, zu zeigen, dafs die unterphosphorige S. eine einba- sische Säure sei, deren Salze 2 At. Wasser enthalten, die phos- phorige S. aber eine zweibasische, deren normale Salze wenig- stens 1 At. Wasser enthalten, dessen Elemente mit denen der Säure selbst innig vereinigt sind. Wurtz, dessen Arbeiten die Constitution beider Säuren zum Ziel hatten, sah sich zu dem Ausspruch geführt, dafs die Theorie der Wasserstoffsäuren sich zur Erklärung der Thatsachen besser eigne als die herrschende. Wir wissen, dafs die Theorie der mehrbasischen Säuren in der That erst fruchtbar geworden ist, seit jene Theorie der Wasserstoffsäuren ihren Platz im Gebiet der modernen Chemie eingenommen hat. Was Dulong und Davy vor fünfzig Jahren zur Versöhnung des Zwiespalts gleichsam als Vorschlag aus- sprachen: Alle Säuren sind Wasserstoffisäuren, das ist bereits vom 2. August 1866. 539 ein wesentlicher Satz geworden, und hat in Verbindung mit den neueren Anschauungen über die Basen und die Salze wesent- lich dazu beigetragen, dieses wichtige Gebiet der Chemie zu ordnen und zu klären. Wir sagen also jetzt: es giebt ein- und mehrbasische, mo- nohydrische und polyhydrische Säuren, je nachdem in ihren normalen Salzen 1 oder n At. eines einwerthigen Metalls (X, Na, Ag) die Stelle von 1 oder n At. Wasserstoff in der Säure einnehmen. Für die meisten unorganischen Säuren ist die Frage entschieden, welcher Abtheilung sie angehören, für manche ist sie indefs noch offen, und zu diesen gehört die phosphorige Säure. H. Rose hatte gefunden, dafs diejenigen phosphorigsauren Salze, welche auf 1 At. Säure 2 At. einer feuerbeständigen Ba- sis enthalten, sich vorzugsweise bilden, und daher als normale zu bezeichnen sind. Er hatte ferner gefunden, dafs manche dieser Salze ein At. chemisch gebundenes Wasser enthalten, andere dagegen zwei Atome. Zu den ersteren gehören nach ihm das Mangan-, Blei- und Zinnsalz, zu den letzteren die Salze von Baryt, Strontian, Kalk, Zink etc. Beide Klassen unter- scheiden sich nach ihm durch ihr Verhalten in der Hitze, ob- wohl bei ihrer Zersetzung niemals Wasser frei wird; diejenigen mit 1 At. Wasser entwickeln ein Gemenge von Wasserstoff und Phosphorwasserstoff und hinterlassen ein basisches Phosphat = R’ P?; die 2 At. Wasser enthaltenden dagegen entwickeln nur Wasserstoff und bilden Pyrophosphate. Hiernach hätten wir zwei Arten von phosphorigsauren Sal- zen, nämlich 1, RP+H = HR?’PO?, wenn R einwerthig, HRP O?, wenn R zweiwerthig, 2, RP+:H = H'R'P?O’ u. = H’R?P20O’. Da sich der Wasserstoff in keinem dieser Salze durch ein Metall ersetzen läfst, so sind es keine sauren Salze. Gehört er U. aber der Säure selbst an, so wäre die Säure beider Arten von Salzen verschieden, 35* 540 Gesammtsitzung in der ersten = H?’PO? in der zweiten = H?P?O’, eine Annahme, zu welcher man sich schwer entschliefsen möchte, wenn man sich erinnert, dafs alle diese Salze aus der nämlichen Säure sich darstellen lassen und durch keinerlei Reaktion sich sonst unterscheiden. Steht es denn aber unzweifelhaft fest, dafs gewisse phos- phorigsaure Salze gegen 1 At. eines zweiwerthigen Metalls nur 1 At. Wasserstoff, andere dagegen 2 At. desselben enthalten? Wurtz, welcher diesen Punkt nothwendig festzustellen hatte, um die Frage über die Constitution der Säure zu lösen, stellte allerdings die Behauptung auf, alle normale phosphorigsaure Salze seien = PHO*, 2RO, mit anderen Worten: sie enthalten nur die Elemente eines At. Wasser, allein er hat von allen den Salzen; bei welchen H. Rose das Gegentheil behauptet, nur das Barytsalz untersucht, und die leider sehr kurze Notiz darüber besagt, dafs seine Resultate mit denen H. Rose’s vollkommen übereinstimmen, während die Formel PHO*, 2BaO, HO und die Bemerkung, dies HO sei Krystallwasser und entweiche bei 150 — 200°, jene Behauptung geradezu aufhebt, denn wenn das wasserfreie Salz PHO*, 2BaO ist, so enthält es die Elemente von nur einem At. Wasser, und dies widerspricht den Angaben H. Rose’s. Deshalb hat auch der Letztere die Ansicht Wurtz’s von der Constitution der phosphorigen Säure für unstatthaft erklärt. Wie man sieht, ist die Frage noch unerledigt. Der Übertra- gung der neuen Ansichten auf die phosphorige S. und deren Salze stände jene Verschiedenheit des Wasserstoffgehalts in letzteren durchaus im Wege. Dazu kommt ein Irrthum in den Angaben von Wurtz, das Barytsalz betreffend, welches für die Entscheidung der Frage gerade von besonderer Wichtigkeit ist. Das Wasser, welches dieses Salz beim Trocknen verliert, beträgt nach Wurtz 2,6 p. C, während die Rechnung lehrt, dafs 1 At. Wasser fast ge- nau = 4 p. C sein würde. Diese Umstände haben mich veranlafst, das Studium der phosphorigsauren Salze zunächst in der Absicht vorzunehmen, die Gröfse des Wasserstoffgehalts möglichst genau festzusetzen. vom 2. August 1866. 541 Es war ferner wünschenswerth, die Natur der Rückstände näher zu prüfen, welche diese Salze beim Glühen in verschlosse- nen Gefälsen hinterlassen, weil H. Rose’s Untersuchungen einer Zeit angehören, in welcher man die Modifikationen der Phos- phorsäure noch nicht kannte. Über ihre Darstellung ist im Allgemeinen wenig zu sagen, und die Angaben H. Rose’s sind auch heute noch vollkommen gültig. Der flüssige Chlorphosphor war über Phosphor destillirt, um eine Beimischung des festen Pentachlorids zu vermeiden. In der Regel diente dies durch Wasser erhaltene Gemisch von phosphoriger und Chlorwasserstoffsäure, welches mit Ammoniak oder kohlensaurem Natron nicht bis zur Neutralisation versetzt war, bevor das betreffende Erd- oder Metallsalz hinzugefügt wurde. Die Untersuchung der phosphorigsauren Salze bietet, wie schon Wurtz bemerkt, manche Schwierigkeiten dar. Unfähig deutliche Krystalle zu bilden, geben sie als Niederschläge keine Bürgschaft für ihre Reinheit; erst die Bestimmung des Atom- verhältnisses von Metall und Phosphor läfst erkennen, ob man es mit einem normalen oder sauren Salze oder mit einem Ge- menge zu thun habe. Die Bestimmung des Wassers, welches als solches vorhanden ist, durch Trocknen bei allmälig gestei- gerter T., soweit dies ohne Zersetzung der Salze möglich ist, d. h. bis 300— 350°, liefert Zahlen, die natürlich durch die Menge des hygroskopischen Wassers beeinflufst werden. Die Bestimmung des Phosphors nach vorgängiger Oxydation des Salzes, am besten mittelst Chlorwasserstoffsäure und chlorsau- ren Kalis, und durch Fällung mit Magnesiamischung, ist nur beim Baryt-, Strontian- nnd Kalksalz einigermafsen genau, umständlich und ungenau bei den Metallsalzen, so dafs sie nur dazu dient, um zu constatiren, dafs das fragliche Erd- oder Metallsalz gleiche At. Metall und Phosphor enthält, d. h. ein normales phosphorigsaures Salz sei. Für die Berechnung des Wasserstoffs (oder des chemisch gebundenen Wassers im frü- heren Sinne) im wasserfreien Salz ist es mithin besser, den Phosphorgehalt selbst zu berechnen. Die direkte Bestimmung des Phosphors mittelst Quecksilber- chlorid in der chlorwasserstoffsauren Auflösung giebt, wie Ver- 542 Gesammtsitzung suche mit dem Barytsalz zeigten, im günstigsten Falle, im ver- schlossenen Gefäfse, statt 100 Th. Phosphor nur 93,4 Th., und ist daher, obwohl H. Rose sie als genau empfohlen hat, für den vorliegenden Zweck nicht benutzbar. Ich werde nun im folgenden eine Übersicht der von mir bisher erlangten Resultate geben. Vor allen anderen habe ich das Barytsalz mehrfach un- tersucht. Aus einer schwachsauren Flüssigkeit gefällt, ist es rein und von constanter Zusammensetzung. Aber gleich den übrigen Salzen von lockerer feinkrystallinischer Beschaffenheit, ‚enthält es hygroskopisches Wasser, und selbst nach längerem Aufbewahren über Schwefelsäure oder nach dem Trocknen bei 100° kommt Wasser zum Vorschein, wenn man es einer höhe- ren T., 200 — 300° aussetzt. Dennoch ist die gesammte Wasser- menge nicht gröfser als 1,5—1,9 p. C. Es möchte das Ein- fachste sein, das Barytsalz gleich dem Bleisalze als frei von Kry- stallwasser zu betrachten. Zehn Bestimmungen des Baryums ergaben, auf das getrocknete Salz berechnet, 60,92 p. C. dieses Elements, woraus sich der Phosphor zu 13,78 p. C. berechnet (die direkten aber aus einleuchtenden Gründen nicht sonderlich genauen Bestimmungen gaben im Mittel 13,98 p. C.). Da das Barytsalz der phosphorigen Säure die Frage ent- scheiden muls, ob die Behauptung H. Rose’s richtig ist, dafs in ihm und anderen 1 At. Metall ®) gegen 2 At. Wasserstoff enthalten ist oder die Annahme von Wurtz,' dafs in allen phosphorigsauren Salzen zweiwerthiger Metalle jenes Verhältnifs =1:1 sei, so möge es gestattet sein, etwas näher auf die Rech- nung einzugehen. Der phosphorigsaure Baryt ist entweder = HBaPO?° oder H* Ba? P?°O’, d. h. gleichsam Ba? P?O° + H?O oder H’O?. Berechnet man also, von dem gefundenen Baryumgehalt ausge- hend, die Atomgruppe Ba® P? O°, so mufs der Rest H?O oder H* O°? entsprechen, der Sauerstoff dieses Rests muls = * oder = von dem jener Gruppe sein. 2 Ba 2727 602 62 13,78 So 17,80 216 925 (Du SS) 1 (0) | vom 2. August 1866. 943 92,5 27,5 = 416 : 33,75. Da 33,75 nahezn H’O?=36 sind, oder da 33,75 = 30 fast genau =2.-80=32 sind, so kann kein Zweifel herr- schen, dafs in dem getrockneten phosphorigsauren Baryt, welcher bei seiner Zersetzung in der Glühhitze kein Wasser ausgiebt, 2 At. Wasserstoff gegen 1 At. Baryum enthalten sind, dafs H. Rose vollkommen Recht hatte, und die Annahme von Wurtz unbegründet ist. Dem Barytsalz entsprechen aber auch das Strontian- und Kalksalz. Aus dem phosphorigsauren Strontian entwei- chen 9 p. C. Wasser; bei 250° ist das Salz wasserfrei. In diesem Zustande enthält es nach meinen Versuchen 49,93 p. C. Strontium. Da 2 Sr=176 = 49,93 2P=6& 1159 50= 80 22,70 318 90,22 Nun ist 90,22 : 9,73 = 318 : 34,5 mithin beträgt der Rest auch hier nahe zu 86=H' 0°. — Das lufttrockene Salz enthält 2 Mol. Wasser. Der phosphorigsaure Kalk verliert beim Trocknen 13 p- C. Wasser; in dem entwässerten Salz finde ich 31,3 p. C. Calcium. 2a 80 31,3 2P =62 24,26 50r=.80, 313 222 86,86 86,86 : 13,14 = 222 : 33,6. 33,6 ist aber wiederum nahezu =36 =H' O?. Auch dieses Salz enthält 2 Mol. Krystallwasser, wovon die Hälfte bei 100° entweicht. Es steht hiernach fest, dafs die bei 200— 300° getrockne- ten Salze von Baryt, Strontian und Kalk H' Ba’P?O’ H* Sr? P?O’? EINCa? PO! sind, und bei weiterem Erhitzen kein Wasser geben. 544 Gesammtsitzung Ehe ich weitergehe, will ich eine Thatsache berühren, die neu und ziemlich unerwartet ist. Wenn ein phosphorigsaures Salz durch Salpetersäure oxy- dirt wird, so verwandelt es sich in ein Phosphat. Bei den ebenangeführten Salzen der phosphorigen Säure, welche gleich- sam Pyrophosphate und Wasserstoff sind, bleibt also ein Pyro- phosphat zurück, während der Wasserstoff oxydirt wird. Ich habe nun gefunden, dafs das Produkt zwar die Zusammensetzung eines Pyrophosphats hat, allein eine bedeutende Menge von Metaphosphat und von Oxyd enthält, welches letztere aus eiuem entsprechenden Theil Nitrat durch das Glühen abgeschieden wird. 100 Th. getrockneter phosphorigsaurer Baryt geben nach H. Rose’s und nach meinen Versuchen, wenn sie mit Salpeter- säure wiederholt erhitzt und schliefslich geglüht werden, nahe 99 Th. Ba? P?O’ worin 61,16 (gefunden 60,37) p. C. Baryum enthalten sind. Allein einerseits zieht Wasser viel Baryt aus, andererseits bleibt beim Digeriren und Kochen mit Chlorwasser- stoffsäure ein Theil unaufgelöst, welcher beim Erhitzen leicht zu einem durchsichtigen Glase schmilzt, und 47 p. C. Baryum und 21 p. C. Phosphor enthält, mithin metaphosphorsaurer Baryt, Ba P? O® ist, einer jener Modifikationen der Säure angehörig, deren Salze in starken Säuren unauflöslich sind. Die weiteren analytischen Data haben gezeigt, dals das Oxydationsprodukt des phosphorigsauren Baryts ein Gemisch von 1 Mol. Ba 0, 1 Mol. BaP? O° und 4 Mol. Ba? P? O’ ist, isomer mit 5 Mol. des letzteren. Zu den phosphorigsauren Salzen zweiwerthiger Metalle, welche schon nach H. Rose’s Untersuchungen bei gleicher Menge Metall nur halb so viel Wasserstoff enthalten, also RPO? sind, gehöreu das Blei-, Mangan- und Zinnoxydulsalz, nach Wurtz auch das Kupferoxydsalz. Ich habe folgende untersucht: Phosphorigsaures Kadmium verliert über Schwefel- säure etwa 6 p. O., in der Wärme noch ebensoviel Wasser. Dann enthält es 57,9 p. C. Kadmium, ist demnach HCdPO?, oder im lufttrocknen Zustande = 2HCdPO°’-+3aq. Die Hälfte des Krystallwassers entweicht beim Trocknen über Schwefelsäure. vom 2. August 1866. 545 Phosphorigsaures Mangan zeigt hinsichtlich des Wassers genau dasselbe Verhalten, auch die Zahlen sind fast dieselben. Das getrocknete Salz lieferte im Mittel von 3 Ver- suchen 40,04 p. ©. Mangan. Das lufttrockne Salz ist demnach HMnPO?°-+aq. Die Hälfte des Wassers geht über Schwefel- säure fort, und ein solches halbgetrocknetes Salz war es, wel- ches H. Rose zu seinen Versuchen benutzt hat. Phosphorigsaures Kobalt verliert bei 250° im Mittel 20,6 p. C. Wasser und wird blau; der Kobaltgehalt = 34,16 p-. ©. beweist, dafs es HCoPO° + 2agq ist. Phosphorigsaures Eisenoxyd aus schwach saurer Flüssigkeit gefällt, ist weils, gab beim Trocknen 30,5 p. C. Wasser und 22,2 p. C. Eisen. Es reiht sich also, obwohl die sechswerthige Atomgruppe Fe? enthaltend, den vorhergehenden Salzen an, und ist H’FeP°O? + Jag. Jedes der bisher angeführten Salze hat bei der Untersuchung stets dieselben Resultate gegeben, auch wenn es zu verschiede- nen Zeiten und mit anderem Material dargestellt war. Nicht dasselbe kann ich jedoch vom Zink-, Nickel- und Magnesiasalz behaupten und theile meine Erfahrungen an diesen Salzen jetzt blos als vorläufige mit, weil ich die Versuche nicht als abge- schlossen betrachte. Phosphorigsaures Zink. Die von H. Rose diesem Salz zugeschriebene Formel ZnP+6H = H'? Zn? pP? O'! kann als 2HZnPO° +5aq oder als H'Zn?’P?O’ -+4aq gedeutef werden, die Versuche geben keinen Anhalt für die eine oder die andere Constitution. Als ich das Salz nach H. Rose’s Methode darstellte, erhielt ich H'’Zn?P?’O'°; da die Verbinduug aber bis 250° 20 p. ©. Wasser verlor, so kann ihr nicht die Formel H'Zu?P?O’+3aq zukommen, sondern HZnPO° + 2aq, wonach der Wassergehalt 19,9 p. ©. beträgt, während er im anderen Fall, bei gleichem Zink- und Phosphorgehalt, nur 14,9 p. C. betragen würde. 546 Gesammtsitzung Als ferner das Salz in phosphoriger S. aufgelöst und das auskrystallisirte saure Salz mit Wasser behandelt wnrde, blieb ein kKrystallinisches Pulver zurück, welches bis 300° nur eine Spur Wasser abgab, 45,4 Zink und 21,5 Phosphor, d. h. gleiche Atome enthielt, und sehr gut dem wasserfreien Salze HZnPO?, in keinem Falle aber der Verbindung H'Zn?P?O” entsprach. Allein seltsamerweise liegen mir auch zwei Analysen vor, die im Mittel 14,6 p. C. Wasser, sonst aber fast denselben Zinkgehalt wie das erste wasserhaltige Salz ergeben, so dafs man glanben mus, sie beziehen sich auf das mit diesem iso- mere Salz H'Zn?’P’O’ + 3ag. 5 Dies unerwartete Resultat ist durch neue Versuche zu con- statiren, denn wenn es sich bestätigt, dals die Art der Dar- stellung eine derartige Verschiedenheit bedingt, oder das eine Salz unter Umständen sich in das andere verwandeln kann, so ist dies ein neuer und unerwarteter Gesichtspunkt für die Be- urtheilung des vorliegenden theoretischen Problems. Auch das phosphorigsaure Nickel, welehes im Mittel nahe 26 p. C. Wasser ergab, läfst noch zweifelhaft, ob es HNiPO? +3aq oder H‘ Ni?’P?0’+6aq sei, da die Nickel- und Phosphorbestimmungen, obwohl im All- gemeinen der letzten Formel günstiger, doch wiederholt werden müssen. Phosphorigsaure Magnesia, deren Zusammensetzung weder H. Rose noch Wurtz ermittelt haben, hat mich viel be- schäftigt, und doch kann ich über seine Constitution noch kein sicheres Urtheil abgeben. Bei seiner Darstellung ist Ammoniak- zusatz zu vermeiden, weil sonst ein viel schwerer lösliches Am- moniakdoppelsalz entsteht. Wenn man die Auflösung von Phos- phortrichlorid in Wasser mit kohlensaurem Natron nicht ganz sättigt, ein Magnesiasalz hinzusetzt, und das Ganze erhitzt, so entsteht ein starker Niederschlag, welcher lufttrocken ein sehr lockeres fein krystallinisches Pulver darstellt. Dieses Salz ver- liert bei 300° nahezu 30 p. C. Wasser, enthält gleiche At. Magnesium und Phosphor und entspricht recht gut der Formel 2HMgPO°’ -+5ag. vom 2. August 1866. 547 Als aber phosphorige Säure, durch Abdampfen der Auflö- sung des Trichlorids in einer Retorte dargestellt, in verdünntem Zustande mit kohlensaurer Magnesia fast gesättigt und die Auf- lösung erhitzt wurde, fiel ein Salz nieder, welches bei 300° 42,2 — 42,8 p. C. Wasser verlor, ebenfalls gleiche At. Magne- sium und Phosphor enthielt, dessen Analysen aber auf H® Ms’P?O°’+10aq oder besser noch H’MgPO'-+5aq führen. Wie aber auch, weiteren Untersuchungen zufolge, die Entscheidung ausfallen mag, so steht doch fest, dafs ein der- artiges Salz kein saures ist, dafs es einer dritten Reihe nor- maler phosphorissaurer Salze angehört, in welchen auf 1 At. zweiwerthigen Metalls 3 oder 4 At. Wasserstoff enthalten sind. Ammoniak erzeugt in der Auflösung von phosphorigsaurer Magnesia sogleich einen starken krystallinischen Niederschlag, ganz ähnlich der phosphorsauren Ammoniak-Magnesia. Diese Verbindung verliert in der Wärme Wasser, und dann Ammoniak, und ist H‘ Am? Ms’ P* O'? + 16.aaq. Sie entspricht mithin dem zuerst erwähnten Magnesiasalz; 4 Mol. desselben = 4 HMsgPO? enthalten 4 Mg; von diesen ist hier 1 At. durch 2 At. des einwerthigen Ammoniums ersetzt. Was das Verhalten der phosphorigsauren Salze in der Glühhitze betrifft, so hat schon H. Rose gezeigt, dals das Ba- ryt-Strontian- und Kalksalz sich in Pyrophosphate und Wasser- stoff zersetzen. Ich habe die Versuche bei den einzelnen wie- derholt, niemals Wasser sich bilden sehen, und glaube dals das Freiwerden von kleinen Mengen Phosphor von der Einwirkung des Wasserstoffs herrührt, wobei etwas Phosphormetall entsteht, welches bei Zutritt von Sauerstoff unter Abscheidung von Phos- phor sich oxydirt. Aus dem Glührückstand des Barytsalzes habe ich durch Zerlegung mit schwefelsaurem Natron und Fäl- lung mit Silbersalz pyrophosphorsaures Silber dargestellt. Die Salze von Blei, Mangan, Kobalt, Kadmium und Zink, d. h. diejenigen, welche HRPO? sind, sollen nach H. Rose ein Gasgemenge von H?’P und H? geben und ein basisches Phosphat hinterlassen. Er hat diese Salze im wasserhaltigen 948 Gesammtsitzung Zustande erhitzt, und offenbar hat das Wasser dabei eine Rolle gespielt. Wenn man sie, wie ich es stets gethan, im getrock- neten Zustande anwendet, so ist die Menge des Phosphorwasser- stoffs und überhaupt die des austretenden Phosphors so gering, dafs man die Rückstände wesentlich als RPO? betrachten darf. Ich nehme auf Grund meiner Versuche an, dafs 7 Mol. HRPO? in IRPHO" RP und H’ zerfallen, dafs jene Rückstände also Gemenge von Pyrophosphat und Phosphormetall sind, welches letztere sich durch die Farbe und das Verhalten der Masse gegen Salpetersäure verräth. Bis- weilen äufsert der Wasserstoff aufserdem eine reducirende Wir- kung, und so sublimirt beim Kadmiumsalz etwas Metall, und entsteht beim Eisenoxydsalz Pyrophosphat von Eisenoxydul. Wenn man in den getrockneten phosphorigsauren Salzen, welche auf keine Art Wasser geben, das Metall durch sein Aegq. Wasserstoff ersetzt, so erhält man zwei oder wahrscheinlich drei verschiedene phosphorige Säuren. I. HR’PO?’ (R=K, Na, Am), und HRPO7.& —=R05.C3,2Cd,2Mn,.69; Zu) entsprechen H? PO? (Formel der krystallisirten Säure). DO. H'R?’P?O’ (R=Ba, Sr, Ca, Ni? Zn?) entspricht H’P?O’=2H’PO°’-+H?O II. H’RPO* (R=M;) entspricht H’PO'=H’PO°’+H?0O In den Salzen dieser Säuren würde $ — + — 2 des Was- serstoffs durch Metall vertreten sein. Die Säuren selbst stehen unter einander in demselben Verhältnils, wie Meta-, Pyro- und gewöhnliche Phosphorsäure. Aber während das Radikal in die- sen Säuren, PO, dreiwerthig, ist das der phosphorigen Säuren H(PO) durch Zutritt des H Atoms zweiwerthig, gleichwie das der unterphosphorigen S., H? (PO) aus ähnlichen Gründen ein- vom 2. August 1866. 549 werthig. Die Parallele der drei Phosphorsäuren und der drei phosphorigen Säuren ist augenfällig: Ich N H ; HPO \ 0 und PO \ 0) Meta-Phosphors. II. H° 5 H' \ 5 2HPO } 0 und 5 . 0 Ö Pyro-Phosphors. II. H* \ s Be s " HPO 0 und PO 10) Phosphorsäure. Beispiele von Salzen nn Lea? 2 N 2 Zn \ 2 a no ei HPO 2 I:JoH® H? Ba? Nor, Zn? No: 2HPO 2HPO 11%. 3? Mg 10: HPO Die Salze II und III erscheinen unter diese Gesichtspunkt als saure Salze. Das phosphorigsaure Äthyl aber, die einzige Verbindung, welche keinen H als solchen sondern 3 At. Äthyl enthält, kann wie mir scheint, auch als der krystallisirten oder Meta-phos- phorigen S. entsprechend aufgefafst werden, wenn man es als äthylphosphorigsaures Äthyl betrachtet, 2(C?’H?) } 0: (C’H°’)PO i fi Hr. Müllenhoff legte folgende untersuchung über die herkunft und sprache der pontischen Scythen und Sarmaten vor. Die meinung, dafs die skolotischen Scythen Herodots im norden des Pontus Mongolen waren, ‘die noch zu anfang des dreizehnten jahrhunderts weit im osten von Asien um den Bai- kalsee wohnten’, darf hinfort wohl als beseitigt gelten, nachdem der neuste versuch, sie durch deutung scythischer namen aus dem mongolischen zu rechtfertigen, durch Schiefners "sprachliche bedenken’ in dem Bulletin de la classe historico-philologiques, 550 Gesammtsitzung Petersburg 1856, 13, 194 ff. (Melanges asiatiques 2, 521—547) seine abfertigung gefunden '). ein blick auf die werke der schön- sten griechischen kunst, die auf der Krim und in den gräbern der scythischen könige in dem von Herodot 4, 53. 56. 71 be- zeichneten bezirk an der Samara gefunden sind und scythische fürsten und leute mit allem detail ihrer erscheinung darstellen, genügt um sich zu überzeugen, dafs dies keine Nordasiaten waren. auch Hippokrates (de aere $ 91 ff.), wo er die körperbeschaffen- heit der Scythen bespricht und ihre besonderheit aus der lebens- weise des volks und den einflüssen des klimas ableitet, übergeht gerade die auffallendsten merkmale des mongolischen typus ?). He- rodot verliert über jene nicht einmal ein wort, aber sobald er von den abgefallenen königlichen Scythen (4, 22. 23) zu den Argim- paeern am untern Ural gelangt, hebt er die abweichende gesichts- bildung, durch die sich diese auszeichnen und als Tataren zu erkennen geben, hervor; was allein schon genügt, um die Scythen zum arischen stamme zu rechnen. denn keine andre wahl bleibt, wenn nemlich die Budinen und ihre nachbarn an der Wolga zum zum finnischen gezählt werden müssen, da Herodot diese wie- derum von jenen bestimmt unterscheidet °). h ‘) Hr. Karl Neumann, der in seinem werk ‘die Hellenen im Sky- thenlande’ zuletzt den anwalt des Mongolentums der Scythen gemacht hat, ohne wie Schiefner zeigte vom mongolischen etwas zu verstehen, besitzt unläugbar eine nicht geringe schriftstellerische gewandtheit. aber wie wenig er in sprachlichen und philologischen dingen mitzusprechen beru- fen ist, ergibt schon seine erklärung von KoAagaig s. 185 verglichen mit Herod. 4, 6, die deutung von dpornpss und vonades aus dem mongolischen s. 186, die von ’E&aumaios s. 196f., wo die lesart schlechter hss. due- Eaumatog gegen die schon durch Mela 2, 1 (vgl. Solin. 14, 1. Jordan. c. 5) und seinen gewährsmann bezeugte den vorzug erhält, u. dgl. m.; vor allem aber die sinnreiche entdeckung s. 282, dafs die Scythen ihren sklaven nicht zu öcce ‘die augen’ nahmen, sondern auf mongolisch tossu den rahm von der milch. ?) vgl. Ukert Skythien s. 274f. ®) nach 4, 108 sprechen die bei den Budinen angesiedelten Gelonen sowohl seythisch als griechisch, die Budinen aber nicht dieselbe sprache wie die Gelonen, und jene sind sehr helläugig und rötlich von hautfarbe (eIvog — yAauxov ve mäv loxupüs korı xal mußpov), diese aber ganz von ihnen verschieden: oudbv ryv idEyv önolor oVdt zo xpwua c. 109; während vom 2. August 1866. 551 Aus dem zustande, in dem die Arier oder Indogermanen sich vor ihrer trennung und im stadium derselben befanden, war der übergang in die lebensweise der steppenvölker immer leicht möglich, sobald die not und die natur des zum aufenthalt er- wählten landes dazu zwang. selbst mehrere persische stämme lebten als nomaden (Herodot 1, 125), zum teil auch die Parther (Plinius 6 $ 112. 113), ja diese sollen ehemals Scythen gewesen sein (s. die belege bei Zeufs 291 f. Ukert Skythien s. 587 vgl. Strabo p. 515), auch die Sogder und Baktrer sich nicht viel von den nomaden unterschieden haben (Strabo p. 517) und unter den turanischen völkern waren die "Agrazar bei Ptolemaeus!) an der mündung des Jaxartes wohl nicht die einzigen von arischer abkunft: die "Avgosor d.i. die nicht arischen XzuIar bei Ptole- maeus im norden Turans lassen auch auf ihren gegensatz in süd- licheren strichen schliefsen. der gegensatz in dem die ackerbauen- den Iranier, die anhänger der Ormuzdreligion, schlechthin zu den reitervölkern Turans standen, läfst sich dem der Juden zu den ihnen stammverwandten Philistern und Phöniziern vergleichen. ein zweifel an der arischen herkunft der Skoloten kann wenigstens von dieser seite wegen mangelnder analogie nicht erhoben werden. sogar ihre nächsten nachbarn, die Sauromaten, die Hippokrates (de aere $ 89) geradezu ein scythisches volk nennt, sollen von den Medern abstammen °), und sollte diese meinung sich zunächst Hippokrates $ 102 den Scythen d. i. den nordvölkern überhaupt die zup- porns Sud tod Wuxeos zuschreibt, oux Zmıyıyvoutvou 6E&og Tod nAtov* üme Sb Tov Wuxeos Aevxorng imizaleraı xal Yiyverau ruPPN. die 'Thyssageten aber sind gleichfalls ein &Svos moAA0v xal idıov nach Herodot c. 22 und zu ihnen gehören die Iyrken. 1!) nicht bei Plinius 6 $ 50. denn hier ist Ariacae eine schlechte änderung der editoren. Astocae des vet. Dalec. und der codd. Barbar. und Astacae der übrigen ist vielmehr in Asiotae herzustellen, da Ptole- maeus 6, 13, 10 "Acıwraı neben den ‘Puupo: nennt, die bei Plinius als Rhymnici oder Rhymmici unmittelbar auf jene folgen, nach dem bericht des Demodamas. 2) Diodor 2, 43 droıtav — Ex tus Mndlag mapa rev Tüvaiv xadı- SpuSeicav, ns ToUG Auoydz Zavsondrag ovouaoOyvar. Plin. 6 $ 19 Sarmatae (Iaxamatae Barb.) Medorum ut ferunt suboles. ähnlich Ammian 31, 2, 17 nach Vossias überzeugender emendation von den Alanen: mores & Media. 952 Gesammtsitzung auch nur auf etwas ganz äufserliches, auf die ähnlichkeit der tracht ') stützen, so setzt doch die vergleichung der uns erhal- tenen sarmatischen und alanischen namen mit iranischen *) die nahe verwandtschaft beider volksstämme aufser zweifel. es kommt hinzu, dafs ein überrest der ehemals viel weiter nach norden aus- gebreiteten iranischen bevölkerung sich bis auf den heutigen tag im mittlern Kaukasus am obern Terek in den Osseten erhalten hat. da an ihnen bis tief ins mittelalter (Zeufs 703 f. vgl. 700) der name Alanen haftet, der seit dem ersten jahrhundert n. Ch. die nach der auswanderung der hauptstämme, der Jazygen und Rhoxolanen, im osten verbliebenen reste der Sauromaten um- falste oder in sich aufnahm, so sind sie geradezu für nachkom- men dieser zu halten und die Alanen das mittelglied, das beide verbindet. was aber nach Herodot 4, 116f. und Hippokrates (de aere $ 89 f.) die Sauromaten allein schärfer von den Seythen unterschied, war die verschiedene stellung der weiber, die ähn- 1) die medische tracht, ein fez, kaftan (Xeipidwrdg xıru) und weite‘ hosen, gieng von den Medern angeblich auf die Perser (Herodot 1, 135. 7, 61. 62. Xenoph. Cyrop. 8, 1. 40. Strabo p. 525f.), die Parther (Justin 41, 2) und die Sarmaten (Mela 3, 4) über; vgl. Mela 2, 1. Ovid Trist. 3, 10, 19. 5, 7, 49. 5, 10, 34. Tac. Germ. c. 17. Lucan 1, 430. 2) Zeuls 297 f. vgl. Schafarik 1, 366£. Böckh C. I. Gr. 2, 113—117. mit recht lassen Zeufs und Schafarik die namen der inschriften von Anapa nr. 2130. 2131 und die übrigen von der Sindike beiseite, die Böckh ins- gesammt für sarmatisch hält und gestützt auf ohnmächtige zeugnisse, die den namen der Sinder und der Sindike mit dem graben der blinden am isthmus der Krim zusammenbringen, mit denen von Olbia combiniert, ob- gleich ihre verschiedenheit, wie mir scheint, doch leicht in die augen fällt und keiner der alten die bewohner der sindischen halbinsel, die wahr- scheinlich zu den Kaukasiern gehörten, zu den Sarmaten zählt. dafs im bosporanischen reich und bei den Maeoten im engern politischen sinne sauromatische namen in gebrauch waren, soll nicht geläugnet werden und würde schon der königsname Sauromates schliefsen lassen, aber kein mae- otischer und bosporanischer name darf doch für sarmatisch gelten, der sich nicht als solcher oder als iranisch nach sichern analogien erweisen lälst. einen sehr erfreulichen, ansehnlichen zuwachs unzweifelhaft echt sarmati- scher namen gewähren die im 2ten bande der Antiquites du: Bosphore cimmerien publicierten merkwürdigen inschriften von Tanais nr. LXX— LXXVI (vgl. Böckh 2, 1008 ff. nr. 2132 5—e). vom 2. August 1866. 953 lich wie bei den Saken in Turan (Ctes. Persic. c. 3 fr. 1. 2. Bähr p. 61 und bei Diodor 2, 34. Aelian var. hist. 12, 38), bei den Sauromaten in ihrer jugend und im fall der not auch später die männer in den krieg und auf die jagd begleiteten. diese eigentümlichkeit, die nachmals, wie es scheint, bei den Jazygen und Rhoxolanen diesseit des Tanais sich verloren hatte, gab bekanntlich den älteren Griechen anlafs, den ursprung des volkes von den Amazonen, die sich mit jungen Scythen ver- bunden hätten, abzuleiten. und wenn nun Herodot seiner erzäh- lung 4, 117 hinzufügt, die Sauromaten bedienten sich der scy- thischen sprache, sprächen sie aber von altersher fehlerhaft, weil die Amazonen sie nicht hinlänglich gelernt hätten — Pu de ci Zarugondren vomigovn BxuSıat, FoAoızilovrss aurn Aro ToÜ &0- Yriov, Emer ou KororWs 2EeuaSov auryv ai Aualoves, — so kann die anknüpfung an die fabel dem wert des zeugnisses nichts benehmen, es vielmehr nur verstärken '), weil es damit nicht als eine wahrnehmung Herodots oder sonst eines einzelnen, son- dern als volksmälsige überlieferung auftritt, die die verschieden- heit der beiden mundarten in ihrer weise scherzend erklärt, dabei aber ihre wesentliche übereinstimmung als eine unter den ponti- schen Griechen längst allgemein anerkannte tatsache hinstellt. Was nun diese tatsache wankend machen oder gar um- stolsen könnte, ist nicht abzusehen. man muls, falls die Sar- maten zu den Iraniern und zwar zunächst, wie die Osseten ?), zur verwandtschaft der Westiranier, der Meder und Perser ge- hörten, auch die skolotischen Seythen für Arier halten und zu derselben sippe zählen, auch wenn Herodots erklärungen scythi- scher wörter und namen sich nicht alle leicht und zwanglos dem altpersischen und zend fügen. untadelhaft glossiert er nur 4, 67 das früher 1, 105 von ihm der sache nach erklärte ’Evagess durch «@vögoyuvor, obgleich Hippokrates (de adre $ 22) das wort, eine adjectivische bildung von zd. skr. nar, nara homo mit dem privativen « (Zeuls 294, vgl. Schafarik 1, 283), genauer durch !) hr. Neumann I, 327 scheint nicht zu fühlen, wie sehr er sich durch sein gerede gegen Zeufs (denn nur dieser kann zunächst gemeint sein) blofsstellt. *) F. Müller über die stellung des Ossetischen im iranischen sprach- kreise in den sitzungsberichten der Wiener akademie 36, 1. [1866.] 39 554 Gesammtsitzung das entsprechende griechische wiedergibt: zarzUvre: re ci rordrcı dvavdgızes. auch ’EZauraios 4, 52. 81 wird durch iger dar richtig erklärt sein, wenn auch die erste worthälfte dunkel bleibt. denn an das speciell zendische asha, ashavan rein ist nicht mit Zeuls 295 zu denken und dasselbe auch nicht in dem volks- und flufsnamen Asiacae, Asiaces, "A&ıdzys bei Mela, Plinius und Ptolemaeus anzunehmen. das ’E wird auch hier ein privati- ves a sein und in dem wort der begriff unverletzt, unverletzlich’ liegen, wie in unserm heilig’ (vgl. altpers. akhsata von kshan verwunden). das „ ist in allen ähnlichen compositis "Agriurar« (Agyturase), "Agyınmalcı, olb. TounBayos?, tanait. Ipeulodsros (vgl. med. pers. ’Agreu@cgns Herod. 1, 114 ff., 9, 122. Aeschyl. Pers.) das rätselhafteste, was der auflösung widersteht. aber wie im pehlvi und im neupers. pdi aus padha fuls entstand, so kann auch im seythischen pai aus path altpers. pathi pfad gewor- den sein; nahe liegt sonst auch zd. paya weide, trift, wonach die paradiese Otarpdya, Mähpäya (Spiegel parsigramm. s. 180) benannt sind '). aber auch von Herodots erklärungen persischer namen (6, 98) ist unter dreien kaum eine richtig, und bei ihm, der in geographischen und geschichtlichen dingen sich arge nachlässig- keiten zu schulden kommen liefs, darf ungenauigkeit in sprach- lichen noch weniger befremden, da er selbst, der scythischen sprache unkundig, von der aussage der Olbiopoliten abhängig war, die volkssage aber allenthalben “gesuchter und verkehrter deutungen’ voll ist (J. Grimm kl. schriften 1, 304). ein rechtes beispiel solcher “gesuchter’ deutungen ist die von ’Agınaszoi 4, 27 (Zeufs 299 anm.). das fabelhafte volk galt für einäugig (vgl. 3, 116) und daher soll der name soviel wie nouvopSarner, egına nemlich im seythischen &v, ozo0 auge bedeuten. nun findet sich ') hieraus liefse sich auch der letzte teil von "Apyınzatcı erklären. denn dafs so der name lautete, erkannte schon Salmasius exereit. Plinian. p. 147, da die hss. bei Herodot 4, 23 schwanken zwischen "Apyızzaloı und ’Opyısumaioı, wie c. 59 zwischen ’Apriuraca, "Apylumaca, ’Apinzica, und Zenobius prov. 5, 25 'Opyspzaloı, Mela und Plinius Arimphaei oder Aremphaei schreiben. leider ist der erste teil des compositums dunkel, und wie in pers. Bayaralos (‘gott zum schützer habend’ = ahd. Gotahelm) bei Ctes. Pers. 44, könnte -malog auch zd. päyu schützer sein. vom 2. August 1866. 850 ga in keiner sprache als erstes numerale, das skr. ddima pri- mus ist eine späte bildung; nur läfst zd. airima einsamkeit, ein neutrum, auf ein adj. arima = wovos schlielsen (vgl. zd. arme- shad einsam sitzend, osset. tagaur. ärmägt adv. blols allein), und ozoü auge ist denkbar (Grimm GDS. 233) aus der wurzel gpag = spak, lat. specio, ahd. spehön: man vergleiche sz2os spe- cus, pehlv. pdi zd. pagu (statt paku). allein ozoö konnte in der composition nicht zu ozoı werden und den stammvokal ganz verlieren: soll der name MouvohTannor bedeuten, müste er min- destens "Agıueorovsi, nicht "Agınaomoi lauten (s. Zeufs a. a. o.). dies ist ohne zweifel nichts anders als ein compositum von zd. airyama folgsam und acpa, agp ross, und der name bedeutet “folgsame pferde habend’. nicht besser steht es mit Herodots erklärung 4, 110 von Oiosrar« durch a@vögozrovor® oiöp yag ze- Akousı Fov avdge, 7° de marc zreivew. also dasselbe wort und dieselbe form soll einmal ein substantiv, ein femininum oder commune im nomin. plur., das andre mal ein verbum im infi- nitiv sein. nur der einfältigste köhlerglaube kann darnach das übrige dem Herodot ohne bedenken abnehmen. ihm, der die Sigynnen 5, 9 vom kaspischen (Strabo p. 520, Orph. Argon. 759) ans adriatische meer versetzt, ist trotz der wiederholung des worts zuzutrauen, dals er oigo- in log verkehrte; und cigo - darf man, wie Oioß«dos 4, 84. 7, 68. 9, 115. 119 auf altpers. Vaya- bazu (vgl. Vayagpdra auf der inschrift von Behistun), allerdings mit Zeuls 295 und Schafarik I, 284 auf zd. skr. vira mann, held zurückführen. allein der zweiten namenhälfte ist die be- deutung “töter, töterin’ ohne zweifel untergeschoben, sei es dafs man dabei an das causale pat- fällen von pat fallen oder an vad skr. vadh schlagen (vgl. unten Bad«zys) dachte. die rich- tige erklärung, wie Zeuls erkannte, ergibt das feststehende, seit dem vierten jahrhundert bei Sceylax und Ephorus erweisliche beiwort der Sauromaten Yuvamzorperounevor. marc ist ein nom. plur. von pati zd. paiti herr statt patayö, pataya (Justi p. 389) und Oigorar« sind die männerherrinnen, die männerbeherschen- den Amazonen. Was die erklärungen Herodots vermissen lassen, ersetzen jedoch die sonst von ihm überlieferten scythischen namen hin- länglich. er ist für sie fast die einzige quelle. denn den namen a \ 556 Gesammtsitzung und angaben des pseudolucianischen dialogs Toxaris, eines arm- seligen späten machwerks, das zwar ein gewisses altertümliches costüm zu bewahren sucht und Scythen und Sauromaten noch am Tanais zusammengrenzen läfst, doch daneben auch schon von Alanen redet, fehlt jegliche gewähr und die possen des Plutarchus de fluminibus kommen überhaupt nicht in betracht. von den scy- thieis des Plinius aber gehört nur hieher 6 $ 20 vocant Maeotin Temarundam, quo significant matrem maris, verglichen mit He- rodots (4, 86) ad ro0 Ilovrou (4, 51 Kerne Yrrevıoc), während die in demselben $ enthaltene notiz, dafs die Scythen den Ta- nais Silis nennen, den europaeischen grenzfluls mit dem Jaxartes- Tanais $ 49 verwechselt (Zeufs 296 anm.) und auch $ 50 auf die asiatischen Scythen oder Saken sich bezieht. die von Zeufs a. a. 0. versuchte deutung jener glosse aus dem ungrischen und türkischen ist schon darum hinfällig, weil sie sich auf die schlecht beglaubigte lesart Temerinda stützt, die von Bötticher (Arica p- 97) aus skr. tdmara aqua, weil hiefür die belege fehlen. stellt man die ersten buchstaben von Temarunda um in Metar oder Mater unda, so kommen gar bekannte wörter zum vorschein, und steckt unda (skr. udan) woge, wasser von der wurzel ud quellen, benetzen in: den letzten silben, so liegt jedesfalls kein eigentliches com- positum vor. ‘doch ist für den ersten teil in anschlag zu brin- gen, dals ein meerbusen, ein vorgebirge und eine stadt bei Strabo p- 307 f. Ptolemaeus Arrian und Stephanus Byz. Tauvgazys und - Tanvoazy heilsen. eine ansehnliche menge skolotisch-seythischer namen bieten nach Herodot nur noch die inschriften von Olbia aus dem ersten und zweiten jahrhundert unserer zeitrechnung'). denn 1) C.I. Gr. 2 nr. 2060—2096 mit den addendis p. 999 £. sie wer- den citiert als *olb’. die anführungen der bosporanischen (bosp.) von dies- seit, der maeotischen (maeot.) von jenseit der meerenge beziehen sich, so weit sie überhaupt in betracht kommen (s. 552 anm. 2), auf die nrr. 2103— 2131 c. add. p. 1004ff. und auf die nrr. XVIII—LI der Antiquites du Bosphore cimmerien. das citat tan. geht auf die vorhin s. 552 anm. 2 angeführten inschriften von Tanais. die sonst bei historikern vorkom- menden sarmatischen und alanischen namen finden sich fast alle bei Zeufs 297. 692f. 7O5Sf. wieviel diese untersuchungen dem trefflichen hand- buch der zendsprache von Justi zu verdanken haben, brauche ich nicht vom 2. August 1866. 557 dafs die barbarischen namen der Olbiopoliten von der sceythischen oder halbscythischen elientel und nachbarschaft der stadt, die wahrscheinlich nach der zerstörung derselben durch die Daken um 58 v. Ch. in die bürgerschaft aufnahme fand, herrühren !), scheint nicht zweifelhaft und ist jedesfalls viel eher anzuneh- men, als dals sie erst von den seit dem zweiten jahrhundert v. Ch. die steppe beherschenden, feindseligen Sarmaten entlehnt wurden. zwar erscheinen darunter namen von seltsamem aus- sehen, wie Movuzourayos Kovzovvayos "Pryouveyos "Aoyovavaıyos, aber unmittelbar daneben andre von dem unzweideutigsten ira- nischen gepräge: ’Aoraxys altpers. Arsaka, Baö«zys von vad skr. vadh schlagen, zd. vädha skr. bädha schlagen tötung, Ove- maddzrs, Aadarns neben Awdos wohl von dd geben (vgl. altpers. Dädarsi, Däduhya), "Ogevrns ?) der schnelle, starke nach zd. aur- vant, der sohn des Zr«daxys von altpers. zd. cpädha heer ?), “Parexeys von rap erfreuen, zd. rapaka freude, Bagvazys u. 8. W., und diese zum teil mit derselben erweichung des consonanten in der ableitung, Badayos Addayos Bagvayos. so wird kein ver- erst zu sagen. aufserdem habe ich hrn. A. Weber für manchen freund- schaftlichen rat und wink zu danken. 1) Böckh C. I. Gr. 2, 81. 87. 110. Herodot 4, 17: dnd ov BopuoSe- "veirtuv Zumoplov — mporoı — "EAAnves Zxugar = MıEEAAnveg des olbi- schen psephismas nr. 2058 B. vgl. Ovid über Tomi in meinem artikel "Ge- ten’ in Erschs und Grubers encycl. 1, 64, 462. . 2) weil nr. 2060. 2088 ein "Opovras "ABdßov vorkommt, möchte Böckh beide namen für eingeführt aus Syrien halten. allein auf den syrischen flufs Typhon (Movers Phönizier 1, 523) ist der name ’Opovrng, aus Xeno- phon und sonst als 'persischer mannesname bekannt, ebenso wie auf das gebirge bei Hamadan (Opovrng bei Ptolemaeus, Aurvant im Avesta, j. Al- vend, Elvend), nur nach seiner adjectivischen bedeutung übertragen, und bei Ababus wird um so weniger an den ohnehin anders lautenden bei- namen des Adonis (Movers s. 202) zu denken sein, weil auch die alanische mutter des kaisers Maximin Ababa hiefs (Capit. vit. Maxim. c. 1. Jordan. c. 15) und der name seiner bildung nach auf gleicher stufe steht mit scyth. Hamatos (Zeug opSorara Kata yuwunv Ye TnV Zunv xokeonevog. Herod. 4, 59), olb. Hariag Ilarnias, maeot. bosp. Ildrnos Iands Doanrias Ieaßas, tanait. Baßos nr. LXXI, sarmat. Babai bei Jordanes c. 54. 55, npers. babd, bab. ?) über Zapaoradyg u. a. Pott in der ztschr. der D. M. G. 13, 416 f. und Spiegel in Kuhns beiträgen 4, 448. 958 Gesammtsitzung ständiger und methodisch denkender jene herausgreifen, um dafür nach anklängen bei den Mongolen zu suchen, und die übrigen als nicht scythisch ohne weiteres bei seite lassen. da die Sey- then noch in vorhistorischer zeit über den Tanais eingewandert sind, so kann im lauf der zeit in ihrer sprache sich vieles eigen- tümlich und abweichend von der ihrer stammverwandten gestaltet haben. allem anscheine nach haben sie sich von den übrigen Iraniern schon abgetrennt, ehe bei diesen die zoroastrische reli- gion herschend wurde, da im scythischen göttersystem (Herodot 4, 59), das zwar eine heerd- und feuergöttin T«ßır! ) voran- stellt, keine spur davon vorkommt, noch sonst sich findet. auf die behauptung, dafs sprachen nomadischer völker schneller dege- nerieren als die sef[shafter, ist kein gewicht zu legen, sie scheint unerweislich. allein da schon das griechische des aristophani- schen bogenschützen den abfall der auslautenden consonanten der flexion, Herodots ’Ar! Taßır! szoÜ, die seythischen glossen des Hesychius, wenn sie hieher gehören, &yAv zVzvos (armen. angf, Bötticher Arica p. 54), «@dıyog TgoEaANic, evop voos zum teil so- gar auf eine noch weiter gehende verstümmelung der endungen schliefsen lassen und Herodots szoö, vielleicht auch sein ’Eru- ratos und 'Apyınratcı den ausfall oder die auflösung eines con- sonanten belegen, so können fremdartige bildungen und rätsel- hafte, den jüngern iranischen dialecten analoge erscheinungen zu- letzt in namen aus der römischen kaiserzeit nicht überraschen ?), ') nach der richtigen deutung von Zeufs 286. Taßıri ist eine allen arischen sprachen geläufige femininbildung (Bopp vgl. gr. $ 841ff.) von tap brennen, leuchten mit erweichter tenuis wie in Taßınvy, Taßıava (Ptolem.) und in andern iranischen namen der alten, sowie in den jün- gern dialecten, Justi p. 132. ?) erwägt man z. b., dafs aus zd. vohuni blut in spätern dialecten khün (Justi p. 287), aus ga, hva (skr. sva) khü (s. unten), aus magha- oder nach Justi aus nmänöpaiti hausherr möbad, armen. movpet wurde u. dgl. m., so verlieren namen wie Kovdvos nr. 2078, Kovxovvayos (Kov- xovvda eine stadt an der ostseite des Maeotis bei Ptolemaeus 5, 9, 29), Movxouvayos wenigstens ihr fremdartiges aussehen. "Apyovdvayog ist ohne zweifel ein compositam, wobei man an osset. argh wert, würdig, zd. van lieben, schätzen denken kann. auch Tovußayos wird ein compositum sein, man vergleiche zd. Tümdrpa, tima stark, tava vermögend uud bagha (gott) teil, glück. vom 2. August 1866. 559 zumal da namen verkürzungen und diese wiederum ableitungen leicht erfahren. überhaupt aber läfst sich zwischen den älteren he- rodotischen und den jüngern inschriftlichen namen keine scheide- linie ohne willkür ziehen '). Trvoügos bei Herodot klingt schon seltsam genug. sein 'Wrezugıs stimmt in der endung mit olb. Movzouvezugos, mit pers. Aspacures bei Ammian 27, 12, mit sarmat. Tapvgazys -azn und Ilesvos bei Strabo und Ptolemaeus, und bis auf das adverbiale praefix, wie es scheint, völlig mit dem parthischen Ne«zogos. die einförmige ableitung auf - «x7s -«yos hat allerdings später in Olbia aufserordentlich zugenom- men; aber Herodots T«&azıs und "Ogızos, des unbekannten alten gewährsmannes des Mela und Plinius Asiacae und Asiaces (bei Ptolemaeus ’A£tazys) belegen sie auch hinlänglich für das alt- scythische. Herodots Szur4s kehrt wieder mit griechischer ab- leitung am Bosporus als ZzvAaöys und "Pravıs oder "Yravos als mannsname in Olbia, wobei nicht an eine übertragung von dem fluls auf die person zu denken ist. dafür würde es wohl an jeder analogie fehlen. vielmehr ist anzunehmen, dafs der name so wie ’Ogevrys und der sarmatisch-iranische OVaadavns ?) seiner bedeutung nach gleichmälsig eine anwendung auf einen fluls und auf eine person gestattete, so dals er mehr als ein andrer die lebendige fortdauer derselben sprache im norden des Pontus bezeugt. Nicht minder bleibt die übereinstimmung scythischer und sarmatischer namen in älterer und späterer zeit, sich gleich. den scythischen steht im osten der Maeotis ein sarmatischer "Yrevıs (Kuban) gegenüber, der schon dem 'Aristoteles bekannt war °?); ") Böckh, in der ansicht Niebuhrs von der mongolischen abkunft der Scythen befangen, suchte p. 110 ff. eine unterscheidung zu stande zu brin- gen, offenbar mit geringem erfolg. ?) von der wurzel skr. vridh wachsen stammt zd. vared fördern, vareda wachsend und als subst. wachstum, stärke, altpers. vardana stadt, der parthische personenname Vardanes bei Tacitus ann. 11, ff. und Jose- phus ant. jud. 20, 3, 3 und der jüngere sarmatische name Ovapdavng für den Kuban bei Ptolemaeus. ’) Ukert Skythien s. 200f. wenn zd. hva, ga (skr. sva) zu khü wird und p sich in den jüngern dialeeten zu b erweicht, so könnte Kuban die jüngere form von "Ymavıg sein. möglich ist es freilich auch, dafs nach 560 Gesammtsitzung an Tvo«s gemahnt hier Tugaußr bei Strabo und Ptolemaeus. die flufsnamen im norden des Pontus bleiben auch nach der inva- sion der Sarmaten über den Tanais dieselben und erst die Goten bringen von norden her, wahrscheinlich von den Slawen, die vermutlich älteren namen Danaper (Bog) und Danaster wieder auf‘). auf beiden seiten finden wir die merkwürdigen, ent- schieden iranischen composita von "Aga-: "AsınmeiIns "Agıavres Scythen bei Herodot 4, 76. 78. 81, ’AgıegaSys auf einer bospo- ranischen inschrift nr. xxxvV, "Agıobagvys ein Thraker? oder nach Böckh C. I. Gr. 2, 102 ff. vielmehr ein Sarmate bei Diodor 20, 22. 23, und die nicht minder iranischen auf &rros (s. unten); eben so die mit ‘'Paö«- ‘'PaSa- (zd. ratha wagen, kriegswagen), in Olbia “"Pa9aywros 2), Padauılov, am Bosporus 'Padau«sevus und “Padapsadıos (s. unten über u«r-), wenn diese von den Sarma- ten entlehnt sind; bei den Scythen an der Donaumündung im vierten jahrhundert den könig ’Ar:as, auf einer maeotischen in- schrift einen ’Arıas, offenbar von at wandern, rasch sein, skr. atya der renner (vgl. unten ’Arauage, ’Arepnares und Tegazıs); in Olbia einen MovArovgyos, am Bosporus und bei den Maeoten "Asmovpyos, "Asrmougyıevoi (Strabo p. 495. 556. Tab. peut. inser. bosp. nr. XVII. LXXI. LXxuf), bei den Alanen Beorgus (Jordan. 45, der lautähnlichkeit beider namen der des scythischen flusses auf den maeo- tischen übertragen ist, so wie der indische "Mbacıs (Vipäga) bei Strabo, Diodor 2, 37 und Dionysius perieg. "Vravız heifst. dafs ”T- jemals jenes praefix va ausdrückt, läfst sich nicht belegen, s. unten. es ist in "Vravıs und Wraxvpıs ohne zweifel als Vi- aufzufassen, wie. in Moraonns altpers. Vistäcpa, "Vdapvns altpers. Vidarna u. s. w. *) Danastus Ammian 31, 3, 5. Advanpıs peripl. pont. Eux. $ 58. Danaster, Vagosola, Danaper Jordanes c. 5. ®) den buchstaben nach treffen “PaSayweos und got. Radagaisus aller- dings ziemlich überein, aber über diese äufserliche zufällige ähnlichkeit geht die übereinstimmung nicht hinaus, wie jeder zugeben wird, der etwas von deutschen und iranischen namen versteht. da skr. ghösha nicht wie zd. gaosha altpers. gausa ohr, sondern klang, getön bedeutet, so ist "Pa- Sayweog ein wagenrassler und der von Schafarik 1, 366 ich weils nicht aus welcher quelle angeführte sarmatische Saragosius ist einer der mit pfeilen (skr. cara, vgl. altpers. saragtibara, Spiegel keilinschriften s. 106f.) rasselt oder klirrt, gewis die passendsten namen für Scythen und Sarmaten. vom 2. August 1866. 561 Beorgor Marcellin. com. und Cassiodor ad a. 464); endlich bei den Scythen als stammvater ihrer könige den göttersohn Tegyir«os, bei den Iaxamaten an der ostküste der Maeotis mit deutlicher arischer motion des femininums die fürstentochter Tıeyaraw !). dafs in der schwächung oder verstümmlung der wortendungen das sarmatische mit dem scythischen übereintraf, mufs man schliefsen, da die griechische oder lateinische formung sarmati- scher sowohl als sceythischer namen in der flexionssilbe oft ver- schieden (-os -us statt -ns -es) ausfällt von der iranischer namen. auch die erweichung der tenuis der ableitungssilbe fehlte dem sarmatischen nicht *). wenn die elemente der namenbildung sich ungleich verteilen, z. b. die auf -yer«ı ausgehenden ethnika Tupayerau Qussayera Mugyeraı Meruzeraı, die personennamen auf -r&Sys "AgıameiIys Irapyarsıyys Scolopitus seythisch, .da- gegen die ethnika auf - ara Sauponeren "Iaeda- IrEanercı O:- oanareı Agamatae (Plinius 6 $ 21) und die personennamen auf -bagvys sarmatisch zu sein scheinen, so waltet darin wohl mehr eine laune des zufalls als ein innerer sprachlicher grund; wenig- stens kommt $agvayos in Odessus und Olbia vor und in Asien werden Massayeraı, sowie IHevrıuaSo: (Herod. 3, 92) und Syr- matae (Plinius 6 $ 48) genannt. über beiden dialecten steht die höhere einheit des iranischen oder des arischen, in dem beide wurzeln; ihre verschiedenheit aber entzieht sich unsern blicken. wir erkennen nur ihre wesentliche übereinstimmung und zwar auch in einem punkte, wo sie dem iranischen im en- gern sinne gegenübertreten und sich näher an das armenische und ossetische oder auch die ursprache anschlielsen. ") bei Polyaen 8, 55. über das spätere vorkommen des namen Tap- yirıos oder Tapyizns bei den türkischen Awaren s. Zeuls 291 anm. Ebel bei Kuhn 6, 400 erinnert für die letzte worthälfte an skr. tavas stark, stärke zd. tavan vermögend, für die erste sehr unpassend an TpExXw. 2) ’Jaßuyss, Jazuges; "Audyn eine sarmatische königin bei Polyaen 8, 56, von zd. ama stark; vgl. olb. "Auvayos nr. 2084. 2077° add. das ossetische hat im part. praes. und bei adj. regelmäfsig die endung -ag. daneben erhielt sich noch die tenuis: jazyg. Zavrıxo; bei Dio, Kavdaxov bei Ptolem.. alan. Candac Jordanes c. 50, Atax oder Addax -acıs bei Ida- tius ad a. 418. (Adaces nobilis satrapa, Ammian 251, 6) vgl. med. ’Acrua- yns zd. azhi. dahäka, med. pers. "Apmayos zd. rapaka? s. oben ‘Panaxeng. . 562 Gesammtsitzung Die iranischen dialecte, der baktrische oder zenddialeet im osten, das altpersische im westen, kennen kein L, nur ein R. im seythischen ist das L häufig. für den anlaut sind die belege unsicher. Herodots flufs- und mannesname Avzos klingt allzu griechisch, bei Arzo£ais ') schwankt die lesart mit Nıro£eis und für Aoyyarıs gibt der Toxaris keine gewähr; aber Kor«£ais Irordroı Zrurys (ZzvAddys) Scolopitus Hagardraı Zuvrıos lassen es nicht zweifelhaft, wenn ınan auch ’Arufuves Karrızidaı Ve- Awvos, den taurischen 3zAovgos und jüngere olbische namen teils als zu sehr graecisiert, teils als fremdartig beiseite läfst. eben so wenig fehlt es bei den Sarmaten, in "PuEoAavor Kogarrcı Limigantes, in tan. Zıavrzos NıProßwgos Bardcgevos, und in dem alanischen Respendial. dafs der name Alanen, obgleich nicht bei dem volke selbst entsprungen, bei ihm in gebrauch war, beweist Alanovamuth, der vater des Jordanes ?). einige male ist das L ersichtlich erst durch assimilation oder dissimilation entstanden. Ilegardrer, die höchste, oberkönigliche, vom Kordgais abstam- mende phyle des Scythen, sind entweder nach zd. paradhäta (pehl. peshdät) die vorangestellten ?), also Pischdadier, oder auch nach zd. ratu herr und herschaft, die vor andern die herren sind oder die herschaft haben. auf ähnliche weise könnte man “PwEoravor erklären. aber am wahrscheinlichsten ist es eine dem ethnikum angemessene, patronymische bildung auf zd. -äna von dem adj. zd. raokhshna glänzend, leuchtend, wonach Pw£avy soviel wie Lucia, Berhta bedeutet und die sakische königsstadt ‘PwEavdzy hiels, wo die königin Zegweie, die goldne nach zd. 1) Ebels deutung bei Kuhn 6, 400 ‘gesalbter könig’ ist unangemessen und unglaublich. auch seine deutung von KoAagais, so ansprechend sie ist, scheint bedenklich, da skr. kula geschlecht kein altes, vedisches wort ist. überdies da nach Herodot 4, 6 die ZxoAdroı von Koriageis benannt sind, so mufs KoAa@- im anlaut ein 2 verloren haben und darnach die deutung dieser und der übrigen namen desselben stammes versucht wer- den. zu vergleichen ist namentlich armen. Cylaces bei Ammian 27, 12. über persisch -iranische namen mit Z bei den alten s. Pott in D. M. G. 4, 388 fi. ?) vgl. J. Grimm über Jornandes s. 6. ?) Justi p. 185 erklärt paradhäta “der zuerst das gesetz (des regie- rens) ausübte’ nach dät« satzung, gesetz. vom 2. August 1866. 968 zaranya gold, herschte, der das volk nach ihrem tode eine goldne bildsäule setzte und heroische ehren erwies !). ‘PwEoravo/ steht also für "PwEovavo! und läfst sich durch mhd. Berhtunge wieder- geben. der alanische Respendial endlich erinnert auffallend an Firdosis Icfendyäar. doch ist schwerlich eine solche entstellung, wie dieser uralte sagenberühmte name allmählich im durchgang durch verschiedene stufen der sprache und litteratur von zd. Opentöddta an erfuhr, für jenen anzunehmen: die endung scheint eher eine adjectivische bildung wie im armenischen zu sein ?) und der erste teil mit dem rhoxolanischen Rasparaganus zu ver- gleichen. Im übrigen aber aufser dem Z halten sich die scythischen und sarmatischen namen durchaus innerhalb des iranischen laut- systems, wie es sich im altpersischen und zend darstellt. es bedarf nur eines näheren eingehens auf den consonantismus, da sich leicht ergibt, dafs die beiden dialecte bis auf eine hie und da neben gewissen consonanten bemerkliche neigung zu dumpfe- ren lauten im vocalismus noch dem altpersischen näher standen, als dem baktrischen, und nicht die diphthongenfülle uud zahl- reichen lautmodificationen des letzten kannten. im consonantis- mus aber treten die wichtigsten merkmale, die das iranische teils vom indischen unterscheiden, teils ihm mit demselben gemein sind, aufs deutlichste hervor. Wir gehen aus von einem ganz sichern beispiel für den übergang des $ in 4. der anonyme compilator, der frühstens im fünften jahrhundert einen periplus des Pontus aus verschie- denen quellen zusammenstellte, schaltete $ 51 aus eigner kennt- nis die notiz ein, dafs Theodosia zu seiner zeit im alanischen oder im taurischen dialect ’Agd«Ld« heilse, rovrestw Erra Sec. er wuste offenbar nicht genau, welcher sprache der barbarische name angehörte. Theodosia lag nicht im gebiet der Taurer ?). !) Ctesias bei Nicol. Damasc. fr. 12, Diodor 2, 34 und andere, s. Müller zu F. H. Gr. 3, 364 und Bähr Ctesias p. 221. 447 ft. ?”) hr. college Petermann erklärt Respendial aus dem armenischen als räst pendial das rechte oder das glück haltend. °) Sceylax $ 68, so wie Ephorus? im anon. peripl. pont. Eux. $ 50. 52 (vgl. dazu K. Müller, nebst dessen proll. p., CXVILf. und anm. zu Scymn. 834), setzt die grenze der Scythen gegen die Taurer ins gebirg 964 Gesammtsitzung zu Herodots zeit hatten königliche Sceythen den östlichen teil der halbinsel inne, und da ein wechsel der bevölkerung hier so wenig wie in der nächsten umgebung von Olbia eintrat und die herschaft der Sarmaten und Alanen sich nie bis dahin er- streckte, so scheint nur der alte epichorische, scythische name der stadt nach dem untergang des Griechentums emporgekom- men zu sein. wie dem aber auch sei, dafs &£d« das zendische hapta, gr. Enra skr. saptan lat. septem deutsche sibun ist, kann nicht zweifelhaft sein, und ebenso wenig dafs &0- zd. eredhwa hoch, erhaben altpers. arda- lat. arduus altkelt. arduas -os (ir. ardd). nur die composition ist seltsam und wenig glaublich, aber die ähnlichen zeichen P und B können leicht von einem abschreiber vertauscht sein, und durch die umstellung erhält man eine.ganz untadliche zusammensetzung: "Adaod« oder Aldagda die durch sieben (götter) hohe, erhabene stadt. bei Herodot fehlt nun ein sicheres beispiel des 7 für $S'). aber in dem ortsnamen "Adeyagıov, den Ptolemaeus am Borysthenes aufführt, ist das freilich in viele unverwandte sprachen verbreitete zd. hazanra (statt hazanhra, hazägra), skr. sahasra tausend leicht zu erkennen ?), da das dritte « nur eine vocalisierung der ver- bindung ygist. auch in olb. ’AgrroVex,os ist sichtlich zd. vanhu, . vah- skr. vasu gut enthalten und der name gewissermälsen nur eine umkehrung von zd. Vanhuarshya guter weiser. ferner ist olb. Xovvegos Evavdgos, wie zd. hunara skr. sünari svevdge tu- gend gebildet und genau das im tschetschenzischen aus einer arischen sprache entlehnte huner held. dies hu (skr. sü gr. ev) westlich von Theodosia. diese ausdehnung des seythischen gebiets ist gröfser, als Herodot 4, 20. 100. 110 sie kennt, und stimmt mit der er- werbung der stadt durch die hellenischen archonten des Bosporus um 393 nach Böckh C. I. Gr. 2, 96; vgl. Strabo p. 309. 311. _ !) ’Oroin, den namen einer scythischen königin, auf zd. kupdya (zd. hu gr. eu skr. su) die gut säugende zurückzuführen, wäre unangemessen; wahrscheinlicher ist eine deutung aus zd. vap weben, obgleich vapaya weberin ’Qroin erwarten läfst. 2) vgl. "Alapa und ’Adapaßa städte im osten der Maeotis bei Ptole- maeus 5, 9, 3. 26; Hesych. dLapamarsig — mapd Tlepoaıs, nach Breal p- 38 xiAtapxor; nach de Lagarde abhandlungen s. 186 übersetzt aram. haza,rapet nicht nur xiAlapxos, sondern auch oixovouog und mirpono:. vom 2. August 1866. 565 kehrt dann noch mehrmals in tanaitischen und entsprechenden bosporanischen namen wieder: Xodawos (bosp. Kovdeiw-?) zd. hudaena pehlv. hudin zuvonos. Xogo@Ios zd. huraodha schön gestaltet. Xobagvys (auch bosp.) zd. hu-fräna. Xobeaguos zd. hu-frdshmi wohl fördernd. bei dem tanaitischen ’Oxoaegavys kann man zweifeln, ob es zd. vohu-varezäna oder dem zd. hvarezäna d.i. hu-varezana gutes oder wohl wirkend, vollbringend ') entspricht. das zd. hva oder ga altpers. uvd- für skr. svd, das die Griechen in Xwoaspoı oder Xogespo: und Kua&dens auf verschiedene weise wiedergeben, ist wiederzuerkennen in den’ olbischen namen: Xwodaggos zd. gä-derezi selbst, in sich fest und stark ?). Ko&ougos zd.ga-güra selbst, durch sich selbst stark °). Kovfatos zd. gä-zaya selbst, durch sich selbst bewehrt. auch olb. Kadivas maeot. KoSivas Togivys gehört wohl hieher und ist dann nach zd. gäzaena (vgl. huzaena pehlv. huzin) we- sentlich gleichbedeutend mit Kougaios. dagegen tanait. "Ayaıss- viöys aus dem ende des zweiten jahrhunderts n. Ch. und daher schwerlich erst den Persern entlehnt, folgt bei dem bekannten namen der alten schreibung für altpers. Hakhamanisiya, wo der hauchlaut wieder ein s vertritt, nach zd. hakhi genosse, freund skr. sakhi. Sangibanus endlich der name des alanischen königs, mit pers. "Agraavos verglichen, ist gebildet von zd. ganh, canha skr. sansd von der wurzel cas sprechen, befehlen mit dem sufix von, also der mit dem wort oder befehl versehene, der wort- und befehlshaber *). ') vgl. osset. khoarz gut, zd. hvarez. ?) vgl. parth. Gotarzes bei Tac. ann. 11, 8. 10 ff., Godarzas im Bun- dehesh, Justi p. 98, Guderz bei Firdosi, das Spiegel in Kuhns beiträgen 4, 447. zu deuten sucht. °) vgl. zd. gapgura np. khugur armen. kerour schweher. *) denkbar wäre auch banus aus pän (zd. peshupän die furt bewa- chend, behütend, pers. ”Apraravog bei Ctes., "Apramavng bei Arist. polit. 5, 10), wie im neup. schübän, pdsbän, erweicht; man müste dann aber zugleich annehmen, dafs es im alanischen wie im slawischen die bedeu- tung ‘herr’ statt “hüter’ erhalten hatte. 566 Gesammtsitzung Der verflüchtigung des $ in H correlat ist der übergang des ursprünglichen GH (im skr. oft blofses H) in Z, so dafs die belege für diese erscheinung selbst die für jene bei Herodot etwa feblenden ersetzen können. "Adaycgıov führte schon auf skr. sahdsra zd. hazanra und in den jüngern namen sind noch folgende wortstämme zu erkennen: skr. mah zd. maz grols: bosp. M«d« tan. ’Araucle, im Toxaris Mala; vgl. noch maect. bosp. Mesroüs, Masragovs, Me- creipt, Masregvns. yahu zd. yazu grols, erhaben: sarmat. eye Jazuges. ist diese ableitung richtig, so kann die nahe liegende vermutung, dafs der name nur eine jüngere, kürzere form für 'Iel-a-naraı, 'Ia&-a-uereı sei, nicht wohl auf- kommen. skr. darh zd. darez fest machen, derezi stark rüstig: olb. Xw- daggos 8. 565, tan. Zavöapfıos, maeot. Pardagados. list man Sbevöaoefos, indem man den auslaut des auf der inschrift nr. 2130 vorhergehenden namen wiederholt, so ist anders abzuteilen und die zweite hälfte wohl auf zd. areza acies, schlacht von arez skr. arg zurückzuführen. skr. varh zd. varez wirken: tanait. "Oxoaggavrs s. 565, olb. OvapgBaros ap skr. hi zd. zö treiben, eifrig sein, wachsen; werfen: jazyg. Zizais ?), olb. Kovgatos von zaya waffe, bewehrt, olb. maeot. Kalivas KoSiwvas Tofivss von zd. zaena waffe s. 869; jazyg. Zinafer und Zor-sines, der name eines Sirakenkönigs bei Tacitus, enthalten gleichfalls wohl das- selbe wort zaena pehlv. zin, jenes im ersten, dies im letz- ten teil. skr . skr. hava zd. zava: maeot. Zußayıog? ) vgl. olb. Apeißadıs, vielleicht als Apißadıs zu lesen, dak. Dece- balus;, skr. bala kraft, stärke? ?) Zeufs 298 verglich pers. TiSaıog bei Herodot 7, 88; aber dies führt eher auf die wurzel ci zurück, nach Herodot 7, 11 Teiczus altpers. Caispis, 3, 70. 78. 7, 97 "AcnaSivng altp. Arpacand zd. Arpacina. vgl. Tpiravraixuns (statt Tırpav-) bei Herodot 1, 192. 7, 82 altpers. Citra- takhma, TıSpavorng bei Xenophon zd. Cithra-vastu. vom 2. August 1866. 567 dem tanait. ’Arcu«ga steht nun auf der inschrift von Anapa ’Arranacas ’Araucses gleich, auf dieser seite des Bosporus folgt “‘Padanassus und mit derselben unterdrückung des stammvocals, wie in zd. bda statt pddha padha, fshu statt pagu, gma statt zema in der composition, das weiter abgeleitete ‘Padausdıos und olb. ‘Padapıbav. der vokal ist aber erhalten in Herodots Bammasedes und "Ozrauasradys, wo also derselbe stamm maz anzuerkennen ist, wie es sich auch mit der ableitung verhalten mag. nimmt man für uaseöas, marcörs die bedeutung "mächtig, mit gröfse, macht begabt’ an, so wäre 'Ozrau«saöys berühmter, gepriesener machthaber nach zd. ukhta, ukhaha von vac spre- chen !), und wer will, kann den namen des scythischen Posei- don als erderschütterer oder erdumspanner fassen, da Say. zd. zem, parsi neup. zami skr. gam sein kann. denn wenn im zd. und altpers. TH für Q, im pers. D für zd. Z eintreten, so konnten im seythischen wenigstens die laute einander so nahe liegen, dals die Griechen für Z © als zeichen verwenden durf- ten. verwendet Herodot doch T und © in pers. Teiszys Tar- ravraiyjıns und 'AsraSivys sogar für die palatale tenuis C! so ist auch in seinem "Agazeıyys und SraoyarsıSys, in Justins Scolopitus, nicht etwa zd. paiti herr oder paithya herschaft zu suchen, da sonst keine spur für den umlaut des «a vorkommt, sondern wsıSys ist aus paeca gestalt zu deuten, da in dem massa- getischen Zraoyarisys das gleichbedeutende piga gestalt unver- kennbar ist, so dals beide namen, deren ersten teil zd. cpareg sprossen, spriefsen erklärt, einen der eine jugendliche gestalt hat, die beiden andern aber, "AguezsıSys und Scolopitus, leute von arischem und skolotischem aussehen und habitus anzeigen. das olb. AuwSosros aber scheint fast einen nicht minder sichern beleg des © für zd. Z (skr. HZ) zu gewähren, da die erklärung des zweiten teils durch zd. zagta altp. dagta skr. hasta hand der aus tasta geschaffen von tash zimmern, schaffen oder aus dästa tragend vorzuziehen ist *). der erste teil ist wie in zd. amö- 1) vgl. zd. aokhtönäman (aokhta = (vak-) ukhta) einer dessen name genannt, gepriesen wird. ?) dagegen Meyadootng, ein Perser bei Herodot 7, 105 ist zd. Ba- ghazusta @eopı&og (zd. zusta altp. daustar pehlv. neup. dögt), nicht Bagha- 568 Gesammtsitzung jata kräftig geschlagen das subst. ama stärke, "AusSesros also starkhand. Die zweite funetion des zd. Z als vertreter der palatalen media des skr. ” scheint nur der sarmatische volksname ’Ie- Cawercı sicher zu belegen, da dies die älteste und bestbezeugte form desselben ist und auch die nebenform ’IeZauer«: die ab- leitung von yazu grols ausschliefst. "Iagauareı ist daher aus zd. yaz opfern, preisen skr. yag zu deuten.!) olb. Naß«gos entspricht dann zd. navaza, dessen erklärung neugeboren aus nava und zan skr. gan, wie sie der name verlangt, freilich un- sicher ist?). auf diese wurzel zan oder zunächst auf zd. zantu (skr. gantü) genossenschaft (gens) aber geht ohne zweifel, wie med. ’Agıdavroi bei Herodot 1, 101, der name des Jazygenfürsten Zavrızds bei Dio zurück, obgleich zd. zan skr. gnd kennen, er- kennen, wovon zentu das wissen abgeleitet ist, nicht minder einen passenden sinn ergäbe. auch der erste teil von dem siraki- schen Zorsines ist ohne zweifel zd. zura oder zavare, in neueren dialecten zör stärke, kraft von der wurzel zu skr. gü eilen, stark sein, so dafs der ganze name nach dem vorhin über den zweiten teil bemerkten der mit kraft bewehrte bedeutet.?) in olb. ’Ao- zacta deorum manus?, wie Breal de persicis nominibus (Paris 1863) p. 15 erklärt. Pott D. M. G. 13, 439 war schon auf dem richtigen wege. 1) Justi p. 243 falst pers. /zates bei Tacitus ann. 12, 13. 14 und Josephus als zd. yazata skr. ya 'ata verehrungswürdig und vergleicht noch die ’Ioarixaı des Ptolemaeus. Breal p. 13 deutet 'ILaßarns bei Ctesias c. If. eben daher. die form ’Iafaudraı bezeugt der sogenannte Scym- nus für Ephorus und Demetrius von Kallatis, nach Steph. Byz. schrieb Ephorus ’Ietaßdraı, Hecataeus ’IEıßdrar, was sicherlich eine entstellung ist, wie ’Igaßerng, ’IEaAßarns in hss. bei Ctesias. "Iagaudraı schreibt Ptolemaeus und nach ihm Ammian, und dieselbe form setzen voraus Melas Ixamatae, Polyaens ’I&ouaraı, des Valerius Flaccus Exomatae. Ukert s. 546. ?) Justi p. 169. 267 unter vafra. ?) der aorsische genosse des Zorsines bei Tacitus ann. 12, 15#., Eunones führt auch offenbar einen iranischen namen, der wohl aus zd. vaen altpers. vain (osset. unin) sehen zu deuten ist, mit dem eigennamen- suffix -aona (Justi p. 368. 136, 6). vgl. parth. Wonones bei Tacitus und sonst Bovwvyg von van siegen, nach Spiegel in Kuhns beiträgen 4, 448 das part. med. vanannö oder vandno siegreich, schlagend. vom 2. August 1866. 569 sans, 'Aoonovayos, wahrscheinlich auch in ’Avgyapsıs, wenn auch die erste hälfte dunkel ist '), vertritt das 3 denselben pa- latalen laut, wie schon im altpers. und zd. ars- eres- für erez. höchst auffallend ist dagegen die bezeichnung in Rasparaganus — denn so und nicht Rasparasanus lautet nach einer mitteilung Mommsens auf zwei inschriften aus der zeit Hadrians der name des rex Rhoxolanorum oder Sarmatarum —, wenn nemlich raspa, wie Weber nach analogen übergängen in jüngern irani- schen dialecten vermutet, zd. ratkwa richtigkeit oder herschaft ist und der zweite bestandteil des namen dem part. med. r@- zäna von zd. rdz skr. räg ordnen, regieren entspricht, wonach sich die bedeutung “ein richtig regierender’ oder “die herschaft ordnender’ ergibt. man muls dann wohl annehmen dafs eine palatale aussprache noch immer soviel von dem grundconsonan- ten übrig liefs, dafs die bezeichnung des lauts durch g aus- reichend schien. der flulsname T:«oavros bei Herodot, der frei- lich schon aufserhalb des eigentlichen scythischen gebiets liegt, bei Ptolemaeus mit falscher graeeisierung “Ieo«ros, bei Ammian Gerasus statt Jerasus, heute Sereth läfst noch den echten palatal frz. j slav. 2 erkennen und die erklärung durch zd. jar skr. gar rauschen, knistern liegt hier ganz nahe ?). Dafs die dem indischen und iranischen gemeinsame pala- taltenuis C auch dem scythischen und sarmatischen nicht fehlte, mufs man aus olb. Paggyos und tan. Xepgaguos (s. 565) schliefsen, da beide namen auf skr. pränc zd. fräs, im parsi frdz vorwärts weisen, wovon zd. frasha vorwärtsgehend, gefördert, frdshmi fördernd stammen. und falls der laut in zd. shu altp. siyu ge hen, marschieren und gehen machen, fördern dieselbe verdünnung ‘) Leo Meyers erklärung bei Kuhn 5, 162 aus skr. anagha unschul- dig (vgl. zd. agha böse) und rshi weiser (vgl. zd. Vanhuarshya s. 564) hat doch ihre bedenken, auch abgesehen davon dafs sie vom skr. aus- geht, weil der name dem scythischen weisen erst nach seinem tode (He- rodot 4, 76f.) beigelegt sein müste. vielleicht ist das zweimal von Xe- nophon (Cyrop. 6, 3, 31. Anab. 1, 7, 11) bezeugte "Apraytpeyg zu ver- gleichen. 2) stünde Herodots Tiepavrog allein und folgten nicht “Tspacog, Ge- rasus darauf, so würde man nach dem heutigen Sereth dafür eher an car gehen, zd. carant schreitend denken müssen. [1866.] 40 970 Gesammtsitzung erlitten hat'), so ist es erlaubt auch Herodots Zevr.ıos und tan. ZievAzos mit dieser wurzel in verbindung zu bringen.”) aber directe belege für die fortdauer des C' scheinen zu fehlen. Desto häufiger sind sie für die palatale spirans (. hervor- zuheben sind zunächst die composita mit acpa skr. acva equus, wo im iranischen und im scythisch-sarmatischen gp einem ur- sprünglichen kv, skr. gu gegenübersteht: scyth. "Agınerzoi bei Herodot (s. 555) folgsame pferde habend’. bosp. "Asmoupyos, "Acmcugyıavcı. (s. 560). tan. Bargesmos wäre zd. Baevaragpa, einer der zehntausend (baevare wugtaı) rosse besitzt, wie Iardsewis einer der hundert (gata), zd. Cathwaragpa einer der vier, Pouru- shagpa der zahlreiche rosse besitzt. jazyg. Bavadasmos wäre zd. Vanatagpa, einer der siegreiche (vanant) rosse besitzt, mit dem regelmäfsigen ausfall des nasals in der composition, wie in vanatpeshana, Aurvat- agpa, Haccatagpa u. S. W. tan. Bogaomuzaßos (mi Boga||smwzaßov aoyovros Taveeuc), ein decompositum wie zd. Acpöpadhömakhsti. zd. acpökavi wäre 'rosskundig’, aber für die erklärung des ersten teils trägt die analogie von Bogus->evys nichts aus, da weder zd. vouru breit, weit noch vara erwünscht, gut einen passenden sinn ergeben. auch scyth. To«szıss, olb. Zrwreyos sind unklar und bei maeot. Ybavdagegos, alan. Respendial ist die anknüpfung an zd. epenta ungewis, da für jenen namen der anlaut nicht feststeht (s. 566) und für diesen der erste teil von sarm. Rasparaganus in betracht kommt. altes ursprüngliches sp erscheint in olb. Szaddzys und dem sirakischen Iradiwrs bei Strabo p. 506, wenn zd. gpddha heer (s. 557) mit dor. szadıov (att. aradıov) lat. spatium und dem deutschen spannen’ derselben wurzel ent- stammt, ferner in alan. ’Asrag zd. gpära armen. agpar schild®) *) Justi p. 309 stellt damit skr. cyu zusammen. ?) vgl. Aeschyl. Pers. 968 Zeuiixng (Pott DMG. 13, 388). sonst bietet sich gu schnell, stark sein oder nützen (osset. gavin wachsen) zur erklärung. °) oder es müste denn Aspar altpers. arabara soldat (auf den inschr. von Bisutun) sein, vgl. armen. sparapet orparnyos = apabärapati? vom 2. August 1866. 571 und in scyth. SrapyarsıSys 3.567. das einfache ( ist bereits in alan. Sangibanus s. 565, sowie als © in "AgareıSys, Irapya- meıSns 8. 567 nachgewiesen und notwendig in Zevsouaraı Sar- matae'), in Satarchae, in olb. Has«gos, Hasvgis bei Ptolemaeus (von pagu lat. pecu) und sonst anzunehmen. den entscheidenden beweis für die identität der Okudra auf der inschrift von Nakhs- i-Rustem und der 3xVSa: liefert Otesias, da er den gegner des Darius und oberkönig der Seythen nicht wie Herodot ’Id«vSvg- os nennt, sondern IzuSegzys d.i. ohne zweifel Okudraka. bei Agrin- oder ’Agyiuzas«, dem namen der himmlischen Aphro- dite aber kann man zweifeln ob z&s« wie in zd. paitipagti aus epag skr. pag spähen, schauen, bewahren oder durch zd. paithya herschaft, schutz zu erklären ist, indem £ oder s für th wie in zd. raca für ratha, altpers. wvaipasiya für zd. gapaithya eintrat. und derselbe zweifel besteht bei scyth. Szwzasıs, dessen erste hälfte wohl zd. shdo froh ist von sh@ oder ska sich freuen. dage- gen ist im namen des scythischen Apoll Oircsugos, wie im pers. ’Aorasugas bei Ütesias, die zweite hälfte wohl sicher zd. güra stark, hehr *), mag die deutung der ersten auch unsicher sein. ‘) dafs die zd. Qairima die Sarmaten seien (Justi p. 289), hat we- nig wahrscheinlichkeit den von den alten überlieferten formen des namen gegenüber. in Savypopdraı, Zupudraı (Eudoxus bei Steph. Byz. s. v. Seylax 8 68) mufs ein u vorhanden gewesen sein. noch bei Ammian 27, 12 er- scheint der name Sauromaces (l. Sauromates) in Iberien. die lateinische form Sarmatae kommt zunächst nicht in betracht. es sei hier nur erin- nert an zd. gaora klinge, füra lanze, spiefs. auch die zweite hälfte -uaraı ist so dunkel und zweifelhaft, wie scyth. -ytraı (s. 561), da nach zendi- scher regel das affıx mant nach themen auf vw, sonst vant und zwar na- mentlich nach «a eintritt, ’Iafauaraı Oioanarzı Agamatae aber klarlich « zeigen und das schwach bezeugte ’Iataßaraı allein nicht ausreicht um wahrscheinlich zu machen, dafs p in paraı für B = steht. ”) dafs die Ligorischen, angeblich in Rom und bei Tusculum gefun- denen, einer Beiyvn Oirooxvpa und einem ’AmoAAuv Oitooxupos, sowie der göttin "Arrlumara gewidmeten inschriften eines Ulpiers Plokamos und zweier freigelassenen des Augustus und des Trajan (von denen der des Trajan den namen L. Fabius Polemo führt!) durch Franz mit andern Li- gorischen in das ©. I. Gr. nr. 6013. 6014° ® aufnahme gefunden haben, kann ihren wert nicht erhöhen und man darf sich billich wundern, dafs 40* 572 Gesammtsitzung vielleicht sagt jedoch der name ungefähr dasselbe aus wie zd. vaecdhydpaiti herr der weisheit. die zusammenstellung von olb. Kofovgos Ss. 565 mit gagüra aber wird einigermalsen zweifelhaft, da sonst kaum g durch & wiedergegeben wird. Das & scheint vielmehr constant den dem skr. und irani- schen gemeinsamen doppellaut skr. KSH zd. KHSH altp. KHS zu bezeichnen, den wir s. 562 bereits in ‘'Pw£or«vo/ fanden und in ’EEauroios s. 554 anerkennen müssen, wenn auch die gram- matische auflösung und erläuterung des wortteils nicht ganz ge- lingen will. aber seyth. T«£ezıs erklärt sich leicht als “renner’ durch zd. takhsh laufen lassen, mit derselben, einem reitervolke angemessenen ellipse von ross wie unser und besonders mhd. rennen. auch Te£agıs, wenn der Grieche den namen nicht erst für den bogenführenden Sceythen erfand, fügt sich gut zu zd. thwakhsh skr. tvaksh schaffen, eifrig sein und dem adj. thwaksha neup. tukshä schnell, eifrig. wenn ferner die Scythen ihre drei ersten mythischen könige KoraZais, Arzo- oder Nıro&ais und ’Ag- mo&cis nannten, wollten sie mit der zweiten, gemeinsamen hälfte ihrer namen sie gewiss eben als herscher bezeichnen und wir dürfen diese zuversichtlich für zd. khshaya skr. kshaya mächtig, herscher - 98V nehmen, wenn uns der sinn der ersten hälften auch entgeht'!). so ist auch das besonders in tanaitischen namen mehrmals wiederkehrende EagSos: AduneEngSos, AosuucEagSos, PagvogagSos ?), maeot. "AreEagSos, olb. KawegagSos (von zd. kaena strafe, rache) gewiss nichts andres als zd. khshathra altp. khsatra skr. kshatra reich, herscher mit einer metathesis wie z. b. in neup. carkh statt zd. cakhra und wie in Oxartes statt "OE«Sens zd. Hukhshathra °). vrätselhaft bleiben nur olb. &4e- sayagos und tan. Eyyodıs. noch der neuste herausgeber des Herodot sich nicht enthielt sie anzufüh- ren und nr. 6014 sogar zur feststellung der lesart ’Apriuraca zu benutzen. ') s. 562 anm. 1. das -Eaig hat Schafarik 1, 283 zuerst richtig ge- deutet. ?) vgl. PapvaddSpng persischer anführer der Inder bei Herodot 7, 65. ?) Pott etymol. forsch. 1, LXVIIL. — Breal p. 27 erklärt den namen des bruders des Kambyses bei Ctesias TavvoSdpxng, bei Xen. Cyr. 8, 7. 11 Tavaogapng als Tanvakhsatraka minore imperio fretus. vom 2. August 1866. 973 Von den besondern lauterscheinungen, die das iranische vom indischen unterscheiden, kommt endlich noch einiges zum vorschein. so die senkung der aspirata zur media in tan. ’Iga@u- Bovsros, wie zd. büsti bereitschaft von büsh skr. bhüsh in bereit- schaft setzen, und in tan. ®ardagevos, zd. darena haltend, tra- gend skr. dharana; umgekehrt die verflüchtigung der tenuis in die aspirata in olb. Pargvayos Dapgnos, sarm. "Agıodaguns Darra- hagıys, jazyg. Usafer Zinafer, tan. BagvoEagIos Booyaßazıs !) Xopasvns Kobearguos. zugleich aber zeigt sich bei den Tanaiten ein weiteres umsichgreifen der aspiration, wie im ossetischen, in namen wie ®adi- und Padıvanos, Pardagavos, wozu noch der zweifelhafte bosp. Bavdagados nebst Zapares und olb. ’Iedayos hinzukommt. endlich mag noch, da das iranische in der praepo- sition skr. präti das R ausfallen läfst, an tan. Hersioß:ıs d.i. Ile- rugß:s erinnert werden, dem bei Ptolemaeus (s. monatsberichte 1866 s. 7) Hegızoßıdc: am Tanais zur seite stehen, wie zd. pair: altp. pariy (skr. pari) neben paiti, patiy. Von ungefähr sechszig scythischen namen und vocabeln, die Herodot überliefert, sind nunmehr etwa ein viertteil ?) vollständig, und reichlich ein anders viertel ?) soweit wenigstens erläutert, dafs sie für die iranische abkunft des volkes hinlänglich mit be- weisen. dazu kommen noch die personennamen ’Agıevras, der zd. airyavant lauten würde, "Ogızos = Varika, zd. Vairika entweder von vairi harnisch, var wehren schützen bedecken, oder von vai- rya wünschenswerth, var wünschen wählen; der name der scythi- schen T7 ’Az:, der lateinischen Ops vergleichbar und völlig einer aus Copia zu entnehmenden Opia gleich, von der wurzel ap er- 1) vgl. Xenoph. Oyr. 5, 3, 22 med. Papßdxas. ?) "Apıareiöng s. 560. 567. dpına, "Apınaomoi s. 555. “Evdpees s. 553 f. Oapıpacadas? s. 567. olop, Oiop- statt Oipomare s. 555. ’Oxrauaoddng s. 567. Ilaratog s. 557 anm. mara s. 555. Tapadarar s. 562. Dmapyaneisng s. 567. omou s. 555. Taßıri s. 558. Tıapavros s. 569. 3) "Avaxapcıs s. 569. "Apyınmalcı s. 554. "ApmcEais s. 572. "Ap- tiumaca s. 554. 571. ’EEapmatog s. 554. Korabais, Aıno- Nırakais s. 572. Oiroovpos s. 571f. ’Onmoin s. 564. anm. ZavAıog s. 570. Dauponaras s. 561. 571 anm. (ZxoAdroı Sxurng Koda- s. 562 u. anm. IxvSng s. 571.) Zxumacız s. 571. Tapyiraos s. 561. Wrdxupıs s. 559. "Wravız s. 559£. ann. 574 Gesammtsitzung langen; die flufsnamen T«v«is von der wurzel tan ausstrecken !), Bogus-Stvys in seiner zweiten hälfte offenbar stark hellenisiert, zd. vouru-cgtäna breiten stand habend entweder unmittelbar vom flufs gesagt oder auf diesen übertragen von dem handelsplatz an sei- ner mündung, der bei den Griechen BogusSevzs und ’OrPßie hiefs ?), dann Tvoes von tu stark sein und Ilcser« griech. Ilvgeros von par anfüllen, wovon paurva vorzüglich, reichlich und auch wohl der berg- und landschaftsname Paurvata und Pouruta Naguyroi abgeleitet sind. dem ersten teil von Havrızdrevs, Ievrızameıov endlich vergleicht sich der von HaevrinaSo: und auch wohl von HavSıareto: bei Herodot 3, 92. 1, 125. es bleiben übrig noch gegen zwanzig namen °?), von denen einige sich wohl noch einmal der deutung fügen werden, die meisten aber ent- weder als namen fremder, nicht scythischer völker oder wegen ihrer allzu starken griechischen formung (s. 562) überhaupt kaum in betracht kommen. jedesfalls würden die gründe, die man daraus oder aus andern trüben quellen gegen die arische ab- kunft der Scythen entnehmen möchte, von keinem grölseren ge- wicht sein als etwa der einwand, dafs bei manchen rein seythi- schen namen die deutung noch unvollständig und dunkelheiten übrig bleibe. wer diesen erhöbe, sollte billicherweise zuvor der deutung sämtlicher von den alten überlieferter iranischer namen und glossen und der lösung der vielen rätsel des zend sicher sein. wer dagegen nicht beweise sucht und verlangt, wo ') der jetzige name des flusses ist verschieden, aber gleichfalls arisch, zd. dänu (Justi p. 154) osset. don fluls. beiträge zur vergl. sprachf. 4, 426. ”) da Herodot 4, 53 den flufs moAvuxpxtorarog von allen flüssen nächst dem Nil nennt, der der griechischen stadt den namen ’OAß/a eintrug, so läge es auch nahe bei dem zweiten teil an usta ustana heil wohlsein glück lebenskraft oder zsti. güter reichtum zu denken und bei dem ersten, wenn nicht an vouru (vouru-ustana weithin wohlsein oder -isti -istina? reich- tum güter verbreitend), so an vara erwünscht ? a) "Ayasupoot. "AAolaves. Avxaraı. Bovdivor. TeAwvot. T'epgos -Bor (orts-, flufs- und volksname vgl. gr. YyEßfos). Tvoöpos. Ovozayiraı. ’Idav- Supcos. Tipxar. Kardızidar. Kariapoı. Avxos (fluls und person). Nevpot. (’Oapos finn. Rha). Zugyis oder "Wpyis fi. Tinuvns oder Tuuns (vgl. Tou- vns aus Karien bei Herod. 5, 37. 7, 98). Tpdezuss. vom 2. August 1866. 575 jede einsicht aufhört, und nicht an dogmen und unerwiesenen meinungen hängt oder solche als gegengründe gelten läfst, dem . wird es genügen dafs die namen scythischer flüsse und orte, wie Efanzeios und "Asd«Qd« — von den sarmatischen ’Agaya- grow, Navarım') u. a. abgesehen —, die namen scythischer göt- ter und die ausdrücklich von Herodot als scythisch bezeichneten wörter sich als arisch und iranisch ausgewiesen haben, und dafs endlich noch zu dem gewichtigen zeugnis bei Herodot, wonach skolotische Scythen und Sauromaten wesentlich dieselbe, nur dem dialecte nach verschiedne sprache redeten, die entscheidende wahr- nehmung des gebrauchs rein iranischer namen bei den Sarmaten nicht nur jenseit des Tanais und auf der pontischen steppe, sondern auch an der Theis und Donau’) und ebenso bei den Alanen hin- ter der Maeotis wie in Gallien und Hispanien hinzugekommen ist. wer daher die arische abkunft der Scythen bestreiten will, beweise zuerst dafs die Sarmaten keine Iranier waren, dann dafs die scythischen namen sich leichter und vollständiger aus einer an- dern sprache erklären lassen. so lange aber dieser beweis nicht geführt ist, wird das resultat dieser untersuchung gegen allge- meine gründe, die nicht der sache selbst entstammen, feststehen und man darf Scythen und Sarmaten für die letzten Arier hal- ten, die in Europa eingewandert. gehörten sie aber zunächst zur sippe der Iranier, so ist die annahme einer abstammung der Slawen von den Sarmaten oder Scythen ganz unmöglich. das slawische steht von allen europaeischen sprachen seiner geogra- phischen stellung gemäls dem iranischen am nächsten. aber es 1) bei Plinius 4 $ 84 und Ptolemaeus ist Navarım Navapov eine stadt am isthmus der Krim, darüber bei Ptolemaeus ein volk Navapoı nnd bei demselben eine zweite stadt Navapız am untern Tanais. der name bedeutete ohne zweifel schiffstätte und das ethnicum ist erst daraus ge- bildet. ?) der ruf "marha, marha, mit dem die Sarmaten nach Ammian 19, 11, 10 auf den kaiser Constantius losstürzen, ist offenbar zd. mahrka, pehlv. neupers. marg tod. — dafs die inschrift auf der goldnen schale des Wiener münz- und antikencabinets in Arneths gold- und silbermonu- menten s. 22. nr. 18. taf. G. IV. nr. 19. jazygisch sei, ist unerweislich und schon nach dem alter der schrift und arbeit ganz unwahrscheinlich. vgl. Dietrich in Pfeiffers Germania 11, 179. 576 Gesammtsitzung vom 2. August 1866. verflüchtigt weder das ursprüngliche $ in 7'), noch auch kennt es das iranische OP für ursprüngliches XV; und dies allein reicht hin, um jeden versuch die Slawen von jenen Iraniern abzuleiten zu verbieten. ein lehnwort, wie das russische sobaka hund d. i. med. oz«z« (Herod. 1,110), zd. cpaka hundartig von gpd hund ?), führt mit andern ?) nur darauf, dafs die Slawen frühzeitig und lange mit iranischen völkern in nahem und nachbarlichem ver- kehr gestanden haben. nachdem die iranische abkunft der Sey- then und Sarmaten festgestellt, kann man die völker, die Hero- dot im norden der pontischen steppe kennt und von den Seythen unterscheidet, die Neuren, Androphagen und Melanchlaenen mit grolser sicherheit zu den Urslawen zählen. denn man mufs an- nehmen, dafs die väter der Slawen sich schon im gebiet des Dnjepr niedergelassen hatten und die bevölkerung Europas bereits abgeschlossen war, als jene Iranier über den Tanais vordrangen und die steppe besetzten. und nachdem dieser endpunkt ge- wonnen ist, wird sich die frage, welchen verlauf die einwande- rung der Arier und die sonderung der völker dieses stammes in Europa genommen hat, bestimmter beantworten lassen. 10.7 12..69: An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Transactions of the Philosophical Institute of VWietoria. Vol. 1. 2. 4. Melbourne 1855. 1858. 1860. 8. Memoirs of the Geological Survey of India. Vol. IV, 3. V, 1. Cal- eutta 1865. 8. Oldham, Palaeontologia indica. IH, 6—9. IV, 1. ib. 1865. 4. Catalogue of Echinodermata. ib. 1865. 8. Bulletin de la societeE imperiale des naturalistes de Moscou. Fase. 1. Moscou 1866. 8. Scheffler, die Gesetze des räumlichen Sehens. Braunschweig 1866. 8. 1) jedesfalls trat CA erst verhältnismäfsig spät und keineswegs con- sequent für $ ein. Schleicher compend. s. 249 f. vgl. Miklosich lautlehre s. 2083. °) damit wird auch die vielleicht verstimmelte und sonst verderbte glosse bei Hesych way ain xuwv oxuSicr! wohl zusammenhängen. ’) die von Schafarik 1, 359 begonnene samlung iranischer wörter im slawischen bedarf der sichtung und zugleich der vervollständigung. Sitzung der philos.-histor. Klasse vom 6. August 1866. 577 6. August. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Lepsius las über das in Tanis gefundene De- kret von Kanopus. DE Hr. Bekker fuhr fort Homerische und Altfranzö- sische sitte zu vergleichen (s. p. 466). XL. 1. Der eiserne ritter turnirt nicht allein, und geht, aus- und durchgeturnt, wohlgemut an jeden streit und jeden wetkampf, wie denn Doon nach gelegenheit bald ringt, bärenhaft genug gegenüber den ringern in Y: ’ et l’Englois sailli sus... que de luite savoit tant que tous en passa. moult se prend fermement et moult par s’aficha. un tour fist au Danois, et de li le bouta, sus la hanque le met, & terre le coucha: onques par forche puis d’ileuc ne releva. un autre en prit apres, a terre le porta, et le tiers et le quart et le quint aterra, tant comme il en i vint, que nul n’en escapa. et quant le roi le vit, grant joie en demena. Do, qui fu devant li, tantost en apela. “Do, sav&s vous luitier? ne le me chel6s ja.” “sire, si dex m’ait, qui le monde fourma, onques jour ne l’apris, n’on ne le me montra.” “Do, par Mahom mon dieu, vous en aprendres ja si doulereussement que ja ris n’i aura: que luitier vous convient & l’Englois que voi la; et se il vous abat, de chen ne doutes ja, que vous seres pendus; ja plus ne demourra.” “sire” fet Do li ber, “quant il plus n’en i a, je ferai mon poveir. fetes le venir cha.” lors leva sus le quens, et si se rebracha, et sa robe entour li belement escourcha, et regarde l’Englois: durement s’aficha, 578 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse se il se prent & li, jamez ne mengera et que trestout le mont de li delivera. lors queurent chele part tant com de gentia, et regardent Doon, qui si s’esroilla. moult le voient canu: chascun le degaba... courouchie fu le roy... moult menache Doon, le chevalier membre... et quant Do !’a oi, damedieu a jure que il le comperra... et l’Englois vient a Do: si l’a as bras combre. et Do le resaisist, qui n’a pas recule. un petit se soufasquent et se sunt aferm£. li Englois fet son tour de si tr&s grant fierte, par un poi que Doon n’a & terre porte: agenouillier le fist outre sa volente. et Do resaut en pies, qui le euer ot ire. _ as bras que il ot fors l’a contre li serre. si fierement l’estraint et de tel crualte que la langue li saut demi pie mesure. le glout sent la douleur: si a grant brait gete, que tuit chil de laiens en furent effree. et Do le trestorna: si ’abat tot pasme: bald den stein wirft mit aller kraft eines Polypötes (X 844 S 186): atant es vous un Turce de Turquie la lee: plus fier homme u’avoit jusqu’en la mer. betee. chil servoit en la court chascun jour A journee de la pierre ruer, que plus & rien ne bee. devant le roi s’en vint sans plus de demouree. une pierre moult grant a a son col portee. la jambe mit avant: tant !’a le glout getee, tuit s’en sunt merveilli@ cheus de l’avironnee. le roi geta apres, mes sa peine a gastee, que avenir ni peut d’une aune mesuree. maint s’i sunt essaie, mais tuit l’i ont quitee. et Do a dit au roi “s’il ne vos desagree, la pierre geterai & l’us de ma contree.” “veillart”’ chen dist le roy, “folie av&s pensee. vous ne l’aries pas en quatre jors levee.” vom 6. August 1866. 979 “si ferai” dist Doon, “par la vierge honoree: je la geterai miex que ne l’aves getee.” et quant le roi l’oi, forment li desagree: ens u vis li donna une moult grant paumee et Do se trestourna, autre li ra donnee, si que la fache en ot vermeille et escaufee. lors li coururent sus chele gent mal sen£e. et Do a regarde vers une chemince: une busche a saisi grant et grosse et; quarree. lä les atent le ber, sa grant busche levee. et li roy a jure sa teste couronnee que qui l’adesera la teste ara coupee... “segnors” che dist le roy, “n’ales ja plus avant, mes lessies li ruer du tout a son talent: si verron son poveir et son dit affichant. par Mahommet mon dieu, ou nous sommes ereant, se il ne rue plus de moi ou autretant, maintenant l’ochirrai & mespee trenchant et ses compengnuns tous: ja n’en aront garant.” et quant il !’a v&u, moult le va roillant. lors s’en vient a la pierre: sel souslieve en hauchant, et la rue & son col. moult la va paumeiant, de l’un eoste a l’autre & son vouloir tornant, et regarde lor get: tout le tint & noient. la pierre lest aler, la jambe met avant. de toute sa vigour l’ala si empeignant que il les a passes demie toise grant. der rittersman kürzt sich die weile auch durch gesellschaft- liche spiele, wie sie Homer noch nicht kent, obgleich sie später zum teil der erfindung des Palamedes beigelegt wurden. schach und würfel standen in hohem ansehn: ce fu & Pentecoste, a un jor honore, que Charles tint sa cort & Paris sa cite... li baron se deduient el palais principel, et jeuent as esches li vasal adure. der unterricht darin galt für einen hauptteil der erziehung bei den Christen sowohl: Kallemaines est en France retournes 980 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse et fait Ogier nourrir de bonne volentes, ou li aprist asses des esches et des des. Gaufrey p. 317. quant il orent eine ans, si les font chevauchier, et quant il en ont six, bien galopent destrier. et d’esches et de tables les font bien enseignier. se il pevent tant vivre qu’armes puissent baillier, as parens Ganelon feront grant encombrier. Gui de Nanteuil p. 5. Wistasse Bauduin Godefroy le vaillant bien furent doctrinet, boin furent et sachant... des tables des eschies se vont bien doctrinant. Godefroy de Bouillon p. 3. (vgl. Reiffenbersg). als bei den heiden: Flordespine la gente (im Gaufrey) avoit xilij ans et demi seulement: bien sot parler Latin et entendre Rommant, bien sot jouer as tables, as esches ensement; et du cours des estoiles, de la lune luisant savoit moult plus que fame de chest siecle vivant, derweil ausnahmsweise erwähnt wird dafs ein kaiser ein herzog lesen gelernt: Karles nostre empereres si a brisie la cire: quant il fu jovenciaus, si ot apris & lire und de letres sot li Loherens Garins: car en senfance fu & l’escole mis el povre aage, quant il estoit petiz, tant que il sot et Roman et Latin. die heidnischen Dänen hatten das spiel nach England gebracht: Orgar jouout & un esches, un giu qu'il aprist des Daneis. od li jouout Elstruet la bele: suz ciel n’out done tel damesele. Gaimar 3655: li felon Daneis, auf welche die trouveren meist übel zu spre- chen sind: “unques de Danemarche’”’ sagt einer “ne vis pro- dome issir.” sogar in des kerkers nacht vom 6. August 1866. 581 (je le feray en ma cartre lancier quil ne verra ne ses mains ne ses pies) begleitet das spiel den hart gefangenen, zum hungertod verurteilten: eschies li livre por soi esbanoier. li arcevesques juoit as chevaliers: si l’enseignoit li bons Danois Ogiers: car moult savoit d’esches et des tabliers. c’est une cose dont Turpins l’avoit chier. Og. 9782. von Tiebaut (im Foulques de Candie) wird gerühmt de toutes courtoisies fist sur tous & prisier: d’esches sot et de tables. und wo Huon von Bordeaux sich selbst einer vielseitigkeit rühmt, die fast den Laertiaden (S 214) überbietet, aber ironisch ge- halten um so eher anspricht, gipfelt die aufzälung, was er alles wisse und könne, in den worten si sai des tables et des eskies asses, qu’il n’est nus hom qui m’en pe&ust passer, und darauf entgegnet der amire ce sont mestiers assez: mais as eskies te vorrai esprover. jai une fille, qni moult a de biaute. des eskies sait & moult grande plente: aine ne la vi de nul homme mater. & li trestuet par Mahommet juer par tel covent: s’ele te puet mater, trestout errant aras le cief cope. l’autre partie te convient escouter, que se tu pues ma fille au ju mater, dedens ma cambre ferai un lit parer. aveuc ma fille tote nuit vous gires; de li feres totes vos volentes. Huon gewint partie und prämie. wie verlust aufgenommen wurde, zu wie rasender wut der ärger steigen konte, haben wir früher (p. 4656—7) gesehn in beispielen, die den schärfsten gegen- satz bilden gegen die gottergebene gelassenheit der meisten preis- bewerber in Y. wir fügen ein drittes hinzu, weil es noch andere verhältnisse beleuchtet. 582 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse tant menerent le jeu, si con j’oy compter, que Baudouinet va une fierge estorer, et puis de point en point le va tant admener qu’il fist le roy Charlot tellement aengler que tout droit a l’anglet il l’a fait arrester. d’un rock lui dist escheck: car bien le scet trouver, et d’un paonet va Charlot mat appeller. et qnant Charlot le vit, en lui n’ot qu’airer. lors dist “coistron bastart, dieu vous puist gravanter. fils de maise putain, comment osas penser de si vilainement encontre moi jouer? Ogier, qui est ton pere, ne l’osast point penser. c’ est mes serfs rachette, tel le puis appeller, pour le sien ventre ouyrir et mes pies rechauffer...” “vous y aves menti” dist Baudouin le ber: “ma mere n’est point pute...” “bastart” ce dist Charlot,* vous en faut il grouller?” il saisi l’eschequier, s’en va l’enffant frapper. amont parmi le chef li va tel cop frapper qui lui a fait les ex de la teste voler et lui flst devant lui la cervelle espautrer. Ogier de Dan. p. Ixv. 2. In der Iliade wie in der Odyssee werden männer gebadet von frauen, Ares von der schönsten unter den göttinnen') (E 905), Telemachos von Nestors tochter (y 464) und im eigenen hause, mit einem gaste, von mägden (3 83), Odysseus bald von der Zeustochter Helena und der nymphe Kalypso (8 282 = 263), bald von der schafnerin (L 153) und auf Aretens geheils von mägden (I 454), seine gefährten von der zaubermächtigen Kirke (z 449), sein vater von der greisen Sikelerin (w 365). nur Ein mal, in allergedrücktester stimmung, schämt sich der edele dulder S m 7 / ENT, yunvoüsTaı zovgnTıv EUmAozanası MEereATwv (6.222): 1) "Hßa xoArlora Seöv Pindar Nem. 10 18. vom 6. August 1866. 583 dieselbe unbefangenheit umgibt das bad im mittelalter, mag es von der mutter erwachsenen söhnen gerüstet werden, wie den Haymonskindern: dedans sa maistre chambre les a o lui menes. ele les a baignies et tr&s bien conre£s: chemise et blanches braies lor done ä grants plantes et chauces de brun paile et solers borones: oder von einem weltabgeschiedenen fräulein dem ersten besten der in ihr einsames waldschlofs einspricht: quant il fu despoillicz et nuz, en une haute et belle eouche la pucele soef le couche, puis le baigne. Chevalier de la charette p. 178: mag es dem ritterschlag vorangehn: un bain temprerent Florence et Ermentrus: plus cortoises ne mangierent de luz. il entra ens, mes tost s’en est issus. d’une chemise de cendal fu vestus. Foulques de Candie p. 10. auch das mystische bad, die taufe, empfangen frauen unter männeraugen: Loys apele l’archevesque Dydier, isnellement et tost se voise apareillier. une cuve emplit d’eau sous nn olivier. les puceles amainent Franceis et Berruier. devant tout le barnage les firent despoillier: elles furent plus blanches que n’est fleur d’ayglantier. Mahon et Apolin leur ont fait renoier, puis les ont fait enoindre et en l’eaue lancier. Foulq. p. 138. li euens Guillaumes fu moult gentiz et bers. quant ot par force conquise la cite, une grant cuve avoit fait aprester: de l’eve clere firent dedens geter. la fu li vesques de Nymes la cite. Orable firent de ses dras desmuer. il la baptisent en l’enor damede. 584 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse le non li otent de la paienete. Bertrans la tint et Guielins li bers et Guilebers li preuz et li senez. Guillaume d’Orange 1 p. 162. nicht immer ohne störung der andacht: Turpin li archevesque & la fiere fachon a fet aporter l’eve & Fromer le baron. ij cuves empli il sans point d’aresteison. Garins prist la puchele a la clere fachon entre li et Doon, qui tant ot de renon: n’en i avoit que eus ij sans plus et Salemon. adonc s’est desvestue la bele au chief blon. en la cuve l’ont mise li nobile baron. la char avoit plus blanche que n’est noif ne coton, mamelettes dureites, pongnantes environ. pour la biaute' de li en fremist tout Doon. la char li hericha sous l’ermin pelichon: si avoit il le chief canu tout environ. Gaufrey p. 275. 3. An das hölzerne pferd, iv EvyusQor mavres agızror "Aoystiuv Tawercı evov zit 210 egovres, erinnert im Wilhelm von Orange le charrois de Nymes. ein bauer fährt salz in die stadt. lä fu Garniers, uns chevaliers nobiles: vavassors fu et moult sot de boidie; d’engignement sot tote la mestrie. il regarda les quatre bues qui virent. “sire” fet il, “se dex me beneie, qui oroit ore mil tonneaus de tel guise comme cele est qui el char est assise, et les &ust de chevaliers emplies, ses conduisist tot le chemin de Nymes, si fetement porroit prendre la vile.” und so geschieht es. streiter selbst aus holz aufzustellen, dies kühnere strata- gem gelingt Holger dem Dänen. vom 6. August 1866. "585 mi home lige m’orent autr’ier vendu come traitre a Kallon le barbu: mais vos, vrais dex, m’en aves desfendu. sus cele tor en ai les cors pendus. und weil er nun die verteidigung allein zu bestreiten hat, und ruft che fist Ogiers c’onques ne fist hons nus. il se porpense: homes fera de fust. laiens ot caisnes et grans arbres ramus: il les recope & son brant esmolu. & Broiefort son destrier est venus, prist de la keue qui mervillose fu. il le recope, et les crins a tondus: barbes en fist & ses homes de fust et les grenons sors baucans et canus. et puis lor a les blans haubers vestus, et lor lacha les vers elmes agus, et lor a gaint les bon brant esmolus. ses apoia as batailles des murs et & lor cols lor pendi lor escus; les bones haces lor a mis ens poins nus. Francois les voient, tot en sont esmeus. nis Kallemaine en est tos esperdus, seine armbrustschützen gegen sie auf. les quarriaus traient, les homes ont ferus: aine ne se murent: car tot furent de fust. daran reiht sich worauf Haveloc verfällt, ein anderer Däne, nachdem er so viel leute verloren dafs er sich schon einschiffen will und abziehn. tote la nuit fist grant peus trencher et de deus parz bien aguisser. les homes morz i enficherent et entre les vifs les drescerent. deus escheles en ont reng£es, les haches sus les cols levees. au matin, quant il ajourna, li rois Alsi primer s’arma. si firent tuit si chevaler pour la bataille comencer. [1866.] 41 586 Gesammtsitzung mes quant il virent ceus de la, tote la char lur herica: i mult fust hidouse la compaigne, des morz qu’il virent en la plaine. contre un home qu’il avoient de l’autre part sept estoient. Lay d’Haveloc 1055. über diesen nordischen phantomen wie hoch fliegt seine Pegasusbahn Clavileno el aligero. Hr. Mommsen legte Photographien aus dem codes Florentinus der Pandekten vor. 9. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kummer las über die algebraischen Strah- lensysteme. Derselbe legte eine Mittheilung von Hrn. A. W. Hof- mann über die Einwirkung der Oxalsäure auf Ani- lin vor. Hr. Kummer legte vor eine Arbeit der Hrn. E. Sell und E. Lippmann über die Einwirkung des Quecksilber- aethyls auf Monobromessigsaures Aethyl mitgetheilt von A. W. Hofmann. Die Untersuchungen von Frankland und Duppa (Compt. rend. T. 60. pag. 853. avıil 1865) haben erwiesen dafs durch die Substitution von Aethyl für Wasserstoff in der Essigsäure eine Säure von der Zusammensetzung der Buttersäure erhalten; Sie erreichten ihren Zweck indem sie auf Essigäther nach ein- ander Natrium und Jodaethyl einwirken liessen. Da es nun früher schon Lieben und Bauer (Sitzungsber. der Akadem. d. Wissensch. Wien. Bd. 45. pag. 549 April 1862) gelungen ist durch Einwirkung von Monochloraether auf Zink- aethyl eine mit dem Butylaether isomere Substanz zu erhalten, schien es nicht uninteressant die Einwirkung einer Metallver- bindung des Aethyls auf den Monobromessigaether zu unter- suchen, um zu entscheiden ob sich vielleicht auch auf diese Weise vom 9, August 1866. 587 eine mit dem Buttersauren Aethyl isomere Verbindung bilde. Die Resultate welche wir erhielten zeigten, dafs die Reaction nicht in dem gedachten Sinne verläuft; scheinen jedoch einer kurzen Mittheilung werth. Da die Einwirkung von Zinkaethyl auf Monobromessig- saures Aethyl so heftig ist, dafs das Produkt unter Gasentwicke- lung in eine kohlige Masse zerfällt, wählten wir das beständi- gere Quecksilberaethyl, welches sich leicht nach Frankland’s Vor- schrift in beliebiger Menge darstellen läfst. Bei gewöhnlicher Temperatur wirken Monobromessigsau- res Aethyl und Quecksilberaethyl nicht auf einander ein; setzt man sie aber in einem Kölbchen mit aufrechtstehendem Kühler im Ölbade einer Temperatur von 150° aus, so bemerkt man bald eine langsame und regelmälsige Gasentwickelung; das Gas wurde durch ein am oberen Ende des Kühlers befindlichen Entbindungsrohr aufgefangen und dann mit Brom zusammen gebracht, welches sich direkt mit ihm vereinigte. Das Produkt, eine ölige Flüssigkeit, stimmte in allen seinen Eigenschaften mit dem Bromäthylen überein, leider aber machte die allzu geringe Menge eine Analyse unmöglich. Hat nach etwa Sstündigem Erhitzen die Gasentwickelung aufgehört, so schiessen nach Entfernung des Ölbades in der erkaltenden Flüssigkeit gelblich weisse, glänzende Krystallblättchen an, die abgeprelst und aus heissem Alkohol umkrystallisirt voll- kommen weils wurden. Ihre Analyse ergab Zahlen, die sie als das einfach gebromte Quecksilberaethyl rue charakteri- sirten, auch die Eigenschaften der auf diese Weise erhaltenen Verbindung stimmen mit denen der auf andere Weise gewon- nenen durchaus überein. Die Mutterlauge wurde nun der Destillation unterworfen, wo alsdann der bei meisten grölste Theil zwischen 70° und 80° überging, Die Analyse der zwischen 73° und 76° erhaltenen Fraktion ergab Zahlen, die sehr nahe mit den für das essigsaure Aethyl berechneten übereinstimmten, dessen Gegenwart sich übrigens auch augenblicklich durch den höchst charakteristischen Geruch kund gab. 41* 588 Gesammtsitzung Ein Blick auf die erhaltenen Resultate zeigt den Verlauf der Reaction. Fe losen le=- mu cn lose Unter den Bedingungen unter welchen wir arbeiteten tritt also das Aethyl nicht ganz an die Stelle des Broms, sondern spaltet sich in Wasserstoff, der das Brom substituirt, während ein zweiwerthiger Kohlenwasserstoff, das Aethylen, frei wird. Es ist möglich, dafs die Natur der angewandten Metallver- bindung des Radicals bei dieser Reaction von Einflufs ist, wenigstens steht fest, dafs Zinkaethyl anders wirkt als Queck- silberaethyl, einige fernere, hierauf-bezügliche Versuche werden darüber Aufschlufs geben. Hr. Hofmann legte eine Arbeit des Hrn. Dr. Rud. Weber über die Bildung von Stickstoffoxydul bei der Ein- wirkung der schwefligen Säure aufsalpetrige Säure und auf Salpetersäure vor. Bei der Fabrikation der engl. Schwefelsäure wird bekannt- lich eine erhebliche Menge von Salpetersäure aufgewendet. Es wird angenommen, dafs der gröfste Theil dieser Säure in Form von Untersalpetersäuredampf schliefslich mit den Kammergasen entweicht. Für diese Annahme spricht der Umstand, dafs die mit Gay-Lussac’schen Condensatoren versehenen Kammersysteme weniger Salpetersäure consumiren, als Systemeohne Condensatoren. Die nachstehend beschriebenen Thatsachen machen es wahrscheinlich, dafs bei der Einwirkung der Kammergase auf einander sich nicht nur solche Produkte erzeugen, aus denen wieder salpetrige Säure und Untersalpetersäure gebildet wird, sondern dafs auch Stickoxydul entstehen kann. Dieses Gas ist bekanntlich nicht befähigt, Sauerstoff zu übertragen. Nach der Angabe von Pelouze!) bildet sich Stickoxydul sehr leicht, wenn in ein Gemisch von 2 Vol. Stickoxyd und 1 Vol. schweflige Säure etwas Wasser gebracht wird. Aus den 3 Vol. soll 1 Vol. Stickoxydul entstehen. Die Condensation ‘) Ann. Chim. c. Phys. T. 60. p. 162. vom 9. August 1866. 589 auf & des gesammten Volumens soll nach einigen Stunden er- folgt sein. Ich habe in einer Glocke über Quecksilber 150°°” Stick- oxyd und 75°°” schweflige Säure aufgefangen in das Gas 4°°” Wasser gebracht, und die Wände der Glocke benetzt. Nach Verlauf von 1—2 Tagen war eine Reduktion des Gasvolumens bis auf 150°°” erfolgt. Selbst nach 10 Tagen betrug das Volumen noch 130°°". Das Gas gab an Eisenvitriollösung noch viel Stickoxyd ab. Ein Theil desselben nur bestand aus Stick- oxydul. Die Bildung von Stickoxydul findet also unter diesen Umständen nur äusserst langsam statt. Die dunkel gefärbte Auflösung des Stickoxydgases in Eisen- _ vitriol wird durch Zufügung einer hinreichenden Menge von Wasser, welches schweflige Säure enthält, besonders beim Er- wärmen, rasch entfärbt. Es ist hieraus auf eine Zersetzung des Stickoxydgases durch schweflige Säure zu schliessen. Leichter als Stickoxydgas wird salpetrige Säure durch schweflige Säure der Art zersetzt, dafs Stickoxydulgas auftritt. Auf dieses Faktum wurde ich durch die Beobachtung ge- leitet, dafs eine mit sehr vielem Wasser vorsichtig verdünnte rauchende Salpetersäure von bekanntem Gehalte an Unter- salpetersäure nahe doppelt so viel schweflige Säuren in Schwefel- säure umwandelt, als die Rechnung unter der Voraussetzung ergiebt, dafs Stickoxydgas gebildet wird. Die bestätigenden Versuche wurden in folgender Weise ausgeführt: Gewogene Mengen von sorgfältig getrocknetem sal- petrigsauren Silberoxyd wurden in kochendem Wasser gelöst, mit Chlorkalium zersetzt. Das Filtrat wurde in einem Kolben nach der Verdünnung und Abkühlung mit Salzsäure übersättigt, frisch bereitete wässerige schweflige Säure und Chlorbarium- lösung zugefügt, sodann die Luft über der Flüssigkeit mit Kohlen- säure verdrängt und der Kolben dicht verkorkt. Der Nieder- schlag wurde am folgenden Tage, nachdem die Flüssigkeit ab- pipetirt worden war, in bekannter Weise weiter behandelt. Es ergab sich Folgendes: 590 Gesammtsitzung Angewendetes Silbersalz, schwefels. Baryl, Schwefels. dito Gefunden, berechnet. 0,917 1,340 0,460 0,238 0,818 1.100 0,378 0,212 0,722 1,120 0,385 0,187 0,760 1,152 0,396. 0,197 0,992 1,383 0,475 0,257 Die gefundenen Werthe für die Schwefelsäure sind nahezu doppelt so gross, als sie hätten ausfallen müssen, wenn aus sal petriger Säure Stickoxydgas gebildet worden wäre, also die Zersetzung: NO, + SO, = NO, ; 50; stattgefunden hätte. Zur Prüfung der Reinheit des Salzes, wurde der Glüh- verlust ermittelt. Es hinterliessen 0,806 des Salzes 0,566 Silber. Nach der Rechnung hätte der Glührückstand 0,5652 betragen müssen. Um das bei dieser Reaction gebildete Stickoxydulgas auf- zufangen, bringt man eine Lösung von salpetrigsaurem Kali in einen mit Gasableitungsrohr versehenen Kolben, übersättigt die abgekühlte Flüssigkeit mit Salzsäure oder verdünnter Schwefel - säure, setzt eine hinreichende Menge der wässrigen Auflösung von schwefliger Säure hinzu und erhitzt den Kolben anfangs gelinde, alsdann stärker. Die Flüssigkeit schäumt beim Zusatz der schwefligen Säure. Das nach Verdrängung der atmosphärischen Luft aufgefangene Gas wird zuerst mit einer angesäuerten Lösung von Eisenvitriol, dann mit Wasser geschüttelt; hierdurch wird schweflige Säure, aber auch etwas Stickoxydulgas auflöst. Die Eisensalzlösung verändert ihre Farbe nicht, wenn die Verdünnung der Flüssig- keiten im Kolben die geeignete war. Das zurückbleibende Gas zeigt die Eigenschaften des Stickoxyduls. Ein Spahn brennt darin mit grolser Lebhaftigkeit. | Das Stickoxydul tritt als Zersetzungsprodukt der salpetrigen Säure dann auf, wenn letztere in vielem Wasser gelöst, mit überschüssiger schwefliger Säure in Berührung kommt. Bei Mangel an Wasser entsteht vorwiegend Stickoxydgas. Letzteres vom 9. August 1866. 891 bildet sich, wenn man die Lösung des salpetrigsauren Kali’s mit einer grölseren Menge Schwefelsäure versetzt, oder Bleikammer- krystalle in Schwefelsäure von eirca 1,5 sp. Gw. auflöst und diese Flüssigkeiten mit gasförmiger schwefliger Säure be- handelt. Das Stickoxydul erzeugt sich auch aus Salpetersänre und schwefliger Säure und zwar unter der Bedingung, dafs die Salpetersäure sehr verdünnt ist. Bringt man ein Gemisch von 1 Vol. reiner Salpetersäure von 1,25 sp. Gw. und mindestens 5 Vol. Wasser, welches mit schwefliger Säure gesättigt ist, in ein mit Gasrohr versehenes Kölbchen und erhitzt gelinde, so entwickelt sich bald ein Gas, welches über dem Sperrwasser sich hält. Man behandelt das Gas mit Eisensalzlösung und erkennt in der zurückbleibenden Partie leicht das Stickoxydul. Wendet man mehr als die erwähnte Menge von Salpetersäure an, so entsteht vorwiegend Stickoxydgas. Die Salpetersäure giebt weit schwieriger Sauerstoff an schweflige Säure ab, als die salpetrige Säure. Aus letzterer entsteht bei Ueberschufs von Wasser sehr leicht Stickoxydul. Gemische von Salpetersäure und Schwefelsäure entbinden beim Behandeln mit gasförmiger schwefliger Säure Stickoxydgas, vorausgesetzt, dafs die Concentration der Schwefelsäure sich nicht der der englichen Schwefelsäure nähert. In diesem Falle entsteht eine blaue Flüssigkeit, welche in einer Atmosphäre von schwefliger Säure unter Beibehaltung der Farbe sich auf- bewahren lälst. Aus den mitgetheilten Versuchen erhellet, dafs in der Blei- kammer nicht nur Verluste an nutzbaren Oxyden des Stickstoffs durch mechanische Fortführung der abziehenden Kammergase, sondern auch durch Bildung von Stickstoffoxydulgas entstehen können. Die salpetrige Säure giebt in Berührung mit schwef- liger Säure und überschüssigem Wasser leicht Anlafs zur Bildung dieses Körpers. In der Nähe der Dampfströme, woselbst die Gase mit einem Übermafse von F euchtigkeit zusammentreffen, bildet sich unzweifelhaft stets etwas Stickoxydulgas. Es erklärt sich aus dem Obigen auch die Thatsache, dass 592 Gesammtsitzung eine neue Bleikammer sich leichter in Betrieb setzen läfst, wenn man über den Bodeu derselben Schwefelsäure statt Wasser ver- breitet. Aus den gemischten Dämpfen wird sich nämlich in Berührung mit dem Wasser zu Anfang vorzugsweise Stickoxydul bilden. Erst bei einer gewissen Concentration der Säure auf der Sohle der Kammer erfolgt daselbst die normale Reaction. In der Bildung von Stickstoffoxydul aus salpetriger Säure beruhen unzweifelhaft öfter die Betriebsstörungen, welche bei unrichtigem Verhältnisse der der Kammer zugeführten Materialien eintreten. Hr. Kummer referirte hierauf, dafs die drei Sekretare eine nachgesuchte Audienz bei Sr. Majestät dem Könige am 8. d. M. gehabt haben, in welcher die Adresse der Akademie dem Könige vorgelesen und von demselben in der huldreichsten Weise erwidert worden ist. Die Adresse lautete: Allerdurchlauchtigster Grofsmächtigster König, Allergnädigster König und Herr, Euerer Königlichen Majestät, als ihrem erhabenen Schutz- herren, wagt die allerunterthänigst unterzeichnete Akademie der Wissenschaften bei Euerer Majestät freudig begrüsster Rückkehr aus dem glorreichen Feldzuge, der dem Vaterlande eine grosse Zukunft aufgethan hat, ihre Glückwünsche und ihren Dank in Ehrfurcht und Treue darzubringen. In fester Entschlossenheit, der Vaterlandsliebe des gesammten Volkes sicher vertrauend, der Tapferkeit des Heeres wie in Jugendkraft vorangehend, haben Euere Königliche Majestät die Geschicke des preusisschen und des deutschen Vaterlandes rasch auf den Bahnen weitergeführt, in die sie von dem grossen Kurfürsten Friedrich Wilhelm und dem Könige Friedrich dem zweiten gelenkt und die von dem Könige Friedrich Wilhelm dem dritten befestigt und gesichert wurden. Euerer Majestät Königlichem Walten verdankt das Vaterland den Sieg, der das ganze Volk erhebt und stählt und die, denen es obliegt die stillen Künste des Friedens zu pflegen. mächtig vom 16. August 1866. 995 auffordert die geistigen Güter zu hüten und zu ‘mehren, die durch solches Ringen und Siegen beschützt wurden. In tiefster Ehrfurcht ersterben wir Euerer Königlichen Majestät allunterthänigste treugehorsamste Königliche Akademie der Wissenschaften. Berlin, den 8. August 1866. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: von Sass, Untersuchungen über die Niveauverschiedenheit des Wasser- spiegels der Ostsee. 2. und 3. Artikel. (Petersburg 1866.) 8. Bulletin de lacademie royale des sciences de Belgique. XXI., no. 6.7. Brux. 1866. 8. Conestabile, Pitture murali a fresco e Suppellettili etrusche scoperte presso Orvieto. Firenze 1865. 4. et folio. Compte rendu de la Commission des monuments historiques de la Güronde. Bordeaux 1866. 8. Mit Ministerialresceript vom 8. August 1866. 16. August. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Borchardt las über Ellipsoide, welche eine Eigenschaft des Maximum’s besitzen. Hr. Weierstrafs berichtete über eine Arbeit des Hrn. Dr. Schwarz betreffend die conforme Abbildung ver- schiedener Figuren auf einen Kreis. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: I. Kepler, Opera omnia. Vol. VI, 2. Frankof a.M. 1866. 8. R. Owen, Memoir on the Gorilla. London 1865. 4. Annalen der Landwirthschaft. 24. Jahrgang. Juli 1866. 8. Hermite, Sur lequation du cinquieme degree. Paris 1866. 4. Proceedings and Transactions of the Meteorological Society of Mauritius. Vol. 6. Mauritius 1864. 8. Mit Ministerialreseript vom 13. August 1366. [1866.] 42 u N RR DEE 1 war A AN MONATSBERICHT DER R KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. In den Monaten September und October 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Trendelenburg. Sommerferien. Am 14. October überreichten die hier anwesenden Sekretare im Namen der Akademie Herrn Pertz folgende Zuschrift: Die Hochschule Ihres heimatlichen Landes, die ruhmreiche Georgia Augusta, die Sie, hochgeehrter Mann, einst unter ihren Zöglingen sah, erneuert heute in Freude und Stolz das Ihnen vor funfzig Jahren ertheilte Diplom eines Doctors der Philosophie; und die Ihnen eng verbundene Akademie der Wissenschaften bittet Sie, zu dem Ehrenkranz eines solchen Diploms den Aus- druck ihrer herzlichen Wünsche hinzulegen zu dürfen. In gehobener Theilnahme blicken wir, Ihre Genossen der Akademie, auf das halbe Jahrhundert, das Sie in wissenschaft- licher Arbeit mit umfassendem und dauerndem Erfolg vollbrachten. Wenn überhaupt ein Menschenleben zu preisen ist, welches in der Lösung einer eigenthümlichen Aufgabe seinen Mittelpunkt und seine Befriedigung fand, so hat das Ihrige noch den seltenen Vorzug, dafs sich Ihre wissenschaftliche Lebensaufgabe mit den ' Erinnerungen und den Hoffnungen der deutschen Nation ver- flocht. Sie übernahmen des Freiherrn vom Stein Vermächtnifs an die deutsche Wissenschaft; und an Stein’s grofsen Namen reihen sich Ihre rastlosen Arbeiten. Deutschland dankt Ihnen und wird Ihnen immer jene gelehrte Grundlage seiner Geschichte [1866.] 43 596 Herrn Pertz Doctorjubilaeum. danken, welche Sie in dem Sinne des Freiherrn vom Stein in den Monumenten ausführten, bald mit eigener Hand bauend, bald ebenbürtige Arbeiter sich zugesellend, immer das Ganze leitend und selbst auf folgende Geschlechter vorbereitend. Sie freuten sich des Aufschwungs, den auf solchem Grund die For- schung und Darstellung der deutschen Geschichte nahm; denn Sie schafften das Erz gediegen und geläutert zu Tage, aus welchem nun die Kunst der Geschichtschreibung die Gestalten der vergangenen Zeiten bilden und darstellen konnte. Während Sie für die frühern Jahrhunderte die Schätze der Geschichte hoben, sammelten, sichteten; erfüllten Sie den Beruf eines Ge- schichtschreibers an einer dem Herzen des deutschen Volkes nahe liegenden Zeit, indem Sie des Freiherrn vom Stein edeles Leben durchforschten, urkundlich darstellten und in der Erinnerung und Empfindung der Nation erneuerten und jüngst zu dem Bilde des preufsischen Staatsmanns den preufsischen Helden Gneisenau hinzufügten. Wir können es uns nicht versagen, noch einer doppelten Bemühung, die uns näher angeht, dankbar zu gedenken. Was Sie für Leibnizens Werke thaten, theils in eigener Herausgabe der Annalen des Reichs, theils anregend und fördernd, das durfte unsere Akademie, deren Stiftung sich an Leibnizens Namen anknüpft, mit besonderer Theilnahme be- gleiten. Sie hat ferner bei gelehrten Arbeiten zu grofser Be- friedigung erfahren, dafs die Riegel, hinter denen sonst die Handschriften der Bibliotheken Europa’s wie eifersüchtig zurück- gehalten wurden, mehr und mehr von den Bücherschränken sprangen und das wissenschaftliche Gut, das sie bargen, Ge- meingut wurde, ja dafs, wie eine sich bildende Sitte des Völker- rechts in der gelehrten Welt, selbst ein freigebiger Austausch von Ländern zu Ländern entstand. Keiner hat dafür mehr ge- wirkt, als Sie in der Stellung, welche Ihnen Ihr Name und Ihr Amt gaben. In Deutschlands Entwickelung ist ein neuer Tag ange- brochen; und die Erfüllangen und Hoffnungen von heute sind den Erfüllungen und Hoffnungen jener Zeit verwandt, in welcher Sie in die Geschichtsforschung eintraten; und Sie haben das Anrecht, heute mit doppelter Freude Ihres Freiherrn vom Stein und seiner nationalen Wünsche zu gedenken. Sitzung der phys.-math. Klasse vom 15. October 1866. 597 Mögen Sie noch lange Zeuge des Guten sein, das ein neues mächtiges Deutschland, wie es kaum die Zeit der Hohenstaufen sah, für die Zukunft verheilst; und möge es Ihnen beschieden sein, in alter Rüstigkeit und reicher Erinnerung noch lange des gelungenen und gelingenden Wirkens sich zu erfreuen. Berlin, den 14. October 1866. Die Königliche Akademie der Wissenschaften. (Folgen die Unterschriften der Mitglieder.) 15. October. Sitzung der physikalisch-mathe- matischen Klasse. Hr. Kronecker las über bilineare Formen. Durch mündliche Mittheilungen meines Freundes Weier- strafs habe ich seit längerer Zeit Kenntnifs von seinen Un- tersuchungen über die allgemeinen ®-Functionen d. h. über nfach unendliche, aus Gliedern von der Form „eu, Un,... ES zusammengesetzte Reihen, in welchen @ eine ganze Function zweiten Grades der n Variabeln v und der n Summationsbuch- staben v bedeutet. Die Coefficienten der ganzen Function G@ bilden die Parameter der ©-Function und sind einzig und allein den für die Convergenz der Reihen erforderlichen Bedingungen unterworfen. Diese allgemeinen ©-Functionen werden in den erwähnten Weierstrafs’schen Untersuchungen auf speciellere zurückgeführt, die von nur 4n (n+1) Parametern r;; abhängen, welche den Gleichungen: = r7; genügen, im Übrigen aber blofs durch die für die Convergenz der Reihen nöthigen Bedin- gungen eingeschränkt sind; und für die Transformation dieser ®-Functionen werden folgende Relationen zwischen den ur- sprünglichen Parametern 7 und den entsprechenden transfor- mirten 7 erlangt: > ES: 2 ’ U Mp,n+g tr Z=Mn+r,n+g For = -Mpr Try Mine Tpr Fsy- r F r rs Hierin sind für p und q die Zahlen 1, 2, 3....n zu setzen, die in Bezug auf r und s zu machenden Summationen erstrecken sich ebenfalls auf die Zahlen 1, ,3....n und die 4n? ganzen 45° 598 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Zahlen m sind kurzweg dadurch zu charakterisiren, dals sie die Coefficienten einer Substitution für je 2n Variable x,, x>, 20. 895 3 Yı» Ya3 +---Y an bilden, durch welche die bilineare Form: 27 r 1 Mı n er Yn+r — Intr Yr) 1 in ein ganzes Vielfaches ihrer selbst übergeht. Ich brauche den zu erwartenden eigenen Mittheilungen meines Freundes Weierstra[s über seine hier erwähnten Un- tersuchungen nicht weiter vorzugreifen, da das Gesagte genügt, um die Veranlassung zu meinen rein algebraischen Arbeiten darzulegen, von denen ich im Folgenden einen kurzen Auszug geben will. Ich suchte nämlich die Bedingungen zu ermitteln, un- ter denen die transformirten Parameter r’ den ursprünglichen oben mit r bezeichneten gleich werden und bin dadurch auf die all- gemeine Untersuchung derjenigen Transformationen bilinearer Formen von je 2n Variabeln x und y geführt worden, bei wel- chen die Substitutionscoeficienten für beide Systeme von Va- riabeln identisch sind. In der That ist der Zusammenhang jener Frage mit der erwähnten Art von Transformationen bili- nearer Formen, von welcher nunmehr ausschliefslich die Rede sein soll, einerseits schon durch die Charakterisirung der Zah- len m gegeben, andrerseits aber wird ein solcher Zusammenhang noch durch die folgende Betrachtung hergestellt. Wenn man die obige Relation zwischen den Gröfsen r und z’ mit x, .y, multiplicirt und alsdann in Beziehung auf alle Werthe von p und g summirt, so erhält man eine Gleichung, die durch Ein führung der Bezeichnungen &,+,, Yr+r für die Summen: Srprp, Ir Yu [4 7 die Form annimmt: See Fa Dr er wo in Bezug auf i von 1 bis 2n und in Bezug auf r von ıi bis n zu summiren ist. Wenn man nun „=-+1 ode = —1 setzt, je nachdem der Index & zu der ersten oder der zweiten Hälfte der Zahlen 1, 2,3...2n gehört, und wenn man ferner sowohl bei den Coefficienten als bei den Variabeln der bilinearen Formen Indices, welche gröfser als 2n sind, in dem Sinne zu- . vom 15. October 1866. 599 läfst, dafs darunter deren kleinste positive Reste modulo 2n zu verstehen sind, so nimmt die obige Gleichung die einfachere Gestalt an: Dem nr Dale —U, und die Summation ist hier in Beziehung auf © und k auf die Werthe 1, 2,3...2n auszudehnen. Man kann hiernach den Zu- sammenhang zwischen den Gröfsen r und r’ vollständig dadurch charakterisiren, dafs die bilineare Form: Ze Mi, n+% Ci Yn, welche mit M(x,y) bezeichnet werden soll, vermöge der Sub- stitutionen: Intr = Brpr dp5 Un, — Zrrp Yp identisch verschwinden mufs. Sollen also die Gröfsen r’ den Gröfsen r gleich werden, so sind dieselben in der Weise zu bestimmen, dafs die bilineare Form der Variabeln x’, y’, in welche M(x,y) durch eine Transformation: n D L=%, Int = —Intr tt en Lp p r ’ Y=Yr, Ynır = — Yn+r 4 STprYp p übergeht, für ©44,-=Yy44,= 0 identisch verschwindet. Für r sind hier stets sämmtliche Zahlen 1, 2,...n zu setzen, damit die sämmtlichen neuen Variabeln durch die alten ausgedrückt erschei- nen. Die angegebene Transformation ist eine für beide Systeme von Variabeln übereinstimmende, also eine von denjenigen Trans- formationen bilinearer Formen, welche hier überhaupt nur be- trachtet werden sollen. Aber von der specielleren Beschaffenheit jener Transformation kann abgesehen werden, da offenbar aus jeder Transformation von M(&, y) in eine Form M’(«’, y'), die für &4,=Yr+,=0 verschwindet, n lineare Gleichungen zwischen den je 2n Variabeln x und y also auch im Allgemei- nen je n Relationen von der Form: Untr = ISTpr &p, Yaır = STprYp hervorgehen, unter deren Anwendung M(x,y) identisch gleich Null wird. 600 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Die einfachste specielle bilineare Form, welche verschwindet, wenn man die zweite Hälfte der Variabeln x und y gleich Null setzt, ist die Form: k=2n SED, Yazk, welche ich „Normalform” nennen will, weil jede bilineare Form in dieselbe transformirt werden kann. Diese Reduction der bilinearen Formen von je 2n Variabeln auf die angegebene Nor- malform ist von der wesentlichsten Bedeutung, indem dadurch nicht blofs die obige Frage nach den speciellen Werthen der Gröfsen r erledigt sondern auch die allgemeine Transformation irgend einer bilinearen Form in eine andere vermittelt wird. Das Problem einer solchen allgemeinen Transformation zweier gegebener Formen: ’ ’ ’ Za,; ®; Yr, Za;; %; Yr in einander, welches also — wenn c,, die 4n? Substitutions- coeffiecienten bedeuten — durch die Gleichung: ’ >30, X, Y = 3a;,; C;; Cyr % Yr dargestellt wird, erfordert zwar die Erfüllung von 4n? Bedin- gungsgleichungen für die gleiche Anzahl Coeffiecienten ce und erscheint hiernach als stets lösbar und bestimmt, in der That aber ist diefs nicht der Fall, da mit den Formen Za;;®; Yk, al; @; Yı gleichzeitig die transponirten Formen: Say; ©; Yr, 3a;:®; Yr durch eben dieselbe Transformation in einander übergehen müssen. Hiernach mufs, wenn u und v zwei unbestimmte Va- riable bedeuten, die Gleichung: zu ’ ’ ’ I (ua;; + 09,;) 2%; Y = > (ud; + ©Q,;) % Yr durch die Substitution: ’ = SC; x, = Sc; %: erfüllt werden. Bezeichnet man die Determinante eines Systems von Gröfsen d,; durch: |d,;|, so erhält man für die Zulässig- vom 15. October 1866. 601 keit der Transformation jener beiden bilinearen Formen in ein- ander die Bedingung: BR) D UQ ;r t VQ;; |. lab; uga;; + va;; | = j@;; Da beide Seiten dieser Gleichung ganze symmetrische Functionen des 2nten Grades von u und v enthalten und die Coefficienten von (u?”-+v?") überdies identisch sind, so repräsentirt dieselbe n Relationen zwischen den Coefficienten « und a’, welche für die Transformation der beiden bezüglichen Formen in einander erforderlich sind. Dieselben sind aber, wie sich zeigen wird, auch ausreichend, da beide Formen auf eine und dieselbe Nor- malform reduecirt werden können, wenn, wie jetzt vorausgesetzt werden soll, die Determinante: lua;; + va;; | als Function von % und ® betrachtet, keine gleichen Factoren enthält. Diese Determinante, welche für die bilinearen Formen von besonderer Bedeutung ist, läfst übrigens noch mannigfache Umformungen zu, von denen ich nur eine hier hervorheben will. Bezeichnet man nämlich mit «&,;, die Coefficienten des dem Substitutionssysteme @,, entgegengesetzten Systems, so wird: = a, Rn — On, wenn, wie von jetzt ab stets geschehen soll, &,; =1 oder 8, =0 genommen wird, je nachdem die Indices ö© und k ein- ander gleich oder von einander verschieden sind. Bei Einfüh- rung dieser Bezeichnungen erhält man für die obige Determi- nante die Relation: |u@;; nm va, | = l@;r U ;7 ar va, 773 - Wenn die bilineare Form, deren Coefficienten «a,; sind, durch eine Substitution mit den Coefficienten c,; auf die Nor- malform: IA; & Yark redueirt werden soll, so muls den vorstehenden Ausführungen gemäls: ’ ’ = (ua;; + va, ;)&; Ya = = (un, HA n44)% Yars ı 602 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse werden, wenn: ’ y 0 4, Yı = ch, Y h h und in Folge dessen: Dr — = Ynr %p, Ya = = yar Yr gesetzt wird, wobei die Coefficienten ce und y durch die Re- lation: = cin Ya Or mit einander verbunden sind. Da die Normalform mit den Coef- fieienten %, wenn man darin p, x; für x; und p, y; für y; Setzt, in: I ’ I, Dr Pazk I York - übergeht, so folgt, dafs bei der Reduction einer beliebigen Form auf die Normalform sowohl für deren Coefficienten A als für diejenigen der Substitution c nur die Quotienten: Ar C;a Na D CH bestimmt sein können. Für diese Quotienten aber ergeben sich die nothwendigen Bedingungen, wenn man in der obigen Trans- formations-Gleichung die Variabeln x durch #° und die Varia- beln y’ durch y ersetzt. In der That erhält man alsdann: > (ua;; + v0,,) C5 % = 2(ur, + YAnyn )Yarı 2; Yr, so dafs die 2n Verhältnisse A, :?%,,, durch die 2n Wurzeln der reciproken Gleichung: |@:r zu @;| —i0 gegeben werden, während sich die Verhältnisse c,; :G, als- dann aus den 2n Gleichungen: I (@;5 Any+s — % 9,0, =0 für k=1,2,...2n bestimmen. Es ist aber nunmehr noch zu zeigen, dafs oder in wie weit diese Bestimmung der Coefficienten c und A der Aufgabe genügt. Zu diesem Zwecke denke man vom 15. October 1866. 603 sich die Determinante lu@;; + va; ;| in irgend einer Weise in die 2n linearen Factoren uv, — vu, zerlegt, jedoch so dafs v,,=4, %yp=v, wird. Ferner seien d,; (u,v) die Unterdeterminanten von |ue;; + va;;|, so dals: > (uas + va;;) dy; (u) = |ua;; + va; ;\. 8, also auch: > (ua;, + va, ,)d;, (vu) = |ua;; + va; ;|. 84; wird. Setzt man nun: > (ua; + va, ,;)d;, (©, u, )dy, (u,0%,)=uA, + vB,,, so ergiebt schon die Summation über i allein, dafs u, A,#vB.,.=0 sein muls, und ebenso ergiebt die Summation über % die Gleichung: 17 A,+v, B.=0 U; u Da — der Voraussetzung nach von r % Ar = B,; = 0. verschieden ist, so folgt: Ferner erhält man leicht die Relation: A, = De nr, und mit Hilfe dieser Beziehungen zwischen den Gröfsen A und B ergiebt sich die Identität der auf ,k,r,s=1,2,...2n auszu- dehnenden Summe: > (ua,;; + va; ;)d;; (u,, ©, )dyr (U, ©). Pr Ps % Ye mit: ; = (UA uys,n+r =E: vAyr) Pr Pn+% Tr ae . Die Identität dieser beiden Summenausdrücke, in welchen die 604 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Coeffieienten p ganz willkürlich bleiben, setzt die Reduction einer Form: : 2a; d; Yr auf die Normalform mittels der Substitution : I — >d;, (u,, ®, )- P- E, r in Evidenz und die Coefficienten e,; werden hiernach in der allgemeinsten Weise durch die Gleichung: Cr; = Pr. din (Wr, ©) bestimmt. Der bilinearen Form mit den Coefhcienten a,, ist in ge- wisser Hinsicht eine: andere beigeordnet, welche aus derselben durch die Substitution: @ = E+ Sn+4 Za;; 4; a entsteht. Sind nämlich die Gröfsen «, wie oben, durch die Gleichung > — Zar oy = k für alle Indices :, % bestimmt, so erhält man die Relation: ® : (4; % Yr = 2:; Ep Fn+r, ni & Nik für die beiden einander beigeordneten Formen. Wenn die Coeffi- cienten der Substitution, mittels deren die beigeordnete Form auf die Normalform gebracht wird, mit c’ bezeichnet werden, so besteht zwischen den Coefficienten c und c’ die Beziehung: ’ < & Can, TW; arm Cyi, welche für die nunmehr wieder aufzunehmende Ermittelung der Gröfsen r von Bedeutung ist. Wenn eine bilineare Normalform, deren Coefficienten A sämmtlich von einander verschieden sind, dadurch gleich Null werden soll, dafs die je 2n Variabeln durch je rn übereinstim- mende Relationen mit einander verbunden werden, so kann diels nur in der einfachen Weise geschehen, dafs die eine Hälfte der Variabeln selbst gleich Null gesetzt wird. Es kann hierfür stets die letzte Hälfte genommen werden, sobald man keinerlei Vor- vom 15. October 1866. 605 aussetzung über die Anordnung der Variabeln macht. Hiernach “bestimmen sich die Coeffieienten r in den Relationen: Una STgr &r, Ya Fr In: für welche 20, %;y, = werden soll, aus den Coefficienten c durch die Gleichungen: —=Y\ En+9,p — —=Crp For. r Für die Indices p, g,r sind hier überall nur die Zahlen 1,2,...n zu setzen. Die Variabeln der Normalform und also die zweiten Indices der Coefficienten c werden in einer derjenigen Anord- nungen vorausgesetzt, für welche |e,,| nicht verschwindet. Als- dann läfst sich für die zu der beigeordneten Form gehörigen Coefficienten ce die Gleichung: & —. au ’ rp rg herleiten. Hiernach stehen irgend zwei einander beigeordnete Formen in der gegenseitigen Beziehung, dafs wenn die eine vermöge der Relationen: u = nr = Tor Tr, Ya = 374, Yr r r verschwindet, die andere durch die transponirten Substitutionen: en es Dar rg dr, Ya rg Yr r r auf Null redueirt wird. Wenn also die beigeordneten Formen abgesehen von einem constanten Factor einander gleich und demgemäfs die Coefficienten c und ce mit einander identisch anzunehmen sind, so muls r,, =r,, sein. Diefs findet in der That statt, wenn a, =e; m,, „4, genommen wird, wodurch übrigens für die Bestimmung der Coeffieienten c aus der obigen Gleichung zwischen c und c’ die Relationen 1 w; Smen CHi, w; My — 6, | =0 hervorgehen, und man kann das Resultat folgendermalsen aus- sprechen: 606 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse „Wenn die Zahlen m;; die An? Substitutionscoeffhi- cienten für die Transformation der Form: >77 Yn-+k in ein Vielfaches ihrer selbst bilden, so giebt es sym- metrische Systeme von n? Gröfsen r, für welche die Form: 2, M;n+k 2 Yr verschwindet, wenn ‘darin: Eng = Tg Er, aa Er Ur gesetzt wird. Unter der Annahme, dafs die Determi- nante 023 M;, nk + VE; My ai | „aus lauter verschiedenen Linearfactoren: UV, — Vu bestehe, lassen sich sämmtliche Systeme von Gröfsen r rational aus den Grölsen u; v; bestimmen. Wenn nämlich eine Hälfte der Werthe u;, % irgendwie aus- gewählt wird, jedoch so dafs nicht zwei um n ver- ‚schiedene Indices & darunter vorkommen, und man be- zeichnet die Unterdeterminanten der obigen Determinante mit d;,(u,v), so werden die zu einem und demselben Systeme gehörigen Gröfsen r durch diejenigen Gleichun- gen gegeben, welche aus: rn dc, (u;, % )h Far = A (u;,©,) für die ausgewählten n Indices & und für g=1,2,...n entstehen.” Eine besonders bemerkenswerthe Beziehung zwischen den Gröfsen r und den zugehörigen bilinearen Formen besteht darin, dafs transformirten bilinearen Formen transformirte Gröfsen + entsprechen, vorausgesetzt dafs die Coefficienten der Transfor- mation selbst ein System m,; bilden. Wenn nämlich die Gröfsen = zu der Form Ye,m;,,,,2; y,; und die Gröfsen r zu derjenigen Form gehören, welche aus jener durch die Substitutition : ’ ’ x, =2m, dh 5 y—Zmy:Yyn h vom 15. October 1866. 607 N hervorgeht, so besteht zwischen den Gröfsen r und r’ genau die im Anfang. dieser Mittheilung angegebene Relation, welche die einen als transformirte der andern charakterisirt. Die arithme- tische Theorie der Grölsensysteme z ist sonach auf die der bili- nearen Formen M(x,y) zurückzuführen und diese bilden eine in sich abgeschlossene Gattung von Formen, welche bei Trans- formationen der bezeichneten Art nur in einander übergehen und welche, wenn die Coefficienten m symmetrisch sind, durch quadratische Formen jener besonderen Gattung ersetzt werden können, welche Herr Hermite für den Fall n= 2 zuerst auf- gestellt und behandelt hat. Es mufs hervorgehoben werden, dafs nicht alle Werthe der Gröfsen 7, welche auf die angegebene Weise resultiren, die für die Convergenz der ©-Reihen nothwendigen Bedingungen er- füllen. Ferner ist zu bemerken, dafs, wenn die Gleichung: za; — &. 1=0 gleiche Wurzeln enthält, die Gröfsen r theilweise unbestimmt bleiben, d. h. es existiren in diesem Falle gewisse Functionen von einer oder mehreren Variabeln, die für r,, gesetzt der Aufgabe genügen. Ich will indessen auf diese eine genauere Untersuchung erfordernden Punkte nicht näher eingehen, sondern nur noch gewisse Eigenschaften der Zahlen m hervorheben, wel- che für die hier berührten Fragen von Bedeutung sind. Die Gleichungen, denen das System der Zahlen m genügt, bleiben auch bei der Zusammensetzung solcher Systeme beste- hen. Diefs geht unmittelbar daraus hervor, dafs die Zahlen m die Coefficienten der Substitution für die Transformation einer gewissen Form in ein Vielfaches derselben bilden. Auf der- gleichen Substitutions-Systeme, deren Eigenschaften bei der Zu- sammensetzung erhalten bleiben, habe ich bereits vor längerer Zeit bei Gelegenheit anderer algebraischer Untersuchungen meine Aufmerksamkeit gerichtet und von denselben namentlich zur Bildung von Affeetfuncetionen Gebrauch gemacht. Um solche Systeme herzustellen bedarf es nur der Auffindung von Formen, welche unendlich viele Transformationen in sich selbst zulassen, und wenn bereits derartige Formen bekannt sind, so kann man daraus neue ableiten, indem man Formen, die sowohl in sich 608 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse selbst als in einander transformirbar sind, zu einander addirt. In dem oben angegebenen Falle sind es z.B. die n in sich selbst transformirbaren Formen: #,%Y,.4,— £.4,Y,, deren Summe eine neue Form bildet, welche Transformationen in sich selbst gestattet, und man sieht leicht, in welcher Weise sich nament- lich die Verallgemeinerung für Determinanten höherer Ordnung gestaltet. Nach diesen Andeutungen über allgemeinere Systeme bemerke ich zuvörderst in Bezug auf dasjenige, durch welches die Form: Xe,&, Y„3, in sich selbst übergeht, dafs dessen Elemente m,; sich rational durch 2 (2n+-1) von einander un- abhängige, ein symmetrisches System bildende Gröfsen v;; ausdrücken lassen. Bringt man nämlich die Elemente des dem Systeme (m;; + d,;,) entgegengesetzten Systems auf die Form: (2 Van ah u ) so sind die Grölsen m und v offenbar durch einander rational ausdrückbar, und es bestehen vermöge der Eigenschaften des Systems m für die Grölsen v die Relationen: v,, =v,,, Durch diese Zurückführung der Systeme m auf symmetrische Systeme v wird indessen nur die Auffindung aller rationalen, nicht aber die aller ganzzahligen Elemente einer Transformation der Form: Xz, x, %Y„4, in sich selbst ermöglicht. Hierzu dient vielmehr ein Prineip der Reduction von gegebenen Substitutions- Systemen auf „elementare”, welches auch auf die allgemeineren vorhin charakterisirten Systeme anwendbar ist. Wenn man auf eine Substitution zweiter Ordnung mit ganzzahligen und vorläufig positiv anzunehmenden Coefficienten: yı =axı + bs, Yy = 0, + daz successive und abwechselnd die weiteren Substitutionen: &ı =%r ,=—ı nn anwendet, und hierbei für die Zahlen p die Theilnenner nimmt, welche bei der Entwickelung von in einen Kettenbruch mit den Zählern: —1 auftreten, so reducirt sich hierdurch schliefs- lich in der Reihe der neuen Cveffcienten 5 einer auf Null. vom 15. October 1866. 609 Ist ad—be=1, so werden hiernach die zugehörigen Coefficien- ten a und d gleich Eins, und eine Folge von drei ferneren Transformationen der obigen Art bringt auch den Coefficienten c auf Null. Da überdiels eine Folge von Substitutionen der ersten Art jede zulässige Zeichenänderung der Coefficienten be- wirkt und die der zweiten Art offenbar aus solchen zusammen- gesetzt werden können, in denen p=1 ist, so ergiebt sich, dafs jedes ganzzahlige Substitutionssystem zweiter Ordnung mit der Determinante 1 aus den beiden elementaren Systemen: og 1 2) ' und : 1 9 0 0, zusammengesetzt werden kann. Die Zusammensetzung von Syste- men ist dabei stets in der Weise zu nehmen, wie sich dieselbe durch successive Transformation der Variabeln ergiebt, so dals ein aus der Aufeinanderfolge von Systemen a,; und b,; ent- stehendes System c,; durch die Gleichung: CH = 20; dur A bestimmt wird. — Da der angegebene, mit dem Kettenbruchs- Verfahren übereinstimmende Procefs der allmäligen Verkleinerung zweier ganzzahliger Elemente einer Horizontalreihe ohne Weiteres auf ein beliebiges ganzzahliges Substitutionssystem nter Ordnung angewendet werden kann, so sieht man, dafs auf diese Weise zuvörderst nach einander die zur Rechten der Hauptdiagonale stehenden Glieder der ersten, zweiten, dritten ete. Horizontal- reihe und, falls die Determinante gleich Eins ist, alsdann auch die auf der linken Seite befindlichen Glieder auf Null reducirt werden können. Die Zahl der hierzu nur erforderlichen elemen- taren Systeme ist genau gleich n, und zwar kann man dazu diejenigen wählen, welche durch die folgenden Transformationen der Variabeln bezeichnet sind: . 2, = 5,2% =%,, und wenn't z Kan, =ix wo nach einander k=2,3,...n zu setzen ist; 2.0, =aı +25 undweni>t:n =E. Jedes ganzzahlige Substitutionssystem nter Ordnung mit der Determinante Eins kann also als eine Aufeinanderfolge der an- gegebenen n elementaren Systeme betrachtet werden, und diese Zerlegung beliebiger Systeme in elementare, welche übrigens in 610 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse gewisser Hinsicht eine bestimmte ist, hat auch für die arithme- tische Theorie der Formen ihre besondere Bedeutung. Um nunmehr zu der analogen Zerlegung der obigen Sub- stitutionssysteme m in elementare überzugehen, bemerke ich zu- vörderst, dafs jede Transformation einer Summe von Formen: % Ynyr — &n4+r Y» in sich selbst aus denjenigen sich zusammen- setzen lassen mufs, welche eine dieser Formen in sich selbst und aus denjenigen, welche sie in eine der übrigen verwandelt. Demgemäls ergeben sich mit Rücksicht auf obige Ausfüh- rungen zwei elementare Transformationen der ersteren und n der letzteren Art, nämlich: 7 , I. 1) X%ı —— Un, Vn+1 =4,;5 J. 2) 2, = +Lırı: ’ ’ ’ ’ I. 1), 2, mar = ir, u Fin dr u wo nach einander 2, 3,....n für k zu setzen ist; ’ ’ ’ ’ D. 2) z, =4, + Llnr2 %2 =4g, + ls: Hierbei sind der Einfachheit wegen überall diejenigen x weggelassen worden, welche den entsprechenden x’ gleich zu setzen sind. — Es läfst sich nun in der That jede beliebige ganzzahlige Transformation der Form: 32, &, Y.;, in sich selbst in eine Folge der angegebenen (n-+2) elementaren Trans- formationen zerlegen und die zu dieser Zerlegung erforderliche Reduction eines beliebigen ganzzahligen Systems m mit der Determinante Eins kann in folgender Weise bewirkt werden: Erstens sind mit Hilfe der elementaren Substitutionen nach der oben angegebenen Methode diejenigen Glieder m,, zu vernichten, in welchen s>r ist, sowie diejenigen Glieder m, „;., in welchen sZr ist, wobei die Indices r und s stets nicht grölser als n zu nehmen sind. Alsdann sind vermöge der Eigen- schaften der Zahlen m nothwendig sämmtliche Glieder m, ,„z: gleich Null, und also die Zahlen m,, sämmtlich gleich Eins. — Zweitens sind hierauf die Glieder m,,, für welche r>s ist, auf Null zu reduciren, und es verschwinden in Folge dessen von selbst die Glieder M,„yr,n+s, für welche r und s verschie- den sind, während die Zahlen m,;,,.a4r=1 werden. — Drit- tens sind endlich nunmehr auch die noch übrigen Glieder vom 15. October 1866. 611 9,4. mit Hilfe der elementaren Substitutionen zu vernichten, so dafs nur die Zahlen m;;, welche sämmtlich gleich Eins sind, übrig bleiben. Wenn die Determinante der Zahlen m,; von Eins ver- schieden ist, so treten bei der angegebenen Reduction mittels elementarer Systeme in den Diagonalgliedern — statt der Zahl Eins — Theiler der Determinante auf, und es lassen sich hier- nach nicht mehr sämmtliche aufserhalb der Diagonale stehenden Glieder auf Null redueiren. Aber man erhält durch dieses Ver- fahren die sämmtlichen nicht äquivalenten Substitutionssysteme irgend einer von Eins verschiedenen Determinante und die be- züglichen Resultate sind als Verallgemeinerungen derjenigen an- zusehen, welche Hr. Hermite in seiner Abhandlung über die Transformation der Abelschen Functionen für den Fall n=2 gegeben hat. Ich habe den vorstehenden Ausführungen die Bemerkung hinzuzufügen, dals mir vor dem Abdruck des obigen Auszugs aus meiner am 15. October gehaltenen Vorlesung. nämlich am 31. desselben Monats, das inzwischen erschienene Werk von Clebseh und Gordan über Abelsche Functionen auf gütige Veranlassung der Herren Verfasser zugekommen ist. Die Ent- wickelungen im $ 86. dieses Werkes, wo die Aufgabe alle ganzzahligen Systeme m aufzufinden behandelt wird, sind den meinigen analog, wenn auch nicht bis zu denselben einfach- sten Resultaten durchgeführt; sie stützen sich aber ebenfalls wesentlich auf das oben dargelegte Prinecip der Reduction beliebiger Substitutionssysteme auf elementare, und es wird da- bei die Idee einer solchen Reduction als mir angehörig in einer Note bezeichnet, deren etwas unbestimmte Fassung mich zu einer Darlegung des Sachverhältnisses veranlafst. In der That habe ich bereits vor acht Jahren das Problem, die sämmtlichen ganzzahligen Systeme m darzustellen, durch die obige Methode gelöst und eine vollständige schriftliche Auseinandersetzung der- selben im Februar 1559 meinem Freunde Weierstrafs über- geben, welcher sie bei einer damaligen Bearbeitung seiner Theorie der allgemeinen Abelschen Functionen benutzen wollte. Die Methode ist überdiefs durch private Mittheilungen so [1866.] 44 612 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse wie durch meine an der Universität gehaltenen Vorlesungen seit Jahren mehrfach bekannt geworden. ' Indessen könnte jene Note in dem Werke von Ölebsch und Gordan sich auch auf unmittelbare mündliche Mittheilungen beziehen, welche ich über die Reduction der Systeme und deren Anwendung auf die Transformation Abelscher Functionen Herrn Gordan bei seiner vorjährigen Anwesenheit in Berlin gemacht habe. Hr. Weierstrafs gab eine Fortsetzung seiner am 25. Juni d. J. gelesenen Abhandlung: „Über die Flächen, deren mittlere Krümmnng überall gleich Null ist.”') ... Ich habe mich mit der Theorie dieser Flächen beson- ders aus dem Grunde eingehender beschäftigt, weil sie, wie ich zeigen werde, auf das Innigste mit der Theorie der analytischen Functionen eines complexen Arguments zusammenhängt, so dafs jede solche Function eine Fläche der in Rede stehenden Art bestimmt, und umgekehrt. Die hauptsächlichsten Resultate meiner Untersuchungen er- laube ich mir der Akademie mit dem Bemerken vorzulegen, dafs ich einen Theil davon, namentlich den Inhalt der $$. (2—4) bereits vor mehreren Jahren im mathematischen Seminar der Universität vorgetragen habe. 1 Kiga Ich betrachte zunächst eine einfach zusammenhangende Fläche — sie möge mit M bezeichnet werden — und nehme überdies an, dafs dieselbe in ihrem Innern überall den Charakter einer algebraischen Fläche besitze?) und frei von singulären Stellen sei. Unter dieser Voraussetzung ist es stets möglich, *) die Punkte von M mit denen einer beliebig angenommenen, einfach begrenzten 1) Das hier Mitgetheilte enthält zugleich einen Auszug aus der ersten Abhandlung. Dyel-S. 5. ®) S.diein Schumacher’s „Astronomischen Abhandlungen” (Heft 3) abgedruckte Abhandlung von Gaufs über die conforme Abbildung einer Fläche auf eine andere und Riemann’s Inaugural-Dissertation ($. 21). vom 15. October 1866. 613 ebenen Figur E so zu paaren, dafs jedem unendlich kleinen Elemente der einen Fläche ein ihm ähnliches der andern ent- spricht. Dann werden, wenn man mit &, y, 2 die Coordinaten eines Punktes von M, und mit p, g die des entsprechenden von E bezeichnet — wo die erstern auf ein orthogonales Axensystem im Raum, die andern auf ein in der Ebene von E enthaltenes zu beziehen sind — x, y, 2 Functionen von 7, 9, welche durch folgende Eigenschaften charakterisirt sind: 1. Für jeden Punkt im Innern und an der Grenze von E haben sie bestimmte endliche Werthe, die sich stetig mit (p, q) ändern. 2) Sie lassen sich, wenn (po; 90) irgend ein Punkt im In- nern von FP ist, nach ganzen positiven Potenzen von p—p9, g—9. in Reihen entwickeln, welche für alle in einer bestimmten Umgebung von (p9;90) liegende Punkte (p,g) convergent sind; oder mit andern Worten, sie besitzen an allen Stellen im Innern von E den Charakter ganzer rationaler Functionen. Eine Folge davon ist, dafs auch alle ihre Ableitungen ebenso beschaffen sind. 3) Diese Eigenschaft verbleibt ihnen auch, wenn (po, 90) einer Strecke der Begrenzung von E angehört, welche überall den Charakter einer algebraischen Curve ohne singuläre Punkte hat,') und wenn zugleich die entsprechende Strecke der Begren- zung von M von derselben Beschaffenheit ist. 4) Zwischen ihren ersten Ableitungen bestehen im Innern von E und an den unter Nr. 3. genannten Stellen der Grenze die beiden Gleichungen DEN de de ..Oyoy , d2 de Po Pi ag 5. Diese Ableitungen verschwinden an keiner dieser Stellen alle zugleich. . ‘Dieses vorausgesetzt erhält man für die mittlere Krümmung von M in dem zu (p, qg) gehörigen Punkte den Ausdruck 1) Vol. $. 5. 44* 614 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse ’ en .)* MR .@) od de 0’2 0°8 TER laser, op ag’ cp? .0g? 02% 0 0°z at og Aus den unter (4) angeführten Gleichungen folgt aber (+ a (+ =) > oyo2 0 s „ f(d2 dx: dw 2, - ey 0y ee — > | 7 — —— u — opdg cp 34) "\opog Opdg/ \opag dpdg ay92 d2y 02002 de oe’, (dady dyda ee El SD N 8 opdgq cpd + = og op 2 ab = og op =) Wenn daher die mittlere Krümmung von M überall gleich Null ist, so müssen an allen unter (4) erwähnten Stellen die Gleichungen bestehen. Daraus ergeben sich, wenn man prgi=u setzt und den reellen Theil einer complexen Gröfse durch den vorgesetzten Buchstaben R bezeichnet, für &,y,2 die Ausdrücke _ (4) ae) yaRıW) zRäM wo /f, 9, h Functionen von u sind, die folgenden Bedingungen genügen: 1) Im Innern von E und an den im Vorhergehenden be- zeichneten Stellen der Greuze besitzen sie den Charakter gan- zer rationaler Functionen ; vom 15. October 1866. 615 2) unter ihren ersten Ableitungen besteht die Gleichung ++ - 3) diese Ableitungen verschwinden an keiner Stelle gleich- zeitig; 4) die reellen Theile von /, g, % haben in jedem Punkte der Begrenzung von E bestimmte endliche Werthe, die sich stetig mit u ändern. Zugleich läfst sich leicht zeigen, dafs die Gleichungen (4A), wenn / (u), 9 (uw), h (w) irgend drei die vorstehenden Bedingungen erfüllende Functionen sind, auch stets eine einfach zu- sammenhangende, inihrem Innern keinen singulären Punkt enthaltende Fläche darstellen, deren mittlere Krümmung überall gleich Null ist. Die Gleichung ++ wird befriedigt, wenn man, unter G, 4 willkürliche Functionen von u verstehend, = - m>, Vi +il, FzıaH setzt. Zur Erfüllung aller Bedingungen, denen f, 9, h genügen müssen, ist es aber nothwendig, dafs überall wo dieletzteren den Charakter ganzer rationalen Functionen be- sitzen, @, H dieselbe Beschaffenheit haben. Aus der Gleichung De. an ist nämlich ersichtlich, dafs an einer bestimmten Stelle a, für welche die Bedingungen (1, 2, 3) erfüllt sind, von den beiden Fac- toren auf der linken Seite nur dann einer verschwindet, wenn dort dh du lung nach Potenzen von u—a mit einer graden Potenz dieser Grölse anfangen muls. Dies ist aber nur möglich, wenn G, I = ( ist, und zwar nur dieser eine, weshalb seine Entwick- 616 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Functionen von dem ‚angegebenen Charakter sind, welche an keiner Stelle gleichzeitig verschwinden. Aufserdem müssen sie so beschaffen sein, dafs die aus ihnen entspringenden Functionen J9h für diePunkte an der Grenze von E der im Vorstehenden unter Nr. 4 angeführten Bedingung genügen. Hiernach kann man, wenn man mit w irgend einen bestimmten Werth von z, und mit &,, 9%, % die Coordinaten des zugehörigen Punktes vor M bezeichnet, die Gleichungen (A) in folgender Gestalt darstellen: = + a (0: 17) Ei (5) ln Fr 3 fi (e@ + 4°) du u, Er &f? G(u) Hu) du 2, Wenn die willkürlich anzunehmende Figur E ein um den Nullpunkt der Coordinaten p, q beschriebener Kreis ist, so lassen sich die Functionen G, H, f, g, h durch convergente Reihen, die nur ganze positive Potenzen von u enthalten, darstellen. Man hat also den Satz: „Es lassen sich die Coordinaten einer Fläche M auch mittels convergenter Reihen von der Form = > re (p + qü ee Se = a) R 2 . , A DR, A (0) = nee Ge E30 a ee R = | ee el 700) durch zwei reelle Veränderliche p,g ausdrücken, in der Art dafs A BR OA BILSO, sämmtlich reelle Gröfsen sind, und man alle Punkte der Fläche erhält, wenn man für p, q die Coordinaten aller Punkte setzt, vom 15. October 1866. 617 die im Innern und im Umfange eines mit beliebigem Radius um den Nullpunkt beschriebenen Kreises liegen.” 2. Die in den vorstehenden Formeln vorkommenden Functionen /(w, g(u), h(u) sind zunächst nur für die der Figur E ange- hörigen Punkte definirt. Im Allgemeinen ist aber der Bereich derjenigen Werthe von u, für welche die genannteu Functionen existiren — wenn auch nicht mehr als eindeutig bestimmte — ein weiterer, und es liegen dann alle durch die Gleichun- gen (A) dargestellten Punkte auf einer monogenen Fläche der in Rede stehenden Art — ich will sie von nun an ihrer bekann- ten Eigenschaft wegen eine Minimalfläche nennen — von der die bisher betrachtete M ein einfach zusammenhangender Theil ist. Hierbei ist jedoch zu beachten, dafs man, wenn « irgend ein bestimmter Werth von « ist, unter f(w), g(w), h(w) stets simultane Werthe dieser Functionen zu verstehen hat, d. h. solche, die f(w), g(u), A(w) dadurch erhalten, dafs man u bei allen dreien auf demselben Wege von einem im Innern von E gelegenen Punkte aus zu dem Punkte w übergehen läfst. Hiernach können die entwickelten Gleichungen, wenn man sie in dem angegebenen Sinne auffalst, im Allgemeinen als Aus- druck einer Minimalfläche in deren ganzen Ausdehnung betrachtet werden. Man würde zwar irren, wenn man glauben wollte, dies sei stets anzunehmen. Denn bei einer analytischen Function ist der Bereich ihres Arguments nicht immer ein willkürlich auszudehnender, sondern vielmehr in vielen Fällen ein bestimmt begrenzter — ein Umstand, der bis jetzt nicht beachtet worden zu sein scheint, obwohl er für die Functionen-Theorie von grolser Bedeutung ist. Es kann daher sehr wohl kommen, dafs der Bereich von wu, für welchen die Functionen /, 9, h exi- stiren, der Ausdehnung der Fläche nicht entspricht. Dieser Übel- stand wird aber vermieden, wenn man unter den unendlich vielen, durch die in Rede stehenden Gleichungen gebotenen Darstellungs- weisen der Fläche solche auswählt, bei denen die Gröfse u in jedem Punkte eine bestimmte geometrische Bedeutung erhält. Durch diese Betrachtung bin ich zu folgenden, wie es mir scheint, beachtenswerthen Formeln geführt worden. Man bezeichne die in den Formeln (D) vorkommenden 618 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Funetionen G, H mit v, w, so wie mit u,, v,, w, die complexen Gröfsen, welche den u, v, w conjugirt sind. Dann hat man de = + (0? — w’) du+ 4 (wi — w}) du, dy = ;(v? + w?) du — 2 (v! + wi) du, dz = vw du + v, w, du, Hieraus erhält man, wenn &,», die Cosinus der Winkel bedeuten, welche die in dem Punkte (w) an einer bestimmten Seite der Fläche errichtete Normale mit den positiven Rich tungen der Coordinaten-Axen bildet, vw, + wv, = vv + ww, vw, — we, vv, + uw, ww] Kg Oo] N oe Etni _w ad Ei; Der Ausdruck = 7 hat aber folgende geometrische Bedeutung. Um den Nullpunkt der Coordinaten sei mit dem Radius 1 eine Kugel beschrieben, welche von der positiven Richtung der 2-Axe in dem Punkte Z geschnitten werde. Betrachtet man dann &, », $ als die Coordinaten eines Punktes dieser Kugel, und projicirt denselben von Z aus auf die (x,y) Ebene, so sind 5 an die Coordinaten der Projection, also = die com- eo plexe Gröfse, durch welche der Ort der letztern in der genannten Ebene bestimmt wird, und die fortan mit s bezeichnet wer- den soll. Dies vorausgesetzt nehme man auf der darzustellenden Mini- mal-Fläche irgend einen nicht singulären Punkt P, so an, dafs innerhalb eines denselben umgebenden kleinen Stückes M der Fläche sich keine zwei parallele Normalen finden, und zugleich die Normale in P, nicht die Richtung der positiven z- Axe hat. vom 15. October 1866. h 619 Dieses Stück kann man nun, nach Annahme einer beliebigen Figur E, durch die Formeln (B) darstellen. Dann läfst sich, wenn u, der zum Punkt P, gehörende Werth von u ist, für alle Werthe dieser Gröfse, bei denen der absolute Betrag von w—u, eine bestimmte Grenze nicht erreicht, s in eine conver- girende Reihe +5, u—u) +3 wu) +... entwickeln, in der 8, nicht gleich Null ist. Daraus er- giebt sich für alle Werthe von s, bei denen der absolute Betrag von s—s, unterhalb einer bestimmten Grenze bleibt, eine Ent- wicklung von vu nach ganzen positiven Potenzen von s—s,. Man kann daher die Ausdrücke w—w?’) du, (vw +w’) du, vwdu auf die Form (1-3?) 36) ds, (1 + 8°) 3 (ds, 53 (9) ds bringen, in der Art, dafs $(s) für alle in einer gewissen Um- gebung von P, liegenden Punkte der Fläche eine völlig be- stimmte, nach ganzen positiven Potenzen von s—s, entwickel- bare Function wird. Dann hat man da=R [lt 8°) 8 (8) ds] (D) ay=R[LltHs?)iäle ds] dz=NR [25% (s) ds] Bestimmt man jetzt eine Function F'(s), deren dritte Ab- leitung %(s) ist, so hat diese ganz dieselbe Form wie $%(s) selbst; und es ergiebt sich bei gehöriger Wahl der Constanten z=R [e-* Aıpime ro] (E) ER [ern ar, — 2:76] d? 220) dF(s) N [» md Und wenn man nunmehr unter F(s) diejenige analytische Function versteht, von der — nach Riemann’s passender Be- 620 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse zeichnung — die auf die angegebene Weise zu erhaltende Reihe einen Zweig bildet; so stellen die vorstehenden Formeln die Fläche, um die es sich handelt, in ihrer ganzen Ausdehnung dar. Umgekehrt wird, wenn man eine beliebige analytische Func- tion F(s) annimmt, durch die Gleichungen (E) auch stets eine monogene Minimal-Fläche bestimmt. Damit ist gerechtfertigt, was in der Einleitung gesagt wurde, dals zu jeder analytischen Function eine bestimmte Minimal- Fläche gehöre, so wie auch umgekehrt. Man kann, wenn man Gewicht darauf lest, für alle drei Grölsen x, y, z Ausdrücke von derselben äufseren Gestalt zu haben, dies ohne Weiteres durch eine Coordinaten-Transformation er- reichen. Es seien (x,, yı, 2) und (#1, 11, $ı) die Coordinaten der Punkte (x, y, 2) und (£, », $) in Beziehung auf ein zweites orthogonales Axen-System mit demselben Nullpunkt wie das ursprüngliche, so verstehe man jetzt unter s die Grölse Atmi 1, 1 und drücke &,, Yyı, 2, als Functionen derselben in der angege- benen Form aus. Mittels der unter x, y, 2 und &1, 91, 21, be- stehenden Gleichungen C=@%&] + @yı + «2 y=ß%aı + 'yı + "2, yzyatyyıty' 2a in denen sich die Constanten «, @ ...y auf die bekannte Weise durch drei von einander unabhängige Gröfsen rational ausdrücken lassen, erhält man dann die folgenden Formeln, in denen (st)=a+tdir2as—(a— ai) s? s,)=ßB+Pi+r2"s- (8 - Eds? B)SYyHYir2y”s-Y-YUs gesetzt ist: vom 15. October 1866. 621 IF) dıls,1).d Als). d’e,t) :=8| aan Js ds + Fo] (M) y=R [« „ EFO_46) dFQ |, « 29 Mi ] Erz KNEE d? == d(s, 3) DER a? — 1° (5,3) BT RO OBEITLOMELE Fe 3. Die durch die Gleichungen (E) oder (F') dargestellte Fläche ist eine algebraische, wenn Z'(s) eine algebraische Function von s ist. Dies gilt aber auch umgekehrt, Zum Beweise schicke ich folgenden Hülfssatz voraus: Es sei p + gi eine complexe Grölse, deren geometrischer Ort, wie oben, eine einfach begrenzte ebene Figur E ist, $(p + gi) eine eindeutig definirte und continuirliche Function derselben, und \/ (p, g) der reelle Theil von ® (p-+qi). Wenn nun in einem bestimmten Falle zwischen J (p, q) und p,g eine algebraische Gleichung besteht, so muls auch $ (p + gi) mit pP + gi durch eine solche verbunden sein. Beschränkt man die Veränderlichkeit des Punktes p + gi zunächst auf einen ganz im Innern von E gelegenen Kreis, dessen Mittelpunkt 9, +q,i=u, sein möge, und setzt p-p=e 9-9=ß, so läfst sich ® (p+-gi) durch eine Reihe 2 ,r+rbirla +bhÜ) lc +) + rl) le HrLd)+.. darstellen, in der ©, @,,...d,,d,,... reelle Constanten sind; und es ist Y9,)=o+4 (a+bi)(e+P)-+... +: (bi) (e—-L)-+... Der Voraussetzung nach besteht nun eine Gleichung GbmD=0, in welcher der Ausdruck auf der: Linken eine ganze rationale Function von %,p,g ist. Entwickelt man dieselbe nach Po- 622 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse tenzen von «, £, so müssen die Coeffiecienten der einzelnen Glieder sämmtlich gleich Null werden; die Gleichung besteht also auch noch, wenn man an die Stelle von «, ß complexe Grölsen v, w setzt, wenn nur die Entwicklung von \/ nach dieser Substitution convergent bleibt. Da dies Letztere sicher der Fall ist, wenn die absoluten Beträge von v, w beide kleiner als der halbe Radius des angenommenen Kreises sind, so kann man, mit u einen beliebigen Punkt im Innern dieses Kreises be- zeichnend, nehmen, wodurch Y=0+539W)-2PW) wird, und die Gleichung GW +vg,+u)=o die Form 16) (® (u); u) —20 erhält, wo ® eine ganze Function von $(w) und « ist. Die Gültigkeit dieser Gleichung für alle Punkte im Innern von E steht aber fest, sobald bewiesen ist, dafs sie für alle Punkte innerhalb eines noch so kleinen Theiles dieser Figur gilt. Dieses vorausgesetzt nehme man an, dafs die durch die Gleichungen (E) dargestellte Fläche eine algebraische sei. Dann besteht, wenn man setzt, zwischen diesen beiden Gröfsen und jeder der Coordinaten x, y, 2 eine algebraische Gleichung. Wenn man daher unter F'(s) zunächst die eindeutige Function von s versteht, die bei der obigen Herleitung der Gleichungen (E) definirt worden ist, so entspricht von den Functionen vom 15. October 1866. 623 1-9 Tr +2 -ıra on, — 2i F(s) d’F(s) 22, dF(s) ds? ds jede einzelne den Voraussetzungen des eben bewiesenen Satzes, und ist demnach mit s durch eine algebraische Gleichung ver- bunden. Aus den vorstehenden Ausdrücken erhält man aber F(s), wenn man sie der Reihe nach mit =D) Es HE =zs multiplieirt und dann addirt; es besteht daher auch zwischen s und dem betrachteten Zweige von F(s) eine solche Gleichung. Dies reicht aber hin, um festzustellen, dafs die Function F (s) in ihrem ganzen Umfange eine algebraische ist. Dasselbe gilt natürlich auch von der in den Gleichungen (F) vorkommenden Function. Hiernach hat man den Satz: „Allealgebraischen Flächen, in denen die mittlere Krüm- mung überall gleich Null ist, werden durch die Gleichungen (E) oder (F') dargestellt, wenn man unter F(s) eine willkürliche algebraische Function von s versteht. 4. Man kann aus den Formeln (F) noch leicht die Gleichung der Fläche in Ebenen-Coordinaten ableiten. Es seien &', y, 2 die Coordinaten eines Punktes der Ebene, welche die Fläche in dem Punkte (x, y, 2) berührt, und ur +vy +ur!=t die Gleichung dieser Ebene.!) Dann ist U ® w Ey aa Ya rn) und ‘) Es bedarf wohl keiner Erinnerung, dafs u, v, w jetzt andere Grölsen bedeuten als die vorhin so bezeichneten. 624 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Te VER Vi 1-49, V(U+V+-W?)—- W’ wo U=eau+Pßov+yw V=z!u+lv+ryw W= eu Po y’w a Dr — 2 Ve Daraus folgt ’(U-V)y)-2Ws—-— U-Vi=o und hieraus d-s)daU FihHE)aV +r2sdW Be 2y (u’+v’+w?) ..&N)du+ (5,2) dv + (53) dw 73 2y (u? +v? + w?) Ferner ist RE: 08 os 2 a Wan also us 1) He (ls) HU(ls,3)=0, Aus dieser Gleichung ergiebt sich, wenn man nach « diffe- rentiirt, Amen (u? + v? +w?) d(s,1) Das: ZE und aus den obigen Ausdrücken von (s,1) u. Ss. w. NE) d(82) EI = a ae Da nun t=use -vy+ w2 ist, so geben die Gleichungen (7) = Rev +0? + w?). _ EN vyro]| vom 15. October 1866. 625 Es ist aber DI NE ai, (s, 1) du ds 2y(w’+v?+w?) dr ar (2) vo ds 2y(wW"+v+w?) or. .dE (s, 3) 0w ds 2y (u +v?+ w?) @— «i) (5,1) + B-EH (5) + - YO SI)=2 und daher dF(s) Po ERROR or ih re or I Bringt man also r( U+Vi ) y(U’+-V?’+W’)— W. auf die Form Fı+iF;, in der Art, dafs F,, F, reelle Functionen von U, V, W sind, so erhält man or, oV als die Gleichung der Fläche in Ebenen-Coordinaten. Betrachtet man £ als Function u, v, uw, so hat man für die Coordinaten des Punktes, in welchem eine dieser Gleichung genügende Ebene die Fläche berührt, die Ausdrücke gt ot ot (H) a ge m, F () t=2(7+V:+W) > + ae won, Mit Hülfe der Gleichung (G) kann man die Lösung der Aufgabe versuchen, alle algebraischen Minimalflächen einer be- stimmten Klasse zu ermitteln; worauf ich jedoch hier nicht eingehe. (Fortsetzung folst.) 626 Gesammtsitzung 18. October. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Hagen las Untersuchungen über das Gleichgewicht und die Bewegung des trockenen und nassen Sandes. Se. Majestät der König hat mittelst allerhöchsten Erlasses vom 18. v.M. die Wahl des Astronomen Dr. Arthur Auwers in Gotha zum ordentlichen Mitgliede der Akademie zu bestätigen geruht. Herr Auwers, der nunmehr seinen Wohnsitz in Berlin genommen, wurde in der Sitzung begrülfst. An eingegangenen Büchern wurden vorgelegt: Von der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Brüssel: Memoires. Vol. 35. Bruxelles 1865. 4. Memoires couronnes. Tome 18. ib. 1866. 8. Bulletins. Tome 20. 21. ib. 1866. 8. Annuaire. Annee 32. ib. 1866. 8. Table chronologique des Chartes et Diplömes imprimes concernant Ühistoire de la Belgique. Tome 1. ib. 1866. 4. Biographie nationale. Tome 1, 1. ib. 1866. 8. Quetelet, ‚Sciences mathematiques et physiques chez les Belges au commencement du 19. siecle. Bruxelles 1866. 8. Observations des phenomenes periodiques pendant 1863. Bruxelles 1866. 4. Notices extraites de Ü annuaire de l'observatoire pour 1866. ib. 1865. 8. Nijhoff, Gedenkwaardigheden wit de geschiedenis van Gelderland. VI, 2. Arnhem 1862. 4. Documents of the U. St. Sanitary Commission. Vol. 1. 2. and Bulle- tin. New York 1866. 8. Reports on the medical and surgical history of the Rebellion. Philad. 1865. 4. The American Ephemeris and Nautical Almanac. Washington 1865. 8. Astronomical and Meteorological Observations made at the U. St. Naval Observatory, during the Year 1863. Washington 1865. 4. Smithsonian Annual Report for 1864. Washington 1865. 8. Annual of the National Academy of sciences for 1865. Cambridge 1866. 8. Report of the Secretary of war. (Washington 1865.) 8. 21. Annual Report of the board of trustees of the public schools of the city of Washington. Washington 1866. 8. vom 18. October 1866. 627 Proceedings of the American pharmaceutical association. Philad. 1865. 4. Proceedings of the Chicago Academy of sciences. Bogen 1—3. (Chi- cago 1866.) 8. Proceedings of the American Academy of arts and sciences. Vol. VI. Bogen 1—12. (Boston 1865.) 8. Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadelphia. Phila- delphia 1865. 8. Annals of the Lyceum of natural history of New York. Vol. VII, no. 4—10. New York 1865 — 1866. 8. Comptes rendus de l"academie des sciences. Vol. 63, no. 1—10. Paris 1866. 4. Bulletin de la societe geologique de France. Tome 23, feuilles 6— 29. Paris 1866. 38. Bulletin de la societe de geographie. Paris, Juillet— Sept. 1866. 8. Bulletin de la societe vaudoise des sciences naturelles. Vol. IX, no. 54. Lausanne 1865. 8. Resume des Observations de la Commission hydrometrique de Lyon. (Lyon 1865.) 8. Annales des sciences physiques et naturelle. Tome 8. Lyon 1864. 8. Philosophical Transactions. Vol. 155, 2. 156, 1. London 1865 — 1866. 4. Proceedings of the Royal Society. no. 73—86. London 1866. 4. Transactions of the Linnean Society of London. Vol. 25, 2. London 1865. 4. Journal of the Linnean Society. Zoology, no. 31— 33. Botany, no. 35— 37. London 1865 — 1866. 8. Report of the 35. Meeting of the British Association for the advance- ment of science. London 1866. 8. Journal of the chemical society. July— Sept. London 1866. 8. Proceedings of the Royal Geographical Society. Vol. 10, no. 4. 5. London 1866. 8. Journal of the Asiatic Society of Bengal. Part. 181. 182. Calcutta 1866. 8. Numismatic Chronicle, no. 22. London 1866. 8 The American Journal of science and arts. no. 124. New Haven 1866. 8. Giornale di scienze naturali ed economiche. Vol. II, 1. Palermo 1866. 4- Übersicht der Thätigkeit der Nicolai-Hauptsternwarte während der ersten 25 Jahre ihres Bestehens. Petersburg 1865. 4. Verslagen en Mededelingen der Kgl. Akademie van Wetenschappen. Af- deeling Natuurkunde. Tweede Reeks. Deel 1. Amsterdam 1866. 8. Afdeeling Letterkunde. Deel 9. ib. 1865. 8. [1866.] 45 628 .. Gesammtsitzung Jaarbock der Kgl. Akademie van Wetenschappen. Amsterdam 1865. 8. Catalogus van der Boekeri; der Kgl. Akademie van Wetenschappen. Ii, 1. Amsterdam 1866. 8. Simplicii Commentarius in libros Aristotelis de coelo ex recensione Sim. Karstenü. 'TFrajecti a. Rh. 1865. 4. Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. 16. Band no. 3. Wien 1866. 8. . Abhandlungen der historischen Klasse der Kgl. Bayrischen Akademie der Wissenschaften. 10. Band, 2. Abth. München 1866. 4. J. v. Liebig, die Entwicklung der Ideen in der Naturwissenschaft. Rede. München 1866. 4. Bauernfeind, die Bedeutung ‘moderner Gradmessunger. Vortrag. München 1866. 4. | Annalen der Münchener Sternwarte. 5. Supplementband. München 1866. 8. Correspondenzblatt des Naturforschenden Vereins zu Riga. Jahrg. 15. Riga 1866. 8. Arbeiten des Naturforscher Vereins zu Riga. Neue Folge. - Heft 1. Riga 1865. 8. | Würtembergische Naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 21, Heft 2. 3. 22, Heft 1. Stuttgart 1865. 1866. 8. Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft. 20. Band, Heft 2. 3... Leipzig 1866. 8. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlande. 4. Band, no. 4. Leipzig 1866. 8. Würzburger Medizinische Zeitschrift. 7. Band, Heft 2. Würzburg 1866. 8. Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur, und 43. Jahresbericht. Breslau 1866. 8. Festschrift zur hundertjährigen Jubelfeier der Kgl. Sächsischen Berg- akademie zu Freiberg. Dresden 1866. 8. Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch Indie. Deel 28, Afl. 4—6. 29, Afl. 1. Batavia 1865. 8. Archives du Musee Teyler. Vol. 1. Fasc. 1. Harlem 1866. 8. Meteorologisch Jaarboek, 1865. Utrecht 1866. 4. Joseph Leidy, The cretaceous Reptiles of the United States. Phila- delphia 1865. 4. Warren de la Rue, AResearches on solar physics. First Series. Lon- don 1865. 4. G. Hinrichs, On Planetology. (New Haven 1866.) 8. vom 25. October 1866. | 629 F. J. Pictet, Nouvelles Recherches sur les poissons fossiles du mont Liban. (Geneve 1866.) 8. Aristide Marre, Le Messähat de Mohammed Ben Moussa al Khärezmi. Extrait de son algebre. (Rome 1866.) 4. Carpellini, Della letteratura dantesca degli ultimi venti anni. Siena 1866. 8. Mit Begleitschreiben des Hrn. Verfassers d. d. Siena 24. Sept. 1866. Gomperz, Herkulanische Studien. Heft 2. Leipzig 1866. 8. Angelos S. Vlachos, To “Ounpıxov Zurüua. Athen 1866. 8. Mit Begleitschreiben d. d. Athen 30. Mai 1866. Fenicia, Libro duodecimo della politica. Napoli 1866. 8. Hargreave, An essay on the resolution of algebraic equations. Du- blin 1866. 8. Jubelhymne zur Einzugsfeier, componirt von Carl Brauns. Berlin 1866. 4. Mit Schreiben des Compositeurs d. d. Berlin 16. Sept. 1866. Braesicke, Das Perpetuum mobile. Berlin 1866. 8. Mit Schreiben des Verfassers. Stralsburg, 16. August 1866. Parlatore, Le specie dei cotoni. Firenze 1866. 4. et folio. Schubring, Motye-Lilybäum. (Aus Philologus, 1866.) 8. 25. October. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weber las über das Bhagavati-Sütra (Schlufs).- Memoires de la societe royale des sciences de Liege. Tome 19. 20. Liege 1866. 8. Mittheilungen der k. k. Geographischen Gesellschaft. 9. Jahrgang. Wien 1865. 4. Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. 27. Band. Berlin 1866. 38. Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. 14. Band, Lief. 2. Berlin 1866. 4. Zeitschrift des Kgl. Pr. Statistischen Bureaus. 6. Jahrgang, no. 4— 6. Berlin 1866. 4. The American Journal of science and arts. no. 125. New Haven 1866. 8. Annales des mine. Tome VIII, no. 5. 6. Paris 1865. 8. Gould, Reduction of the Observations of fixed stars. Washington 1866. 4. Sonetto scritto nel di 22 settembre 1866 dal commandatore Fenicia. 45 * 650 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse 29. October. Sitzung der philosophisch-histo- rischen Klasse. Hr. Homeyer gab Bemerkungen zur Abfassung des Sachsenspiegels. Die bisherigen Annahmen über den Autor des Sachsen- spiegels, über Zeit, Gegend, Sprache der Abfassung stehen nicht so rund, glatt und sicher da, als dafs nicht mancher versucht werden könnte, daran zu mäkeln und zu rütteln. Neue Bei- träge, um die Beweisgründe enger aneinander zu schlielsen, die Ergebnisse fester zu stellen, bleiben noch immer willkommen. Solcher Stützen sind mir seit der Behandlung jener Fragen in der dritten Ausgabe des Rechtsbuches, 1861 S. 1 ff., mehrere bekannt geworden. Ich stelle sie in dieser Mittheilung zu- sammen. I. Die Autorschaft, die Zeit und Gegend der Erscheinung gründet man vornehmlich auf folgende Thatsachen. 1. Eine äulserlich unverdächtige Vorrede des Rechtsbuches nennt als Verfasser den Eike (Heike, Ecke u. s. w.), von Repchow (Reppichowe, Repkow, Ripchow u. s. w.) 2. Der Inhalt läfst auf eine Abfassung zwischen 1193 und 1235 und zwar in der Gegend der Mittelelbe nahe an der un- tern Saale schliefsen. 3. Ein Ort Reppechowe (1237), in neuerer Schreibweise Reppichau, liegt im Anhaltischen zwischen Cöthen, Dessau, Acken. 4. Einen Eike von Repchowe nennen alsZeugen vier Urkunden Anhaltischer und Brandenburgischer Fürsten, welche aus den Jahren 1209, 1215, 1219, 1233 und aus jener Gegend, u. a. aus Wettin und aus Salbke südlich von Magdeburg datiren. Vor kurzem sind nun zwei neue Urkunden mit jenem Vor- und Zunamen aus dem K. Hauptstaatsarchiv zu Dresden zum Vorschein gekommen, beide mitgetheilt in von Posern-KRlatt verdienstlichen Vorstudien zur Geschichte der Verfassung der Markgrafschaft Meilsen im 13. Jahrh. Leipzig 1863. Und wer an dem Ssp, ein Interesse nimmt, fragt mit Verlangen, ob und wie auch sie in jene Zeit und Gegend hineinpassen. vom 29. October 1866. | 631 Laut der ersten (bei v. Posern $. 30) übergiebt Markgraf Dietrich von Meilsen zu Grimma im J. 1218 dem Kloster Altzelle gewisse Güter; unter den Zeugen steht Heiko de Rip- chowe. Die zweite (ebd. 8. 29), vom Landgrafen Ludwig von Thüringen zu Delitzsch im J. 1224 ausgestellt, lautet: notum . . . quomodo Volradus de Landsberg et Conradus filius ejus . . . septem mansos in villa proprietatis suae, quae dicitur Wizk coram nobis in provinciali placito nostro, quod VIto Nonas Maii in Dels celebratum est, Cellae sanctae Mariae . . . contradi- derunt. Hujus donationis testes ... .. Eico de Ribecowe. Die Ausstellungsorte Grimma und Delitzsch liegen beide im Osterlande, welches sich von der Quelle der Elster bis nach Halle und Merseburg westlich, nach Rochlitz, Kolditz östlich erstreckte. Es gehörte als besondre Mark nebst der Marksrafschaft Meilsen bis zum J. 1220 jenem Markgrafen Dietrich, dann seinem Sohne, Heinrich dem Erlauchten, der aber bis 1227 unter der Vormundschaft seines mütterlichen Oheims, des Landgrafen Ludwig von Thüringen stand, welcher als Herr des Landes die zweite Urkunde ausgestellt hat. Was also die Zeit anbelangt, so liegen die beiden neuen Data, 1218, 1224, nicht nur innerhalb der Grenzen welche der Inhalt des Ssp. der Abfassung, 1198—1235, setzt, sondern sie fügen sich zugleich der bisher ermittelten Epoche der Thätig- keit des urkundlichen Eike von Repchow, 1209 — 1233, voll- kommen ein. Das Osterland sodann trifft zwar nicht ganz mit dem oben bezeichneten Gebiete zusammen, es grenzt jedoch so nahe daran, dafs es nicht sowohl auf getrennte Wirkungs- kreise verschiedener Personen, sondern füglicher auf einen weiteren Bereich der Thätigkeit eines und desselben Mannes hinweist. Dabei braucht man nicht grade vorauszusetzen, dafs Eike selber im Osterlande irgendwie heimisch gewesen — erst seit 1397 kommt ein Rypchow als dort angesessen vor —; es reicht der wohl beglaubigte Umstand hin, dafs die Herren häufig fremde, nur gelegentlich an ihrem Hofe, in ihrer Umgebung weilende Personen als Zeugen ihrer Acte zuzogen (v. Posern S. 30). Und zufällig wissen wir, dafs dies grade vom Landgrafen Ludwig 632 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse nnd zwar im J. 1224 mehrere Male geschah, (Tittmann, Hein- rich der Erlauchte 2 S. 162), Die Lage der Sache ist also überhaupt diese. Der Name Eike von Repchow begegnet aufser in den angegebenen Urkun- den, in derlei Schriftstücken des 13, 14, l5ten Jahrhundert „nicht weiter; erst im 16ten erscheint er wieder. Jene Urkunden sodann, nunmehr sechse, von 1209, 1215, 1218, 1219, 1224, 1233, drängen sich in einen die Lebens- thätigkeit eines Mannes gewils nicht überschreitenden Zeit- raum zusammen; sie fallen in mehrere benachbarte Territorien, und diese Zeit und Gegend sind solche, auf welche der Inhalt des Sachsenspiegels für dessen Abfassung hinweist. Die Identität also des in der Vorrede des Ssp. genannten und des urkundlichen Eike von Repchow und damit die Richtigkeit der bisherigen Annahmen über Urheber, Zeit und Gegend der Abfassung gewinnen neuen Halt. Zugleich erweitert sich uns der Kreis der Beziehungen Eikes zu den benachbarten Fürsten seiner Zeit, tritt seine Person bedeutsamer hervor, wird der reiche Erfolg seines Unternehmens erklärlicher, die allseitige Verbreitung namentlich des geborgenen “Schatzes, den er aller Welt gemein machen wollte”. I. Die Sprache, in welcher Eike seine Arbeit veröffentlichte, wird zwischen Nieder- und Mitteldeutsch (Thüringisch, Ober- sächsisch) dadurch etwas zweifelhaft, dafs die heutige Grenze des Platt- und des Hochdeutschen den Schauplatz seiner Wirk- samkeit durchschneidet, dafs ferner die Zahlen der Handschriften jener und dieser Mundart einander ziemlich die Wage halten, Ssp. 1861 S. 14 ff. Für die ursprünglich plattdeutsche Abfassung habe ich neben andern Argumenten geltend gemacht, dafs im Anhaltischen, der muthmafßslichen Heimath Eikes, im 13ten Jahrhundert eben diese Mundart als herrschend zu betrachten sei. Diese Annahme beruhte wiederum darauf, dafs im vierzehnten Jahrhundert die Anhaltischen Urkunden plattdeutsch verfalst sind, und dafs im dreizehnten, wo sie nur lateinisch vorkommen, doch die einzelnen darin genannten Ortsnamen denselben Dialeet ver- rathen. Jetzt erhält dies ganze Argument eine erwünschte vom 29. October 1866. N 633 Verstärkung, Jm J. 1864 hat der Eifer des H. Archivarius v. Mülverstedt zu Magdeburg von alten Acten gegen zwanzig Pergamentbogen eines Stadtbuches von Acken abgelöst. Die Herausgabe des in mancher Beziehung merkwürdigen Denkmals wird von dem Entdecker vorbereitet. Ohne derselben sonst irgendwie vorgreifen zu wollen, darf ich doch und zwar aus eigener Einsicht des Fundes für unsre specielle Frage ihm folgendes entnehmen. Acken, am linken Elbufer im Herzogthum Magdeburg belegen, wird doch von Anhaltischem Gebiet fast ganz um- schlossen und ist von Reppichau kaum eine Meile entfernt. Die Data der in das Stadtbuch eingetragenen Rechtsge- schäfte reichen vom J. 1265 bis in das 16. Jahrhundert. Gegen den Gebrauch sonstiger Stadtbücher (Homeyer, Stadtbuch von Quedlinburg S. 36) sind sie vom Beginne an deutsch und zwar plattdeutsch gefafst. Später tritt von etwa 13530 —1390 das lateinische in die Stelle; 1394, 1398 finden sich ein Paar hoch- deutsche Inscriptionen, von 1399 aber lauten sie wieder platt- deutsch, bis endlich mit dem J. 1534 das hochdeutsche herrschend wird. Somit ist die Geltung des Niedersächsischen für die nächste Nachbarschaft von Anhalt, insbesondere von Reppichau im 13. Jahrh. direet bezeugt. Nun findet sich weiter, dafs das Stadtbuch im 13. und 14. Jahrhundert oftmals die Familie von Repchow auftreten läfst. Aus dem löten gehören u. a. folgende Inscriptionen hierher: c. 1265: Hermann uan repgowe unde sin wif gauen otten segeboden ein erue bi peternellen. c. 1268: Conegunt uan repgowe vnde diderike vnde ian ir sone gauen eine wort. Ein Pfaffe giebt hern diderike uan repgowe de word. Aus dem 14. Jahrhundert kommen zahlreiche Repchows mit dem Vornamen: Tilemann, Willico, Johann, Heine, Conrad vor. Aus dem Empfang und der Vergabung von Grundstücken erhellt, dafs die Familie in Acken wohnhaft und ansässig war. Sodann ergiebt die Nähe des Dorfes Reppechow in Verbindung mit der Sitte, die nun erst bei Rittern und Bürgern aufkom- 634 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse menden Familiennamen auch nach dem Orte der Herkunft oder des Besitzes mit Vorsetzung eines von zu wählen, dafs die Fa- milie aus jenem Orte stammte; wie denn auch der Name andrer benachbarter Dorfschaften, z. B. Treptichow, als Personenname in den Inscriptionen begegnet. Endlich ist nicht unbemerkt zu lassen, dafs das zu einer Zeit, wo der urkundliche Eike von Repchow schwerlich mehr lebte, beginnende Stadtbuch gleich den spätern Urkunden, keinen ‚Repchow mit dem Vornamen Eike anführt, so dafs wir auch hier gar nicht in Versuch gerathen, den Verfasser des Sachsen- spiegels in einem andern als in dem Eike der Urkunden von 1209 bis 1233 zu suchen. Die Anhaltische Heimath also des Autors und die nieder- sächsische Mundart als seine Heimathssprache gewinnt durch das Ackener Stadtbuch eine fernere Bestätigung. Hr. Bekker vergleicht weiter Homerische und Altfranzö- sische sitte (s. p. 574). 1. Menelaos und Odysseus kommen als gesandte nach Iion, und Antimachos rät sie nicht lebendig wieder hinaus zu lassen. indefs wird ihnen kein haar gekrümt, wohl aber der böse rat gebüfst durch den tod: beider söhne des ratgebers (A 138), und die herolde sind nach wie vor Aıs ayyercı 70e zur aveguv. so heilig wird das recht der gesandtschaft in den chansons de geste nicht gehalten, obwohl im grundsatz anerkant: Rollanz l’entent, molt en est airez. ferir le volt: mais il s’est porpense, s’il le tochoit, k’il en seroit blasme. und anderswo bien doit mesaige dire sa volente. ne fust por ce que tu es messagiers, ge te feisse cele teste trenchier et tot le cors detraire et depecier. aber dies ‘geschlecht lebt eben nicht nach grundsätzen: augen- blickliche aufwallungen bestimmen sein tun und lassen. daher auch leib und leben wagt wer eine gesandtschaft übernimt: vom 29. October 1866. 635 mesager ne doit pas sans armes aler: so dafs bald alle aussicht auf lohn unwirksam bleibt: “dex, oü seroit un messager trov6s, qui tant s’osast fier en ses bontes que il m’alast un message porter de lä les mons .... il qui m’ira cest message conter, s’il en repaire, de bone eure fu nes: car & tos jors ara mes amistes, et l’en donrai mult tres larges bontes, chastiaus et bors, reces et fermetes.” tos s’enbroncierent, nus n’en est presentes. Ogier 3548. bald, wo die tapfersten und edelsten sich zudrängen, am liebsten gewält wird der allenfalls entbehrliche. wie Garin seinen sohn beschicken will, bietet sich Berart an und Doon und Turpin, der herzog. von Nevers, der für sich anführt je sai bien parler Francheis et Alemant, Lombart et Espagnol, Poitevin et Normant, Estout ferner und Salemon: mais Garins jura dieu, le pere tout puissant, que ja des pers de Franche n’i sera nus alant, und schickt einen schlichten seemann. wer aber auch der gesandte sein mag, fast: immer, trotz dem ölzweig in seiner hand (a un raim d’olivier dedens sa main porte: chen senefie amour pes et humilite), spricht er so dafs er beleidigt und anstatt verständigung einzu- leiten .gewalttat herausfordert (vgl. M. B. 1865 s. 624): iluece trova Looys le fil Karle. il Papela voyant tot le barnage. “droiz empereres, entendez mon langage. ne vos salu, ne n’est droiz que le face.” und wieder “or prent cest bref: ne te le voil bailler. ne te pris tant que te le doi doner.” sor son mantel li vait li bref geter. im Gaufrey tant point le dromedeire qu’ a la cit de Hongrie 636 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse est venu le mesage, que damedieu maudie. la trouva Gloriant, qui diex doinst male vie, er verlangt hülfe für einen von den Franken bedrängten jaian debonnaire. “se vous li faillies, bien doit estre seus: il guerpira Mahon et toutes ses vertus.” Gloriant Ya oi, pres n’est du sens issus. en sa main tint le roi un coutel esmoulus: plain pie ot d’alemele, et fu devant agus. au mesage le lanche, par si ruiste vertus que parmi le coste est le coutel courus: li euer u corps li coupe: mort quei estendus. an Gaufrey sendet Karl dreizehn ritter. premierement parla le riche duc Fouquier. “chil damedieu” dist il “qui tout a & jugier gart les amis Kallon le bon roi droiturier, ses anemis confonde et les veuille abeissier. sire Gaufrey” dist il, “par le cors saint Ligier, Kallemaine le roi nous fet cha envoier. par nous vous mande Kalles, l’empereur au vis fier, que puisque vous feistes vostre fix envoier, ne l’alastes servir ne rendre nul lovier. et si estes son serf: chen ne poves noier: par an li deves rendre toudis quatre denier. or vous mande Kallon, l’emperere au vis fier, quar feites vistement vostre erre apareillier, et que vous li portes; ou il pendra Ogier, que il n’est nul fors dieu qui l’en puist respiter.” et quant Gaufrei l’oit, vis cuida enragier. en recoi apela tantost un escuier, dedens la destre oreille li prist a conseillier. “va, si me fei armer quatre cent chevalier: puis feront maintenant chen que je vueil proier.” “sire, a vostre plaisir’’: chen respont l’escuier. maintenant fet armer quatre cent chevalier. ou pales sunt venus devant Gaufrey le fier, et Gaufrey lor escrie “prenes cest mesagier.” et il ont respondu “com vous pleira, si iert.” vom 29. October 1866. 637 maintenant ont seisi et pris les mesagiers. Gaufrey fet & chascun la barbe roongnier et chascun une dent de la gueule sachier. chascun comme convers fet antour roongnier. lor cheveus et lor barbes et lor dens fet lier es pans de lor chemises et lier et atachier, et si lor fet sus sains jurer et fianchier que & Kallon diront, le fort roi et le fier, que en despit de li les fet si atirer et que c’est le quevage que li doit envoier. “fache du pis qu’il peut: ne le pris un denier, et ne me caut s’il pent par foi mon fis Ogier: que des autres enfans portera ma moullier. d’ore en avant; le fes du tout desostagier. et se Kalles est si et orgueilleus et fier qu’il viengne en Danemarche, par le cors saint Ligier, je l’en ferei aler sans sele et sans destrier.” quant ot fet les mesages ainsi appareillier, a chascun une dent de la gueule sachier et leidement la barbe plumer et roongnier pour monstrer a Kallon, pour li plus courouchier, la table lor fet metre sans point de l’atargier et a fet aporter largement & mengier. mes ne menjassent pas pour les membres trenchier. von Bnes d’Aigremont zurückkehrend berichten die ge- sandten des kaisers quant Engerrans li duc racontet tos ses dis, ains que li tiens mesages li fust tous reichis, eseria il ses homes que tantost fussions pris. n’en revenons que quatre, qui devant fusmes dix. Engerran vos envoie detranchig et ocis. wohin nunmehr keiner mag, schickt der kaiser seinen sohn. der wird ihm zurückgebraeht mit zerspaltenem schädel, gebracht von sechzig rittern seines gefolges, das dreihundert stark aus- Jofrois im Sachsenliede “cest premier mautalent comparront li message: 638 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse demain les ferai pendre par desor cest rivage ou saillir de la tor dou plus hautain estage.” Parise p. 68: au mangier sist li dus et ses riches barnez ... . Antoines li a dit foi et humelite, et li dns li respont felonie et fierte. “daez ait Clarembaus et quant qu’il a mande, et tu & foi si aies, quant tu l’as aporte. va, ce di Clarembaut, si je puis eschaper, que la arz est collie dont sera ancroez.” quant Antoines oit Clarembaut menacier, si laidement onir et si mal vergondier, “seignor, si faites troves ne font mie & baillier.” atant ez les serjanz qui portent le mangier. li uns porte un paon roti en un astier. il a dit & Antoine “va avant, chevalier; certes nos n’avon cure de mauvais mesager.” “amis, co est costume d’ome de ton mestier: por ton seignor te fais et orgueillox et fier.” li senechaux l’oi, moult an fu corocies. il auce le poing destre, parmi le chief l’en fiert: tot li ansanglanta le blanc aubere doblier. quant Antoines l’oi, moult en fu corrocies. il a traite l’espee, ja s’an vaudra venger. va ferir le gloton parmi la erois dou chief, que tote la cervele li abat & ses piez. puis broche le cheval des esperons d’ormier: devant le duc Raimont ossit trois chevaliers. Otinel, von dem heidenkönig Garsilion an den kaiser ge- sandt, frägt im Pariser palast nach le cuvert, le felon, le viel redois, qui ait maleieon, und zu ihm gewiesen wünscht er pleust ore & mon seigneur Mahom que je l’eusse pendu au chaignon, les xij pers tues a un baston, und redet ihn an vom 29. October 1866. 639 ne te salu: k’ & dreit faire ne I dei. eil te confunde en la ki lei jo erei, et tuz ces altres qui sunt environ tei, et ton nevu Rollant que jo ei vei. Roland lacht und sagt ihm sicherheit zu, desgleichen der kaiser. wie er sich nun aber der zerstörung Roms rühmt, wo .er über zwanzig tausend menschen erschlagen helfen (i feri tant de mespee de lez ke uit jurs pleners oi les poins enflez), da will erst Estult de Lengres auf ihn losschlagen, und nach- dem der zur ruhe gebracht ist, fährt ein Provenzale auf: al messager est derere alez: andui ses poinz li at el chief mellez. trait le & terre: kar il ne s’est garde. aber der heide springt sogleich wieder auf, und haut seinem angreifer vor des kaisers fülsen den kopf ab. mit mühe lälst er sich bereden sein schwert in verwahrsam zu geben, und nun erst richtet er seinen auftrag aus. in Garin le Loherain (1 p. 212) ez vous le mes qui ens el tref se mist. ne l salua, mais fierement li dist. - “Fromons,” dist il, “Pepins m’envoie ci, et si te mande que ta foi as menti, sans son congie que tu as fame prins, par ton orguel as son baron assis. viens li droit faire a Rains ou & Paris ou & Estampes ou au bore Saint Denis. se tu ne | fais, malement est baillis: ne te laira ou tu te gises vis; Sissons te tout, aincor te fera pis.” Fromons T’oit, a pou n’enrage vis. dit au message “m’ a ce mande Pepins? il n’est pas rois, bien le set on de fis: Karles ses peres ä grant tort l’ a tolli.” li mes respont “vous i avez menti.” Fromons l’oit, s’en a le cuer marri. ung coutel prent, ou destre pong le tint: le messagier volloit ferir au pis. 640 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse mais il fallit, un demeisel ferit qui mort l’abat: par devant lui chöit. ung autre print, volentiers l’oceist, quant Isor&es par le poing le saisit. dit au mesage “alez de ci, amis.” 2 p. 56 sendet derselbe Fromont seinen bruder Guillaume de Montelin an ihren oheim Bernart de Naysil um ihm nach- giebigkeit gegen den könig anzuraten. li quens Guillaumes dou cheval descendi. Bernars le voit, a l’encontre li vint. bien avez fait quant vous venites ci. au grant besoing voit on bien son amin.” par le poing destre l’a maintenant saisi. il li monstra ses greniers et ses vins et ses lardiers, ou li bacon sont mis. et dist Guillaumes “molt bel tresor a ei. por dieu, biaus oncles, entendez un petit. faites ice que diront vostre amin: envers le roi vous metez en merci. li chevalier en prieront por ti. ja n’i perdras vaillant un Angevin.” Bernars l’oit, & poi n’enrage vis. “fis & putain, venistes vous pour ci? trop par seroie vergondes et honnis, se me mettoie en la merci Pepin. mais dites moi, ja n’i mettez respit: aiderez moi ma guerre ä maintenir?” “nenil voir, sire” li quens Guillaumes dit, “ains m’en irai arriers en l’ost Pepin.” “non ferez certes’ li quens Bernars a dit, “par saint Denis: vous estes molt bien ci.” dist A ses hommes “prenez moi ce chetif.” et cil ce font tantost com il I’ ot dit: tant le redotent que n’i ot contredit. le baron font en la chartre flatir. treis jors i fu que il ne bu de vin “biaus nies” dist il, “bien puissiez vous venir: "vom 39. October 1866. 641 ne ne menja: car on ne li ofri: et au quart jor fu fors de chartre mis. vier gesandte Karls an Ogiers vater kommen an den pfingst- hof zurück: corones orent, s’ot caseun res la barbe et les grenons, le menton et la face. zu einem mönche, den Gerard von Roussillon gesandt, sagt Karl Martell (p. 187.) “morgues, cum i auzes a mi venir? milhs vos fora fossetz la messa dir o dedins vostra claustra libres legir qu’el messatje Gerard a mi furmir. si no m’era per dieu e per perir, cor ai de vostra colha faire tolir.” e’l morgues, quant l’auzi, no sap que dir, mes pres pel poinh son famul, enquas n’issir, e poict al peiro, trop cuh tarzir. dem könig Desier rät ein Lombarde (Og. 4507) faites ore cent chevaliers armer. si faites prendre Bertran a son ostel, et se li faites ansdeus les elx crever. en son giron en un pan li no&s: a Kallemaine issi le trametes. wogegen Ogier einspruch tut che n’en iert ja, se deu plaist, esgardes que messagiers soit ferus n’adeses, mais ancois die totes ses volentes. apres si faites le mix que vos saves, wie im vorgefühl dessen was ihm selbst bevorsteht, dafs er von Turpin im schlaf gefangen wird und nach Rheims geführt, en forte cartre... tot son conroi li fist Kalles taillier, por che qu’il volt du cors afeblier. et fist sor sains jurer et fianchier, tote sa vie n’aroit mais a mengier ') que cascun jor de pain un seul quartier ‘) er der in freiheit mengeroit contre eing chevaliers. 642 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse et plain hanap entr’ aigue et vin vies et une piece de car: ce ert ses fies. mais tant en fist Turpins li bons guerriers: teil fist le pain c’on pooit d’un cartier tot plainement paistre dix chevaliers, et le hanap fist tenir un sestier, et le bacon faisoit parmi tranchier, si l’en donnoit tot le millor quartier. (3133) und doch hat derselbe Ogier gegen Naymons sohn gedroht se fust uns autres, par dieu le droiturier, jamais & Kalle ne fussies messagier, ains vos fesisse en un conpieg noier, les elx crever et les dens erracher. (4393) 2. m I J 2 \ } > ’ Yeddos 0277 egeet" [AAO YJag METVUJEVOS EIFW. und dennoch, lediglich um den gastfreien sauhirten zu unter- halten, pralet (£) Odysseus der hochverständige mit, piraten- zügen, die an sich unverantwortlich zuletzt ihm und seinen ge- nossen schwersten nachteil bringen. Wilhelm aber von ÖOranien, der als einsiedler stirbt und heilig gesprochen wird, steht nicht an sich aus einer gefahr dadurch zu helfen dafs er sich zum dieb und strafsenräuber lügt: oiez, seignor, por deu de majeste, coment Guillaumes fu le jor avise. li rois Otrans le prist a regarder ... cc,® . tiacre, frere, par la loi que tenez, cele grant boce que avez sor le nez, qui vos la fist? gardez ne soit cel£&, que me membre ore de Guillaume au cort nez... ot le Guillaumes, sen a un ris gete. Ren, >» ® ® ce . sire dist il, “envers moi entendez: de cele chose que vos ci demandez vos dirai ge volentiers et de grez. quant je fu juenes meschins et bachelers, 235 si deving lerres merveilleus por embler et engignierres: onques ne vi mon per: copoie borses et gueilles bien fermez. si m’en repristrent li mestre bacheler vom 29. October 1866. i 643 et marcheant, cui ge avoie emble: & lor couteaus me creverent le nez, puis me lesserent aler ä sauvete. Guill. d’Oranges p. 104. 3. Des Homerischen menschen verkehr mit seiner gottheit be- steht meist in einem austausch von leistungen: rendono grazie a grazie. “ich habe dir das getan” sagt wer da betet, oder “ich werde dir das tun: tu du mir dies.” ei more To Aagievr' Em vnov eole, — 7006 not zonnvov 2E2.Öuug» in den chansons de geste wird der anspruch auf gebeteserhörung selten mit taten oder gelübden begründet, sondern weitaus in den meisten fällen mit dem glauben an dogmen und legenden. so betet Berta Gänsefuls (lareine Pedauque, Berte ausgrans pies). la dame fu el bois, qui durement ploura: les leus oy uller, et li huans hua. il espartoit forment et durement tonna et plut menuement et gresille et venta: c’est hideus temps a dame qui compaignie n’a. damedicu et ses sains doncement reclama. “ha sire diex” fait ele, “voirs est qu’ainsi ala. de la virge nasquistes, quant l’estoile leva. li troi roi vous requistrent: ja nus hons ne sera li jours desconseillies qu’il les reclamera. Melchior ot nom eil qui le mirre porta; Jaspar ot nom li autres qui l’encens vous donna, et Balthasar li tiers qui l’or vous presenta. sire, vous le preistes, chascuns s’agenouilla. si voir com ce fu, diex, ne menconge n’i a, si gueris ceste lasse, qui ja se desvera.” so Wilhelm von Oranien: “dex” dist Guillaumes, “par ton saintisme nom, glorieus peres, qui formas Lazaron et en la virge preis anoncion, Jonas garis el ventre del poisson et Daniel en la fosse au lion, la Madaleine feistes le pardon, [1866.] 46 644 Sitzung der ‚philosophisch-historischen Klasse le cors saint Pere meis en pre Noiron, et convertis saint Pol son compaignon, qui en cel tens estoit moult cruiex homs, puis refu il des creanz compaignons: ensemble o els sivi procession. si com c’est voir, sire, et le creon, deffendez nos de mort et de prison, ne nos occient eist Sarazin felon.” Holger hat dem riesen den er bekämpft und der über er- mattung klagt, frist vergönt sich zu erholen durch schlaf. selbst sucht er neue kraft in einer langen reihe alt- und neu- testamentlicher erinnerungen. damedex sire, qui formastes Adam, Evain sa feme, dout li pules est grant, ens en la virge presis et car et sanc. apres fus nes, biaus sire, en Bellcant, et les troi roi vos alerent querant. en la maison Herode le tirant se herbergerent: ce trovon nos lisant. demanda lor qu’il aloient querant. il respondirent “sire, le roi amant, qui de la virge est nes apertement. sire sera de cest siecle vivant. mult par est joules, n’ a pas encor un an.” Herodes l’ot, mult ot le cuer dolant. apres parla mult aireement. voit un capon c’on li a mis devant en l’esquiele, & la table seant: atornes iert por mengier ricement. et dist Herodes “ja ne l querrai nient, se cis capon, que ci m’est en present, n’en ist plumeus com il estoit devant et se redrece & la perche en cantant.” vertus feistes, biaus peres, roi amant: il ot luee eles et plumes et vivant. de l’esquiele est sallis maintenant, et s’en ala a la perce en cantant. dont dist Herodes as trois rois en oiant, vom 29. October 1866. 645 quant reverront, par li soient pasant: il lor donroit et or fin et argent, et puis iroit aorer dolcement. mais ıl mentoit, le lerres soudoiant. li rois vous quisent, biaus sire, en Orient, et vous offrirent or et mirre et encens: ses conduisis, sire, par autre sens. Herodes quist tos les petis enfans: ses decolerent as espees tranchans. ce fait & croire que ce sont inocent. batisies fus, sire, el flum Jordant: salas par terre, sire, trente deus ans. weniger ausführlich wird sodann Judas Ischarioth erwähnt, Longins wiedergewonnenes augenlicht, der schächer zur rechten, Joseph von Arimathia, auferstehung und höllenfahrt, Susanna Jonas Daniel, die drei kinder im feurigen ofen, und Lazarus. si com c’est voir, biaus pere, roi amant, garis mon cors par le ton saint comant, que ne m’ocie cis Sarrasin tirant. se ocis sui et- recreans en camp, par tote France iert cr&us Tervagant et Karlon iert onis avec sa gent. i Ogier 11603. die gläubige fantasie erhebt sich hin und wieder zum reiz des idylies: par vo naissanche, beaus peres, rois poissant, s’eslechierent, ce trovons nos lisant, trestotes bestes, ne li oisiel volant. et un des bues, ki la fu pasturant, vous enclina parfont et douchement et vous covri de l’estrain humlement. öfter versinkt sie, von aberwitziger grübelei befangen, in ab- surdität. wie wann sie Judas verrat erklärt, ja gewissermalsen rechtfertiget: Judas, que diex mout amoit, une rente eut c’on apeloit disme, et avec seneschauz fu entre les deciples Jhesu, 46 * 646 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse et pour ce devint envieus qwil n’estoit meis si gracieus as deciples come il estoient li uns vers l’autre et s’entr’ amoient .. . a ce tens teu coustume avoient li chamberlein que il prenoient la disme de quan que on donnoit a leur seigneurs, et leur estoit. or avint au jour de la cene que Marie la Madaleine vint droit en la meison Symon. a la table trouva Jhesum avec ses deciples seant, Judas devant Jhesu menjant. dessouz la table se muca, as piez Jhesu s’agenouilla. mout commenca fort & plourer, les piez nostre seigneur laver de ses larmes, et les torchoit de ses chevous que biaus avoit. apres les oint d’un oignement qu’aporta precieus et gent, et le chief Jhesu autresi. et la meison si raempli de la precieuse flereur de l’oignement et de l’oudeur que chascuns d’eus se merveilla. mais Judas moult s’en courouga. trois cenz deniers, ou plus, valoit: sa rente perdue en avoit. c’est en disme trente deniers: c’en devoit estre son louiers. commenca se & pourpenser comment les pourra recouvrer. li anemi nostre seigneur furent tout ensemble assembl& en un hostel en la cite: ly hostes eut non Chayphas. vom 29. October 1866. Ä 647 ez vous ilece venu Judas... . Judas leur dist “se vous volez, je l vous vendrei: si le prenez.” eil dient “oil, volentiers.” “donnez moi done trente deniers.” l’uns en sa bourse pris les ha et tantost Judas les donna. ainsi eut son restorement de sa perte de l’oignement Roman du S. Graal 217. Hr. Weber legte die folgende Mittheilung von Hrn. Hincks vor. On a newly discovered record of ancient lunar Eclipses. In the course of the past summer I have made, or at any rate I believe that I have made, a discovery which is, in an astronomical point of view, not only interesting but important. I send the first notice of it to the Royal Academy of Sciences at Berlin, to which I feel myself under very great obligations; and one of the members of which, Professor Weber, I have to thank for putting me on the track, which led to the discovery. On receiving the new volume of “ The Cuneiform Inscrip- tions of Western Asia” from the Trustees of the British Museum, I paid particular attention to all that appeared to have an astro- nomical character. Professor Weber had requested me to look for references to the nakshatras and to the Vedie System of astro- nomy generally, which he believed to have been derived from Babylon. It is hard to prove a negative, and it may turn out hereafter that Professor Weber is right. I have, however, failed to discover any traces of a System analogous to that of the Vedas in the Babylonian inscriptions; and I cannot help think- ing that the Astronomies of the Vedas and of the cuneiform inscriptions were essentially different. While I was searching, however, for what I did not find, I found something for which I was not searching, but which I believe to be of much greater value. In plate 39, no. V is described in the index as “ Part of an astronomical Tablet”. There is a great deal in this tablet which, I candidly confess, I do not understand. There are, 648 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse however, three statements made in it, the meaning of which appears to me absolutely certain. “In the month Nisan, on the fourteenth day, the moon was eclipsed.” “In the month Tisri, the moon was eclipsed.” “In the month Sabat the moon was eclipsed.” No particulars seem to be given respecting the first and third of these eclipses; but after the sentence relating to the second, there is a statement made commencing with “the moon at sunrise.” I intend to discuss the meaning of this statement in the course of this paper; but I will confine myself at present to the three sentences of which the meaning appears to me to be undoubted. I take it that we have here a record of three con- secutive eclipses, observed at Nineveh, where the tablet was found; the first and second of them being at the full moons of the first and seventh months of one year, and the third being at the full moon of the eleventh month of the following year. The interval between the second and third eclipses was a year and four months. It is evident, however, from- astronomical considerations that it must have been an interval of seventeen months, not sixteen; and consequently the first of the two years in question must have contained thirteen months. It must have had a double Adar. It was this that attracted my attention to the record; for I had published in the Transactions of the Royal Irish Academy a table by which the commencement ofeach Assyrian year might be ascertained. This table was constructed on data previously known to me, and I was curious to know whether it was veri- fied, or the contrary, by these new data. I took it for granted that the dates of the eclipses recorded to have been observed could be determined; for it seemed exceedingly improbable that two sets of eclipses could have occurred within the limits that it would be reasonable to assign to the record, corresponding in all respects to the description here given of them. It is not a very common occurrence for three eclipses to be visible at one place with intervals of six and seventeen lunations between them. This, however, must have happened at Nineveh at the time to which the Assyrian record refers; and moreover the first of these eclipses is said to have happened in the month of Nisan, the position of which in the year is known approximately; vom 29. October 1866. \ 649 while the second is said to have happened in the morning about sunrise. Surely, I thought, these conditions will suffice to de- termine the dates of the eclipses. Accordingly, I commenced a caleulation. I proceeded in the following manner. I found that in Hansen’s lunar tables, having regard to mean motions only, the sun and moon are in oppo- sition when Argument 33 is 15233681; and an eclipse of the moon is possible, when at that time Argument 36 is not less than 49-540 and not greater than 73:805. From this it was easy to obtain the limits of Argument 36, at the mean oppo- sitions when the three eclipses took place. These are for the First eclipse 63'577 and 69-932 Second „ 67'450 and 73'805 Third ,„, 49'540 and 55'895. I proceeded then to calculate from the tables all the full moons between — 750 and — 650, when Argument 36 would be between 63:58 and 69°93, and when the full moon could be according to any reasonable hypothesis that of the month of Nisan. I found that there were just nine of these, of which I give the times according to Hansen’s tables, confining myself, however, to the two first decimal places. It will be observed that all the nine full moons could not be in Nisan according to any hypothesis. Some would be so on one hypothesis, some on another. I give the month to which each öf the full moons belonged according to my published table; and I add an E to those, which according to that table, were in a year which con- tained thirteen months. The mean times of the full moons are, of course, Greanwich mean time, as used by Hansen. Time ofmean Oppos. Arg. 36 Month by Hincks’s table . — 748 87:13 69:06 Nisan . — 137 56:76 68:57 Second Adar . — 730 98:45 67:62 Iyar . — 719 67:08 68:13 Nisan E . — 701 : 73:40 67:69 Nisan E . — 683 . 88:73 67:25 Nisan . — 672 5736 67:76 Adar . — 665 10005 66:81 Nisan . — 654 a 74:30 67:32 Adar. S 2 art S@Ooyıa a m DD 650 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse It will be observed that only two of these nine sets of eclipses are in months conformable to my published table. I proceeded to consider which of these sets of eclipses could all of tbem be visible ‘at Nineveh. To facilitate caleulation I ınade use of Largeteau’s.Mondtafeln in von Gumpach’s Hülfs- buch der rechnenden Chronologie, which give the true time of opposition of the sun and moon with tolerable aceuracy. I caleulated by these tables the true time of opposition at each eclipse of each set, until I came to one which was evidently invisible at Nineveh. The result is as follows. The time is here Nineveh time from midnight, deduced from the Paris time of Largeteau’s tables by adding 2" 51” for difference of longitude. first eclipse second eclipse no. 1. — 748 March 29 4* 38° Sept. 21 9* 4” inv. „»„ 2. — 737 Feb. 26 16 8 Aug. 22 11 55 inv. » 3. — 730 April 942 8 inv. „»„ 4 — 719 March 8 23 8 Sept. 120 8 » 9. — 701 March 20 6 0 Sept. 13 4 34 » 6. — 683 March 30 15 55 inv. » 7. — 672 Feb. 271 8 40 Aug. 23 6 42 doubtful » 5 — 665 April 10 19 42 Oct. 4 21 38 » 9 — 654 Marsh 10 2 13 ‘=isuBept. 73513 Sl’mav. third eclipse. no. 4. — 717 Jan. 16 16" 17” » 9. — 699 Jan. 27 0 34 » 7. — 670 Jan. 7 14 55 in. » 8 — 663 Feb. 17 17. 4 It appeared from this calculation that in only three of the nine sets of eclipses would they all be visible at Nineveh; and in only one of these would the second eclipse take place about the time of sunrise. On the morning of the 13‘'" of September — 701, the sun would begin to be visible at Nineveh, allowing for the effect of refraction, about 5”33”; nearly an hour after the opposition as given by Largeteau’s tables. The eclipse might very well terminate at the time of sunrise; and this is, I con- fidently believe, what the Assyrian tablet states in the sentence which follows the date of the eclipse. “ The moon emerged from the shadow while the sun was rising.” vom 29. October 1866. 651 Before, however, I proceed to treat of this sentence, I must say something more in support of the date which has been found for the set of eclipses. I will not dwell on the circumstance that the eclipses of — 701 and —699 are in the months in which they ought to be according to my published table; but I wish to notice the fact that an Assyrian tablet exists, which was certainly written within a few years of the date which I have found for the eclipse tablet, and which bears so much resem- blance to it that we may naturally suppose it to be the work ot the same author. It is copied in Plate 69 of the new volume of Cuneiform Inscriptions of Western Asia; and will be found in the lower part of the plate on the right hand, having over it the words “Fragment giving the names of four successive Eponymes.” It gives in fact the names and offices of the epony- mes of the years — 706... — 703; that of — 707 is begun but the tablet is there unfortunately mutilated. Below what re- lates to the year — 703, the tablet is broken; but there can be little doubt that it contained similar statements respecting the following years. Several dates are given in this tablet, expressed in months and days, and relating to political and religious events. The most important is the death of Sargon and the accession of Sennacherib which is said to have occurred on the 12'" of Ab, answering, according to my table, to the5'® July — 704. Now the view that I take of the matter is this. I believe that the two tablets, of which the fragments copied in Plates 39 and 69 are portions, were designed by Sennacherib to record the memorable events in the latter part of his father’s reign and the beginning of his own; the latter tablet recording political and religious occeurrences, and giving the names and offices of the Eponymes; the former recording any remarkable phenomena, astronomical or meteoric, which were observed at Nineveh. It may occur to some persons, as it did to me, that it is strange that no eclipse of the sun is recorded on the tablet; but this is easily accounted for. Of the three eclipses of the sun that occurred — 701 Aug. 29, — 700 Febr. 23 and Aug. 17, not one could by any possibility have been visible at Nineveh. The tablet is a record of observations, and could not have indicated astronomical events which could only have been witnessed in 652 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse remote parts of the earth. Very possibly, the lost portions of the tablet may have recorded solar eclipses. We camnot but deeply regret the absence of these, and earnestly hope that they may in course of time be recovered. In the mean time, however, let us make the best use we can of the fragments that are available for study. It is certain that while no particulars are given as to the first and third of the eclipses, a statement is added to the second, indicating something which happened while the sun rose. Now, there is no phenomenon connected with a lunar eclipse which can happen at sunrise except the termination of the eclipse; and it is so very unusual that this should be seen, that if it were seen it would naturally be mentioned in such a record as this appears to be. Now, there can be no doubt that on the mor- ning of the 13'" September — 701, this phenomenon was visible somewhere under the parallel of Nineveh. According to Han- sen’s tables, however, the moon would be very far, perhaps half a degree, beyond the place which would allow the phenomenon to appear in the longitude of Nineveh. If then it be a faet that it was observed there, it furnishes astronomers with a most important datum for correcting the lunar tables. It is remarkable that Ptolemy has preserved to us a record of the lunar eclipse which preceded this by 223 lunations, when the moon must have occupied nearly the same position with respect to its perigee and nodes. He says that the eclipse began after the moon rose at Babylon. In quoting the Babylonian record, he does not say how long after the moon’s rising the eclipse began; but he as- sumes in his caleulations that it began half an hour after. The calculations I believe to have been taken from Hipparchus, and it is very probable that he possessed a fuller record than Ptolemy quotes. Now, it is certain that by Hansen’s tables the moon would begin to be eclipsed a quarter of an hour before she rose. Here then is an error in the tables of about nine minutes at the least, and probably three times that amount, and in the same direction as the error in the eclipse of Sen- nacherib. Another eclipse, in which a similar error exists, is that of — 719 March 8. The middle of this was, according to Hansen’s tables, at 11° 14" PM mean Babylonian time. I quote ‘ vom 29. October 1866. 653 from a paper of Dr. Hartwig in the Astronomische Nachrichten No. 1241. Ptolemy says, however, that it was exactly at Ba- bylonian midnisht, by which we must evidently understand apparent midnight, a quarter of an hour after mean midnight. Here then is an error of a full hour in the time of opposition, answering to about 27’ in space; much the same error as in the two other eclipses, and in the same direction. I know that it may be objected that if such an error existed in Hansen’s tables, the eclipse of — 382 Dec. 22 could not have been visible at Babylon at all. I accept the conclusion. I am satisfied that the record of that eclipse which Ptolemy has preserved is that of an observation. at Athens, not at Babylon. The Athenian astronomer who visited Babylon in the reign of Artaxerxes Mnemon and brought with him the records of Babylonian eclipses, found only iwo eclipses recorded as having been observed there in — 382 or thereabouts; and wishing for a third, in order that he might compare them with the three observed in the years — 720 and — 719, he supplemented them with that which he found recorded, and had perhaps himself observed at Athens in the month Poseideon, in the archonship of Phanostratus. The dates of the other two eclipses he reduced from Babylonian to Athenian dates, in order to make them correspond with the other; and it was in this form that Hipparchus obtained the records of them all. The mistake of referring the first obser- vation to Babylon may have originated with Hipparchus; or Ptolemy may have misunderstood what Hipparchus had said. Now, if the eclipse be referred to Athens, the error in the tables deduced from the observation is in the same direction as is in- dicated by the two eclipses of Merdocempedus and by that of Sennacherib. The sun would rise at Babylon about 84 minutes earlier than at Athens. The beginning of the eclipse was accord- ing to Hartwig’s computation 22 minutes later than it was by the record as referred to Babylon, which would be about 62 minutes earlier than it was if the record referred to Athens, answering to 35 minutes in space. This is more than the error indicated by the former tables; but it should be recollected that in a caleulation of the beginning or ending of an eclipse, the latitude, which again partly depends on the place of the 654 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Node, is a very material element; affeeting as it does the in- terval between the opposition and the beginning or ending. I believe that it will be found by calculation (which, however, I leave it to professed astronomers to make) that it is possible to reduce all the observations of eclipses which I have mentioned to harmony with caleulations by adopting Professor’s Adams’s values of the coefficients of r? in the terms expressing the values of g, w, w and ©; and by computing all the elements of the eclipse for a time later than that of the actual time of observation by a small fraction of a day, multiplied by the square of the number of centuries from AD 1800; this last correction, which acts in the opposite direction to Adams’s, being due to the retardation of the diurnal motion caused by the tides. What the fraction of a day is which should be multi- plied by r? will be best determined by caleulating from ancient eclipses; and among these I flatter myself that the new eclipse of Sennacherib will be a very important element in the caleu- lation. It gives both a major and a minor limit to the moon’s elongation at sunrise. It must be great enough to permit the moon to be visible above the Western horizon, allowing for parallax and refraction, and yet not too great for the distance of the centres of the moon and shadow to be equal to the sum o[ their semidiameters. I am, however, assuming that the Assyrian tablet affırms that the moon emerged from the shadow while the sun was rising. The moon, it says, did something then; and I cannot conceive what else it could be. What it did is expressed by a single verb ihmu; and I have never met this verb, nor any word that I can recognize as a derivative from the same root, in any other Assyrian passage. It strikes me, however, that it is etymologically connected with a Hebrew word, to which the sense that I have assigned to the Assyrian one can be attributed without any violence. The verb ihmu is obviously analogous to ikmu, which, as well as the first person akmu, are common in Assyrian inscriptions. These latter signify “he burned, I burned,” and are evidently the representatives of the Hebrew m>-, 2. In fact, the Assyrians confounded the letters a and ; the ter- mination in u in place of i, (which is almost universal in verbs vom 29. October 1866. 655 in ”m5) seems however to be due to the presence of the labial semivowel. Since then ikmu represents the Hebrew >", it is natural to think that ihmu represents the Hebrew m or its equivalent 77 (the Hebrews were in the habit of substituting » for the Assyrian "). Now, this verb has in Hebrew a peculiar force, implying recovery from a disease; see Gesenius Thes. 465, where we have the significations “2. revixit; a. convaluit” with examples, and see Schleusner lex. in Nov. Test. 1011. 4; where a similar use of daw in the Greek of the New Testament is pointed out. Supported by this analogy, I can have no difficulty in interpreting the verb ihmu “recovered,” “became sound or perfect again”; the eclipse having been a state of disease or im- perfection. Compare laboranti lunae, Juv. VI. 443; and Plin. DO. 12, as explaining it; also mediaeval legends, cited by Grimm and others. I hope that these remarks will be favourably recei- ved by the Academy. Killyleagh, Ireland 26. Oct. 1866. Edw. Hincks. Hr. Kirchhoff berichtete über neue epigraphische Sendungen des Hrn. Dr. Ulrich Köhler in Athen. Hr. Trendelenburg trug einen Bericht des Hrn. Prof. Bonitz in Wien vor über die Gesichtspunkte, nach welcher er den Index zum Aristoteles durchführe; und die Klasse sah mit Dank und Anerkennung in dem eingesandten Alpha, das in 2303 ausgearbeiteten Artikeln vorlag, die Vollendung des in jahrelanger Mühe beharrlich fortgesetzten Werkes in grölsere Nähe rücken. 5 Son - N. Dr nr Ba a = iR lat. ad 0 ra, RE ‚at ob. od, St re Ba de en monat N | "elle AIR, IE 6 „aarhes] id Sex EM % lad‘ er gi anf Aalltsog, 5 Haulst rn Bulk ® Br Kr RT, | "or Salt al Br aan ei PETER ih alır ul ek re 2 eritbo er EN, ; EEE e Tior Br on 1 29% | Br Asch“ "re alt Ya das 23 Pr a Zr wei N lin on ah v NR Kr ht vi ARE a Rh: BrOaIT. "ade Br. 3 e.. m, Die, ® ER us Kr 7 u Da E . 5. ae oo Br: Be Der a Kilgomsian ee Yo a "atstdalad AR ER LTLLER I aebgER dar: Käd A er R a u aka ganis, ur Br — © Backzähne vorhanden und die Ohren etwa 17 Cen- timeter lang. vom 1. November 1866. 667 Blainville’s Beschreibung dieses Schädels eine unrichtige, offenbar nach seiner flüchtigen Zeichnung gemachte ist. Denn die Schnauze ist nicht kürzer als bei den anderen Arten und der vordere Orbitalrand liegt nicht in gleicher Vertikallinie mit dem Zwischenraume des 2ten und öten, sondern mit dem Vorder- rande des 4ten Backzahns. Leider ist der Fundart von den meisten der zu dieser Gruppe gehörigen Schädel sowohl des College of Surgeons als des British Museums unbekannt und jeder hat seine besonderen Eigenthümlichkeiten, so dafs keine zwei Schädel dieser Samm- lungen ganz mit einander übereinstimmen. Diese Eigenthümlich- keiten liegen besonders in den mehr oder weniger verlängerten Gaumenbeinen und in den mehr oder weniger von einander abstehenden und verschieden, nach vorn, grade nach unten oder nach hinten, gestellten Hamuli pterygoidei. Es hat sich “ hierbei immer mehr herausgestellt, dafs das bisherige Material in den Sammlungen durchaus unzureichend ist zur Begrenzung der betreffenden Arten und dafs es nothwendig erscheint, ganze Reihen dieser Thiere von bestimmten Localitäten zu haben, um zu einem befriedigenden Resultate zu gelangen. In dieser Be- ziehung erscheint eine so eben von Hrn. Professor Reinhardt in Copenhagen erhaltene Mittheilung won Interesse, derzufolge von zwei alten Otariaschädeln, welche er selbst auf den Chincha- inseln aufgesammelt hat, der eine mit O. Godefroyi übereinstimmt, während der andere sehr viel ältere nebst dem eines Jungen durch die Proportionen der Zahnreihe, des Gaumens und der Gaumenbeine sehr verschieden erscheinen. Hr. Reinhardt wirft daher die Frage auf, ob diese beiden alten Schädel zu derselben Art gehören oder ob selbst im Alter noch so bedeutende Veränderungen am Schädel der Otarien vor sich gehen können. 3. Otaria Ulloae Tschudi. (Schädel. s. Taf.') Durch Hrn. Coulon’s besondre Güte habe ich einen Schädel von den Tehudi’schen Originalexemplaren zur Unter- suchung erhalten, woraus hervorgeht, dafs diese Art zu der Ab- theilung der Otarias.s. gehört, wasich nach der, übrigens ganz rich- tigen Beschreibung dieses Autors in keiner Weise vermuthet hatte. *) In halber natürlicher Gröfse. 668 Gesammtsitzung Es ist die kleinste der hierher gehörigen Arten, indem der Schädel, an welchem die Naht zwischen dem Hinterhaupts- und Keilbein bereits verschwunden und die Coronalnath zum Theil verwachsen ist, den von mir abgebildeten der O. Philippii nicht an Gröfse übertrifft. An einem fast eben so grofsen Schädel einer jungen Otaria jubata Blainv. sind die eben hervortretenden Eckzahnkronen eben so grols wie bei dem alten Thier und wenigstens doppelt so grols wie bei O. Ulloae. Die Beschreibung ist mir erst ver- ständlich geworden durch die Vergleichung mit dem Schädel selbst. Nur das hintere Ende des Fortsatzes zwischen dem Unterkiefer und dem Gelenkhöcker ist nach hinten und ein wenig nach aulsen gebogen, und nicht, wie man nach der Tschudi’schen Beschreibung glauben sollte, der ganze Fortsatz selbst, welcher vielmehr nach innen gerichtet ist, wie bei den andern Arten dieser Gruppe. Meter. Totallänge ‚des Schädels, ©... u... a... See: Länge des Gaumens uhr - ö A; Von den Backzähnen bis zur Spitze is era tere 0,065 Von dem hintern Gaumenrande bis zur Spitze des Hamu- lus pterygoideus Ni: 2 eo ee Abstand der oberen ee es Abstand der unteren Eckzahnspitzen . . 2» 2... .0,038 Breite, des Schädels an den Jochbogen, . ., . 22.220485 Hängeseiner UÜnterkieferhälfter , 2. 22. u Ey Er 4. Otaria Hookeri Gray Von dieser Art befinden sich zwei ausgestopfte Exemplare und die dazu gehörigen Schädel im British Museum. Die Un- tersuchung der erstern zeigt eine verhältnilsmälsig grölsere Länge (28 Mm.) der Ohren als bei den Otaria s. s. und lälst sie daher nicht mit O0. Ulloae verwechseln. 5. Otaria lobata Gray. In dem Museum zu Leiden befinden sich je drei ausge- stopfte Felle verschiedener Altersstufen von 0. lobata aus Australien (Houtman Abrolhos; durch Gould) und von Otaria japonica Schlegel Mspt. (0. Stelleri Schleg., non Lesson) IDUFranzWaßner geruhfh, Druck vGebr. Delius. , vom 1. November 1866. 669 ‚aus Japan. Von den erstern sind die Gebisse, von den letztern die Schädel vorhanden. Aus der Vergleichung dieses Ma- terials geht hervor, dafs beide Arten keineswegs zusammen ge- hören, sondern sehr verschieden von einander sind. ©. lobata ist äufserlich durch die viel dunklere Färbung, durch die kürzeren hinteren Gliedmafsen und die bis an die Einschnitte der Lappen- haut reiehenden Nägel, im Gebifs durch die viel höckerigeren Backzähne zu unterscheiden. Aufserdem zeigen beide Arten solche Variationen in der Zahl der Backzähne, dafs dieses Merkmal für die Abgrenzung der Arten allen Werth verliert. Denn das Gebils des einen Exemplars der Otaria lobata zeigt links °, rechts 2 Backzähne (ohne Spur einer sechsten Zahnhöhle) und der junge Schädel der Otaria japonica, den ich fälschlich (l. ec. pg. 272) zu O. cinerea gezogen habe, hat jederseits im Oberkiefer 6 Back- zähne, während ein älterer Schädel derselben Art rechts & und links * Backzähne (ohne Spur einer sechsten Zahnhöhle) hat. Die übrigen Schädel beider Arten haben dagegen 2— ? Backzähne. Übrigens zeigen die Exemplare verschiedenen Alters von beiden Arten keine Unterwolle und dürfte die Anwesenheit der- selben doch ein nicht unwesentliches Merkmal für die Unter- scheidung der Arten sein, wenn auch bei ganz jungen Exem- plaren der Haar-Ohrrobben Reste der fötalen Wollhaare, welche als solche eine ganz andere Bedeutung haben, vorkommen mögen. Ubrigens zweifle ich jetzt auch gar nicht mehr daran, dafs O. Gilliespii Macbain und O. japonica Schlegel zu derselben Art gehören, da die Schädel beider nicht allein in der Form, sondern auch in der Gröfse miteinander übereinstimmen. Denn der alte Schädel von ©. Gülliespii ist 0"295 lang, während alte Schädel des Leidener Museums von 0. japonica 0"270 bis 0"310 lang sind. 6. Otaria nigrescens Gray. Der Schädel dieser Art zeigt &—2 Backzähne und hat, so wie auch das dazu gehörige ausgestopfte Fell sehr grofse Ähnlichkeit mit der von mir beschriebenen 0. Philippi aus Juan Fernandez. Hieher gehört, wie ich glaube, auch ein in Leiden befindlicher jüngerer Schädel mit einer 6ten Backzahn- 670 Gesammtsitzung höhle des Öberkiefers jeder Seite aus dem stillen Ocean und ein ausgestopftes Thier von den Crozets-Inseln. Hr. Burmeister hat neuerdings (Ann. et Mag. nat. hist. 1866. p. 99. Taf. 9. Fig. 1—4.) den jungen Schädel einer O. falklandica beschrieben, der ebenfalls hierher zu gehören scheint. Er schreibt mir über das äulsere dieses Exemplars folgen- des: „Der ausgestopfte Balg hat von der Nase bis zur Schwanz- spitze 33 rheinländische Zoll Länge, der Kopf bis zum Nacken 5 Zoll, die Ohren beinahe 15 Zoll, die Vorderflossen 8 Zoll, die hinteren 7 Zoll, der Schwanz 2 Zoll. Die Farbe ist am Halse und Rücken dunkelgelblichgrau, an der Kehle und an den ‘Flossen, bis zum Arm hinauf, schwarzbraun, am Bauche heller gelblichgrau; auch die Mitte des Rückens ist schon etwas dunkler als Hals, Nacken und Seiten des Rumpfes. Der Pelz hat eine feine blafsrothe Unterwolle, die Grannenhaare sind ziemlich 1 Zoll lang, in der Tiefe blafs röthlich, dann breit schwarz, an der Spitze bald breiter bald kürzer gelblich. Die Form der Vorder- flossen ist breiter als bei der vorigen Art (Otaria leonina Fr. Cuv.), der Aufsenrand schärfer gezackt, die 4 inneren Zehen mit kleiner, kaum sichtbarer Kralle und langer Knorpelspitze da- hinter.‘ Aber auch hier haben wir nur membra disjeeta, obgleich zu hoffen steht, dafs Hr. Burmeister, der sich an der Quelle befindet, die zur Entscheidung so nothwendigen Serien der an der Ostküste Südamerica’s vorkommenden Otarien sich wird zu verschaffen wissen. Da auf die Zahl der Backzähne, wie aus dem Vorhergehen- den zu ersehen, kein so grofses Gewicht zu legen ist, ordne ich die mir bekannten Arten jetzt in folgender Weise. a. Otaria Peron s. s. Haar kurz, ohne Unterwolle; Ohren sehr kurz (15 bis 20 Mm. lang); knöcherner Gaumen sehr concav und bis oder fast bis zu den Hamuli pterygoidoi verlängert. 1. Otaria jubata (Forster) Blainville; sicherer Fund- ort Juan Fernandez (Chile), Peru. 1° Otaria Byronia Blainv.; Tinian (Marianen-Inseln). 1’ Otaria leonina Fr. Cuv.; Ostküste von Südamerika, Falklandinseln. | 1® 2. 8 vom 1. November 1866. 671 Otaria Godeffroyi Ptrs.; Chincha-Inseln (Peru). Otaria Ulloae Tschudi; Peru. b. Zalophus Gill. Wie a., aber knöcherner Gaumen vorn flach concav, hinten tief eingebuchtet. Otaria lobata Gray; Neuholland. Otaria Gilliespü Macbain. Otaria Stelleri Schlegel. Japan; Californien. c: Phocarctos. Haar ohne Unterwolle, Ohren länger (3 Centimeter); Gaumen concav, hinterer Gaumen- rand entfernt von den Hamuli pterygoidoi; Back- zähne deutlich gelappt. Otaria Hookeri Gray; Falklandinseln, Antarctisches Meer. d. Eumetopias Gill. Haar ohne Unterwolle; Ohren länger (3 Centimeter); Gaumen hinten flach und weit vor den Hamuli pterygoidei aufhörend. Otaria Stellerii Lesson; Behringsstrafse bis Californien. e. Arctocephalus Fr. Cuv. Haare mit Unterwolle; Ohren länger (3 bis 4 Centim.); Gaumen flach concav, am hintern Rande tief ausgeschnitten; Unterkieferwinkel deutlich. «. mit sehr sparsamer Unterwolle. . Otaria pusilla Schreber; Südafrika. £@. mit reichlicherer Unterwolle. Otaria cinerea Peron et Lesueur; Neuholland. f. Arctophoca. Haar mit dichter Unterwolle; Ohren länger (3 bis 4 Centim.); ‚Gaumen flach concav, am hintern Rande tief ausgeschnitten; Unterkieferwinkel fehlt; Backzähne deutlich gelappt. . Otaria Falklandica Shaw. Otaria nigrescens Gray l. ce. Otaria Falklandica Burmeister, Ann. and Be nat. hist. 1866 p. 99. Westküste von Südamerika, Falklandinseln. 9° Otaria Philippi Ptrs.; Juan Fernandez (Chile) h. Callorkinus Gray. Haar mit dichter Unterwolle, Ohren länger (3 bis 4 Centim.); Gaumen vorn mälsig 672 Gesammtsitzung . concav, hinten flach, am Rande tief eingebuchtet; Unterkieferwinkel deutlich, Unterkieferfortsatz nach aulsen gerichtet; Backzähne ungelappt. 10. Otaria ursina Linne; Behringsstrafse bis Washington Territorium. Hr. W. Peters legte vor: fernere Mittheilungen zur Kenntnifs der Flederthiere, namentlich über Arten des Leidener und Britischen Museums. 1. Nycteris grandis Ptrs. Monatsber. 1865. p. 358. In dem British Museum, wo ich durch Hrn. Gray’s grofse Liberalität und die äufserst gefällige Unterstützung des Hrn. Gerrard die grofse Sammlung der Flederthiere untersuchen konnte, befindet sich ein ausgewachsenes männliches Exemplar dieser grolsen Art (als N. Baikii bezeichnet) in Weingeist, welches von Baikie in Westafrika gesammelt ist, so dafs ich im Stande bin, genauere Malse desselben mitzutheilen. Meter. Motallange, eo et en 2 > Be ae eier Kopflänge ee a ee = 2128 Ohrhöhle . . N en ee ee: Länge der One ee OIRRAR 2.7100 Körperlänge von der Schulter bis San “0 2 RER SCH Wwanzen u... eos hohen ah“ Hr Are Vorderarm Ö N TETE L.1.F. Mh.0,009; ler 2Cl. 050037... 10: Mas Ne ee DA. =70.016657 — °0,00355 un. en HUFSER >39 0:0425. 4, 2081050296: 1°2.720503032 2 0 L.4.F. - 0,0475 - 0,01655 - 0,013 L.5.F. - 0,05055 - 0,01665 - 0,0132 Oberschenkel De We Tal eo er ee RE Unterschenkel® ne. „m. Ay ea Se Per Kulsı 2 2 ae ee Bee Re SPORE Ne ee ne en EL een. 2 ee: Distanz der oberen Eckzahnspitzen -. -. »- ». 2... 0,0043 vom 1. November 1866. 673 2. Lonchorhina aurita Tomes, Proc. 20ol. soc. Lond. 1863. p. 81. Taf. 12. Durch die gütige Vermittelung des Hrn. Ph. L. Sclater, dem ich bereits so viel Dank für seine thätige Unterstützung bei der Ausführung meiner Monographie der Flederthiere schuldig bin, habe ich das Originalexemplar dieser höchst merkwürdigen Art (aus der Sammlung des Royal Victoria Hospital zu Netley) genauer untersuchen können. Meine Vermuthung (s. Monats- berichte 1865. p. 257.), dafs dasselbe $2 _ 2 Backzähne besitze, hat sich vollkommen bestätigt, indem ein kleiner zweiter unterer Praemolarzahn vorhanden ist, den Hr. Tomes übersehen hat und den ich in der Abbildung zu erkennen glaubte. Die Beschrei- bung von Hrn. Tomes ist sonst sehr gut, nur finde ich, dafs die Nasenlöcher nicht eine ovale Form haben, sondern jederseits eine Querspalte bilden, welche hinter dem dreieckigpyramidalen oberen seitlichen Fortsatze des Hufeisens liegt. Die Ohren haben 10 bis 11 Querfalten. Der Sporn ist weich und knorpelig. Das Exemplar ist ein ausgewachsenes, aber noch ziemlich junges Männchen. Meter ange! bist zu Schwanzbasis "1 4. I RW IE DEI ER NE 05 Wempesdesu Kopfes. a „2 SERIE RWESTTN NED 0,098 Eloner dest Ohrsm. 3. DT SERIE ABEND EB FERRE oa BR 1 vordern®Ohrrandes 19,090) 3 20 E9.822277977 705027 Breite des Ohrs a ee ERRAT EIRESRTEFORLERG SEITEN ESPIN ON 022 Länge der Ohrklappe RER NIOUIR DR IRONMAN oo Länge des ganzen Nasenbesatzes . . 2... ...2..2.2 0,028 Länge des Schwanzes REBEL NN OED AIR RR DENE BEIEeBdeSHOberarms "0 UI BIN RITTER 0,029 Länge des Vorderarms . . a ee a 0ER 1. R3MR8,005571.G1:0500352.G1:0,0355 CD PDT 9,010 1.2.F.°- 0,0885 - 0,0055 NERRNEN YNOU OD, 0,043 L.3.F. - 0,0455 - 0,0155 - 0,0255; 3 Gl. 0,009 Kpl.0,00%8 . 0,094 L.4.F. - 0,043555 - 0,012: - 0,014; Kpl. 0,0015 ON 105070 BEE 70,08855 -% 00a: = 001055 = 0,001"... 905067 Oberschenkel N A VHteNE trans ie 1a ae a ler np [1866.] 48 674 Gesammtsitzung Meter. 1 Er a EB de a BB er re &) SPOLN., .. 20 Sn Re en EI 3. Schizostoma megalotis. Phyliophora, Mimon et Micronycteris megalotis Gray. Phyllostoma et Schizostoma elongatum Gray, non Geoffroy. Ich habe die Originalexemplare beider Arten genau mit einander verglichen und nicht den geringsten Unterschied finden können, wenn auch das Eintrocknen verschiedenen Indi- viduen ein etwas verschiedenes Ansehen gegeben hat. Da der Name Ph. elongatum schon längst an eine andre Art (= Alectops atratus Gray, Proc. zool. soc. Lond. 1866. p. 114.) von Geoffroy vergeben ist, so kann man passend den Namen megalotis be- halten. Mafse der Originalexemplare von Micronycteris megalotis antibr. 0,0345; tibia 0,0123; Fuls0,009; 3. Fing. Mh. 0,0283, 1 Gl. 0,0143, 2 Gl. 0,0143. Schizostoma elongatum antibr. 0,033; tibia 0,0123; Fuls 0,009; 3. Fing. Mh. 0,0235, 1 Gl. 0,0143, 2 Gl. 0,0142. 4. Phyllostoma et Tylostoma Childreni Gray = Loph. bidens Spix. Das einzige Originalexemplar von Ph. Childreni Gray zeigt, der Angabe von Tomes entgegen, einen deutlichen zweiten unteren kleinen Praemolarzahn, also 22 —°Z Backzähne und stimmt auch sonst so genau mit V. bidens Spix überein, dafs sich an der Identität beider Arten nicht zweifeln läfst. Die Flughäute gehen an die Fufswurzel und nicht an die Zehen oder blofs an die Tibia, wie andre Beschreiber desselben Exemplars angegeben haben. Antibr. 0,050; tibia 0,021; Ohr 0,022; Fuls 0,0165; Sporn 0,018; Distanz der oberen Eckzahnspitzen 0,0035. 5. Lophostoma brasiliense. Tylostoma brasiliense Gray Brit. Mus. Ein trocknes ausgewachsenes Exemplar, mit ausgezogenem Schwanze, aus Bahia, stimmt im Gebifs, in der Form der Ohren, der Ohrklappe, des Nasen- und Lippenbesatzes, so wie in dem vom 1. November 1866. 675 Ansatz der Flughäute ganz mit Lophostoma amblyotis überein, ist aber viel kleiner. Meter, Kopläneetl: ea%. lb abusl..auehb Ba. ei Buy Majens Ohrhöhe =...» hsiokl, ertseitge anal de ee Länge der Gleklipps ana andazeilye ‚nanzlapr.308in DEINER 0,006 Länge des Nasenbesatzes BORN anahia dual un ig or Vorderarm 5 hy Er BER Re int .#0.05038 L.1.F. Mh. 0,0036: 1. qı. 2.Gl. ENG NER BRAD L2.F. - 0,0285 - 0,0045 - le 5 RAS IODAE L.3.F.- - 0,095 - 0,01285- 0,0145 3. G1.0,00955 Kpl. 0,005 0,069 BAR. : - :0,09935 = :0,01235:- +» 0,01155'Kpl. 0,0022 9.7.9.) 20,055 BED-E. : - :0,03185 > 0,0125 - = 0,0109% = 0,0095 =... .01.9%0,056 aan a ae a an SL. a EORERIRTID. TEN Bio Fufs a a a en a RED, los Sporn e .: ERDE RO BONO Distanz de bon ek zahhepitzen u. TE ee 000 6. Phylloderma stenops Pirs. Durch Hrn. Schlegels ‘besondere Liberalität habe ich nebst vielen anderen Flederthieren auch diese Art neuerdings genauer untersuchen können. Das Nasenblatt ist in seiner Gestalt und Ausdehnung wenig verschieden von dem bei Phyll. hastatum, aber etwas kleiner und mit der Mitte des untern Hufeisenrandes fest mit der Ober- lippe verwachsen, welche, wie bei dieser Art, eine Querreihe von Wärzchen zeigt. Auch haben die das Dreieck der Unter- lippenwulst begrenzenden Wärzchen eine mehr breite quere Ge- stalt. Die Ohren sind mäfsig lang, abgerundet, ganzrandig, mit einem niedrigen, kaum vom äufsern Rande abgesetzten Basal- lappen. Die Ohrklappe hat eine ähnliche Gestalt wie bei Ph. hastatum. Sie ist in der Endhälfte verschmälert, an der Basis des äufseren Randes mit einem viereckigen Lappen, darüber mit einem kleinen Vorsprung versehen, während der innere Rand dick und wulstig erscheint. Die Behaarung ist ziemlich kurz und von wolligem Ansehen; die Rückseite ist braun, indem die Haare hier dunkelbraun, an der Basis weils und an der Spitze hellbraun sind; die Bauch- 45 * 676 Gesammtsitzung seite ist bräunlich weils, und die Haare sind an der Basalhälfte braun, am Endtheile weils. Die Flughäute sind auf der Rück- seite ganz nackt; auf der Bauchseite findet sich neben dem Körper und fast bis zu dem Ende des zweiten Drittels des Vorderarms eine kurze sparsame Behaarung. Malse eines trocknen, scheinbar ausgewachsenen männlichen Exemplars des Leidener Museums aus Cayenne: Meter, Totallänge (bis zur Schwanzspitze) ungefähr . . . . 0,120 Kopfsungefähr. Dar re A ER Okrhöhesn at. sw ae ee re ee Höhe des vorderen Ohrrandes . 2. 2.2 2.2.0.2... 0,018 Ohrbreite sh re ee Länge der Sfkakerape ee Ne a Länge des Nasenbesatzes a NT NE: Breite‘.desHufeisens =... 2.0.2 an erea re Länge des4Schwanzes.) ur... 2. KU ira] SErerzen Sle Vorderarm & . A Bl L.1.F. Mh. 0,005; 1. 1. 0,0085 9. G. 0,0045. A A 1.2. Bitas} 050525401, 10,088 5 an lan lat a L.3.F. - 0,0665 - 0045 - 0,0335 8.Gl. 0,0175 Kpl.0,006; 0,146 L.A.F. - .0,06555 - 0,0185 - 0,0225 - 00085 00.0 .00,108 1.5-E. 22::/0,0625: , = '510,017,5 12-5) 40,0165 1:22 190,003 2 Ara ons Untexschenkel +... wen. ss re ee Fuls Erler ale Bes Sand ae E 5 Yu aliüeraskeen O0 Länge der Scheokelliushaubs in der Mitte, una u E-W 0,035 Im British Museum befindet sich ein zweites Exemplar dieser Art, unter der Bezeichnung Guandira cayanensis, von welchem Hr. Gray (Proc. zool. soc. Lond. 1866. p. 114.) eine kurze Notiz gegeben hat. 7. Mimon Bennettii Gray. Im British Museum befindet sich das einzige bisher be- kannte Exemplar dieser Art, ein trockner Balg eines Männchens, in welchem von dem Schädel nur der Gebifstheil und zwar in ziemlich beschädigtem Zustande sich befindet, an welchem kein zweiter kleiner unterer Praemolarzahn zu bemerken ist. Das vom 1. November 1866. 677 Gebils ist daher 2° 2 21°, obgleich immer noch ein Zweifel übrig bleibt, ob nicht etwa ein kleiner unterer Praemolarzahn verloren gegangen sei. Die Schneidezähne sind ähnlich wie bei Ph. amblyotis, die mittleren oberen meifselförmig, von aufsen etwas abgestutzt, die unteren zweilappig mit vorderer Längs- furche. Die Ohren sind sehr grofs, ganzrandig, ähnlich wie bei Lophostoma amblyotis, aber der Basallappen des äufseren Randes ist noch flacher und weniger entwickelt als bei Trachyops eir- rhosus. Die Ohrklappe ist fast wie bei Phyllostoma hastatum, spitz, an der Endhälfte verschmälert, an der innern Seite wulstig verdickt, an der Basis des äufsern Randes mit einem viereckigen Lappen versehen, darüber befindet sich ein spitzer zahnartiger Vorsprung und die letzte Hälfte dieses Randes ist flach wellen- förmig. Die Nasenlanzette ist mehr als doppelt so lang wie breit, ganzrandig, lanzettförmig zugespitzt, mit einem breiten spitzen lanzettförmigen mittleren Längskiel. Das Hufeisen ist bis an den Rand mit der Oberlippe verwachsen, aber der untere Rand ist dennoch deutlich erkennbar und ein wenig eingebuchtet. Die Unterlippe zeigt jederseits neben der mittleren Längsfurche eine breite glatte Wulst. Die Flughaut befestigt sich ein wenig tiefer als der Sporn, bis zur Mitte des Tarsus. Die Farbe ist oben zimmetbraun, unten blasser. Meter. allanger ungeraheitin a. BEN BEE N ts EiokeNdes#vorderen Ohrrandes'.1y „ala Rot Ohrbreite { ORERTRR ER ER RS DENEDIEN OL HNO NS AR RUE N0.028 Länge der Ohrkläppe HORB SOOUT TR DATEIEN GE Orga Känge des ganzen Nasenbesatzes' . ...". 2.27.27 0,018 Breite - - - ER. WERE Ar SEN 2801008 SER wwanZE EA DRM. DT DANN IE 05018 Vorderarm : DI NER 0,051 L.1.F. Mh. 0,0055; 1. 1. 0,0045 5 vo a1 050 ENDE ER. 001 DE2R&:- 0,0835. =) 1050075 Ara RONDENE A rn Tosoan L.3.F. - 0,4375 - 0,0195 - 0,02535 3.G1.0,01155 Kpl.0,0085 0,104 L.4.F. - 0,04555 - 0,01555 - 001555 Kpl.0,002. . . . 002 L.d.F. - 0,0455 - 0,0155 - 00125 - 00096 2. 0..0,078 ee 3 IT ak a a2 678 Gesammtsitzung Meter. Fufs a Beh aha er Ar ER ah ten Eur Een 2 DR Dee ÖDOLH N Eritrea Schenkelfiughau Bed en a dag nal Se ee 8. Rhinops minor Gray, Proc. zool. soc. Lond. 1866. p- 115. Das einzige getrocknete Exemplar des British Museums ist, wie aus den noch unentwickelten knorpeligen Enden der Finger- glieder hervorgeht, ein ganz junges Thier, welches sonst in jeder Beziehung mit Carollia brevicauda übereinstimmt. 9. Aöllo Cuvieri Leach. Durch Hrn. Professor Grants besondre Güte habe ich das in dem University College aufgestellte angebliche Ori- ginalexemplar von Aello Cwvieri Leach untersucht, und finde, dals es durchaus mit seinem Mormops Blainvillii übereinstimmt. Ohne Zweifel mufs eine Verwechselung statt gefunden haben und es bleibt daher noch immer unbestimmt, welches Thier dem Aöllo zu Grunde gelegen hat. 9. Phyllodia Parnellii Gray = Chilonycteris Osburni Tomes, Proc. zool.soc. Lond.1861.p.66. Tat 19. = Es befinden sich zwei trockene Exemplare im British Mu- seum. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser und den anderen Arten von Chilonycteris ist nicht vorhanden. Die un- tere Lippenfalte fehlt nicht und der Höcker auf der Nase findet sich auch bei den anderen Arten. 10. Emballonura lineata Temminck. Nach einer genauen Untersuchung der Originalexemplare dieser Art stellt sich heraus, dafs dieselbe nicht von E. NnasOo Wied (= E. saxatilis Spix) verschieden ist. 1l. Emballonura monticola aamrsE Mit dieser Art fällt zusammen- .E. Alecto Gervais (= E. dis- color Ptrs.) von den: Philippinen. vom 1. November 1866. 679 12. Emballonura (Mosia) nigrescens Gray. Diese Art ist gewils im ostindischen Archipel und nicht, wie es in der Voyage of the Sulphur angegeben ist, in Central- amerika zu Hause, während wiederum Oenturio senex fälschlich als aus Amboina stammend aufgeführt wird. Das Originalexemplar des British Museums stimmt vollständig mit den Exemplaren überein, welche das Leidener Museum in grofser Anzahl besitzt und von denen unsere Sammlung Exemplare unter dem Namen E. monticola erhalten hatte. 13. Chiromeles torgquatus Horsfield. In Bezug auf die geographische Verbreitung dieser Art habe ich nur zu bemerken, dafs bei verschiedenen Autoren die Angabe des Vaterlandes ,„Siam” unrichtig ist, wahrscheinlich daher entstanden, dafs Horsfield erwähnt, er habe sein Exem- plar von einem Missionar in Siam erhalten. Er fügt aber aus- drücklich hinzu ,‚The various Vespertilionidae exumerated in the journals, which ete., were collected in Pinang and Singapore.” 14. Scotophilus Kuhlii Leach. _ Ich war sehr gespannt auf die Untersuchung des Original- exemplars dieser Gattung und Art, welche sich im British Mu- seum befindet. Es ist dasselbe ein ganz junges Exemplar von Nycticejus Temminckii, welches noch die oberen Milchschneide- zähne besitzt und bei dem die Eckzähne wenig hervorragen. Das Gehifs ist 1 22112, Die abgerundeten kurzen Ohren mit der langen zugespitzten und nach vorn gekrümmten Ohr- klappe lassen über die Identität der Gattungen nicht den ge- ringsten Zweifel. Da aber Rafinesque seine Gattung nach einer amerikanischen Art, N. crepuscularis, aufgestellt hat, welche durch die viel stumpfere Ohrklappe, die Form des Schädels und der Backzähne von den altweltlichen, früher zu Nyeticejus gestellten Arten abweicht, so ist der Leach’sche Name für diese letzteren wieder herzustellen und nicht, wie es in England und Amerika geschieht, auf die Arten von Vesperus und Vesperugo anzuwenden. Totallänge 0,0855; Vorderarm 0,041; Tibia 0,013. 680 Gesammtsitzung 15. Romicia calcarata Gray. Nicht weniger gespannt war ich auf die Untersuchung dieser mir ganz räthselhaften Gattung, da Hr. Tomes (Proc. zool. soc. Lond. 1859. p. 71.) erklärt hatte, es sei das Exemplar nichts weiter als eine dem Vesperugo Kuhlü und pipistrellus verwandte Art mit so sehr entwickelten Lippendrüsen, dafs eine Grube zwischen ihnen gebildet würde, während Hr. Gray noch neuerdings (Ann. & Mag. nat. hist. 1866. p. 90.) darauf bestand, dals es eine besondere ausgezeichnete Gattung bilde. Ich habe eine genaue Beschreibung und Ausmessung davon entnommen, die ich aber hier mitzutheilen für überflüssig halte, da ich nur zu wiederholen hätte, was Hr. Blasius (Naturgesch. der Säugethiere Deutschlands p. 65) von Vesperugo Kuhlii sagt. Die einzige Abweichung findet sich darin, dafs der zweite obere Praemolarzahn nicht unmittelbar dem Eckzahne anliegt, wie ich es aber auch zuweilen bei anderen Exemplaren dieser Art gesehen habe. 16. Vespertilio tuberculatus Forster. Dafs diese Art nicht zu Vesperugo (Scotophilus Gray, Tomes, non Leach) gezogen werden kann, wie es Hr. Tomes (Proc. Zool. Soc. Lond. 1857. p. 135. Taf. 53.) gethan hat, geht schon aus der von ihm selbst‘ gemachten Angabe über das Gebils, 5% — 57 Backzähne, hervor. Durch Hrn. Flo wer’s grolse Liberalität habe ich nun das Weingeistexemplar des Royal College of Surgeons untersuchen können und finde allerdings, dafs sie sich mit Vespertilio s.s. ebensowenig vereinigen läfst. Sie bildet vielmehr eine eigenthümliche, schon äufserlich durch die kurzeu, abgerundeten Ohren und die Hautlappen der Mund- winkel ausgezeichnete Gattung, welche ich Chalinolobus') nennen möchte. 17. Vespertilio macellus Temminck. Nach Temmincks Angabe besitzt diese Art nur * Back- zähne. In dem Museum zu Leiden befinden sich zwei, von Temmincks eigner Hand als V. macellus bezeichnete Schädel, welche aber * Backzähne besitzen, von denen der erste obere ") xaXtvos, Mundwinkel, Aoßos, Lappen. vom 1. November 1866. 681 aber äufserst klein, nach innen gedrängt und zwischen dem Eck- zahn und dem zweiten Praemolarzahn versteckt ist. Diese Schädel gehören aber ohne Zweifel zu der Art, welche Temminck als V. macrotis beschrieben hat. Aufserdem befinden sich einige trockene Exemplare ebenda, mit der Bezeichnung, V. macellus, S. Müller, Borneo’”, welche sehr gut zu der von Temminck (Monograph. Mammal. ll. p. 230) gegebenen Beschreibung passen. Diese haben aber 2 dem Vespertilio Hasseltii sehr nahe steht, aber beständig etwas kleiner zu sein scheint ; Vorderarm 0,050; Tibia 0014; Fuls 070105. Backzähne und gehören einer Art an, welche 18. Vespertilio oreias Temminck. Eine genaue directe Vergleichung des einzigen Originalexem- . plars von dem Leidner Museum mit Vesp. ciliatus Blas. = Vesp. emarginatus Geoffroy, Tomes, läfst auch nicht den geringsten Unterschied erkennen. Es scheint mir daher noch weiterer Bestätigung zu bedürfen, ob dasselbe aus Singapore herstammt. 19. Miniopterus tibialis (Temm.) Tomes, Proc. Zool. Soc. Lond. 1858. p. 124. Zu dieser Art und nicht zu M. australis gehören die von mir unter letzterem Namen (Monatsberichte, 1361. p. 711.) auf- geführten Exemplare von den Philippinen, wie eine directe Ver- gleichung mit den Exemplaren des Leidner Museums gezeigt hat. M. australis ist daher aus der Fauna der Philippinen zu streichen. 20. Vespertilio macrodactylus Temminck. Diese Japanische Art hat eine so aulserordentliche Über- einstimmung mit dem europäischen V. Capaccini, dafs mir ihre Verschiedenheit sehr zweifelhaft geworden ist. 21. Vespertilio aenobarbus Temminck = Nyeti- cejus crepuscularis Leconte. Hr. W. Peters zeigte Stücke vor von dem neuen vier- drähtigen englisch-deutschen Telegraphenkabel von Lowestoft über Norderney nach Norden, welche er der Güte des Hrn. Reuter verdankt. 682 Gesammtsitzung An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Von der Kgl. Universität in Christiania: Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet. Aar 1864. Christiania 1865. 8. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. XIV, 2. 3. ib. 1866. 8. Norske Universitets Annaler. VL, 3. 4. VO. ib. 1866. 8. Norske Bygninger fra Fortiden. 7 Hefte. ib. 1866. 4. Norges Officielle Statistik. 8 Hefte. ib. 1865. 4. Carte geologique de la Norvege meridionale. ib. 1866. 8. et £olio. Keyser, E/terladte Skrifter. Hefte 2—4. ib. 1865 — 1866. 8. Keyser, Norges Historie. I, 2. ib. 1866. 8. Nicolaysen, Norske Fornlevninger. Hefte 5. ib. 1866. 8. Broch, Traite elementaire des fonctions elliptiques. Cahier 1. ib. 1866. 8. Caspari, Quellen zur Geschichte des Taufsymbols. ib. 1866. 8. Universitätsschriften. 8 Hefte. ib. 1866. 8. u. 4. Abhandlungen der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen. 12. Band. Göttingen 1866. 4. Huxley, Ou vertebrate fossils from the Panchet Rocks, Bengal. Cal- eutta 1865. 8. Salisbury, The Genera of plants. Liriogamae. London 1866. 8. J. G. Gray, Handbook of british Waterweeds or Algae. London 1864. 8. v. Martius, Akademische Denkreden. Leipzig 1866. 8. Mit Schrei- ben des Hrn. Verf. d. d. München 24. October 1866. W. Corssen, Äritische Nachträge zur lateinischen Formenlehre. Leip- zig 1866. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. Pforta 24. Octo-_ ber 1866. Schneiderwirth, Die persische Politik gegen die Griechen. Die politischen Beziehungen der Römer zu Ägypten bis zu seiner Unter- werfung. Heiligenstadt 1863. 8. ‚ Politische Geschichte des dorischen Argos. I. ib. 1865. 4. Mit Schreiben des Hrn. Verfassers, Heiligenstadt vom 27. Ok- tober 1866. : A. Clebsch und P. Gordan, Theorie der Abel’schen Functionen. Leipzig 1866. 8. (Von Hrn. Weierstra[s im Namen der Hrn. Verfasser übergeben). vom 8. November 1866. 683 8. November. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Lepsius las über einige syntaktische Punkte der hieroglyphischen Sprache. Hr. von Baer, auswärtiges Mitglied, übergab der Akademie seine „Berichte über die Anmeldung eines mit der Haut gefun- denen Mammuths’”’ 1866 und begleitete sie mit Bemerkungen. Hr. Olfers sprach über die Fälschung einer Se- pulchralinschrift in Aachen angeblich vom Grabe Karls des Grolsen. Hr. Mommsen fügte Nachrichten über andere frühere Fälschungen in Aachen hinzu. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Compte-rendu de la commission archeologique pour Üannee 1864. Petersb. 1865. 4. et folio. Recueil des antiquites de la Scythie. Livr. 1. ib. 1866. 4. et folio. Bulletin de la Societe des naturalistes de Moscou. no. 2. Moscou 1866. 8. Memoires de la societe des sciences naturelles de Strassbourg. Tome VI, Livr. 1. Strafsburg 1866. 4. Transactions of the Royal Irish Academy. Vol. 24. Antiquities 5. 6. 7. Polite literature 3. Science 5. Dublin 1866. 4. Journal of the Geological Society. Vol. 1. Part. 2. Dublin 1866. 8. Bibliotheca indica. no. 212 — 214. New Series, no. 83 — 87, 89 — 92. Caleutta 1865. 8. Greenwich Observations in the year 1864. London 1866. 4. 35. Report of the British Association for advancement of science. Lon- don 1866. 8. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu München. 1866. I. 4. IL, 1. München 1866. 8. J. de Witte, Etude sur les vases peints. Paris 1865. 8. 684 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse J. de Witte, De quelques antiquites rapportees de Grece par Fr. Le- normant. Paris 1866. 38. Canale, Storia del commercio, dei viaggi, delle scoperte e carte nau- tiche degl' Italiani. Genova 1866. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. Genova 26. October 1866. Barboza du Bocage, Lista dos reptis d’ Africa occidental que existem no Museo de Lisboa. (Lisboa 1866.) 8. K. E. von Baer, Berichte über die Anmeldung eines mit der Haut gefundenen Mammuths. Petersburg 1866. 8. | 12. November. Sitzung der physikalisch-ma- thematischen Klasse. Hr. Hofmann las über die Verwandlung der aro- matischen Monamine in kohlenstoffreichere Säuren. In einer früheren der Akademie vorgelegten Abhandlung (Monatsber. 1365. 649) habe ich die Bildung des Methenyl- diphenyldiamins, eines von mir schon vor Jahren mittelst Chloroform aus Anilin erhaltenen Körpers, auf einem neuen Wege, nämlich durch die Einwirkung des Phosphortrichlorids auf eine Mischung von Phenylformamid und Anilin, beschrieben. Bei der Forsetzung dieser Versuche mulste das Phenylform- amid und später auch das Tolylformamid in gröfserer Menge bereitet werden. Ich habe diese Körper mehrfach durch die Einwirkung der betreffenden Monamine auf den Ameisensäure- Aether gewonnen, bin jedoch wegen der Schwierigkeit, welche die Beschaffung grölserer Mengen Ameisensäure noch immer bietet, neuerdings zu der älteren Methode, nämlich Destillation der oxalsauren Monamine wieder zurückgekehrt, da ich gefunden habe, dafs man die Bildung der Formylverbindungen vollkommen in der Hand hat, wenn man die geeigneten Verhältnisse wählt. Bei der Destillation des secundären Anilinoxalats bildet sich nach Gerhardt als Hauptproduct Diphenyloxamid, während das Phenylformamid eigentlich nur als Nebenpro- duct auftritt. 1 Mol. Oxalsäure und 2 Mol. Anilin liefern bei der Destillation in der That fast ausschliefslich Diphenyloxamid, vom 12. November 1866. 685 indem sich einfach 2 Mol. Wasser aus dem zunächst gebildeten secundären Anilinoxalat abspalten. (© (6) )- 07 H; (CO; 0,7 2 10,+ 2 HIN | =(c, H.). YN.+2H,0 ? H Ei, Nichts ist aber leichter als die Reaction fast ausschliefslich für die Bildung des Phenylformamids zu verwerthen. Lälst man nämlich 1 Mol. Oxalsäure auf 1 Mol. Anilin, (oder selbst 3 Mol. Oxalsäure auf 2 Mol. Anilin) einwirken, und trägt man über- dies Sorge, rasch eine möglichst hohe Temperatur zu geben, so bildet sich fast nur Phenylformamid, indem aus dem zu- nächst gebildeten primären Anilinoxalat nunmehr 1] Mol. Wasser und 1 Mol. Kohlensäure austreten. CH cCHO { TI 6 5 2) 10, + un =c.n. IN +1.0+00, H H Das Destillat ist eine eigenthümlich riechende Flüssigkeit, welche auf Zusatz von starker Natronlauge alsbald zu der kry- stallinischen Verbindung von Phenylformamid und Natron er- starrt. Für die Darstellung des früher von mir beschriebenen Methenyldiphenyldiamins ist dieses Rohproduct, welches stets noch eine gewisse Menge Anilin enthält, hinlänglich rein. Man hat es nur mit Phosphortrichlorid zu behandeln, um reichliche Mengen der Methenylverbindung zu erhalten. Es hat sich aber gleichzeitig bei der Einwirkung der Oxal- säure auf das Anilin bei hoher Temperatur eine ganze Reihe anderer Reactionen vollendet, welche obwohl der betrachteten gegenüber untergeordnet, sich gleichwohl über eine ganz er- kleckliche Menge Materials erstrecken. Zunächst beobachtet man während der Destillation, dafs neben der Kohlensäure Kohlen- oxid austritt. Letzteres rührt von zwei secundären Processen her, einmal von einer Wiederzerlegung des bereits gebildeten Phenylformamids, welches der analogen Zersetzung des Forma- mids entsprechend, sich in Anilin und Kohlenoxid spaltet, 636 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse cCHO CH, C;H, In- u | + co H H andererseits von einer weiteren Umbildung des Diphenyloxamids, welches sich, wie ich bereits früher beobachtet habe, unter Ent- lassung von Kohlenoxid in Diphenylearbamid verwandelt. (C, 0), (© Eier (CO; H;); In. =(0 Ra + CO H; H, Die Bildung des letzteren Körpers wurde übrigens bei dieser Gelegenheit nochmals durch besondere Versuche festgestellt. Es hatten sich nicht unerhebliche Mengen desselben als eine ölgetränkte Krystallmasse in dem Halse der Retorte abgesetzt, welche durch Umkrystallisiren aus heifsem Alkohol gereinigt, bei der Verbrennung die Zusammensetzung des diphenylirten Carbamids ergaben. Das Rohproduct der Destillation eines Gemenges von 1 Mol. Oxalsäure und 1 Mol. Anilin enthält ferner Blausäure und es ist nicht schwer die Entstehung auch dieser Verbindung in befriedigender Weise zu erklären. Erhitzt man das erhal- tene Destillat mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure zum Sie- den, so geht mit den Wasserdämpfen eine ölige Materie über, welche einen eigenthümlichen, an Benzonitril erinnernden Ge- ruch besitzt und Neigung zum Krystallisiren zeig. Man er- kennt unschwer, dafs man es mit einem Gemenge zu thun hat. Wird diese Substanz längere Zeit mit concentrirter Natronlauge gekocht, so löst sie sich unter Ammoniakentwickelung theilweise auf. Läfst man, wenn sich kein Ammoniak mehr entbindet, die Flüssigkeit erkalten, so erstarren die auf der Natronlauge schwimmenden Oeltropfen nach einiger Zeit zu Krystallen. Augenblicklich erfolgt dieses Festwerden bei der Behandlung derselben mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure. Versetzt man die chlorwasserstoffsaure Flüssigkeit, in welcher die Krystalle schwimmen, mit einigen Tropfen starker Salpetersäure, so nimmt sie beim gelinden Erwärmen eine tiefblaue Farbe an. Diese vom 12. November 1866. 687 Eigenschaft charakterisirt das Diphenylamin, mit welchem die krystallinische Verbindung auch in jeder anderen Beziehung vollkommen übereinstimmt. Das Diphenylamin, es kann nicht bezweifelt werden, bildet sich als complementäres Product der Cyanwasserstoflsäure aus dem Phenylformamid. 2 Mol. Phenyl- formamid enthalten die Elemente von 1 Mol. Diphenylamin, 1 Mol. Cyanwasserstoffsäure und 1 Mol. Wasser. CRTE2O C,H; 3 G; H, IS —aer H, 'N-+ CHN-+ H,O H H Es bleibt nunmehr noch übrig, von der mit dem Diphenyla- min gleichzeitig gebildeten flüssigen Substanz Rechenschaft zu geben, welche bei der Behandlung des Gemenges mit Natron- lauge unter Ammoniakentwickelung verschwunden war. Hatte schon der Geruch dieses Körpers und sein Verhalten zur Na- tronlauge auf Benzonitril hingewiesen, so wurde die Ver- muthung, dafs sich dieser Körper gebildet habe, zur Gewilsheit erhoben, als sich auf Zusatz von Chlorwasserstoffsäure zu der filtrirten Natronlösung eine reichliche Menge der reinsten Benzoö- säure ausschied, deren Natur überdiels durch die Analyse des Silbersalzes festgestellt wurde. Auch die Bildung des Benzonitrils ist nicht schwer zu er- klären. Es verdankt seine Entstehung gleichfalls einer secun- dären Umbildung des Phenylformamids. Unter Abspaltung eines Wassermoleculs verwandelt sich das Phenylformamid in Ben- zonitril. CHO CH, In-cms+mo H Der Uebergang des Phenylformamids in Benzonitril vollen- det sich nur theilweise während der ursprünglichen Destillation des Gemenges von Anilin nnd Oxalsäure. Der gröfsere Theil des Nitrils wird offenbar erst während der Behandlung des Rohproducts der Destillation mit Chorwasserstoffsäure gebildet. Die Überführung des Anilins in die kohlenstoffreichere Benzo@säure bietet insofern einiges Interesse, als die Entwick- lung der Theerfarbenindustrie uns die aromatischen Monamine 688 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse in reichlicher Menge und zu billigstem Preise zur Verfügung stellt. Es war nicht unwahrscheinlich, dafs sich manche bereits bekannte Säuren auf diesem Wege, leichter als bisher, würden erhalten lassen und dafs man auch einige bis jetzt unbekannt gebliebene Verbindungen auf demselben werde erzeugen können. Deshalb hab’ ich zunächst die Allgemeinheit der Reaction durch eine ähnliche Behandlung des Toluidins bethätigt. Die Erscheinungen, welche man bei der Destillation eines Gemenges von 1 Mol. Toluidin mit I Mol. Oxalsäure beobachtet, sind denen vollkommen analog, welche sich in der entsprechenden Reaction des Anilins darbieten. Es lag nicht im Interesse der Un- tersuchung sämmtliche Übergangsstufen des complieirten Processes hier nochmals im Einzelnen zu verfolgen. Das Rohproduct der Reaction, welches reichliche Mengen von Tolylformamid enthielt, wurde daher alsbald mit starker Chlorwasserstoff- säure der Destillation unterworfen. Die mit den Wasser- dämpfen übergegangene ölförmige Substanz entwickelte bei der Behandlung mit siedender Natronlauge Ammoniak und die von dem unlöslichen Rückstand abfiltrirte Flüssigkeit lieferte auf Zusatz von Chlorwasserstoffsäure eine krystallinische Säure, welche sich bei der Verbrennung, wie bei der Analyse des Silber- salzes, als Tolylsäure erwiefs. Es war also auch hier aus dem Tolylformamid zunächst Tolonitril und aus letzterem endlich Tolylsäure entstanden. C,H C;,H,0 u 7 (C, = 10,+ un C,H, \N 70-70 H eI°O C,H, N=C,H,N-+BH;,0, H G;,H,N =+-,2/H,102=25G, HR 0; + H;N. Bekanntlich existiren verschiedene Tolylsäuren und es ist wohl kaum zweifelhaft, welche der verschiedenen isomeren Mo- dificationen hier gebildet wird. Da ich jedoch diese Reaction vom 12. November 1866. 689 noch etwas weiter zu verfolgen beabsichtige, so will ich auf diese Frage für den Augenblick nicht näher eingehen. Die in der Phenyl- und Tolylreihe gesammelten Erfahrun- gen, haben, wie sich dies erwarten liefs, auch in der Naphthyl- reihe Bestätigung gefunden. Die Untersuchung der Naphthylkörper in dem angedeute- ten Sinne schien von bedeutenderem Interesse, insofern die Verwerthung der neuen Reaction für den Ausbau dieser Gruppe, die Bildung einer ganzen Reihe neuer Verbindungen in Aussicht stellte, deren Existenz die Theorie längst angedeutet hatte, deren Darstellung aber trotz wiederholter Anläufe bis jetzt nicht hatte gelingen wollen. Das Naphthalin, dieses allgemeinste Product, der Einwirkung höherer Wärmegrade auf organische Körper, ist merkwürdiger Weise bis jetzt aus einer einfachen, quantitativ verfolgbaren Reaction nicht hervorgegangen. Der Gedanke lag nahe, dafs man dem Naphthalin dereinst in der Spaltung einer Säure be- gegnen würde, welche zu diesem Kohlenwasserstoff in einem ähnlichen Verhältnisse steht, wie es zwischen Benzol aus Benzo&- säure obwaltet. Diese Säure, welcher die Formel C, 1 H; O;. zukommt, mulste nach dem angedeuteten Verfahren, durch die Einwirkung der Oxalsäure auf das Monamin des Naphthalins, das Naphthylamin erhalten werden. 1 Mol. Naphthylamin mit etwas mehr als 1 Mol. Oxalsäure destillirt, lieferte ein halbflüssiges Destillat, oflenbar ein Gemenge verschiedener Producte. Dieses Destillat wurde ohne weitere Untersuchung in einer Retorte mit concentrirter Chlorwasser- stoffsäure übergossen und alsdann einem lebhaften Dampfstrom unterworfen. Mit den Wasserdämpfen verflüchtigten sich reichliche Mengen eines schwach gefärbten Öls von aromatischem Geruch, welches im Wasser untersank und allmälich krystallinisch erstarrte. Von der Flüssigkeit getrennt, und mit Natronlauge eine Zeit lang im Sieden erhalten, löste sich der. ölige Körper unter Ammoniakentwicklung fast vollständig auf. Aus der filtrirten [1866.] 49 690 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Lösung fiel auf Zusatz von Salzsäure ein blendend weilser Niederschlag, welcher, aus siedendem Wasser umkrystallirt, in prächtigen Krystallnadeln anschofs. Bei der Analyse ergab sich’s alsbald dafs diese Krystalle die gesuchte Säure darstellen. Diesen merkwürdigen Körper, welchen ich bis jetzt erst in kleiner Menge erhalten habe, hoffe ich zum Gegenstande einer ausführlicheren Untersuchung zu machen, welche ich mir er- lauben werde, der Akademie in einer späteren Sitzung vorzu- legen. Schliefslich sei es mir gestattet, meinem Assistenten Herrn Cornelius O’Sullivan für die bei Anstellung der beschrie- benen Versuche mir geleistete Hülfe meinen besten Dank aus- zusprechen. Hr. Hofmann zeigte den Graham’schen Versuch einer mechanischen Trennung der Bestandtheile der atmosphärischen Luft. Man hält gewöhnlich dünne Kautschuk-Schichten, z. B. die kleinen durchscheinenden Kautschuk -Ballon’s oder mit einer Kautschuk-Schicht überzogene Gewebe, für völlig un- durchdringlich für atmosphärische Luf. Graham hat jedoch in der jüngsten Zeit nachgewiesen, dafs diefs nicht der Fall ist, dafs man vielmehr mit Hülfe geeigneter Vorrichtungen im Stande ist durch solche dünne Kautschuk-Membrane Luft zu saugen oder zu pressen. Diese Beobachtung erhält ein besonderes Interesse, durch den Umstand, dals das Gas, welches durch das Kaut- schukmembran getreten ist, eine zwar constante, aber von der der atmosphärischen Luft wesentlich verschiedene Zusammensetzung besitzt und nicht wie diese 21°|,, sondern 41,6%], Sauerstoff enthält. Das Membran hält die Hälfte des in der Luft enthal- tenen Stickstoffs zurück, während die andere Hälfte nebst allem Sauerstoff durchgeht. Die so dialysirte Luft ist im Stande einen glimmenden Holzspahn wieder zu entzünden. Die Vorrichtung, welche Graham anwendet um diese merkwürdige Dialyse der Luft zu bewerkstelligen, ist höchst ein- fach. Sie besteht aus einem, nach Art der Luftkissen geformten Sack aus mit Kautschuk überzogenen Seidenstoff. Die mit vom 12. November 1866. 691 Kautschuk bekleidete Seite ist nach innen gekehrt; um die Berührung beider Wandungen zu verhindern, liegt zwischen beiden eine dünne Filz- oder Flanellplatte. Die gläserne Ansatzröhre des Apparats wird mittelst einer Kautschukröhre mit einem Apparate in Verbindung gebracht, welcher gestattet, die Luft auszupumpen und gleichzeitig das dabei gewonnene Gas aufzu- sammeln. Am besten eignet sich dazu der von Sprengel con- struirte, auf dem Princip des Wassertrommelgebläses beruhende Quecksilberaspirator. Mit Hülfe dieses Apparates ist man im Stande in kurzer Zeit einen constanten Strom Luft zu dialysiren. Graham sucht diese merkwürdige Erscheinung in der Weise zu erklären, dafs er annimmt, dünne Kautschuk- Membrane besäfsen die Fähigheit, die beiden die Luft constitui- renden Gase, den Sauerstoff und Stickstoff, in ihren Poren zu Flüssigkeiten zu condensiren. In diesem condensirten Zustande seien sie im Stande den Kautschuk zu durchdringen und dann wieder auf der anderen Seite in den gasförmigen Zustand über- zugehen. Die Verdichtungsfähigkeit solcher Membrane, sei für die verschiedenen Gase eine verschiedene; Sauerstoff werde 2 mal mehr absorbirt wie Stickstoff, wodurch sich die Verschiedenheit der Zusammensetzung der dialysirten von der gewöhnlichen Luft ergäbe. Hr. Hofmann illustrirte die Erscheinung mittelst eines ihm von Hrn. Graham übersendeten Apparats. Hr. Dove machte eine Mittheilung über die Constan- ten von Berlin. 15. November. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Dove las über die mittlere und absolute Ver- änderlichkeit der Temperatur der Atmosphäre. Die seit dem Jahre 1833 in den Abhandlungen der Akademie erschienenen Untersuchungen über die nicht periodischen. Ver-: änderungen der Temperatur konnten anfangs, wegen Mangels vieljähriger Beobachtungsreihen, nur auf Gruppen gleichzeitiger Beobachtungen gegründet werden, welche verhältnilsmälsig nicht 49° 692 Gesammtsitzung lange Zeiträume umfalsten. Die so gewonnenen numerischen Werthe hatten daher nur eine relative Bedeutung. Allmählig hatte sich aber die Zahl der Stationen, von denen vieljährige Mittel vorhanden waren, so vermehrt, dass in der sechsten im Jahrgang 1858 erschienenen Abhandlung es möglich war, für die Darstellung der Witterungsgeschichte der Jahre 1845—1855 von dieser Beschränkung abzugehen. Es war wünschenswerth diese Verallgemeineruug auch auf die Beantwortung der Fragen auszudehnen, innerhalb welcher Grenzen im Mittel, und innerhalb welcher absoluter Grenzen die nicht periodischen Veränderungen erfolgen, ob darin noch nicht ermittelte Perioden sich geltend machen, endlich ob im Verlaufe langer Zeiträume die Temperatur als unveränderlich zu betrachten sei, oder sich ändre und zwar in welchem Sinne. Die in der 4ten und öten Abhandlung in den Jahrgängen 1845 und 1852 erschienene Darstellung der Wärmeerscheinungen in chronolo- gischer Folge hielt ich für noch nicht umfassend genug, um die nach dieser Richtung hin, von mir 1838 mitgetheilten Unter- suchungen wieder aufzunehmen. Die heute der Akademie vorliegende Arbeit bezweckt diese Lücke zu ergänzen. In den nachfolgenden Tafeln bezeichnet die neben dem Namen stehende Zahl die Anzahl der Jahre aus welchen die Ergebnisse gewonnen wurden. Von diesen Jahrgängen sind 2738 neu be- rechnet. Die Gleichheit der Summe der positiven und negativen Abweichungen bildete die Controlle der Rechnung. Mit den früher von mir bestimmten beträgt die Gesammtsumme der Jahrgänge 3363, welche sich auf 83 Stationen vertheilen, von denen auf jede also im Mittel 40 Jahrgänge kommen, in der Polarzone allerdings erheblich weniger. Unter mittlerer Veränderlichkeit der Monatswärme verstehe ich die Summe der Abweichungen der Temperatur der Monate jedes einzelnen Jahres von der aus dem ganzen Zeitraum be- rechneten Temperatur desselben, dividirt durch die Anzahl der Jahre. Die letzte „Mittel” überschriebene Columne ist das Mittel aus den vorhergehenden Werthen der zwölf Monate. Die der ersten Tafel hinzugefügte zweite giebt die Mittel aus den durch Absätze von einander getrennten Gruppen der einzelnen Sta- vom 15. November 1866. 693 tionen. Die dritte „Absolute Extreme der Monatsmittel” über- schriebene Tafel giebt die höchsten und niedrigsten Werthe der Monatswärme, welche in der gesammten Jahresreihe der Beob- achtungen wahrgenommen wurden, die darunter stehenden Num- mern bezeichnen die Stationen, welche gruppenweise verbunden wurden. Die letzte „absolute Veränderung” überschriebene Ta- fel giebt die aus der vorhergehenden Tafel sich ergebenden Unterschiede der höchsten und geringsten Monatswärme. Alle Grade sind Reaumur’sche. 694 ... Gesdammtsitzung Jan. | Febr. | März | April | Mai | Juni "Jakutzk 2511.89 11.77 11.79 1.36 | 1.27 | 1.09 Nertchinsk 32 | 2,14 | 2.12 | 2.03 | 1.92 | 0.98 | 0.82 Barnaul 25 | 3.38 | 2.53 | 2.31 | 2.24 | 1.30 | 1.01 Catherinenburg 28 | 2.12 | 1.82 | 1.44 | 1.43 | 1.56 | 1.03 Bogoslowsk 25 | 2.67 | 2.36 | 1.72 | 1.39 | 1.70 | 1.25 Slatoust 29 | 2.29 | 2.02 | 1.44 | 1.26 | 1.30 | 1.06 Archangel 371 2.98 | 2.59 | 2.35 | 1.88 | 1.80 | 1.26 Torneo 31 1 2.76 | 2.56 | 2.03 | 1.77 | 1.66 | 1.36 Petersburg 141.234 | 248] 1.75 | 1.14 | 1.28 70935 Mitau 36 I 2.35 | 2.04 | 1.51 | 1.15 | 1.19 | 0.74 Tilsit 47 1 2.53 | 2.06 | 1.45 | 1.21 | 1.46 | 0.96 Arys 35 | 2.18 | 2.41 | 1.65 | 1.17 | 1.26 | 0.82 Danzig 45 I 2.14 | 1.79 | 41.18 | 0.97 | 1.05 | 0.93 Sülz 33 1 1.82 | 1.87. | 1.37. 0.92 | 0.99 1 0.69 Lübeck 27 4 1.51 | 1.90 | 1.34 | 0.93 | 1.07 | 0.84 Copenhagen 64 I 1.46 | 1.57 | 1.49 | 1.31 | 1.18 | 1.22 Christiania 28 1 1.68 | 2.16 | 1.25 | 0.98 | 0.92 | 0.76 Hammerfest 45 1 1.74 | 0.88 | 1.50 | 0.79 | 0.71 | 0.86 Wilna 27 1 2.76 | 2.00 | 1.86 | 1.26 | 0.89 | 1.13 Kiew 334 2.45. | 1.77 1.1.59: 1 1.362) ERA13 Pultawa 34 1 2.36 | 2.38 | 1.385 | 1.59 | 1.827 41.59 Lugan 26 I 2.32 | 2.52 | 1.92 | 1.65 | 1.07 | 1.09 Nicolajef 35 | 2109| 1.852) 1.491 1.17°70:8551.1.09 Krakau 38.,.216 | 2.38.171.77. 11.35 | 1.05927.46 Leobschütz 45-1 2:03 | 1.88 | 1:36 | 1.32 | 1.01) 71.09 Breslau 75 1 2.55 | 2.03 | 1.69 | 1.34 | 1.20 | 0.94 Berlin 138 I 2.14 | 41.89..\.1.56 1.1.30. | 1.150 195 Leipzig 36 1 2:24 1 1.97°| 1.55.| 1.237 124920083 Arnstadt 35041246 11.96 | 1.56.) 1.214) 1121092 Braunschweig 30 | 2.19 | 2.21 | 1.52 | 1.32 | 1.33 | 0.68 Gütersloh 311 41.31 | 1.95 | 1.65 | 1.19 | 1.22 | 0.32 Prag 925 2.312) 1.93 21.50. | 1.38%] 1.192120:85 Wien 67 1 2.08 | 1.65 | 1.34 | 1.46 | 1.23 | 1.03 Regensburg Ga 2.24 | 1.491 1.28.) 454 1 41.34 21.705 München _ 32-0 2:07 23.93 | 1.32 71.11 11.309. 0:82 Peissenberg 54.1 2.00 | 1.47 | 1.40 | 1.32 |. 1.40 | 1.16 Stuttgard 53 1 217 | 1.47.| 4.30.) 1.497 1.122727°01 Carlsruhe 51 1.2.25 11.761.143 1.87: 71:.160100:98 Darmstadt 36 1 1.90 | 1.48 | 1.33 | 1.16 | 1.19 | 0.99 Trier 42.11.90 1:41.60 11.321 1.31.11 .0:99 70:95 Zwanenburg 92 | 1.80 | 1.42 | 1.22 | 1.05 | 0.91 | 0.86 Brüssel 301 1.88 | 1.69 | 1.42 | 0.96 | 1.08 | 0.77 Chalons 43 1 2.04 | 1.36 | 1.15 | 1.28 | 1.26 | 1.03 Veränderungen. Juli [August] Sept. | Oct. Nov. | Dee. Inicei] ET nn TE TOT EEE EI BIETER ESSEN TC ETGEERTTETTIRFBE CE EEE a EEE EEE 4:37 7244071712057 7,.57 | 2:00 1.56 0.82 | 0.61 | 0.66 | 0.95 | 1.57 1.39 0.380 | 0.82 | 1.00 | 1.47 | 1.98 1.82 0.96 | 1.15 | 1.24 | 1.47 | 1.44 1.50 0.91 | 1.02 | 1.24 | 1.70 | 1.99 1.72 0.78 ı 1.17 | 1.22 | 1.48 | 1.39 1.52 4.44] 0.87 | 1.15 | 1.26 | 2.09 1.81 1.49 | 1.39 | 1.43 | 1.77 | 1.81 1.92 1.30 | 1.27 | 1.02 | 1.18 | 1.63 1.62 1.04 | 1.08 | 0.64 | 0.99 | 1.31 1.27 1.27 | 1.04 | 0.56 | 1.03 | 1.32 1.43 4.11 | 1.29 | 0.70 | 1.11 | 1.39 1.45 0.95 | 0.88 | 0.59 | 0.90 | 1.12 1198 0.37 | 1.06 | 0.58 | 0.80 | 0.95 1.13 4:02 | 127 | 0:77 | 094 | 1.03 1.25 41.12 | 1.05 | 0.84 | 0.98 | 1.08 1.22 8 1.00 | 1.00 | 0.51 | 1.07 | 1.19 1.29 I 1.29 | 0.57 | 0.80 | 1.14 | 1.67 1.00 4.25 | 1.24 | 0.88 | 1.34 | 1.32 1.AuN 1.26 | 1.33 | 1.31 | 1.04 | 1.37 1 1.53 1.73 | 1.54 | 1.41 | 1.2 1.57 1 1.55 4.04 | 1.23 | 1.25 | 1:07 | 1.72 11.71} 4.49 | 1.20 | 1.15 | 1.16 | 1.58 1 1.45 1.09 | 0.90 | 0.92 | 1.13 | 1.30 I 1.5 0.97 | 1.06 | 0.91 | 1.26 | 1.21 14.3 0.96 | 1.09 | 1.02 | 1.22 | 1.39 11.4 1.48 | 1.13.|.0.89 | 4:08 } 1.23 11.3 4.47 \ 1.13 | 0:86 |:0.88 1.4.33 13 1.02 | 0.98 | 0.78 | 0.37 | 1.60 | 1.3 1.02 | 1.24 | 0.74 | 0.85 | 1.19 | 13 0.94 | 1.09 | 0.85 | 0.81 | 1.30 1.3 1.04 | 1.06 | 0.96 | 1.07 | 1.23 | 1.90 9 1.3 41.03 | 1.08 | 0.97 | 1.07 | 1.12 | 1.84 1 1.3 4.25 14.27 | 4.09 |-41.07 |. 1.13 | 1.86. 4 1.3 0.33 | 0.39 | 0.77 | 0.88 | 1.42 | 1.83 # 1.2 1.05 | 1.08 | 1.05 | 1.20 | 1.41 | 1.57 8 1.3 1.09 | 1.01 | 0.99 | 1.07 | 1.55 | 1.95 1 1.3 0.95 | 0.94 | 0.85 | 1.04 | 1.24 | 1.98 | 1.3 41.02 | 1.12 | 0.95 | 0.76 | 1.29 | 1.55 $ 1.2 0.93 | 0.98 | 0.76 | 1.03 | 1.34 | 1.89 4 1.2 0.35 | 0.69 | 0.74 | 0.95 | 0.99 | 1.59 # 1.09 0.88 | 1.03 | 0.30 | 0.73 | 1.04 | 1.69 | 1.16 1.03 | 1.12 | 1.04 | 1.26 | 1.03 | 1.50 ] 1.26 vom 15. November 1866. ASIBRASAU m DU 600m -T 695 696 Gesammtsitzung Mittlere ESTATE Jan. | Febr. | März | April | Mai | Juni Paris 1.76 al er 61 1 1.76 | 1.56 1 1.24 1 1.17 1 212 Top 1.17 | 1.12 | 0.97 Toulouse er 1.58 | 1.27 | 1.00 | 0.80 | 0.99 | 1.09 Kremsmünster 49 1 1.72 | 1.59 | 1.24 | 1.26 | 0.99 | 0.95 Klagenfurt 51. 1.1.68 | 1.68 | 1.27 | 1.09 | 1.01 | 1.00 Basel 39 f 1.95 | 1.61 | 1.58 | 1.12 | 1.09 | 0.37 Genf 40 1 1.56 | 1.13 | 1.04 | 1.05 | 1.10 | 0.82 St. Bernhard 3311.45 | 1.24 | 1.45 | 1.05 | 1.01 | 1.14 Udine 40 1 1.02 | 1.14 | 0.90 | 1.21 | 1.08 | 0.82 Mailand 76 1 1.50 | 1.37 | 1.08 | 1.10 | 1.02 | 0.90 Florenz 21 1 1.01 | 0.95 | 0.85 | 0.88 | 1.55 | 0.93 Rom 32 1 1.08 | 0.74 | 0.96 | 0.82 | 0.98 | 0.93 Palermo 64 1 0.85 | 0.77 | 0.71 | 0.87 | 0.90 | 0.82 Stromness 331 0.72 | 0.96 ı 0.73 | 0.70 | 0.71 | 0.78 Kinfauns 27 11.40 | 1.05 | 0.78 | 0.79 | 0.89 | 0.71 Edinburg 56 1 1.13 | 0.79 | 0.87 | 0.72 | 0.50 | 0.80 Dublin 22 1 0.37 | 0.87 | 0.65 | 0.73 | 0.69 | 0.55 Manchester 55 1 1.14 | 1.08 | 0.90 | 0.96 | 0.95 | 0.97 Oxford 36 1 1.25 | 1.45 | 0.97 | 0.79 | 0.90 | 0.81 London 94 1 1.40 | 1.27 | 1.11 | 0.97 | 0.96 | 0.97 East Port 23 11.15 | 1.30 | 0.76 | 0.44 | 0.82 | 0.77 Salem 42 1 1.08 | 1.28 | 1.06 | 0.83 | 1.01 | 0.72 New Bedford 47 1 1.44 | 1.53 | 1.01 | 0.79 | 0.76 | 0.72 New Haven 87 1 1.37 | 1.35 | 1.19 | 0.94 | 0.89 | 0.83 New York 33 J 1.41 | 1.44 | 1.02 | 1.14 | 0.91 | 0.88 Providence 28 4 1.72 | 1.64 | 1.13 | 0.90 | 0.71 | 0.83 Ft. Monroe 30 1.49 | 1.80 | 1.48 | 1.05 | 1.11 | 0.79 Washington 20 1 1.53 | 1.50 | 1.92 | 1.03 | 1.00 | 0.64 (Arcansas) Charleston 1 11.51 | 1.74 | 1.27 | 0.80 | 0.70 | 0.65 Toronto 23 ] 1.66 | 1.45 | 1.39 | 0.80 | 0.97 | 1.04 Ft. Howard 21 1 1.49 | 2.31 | 1.36 | 1.52 | 1.48 | 0.98 Ft. Brady 29 # 1.15 | 1:98 | 1.74 | 1.27 1 1.39 | 246 Milwaukee "21 1 2.36 | 2.10 | 1.64 | 1.67 | 1.18 | 0.83 St. Louis 321 2.09 | 2.22 | 1.64 | 1.64 | 0.95 | 0.95 Marietta 36 1 1.71 | 2.03 | 1.56 | 1.53 | 0.98 | 0.79 Ft. Gibson 27 1 1.98 | 2.00 | 1.38 | 1.36 | 0.95 | 0.74 Ft. Leavenworth 25 ] 2.24 | 2.31 | 2.11 | 1.73 | 0.85 | 0.79 Ft. Snelling 35 1 2.04 |.2.52 | 2.12 | 1.35 | 1.46 | 1.15 Sitcha 28 1 1.75 | 1.56 | 1.15 | 0.57 | 0.63 | 0.58 Godthaab 14 1 1.69 | 1.84 | 2.21 | 1.54 | 1.04 | 0.76 Reykiavig 441 %21 | 1.12] 1.68 | 1.47 | 150 1 2 vom 15. November 1866. 697 Veränderungen. i | Aug. | Sept. | Oct. | Nov. 0.92 | 0.93 | 0.85 | 0.82 | 1.13 | 1. 0.88 | 0.82 | 0.89 | 0.74 | 1.16 | 1. 1.04 | 45 | Dee. [mitte 0.93 | 0.98 | 0.76 | 1.03 | 1.34 0.85 | 1.03 | 0.92 | 1.01 | 1.39 © 0.91 | 1.08 | 0.85 | 0.84 | 1.10 > 1.22 | 48 0.91 | 0.96 | 0.90 | 0.72 202 0.91 | 0.82 | 1.09 | 0.86 | 1.2 1.14 | 50 0.32 | 0.382 | 0.83 | 0.94 | 112 ] 1. 0.99 ] 51 0.99 | 0.89 | 0.88 | 0.97 | 0.96 | 1. 1.16 I 52 0.37 | 0.66 | 0.92 | 0.91 | 1.01 | A. 0.99 | 53 0.58 | 0.55 | 0.69 | 0.74 | 1.05 | 1. 0.86 | 54 0.77 | 0.69 | 0.72 | 0.84 | 0.51 | 0. 0.78 1 55 0.82 | 0.74 | 0.65 | 0.84 | 0.73 | o. 0.78 1 56 0.58 | 0.76 | 0.71 | 1.05 | 1.06 | 0. 0.90 # 57 0.67 | 0.72 | 0.69 | 0.91 | 0.93 | 1. 0.86 | 58 0.51 | 0.54 | 0.56 | 0.72 | 0.69 | 0. 0.69 | 59 1.03 | 0.82 | 0.75 | 1.01 | 1.16 Mr 1.04. | 60 0.76 | 0.77 | 0.80 | 0.77 | 0.35 | 1. 0.96 | 61 0.92 | 0.33 | 0.32 | 0.33 | 0.s8 | 1. 1.04 1 62 0.86 | 0.65 | 0.72 | 0.67 | 0.82 | 1.65 Ü 0.88 | 63 0.78 | 0.69 | 0.83 | 0.77 | 0.88 | 1.29 1 0.93 | 64 0.69 | 0.64 | 0.68 | 0.70 | 1.07 |! 1.31 I 0.95 | 65 0.73 | 0.34 | 0.80 | 0.94 | 1.06 | 1.32 | 1.02 | 66 0.74 | 0.71 | 0.78 | 0.87 | 1.03 | 1.42 I 1.03 | 67 0.76 | 0.67 | 0.74 | 0.76 | 1.15 | 1.46 N 1.04 I 68 0:72: 0.77: 0.857) 0.99° 11.31) 155 I 1.16 1 69 0.64 | 1.11 | 0.95 | 1.11 | 1.40 | 1.22 # 1.17 1 70 0.57 | 0.57 | 0.73 | 0.95 | 1.12 | 1.47 1 1.01 1 71 0.69 | 0.62 | 0.84 | 0.78 | 0.95 | 1.37 | 1.05 | 72 0.84 | 0.80 | 0.91 | 1.24 | 1.65 | 2.20 I 1.32 | 73 1.26 | 0.75 | 0.78 | 1.18 | 1.25 | 1.58 9 1.29 1 74 0.355 | 0.69 | 0.99 | 1.01 | 1.13 | 1.64 1 1.34 1 75 0.99 | 0.96 | 1.04 | 1.45 | 1.33 | 1.72 # 1.41 | 76 0.38 | 0.30 | 1.04 | 1.24 | 1.23 | 1.27 1 1.26 I 77 0.34 | 1.30 | 1.24 | 1.38 | 1.69 | 1.65 | 1.38 | 78 41.02 | 1.15 | 1.36 | 1.22 | 1.84 | 1.74 9 1.36 | 79 1.00 | 1.04 | 1.15 | 1.40 | 1.67 | 2.25 $ 1.64 | 80 0.69 | 0.63 | 0.51 | 0.65 | 1.52 | 1.53 | 0.98 | 81 1.05 | 0.89 | 0.78 | 0.99 | 1.05 | 1.92 | 1.31 | 82 1.63 | 1.79 | 1.28. | 1.64 | 1.01 698 Gesammtsitzung Mittlere | Jan. | Febr. | März | April | Mai | Juni Sibirien und Ural 2.24 12:40 | 1.79 | 157 | 13577204 Nordöstliches Europa 254 | 227 | 1.70 | 137 | 1391 7203 Baltische Länder 1.70 | 1.68 | 1.39 | 0.99 | 0.97 | 0.86 Inneres Russland 2.50.1210 | 178 | 2:44 1 243 1 74524 Nördliches Deutschland # 2.16 | 2.03 | 1.58 | 1.28 | 1.16 | 0.91 Südliches Deutschland 2.10 | 1.64 | 1.36 | 1.36 | 1.21 | 0.98 Westeuropa 1.81 | 1.46 | 1.25 | 1.05 | 1.08 | 0.94 Schweiz 51.67 | 1.45 | 1.32 | 1.11 | 1.04 | 0.96 Italien 1.09 | 0.99 | 0.90 | 0.98 | 1.09 | 0.88 England 1.17 | 1.07 | 0.86 | 0.81 | 0.84 | 0.79 Oestliches Amerika 1.41 | 1.51 | 1.20 | 0.388 | 0.88 | 0.76 Inneres Amerika 1.86 | 2.10 | 1.66 | 1.46 | 1.13 | 0.94 Westamerika 1.75 | 1.56 ı 1.15 | 0.57 | 0.63 | 0.58 Polarländer 154 | 1.27 | 1.30 | 1717 | 1:08 | 0.92 Absolute Extreme Jan. Sibirien u. UrallEurop. Russland/Nördl. Deutschl. Süd-Deutschland (1—6) 7—10, 19 — 23111—15, 24—31 32 — 39 Max. | Min. |Max.| Min. | Max. | Min. Max. | Min. 5.36 | —7.00 | 5.47 | — 7.16 | 4.61 | —5.89 | 5.06 | —5.65 Febr. 1 6.25 | —5.04 | 6.21 | —6.47 | 3.94 | —5.33.| 3.84 | —5.08 März 1 4.43 | —4.64 | 4.59 | —4.70 | 4.04 | —5.31 | 3.52 | —5.06 April | 3.60 | —3.52 | 3.87 | —3.45 | 3.13 | —3.13 | 4.21 | —3.62 Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. Dec. 3.65 | 3281 3161 = 3.37.1331, 3.07. 35001 22839 2.65: — 2.604 3.40 | — 3.001.251. — 2:26 1 3418 > al 2:05, — 2.60 1 358 || = 2.87 11.3:2951, > 2:46 1 3220 2 2.40 | —2.51 1 3.66 | —2.79 | 3.52 | —2.72 | 3.44 | —2.64 2,36 | 258 1 346 | > 2.618 231,1 — 2.07 1 279 2oM 316 3.832 | 2.97. — 3.12 ,6.2.71.1.— 2.62.) 3:27, > 2205 4.43 21. —4.93 || 3.98 | —A.64..2.73 ), —3.74 | 3.24 723850 5.27 | —6.72 1 5.08 | —-6.66 | 3.96 | — 6.72 23221 659 England Oestl. Amerika 56 — 62 63 — 72 Max.| Min. | Max. | Min. Rn en nn nn ne Jan! 1 3.12 3.92. 3.4.1207 2380 Febr. # 2.29 | —3.44 | 4.24 | —3.79 März I 2.50 | —2.43 | 2.74 | —4.01 April | 2.15 | —2.56 | 2.28 | —2.52 Mai er re ee Juni oa 242 DB 2219 Juli ER EN IT NN Aug. 1 1.838 | —1.85 | 2.10 | —2.07 Sept. | 1.89 | —1.98 | 2.14 | —1.96 Oct. 2.521 2.04.11 2.39) —251 Nov. I 2.41 | —2.47.| 3.14 | —2.72 Dec. 1 3.04 | —3.18 | 3.67 | —4,50 vom 15. November 1866. 699 Veränderungen. Juli | Aus. | Sept. | Oct. | Nov. | Dec. Innitei] Eon an un fr van nen ann nm nenne nDe nn ann nn unn Ze Se un UnnuOnnnLebe nu ne urn nn nenn nu0n Batndn um nn nn nenn U, So U 0.94 | 1.03 | 1.07 | 1.44 | 1.75 | 2.501 1.58 4.19 | 1.12 | 0.87 | 1.18 | 1.53 | 2.34 1 1.47 1.06 | 1.05 | 0.70 | 0.99 | 1.18 | 1.61 $ 1.18 1.29 | 1.31 | 1.20 | 1.17 | 1.51 | 2.80 | 1.61 1.04 | 1.08 | 0.37 | 1.01 | 1.32 | 2.11 I 1.38 1.02 | 1.05 | 0.93 | 1.02 | 1.29 | 1.82 I 1.32 0.91 | 0.92 | 0.86 | 0.90 | 1.12 | 1.52 Y 1.15 0.90 | 0.97 | 0.90 | 0.89 | 1.22 | 1.62 J 1.17 0.381 | 0.72 | 0.81 | 0.89 | 0.99 | 1.15 # 0.95 0.76 | 0.74 | 0.71 | 0.38 | 0.90 | 1.15 # 0.99 0.72 | 0.74 | 0.79 | 0.86 | 1.09 | 1.41 I 1.02 0.93 | 0.90 | 1.04 | 1.21 | 1.42 | 1.71 $ 1.36 0.69 | 0.63 | 0.51 | 0.65 | 1.52 | 1.53 # 0.98 1.36 | 1.18 | 0.95 | 1.26 | 1.24 | 1.56 | 1.27 der Monatsmittel. Alpen Italien Westeuropa Scandinavien 46 — 50 51—55 41— 45 16 — 18 Max. | Min. | Max.| Min. | Max.| Min. |Max.| Min. 4.50 | —5.18 | 3.24 | —2.59 | 4.13 | — 5.04 | 3.02 | —4.10 ae nA \ 22830 | > 3.22 250 eis 134 N,56 Ze 3 DR 31 8 3208 310332 | 355 BEonaın LOS 250 | 2259, War = 29560121:96, 1 22546 Sa ze are zei, >99 | 9,20 DIS 2.43 02:50, |, Po 1 3.09, 13921 3.410 |, 2.50 3.03 | —237 | 230 | 2.49 :)-2:91 |‘ — 2:02" 4.76 | — 2.29 BE 99a 2:35 2a | 2171 4.20 2:06 Baal 2,06,122.45, 107 9,40 1,2348 414.680 ,2:06,.1 — 472 2300, 079,0 953.|,-.9.241.9.28 | 9.44 | 2,63.| 075 Bear 2o | ass | 982 73.35 ge Ban Ei eilig ie 52 Inneres Amerika| Westküste von Island und Amerika Grönland Dt a 31 8283 Max. | Min. |Max. | Min. |Max.| Min. ß Eon > 0 he Dun Sum Me une Seren naten gun © una ar nıntr Zaun nd nm > nme maus r amse man user mann > > 1 3.96 | —5.42 | 4.48 | —4.45 | 3.07 | —4.83 La) Eee er Re RE 3:99: 6.51: 113.14. | 3:42: |:3.85: | 3:99 3.94 | —3.93 |; 1:50. :| —1.64 |: 2.36:| — 3.14 2.64 | —2.62 | 1.32 | —1.68 | 2.34 | — 2.61 DA6 1 62 EA 1.52 172.91 104,78 29 12.2631 4.771, 21.36, 11 2:33, || ,—-3.29 2441, 2,34 | 2:06. 1 —-1.26.| 2.69 |; — 2.63 3.00 | —2.26 | 2.02 | —1.27 | 2.32 | —2.44 3.33 | —2.36 | 1.58 1 21.83 1| 2.61. 1) —2.47 3,831’ — 3,58. [72.71 |.—8.49 |'2.24 | —3.27 4.42 | —5.07 I 3.29 | —4.50 | 3.74 | —5.45 700 Gesammtsitzung Absolute Veränderung. Jan. 112.36 [12.63 |10. RE I ! 5 ! Febr. 111.29 |12.68 | 9.27 | 8.92 | 7.85 | 6.02 | 7.33 | 8.00 | 5.73 März | 9.07 | 9.29 | 9.35 | 8.58 | 7.00 | 5.58 | 6.18 | 6.84 | 4.93 April | 7.12 | 7.32 | 6.26 | 7.83 | 6.08 | 4.95 | 5.23 | 4.42 | 471 Mai 6.93 | 7.13 | 6.38 | 6.19 | 5.69 | 5.57 | 5.03 | 5.13 | 4.85 Juni 5.25 | 6.40 | 4.77 | 7.22 | 5.30 | 4.64 | 4.91 | 5.90 | 4.78 Juli 4.65 T 6.45 | 5.75 | 5.75 | 5.40 | 4.79 | 4.93 | 7.05 | 4.37 Aug. | 4.91 | 6.45 | 6.24 | 6.08 | 4.86 | 4.50 | 4.88 | 6.27 | 3.73 Sept. | 5.44 | 6.13 | 4.38 | 5.03 | 4.96 | 4.85 | 4.16 | 3.78 | 3.87 Oct. 7.58 | 6.09 | 5.33 | 6.22 | 5.09 | 4.57 | 4.92 | 5.38 | 4.56 Nov. 1 9.36 | 8.62 | 6.47 | 7.01 | 7.25 | 5.94 | 5.95 | 7.32 | 4.88 Dec. 111.99 |11.74 10.68 |10.91 | 8.49 | 6.38 | 8.37 | 8.30 | 6.23 ’ 5 E Jan. 7.21 | 9.38 | 9.33 | 7.90 Febr. f 8.08 | 9.90 | 7.09 | 7.98 März | 6.75 |10.50 | 6.56 | 7.84 April | 4.80 | 7.87 | 3.14 | 5.50 Mai 4.73 | 5.26 | 3.00 | 4.95 Juni 4.37 | 4.78 | 3.16 | 4.69 Juli 4.16 | 4.75 | 3.13 | 5.62 Aug. | 4.17 | 4.48 | 3.32 | 5.32 Sept. 44.10 | 5.26 | 3.29 | 4.76 Oct. 4.90 | 6.19 | 3.41 | 5.08 Nov. 15.86 | 7.41 j11.20 | 5.51 Dec. 8.17 | 9.49 | 7.79 | 9.19 Europa an der Westküste der alten Welt gelegen mufs, um seine Witterung zu verstehen, wie ein Janus nach entgegenge- setzten Seiten blicken. In fortwährender Ungewifsheit darüber, ob es sich dem Continental- oder dem Seeklima anschliefsen soll, erfährt es so erhebliche Schwankungen der Temperatur, Feuchtigkeit und des atmosphärischen Druckes, dafs man gesagt hat, die Eigenthümlichkeit seines Klimas sei die, das April- wetter der ganzen Welt darzustellen. Dennoch zeigt Taf. L, dafs die Veränderungen innerhalb ganz bestimmter Grenzen er- folgen. Die mittlere Veränderlichkeit ist in Regensburg 1.39, in Berlin, Braunschweig und Prag 1.37, in Gütersloh 1.36, in Stuttgard, Leipzig 1.35, auf dem Peissenberg, in Carlruhe 1.34, in Leobschütz 1.33 in Arnstadt und Wien 1.32, also so überein- stimmend, wie man es kaum erwarten durfte. Die mittlere Veränderlichkeit nimmt in der gemälsigten vom 15. November 1866. 7ol Zone im Allgemeinen zu mit wachsender geographischer Breite. Sie erreicht ihr Maximum 1.61 im europaeischen Russland, also an der eigentlichen Grenze des continentalen und Seeklimas, da, wie ich durch den Entwurf der Isanomalen gezeigt habe, die zu milden Winter erst am Ural in zu kalte übergehen. Sie ist in Sibirien noch bedeutender als im nördlichen Deutschland, ein Beweis, dass besonders im Winter noch Wellen der bewegten europaeischen Atmosphäre aufregend in den ruhigen Luftsee Nordasiens hineinschlagen. Von Norddeutschland aus, wo sie 1.38, nimmt sie nach Süden hin ab, wird 1.32 in Süddeutsch- land, 1.17 in der Schweiz, 0.95 in Italien. Sie vermindert sich aber noch schneller nach Westen hin, denn in Frankreich und Niederland ist sie 1.15, in England 0.99, am kleinsten auf den schettländischen Inseln 0.78. An den atlantischen Küsten |Nord- amerikas steigt sie wieder auf 1.02 und wird im Innern 1.36, sinkt aber an der Westseite in Sitcha wieder auf 0.98 herab. Sie ist am Nordcap, in Island und Grönland im Mittel 1.27 aber wahrscheinlich gröfser im Gebiet des Parryschen Archipels. Hängen die nicht periodischen Veränderungen der Tempe- ratur von Luftströmen ab, so werden, abgesehen von den Modi- ficationen, welche die sie begleitende Niederschläge hervorrufen, jene am grölsten sein. 1) in Beziehung auf die Zeit im Jahre dann, wenn die Monatsisothermen am wenigsten von einander abstehen, weil dann, wenn man die ganze Erdoberfläche betrachtet, die Tem- peraturabnahme mit zunehmender geographischer Breite am schnellsten erfolgt. 2) innerhalb desselben Monats, wenn die Richtung der Luftströme senkrecht steht auf der Isotherme des Monats, weil in dieser Richtung die Wärmeabnahme am schnellsten erfolgt. 3) für jede gegebene Windesrichtung aber mit zunehmender Intensität des Windes, weil dann die herbeiströmende Luft ihre ‘ursprüngliche Wärme am wenigsten abgeschwächt herbeiführen wird. BR Da innerhalb der jährlichen Periode in Europa sich die Isothermen so stark drehen, dass sie im Sommer in einer Rich- tung verlaufen, welche fast senkrecht steht auf der, welche sie im Winter verfolgen, so ist unmittelbar einleuchtend, dass der 702 Gesammtsitzung thermische Effect desselben Windes innerhalb der einzelnen Abschnitte des Jahres ein ganz verschiedener sein wird. Be- rücksichtigt man hierbei noch die in den verschiednen Jahres- zeiten sehr verschiedenen Intensität der Luftströme, aufserdem die hinreichend festgestellte Thatsache, dass an bestimmten Stellen der Erde die Luft überhaupt viel bewegter ist als an andern, so sieht man leicht, dafsdie theoretische Bestimmung der absoluten Gröfse der Veränderlichkeit ein sehr verwickeltes Problem ist. Für jeden einzelnen Beobachtungsort der gemälsigten Zone gilt aber, dafs im Winter die Temperaturabnahme am schnellsten erfolgt, wenn wir in einer Richtung fortschreiten, welche senk- recht steht auf der Isotherme desselben. Es wird also die Ver- änderlichkeit der Temperatur unter sonst gleichbleibenden Um- ständen dann grölser ausfallen müssen als im Sommer. Dieses tritt in den Beobachtungsreihen sehr entschieden hervor. Ich habe in den Berichten von 1846 p. 290 zuerst auf eine merkwürdige Abweichung der jährlichen Temperatureurven in Nordamerika aufmerksam gemacht, die nämlich, dafs in den nördlichen Gegenden der Vereinigten Staaten bis nach Philadel- phia hinab nicht der Januar der kälteste Monat ist, sondern der Februar. Es ist nun sehr interessant, dafs dieselbe Anomalie auch in den mittleren Veränderungen hervortritt. In Asien ist die Veränderlichkeit am gröfsten im December, auch im europäischen Russland, wenn auch in geringem Maalse, im mittleren und westlichen Europa erreicht sie ihren grölsten Werth im Januar, in Nordamerika endlich im Februar. Nun habe ich in der Darstellung der Veränderung der Verbreitung der Wärme in der jährlichen Periode durch monat- liche Isothermen nachgewiesen, dafs die Kälte im December über Sibirien hereinbricht, dafs nämlich dann dort die Isother- men am schnellsten nach Süden hin fortrücken, dafs hingegen im Februar, wenn bereits in der alten Welt überall die Isother- men ihre Zurückbewegung nach dem Pole begonnen, die in Nordamerika noch nach Süden fortschreiten. Das Eintreten dieser Bewegungen wird natürlich in den einzelnen Jahren nicht genau auf dieselbe Zeit fallen. Daraus erklärt sich, dafs die grölste Veränderlichkeit in Sibirien in den December, in Europa in vom 15. November 1866. 703 den Januar, in Amerika in den Februar fällt. Auf diese Weise hätten wir einen ersten Anhaltspunkt für die Grenze der ver- wickelten Bewegungen der Atmosphäre, die wir nicht periodische nennen, gewonnen. Von den kältesten Monaten nach den wärmern hin nimmt die Veränderlichkeit ab, aber nicht symmetrisch, im Herbst nämlich viel schneller als im Frühjahr. Wenn die Sonne über der südlichen Erdhälfte verweilt, überblickt sie eine durch verhältnifsmäfsig unbedeuteude Land- massen unterbrochene Wasserfläche. Die Unterschiede, welche eine flüssige und feste Oberfläche in Beziehung auf Insolation und Ausstrahlung hervorrufen, kommen daher zu dieser Zeit viel weniger zur Geltung als zu der, wo sie über der nördlichen Erdhäfte steht. Im grossen Ganzen sind daher die Witterungs- erscheinungen zu jener Zeit einfacher als in dieser. In der ganzen nördlichen Hälfte der heifsen Zone herrscht dann der NO, der in unserm Sommer im indischen Meer durch den Süd- westmonsoon unterbrochen wird, nirgends finden sich dort beson- ders erwärmte von hohen Isothermen umschlossenen Räume, sondern alle Linien gleicher Wärme laufen erst, wenn sie um dieErde gegan gen, in sich zurück. Dahertritt die Natur im Frühling aus einfachen Verhältnissen in verwickelte, zu jenen kehrt sie im Herbst zurück. Sie schlummert im Herbst daher ruhig ein, sie erwacht fieberhaft im Frühjahr, und wenn der Winter diesem nicht zur Folie diente, würde man gewils den Herbst höher stellen. Dieses gilt aber besonders für das mittlere Europa. Das durch die sich ändernde Sonnenhöhe bedingte Herauf- und Herunterrücken der Gesammterscheinung. des Passats bewirkt, dals die im Winter an der dann am weitesten südlich liegenden äulseren Grenze des Passats herabfallenden subtropischen Regen nur den-Winter umfassen, dafs diese Regenzeit weiter nördlich hingegen auch Herbst und Frühjahr in sich aufnimmt, bis end- lich am Abhang der Alpen Anfang und Ende in einem Sommer- maximum zusammenfallen, wo also eine eigentlich regenlose Zeit vollständig aufhört. Diese Regen treten im mittlern Europa vorzugsweise in der Form auf, dafs vom atlantischen Ocean her kältere nordwestliche Winde in die erwärmte Luft Europas einfallen, und den Wasserdampf derselben zu Regen verdichten, 704 Gesammtsitzung wobei die Temperatur erheblich sich erniedrigt. Diese Gründe steigern die Veränderlichkeit im Sommer eben weil der Beginn der Sommerregenzeit in den einzelnen Jahren innerhalb erheb- licher Grenzen schwankt und dadurch erklärt sich, dafs die Ver- änderlichkeit erst am geringsten nach dem Aufhören dieser Regenperiode wird d. h. im September, dem besten Reisemonat unsrer Breiten, welcher, wenn durch Wegfallen jener abküh- lenden Ursachen die Wärme sich wieder steigert, Nachsommer genannt wird. Diese trockene Zeit soll noch beständiger in den Vereinigten Staaten sein, wo sie Indianersommer genannt wird, weil, wie diese sagen, der grofse Geist der Rothhaut diesen Sommer sendet, damit sie auf die Jagd gehe. Dennoch zeigen die Tafeln, dafs die Veränderlichkeit in Amerika nicht im September am geringsten ist, sondern im Juli und August, die Abnahme nach dem Sommer hin überhaupt symmetri- scher erfolgt, abgesehen von der bereits erwähnten Ano- malie des Februars. Ich habe an andern Orten die Ansicht ausgesprochen, dafs die Verwüstung, welche durch planloses Ausroden der Wälder hervorgerufen wird, und welche gewöhn- lich Cultur des Landes genannt wird, keinen wesentlichen Ein- flufs hat auf die herabfallende Regenmenge, weil das aus der Atmosphaere Herabfallende im Grofsen bedingt wird durch die unsymmetrische Vertheilung des Festen und Flüssigen auf beiden Erdhälften, wohl aber auf die Zeit, in der es herabfällt. Je mehr nämlich wir die natürlichen Unterschiede des Bodens durch gleichförmige Bebauung verwischen, desto seltner werden locale Niederschläge, desto mehr wird das Herabfallen derselben auf den periodischen Wechsel der allgemeinen Bewegungen der Atmosphaere, d. h. auf bestimmte Zeiten beschränkt. Europa hat sich durch diese Cultur in immer regelmäfsigere Regen- zeiten hineingearbeitet, welche veranlassen, dafs die Flüsse eine lange Zeit hindurch fast wasserlos sind, während zu andern sie in ihren Ufern nicht die herandrängende Wassermasse zu fassen vermögen. Das noch jungfräuliche Amerika, noch nicht des Schmuckes seiner Wälder beraubt, ist daher nicht wie Kleisasien, Griechen- land und Italien gröfstentheils in eine baumlose Wüste verwan- delt; daher mag dort die Sommerregenzeit noch nicht die Be- vom 15. November 1866. 705 ständigkeit haben, welche bei uns jede Badcreise verdirbt. Hier können die Amerikaner Europa gegenüber darauf stolz sein, dafs sie keine Geschichte haben, sie scheinen aber in beiden Richtungen, der politischen sowohl als der natürlichen, auf dem besten Wege, hinter der Cultur Europas nicht länger zurück- zubleiben. Für die absolute Veränderlichkeit d. h., für die Unterschiede der höchsten und niedrigsten Werthe, welche die Wärme eines Monats in einer langen Folge von Jahren erreicht, gelten im Allgemeinen dieselben Regeln als für die mittlern, sie ist am srölsten im Winter und nimmt nach dem Sommer hin ab. Da- bei zeigt sich aber entschieden, dafs im Winter die Temperatur in ihren gröfsten Abweichungen sich tiefer unter ihren Mittel- werth erniedrigt, als sie über denselben steist, im Sommer hin- gegen bedeutender über denselben erhöht, als unter ihn herab- sinkt. Sehr kalte Winter sind daher wahrscheinlicher als sehr milde, hingegen sehr heilse Sommer eher zu erwarten als sehr kalte. Dies habe ich bereits in der iu Jahre 1838 erschienenen Abhandlung bemerkt, aber ohne Hinzufügung numerischer Be- lege, die wegen der Kürze der angewendeten Zeiträume es frag- lich liefsen, ob sie bei der Prüfung durch längere Zeiträume sich bestätigen würden. Da dies der Fall ist, so mag die damals gegebene Erklärung dieser Erscheinung hier ihre Stelle finden. Im Winter, wo der Erdboden während der längeren Nacht mehr durch Ausstrahlung verliert, als er am Tage durch Inso- lation gewinnt, ist Temperaturerniedrigung im Allgemeinen Folge einer Aufheiterung des Himmels. Im Sommer hingegen findet das Umgekehrte statt, es sind im Allgemeinen die heiteren Tage die wärmeren. Diese Verhältnisse sprechen sich am deut- lichsten in den thermischen Windrosen der einzelnen Jahreszeiten aus, denn es fällt das Maximum der Wärme im Winter auf den trübsten Theil der Windrose, im Sommer hingegen sind die Winde, welche nach dem Drehungsgesetz den aufheiternden un- mittelbar folgen, die wärmsten. In Klimaten, wo Trübheit vor- waltender Witterungscharakter ist, dauernde Helligkeit daher ein selten eintretender Fall, werden die Phänomene, welche diese begleiten, daher zu den Seltenheiten gehören. Der vor- waltende Charakter spricht sich in der aus einem längeren Zeit- [1866.] sg 706 Gesammtsitzung raume bestimmten mittleren Temperatur der einzelnen Monate, der seltenste Fall in der gröfsten Abweichung jedes monatlichen Mittels in einem bestimmten Jahre von jenem allgemeinen Mittel aus. Daraus folgt unmittelbar, dafs die kältesten Winter mehr unter die mittlere Winterkälte fallen, als die mildesten Winter über dieselbe, umgekehrt hingegen die heifsesten Sommer sich mehr über die Sommerwärme erheben, als die kühlsten unter dieselbe hinabsinken. Erfolgen die nicht periodischen Veränderungen um ein constantes oder veränderliches Mittel? Wäre das letztere der Fall, so mülste in der ersten Hälfte eines längern Zeiträumes das Verhältnils der negativen Abweichungen zu den positiven Abweichungen von dem aus dem ganzen Zeitraum bestimmten Mittel ein andres sein. Aber hierbei können Veränderungen der Instrumente, Abgehen von frühern Beobachtungsstunden, eine veränderte Aufstellung der Instrumente, das Ergebnifs, so wesent- lich modifieiren, dafs wenn jene nicht bekannt sind, es vielleicht zweckmäfsiger wäre, auf ältern Reihen überhaupt nicht zurück- zugehen. In dieser Beziehung mag aber erwähnt werden, dafs die Temperatur von Berlin aus dem letzten Zeitraum von 1848—1865 mit unveränderten Stunden und controllirten Instru- menten bis auf 0°01 dieselbe ist als die aus 137 Jahren be- stimmte, und dafs New Haven nach Loomis von 1778—1820 eine Mittelwärme von 7°60, von 1821—1865 von 7°52 zeigt. Dies sind aber die längsten Beobachtungsreihen, welche wir aus der alten und neuen Welt besitzen. Dies spricht nicht für eine Veränderung des Klimas. Eine nicht minder wichtige Frage ist, machen sich in den Veränderungen bestimmte von der jährlichen Periode unabhängige Perioden geltend? Diese Frage kann direct dadurch geprüft werden, dafs man die Beobachtungen nach der Periode, deren Einfluls man zu be- stimmen sucht, ordnet. Da aber, wie aus den bisherigen Un- tersuchungen- über die nicht periodischen Veränderungen her- vorgeht, diese stets sich gegenseitig in der Weise compensiren, dafs zu warme und zu kalte Räume gleichzeitig neben einander liegen, und durch Mittelstufen allmählig in einander übergehen, so können solche Fragen nicht durch die Beobachtungen einer vom 15. November 1866. 707 einzelnen Station beantwortet werden, sondern nur durch die gleichzeitige Betrachtung vieler, da, wenn es sich um kosmische Ursachen handelt, das was an einer Station als erwärmender Einflufs sich zeigt, auf der andern als erkältender bezeichnet werden mülste. Betrachtet man die aus den sämmtlichen Abweichungen der 83 Stationen erhaltenen Tafeln, so zeigt sich das merkwürdige Resultat, dafs oft in einer langen Reihe aufeinanderfolgender Jahre hindurch das Zeichen der Abweichungen desselben Monats dasselbe bleibt. Da diese lange Aufeinanderfolge gleichartiger Zeichen sowohl für positive, als negative gilt, so kann sie nicht einer etwaigen Veränderung der Beobachtungszeiten oder Instru- mente zugeschrieben werden. Hängen nun die Abweichungen von zeitweisen Veränderungen der Windesrichtung ab, so scheint es, dafs wenn eine solche in einem bestimmten Jahre die erste Abweichung hervorgerufen, dadurch für eine ähnliche Modifica- tion in dem entsprechenden Zeitabschnitt des folgenden Jahres gleichsam der Weg geebnet sei. Möglich wäre es auch, dafs es sich um von der jährlichen abweichende Perioden handelt, die, indem sie ihren Einfluls in der jährlichen Periode daher noth- wendig verschieben, mit andern solchen Perioden zusammen- treffen, wodurch der Einflufs abgeschwächt und schliefslich ver- nichtet wird. Die thermische Jahrescurve würde demnach sich ohngefähr verhalten, wie eine schwingende Saite, für welche die jährliche Periode den Grundton bezeichnet, in welche aber Beitöne gleichzeitig hervortreten, welche verhindern, dafs die Gestalt einer Schwingung des Grundtons der der folgenden gleicht. | Die der Abhandlung beigegebenen Tafeln dienen zugleich als Correctionselemente für benachbarte Stationen, um die Wärme kürzerer Zeiträume auf vieljährige Mittel zu reduciren. Sie sind zugleich, da sie sich über die ganze Nordhälfte der Erde er- strecken dazu geeignet, um sogleich zu ersehen, ob in einer be- stimmten Gegend in einem gegebenen Jahre die Wärme erhöht oder erniedrigt war, oder keines von beiden. 50* 708 Gesammtsitzung Hr. W. Peters legte Bemerkungen über die chile- nischen Flufsfische von Dr. R. A. Philippi, Director des naturhist. Museums zu Santiago in Chile, vor. Im Allgemeinen kann man wohl sagen, dafs Chile arm an Süfswasserfischen ist, indessen ist ihre Zahl doch weit beträcht- licher, als man bisher geglaubt hat. Im Werk von Gay ist von Percoideen die einzige Perca trucha aufgeführt, welche Girard in der United States Naval Astronomical Expedition als Pereichthys chilensis "). genauer beschreibt und abbildet.- Derselbe Girard fügt aus dieser Familie Pereichthys melanops und Pereilia Gillisü hinzu. Zwei andre Arten dieser Familie habe ich als Perca Pocha und P. Segethi beschrieben, und kann jetzt noch eine zweite Art Percilia hinzufügen, so dafs mir jetzt anstatt einer Percoidee deren sechs aus den Flüssen Chiles be- kannt sind, ich glaube aber, dafs es noch mehrere Arten Per- cichthys gibt. Ich bin überzeugt, dafs es weit mehr Arten Atherina oder vielmehr Basilichthys gibt als die beiden im Werk von Gay angeführten Arten, aber ich habe noch keine Zeit gefunden, die im Museum vorhandenen Arten genauer zu untersuchen, noch von verschiedenen Gegenden sammeln zu lassen. — Die karpfenartigen Fische fehlen in Chile gänzlich. Vonden welsartigen zählt Guichenot bei Gay einen Arius, einen Hypostomus und vier Trichomycterus auf: aus der Vierten Art des letzteren Geschlechts macht Girard, und wohl mit Recht, ein neues Genus Nematogenys. Derselbe führt eine neue Art Trichomycterus auf, Tr. Macraei, welche jedoch von der Ostseite der Cordilleren und der Provinz Mendoza ist. Der Hypostomus erinaceus und Trichomycterus nigricans sind mir noch nicht vorgekommen, und ich bin zweifelhaft, ob ich den Arius papillosus besitze, dagegen kenne ich 5 andere Arten 1) Girard hat keine gefleckte Trucha aus Chile gesehen ; ich ebenso wenig, und ich glaube daher gern, 1) dafs die Chilenische trucha ver- schieden von der Patagonischen ist, 2) dafs bei Gay der patagonische Fisch für den Chilenischen abgebildet ist. Es wäre auch wunderbar, wenn dieselben Flufsfische auf beiden Seiten der Anden vorkämen. vom 15. November 1866. 709 Arius, 3 neue Arten Trichomycterus, und zwei neue Arten Ne- matogenyS. Bei Gay finden wir keinen einzigen lachsartigen Fisch aus Chile angeführt; ich kenne aber deren wenigstens vier, alle dem Genus Farionella und der Provinz Valdivia angehörig, wo sie wegen des Mangels der Schuppen Peladillos heifsen. Von hechtartigen Fischen führt Gay keinen einzigen aus dem bewohnten Theil Chile’s an, sondern nur zwei Galaxias- Arten aus dem Feuerland. Diese winzigen Repräsentanten un- seres Hechtes sind aber sehr häufig in den Flüssen Valdivia’s, doch habe ich noch nicht Zeit gehabt, die Arten genauer zu studiren. Es ist sonderbar, dafs sie in den mittleren Provinzen Chiles gänzlich zu fehlen scheinen, ebenso wie die forellenartigen Peladillas, wogegen, wie ich glaube, in Valdivia noch kein welsartiger Fisch gefunden ist. Es fehlen mir noch alle data, um angeben zu können, wo sich die südliche und die nördliche Flufsfisch-Fauna Chiles begegnen. Von den Characinen ist eine Art, wie es scheint in den meisten Flüssen Chiles häufig, nämlich der Cheirodon pisciculus von Girard. Aalartige Fische scheinen in den süfsen Gewässern Chiles nicht vorzukommen, wohl aber findet sich im Meer ein ächter Conger, den die Fischer Anguilla negra nennen, und dem ich den Namen Conger chilensis beigelest habe. Der Congrio der Chilenischen Fischer ist gar kein Weichflosser — ich habe ihn als Genypterus nigricans beschrieben —, und die Anguilla blanca ist Bellostoma polytrema Girard. Die Ordnung der Rundmäuler fehlt bei Gay ganz und gar, es ist aber seit langer Zeit aus dem Chilenischen Meer durch Dombey eine Art bekannt gewesen, Bdellostoma Dombeyi, wozu Girard eine zweite Bd. polytrema gefügt hat, und aus dem süfsen Wasser hat Gray Velasia chilensis (wohl mein Thy- sanochilus valdivianus) aufgeführt. Ich habe zwei Arten Petro- myzon, P. Foncki und P. acutidens, so wie verschiedene Jugend- zustände als Ammocoetes und Chilopterum beschrieben, aus denen hervorzugehen scheint, dafs es noch mehr Petromyzon- Arten geben müsse. 710 Gesammtsitzung Ich will mir nunmehr erlauben, einige der mir neu schei- nenden Flufsfische kurz zu beschreiben. 1. Percilia gracilis Ph.; corpore angusto; dentibus obtusis, eylindricis, subtruncatis. Aus den Gewässern von Peine bei Santiago. Der ganze Fisch ist 60 Mm. lang, seine grölste Höhe beträgt nur 115 Mm., die Dicke 7 Mm. Der Kopf ist von der Schnauze bis zum Ende des Kiemendeckels 14 Mm. lang. Was die allgemeine Gestalt anbetrifit, so biegt sich der Kopf in regelmälsiger ziemlich, starker Krümmung vom Scheitel bis zur Schnauze, während Rücken und Bauch eine regelmälsige, gleichmälsige, sanfte Krümmung zeigen. Die {Nasenlöcher befinden sich in einer länglichen, innen von einer scharfen Leiste eingefalsten Grube, und der Raum zwischen beiden Leisten ist ebenfalls 'grubig. Die Augen haben 4Mm. im Durchmesser. Stirn und Scheitel sind schuppenlos; die Schuppen des Vorderdeckels und Deckels sind kleiner als die Körperschuppen, welche sehr grols, rauh und gewimpert sind. Die Oberseite und die Rückenflossen, so wie die Schwanzflossen sind grau, die Bauchseite und After- flosse weifslich, die Kehle und die Bauchflossen lebhaft hell citronengelb. Die Seitenlinie ist in der Gegend der Mitte der zweiten Rückenflosse plötzlich gebogen. Die Zahl der Flossen- strahlen ist wie folgt: ID. 7; HD. 10; A. 53—7; P. 15; V. 6; C. etwa 18. 2. Über Arius papillosus. Cuvier und Valenciennes haben vol. XV.p.118t.431 einen von Gay aus Chile erhaltenen Fisch unter diesem Namen beschrieben und abgebildet. Unter demselben Namen finden wir einen Fisch von Guichenot bei Gay vol. D. p. 305 beschrieben, und t. Vbis. f. 1. abgebildet, welche Abbildung im Text nicht eitirt ist. Beide Abbildungen zeigen indefs auf den ersten Blick erhebliche Verschiedenheiten. Zunächst sind bei C. und V. beide Lappen der Schwanzfiosse sehr spitz, bei Gay aber abgerundet, wie bei allen andern mir bekannten Chilenischen Arius-Arten. Da indessen bei C. und V. auch die obere Hälfte der Flosse in Beziehung auf die Strahlen anders gezeichnet ist als die untere, so möchte ich einen Fehler der Zeichnung annehmen. Sodann ist bei Cuvier die Bauch- flosse bedeutend kürzer als bei Gay, ebenso ist ferner die After- vom 15. November 1866. 711 flosse bedeutend kürzer, endlich ist die Breite, in welcher die Fettflosse angewachsen ist, bei Cuvier sehr viel gröfser; sie ist nämlich so grofs wie die Entfernung zwischen der ersten Rücken- flosse und der Fettflosse, während bei Gay diese Entfernung 1;mal so grofs ist, wie die Anwachsstelle der Fettflosse. Nach Cuvier und Valenciennes ist die Farbe graulich, etwas grün- lich auf dem Rücken (und ohne alle Flecke wie die Abbildung zeigt), nach Gay dagegen „bräunlich mit grünen Flecken auf dem Rücken,” und dessen Abbildung zeigt in der That das ganze Thier mit bräunlichen Flecken marmorirt, den Rücken braun, die Seiten grün, den Bauch graulich, welche Farben allmählig in einander verlaufen. — Charakteristisch für A. papillosus ist, dals die Gaumenzähne stumpf, gleichsam wie Körner sind (dents mousses et comme grenues). Ich habe noch keinen Arius mit dieser Zahnbildung gesehn. 3. Arius Carcharias Leyb. Im Jahre 1859 hat Herr Apotheker Fr. Leybold von hier in den Anales de la Uni- versidad de Chile p. 1083. eine zweite Art unter obigem Namen beschrieben, und das Exemplar, welches ihm zur Beschreibung gedient hatte, dem Museum geschenkt. Die dazu gehörige Ab- bildung, auf welche er sich im Text bezieht, ist nicht publicirt. Seine Beschreibung lautet: A. corpore brevi, regionem pecto- ralem versus lato, depresso, postice compresso, elongato; capite omnino nudo, depresso; rostro prominente, triangulato - acumi- nato, obtusiusculo; maxilla superiore et inferiore, membrana branchiostega et isthmo papillosis; cirrhis tantum duabus, crassis; cute undique molli; oculis parvis, ovalibus, supremis; peetora- libus rhomboideis, undique inermibus; ventralibus rotundato- truncatis; dorsali et anali angustatis, truncatis; caudali furcata; linea laterali recta; dorso lateribusque griseis, abdomine albo. — ‚Aus der Spanischen Beschreibung füge ich noch hinzu: „die Nasenlöcher sind grofs, einander sehr stark genähert, und von einer lamellenartigen, fleischigen Membran umgeben, welche sie auch zu gleicher Zeit von einander trennt. Die Brustflossen sind ohne allen Zahn..., die Fetiflosse ist lanzettförmig. D.1.8.,P.1. 8..V. 62.C., 20.” die Zahl ‘der ;Strahlen in’! der Afterflosse ist nicht angegeben. — Die meisten der von Leybold angegebenen Kennzeichen sind generischer Natur, und kommen 12 Gesammtsitzung allen Arius-Arten zu; sehr eigenthümlich wäre, dafs der Knochen- strahl der Brustflosse keine Zähne zeigt, denn dies und nichts anders besagt der Ausdruck: pectoralibus undique inermibus, und pectorales sin diente alguno; allein grade dieses Kenn- zeichen beruht auf einem Irrthum; beim lebenden und frisch gestorbenen Thier waren die Zähne am Hinterrand des Knochen- strahles nicht zu bemerken; jetzt, nachdem dasselbe längere Zeit in Spiritus gelegen, sind sie so deutlich als bei irgend einer andern Art. Dennoch halte ich den A. Carcharias für eine gute und leicht zu unterscheidende Art, denn erstens hat seine Afterflosse nur acht Strahlen, während sie deren 12 bei A. pa- pillosus hat, und zweitens sind die Lippen, das Kinn, die Kiemenhaut, der Isthmus dicht mit grofsen, breiten, flachen Warzen bedeckt, wie gepflastert, und nicht mit kleinen Papillen „qui rendent la peau comme saigneuse.” 4. Arius villosus Ph. Schon als Herr Leybold den A. Carcharias dem Museum übergab, und ich dadurch veran- lafst wurde, das vorhandene Exemplar von Arius zu untersuchen, fand ich, dafs dasselbe eine von A. papillosus wie von A. Car- charias verschiedene Art sei, die ich A. villosus benannte, fand aber damals, durch andre Beschäftigungen abgehalten, keine Zeit sie zu beschreiben. Sie ist dadurch ausgezeichnet, dafs fast der ganze Körper dicht mit feinen Fäserchen besetzt, gleichsam densissime pubescens ist. Die Unterseite des Kopfes hat, wie bei A. Carcharias, grolse Warzen, allein sie stehen nicht so gedrängt, und treten stärker hervor. Die Fettflosse ist sehr grofs, und reicht — zurückgelegt — bis an die fleischigen Ränder der Schwanzflosse. (Diese fleischigen Ränder sind bei- läufig bemerkt in der von C. und V. gegebenen Figur des 4A. papillosus gänzlich vergessen.) Der ganze Fisch milst 186 Millm. in der Länge, und die Fettflosse ist 31 Mm. lang und 8 Mm. hoch. Die Membran, welche die Nasenlöcher trennt, scheint mir grölser zu sein als bei andern Arten, verdeckt klappenartig das obere Nasenloch, und umgibt das untere grölstentheils als ein hervorstehender lamellenartiger Rand. Die Farbe ist ein sehr blasses, röthliches Braun, welches nach dem Bauche hin in ein reines Weils übergeht. Die Zahl der Flossen- strahlen ist, wie folgt: D. 1.7; A. 11; C. 18; P. 1.8; V. 6. vom 15. November 1866. 713 Die Strahlen der Schwanzflosse sind wegen der dicken Haut, welche sie bedeckt, schwer zu zählen, ich glaube aber nicht, dafs es zwanzig sind. Die Strahlen der Afterflosse sind so lang wie die der ersten Rückenflosse. Die Gaumenzähne sind so gsrols und so spitz wie die Kieferzähne und bilden zwei wenig divergirende Ovale. 9. Arius Squalus Ph. Der Vordertheil des Körpers ist dicht mit feinen Papillen bedeckt, der hintere Theil dagegen ganz glatt. Die Unterseite des Kopfes ist kaum papillös, ohne alle Warzen, und daher auffallend von der Bildung dieses Theiles bei den beiden vorhergehenden Arten verschieden. Die Mem- bran zwischen den Nasenlöchern ist bedeutend kleiner als bei A. villosus. Die Fettflosse ist verhältnifsmäfsig klein, und die Ventralflosse erscheint schmaler als bei den andern Arten; erstere milst nämlich nur 20 Mm., bei einer Gesammtlänge des Fisches von 164Mm. Die Farbe ist oben ein schwärzliches Grau, das nach dem Bauch hin allmählig in ein grauliches Weifs übergeht. Die Zahl der Flossenstrahlen ist wie folgt: D. 1.7; A.9; C.20 bis 22; P. 1.9; V.6.— Die Gaumenzähne sind grad so lang und grols wie die Zähne der Kiefer, und bil- den zwei stark divergirende Oval. — Von A. papillosus unterscheidet sich diese Art durch die geringere Zahl der Strahlen in der Afterflosse, die bei jener Art 12 betragen soll, und durch die Gaumenzähne, welche nicht kleiner als die Kieferzähne und nicht ‚„mousses et comme un peu grenues” sind. Ich habe diese Art vor wenigen Tagen aus den Bächen von Peine in hiesiger Provinz erhalten; die Fischer nennen ihn Tollo, Haifisch, welchen Namen glaube ich bei ihnen alle Arius-Arten führen. 6. Arius micropterus Ph. Ein schon seit langer Zeit in Spiritus aufbewahrtes, und nach oberflächlicher Betrachtung von mir für A. papillosus 'gehaltenes Exemplar, zeichnet sich sehr aus durch verhältnifsmälsige Kleinheit der Fettflosse und Bauchflosse, so wie dadurch, dafs die Gaumenzähne weit grölser als die Kieferzähne sind; sie bilden zwei wenig diver- girende Ovale. Die Fettflosse ist bei einer Gesammtlänge des Fisches von 214Mm. nur 28 Mm. lang und 6 Mm. hoch, die Bauchflosse nur 19 Mm. lang, (dieselbe Länge hat sie bei 714 Gesammtsitzung A. Squalus, der nur 164 Mm. milst, und dessen nur 20 Mm. lange Fettflosse ist $ Mm. hoch). Die Zahl der Flossenstrahlen finde ich wie folgt: D. 1.3; A.9; C.18 bis 20; P.1.9; V.6. — Der Vordertheil des Körpers ist stark papillös, der Hintertheil glatt. Die Farbe ist oben schwärzlich, unten weifslich: Brust- und Bauchflossen sind am Grunde weifslich, an der Spitze schwärzlich. 7. Arius synodon Ph. Diese Art ist dadurch sehr ausgezeichnet, dafs die Gaumenzähne nicht zwei getrennte Ovale bilden, sondern ein einziges, quer gestelltes Trapez mit abge- rundeten Ecken; sie sind übrigens ziemlich von derselben Be- schaffenheit wie die Kieferzähne. Auch ist die Körpergestalt schlanker, denn der Kopf milst nicht ein volles Fünftel, ja er ist beinah nur ein Sechstel der Körperlänge, während er bei den andern Arten beinah ein Viertel derselben ausmacht. Die Vorderseite des Körpers ist wie bei den meisten Arten mit feinen Papillen besetzt, die hintere fast ganz glatt. Die ge- sammte Länge beträgt 201 Mm., die des Kopfes 34, die Breite desselben ebensoviel, die gröfste Höhe desselben 20 Mm.; die grölste Körperhöhe in der Mitte der Rückenflosse milst 32 Mm.; der Schwanz ist 27 Mm. hoch und 115Mm. dick. Die Zahl der Flossenstrahlen ist wie folgt: D.1.7; A.11; C.18 bis 20; P.1.9.; V.6. Die Fettflosse ist 26 Mm. lang und 7 Mm. hoch. Die Färbung ist einfach grau, die Oberseite dunkler, die Un- terseite heller. Bemerkung. Alle Arius-Arten haben in der Achsel über den Brustflossen und unmittelbar unter der Spitze des Os cora- coideum zwei Löcher ‚hintereinander, das vordere kleiner als das hintere. 8. Trichomycterus areolatus Cuv. et Val. — Guich. bei Gay II. p. 309. Unterscheidet sich leicht von den andern Arten durch das sonderbare faltige Ansehn der Haut unter dem Kopf. 9. Trichomyceterus maculatus Cuv. et Val. — U.S. N.A. Exp. p. 243. tab. XXXIV.f. 1-3. Guichenot hat die Zahl der Flossenstrahlen nicht angegeben; Cuv. und Val. geben D.15. A.9 an, Girard dagegen D. 13. A.S. 10. Trichomycterus marmoratus Ph. Schwärzlich vom 15. November 1866. 715 grau, mit zahlreichen kleinen schwarzen Flecken marmorirt, ähnlich wie Tr. punctatus; die Grundfarbe des Schwanzes ist mehr braungelb; der Bauch ist weils und ungefleckt, ebenso Brustflosse, Bauchflosse und Afterflosse, Rückenflosse und Schwanz- flosse sind schwärzlich. Die Gestalt ist schlanker als die von Tr. punctatus C. et V., wie die Mafse ergeben: Länge des srölsten der vier vorliegenden Individuen 119 Mm.; Länge von der Schnauzenspitze bis zum Anfang der Rückenflosse 55 Mm.; Länge der Rückenflosse 10 Mm., Entfernung vom Ende der Rückenflosse bis an das Ende der Schwanzflosse 36 Mm., Höhe der Rückenflosse 7% Mm., gröfste Höhe des Körpers 11 Mm. — Die Lippen sind glatt, ohne Papillen; die Maxillarfäden sind so lang wie die Nasalfäden, kürzer als der Kopf und schwarz. Die Unterseite des Kopfes zeigt nichts areolates. Ich finde folgende Zahl der Flossenstrahlen: D.10; A.6; C. etwa 14; P.8.; V.6. Es unterscheidet sich diese Art also leicht von Tr. areolatus durch die Beschaffenheit der untern Kopfhaut, und die Zahl der Strahlen in Rücken- und Afterflosse; von Tr. maculatus durch dieses letztere Kennzeichen und die schwärz- liche Färbung. 1l. Trichomycterus tigrinus Ph. Diese Art ist durch ihre Färbung auf den ersten Blick zu erkennen. Sie zeigt nämlich auf weilslichem Grunde zahlreiche, röthlich braune, runde Tüpfel, die aber auf den Flossen fehlen; die Unterseite des Kopfes und der Bauch bis zum Schwanz sind weils, eben- so Bauchflossen und Afterflosse. Die Brustflosse ist auffallend breit, und am Grunde schwärzlich. Beide Lippen sind mit ziemlich grofsen, warzenartigen Papillen dicht besetzt, fast wie bei Arius Carcharias Sämmtliche Bartfäden sind gleich lang, so lang wie die Mundöffnung, und weilslich. — Länge des Fisches 118 Mm., des Kopfes 185 Mm.; gröfste Höhe 15 Mm.; Höhe des Schwanzes 9 Mm. Die Zahl der Flossenstrahlen ist: DE105 1A: 6:55,84 V:5, 12. Trichomyeterus pallens Ph. Auch diese Art ist durch ihre Färbung leicht kenntlich, sie ist nämlich blafs röthlich weils, nachdem sie eine Zeitlang im Spiritus gelegen, und die Flossen sind durchaus farblos; welche Farbe das Thier im Leben gehabt hat, kann ich nicht angeben. An den Seiten 716 Gesammtsitzung sieht man, wie bei so manchen Fischen, auch bei der vorigen Art, eine undeutliche dunklere Längsbinde durchschimmern. Die Lippen sind vollkommen glatt, die Bartfäden der Kiefern sind länger als die der Nase, und die längern erreichen vollkommen den Rand des Kiemendeckels. Die Stacheln des Unterdeckels sind für die Kleinheit des Thieres sehr stark. Das gröfste Exemplar mifst nur 72 Mm., wovon der Kopf 11 Mm. einnimmt; die Breite des Kopfes ist 14 Mm., seine Höhe 8 Mm.; die gröfste Höhe des Körpers beträgt 12 Mm., die des Schwanzes 8 Mm. — Zahl der Flossenstrahlen: D. 9 oder 10; A. 6; P.5; V. 5. 13. Nematogenys inermis Girard U. S. N. A. Exp. p- 240 t. XXXI. f. 1—3. Trichomycterus inermis Guichenot bei Gay DI. p. 512. tab. 9. f. 2. Ich besitze mehrere Exem- plare, welche u. a. in der Färbung genau mit der Abbildung bei Gay übereinkommen. 14. Nematogenys nigricans Ph. Dieser Fisch ist oben im vordern Theil fast ganz schwarz, auf dem Schwanz kann man einen helleren, gelblichen Grund unterscheiden, der mit schwarzen Flecken marmorirt ist. Die Unterseite ist im vordern Drittheil weils, an den Seiten mit schwärzlichen Flecken marmorirt, dann eine kurze Strecke schwärzlich mit weilsen Flecken marmorirt, und in der hinteren Hälfte rein schwärzlich. Rückenflosse und Schwanzflosse sind schwärzlich, so wie die Oberseite der Brustflosse; die Bauchflossen und die Afterflossen sind weils mit schwärzlichen Flecken; der ganze Körper ist dicht mit Papillen besetzt, die auf den Lippen am gröfsten sind. Die Bartfäden des Mundwinkels erreichen den Anfang [der Brust- flossen nicht. Grölse und Körperverhältnisse sind wie bei N. inermis, dennoch glaube ich nicht, dafs wir es hier mit einer blofsen Farbenvarietät zu thun haben. 15. Nematogenys pallidus Ph. Auch diese Art stimmt in Gröfse, Körpergestalt und Zahl der Flossenstrahlen mit N. inermis überein, aber während die Haut des Bauches hei letzterer Art fast ganz glatt ist, ist sie bei N. pallidus eben so dicht und auffallend mit Papillen besetzt wie der Rücken, die Lippen u. s. w., und die Färbung ist sehr abweichend, nämlich ein helles, bräunliches Roth, das man beinah Fleischfarben nennen vom 15. November 1866. 717 könnte, und nur auf dem Kopf kann man dunklere Flecke unterscheiden, die sich übrigens auch nur wenig absetzen. Kaum kann man auf Rückenflosse und Schwanzflosse etwas dunklere Querbinden unterscheiden; die andern Flossen sind vollkommen weils. Die Bartfäden erreichen den Anfang der Brustflossen nicht. Hr. Hofman legte folgende Untersuchung des Prof. Adolph Baeyer vor: über die Constitution der Honigsteinsäure. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Constitution der Honissteinsäure, welche ich in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Scheibler unternommen habe, habe ich beobachtet, dafs diese Säure beim Glühen mit Kalk eben so glatt in Kohlen- säure und Benzol zerfällt, wie dies die Benzoesäure unter den- selben Umständen thut. Das erhaltene Benzol zeigte genau den richtigen Siedepunkt und war nur durch geringe Mengen von Bittermandelöl und einer indifferenten krystallisirenden Substanz verunreinigt, die mit dem Stilben übereinzustimmen scheint. Wenn die Formel C,H, 0, die Zusammensetzung der Honigsteinsüure ausdrückt, wie allgemein angenommen wird, so beruht die Bildung des Benzols auf der Verdreifachung des Acetylens welches beim Glühen mit Kalk nach folgender Gleichung entstehen muls: €rH,:0% = 0,3% + 200, und es stimmt dieser Vorgang durchaus mit der Beobachtung von Berthelot überein, dafs das freie Acetylen beim Erhitzen Benzol giebt. Die Bildung des Benzols scheint übrigens das letzte Glied einer Reihe von Umwandlungen zu sein, welche die Honigsteinsäure beim Erhitzen erleidet, da bei der trocknen Destillation derselben eine Substanz gebildet wird, die die Zu- sammenstellung eines Benzols besitzt, in welchem 4 Atome Wasserstoff durch die Carboxylgruppe CO.OH ersetzt sind; eine Substanz, die beim Erhitzen mit Kalk unter Verlust von 4 CO, in Benzol übergehen mufs. Hiernach ist es wahrscheinlich, dafs der erste Vorgang beim 718 Gesammtsitzung Erhitzen der Honigsteinsäure eine Verdreifachung des ganzen Molekuls ist, die der Verdreifachung des m vollständig entsprechen würde: 3.0>-H, = OENER CO.OH = (Es oE und dafs dann aus dem sechsfach carboxylirten Benzol durch Austritt von Kohlensäure erst Pyromellithsäure und endlich Benzol entsteht. Die Reihe der Zersetzungsprodukte sind in folgender Tabelle zusammengestellt: = GC, (CO . OH); C; (CO.CH), Mellithsäure C;,H (CO.OH), C;H,; (CO.OH), Pyromellithsäure C;,H; (CO.OH), Mesitsäure C,;,H,(CO-OH), Phtalsäure C,H, (CO.OH) Benzoesäure GH: Benzol. Vielleicht hat die Mellithsäure selbst schon die verdreifachte Formel und stellt das sechsfach carboxylirte Benzol dar. Die complieirte Zusammenensetzung ihrer Salze und ihre grofse Be- ständigkeit stimmt mit dieser Ansicht überein; es kann dies aber erst durch das Studium der Reduktionsprodukte, mit wel- chem wir jetzt beschäftigt sind, festgestellt werden. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Catalogue of the American philosophical Society Be: Part. DI. Philadelphia 1866. 8. Almanaque nautico para 1867. Cadix 1865. 8. Oppert, un traite babylonien sur Brique. Paris 1866. 8. ——, Inscription de Nabuchodonosor. Reims 1866. 8. Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Qultur. Abtheilung für Naturwissenschaften 1861. Heft 3. Breslau 1861. 8. Baumhauer, Archives Neerlandaises. Tom. I. Livr. 3. La Haye 1866. 8. vom 22. November 1866. 719 L. Spengel, aristotelische Studien. IV. Poetik. Aus den Abhand- lungen der Königl. Baier. Akademie der Wissenschaften. München 1866. 4. 22. November. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Weber las über den in Berlin befindlichen Codex des Suryaprajnapti. Hr. Oppert, correspondirendes Mitglied der Akademie, erklärte die am Kanal des Isthmus von Suez gefundene vier- sprachige Inschrift des Darius, Sohnes des Hystaspes. Hr. Auwers trug folgende Mittheilung der Herrn Pro- fessor Förster, Directors der K. Sternwarte vor. Die von den Astronomen der Berliner Sternwarte in Ge- meinschaft mit den Herren Prof. Spoerer in Anklam, Uhrmacher Baeker in Nauen und Dr. Kunth in Berlin angestellten Beob- achtungen des ungewöhnlich reichen November-Phänomens von 1866 haben einige Resultate ergeben, die mir der Mittheilung an die Akademie der Wissenschaften nicht unwerth erscheinen, wenngleich sie durch ungünstige Verhältnisse, besonders des Wetters, beeinträchtigt worden sind. Es war die Hauptabsicht, durch das Zusammenwirken der Beobachter an 4 verschiedenen Orten correspondirende Ortsbe- stimmungen derselben Sternschnuppen zu erlangen, um für die November-Schaar zu der bisherigen Kenntnifs der Bewegungs- Verhältnisse und der Höhen, in denen das Aufleuchten und Verschwinden stattfindet, neues Material hinzuzufügen. Da nämlich Prof. Newton im 36. und 37. Bande des American Journal of Science (siehe auch Monthly Notices R. A. S. Bd. 25. pg. 159) für die Durchgangs-Zeit der Erde durch die Mitte der November-Schaar die Epoche 1866 Nov. 13.22° M.Z. Berlin also eine Vormittagsstunde des bürgerl. 14. November angesetzt hatte, so schien für Berlin die Aussicht, das Maximum des Phänomens zu sehen, gering, um so wahrscheinlicher aber 720 Gesammtsitzung die Erlangung eorrespondirender Ortsbestimmungen unter den immerhin zahlreichen Vorläufern desselben. — Während des Maximum’s selbst war nach den Beobachtungen der früheren Epochen die Dichtigkeit der Erscheinungen so gro[s gewesen, dafs für die Auffassung correspondirender Phä- nomene eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit blieb. Leider trat aber nun bei unsern Beobachtungen die ansehn- liche Verfrühung des Maximum’s in Verbindung mit der Ungunst des unmittelbar vorangehenden und folgenden Wetters der Er- langung zahlreicher correspondirender Ortsbestimmungen hinder- lich entgegen, gewährte uns aber dafür einen Ersatz nicht nur in dem mächtigeren Eindruck der ganzen Erscheinung, sondern auch in der Möglichkeit, durch Zählungen der Lichterscheinungen, Zeit und Dichte des Maximums, so wie die Lage uud Allge- meingültigkeit des Strahlungspunktes näher zu bestimmen. — Unsere Resultate für Ortsbestimmungen wurden durch die uns gewährte Möglichkeit, die Chronometer aller Stationen durch telegraphische Signale mit einander zu vergleichen, unterstützt und können, wenngleich gering an Zahl, doch als gut verbürgt betrachtet werden. — Die Bestimmung der Epoche des ;gröfsten Reichthums an ‚Sternschnuppen-Erscheinungen wird hauptsächlich den Astrono- men Romberg und Albrecht verdankt, welche in Brandenburg beobachteten. Dort war gerade zur Zeit des Maximums klarer Himmel, während in Berlin und Nauen starke Wolkenzüge dasselbe störten. Jene beiden Beobachter fanden durch syste- matische Zählungen zwischen 13" 30” und 14" 30” für die Epoche des Maximums 14" 1” Mittl. Zeit Berlin. Die Zählungen wurden in Intervallen von etwa 4 Minuten in verschiedenen Gegenden des Himmels so angestellt, dafs jedesmal eine Fläche von etwa 30° Halbmesser in’s Auge ge- falst wurde. Die Addition dieser Flächen-Zahlen gab fol- sendes Tableau für die Anzahl der am ganzen Himmelsgewölbe aufleuchtenden Sternschnuppen: 13" 30” pro Minute 180 13 40 T 300 13 50 % 520 14 0 > 660 vom 22. November 1866. 721 14" 10° pro Minute 580 14 20 oA 420 14 30 “ 200 so dafs die Gesammtzahl in jener Stunde etwa 27000 betragen haben würde. Rechnet man hierzu die Fälle zwischen 12" und 13” 30” und zwischen 14" 30” und 17", deren Durchschnitts-Zahl man auf 10 pro Minute setzen kann, so würde nahezu eine Ge- sammt-Zahl von 30000 in Berlin und Brandenburg sichtbarer Sternschnuppen herauskommen, doch bemerke ich, dafs ich mir eine definitive Discussion der Zählungen noch vorbehalten mufs. Den Strahlungspunkt glaubte ich in unmittelbarer Nähe des Sterns Regulus (in Geradeaufsteigung 149° und Deklination + 15°) zu erkennen, während Herr Romberg dafür im Mittel aus zwei Festsetzungen 150° und + 18° angiebt. Der Punkt, nach welchem die Bewegung der Erde zu jener Zeit gerichtet war, wird durch die Geradeaufsteigung 144°,5 und die Deklination + 14°,1 bestimmt. DieBeziehung des Strahlungspunktes zu der Richtung der Erd- bewegungistalso wiederum eine sehrenge gewesen. Inden 3 Stunden, die das Maximum einschlossen, wurden nur 5—6 Sternschnuppen bemerkt, die in entgegengesetzter Richtung wie die andern zogen. Von Ortsbestimmungen ist zunächst zu erwähnen die eines eigenthümlichen ringförmigen Lichtwölkchens, welches, wie es schien, aus der völligen Auflösung einer Sternschnuppe entstand, und sich langsam erweiternd in einer Richtnng fortgetrieben erschien, welche der allgemeinen Strahlungs-Richtung aus dem Bilde des Löwen entgegengesetzt war. Herr Dr. Tietjen, der dasselbe mit dem Fernrohr verfolgte, constatirte die Wolkenähnlichkeit und kräuselnde Bewegung in- nerhalb des Gebildes. Seine Entfernung von der Erdoberfläche wurde durch Ver- gleichung der in Berlin und Brandenburg gemachten Ortsbestim- mungen recht sicher zu 11,4 geogr. Meilen ermittelt. Die Ortsbestimmungen des Aufleuchtens und Verschwindens von Sternschnuppen selbst beruhen auf Vergleichungen der Beobachtungen des Herrn E. Becker aus Berlin, die in Nauen gemacht wurden, mit den in Anklam und Berlin angestellten. [1866.] 51 722 Gesammtsitzung Die Berechnung derselben ist zur Controle sowohl von mir, als von Herrn Dr. Tietjen ausgeführt worden. Für die Höhe des Verschwindens ergeben die beiden verbürgtesten Be- stimmungen, die eine 12,6, die andere 10,6 Meilen, für die Höhe des Aufleuchtens finden wir dagegen 20,9 Meilen, für die Mitte einer andern Flugbahn 15,6 Meilen. Die vollständige Bestimmung einer ganzen Flugbahn ergab für die Länge des ganzen sichtbaren Laufes 12,0 Meilen, doch konnte die Zeitdauer dieser Bewegung nur auf eine halbe Se- kunde geschätzt werden, blieb also ziemlich unsicher. Ueber- haupt wurden die Bestimmungen der Geschwindigkeit durch die Gröfse derselben bei meist sehr kurzen Flugbahnen aufserhalb des Bereiches der Schätzung gerückt. — Hr. Auwers legte seinen Aufsatz über die Bahn des Sirius vor. In Nr. 1506 der Astronomischen Nachrichten habe ich die aus 214 Normalörtern abgeleiteten Elemente der Bahn gegeben, welche der Sirius um den Schwerpunkt des Systems beschreibt, das er mit dem vor 1862 als unsichtbar supponirten Begleiter bildet. Die dort angegebenen Werthe der Elemente unterscheiden sich aber noch in zweierlei Rücksicht von den wahrscheinlichsten aus den Beobachtungen zwischen 1750 und 1864 abzuleitenden, indem erstens, wie eine Revision der Rechnungen gezeist hat, einzelne Normalörter (Nr. 27.29. 39. 40. 44. 52. 74. 97. und 108. für die Rectascension, und Nr. 9. 23. 27. 45. 46. 48. 62. 65. 68. 77. und 87. für die Declination) noch geringfügiger Modi- ficationen bedurften, zweitens aber das Verhältnifs der Gewichts- einheiten für Rectascension und für Declination noch aus den Beobachtungen näher zu bestimmen war. Während dasselbe in der frühern Rechnung = 1 angenommen war, folgt aus den partiellen Ausgleichungen der Rectascensionen und der Deelina- tionen, dafs die für die letztere Coordinate angenommenen Ge- wichte mit 0.825 zu multiplieiren sind. Indem ich mit Berück- sichtigung dieses Factors die Auflösung der 214 Bedingungs- gleichungen wiederholt habe, bin ich zu folgenden Werthen für die Elemente gelangt: vom 22. November 1866. 723 T = 1793.877 w. F. # 0°426 n = 7028767-5 + 0004565 U = 49.399 + 02309 e = 0.6148 + 0.0354 b+f= + 071204 + 0°0044 c = — 0:000356 + 0000098 b+f= + 0”476 + 0”074 ec = +0'01468 + 0”00350 &= + 0°1521 + 050041 h= -.0:0021 + 0°0069 & = +0”583 + 0”101 h’= +1"324 + 0”067 wo sich die Gröfsen b-Hf, ce, b’+f’ und ce’ wieder auf den Ort und die Eigenbewegung der Tabulae Regiomontanae beziehen. Schreibt man die Elemente, anstatt der Einführung der Funetionen derselben g, h, g, bh’, in der bei der Angabe von Doppelsternbahnen gebräuchlichen Form, so hat man, wenn man zugleich n und folglich die Anomalien negativ nimmt, weil die Bewegung des Sirius im Sinne des Positionswinkels rück- läufig ist, n = 61°57.8 n-$8 = 18 54.5 i=47 8.7 a = 27.3307 Die Elemente unterscheiden sich von den früher angege- benen nur um Bruchtheile ihrer wahrscheinlichen Fehler, und ebenso bleibt die Darstellung der zu Grunde liegenden Beobach- tungen sehr nahe die frübere. Die Uebereinstimmung mit den nicht benutzten, seit 1862 angestellten, Beobachtungen des Be- gleiters selbst wird etwas besser als früher; setzt man nämlich das Massenverhältnifs der beiden Körper = 1:2.05, so findet man z. B. folgende Werthe Beob. — El.: Bond 1862 ds —0”.08 dp —0°.38 , 2 0”.08 — 00.2 1863 B en ni ae 022 Rutherford 1862 0.06 °=+0.02 ' Ki, 1863 Zone 99] nn Chacornac 1862 + 0.26 +0 .11 +0”26 +0°11 Marth 1864 0:00: -.2,02. 02:07%,0022 9299 ol* 724 Gesammtsitzung Lafsell 1862 09.97 y e 1864 —0”.97 49] — 0.97 — 1?.09 Förster 1865 — 0.05 — 1.67 = Bun 1866 +0.33- —3 .77 —+0".14 — 2°.72 Struve 1863 0.96 ie 1364 +0.29 — 4.77 5 SE 1865 —0.21 A984 —0 .05 — 2°.65 1366 — 0.03 — 2.79 Hiernach beträgt der Fehler der Elemente im Sinne des Positionswinkels gegenwärtig etwa + 1°.5 oder, auf die Distanz des Begleiters bezogen, 0”.27 im grölsten Kreise. Es darf aber nicht übersehen werden, dafs in den Messungen des Begleiters die linearen Werthe der Fehler des eigentlich Berechneten über drei Mal vergrölsert erscheinen; der wirkliche Fehler meiner Elemente der Bahn des Hauptsterns um den Schwerpunkt be- trägt demnach gegenwärtig, und zwar im Sinne der Declination, weniger als 0”.1. Sehr grofs sind die Massen, welche aus den gefundenen Werthen der grofsen Halbachse und der Umlaufszeit für die beiden Sterne folgen, wenn man dieselben mit dem von Gylden aus Maclear’s Beobachtungen abgeleiteten Werth der Parallaxe ver- gleicht. Es findet sich nämlich mit dieser Parallaxe von 0”.193 die Masse des Hauptsterns = 13.8 die Masse des Begleiters = 6.7 Indefs werden diese Zahlen sehr stark von der Unsicher- heit der Parallaxe beeinflufst. Wenn die Masse des Haupt- sterns der Sonnenmasse gleich ist, so findet sich umgekehrt aus den Bahnelementen die Parallaxe des Sirius = 0”.46, welches ungefähr die Grenze ist, die dieselbe den Beobach- tungen zufolge nicht wohl überschreiten kann. \ Sonnenmassen. Hr. Hofmann legte folgende Untersuchung des Hrn. Dr. Ed. Otto Erdmann über die Farbestoffe roth und blau gewordener Speisen vor. Das „Prodigium blutenden Brodes”, welches bisher nur zweimal Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen geworden ist, hat sich gegen Ende des August dieses Jahres von Neuem in Berlin gezeigt und dadurch Gelegenheit zu einem Einblick "vom 22. November 1866. 725 in die chemische Seite dieser und einer ihr verwandten Er- scheinung gegeben. Im Jahre 1819, als dies Phänomen zu Legnaro bei Padua eine grofse Aufregung im Volk hervorgerufen hatte, gelang es einer mit der Untersuchung desselben beauftragten Universitäts- und Regierungs-Commission, speciell dem späteren Medicinalrath bei der Provinzial-Regierung zu Venedig Herrn Sette, diese Erscheinung als einen Vegetationsprozels zu erkennen, welchen er als den einer neuen Pilzart (Zao-galactina imetropha) deutete. 1848 zeigte jedoch Herr Ehrenberg, dafs die Erscheinung eine thierisch-belebte sei, deren „‚kleinstes Wesen’’ er Monas prodigiosa nannte. Das diesjährige Auftreten hat mir Gelegenheit gegeben den chemischen Charakter des Phänomens und den Zusammenhang zu entdecken, welcher zwischen dem Roth- und Blauwerden der Speisen besteht. Letztere häufiger auf Milch sich zeigende Farbenbildung ist 1841 von Herrn Fuchs und 1852 von Herrn Haubener untersucht worden. Die Resultate meiner Untersuchungen sind folgende: Der rothe und blaue Farbstoff der Speisen wird durch Vermittelung von Vibrionen erzeugt. Das Material, aus welchem sich beide Farbstoffe entwickeln, bilden die stickstoffhaltigen Substanzen sehr verschiedener Speisen, wie z.B. aller Arten gekochten oder gebratenen Fleisches, Roggen- und Weizenbrod, Eiweils, Reis, Kartoffeln, Bohnen u. =. f. Durch ihre chemischen Reactionen unterscheiden sich die gebildeten Farbstoffe von allen bisher bekannten, mit Ausnahme der sogenannten Anilinfarben. Diesen sind sie in Bezug auf Schönheit der Lösungen, tingirende Kraft und durch ihr chemi- sches Verhalten so ähnlich, dafs sich der Farbestoff blauer Speisen durch keine einzige Reaction von demjenigen Anilinblau unterscheidet, welches man nach Herrn Professor A. W. Hof- mann’s Untersuchungen als Triphenylrosanilin betrachten mufs, während der Farbstoff rother Speisen alle Eigenschaften des Rosanilins zeigt, nur in seinem Verhalten zu concentrirter Salz- säure abweicht, welche ihn nicht verschwinden lälst. Das Roth- und Blauwerden der Speisen ist mithin ein Fäulnifsstadium der Proteinstoffe, in welchem eine dureh Vi- 726 Gesammtsitzung vom 22. November 1866. brionen vermittelte natürliche Bildung derjenigen Farbstoffe statt- findet, welche durch ihre Schönheit und Abstammung als un- zweifelhafte Kinder der Wissenschaft in der Neuzeit so grolses Interesse erregt haben. Die gebildeten Farbstoffe sind meiner Meinung nach Pro- ducte der Vibrionen in dem Sinne, wie Kohlensäure, Glycerin Bernsteinsäure, Alkohol Produkte der Hefe in gährenden Flüssig- keiten sind. Die bei der Bildung des rothen wie blauen Pigments thäti- gen Wesen scheinen ein und dieselben zu sein; wenigstens habe ich nicht ein einziges Unterscheidungsmerkmal aufzufinden ver- mocht. Vielmehr glaube ich, dafs sie zu derselben Gattung wie jene Vibrionen gehören, welche Herr Pasteur als das Fer- ment der Buttersäuregährung bezeichnet und die man bei der Zersetzung vieler Substanzen organischen Ursprungs findet. Je nach dem Substrat und den einwirkenden Agentien mögen die Producte dieser Vibrionen andere werden, auch letztere selbst sich in einer Weise entwickeln, welche auf die zu bilden- den Producte bestimmend einwirkt. Dies sind die Resultate und die Vorstellungen, zu denen mich meine bisherigen Untersuchungen geführt haben und welche ich durch fortgesetzte Versuche zu prüfen beabsichtige. An eingegangenen Schriften nebst Begleitschreiben wurden vorgelegt: Von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien: Denkschriften der physikalisch-mathematischen Klasse. Band 25. Wien 1866. 4. Sitzungsberichte. October 1865 — Mai 1866. 8. Fontes rerum austriacarum. 1. Abth., Band 7. 2. Abtheilung, Band 24. Wien 1866. 8. Archiv für österreichische Geschichte. Band 35. 36, 1. und General- register. ib. 1866. 8. Astronomische Nachrichten. Band 67. Altona 1866. 4. Proceedings of the zoological Society. London 1865. 8. Transactions of the zoological Society. Vol. V, Part. 5. London 1866. 4. Memoirs of the literary and philosophical Society of Manchester. II. Series, Vol. 2. Manchester 1865. 8. Sitzung der philos.-histor. Klasse vom 26. Nov. 1866. 727 Proceedings of the literary and philosophical Society of Manchester. Vol. 3. 4. ib. 1864. 1865. 8. Bulletin de la societe de geographie. Paris, Oct. 1866. 8. Proces verbaux des seances de la Commission royale pour la publication des anciennes lois de la Belgique. V, 4. Bruxelles 1866. 8. Mit Rescript vom 14. Nov. 1866. R. Günther, Die indische Cholera in Sachsen im Jahre 1865. Mit einem Atlas. Leipzig 1866. 8. Plantamour, Experiences faites & Geneve avec le pendule @ reversion. Geneve 1866. 4. T. A. H. de Marle, Ursprung und Entwickelung der sogenannten indo- europäischen und semitischen Sprachen. 1. Band. Hamm 1866. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. Hamm 19. Nov. 1866. Reinisch und Roesler, Die zweisprachige Inschrift von Tanis. Wien 1866. 8. Mit Schreiben des Hrn. Dr. Roesler, d. d. Wien 17. Nov. 1366. C. H. Schier, Globus coelestis arabicus. Lipsiu 1865. 8. ‚ Ciel eı enfer, om description du globe celeste arabe. Dresden 1866. 8. Mit Ministerialresceript vom 17. Nov. 1866. Valentin-Smith, De lorigine des peuples de la Gaule transalpine. Paris 1866. 38. I. M. ©. Duhamel, Methodes dans les sciences de raisonnement. Deuxieme partie. Paris 1866. 8. Sprachkarte des Preu/sischen Staates in 2 Blättern, bearbeitet von Richard Boeckh. Berlin 1866. folio. 26. November. Sitzung der philosophisch- historischen Klasse. Hr. Petermann legte einen Aufsatz über den arme- nischen Dialect von Agulis nach einer Mittheilung des Herrn v. Patkanoff (Batkanean), Prof. zu St Petersburg vor. Zu der Ueberzeugung gekommen, dafs zu einer gründlichen Kenutnils des Altarmenischen die Erforschung der noch beste- henden Volksdialeete erforderlich ist, habe ich seit einiger Zeit mein besonderes Augenmerk auf diese gerichtet, uud bin da- durch zn den interessantesten Resultaten gelangt, indem ich er- sehen habe, dafs 1, die arm. Volksdialecte nicht durchaus als moderne Sprachen zu betrachten sind, sogar in mancher Hin- 728 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse sicht sich als Zeitgenossen des sogenannten Altarmenischen dar- stellen, und 2, viele Unregelmäfsigkeiten des letztern nur aus jenen sich erklären lassen. Alle meine Gründe dafür und weitern Forschungen auf diesem Gebiete werde ich in einem ausführlichern Werke über dieselben niederlegen. Zuvörderst glaube ich behaupten zu dürfen, dafs alle arm. Volksdialeete Nachkommen der von jeher in Armenien vorhandenen Dialecte sind. Sie zerfallen in 2 Hauptgruppen, in die westliche, welche vorzugsweise die in der Türkei wohnenden Armenier umfalst, und in die östliche, zu welcher die in dem Kaukasus, dem eigentlichen Armenien, in Persien und Indien lebenden Armenier gehören. Von folgenden Dialecten, die sämmtlich mannigfache Eigenthümlichkeiten zeigen, habe ich Sprachproben gesammelt: 1, von Polen und Ungarn, 2, von Neu-Nachtschewan und der Krim, 3, von der neu-arm. Schriftsprache in Rufsland, 4, von Erewan und den umliegenden Dörfern, 5, von Tiflis, 6, von Schamachi, 7, von Musch und Neu-Bajezid, 8, von Dschulfa und Indien, 9, von Karabagh, 10, von Avetaranotz in der Um- gegend von Schuscha, und aufserdem von Astrachan, Mosdok u.s.w. Die Spuren von Volksdiaiecten bei den ältern Schrift- stellern vom 11. Jahrhundert an werden ebenfalls in dem er- wähnten Werke besprochen werden. Dle beiden Hauptgruppen unterscheiden sich wesentlich von einander. So z. B. hat die westliche Gruppe den Locativus gänzlich verloren, und setzt dafür die Form des Gen. Dat. mit der nachgesetzten Partikel JEy (für das altarmenische ’p YE9& welches vorgesetzt wurde, und eigentlich „inmitten”” bedeutet), also ‚pwgupf dE9 „in der Stadt” (für: ’% Ey puqwpfh „in- mitten der Stadt’’); die östliche Gruppe dagegen hat den in der Schritsfprache nur bei einigen Wörtern, (der 4ten Decl.) vorkom- menden Locativus auf sämmtliche Substantiva ausgedehnt, mit rich- tiger Weglassung des unnöthigen und offenbar erst später aus Ana- logie mit andern Wörtern denen dieser Casus abgeht, einge- drungenen”, und sagt dafür ‚pumupnul (‚puu.punf, ‚pugu,ppif‘) „in der Stadt.” In beiden Gruppen ist ferner die alte Form des Indicat. Praes. und Imperf. zum Conjuuctiv geworden, sie bedurften also neuer Formen, um den Ind. beider Tempora zu bezeichnen. Die westlichen Armenier helfen sich durch die vom 26. November 1866. 729 Vorsatzsilbe 77 '), welche bei den orientalischen das Futurum . bildet, und sagen Apekpbil „ich bringe”, Ypebpkfp „ich brachte”; zur Bezeichnung des Fut. aber brauchen sie das Wort wfınfı, welches sie vor den Conj. Praes. setzen, also ayfınf pipkı® ganz entsprechend dem französischen ‚il faut que je porte” vgl. das englische i shall bring „ich werde bringen.” Die östlichen Armenier wenden die erwähnte Form des Locativus mit dem Verb. subst. an, um einen Ind. Praes. und Imperf. zu bilden, und sagen in Astrachan pipmd” bl, Eh „ich bringe, ich brachte”, eigentlich ‚‚ich bin, ich war im Bringen”, in Agulis pipunf pi; Ep, in Karabagh pöpped pil) Ep, in Indien dagegen sagen sie phpılmb nf) uyf, und in Avetaranotz pipuwu pl, bh.” Die östliche Gruppe ist so reich an verschiedenen Unter- abtheilungen, dafs ich bis jetzt noch nieht im Stande gewesen bin, mir Probestücke von allen zu verschaffen, und einige sind so interessant, und von so abnormer Natur, dals ich mich nicht enthalten kann, Ihnen von einem der unbekanntesten und schwie- rigsten dieser Dialecte, dem von Agulis, eine Mittheilung zu- kommen zu lassen. Agulis, zu der alten Provinz Waspurakan, und dem Distrikt Goghthn, jetzt zu Karabagh gehörig, ist fast nur von armenischen Kaufleuten bewohnt, welche sich przp pugf.p d. i. „Egelier” und ynl; „Zok (mit weichem, französischen z gesprochen) nennen, und des ihnen eignen, allen Andern, selbst ihren Nachbarn unverständlichen Dialectes als einer geheimen Sprache bedienen. Der Grund dieser Uuverständlichkeit liegt theils in der eigenthümlichen, nicht wieder zu gebenden Aus- sprache einzelner Buchstaben, theils in den vielfach abweichen- den Formen der Wörter. Ich habe zwei in diesem Dialect geschriebene Erzählungen erhalten, deren eine ich hier nebst einer Uebertragung in den ‘) (vgl. darüber meine Abhandlung über den Dialect von Tiflis in den Abh. d. k. A. d. W. im J. 1866. P.) ?) Anm. Die beiden letzten Formen sind abweichend von den an- dern; die in Indien gebräuchliche scheint mir die regelmäfsige Form des Gen.-Dat. von pkpnudü zu sein; für die Form phpwu wülste ich aber keine andere Erklärung, als dafs sie eine aus Erweichung der Form des Part. Praet. gbpu& für das Part. Praes. gebildete sein könnte, P. 730 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Dialeet von Tiflis und einigen grammatischen Erläuterungen folgen lasse: jedoch mufs ich dabei bemerken, dafs mein Ge- währsmann schon seit längerer Zeit Agulis verlassen hat, und daher leicht, wie auch in dem Probestück durchsshimmert, un- willkührlich Fremdartiges mit aufgenommen haben kann, dafs ferner überhaupt wegen der vielfachen Berührung der Armenier unter sich, und ihrer zahlreichen Übersiedelungen aus einer Gegend in die andere sich kein Dialect ganz in seiner Reinheit erhalten hat, und endlich, dafs, weil die wenigsten Dialecete zur Schriftsprache erhoben sind, sich ein grofses Schwanken in der Orthographie einzelner Wörter zeigt. Sprachprobe. Dialect von Agulis. U’ zom wppuumn np lin, u Zupunf Iny Uranı&n, dom ngnplmpeb hab: Wryb pzwpur Cbunywp u, plgwlund zbuf Vemnıdn, ıloın : Netrywepspt mıuumn 1 glybu Zu ılmjt ‚punfınun. gauyb: pause Spgwbunf” u Zpo Pu Zap pu Lirybu. To Tusuf u (uw bu Lbybu pl Ywmnıdny dom ngapılmı [Ehe babıl: Opnzye TwSunf u. Eu nı2h u agnpılnı (beo babe, np Ku zrıgbp diunbpuf nl": Gerjbg bfın wen zlybu ılmjbı puglwbsnt : Kuzıdwtght Spgwbunf u Pu ns nl pu Lirybu. To Tusunf u wu bu Lhybu pi Vennıdny Inzınp op agapılm _ ht bybıl: uzdunsit ZuwSunf u u “nä wu wm wSu u [hgnı npb wm Al inpbgublrpu fefzluuf: VrowZhg bfın won wu zlrhu ılajlı Puwgzuenph: Pugwinpp Spgwbunf u Eu Zap pu Lhjbu: “bo ZuSuf u Fu Lbybu pl Yıonnı En; Iazınpa ngapılm Ehe fybıl: Puwgınppd u TurSunf u Bw Enä nı Jh wu bpalajfı u nıb gnı bl Puzwinpnı blu gen] zb: U Fr- guyku ılajlı ‚pubfı on Lbybg Ffın maumın u zEybu ılaylı uupfı ılmın ıajlı ıdnpıpf: IM dnpzp Spgwbunl u Zpny u ne lg nl PL Lbybo: In TuSufw (u Bu Lhybu pl ran: &ny ıJoın nyap- An Ehen Pak: or dorize Yerjop ar uypu Baus rn ınnud. ns pu Tpyqunf: Zo Sgrp w nuybu - u "ebrpunf® pl np Enä wgun wupfu bl wi upn [hr bhgo, op be gar gbp vom 26. November 1866. 731 Fundfıl neh, m fülzpud m gnepb, pwgdubzm b Pugunpf Pupuppgt up: Ub dopgp, np Vemnems u Sunfupfun, burzunf u ul "Lny, wb,puils Swpnrumm [Hıl, alu ER') muybu pfg op phg zum Skpbp u, ui Fugunnpfb busfp pu Put wl- qup mzb zb gan] po [huguenpmlpebp, op bo was ph u. pugdlwbsnd Zuspr pu u war nı9l w [ef zlud pn enpbqu.ppp, op Ipo mul fuuglu ho. Logmupbb Tusfy pu Bu mnzpub gfd mpg w mbunhr omp“: (u bowhupp juejbg kann] bfın m zwnbunf Fugınpf hazımm, m Twsuf u [ul Vormmeud wSn ww ung mıgb gb qua] ‚pa Buguapn- Php, op nr umge hf pu: Puguenpp au forhp wubyn] geilin- Tun u nı. fübppunf'w, op quuhfb fpwb kpuy, bpb Fun por (Hal ur muybu w bpny, npmıfSbk Ion, uyufbpb Papua, nıfuon ın Lbyun” zpb$, mefop kplüitfy w pub we fh Eykum, Zpny ıiupıpar Iny: U Fpswupbu To bg zb Zwnud) TuSunf u BE yuyınppu gb pm Pongmenpmfhep: Et Wumnıms ubpul mb wm, op bi zom Shpfp mw": Yrnmf Ubybu u ee N ee es ubpnup mpb wm fubrzhmd pm npbgmppg, op Tpmug mul bungbu fo": Pruglubgbb uhund m mpbquitbkpp mohp ‚pujb- zul’ w nı pop pub m fougbuppb glemubuf: (ob fulsnp pug- ıfeubzbls filrzpnnl, op fauglh Heap fbp undbh Pput. puyg Im Jöp zb Zunyanl? Tızund u FE Eni yupnpp ze: Era nme u wbpuilı wmfE$ u, op Ebä Shpfp w: Einf bbybu u gaıjbb on, Tursunf m PL Yomnews wSup m, op mebzpul gp4 dapg pu inbsuhy, Afp, I udn u qmeybb mg np ynuSus u Lk- juuf po Suibuyupsfb. HE mehzubu Ipo Pugmenpm[sheh pi unupba To fl 7 je Wu Kuala ab sg hwnfpbkp gen&jbkzuf pegqwlunf u po YJupuib m %o- mul u Lupo pokyu] Ju phzukpg bl hy gbd dapg 2 ll gramunpr: !) Versehen des Schreibers für pl! 732 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Folgendes ist eine treue deutsche Übersetzung dieser Er- zählung: Ein sehr armer Mann kommt zu dem Entschlufs zu Gott zu gehen, und ihn um Erbarmen zu bitten. In einer Nacht macht er sich auf den Weg, um Gott zu treffen. Auf dem Wege kommt er einem alten Wolfe entgegen. Der Wolf fragt ihn: „wohin gehst du”? Er sagt: „ich gehe zu Gott, dafs ich Erbarmen (von ihm) erbitte.” Der Wolf sagt: „auch für mich bitte um Erbarmen, dafs ich nicht vor Hunger sterbe.” Nach dem Wolfe begegnet er einem Gärtner. Der Gärtner fragt: „an welchen Ort gehst du”? Er sagt: „ich gehe zu Gott, dafs ich Erbarmung erflehe.” Der Gärtner erwidert: „auch für mich sage (frage), warum meine Pflanzen vertrocknen?” Nach diesem begegnet er einem König. Der König fragt: „wohin gehst du?” Er entgegnet: „ich gehe zu Gott, (ihn) um Er- barmung zu bitten” Auch der König sagt: ‚für mich auch erkundige dich, weshalb mein Reich nicht mächtig ist”? Zuletzt nach einigen Tagereisen begegnet er an einem Berggipfel einem Mann. Dieser Mann fragt ihn: „nach welchem Orte gehst du?” Er sagt: „ich gehe zu Gott, um Erbarmen (von ihm) zu erflehen.” Der Mann giebt (ihm) zur Antwort: „Ich bin Gott, was wünschest du?” Er antwortet: „ich bitte, dafs du mich aus meinem Elend befreiest, auf dafs ich nicht vor Hunger sterbe”’, und er bittet auch für den Wolf, den Gärtner und den König. Jener Mann, welcher für Gott gehalten wird (gehalten sein will) sagt: „Gehe, ich gebe dir so viel Reichthum und Vermögen, dafs du vollkommen Genüge daran hast. Aber dem Könige sage, dafs sein Reich deshalb nicht mächtig sei, weil er ein Mädchen ist; dem Gärtner sage: deine Pflanzen ver- trocknen deswegen, weil unter ihnen ein Schatz liegt; und dem Wolfe sage: wenn du einen thörigten Menschen siehst, so frifs ihn. Nachdem er diese Worte gehört hatte, kehrt er zurück zu dem König, und sagt: „Gott hat gesagt, dein Reich sei deswegen nicht mächtig, weil du ein Mädchen seist” Als der König diese Worte hört, verwundert er sich, und bittet ihn, dafs er sich mit ihm vermähle, und giebt ihm auch sein Reich, weil er, nämlich der König, das Gelübde gethan habe, dafs er den, vom 26. November 1866. 133 welcher erfahren würde, dafs er ein Mädchen sei, zum Manne nehmen wollte. Jener aber nimmt es durchaus (am Ende) nicht an, und sagt: ‚ich bedarf deines Reiches nicht; mir hat Gott so viel gegeben, dafs ich ganz zur Genüge habe.” Darauf geht er zu dem Gärtner, und sagt: „Gott hat gesagt, dafs da- rum deine Pflanzen vertrocknen, weil darunter ein Schatz liege.’ Der Gärtner fängt an, unter den Pflanzen zu graben, und findet richtig den Schatz. Da bittet (ihn) der Gärtner, dafs er die Hälfte davon nehme. Er jedoch nimmt es nicht an, und sagt: „mir ist es nicht nöthig; mir hat Gott so viel gegeben, dafs ich genug daran habe.” Hierauf kommt er zu dem Wolfe, und sagt: „Gott hat geäufsert, wenn du einen dummen Menschen sehen wirst, so frils ihn”; und er erzählt dem Wolfe alles, was ihm auf dem Wege begegnet sei, wie man ihm ein König- reich gegeben, er aber es nicht angenommen habe (eigentlich: „wie man ihm ein Königreich giebt, er es aber nieht annimmt’) u. Ss. w Als der Wolf dies hört, knirscht er mit den Zähnen, fällt über ihn her, und verzehrt ihn, indem er sagt: „einen dümmern Menschen, als du bist, werde ich nicht finden.” In dieser Sprachprobe begegnen wir, wie in den andern Dialeeten, zuvörderst arabischen, persischen und türkischen Ausdrücken, welche von den tatarischen und persischen Nach- barn entlehnt sind, und sich zum Theil rein, zum Theil aber 2» en erhalten haben. Die arabischen sind: anf 1), ıufrın — === rd, Pupub = = G, D, [rwybıuny — = Sı;> el — %5, zpgap oder yppop — hs, gunfmun „alt” im schlechten Sinne mit dem Nebenbegriff des Häfslichen = „As, turpis adspectu, deformis. — Die persischen: zumın == wum),, gujbnfr == NS, pwgilwudg fi aus dem persischen „bel und dem türkisch-tatarischen _=\2l zusammengesetzt; von den türkisch-tatarischen kann ich nur mit Sicherheit Skpf.p = eu, „Ss angeben; vielleicht aber gehört hierher auch die Post- position nıyf oder nıy[i, als aus > »), Sul. Das Wort wg aber, welches ebenfalls „wegen’ bedeutet, ist vielleicht ans einer Verstümmelung von ywmuwgu hervorgegangen. Ganz unklar bleibt das Wort yaıybp, welches so viel als „hungrig oder ,„(vor) Hunger” bezeichnen muls; einen Zusammenhang 734 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse mit dem türkischen ;,5, E „bo „Salz” scheint es nicht zu haben. Die Eigenthümlichkeiten dieses Dialects, durch welche er sich von andern unterscheidet, sind folgende: 1) In Betreff der Buchstaben bemerken wir, dafs an 2 Stellen, aber in derselben Redensart: np fu diunful” my „dafs ich nicht sterbe” für: np fu gılunfal die Negation ns mit scheinbar eingeschobenem % am Ende steht, wo der Stellung wegen, nm das Wort mehr zu betonen, der Zusatz des 4 er- folgt sein könnte, richtiger aber wohl erklärt man diese Nega- tion aus dem Fragwort m°L5 für fi; . Die Stellung selbst ist weniger auffallend, da sie auch in andern Dialecten, namentlich in denen an der persischen Grenze, vorkommt. So sagt man z. B. in Karabagh: gbunf ng „ich gehe nicht”, gbuy dh’ „gehe nicht”, und sogar mit dem Pluralzeichen an der Negation: qbuy JEp »gehet nicht”, wo 4JEp wohl aus J Lp entstanden ist. — In dem Worte guy „gehen” wird da- gegen regelmäfsig der erste Consonant 4 abgeworfen, und Zny für gbuny, Lbypu (Ss. w. u.) für gbuf gesagt, dagegen fällt in dem Worte Kuwlmuwp$ meist der Endconsonant $ weg, und es wird geschrieben Kuryup und Spbpuup, aber auch Kurbunyup$. — Andere Consonantenverwechselungen finden wir in dem Worte un? bh, welches auch wn& pd; geschrieben wird, ferner g für % in phgubfj, was aber auch in dem Tifliser Dialeet vorkommt, "Tip für q in ‚Pzup für apokp > I für .P in froub, fruwhup für fnow,p mit Verkennung der Pluralendung, wie in ıfiny[&4, für Jhınp) q für 4 und n für p in ganXpgbfy aus dem altarm. Ip&hj, im Tifliser Dialect Zpn&gupp — 5 für u in Sfr, She für wußj, und, was in der andern Sprachprobe vorkommt, ınbSumd für ınkumd. In folgenden Partieipialformen, die aus beiden Erzählungen genommen sind, scheint auch $ für g zu stehen, wofern man es nicht etwa als Compensation des aus- gefallenen % der Präsensform ($ für ©) anzusehen hat: /pgwuSud für. begpgwd — fbpuhwSug für lEpublugbez — gedwsmd für gwpfugwd — Mus für Hung — TuS für ghugmd und Tausung für glugby — pahwSws für pehkguw& — SumSug (wohl aus unr. Samwwgud) für Sun. Dahin gehört auch der Impera- tiv Epufingfi für ulügf, altarım. fdwgfp- — In dem Worte pp für wbfr vom 26. November 1866. 735 ist 4 nicht in » übergegangen, sondern es hat sich dieses vielmehr aus der alten Form wnd&, erhalten. — Bei Weitem gröfser sind die Abweichungen in Betreff der Vocale. So fällt „ weg in den Worten Kup und Aplpuup für Kurmuup‘, ferner in Spgubhr für Swpgubhr , in geliuSud, Suwmsud — fe fällt weg in ‚pzup für gfzbp — n in ApywSw& —- dagegen bleibt nı. gegen die sonstige Regel in Supmumneh für Supammm. fch, sofern dies nicht ein Versehen des Schreibers ist. — Besonders häufig sind die Verwechselungen der Vocale unter einander. So steht us oft für den Dipthong my in wu, ud für uyu, ujl, in auy für up — für k in Jap für fEpuy, in ‚Pzup für abzkp- in ıfiundbf; für endop;, in Zwnpp für benfp — für EZ in der 3. Person Sing. Ind. Praes. des Verbum „sein”, in Pu für (4, welches aber ebenfalls öfter gebraucht wird — für o in frwuluup für fnou.p — für nz in der Locativendung anf für nıd! & steht für u. in gbybu für zuyfu, in Lbybu für gbuuybu (Tifl. ga‘) = für in kpeliuyf für fıliuyf (eigentlich fıliugf, ffugfp), Wo p wohl nur, um die Aussprache „ie” zu bezeichnen, zugesetzt ist, umgekehrt steht Afın „eit” für Jen. — & steht für f in £12 für fn2, in Zul für ul — pr Steht für w in rsty für wuly, welches neben Sf, vorkommt — für # in dem Präs. des . subst. pi, pu: ur f u für » in fl by für un dp — für # in den Infinitiven, ferner in fe für Zu, .phy. für ‚phg (wie im Tifl. Dial.), in / pp für &p, in ff py für why — für nı in fabı für nal (nugky jernbr )- — n steht für „ in Japg für ıfiupg (doch kommt auch dieses vor), iu %r, welches aber auch Zo geschrieben wird, wie überhaupt am Ende der Wörter n, n; und o promiscue gebraucht werden, für Zus, und bpry, Zpo für Zpruny (. e. gbu), und In für gl — für NL. in bap für ni p mit dem Präfix 7, welches die Präposition „in” darstellt, in /nzın für Anızın. — o steht für u in z2cın für arm, in ınol für mul, welches auch daneben in Gebrauch ist, in ho für Yu — für m in op für np — für m. in of für num. — nı. steht für den Diphthong ung in guy für zu — für fi in nı ls, ebenso in nıbsybn, nhz.pulı U für m in ‚Pnı für pr, in m°ı[ für af. — Der Diphthong my wird gebraucht für Z in yuynp. für ukınp — für f in ıfin,[&h für Jfunp — und n, für p in ılmyb für din. — 736 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Gehen wir nun zu der Formenlehre über, so finden wir zuvörderst bei dem Nomen die determinativen Affixe „, 7, %, welche den bestimmten Artikel mit Bezeichnung der Person andeuten, wir umyn,ppu , inplzw.ppip , pwugılwls fü, frugbu, fruybuuypt, und statt derselben, wie in allen Dialecten, bei den Wörtern, die auf einen Consonant ausgehen, p, also (wu npp, aber auch 7, wie in Prugwinpn $hılb. Die Flexion ist sehr einfach. Es giebt eigentlich nur 1 Deelination, welche im Abl. die Endung fy, im Locativus auf, im Instrumentalis wı oder z.f annimmt, Gen. und Dat. erhalten fr, der Accus. aber pflegt die Form des Nom. zu behalten. Die- selben Endungen werden auch der Endung des Nom. Plur. bp, wp (auch die in der alten Sprache gewöhnliche Endung p findet sich dafür) angefügt. Nur das Wort [\sımnımd& „Gott wird nach alter Weise flectirt, und die Nom., welche schon im Nom. Sing. auf ausgehen, erhalten im Gen. Dat. „.; wenn wir aber der Form ıfiupgnı Dat. Sing. von iupg, ap für ılapıyf begegnen, so haben wir diese wohl als von dem Erevan- Tifliser Dialect beeinflulst zu betrachten. Beispiele: Gen. Dat. guı; fi „einem Wolfe”, Pwgwinph „einem Könige”, np „einem Manne” pwgılwbgmı von pwgıwls i „einem Gärtner” Veranda, „Deo.’’ — Abl. guy fg bfıın „nach dem Wolfe”, wl&upn[prbfig „von dem Elend” — ‚pugu,punf „in der Stadt” ınloguuf‘ „an dem Orte’” (von diesem Casus kommt kein Beispiel in obiger Erzählung vor.) — Instr. ‚pzuwpwı „in einer Nacht”, ganun] „mit Macht”. Auch Fremdwörter erhalten dieselbe Flexion, wie [pw „Schatz”, Gen. buuztıh — Prwpurp „Seite”, Abl. Puwpunbfg-t% „von der Seite”. Für den Plur. finden sich nur folgende Beispiele: inpbqu,p, wbgwlllp und inpbgwblp „Pflanzen”, pwlup, fvwohup „Reden”. nptgwitkpf Gen. Ferner ist zu ‚bemerken, dafs der Accus. Khan für ’b Kubunyupg „auf den Weg”, ApıpympSfb für ’p KubunyupSp „auf dem Wege” ‚pzwpumr. für /p gfo&ph „in einer Nacht”, also beides für den Loc. steht, und dafs Afın für jan als Postposition den Abl. vor sich hat: zpowzßg bfın „nach diesen”. vom 26. November 1866. 137 Declination. Sing. Plur. Sem. ups guglubz Fpqup G D. lapgb — peupilyuihzun ap upf Loc. dnpıpund” dnpzwpunl” Ab. dfanela fapzwpfg Insh. Unpgwi, dnpzuf Anprpwpwı Pronomina personalia: 1. Person Nom. fu, Gen. Lil; Dat. Accus. £uä. 2. Person Nom. (FL, Gen. „paL und pn; Dat. ‚eh (.efy ) Abl. ebzuibhg. 3. Person Gen. Dat. fpuslı. Pronomina possessiva sind Zu) ‚pnı oder ‚pn, put. Pronomina demonstrativa: Zo oder Zn „er, dieser”, Gen. Dat. Accus. Z:po oder Zpny. Plur. Gen. Dat. Zpnıg. — uo oder uny Abl. Sing. unowälhg — ferner um, ulı Gen. Dat. wlıpnug. Pronomina interrogativa: m — nf, ns — fig Gen. Dat. nem“ u relat. ap oder on, nıfop — nf np — nl apı == IUP2 np — indef. ılmjı == ıllı: Verba. Von dem Verbum subst. „sein” kommt nur das Präsens Ind. vor und zwar nur im Sing. und in der 3. Pers. Plur.: pi (einmal nf in fubzpneil‘ auf“ wegen des vorhergehenden ar), pu, mw oder my, der Plural lautet: me, pe, pi; mit der Negation verbunden heifst es sul; (zbu), zb. Aufserdem findet. sich an 2 Stellen mit dem Part. Praet. eines andern Zeitwor- tes verbunden die Form m Zhiyunf; welche mit jenem zusammen einen Conj. Perf. bildet. An der einen Stelle steht: npm/Skunk. [un u Lhyud gpb$ „da er ein Gelübde gethan habe” eigent- lich „da er ein Gelübde gethan (gesetzt, abgelegt) habend sei”, an der andern Stelle: m. np uumwmgud u Lhyunl po „Alles, was ihm begegnet sei.” Es bezeichnet demnach an beiden Stellen ws Ziryund” die 3. Pers. S. Conj. Präs. In der Endung uf erkennen wir einen Locativus, und br ist die alte Form des Inf., % aber die antiquirte, namentlich bei dem Philosophen David vorkommende Präposition für ’fp. So ist u Z&yunf eigent- lich zu übersetzen: „er ist im Sein”, eine Umschreibung des: [1866.] 52 [3 738 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Präs., welche zur Bezeichnung des Conjunct. gebraucht wird. Zwar findet sich der Inf. dieses Zeitworts auch in unserer Sprachprobe, und in einer andern Form: 47%, oder Ayky, aber wohl konnte Zhyunf aus der in der alten Sprache gebräuchlichen Form #, genommen werden. Bei den andern Verbis hat sich in allen Yulgärdialeeten nicht so, wie bei den Verb. subst. die Form des Präs. in der Bedeu- tung des Ind. Präs. erhalten, sondern ist zum Conj. geworden. Man schlug daher in den östlichen Dialeeten den der Formation des Präs. bei den Verb. subst. entgegengesetzten Weg ein, und stempelte das Präs. des Verb. subst. in Verbindung mit dem Locativ des Verbalstammes (nicht des Inf.) znm Ind. Präs., also: Spgubunfw „er fragt”, gmlubanf u „er wundert sich”, bh w gwnbanf „er kehrt zurück”, m gfenwbuuf „er findet”. In diesem und den folgenden Beispielen wird das Verb. subst. dem Locativ vorgesetzt, wenn es in einem Frage- oder relativen Satze steht, oder ein von dem Verbo regiertes Substantiv, oder auch ein dazu gehöriges Adverb vorangeht, und wenn es die Negation bei sich hat, wie der zb buyud) gh Tun uud“ „er über- nimmt nicht, nimmt nicht an’; in den andern Fällen steht es nach. Beispiele, wie ubzpmf' nu, fübgpaef'w, uhunıf u weisen auf einen Einfluls von Seiten benachbarter Mundarten hin. Bei den mit Vocal anfangenden Verben wird, wie in Z4,uuf ein % vorgesetzt, vgl. m Zwpunf (von wpßy —= wabh; ) „er macht”, Zomunf wu „er ilst, frilst”, Tungunf u „er sagt”, zb Zunuf (von wafy = watbne; )'). — Wie in dem Tifliser Dialeet, sehen wir auch hier bei den Verben guy und muy (von jyuy, dem 3., ist hier kein Beispiel), denen noch das Verbum zZuy „gehen” zugesellt ist, statt der Locativform des Verbalstammes einen nach alter Weise gebildeten Accus. Plur. des Inf., welcher für mit dem Acc. gesetzt dieselbe Erklärung zulälst: »pb ml (für pl’ umwybu „sie sind im Geben”) d. i. „sie geben”, mF'ımuyfu „ich gebe”, und mit Umwandlung des Stammvokals „ in # bei den beiden andern Verben: Zäjhu (für ghuyku, gun”) pu „ich gehe”, u gäyku „er kommt.” ') u peqwbuf bildet keine Ausnahme, da f nur vocalischer Vor- schlag, nicht voller Vocal ist. ?) s. oben. vom 26. November 1866. 739 Der Conj. Präs. — der ursprüngliche Ind. — lautet: by.kıl „(dafs) ich suche, bitte”, fpy fu, fg uw. Ss: w. Nur von gi lautet er Zn, „(dafs) er gehe”, aber das ihm analog gebildete %o (für Zoj) von Zwuy wird wegen seiner dem Verb. subst. ent- sprechenden Bedeutung „er steht, er ist’ als Ind. Präs. gebraucht. Dieselbe Form wird auch, mit dem Acut versehen, für den Imperativ angewendet, also Zn, „er gehe”, omf „er esse”; es finden sich aber auch die sonst bekannten Formeu dafür, wie: hfp (für I) „ils”, uSu (für wu) „sage”, und abweichend Ffdif „erkundige dich”. Der Infinitiv kommt nur mit der En- dung fy vor, wie unfunfr „sehen”, Zmfünfy „erkennen”, welche bei der weitern Flexion in 4, übergeht: pSkyuf (für wohn] ) „dicendo”, zan&ybkyuf „stridendo”, juäymf (richtiger wohl gehzuf ) „audiendo”, juhjbg bunmf (bımuf ) und der blofse Abl. jubjyby (vielleicht aus Versehen) „nach dem Hören”, Yuyky (also ohne Flexionssilbe 2A, für guy ) bfin „nach dem Ge- hen”. Das Fut. wird nicht wie in den andern östlichen Dialecten - gebildet durch ein vorgesetztes /ar, hp, 4’, sondern durch den mit dem Präs. des Verb. subst. verbundenen Infinitiv, also: zhul" abunwbhr „ich werde nicht finden”, why pu „du wirst sagen”, pu ınbubf, „du wirst sehen” Zpfubf, w „er wird er- kennen”. Dieselbe Form wird auch für den Conj. und den Imp. des Fut. gebraucht. Für das Part. Prät. finden sich 2 Formen, welche beide in der alten Sprache begründet sind, die eine auf ,, ay (für Zuy ) in mSuy „gesagt habend” (altmar. wowgluy ), die andere auf & aus dem alten g erweicht: un. Sud für uwnusbg-bu „begegnet seied’, unJb& (von ınuy )) „gegeben habend”, zp£& „gesetzt habend”. Diese Participia bilden mit dem Präs. des Verb. subst. verbunden das Perfeetum: wSuy u „er hat gesagt”, m/b& w „er hat gegeben”; der Conj. dieses Tempus wird aus dem oben angegebenen Conj. Präs. des Verb. subst. und dem Part. gebildet: w Z4yuf gpk& „er habe gesetzt”, yuwunwuSwd u Lhjzul* „es sei begegnet.” Zur Bezeichnung des Passivs wird nach der Weise aller Vulgärdialecte ein ‚/ von der Flexionssilbe eingeschoben, wovon wir 2 Beispiele hier haben: u» Sunliupfunl® „er wird geglaubt, gehalten”, und op wuufıJb „dals er sich vermähle” eigentlich 32 740 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse „dafs er gekrönt werde, sich krönen lasse”, weil dem Braut- paare bei der Trauung Kronen aufgesetzt werden. Adverbia und adverbiale Ausdrücke sind: zum (pers.) „entgegen, zom (altarm. zwi) „sehr”, Shpf.p (türk.) „nöthig, genügend”, pyprwb (altarınm. nıganpg „richtig’”) „richtig, wirk- lich”, /bppuyku (ganz die alte Form) eigentlich „am Ende”, hier aber so viel als „durchaus”, Afın (altarın. Jen) „zurück, wieder”, Anl (richtiger wohl Zum: oder kunuf ) nachher”, wb ıfwfıng (vs) „diese Zeit, damals, da”, ılajb ‚puibh op „einige Tage”, hp (für f&p) „oben” in der Redensart fr 5b huyuuf „er nimmt nicht über, er übernimmt nicht”. Da- gegen ist (fg in dem Ausdruck hy zb Zununf ein Subst., und bezeichnet „Hals, Nacken”, also: „er nimmt nicht auf den (seinen) Hals” d. i. ebenfalls „er nimmt nicht an”. I (für %-m°p) „wohin?” m“bz no „an welchen Ort?” mLguyku „wie? ng” nıyb und blols mıZynı „weswegen?” und ml sonst 5 präf. „nicht”. Conjunctionen sind: (u oder [4£ „dafs’” wofür auch das Pron. rel. op, np gebraucht wird, nı und die alte Form 4 „und”, uy (für ug ) „auch”, 4 wyjb wie in der alten Sprache „und so weiter”, wyufıl,pl (altarım.) „nämlich”, pay (altarım.) „aber”, uf (arab.) „aber”, npmfSkml (altarm.) „da, weil”, mıbgnı nıyb und mehgnı „weswegen”, mulsuybu „wie”, nıbz.pwl „so oft, wenn”, w4,pub „so viel.” Die Präpositionen endlich sind in den Vulgärdialeeten, und so auch in dem von Agulis, zu Postpositionen geworden, und häufig werden auch Nomina, welche dann den Gen. vor sich haben, in solcher Be- deutung gebraucht: [Fuınnedny dm („Gott nahe”) und Yıuunzı&nj Yazırp („nach Gottes Seite’) „zu Gott! — Buzuwenpk up fg „von des Königs Seite” — pe wit („auf dem Grunde von ihm, ihr”) „unter ihm, ihr” und Tprıg muhfe „unter ihnen” — bpb Emmy (alte Form) „über sich”, aber Zpo um (für JEpuy) „über ihn” — nıkamı nı9h „weswegen”, wögnen nı9b „deswegen”, aber in Z7& nıyh und Zu& weg „meinet- wegen, für mich” steht der Dativ für den Genitiv. Den Abla- tiv haben vor sich die Postpositionen Ah und Zumf oder Kran] für bu. vol. zarzbg Äfın „nach dem Wolfe”, upous. Thg Efın „nach diesem”, yuhyıy kun] „nach dem Hören.” Endlich finden wir gauz nach lateinischer Weise den Ablativ vom 26. November 1866. 741 für das Objeet der Comparation gebraucht in dem Ausdruck pbgwbhg IIJR wofür im Tifliser Dialeet ebenso ‚ehguwbhg unby „mehr als du’ sc. „mehr dumm, dümmer als du” gesagt wird. Hr. her fuhr fort Homerischer sitte Altfranzösische gegenüber zu stellen (s. p. 647). ') XLD. 1. Öwgr SsoÜs made, dwe adorovus QasırYac. das ist eine erfahrung worein sich der gewöhnliche Grieche, freilich nicht Platon, willig ergibt, und der gemäfs Agamemnon Zwar zeoderschowv gescholten wird und diAozreauwreros mavrwv und Syuo@ogos (A 122 149 232), aber dennoch zud:sros bleibt?), und Hesiods könige alle öwgopayo: sind (O et D 29 264) unbe- schadet ihrer «aidorrys. Iwgohayioeraros jedoch ist kaiser Karl. als lehnsherr berechtiget die hand einer erbtochter zu ver- geben, wie sorgt er für das lebensglück der waise die auf seinen schutz angewiesen ist? le roi apelle, moult doucement li prie. tout coiement li a dit en l’oie que il li doinst Claresme l’eschevie: il li dorra un murl de Lombardie chargie d’or fin, dou meillor de Roussie; “et si aurez cent pailes de Pavie.” quant Karles l’oit, bonnement li otrie, de la pramesse durement l’en mercie. la damoiselle a par la main saisie. Guiot apelle, ou tant ot de boisdie. “Gui” dist li rois, “ceste aurez en baillie. Gascoigne aurez, quant l’aurez nossoie. de vos sera maintenant fiancie.” Claresme l’oit: & poi n’est enraigie. Gaydon p. 238. ‘) p. 583 lies botones. *) auch trotz Bentleyn, der zu böser stunde x£pdıore vorgeschlagen für xudıore. ähnliches bedenken wie ihn geirret, ist neulich (Transactions of the philological society London 1865) auf Avcmapı eidog Apıcre gefallen, 742 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse et Milles fet trosser pres d’un mui de Mensois, ä Karlon les tremet qui de France fu rois... li rois fet le present et penre et estoier, que li envoia Milles, le felon pautonnier. en iceli present avoit maint bon denier... “Milles” ce dit li rois... “je vous afi com rei que la prime moillier que vous vorrois avoir en mon pais plenier, ... por qu’elle n’ait mari, lojaument, sanz trichier, que je la vous dorrai de bon cuer et d’entier.” Aye d’Avignon p. 24. wieder sträubt sich das opfer umsonst: “miex voudroie estre nonne, le vol desor la teste, que ja celui oubli qui si long m’ala querre, ne que prengne Millon ne home de sa geste.” “si ferez” dist le rois “par ceste moie teste.” ib. p. 98. wenn dergleichen zwangsehen vielleicht die gewöhnlichste und reichste quelle bilden woraus die fürstliche begehrlichkeit schöpft, so verschmäht sie doch auch nicht die seltneren und geringeren. eine feste die angelegt werden soll, gefährdet die sicherheit des ganzen landes. “he dex” dist le traitre, “biau roi de majeste, qui aroit un castel chi eudroit compasse, et fust bien a bretesques et tourelez ferme; et puis si fust garni de pain, de vin, de ble, et tous les rois du monde, et eus et leur barne, ni forferoient pas vaillant un oef pele. que pleust or & dieu le roi de majeste que le roi Kallemaines le vous eust donne.” wie wird die stelle und die erlaubnis zum bau von dem landes- herrn erwirkt? und beschwichtiget durch die erklärung Tlapı Svs-eidog-Apıore thou Paris unluckily most comely. ob Bentley freude haben würde an dem fort- schritt? vom 26. Navember 1866. 743 xx sommiers a fait Grifes') errant apareiller, dont il a fait les ij de fin or chargier, et les vj mainent pailes et maint garnement chier ...: et fist porter avec un tref riche et plenier . A et dist qu’il le donra Kallemaine au vis fier. et quant le roi l’oit, n’i ot qu’esleeichier. “grans merchis” dist le roi, “refuser ne le quier.” 2; Gaufrey p. 145, und gewährt mehr als verlangt wird. einem gesandten der vom kaiserlichen hoflager znrückkehrt, wird ein hinterhalt gelegt. si soit ocis: ja Karlon n’en chaurra. et si l’en poise, bien acordez sera. por la pais faire, eine cent mars en aura. je sai de voir, volentiers les penra. Gaydon p. 179. bald nachher tant donrons Karle et argent et ormier que noz feronz nos amis apaier. und wieder (p. 229) li traitor s’en revont ä lor tres. de fin argent ont ij murles trorsez. Karlon l’envoient: moult lor en sot bons grez; moult par les tient por drus et por privez. li empereres fist penre le present: convoitouz est, moult volentiers le prent. dist au messaige “amis, alez vos ent. vos seignors dites, cine cent mereis lor rent. guerredonne lor sera bonnement. s’il me requierent, je les orrai briement.” So grobe bestechlichkeit mag sich darum ohne scham und gram ergehn, weil sie, in dem übel bestellten statshaushalt, zu grolsem teil die mittel hergibt um diejenige tugend zu üben, die, nächst der manheit, der kriegerischen tüchtigkeit, fast allein an fürsten und herren geschätzt wird, la largesse, zu Deutsch die milte, d.h. die neigung und gewohnheit geschenke zu machen rechts und ‘) Grifon le pautonnier, le traitre Grifon, le traitour qui dex doint encombrier. 744 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse links, an würdige und unwürdige, nach vermögen und über vermögen. zu dieser tugend ermahnt die mutter den sohn, den sie aus dem elterlichen hause entläfst: eu vol que sias pros e larcs. qui t quer c sols, dona 1 x marcs; qui t’en quer v, dona l’en x. aisi poiras montar en pris. eine andre: soies loial princhier. dones bien largement a tou vo chevalier, que la nouvele en voist desi au Mont Pellier. in dieser tugend findet ein sündhafter lebenslauf an seinem schlusse beruhigung: prodom devint ainz qu’il morust: ja ne veiast rien kil eust. von Willem de Nivers in der Flamenca wird alles ernstes gerühmt el depen nel an cen ves en un jorn tan com a de renda en tot l’an. an Alexander des grolsen katafalk ruft li sage Aristotes, li maistres des escris, (Romans d’Alixandre p. 526 4. vgl. Walther von der Vogelweide p. 17 9 u. 19 17). largece estoit ta mere, tu estoies ses fis. i en donner ert ta joie, ta glore et tes delis und einer der pärs (p. 529) li tien don n’avoient ne terme ne sojour, ains ierent plus isnel que li vol d’un ostour. ein andrer rois, vos nos donniies vair et gris et hermine, et por nous faire rices prendiies o rapine quant que vous trouvies sor la gent Sarrasine. ein dritter nent ihn le roi qui de douner ne pooit estre las. ein vierter bewundert ainc ne vosis & home ton avoir escondire.... sire, tu dounas tout, que riens ne retenis. vom 26. November 1866. 745 ains euses doune eine roiaumes ou sis que uns bien rices hom n’eust un mantiel gris. und la toie grant largece ne pooit estre esquise, que ains que tu euises le rikece conquise, V’avoies tu dounde, biaus sire, ou promise. von Cuheran oder Havelock berichtet Gaimar de tant doner com il avoit, co lui ert vis ke poi estoit; et quant il n’avoit ke doner, volunters l’alout emprunter, puis le donout et despendeit. co qu’enpruntout tres bien soldout. quant qu’il avoit, trestout donout. mes nule rien ne demandout. von Wilhelm dem Roten il out de prive meisne mil et seit cenz cele faice. tuz erent riches chevaliers. sachez, li reis les aveit chers. les chevalers k’il teneit, en poi de tens bien lur feseit. riches erent e bien aturnez: entr’els n’aveit pas povertez, mes richement veneit li reis come prodome e curteis... ja sa meison ne fust vee &a gentil home ne & franc. ewe en viver u en estanc n’est plus leger a espucher ke n’est son beivre ne son manger. tuz tens aveit richesce asez. ja tant n’eust le jur donez ke lendemain l’en sovenist et ke altretant ne departist. vor andern empfelen sich jongleurs so ausschweifender, , eher der «owrı« als der &XeuSegrorgs verwandter Keyarodwgi«: il a dat 746 . Sitzung der philosophisch-historischen Klasse alz juglars tan que 1 plus mendix, sol non o joe, pot esser rix. Eben so geht es schon bei den Nibelungen her. den fremden unde den kunden gab er ros unde gewand. 23 die hochzeit werte unz an den sibenden tac. Siglint diu riche nach alten siten pflag; durch ir sunes liebe sie teilte rotez golt. vil lüzel man der varnden armen da vant. ros unde cleider das stoup in von der hant same si ze lebne hzten niht mer wan einen tac.') 41. manegen schilt vollen man dar schatzes truoe: er teilte es ane wage, sinen friunden gnuoc, bi fünf hundert marken und eteslichen baz. 316 do sich Hagnen bruoder der slüzle underwant, so manege riche gabe bot des heldes hant: der einer mare gerte, dem wart so vil gegeben daz die armen alle muosen froelichen leben. wol bi hundert phunden gab er ane zal. genuoge in richer wste giengen vor dem sal die nie davor getruogen so herlichiu kleit. 484. ir vriunde unt ouch die geste heten einen muot daz si da niht ensparten deheiner slahte guot: swes jeman an si gerte, des waren si bereit. des gestuont do vilder degenevon milte bloz ane cleit. 1310. ob ernoch lebendice waere (Rüdiger), so wzer er wolso milte, swas tusend künge mohten han, das heter eine wol vertan. Klage 1050. Werbel unde Swemlin, des küniges spilman, ich wzn ir ieglicher zer hohzit gewan wol ze tusend marken oder dannoch baz, da diu schöne Criemhilt bi Ezele under krone saz. 1314. Parzival 100 26: ’) des milten Gawanes hant begunde in so mit willen gebn als er niht langer wolde lebn. Parzival 666 9. vgl. Walther p. 25 30. ein vom 26. November 1866. 747 sin habe was vil ungespart. Araebesch golt geteilet wart armen ritern al gemeine; unt den küngen edel gesteine teilte Gahmuretes hant, und ouch swaz er da fürsten vant. da wart das varnde vole vil geil: die emphiengen richer gabe teil. (vgl. 785 5). merkwürdiges beispiel scheint noch das folgende: dont fu li ors et l’argent aportez et li avoirs, dont il i ot assez; en l’ Archant fu sur paiens conquestez. en mi la sale fu toz amoncelez. lors se leva Guillaumes au cort nez. “ber Renoart” fet il, “avant venez. mes seneschals, se il vos plest, serez. ä cels de France, que j’ai ci amenez, riches soldees vueil que lor donez.” dit Renoars “si com vos commandez.” il prist la mine, au tresor est alez. hautement s’est Renoars escries “or viegne avant qui veut estre lieves.” dont veissiez chevaliers aroutes et escuiers: n’en iest uns seus remes. Renoars est sor le tresor montez, dont il i ot chargie xiiij nes. onques n’i ot mine ne sestier lez: trestot a comble est chascuns mesurez. a tos en done tot & lor volentez: toz li plus povres en fu riches clamez. dit ’uns & l’autre “moult nos a bien lievez: bien soit de Teure qu’il vint en cel regn£. si larges hom ne fu de mere nez. bien deyroit estre par droit rois coronez.” Guillaume d’Orange p. 416. sie swanten lzsterlich ir guot: rouben was ir stäter sit. Ulrich von Lichtenstein p. 555. 748 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse Zurückzukommen auf den oben: (p. 743 6v. u.) berürten statshaushalt, einkünfte werden nicht erwähnt aufser dem lehns- zins von vier deniers järlich und hin und wieder einem zoll. wie aber gewirtschaftet wurde, lernen wir aus der klage eines königes über den günstling, dem er die verwaltung lange jahre überlassen hat (Partenopeus de Blois 2541): he las, fait-il, con sui honis et con sui par Mares trais. trais sui par se coardie: bien sai que ne le garrai mie. desacoragie m’a ma gent, qu’il ne se combatront nient. de lui ai este afoles: ja ne sera mais mes prives. ja fu il fils a un vilain, povre et caitif, de basse main; povres et viols fu et caitis, quant jo en mon consel le mis. haut le levai et fis justice: trop bien li rendi son service. quant jo d’un vilain ai fait conte, bien m’en doit avenir grant honte. mengier me devroient mastin quant d’un vilain fis palasin. mais il me faisoit si mes pros, et toloit & mes homes tos, et me donoit quanqu’il toloit, et bien entendre me faisoit que tuit mi home me haoient. si m’ait deus, grant droit avoient, quant je faisoie c’ uns vilains les avoit si tos en ses mains qu'il lor toloit sains jugement quanque li venoit & talent, et honissoit de sa parole, et getoit vilment en gaiole, vom 26. November 1866. 749 et faisoit tot & volente quan c’onques li venoit & gre. ses viols parens a tos franeis et de mes bons castiaux saisis. mes gentils homes a destruis; ni a mais nul qui ait deduis, ne chien n’oisel ne jogleor, n’a nule rien del siecle amor. ne pensent mais de ce nient: afole sont de mautalent. tot m’a tolu d’els le corage par felonie et par outrage: povre sont tuit et jo si sui. moi sacent mal gre, non altrui. s’il fussent rice, asses eusse. (ef. 251. 3570). 2. Überlegene körperkraft milst Homer den menschen früherer zeit bei: \ El o ou Övo Y auöze begorev, [ey er aA m oo: vUv Paoror ir 008 av 6ece TOIAE HL 0109. oudE ze 41V Sece U SEES ’ Y IE, aa‘ I en» WElgEeT aboreens EX,0oı Avng, ovde mar 70Wr, oroı vÜv Baoror eis. \ >.» N ‚ oe, Tov 6) oU HE Öv DVEDE Öntov ROLTTW e ) IT. m Sa „ E ’ Enıdiws ET anagav am oudeog OXAATEIGV, oo: vüv Baorei eisw: der trouvere den vornehmen ständen. Renault hochbetagt hat Moutalban bei nacht und nebel verlassen, hat sich nach Köln gebettelt, und handlangt am dombau. “maistres” ce dist Renaus, “or alez, je vos pri: je porterai la pierre que vous veez ici.” et li maistres respont “amis, par saiut Remy, quatre hommes i convient por remuer de ci. tu ne la remouvroies por tot l’or d’Arrabi.” dont prist Renaus la pierre, & son col la saisi. 750 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse quant li maistres le vit, si en fu esjois. une autre jeta sus, & son col l’a rude. puis monte contremont, n’i ploia eschinee. und Holger une grant bare cort du mnr esrachier: ne l’en peussent trois vilain fors sachier. Ogier 8292. il se regarde, et vit un peron grant: ne le muast un roncin en trainant. entre ses bras l’aporte maintenant. und vint au peron, qui gisoit desus l’erbe: par grant vertu l’alieve au pong senestre. ne le meussent cing vilain par poeste. ein dritter xij homes ne poeient lever le fes que il poeit porter. nicht anders bei den Nibelungen: der schilt was under buckeln — drier spannen dicke, den tragen solt die meit; von stale und ouch von golde rich er was genuoe, den ir kamerzre selbe vierde kume getruoc. 416. den (ger) truogen kume drie Prünhilde man. 419. man truoc ir zuo dem ringe einen sw&ren stein. — in truogen kume zwelfe der küenen helde unde snel. 465. er wunte zuo dem tode den Ditriches man: ezen het än einen recken zware niemen getan. 2233. 3. Variationen auf zuev veor 402 maraıc. avds avec vos trestout les xij pers et bien 1 mile de chevalierss armes, estre les viels chenus, les floris, les barbes, qui donront ces consaus es grans estors melles li jeune et li barbe li jeune ne li vieil, li feble ne li fort jovencel et chenu (floris) ne jone ne chanuü nul jeune ne gris et li noir et li blont n’en i ot nul jonne ne baceler n’en i ot nul ne viel ne cavalier les viex et vom 26. November 1866. 751 les fleuris (uses) — li jouvencel (joenes bacheler) caus ne cavelu tuit, et chauf et chavelu ja ne garra de mort ne chauf ne chevelu ficor et antig nul ne de grant a& ne -de petit li grant et li petit grant et menor li gran els menoretz (menuzer) li graindre et li mendre li menre el maior sa gent la grant et la menue et les grans gens et les menues li gros et li menu oians tous, gros et menuz et li fol et li saige ne haut 'ne bas li haut et li bas bien se provent Franceis, et li maigre et li gras dambas partz ne morion de magre e de gras le millor chevalier ke soit magres ne cras P’oirent tot, et mu et sort li muidres et li pire ne li prive ne li estrange et li un et li autre, et li povre et li riche n’i remeint ne cel ne cil.') 4. Wenn Andromache ihre welt in ihrem gatten findend ausruft “Exrrop, aTa9 SU wol Eeoı marıp zo MorVIA unTng Yo8 Aası yvyros, cü de Mor TaAsgos TagaxolTns, wie andern eindruck machen ihre schlichten worte als die gespreizten metaphern worin Renault eine ähnliche empfindung für seinen nekromantischen vetter ausspricht: comment rendrai Maugis, par deu le fil Marie. Maugis est mes secors mesperance et ma vie, mes escus et ma lance et mespee forbie, mes pains mes vins ma charz et ma herbergerie, mes serjanz et mes sire, mes maistres et ma vies, et sest mes desfensiers vers tote vilonie. noch breiter fliefst diese unerquickliche rednerei von Me- liorens lippen, als sie sich von dem geliebten trennen mufs (Partenop. 4719): vos esties tos mes delis, !) beide, jung und alte die alten ode die niuwen weder groz uoch kleine die tumben und die weisen witzige und tumbe die slehten und die krumben die toren und die grisen arme und riche bloede oder balt junc oder gra der sieche und der gesunde. 752 Gesammtsitzung mes preus, m’onors et mes profis, et ma noblece et ma beubance, mes orgiols et ma sorcuidance, m’odors, ma clartes et mes pris, ma joie coraus, mes dols ris, mes cuers et mes cors et mes fruis, tote m’onors, tos mes deduis, tos mes esfors, tos mes pooirs, ma covoitise et mes espoirs, mes desiriers et ma bontes, ma druerie et ma beautes, mes consaus, mes afaitemens, ma richece et mes casemens, tos mes gius et 'm’envoiseure, tos mes sens, tote ma mesure, ma membrance et ma cortesie, tos mes depors, tote ma vie. or estes mes diols et ma paine, mes coros et m’ire certaine, mes giendres u. s. w. noch volle zwölf verse, in ganz gleicher gliederung. 29. Nov. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Rudorff las über die Leges Constantini, Theodosii et Leonis, ein römisches Rechtsbuch des fünften Jahrhunderts. Ein juristisches Werk unter diesem Titel war den Orien- talistten ans den syrischen und arabischen Handschriften der Vaticana und Bodleiana längst bekannt. Es erscheint theils in seiner ursprünglichen mehr oder minder vollständigen Gestalt, theils in Überarbeitungen in den Schriften der Nestorianer und Jacobiten, auch der Armenier. Alle diese Überlieferungen reichen jedoch kaum über die zweite Hälfte des Mittelalters zurück. Daher wurde die Sammlung unterschätzt und unter andern die Citate im Nomocanon des Bar Hebräus von Assemani für Auszüge aus den Novellen Justinians und den Basiliken erklärt. vom 29. November 1866 753 Dies ändert sich seitdem Land in den Anecdota Syriaca (1862) I p. 119—155 die ‚‚Leges saeculares’ aus einer zu Hierapolis im Jahre 501 geschriebenen syrischen Handschrift in das Lateinische zurück übersetzt hat. Danach sind sie im letzten Viertel des fünften Jahrhunderts, nach dem Todesjahr Leos (+ 474) welcher im Artikel 118 als verstorben bezeichnet wird und vor dem gedachten Zeitpunkt des Landschen Codex (501) entstanden. Sie bereichern mithin die römische Reehts- geschichte um eine vorjustinianische Rechtsquelle, deren volle Eröffnung freilich erst von der Beihülfe der Orientalisten er- wartet werden mufs, da die Überlieferungen sehr von einander abweichen. Diese von Hrn. Rödiger und Hrn. Petermann über- nommene kritische Arbeit hindert jedoch nicht, den Character des Rechtsbuchs schon jetzt festzustellen. Ein merkwürdiges bisher nicht verwerthetes Zeugnifs des Fbediesus Sobensis (F 1318) weist die Sammlung dem Abend- lande zu und erklärt sie für die Nachfolgerin einer von Am- brosius auf Befehl Valentinians für die ,praefeeti locorum” verfafsten Rechts- und Procefsordnung. Das Gewicht dieses Zeugnisses ist nicht zu bezweifeln. Der Inhalt aber, so weit er den Ambrosius betrifft, palst nur auf die Collatio legum Mosaicarum et Romanarum. Das Resultat ist demnach, dafs diese den Ambrosius zum Verfasser hat und sowohl für die bischöfliche audientia und inercessio als für die weltliche Juris- diction bestimmt war. Die ausführliche Begründung dieser neuen Ansicht über den Verfasser der Collatio wurde einer weitern Erörterung vor- behalten, aber schon jetzt stellt sich heraus, dafs die Leges Constantini eine vorjustinianische Lex Romana canonice compta enthalten, welche zwischen der Collatio und der vor Maalsen entdeckten die Mitte hält. Hr. Zachariae von Lingenthal, correspondirendes Mitglied der Akademie, zeigte den codex rescriptus der Bücher 15—13 der Basiliken mit Scholien aus der Bibliothek des heiligen Grabes in Konstantinopel vor und erläuterte den wissenschaft- lichen Werth desselben. [1866.] 53 754 Gesammtsitzung Hr. Mommsen trug einen Bericht des Hrn. Dr. Schubring über seine mit Unterstützung der Königl. Akademie unternommenen Reisen in Sicilien vor. Die Monate April und Mai des Jahres 1365 verwendete ich zu einem Besuche des westlichen Theiles der Insel Sieilien. Von Palermo unternahm ich Ausflüge nach der Eirkte (M. Pelle- srino), nach Parthenicum und dem sikanischen Hykkara (Carini); im Gebiete der Elymer machte ich die Städte Egesta mit seinen Thermen und dem Hafen, Eryx (S. Giuliano) und Drepana (Trapani) zum Gegenstande topographischer Forschung und be- suchte dann die phönizischen Orte Motye (Insel S. Pantaleo) und Lilybaeum (Marsala). In Mazzara, wo ich in das Terri- torium der griechischen Kolonien eintrat, hielt ich mich einige Tage auf; in Selinunt traf ich mit Cavallari zusammen und konnte dort neue Gesichtspunkte für die historische Topographie der alten Stadt auffinden; von da gelangte ich über die Seli- nuntischen Thermen (Seiaceca) und Herakleia Minoa (Capo Bianco) nach Akragas (Girgenti), wo ich bei einem längern Aufenthalte mit den Tempelruinen und Vasen mich bekannt machte. Einige Abstecher ins Innere, welche zwischen diese Wanderungen eingeschoben wurden, hatten zum Zweck, die Lage und Ruinen der Sikanerstädte Halikyae (Salemi) und Entella zu prüfen und über das Lokal der Schlacht des Timo- leon am Krimissus mich zu orientiren; auch überzeugte ich mich bei einem Besuche von Caltabellotta, dafs daselbst die alte Feste Kamikos, Triokala hingegen in S. Anna zu suchen sei. Vom 3—24. Juni befand ich mich in Syrakus. Ich hatte früher bei wiederholtem Aufenthalte daselbst das System der städtischen Wasserleitungen und die Topographie von Achradina ins Auge gefafst, und beschäftigte mich dieses Mal mit Auf- nahme einiger neu ausgegrabener Denkmäler, so wie mit den Inschriften des Museums. Die Bereisung von Akrae (Palazzolo) und des Meerbusens von Megara hatte ich gleichfalls früher erledigt. Den Monat Oktober verlebte ich in Palermo, wo ich aufser dem Studium der Museen meine Aufmerksamkeit der interessanten Topographie des alten Panormos und des alten Hafens zu- vom 29. November 1866. 755 wendete. Der gröfste Theil des November wurde der schwieri- rigen Erforschung der unterirdischen Denkmäler von Akragas gewidmet, wobei sich hinsichtlich der Zufluchtsörter im Schofse des Burgberges und der phäakischen Wasserleitungen neue Ge- sichtspunkte ergaben. Vom 24. November bis 31. December erfolgte dann die Bereisung der Südküste Siciliens zwischen Girgenti und Syrakus. Die bedeutendsten Punkte, die ich be- suchte, waren Phintia (Licata) mit dem Eknomos, Gela (Ter- ranova), wo mir die Lage der alten Stadt und die Verhältnisse der Schlacht des Dionysius anschaulich wurden, Kamerina, auf dessen Höhe ein nur von Wenigen gekannter Antentempel sich erhebt, S. Croce mit den Ruinen von Capo Scalambri, Sieuli (Seicli), Mutyca (Modica), Hybla Heraea (Ragusa), Spaccaforno mit dem Thal von Ispica; ferner Noto, in dessen Nähe die alten Städte Neetum, Abolla und Heloros liegen, und endlich Vindicari und Pachynum. In den drei ersten Wochen des Januar 1866 verfolgte ich in Messina mit Hülfe einer ziemlich reichen Municipalliteratur die örtliche Entwicklung der alten Stadt. Von dort gelangte ich über Tamaricium Palma nach Tauromenion (Taormina), wo ich mir besonders über die hydraulischen Monumente Rechen- schaft zu geben versuchte. Die alten Städte Naxos (Capo Schiso) und Kallipolis (Mascali-Annunziata) wurden nur kurz besichtigt, da ich schon früher Gelegenheit gehabt hatte, den Aetna kennen zu lernen. Einen längern Aufenthalt in Catania, vom 5. Februar bis 13. März, benutzte ich zum Studium der Museen, der Denkmäler und der Lage des alten Katane, wozu die einheimische Historiographie wesentliche Beiträge liefert. In der zweiten Hälfte des März wurde das Gebiet des südlichen Symaithosarmes, die Gegend zwischen Lentini und Caltagirone, durchforscht, wobei es sich um die nähere Bestimmung der sikelischen Städte Echetla, Menae, Trinakia, Palike und Eryke handelte; bei dieser Gelegenheit wurden in der wenig besuchten Umgegend von Mineo und Scordia unter Anleitung einheimischer Gelehrter interessante Funde archäologischer und topographischer Natur gemacht. Daran schlofs sich ein Besuch von Leontinoi, über dessen Position ich eine neue Ansicht gewann, und von Syrakus, wohin mich noch gewisse Detailfragen riefen. A9%* [979] 756 Gesammtsitzung Der April wurde zu einer Bereisung des nördlichen Sy- maithosgebietes, welches in alter Zeit von den Sikelern bewohnt war, verwendet. Ich besuchte hauptsächlich Hybla Galeotis (Paterno), Aetna-Inessa (Civita), Hadranum (Adernö), Centuripe, Agyrium (S. Fillipo), Gagliano und Assoros (Assaro). Hierbei konnte ich mich auch über die Lage von Morgantia, Ameselon und Imachara unterrichten. Anf einem Ausfluge in das Mado- niengebirg nach Nicosia, Sperlinga und Gangi erzielte ich hin- sichtlich der Topographie von Herbita und Enyyon nur nega- tive Resultate. Nach einem mehrtägigen Studium der örtlichen Verhältnisse in Enna (Castrogiovanni) und am See Pergusa ging ich nach Palermo, um nun auch die östliche Hälfte der nördlichen Küste zu bereisen. Dieses führte ich während des Monats Mai aus, und da jene Gegenden selten besucht werden, konnte ich auch dort manches neue wissenschaftliche Material sammeln. Nach Besichtigung der neuen Ausgrabungen in Solunt begab ich mich nach den Himeräischen Thermen (Termini), dann nach Himera (Bonfornello) und Kephaloidion (Cefalu), von wo ich einen Ausflug nach Collesano machte. Von dort gelangte ich nach Alaesa Archonidea (Tusa), Myttistraton (Mistretta), Kalakte (Caronia) und nach dem andern Alaesa (S. Agata). Zwei Abstecher nach S. Fratello und S. Marco ergaben neue Resultate über die Topographie von Apollonia und Aluntium; der dorische Tempel in letzterer Stadt ist noch ganz unbekannt. Dann wurden Agathyrnum (Capo d’Orlando) und Tyndaris, Abakainon (Tripi) und Mylae (Milazzo) besucht. Endlich schlofs ich meine Forschungsreisen Anfang Juni mit einer Tour nach den liparischen Inseln. Wenn ich nun das Endergebnils meiner Reisen zusammen- fassen soll, so kann ich sagen, dafs ich sowohl alle bedeu- tenderen Städte und Ortschaften Alt-Sieiliens im Einzelnen to- pographisch untersucht, als auch die allgemeinen geographischen Verhältnisse der Insel zu erkennen gestrebt habe. Was die Denkmäler anlangt, so wurden die tektonischen und bildlichen Monumente verzeichnet, und die Inschriften in Stein und Thon, so weit ich davon Kunde erhalten konnte, abgeschrieben. Von den kleinen Alterthümern wurde ein möglichst vollständiger Katalog entworfen. Den noch ungeahnten Reichthum Sieiliens vom 29. November 1866. 757 an bemalten Vasen gehörig auszubeuten, ist eine Aufgabe für sich; ich habe mich begnügen müssen, nach Mafsgabe meiner Zeit das Wichtigste zu notiren. Einen Theil meiner Reisefrüchte habe ich bereits in einigen Abhandlungen niedergelegt, welche in verschiedenen Zeitschriften erschienen sind und die ich der K. Akademie einzusenden die Ehre hatte; in Betreff des andern Theiles glaube ich am zweck- entsprechendsten zu handeln, wenn ich einzelne Specialfragen gelegentlich bespreche, das übrige Material aber zu einer all- gemeinen Chorographie Siciliens aufspare. Die Inschriften der abgelegeneren Ortschaften, so wie einige neue werde ich den Redaktionen der Inschriftsammlungen zur Verfügung stellen. Hr. Mommsen legte die von den Herren Henzen und Hübner so wie den von ihm selbst erstatteten Bericht über den Fortgang der Arbeiten am Corpus inscriptionum Latinarum während des Arbeitsjahrs 1. Nov. 1865 — 31. Oct. 1866 vor. Hr. Henzen hat die Ausarbeitung der stadtrömischen In- schriften fortgesetzt, insbesondere die alte und weit verbreitete und dadurch grofse Schwierigkeit machende Sammlung des Cyriacus von Ancona bearbeitet, über welche derselbe zu- gleich die unten abgedruckte Abhandlung einsandte. — Hr. Hübner hat den Druck des zweiten Bandes bis zum 58. Doppelbogen fortgeführt; über die von demselben ausgeführte Bereisung Englands und Schottlands für die Zwecke des C.I.L. ist ein besonderer Bericht unten abgedruckt. — Von dem vierten Bande, der die pompeianischen Wandinschriften umfafst und dessen Bearbeitung Hr. Zangemeister übernommen hat, sind die ersten drei Doppelbogen im Reindruck vollendet. — Hr. Mommsen hat den Druck des dritten Bandes (Orient und Illyricum) bis zum 42. Doppelbogen fortgeführt; die in diesem Jahr ge- druckten Bogen umfassen den gröfsten Theil der Inschriften Dalmatiens. Um für die noch restierenden Theile dieses Bandes, insbesondere für Pannonien und Noricum, und zugleich für den ersten Abschnitt desdemnächstunter die Presse zu gebenden fünften, der Oberitalien umfafst und mit Istrien beginnt, die Vorarbeiten zu ergänzen und abzuschlielsen, wurde von Hrn. Mommsen im September und October dieses Jahres eine Reise durch die ent- 758 Gesammtsitzung sprechenden Provinzen Österreichs unternommen. — Weiter wurde hervorgehoben, dafs, da die für den Inschriftenfonds von S. Maj. dem König bewilligte jährliche Unterstützung mit dem J. 1866 zu Ende geht, derselbe sich bewogen gefunden hat mittelst Erlafs vom 4. April d. J. dem Inschriftenunternehmen nicht blofs die gewährte Unterstützung auf weitere sechs Jahre zu verlängern, sondern auch, um den Vorschlägen der Akademie gemäls die Beschleunigung der Arbeiten selbst und vor allem der Drucklegung zu ermöglichen, den Fonds von 2000 auf 3200 Thlr. jährlich zu erhöhen. In Folge dieser Allerhöchsten Bewilligung ist theils der Vertrag mit den bisherigen Redacteuren erneuert, theils mit Hrn. Hübner, der von nun an in die Redaction des C.I.L. mit eintritt, die Übereinkunft getroffen worden, dafs er die beiden Bände des C. I. L., welche Britannien, Gallien und Germanien umfassen werden, zur Bearbeitung übernimmt. End- lich wurden die Mafsregeln dargelegt, die von der Redaction in Gemeinschaft mit der epigraphischen Commission getroffen worden sind, um den Druck der Sammlung rascher als bisher zu fördern. _ PA Hrn. Henzen in Rom hatte dem Bericht die folgende Ab- handlung über die von Cyriacus von Ancona gesam- melten Inschriften der Stadt Rom beigelegt. l. Cyriacus von Ancona besuchte Rom zum ersten Male im Jahre 1424. Sein Lebensbeschreiber Scalamonti (p. LXXII ed. Colucei, sagt darüber: et sic se statim Romam incly- tam ad urbem, et ut ex ea primum maxima rerum atque potissima nobilium in orbe monumenta videret, quam avidissime contulit Martino V pontifice eiusdem pont. a. VII et ad III nonar. Dee. diem, ubi paulo ante Gabriel cardinalis (Condolmieri, nachher Papst Eugen IV) ex Bononia abdicatus legatione venerat. Ad eum illico Kiriacus apud Sanctum Laurentium in Damaso se con- tulerat, a quo tempore quam [quodam?] laete benigneque susceptus quater denos per dies apud eum in urbe moratus quotidie magnam per urbem niveo suo devectus equo quidquid tantae eivitatis reli- quum extaret, venerandae suae veternitatis templa, theatra ingen- tiaque palatia, thermas, mirificos obyliscos et insignes arcus, aquae- ductus, pontes, statuas, columnas, bases et nobilia rerum epigram- vom 29. November 1866. 759 mata incredibili diligentia sua viderat, excrutarat exceperatque, et ut postea ex his quaeque digna conficere commentaria posset, ide quaeque suis ordine litteris commendavit. Er fügt hinzu: at et cum maximas per urbem tam generosissimae gentis reliquias un- dique solo disiectas aspewxisset, lapides et ipsi magnarum rerum gestarum maiorem longe quam ipsi libri fidem et notitiam praebere videbantur. (uam ob rem et reliqua per orbem diffusa videre atque litteris mandare proposuit. — Aus diesen Worten geht hervor, dals schon im J. 1424 Cyriacus die Inschriften, die ihm etwa vorkamen, gesammelt und wenigstens den Plan zu seinen Commentarien bereits gefalst hatte, was sein Freund Scalamonti wohl wissen konnte. Früher kann dieses jedoch nicht der Fall gewesen sein, da er nach der Erzählung des- selben Biographen (p. LXX) erst kurz vorher Latein zu lernen und sich für das Alterthum ernstlich zu begeistern angefangen hatte. Bald nach diesem kurzen römischen Aufenthalte trat Cy- riacus eine neue Reise nach dem Orient an, von welcher er erst zurückkehrte, nachdem er erfahren, dafs sein Gönner Car- dinal Condolmieri als Eugen IV den päpstlichen Stuhl bestiegen habe, was im März 1431 geschehen war. Auch auf dieser Reise hatte er nach Scalamonti, nachdem er Griechisch gelernt (p- LXXVII), Inschriften für seine Commentarien gesammelt, was namentlich bei Philippi (p. LXXXII), Cyziceus (p. LXXXV) und Mytilene (p. LXXXVII) erwähnt wird. Nach Ancona zurückgekehrt, machte er sich sofort auf den Weg nach Rom, um Papst Eugen zu besuchen, was kaum vor 1452 geschehen sein dürfte, und bereiste von dort aus namentlich die nahe ge legenen Städte Latiums, wie er denn bei dieser Gelegenheit die Inschriften der Plautier am Pons Lucanus bei Tivoli (p. LXXXVIN), den Stein des Hercules Saxanus in Tivoli selbst und an der via ÖOstiensis das bekannte Monument des Antonius Antius (p- LXXXIX) abschrieb (ef. Or. 723; 750; 2006; 890), die sein Biograph insoweit aufführt, dafs er von den Inschriften der Plautier nur die des Plautius Pulcher wiedergiebt. — Auch dieses Mal kann Cyriacus in Rom nicht lange verweilt haben, da er mit den Gesandten Kaiser Sigismunds sich zu diesem nach Siena begab, wo derselbe im Jahre 1452 eingetroffen war. 760 Gesammtsitzung Von dort kam er nach Rom zurück und hatte daselbst mit dem Kaiser, der im Mai 1433 ebenfalls hinkam, und welchem er als Führer durch die Römischen Alterthümer diente, die von Scalamonti angeführte Unterredung (p. XC), welche auch in dem von Mehus edirten Itinerar des Cyriacus (p. 21) sich wieder- findet. Er verliefs bald nachher Rom, um eine Reise durch Toscana und Oberitalien zu machen. Daraus, dafs er in Florenz mit Cosimo Medici zusammenkam, folgt, dafs diese Reise noch in das Jahr 1433 fällt; denn in demselben Jahre ward Cosimo aus Florenz verbannt. Andrerseits mufs seine Rückkehr nach Rom vor den 18. Mai 1434 gesetzt werden, da an diesem Tage Papst Eugen IV aus der Stadt vertrieben wurde. — Über seine weiteren Reisen vergleiche man Tiraboschi, storia della lettera- tura Italiana VI, 1 p. 156 ff, die Itinerarien bei Mehus und die Fragmente seiner eigenen Commentarien: ersterem bin ich auch in Obigem hinsichtlich der Zeitbestimmungen gefolgt. Für unsern Zweck genügt es zu erwähnen, dafs, so viel wir wissen, Cyriacus nach dem Jahre 1434 nicht mehr nach Rom zurückkehrte, dafs also seine Sammlung stadtrömischer Inschriften nicht nach diesem Jahre zu setzen ist. “Nun ist aber ein grofser Übelstand für unsere Untersuchung, dafs die Bruchstücke der Commentarien des Cyriacus, we!che auf uns gekommen sind, sämmtlich einer spätern Epoche an- gehören, indem die frühesten, nämlich die Barberinischen Frag- mente, seine Reisen durch Dalmatien und Griechenland aus den Jahren 1435 und 1436, die späteren, nämlich die von Compagnoni herausgegebenen nova fragmenta, die Reisen der Jahrel442 und 1443 betreffen, während die Briefe bei Targioni Tozzetti und die von Jahn im Bullettino des Instituts 1861 p- 180 edirte Beschreibung der Aegäischen Inseln die Jahre 1444—47 angehen (vgl. Mommsen C.1.L. III. p. 493; 129; 271). Wir haben daher für die von ihm in Rom gesammelten In- schriften keine solche Anhaltspunkte, wie sie für Griechenland, Dalmatien, Oberitalien vorhanden sind, und müssen uns für die stadtrömische Sammlung des Cyriacus auf einzelne Notizen in späteren Syllogen stützen, so wie auf Rückschlüsse aus der Verbindung, in welcher sie uns überliefert sind. Dabei darf vom 29. November 1866. 761 nicht verschwiegen werden, dafs aller Wahrscheinlichkeit nach das eigentlich. systematische Sanımeln von Cyriacus erst auf seinen späteren Reisen von 1435 an betrieben wurde: wenig- stens theilte mir Mommsen in einem Briefe diese Ansicht als die ihm durch eingehende Beschäftigung mit Cyriacus erwachsene Überzeugung mit, und gewils ist es auffallend, dafs Scalamonti in seiner Lebensbeschreibung, die eben nur bis dahin reicht, es mitunter als etwas Besonderes hervor hebt, wenn Oyriacus irgendwo Steine abschrieb, deren er einzelne anführt. Für die griechischen Inschriften ist dies ohnehin glaublich, da ja der Reisende die Sprache erst erlernte, während er vor seinem zweiten Besuche in Rom Jahre lang sich in der Levante auf- hielt. Er mag daher in seine Commentarien anfgenommen haben, was ihm gerade in den Weg kam, ohne eben viel zu suchen, und da, wie wir gesehen haben, sein wiederholter römischer Aufenthalt vor das Jahr 1435 fällt, so mag auch in den Theilen der Commentarien, welche die stadtrömischen Inschriften enthielten, noch nicht die feste systematische Ordnung geherrscht haben, welche die späteren Theile zeigen. Wenig- stens gleicht, was uns erhalten ist, vielmehr den sonstigen Syllogen des 15. Jahrhunderts, in denen ohne viel Ordnung zusammen getragen ist, was dem Sammler gerade vorkam, namentlich auch aus anderen Sammlungen Entnommenes, nicht aber regelmäfsig fortschreitenden Tagebüchern, wie sie die Frag- mente der späteren Commentarien uns zeigen. 2. Gehen wir jetzt zur Besprechung derjenigen Sammlungen über, welche wir als eyriacanisch ansprechen, so gewährt uns zunächst einen wichtigen Anhalt der cod. Ottobon. 2967, die sogenannten Stoschischen Scheden, von der Hand des Bononius von Lodi, wie Mommsen erkannt hat. Er trägt den alten Titel: Kyriaei Anconitani epistolae et inscriptiones ab eo collectae und ist bekannt durch das von Mehus aus ihm edirte Itinera- rium. Der für uns in Betracht kommende Theil beginnt mit f. 54 und reicht bis f. 73, Inschriften Roms, der Umgegend, Umbriens und Picenums enthaltend. Indefs hat schon de Rossi (prime raccolie p. 19) bemerkt, dafs gleich die erste derselben eine Ortsangabe trägt (ad pontem Xistum), welche nicht vor 762 Gesammtsitzung 1475 möglich war; die zweite, das Ediet er auctoritate Turei Aproniani: ratio docuit (Grut. 647, 6), in den älteren Syllogen nach S. Pietro in vincula gesetzt, führt der Ottobonianus, wie auch Petrus Sabinus, vielmehr in der Wohnung des Cardinals von $. Pietro ad vincula auf, unter welchem Namen der nachherige Papst Julius II. verstanden ist, der bei SS. Apostoli wohnte. Dieser, wie wir das auch sonst wissen, hatte dort Inschriften zusammengebracht, und in der That sahen auch Spätere daselbst unsere Tafel (vgl. Smet. 100,9): wenn Achilles Statius sie in casa del P. M. Antonio Colonna sah so kommt das wieder auf das Gleiche hinaus, da der Palast der Colonna eben bei SS. Apostoli liegt. Wenn es nun schon bedenklich sein würde, diese beiden Inschriften auf Cyriacus zurückzu- führen und etwa nur eine Veränderung der Ortsangabe zu vermuthen, so ist dies vollends unmöglich hinsichtlich der nächstfolgenden (f. 54-55’), welche uns durch die wenn auch abgekürzten Ortsangaben und von f.55’ an sogar durch genaue, obgleich lückenhafte Reihenfolge als jucundianisch erwiesen werden, entsprechend dem Veroneser Codex f. 12. 13. 14. 15. Nach diesen folgt auf f. 57 zunächst die Inschrift des pons Salarius (Or. 1162) nach der verlornen Recension des Poggio (vgl. Monatsberichte 1866, S. 224 ff), d. h. den ersten Haupt- theil nicht auslassend, und zwar nicht aus Jucundus herüber genommen, da das falsche post vietoriam Parthicam, welches dieser corrigirt, sich bei Bononius findet. Dagegen dürfte die Inschrift des Atimetus Pamphili (f. 57° 58; vgl. Grut. 627, 4), nach der allerdings etwas modifieirten Ortsangabe zu urtheilen, wieder jucundianisch sein, obwohl das Griechische weggelassen und das Ganze etwas zurechtgemacht ist. Über die Verse qui colitis Cybelen (Ottobon. f. 55) wage ich keine Entschei- dung, während die lex regia (f. 58’—59') durch den falschen Schlufs neve quis de ea re apud ALIQVEN agi sinito dem Signorili vindieirt wird. Wir übergehen die bekannte falsche Inschrift heus viator miraculum, und erkennen auf f. 60 wieder offenbare Ableitung aus Jucundus (Veron f. 9) in den Versen hospes quod deico, deren Lesarten mit jenem durchaus stimmen, dagegen von der im cod. Parmensis des Cyriacus f. 110 (wo sie vom 29. November 1866. 763 übrigeus als späterer Zusatz steht) gegebenen Fassung abweichen. Ohnehin erfahren wir durch die genaue Provenienzangabe im cod. Belloni (Mare. Lat. XIV 192 f. 16) dafs die Inschrift erst unter Papst Sixtus (1471—1484) gefunden worden ist.!) Poggianisch ist die folgende christliche Inschrift von S. Pancra- zio (Poggio 16), aus dem anonymus Einsiedlensis stammend, während die nächststehende temporibus sancti Innocentii episcopi von der sicher cyriacanischen Überlieferung im cod. Marcianus f. 126 gänzlich verschieden ist. Es folgt ein Bericht über die Monumente des Memmius Vitrasius Orphitus (f. 60—61'), deren Abschrift auf Maffeus Vegius von Lodi zurückgeführt wird; dieser könnte sie allerdings dem Cyriacus mitgetheilt haben, ohne dafs sich dies jedoch sicher behaupten liefse, zumal der Schreiber des Codex, Bononius ebenfalls aus Lodi gebürtig, wenn auch bedeutend jünger, als jener, war. Hiernach kommt auf f. 61’ die bekannte vom corpus corariorum magna- riorum solatariorum (so) dem Constantin gesetzte Inschrift (Or. 4074), in Ortsangabe sowohl, wie in jener falschen Lesart mit Jucundus stimmend (Veron. f. 16), so dafs ein Zusammenhang nicht wohl in Abrede gestellt werden kann. Dagegen steht eben daselbst die Inschrift Poggio 66: amplificatori urbis Romae (Grut. 282, 13.) mit der Ortsangabe in frontispitio cuiusdam domus prope S. Sylvestris, welche weiter nicht nachzuweisen ist, wenn es auch gewagt sein würde, defshalb sogleich auf Cyriacus zu rathen. Eben so ist auf £f. 62 die In- schrift des Augustus, welche die Herstellung der Weasser- leitungen betrifft (Or. öl), mit unabhängiger, auch von den Angaben des Cyriacus abweichender Ortsbezeichnung angeführt, so wenig wie die Abschrift der Widmung des Tempels am Fischmarkt (f. 62, vgl. Smet. 7, 13) etwas mit der bekannten eyriacanischen gemein hat (Marcian. f. 128, Vatie. f. 66’, Parm. f. 79). Die übrigen Monumente auf f. 62. 62’ sind offenbar aus Signorili und Poggio entnommen, aus letzterem namentlich auch die grolse Inschrift des A. Quintilius aus Ferentinum auf ") Nach der Parmenser Handschrift fand sich der Stein am 22. Juni 1480. S. C. LI. L. I. p. 561. — Th. M. 764 Gesammtsitzung f. 63 (Poggio 34, Grut. 461,1). — An diese schliefsen sich auf f. 63° die Inschrift des Popilius Carus Pedo, ferner diejeni- gen des Octavius Vitulus und Rustius Flavos, endlich die des Tul. Tulius, sämmtlich von Tibur, an, alle drei in Ortsangabe und Lesung genau mit dem trefflichen cod. Marucellianus A 79, 1 übereinstimmend, welcher, so viel wir sehen, von Cyriacus un- abhängig ist, in dessen sicheren Handschriften ohnehin zwei dieser Steine nicht vorkommen, während der dritte, zumal in der Ortsangabe, durchaus abweicht (Marcian. f. 166‘, Parm. f. 75). Mehr Grund dürfte vorhanden sein, die nach einem weilsen Blatte auf f. 65. 65’ verzeichneten Inschriften von Luna, Pisa, Sarzana dem Cyriacus zuzuschreiben, und in der That wülste ich nicht, was dagegen spräche, wenn nicht etwa der Umstand, dafs in unserm Codex gleich nachher der Name des Cyriacus wirklich genannt wird. Denn nach vier weilsen Blättern (f. 66—69) beginnen endlich auf f. 70 Inschriften mit der stets wiederholten gleichen oder ähnlichen Bezeichnung ab exemplaribus Kiriaci Anconitani, Monumente von Rem, Feren- tinum, Reate, Perusia, Tuder (f. 70—72) enthaltend, welchen ohne Zweifel die auf f. 72—73’ folgenden von Ocriculum, Nepete, Viterbo, Fanum, Ancona, Helvia Rieina, obwohl der Name hier nicht wiederkehrt, zugezählt werden dürfen, was ohnehin für einzelne durch anderweitiges Vorkommen unter cyriacanischen Inschriften erweislich ist, wie denn der Stein des Diocletian aus Fanum im cod. Marcian. f. 151 und Vatie. f. 91, der von Helvia Rieina bei Mehus Itiner. p.53 und cod. Med. LXXX 22 f. 326, diejenigen von Otricoli und Viterbo im Parm. f. 103’, Angelic. f. 29 und 22° wiederkehren, Hand- schriften, deren Zusammenhang mit Cyriacus im Folgenden nachgewiesen werden wird. Wir haben sonach im cod. Ottobon. 2967 eine freilich sehr beschränkte Zahl sicherer und mit des Cyriacus Namen, und zwar in der eigenthümlichen Fassung ex exemplo, ex exemplaribus Cyriaci,bezeichneter Monumente, auf welche wir im Folgenden uns mehrfach zu berufen Gelegenheit finden werden. Ich habe geglaubt, diese Handschrift hier ausführlicher be- handeln zu müssen, damit nicht ihr im Allgemeinen eyriacanischer vom 39, November 1866. 765 Charakter Anlafs gebe, zu dieser Kategorie auch solche In- schriften zu zählen, welche, wie wir sahen, sei es sicher, sei es wahrscheinlich nicht dahin gehören.') 3. Wir wenden uns denjenigen Sammlungen zu, für welche hinsichtlich der stadtrömischen Inschriften ein so ausgesprochenes Zeugnils nicht vorliegt. Unter diesen tritt uns zunächst der cod. Marcianus Lat. XIV 124 entgegen, welcher auf den Blättern f. 124—128. 136. 138—167 Inschriften enthält, meistens aus Istrien und Dalmatien, dazwischen stadtrömische und einzelne italische. Von ihm hat Mommsen in der Einleitung zu den Dalmatinischen Inschriften des C. I. L. (II p. 272. 273) nach- gewiesen, dafs er in den Jahren 1454 bis 1440 von dem Tra- guriner Petrus Capio, wie wenigstens wahrscheinlich sein Name lautete, zusammengestellt sei, und dafs namentlich die Samm- lung der dalmatiner Steine von diesem herrühre. Diese aber stimmt dergestalt mit den dalmatinischen Commentarien des Cyriacus überein, dafs man nicht zweifeln kann, der Ver- fasser jener Sammlung habe die meisten seiner Steine, unter !) In dem zweiten übrigens minder vollständigen Exemplar der Sammlung des Ioannes Bononius coenobü divi Bassiani Laudensis com- mendatarius, welches sich im Original als Anhang zu dem in Utrecht (n. 57) von mir aufgefundenen Ferrarinus, in einer alten und etwas voll- ständigeren Abschrift, als das seitdem um einige Blätter verstümmelte Original jetzt ist, auf der Vaticana (n. 5243) befindet, ist derselben eine aus Lodi vom 1. März 1498 datirte Vorrede vorgesetzt, wonach Bononius hier zusammenschrieb guae dum Neapolitanum regnum peragrarem scriba regius et nondum sacris initiatus ... collegi... et alia quaedam ab exem- plaribus diligentium antiquariorum fideliter transeripta, inter quos primum locum merito sibi vendicat Kiriacus Anconitanus, proximum ab eo Iucundus Veronensis. Hier bezeugt also der Sammler selbst, was an sich schon aus seiner Epoche hervorgeht, dafs bei ihm die eyriacanische Sammlung keineswegs unvermischt vorliegt. Vielmehr bilden für diese Untersuchung den einzigen festen Ausgangspunkt die beiden Handschriften cod. Mar- cianus Lat. XIV, 124 und Vatic. 6875, welche, bei Lebzeiten des Cy- riacus, jene 1440, diese 1446 beendigt, also um etwa funfzig Jahre älter als Bononius, um etwa zwanzig älter als die ältesten der gröfseren Syllo- gen, die des Marcanova und des Felicianus, abgesehen von den Commen- tarien uns allein den Stand der Inschriftenkunde zu Cyriacus Zeit in authentischer Weise kennen lehren. — Th. M. 766 Gesammtsitzung die überdies einzelne aus Cypern, Mytilene, Pergamum (f. 155. 155. 156) gemischt sind, von letzterem, dieser hinwiederum einige von jenem erhalten, den er unter dem, wie es scheint, corrumpirten Namen Petrus Caecius in den Commentarien (unvoll- ständig bei Moroni) selber eitirt. Bedenkt man, dafs Cyriacus in den Jahren 1435 und 1436 in Dalmatien reiste, so wird man diese gegenseitige Mittheilung sehr natürlich finden, zumal sein Freund Georg Begna aus Zara auch in sehr genauem Verhältnifs zu Capio stand, welchem er das Buch de viris illustribus, das sich ebenfalls in dessen Codex findet, im Jahre 1434 ab- geschrieben hatte. Wir müssen hinsichtlich der genaueren Be- weisführung auf das Erscheinen des 3. Bandes des C. I. L. verweisen. Indem wir auch die municipalen Inschriften Istriens und diejenigen Italiens, welche meistens nach Oberitalien und Picenum gehören, mit Ausnahme weniger aus Roms nächster Umgegend im Wesentlichen unberücksichtigt lassen, wenden wir uns zu den stadtrömischen Monumenten der fraglichen Samm- lung, welche folgende Blätter einnehmen: 125—128’; 139—141 (hier sind zwei Inschriften aus Auximum und Ariminum einge- schoben); 141’ (142—143° enthalten die Inschriften der Plautier aus Tivoli); 144—149' (auf der letzten Seite und auf f. 150 In- schriften aus Ravenna und Auximum, auf welche dalmatinische folgen); 153’; 156°; 163; 167. Da diese überall gemischt mit cyriacanischen Inschriften auftreten, ist es an sich schon wahrscheinlich, dafs auch sie aus keiner andern Quelle ab- zuleiten sind; dazu aber kommt wenigstens für einige das direete Zeugnifs des Biographen, der bei Gelegenheit des zweiten Römi- schen Aufenthalts und des Ausflugs nach Tivoli die Inschriften der Plautier, deren eine er, wie wir oben sahen, als Probe wieder- giebt (p. LXXXVIN), gleich nachher aber das Monument des M. Antonius Antius Lupus mit einer Ortsangabe erwähnt, die mit dem ccd. Marcianus übereinstimmt (p. LXXXIX: secus Tyberim ad IIII ab Urbe lapidem; cod. Marc. extra urbem Romam inxta Tiberim quatuor mil. pas.) Ferner habe ich be- reits in meinem Aufsatze „über die Aufnahme der in den ältesten Syllogen enthaltenen Inschriften in die späteren Samm- lungen” (Monatsberichte 1566 S. 245) darauf hingewiesen, wie die Ortsangabe im cod. Marcian. f. 153°: in ponte Salario extra vom 29. November 1866. 7167 portam Picenam, weil durchaus ungebräuchlich, unzweifelhaft nur dem Picenter Cyriacus zugeschrieben werden könne. End- lich giebt der so eben besprochene cod. Ottobon. 2967 £. 71 die bekannte Inschrift des Camerius Crescens archigallus Matris deum magnae (cod. Marc. f. 149, vgl. Or. 2320) ausdrücklich ab exemplo Kiriaci Anconitani. Dieselbe Angabe wiederholt sich auf f. 71 bei dem Reatiner Monumente des T. Fundilius Gemnius (Mare. f. 167; vgl. Grut. 414,2) und dem Perusiner des C. Vi- bius Gallus (Mare. f. 166’; vgl. Gent. 487,2). Noch kann man hinzufügen, dafs alle Orte Italiens, von denen Inschriften im cod. Marcianus aufgeführt sind, vor 1435 von Cyriacus besucht worden sind; wenn von einigen, wie Nepi, Terni, Spoleto, Perugia dieses in seiner Biographie nicht ausdrücklich gesagt ist, so lagen doch dieselben auf dem Wege, den er auf der Reise von Ancona nach Rom schon mehrmals gemacht hatte. Picenum, seine vaterländische Provinz, kannte er längst, Venedig aus früher Jugend und Istrien mag er von dort aus früher besucht haben. Es steht also Nichts der Annahme entgegen, dafs sämmtliche Steine, welche die bezeichneten Theile des cod. Marcianus enthalten, mit Ausnahme der wenigen, welche Mommsen als von Capio hinzugefügt nachgewiesen hat, letzte- rem von Cyriacus mitgetheilt sind. Dafs unter ihnen sich In- schriften hefinden, welche aus Signorili oder Poggio entnommen sind (so gleich zu Anfang das Elogium des Marius, dann die Inschriften ossa Ti. Caesaris, C. Caesaris f. 126‘, die der Cälimontanischen Bogen f. 127, der Porta Portuensis f. 145 aus Signorili, aus dem diejenige des pons Salarius f. 153’ eorrigirt ist; — aus Poggio das Elogium des Fabius Maximus f. 126), der Stein des Archigallus Camerius Crescens f. 149, die auf f. 126 nach Autopsie richtiger gegebene Inschrift Divo Primi- genio f. 155, während in derjenigen des Gallienus-Bogens die falsche Lesung des Poggio vindicatissimus aufgenommen ist), beweist keineswegs für directe Entlehnung aus diesen Syllo- gen; vielmehr sind all diese Steine schon von Cyriacus selber aufgenommen oder nach jenen Syllogen corrigirt worden. — Schliefslich darf wohl auch die Vortrefflichkeit der Abschriften, welche durchgängig die Zeilenabtheilung beobachten und die 768 Gesammtsitzung Lücken angeben, als ein Grund für die Annahme angeführt werden, dafs sie von Cyriacus herstammen. 4. Wir gehen zu dem cod. Vaticanus 6875 über. Für die in ihm enthaltene Sammlung Dalmatinischer Steine hat Mommsen in der obgedachten Einleitung den Beweis geliefert, dafs sie im innigsten Zusammenhange mit derjenigen des eben besprochenen cod. Marcianus stehe, die wir dem P. Capio zu- schreiben. Vermuthungsweise spricht er den Gedanken aus, sie möge wohl dem G. Begna, jenes und des Cyriacus Freunde, angehören, und, zwar nicht aus dem cod. Mareianus selber, wohl aber aus den Scheden des P. Capio geflossen sein. Be- trachten wir die stadtrömischen Inschriften, welche diese Hand- schrift enthält, so ist auch bei diesen und den damit zusammen- gehörigen wenigen italischen Monumenten derselbe enge Zu- sammenhang unverkennbar. In beiden Sammlungen beginnt die Serie mit den Elogien des Fabius und des Marius, und überhaupt entsprechen die Blätter 62—63’ des cod. Vatie. genau den ff. 124 —126 des Marcianus, nur dafs dieser zwei Inschriften aufführt, welche jenem fehlen. Hierauf sind wieder fl. 65—67 in genauer Übereinstimmung mit ff. 126°—128 des Marcianus, während die nächsten Blätter bis f. 69’ den Blättern 140—143’ entsprechen. Nach diesen ist im cod. Vatic. auf ff. 70. 71 die lex regia eingeschoben, welche im Marcian. schon vorher auf f. 139. 140 steht; von f. 71’ an aber tritt die vorige Reihen- folge wieder ein, indem f. 71-73 den Blättern 144 —149' des Marcianus gleichstehen. Die Ortsbezeichnung stimmt in der Regel genau überein; doch ist sie aus Versehen zu- weilen ausgelassen, z.B. bei dem Steine der Magna deum mater und des Attis (Mare. f. 126). Da diese Ortsbezeichnungen mit den anderweitig bekannten cyriacanischen oft nur dem Sinne nach zusammen treffen, unter einander aber, wie gesagt, meistens wörtlich dieselben sind, so läfst sich die gleiche Herleitung des Vaticanus und des Marcianus nicht bezweifeln. Auch die ita- lischen Inschriften, welche auf die stadtrömischen folgen, beob- achten im Ganzen die gleiche Reihenfolge im Vaticanus wie im Mareianus, obwohl andre dalmatiner Steine eingeschoben sind: f. 73. 74 Ravenna, Osimo entsprechend dem Mare. f. 149', 150; nach mehreren Inschriften von Zara f. 75 die Verse des vom 29. November 1866. 769 pons salarius = Marcian. f. 153’; dann nach neuen dalma- tinischen f. 81 Vasto, Modena, Verona, Aquileia, später Fano, Sinigaglia, Perugia, Terni, Rieti, wiederum Rom und Tivoli. Es sind dabei allerdings manche Inschriften des Marcianus aus- gefallen, andre eingeschoben; allein im Ganzen ist die Reihen- folge festgehalten worden. Auffallend könnte erscheinen, dafs die Seiten 64. 64’ des Vaticanus mit dem Marcianus in keinem Zusammenhange stehen: von den 10 Inschriften derselben kommt nämlich nur die eine eines M. Aurelius Aug. lib. Sabinus auf f. 149 des Marcianus vor. Aberdie andern finden sich meistens in anderen als cyriacanisch anzusehenden Handschriften, wie im Parmensis; mehrere, bei denen dies nicht der Fall, wie die Inschriften des Septimius Honestissimus, Q. Fabius Maximus Aurelianus, läfst ihr Vor- kommen bei Marcanova und im cod. Redianus als solche be- trachten, die füglich auf Cyriacus zurückzuführen sein können; diejenige einer Faustilla, welche die abgeleiteten Quellen nach Ancona setzen, kommt überdies noch in den cyriacanischen codd. Vatic. 3630 und 5252 f.7 vor. Danach kann es kaum zweifelhaft sein, dafs auch diese ganze kleine Reihe aus Cyriacus herstammt. Man wird daher ebenfalls berechtigt sein, die dem Vaticanus eigenthümliche Lesart der Inschrift des Poblieius Bibulus (C. I. L. vol. I 635), welche in dem ceyriacanischen cod. Parmensis an zwei Stellen, und zwar einmal (f. 91) aus Signorili, das andre Mal (f. 103) aus Poggio gegeben wird, für die echte Lesung des Oyriacus zu halten. — Der Umstand nun, dafs diese als cyriacanisch anerkannten Inschriften im Marcianus fehlen, während wir oben sahen, dafs dieser hinwiederum einige hat, die dem Vaticanus abgehen, könnte zu der Vermuthung führen, beide möchten unabhängig von einander aus Cy- riacus abzuleiten sein, was ja an sich nicht unmöglich sein würde. Aber es genügt die Übereinstimmung der beiden Handschriften in den Ortsangaben, die, wie wir sahen, unter sich fast identisch, von anderen ceyriacanischen Angaben häufig abweichen, um eine solche Vermuthung zu widerlegen ‘ und vielmehr Mommsens Ansicht zu begründen, nach welcher die Sammlung des cod. Vaticanus zwar nicht aus unsrer [1866.] 54 770 Gesammtsitzung Handschrift des Petrus Capio, wohl aber aus dessen Scheden stammt. 5. Wir haben somit eine, wenn auch nur kleine Zahl von Inschriften, die wir mit Sicherheit als eyriacanisch und von diesem Sammler vor 1435 abgeschrieben bezeichnen können. Zugleich halten wir fest, dafs unter diesen sich auch solche be- finden, welche er aus Signorili und Poggio genommen hatte. Untersuchen wir, ob diese Thatsachen geeignet sind, uns zur Erkenntnifs weiterer eyriacanischer Inschriften zu verhelfen. Dieses würde nicht der Fall sein, wenn auch in anderen Samm- lungen die bisher besprochenen Inschriften in gleicher Reihen- folge oder doch als compacte Masse aufträten; ein solches Vor- kommen würde in sehr geringem Grade zu der Annahme gleicher Abstammung für die vorhergehenden oder nachfolgenden Steine berechtigen. Kommen sie dagegen unter andern zerstreut zumal in Sammlungen vor, in denen einzelne Theile schon an- derweitig als cyriacanisch bekannt sind; zeigen überdies die Abschriften denselben Character, so kann es kaum einem gegründeten Zweifel unterliegen, dafs auch die neu hinzutreten- den Theile in die gleiche Kategorie mit jenen gehören. 6. Vergleichen wir nun die Inschriften des cod. Marcianus mit denen des cod. Parmensis, für dessen ersten Theil die Abiei- tung aus den Commentarien des Cyriacus durch die erhaltenen Fragmente der letzteren feststeht, so entsprechen gleich zuerst die Blätter 124’ 125 des Marcianus dem Parmensis f. 90. 90’, wogegen die Inschrift des Antonius Antius Lupus, auf f. 125’ des Mareianus, im Parmensis auff. 74 steht, gleich nachher aber die Inschrift der Magna mater auf f. 96‘. Es folgen sodann Inschriften vom Parm. f. 78. 78’. 76. 77. 77. 79. 76., ent- sprechend denen, welche der Marcianus bis f. 128 bringt; da nach die falsche Inschrift vom Rubico auf f. 138’ im Parm. auf f. 103’, die lex regia auf f. 139—140, entsprechend dem f. 75 des Parmensis. Die Blätter 140’ 141. 141’ des Mareianus zeigen sodann Inschriften, welche der Parmensis auf 76. 77.79 bringt, wogegen die von f. 142 sich bei diesem auf 77° wieder- finden. An diese schliefsen sich die Steine der Plautier Mare. f. 142. 143. 143°, im Parmensis auf f. 74’; hinwiederum stehen die Inschriften von f. 144. 144’. 145’ in diesem auf f. 77. 78. 77”. vom 29. November 1866. ern! Die ebenfalls auf f. 145 des Marcianus stehende Inschrift der porta Portuensis hat der Parmensis auf f. 92, das Fragment der Sacerdotalfasten von f. 146 dagegen auf f. 78’, die bekannte metrische Inschrift des Atimetus f. 146'—148 auf f. 73, während diejenige des Obelisken von S. Peter f. 143 im Parmensis auf f. 75 vorkommt. Die vier Monumente von f. 148° entsprechen wiederum dem Parmensis f. 79 und beobachten so ziemlich die gleiche Reihenfolge, während f. 149 Inschriften zeigt, die im Parmensis auf ff. 77. 76”. 91. 94 zerstreut stehen. Auf f. 149’ folgt zunächst die Fortsetzung von Parm. f. 79, an welche aber wieder ein Stein von f. 78 sich anschliefst. Die Verse der Salarischen Brücke Marc. f. 153’ lesen wir im Parm. f. 74, und auf f. 98 des letzteren das bekannte Epigramm ingratae Veneri cet. im Mare. f. 156, während die Inschrift der Brücke des Gratianus Marc. f. 163 im Parmensis auf f. 78 steht. Endlich mag bemerkt werden, dafs die Inschriften aus Terni und Perugia (Mare. f. 161 —162’ 166) im Parm. f. 103 und 105, die Tiburtiner Marc. f. 166° im Parm. f. 75 sich finden und die römische des Terentius Pamphilus Mare. f. 167 in diesem f. 99” wiederkehrt. — Diese Übersicht zeigt, dafs die im Marcianus und demnach auch im Vatieanus enthaltenen Inschriften über alle Theile des cod. Parmensis, von dem sie übrigens nur einen geringen Bestandtheil bilden, zerstreut sind'). Diejenigen Inschriften des letzteren, welche in jenen nicht enthalten sind, zeigen zum grofsen Theil dieselbe Vor- trefflichkeit der Abschrift, wie die andern, behalten in der Regel die Zeilenabtheilung bei und geben die Lücken an, häufig mit Bemerkungen, wie religquum est sub terra f. 78, occupantur a domo quadam f. 79 u. a. m., obwohl einzelne Partien der Handschrift diese Genauigkeit allerdings vermissen lassen. Dazu kommt, dafs einige dieser Inschriften uns ausdrücklich als ey- ') Um diese Angabe richtig zu finden, mus man wissen, dafs der hier in Betracht kommende Theil des Parmensis mit f. 73 beginnt und mit f. 105 schliefst, wobei die italischen Municipalinschriften mit hinein- gezogen sind, dafs aber durch ein Versehen bei der Foliation der Schreiber von f. 79 auf f. 90 übergesprungen ist, f. 80—89 also in der Handschrift nicht existiren. 94* 772 Gesammtsitzung riacanisch anderswo überliefert werden, ‘und gerade dadurch wird für uns der oben behandelte cod. Ottobonianus so wichtig; denn in ihm lesen wir bei der Inschrift der Fabia Aconia Pau- lina (Parm. f. 93) den Zusatz ab eodem (Kiriaci) exemplo; auf f. 70 bei dem Monumente des L. Ragonius Urinatius Lar- cius Quintianus (Parm. f. 99°) ähnlich: ab exemplaribus Kiriaci Anconitani; dasselbe bei der bekannten Tudertiner Inschrift pro salute coloniae (Parm. f. 100), wo dieselbe zusammen mit den Inschriften von Reate und Perusia angeführt wird, welche wir bereits oben als solche erwähnt haben, denen das ausdrückliche Zeugnils ab exempl. Kiriaci Anconitani gegeben werde. Hinzu kommen noch zwei aus Poggio stam- mende Inschriften, die der Burg von Ferentinum (Poggio 33, Parm. f. 103) und diejenige des M. Aurelius Romanus (Poggio 85, Parm. f. 103), welche im cod. Ottobon. dieselbe Bezeichnung tragen, daselbst zusammengestellt mit der vorher angeführten des Archigallus Camerius Crescens, die demnach durch das Zeugnils des cod. Ottobon. und das Vorkommen im Marcianus als cyriacanisch feststeht. Indem ich alle die Steine übergehe, für welche - ein ausdrückliches Zeugnils uns nicht vorliegt, obwohl sie, wie wir oben gesehen, nach ihrer Stellung im cod. Ottobon. mit aller Wahrscheinlichkeit sich als cyriacanisch beanspruchen lassen, glaube ich unter Berufung anf die bishe- rige Auseinandersetzung mit vollem Rechte annehmen zu dürfen, dafs der cod. Parmensis durchgängig auf Cyriacus zurückgeführt werden mufls. Zwar enthält er lange Reihen von Steinen, die derselbe nicht gesehen und die aus Signorili und Poggio ge- flossen sind; allein dafs dieses kein Hindernifs sei, dals Cyriacus vielmehr nachweislich aus beiden geschöpft, ist bereits in meinem obgedachten Aufsatze in den Monatsberichten (p. 232 und 242) dargelegt worden. Poggio war ja sein Zeitgenosse und Bekannter, und Signorili’s wenig ältere Schriften dürften damals in Rom verbreitet genug gewesen sein, da ja alle Späteren ebenfalls aus ihnen schöpften. — Dafs endlich fast alle stadtrömischen Inschriften dieser als cyriacanisch angenommenen Sammlung in den sicher ebenfalls auf Cyriacus zurückgehenden Syllogen späterer Zeit sich finden, kann nur dazu dienen, unsre Annahme mehr und mehr zur Überzeugung zu erheben. — Auffallend vom 29. November 1866. Perle könnte sein, dafs in der Handschrift der Marciana und dem entspre- chenden cod. Vaticanus sich einzelne stadtrömische Inschriften finden, welche in dem so viel reichhaltigeren cod. Parmensis nicht vorhanden sind; allein in der That macht dies keine Schwierigkeit, da der letztere in jedem Fall auch nichts An- deres ist, als ein Auszug aus den Commentarien oder den Papieren des Cyriacus, wie das schon oben in Bezug auf seinen Anfang und dessen Zusammenhang mit den Barberinischen Fragmenten erwähnt ist. Solche Inschriften sind z. B. diejeni- gen des P. Aelius Mucianus und der Terentia Thallusa auf f. 125’ des Marcianus, die erstere auch auf f. 63 des Vaticanus; die des Fabricius Proculus auf f. 126, beim Vatic. auf f. 65; die des Pontius Maximus auf f. 146; des Aurelius Salvius im Mare. f. 149, Vatic. f. 73, zu denen im Vaticanus noch Q. Sep- timius Honestissimus, Q. Fabius Maximus Aurelianus und Faustilla aus Ancona kommen (s. 8.769). — Dafs aber die be- treffenden Commentarien und Sammlungen des Cyriacus bereits vor 1455 zusammengestellt waren, wird nicht nur wahrschein- lich defshalb, weil deren Verfasser, so viel wir wissen, nach diesem Jahre Rom nicht wieder besuchte, sondern ergiebt sich auch, wie mir scheint, aus den Sammlungen des Marcianus und Vaticanus selbst, insofern die in diesen enthaltenen Inschriften nicht etwa aus einem besonderen Abschnitt, sondern, wie wir gesehen haben, aus den verschiedensten Theilen derselben gezogen sind; wäre dies nicht der Fall, so könnten sie unmöglich über den ganzen cod. Parmensis dermalsen zerstreut sein. Warum Capio gerade diese wählte, warum nicht mehrere, und warum er sie so durch einander würfelte, ist eine Frage, die sich nicht be- antworten lälst; von systematischer Ordnung ist überhaupt keine Rede, weder bei ihm noch im Parmensis. Vielleicht hatte Oy- riacus, der schwerlich seine gesammten Commentarien auf seinen Reisen bei sich führte, als er dem Capio Mittheilungen machte, gerade jene Papiere zur Hand, und andrer Seits haben wir aus dem Vaticanus nachgewiesen, dafs der Marcianus auch nicht einmal alles enthält, was sich in den Scheden des Capio vor- fand, da ja der den letzteren entflossene Vaticanus verschiedene jenem fehlende Monumente bringt. 774 Gesammtsitzung 7. An den cod. Parmensis schlielst sich auf das Engste der cod. AngelicanusD 4, 138 an, bekannt unter dem Namen des ehemaligen Besitzers, des im vorigen Jahrhundert berühm- ten Cardinals Passionei, am Ausgange des 15. und zu Anfange des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich in Urbino geschrieben. Von ihm handelte Herr de Rossi in seinen prime raccolte p. 22 und an anderen Stellen jener Schrift, obne jedoch damals, zu einer Zeit, in der der cod. Parmensis ihm noch nicht näher bekannt war, seinen ganzen Werth und seine Stellung in der epigraphischen Litteratur bestimmen zu können. Die Handschrift enthält zunächst nach einer Inschrift von Curzola auf f. 1—11 den zweiten Theil der Sylloge des Poggio und wurde von Hrn. de Rossi seiner Ausgabe derselben neben dem vollständigeren, aber schlechteren Vaticanus zu Grunde gelegt; hierauf die bekannte Ostiensische Inschrift Littoribus nostris cet. mit der doppelten Lesart und sodann die Sylloge des Signorili, von der Hr. de Rossi auf p. 22 seiner Schrift handelt. Auch f. 22’ lesen wir die Inschrift: in episcopatu Viterbiensi TRIB. MIL. LEG. VII cet., die wohl ohne Zweifel auf Cyriacus zurückgeht, da sie nicht blofs im cod. Parmensis f. 103 steht, sondern auch im cod. Ottobon. 2967 auf ausdrücklich als solche bezeichnete Cyriacana folgt (f. 72). Auf fi. 23—29 haben wir sodann eine stadtrömische Sammlung, welche auf das Engste sich an den cod. Parmensis anschliefst, so zwar, dals sie den ff. 92’—96 desselben entspricht und nur ausnahms- weise einzelne Inschriften einschaltet, welche dieser an anderen Orten giebt (so auf f. 24 das Monument des Atimetus Parm. f. 72, auf f. 25° die Inschrift des T.. Baebius Parm. f. 78’, auf f. 26 den Stein des Caecilius Macrinus Parm. f. 76, auf f. 29 die ocrieulanische Inschrift der Julia Tueilia [sie] Parm. f. 105), oder auch anderer Seits einzelne ausläfst, um ‚sie anderswo zu bringen (so auf f. 40° den Stein Z. Sentinati Parm. f. 95, der an’s Ende nach Tivoli versetzt wird), nicht zu gedenken einzelner unbedeutender Umstellungen in der Rei- henfolge. An jene Serie schliefsen sich die Inschrift der Burg von Ferentino aus Poggio, die signorilische Mithras - Inschrift ©. Iulius Caesar u. s.w., und sodann auf ff. 30. 31 eine ge- mischte Sammlung von Steinen aus Aquileia, Rom, Asti, Flo- vom 29. November 1866. 775 renz, Spoleto, Viterbo, die meistens auch im Parmensis vor- kommen und gewils als eyriacanisch gelten können. Es folgen zwei falsche spanische (unter diesen diesen die bekannte bello Sertoriano cet.), eine aus Steiermark; hierauf moderne, wiederum Oestreichische, dann Paduanische, endlich die unter Nennung des Cyriacus vielfach vorkommende Inschrift von Amastron (f. 34); darnach wiederum dalmatische und griechische Steine desselben, die in seinen Fragmenten publieirt sind, untermischt mit einzelnen ravennatischen, tiburtinischen und anderen Stei- nen, die sich meistens ebenfalls als von ihm herstammend nach- weisen lassen. Endlich auf f. 42’ wird die mit f. 29 abge- brochene stadtrömische Serie wieder aufgenommen, entsprechend den ff. 96° — 97’ des Parmensis, während den Beschlufs der für uns wichtigen Theile die Verse aus Byzanz: difficilis quondam cet. und einige Steine aus Recanati (Parm. f. 104’) machen. Es folgen noch spätere Nachträge aus Urbino und Modena, und von f. 46 an eine Sammlung, deren Verfasser sich Bernardinus Ubaldus aus Urbino nennt und sie im J. 1580 begonnen zu haben angiebt. Die obige Beschreibung hat zur Genüge gezeigt, dafs wir hier wiederum mit einer wesentlich eyriacanischen Handschrift zu thun haben.. Da die Benutzung des Signorili und Poggio durch Cyriacus feststeht, so kann man vielleicht sogar anneh- men, dafs ein Theil der Sammlungen desselben in ihr in ur- sprünglicherer Form vorliege, als im cod. Parmensis, wel- cher Signorili’s und Poggio’s Inschriften zerstreut an ganz verschiedenen Stellen vorbringt. Auch sind die Lesarten im Anselicanus häufig besser als im Parmensis, die Ortsangaben zuweilen genauer und ausführlicher, und man muls defshalb ihn als dem Parmensis durchaus ebenbürtig betrachten. Beide dürf- ten aus gleichem Originale unabhängig von einander abgeleitet sein; ob dieses Original aber die eigenen Commentarien des Cyriacus gewesen, oder ein diesen entflossener Auszug dürfte schwer zu entscheiden, vielleicht das Letztere wahrschein- licher sein. Noch. bemerke ich, dafs in den Theilen des Par- mensis, welche der Angelicanus wiedergiebt, nur der kleinere Theil der Inschriften enthalten ist, die bereits durch den Mar- eianus und Vaticanus als cyriacanisch feststanden, und dafs daher 776 Gesammtsitzung . ihr Wiederkehren in jener zu so grofsem Theile unzweifelhaft von Cyriacus abhängigen Handschrift eine neue Bestätigung für die Ableitung des Parmensis ist. 8. Noch sind einige Handschriften zu erwähnen, welche, obwohl von Cyriacus abhängig, doch für die stadtrömischen Inschriften von keiner Bedeutung sind. Ich meine zuerst den cod. Riccardianus 996, nach de Rossi aus dem 15. Jahrhundert. Nach verschiedenen Schriften des Pandulphus Collenutius, Cer- bonius Tifernas, des Cyriacus selber enthält er zunächst eine doppelte Sylloge griechischer Inschriften aus den Cykladen, Kleinasien und Akarnanien mit ausdrücklicher Erwähnung des Cyriacus. Auf diese folgen von f. 13 an stadtrömische In- schriften, die ersten Blätter (13 — 17) genau mit Jucundus über- einstimmend, zum Theil Inschriften enthaltend, welche nachweis- lich nach der Zeit des Cyriacus entdeckt wurden, wie die Her- cules-Steine der Ara maxima. Danach kommt eine Inschrift aus Aquileia, hierauf in genauer Übereinstimmung mit dem cod. Ottobon. 2967 f. 57 die aus Poggio gezogene Inschrift des pons salarius, beide, sowie die nächsten (die aus Plinius ent- nommene Triumphalinschrift über die Alpenvölker, die falsche vom Rubico, die des Trajansbogens in Ancona), möglicher Weise durch Cyriacus vermittelt. Auf ff. 19 — 20’ neapoli- tanische, dann f. 21 die Inschrift des C. Vibius aus Perugia und die bekannte tudertiner Inschrift pro salute coloniae; f. 21’ Caieta, Asta, Dertona, alle wohl eyriacanisch; f. 22 Fälschun- gen und dazwischen die Reatiner Inschrift de decuma victor, die erst nach der Zeit des Cyriacus entdeckt wurde (C. I. L. I. 542); sodann f. 22’. 23 einzelne römische von ungewisser Herkunft, gemischt mit paduanischen, denen f. 24 die lex regia, f. 25. 25° die Elogien des Fabius und Marius, dann wieder bis f. 29 stadtrömische Inschriften, meistens signorilisch und pog- gianisch, einzelne vielleicht eyriacanisch, wie denn ja auch jene dem Oyriacus entnommen sein könnten. Es folgen Inschriften von Benevent, Vienne, Mailand, Novara u. a. O., dann wieder neapolitanische, und auf f. 33. 33’. 34 stadtrömische, zum Theil poggianisch, doch aber wohl aus Cyriacus entnommen; eben so f. 34’ ein entschieden cyriacanischer Stein aus Reate (T. Fundilius Geminus), denen auf f. 34° —35’ sich auf’s Neue nea- vom 29. November 1866. 3 7 politanische und zumal beneventanische entschliefsen, sowie auf f. 35° nochmals die Inschrift vom Rubico, f. 36 eine falsche aus Corsica, dann bis f. 38 spanische mit Einschiebung einer ve- ronensischen, zum Schluls das bekannte Decret von Salona, und f. 39 eine Inschrift von Aquileia, die wieder mit Sicherheit als eyriacanisch beansprucht werden können. Daran schliefsen sich von 39’ bis 44 nochmals Inschriften Poggio’s, wahrschein- _ lich aus Cyriacus, eben so wie die nächstfolgenden aus Unter- italien bis f. 41’. Die dann kommenden Blätter enthalten wie- . der ein buntes Gemisch von Echtem und Falschem, einzelne bekannte stadtrömische, aber mehr spanische, dann nach Grie- chenland gehörige, zum Schlufs zahlreiche Epigramme auf Kunst- werke und Ähnliches. — Es wird nach dieser Ausführung keinem Zweifel unterliegen, dafs die ganze Sammlung für die Stadt Rom ohne Werth ist und einfach beseitigt werden kann, wofern nicht hie und da eine vereinzelte Inschrift oder Notiz sich als brauchbar erweist. 9. Noch eine andere florentiner Handschrift ist zu er- wähnen, der cod. Magliabecchianus conventi soppressi 9 — 14, die von P. Cenninus gesammelten Inschriften enthaltend. Aufser stadtrömischen enthält derselbe patavinische, aquilejensische, ferentinatische, interamnatische Steine, kurz, alle die Elemente, welche auf Cyriacus zurückzugehen pflegen; dann auch aus Griechenland stammende, die ausdrücklich ex Kyr. Ancon. an- geführt werden (s. 18), eine Bezeichnung, die zugleich auch einer aquilejensischen Inschrift hinzugefügt wird, ohne dafs es klar wäre, ob sie auch auf die dann folgenden Steine Bezug habe, wel- che theilweise stadtrömisch und signorilischer Abkunft sind, wäh: rend andere allerdings auf Cyriacus zurückzugehen scheinen, wie z. B. die bekannten interamnatischen. Wenn es so festgestellt ist, dafs die Sammlung in ihrer zweiten Hälfte wenigstens grofsen Theils auf Cyriacus beruht, so wird man wohl für die stadtrömischen Inschriften der ersten Hälfte ein Gleiches anzunehmen geneigt sein; allein dabei ist vor Allem darauf aufmerksam zu machen, dafs einzelne Ortsangaben von denen der anerkannt cyriacanischen Handschriften völlig abweichen, überhaupt in letzteren auch nicht eben viele der cenninischen Steine nachweisbär sind. Ich glaube daher, dafs wir nicht berechtigt sind solche Monumente, welche 778 Gesammtsitzung nicht schon aus andern Gründen dem Cyriacus beizulegen sind, blofs defshalb für cyriacanisch zu erklären, weil sie sich in jenem Codex finden, und ist auch er defshalb für die Stadt Rom als ziemlich werthlos zu betrachten. 10. Endlich ist hier der cod. Chisianus J. VI 203, membr. 4, vormals Altempsianus, in Betracht zu ziehen, zu Anfange des 16. Jahrhunderts sehr elegant geschrieben. Er enthält auf £. 1—5 Inschriften aus Poggio, denen zweimal andere beigemischt sind, die als cyriacanisch angesehen werden dürfen; sodann f. 6— 11’ aufser einzelnen poggianischen vorzugsweise dem Cy- riacus entnommene, welchen auf f. 12—15’ die unzweifelhaft cyriacanischen aus Monselice, Macerata, Griechenland, Asien, ferner die paduanischen nebst der dalmatiner Mellia Anniana, dann die von Vasto sich anschliefsen; dazwischen wieder ein- zelne des Poggio. Auf f. 15° folgt Atimetus und nach der Aconia Salutaris von Ravenna auf ff. 16. 16’ eine neue Reihe von Steinen aus dem ersten, dem Anonymus Einsidlensis ent- lehnten Theile des Poggio; dann Patavium, Philippi, Ravenna, die Inschrift des Pantheon bis f. 18, wo signorilische Steine eintreten, denen von f. 18° bis 20° wieder poggianische, nur einzeln mit cyriacanischen gemischte Inschriften folgen, bis auf f. 21— 22 wieder Signorili eintritt. Die beigemischten ceyria- canischen Steine von Agnileia, Ostia, Patavium, Firmum u. s. w. lassen kaum bezweifeln, dafs Signorili und Poggio in diesem Codex nur durch Vermittelung des Cyriacus benutzt seien. In der That enthalten die nächsten Blätter (23’—26) fast aus- schliefslich Inschriften, welche sich, wenn auch in veränderter Reihenfolge, auf den Blättern 75— 79 des cod. Parmensis wie- der finden. Daran reihen sich einige anconitaner Steine, die bekannte Brückeninschrift des @. Lepidus, die falsche des Aemi- lius Papinianus, diejenige des Atimetus (f. 26’), endlich das Deeret von Salona, das falsche vom Rubico und eine kleine Anzahl mailänder Steine bis f. 29, von wo bis f. 30° nochmals Signorili eintritt, hie und da wechselnd mit den gewöhnlichen, als Inschriften cursirenden Epigrammen und ähnlichen Dingen. Mailänder, ravennatische, pataviner Steine, mit gleichartigen Epigrammen gemischt, nehmen die nächsten Blätter ein, denen von f. 36'—41 eine lange bunte Serie von Steiuen ohne Orts- vom 29. November 1866. 779 angabe folgt, sowohl von Rom, wie von Verona, Mantua, Ve- nedig, Brescia, gemischt mit falschen, einzelne bekannt als cyria- canisch, ohne dafs jedoch dieselben für die Bestimmung der an- dern einen Anhalt gewährten. Auf f. 41’ folgen wieder Steine aus Oberitalien, besonders aus Mailand, bis f. 44, wo unteritalische, bessonders von Luceria, Venusia, Capua eintreten, bis auf f. 47° noch einmal zwei städtische folgen. Den Schlufs machen zwei Inschriften von Como und Parma, von andrer Hand hin- zugefügt. — Es geht aus der gegebenen Übersicht zwar hervor, dafs auch diese Handschrift wesentlich von Cyriacus abhängig ist, zu dem ich in diesem Falle auch Signorili und Poggio rechne, andrer Seits aber auch, dafs sie wenigstens für dessen stadtrömische Inschriften ohne Werth ist, da sie durchaus Nichts enthält, was, wenn -es nicht sonst schon als cyriacanisch be- kannt ist, mit Bestimmtheit als solches betrachtet werden könnte. 11. Wir stehen am Schlusse unsrer Unsersuchung, deren Resultate wir noch einmal kurz zusammen fassen. Wir haben gesehen, wie eine kleine Anzahl stadtrömischer Inschriften uns ausdrücklich als eyriacanisch überliefert wird, und zwar durch den cod. Ottobonianus 2967. Andere haben als zweifellos cy- riacanisch sich uns dadurch ergeben, dafs der Verfasser der sie enthaltenden Sammlung (cod. Marcianus) notorisch in Ver- bindung mit Cyriacus stand, von welchem andre ihrer Theile offenbar herstammen. Dadurch, dafs wir sowohl den Inhalt dieser und der ihr entsprechenden Sammlung (cod. Vaticanus), wie auch sicher cyriacanische Inschriften anderer Gegenden, im Codex von Parma wiederfanden, haben wir uns berechtigt geglaubt, dessen Gesammtinhalt unserm Reisenden zu vindiciren. Hier endigen jedoch unsere Resultate; denn der Codex der Angelica bietet uns zwar eine werthvolle Bestätigung derselben, zumal für den cod. Parmensis, mit dem er so genau überein- stimmt, dient jedoch nicht zur Vermehrung unserer Kenntnisse, und die gänzliche Werthlosigkeit der übrigen Syllogen für unsre Zwecke ist so eben von uns erörtert worden. Wenn demnach der von uns als cyriacanisch bezeichnete stadtrömische Inschriften- schatz, zumal nach Abzug der dem Signorili und Poggio entnom- menen Steine, als wenig zahlreich sich ergeben hat, so fragt es sich, ob derselbe überhaupt als ursprünglich bedeutend grölser ange- 780 Gesammtsitzung nommen werden kann, als er sich uns im cod. Parmensis dar- stellt. Allerdings müssen wir zugeben, dafs letzterer nicht voll- ständig die von Cyriacus gesammelten Inschriften enthält; denn wir haben gesehen, wie deren einzelne, obwohl in der marcia- nischen und der vaticanischen Sammlung enthalten, dessenun- geachtet in jenem fehlen. Es kann demnach als durchaus wahrscheinlich gelten, dafs auch andere anderswo sich vorfinden, vielleicht selbst in den Handschriften, die wir als für unsere Zwecke unbrauchbar bezeichnet haben, und von denen ja der - Cenninus, wie der cod. Altempsianus, manche Inschriften ent halten, die unsrer nachweislich eyriacanischen Sammlung fehlen, und welche ihr einzuverleiben uns nur der allgemeine Charakter jener Syllogen verhindert. Anderer Seits mögen auch die von Cyriacus abhängigen späteren Sammlungen des Marcanova, Ferrarinus, der cod. Redianus, Gammarus, Lilius u. s. w. noch allerlei enthalten, das von Cyriacus stammt. Nichtsdestoweniger, glaube ich, berechtigt uns unsre Untersuchung, das uns fehlende nicht allzuhoch anzuschlagen. Wenn die Commentarien oder andre Sammlungen des Cyriacus noch Vieles enthalten hätten, was uns fehlt, wäre es da nicht auffallend, dafs in den cyria- canischen Handschriften im Wesentlichen immer dieselben Steine wiederkehren, wie das die langen Serien des Angelicanus, die vereinzelten und zerstreuten Steine der übrigen Handschriften zeigen? — Wir theilten zu Anfange Mommsen’s Vermuthung mit, welcher zufolge Cyriacus erst seit dem Jahre 1435 syste- matisch zu sammeln angefangen, und haben zugleich gesehen, dafs nach diesem Jahre Rom nicht wieder von ihm besucht wurde. Er wird also, als er seine städtische Sammlung an- legte, zunächst Signorili und Poggio ausgeschrieben und hin- zugefügt haben, was ihm gerade unter die Hände kam. Dalfs dieses wenig sei im Verhältnisse zu der Masse von Monumen- ten, welche voraussetzlich das damalige Rom enthielt, ist vielleicht richtig; immerhin dürfte es viel sein, wenn man damit die unbedeutenden Sammlungen des Poggio vergleicht, der viele Jahre in Rom lebte, das der Fremdling Cy- ıjacus nur flüchtig besuchte, mitunter ohne Zweifel viel- fach gestört, wie damals durch sein Verhältnifs zu Kaiser Si- gismund. Wenn wir uns aber nicht verhehlen können, dafs vom 29. November 1866. 781 Cyriacus für die stadtrömische Epigraphik nicht von derselben Bedeutung sei, wie für diejenige Griechenlands, Dalmatiens und selbst mancher italienischen Städte, so müssen wir anderer Seits anerkennen, dafs er es ist, welchem wir auch für Rom die ersten wirklich genauen, mit Zeilenabtheilung und Lückenan- gabe versehenen Abschriften verdanken, wie sie im 15. Jahr_ hunderte sonst nur noch in dem mit dem cod. Redianus theil- weise aus gleicher Quelle flielsenden cod. Marucellianus A 79, 1 wieder vorkommen. Hr. Hübner berichtet wie folgt: über die für das C. I. L. ausgeführte epigraphische Reise nach Eng- land, Schottland und Irland. Zur epigraphischen Bereisung von England bedurfte es keiner umfassenden Vorbereitungen; ich konnte dafür meine nun bereits vor zehn Jahren zu privaten Zwecken gemachten Samm- lungen zu Grunde legen, zu welchen die Scheden des 'C.I.L. nur einen unbedeutenden Zuwachs boten. Camden und Hors- ley, für den Norden von England Hodgson und Bruce, für Schottland Stuart, enthalten die Hauptmasse der britannischen Inschriften. In den handschriftlichen Sammlungen, welche für die übrigen Länder so wichtig sind, fehlen englische Inschriften ganz; die grolsen gedruckten Corpora geben nur eine sehr geringe Anzahl derselben. Nur für die planmäfsige Ausbeutung der Special- litteratur konnte während des Sommers, soweit es die Hülfs- mittel der hiesigen Kgl. Bibliothek gestatteten, vorgearbeitet werden. So war es mir möglich, trotz der vorhergehenden kriegerischen Ereignisse, welche alle Aussichten auf Reisen aus- zuschliefsen schienen, doch noch gemäfs dem der K. Akademie im vorigen Jahre vorgelegten Plan für die Fortsetzung meiner Arbeiten, am 15. August nach London abzureisen. Als den umfassendsten und schwierigsten Theil meiner Aufgabe mufste ich hier, nach allen in anderen Ländern gemachten Erfahrungen, die Ausnutzung der Litteratur ansehn; die Denk- mäler des brittischen Museums und anderer Sammlungen, ob- gleich zahlreich und mannigfaltig, wie gleich die erste vorläufige Orientierung ergab, zu copieren verschob ich daher gleich auf 782 Gesammtsitzung einen zweiten Aufenthalt, nachdem inzwischen die epigraphischen Sammlungen im Lande erledigt sein würden. So ausgedehnt auch fast in allen Ländern die zu epi- graphischen Zwecken auszunutzende locale Litteratur erfahrungs- mäfsig ist, so übertrifft doch die englische, so weit ich es über- sehe, die aller übrigen Länder zwar nicht an Alter und Werth, aber an Umfang und an Zahl beträchtlich. Nirgends ist wohl die Anhänglichkeit an den heimischen Boden grölser gewesen und die Pflege seiner Überlieferungen sowie die Erhaltung seiner Denkmäler, von altbegründetem Wohlstand unterstützt, umfassen- der und planmäfsiger betrieben worden, als in England. Es ist keine Grafschaft, keine Stadt, kein Flecken fast, der nicht einen oder mehrere Geschichtschreiber gefunden hätte. In neuerer Zeit ist das förderliche Prineip der Association in ausgedehn- testem Maals auf die Erhaltung der heimathlichen Traditionen und die Berichte über Denkmälerfunde angewendet worden. Zahlreiche gelehrte Gesellschaften Clubs und Vereine sind über das Land zerstreut, haben überall Sammlungen gegründet, und wachen sorgfältig über jeden Fund. Sobald die Pflugschaar des Landmanns oder ein anderer Zufall eines der zahllosen Gräber vergangener Generationen aufdeckt, welche sich in allen Theilen der Insel finden, oder ‘Reste römischer Villen und späterer Befestigungswerke blolslegt, werden systematische Nachgrabungen angestellt, umständliche Fundberichte verfalfst. und gedruckt und alle einschlägigen Fragen eingehend erörtert. Darin unterscheidet sich überhaupt England von den übrigen Ländern: fast alles, was dort je geschrieben worden ist, liegt auch gedruckt vor, da es nie an den Mitteln dazu gefehlt hat; das handschriftliche Material, in anderen Ländern meist umfang- reicher, als das gedruckte, ist dagegen in England sehr unbe- deutend. Alle in England gedruckten Werke kann man fast sicher rechnen im brittischen Museum zu finden. Dort also mulste die Arbeit begonnen werden; welche dadurch er- leichtert wird, dafs man Zugang zu den alphabetischen Catalogen hat und also, was freilich einige Zeit raubt, sein eigener Bi- bliothekar ist. Schwierig aber ist es, eine Übersicht über diefs gewaltige gedruckte Material zu gewinnen. An Sammlern und Bibliographen der Topographie (wie Richard Gough und John vom 29. November 1866. 783 Britton) hat es zwar England nicht gefehlt, aber es giebt nur einen gedruckten Catalog der topographischen Litteratur, den Upeottschen'); allein dieser reicht nur bis zum Jahr 1818 und enthält nur das eigentliche England, mit Ausschluls von Wales, Schottland und Irland. Dennoch mulste er, in Verbin- dung mit den systematischen Catalogen der hiesigen Kgl. Bi- bliothek, als Grundlage benutzt werden. Für das seitdem hin- zugekommene ist man auf die gelegentlichen Erwähnungen in Zeitschriften und auf die allgemeinen bibliographischen Werke angewiesen; systematische Cataloge giebt es bis jetzt meines Wissens noch in keiner englischen Bibliothek. Für Wales und Schottland kenne ich nur ein einziges, ebenfalls veraltetes und bibliographisch äufserst unvollkommenes Hülfsmittel, den Catalog der Bibliothek Hoares?), eines der fruchtbarsten unter den neueren Topographen; von den 25 Exemplaren, in denen dieses Buch nur gedruckt worden ist, war ich sicher eines auf dem brittischen Museum zu finden, und konnte es trotz seiner Un- vollkommenheit verwenden. Es galt also zunächst die Über- sicht so weit als möglich zu vervollständigen und dann zu soforti- ger Benutzung das wichtigste auszuwählen. Durch Dr. William Wrights freundschaftliche Vermittelung konnte ich gleich am ersten Tage meiner Anwesenheit die Arbeit beginnen; da das Museum am 1. September für acht Tage geschlossen wird, so mulste in den mir bis dahin noch übrigen zwölf Arbeitstagen jenes vorläufige Ziel erreicht werden, um dann die gute Jahres- zeit gleich zu den Reisen im Lande benutzen zu können. 1) William Upcott, a bibliographical account of the principal works relating to English Topography, London 1818, 3 Bde 8. Er ist aus Goushs jetzt in der Bodleiana zu Oxford befindlichen reichen Samm- lungen, aus den Bibliotheken des brittischen Museums und der London Institution, sowie aus einer Reihe von Privatsammlungen, wie denen Brittons und John B. Nichols, des topographischen Verlegers, gearbeitet. 2) Sir Richard Colt Hoare, a catalogue of books relating to the history and topography of England Wales Scotland and Ireland, compiled From his library at Stourhead, Wülts. London 1815, 8. Hoare läfst die Vornamen der Autoren fort und seine Anordnung ist ganz confus und lästig. 754 Gesammtsitzung Von besonderer Wichtigkeit war es den ältesten Bestand der britannischen Inschriften kritisch festzustellen, der auf Camdens gedrucktes Werk sowie auf seine und Sir Robert Cottons, mit dem er den Norden von England im Jahre 1599 bereist hat, Mittheilungen an Scaliger und Gruter zurückgeht. Es konnten im brittischen Museum die fünf Originalausgaben von Camdens lateinisch geschriebener Brittannia (von 1586 bis 1600 erschienen), von denen die hiesige Bibliothek nur eine, die vierte, besitzt, nebeneinander benutzt werden‘), und da_ her festgestellt, wie dem Verf. im Verlauf seiner Arbeit immer neue Inschriften zuflossen, und ebenso nebeneinander die beiden Ausgaben der ersten englischen Übersetzung von PhilemonHolland (1610 und 1637), ferner die vier der Bearbeitung von Bischof Gibson (1695 bis 1772), und die beiden der letzten von Gough (1789 und 1806), von denen wiederum die hiesige Bibliothek nur je eine besitzt. Scaliger hat die drei ersten Ausgaben eigenhändig excerpiert (das Blatt findet sich in seinen Leydener Scheden f. 140, in der gröfseren Sammlung S. 51. 52); die beiden Original-Ausgaben letzter Hand sind von Gruter nach- getragen worden. Aber es finden sich bei Gruter noch eine Reihe von Inschriften, die im gedruckten Camden fehlen, zurück- gehend auf Privatmittheilungen Camdens und Cottons, mit dessen Namen sie Gruter zu bezeichnen pflegt; beide fehlen auch nicht in Gruters Verzeichnils derer qui scriptis privatis profuerunt?). Mit Hülfe des sehr gefälligen Vorstandes der Handschriftenab- theilung, Herrn Bond, war ich so glücklich gleich zu finden, 1) Es fehlt mir nur noch eine nach dem J. 1590 in Deutschland gedruckte Ausgabe, welche aber für die Inschriften keinen selbständigen Werth haben kann. ?) In dem gedruckten Briefwechsel Camdens, P. cl. Gwilelmi Cam- deni et illustrium virorum ad G. Camdenum epistolae cum appendice var argumenti, London 1691 4., finden sich eine Reihe Gruterscher Briefe; S. 47 einer aus Frankfurt vom J. 1612, wovin er um Beiträge zur beab- sichtigten zweiten Ausgahe des Thesaurus bittet; S. 138 ist ebenfalls von einer Inschrift die Rede; sonst enthalten die Briefe nichts epigraphisches. Auch Scaliger stand mit Camden in Briefwechsel, s. Bernays Scaliger S. 178. vom 29. November 1866. 785 wonach ich suchte, nämlich Camdens und Cottons Originalauf- zeichnungen; von letzterem gesammelt in den beiden Bänden seiner Correspondenz Cotton Julius F. VI und F. X. Diese Aufzeichnungen enthalten nicht blofs Cottons eigene Abschriften, sondern die Mittheilungen mehrerer Correspondenten an ihn selbst und an Camden, nämlich des Franeis Godwin Bischof von Llandaff, des Thomas Braithwaite in Lancaster, des Reginald Bainbrigg Schulmeister von Appleby in Weftmoreland'), des Roger Dodsworthe in Ribblechester, und eines Deutschen, der allerlei Inschriften mittheilt, “so Herr Camdenus nicht ge- sehen (Cotton Julius F. VI f. 505). Wie er hiefs, erfahren wir zufällig aus einer Notiz Scaligers auf dem letzten Blatte seines Exemplars des Gruter, welches aus Marinis Besitz bekanntlich in die vaticanische Bibliothek gelangt ist. Er hat dort nämlich drei Inschriften aus Schottland aufgeschrieben mit der Notiz habui ab optimo viro Crispino Gericio Albigensi Borusso. Un- zweifelhaft ist diefs derselbe Mann; über seine Person ist es mir bis jetzt nicht gelungen etwas zu ermitteln. Die Abschrift dieser werthvollen Papiere, die ich habe nehmen lassen, macht es uns auch hier wiederum möglich, den Gruter aus seinen Quellen zu controllieren; übrigens geben sie noch eine ziemliche Anzahl von Abschriften mehr, als Gruter erhielt, darunter manche von seitdem verlorenen Originalen. Ich sah später in Cambridge in der Bibliothek von Trinity College noch einige Camdensche Papiere; doch ergaben sie nichts neues. Zugleich fand ich, neben einigen kleinen älteren handschrift- lichen Sammlungen, die für Herrn Mommsens Band der In- schriften Österreichs und Ungarns wichtigen Handschriften der beiden Reisenden des vorigen Jahrhunderts Jeremiah Milles und Richard Pococke; Abschrift oder Collation derselben musste aber für die Rückkehr verspart werden. Von den Details anderer Arbeiten Nachricht zu geben wird ") Von seiner Sammlung im Schulhaus zu Appleby, welche Originale und Copieen auf Stein mit Interpolationen, aber nicht grade Fälschungen enthielt, wie Horsley mit Unrecht annimmt, fand ich später eine im J. 1722 gemachte Abschrift unter Goughs Papieren auf der Bodleiana. [1866.] 55 786 Gesammtsitzung nicht nöthig sein; es genüge zu bemerken dafs die ganze Masse der allgemeinen gedruckten und handschriftlichen Hülfsmittel gleich erledigt werden konnte, darunter die neuesten Jahrgänge der vier grolsen Zeitschriften, welche für Inschriften die meiste Ausbeute geben, der Archaeologia, das Journal of the Archaeolo- gical Institute und das davon ganz verschiedene Journal of the Ar- chaeological Association, endlich das Gentlemans Magazine; manche dieser Zeitschriften konnte ich neben der Bibliothekszeit und nach dem Schluss derselben in der reichen Bibliothek des mir gastfrei geöffneten Athenäumclubs und in der kleinen Samm- lung des Archaeological Institute benutzen. Von der Spezial- litteratur konnte nur das wichtigste und neueste benutzt, vieles nur erst pränotiert werden. Zum Excerpieren der Zeitschriften und zu einem Besuch der Bibliothek der Royal Society, zu welcher mir der Präsident derselben General Sabine bereit- willigst Zutritt verschafft hatte (es befinden sich daselbst die epigraphischen Aufzeichnungen Whelers, des bekannten Rei- senden im 17. Jahrhundert), verwendete ich noch einige Tage und trat am 6. Sept. meine Tour nach dem Norden an, für welche mich die Herren Newton, Franks, Stwart Poole und vor allem Herr Samuel Birch (der mir auch seine eigenen epigraphischen Scheden zur Verfügung stellte), mit zahlreichen Empfehlungsbriefen versehen hatten. Meine erste Station war Lincoln, die römische Colonie Lindum. Eines der schönsten der hier und überhaupt in ganz England gefundenen Denkmäler, eine kleine Bronzestatue des Mars mit interessanter Dedicationsinschrift auf zwei Seiten der Basis (Goughs Camden 2, 392; Archaeologia 14 S. 273) befindet sich zwar seit längerer, seit kurzer Zeit auch zwei neugefundene Inschriftsteine (der eine mit dem Namen der Stadt) im britti- schen Museum, und Lincoln selbst besitzt keine öffentliche Sammlung. Dafür aber hat Herr Arthur Trollope in einem Pavillon seines Gartens ein kleines Museum eingerichtet, welches ich trotz der Abwesenheit des Besitzers mit aller Freiheit kennen lernen konnte; zwei Inschriften befinden sich noch in der Stadt, die eine im Kreuzgang der Cathedrale, die andere im Thurm der kleinen Kirche St. Mary-le-Wigford.. Es sind werthvolle Soldateninschriften; darunter eine neue eines Soldaten der vier- vom 29. November 1866. 787 zehnten Legion, der domitores Britanniae quartadecumani (Ta- eitus hist. 5, 16), die zweite inschriftliche Erwähnung dieser Legion in England, welche überhaupt bekannt wird. Auch die zweite, neunte und sechste Legion sind vertreten (nur die zwanzigste fehlt also), sehr bezeichnender Weise für die Festung und ihre Garnison. Die Grabsteine zeichnen sich durch ein- heimische Namen aus; unter dem Geschirr ist ein Topf in Form eines männlichen Kopfes (ähnliche schlechte Nachahmungen alter guter Muster finden sich auch in anderen Orten, z. B. im Museum von Newcastle), auf dessen Hals unten mit schwarzer - Farbe in guter Schrift des ersten Jahrhunderts aufgemalt ist DO MIIRCVRIO Das ist nicht die erste Person Praesentis, sondern deo Mercurio; do aber für deo ist.kein blofses Versehen, sondern, wie es scheint, ein Provincialismus. Denn dae Fortunae steht auf einem bekannten Stein von Bowes in Yorkshire (Grut. 73, 5 — Horsley Yorkshire I), den ich in Cambridge sah, auf einem von mir gesehenen Stein in York dae Ffortunae] (Wellbeloved Eburacum S. 94), do Bfej]latucadro auf einem von Carvoran (Bruce S. 234). Eines der reichsten und Dank der Sorgfalt des verstor- benen Wellbeloved am besten geordneten Museen besitzt York, jetzt unter der Leitung des gelehrten Dr. John Kenrick, des Schwiegersohnes von Wellbeloved, stehend. Unter den von jenem sorgfältig publicierten Steinen verdienten aber dennoch manche mit den Originalen verglichen zu werden. So die oft aber niemals richtig gedruckte Inschrift eines kleinen Altärchens MAT-AF:-ITA:GA M : MINV WDE MIR -KEG-VI-VIC GVBER -KEC-VI 5 V-S-R 5 kh-M Das ist Mat(ribus) Affricanis) Ita(licis) Ga(llieis) M. Minu- (eius) Mude(nus? oder allenfalls Ande...2), mil(es) leg(ionis) VI vie(tricis), gubermatricibus?) leg(ionis) VI, v(otum) s(olwit) I(wetus) I(ubens) m(erito). R 95° 788 Gesammtsitzung Schwierig zu erklären ist nur die vierte Zeile. Denn guber, welches deutlich auf dem Steine steht, bedeutet überall sonst gubernator, welches als Charge natürlich nur bei Flottensoldaten vorkommt. Desswegen vermuthe ich, dafs den in Afriea, Italien und Gallien thronenden Müttern hier dafür gedankt wird, dafs sie die sechste Legion heil übers Meer in das ferne Britannien gesteuert hätten, wie sie denn nicht selten auch als matres tra- marine angerufen werden. Wobei freilich die Trennung dieser Bezeichnung von dem Namen der Mütter zu Anfang auffällig bleibt. Mommsen meint den gubernator legionis so erklären zu können, dafs man, neben der sonst bezeugten britannischen Flotte im Canal, einige Schiffe zum besonderen Dienst der Le- gion im Norden stationiert annimmt, auf denen Legionssoldaten als Steuerleute gedient hätten. Hierbei bleibt aber die Bezeich- nung mil(es) leg(ionis) VI vie(tricis), guber(nator) leg(ionis) VI, für legionis eiusdem oder dergleichen sehr anstölsig. Einige neue Dedicationen und eine Reihe von Grabsteinen von Soldaten der neunten und der seit Hadrian sie ersetzenden sechsten Legion führe ich nicht an. Besonders reich ist die Sammlung an Töpferstempeln (ich eopierte deren etwa 350) und den wichtigen Legionsziegeln, welche nach den Schriftformen und den Beinamen ein Stück Geschichte der beiden genannten Legionen enthalten. Zwei vollständige Gräber aus solchen Ziegeln, das eine mit dem Stempel der neunten, das andre mit dem der sechsten Legion, sind im Museum aufgestellt. Dr. Kenrick versprach mir Mittheilungen über die Orte von Yorkshire, die ich nicht erreichen konnte, z. B. über das Museum von Leeds und die Privatsammlung von Rokeby bei Gretabridge, in welcher sich auch eine Anzahl aus Italien dahin gebrachte In- schriften befinden. Eine werthvolle Inschriftensammlung (etwa 40 Steine um- fassend) besitzt schon seit längerer Zeit die Bibliothek des Decans und Capitels der Cathedrale von Durham. Es be- finden sich darunter die schönen Inschriften von Lanchester (der antike Name ist noch nicht sicher ermittelt), welche in die grolsen Sammlungen übergegangen sind (Or. 975. Henzen 6626); so dals es erspart werden konnte, diesen und andere Orte der vom 29. November 1866. 789 Diöcese von Durham, an denen Inschriften gefunden worden sind, wie Binchester (Vinovia) und andere, zu besuchen. Auch von den Stationen der unter dem modernen Namen Wat- lingstreet bekannten römischen Strafse nach dem Norden und von den Wallstationen des Hadrianswalles sind einige ur schriften in die Sammlung nach Durham gelangt. Weit über die Hälfte aller in England überhaupt gefundenen Inschriften, und bei weitem die wichtigsten und lehrreichsten, sind nämlich gefunden worden in den achtzehn Hauptstationen längs der srofsen römischen Befestigungslinie, welche Hadrian von einem Meer zum andern, ziemlich parallel mit: der heutigen Eisenbahnlinie von Newcastle-upon-Tyne in Northumber- land nach Carlisle in Onmberland, gezogen hat. Camden und Cotton haben, da die Grenzdistriete in jener Zeit sehr unsicher waren, nur wenige Inschriften dorther selbst mitgebracht oder von Freunden, wie von Gericius, erhalten. Erst Horsley und der Schotte Gordon haben genauere Nachricht geben können; nachher ist der Wall öfters bereist worden, wie von Warburton (1755) und Hutton (1802). Aber eine vollständige Kenntniss des sanzen Werkes und eine sichere Bestimmung der einzelnen Stationen ist erst möglich geworden, seit der nun verstorbene letzte Herzog von Northumberland mit fürstlicher Muni- ficeenz in den Jahren 1852 bis 1554 eine sorgfältige topogra- phische Aufnahme hat vornehmen und die einzelnen Plätze genau auf ihre Alterthümer hin hat durchforschen lassen. Ebenso hat derselbe die schon erwähnte grolse römische Heerstrafse nach dem Norden, Watlingstreet, mit den grofsen Castellen, die sie berührt, wie Corbridge Risinsham und High- Rochester, topographisch aufnehmen lassen. Ausgrabun- gen, an verschiedenen Orten angestellt, haben der eige- nen Sammlung des Herzogs in dem Schloss von Alnwick die werthvollsten Stücke geliefert. Aufserdem enthält die meisten dorther stammenden Inschriften (weit über hundert Steine) des Museum der archäologischen Gesellschaft zu New- castle, deren Seele Dr. Bruce, der Verfasser des Werks über den römischen Wall, ist. Endlich hat Herr John Clayton zu Newcastle auf seinen Besitzungen längs des Walles, in welche drei der wichtigsten Wallstationen (Cilurnum, Proeolitia und 790 Gesammtsitzung Boreovicus) fallen, zu verschiedenen Zeiten Ausgrabungen an- gestellt und bewahrt deren Ertrag auf seinem Landsitz Chesters bei Hexham. Für die westliche Hälfte des Walles giebt es leider noch keine gröfsere Sammlung, wie sie eine Stadt wie Carlisle billig nicht entbehren sollte. Jene drei Sammlungen vor allem also mussten nothwendig als Grundlage für den wichtigsten Theil der englischen Inschriften benutzt werden. Trotz Horsleys bewunderungswürdiger Treue und Bruces auf- opfernder Sorgfalt, mit der er jedem Stein nachgegangen ist, hieten jene meist von ungeübter Soldatenhand eingehauenen Inschriften, selbst die offiziellen und halboffiziellen grofsen und zahlreichen kleinen Steine, welche die Theilnahme der Legionen Cohorten und Centurien an dem Wallbau urkundlich bezeugen — eine dem: Norden von England fast ausschliefslich eigenthüm- liche Klasse von Inschriften — und mehr noch die ungemein häufigen Dedicationen an römische und barbarische Götter (die häufig unter der eigenthümlichen Bezeichnung des alten Gottes oder der alten Götter — deo veteri und dibus veteribus — ange- rufen werden), gegen welche die Grabschriften an Zahl und Bedeutung zurücktreten, selbst dem geübtesten Inschriftenleser sehr beträchtliche Schwierigkeiten. Bei meinem ersten zwei- tägigen Aufenthalt in Newcastle traf ich den Dr. Bruce nicht anwesend, konnte aber mit Hülfe des von ihm verfassten ge- druckten Catalogs (vom J. 1357) die Sammlung, die leider in dem alten normännischen Castell sehr ungünstig aufgestellt ist, vollständig copieren. Nach meiner Rückkehr aus Schottland aber traf ich mit dem Verfasser auf dem gastfreien Landsitz des Herrn Clayton, des eifrigen und gelehrten Förderers aller auf den Wall gerichteten Studien, zu einem viertägigen Aufenthalt zusammen, bei welchem nicht blofs die Sammlung zu Chesters (von etwa einem Dutzend grölserer Inschriften und einer sehr bedeutenden Anzahl kleiner Dedicationen und der wichtigen Cohorten- und Centuriensteine vom Wall) gemeinsam copiert und die nahen Stationen des Walls besucht, sondern auch das von Dr. Bruce für den gesammten Norden: von England gesammelte inschriftliche Material, welches derselbe mit der grölsten Gefälligkeit mir zur Benutzung mit zur Stelle gebracht hatte, verglichen und in meine Scheden eingetragen werden vom 29. November 1866. | 791 konnte. Auf diese Weise sah ich mich der zeitraubenden Noth- wendigkeit überhoben, eine ganze Reihe einzelner Orte, beson- ders in Cumberland (wie z. B. die Sammlungen zu Nether- hall bei Maryport, Penrith, Bewcastle und andere), selbst zu besuchen. Wo die vorhandenen Copieen nicht aus- reichen, hat mir Dr. Bruce Papierabdrücke oder sorgfältige Zeichnungen in Aussicht gestellt, wie er denn überhaupt die Zwecke des Unternehmens der Akademie in ihrer Bedeutung vollständig erkannt und mit allen Kräften zu fördern sich an- heischig gemacht hat. In Alnwickcastle, welches ich auf dem Wege von Newcastle nach Edinburgh besuchen konnte, fand ich bei dem ältesten Sohn des jetzigen hochbetagten Her- zogs von Northumberland, Earl Percy, die zuvorkommendste Aufnahme; ein Tag genügte, die dortige Sammlung (von etwa dreifsig Inschriften) zu copieren. Vor dem Original der schönen Inschrift aus Risingham im Museum zu Newcastle, welche Henzen 6701 nach älteren unvollkommenen Abschriften giebt, bestätigte sich mir durchaus die früher ausgesprochene Vermuthung '), dafs darin der be- kannte Consul des J. 218 Oclatinius Adventus als kaiser- licher Procurator von Britannien genannt sei; die Inschrift ge- hört in die Zeit des Severus zwischen die Jahre 205 und 208. Auch der ebenfalls früher bemerkte Unterschied zwischen den Cohorten der Nervier und den germanischen, welche vom Kaiser Nerva den Beinamen Nervanae oderNervianae führten’), nicht also Cohorten nervischer Germanen, wie man gemeint hat, bestätigte die Vergleichung der Originale. Unter den Inschriften des Museums zu Newcastle ist die folgende aus Borcovicus (Housesteads), dem Standquartier der ersten Tungrer-cohorte, ‚bisher nur in ziemlich unzugänglichen Büchern gedruckt; die Schrift ist die sorgfältige hadrianischer Zeit. DIIS-DEABVSQVE SE CVNDVMINTERPRE TATIONEM » ORACV LI’CLARI-APOLLINIS 5 COH-I -TVNGRORM 1) Rhein. Museum 12 S. 68 und 80, 14 S. 361. ?) Vgl. Rhein. Museum 14 S. 353 £. 192 Gesammtsitzung Gemeint ist jedenfalls nicht ein oraculum celarum Apollinis, wie die englischen Erklärer annehmen, sondern ein Orakel des klarischen Apoll, dessen berühmtes Heiligthum Germanicus auf seiner Reise in den Osten im Jahre 18 besucht hatte (Taeitus ann. 2, 54). Wie die Tungrercohorte zu einem Spruch dieses weit entfernten Heiligthumes kam ist nicht zu errathen'). Doch zeigen die beiden griechischen Dedicationen in zierlichen Hexametern auf Altären aus Corbridge, von denen der eine jetzt im brittischen Museum sich befindet (C. I. Gr. 6806 und 6807 “Hpazre Tvorw Arodu)oce Eoy,eosıe und "Asragrys Bupov m’ Esoods, HoüAxse # aveSyzev) griechischen und asiatischen Cult bis in den äulsersten Norden vorgedrungen. Vom Mithraseult haben sich in den Wallstationen Vindobala und Borcovicus be- sonders zahlreiche und bedeutende Reste gefunden. Bisher nur im Gentlemans Magazine gedruckt sind die folgenden beiden Weihungen an einen und denselben fremden Gott, dessen Name nicht ganz gleichmälsig geschrieben erscheint; sie sind im J. 1862 in der Station Oondercum (Benwell) ge- funden worden. DEO DEO ANOCITICO ANTEN «Te IVDICIIS OPTIMO ET NVMINB RVM MAXIMORVM NGVSTOR QVE-IMPP-N-SVB VLP 5 AEL + VIBIVS MARCELLO -COS-TIE 5 3:LEG XX VV IVS LONGVS IN PRAE VSLM FECTVRA EQVITVM LATO CLAVO EXORNA TVSETQ.-D 1) [Eine Parallele zu diesem englischen Stein giebt der folgende von mir in Obrovazzo im nördlichen Dalmatien abgeschriebene (C. I. L. II, 2880): D-DEABVSQVE SECVNDVM INTER sic PETRATIONENCLA sie RI:I° APOLLINIS Th. M.] vom 29. November 1866. i 793 In Condercum stationierte aufser Vexillationen der zweiten und der zwanzigsten Legion die erste Ala der hispanischen Asturer; deren Praefeet war Tineius Longus unzweifelhaft als er den senatorischen Purpurstreif erhielt und zum Quaestor designiert ward. Über das im zweiten und dritten Jahrhundert angesehene Geschlecht der Tineii handelt Borghesi in einem Brief an Henzen'). Ulpius Marcellus ist der bekannte Legat des Commodus, von dessen glücklich geführtem Krieg in Britannien gegen die Barbaren, die schon den Wall durchbrochen hatten, Dio (72,5) ausführlich berichtet. Also sind die optimi masxi- mique imperatores nostri der Inschrift Marc Aurel und L. Verus, falls nicht Marc Aurel und Commodus gemeint sein sollten. Wegen der wahrscheinlich theilweis deutschen Namen will ich den folgenden Collectivgrabstein, einen gewaltigen Cippus, von einer Anzahl Soldaten und einer Frau, gefunden zu Boreovicus, jetzt im Museum zu Newcastle, nach meiner Abschrift hier mittheilen, obgleich die Inschrift äufserst schwer zu lesen ist”). Lie Je,/fei ei,.@ .je/lieilie e),0 le, 6 SAIANK I Er PR 2. . TONISVENOCARI 5 2.2... . NI OFERSIONIS ROMVLO *- _ ALIMAHI SIMILI - DALLI MANSVETIO - SENICIONIS PERVINCE +» QVARTIONIS HERES-PROCVRAVIT DELF INVS- TRAVTIONIS EXG-S V. 3 las ich allein, doch sind die Reste sehr unsicher. !) In dessen Ausgabe der von Falkener gesammelten griechischen Inschriften, Ann. dell’ Inst. 24, 1852 S. 147 ff. ?) Der schlechte Text von Hunter findet sich in den Philosophical Tramsactions 23, 1702 S. 1129ff., daraus bei Horsley S. 224 und Mur. 1494, 9; besser ist der von Hodgson 2, 194. 794 Gesammtsitzung V. 4 lasen Hunter nıvEnorı, Hodgson ıonısveno, V. 5 Hunter GOFERSIONIS, Hodgson PNTOFERSIONIS; mir schien der Vaters name mit O anzufangen, so dafs also für den des Sohnes etwa Seni oder dgl. zu vermuthen wäre. Es sind nämlich offenbar alles Namen der Verstorbenen im Dativ, dazu die ihrer Väter im Genetiv ohne den Zusatz filius oder filia, wie z. B. auch in Hispanien häufig ist. Pervinca ist Frauenname. Ex @. s. am Schlufs bedeutet sicher e@ Germania superiore. In der Nähe der Stationen Vindolana und Aesica ist der folgende kleine Altar gefunden worden, von welchem bis jetzt nur eine sehr unvollkommene Abschrift gedruckt worden ist. Ich las ihn in Herrn Claytons Sammlung zu Chesters so: TO APOL N - M2OoNs SENLS-EXPR GR» SVP DRS S IiIM Das ist deo Apollini Melonius Senilis ex pr(ovincia) Ger- (mania) sup(eriore) s(usceptum?) s(olvit) I(wetus) I(ubens) merito. Die Schrift weist auf das Ende des zweiten oder den Anfang des dritten Jahrhunderts. Die Formel s.s.!.!.m., die ich nicht anders zu erklären weils als indem ich susceptum für votum sus- ceptum nehme, kommt auch vor auf einem Matronenaltar aus Ribchester in Lancashire, der nach Cotton und Camden (vgl. Donat 51, 6 und Or. 2076) neuerdings wieder (von John Just in dem Archaeological Association Journal 6, 1851 S. 233), aber weit schlechter, abgeschrieben worden ist. Wie Hadrian im Norden von England, so hat sein Nach- folger Antoninus Pius im heutigen Schottland eine neue Be- festigungslinie von Meer zu Meer gezogen, den Pietswall oder Grahamsdyke, wie ihn das Volk nennt, ziemlich parallel mit der Eisenbahn von Edinburgh nach Glasgow. Von den ebenfalls achtzehn Stationen dieses Walles und einigen wenigen aus dem Gebiet südlich desselben stammen die wiederum meist auf den Wallbau bezüglichen oder von Soldaten einheimischen vom 29. November 1866. 795 und fremden Gottheiten geweihten Inschriftsteine, welche die beiden einzigen gröfseren Sammlungen in Schottland, die der antiquarischen Gesellschaft zu Edinburgh, und die ältere von Hunter gegründete der Universität zu Glasgow, bewahren. Eine dritte Sammlung sollte dem Vernehmen nach zu Perth existieren; der Besuch dieser Stadt, des nördlichsten Punktes meiner Reise, ergab jedoch, dafs der einzige vorhandene In- schriftstein dieser Sammlung modern ist; als Ertrag blieb einiges kleine Geräth mit Aufschriften und allerlei brauchbare Informa- mation über die Alterthümerfunde dieser nördlichsten Zone des römischen Reiches. In Edinburgh durchsuchte ich, unterstüzt von Dr. Woodford und Herrn Small, die beiden grofsen Biblio- theken, die der Universität und die ältere der juristischen Facultät (die Advocates Library) nach handschriftlichen antiquarischen Mit- theilungen und einigen selteneren Büchern. Es fanden sich auf der letzteren in grolser Vollständigkeit die Papiere des schottischen Antiquars Sir Robert Sibbald (in der ersten Hälfte des 17. Jahr- hunderts). Sie ergaben zwar nichts eigentlich neues, aber doch manche genauere und brauchbare Notiz. Herr John Stuart, Secretar der schottischen antiquarischen Gesellschaft (nicht zu verwechseln mit dem verstorbenen Verfasser der Caledonia Ro- manca), obgleich zu meiner Zeit von Edinburgh abwesend, hat mir brieflich alle erforderliche Unterstützung zugesagt und schon mit Mittheilung einiger Schriften begonnen. In Glasgow unter- stützte mich Professor Dickson auf das freundschaftlichste; das Hunterian Museum enthält etwa dreilsig der werth- vollsten Inschriften, die längs des schottischen Walles gefunden sind. In dem Andersonian Museum ebendaselbst fanden sich einige handschriftliche Aufzeichnungen. Nach dem Nordwesten von England zurückgekehrt besuchte ich zunächst, wie gesagt, Carlisle, wo ich nur im Besitz des Herrn William Forster einige Töpferstempel copieren konnte, da es der Stadt an einer öffentlichen Sammlung fehlt, und ging von da gleich südwärts (ohne mich in dem an Inschriften armen Westmoreland aufzuhalten) nach Liverpool und Manchester. Lancaster und Ribchester, die einzigen Orte in Lancashire, an denen Inschriften in einiger Zahl gefunden worden sind, 796 Gesammtsitzung konnte ich nach den von Dr. Bruce empfangenen oder in Aus- sicht gestellten Mittheilungen ebenfalls zu besuchen unterlassen. Liverpool besitzt drei Sammlungen: die der Royal Institu- tion, zum grölsten Theil für Naturwissenschaften und moderne Kunst, doch auch einige Alterthümer, eine griechische und eine lateinische Inschrift enthaltend; die der Free Library, wie- derum hauptsächlich für Naturwissenschaften, Industrie und moderne Kunst, aber zugleich bestimmt, die Localsammlung der historisch-antiquarischen Gesellschaft für Lancashire und Cheshire zu bewahren; endlich die Sammlung des reichen Gold- schmieds Herrn Mayer, welche bis jetzt noch provisorisch auf- gestellt ist, demnächst aber in einem grofsen neuen Gebäude dem öffentlichen Gebrauch übergeben werden soll. Sie enthält aulser der grofsen Menge der in angelsächsischen Gräbern ge- fundenen Gegenstände (der frühern Fausset Collection), aegyptische, griechische, etruskische und römische Antiquitäten aller Art, darunter griechische und römische Inschriften, aber nicht in England gefundene (z. B. die vorzüglichen meist aus der Fejervärischen Sammlung stammenden Elfenbeindiptychen), und wiederum eine beträchtliche Anzahl von britannischen Töpferstempeln. — Manchester hat zwei öffentliche Sammlungen, das städtische Museum (in Peters Street), mit einigen in England gefundenen Inschriften und einer ganzen Anzahl africa- nischer Alterthümer (Terracotten Lampen Inschriften), geschenkt von Sir Thomas Reade, früherem englischen Consul in Tunis, und das Museum in dem nach Robert Peel benannten öffent lichen Garten von Salford, der Vorstadt von Manchester, das Peel-Park Museum; hierin befindet sich der Henkel einer römischen Amphora, in Castlefield gefunden, mit sehr merk- würdiger Inschrift, und eine Reihe kleiner Alterthümer, auch Inschriftsteine, aus Carthago, geschenkt, wie es scheint, von einem Herrn Jos. Ashworth. In Chester, dem alten Castrum der zwanzigsten Legion, mit seinem einheimischen Namen Deva, giebt es leider keine nennenswerthe Sammlung von Alterthümern. Einige der werth- vollsten der hier gefundenen Inschriften befinden sich freilich seit längerer Zeit theils in Oxford theils in London im britti- ENT, vom 29. November 1866. 797 schen Museum. Dennoch aber war ich enttäuscht, von allen hier gefundenen Inschriften nur einen unbedeutenden Grabstein, von den zalılreichen Ziegeln der zwanzigsten Legion, die sich fortwährend finden, auch nicht einen am Orte selbst an zugäng- licher Stelle anzutreffen. | Ein Abstecher nach Dublin, den ich von hieraus unter- nahm, hatte hauptsächlich den Zweck, gewisse Abgüsse von keltiberischen Inschriften aus Sagunt in Hispanien, die dorthin gekommen sind, wälırend die Originale inzwischen verloren ge- gangen, womöglich wieder aufzutreiben. Leider haben sie sich - bis jetzt nicht an den Orten gefunden, an denen man sie zu suchen berechtigt war, bei der irisc!en Akademie und der Dublin Society. Allein die erstere bewahrt die kostbare Sammlung von im Lande gefundenen Alterthümern, darunter Goldschmuck von barbarischer Schwere in beträchtlichen Massen, Waffen aller Art und Geräthe, aber alles schriftlos; dennoch, obgleich die Römer wie bekannt die Insel nie besetzt haben, redende Zeugnisse für den ausgedehnten Vertrieb römischer Manufaeturartikel unter den Barbaren. Von Wales liefs iclı mir genügen einen der am südlichsten gelegenen Punkte zu besuchen, Caerleon bei Newport in Monmouthshire, das Castrum der zweiten Legion, mit dem ein- heimischen Namen Isca (der sich in dem heutigen Flufsnamen Usk erhalten hat). Selbst Shrewsbury in Shropshire, mit seinem die Alterthümer des nahen Uriconium (Wroxeter) enthaltenden kleinen Museum, unterliefs ich zu besuchen, da die dort gefundenen Inschriften leicht zu lesen und neuerdings von Herrn Thomas Wright in London in genügender Weise zu- sammengestellt worden sind, auch neues daselbst nicht zu er- warten wear. Die sehr interessante Sammlung von Caerleon konnte ich durch die Gefälligkeit ihres Hauptbegründers und Förderers, des Herrn Edward Lee, in voller Freiheit copieren. Hier fand ich, aufser Cohorten- und Centuriensteinen vom Bau des Castells ähnlich den im Norden gefundenen, unter anderem das folgende Fragment wieder, welches bisher nur aus einer unverständlichen älteren Abschrift bekannt war; die Ergänzungen ergaben sich von selbst: 798 Gesammtsitzung 5 Man las früher (Horsley S. 322) den Schlufs (von V.5 an) SEVER - L|FILIO|LEG - T A und erklärte das verkehrter Weise für Severi Lucii filio. Die Schrift entspricht der Zeit des Antoninus Pius durchaus. Die Aonorati können nicht, worauf mich Mommsen aufmerksam macht, als militärische Charge auf- gefasst werden. Denn honor und was damit zusammenhängt gehört durchaus den eivilen Ordnungen an. Daher sind die veterani, wie gewöhnlich, als Collegium zu denken und die ho- norati diejenigen, die ein Amt in diesem Collegium ‚bekleidet haben. Von Caerleon ging ich nach dem schön gelegenen und an den Süden erinnernden Bath, den der Göttin Sulis Minerva, wie sie in den Inschriften genannt wird, heiligen Thermen. Sie scheinen vom Beginn der römischen Occupation an mit Vorliebe der Heilung wegen besucht worden zu sein, wie die schönen Reste des Tempels der Göttin und zahlreiche Weihungen aus guter Zeit beweisen. Auch Bath besitzt ein sehr interessantes kleines Museum; an dem Prediger Herrn H.M. Scarth, welcher neuerdings eine antiquarische Monographie über Bath publieiert hat, habe ich für alle vorkommende Fälle einen zuverlässigen Correspondenten gefunden. Beimeinem ersten Besuch in Oxford mulste ich mich, trotz der freundlichsten Aufnahme von Seiten des Herrn Max Müller, wegen der Ferien der Bodleiana darauf beschränken, die ziem- lich beträchtliche Anzahl der oft publicierten marmora Ozoniensia, meist aus der Arundelschen Sammlung, mit den Originalen zu collationieren. Da sie meist stadtrömischen Ursprungs sind, so werden sie an Herrn Henzen abgeliefert. Nur vier, sämmt- vom 29. November 1866. 799 lich nicht unwichtige, Inschriftsteine stammen aus England selbst; einer, die bekannte Inschrift des P. Besius P. f. Quir. Betuinianus C. Marius Memmius Sabinus (Or. 3570), aus Tingis in Mauretanien. Von den Umgebungen von Oxford sind zwar Dorchester und in Gloucestershire Cirencester und Cheltenham Orte, an denen Inschriften gefunden und zum Theil sogar zu kleinen Museen vereinigt worden sind; allein die Zeit und die Rücksicht auf andere wichtigere Arbeiten, die noch rückständig waren, veranlassten mich ihren Besuch vor der Hand wenigstens aufzugeben. Am 3. October, also nach grade vierwöchentlicher Abwe- senheit, wieder nach London zurückgekehrt, war meine erste Aufgabe, die inzwischen unter Dr. Wrights Leitung für mich angefertigten Copieen von inschriftlichen Handschriften zu revi- dieren. Zeitraubend war besonders die Collation der umfäng- lichen Handschriften von Milles nnd Pococke; da sich kein Exemplar des gedruckten Werkes von Pococke in ganz London auftreiben liefs, das ich hätte benutzen können, so half Herr Newton freundschaftlichst mit dem seinigen aus. Die Ab- schriften und Collationen der übrigen kleinen epigraphischen Codices des brittischen Museums, wie z. B. der kleinen aber ziemlich werthlosen autographen Sammlung Wilibald Pirk- heimers, und einer älteren dem Marcanova ähnlichen, kommen den betreffenden Abtheilungen des C. I. L. zu Gute. Sodann begab ich mich daran die zahlreichen lateinischen Inschriften, welche sich in den verschiedenen Abtheilungen der Sculpturen- sammlung des brittischen Museums finden, zu collationieren, beziehentlich abzuschreiben; denn die wenigsten derselben sind gedruckt. Zunächst etwa ein Dutzend in England selbst ge- fundene Steine, fast sämmtlich äufserst schwierig und bei der dunklen Aufstellung in dem British Room nur bei Laternenlicht lesbar. Ich führe nur eine dieser Inschriften hier an, da sie bisher noch nie richtig gelesen worden ist, und den Namen eines sonst nicht bekannten kaiserlichen Legaten von Britan- nien enthält; sie ist in Chester gefunden worden. 800 Gesammtsitzung FORTVNAE - REDVCI]- AESCVLAP - ET-SALVTI - EIVS LIBERT - ET - FAMILIA P-CAETRONI-T-F-GAL-MAMEANI 5. RVFL- ANTISTIANI + FVNSVLNI VETTONANI » LEG : AVG Dal ahsD Man las den Namen des Legaten früher ... CPONI-TE-CAL MAR .. |RVTIL-TIAN-FVNSVL .. |VERTOMAE oder ähnlich. Dafs er unter anderen die Namen eines bekannten Feldherrn des Do- mitian Funisulanus Vettonianus') geführt habe, hatte ich schon früher vermuthet?). Der Anfang des Hauptgentile ist freilich fast unleserlich, doch finde ich nichts was auf die Reste passte, aufser P. (oder T.) Caetroni T. f. Gal. Mamiliani Antistiani Fu- nisulani Vettoniani; die schlanken Schriftformen weisen auf die Zeit des Commodus oder Severus. — In demselben Raum be- findet sich auch die London ausschliefslich eigenthümliche Samm lung von neun der überhaupt in solcher Anzahl nur in England gefundenen Bleibarren aus den römischen Bergwerken mit dem Namen der regierenden Kaiser, unter denen sie gewonnen wor- den. An der Spitze derselben steht das älteste datierbare Denk- mal der römischen Occupation von Britannien, welches sich erhalten hat (der Barren des Claudius vom J. 49*ist verloren), gefunden in den Minen der Mendiphügel in Derbyshire, ein so merkwürdiges Stück, dafs an seiner Ächtheit oder wenigstens an der richtigen Lesung früher ein Zweifel wohl erlaubt war?®). Es steht nämlich auf demselben in deutlicher und vortrefflicher Schrift BRITANNIC/IIAVG FW und auf der Vorderfläche ist zweimal eingestempelt (wie ähn- liches auf den übrigen Barren vorkommt) v-ET-P-, in kleiner !) Vgl. Borghes. Giorn. Arcad. 7, 376£. und 8, 53f:. 2) Rhein. Mus. 12 S. 76. °) S. Rhein. Mus. 12 S. 352£.; wo von dem sonderbaren Quipro- quo Nachricht gegeben ist, nach welchem man diesen Barren, pig of lead ist der technische Ausdruck, für ein bleiernes Schwein mit dem Namen des Britannicus zu halten veranlasst wurde. vom 29. November 1866. 301 aber sorgfältiger und gleichzeitiger Schrift. Der Name des Kaisersohnes Britannicus, überhaupt auf Münzen und Inschriften, wie begreiflich (da er schon im J. 55 erst vierzehnjährig starb), nur sehr selten vorkommend, ist aber unzweifelhaft sicher und gleichzeitig. Mit Hinzufügung der wenigen verscheuerten und daher jetzt unsichtbaren Buchstaben ist nämlich zu lesen Bri- tanniefi] Aug(usti) fill@)‘). Die Buchstaben v-ET-P werden danach von Mommsen mit gröfster Wahrscheinlichkeit als V(e- ranio) et P(ompeio cos.) gedeutet; denn dieses sind die Consuln des Jahres 48 n. Chr. Merkwürdig ist auch der der Zeit nach folgende, oft, aber niemals genau publieierte Barren des Nero vom J. 60. Oben steht in einer vertieften Fläche mit erhabener Schrift, wie ge- wöhnlich, NERONS XG EXK IN III COS BRT und auf der Vorderfläche ebenfalls in erhabener und sicher gleichzeitiger Schrift e&k IVL PM €S was bisher nicht verstanden worden ist. Die Inschrift bedeutet Neronis Aug(usti), ex k(alendis) Ian(uariis) IIII(quartum) com)- s(ulis), Brit(annicum plumbum oder dergleichen), /e/« k(alendis) Tul@is) p(ontificis) m(aximi) com)s(ulis). Am ersten Juli wurden nämlich L. Velleius Paterculus und Cn. Pedanius Salinator (für diesen dann Pompeius Vopiscus) an Stelle des Kaisers und seines Collegen Cossus Cornelius Lentulus sufficiert”); das scheint die Inschrift des Barrens dadurch auszudrücken, dafs sie dem Kaiser von jenem Tage ab den Titel Pontifex Maximus und Consul ohne bestimmte Zahl giebt. Immer aber bleibt die Unter- scheidung des effectiven Consulats durch die beigesetzte Zahl sehr ungewöhnlich und selbst bei dem Kaiser auffällig. In dem kian hat man bisher fälschlich die auf den Barren des Vespasian und Domitian vorkommenden britannischen Ceangi erkennen wollen. 1) Eine Abbildung des Barrens findet sich in der der Akademie früher zugesendeten Schrift des Hrn. James Yates on the mining operations of the Romans in Britain, Taunton 1859 8., S. 17. 2) Vgl. Borghesi im Bullet. dell’Inst. 1846 S. 174£., im Bullet. Napolet. 4 S. 58, und bei Gervasio inser. Napolet. S. 39. [1866.] 56 802 Gesammisitzung Von den in London selbst gefundenen Inschriftsteinen des alten Londinium (ich zähle im ganzen deren etwa ein Dutzend) sind nicht alle, wie sie sollten, im brittischen Museum. Desto reicher ist dasselbe an allerlei Aufschriften auf Gold Silber Erz, auf Gefäfsen aller Art, Elfenbeintessren, an Ringen (diese alle keineswegs blofs von britannischer Herkunft, sondern aus ‘allen möglichen Gegenden), an Ziegelstempeln (worunter die merkwürdigen Stempel der britannischen Flotte), Augenarztstem- peln, und vor allem an Töpferstempeln auf rothem Geschirr. Die letzteren haben einen erheblichen Zuwachs erhalten durch die Erwerbung der ganzen ungemein reichen Sammlungen des Hauptsammlers von in London gefundenen Antiquitäten, des Herrn Charles Roach Smith, der sich seit einiger Zeit nach Strood bei Rochester in Kent zurückgezogen hat. ‚Ich habe alle diese kleinen Denkmäler, welche aus den verschiedenen Räumen der Sammlungen von den Herrn Newton und Franks nicht ohne Mühe herbeigeschafft werden mussten, theils colla- tioniert, theils abgeschrieben, nur mit Ausnahme der colossalen Menge der kleinen Töpferstempel. Die zehn grofsen Schubla- laden, jede mit 1—200 einzelnen schon vorläufig alphabetisch geordneten Scherben, welche das Museum besitzt, konnte ich für diefs Mal noch nicht ganz bewältigen: auf die vorhandenen Abschriften ist aber -bei diesen zum Theil sehr schwer zu le- senden kleinen Inschriften durchaus kein Verlass. In den Souterrains des Museums befinden sich aufserdem nun noch weit über 200 lateinische Inschriften; zum grölsten Theil kleine Columbarientäfelchen aus Rom mit kurzen In- schriften, von denen nur der kleinste Theil gedruckt ist und manche ohne allen Grund für falsch gelten), darunter aber auch einige zwanzig längere und werthvollere Inschriften, bei denen leider der Fundort meist nicht festzustellen ist; ferner ein Dutzend Grabsteine von Soldaten der misenatischen Flotte, von ‘) Wie z.B. die zierliche Grabschrift in elegischem Maafs auf ein Hündchen Margarita, aus Sir Hans Sloanes Sammlung, gedruckt bei Maffei Mus. Ver. S. 444, 6, welche Sir Henry Ellis in seiner Beschreibung der Townley Gallerie, London 1836 Bd. 2 S. 306, für unzweifelhaft modern erklärt, während sie unzweifelhaft ächt ist. vom 29. November 1866. 303 denen zufällig nur einer in Mommsens neapolitanischen Inschrif- ten gedruckt ist, offenbar alle aus den Umgebungen von Nea- pel herstammend; einige Inschriften aus Kustendje, Alexan- dreia Troas und aus Assyrien (von Layard mitgebracht); endlich etwa ein Dutzend von Davis aus Carthago mitge- brachte Fragmente, darunter die grofse christliche Mosaikin- schrift, welche Herr Franks in der Archaeologia (38, 1860 S. 224ff.) publiciert hat. Zu allen diesen Arbeiten waren acht Tage nöthig, ein- schliefslich einer Tour von einem halben Tage nach Cheve- BEN, ning, dem Landsitz des Earl Stanhope. Dort nämlich be- finden sich, wie ich seit längerer Zeit wusste'), einige Inschrif- ten aus dem spanischen Tarragona, welche ein Vorfahr des Grafen, im J. 1722 Admiral der englischen Flotte vor Tarra- gona, von dort heimgeführt hat. Nicht wusste ich aber, dafs diese Inschriften, dreizehn an der Zahl, sämmtlich in hohem Grade merkwürdig sind. Fünf stehen schon bei Gruter, doch befindet sich darunter die geschichtlich wohl allerbedeutendste sämmtlicher in Tarragona gefundener Inschriften, der berühmte Stein des Tib. Claudius Candidus, eines der Feldherren des Severus; vier kannte ich bisher nur aus ziemlich ungenügenden handschriftlichen Aufzeichnungen, sie sind aber nie gedruckt; die vier übrigen hat, wie es scheint, noch niemand gesehen, und zwei von ihnen sind wiederum sehr werthvoll. Dieser uner- wartete Zuwachs zu der spanischen Sammlung kommt noch grade zur rechten Zeit, um seinen Platz in der letzten im Druck befindlichen Abtheilung des spanischen Bandes zu finden’). Vier Tage (vom 12. bis 15. October) verwendete ich zu einem Ausflug nach Cambridge und zu dem nothwendigen zweiten Besuch in Oxford. In Cambridge finden sich die *) Aus Fords Handbook for Spain, London 1855, Bd. 1 S. 401. ”) Durch Hrn. Birchs gütige Vermittelung bin ich inzwischen auch in Besitz von Papierabdrücken von einer Reihe von kleinen Grab- schriften gelangt, welche der verstorbene Hr. Nathan Wheterell in Sevilla gesammelt hat, und welche jetzt sein Sohn Hr. Horatio Wheterell in London aufbewahrt. Diese Inschriften werden wenigstens für die Nachträge noch benutzt werden. s 56* 804 Gesammtsitzung funfzehn von Sir Robert Cotton auf seiner Reise durch den Norden mit Camden zusammengebrachten Originale noch sämmt- lich in der Vorhalle der Bibliothek von Trinity College vor, wohin er sie geschenkt hat. Es sind werthvolle und zum Theil schwer zu lesende Inschriften; durch Newtons Empfehlung an den Rector von Trinity College, Professor Thompson, und durch Hrn. Munro’s, des Herausgebers des Lucretius, Freund- schaft konnte ich sie mit den nöthigen Leitern (da sie z. Th. sehr hoch eingemauert sind) nach Wunsch genau vergleichen. Diese Steine selbst verglichen zu haben war desshalb besonders von Wichtigkeit, weil viele von ihnen offenbar retouchiert, und zwar theilweis falsch retouchiert worden sind. Diefs gilt auch von dem folgenden kleinen Altar; doch ist hier der Lesung nur zum Schaden des palaeographischen Charakters nachgeholfen, nicht aber etwas falsches eingesetzt worden. Die Inschrift ist oft gedruckt (nach Camdens und Cottons Lesung bei Gruter zwei Mal, 130, 8 und 1017, 3; danach bei Or. 1989; bei Horsley Yorkshire VIII), aber nie richtig gelesen und verstanden worden; sie lautet: D-VIG BRIG ETNVM'AAGG T-AVR-AVRELIAN VS D DPROSE 9 ETSVISSMAGEe Auf der rechten Seite steht das Datum n. Chr. 205 am Rande ANTONIno IIETGETA cos Das heifst D(eae) Viet(oriae) Brigantiae et num(inibus) Au)- g(ustorum) T. Aur(elius) Aurelianus d(onum) d(@at) pro se et suis s(acerdote) Mag(io) C(lemente)?. Antoni[fno] II et Geta co(n)- s(ulibus). Zu Anfang las man DvI’cı oder pvıcı und dachte an einen Gott der Briganten Duis, der mit Zeus (Deus) zusam- mengebracht wurde. Die Göttin Brigantia ist bekannt; auf dem Stein aus Middleby in Schottland, jetzt im Museum zu Edinburgh (Or. 5881), ist sie geflügelt dargestellt, auf dem Kopf eine helmartige Krone tragend, die Aegis auf der Brust, in der Rechten hält sie den Speer, in der Linken eine Kugel. vom 29. November 1866. 805 Diefs stimmt sehr gut zu ihrer Bezeichnung als Victoria'). Der Schluss ist nicht mit Sicherheit zu erklären; was ich beispiels- weise gesetzt habe stützt sich auf die auf Privatdedicationen nicht ganz selten vorkommende Nennung der jedesmaligen Priester der betreffenden Gottheit. Das Datum ist sicher; Camden las ANToNInNolıı, was nicht passt, weil es dann GETA'I heiflsen müsste. In der Bibliothek des St. Johns College befinden sich sechs, auf dem Hof des Collegs noch eine siebente Inschrift, sämmtlich aus Ribchester in Laucashire, von dem _ verstorbenen Whitaker hierher geschenkt; drei von ihnen wich- tig und äufserst schwierig zu lesen, sodals die Collation sehr nothwendig war. Endlich enthält auch das neugegründete prächtige Fitzwilliam- Museum aufser den zahlreichen griechischen Sculpturen und Inschriften der Clarkeschen, den Münzen u. s. w. der Leakeschen Sammlung und den römischen Columbariensteinen des Museum Disneianum (vierzehn ächte und fünf augenscheinlich falsche Inschriften) ein Paar schwer zu lesende Meilensteine aus Cambridgeshire und einen kleinen Grabstein aus Colchester (der alten Colonie Camalodunum, die ich leider nicht mehr besuchen konnte), nebst einer Anzahl Töpferstempel, welche die antiquarische Gesellschaft von Cam- bridgeshire zusammengebracht hat. Beim Aufsuchen aller die- ser Dinge unterstützte mich der Professor der Archäologie Herr Churchill Babington, der bekannte Herausgeber der Hyperidesfragmente, auf das freundschaftlichste; auch besitzt er selbst eine Anzahl römischer Scherben mit Töpferstempeln, die ich copierte.e. Auf den Bibliotheken von Trinity, St. John und der Universitätsbibliothek fanden sich ebenfalls allerlei brauch- bare Notizen; bei dieser Arbeit unterstützte mich aufser den genannten Herren Munro und Babington besonders der Univer- sitätsbibliothekar Herr J. B. Mayor. In Oxford hatten mir die Herren Coxe, der erste, und Max Müller der zweite Bibliothekar der Bodleiana bereits alle auf Inschriften bezüglichen Handschriften dieser Biblio- ') Leider giebt es von diesem interessanten Bildwerk nur die ganz unzureichenden Abbildungen bei Horsley Scotland XXXIV und Stuart Caledonia Taf. 2 Fig. 3. 306 Gesammtsizung thek bereit gelegt, sodafs ich sie ungesäumt nach meiner An- kunft in dem prachtvollen und täglich zwölf Stunden geöffneten Lesezimmer der Bibliothek, der Ratcliffe Library, benutzen konnte. Für die allgemeinen Zwecke des C. I. L. ergab sich dabei nicht viel; allein für Britannien war es sehr wichtig den reichen topographischen Apparat Goughs, welcher sich, wie oben erwähnt wurde, auf der Bodleiana befindet, kennen zu lernen. Derselbe ist so umfangreich, dafs ich, nach erneuter Benutzung des brittischen Museums, für die ältere Speeiallitte- tur wohl noch einmal werde zu ihm zurückkehren müssen. Für den Augenblick musste es bei der Kürze der Zeit, die mir noch zu Gebote stand, aufgegeben werden ihn zu erschöpfen. Für zwei Tage nach London zurückgekehrt, um noch einige Geschäfte (Bücherbestellungen und Sendungen) und Besuche zu erledigen, verliefs ich England am 18. October. Der ganze Süden der Insel, Kent und Sussex, nebst den Grafschaften Hants, Dorset, Devon und Cornwall, ist zwar arm an Inschriften; aber einige der Hauptorte, wie Chichester, Win- chester, Exeter zu besuchen würde doch erwünscht sein. Zur Erledigung der noch rückständigen Arbeiten in London (und vielleicht in Oxford), so wie zu einigen Touren nach Colchester (und Norwich) und in jene südlichen Grafschaf- ten wird ein zweiter Aufenthalt von etwa vier Wochen aus- reichen. An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Gerhard, Etruskische Spiegel. 3. u. 4. Band, Lfg. 18. Berlin 1866. 4. : Zeitschrift des Königl. Preu/s. Statistischen Bureaus. 6. Jahrgang, no. 7—9. Berlin 1866. 4. Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Skrifter. Historik og philo- sophisk Afdeling. Vol. IH, 1. Kjobenhavn 1866. 4. Oversigt over det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinger. 1865, no. 1—3. 1866, no. 1. Kjobenhavn 1866. 8. Thomas Maclear, Verification and extension of LaÜailles Arc of Meridian at the Cape of Good Hope. Vol. 1. 2. London 1866. 4. A. D. Bache, Standard mean places of circumpolar and. time stars. Ed. II. Washington 1866. 4. MONATSBERICHT KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN. December 1866. Vorsitzender Sekretar: Herr Trendelenbur 8. Am 3. December begrülsten die Sekretare im Namen der Akademie Herrn von Olfers als an dem Tage, an welchem derselbe vor 50 Jahren in den Königlichen Staatsdienst einge- treten war. 6. December. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Kirchhoff las über die Übergaburkunde der Schatzmeister der Athene vom Jahr Ol. 109,1. Hr. Mommsen legte die von Hrn. G.B. de Rossi kürz- lich im Bullettino cristiano publieirte neue Arvaltafel aus dem J. 58 u.59 n. C. vor. Hr. Mommsen legte ferner die kürzlich für das hiesige K. Museum erworbenen, aus Nagy Enyed in Siebenbürgen stammenden Wachstafeln vor, welche einen Gesellschaftsvertrag zwischen Julius Alexander und Cassius Frontinus vom 29. März 167 n. Chr. enthalten und von Hrn. Mommsen bereits in den Monatsberichten 1857. S. 521 ff veröffentlicht sind. [1866.] | 57 810 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Comptes rendus de l'academie des sciences, Vol. 63, no. 11— 21. Paris 1866. 4. Memorie del R. Istituto lombardo, Vol. X, fasc. 2. Milano 1866. 4. Rendiconti del R. Istituto lombardo. Milano, Marzo — Agosto 1865. 8. Memoires de la societe de physique de Geneve. Tome XVII, 2. Geneve 1866. 4. Quarterly Journal of the Geological Society, no. 87. 88. London 1866 8. Bulletin de la societe geologique de France. Paris, Sept. 1866. 8. Bulletin de la societe de geographie. Paris, Novembre 1866. 8. Jahrbücher der Kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Neue Folge. Heft 4. 5. Erfurt 1866. 8. Poudra, Histoire de la perspective. Paris 1864. 4. ‚ Perspective-relief. ib. 1866. 8. ‚ De linvolution plane. ib. 1866. 8. Oewers de Desargues, reunies et analysees per M. Poudra. Vol. 1. 2. ib. 1864. 8. Max Schultze, Zur Anatomie und Physiologie der Retina. Bonn 1866. 8. Mit Schreiben des Hrn. Verf. d. d. Bonn 25. Nov. 1866. 10. December. Sitzung der physikalisch-ma- thematischen Klasse. Hr. Ehrenberg legte folgende zwei Mittheilungen vor: EinBeitragundVersuche zur weiterenKenntnils der Wachsthumsbedingungen der organischen kieselerdi- gen Gebilde. „ Im Jahre 1858 habe ich der Akademie einige Resultate meiner Untersuchungen der mikroskopischen Lebensverhältnisse aus der Umgegend des Vesuvs und vom Vesuv selbst mitge- theil. Die damals gesammelten Materialien harren seitdem noch meiner weiteren Pflege, und wenn ich jetzt wieder fort- fahre, dem Leben in der Richtung des kleinsten Raumes meine Aufmerkamkeit zuzuwenden, und die Theilnahme der Akademie zu erbitten, so liest der Grund davon darin, dafs auch bis heute das unergründlich fein verheilte Leben sein Interesse nicht all- mälig verloren hat, vielmehr sich, wie die Phytolitharien-Lager als Gebirgsmasse in Mexiko neuerlich bekundeten, in immer neue - vom 10. December 1866. ; ll Fernsichten ausbreitet. Eine von jenen Mittheilungen, die ich im Jahre 1858 vorleste, betraf die in hohen Hitzegraden bis 65° R. sich massenhaft vermehrenden Lebensformen in den aus Spalten der Insel Ischia hervorquellenden heilsen Gewässern. Die massenhaften Ablagerungen todter Bacillarien-Kiesel-Schalen in jenen Thälern und ihr dabei wahrgenommenes Lebensver- hältnifs um die heifsen senkrechten Felsspalten (Monatsber. 1858 pag. 488.) war ein besonders wichtiges Moment zur Erläuterung von urweltlichen Gebirgsarten in Ungarn und von weit ent- . fernten, amerikanischen Verhältnissen der Erde. Heute erlaube ich mir ein ähnliches, von vulkanischer Hitze durchaus unabhängiges, ihr sogar entgegengesetztes Lebensver- hältnils mitzutheilen, welches wohl auch geeignet sein möchte, das Nachdenken über das unsichtbar kleine Leben immer mehr zu schärfen, und das Vorurtheil zu beseitigen, dals Jemand sich mit einflufslosen Specialstudien beschäftige, der zur Er- gründung der so überall tief in die Physiologie, auch so tief in das Erdfeste, eingreifenden feinen Lebensgesetze einen gründ- lichen Beitrag zu liefern sich bemüht. Dals die kieselschaligen kleinen Lebensformen, welche von mir, um nicht durch immer neue Namen Verwirrungen nnd Schwierigkeiten zu veranlassen, mit dem wissenschaftlich fest- zuhaltenden ersten Namen der Bacillarien vielfach verzeichnet sind, die aber von Anderen mit dem Namen der Diatomeen oder was das am wenigsten angemessene ist, als einfache Pflanzenzellen betrachtet worden und oft wieder anders (Phy- thozoidien, Rhizopoden, Protisten) benannt worden sind, in Flüssen, Teichen und sumpfigem Boden sich zu grofsen Massen entwickeln, ja selbst bis zur Höhe von mächtigen Gebirgslagern von 40 bis 500 Fufs') Mächtigkeit anhäufen?), habe ich bereits seit 1830 vielfach der Akademie vorgetragen und erwiesen. Auch die in der Stadt Berlin neuerlich vorkommenden Verhältnisse, von denen ich im Mai dieses Jahres neue Beobachtungen mitgetheilt habe, reihen sich an diese Erscheinungen massenhaft an. ") Nach Fremont. °) S. Monatsb. 1853 p. 211 u. Mikrogeol. Taf. XXXIU. Fig. XII. De 812 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Bei Betrachtung dieser Verhältnisse kann man sich der Frage nicht erwehren, woher bekommen so zahllose über- einstimmende organische Lebensformen, die ihren Ort verhält- nilsmälsig so wenig verändern können, die ungeheuerlichen Massen von Kieselerde, welche zu ihrer immerwährenden Ver- mehrung bis zu solcher Ausdehnung erforderlich sind. Wer das organische Leben für etwas Untergeordnetes hält, und es in seinen kleinen Formen theilnahmlos bei Seite schiebt, findet in dem Quarz- und Silicaten-Sande und Schlamme aller Wasser- läufe, im Kieselstaube des Ackerlandes und der Fahrstrafsen eine reichliche Quelle solcher Kieselerde. Man denkt sich wohl, solche Lebensformen dürfen ja nur an dem Schlamme und Sande der Silicate, in welchem die Kieselerde am löslichsten erscheint, saugen, lecken und reiben, so lösen sich Kieselstoffe, wenn sie nicht im Wasser schon gelöst sein sollten, leicht ab, und das Material für ihre Schale sei also reichlich vorhanden. Wenn man jedoch achtsamer mit mehr Theilnahme für das organische Leben diese Erscheinung in Überlegung zieht, so finden sich verschiedene Umstände, welche über die Erläuterun- gen jener Art grolses Bedenken erregen. Das erste Bedenken für solche Naturforscher, welche die gesammten Bacillarien so oft für. einfache geschlossene Pflanzenzellen gehalten haben, und noch halten, hätte doch wohl die Schwierigkeit nahe legen sollen, dafs geschlossene kieselhäutige Pflanzenzellen nicht wohl zum Saugen von Kieselsubstanz geeignet sein mögen, wozu denn doch Öffnungen und hervorragende weiche Organe ge- hören. Auch die Vorstellung, dafs die Zellwände selbst durch Endosmose und Exosmose oder Diffusion, wie es jetzt im nicht mehr physiologischen vielmehr rein chemischen Sinne genannt _ wird, von Aufsen zugleich Kieselerde aufnehmen und innerhalb ihrer Zelle ablagern, ist weder bei den oft mit einer kiesellosen Epidermis versehenen Gräsern, noch bei den in ihrer Kiesel- hülle vielfach gegliederten, also keineswegs einfachen Baeillarien anwendbar. Aber auch, wenn man, wie ich es seit dem Jahre 1830 in der Akademie gethan habe, Öffnungen und hervor- ragende Organe, so wie bestimmte Ernährungsorgane bei Ba- cillarien nachgewiesen hat, so bleiben dennoch in der geringen Menge der im Wasser als Lösung vorhandenen Kieselerde für vom 10. December 1866. 813 solche Fälle Schwierigkeiten übrig, wo die massenhafte Ent- wicklung solcher organischen Lebensformen im Wasser schwebend geschieht, so dafs man beim Filtriren des scheinbar nicht oder nur wenig getrübten Wassers, wie ich schon 1831') vor der Akademie nachwies, solche Formen pfundweise und wenn man will, eentnerweise erlangen kann. Ebenso wichtig ist der Uwstand, dafs nicht blos am schlammigen oder sandigen Boden sich die Massen der kiesel- schaligen Bacillarien finden, sondern weit augenfälliger oft an frei immer im Wasser flottirenden Pflanzen, besonders schilfar tigen Gräsern, bei welchen eine Berührung mit kieselhaltigen Substanzen am Boden des Wassers 'gar nicht zu denken ist, die auch nicht periodisch auf- und niedersteigen. Noch auffälliger als im Flufs- und Sumpfwasser ist diese Erscheinung im Meerwasser, wo auch ein periodisches Belecken oder Besaugen von Kieselsand oder Kieselfels weder bei den im Meerwasser oft ganz an der Oberfläche schwimmenden Ba- eillarien noch bei Polyeistinen zu denken ist. Ja es ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung, dafs lange Fucoiden des Meeres in ansehnlichen Abständen vom Boden mit kieselschaligen Ba- eillarien der Gattungen Achnanthes, Podosphenia, Fragillaria, Gomphonema, Synedra ganz und gar bedeckt und eingehüllt sind; ja sogar auf den Fucus-Bänken mitten im Atlantischen Ocean finden sich an den Pflanzenstengeln dichte Bedeckungen von Kiesel-Bacillarien, welche, obwohl sie sich fortpflanzen, niemals ihren Bedarf an Kieselerde aus der Tiefe nehmen können. Bei allen an Gräsern, vielleieht auch an Fucoiden vorhandenen reichen Bacillarien-Entwicklungen könnten gewisse Kieselver- hältnisse im freien Wasser solche, zum Theil noch nicht ge- nügend chemisch geprüfte Anheftungspunkte über eine Dar- reichung von Kieselerde aus ihnen in Zweifel lassen. Es hat mich daher eine Erscheinnng, die ich im Jahre 1862 im Park von Aigen bei Salzburg mit aller Mufse beobachten konnte, bei achttägigem Aufenthalte am Orte auffällig angespro- chen, von der ich Mittheilung zu machen mich angeregt fühle. Am Schweizerhause im Park zu Aigen war meiner Wohnung 1) S. Abhandl. 814 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse gegenüber ein von der Höhe abgeleitetes, immer fliefsendes sehr klares Trinkwasser, welches in einer hölzernen Röhre über mannshoch senkrecht aufsteigend, durch den von der Höhe des Geisberges kommenden Druck zum Ausfluls kam. An dieser sechskantigen, hölzernen, senkrechten Brunnen- röhre fand sich oberhaib in einer Höhe, die mit ausgestrecktem Arm zu erreichen war, ein gallertiger Überzug an der Stelle, wo aus einer Spalte der Röhre Wasser hervorsickerte. An dieser Stelle und längs des ganzen Ablaufes dieses neben der eigentlichen Abflulsröhre berabrieselnden kleinen Wasserström- chens, fanden sich dicke, bräunlich gelbe, schleimige Überzüge, welche sich bis zur Erde fortsetzten und in der Nähe des Bodens bis etwa 2 Fufs Höhe eine grünlich schwarze Färbung annahmen. Bei Betrachtung dieser schleimigen, oberhalb mehrere Li- nien dicken Gallertpolster unter dem Mikroskop fand sich bei 300 maliger Vergröfserung, dafs sie fast ganz aus Gomphonema gracile bestanden mit Einmischung nur. weniger freier Navi- culae. Unterhalb waren diese Ablagerungen mit Osecillarien dicht verfilzt und weniger rein aber sehr viel dicker, so dafs die ganze Masse der kieselhaltigen in Betracht kommenden Verhältnisse wohl doch, im trocknen Zustande gedacht, 5—6 Unzen betragen mulste. Die Formen waren nicht neu, aber ihr Er- scheinen am hohen senkrechten Wasserlauf der hölzernen Röhre besonders ihrer grolsen Menge halber, doch sehr bemerkens- werth. Nimmt man auch an, dafs selbst im kalten Wasser klarer Bergquellen stets gewisse Mengen von Kieselsäure gelöst ent- halten sind, die in den Rückständen beim Abdampfen des Wassers erkennbar werden, so sind dieselben doch überall, wo sie be- kannt wurden, von sehr geringer Menge und zur Darstellung grolser Mengen von Bacillarien-Schalen und deren stetiger Ver- mehrung durch Vergröfserung, Selbsttheilung und Brutverhält- nisse bis zu weit ausgebreiteten Flächenbedeckungen in der oft kurzen Zeit solcher Entwicklungen nicht geeignet, und solche Anhäufungen sind viel auffälliger als das Vorkommen von der- gleichen Kieselformen im schlammigen Bachboden. Es darf nicht unbemerkt bleiben, dafs dieser Brunnen am Anfange des Waldes des Geisberges und überall umgeben von blumenreichen vom 10. December 1866. 815 saftigen Wiesen und unter Bäumen gelegen war, und mithin vom Luftstaube den Kieselgehalt der Bacillarien nicht erlangen konnte. Auch ist eine Betheiligung des kieselhaltigen Luft- staubes an der Erscheinung deshalb unglaublich, weil kein Staub sich an dem senkrecht herabrieselnden, stets laufenden Wasser halten könnte. Verschiedene Chemiker haben sich zwar mannigfach ver- dienstlich bemüht, den Kieselgehalt von Gräsern, Equiseten uud Spongillen zu ermitteln und haben sich um die Substanz- und Massenverhältnisse dieser erdisen Bestandtheile der Pflanzen ein Verdienst erworben, welches besonders bei den Getreidearten auch landwirthschaftlich von Bedeutung wird. Es fehlt aber noch an Beobachtungeu, wieviel stagnirendes, oder sonst zur Kieselauflösung fähiges Wasser wohl durch den Schaft eines _ Equisetum oder Getreidehalmes oder einer Spongille gehen mufs, um den Kieselgehalt einer solchen Pflanze, die schnell genug wächst, in verhältnifsmäfsig sehr kurzer Zeit abzulagern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dafs jeder einzelne Schaft eines Equi- setum von geringer Höhe unglaublich viel Wasser gehoben und verdunstet haben mufs, um eine vorhandene Kieselablagerung aus demselben denkbar zu machen. Nur im erwärmten und heilsen Wasser ist bekanntlich der Kieselsäuregehalt, wie bei dem Geiser Islands so ansehnlich, dafs er für organische Ver- wendung in breiteren Verhältnissen leicht denkbar ist. So sind denn auch die von mir oben gedachten im Jahre 1858 vorgetragenen Verhältnisse des mikroskopischen Lebens auf der Insel Ischia leichter als aus dem Wasser selbst genommen oder als aus dem Trachyt, welchem sie anhaften, entnommene kiese- lige Substanzgebilde aufzufassen. Bei der senkrechten hölzernen Brunnenröhre im Park von Aigen fällt das Substrat der kiesel- haltigen Wandung weg, und es bleibt nur möglich an den Kieselgehalt nicht eines warmen, sondern des kalten fliefsenden Trinkwassers als so vorbereitetes Material zu denken, dafs es von den Bacillarien-Formen sofort aufgenommen und verwendet werden kann. Der Kieselgehalt des kalten Quellwassers beträgt selten nur ‘|. Procent des Rückstandes vom abgedampften Wasser, häufig wird von Chemikern nur von so geringen Spuren der Kieselerde in kalten Gewässern gesprochen, dafs sie sich 816 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse im Procent-Ansatz nicht einmal aussprechen lassen, und es mögen ziemlich alle solche Analysen deshalb noch höchst unsicher sein, weil das Wasser bei diesen chemischen Operationen nicht vor- her ausdrücklich filtrirt worden ist, um selbst grobe, mechanische schwebende Beimischungen zu entfernen. Wer sich wollte mit dem Gedanken beruhigen, dafs sehr kleine Beimischungen von Kieselsäure jeden Wassers zur Er- läuterung des zur Sprache gebrachten Problems vollkommen hinreichend seien, wenn nur ein grolser Zeitraum für die An- eignung dieses Mischungstheiles aus dem Wasser und eine ver- hältnifsmäfsig grofse Wassermasse angenommen werde, dürfte doch darin eine grofse Schwierigkeit finden, dafs die Kieselsäure nur eine zufällige, wenn auch häufige, doch keine nothwendige Mischung des Wassers ist. Freilich ist es eine tägliche Er- fahrung, dafs eine brennende Lichtfiamme aus der atmosphäri- schen Luft den Sauerstoff immerfort an sich zieht, ohne den- selben im freien Raume zu erschöpfen, allein diese Sauerstoff- Attraction aus der Luft ist durchaus deshalb nicht vergleichbar mit einer Attraction von Kieselsäure aus dem Wasser durch die Pflanzen und Thiere, weil jener ein nothwendiger Bestand- theil der atmosphärischen Luft ist und weil diese Luft keine chemische Verbindung ihrer Theile, sondern nur eine mechanische Mischung ist, die man neuerlich sogar hat mechanisch trennen lernen. Ist die Kieselsäure als Lösung im Wasser, so ist nicht zu glauben, dafs sie einzeln wird ausgezogen und anders dar- gestellt werden können, als durch Verdampfung des Wassers. Diese Verdampfung oder Verdunstung mag allerdings in den aufsteigenden Säften der Grashalme und der Equiseten statt- finden, es wird aber nothwendig eine solche Masse von Wasser zur Verdunstung nöthig sein, wie sie die Procent-Sätze bei künstlicher Verdampfung anzeigen. Das heifst, es wird eine Verdunstung ungeheurer Wassermengen nöthig sein, um die Ablagerungen darzustellen, welche sich in den angeregten Orten der Pflanzen vorfinden. . Die neueste Arbeit, welche die Akademie im Juli d. Jahres gekrönt, hat mancherlei Verhältnisse der in den Fruchthalmen des Getreides abgelagerten Kieselsäure zur Sprache gebracht, welche das Interesse der Wissenschaft noch weiter zu fesseln vom 10. December 1866. 817 im Stande sein werden. Es gehört hierzu die Beobachtung, dafs die ‚Kieselablagerungen im unteren Schafte nahe der Wurzel, wo die Aufnahme doch geschehen mufs, weit geringer sind, oder fehlen, während sie im oberen Theil der Pflanze aufwärts zunehmen. Da sich in der Atmosphäre noch niemals bisher durch die Chemie eine luftförmige Kieselsäure hat nachweisen lassen, so ist unzweifelhaft, dals die Spaltöffnungen der Pflan- zen niemals die hier vorhandene Kieselerde aus der Atmosphäre aufnehmen können, so wenig als die häufig mit einer kiesellosen Epidermis überzogenen Zellwände. Es ist also alle im Getreide und in ähnlichen Verhältnissen sich ablagernde Kieselerde nur ein Produkt der in der Pflanze aufsteigenden Flüssigkeiten. Nun ist zwar die Art der Ausscheidung und Anhäufung der Kieselsäure in inneren geschlossenen Zellen, wie sie bei den Pflanzen am häufigsten vorkommt, am leichtesten als ein der Endosmose ähnliches Verhältnifs zu denken, wie dasselbe mit Amylum-Ablagerung, Chlorophyll, harzigen und öligen oder holzigen Stoffen in ähnlicher Art der Fall ist. In allen solchen Fällen ist unzweifelhaft die Ablagerung der Kieselsäure in den Zellen eine specifische, noch völlig räthselhafte Thätigkeit be- stimmter Arten von Zellen, und dieselbe bildet als Kieselabla- gerung zuerst Auskleidungen an den Wandungen der Zellen mit einem Hohlraum in der Mitte, der sich mit zunehmender Ab- lagerung nach innen allmälig meist verkleinert und entweder schliefst, oder auch nicht selten dann aufhört, wenn nur noch ein einzelner mittlerer hohler Canal übrig geblieben ist. Ich habe über diesen Gegenstand in den Monatsberichten 1846 p. 196 ausführlichere Mittheilung gemacht. Es wäre sehr wünschenswerth gewesen, dafs die sorgfälti- sen Bemühungen des für diesen Gegenstand zuletzt thätig ge- wesenen Chemikers sich gerade mit dem Gegenstande beschäf- tigt hätten, welcher dem organischen Leben am uächsten liegt, nämlich mit den Assimilirungsverhältnissen der von den Pflanzen als Phytolitharien, von den Bacillarien als deren abgestorbene Schalen so massenhaft producirten amorphen, daher leichter als Quarzsand, vielleicht auch leichter als Silicate der Felsarten, löslichen Kieselerde. Schon seit vielen Jahren ist von mir darauf hingewiesen worden, dafs die einfach lichtbrechenden, 818 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse mithin amorphen Kieseltheile der Bacillarien und Phytolitharien in allen nur einigermalsen ergiebigen Kulturflächen um so reich- licher vorkommen, je ertragsfähiger dieselben sind. Da die so reichlich untersuchten Delta’s der grofsen Flüsse und die Thal- flächen auch aller kleineren Flüsse mit der grofsen Erscheinung der Schwarzerde Tscherno-Sem'), welche einen überaus frucht- baren, fast unerschöpflichen Kulturboden in Rufsland bildet, zusammenfallen, so sind die Einflüsse der amorphen Kieselsäure nicht im Thon und Lehm, sondern gerade in diesen organischen Verhältnissen am meisten zu prüfen, und wenn Strohdüngung besonders günstig erscheint, so ist die in dem Stroh enthaltene amorphe Kieselsäure der Phytolitharien doch wahrscheinlich ein sehr wichtiges Element und sollte von Seiten der organi- schen Chemie gerade in dieser Beziehung irgendwo einmal scharf in’s Auge gefalst werden. Thon- und Lehmboden als Silicate haben meinen Erfahrungen und den mir vielfach vor- liegenden Proben von Kulturerdeu nach, nirgends auf der Erde eine so hohe Kulturfähigkeit erkennen lassen, als der am reich- sten mit organischen Kieselschalen gemischte Thalboden und Deltaboden der Flüsse.”) Die Kieselerde als solche scheint nicht der Grund der durch sie mit bedingten Bevorzugung der organischen amorphen Kieselerde. zu sein, vielmehr vielleicht liegt auch zuweilen darin ein Vorzug der letzteren, weil sie hohle Kieselzellen bildet, welche zugleich zur Festhaltung von Feuchtigkeit und zur Auflockerung fester Thon- und Kalkschich- ten dienlich sind. So würde denn auch jene in der genannten Preisschrift erwähnte lokale amorphe Kieselsäure, welche nur als Geröll vorgekommen ist, mit Rücksicht auf jene überall auf dem Kulturboden vorkommende, doch erst in zweiter Reihe ihre Nutzanwendung finden. Ich möchte mit dem Wunsche schliefsen, da es mir selbst doch wohl nicht mehr vergönnt sein wird, dafs doch physiolo- gische Anstalten, deren es jetzt so viele und so tüchtige giebt, sich mit einer Prüfung der Bedingungen der Zunahme der Kie- selerde bei jungen im Wasser fortwachsenden Equiseten, ") Monatsb. 1850 p. 268. ?) Siehe Mikrogeologie. vom 10. December 1866. 819 Gräsern, Spongillen und Spongien beschäftigen möchten, weil ich diese am geeignetsten halte, zu einem klaren Resultate zu gelangen. Es könnten gleichzeitig verschiedene Beobachtungs- methoden angewendet werden; am leichtesten dürfte der Ver- such sein, kleine Pflänzchen des Equisetum an ihrem Stamm- orte selbst aus dem Schlammboden zu ziehen, ihre Wurzeln sehr sorgfältig zu reinigen, sie zu wägen, ihre Gröfsen zu messen und eine von vielen gleich grofsen Formen zu trocknen, zu glühen und auf die Menge ihres Kieselsäuregehaltes zu prüfen. Wenn dann eine Anzahl der anderen, so in Übersicht gebrachten, möglichst gleichen Formen mit ebenfalls völlig ge- reinisten Wurzeln am ursprünglichen Standorte selbst frei in demselben stagnirenden Wasser, vielleicht in Öffnungen eines frei schwimmenden Brettchens, so an einem Stabe befestigt würden, dafs sie flottirend den Boden nicht berührten, so wäre wohl zu erwarten, dafs das Wachsthum sich fortsetze und mit Sicherheit darüber ein Aufschlufs gegeben werde, ob der Boden, das Wasser oder was sonst die in die Pflanze übergehende Kieselerde enthalte; auch darüber, wieviel in einer gegebenen Zeit der Wachsthumsperiode der vergleichbaren Pflanzen abge- lagert werde. ‘ Eine andere Reihe von Versuchen liefse sich ebenfalls in der Nähe einer natürlichen Equisetum-Pflanzung durch Auf- stellen mehrerer becherförmiger, kleiner, vielleicht auch mit Stan- niol ausgelegter Behälter aus Fichtenholz erlangen, die etwa ebenfalls mit einem Brettchen im Wasser so flottirend erhalten würden, dafs stets ein Zufluls von frischem Wasser durch klei- nere Öffnungen gestattet wäre, auf deren Boden aber verschie- dene Kieselerde-haltige, organische Bestandtheile einen bekann- ten Bodengrund bildeten, dessen Kieselgehalt durch Wägung und vorhergegangene Prüfung eines gleichen Theiles bekannt wäre. In solche Holzbecher liefsen sich junge Pflanzen in ähnlicher Weise in der Absicht einsetzen, um zu erkennen, ob und wie viel Kieselerde aus diesen verschiedenen künstlichen Bodenarten von den Pflanzen in einer bestimmten Zeit und für eine bestimmte Vergrölserung derselben aufgenommen würde. Dergleichen Bodenarten würden sich darstellen lassen, erstlich durch feine zerschnittene Equisetum-Stengel derselben Art, wel- 820 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse che‘ wachsen soll; zweitens durch das Stroh irgend einer Ge treideart, Weizen oder Roggen; ganz besonders aber durch eine, durch geformte Phytolitharien sich stets im Innern auszeich- nende Grasart, wie fein zerschnittenes Reisstroh oder die in den Torfgegenden nicht seltene Leersia oryzoides, auch wohl aus den trocknen Blättern der Digitaria sanguinalis, welche Pflanzen ich bereits 1846 in den Monatsberichten d, Akad. p- 196 als reich an Phytolitkarien mit anderen bezeichnet habe. Schilfblätter halte ich, obwohl sie viel Kieselerde enthalten, nicht für geeignet, weil ihre Kieselablagerungen leicht zerstörbar und weniger mikroskopisch übersichtlich sind. Ebenso ist die weilse Bacillarien-Erde von Lüneburg für einen solchen Ver- such sehr wünschenswerth. Die weiteren angemessenen Vergleichungen müssen freilich einem sorgfältigen Beobachter überlassen bleiben. Unumgäng- lich nöthig aber wird nur sein, dafs das Wasser, worin solche Versuche gemacht werden, womöglich ein stagnirendes klares Wasser sei, und dafs sein Gehalt an Kieselsäure durch eine chemische Prüfung, nach geschehener Filtrirung durch Berze- lius’sches Filtrirpapier, ermittelt werde. Die Spongilla lacustris in unseren Flüssen, welche ebenfalls an Pfählen und Flöfsen massenhaft wächst, und sich in jedem Sommer zu grolsen Massen entwickelt, dürfte auch zu einer Prüfung der Massenentwicklung und des Ursprungs der Kiesel- säure geeignet erscheinen, so wie es im Meerwasser auch an den Holzpfählen der Häfen frei im Wasser wachsende wahre Kieselschwämme giebt. Irgend eine dieser Formen hätte schon längst sollen, da wo sie bequem zur Hand sind, zur Erläute- rung des wichtigen Räthsels der organischen Kieselabschei- dungen benutzt werden, wartet aber noch auf den dies ausfüh- renden Beobachter. Rücksichtlich der Spongien und Spongilla lacustris dürfte, wenn nicht eine ähnliche Erledigung, doch wenigstens eine weitere Erläuterung dadurch zu erreichen sein, dafs man an Stellen, wo in stagnirenden klaren Torfgrubenwässern, wo Spongien schon wachsen, auf Holz bereits ansitzende jüngere Schwämme mit dem Holzspahn ablöste und einige davon frei im Wasser schwebend, an senkrechten Stäben befestigt, sich weiter vom 10. December 1866. 821 fortentwickeln liefse;s andere aber in offnen unter Wasser be- festigten Holzbechern, die auch mit Stanniol ausgelegt sein könnten, unterhalb mit amorpher Kieselerde verschiedentlich umgebe, aus der die Basis Nahrung entnehmen könnte. Getrocknete Spon- gillen könnten mit dazu verbraucht werden. Aus einem solchen Versuche müfste sich ergeben, ob das Wachsthum dieser am reichsten kieselhaltigen Körper der künstlich gebotenen Nahrung an Kieselerde proportional sei. Natürlich müfste das Wasser, da es sich überall aus dem Boden durch Quellen stetig er- neuert und an der Oberfläche verdunstet, auf seinen eigenen Kieselgehalt mehrfach untersucht werden. Zur klaren Ansicht der bezweckten Forschungen gebe ich zuletzt noch folgende, bisher unbeachtet gebliebene Bemerkungen über den bedeutenden Unterschied der kieselhaltigen Pflanzen- zellen und der kieselhaltigen Baeillarien-Formen zu weiterer Erwägung. Die Kieselerde-absondernden Pflanzenzellen zeigen oft deutlich von Aufsen nach Innen fortschreitende, an Dicke zunehmende, ungegliederte Kiesel- Auskleidungen der Zellen, welche mit deren Erfüllungen enden und somit die Körper darstellen, welche als Phytolitharien (Lithostylidien u. s. w.) von mir zuerst 1841 bezeichnet wurden, und welche als wesent- liche Bestandtheile ganzer Gebirgsschichten neuerlich zur An- schauung gekommen sind.') Ganz anders verhalten sich die Bacillarien-Kieselschalen. Noch niemals ist eine Bacillarien-Form gefunden, deren Kieselschale mit zunehmendem Alter durch Endosmose immer dicker geworden wäre und endlich die innere !) Ich habe zwar im Jahre 1846 die Beobachtung mitgetheilt, dafs in der Blätterkohle bei Rott und Geistingen Steinkerne von Bacillarien als eine sehr merkwürdige Erscheinung hervorgetreten sind und ich habe diese nicht nur auf Taf. VII d. Mikrogeol. abgebildet, sondern auch die Ent- stehung solcher Kieselerfüllungen als concentrische augenartige Gebilde in der Mikrogeologie auf Taf. XXXVLI Fig. 13 noch besonders abge- bildet. Diese Art der Erfüllungen sind mit denen der lebenden Pflanzen- zellen gar nicht zu vergleichen, es sind vielmehr Steinkernbildungen, die auch eben so gut, wie oft bei Ammoniten, Schwefelkies sein könnten, dessen Ablagerung in lebenden Zellen naturwidrig erscheint. 322 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Höhlung ausgefüllt hätte.') Aufserdem sind die Baecillarien- Schalen auch niemals einfache Kieselausbreitungen, sondern stets mehrfach gegliedert, so dafs diese Gliederung bald als klaffende Schale, bald als ein in mehrfache Theile zerfallendes Kästchen erscheint, das einen vielfach gegliederten weichen Körper in sich einschliefst, und von mir schon 1838 pag. 174 in dem Infusorienwerke beschrieben und auch abgebildet worden ist. Man kann diese Kiesel-abscheidenden Bacillarien-Formen gar nicht mit Pflanzenzellen, am meisten aber mit den Kalk- abscheidenden zweischaligen oder einschaligen Mollusken ver- gleichen, deren Ausscheidung der Kieselsäure nicht wie bei den Pflanzenzellen won Aufsen nach Innen, sondern wie bei den Muscheln von Innen nach Aufsen oder durch Zwischenschiebung gerichtet ist, und die stets in ihrem inneren Raum einen viel- gliedrigen organischen Körperbau enthalten, welcher den Pflanzen- zellen abgeht. Dafs auch die überaus dünnen Kieselschalen der Bacillarien wahrscheinlich ebenso wie die Muschelschalen der Bivalven aus einem vielzelligen weichen Gebilde ihren Ur- sprung und ihr Wachsthum entnehmen und selbst vielzellig sind, liefs sich schon 1836?) aus den damals angeführten Versuchen, welche das in den Schalen befindliche Eisen nur durch viel- fach wiederholtes Auslaugen mit Säuren nach wiederholtem Glühen entfernen liefsen, wahrscheinlich finden, weshalb wohl Schacht die Streifungen der Navicula hippocampus, mit weniger Recht, als sich kreuzende Verdichtungslinien einer einfachen Zellwand angesehen hat°). Was den übrigen vielzelligen Bau des weichen inneren Körpers der Bacillarien anlangt, so sind seine Ernährungs- und Bewegungsorgane, sammt einer Mehrzahl noch anderer weniger 1) Dergleichen unfertige Formen von Lithostylidien u. s. w. sind in den Abhdl. d. Akad. 1847 üb. den Passatstaub Taf. II, I. Fig. 46, 47. Lithos. Rhombus. Fig. 54 Lith. Rajula. Taf. VI. I. Fig. 44 Lithodont. bursa abgebildet. Die schwarzen Erfüllungen sind Luftblasen, also sichere Beweise der mittleren Hohlräume. ?) Abhandl. 1836. Monatsb. 1842. ?) Schacht, Beitr. z. Anat. und Physiol. d. Gewächse 1854 p. 232. vom 10. December 1866. 823 sicher deutsamer Organe in denselben, so wie die zu ihrer Thätigkeit nöthigen Öffnungen, von mir bereits so vielfach seit alter Zeit erläutert worden, dafs ich die veraltete, selbst in Frankreich verlassene Vorstellung eines aus ihnen und einigen unklaren Dingen zu bildenden Mittelreiches der Protisten (rögne psychodiaire Bory’s. Diet. class.)in keiner Weise empfehlenkann, und mich fortzufahren veranlafst sehe, die Bacillarien für wahre, wenn auch noch nicht in allen Systemen vollendet erläuterte 'Thiere zu erklären. Dafs die Baeillarien-Formen auch sogar in ihren dünnen Kieselschalenverhältnissen keineswegs als einfache Zellen zu be- trachten sind, läfst sich auch daraus mit guter Sicherheit er- weisen, dafs sich häufig bei ihnen ein überaus dünner, sehr schwer sichtbarer, feiner Kiesel-Epidermis ähnlicher Überzug nach- weisen läfst, welcher sich von gerieften oder punktirten Platten äulserlich ablöst. Bei Pinnularia viridis, den grofsen Surirellen, allen Navieulis und wohl allen übrigen Formen, besonders leicht bei allen Gallionellen, erkennt man bei der 'Selbsttheilung eine breite sich erweiternde Zwischenhaut an der Theilungsstelle, unter welcher sich die neu zu bildenden Hälften gestalten. Bei grolsen Meeresformen (Isthmia'), Denticella und Biddulphia?) sind zuweilen diesekieseligen, eine Epidermis darstellenden Verbindungs- häute ebenfalls mit Skulpulturverhältnissen geschmückt, wie schon 1838 in dem Infusorienwerke auf Taf. XVI von mir abgebildet wurde und wie es bei den Achnanthes-Arten ebenfalls schon längst dar- gestellt worden ist... Dafs hierdurch eine Endosmose der Zell- wände ohne Mund-Öffnungen nicht begünstigt ist, liegst wohl am Tage. Wieviel Zeit noch wird vergehen müssen, ehe diese so einfachen Verhältnisse ihre breitere Anerkennung finden, kann immerhin nicht weiter mafsgebend sein. Ye tree II. Über Hyalonema lusitanicum. Dafs die Glaspflanze, Hyalonema Sieboldii, welche für eine mit einer Kieselaxe versehene Polypenform bis dahin mit detaillirter 1) Infusorienwerk. T. XVI. 2) Abhandl. d. Akad. 1841. Taf. II. Abth. VI. Fig. 18 u. 19. 824 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Nachweisung gehalten worden war, nur ein künstliches Produkt japanischer Industrie sei, dessen Kieselaxe ursprünglich mit Zwirn und Drath in eine unnatürliche Verbindung mit fremd- artigen Substanzen, auch Polypen und Schwämmen, gebracht worden, habe ich 1860 und 1861 mitgetheilt, wie es in den Monatsberichten dieser Jahre publicirt ist. Der eigentliche Ur- sprung der Glasfäden ähnlichen Kieselaxe, als offenbar organisches concentrisches Gebilde, war damals noch unerklärbar geblieben. Im Jahre 1864 hat Herr Professor Barboza du Bocage in Lissabon in den ‚Proceedings of the zool. Society of London” eine neue Art der interessanten Glaspflanze von Japan aus dem europäischen Meere bei Portugal beschrieben, deren Aufenthalt aber damals noch nicht recht sicher war. Da der Umstand, ob es Polypen mit einer Kieselaxe giebt, für die physiologische Anschauung der zoologischen Systematik mir von nicht unwesentlicher Bedeutung erscheint, so halte ich den Gegenstand einer wiederholten Erwähnung in der Akademie nicht für unwerth. Die im Jahre 1864 zweifelhaft gebliebene Lokalität des sogenannten Hyalonema lusitanicum, welches sich nur auf ein Exemplar gründete, ist nach einer neueren Anzeige desselben Beobachters in denselben Schriften, „Proceedings of the zool. Society of London 1865, pag. 662,’ durch weitere Ge- winnung von neuen Exemplaren mit Sicherheit festgestellt worden. Das Museum von Lissabon besitzt jetzt aulser dem ersten noch zwei ebenfalls aus Setubal stammende Exemplare und auch zahlreiche vereinzelte Kieselfäden, welche noch zu 3 bis 4 ver- schiedenen Exemplaren zu gehören scheinen; die beiden voll- kommenen Exemplare sind von 1’ 5” und 2’ 5” Länge, das gröfste sehr schön erhalten. Der Entdecker sagt, dafs bei dem besterhaltenen grölsten und vollständigen Exemplare eine Haut- bedeckung (Corium) die Axe vollständig umschliefst. Er ver- muthet jetzt, dals diese Form damit nicht nur systematisch sondern auch als dem portugiesischen Meere zugehörig festge- stellt und nicht einmal selten sei. Die abergläubischen Fischer kennen den Gegenstand sehr wohl, nennen ihn Cravache de la mer (Seepeitsche?) und fürchten bei dessen Erscheinen einen schlechten Erfolg für ihren Fang. Beim Fangen der Haifische findet er sich in den Fangapparaten und wird sogleich von den vom 10. December 1866. 825 Fischern zerrissen und in’s Meer geworfen. Was die Natur _ dieses Körpers anlangt, so glaubt Herr Prof. Barboza du Bocage die Meinung derjenigen Naturforscher, welche die japanische Form als ein Produkt von Schwämmen ansehen, nicht theilen zu können, und stellt sich auf die Seite derer, die denselben als einen Polypen betrachten. An keinem Exemplar der portu- giesischen Form existire eine Schwammmasse, welche der der japanischen ähnlich sei. Das Corium polypigerum bedeckt an den portugiesischen Exemplaren das ganze dünne Ende und - Dreifünftel der Axe vollständig. Die am Ende der Axe be- findlichen Polypen-Bildungen sind die kleinsten. Das Corium und die Polypen sind gebildet aus mehreren über einander ge- lagerten Gewebsschichten, in denen sich eine sehr grofse Menge Kieselnadeln findet, die in den verschiedenen Gewebslagen ver- schiedene Gestalten haben. Die chagrinirte und körnige Ober- fläche des Corium ist nicht eine sandige Inkrustation wie bei den Polypen in Japan, sondern ist veranlafst durch regelmäfsige, keulenförmige, überall stachlige Kieselnadeln. (also Spongolithis Clavus Ehrb. Monatsber. der Akad. 1861.) Diese keulenförmigen stachligen Spieulae bilden einen wesentlichen Theil der äufseren Haut oder Bedeckung. Jede als Polyp angesehene Röhre (?) ist durch eine Einfassung feiner Kieselnadeln unterstützt, welche in der Längsrichtung und in gleichen Abständen in der inneren Wand der Körperhöhle gelagert sind. Aus diesen sehr verdienstvollen Mittheilungen des Herrn Prof. Barboza geht auf das deutlichste hervor, dafs der bei Setubal im portugiesischen Meere vorkommende über 2’ lange Körper wohl allerdings die das Hyalonema betreffende Frage, ob Polyp, ob Spongie, zu Gunsten der letzteren entscheidet. Die fadenförmigen langen Kieselnadeln, welche bündelweise die Axe bilden, sind allerdings der mittlere Theil eines Schwammes. Dieser Schwamm, dessen Structur Herr Barboza du Bocage als aus kleineren Kieselnadeln bestehend ausführlich beschreibt, und dessen mannigfache Öffnungen derselbe für Polypenöffnungen gehalten hat, überzieht, wie zu erwarten war, das dünne Ende der bündelförmigen Kieselfäden der Axe bis an die Spitze, wo auch jene Strömungs-Öffnungen (?2) kleiner sind als am mittleren und unteren Körper, und es existirt mithin im gesunden Zu- [1866.] 58 826 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse stande weder ein kurzer noch ein langer Schopf von frei her- vortretenden Kieselfäden. Der untere Theil, welcher nach Herrn Barboza ?|, der ganzen Länge beträgt, ist also frei, vielleicht aber auch nur durch Verletzung beim Abreiflsen von einem festen Basalstück, welches wohl dem des oberen Theiles voll- ständig gleichen mag. Es scheint somit unzweifelhaft, dafs der dickere Theil aller bekannten ähnlichen Kieselfäden der untere Theil ist, der dünnere der obere. Die Vergleichung gewisser natürlicher Öffnungen im Corium mit Polypen erscheint somit nicht hinlänglich begründet. Der Beobachter hat, wenn nicht parasitische Polypen, nur Öffnungen gesehen, wie sie in den Schwämmen häufig sind. Auch ist die Struktur des sogenannten Co- rium ganz und gar verschieden von der parasitischen Polypen- haut der japanischen Stämme, die allerdings nachweisbare An- thozoen-Polypen enthalten, die schon von Brandt nachgewiesen und in ihrer Lederhaut keine Schwammnadeln sondern einge- klebten Meeressand führen, wie ich es 1860 dargestellt habe. Der grofse Unterschied zwischen den japanischen Hyalonemen und den portugiesischen besteht darin, dafs die japanischen Axenbündel künstlich gedreht und durch Zwirnsfaden und Drath in dieser Drehung zu beharren gezwungen worden sind. Ferner sind die japanischen Kieselfäden, weil sie aus ihrem natürlichen Zusammenhange herausgerissen wurden, zuweilen in verkehrter Lage wieder zusammen gebracht, und fast immer ist die ganze Richtung des Axenbündels im Verhältnifs zu dem es an einem Ende bedeckenden Schwamme umgekehrt. Man hat den oberen natürlichen, die Axe erzeugenden Schwamm abge- streift und weggeworfen, und hat am dickeren Ende einen neuen fremden Schwamm anwachsen lassen oder angeheftet. Somit ist nun durch die portugiesischen neuen Beobach- tungen der Gegenstand meines Erachtens erledigt, und die Hyalonema-Formen können sicher niemals mehr als Anthozoen- Polypen verzeichnet werden, sowie auch ihre kieseligen Axen- fasern rücksichtlich ihres Ursprungs eine befriedigende Erläu- terung gefunden haben; ebensowenig können sie nun als, mit einem hervorragenden Kieselschopf versehene, Schwämme betrachtet werden. Auch darüber bleibt kein Zweifel mehr, dafs die bisher fast nur als mikroskopische Körperchen ge- vom 10. December 1866. 8237 kannten Phytolitharien durch diese Beobachtung nun mit 1—2!|,’ langen Spongolithen sicher bereichert werden, die man künftig als Spongolithis vaginata Hyalonematum auch da wird bezeichnen können, wo sie ohne ihren Schwamm vereinzelt im Meeresgrunde oder fossil in Gebirgen vorkommen. Die neuerlich mannigfach ausgesprochne Vorstellung, als gäbe es Spongien mit oft lang hervorwachsenden Faserbüscheln einer Kieselaxe an ihrer Spitze, erscheint nun als eine Ver- krüppelung und scheint sich in derselben Weise naturgemäfs öfter zu gestalten, wie bei den Rindenkorallen mit Hornaxe nicht selten todte Hornspitzen, von denen die lebende Polypen- Rinde abgestreift ist und auch rindenlose Basaltheile des Stammes frisch aus dem Meere gehoben werden. In derselben Weise mögen zuweilen die Schwammüberzüge der Hyalonema-Spitzen und ihrer Basis im Meere selbst verloren gehen, während der übrige Überzug noch fort vegetirt, denn dafs nackte Kieselfäden ohne Zellumhüllung von Innen heraus frei hervorwachsen sollten, ist organisch nicht denkbar. Was die Frage betrifft, ob diese Schwämme selbst Thiere oder Pflanzen sind und ob sie, so wenig sie auch mit den wahren Polypen der Anthozoen (Ledercorallen) zu vergleichen sind, doch auch noch Polypenstöcke in einer viel einfacheren Formenreihe genannt werden könnten, wie es ja meinen früheren Darstellungen nach Bacillarienstöcke und selbst Monadenstöcke giebt, so habe ich auch heut noch keine Veranlassung, die von mir schon öfter mit ihren Gründen ausgesprochene Ansicht, dafs die Schwämme überhaupt als Thiere nicht bezeichnet werden können, zu verlassen. Zwar hat der neueste sehr verdienstvolle deutsche systematisirende Spongienforscher sich der Meinung derer zugesellt, welche die Seeschwämme auch für Thiere halten, und die schönen sehr verdienstlichen Beobachtungen über die bewegliche Brut der Spongillen, so wie die nachgewiesene Er- füllung mancher Röhren der Hornschwämme mit feinem Meeres- sande, worunter Polythalamien und Bacillarien sind, scheinen vielen Naturforschern hinreichende Beweise zu sein, dals Auf- nahme fester Nahrungsstoffe in den inneren Körper dieser Or- ganismen wirklich Statt findet. Die hier und da beobachteten Wimpern und feinen beweglichen Fäden an Schwämmen ver- 58° 828 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse stärken diese Gründe. Allein weder die auch den Schwärm- sporen der Pflanzen zukommenden Flimmerorgane, noch die Röhren, noch die lebenswidrige Erfüllung mancher hornigen Schwammröhren mit Sand, offenbar nach ihrem Absterben, haben mir hinreichend geschienen, den Thierorganismus dieser Dinge zu beweisen. Es fehlt bisher alle Beobachtung des Hauptcharacters aller wahren Thiere, die Abgrenzung eines Individuums, die bei allen wahren Polypen unzweifelhaft und auch da deutlich ist, wo die Einzelformen in einander verstrickt und unterhalb verwachsen sind, wie bei Ascidiis compositis, Sertularinen, Haleyonellen und vielen ähnlichen Formen. Die abgeschlossene Individualität, die Aufnahme fester Nahrung durch einen Mund in innere Räume, sehr verschieden von Röhrenströmungen, durch zelliges Gewebe, so wie eine oft ganz deutliche Muskelsubstanz für Contractionen, wie bei Vorticellinen, Stentorinen, (bestätigt auch 1857 von Lieberkühn), Carchesium, Opercularia und am schla- gendsten bei Rotatorien und vielen ähnlichen von mir nachge- wiesen worden, sehr verschieden vom contractilen Gewebe, sind noch immer die bei den Spongien vermifsten Charaktere, welche Thiere von Pflanzen scheiden. Ja es mögen noch die bei den mikroskopischen Thieren nicht seltenen Augenpunkte, wie so deutlich bei den krebsartigen Cyclopiden und vielen ähnlichen, ein Nervensystem direkt bezeichnen, dessen farblose Durchsichtigkeit oft als Mangel erscheinen mag. Sogar bei Ophryoglena flavicans ist eine bestätigende grölsere Compliea- tion 1856 durch Dr. Wagner herbeigeführt worden. Unzweifel- haft ist es zu betonen, dafs auch die neuesten tüchtigen Beob- achter zwar immer neue ÖOrganisationsverhältnisse, d. h. immer gröfsere Zusammensetzung entdecken, welche der Vorstellung von einfachen Zellen ganz entgegen sind, die Thierorganisationen aber zu widerlegen nicht im Stande waren. Auch wird zur Erläuterung der Frage, ob die Schwämme als polypenartige Thiere einer einfachen Bildungsstufe angesehen werden können, die man bald Protozoen oder Urthiere, bald Zoidien, bald Amorphozoen und ähnlich genannt hat, nicht übergangen werden dürfen, dafs man zwar die an der Basis dieser Gebilde im Innern liegenden Körper neuerlich mehr als El vom 10. December 1866. 829 sonst für Eier zu halten sich berechtigt geglaubt hat, zumal man auch ihre Entwicklung zu vollständigen schwärmenden Brutverhältnissen sorgfältig verfolgt und sogar Spermatozoen- Behälter nachgewiesen hat. Allein es ist dennoch noch Nieman- dem gelungen weder ein Röhrenverhältnifs noch ein Leibesver- hältnifs eines Einzelthieres in seiner Beziehung zu jenen Körnern als Eier darzulegen. Ganz anders verhält sich die Sache mit den einer Spongia oder Spongilla oft sehr ähnlichen, wahre Thierstöcke bilden- den Aseidiis compositis und auch der Halcyonella stagnorum. Hier sind viele vereinzelte Einzelthiere, jedes in seiner beson- deren Röhre zu Haufen verstrickt, und die am Grunde vor- kommenden sehr zahlreichen Eier lassen sich als zu Einzelthieren gehörig erkennen, ebenso wie die Röhren führenden Räderthiere ihre Eier in den Grund der Röhre ablagern. Da nun niemals eine Individualität von Polypen bei Schwämmen nachgewiesen werden konnte, da auch die für Eier gehaltenen Körner sich nur im Innern. der Basis aufhalten, da ferner die Röhren aller Spongien, so vielfach ich sie auch in verschiedenen Meeren selbst frisch untersucht habe, stets offene leere Kanäle sind, die den Wasserströmungen mittelst Flimmerbewegungen freien Zu- und Abfluls gestatten, so tritt vielmehr der gröfste Theil dieser Körper als krautartigesszelliges Gebilde hervor, dessen, selbst noch nicht überall bekannte, basale Fruchtbildung in den erst neuerlich allmälig zur Aufklärung sekommenen vielen verschiedenen Algen, vielleicht sogar in den dem Isoötes ähnlichen Rhizocarpeen, ihr noch unklares Analogum findet. Auch bei den wahren Rhizocarpeen sind erst in sehr neuer Zeit die Strukturverhältnisse erläutert worden und ihre Ent- wicklungsverhältnisse sind erst in der allerneuesten Zeit, wie bei vielen Algen, mit Hülfe des Mikroskops zu einem etwas befriedigenden Abschlufs gekommen, während auch bei diesen viele Formen einer weiteren Nachforschung noch bedürfen. Die schwärmende Brut der Spongiaceen verhält sich nicht an- ders als die der Vaucherien und Saprolegnien, welche zwar Unger 1827 in grünen Vaucherien beobachtete, die aber lange vor ihm von Gruithuisen und Needham 1745 in Algen beob- 850 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse achtet worden waren und über deren, aller Flimmerbewegung ungeachtet, von Infusorien ganz verschiedenen Character ich in dem Buche „‚die Infusionsthiere” 1838 p. 37 eine sehr ausführliche, historische und physiologische Kritik gegeben habe. In welcher Weise man die bereits beobachtete Furchung (Zellenbildung?) der angeblichen Eier der Spongillen einzureihen hat, muls weiterer Forschung überlassen bleiben. Übrigens müfste sich die Vorstellung eines thierischen oder pflanzlichen Körpers der Schwämme rücksichtlich der Ernährung umgekehrt verhalten. Sind sie Thiere, so wird ihre Ernährung von vorn und aufsen durch verschliefsbare Öffnungen nach innen vermittelt werden müssen; sind sie Pflanzen, so wird die Er- nährung von der wurzelartigen Basis aus nach vorn mit Endos- mose und Exosmose (Diffusion) gedacht werden müssen. Der Basis allein angebotene künstliche Kieselnahrung wird bei lang- gestreckten Spongillen auch hierüber vielleicht eine Entscheidung geben. Sehr auffallend ist mir immer der Umstand geblieben, dafs ich bei den vielen Anschauungen der gröfsten und kleinsten Lebensformen, welche ich unter mannigfach günstigen Verhält- nissen mir herbeigeführt und erlangt habe, niemals ein Thier mit stets offenem Munde und stets offener Verdauungshöhle zur Anschauung bekommen habe; während ich bei den Schwämmen sowohl des Meeres als der sülsen Gewässer nur stets offene, niemals, auch nur periodisch, geschlossene Röhren zur An- schauung, selbst bei Reizung, erlangen konnte. Ja, ich habe eine physiologische Unmöglichkeit stets in der Vorstellung ge- funden, dafs eine offene dem Wasserwechsel unbehindert zu- gängliche Röhre, auch wenn sie mit Flimmerbewegung ausge- kleidet ist, der zoochemischen Assimilation oder Verdauung Vor- schub leisten könne. Zersetzbare Stoffe können darin wohl faulen und in Wasser lösbar und wieder ausgeworfen werden, aber ein steter Wasserwechsel würde auch diese nicht zur Assi- milation bringen. Dagegen ist der periodisch willkürlich ver- schliefsbare Mund der Thiere gewöhnlich noch. durch einen zweiten Verschlufs, welcher als Schlund zu bezeichnen ist, in höchst auffälliger Weise bis in die kleinsten Thierformen von der Natur festgehalten, wodurch die ruhige‘ Abgeschlossenheit IR: vom 10. December 1866. 831 - der zur Assimilation in den inneren Körper gebrachten Stoffe sehr wohl befördert wird. Die seit dem Jahre 1856 von Lieberkühn und Wagner mit so grofser Sorgfalt und Umsicht gemachten Beobachtungen über die Spongillen, ihre Organisation und Fortpflanzung, geben freilich mancherlei Charaktere an die Hand, welche einen thierischen Bau derselben zu begünstigen scheinen und diese sind auch ganz neuerlich von van Beneden') _ sowie von Haeckel als Thier-Charactere anerkannt worden. Allein die so grolse Unregelmäfsigkeit dieses wie sehr auch aus Verschmelzung verschiedener Individuen oft sich heranbildenden Wesens und die so geringe Erfüllung ihrer sogenannten Er- nährungszellen mit erkennbaren Stoffen bei doch sehr schnellem Wachsthum derselben, scheinen mir eine befriedigende Lösung des Räthselhaften doch noch nicht herbeigeführt zu haben. Zwar sind die grofsen offenen Röhren der Spongillen als Po- lypenleiber desto mehr abgewiesen, aber mehrfach fehlt ganz be-- besonders das allen mir bekannten Thieren wesentliche Merkmal: einer individuellen Absonderung eines Einzelorganismus, welches den Thieren konstant zukommt und den Pflanzen konstant fehlt. Anhäufungen von Indigo oder Carmin in Spongillen und Spon- gien habe ich niemals weder in Schläuchen noch in runden Zellen in der Art erlangen können, wie auch die kleinsten wahren Thiere sie so deutlich zeigen; und die von den ge- ‘ nannten Beobachtern bemerkten Ablagerungen von Indigo sind als nicht regelmäfsige Anhäufungen deutlich und auch von ihnen nur so geschildert. Ich darf auch hier, wie schon oben, nicht unbemerkt lassen, dafs ich überall schlundartige contrac- tile Organe hinter dem Munde bei Thieren stets erwarte, welche bei den Polygastern durch ihre vielfache Wiederholung den ge- gliederten Ernährungsapparat bilden. Was die schönen Beobachtungen der Entwicklung der Kiesel- nadeln anlangt, selbst in Schwärmsporen, so wird die Nachfrage nach der Möglichkeit solcher Kieselaufnahme aus dem Wasser noch dringender, obwohl sie in Gläsern leicht aus dem Glase sich erklären lälst. ') Recherches sur la Faune littorale de Belgique Polypes 1866. (Me- moires de l Acad. d. Belgique T. XXXVL) pag. 198. 832 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Diese Kieselnadeln enthalten noch einen anderen Character, den zu 'erwähnen hier an der Stelle ist. Sie haben nämlich keine ansprechende Analogie in den Elementen der Thierkörper, wohl aber eine grofse Analogie in den Elementartheilen der Pflanzen, welche als spindelförmige diekwandige Baströhren zu dem Prosenchym der Pflanzen gehören und die auch zuweilen, wie die Kieselfäden bei Hyalonema, mehrere Fuls lang werden. Diese dickwandigen Baströhren der Pflanzen entstehen aus ver- einzelten kurzen Zellen und enthalten den neuesten feinen For- schungen zufolge!) zuweilen Milchsaft in ihrer mittleren Röhre. Sie sind vielgestaltig, zuweilen (deutlich bei Cannabis) an den Enden fingerartig getheilt und in der Mitte verschiedenartig verbunden, stets drehrund, zuweilen knotig mit Porenkanälen. Ebenso drehrund sind die Spongolithen, ebenso an den Enden oft zertheilt und verschiedentlich quirlartig verästet oder anker- artig”). Viele sind Zwillingskrystallen ähnlich in schiefem oder auch in rechtem Winkel gekreuzt, staurolithartig, viele sind drusenförmig, kugelig mit oder ohne conische Spitzen, den häufig sternartigen Pflanzenhaaren (Sternhaaren im Innern des Stengels der Nymphaeen und auf den Blattflächen von Silber- pflanzen), aber sehr selten thierischen Zellen vergleichbar; sämmt- lich daher Morpholithen in dem von mir in der Mikrogeologie 1854 zur letzten Tafel angegebenen Sinne. Oft sind die Ober- flächen der spindelförmigen auch durchlöchert (Porenkanäle) und zeigen senkrechte zu einer überall vorhandenen Mittelröhre hin- gehende Kanäle (Spongolithis foraminosa und Sp. fistulosa®) Sp. po- rocyclia*) und Sp.porosa°). Auch bei den Spongolithen ist in ihrem lebenden Zustande in diesen Röhren niemals Luft, wassich daran er- kennenläfst, dafs sieim Mikroskop nichtals ein schwarzer Strich, son- dern farblos schwer sichtbar erscheinen, während diese Schwärzung bei todten Spongolithen im Wasser deutlich ist. Sie sind mit- 1) Schacht Prüfung d. Gewebe 1853; Milchsaftgefäfse 1856. Han stein in s. gekrönt. Preisschr. ü. d. Milchsaftgefälse 1864. 2) Schacht 1853 Hanffaser Taf. VI. f. 4#. ®) S. Mikrogeol. Taf. XVI. f. 118 fs, furcata u. f. 119. *) Monatsb. 1861. °) Monatsb. 1845. vom 10. December 1866. 833 hin lebend von einem farblosen Safte erfüllt. Auch knotige Spongolithen sind nicht selten (Sp. mesogongyla') Sp. nodosa, nodulosa?) u. Monile?) Sp. Tracheogongyla®) u. Sp. philippensis.) Diese sämmtlichen Spongolithen gleichen zwar am meisten vereinzelten, vielartig verstrickten Röhrenzellen, bei den Hyalo- nemen gewinnen sie aber den vollen Character langer zusammen- hängender Baströhren. Ganz anders verhalten sich die kohlensauren Kalktheile der Strahlthiere und Anthozoen-Polypen, welche, obwohl ebenfalls - oft spindelförmig, doch ohne Kanal sind, oft netzförmig und vielgestaltig. Diese alle, von mir seit 1841 Zoolitharien genannt, erinnern an die ersten vereinzelten Entwickelungen der thierischen Knochen, Schaalen und harten Hauttheile, deren Anhäufungen. solide und (weil kalksinterartig) doppelt lichtbrechend sind. Auch die ankerförmigen Organe auf der Haut mancher Echinodermen (Synapta) sitzen auf netzförmigen Kalkplatten, sind so eingelenkt wie die Stacheln der Seeigel (Cidaris) und haben daher mit den Ankern der Spongillen aufser in der Form gar keine Verwandt- schaft. Es sind kalkige Haarborsten mit Widerhaken. Übersicht der Darstellungen. 1) So ist denn auch dies portugiesische Hyalonema kein Polyp, sondern eine Spongiacee. 2) Die Spongiaceen selbst sind ohne jene entscheidenden Charactere selbständiger 'Thierkörper, welche bis zu den kleinsten Monaden nachgewiesen worden sind. 3) Die wesentlichen Charactere der Spongiaceen schlielsen sich an die Charactere der Pflanzenbildung ohne Schwierigkeit an, indem ihre angeblichen thierischen Charactere: die automa- tische Wimperbewegung, die Schwärmbrut sammt den Sperma- tozoen und einige Contractilität, sowie eine Saftbewegung, in beiden Reichen gemeinsam erkannt worden sind. 1) Mikrog. Taf. XVII. ?) Monatsber. 1855, 1861. 3) Mikrog. Taf. XXXIV. *) Monatsber. 1856. 834 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse 4) Die Kieseltheile der Spongiaceen oder Spongolithen er- scheinen in einer grolsen Analogie mit meist zahllos vereinzelten, meist glatten, saftführenden Gefälszellen, den diekwandigen Bast- zellen der Pflanzen ähnlich, auch in den mannigfachsten Formen sich diesen anschliefsend, ohne alle ähnliche Bildungen im Thier- körper, und in den Hyalonema-Fäden sogar 2 Fuls langen inneren Baströhren gleichend. 5) Die angeblich normal hervorragenden Schopfbildungen der Hyalonemen erscheinen, wo sie bei wahren Schwammbildungen vorkommen, als Verkrüpplungen durch Verlust der Spitzen solcher Spongien, todten Spitzen der Hornkorallen ähnlich und so, wie die Laubbäume im Norden und auf Höhen oft geweih- artige todte Wipfel führen, während die Stämme noch wohl belaubt sind. 5 6) Die Verhältnisse der Euplectellen, welche in den Jahren 1841 und 1857 als Eupl. Aspergillum und E. Cucumer, letztere von den Seychellen, erstere von den Philippinen-Inseln, von Owen beschrieben sind'), haben den sehr verdienstvollen Ent- decker, welcher sie nur getrocknet sah, zwar eine gallertige Zwischenmasse, aber keine Spur eines thierischen Characters erkennen lassen. Ihre zu einem künstlichen Netzwerk verbun- denen, mehrere Zoll langen Kieselfäden, welche bei Euplect. Aspergillum als hornartig, nicht kieselartig, ausdrücklich be- zeichnet werden, bilden keinen hervorstehenden Schopf, vielmehr äulsere gebogene Haare, nur frei an der Basis. In wiefern diese, den Hyalonema-Fäden sehr ähnlichen, äufseren Fasern der Euplec- tellen ebenfalls röhrenförmigen Zellen gleichen, kann ich aus eigener Anschauung nicht melden, da diese sehr seltenen Körper meiner Untersuchung nicht zugänglich waren. Unzweifelhaft aber ist im Bau derselben ein Merkmal thierischer Organisation auch von mir durch die Berichte nicht erkannt worden, indem gallertige Zwischentheile auch bei grofsen Pilzen und Algen (Myxomyceten, Tremellen, Ulven und Fuci, letztere durch ihren Schleim und Gallertgehalt öfter essbar u. s. w.) vorkommen. Zu bemerken ist noch, dafs auch in England eine nahe Ver- ‘) Transact. of the zool. Society of London vol III. pag. 205. u. Transact of the Linn. Society 1857 p. 118. D vom 10. December 1866. 835 wandtschaft mit dem seit 1835 im Brittischen Museum befind- lichen Hyalonema nicht angemerkt worden, obwohl schon Va- lenciennes die Hyalonemen 1850 zu den Spongien gestellt, die damals, wie bis heute, in den zoologischen Museen überall als Polypenthiere aufgestellt waren. 7) Der ammoniakalische stechende Geruch der Spongien findet ebenso bei lebenden Characeen und todten Fucoiden statt. 8) Ein anderer Theil der Phytolitharien sind den Holzablage- rungen ähnliche Erfüllungen verschieden geformter Pflanzenzellen _ oder kieselige Häute, alle ohne doppelte Lichtbrechung. 9) Die Zoolitharien sind vereinzelte oft höckrige Kalktheile eines zusammenhanglosen ganzen oder theilweisen Kalkgerüstes der Echinodermen, anderer Strahlthiere, der Corallenthiere und vieler anderer Formen, ohne Gefälscharacter, mit doppelter Lichtbrechung. 10) Die thierartig mit Öffnungen versehenen, Indigo aufneh- menden und kriechenden Bacillarien sind in ihrer Kieselschalen- bildung wesentlich verschieden von den Kieselzellen der Pflanzen. 11) Es ist wahrscheinlich, dafs die grolsen Ablagerungen von Kieselerde in jenen Pflanzen nur ermöglicht sind mit Hülfe einer Durchströmung überaus grolser, an sich wenig Kieselerde ent- haltender Wassermengen. Und dieses wichtige Problem scheint durch die vorn angeführten Experimente erreichbar zu sein. Ich berühre nicht weiter die zahlreichen Bestrebungen der neueren Naturwissenschaften, den organischen Bau des Thier- lebens in immer einfacheren Verhältnissen in der Absicht dar- zustellen, um allmälig zu der Vorstellung erster, einfacher, chemi- scher Verwandtschaftsverhältnisse hinabzusteigen, welche das Organische mit dem Unorganischen in einfacher Reihe verbinden. Ich begnüge mich, hiervon einen einzelnen aber wichtigen Ge- genstand meinen eigenen Anschauungen gemäls vorzulegen und andere Betrachtungen vielleicht späterer Zeit vorzubehalten. Diese beiden Mittheilungen sind in einem weiteren Zusam- menhange mit grölseren Naturerscheinungen von mir in der Art aufgefalst worden, dafs es allmälig zu einer Erläuterung führen möchte, in welcher Weise das unscheinbare kieselhaltige Leben an sehr weit und tief verbreiteten Erdverhältnissen arbeitet, wie 836 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse es bisher augenscheinlicher bei den Kalkverhältnissen, zumeist durch Polythalamien vor Augen getreten ist und wie auch für die Lebensformen selbst es erfahrungsmälsig keineswegs gleich- gültig ist, welche Elementarstoffe vorherrschend verwendet werden. Nachdenkenden Naturforschern ist es schon längst aufgefallen, dafs wohl der phosphorsaure Kalk, als Knochen der Wirbelthiere, in einem wichtigen Wechselverhältnifs zu den Formen dieser Organismen stehen möge, obschon Gelegenheit genug im Körper vorhanden ist, kohlensauren Kalk oder auch Gyps, als schwefel- sauren Kalk, an dessen Stelle zu bringen. Eisen, Thon und viele andere unorganische Elemente, sogar das lebenswidrige Kupfer und Arsen sind als, wenn auch geringfügige, Bestand- theile des Menschen und Wirbelthierkörpers nachgewiesen, ja es ist möglich und wahrscheinlich, dafs immer feinere chemische Analysen, wie im Wasser so im Thierkörper, immermehr lösbare Elementarstoffe entdecken werden, ohne irgend den Erfahrungs- satz zu alteriren, dafs zu gewissen organischen Verhältnissen nur gewisse bestimmte Stoffe von der Natur, d. h. dem Leben, verwendet werden. Es scheint bisher ohne Ausnahme, dafs die im Bereiche des Unorganischen bei gleicher Form leicht mögliche Substitu- tion anderer Elementartheile, im Organischen ausgeschlossen ist, dafs mithin Organismen Kalkerde anstatt der Kieselerde, oder umgekehrt, für ihre festen Organe niemals verwenden können, und dafs, wo dergleichen vorzukommen scheint, die Beobachtung zu geschärfter Aufmerksamkeit veranlalst ist, wie etwa fremdartige sandige Beimischungen die Schalen mancher Kalkthiere kieselhaltig erscheinen lassen. Freilich sind die organischen Kieselgebilde wegen des amorphen Zustandes der Kieselerde in ihnen wohl offenbar, wie sich an dem Verhältnils der Feuersteine zur Kreide augenschein- lich ergiebt, leichter im Laufe langer Zeiträume und besonderer Zustände einer Umänderung fähig, als selbst die leichter lösliche Kalkerde, wie es die Kreidegebirge so deutlich zeigen. Um so mehr müssen diese Kieselgebilde mit ihren Erscheinungsbedin- gungen und in ihren Einzelformen zugänglich werden, zumal sie in den älteren Gebirgsformationen als Kreide oft so auffallend vermifst werden, während ihr absoluter Mangel deshalb ohne vom 10. December 1866. 837 alle Begründung erscheint, weil doch bis in die silurischen For- mationen verkieselte Spongien und Kieselknollen verschiedener Art, so wie organisch geformte Grünsande'), nicht fehlen, und die dichte Kieselmasse der Spongien aus ihren eigenen lockeren Spongolithen allein nicht erklärbar ist, die vielmehr durch Auf- lösung benachbarter kleinerer amorpher an ihr füllen- des Massenverhältnils erlangten. Die von mir seit Begründung der Piyreianen Gruppe mit Namen verzeichneten und publicirten Formen betragen 490, metaphorisch Species genannte und in Genera vertheilte, unter- scheidbare Formenarten, von welchen in dem höchst verdienst- lichen Sammelwerke der Lethaea von Bronn 1850—1852 auch schon gegen 80 Arten aufgenommen sind. Von den in der Mikrogeologie 1854 abgebildeten 211 Phytolitharien-Arten sind 93 Spongolithen der Gatt. Amphidiscus, Lithasteriscus, Lithos- phaera und Spongolithis. Viele dieser deutlich geformten Kie- seltheile bilden zwar gleichförmig Bestandtheile sehr vieler ge- nerisch und specifisch verschiedener Organismen, allein viele von ihnen sind völlig characteristisch für specielle Genera und Arten, deren Existenz sowohl im Grunde der verschiedenen Regionen der grofsen Meeresbecken, als auch in den Gebirgs- formationen, immer weiter greifende Erläuterungen zu geben ganz geeignet sind.- Besonders auch darüber entscheidend Auf- schluls geben, dafs mit Lithostylidien gemischter Meeresgrund durch beigemengte Sülswasserverhältnisse und mit gewissen Spongolithen-Formen gemischte scheinbare Sülswassergebirgs- arten brakischen Flufsmündungen der Vorzeit angehört haben müssen. 13. Dec. Gesammtsitzung der Akademie. Herr Kronecker las über bilineare Formen mit vier Variabeln. 1) Vergl. Abhandl. 1857. 838 Gesammtsitzung Hr. Mommsen legte ein von dem Königl. Consul für Bosnien Hrn. Dr. Otto Blau aus Serajevo am 1. September d. J. an ihn gerichtetes Schreiben vor, das über die dort wahr- genommenen Überreste aus römischer Zeit berichtet. Da Sie in Ihrem letzten Schreiben vom 29. Sept. v. J. mir insbesondere die Untersuchung von Taschlydja') empfahlen, so lies ich mir angelegen sein, in den verflossenen Wochen einen Ausflug nach den südöstlichen Distrikten Bosniens zu machen und dort namentlich Taschlydja einer genaueren Durch- forschung zu unterziehen. Ich nahm den Weg über Pratscha und Tschajnitza und den Rückweg über Kloster Banja, Vischegrad und Rogatitza. Beide Routen sind auf der Karte von Ruskieviez (Wien 1865) mit ziemlicher Sorgfalt eingetragen, so dafs ich wegen der berührten Orte darauf verweisen kann. Taschlydja ist ein Städtchen von verhältnifsmäfsig jungem Ursprung. So weit sich dies aus den dortigen Acten der Vakuf- Verwaltung feststellen läfst, wurde die Stadt vor ec. 350 Jahren von Hüssein Pascha, damaligem Sandjak-Beg von Bosnien, gegründet. Man erzählt, dafs dieser Hüssein Pascha aus Plevne in Bulgarien gebürtig war und auf einem Kriegszuge gegen die Christen in diese Gegend kam, wo er in der wasserreichen Ebene nur Hirten traf, die unter Gebüsch und alten Trümmern ihre Heerden weideten. Er fragte, was das für eine alte Stadt sei; die Hirten aber antworteten, dafs seit Menschen Gedenken niemand mehr dort wohne, noch ihren Namen wisse. In Er- innerung seiner Vaterstadt hätte Hüssein Pascha danach der Ört- lichkeit den Namen Plevlje gegeben und befohlen auf der Trüm- merstätte die Gründung einer Stadt durch den Bau einer Moschee nach dem Modell einer Moschee im bulgarischen Plevne zu be- ginnen. Diese Moschee steht noch heute inmitten der Stadt und trägt den Namen ihres Gründers: Hüssein-Pascha-Djamissi; 1) dj steht für den entsprechenden französischen Laut, £2 nach neu- slavischer Orthographie für das französische j, z für den weichen Zisch- laut; alle übrigen Laute sind der deutschen Aussprache gemäfs umschrieben. vom 13. December 1866. 839 gewöhnlich wird sie schlechthin „die grofse Moschee” genannt. Plevlje ist der noch jetzt bei den Landleuten gebräuchliche Name der Stadt; die Türken nennen sie Taschlydja, gleichsam „Steinhausen”, wegen der steinigen Örtlichkeit der Gegend. All- mälig hat sich um jene Moschee eine Stadt gruppirt, die zeit- weilig, namentlich von 1857 — 1860, Bedeutung genug gewann, um sie zum Sitz eines eigenen Kaimakams zu erheben. Bei der neuen Eintheilung der Provinz Bosnien im vorigen Jahre wurde das Kaimakamlyk Taschlydja wieder zersplittert, und gegen- wärtig residirt dort nur ein Müdir, der von dem Kaimakam in Novipazar ressortirt. Die Stadt Taschlydja zählt nach Angabe der Behörden beiläufig 460 türkische und 250 christliche Häu- ser mit zusammen c. 7000 Einwohnern, und besitzt sieben Mo- scheen, worunter fünf in Stein, zwei in Holz gebaute, und eine achte halbverfallene, die jetzt als Pulvermagazin benutzt wird. Besonders entscheidend für die ältere Ansiedlung an diesem Punkte scheint mir die vortheilhafte militärische Lage desselben gewesen zu sein. Die Ebene von Taschlydja zu beiden Seiten des Tjehötina-Flusses, welche die Form eines S bildet, ist rings von hohen Bergen umschlossen, und dehnt sich e. 2 Stun- den in der Länge und °|, Stunden in durchschnittlicher Breite aus. Die Tjehötina, von SO. nach SW. die Ebene, zumeist an ihrem Südrande durchfliefsend, tritt zwischen den Bergen Korjen und Miljetino durch eine schroffe tiefe Schlucht hervor, verflacht ihr Bett plötzlich und verläfst die Ebene, innerhalb deren sie auf mehreren hölzernen Brücken passirt wird, wieder ‘ in einer engen Schlucht beim Dorfe Gostetz. Von NO. her empfängt sie ungefähr in der Mitte der Ebene das Wasser dreier Bäche, der Vreschnitza, Verbnitza und des Skakavatz — letzterer vom serbischen Kloster Troitza herabrinnend und nach Hörensagen aus einer ummauerten Quelle, wo sich eine Inschrift in kyrillischen Buchstaben befinden soll —; an diesen drei Bächen liegt die heutige Stadt auf einem coupirten, wellenför- migen Terrain in Sternform. Während sie sich nordwärts an den Fuls des Boja-Berges anlehnt und den Pals zwischen dem Runitza und Bogischevatz-Berge beherrscht, wird sie südwärts 840 Gesammtsitzung von zwei flachen Mamelons gedeckt, die den östlichen Theil der Ebene dominiren, und auf deren einem die Türken eben im Begriff sind eine Redoute anzulegen. In der Mitte der Ebene, auf dem linken Ufer der Tjehötina, erhebt sich ein etwas höherer Hügel, der Pljesch, von welchem aus man den ganzen Kessel übersieht, und gegen Süden springt als Vorschub des Korjen ein tumulusförmiger Hügel, der Ilino Berdo, in die Ebene vor, auf welchem eine serbische Kirche steht. Alle aus der Ebene hinaus und zu derselben führende Pfade sind entweder steile Bergsteige oder enge Defiles, so dafs man auf den ersten Blick erkennt, von welch hoher Bedeutung die An- lage einer gröfseren Station in diesem Winkel sein mufste, der beiläufig eine Tagereise weit von allen bedeutenderen Ortschaften des Umkreises entfernt ist, namentlich 11 Stunden von Gorazda, wo die Drina passirt wird; ebenso weit von Fotscha, gleich- falls an einer Furt der Drina; 10—12 Stunden von Jezero jen- seits der Tara auf der Strafse nach Gatzko; 10 Stunden weit von Akova, Strafse nach Albanien; 7 Stunden von Prjepolje und 8 von Priboj, den beiden Hauptpunkten, wo der Lim über- schritten wird. Es ist daher Taschlydja noch jetzt der natür- liche und auf mehrere Meilen im Umkreise einzige Knotenpunkt aller Verkehrslinien, die von Süden nach Norden und von Westen nach Osten das alte Rascien durchlaufen. — Insbeson- dere frappirte mich, dafs eingeborne Wollwäscher, welche ich an der unteren Brücke der Tjehötina, '|, Stunde von Taschlydja traf, auf meine Frage, wohin der Weg jenseits der Brücke weiterführe, nicht etwa den Namen des nächsten Dorfes oder Fleckens nannten, sondern Ragusa. Noch jetzt wird von Taschlydja über Gatzko und Trebinje ein namhafter Handel mit Ragusa getrieben, und es hat grofse Wahrscheinlichkeit, dafs die Ragusaner auf dem Wege nach ihren Silberbergwerken und Factoreien bei Srebrnitza und Jagodina dieselbe Strafse einschlugen. Darauf führt wenigstens auch das Itinerar des Jean Chenau'), der im Jahre 1547, also kurz nach der Grün- 1) Das interessante Bruchstück ist nach dem Mse. der Pariser Kaiserl. Bibliothek (fonds de Baluze n. 8471) abgedruckt bei Chopin (Provinces vom 13. December 1866. 841 dung des türkischen Ortes, auf der Reise von Ragusa nach dem „Silberberge”” über Trebign (Trebinje), Sernich (wohl Cernitza an der Ebene von Gatzko) und Cochis (ob Fotscha?) nach Pleunie kam, „einem Dorfe der Zadrima'), wo die Häu- ser alle von Holz sind”, und von da weiter über Prepoville (Prjepolje) und das Kloster St. Sava (Miloschevo) auf Novo- Bazard (Novipazar) ging. Pleunie ist in diesem Itinerar ganz entschieden der alte Name von Taschlydja, den man jetzt Plevlje spricht (s. oben die Gründungssage). Der jenseits Novipazar ge- legene „Mont d’Argent (Srebrnitza)” ist aber nicht das heutige Srebrnitza im Zvorniker Kreise, sondern die reiche Silbermine von Karatova, wie aus dem weiteren Verlauf des Itinerars er- hellt. Da nun der Name Argentaria der T. Peuting. anscheinend auch auf Silberminen weist und demnach in einem der beiden Srebrnitza wird gesucht werden müssen, so werden auch die Römer wohl die gleiche Strafse verfolgt und so gut, wie Hüssein Pascha, die opportune Lage der Örtlichkeit erkannt haben, um dort eine feste Station zu gründen. Schon durch Engel(A.1) war auf die hier vorfindlichen römi- schen Inschriften hingewiesen worden. Auch Pouquewille schreibt: Tastlige est & huit lieues est-sud-est de Tchainitza: ceite ville est peuplee de quatre cents familles turques: au nord-ouest elle domine sur un bassin baigne par une riviere qui tombe dans le Lem, au dessous de Priepol. On y lit quelques inscriptions anciennes qui t&moig- nent de l’occupation du pays par les Romeins.”) Nach ihm hat bekanntlich Ami Boue (Turguie d’Europe II, 357 ff) einige weitere Nachweisungen über die Inschriften von Taschlydja ge- Danubiennes S. 477). Ein Itinerar der 1792 von Ragusa nach Con- stantinopel geschickten Gesandtschaft, die ebenfalls Taschlydja berührte, ist abgedruckt bei Engel in der Geschichte des Freystaats Ragusa (Wien 1807) S. 317 fe. 1) Zadrima im Gegensatz zu Podrima bedeutet „das Land hinter der Drina”’. Vgl. Schimek, Gesch. Bosniens S. 71 Anm. ?) 8. Extrait d'une itineraire inedit de Pouqueville & travers la Bosnie bei Chopin a. a. O. S. 481. [1866.] 59 842 Gesammtsitzung geben, ohne jedoch anderes beizubringen als was bei Engel und Pouqueville sich findet. Während meines jüngsten Aufenthaltes in Taschlydja hat mich nun das Glück so weit begünstigt, dafs ich in der Stadt und Umgegend 20 Inschriften und verschiedene andere Trümmer entdeckt habe. Die gröfste Zahl von Inschriften und Steinen fand ich auf dem Nino Berdo (d. i. Eliashügel), eine Stunde südlich von der Stadt, auf dessen Höhe ein Kirchlein, dem heil. Elias geweiht, steht; dies ist eben in einer grölseren Reparatur begriffen, bei welcher leider die Bauleute viel von dem, was sich an alten Steinen vorfand, zerschlagen und verbaut ha- ben. Man versicherte mich, dafs die Arbeiter, indem sie den Abhang des Hügels nach Bausteinen durchwühlten, fast bei jedem Spatenstich von 4 zu 4 Schritt auf alte Grabsteine ge- stolsen seien und der gröfste Theil des Neubaus der Kirche aus diesem Material bestehe, welches man nach Bedürfnifs be- hauen und theilweise zertrümmert habe. Es seien dabei we- nigstens 20 bis 25 Steine mit Inschriften oder Sceulpturen ge- wesen. Da noch an der Vollendung der Reparatur gearbeitet wird, so habe ich dem dortigen serbischen Schullehrer den Auftrag hinterlassen, etwaige fernere Funde vor der Vernichtung zu schützen und beziehentlich die Inschriften zu copiren. Wenn indefs letzterer, ein übrigens intelligenter und geschickter junger Mann, ferner zu wissen glaubte, dafs in mehreren 2—3 Stunden weit umliegenden Dörfern ähnliche alte Steine zu finden seien, so möchte ich die Richtigkeit dieser Behauptung bezweifeln, da wenigstens in einem Falle feststeht, und überhaupt nach meinen bisherigen Erfahrungen in Bosnien es viel wahrscheinlicher ist, dafs dabei eine Verwechselung mit den unförmlichen Grab- mälern aus slavischer Zeit, die niemals Inschriften und nur sehr rohe Sculpturen zeigen, obwaltet. Es liegt nämlich 1'|, Stunden von Taschlydja westlich ein Dorf Kukanj, welches ge- meinhin Eski-Kassaba — die alte Stadt — genannt wird. Während die Bauern und Popen behaupteten, dafs dort eigent- lich die Lage der ältesten Stadt zu suchen sei, habe ich mich durch anderweitige Informationen überzeugt, dafs die dortigen vom 13. December 1866. 843 Ruinen nichts als eine Burg aus der Zeit sind, wo die rasci- schen Bane und die Herzöge von St. Saba hier ihr Wesen trieben, worauf auch der Name Herzeg-Kjöj eines dabei liegen- den Dorfes hinweist. Für Freunde der slavischen Alterthums- kunde erlaube ich mir bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dafs ein mächtiger alter Grenzstein mit Sculpturen ‘7 Stunden von Taschlydja auf dem Wege nach Akova zwischen den Dörfern Krupitza und Baritza zu finden ist, und den Na- men Reljevo-Kamen (Relia’s Stein) führt, den die Sage auf den Vojvoden Relia von Novipazar zurückleitet, der in den serbischen Heldenliedern von Marko Kraljevitj und der schönen Rosanda genannt wird. Nächst dem Ilino Berdo boten eine reiche Ausbeute an römischen Alterthümern die Moscheen in der Stadt, deren Un- terbau fast durchgängig aus Steinen besteht, die durch ihre regelmäfsige Form und zum Theil die Spuren ehemaliger Sculp- turflächen sich als altes an Ort und Stelle vorgefundenes Ma- terial ausweisen. Glücklicher Weise ist der Abscheu des Islam gegen vorislamische Kunstdenkmäler in diesen Gegenden nicht stark genug gewesen, um absichtlich alles zu vernichten, was daran erinnern könnte, dafs in der Vorzeit schon eivilisirtere Völker an gleicher Stelle safsen. Vielmehr ist ein Theil der vorgefundenen römischen Inschriften ohne die mindesten religiö- ‘sen Scrupel in die Moscheen- und Minaretmauern derart ein- gefügt, dafs die Schrift nach auswärts gewendet sichtbar und wohl erhalten geblieben ist. Da wir auch seitens der gegen- wärtigen muhammedanischen Bevölkerung der Stadt nicht auf die mindeste Regung von Fanatismus stielsen, als wir an den Moscheen und Minarets herumkletterten und wohl gar den Kalkbewurf theilweise herunterschlugen, so ist es möglich ge- wesen, alle sieben Moscheen soweit abzusuchen, dafs wohl alles, was dort von lesbaren Inschriften zur Zeit zu Tage liegt, copirt sein dürfte. Einzelne epigraphische Denkmäler wurden uns auch in Privathäusern bereitwillig nachgewiesen, während in andern vermutblich noch ähnliche verborgen sind, zu denen zu gelangen uns nicht vergönnt war. 59* 844 Gesammtsitzung Endlich finden sich auch ein paar Steine, deren Form sie zur anderweiten Benutzung ungeeignet erscheinen liefs und die, wie vereinsamte Zeugen der Ewigkeit Roms, halb aus dem Schutte von Jahrhunderten heraus, vielleicht noch an der Stelle stehen, wo sie vor Alters gesetzt wurden. Dahin gehören der Denkstein No. 8, der Votivstein No. 1 und andere. Nach den Fundorten vertheilen sich die Inschriften, wie folgt: In der Eliaskirche: 7; in deren Umgebung am Ilino Berdo: 4; an der Podstrazitza-Moschee in der Stadt: 4; bei der Hüssein- Pascha-Djami: 1; bei der Musluk-Djami: 1; an einer Fontäne am Markt: 1; in Privatbesitz: 2. Aufser den mitgetheilten Inschriften fanden wir 5 Grab- steine, an denen nur die Sculpturen erhalten, die Schrift aber absichtlich ausgemeilseli war; Trümmer von Säulen, Fragmente von Capitälen, Piedestale und sonst behauene Blöcke in der Stadt zerstreut. Trotz der Mannigfaltigkeit dieser Fundorte, oder vielmehr eben wegen dieser, ist es mir nicht gelungen festzustellen, wo eigentlich die römische Stadt gelegen war. Die zahlreichen Funde am Iino Berdo weisen wohl darauf hin, dafs dort die Nekropole war; vielleicht ist der westliche Theil der heutigen Stadt, wo am Fufse des Strazitza genannten Hügels (eines der oben erwähnten Mamelons, wo jetzt die türkische Redoute ge- baut wird) die Denkmäler römischer Zeit verhältnilsmäfsig am dichtesten gesät sind, als Örtlichkeit der Römerstadt anzu- sprechen. Spätere Funde und systematische Nachgrabungen entscheiden mit der Zeit wohl weiter und bestimmter über diese Frage als jetzt möglich ist, da gegenwärtig grölsere Complexe von Trümmern alter Gebäude nirgend zu erkennen sind. Ich lasse nun die in Taschlydja und Umgegend gefundenen Inschriften und Bruchstücke von Inschriften folgen, indem ich sie dem Inhalte nach sondere und in jeder Gruppe wieder diejenigen zusammenstelle, die einander ähnlich sind. Jedes Versuchs der Herstellung lückenhafter und schwer leserlicher Texte enthalte ich mich'). Ich bemerke dabei, dafs die Copien ‘) Die beigefügten Erklärungen rühren von mir her. — Th. M. vom 13. December 1866. 845 von mir und meinem ‚Reisebegleiter, dem Dragoman des fran- zösischen Consulats, Herrn E. de Sainte-Marie, in der Art gemeinsam gemacht sind, dafs wir als sicher nur das copirten, was wir mit vier Augen erkannt hatten. Die Grölse der Ori- ginale habe ich überall nach dem Metermafs beigesetzt, wo wir die Dimensionen messen konnten. No. 1. Votivstein im Hofe der Musluk-Moschee, rechts vom Eingange, zur Hälfte in der Erde, wurde ausgegraben. Höhe 0,34; Breite ins Quadrat 0,50; Schriftfeld 0,30. No. 2. An der Nordseite des Ilino Berdo, neben der Kirche an der Erde liegend, stark verwittert und unten beschä- dist; Höhe 0,88; Breite 0,48; Dicke 0,36. No. 3. In der Sakristei der Eliaskirche auf Ilino Berdo, jetzt als Tisch benutzt. Höhe 0,64; Breite 0,59; Dicke 0,45. No. 4. In dem Hofe der Tschutukovatz-Moschee, jetzigen Pulverthurms, unter dem Zelte der Wache; Höhe 0,76; Breite 0,42. No. 5. Im Minar der Podstrazitza-Moschee, unterer Eckstein, Fragment einer vorzüglich sauber ausgeführten In- schrift; Höhe 0,52; Breite 0,75; Dicke 0,63. No. 6. In demselben Minar, vielleicht ein Fragment der- selben Inschrift; Höhe 0,33; Br. 0,61. — Die Buchstaben der letzten Zeile 0,09 hoch. No. 7. Fragment einer sehr verwitterten Säule, an der Westseite des Ilino Berdo; Höhe 0,60; Durchmesser 0,25. No. 8. Auf dem Friedhofe der Hüssein-Pascha-Moschee; vollständig und gut erhalten; Höhe 0,75; Breite und Dicke 0,67. Daneben liest ein Block von ähnlicher Arbeit und Di- mensionen, ohne Inschrift. No. 9. Grabstein, unter der Treppe im Hofe des Hadji Mustä Bey Suleimanovitj; Höhe 1,77; Breite 0,75. No. 10. Rechts der Kirchthür von St. Elia. auf Ilino Berdo, in der Wand; Höhe 0,385; Breite 0,38. No. 11. Im Fufsboden der Kirche auf Ilino Berdo; Höhe 0,67; Breite 0,67. No. 12. Quer eingemauert in der Südwand der Eliaskirche, Ilino Berdo; Höhe 0,94; Breite 2,10. 846 Gesammtsitzung No. 13. Unmittelbar neben No. 12 der Eliaskirche. Höhe 0,61; Breite 0,44. No. 14. Im Fufsboden der Eliaskirche, Iino Berdo; Höhe 0,68; Breite 0,64. Daneben liegt, verkehrt, der einst dazu gehörige, die Sculptur enthaltende obere Theil des Denkmals. No. 15. Grabstein, im Minar der Moschee PodstraZitza; Höhe 1,53; Breite 0,78. No. 16. Grabstein, jetzt Thürpfosten am Stall des Popen von St. Elia, Dino Berdo; Höhe 1,65; Breite 0,68; Dicke 0,26. No. 17. Im Brunnengehäuse der Fontaine auf dem Markt von Taschlydja; Höhe 1,17; Breite 0,62; Dicke 0,12. No. 15. Nordabhang des Dino Berdo. Diesen Stein habe ich — anderswo beschäftigt — nicht selbst gesehen. Mein Reisegefährte, Hr. de Ste. Marie fand darauf die Buchstaben fast unleserlich; die Sculptur der Vorderseite zeigte eine männ- liche und eine weibliche Figur; auf beiden Flanken die je eines Kindes; Höhe 0,91; Breite 0,62. No. 19. Im Minar der Moschee Podstrazitza; so hoch, dals er nur mittelst Leiter und Fernrohr nothdürftig zu copiren war, übrigens schlecht erhalten. Dimensionen nicht gemessen. No. 20. Fragment, jetzt Schwelle in der Vorhalle der St. Elias Kirche, Dino Berdo. Höhe 0,70; Breite 0,60. Zur Orientirung über die Fundorte der Inschriften und die Lage der Stadt dient der oben gegebene Situationsplan. in der Aufsenwand 1. IOM z man wohl hiernach einen Jupiter I-O-M- optimus maximus adventus anzuneh- ADENTOET men haben, so dafs der Jupiter zu- PROSAVEEVC gleich als Genius adventus Augusto lasımell rum gefalst ist. Defshalb wird auch Inc Il p fortgefahren mit et pro salute et v[i]c Wenn nicht eine Umsetzung statt- gefunden hat (was nicht wahr- scheinlich, da dann doch wenig- stens adventu stehen mülste), wird (toria), gleich als wenn stände: pro. adventu et salute et victoria. Die letzten beiden Zeilen sind nicht klar. vom 13. December 1866. 3. I-O.-M- MA-MIL-TI TIAWVS-ılvR Q-Q. LP I(ovi) o(ptimo) m(aximo) M. A[e]- mil(ius) Titianus Llvifr] qg(win)- q(uennalis) Il(ibens) p(osuit). 4. I’O-:M-F- M-AEMIL- NTONIVS IIHVIR LsP I(ovi) o(ptimo) m(aximo) (ulgu- ratori) MM. Aemil(ius) Antonius Hvir ICibens) plosuit). D. IQ YET SACERD( tal sacERDOTALIVvET AVireliae? VM "PAL 4 FIRMINI 6. ee eT EPVLO DEDI CAVIT L-D-D.D- (0) CAESAR N 847 8. T-AR-SEXT-ANO ER OFR RT: DEC-M-S- T-AR-LV PERCVS » FILI » O PIEN - TIS-SI-MO INEMOR-M PO-SV-IT L:D:D-D Bereits gedruckt bei Engel a. a. O. und danach im €. ILL. IH, 1708. — T. Aur(elio) Sextiano eg(uiti) R(omano) dec(urioni) m(u- nicipü) S.... T. Aur(elius) Lupercus filio pientissimo in memoriam posuit. L(ocus) d(atus) 'd(ecreto) d(ecurio- num). Ich halte es für wahrscheinlich, dafs die hier genannte mit S anfan- gende Stadt das Stanecli ist, welches die Peutingersche Tafel (die allein ein freilich auch sehr zerrüttetes Itinerar der Stralse, an der Tasch- lydja liegt, mittheilt) ungefähr in dieser Gegend ansetzt. 9. Delphine und Kranz. D-M-S AsVRELIAE PANTONI QVARZIX | AVREIVSso QVINTVS C-B:M:P- Diese und die folgenden Inschrif- ten sind einfache gröfstentheils leicht verständliche Grabschriften, bemerkenswerth indels durch die 848 2 zahlreichen epichorischen Namen, namentlich die weiblichen Cogno- mina auf o (Panto 9; Testo 13; Titto 11; Tritano 10; Vendo 12). Diese kehren in sehr ähnlicher Weise in den andern, nicht zahl- reichen, Ortschaften Dalmatiens und Istriens wieder, wo die einheimi- schen Namen nicht von der römi- schen Nomenclatur vollständig ver- drängt worden sind, z. B. in dem mumicipium Riditarum (S. Danillo bei Sebenico) und in Piquentum (Pinguente) im inneren Istrien. 10. D-M-S AVR - TRITA NON/Q_V AN XXX AVR MAXSI MVS CONIVGI 11. D:M-S AVRELIAE TITTONI QVE-V-A XLV AVR CARVS-C- B-M-P- 12. DMS AVREL VENDNI [®) PVS Gesammtsitzung 13. Zwei Brustbilder. D-M-S SIX STATIVS BESTTVIVS liB-E-ARELIE ESTON CONIV POSVIT D(is) m(anibus) s(acrum). #Sfe]x. Statius [RJestfiJtultJus [sJibi eft] Aureliae Testoni coniu(gi) posuit. 14. D-M-S- AVR-AP IO-Q- ANT ETAT DIE cCON 15. Kranz. DYMS»S T-AEL-IO SE VIANO-Q_V A-:-LXX-AE Li TyBrA NVS-ET-AE LIANVS-E-P PaSpas D(is) m(anibus) s(acrum). T. Aelio Scaeviano, gu) . v(ixit) afnnos) LXX, Aelüi Titianus et Aelianus [F@li)] p(ientissimi) p(atrı) pfosue- runt). vom 13. December 1866. 849 16. et Am[aJvilis vi(vi)s(ibi) p(osuerunt) et Masimile filie g(uae) vi(xit) an(nos) D:M-S- R-A IRO XXX. — Masimile steht für Maxi- avı-vıx millae. ANXAXXX 18. LVCIDA E COIVGIPIE HE NTISSIMO AC »Pe Z. 2. wohl A/pJro. EQ 17. 19: Zwei Brustbilder. D-M-S- DEN: DEXTER c-AlloNniıllla T:AMmViLs L-LA1//iowv/llll VeS-P EM LS VIII sınLe-FlE-Q_ FVS///cnullllll VI AN XYY 50! Bereits früher, aber fehlerhaft, ge- 1 Besen, druckt bei Engel a. a. OÖ. und PIVSC-ANVI danach im C. I. L. III, 1709. — P-E-SIBI VIVAı Dis) m(anibus) s(acrum). Dexter P- Soviel ich aus den vorstehenden Inschriften ersehe, ist der Name der hier gelegenen römischen Station auf keiner derselben vollständig genannt, und in dieser Beziehung ist meine Ent- deckungsreise allerdings nicht von dem gewünschten Erfolge begleitet gewesen. Um über Ihre Vermuthung, das hier das Staneclum der Peutingerschen Tafel zu suchen ist, zu entscheiden, wird es also noch weiterer Funde bedürfen. Um inzwischen einen Beitrag zur Wiederaufindung der Römerstrafsen in Bosnien und der Herzegovina zu geben, mache ich Sie noch auf ein paar Punkte aufmerksam, wo sich Römisches in neuester Zeit gefunden hat. Den einen war ich so glücklich, auf eben dieser Reise zu entdecken. Es ist Rogatitza (Tschelebi-Pazar), 12 Stunden von Serajevo auf der Strafse nach Sjenitza. Dort fand einer 850 Gesammtsitzung meiner Leute als Thürstein des Hauses eines gewissen Abdi Effendi dicht an der grolsen Stralse, auf der Tausende vorüber- gezogen sein mögen, ohne dem Steine Aufmerksamkeit zu schenken, einen römischen Grabstein mit fast völlig erhaltener Inschrift. Sie lautet folgender Maalsen: : Nr. 21. D- M "IC-L-MXSI MO DEC- C-RIS DE D(s) m(anibus) Tfi]. Cl(audio) Maxsimo dec(urioni) c(oloniae 2) Ris(inni) de(functo) — Risinnium, das heutige Risano am Busen von Cattaro, ist genugsam bekannt; dafs der Ort Colonie gewesen, ist neu, doch wird der Buchstabe € zu Anfang von Z. 4 kaum eine andere Lösung zulassen. Die Lesung civitatis ist nicht wahr- scheinlich. Der Stein — ein Würfel, der aufser der Schriftseite noch auf beiden Facaden unkenntliche Reste von Sculptur zeigt — steht halb in der Erde; doch liefs ich ihn so weit blofslegen, dafs ich den untern Rand der Vorderseite fühlen konnte. Wir hatten eben die Abschrift genommen und collationirt (wobei St. Marie statt des r in der vierten Zeile vielmehr ein 3 erkennen wollte), als der Hausherr mit lautem Geschrei und geschwungener Waffe dazu kam und Lärm machte, weil wir einen in seinem Hause von Vater auf Sohn vererbten Zierrath seines Hofes ent- weiht hätten. Bei der notorischen Verrufenheit der Einwohner von Rogatitza, als der fanatischsten Muhammedaner in ganz Bosnien, bei dem entstandenen Zusammenlauf drohender Massen und der einbrechenden Dunkelheit, mufste ich für diesmal auf- geben, in Rogatitza weitere Nachforschungen anzustellen, hege aber nach eingezogenen Erkundigungen keinen Zweifel, dafs auch da noch mehr zu finden ist. Namentlich soll sich in dem Harem des Jussuf Aga Arnautovitj daselbst noch ein beschrie- bener Stein finden, und andere entschieden römische Grabsteine sahen wir im Orte an mehreren Stellen als Trittsteine und Gossenbrücken. vom 13. December 1866. 851 Ferner habe ich durch den französischen Consul in Mostar die Abschrift des folgenden Steines erhalten, die ihm von einem Priester mitgetheilt worden war: Nr. 22. IMm-S- MAXIMVS ET AEL - TATT- P AEL-MARCELE E DEF- AN XX VIVI-SEPVLCR FECER + ET SIB I-ET - SVIS- Maximus et Aelfia) Tatt(o) p(arentes) Ael(iae) Marcelae [f(iliae)] def(unetae) an(norum) XX vivi sepuler(um) fecer(unt) et sibi et suis. Diese Inschrift ist im Dorfe Dabritza im Kreise Neve- sinje gefunden worden, in dessen Nähe sich ein alter Friedhof mit mehreren ähnlichen Steinen finden soll. Die Lage des Ortes ist mir unbekannt; ich werde aber den Punkt bei meiner näch- sten Anwesenheit in der Herzegovina ausfindig zu machen suchen. Den Stein bei Serajevo, welchen ich Ihnen voriges Jahr signalisirte, habe ich, mit Ihrem Entzifferungsvorschlag in der Hand, noch einmal verglichen. Er ist zu lesen: Nr. 23. I-O:M- TONITRA TORI M MAXIMVS vılavsc In der letzten Zeile vET(eranus) zn erkennen, ist bei der Schärfe der vorhandenen Züge mir nicht möglich; der letzte Buchstabe könnte, wenn er nicht G sein muls, ein c sein!). — 1) I(ovi) o(ptimo) m(aximo) tonitratori Aur(elius) Maximus ve[t(era- nus)] Aug(ustorum. — Das Wort tonitrator ist neu; tonitruare für tonare weisen die Wörterbücher als provinzial-lateinisch nach. Am Schlufs kann doch wohl uur haben stehen sollen vııT; dafs F und ı oft graphisch fast oder ganz zusammenfallen, ist bekannt. 852 Gesammtsitzung Hierzu füge ich noch folgende Notizen. Von dem Berg- ingenieur Hrn. Conrad, einem Sachsen, welcher jetzt im Auftrag der türkischen Regierung die Minen Bosniens bereist, sind im Osten von Gornji Vakuf die alten Bergwerke von Rossinje am Raduscha Gebirge wieder entdeckt worden, wo er aus den vorhandenen, auf mehr als eine Stunde Distanz wohl erhaltenen Wasserleitungen auf ehemalige römische Goldwäschen schlielst. Er wird darüber anderswo eine Notiz geben. Bei einem Strafsenbau von Livno nach der dalmatinischen Grenze beim Prolog-Berge will der die Arbeiten leitende Inge- nieur die alte römische Stralse wieder aufgefunden haben, und zwar theilweise in gutem Zustande. Ich weils noch nicht näher, was daran ist. Derselbe Ingenieur, ein Dalmatiner, Namens Moiza hat mir ferner angegeben, dafs am Südabhange des Porim Berges, der die Ebene von Mostar im Norden begrenzt, zwei Stunden ost- wärts der heutigen Stralse sich im Walde ein römisches Bau- werk 'befände, das er als torre Romana, bezeichnet. Gelegentlich war ich auf den Namen Podromanium auf- merksam gemacht worden, welchem Ami Bou& auf der Strafse von Serajevo nach Srebrniza begegnete, als mögliches Über- bleibsel eines römischen Namens. Nachdem ich nun selbst den so, oder richtiger Pod-Romanjom (Abl. von Romanja) geheifsenen Han besucht habe, darf ich versichern, dafs er seinen Namen blofs der Lage am Fufse der Romanja-Planina verdankt und keine Spur von römischem Alterthum zeig. Ob der Name des Gebirges Romanja selbst, der als Ortsname Romania weiter südlich am Fufs der Dreskavitza wiederkehrt und eine plausible Etymologie aus der slavischen Sprache nicht zuläfst, an die alten Römer erinnern soll, oder nicht vielmehr das Grenzgebirge gegen das ‚Imperium Romaniae” war, wie Rumelien bei den Venetianern bis ins 14. Jahrhundert genannt wird, ist eine Frage, die mit grofser Wahrscheinlichkeit zu Gunsten der letz- teren Möglichkeit beantwortet werden darf. Dagegen aber ist, echt römischen Ursprunges, vor etwa 8 Wochen ein Münzfund in Bosnien gemacht worden, und zwar in nächster Nähe von Banjaluka.. Was mir davon zu Gesichte gekommen ist — und ich darf annehmen, dafs er noch vom 13. December 1866. 853 intakt war —, bestand aus mehr als 600 römischen Kupfer- münzen, die aber zum allergröfsten Theile der Art oxydirt waren, dafs sie mit dem anhaftenden Sande wie rundliche Kon- glomerate aussahen und beim Zerbrechen zu Erde und Staub zer- fielen. Man nimmt hier als glaubwürdig allgemein an, dafs in Banjaluka ein altes Römerbad war. Vielleicht ist auch dort die Station ad Fines, die Grenze von Pannonien, zn suchen. Erlauben Sie mir nur in Betreff des Namens Banja eine Be- merkung. Barth hat in seiner Reise durch die europäische Türkei einmal bemerkt (S. 30), dafs der Name Banja in diesen Ländern zu denen gehöre, „die durch so viele Jahrhunderte des Völkergewirres und der Völkervernichtung bewahrt, für sich allein schon eine ganze Geschichte erzählen,” da das Wort vom römischen balnea abgeleitet sei. So richtig nun diese Etymo- logie ist, so irrig ist die daraus gezogene historische Folgerung. Denn das Wort Banja ist im südslavischen Idiom so allgemein eingebürgert, dafs, wenn heute irgendwo im Bereich illyrischer Zunge eine neue Mineral- oder Thermalquelle sich fände und zum Baden henutzt würde, sie sicher den Namen Banja erhalten würde; so dafs somit das Vorkommen des Namens durchaus nicht beweist, dafs an solchen Orten je ein römisches Balneum vorhanden gewesen sei, oder der Name schon auf Jahrhunderte zurückgehe. So heilst z. B. die warme Schwefelquelle an der Zeleznitza, 2 Stunden von Serajevo, in türkischem Munde Ildja, $lavisch Banja. Nach Barth würde der letztere Name römi- schen Ursprungs sein, und der erstere wäre griechisch, aus Aourg verderbt. Auch dies ist kaum glaublich, denn abgesehen von allem andern ist Ilidja ein gut und rein türkisches Wort, Denominativ vom Adjectivum Ily, warm; wie Taschlydja von Taschly steinig; Jylanlydja, von Jylanly, reich an Schlangen. Bei solchem Sachverhältnils war es mir a priori zweifelhaft, ob das Kloster Banja, welches am Lim, 7 Stunden von Tasch lydja entfernt liest, und auf welches, als eine vielleicht römi- sche Therme, ich von andrer Seite aufmerksam gemacht war, wirklich römisch wäre. Ich habe auch thatsächlich nicht die leiseste Spur eines römischen Baues dort entdecken können. Die lauwarmen Stahlquellen, welche sich dort vier an der Zahl finden, sind in ein Bassin zusammengeleitet, welches durchaus 854 Gesammtsitzung modern ist; die darum liegenden Gebäude sind eine Kirche zu St. Nicola, die von Stephan III, Sohn des Urosch, König von Serbien, gegründet ist; eine Kapelle der h. Jungfrau geweiht und 4—5 Holzhütten, in denen der Hegumen, zwei Popen und zwei Kalogeren wohnen. Es fehlt an jedem Anhaltspunkt, dort Römisches zu erkennen. Die fünf Grabsteine in der Kirche, welche Inschriften haben, sind slavisch in kyrillischen Lettern und nicht einmal sehr alt. Was es endlich mit einem andern Banja, bei Novipazar, für eine Bewandtnifs haben mag, ist mir aus eigener Anschauung nicht bekannt. In Kovatschevitj Beschreibung Bosniens S. 65 heifst es: ‚‚Eine halbe Stunde von der Stadt [Novipazar] sind die berühmten Warmbäder, welche die Römer bauten.” An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Memorie della accademia delle scienze di Bologna. Vol. IV. V, 1. 2. Bologna 1864 — 1866. 4. Rendiconti delle sessioni, 1861— 1865. Bologna 1861— 1865. 8. Suringar, De Sarcina ventriculi Goods. Leeuwarden 1865. 4. ‚„ La sarcine de l’estomaec. (Extrait des Archives neer- landaises).. 1866. 8. Bulletin de la societe geologique de France. Paris, Oct. 1866. 8. Naumann, Lehrbuch der Geographie, 3. Band, Lieferung 1. Leipzig 1866. 8. Aoust, Sur un systeme double de surfaces reglees. (Extrait.) Paris 1866. 38. Warren de la Rue, Researches on solar physics. Second series. London 1866. 4. Beiträge zur Statistik des vormaligen Kurfürstenthums Hessen. Cassel 1866. 4. 20. December. Gesammtsitzung der Akademie. Hr. Hanssen las: Kritik der privatwirthschaft- lichen Unternehmungen des Staates auf dem Ge- biete der Stoffproduction. s Monatsber. d.k. Ak: d.W. " NND — nn. > NS 777107 WE, WO 0 A 2 N ) Dec. 1866. une mit ‚Umge gend E adfgenommen. von Dr.0.Blau. TASCHLYDJIJA in Bosnien Gestochenv:J. Sulzer. vom 20. December 1866. 855 Hr. Weierstrafs gab folgenden Auszug aus einer weiteren Fortsetzung seiner Untersuchungen über die Minimal-Flächen.') Die kleinste Fläche, welche von einer einfachen — d.h. durch keinen Punkt mehr als einmal gehenden — geschlossenen Linie begrenzt wird, hat bekanntlich die Eigenschaft, dafs ihre mittlere Krümmung überall gleich Null ist. Überdies läfst sich zeigen, dals sie eine einfach zusammenhangende, monogene und in ihrem Innern keinen singulären Punkt enthaltende Fläche ist. Daher kann sie durch die in meiner frühern Mittheilung unter (B) angegebenen Gleichungen dargestellt werden. Die Bestim- mung der in diesen Gleichungen vorkommenden Functionen G(u), H(u) ist aber, bei vorgeschriebener Begrenzung der Fläche, im Allgemeinen mit unüberwindlichen Schwierigkeiten verknüpft. Ich habe mich daher darauf beschränkt, den Fall, wo die Be- grenzung aus geraden Strecken zusammengesetzt ist, genauer zu untersuchen, und erlaube mir, das verhältnifsmälsig einfache Resultat, zu welchem ich gekommen bin, der Akademie in we- nigen Worten mitzutheilen, wenn ich auch auf die Herleitung desselben heute nicht eingehen kann. Die a. a. ©. mit .E bezeichnete Figur, von der die zu be- Stimmende Fläche M ein conformes Abbild sein soll, sei ein um den Nullpunkt der Coordinaten (p, q) mit dem Radius 1 beschriebener Kreis. Dann entspricht jedem im Innern und in der Peripherie dieses Kreises liegenden Punkte (u = pt ein Punkt (x, y, 2) von M, und es gelten die folgenden Glei- chungen, in denen &o, Yo» 2o die Coordinaten des zu dem Mittelpunkte des Kreises gehörenden (und willkürlich anzuneh- menden) Punktes von M bedeuten: = + af(e: () — 2°) du y=y+t Rfi G (u) + 17°<)) du 2= 2, + RI2G(W) H«) du 0 Die in diesen Formeln vorkommenden Functionen @ (u), ‘) S. den Bericht über die Sitzung vom 15. Oktober d. J. ($. 612.) 856 Gesammtsitzung ZA (u) besitzen nun an allen Stellen im Innern und in der Pe- ripherie des genannten Kreises, mit Ausnahme derer, die den Ecken des die Fläche M begrenzenden Polygons entsprechen, den Charakter ganzer rationaler Functionen, so dals sie auch durch Reihen von der a. a. O. unter (C) angegebenen Gestalt dargestellt werden können. Ferner genügen sie beide einer und derselben linearen Differential-Gleichung zwei- ter Ordnung, deren Ooefficienten rationale Functio- nen von u sind. Die in dieser Differential- Gleichung vorkommenden Con- stanten, sowie diejenigen, welche durch die Integration einge- führt werden, hangen ab von den Richtungen und den Längen der einzelnen Strecken, aus denen die Begrenzung von M be- steht. Im Allgemeinen erfordert die Bestimmung dieser Con- stanten die Lösung transcendenter Gleichungen; es ist aber nicht schwierig, specielle Fälle aufzufinden, in denen man zu voll- ständig entwickelten Ausdrücken von G(w), H(u) durch bekannte Functionen gelangen kann. Die Figur E kann übrigens auch eine der beiden Halbebenen sein, in welche die Ebene der (p, g) durch die p-Axe getheilt wird. Die Constanten der Differential-Gleichung sind dann sämmtlich reelle Grölsen. Eine ausführlichere Mittheilung behalte ich mir vor. Hr. Pertz übergiebt der Akademie ein für sie bestimmtes Exemplar der Ausgabe des Oeuvres de Jean Sire de Joinville, nämlich der Histoire des St. Louis, des Credo und des Brie- fes an König Louis X. von unserm auswärtigen correspondi- renden Mitgliede, dem Hrn. Natalis de Wailly, Mitglied des Instituts Academie des Inscriptions und Conservateur der Hand- schriften der Kaiserlichen Bibliothek zu Paris. Diese neueste Ausgabe ist mit Hülfe der alten Handschriften und einer dritten hier zum erstenmal benutzten hergestellt, verbessert und ver- vollständigt, und ihre Benutzung durch eine sich dem neueren Französisch annähernde Übersetzung erleichtert. Der sehr schöne Druck ist durch genaue Nachbildung der beiden Minia- turen und einer Schriftprobe der ältesten Handschrift, das Bild des Königs nach dessen Siegel und Münzen verziert. Gesammtsitzung vom 20. December 1866. 857 Hr. Braun machte eine Mittheilung über Schweinfur- thio, eine neue Gattung von Scrophulariaceen und schlofs der- selben eine Abhandlung von Dr. Ascherson über Anti- charis, eine Gattung derselben Familie, an. Unter den reichen Pflanzenschätzen, welche Hr. Dr. Schwein- furth in den afrikanischen Küstenländern des rothen Meeres gesammelt, zog eine unscheinbare Pflanze meine Aufmerksam- keit auf sich, welche mit der Blüthe eines Antirrhinum’s die Frucht einer Anagallis zu verbinden schien und den Ver- dacht erregte, dals hier eine Primulacee mit unregelmäfsi- ger Blüthe vorliege. Die genauere Untersuchung wiederlegte diese Vermuthung und liefs eine neue Gattung aus der Gruppe der Antirrhineen erkennen, die ich nach dem um die Pflanzen- kunde Afrika’s verdienten Reisenden benannt habe. Er traf die in Rede stehende Pflanze im Februar d. J. im Wadi Tereb Ariah auf der Strafse von Berber nach Suakin und im folgenden Monate bei Suakin selbst nahe dem Regenteiche (Fula) in grolser Menge auf Sandfeldern und sammelte reichlich blühende und zugleich schon mit reifen Früchten versehene Exemplare. Schon früher, im Juni 1864, wurden jugendliche Exemplare am Berge Uaratab nordwestlich von Suakin beobachtet. Die Vergleichung der die Flora jener Gegenden betreffenden Literatur und der hiesigen Herbarien zeigte, dafs die Schwein- furth’sche Pflanze bereits in früherer Zeit entdeckt, gesammelt und benannt, die eigenthümlichen Gattungscharactere derselben jedoch nicht genügend erkannt worden waren. Schon im Februar des Jahres 1825 wurde sie von Ehrenberg und Hemprich im Wadi Djara Arabiens aufgefunden, so wie auch im Juli desselben Jahres an der abyssinischen Küste des rothen Meeres bei Massaua beobachtet, und in den nicht veröffentlichten Tage- büchern der Reisenden unter dem Namen Orontium Arabicum beschrieben. Im abyssinischen Küstenlande, dem Lande der Schoho's, fanden sie später auch die französischen Reisenden Quartin- Dillon und Petit, nach deren Exemplaren Richard im 2. Bande des Tentamen Florae Abyssinicae das von ihm aufgestellte An- tirrhinum pterospermum beschrieb. Die Gattnngsbestimmung war ihm übrigens selbst zweifelhaft und kann nicht bestehen, [1866.] 60 858 Gesammtsitzung wogegen der Species-Name, welcher eine ausgezeichnete Eigen- schaft der Samen andeutet, als der zuerst veröffentlichte, beizube- halten ist. Den Fundorten ist schliefslich noch Aden im südlichen Arabien beizufügen, wo Wichura auf der Rückkehr von der Preufsischen ost-asiatischen Expedition eine minder verzweigte Form derselben Pflanze sammelte. Im K. Herbarium befindet sich noch eine zweite der Gattung Schweinfurthia zuzuzählende Art, von Hooker unter dem, wie es scheint, nicht veröffentlichten Namen Antirrhinum sphaerocarpum Boissier mitgetheilt und ohne Zweifel identisch mit der von Bentham im 10. Bande von Decandolle’s Prodromus aufge- stellten Linaria sphaerocarpa. Sie wurde in Afghanistan und dem benachbarten Sind (Seinde) von Griffith und Stocks ge- funden, läfst sich aber nach den mangelhaften Exemplaren unsrer Sammlung vorerst nur unvollständig characterisiren. Bevor ich zur Beschreibung beider genannten Pflanzen übergehe, mögen einige Bemerkungen über die Charactere Raum finden, auf welche die Unterscheidung der Gattungen in der Gruppe der Antirrhineen sich gründet. Von allen übrigen Scrophulariaceen sind die Antirrhineen dadurch abweichend, dafs die Kapsel weder septicid noch loculieid aufspringt. Die Ränder der Fruchtblätter, welche die Scheidewände bilden, bleiben stets fest vereinigt und auch nach der Mittellinie der Fruchtblätter tritt niemals eine Theilung ein. Das Aufspringen geschieht vielmehr durch Risse, welche meist von einer Querlinie im oberen Theil der Wand des Faches oder auch von einem Punkte ausgehen und in verschiedener Zahl und Richtung sich mehr oder minder weit fortsetzen, wodurch Löcher oder Fenster ent- stehen, welche bald ringsum, bald nur einseitig mit Zähnen besetzt sind, die im letzteren Falle, wenn sie lang sind, das Ansehen von: Klappen erhalten, jedoch niemals bis an die Scheide- wand reichen, sondern immer noch einen deutlichen Saum um dieselbe stehen lassen. Die Verschiedenheiten, welche hierbei auftreten, geben unzweifelhaft die wichtigsten Anhaltspunkte zur Gattungsunterscheidung. Löcher, welcheringsum mit Zähnen besetztsind, zeigen Galvezia Domb. (Agassizia Chav.), Maurandia Orteg., Lophospermum Don, Asarina Tourn., Antirrhinum Tourn., Cymbalaria Fl. Wett., und vom 20. December 1866. 859 zwar öffnet sich jedes Fach mit einem Loch, das von4 bis 5 Zähnen umgeben ist, welche von einem Punkte ausgehen und deshalb spitz sind, bei der Gattung Galvezia (F. 1)'), desgleichen mit 4 bis 5 von einer kurzen Querspalte ausgehenden, daher zum Theil abgestutzten Zähnen bei den Gattungen Maurandia?) und Lophospermum (F. 2) ?), ferner bei Asarina (Fig. 3) t), wo die Löcher mehr in die Breite gezogen sind und nach den Ab- bildungen 6 von einer längeren Querspalte ausgehende Zähne zu besitzen scheinen. Bei Antirrhinum (F. 4) vereinigen sich _ beide Fälle, indem das obere, längere aber schmälere Fach mit einem einzigen Loche aufspringt, welches 4 von einer Quer- spalte ausgehende Zähne hat, 2 mediane abgestutzte und 2 seit- liche spitzige, wogegen das untere, kürzere aber breitere Fach sich mit 2 nebeneinander liegenden Löchern öffnet, welche von 3 ursprünglich in einem Punkte zusammenstolsenden, daher spitzigen Zähnen umgeben sind’). ") Vgl. Chavannes, Monograph. des Antirrhinees, t.11. 2)..Chav. L’e, t.% ?) Ebenda. t.1. 4) Tournef. Instit. t. 76; Chav. l.c. 1.3. £.12. °) Die Abbildung bei Char. t.3. £.15.16. zeigt dies nicht so deut- lich, wie ich es bei Ant. Orontium, Siculum und majus gesehen habe. 60* 860 Gesammtsitzung Löcher, welche nur auf der einen und zwar der unteren Seite mit Zähnen versehen sind, characterisiren die Gattung Linaria, mit Ausnahme einiger Sectionen, welche vielleicht besser als besondere Gattungen unterschieden werden. Das Aufspringen beginnt mit einer Querspalte, welche sich beider- seits in einiger Entfernung von der Grenze der Scheidewand und dieser parallel herabbieg. Das so gebildete halbkreis- förmige oder halbelliptische Stück spaltet sich der Länge nach durch 2 bis 4 Risse in 3 bis 6 Zähne von verschiedener Länge. Bei Microrrhinum Endl. (Section von Linaria) sind diese Zähne kurz und das halbkreisförmige Loch ist auf das obere Ende des Fachs beschränkt (F. 5)'); bei der Gattung Linaria im engeren Sinn (Section Linariastrum Chav.) dagegen gehen die Spalten tiefer, oft bis zum Grunde der Kapsel herab, und die Zähne nehmen die Gestalt lauger Klappen an (F. 6. 7.)?). Die schon oben genannte, den Rang einer eigenen Gattung wohl verdienende Cymbalaria hat die langen klappenartigen Zähne von Linaria, aber aufserdem theilt sich auch der obere Rand der Öffnung in mehrere kurze Zähne, wie bei Asarina. Bei Anarrhinum Desf. reducirt sich die Querlinie, mit welcher das Aufspringen beginnt, fast auf einen Punkt, jeder- seits in eine von der Scheidewand entfernte, fast senkrecht ab- steigende Linie übergehend, wodurch ein einziger stumpfer Zahn ‘) Vergl. Chav.l. e. 1.5. f.11. Es gehören hierher L. minor, Llito- ralis, praetermissa welche Chavannes, so wie auch Bentham, ungeachtet der Verschiedenheiten, welche die Frucht im Gröfsenverhältnifs und Aufsprin- gen der Fächer zeigt, auf die Übereinstimmung der Blumenkrone und der Tracht gestützt, der Section C'haenorrhinum beigesellen. ?) Vergl. Chav. 1. «. t.5. £12. ER vom 20. December 1866. s6t gebildet wird, (Fig. 8)'). Aehnlich verhält es sich. bei Chaenorrkinum Dec. (Linariae sect. l. Chav., seet. 5. Benth.), doch ist der Zahn oder die Klappe breiter, mehr dreieckig, und spaltet sich zuweilen durch einen nicht genau in die Mitte fallenden Rifs in 2 Zähne’). Dazu kommt noch die Eigenthümlichkeit, dafs das obere Fach der Kapsel nicht nur beträchtlich länger, sondern auch bauchiger und geräumiger ist als das untere, welches sich in der Regel gar nicht öffnet (F. 9)?). Bei Kieckxia Dum. (Linariae sect. Elatinoides Chav.*) endlich schliefsen sich die beiden den Zahn begrenzenden Linien bogenartig zusammen, so dals der Zahn zu einem ringsum sich ablösenden länglichen oder kreisförmigen Deckel wird (F. 10) °). ———— a —— zer. Die Gattung Schweinfurthia weicht in doppelter Weise von allen hier geschilderten Verhältnissen ab. Während in den bis- her bekannten Fällen ungleicher Ausbildung der Fruchtfächer SeChav. I et. 10... 7.8. ?) Ich habe diesen Fall namentlich bei L. rubrifolia gesehen. 3) Chav.1. c.t.5.£.8.uud t.6.f.6. Von dem unteren Fache sagt Chavannes S. 92: „Loculo inferiori transversali rima basın versus tardius dehiscenti vel indehiscenti.” Ich habe ein Aufspringen des untern Faches bei den untersuchten Arten nicht gesehen und möchte vermuthen, dafs es normal nicht vorkommt, sondern nur durch Druck veranlafst wird. Bei Anarrhinum und Kickxia bleibt umgekehrt das obere Fach oft geschlossen, wiewohl beide Fächer gleichmäfsig ausgebildet sind. *) Einige auch in der Tracht abweichende Arten dieser Section, bei welchen die Kapsel mit einem stehenbleibenden Zahn aufspringt, sind wohl auszuschliefsen und den ächten Linarien einzureihen. °) Char. t.5. £.9.10. 862 Gesammtsitzung (Antirrhinum, Chaenorrhinum) das obere (hintere) Fach das längere ist und das untere überragt, so dafs der Griffel auf die Vorderseite der Frucht zu stehen kommt, entwickelt sich umge- kehrt bei Schweinfurthia, wie die Figuren auf der beigegebenen Tafel zeigen, das untere (vordere) Fach stärker und ragt über das obere empor, so dafs der Griffel auf die Hinterseite des Fruchtknotens geschoben wird. Die Ungleichheit der Ausbildung ist auch in horizontaler Richtung sehr bedeutend, wie an dem F. 15 der Tafel dargestellten Querschnitt zu sehen ist. Der Raum des oberen Faches ist so eng, dafs nur wenige (höchstens 3) Samen Platz finden, während das untere Fach deren 50—60 beherbergt. Das obere Fach bleibt stets geschlossen und nur das untere springt auf, jedoch nicht in der Nähe des oberen Endes, wie es bei allen anderen Antirrhineen der Fall ist, son- dern umgekehrt in der Nähe des unteren, wo von einer kleinen Querspalte aus sich nach allen Seiten hin unregelmäfsige und oft sich abermals theilende Risse aus- gehen, durch welche ein grofses, von unregelmälsigen Lappen umgebenes Loch gebildet wird. F. 11 giebt eine schematische Darstellung eines einzelnen, minder unregelmälsigen Falles'). Nächst der Fruchtbildung kommt die Blumenkrone bei den Antirrhineen in Betracht. Die für die grofsen Hauptgattungen Linaria (Linariastrum, Cymbalaria, Kickxia) und Antirrhinum, so wie auch Asarina, characteristische zweihöckerige Wölbung der Unterlippe, durch welche der Eingang in die Röhre der Blumenkrone geschlossen wird, kommt nicht allen Gattungen der Gruppe zu. Schon bei Chaenorrhinum und Mierorrkinum zeigen die beiden Fornices eine schwächere Erhebung, so dafs der Schlund nicht geschlossen wird. Bei Maurandia antirrhini- flora?) sind sie noch stark gewölbt und fast schliefsend, während die anderen Arten derselben Gattung nur zwei schmale und 11. !) Vergl. auchF. 14 der Tafel, Seitenansicht der aufgesprungenen Frucht. ?) Chav.l.c.t.2.£.B. vom 20. December 1866. 863 niedrige commissurale Einfaltungen besitzen '), welche Falter bei der Gattung Lophospermum?) auf 2 erhabene behaarte ‚Streifen redueirt sind. Bei Anarrhinum, Galvezia und Rhodochitor endlich ist auch die letzte Spur der Fornix-Bildung verschwun- den’). Noch weniger allgemein als das Vorkommen der For- nices ist das eines Sporns an der Vorderseite des Grundes der Blumenkronenröhre, dem mittleren Lappen der Unterlippe ent- sprechend®). In der Gattung Linaria (im weitesten Sinn) ist ein solcher Sporn constant vorhanden, in der Section Linariastrum oft an Länge die Röhre der Blumenkrone übertreffend, viel kürzer dagegen bei Microrrkinum und Chaenorrhinum’). Eben- so ist der Sporn bei Anarrhinum sehr kurz oder auch (bei A. fruticosum) ganz fehlend.. Bei Antirrhinum ist er durch eine kurze sackförmtge Ausbauchung angedeutet‘); bei allen anderen Gattungen fehlt er. In beiden Beziehungen, Fornix- und Spornbildung, stimmt Schweinfurthia ganz mit Antirrhinum überein, doch ist die dem Sporn entsprechende Ausbauchung nur schwach. Die Staubbeutel der Antirrhineen haben die gewöhnliche zweifächerige (eigentlich doppelt-zweifächerige) Beschaffenheit, mit Ausnahme der einzigen Gattung Anarrhinum, bei welcher die beiden Hälften an der Spitze zusammenfliefsen und dadurch einen sogenannten einfächerigen Beutel darstellen’). Bei Lophos- permum geht das Connectiv an der Spitze in einen kleinen, nach hinten gebogenen, kammartigen Anhang aus, was bei ‚Chavannes nicht erwähnt wird. Schweinfurthia zeigt die ge- wöhnliche Beschaffenheit. Wie bei den übrigen Gattungen tritt 1) IChav.l. ati LA. ?) Ebenda t. 1. *) Als Abnormität wiederholt sich dieser Fall bei den spornlosen Pelorien von Linaria. (Gmelin Fl. Bad. II. t. 4.) *) Allen 5 Lappen der regelmäfsig gewordenen Blumenkrone ent- sprechende Sporne finden sich bei den gespornten Pelorien. °) Chav. le. 1.5. £. 3. °) Eine abnorme, dicht an der Unterlippe 'hervortretende und dabei commissurale Spornbildung von Antirrhinum hat Chavannes beschrieben und abgebildet 1. c. 1.9. f. 1.2. 7”) Chav. 1. c. t.10.£. 4. 864 Gesammtsitzung das Filament mit dem Rücken des Beutels nahe am oberen Ende des letzteren in Verbindung, der Beutel ist somit eigentlich pfeilförmig. Die absteigenden Hälften sind Anfangs fast parallel, treten aber später mit den untern Enden divergirend ausein- ander, was bis zur völligen Gleichstellung fortschreitet. Wie die meisten Antirrhineen (Antirrhinum, Anarrhinum, Maurandia, Lophospermum, Rhodochiton und ein Theil von Linaria) zeigt auch Schweinfurthia ein kleines Rudiment des verkümmernden oberen Staubblattes'). Die Beschaffenheit der Samen ist bei den Antirrhineen von besonderer Wichtigkeit für die Unterscheidung und Gruppirung der Arten; eine unbedingte Anwendung als Gattungsmerkmal würde zu einer allzugrofsen Zersplitterung der Gattungen führen. Doch hat jede Gattung ihren Formenkreis und ganz überein- stimmende Formen wiederholen sich nicht in verschiedenen Gattungen. Am gröfsten ist der Formenkreis bei Linaria, selbst wenn man die Gattung im engeren Sinne (Sect. Lina- riastrum Chav.) falst, in welcher fast stielrunde, dreikantige und scheibenförmig plattgedrückte, im letzten Falle flügellose oder mit einem kreisförmigen, schmäleren oder breiteren, ganzrandigen oder strahlig gefransten Flügel gesäumte, mit glatter, querrunze- liger, netzartiger oder höckeriger Oberfläche versehene Samen vorkommen’). Mit der geflügelten Form mit stachelwarziger 1) Bei den Pelorien kommen bekanntlich alle 5 Staubblätter zur vollen und gleichmäfsigen Ausbildung. Ich will hier noch eines an einer grofsblüthigen cultivirten Form von Antirrhinum majus beobachteten Falles scheinbarer Vermehrung der Staubgefälse bei normaler Bildung der Blumen- krone erwähnen. Es fanden sich aufser den normalen 4 Staubgefälsen noch 2 bis 6 fadenartige Gebilde fast von gleicher Länge mit diesen, theils drüsenharig, wie die Filamente, theils glatt und an der Spitze petaloidisch ausgebreitet, ihrer Stellung nach nicht regelmäfsig abwechselnd mit den normalen Staubblättern, sondern denselben dicht zur Seite stehend. Das rudimentäre Staubblatt, welches in gewöhnlicher Weise sehr klein war, hatj}e jederseits einen solchen überzähligen Faden, die übrigen Staub- blätter nur auf einer und zwar bald der oberen, bald der unteren Seite. Ich halte diese überzähligen Fäden nach ihrer Stellung für abnorm auf- tretende Stipularbildungen der Staubblätter. 2); Vergl.. Chay. L ce. 5.7.09 37. vom 20. December 1866. 365 Oberfläche, wie sie sich z. B. bei L. saxatilis Benth. findet, lassen sich die Samen von Lophospermum'‘) und Rhodochiton ver- gleichen, doch ist der Flügel bei beiden unregelmäfsig gelappt oder zerschlitzt, die Oberfläche bei letzterer Gattung runzelig. An die kantigen, querrunzeligen Samen, wie sie z. B. bei Li- naria genistifolia vorkommen, reihen sich die kantigen, abge- stutzten, mit in Längsreihen geordneten Grübchen versehenen Samen von Galvezia?) an. Bei Kickxia (Linariae sect. Elati- noides Chav.) sind die Samen kurz eiförmig oder fast kugelig mit kleingrubiger *) oder kleinhöckriger *) Oberfläche. Einen deutlichen Übergang vom netzartig-grubigen zum höckerigen zeigt L. Elatine. Länglich, stielrund und kleinhöckerig sind die Samen von Anarrhinum°); grolsmaschig. netzartig, mit tiefen Gruben die Samen der ächten Antirrhinum-Arten (Sect. Antirrhi- nastrum Benth.), wogegen die Arten der Sectio Orontium Benth. eine sehr abweichende und eigenthümliche Gestalt der Samen besitzen. Sie sind länglich, vom Rücken plattgedrückt, stumpf berandet, auf der Seite des Nabels (der Raphe) mit einer Längs- rippe durchzogen, die sich am Ende in 2 umgebogene Schenkel theilt, auf der entgegengesetzten Seite innerhalb des Randes mit einem geschlossenen Wall versehen, der am Innenrande ge- kerbt ist und einige in der Tiefe des so gebildeten Beckens be- findliche Höcker umschliefst‘). Die Gattungen Maurandia, Cymbalaria und Asarina reihen sich, wie in manchen anderen Beziehungen, so auch in der Beschaffenheit der Samen, an einander. Grofse, stark vorragende, stumpfe Höcker sind bei Maurandia’) nur wenig verlängert; bei Cymbalaria®) rückenartig verlängert, vielfach gekrümmt und )\.Chav.l.ot,1.£8. ?) Ebenda. t. 11.f.8. SED. 5. L. 18. SNEb.4t..5. f:.20. °) Eb. t. 3. £. 22. 24. 28. MED AN. 1La 18.19. ")Eb. 1. c. 1.2. £.10. €) Eb. t.5. f.16, Same von Cymbalaria muralis Fl. d. Wetter. 2.1800; Baumg. enum. stirp. Transs. 1816; C. hederacea Gray brit. pl. 1821. 866 Gesammtsitzung in mancherlei Richtungen in einander greifend; bei Asarina') endlich nur schwach geschlängelt und alle der Längsrichtung des Samens folgend. Hier schliefsen sich endlich die Linarien der Sectionen Chaenorrhinum und Microrrhinum an, deren läng- liche, stielrunde Samen mit 9—13 schmäleren, schärferen Längs- rippen oder Runzeln versehen sind, welche auf dem mehr oder weniger abgestutzten Scheitel sich vor der Vereinigung zum Theil paarweise verbinden, von denen eine oder die andere wohl auch erlischt, ohne den Scheitel zu erreichen. Die Rippen sind bald wehrlos oder nur schwach gekerbt, z. B. bei L. (Chae- norrh.) origanifolia, villosa, (Microrrh.) minor, litoralis, praetermissa, oder mit stachelartigen Zähnchen besetzt, z. B. bei (Z. Ohaenorrh.) crassifolia, rubrifolia. Die wahrscheinlich zu Mierorrhinum gehörige L. Persica Chav. (rhytidosperma DBoiss.) besitzt nur 6—7 stärkere, etwas geschlängelte, durch niedrige Querrunzeln unvollständig verbundene Rippen?). Mit den zuletzt be- schriebenen Modificationen stimmt im Wesentlichen auch die Bildung ‘der Samen von Schweinfurthia überein, mit der Eigenthümlichkeit, dsfs die Mehrzahl der Rippen sich zu starken flügelartigen Platten ausbilden, welche an Breite dem Durch- messer des Samens gleichkommen oder ihn selbst übertreffen°). Es sind gewöhnlich 10 Rippen vorhanden, von denen meist 6, seltener nur 4 oder 5, sich flügelartig gestalten. Die Seiten- wände der Flügel sind mehr oder weniger der Quere nach wellig oder gefältelt. Die unausgebildeten Rippen liegen bald einzeln, bald paarweise zwischen den Flügeln, sind fein ge- schlängelt und unregelmälsig gezahnt, wo sie paarweise stehen, zuweilen anastomisirend.. Am unteren schmäleren Ende des Samens vereinigen sich die Flügel in ein kreisförmiges Teller- chen, am oberen breiteren Ende sind sie etwas umgebogen und vergrölsern dadurch die abgestutzte Endflächke. An den Samen des kleinen Faches fand ich bei beiden Arten die Flügel- DEChavalses ts 092! *) Ich habe das Aufspringen der Frucht bei dieser Art, die durch die sitzenden Blüthen in der Tracht an Antirrh. Orontium erinnert, nicht gesehen. °) Fig. 16 auf der beifolgenden Tafel. vom 20. December 1866. 867 bildung weniger regelmäfsig, die Rippen oft nur stellenweise oder auch fast gar nicht flügelartig ausgebildet. Geringere und minder wichtige Verschiedenheiten zeigt der Kelch der Antirrhineen. In der Regel sind die Kelchblätter ganz oder fast bis zum Grunde getrennt; auf eine kurze Strecke deutlich zusammenhängend sind sie bei manchen Linaria-Arten (z. B. L. triphylla), Anarrhinum, Maurandia und besonders be- merklich bei Asarina '), bis zur Hälfte in eine grofse ausge- breitete Schüssel verwachsen bei Rhodochiton. Ein geringer Zusammenhang ist auch bei Schweinfurthia bemerkbar. Die Kelchblätter sind meist von gleicher Länge, doch giebt es hier- von Abweichungen in entgegengesetzter Richtung und zwar in einer und derselben Gattung. Bei einer Anzahl von Linarien z. B. L. alpina, supina, thymifolia, tristis, caesia, virgata und besonders ausgezeichnet bei L. triphylla, ist das obere (hintere) Kelchblatt meist um etwa '|, länger als die 4 anderen, während dasselbe bei L. Chalepensis umgekehrt um die Hälfte kürzer (und zugleich schmäler) ist als die 4 anderen, welche der Blumen- krone an Länge gleich kommen. Um etwas Weniges kürzer fand ich dasselbe auch bei L. Canadensis. Bei den meisten Linarien der Section Chaenorrhinum (z.B. L. origanifolia und rubrifolia) sind die drei oberen Kelchblätter länger und unter diesen das mittlere das längste, und noch auffallender findet sich dieses Verhältnifs bei Antirrhinum Orontium, besonders bei der grols- blüthigen Abart desselben (A. calycinum Vent.), während bei den Antirrhinum-Arten aus der Section von A. majus die Kelch- blätter von gleicher Länge sind. Bei Schweinfurthia übertrifft das obere Kelchblatt die übrigen bald nur wenig, bald aber auch be- deutend an Länge und Breite. Die Knospenlage der Kelchblätter zeigt sich in 3 verschiedenen Weisen, die ich als die quincun- ciale (durch ?|, St. bedingte, eutopische”), die aufsteigende und die absteigende bezeichnen will, deren Vorkommen sich 2) Chay. 1. e.t.3.£.2. ?) Das 2te Kelchblatt steht dabei nach oben (hinten), wie diefs bei fünfzähligen Kelchen nach 2 Vorblättern gewöhnlich der Fall ist. Bei Scrophularia, Gratiola etc. sind die beiden Vorblätter ausgebildet, bei Digitalis erscheinen sie zuweilen an den untersten Blüthen, bei den An- tirrhineen sind sie dagegen stets völlig unterdrückt. 368 Gesammtsitzung jedoch nicht überall beständig erweist, so dafs ich Chavannes nicht beistimmen möchte, wenn er sagt, dafs der Unterschied in der Deckung der Kelchblätter für sich allein schon hinreiche, um Antirrhinum von Maurandia zu unterscheiden’). Die Deckung ist meist sehr gering, selbst bei sehr breiten Kelchblättern (Lophospermum); häufig aber sind die Kelchblätter so schmal, dafs sie durchaus keine Deckung zeigen, wie bei Antirrkinum Orontium und zahlreichen Linarien. Die quincunciale Deckung wird von Chavannes als characteristisch für Maurandia, Lophos- permum'), Galvezia; die aufsteigende für Antirrhinum (Antirrhi- nastrum)?) angegeben. Beide Arten der Deckung habe ich bei Linarien gesehen; bei L. bipartita schien mir die erstere, bei L. triphylla die letztere Regel zu sein. Die aufsteigende Deckung zeigte mir auch Cymbalaria cernua. Die absteigende Deckung fand ich ausnahmsweise bei Lophospermum und gewöhnlich, wie- wohl nicht constant, bei Schweinfurthia pterosperma. Sie hängt hier offenbar mit der Breitenentwicklung der Kelchblätter zu- sammen, indem 'die 3 oberen Kelchblätter die breiteren und unter diesen wieder das mittlere das breiteste ist, während bei Antirrkinum (mit Ausschlufs von Orontium) gerade das Gegentheil statt findet. Die Knospenlage der Blumenkrone ist bei Schweinfurthia, wie bei allen Antirrhineen, nnd einem grofsen Theil der Scrophula- riaceen überhaupt, die absteigende, indem die Oberlippe die Un- terlippe und an dieser wieder die Seitenlappen den mittleren Lappen decken. Über die vegetativen und habituellen Charactere mögen einige wenige Bemerkungen genügen. Der Blüthenstand ist bei allen Antirrhineen wesentlich derselbe, die einfache Traube ohne Gipfelblüthe?). Die nichts desto weniger vorhandene grofse Verschiedenheit des Ansehens beruht auf der Beschaffen- heit der Tragblätter und den Dehnungsverhältnissen der Haupt- achse, so wie der Blüthenstiele selbst. Sind die Tragblätter gewöhnliche Laubblätter, wie bei Rhodochiton, Lophospermum, ') Chav. l. c. p. 40, ?) Ebenda t.1.£.1. °) Ebenda t.3.£. 6. *) Abnorm auftretende Gipfelblüthen erscheinen stets in veränderter, actinomorpher Gestalt, als sogenannte Pelorien. vom 20. December 1866. 869 Maurandia, Galvezia, Asarina, Cymbalaria, so ist ein Blüthen- stand als besonderer Theil der Pflanzen überhaupt nicht zu unterscheiden; sind dagegen die Tragblätter Hochblätter (‚‚Brac- teen”), so wird eine ahgesonderte, je nach der Dehnung der Hauptachse lockerere oder dichtere Traube, oder, wenn die Blüthen sitzend oder fast sitzend sind, eine Ähre gebildet, wie wir dies in allen Abstufungen bei den Linarien sehen. Zwischen diesen beiden Extremen steht der Fall, in welchem die in der Achsel Blüthe tragenden Laubblätter nach oben zu stufenweise kleiner werden, ohne in entschiedene Hochblätter überzugehen, wodurch ein nach unten nicht abgegrenzter, nach oben aber allmälig mehr oder minder deutlich trauben- oder ähren- artig sich gestaltender Blüthenstand entsteht. Diels ist z. B. der Fall bei Antirrh. Orontium mit sitzenden, bei Linaria (Chaenorrh.) origanifolia, L.(Microrrh.) minor und deren Ver- wandten mit gestielten Blüthen. Den letzteren reiht sich auch Schweinfurthia, namentlich Schw. pterosperma an, die mit Lin. minor auch darin übereinstimmt, dals unter jeder Blüthe ein accessorischer Laubsprofs sich bildet, der sich frühzeitig selbst wieder zum Blüthe tragenden Zweig entwickelt, eine Erscheinung die übrigens auch im unteren Theile des Blüthen- standes von Antirrh. Orontium vorkommt, zuweilen sogar in der Traube von. Antirrh. majus und Linaria triornithophora, die sich ferner bei Asarina und Cymbalaria findet, wo jedoch die accessorischen Laubsprosse sich erst spät (nach der Fruchtreife des primären Blüthensprosses) entwickeln. In anderer Weise mischen sich Blüthen und Laubsprosse bei Kickria (spuria, Elatine, eirrhosa) und Maurandia, bei welchen die Reihenfolge der Blüthen hie und da durch einen Laubsprofs (vegetiven Zweig) unterbrochen wird, der aus einer Blattachsel entspringt, die keine Blüthe trägt, eine Erscheinung, die ©. Schimper mit dem Namen der Lipostoechie bezeichnet hat. Durch die langen biegsamen Blüthenstiele erinnert Schweinfurthia pterosperma mehr an Cymbalaria und Maurandia als an Antirrhinum und Linaria, die hierin ähnliche L. reflexa ausgenommen. Die Blattstellung ist bei den Antirhineen sehr mannig- faltig und oft bei derselben Art sehr veränderlich. Zweizeilige Blätter finden sich niemals, selbst nicht bei den kriechenden 870 Gesammtsitzung Arten. Gekreuzte Blattpaare (2.2.4) kommen als durchgän- gige Anordnung nur bei Asarina, als vorherrschende gleichfalls nur selten, z. B. bei Galvezia Limensis, Cymbalaria hepaticifolia, Chaenorrh. origanifolium und crassifolium, Linaria reflexa (hier mit 3.3.6 wechselnd) vor, dagegen sind sie gewöhnlich als einleitende Blattstellung am Grunde der Sprosse, im weiteren Verlauf in spiralige Anordnung oder in mehrzählige Quirle übergehend. Das erstere findet auch bei Schweinfurthia pterosp. statt, ganz ähnlich wie bei zahlreichen anderen Antirrhineen, z. B. Antirrh. Orontium und Linaria (Microrrh.) minor, nach mehreren Paaren in °|, St. übergehend. "Zum Beleg über die Veränder- lichkeit der Blattstellung sobald sie über die Reihe der ge- wöhnlichen Verhältnisse ?|;, ®|;, °!;;... hinausgeht, mögen einige wenige Beispiele hier noch Raum finden. Antirrh. majus (die Gartenpflanze) zeigt spiralige Anordnungen nach ?|,;, ?]|,, 3|, 1, ?|s, quirlige mit alternirenden 2-, 3- oder 4zähligen Kreisen. Bei Linaria repens fand ich 3-, 4-, 5- und 6zählige alternirende Quirle, in der Inflorescenz ?|, St.; bei Z. purpurea 4-, 5-, 6- und 7zählige Quirle, an den Zweigen auch 2-und 3zählige, in der Inflorescenz °|ı3, *|ı , und ?|,, auch Paare mit ?|, Prosenthese, wodurch die Zeilen 2,4, 6, 10 erzeugt werden. L. vulgaris zeigte bei Untersuchung zahlreicher, theils kräftigerer, theils schwächlicherer Exemplare, so wie auch junger Pflanzen, fol- gende Verhältnisse: 1 1) Quirlstellungen: ec (Decussation, das Stellungsver- hältnifs der Cotyledonen und des darauf folgenden Blattpaares, wahrscheinlich auch am Anfang der Adventivsprosse aus dem 1. |» IE Be (nicht beobachtet, aber sicher zu erwarten), hypocotylen Stengelglied vorkommend), 2+ |: 2+'|; —, _—— 3 3 3+', 4+' AR DIRLE 2) Spiralstellungen: °|, (nicht beobachtet, aber wahrschein- lich an jungen Pflanzen und Adventivsprossen zu finden), °|s, us, "®loıs le» a1» lo» "Irı (einmal im Blüthenstand ge- sehen). Die Zusammenstellung nach den Zeilenordnungen zeigt den Zusammenhang dieser Verhältnisse deutlicher: »om 20. December 1866. 871 2.2.4. 2.2.4.6. 2.2.4.6.10. 2 DIN. TORTO! DRS Ol. RE ECT 2.3.5. 8.130. END oe BR UF an 6 33a A0l.IN 3.4.7. 3.4.7.11. 4.4.8. 4.9.9. 5.9.10. 92. 6.201018 Ebenso die Zusammenstellung nach Brüchen (hier dem kurzen Weg folgend), wenn man die Quirlstellungen so bezeichnet, dafs sie in der Gröfse der Divergenz als natürliche Mittelglieder zwischen den Spiralstellungen erscheinen: je |; - ?|s . ®|r lest ?|o . ?|\o . u . ®|; . 3] . ln ie | 16 * ®|2 1° In Beziehung auf Gestalt und Nervatur der Blätter schliefst sich Schweinfurthia durch Verschmälerung des Blattgrundes in einen deutlichen Blattstiel und zahlreichere, schief auslaufende Seitennerven an Antirrhinum, Chaenorrh. und Microrrhinum an, ebensowohl abweichend von Linaria (im engern Sinn) mit sitzenden Blättern und längslaufenden basilaren Seitennerven, als von Asarina und Cymbalaria mit langgestielten Blättern und in die breite handförmig gelappte Fläche strahlig auslaufen- den und sehr eigenthümlich verzweigten Nerven. Bei der nachfolgenden Beschreibung von Schweinf. ptero- sperma hatte ich den Vortheil, nicht blofs zahlreiche Exemplare in verschiedenen Altersstadien, sondern auch die nach der frischen Pflanze gemachten Aufzeichnungen im Reise-Tagebuch von Ehrenberg und Hemprich, desgleichen von Dr. Schweinfurth 872 Gesammtsitzung nach dem Leben entworfene und auf der beigegebenen Tafel benutzte Zeichnungen vergleichen zu können. Schweinfurthia n. gen. Calyx quinquepartitus, segmentis (sepalis)latiuseulis, superiore (postico) reliquis longiore et latiore, symptyxi descendendo vel quin- cunecialiter imbricatis. Corolla tubo amplo, antice ventricoso et prope basin subsaccato, non calcarato; limbo bilabiato, labio superiore porrecto, apice bilobo et margine demum reflexo, labio inferiore reflexo, trilobo, lobo medio lateralibus angustiore, palato amplo fornieibus duobus faucem claudente. Stamina fertilia 4 didynama, adscendentia et apieibus convergentia, filamentis basi glanduloso-pilosis, antheris bilocularibus, loculis sub anthesi di- vergentibus, post anthesin divaricatis. Staminis postiei rudi- mentum minimum, capitellatum. Stylus antrorsum curvatus; stigma minutum postice productum. Capsula globosa, fragilis, bilocularis, loeulo superiore breviore angustiore oligospermo vel omnino vacuo semper clauso, inferiore longiore et latiore amplo et ventricoso polyspermo versus basin foramine valvulis vel potius laciniis irregularibus eineto dehiscente. Semina obconica, utringue truncata, longitudinaliter alato-costata. — Herbae in arenosis Africae borealis et Asiae occidentalis vigentes, annuae vel perennes(?), glabriusculae, erectae vel procumbentes, foliis ordine spirali alternis, ovatis, oblongis vel suborbieulatis, in pe- tiolum attenuatis; floribus ex axillis foliorum frondosorum ortis; pedunculis plus minus elongatis, ex axilla folii declinatis, subflexuosis, fructiferis cernuis. Ab. Antirrhino differt fructus loculis contrario modo in- aequalibus, debiscentia singulari, seminibus alato-costatis, sepali postici magnitudine, symptyxi calycis, nec non pedunculorum gracilitate et directione; a C'haenorrhino insuper calcaris defectu. 1. $. pterosperma A. Br. in Sitzungs-Ber. d. Ges. naturf. Freunde v. 20. Nov. 1866 S. 24. Annua, erecta, repetito-ramosa, ramis erecto-patentibus; folia in petiolum lamina vix breviorem attenuata, obtusa, infima ovata, superiora oblonga vel anguste spathulata; pedunculi graciles, folio paulo breviores, calyce triplo-quintuplo longiores; vom 20. December 1866. 873 corolla calyce triplo fere longior; capsula pallida magnitudine pisi, calycem duplo fere exsuperans. Orontium Arabicum Ehrenb. et Hempr. ms.! (1825); An- tirrhinum? pterospermum Rich. tent. Flor. Abyss. H. p. 115 (1851). Hab. in Arabiae valle Wadi Djara in arenis prope aquam (Ehrenb. et Hempr. Febr. 18251); in peninsula Aden (Wichura 18621); in maris rubri litore Adyssinico prope Massauam (Ehrenb. et Hempr. Jul. 1825) et in regione arenaria Schohos dieta (Quartin Dillon et Petit); in litore Nubico prope Suakin ad montem Uaratab (Schweinfurth Jun. 1864!), prope stagnum pluviale „„Fula” dietum solo subsalso et in arvis arenosis vallis Wadi Tereb Aria inter Suakin et Berber (id. Febr. et Mart. 18661). Herba annua habitu Linariae (Microrrh.) minoris, sed omni parte validior et plerumque ramosior, ramorum comam den- siorem et magis fastigiatam formans, nonnisi prima juventute pilis nonnullis minimis hyalinis irregulariter curvatis 2—3 cellu- laribus adspersa, aetate proveetior omnino glabrescens, foliorum consistentia carnosula insignis. Planta juvenilis digiti longitu- dinem vix excedens flores evolvere incipit, ex axillis omnium foliorum frondosorum, foliis primordialibus, qui cotyledones se- quuntur, 2—3 exceptis, prodeuntes. Rami vegetativi caule primario similes ex axillis foliorum primordialium, nec non accessoria prolificatione ex axillis foliorum floriferorum infra florem singuli vel bini nascuntur et cito increscunt. Florum inferiorum fructus dum maturantur, e superioribus plantae sen- sim ad altitudinem pedalem, imo fere bipedalem, increscentis partibus novi flores successive evolvuntur, caulis et ramorum plantae adultae apieibus foliorum frondosorum diminutione et prolis accessoriae suppressione adspeetum laxe racemosum demum induentibus. Radix perpendicularis, saepius flexuosa, ad longitu- dinem pedalem et ultra increscens, superne ramos nonnullos horizontales emittens. Caulis inferne in exemplis vetustis valde (ad diam. 8— 10 mm.) incrassatus, superne cito decres- cens (usque ad l mm. diam.), caeterum teres, colore folio- rum, sed pallidior. Folia primordialia 2 vel 4 opposita, inter se et cum cotyledonibus decussata, reliqua spiraliter ad °|, disposita, remotiuscula. Cotyledones in plantis junio- [1866.] 61 874 Gesammtsitzung ribus, sed jam florentibus, adhuc persistentes, prole carentes, foliis insequentibus similes, sed minores, 12—15 mm. longae, petiolatae, rhombeo-ovatae. Quae insequuntur folia e. 30 mm. longa, petiolo Jaminam ovatam, ad 12 mm. latam, obtusiusculam aequante. Folia superiora magis magisque angustata, basi an- guste cuneata et brevius petiolata evadunt, ramorum ultimorum 3—10 mm. longa, 1'/,—2 mm. lata. Nervi propter foliorum