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MONATSBERICHTE

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

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ZU BERLIN.

Aus dem Jahre 1877.

Mit 27 Tafeln.

BERLIN 1878.

BUCH DRÜCKEREI DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. UNIVERSITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’s VERLAGS-BUCHHANDLUNG.

HARRWITZ CND G088MANN.

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MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

Januar 1877.

Mit 1 Tafel.

BERLIN 1877.

BUCHDRUCKEREI DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. UNIVER8ITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAQS-BüCHHANDLUNG. HARRWITZ UND GOSSMANN.

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MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

Januar 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Mommsen.

8. Januar. Sitzung der philosophisch -historischen Klasse.

Hr. Bruns las über ein römisch -syrisches Rechtshuch aus dem 5. Jahrh. n. Chr.

11. Januar. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Lepsius las über die ägyptischen Ellen- Mafsstäbe mit Vergleichung der Persischen, Assyrischen und alt- babylonischen Ellensysteme.

[1877]

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Gesammtsitzung

Hr. du Bois-Reymond legte folgende Mittheilung von Hrn. Prof. Franz Boll in Rom, vom 11. Jan. d. J., vor.

Zur Physiologie des Sehens und der Farben- empfindung.

An Fröschen angestellte Versuche über die Farbe der Retina*) und ihre Veränderung durch weisses und farbiges Licht haben folgende Resultate ergeben:

I. Vollkommene Dunkelheit.

Die Farbe der in der absoluten Dunkelheit verweilten Retina ist „roth“ (nicht purpurroth, wie ich sie in meiner ersten Mitthei- lung genannt habe) und entspricht genau dem in Fig. La. wieder- gegebenen Farbenton. Ich nenne diese Farbe die Grundfarbe der Retina oder das „Sehroth“. Betrachtet man mit dem Mikroskop (Hartnack’s Linse VII alter Construction, ohne Deckglas) das Mo- saik der Stäbchenschicht (Fig. 4.), so zeigt die überwiegende Mehr- zahl der Stäbchen denselben „rothen“ Farbenton (Fig. La.), welcher für die ganze Retina charakteristisch ist. Zwischen diesen rothen erscheinen vereinzelte Stäbchen in sehr blasser grünlicher Farbe.

') Ich habe zwar in meiner ersten Mittheilung „Zur Anatomie und Physiologie der Retina“ (diese Berichte, 1876, S. 783.) verschiedene frühere Beobachtungen über rothe Färbung von Retinaelementen bei Wirbellosen er- wähnt. Es war mir aber entgangen, dass Hr. Leydig schon vor fast einem viertel Jahrhundert die rothe Farbe der Retina auch bei Fröschen und an- deren Amphibien beobachtet hat, wie ihm denn auch der Atlasschimmer der absterbenden Froschnetzhaut nicht entgangen ist. Seine Beobachtungen ste- hen in Mül 1er ’s Archiv für Anatomie und Physiologie, 1853, S. 8; in seinem , Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere“ (Frankfurt a. M., 1857. S. 238 u. 250) und in seiner Schrift „das Auge der Gliederthiere.“ (Tübingen 1864 S. 23). Dass dieselben so wenig Aufsehen gemacht haben und für die Lehre vom Sehen fruchtlos blieben, erklärt sich daraus, dass erstens Hr. Leydig die rothe Farbe der Retina nicht als allgemeines Attri- I but derselben erkannt, sondern darin mehr eine Besonderheit gewisser Netz- 1 häute zu beschreiben geglaubt hat, wie auch die gefärbten Öltröpfchen in der Retina anderer Thiere sie darstellen, und dass zweitens ihm die Bezie- hung des rothen Pigmentes zur Belichtung der Retina vollständig entgan- j gen ist. P

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vom 11. Januar 1877.

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Verfolgt man unter dem Mikroskop das Abblassen der Retina, so siebt man dass die rothen Stäbchen in dem Maasse als ihre Farbe schwächer wird einen deutlich gelbrothen und zuletzt fast ganz gel- ben Farbenton annebmen, der in Fig. l.b. dargestellt ist.

II. Weisses Sonnenlicht.

Die Retina erscheint nach längerer Einwirkung der Sonnen- strahlen oder hellen diffusen Tageslichts vollkommen farblos. Un- ter dem Mikroskop erscheinen alle Stäbchen ganz gleichmäfsig farb- los und durchsichtig.

III. Farbiges Licht.

Um den Einfluss des farbigen Lichts auf die Retina zu unter- suchen, wurden die Frösche in verschiedenfarbigen Glaskästen auf- bewahrt, welche dem Tageslichte und der Sonne möglichst ausge- setzt waren. In der Zeit, in welcher diese Versuche angestellt wurden (Monat December 1876), waren graue Wolken und dunkle Tage selten, ebenso selten aber auch länger anhaltender Sonnen- schein. Die Tage w^aren fast alle von der durchschnittlichen Hellig- keit des weissen Wolkenlichts, und sind daher die nun folgenden Versuche ausschliesslich als bei einer mittleren Lichtintensität an- gestellt zu betrachten.

1. Rothes Licht.

Das zu diesen Versuchen dienende Glas (mit Kupferoxydul gefärbtes Uberfangglas) absorbirt das äusserste Roth bis B, lässt das Roth und Orange von B bis D hindurch und absorbirt voll- ständig das Gelb, Grün, Blau und Violett von D bis G~^).

Makroskopisch erscheint die Grundfarbe der Retina unverän- dert. Unter dem Mikroskop (Vgl. Fig. 5.) verhalten sich die rothen

0 Diese sowie die noch folgenden Bestimmungen der Chromasie der farbigen Gläser hat mein College Prof. Blaser na angestellt, dem ich dafür hier meinen herzlichen Dank sage; ebenso wie dem Hrn. L. Sussmann- Hellbo rn aus Berlin, der die Freundlichkeit hatte, mir bei meinen Ver- suchen zu assistiren und nach Feststellung der beobachteten Farbennuancen die Tafel anzufertigen, die dieser Mittheilung beigegeben ist.

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Gesammtsitzung

Stäbchen wie die der ini Dunkeln aufbewalirten Retina, blassen auch ganz in derselben Weise zu Gelb ab. Dagegen zeigen die zwischen den rotben vertbeilten grünen Stäbchen eine sehr viel lebhaftere Farbe als die grünen Stäbchen der ini Dunkeln gehalte- nen Retina.

2. Gelbes Licht.

Das gelbe Glas absorbirt vom äussersten Roth bis 6', lässt von dort ab das Roth, Orange, Gelb und Gelbgrün bis zu E hin- durch und absorbirt dann alles übrige Grün, Flau und Violett bis zum Ende des Spectrunjs.

Makroskopisch und mikroskopisch verhält sich die dem gel- ben Lichte ausgesetzte Retina so wie die Retina nach Einwirkung des rotben Lichts.

8. Grünes Licht.

Das grüne Glas absorbirt vollkommen das Roth und (Jrange bis />, lässt Gelb und Grün von 1) bis h hindurch, absorbirt grösstentheils das Dunkelgrün von h bis F und vollständig den Rest des Spectrums von F ab.

Makroskopisch erscheint die Grundfarbe der Retina in das in Fig. 2. wiedergegebene „Purpurroth“ abgeändert. In derselben Farbe erscheinen unter dem Mikroskop die rotben Stäbchen; beim Abblassen gehen sie in eine schöne Rosafarbe über. Die grünen Stäbchen zeigen denselben lebhaften Farbenton wie nach der Ein- wirkung des rotben und gelben Lichts. Ihre Anzahl erscheint ver- glichen mit denen der in der Dunkelheit und im rotben und gel- ben Lichte verweilten Retina nicht unerheblich vermehrt. (Vgl. Fig. 6.).

4. Blaues und violettes Licht.

Das blaue Glas absorbirt fast vollständig das Roth und Orange bis />, lässt die gelben und gelbgrünen Strahlen von D bis F passiren, absorbirt dann wieder ziemlich vollständig das Grün von E bis b und lässt von dort ab das Hlau und Violett vollständig hindurch.

Makroskopisch erscheint die Grundfarbe der Retina in ein schmutziges „Violett“ (Fig. 3.a.) verändert. Das numerische Ver-

vom 11. Januar 1877.

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hältniss der rothen und grünen Stäbchen ist wie nach der Ein- wirkung des grünen Lichts. Die letzteren erscheinen eigenthüm- lich schmutzig grün gefärbt, und bedingt allein ihre Anwesenheit und Farbe die Trübung der violetten Farbe der Retina: denn unter dem Mikroskop (Fig. 7.) erscheint die Mehrzahl der Stäb- chen in einer vollkommen klaren bläulich-rothen Farbe, welche beim Abblassen in ein deutliches helles Violett (Fig. 3.b.) übergeht.

Es verdient hervorgehoben zu werden, dass alle diese für die verschiedenen Lichtarten charakteristischen Farbenveränderungen sich in den Versuchen mit einer ganz ausserordentlichen Constanz wiederholten, sodass ich bald dahin gelangt war, aus der objectiven Untersuchung der Retina mit Sicherheit diagnosticiren zu können, ob sie dem blauen oder dem grünen oder dem rothen (oder gelben) Lichte ausgesetzt gewesen war. Eben diese grosse Constanz der Resultate ist es, die mich veranlasst sie schon jetzt zu veröffent- lichen, ohne erst ihre Bestätigung durch eine zweite mit wirklich monochromatischen Lichtern angestellte Versuchsreihe abzuwarten. Eine solche bin ich eben zu beginnen im Begriff; ausserdem will ich ausser der bisher allein studirten mittleren Helligkeit der ver- schiedenen Lichtarten auch die stärkeren Grade versuchen und die Veränderungen feststellen, welche bei möglichst intensiver Einwir- kung einfarbigen Lichts (also bei monochromatischer Blendung) in der Stäbchenschicht hervorgebracht werden.

Einer direkten Verwerthung der bisher gewonnenen Resultate für eine Theorie des Sehens und der Farbenempfindung stehen vordei’hand noch sehr grosse Schwierigkeiten entgegen. Eine der nächsten Fragen, die sich hier erhebt, ist die nach der Bedeutung der grünen Stäbchen. Soll man in der Retina des Frosches wirk- lich zwei morphologisch und functioneil verschiedene Stäbchenarten, die Majorität der rothen und die Minorität der grünen unterschei- den? Oder soll man nicht vielmehr die fundamentale Identität aller Stäbchen der Retina annehmen und die rothen und grünen Stäbchen nur als verschiedene durch wechselnde physiologische Zustände bedingte Erscheinungsformen gleichartiger Elemente be- trachten? Für die letztere Alternative würde der Umstand sprechen

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Gesammtnitzung

dass in der dem weissen Sonnenlichte ausgesetzt gewesenen Re- tina kein Unterschied zwisclien den Stäbchen nachweisbar und also nur eine einzige Kategorie dieser Elemente vorhanden ist. Auch würden für dieselbe Ansicht die oben mifgetheilten Beob- achtungen von der Vermehrung der grünen Stäbchen durch das grüne und blaue Licht anzuführen sein. Leider aber muss bekannt werden, dass gerade diese letzteren Beobachtungen noch nicht als absolut sichergestellt zu betrachten sind. Es ist nämlich aus man- chen Gründen sehr wahrscheinlich, dass das Verhältniss der grünen zu den rothen Stäbchen in jeder einzelnen' Retina kein constantes, sondern ein in den verschiedenen Regionen der Retina, im Centrum und in der peripheren Zone verschiedenes ist. Dieses aber einmal angenommen, wird es sofort eine sehr missliche Aufgabe, zwei Netzhäute in Bezug auf ihren relativen Reichthum an grünen Stäb- chen mit einander zu vergleichen, und ich wage daher nur unter grosser Reserve mich für die übjectivität der oben mitgetheilten Beobachtungen über die Vermehrung der grünen Stäbchen im grü- nen und blauen Lichte auszusprechen.

So lange aber die Bedeutung der grünen Stäbchen nicht auf- geklärt ist, ja so lange man nicht einmal weiss, ob sie nur den Amphibien oder auch den höheren und höchsten Wirbelthieren, den Säugethieren und namentlich dem Menschen zukommen, wird es sehr schwer sein, die oben mitgetheilten Resultate für eine Theo- rie der Farbenempfindung zu verwerthen. Die nächste Aufgabe auf diesem Gebiete muss die sein, eine gleiche Untersuchungsreihe wie die am Frosche unternommene bei einem Thicre durchzuführen, dessen Retina der des .Menschen möglichst nahe steht, also bei einem Affen. Vielleicht gelangt man dort zu solchen Befunden, welche zu den durch subjective Beobachtung festgestellten That- sachen über die Farbenempfindung in der menschlichen Retina in einer einfachen Beziehung stehen. Aus dieser Übereinstimmung würde dann eine wirklich gesicherte Theorie der Farbenempfindung abzuleiten sein.

Für jetzt lassen sich nur folgende Sätze als feststehend be- trachten :

Die Strahlen verschiedener Wellenlänge wirken auf die Re- tina in verschiedener Weise. Gar nicht verändert wird die rothe Farbe der Retina durch das Licht grösster Wellenlänge (Roth, Gelb). Eine ausgesprochene Veränderung der Grundfarbe erfolgt

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vom 11. Januar 1877.

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bereits durch die Strahlen aus der Mitte des Spectrums (Grün); die stärkste Veränderung^) wird endlich hervorgebracht durch das Licht kleinster Wellenlänge (Blau und Violett) vom äussersten Ende des Spectrums. Vermuthlich sind diese drei Farbenkategorien identisch mit den durch die Theorie von Young-Helmholtz postulirten drei Grundfarben.

Auf diese Beobachtungen eine Theorie der Farbenempfindung zu gründen ist zur Zeit noch unmöglich, doch mag bereits hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein grosser Theil der beobachteten Thatsachen sich unter den Gesichtspunkt unterordnen lässt:

„Dass durch die Einwirkung der verschiedenen Farben inner- halb der Stäbchenschicht der Retina, also in einem Theile des Nervensystems, objective Farben Veränderungen hervorgebracht wer- den, welche identisch sind mit dem Inhalte der durch sie er- zeugten Empfindungen und subjectiven Vorstellungen.“

Sollte es gelingen, diese Auffassung für die Theorie der Farben- empfindung wirklich vollständig durchzuführen, so würde daraus ganz unmittelbar eine vollkommen neue Lösung der uralten Frage über die Realität des Inhaltes unserer sinnlichen Erkenntniss her- vorgehen.

D In der Thatsache, dass die grünen Strahlen nur eine geringe, die blauen und violetten aber eine sehr viel stärkere Abänderung der Grund- farbe der Retina bedingen, ist (die Identität dieser Verhältnisse beim Men- schen vorausgesetzt) vielleicht die Erklärung enthalten, weshalb die grosse Mehr- zahl der Farbenblinde.n gerade Roth und Grün nicht unterscheiden können, während Roth und Blau nur von sehr wenigen Farbenblinden verwechselt werden; dieser letztere (höhere) Grad der Farbcnblindheit scheint übrigens stets die Roth-Grünblindheit als geringeren Grad einzuschliessen.

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Gesammtsitzung

Die folgenden kritischen Bemerkungen des Ilrn. Riefs zu dem Gutachten der Akademie vom 14. December 1876 kamen zur Verlesung.

Über den Blitzschlag auf das Sc hui haus in Elmshorn am 20. April 1 87 6.

Dem akademischen Gutachten über diesen Blitzschlag liegt die Meinung zu Grunde, dass die Beschädigung des Schulhauses von Elmshorn durch den Blitz „durch die ungenügende Ablei- tung der Elektricität zur Erde“, „durch die zu kleinen Dimensionen der Metallplatte ira Brunnen“ verschuldet sei. Dieser Meinung kann ich nicht zustimmen. Aus folgenden Grün- den. Die Meinung soll durch eine theoretische Betrachtung be- gründet werden, in welcher behauptet wird, dass ein an 2 Stellen durch den Blitz geschmelzter Ableiter während der Dauer dieses Blitzes ebenso wirke, als ob er unversehrt geblieben wäre. Nach den von Van Mar um an der leydener Batterie angestellten Ver- suchen (Abh. d. Akad. 1845, S. 125) zu urtheilen, ist Dies sehr unwahrscheinlich. Ferner aber werden in der Betrachtung Gesetze auf den Blitz angewendet, die für schwache Ströme von künst- licher Elektricität gefunden worden sind. Dies erweckt gewichtige Bedenken, die endgültig nur gehoben oder bestätigt werden kön- nen durch Erfahrungen bei frühem Blitzschlägen. Um diese zu finden, habe ich das neueste Verzeichniss von Blitzschlägen durch- gesehn. (Duprez Statistique des coups de foudre etc. Extrait du tome 31 des meinoires de l’acad. roy. de Belgique. Bruxelles 1859.) Ich habe zwar nur fünf Fälle gefunden, die dem Blitzschläge in Elmshorn ähnlich sind, die aber genügen die Frage endgültig zu entscheiden, ob man die bekannten Gesetze der Elektricitäts- Leitung auf den Blitz anwenden darf. Es ist nämlich in diesen Fällen keine Rede von einer Metallplatte, die an dem Fusse des Blitzleiters angebracht wäre, es w'ird nur gesagt: der Ableiter tauchte unten in einen Brunnen, oder, er endigte in einem Brun- nen. Es war also die metallene Leitstange mit demselben Quer- schnitte, den sie an der Mauer des Gebäudes hatte, in den Brun- nen geführt worden.

Die theoretische Betrachtung des akadem. Gutachtens nimmt die Grösse der Metallplatte am Fusse des Blitzleiters im Brunnen

vom 11. Januar 1877.

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von Elmshorn zu 1 Quadratmeter an und schätzt danach, dass der flüssige Theil des Blitzleiters (das Wasser im Brunnen) dem Blitze einen Widerstand entgegengesetzt habe, der sich zu dem des me- tallenen Theil s desselben wie 20 zu 1 verhalte. In diesem Falle wurde am Blitzleiter eine Oberfläche von 2 Quadratmetern vom Was- ser bespült. Von den erwähnten 5 Blitzschlägen kann nur bei Einem (auf das strassburger Münster) die bespülte Oberfläche des Blitzleiters angegeben werden. Sie betrug ^ Quadratmeter oder ^ der Oberfläche in Elmshorn. In den übrigen Fällen war, vielleicht mit Ausnahme des unten erwähnten vierten Falles, die bespülte Oberfläche vermuthlich noch erheblich kleiner, als am Münster.

In allen fünf Fällen würden, nach den Erfahrungen an schwa- chen elektrischen Strömen, dem flüssigen Leiter Widerstände zuge- schrieben werden, die weit über den Werth 20 hinausgehn, in wel- chem das akad. Gutachten den Hauptgrund des Abspringens des Blitzes in Elmshorn sieht. In allen fünf Fällen müsste also der volle Blitz den Ableiter verlassen haben und in das Innere des Gebäudes eingedrungen sein, das geschützt werden sollte, wobei schwere Beschädigungen nicht ausbleiben konnten. Nicht in einem einzigen Falle sind solche Beschädigungen einge- treten. Bei drei Blitzschlägen sind gar keine Beschädigungen vorgekommen (Duprez Stat. pp. 35. 42. 45). Bei dem vierten Avurden 2 Flolzlatten von dem Boden des Brunnens in die Höhe geschleudert, ein kleines Fenster seiner Glasscheiben beraubt (p. 39), im fünften Falle endlich sprang ein Theil des Blitzes vom Ablei- ter zu einer 70 Schritt entfernten Kaserne, wo er leichten Schaden (quelque leger dommage) anrichtete (p. 41).

Es ist evident, dass im akad. Gutachten der Widerstand des Wassers im Brunnen zu Elmshorn viel zu hoch angesetzt ist. Die danach beurtheilten Widerstände bei den fünf Blitzschlägen stehn in grellem Widerspruche mit den beobachteten Wirkungen des Blitzes. Es ist dadurch bewiesen, dass bei der Schätzung ira akad. Gutachten Gesetze auf den Blitz angewendet worden sind, die bei ihm keine Geltung haben. Die Ungültigkeit dieser Gesetze ist nicht befremdlich und konnte vorausgesehn werden. Vor 21 Jahren sind von mir Versuche mit Maschinen-Elektricität veröffent- licht worden, die den ausgesprochenen Zweck hatten „zu zeigen, „dass die Gränzen, innerhalb welclier die überaus nützlichen Ge- „setze der elektrischen Leitung gelten, leicht zu überschreiten sind

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Gesammtsitzung

„und die iiötliige Vorsielit l»ei der Anweiidiuig dieser (lesetze zu empl’ehlen“. (Ak. Bericlite 1850 8. 241; Poggd. Ami. 98. 571.) Bei jenen Versuchen war die elektrische Dichtigkeit constant ge- lassen, die Beschaffenheit des Leiters geändert und die Abweichung von den Leitungsgesetzen nachgewiesen worden. Selhstverständ- lich würde bei unverändertem Leiter die Steigerung der elektrischen Dichtigkeit eine gleiche Ahweicliuug vom normalen Verhalten her- vorgebracht haben. Bei der selir hohen Dichtigkeit der Elektrici- tät im Blitze verliert die gros.se L berschätzung des Widerstandes im Wasser, wie sie das akad. Gutachten zeigt, alles Auffällige.

Aus den vorstehenden Gründen habe ich mich von der Mei- nung des akad. Gutachtens abgewendet, und theile ich die .Meinung der drei frühem Gutachten, dass der Blitzschaden im Schulhause von Elmshorn hauptsächlich durcli die ungenügende und un- gleiche Dicke der metallenen Blitz leitung verursacht wor- den ist. Die trockene Metalleitung bedarf daselbst der Besse- rung; die Grösse der Platte im Brunnen, wie das akad. Gutachten vorschlägt, auf 5 (Quadratmeter zu bringen, halte ich für überflüssig.

Was den folgerechten Rath im akad. Gutachten betrifft, den Fuss Jedes Blitzleiters mit einer grossen Metallplatte zu versehen, so wäre es zw'eckmässig, ihn öfter auszuführen, damit Erfahrun- gen über seinen Nutzen gew'onnen würden. Dass jene Metallplatte kein nothwendiges Requisit eines wirksamen Blitzleiters ist, hat die Erfahrung eines Jahrhunderts gezeigt, und die Thatsadie, dass 2 Blitzleiter in 3 Fällen vollkommenen Schutz gewährt haben, ob- gleich, auf Reimarus Rath, an die Stelle der Platte ilir entschie- denster Gegensatz, eine Spitze gesetzt war (Duprez Statistique pp. 32. 32. 35).

Zwei Vorschläge im akad. Gutachten scheinen mir unbedingt gut zu sein: statt des in letzter Zeit beliebten Kupfers zu Blitz- leitern an Gebäuden Eisen zu verwenden, wie es früher geschah und, wo es angeht, die .\bleiter mit den Eisenröhren grosser Gas- und Wasserleitungen in Verbindung zu setzen. Beide Vorschläge stehn im Gutachten am rechten Platze; nur konnte erwähnt wer- den, dass sie bereits vor 11 Jahren ausgeführt worden sind am Stadthause von Brüssel, auf das 1863 der Blitz gefallen war (Comptes rendus d. l’ac. d. Sc. Gl. 84).

vom 11. Janimr 1877.

1]

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Revue scientifique de la France et de V etranger. N. 26. 27. Dec. 1876. Pa- ris. 4.

Archiv für vaterländische Geschichte und Topografie. Herausgegehen von dem Geschichtvereine für Kärnten, 13. Jahrg. Klagenfurt 1876. 8.

Polyhiblion. Part. litt. 2. Ser. T. IV. Livr. 6. Part, techn. 2. Ser. T. III. Livr. 12. Dec. Paris 1876. 8.

Memoires de la Societe des Sciences physiques et naturelles de Bordeaux.

2. Ser. T. I. Cah. 3. Paris & Bordeaux 1876. 8.

The American Journal of Science and arts. 3. Ser. Vol. XII. N. 72. New Haven 1876. 8.

Bulletin de la Societe de geographie. Novembre 1876. Paris 1876. 8.

J. V. Liebig, Die Chemie in ihrer Anivendting auf Agricultur und Physio- logie. 9. Aufl. herausgeg. von Dr. Ph. Zoller. Abth. 1. 2. 3. Braun- schweig 1875. 8. Mit Begleitschreiben.

R. Sturm, On correlative Pencils. Extr. 8.

Mittheilungen des Deutschen Archäologischen Institutes in Athen. 1. Jahrg.

3. Heft. Athen 1876. 8.

Societe entomologique de Belgique. Ser. II. N. 32. Bruxelles 1876. 8. Bulletin de T Acadeniie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. T. XXII.

(Feuilles 21 31.) St. Petersboui’g 1876. 4.

El Porvenir periödico cientifico de avisos y noticias. Ano I. Num. 3. Bar- celona 1876. 8.

Ch. Luerssen, Grundzüge der Botanik. Leipzig 1877. 8. Vom Verf.

The American Ephemeris and Nautical Almanach for 1879. Washington 1876. 8.

H. A. Howe, Catalogue of 50 new double stars. Cincinnati 1876. 8,

Mit Begleitschreiben.

Proceedings of the Academy of natural Sciences of Philadelphia. Part I. H. III. 1875. Philadelphia 1875/76. 8.

Proceedings of the American philosophical Society held at Philadelphia. Vol.

XVI. N. 97. January to June 1876. 8.

St. Siennicki, Quelques mots pour servir a Thistoire des cimetieres musel- mans et des mosquees Tartares. Varsovie 1876. 4.

O. Heer, Über Permische Pflanzen von Fünfkirchen in Ungarn. Budapest 1876. 8.

Statistique internationale des grandes villes. le. Section. Mouvement de la population. T. I. Redige pur J. Körüsi. Budapest 1876. 4. Mit

Begleitschreiben,

12

Gesammtsitzung

Jieports of fhe Superintendent of the U. S. Coast Survey for the years 1869. j 1870. 1871. 1872. 1873. Washington 1872 1875. 4. Mit Begleit- 1

schreiben. |

Annales Je chimie et Je physüpte. 5e. Ser. Dec. 1876. T. IX. Paris 1876. 4. |

P. Gervais, Journal Je Zoologie. T. V. Nuniero 5. ih. eod. 8. |

Proceedings of the literary and philosophical Society of Manchester. VoI.XIII. | XIV. XV. Session 1873—1876. Manchestej 1874—1876. 8. Mit Be- i

gleitschreiben.

Memoirs 3. Series. Vol. V. London 1876. 8.

Catalogue of the hooks in the library of the Manchester litt, and phil. Society.

Manchester 1875. 8. ^

Memoirs of the Museum of comparative Zoölngy, at Harvard College. Vol. N. 10. {J. A. Allen, The American Bisons.) Cambridge 1876. 4.

B. Boncompagni, Bullettino. Tonio IX. Settenibre 1876. Roma 1876. 4. '

Report of the U. States geological Survey of the Territories F. V. Hayden. ' Vol. IX. X. Washington 1876. 4. Mit Begleitschreiben. I

F. W. Hayden, Catalogue of the publications of the U. States geological ' Survey. ib. 1874. 8.

Th. Graham, Chemical and physicul researches. Edinburgh 1876. 8.

Vom Heransgeber Dr. R. A. Smith.

E. Geny, Principes de la mecanigue moleculaire. Nice 1876. 8.

R. Owen, Description of the fossil reptilia of South Africa. Vol. I. Te.\t.

Vol. II. Plates. London 1876. 4. Vom vorgeordneten K. .Ministerium.

Mittheilnngen aus dem naturwissenschaftlichen Vereine von Neu-Vorpommern und Rügen. Jahrg. 8. Berlin 1876. 8.

Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 52. Heft 2. Görlitz 1876. 8.

Statistik der Preuss. Schwurgerichte für die Jahre 1874. 1875. Berlin 1876.

4. 2 PI.x. Von dem Hrn. Justiz-Minister Leonhardt.

Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd. 6. Jahrg. 1874. Heft 1. 2.3. Berlin 1876. 8.

vom 18. Januar 1877.

13

18. Januar. Gesammtsitziing der Akademie.

Hr. Herclier las: Zur Textkritik der Verwandlungen des Antoninus Liberalis.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Norges officielle Statistik. Udgiven i Aaret 1875. 1876. Christiania. 20 Voll. 4.

Gar ein de Tassy, La langue et la litterature hindoustanies en 1876. Revue annuelle. Paris 1876. 8.

Revue archeologigue. Nouv. Serie. 17. Annee. XII. Dec. 1876. 8.

Nachrichten von der K. Gesellschaß der Wissenschaßen und G. A. Universi- tät zu Göttingen aus dem Jahre 1876. N. 1 23. Göttingen 1876. 8.

Societe entomologique de Beigigue. Serie II. N. 33. Bruxelles 1876. 8.

Monthly Notices. of the R. astronomical Society. Vol. XXXVII. N. 2. Dec. 1876. 8.

Ephemeris epigraphica corporis inscriptionum Latinarum supplementum. Vol. III. Fase. 2. Romae 1877. 8.

S. C. Snellen van Vollenhoven, Pinacographia. Part. 4. Aft. 4. ’s Gra- venhage 1876. Mit Begleitschreiben der K. Niederländ. Gesandtschaft hierselbst.

22. Januar. Sitzung der physikalisch -mathemati- schen Klasse.

Hr. Roth las: Studien am Monte Somma.

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Öffentliche Sitzung

25. Januiir. Ölfentliclie Sitzung der Akademie zur Feier des Jahrestages Friedricli’s 11.

Der an diesem Tage versitzende Sekretär, Ilr. Mommsen, eröft'nete die Sitzung mit einer Rede über Friedrich den Grossen und dessen Verliältniss zu dem Fürstbischof von Breslau, Kardinal Philipp Z i n z e n d o r f.

Darauf berichtete Derselbe über die seit dem letzten Frie- drichstage eingetretenen Veränderungen des Personalstandes der Akademie, über die verstorbenen Mitglieder sowohl, wie über die neuen Ernennungen.

Sodann verlas Ilr. du Bois-Rey mond, als Vorsitzender des Curatoriums der Humboldt- Stiftung, folgenden Bericht:

Das Curatorium der Humboldt-Stiftung für Naturforschung und Reisen erstattet statutenmässig Bericht über die Wirksamkeit der Stiftung im verflossenen Jahre.

Mit dem Ende dieses Jahres lief die vierjährige Wahlperiode der drei wählbaren Mitglieder des Curatoriums ab; dieselben wur- den durch statutenmässige Neuwahl seitens der Königlichen Aka- demie der Wissenschaften in ihren Ämtern bestätigt.

Einen schweren Verlust erlitt die Stiftung durch den Tod ihres letzten Reisenden. Dem Prof. Dr. Reinhold Buchholz war es nicht vergönnt, die Frucht seiner aufopfernden Thätigkeit zu ernten. Dem mörderischen Klima der westafrikanischen Küste glücklich entgangen, wie er früher dem fast sicheren Verderben im Polarmeer auf einer Eisscholle entrann, erlag er am 17. April v. J. uner- wartet den Folgen der bösartigen afrikanischen Fieber. Von den wissenschaftlichen Ergebnissen der Buchholz’schen Reise ist der die Wirbelthiere betreffende Theil von Ilrn. Peters, der die Mol-

vom 25. Januar 1877.

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lusken betreffende von Hrn. von Martens bearbeitet in den Mo- natsberichten der Akademie erschienen. Schon diese Mittheilungen zeugen von Prof. Buchholz’ grosser Umsicht als Sammler, seiner trefflichen Beobachtungsgabe und seinem unermüdlichen Fleisse. Dennoch waren es nicht Weich- und Wirbelthiere, welchen er vor- züglich seine Aufmerksamkeit zugewendet hatte, und es ist nicht genug zu beklagen, dass er die Arthropoden nicht selber hat be- arbeiten dürfen, die er besonders zu seinem Studium gemacht hatte. Es steht indess zu hoffen, dass wir diese Forschungen, wie auch Prof. Buchholz’ Tagebücher voller geographischer und ethnologi- scher Bemerkungen, von anderer Seite so gut veröffentlicht sehen werden, wie es ohne die lebendige Erinnerung des Reisenden mög- lich ist, welche auch die liebevollste und eindringendste Mühe nicht zu ersetzen vermag.

Aus den für das vorige Jahr verfügbaren, durch längere An- sammlung zu ansehnlicher Höhe angewachsenen Mitteln wurden diesmal zwei Reiseunternehmungen unterstützt.

Hr. J. M. Hildebrandt aus Düsseldorf, ursprünglich wissen- schaftlich gebildeter Gärtner, war schon seit fünf Jahren mit natur- geschichtlichen Sammlungen in verschiedenen Gegenden Ostafrika’s beschäftigt, und hatte viel Beweise seiner Energie, seiner Sach- kenntniss und seines ausserordentlichen Geschickes im Umgänge mit den gefährlichen Eingebornen jener Länder gegeben. Dieser Auf- enthalt war nur durch eine kurze Reise nach Berlin unterbrochen worden, wobei bekanntlich Hr. Hildebrandt ein lebendes Nilpferd herbrachte. Hier wurde das Unternehmen geplant, welchem nicht blos das Curatorium der Humboldt - Stiftung durch Gewäh- rung von Geldmitteln, sondern auch das Reichs -Kriegs -Ministe- rium durch Leihen von Waffen, ihre Hülfe gewährten: von Zan- zibar aus die noch unerforschten tropischen Schneegebirge des Ndur-Kenia und Kilima-Ndjaro, sowie die nördlich von letzterem liegenden hohen Vulkane naturgeschichtlich zu untersuchen. Schon im vorigen Sommer machte Hr. Hildebrandt zu diesem Zwecke den Versuch, von Lamu, einer kleinen Insel an der Mituküste, aus in’s Innere zu dringen. Zwischen den Somali- und Gala-Stämmen ausgebrochene Feindseligkeiten hinderten seinen Fortschritt, und in Mombassa, wohin er einstweilen sich zurückzog, befiel ihn ein hart- näckiges Fussübel, welches ihn zur Rückkehr nach Zanzibar nöthigte. Durch die Vermittelung des Kaiserlich deutschen Consuls, Hrn.

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Öffentliche Sitzung

Robert Seers, wurde Hr. Ilildebrandt in das im Hafen von Zanzibar stationirte Ilospitalscbiff der britischen Kriegsmarine «Lon- don“, Kapitän Sulivan, aufgenommen und mit grösster Zuvor- kommenheit drei Monate lang bis zu völliger Genesung dort ge- pflegt. Dem Kapitän Sulivan und den Schift'särzten Sedgwick und Bentham fühlt sich das Curatorium für diesen Act inter- nationaler Gastfreundschaft zu lebhaftem Danke verpflichtet. So konnte sich der Reisende erst Mitte October wieder mit der beab- sichtigten Expedition beschäftigen. Gegen Ende November langte er, mit Empfehlungen des Sultans von Zanzibar und des englischen Residenten daselbst versehen, wieder in Mombassa an, verständigte sich mit einem Karawanenführer und nahm die nöthigen Diener, so wie 40 schwarze Träger an, um die erforderlichen Tausch waaren, Papier zum Einlegen der Pflanzen, Instrumente u. d. m., mitführen zu können. Um seine Mannschaft einzuüben, machte er zuerst einen kleinen, aber anstrengenden Streifzug nach Duruma im Wa- nikalande, wo er die durch von der Decken bekannten Antimon- fundstätten besuchte und Proben von den dortigen Vorkommnis- sen für den Sultan von Zanzibar, sowie für 'das hiesige Museum sammelte.

Nach der letzten Nachricht aus Mombassa vom 10. December V. J. stand der Reisende im Begriff, besser ausgerüstet und unter glücklicheren Auspicien als das erstemal, mit seiner Karawane nach dem Lande Kikuyn aufzubrechen, wo der mächtige Gipfel des Ndur-Kenia ihn zieht.

Das andere Unternehmen der Humboldt- Stiftung führt uns nach dem südamerikanischen Continente, welcher einst der Schau- platz der grössten wissenschaftlichen Thaten Alexander’s von Humboldt selber war, und au dieselbe Stelle, von wo er und Bonpland ausgingen. Unter Humboldt’s Beobachtungen und Naturschilderungen giebt es kaum eine bekanntere, als die der elektrischen Aale (Gymnoten) und ihres Kampfes mit den Steppen- rossen in den Llanos von Venezuela. Humboldt hatte Europa verlassen, als der Streit zwischen Volta und Galvani und ihren Anhängern über die Deutung der von Galvani entdeckten That- sachen zu voller Höhe entbrannt war, und er selber hatte sich kurz zuvor in seinem Werk „Uber die gereizte Muskel- und Nervenfaser“ für das Dasein einer thierischen Elektricität ausgesprochen. Der Anblick der gewaltigen Zitteraale, deren Körper scheinbar aus je-

vom 25. Januar 1877.

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dem seiner Theile willkürlicli einen niederschmetternden Blitz ent- sandte, war daher für ihn vom hinreissendsten Interesse. Aber leider hatte er Europa etwas zu früh verlassen, um noch Nachricht von der Entdeckung der Säule durch Yolta zu ei’halten, welche über dies Gebiet wenigstens den ersten Schimmer von Helligkeit verbreitete, und so kam es, dass die damals von ihm angestellten Versuche, trotz allem darin entfalteten Eifer und Geschick, weder für die Lehre von den elektromotorischen Organen, noch für die nahe damit verwandte von den Nerven und Muskeln ausgiebige Frucht trugen.

Merkwürdigerweise sind seitdem drei Vierteljahrhunderte ver- flossen, ohne dass in Südamerika eine einzige Beobachtung am Zitteraal angestellt worden wäre, obschon diese Fische wiederholt nach Europa, besonders nach London gebracht wurden, woFara- day daran eine berühmte Versuchsreihe ausführte.

Mittlerweile hatte der Verkehr mit jenen Gegenden so sich ent- wickelt, und die am Gymnotus zu lösenden wissenschaftlichen Fra- gen waren so brennend geworden, dass der Gedanke, diese Fragen an Ort und Stelle zum Austrage zu bringen, schon seit längerer Zeit sehr nahe lag. Seiner Verwirklichung stand nichts entgegen als der Mangel an einer geeigneten Persönlichkeit.

Diese hat sich neuerlich in dem Dr. med. Hrn. Carl Sachs aus Berlin gefunden, der in histologischen und physiologischen Untersuchungsweisen' wohl bewandert, schon durch bedeutende Arbeiten in diesen Gebieten bekannt, sich gern bereit fand, die Gymuoten in ihrer Heimath aufzusuchen, und Humboldt’s eigent- lichste Jugendbestrebungen in den von ihm so malerisch geschil- derten Steppen wieder aufzunehmen.

Hr. Dr. Sachs hat sich mit einem möglichst vollständigen histologischen und elektrophysiologischen Apparat am 26. Septem- ber V. J. in Hamburg eingeschift't, ist am 21. October in La Guayra gelandet, und hat in Caracas bei dem Kaiserlich deutschen Geschäfts- träger und General -Consul, Hrn. Dr. Stamman, sowie bei dem Präsidenten der Republik, General Guzman Blanco, den zuvor- kommendsten Empfang gefunden. Nachdem er sich in Caracas mit den nöthigen Empfehlungsbriefen und Ausrüstungsgegenständen ver- sehen, hat er die Cordillere überschritten, und ist am 19. Novem- ber in Rastro, einem armseligen Dorf in der Steppe, eingetroffen, welches einst die Stätte von Humboldt’s eigenen Versuchen war, [1877]

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Öffentliche Sitzung vom 2ö. Januar 1877,

und wo ein reicher Grundbesitzer, Don Carlos Palacios, „El Rey de los Llanos“ genannt. Mrn. I)r. Sachs ein Haus zur Ver- fügung gestellt hatte. Hier aber fand sich Dr. Sachs in seinen Erwartungen schlimm getäuscht. Die Sumpfwasser in der Nähe des Dorfes, welche zu Humboldt’s Zeit von Gymnoten wimmelten, gaben nicht einen her, und hauchten um so gefährlichere Miasmen aus. Die Vorstellung, nach Humholdt’s Beschreibung Gymnoten zu fangen, indem man, um sie zu erschöpfen, erst Pferde oder Maulthiere von ihnen erschlagen lässt, wurde von allen Lianeros mit Gelächter aufgenommen, kein Wunder, da Dr. Sachs die Mula, die ihn von Caracas in die Steppe trug, mit 270 spanischen Thalern bezahlen musste.

Besser gestalteten sich die Verhältnisse im benachbarten Ca- labozo, einer ansehnlichen Stadt mit vielen Bequemlichkeiten, wo- hin sich Dr. Sachs nun begab. Der General G uancho Kodriguez nahm sich freundlich seiner an, und ritt mit ihm drei Stunden weit nach dem Rio Uritucu, einem von prächtigem Urwald umgebenen Flusse, in dessen schlammigen Gewässern das Verderben in viel- facher Gestalt lauert: denn er wimmelt von Alligatoren, gefrässigen Caraibenfischen (Pggocentrus), tückischen Stachelrochen (7ry(/on), und glücklicher Weise auch von Gymnoten. Gleich bei seiner Ankunft sah Dr. Sachs mit freudiger Erregung einen fast zwei Meter langen „Temblador“ dicht unter der Wasseroberfläche sich bewegen.

Seit jenem Tage bis zum Datum seines letzten Briefes, dem 7. Decernber fünf Tage lang ist Dr. Sachs in Calabozo in der rüstigsten Thätigkeit gewesen, welche ihm schon mehrere wich- tige Ergebnisse geliefert hat. Alles berechtigt zu der Hoffnung, dass, wenn die Gesundheit unseres Jungen Reisenden dem gefährlichen Klima widersteht, seine Ausbeute eine höchst werthvolle, und diese am meisten Humboldt’sche fast aller denkbaren Unternehmungen der H u mbol d t- Stiftung vom besten Erfolge gekrönt sein wird.

Das Capital der Stiftung erhielt im verflossenen .Jahre keinen Zuwachs durch Zuw'endungen. Die für das laufende .Jahr zu Stif- tungszwecken verw'endbare Summe beläuft sich ordnungsmässig ab- gerundet auf 20,400 M.

Endlich trug Hr. Bruns eine Abhandlung über die Unter- schriften in den römischen Rechtsurkunden vor.

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lii Ferd. Düniniler’s Verlagsbiichliandluug sind folgende akadeniisclie Abliandliingen aus den Jahrgängen 1873 bis 1876 er- schienen :

J. Friedlaendkr, Über einige römische Medailluns. 1873. Preis: 1 M.

Lipsciiitz, Beitrag zu der Theorie des Hauptaxen-Problems. 1873.

Preis: IM. 60 Pf.

Schott, Zur Uigiirenfrage. 1873. Preis: 1 M. 50 Pf.

Kühn, Über Entwicklungs.stufen der Mythenbildung. 1873. Preis: 1 M.

Kirchiioff & CiRTii'8, Über ein altatti.sches Grabdenkmal. 1873. 1 M.

Hagen, Messung des Widerstandes, den Planscheiben erfahren, wenn sie in normaler Kichtung gegen ihre Ebenen durch die Luft bewegt werden. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

F. Harms, Über den Begrift' der Psychologie. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

A. Kirciihoff, Über die Schrift vom Staate der Athener. 1874.

Preis: 2 M. 50 Pf.

F. Harms, Zur Reform der Logik. 1874. Preis: 2 M.

Haüpt, Marci Diaconi vita l’orphyrii Episcopi Gazensis. 1874. Preis: 1 M.

G. Hirs< UFELO, Ivelainai-Apameia-Kibotos. 1875. Preis: 1 M..

Kümmer, Über die Wirkung des Luftwiderstandes auf Körper von verschie- dener Gestalt, insbesondere auch auf die Geschosse. 1875. Preis: 4 M.

A. Kirchiioff, Gedächtnissrede auf Moriz Haupt. 1875. Preis: 75 Pf.

A. Kirchiioff, Über die Redaction der Demosthenischen Kranzrede. 1875.

Preis: 2 .M.

Schott, Zur üigtirenfrage. 1875. Preis: IM.

E. Röhioer, über zwei Pergamentblätter mit altarabischer Schrift. 1875.

Preis: 1 M.

R. Hercher, Über die Homerische Ebene von Troja. 1875. 2. Aufl.

Preis : 1 M.

Reichert, Zur Anatomie des Schwanzes der Ascidien-Larven. 1875. Preis: 5 .VI. Brüns, Die ünterschriften in den römischen Reclitsurkunden. 1876. Preis: 4M. CüRTiüs, Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 1876. Preis: 2 M. Dovf., Die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876. Preis: 2 M. 50 Pf.

Zeller, Über teleologische und mechanische Naturerklärung in ihrer Anwen- dung auf das Weltganze. 1876. Preis: 1 M.

Harms. Über den Bcgrifl’ der Wahrheit. 1876. Preis: 1 M. 50 Pf.

ViRCiiow, Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit beson- derer Berücksichtigung der Friesen. 1876. Preis; 20 M.

Schott, Über einige Thiernamen. 1876. Preis: 1 M.

G. Rose & A. Saokbebk. Über die Kry.«tallisation des Diamanten. 1876.

Preis: 4 M.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

Februar 1877.

Mit S Tafeln.

BERLIN 1877.

BUCHORUCKRRKl DER KOL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOOT) NW. UNIVKR8ITÄTS8TR. 8.

IN COMMISSION IN FRRI). DÜMMLEr’s VERL AGS-BnciIIIANDLUNO.

HARRWITZ CNO OOSRMANN.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

Februar 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Mommsen.

1. Februar. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Lepsius las über die Babylonisch- Assyrischen Längen- mafse nach der Tafel von Senkeerh.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg . 20. Heft. Inns- bruck 1876. 8. Mit Begleitschreiben.

Mnemosyne. Nova Series. Vol. V. Part 1. Lngd. Bat. 1877. 8.

The American Journal of Science and arts. Series III. Vol. XIII. N. 73. New Haven 1877. 8.

Jahrbücher des Vereins von Älterthumsfreunden im Rheinlande. Heft 57. 58. Bonn 1876. 8.

Revue mensuelle de medecine et de Chirurgie. 1®. Annee. N. 1. Janvier 1877. Paris. 8. Mit Begleitschreiben.

Bulletin de V Academie R. des Sciences. 45®. Ann. 2. Ser. Tome 42. N. 11. Bruxelles 1876. 8.

Landwirthschaftliche Jahrbücher. Bd. VI (1877). Heft. 1. Berlin 1877. 8.

Mittheilungen der K. K. Central -Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Bd. II. Heft 4 (Schluss). Wien 1876. 4.

[1877]

3

20

Gesammtsitzung

Mäuoires de la Societe de physique et d'histoire vat. de Geneee. T. XXIV.

P. 2. Gciieve 1875/76. 4. Mit Begleitschreiben.

K. Akademie der Wissenschaften in Wien. Jahrg. 1877. N. 1.2. Sitzung der math.-naturic, Glosse. 8.

Itevue scientißque de la France et de V etranger. N. 30. 31. Janvier 1877. Paris. 4.

0/versigt af k. Vetensk. Akademiens Förhandlingar. 1876. 33tlje Arg. N. 6. Stockholm 1876. 8.

Polybiblion. Partie litt. 2. Serie. T. 5. Livr. 1. Part, techn. T. 3. Livr. 1. Janv. Paris 1877. 8.

Bulletin de la Societe geologique de France. 3. Serie. T. IV'. Peiiilles 28-30.

Paris 1875 a 1876. 8. T. V. Feiiilles 1—3. ib. 1876/77. 8.

Mittheilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. X]'I. Vereinsjahr 1876. Heft 2. Salzburg. 8.

A. Reumontj Giuseppe II, Pietro Leopoldo e la Toscana. Firenze 1876. 8. hl.xtr. Vom Verf.

Transactions of the R. Society of Neio South JVales, for the year 1868 1875. Sydney 1869 1876. 8.

H. C. Rüssel, Results of astrononiical observations made in Neic South Wales, during 1873. ib. 1875. 8.

Transactions of the philosophical Society of New South IVales. 1862 65. Sydney 1868. 8.

New South Wales, its progress and resources. ib. 1876. 8.

Mines and mineral statistics of New South Wales, ib. 1875. 8.

Mineral map and general statistics of New South Wales, il). 1876. 8.

Annales de l' Observatoire R. de Bruxelles. Feuille 11. 4.

Programme de concours ouverts par la Societe des Sciences, de T agriculture et des arts de Lille, pour Tannee 1877. 8.

E. Sasse, Das Zahlengesetz in der Völker- Reizbarkeit. I. Brandenburg.

1 Bl. fül.

J. Duell ateau, Rapport sur les qjrogres du dechijfrement des Hudes cunei- formes. Extr. 8.

J. Oppert, SumH'ien ou Accadienf Paris 1876. 8.

, Les inscriptions en langue susienne. Extr. 8.

Atti della Societii Toscana di scienze naturali residente in Pisa. V'ol. II. Fase. 2. Pisa 1876. 8.

Übersicht der akademischen Behörden etc. an der K. K. Universität zu fVien für das Studienjahr 1876177. VV'ien 1876. 4.

Sixth Reqjort of the Commissioners appointed in 1868 to inquire into the best means of preventing the pollution of Rivers. London 1874. fol.

R. VV'^olf, Astronomische Mittheilunyen. 8.

vom 1. Februar 1877.

21

M. L. Schulfroh, Die Sprache der Zukunft. Zweibrücken 1876. 8.

M. R. de Berlanga, Los mievos bronces de Osuna. Malaga 1876. 4.

Extr. Vom Verf.

Preussische Statistik. 37. 38. 42. Berlin 1876. 4. Mit Begleitschreiben.

La Nature. Revue des Sciences etc. Paris. N. 183 191. Dec. 1876. Janv. 1877. 8.

E. L. de Forest, Interpolation and adjustment of series. New Haven

1876. 8.

Le Opere di Benedetto Castiglia e la fase definitiva della scienza ree.

di G. Stocchi. Mantova 1876. 8. Mit Begleitschreiben.

B. Boncoin pagni , BuUettino. T. IX. Ott. 1876. Roma 1876. 4.

Lunds Universitets-Bihlioteks Accessions - Katalog. 1874175. Lund 1875/76. 8. 2 Ex.

H. Gylden, Astronomiska Sakttagelser och Undersökningar anstälda Stockholms Observatorium. 1. Bd. N. 1. Stockholm 1876. 4. Mit Be-

gleitschreiben.

Denkschriften der K. Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe.

Bd. 36. Philos. -hist. Classe. Bd. 24. 25. Wien 1876. 4.

Sitzungsberichte. Philos. -histor. Classe. Bd. 80. Heft 4. Bd. 81. Heft 1. 2. 3 Bd. 82. Heft 1. 2. Mathem.-natunv. Classe. 1875. Abth. I. N. 6 10. Abth. II. N. 6 10. Abth. III. N. 3—10. 1876. Abth. II. N. 1— 3. ib. 8. Archiv für die Kunde österr. Geschichtsquellen. Bd. 54. Heft 1. ib. 1876. 8. Fontes reruni austriacarum. Bd. 38. Abth. II. ib. 1876. 8.

Almanach 1876. ib. 1876. 8.

21 Separatabdrücke aus den Denkschriften, ib. 4. & 8.

F. Hebra, Atlas der Hautkrankheiten. Lief. IX. X. ib. 1876. fol. Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. VI. N. 5.

ib. eod. 8.

Verhandlungen der K. K. geol. Reichsanstalt. N. 13. 1876. ib. 8.

Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1876. Bd. XXVI. N. 3. ib. 8.

Societe entomologique de Belgique. Serie II. N. 34. 1877. Bruxelles. 8. Acta Universitatis Lundensis. T. X. 1. 2. XL 1. 2. 3. 1873j74. Lund 1873 1875. 4. 2 Ex. Mit Begleitschreiben.

Anuario del Observatorio de Madrid. Anno XIII. XIV. 1873 1876. Ma- drid 1872. 1872. 8.

Observaciones meteorolögicas exec. en el Observatorio de Madrid 187 1 1873. ib. 1873. 1874. 8.

Resümen de las Observaciones meteor. ejfect. 1871 1873. ib. 1873. 1875. 4. Memoria del Hospital provincial de Madrid, ib. 1875. 8. Mit Begleit-

schreiben.

3

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Gesammtsitzung i'om 8. Februar 1877.

5. Februar. Sitzung der piiilosopliiscli-historiselien Klasse.

llr. Waitz las über kleinere Clironikon des XIII. .lalirliunderts.

8. Februar. Gesaiumtsitzuug der Akademie.

Ilr. Auwers las über die Resultate der Arbeiten der deutscb- russiscben Expedition nach Aegypten zur Hcobaclitung des Venus- Durcbgangs vom 8. Dec. 1874.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

A. V. Reunion t, Geschichte Toscana s seit dem Ende des ßorentinischcn Freistaates. Bd. II. Gotha 1877. 8. Vom Vcrf.

Revue scientifique de la France et de l' etrnmjer. N. 32. Paris 1877. 4.

The fourth annual Report of the board of Directors of the zooloyical Society of Philadelphia. Philadelphia 187C. 8.

Atti dell' Accademia Pontißcia de' nuovi Lincei. Anno XXIX. Ses». V Roma 1876. 4.

J. Kops & P'. W. van Paeden, Flora Batava. AH. 234. 235. 236. Ley- den. 4.

AV. P'. Beim, Leopoldina. Heft XIII. N. 1. 2. Dresden 1877. 4.

O. Boettger, Die Reptilien und Amphibien von Madagascar. P'rankfurt a. M. 1877. 4.

M. J. Plateau, Sur les couleurs accidentelles ou subjectives. 2. Note. Bruxelles 1876. 8. Kxtr. Vom Verf.

Gesammtsilzung vom 15. Februar 1877.

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15. Februar. Gesammtsitziiug der Akademie.

Hr. Droysen legte vor:

Beiträge zu der Frage über die innere Gestaltung des Reiches Alexanders des Grossen.

Die historischen Überlieferungen, die uns über die Zeit Alexan- ders des Grossen vorliegen, sind nicht der Art, dass man aus ihnen von der inneren Möglichkeit des Reiches, das er hat gründen wol- len, von den Formen und Organisationen, Avelche dann für die hellenistische Welt maassgebend geworden sind, eine zureichende Vorstellung gewinnen könnte.

Es würde nicht correct sein, wollte man sich diese Gründung so oberflächlich und wirr vorstellen, wie sie in unsern Quellen überliefert ist. Selbst in ihnen führen noch einzelne Spuren dar- auf, dass es bei der Gestaltung des Reiches weder an sicherer Auffassung der Aufgabe noch an Verständniss der gegebenen Be- dingungen und Berechnung der verwendbaren Mittel gefehlt hat.

Es wird möglich sein diesen Spuren nachgehend einige Er- läuterungen und Ergänzungen aus solchen Materialien zu gewinnen, die als unmittelbare Überreste jener Zeit in anderer Weise Zeug- niss geben als die Quellen. Die folgenden Bemerkungen wollen versuchen, was aus den Forschungen der Numismatiker für den angegebenen Zweck verwendbar scheint, darzulegen.

Es sind drei wichtige Fragen, auf die, wie es scheint, von den Münzen einige Auskunft zu gewinnen ist, die nach der inne- ren Organisation des Königthums, das Alexander von seinem Va- ter erbte, die nach dem Verhältniss Alexanders zu den hellenischen Staaten in Hellas und Asien, endlich die nach der Provinzialver- waltung in dem neugeschalfenen Reich. Eine vierte Frage wird sich aus den Bemerkungen beantworten, die vorausgeschickt wer- den mögen, weil das Verständniss des Weiteren davon bedingt ist.

I.

ln dem zweiten Buch der Or^ovoiMy.d, die unter den Schriften des .‘Vrisloteles erhalten sind und der Diadochenzeit angehören, werden die vier Arten der Verwaltung, die königliche, satrapische, städtische, private, charakterisirf; es wird von der königlichen gesagt,

24

Gesammtsitzung

sie habe vier Zweige die Münzpolitik, die Export-, die Iin-

portpolitik, die des Iloflialtes; am wiclitigsten sei die Münzpolitik, das heisse, in welcher M'eise und wann das (Jeld billig oder thener zu machen sei. So bestimmt also erscheint dieser Zeit das Munz- wesen als Regal, als nutzbares Recht des Königthums.

Dass Philipp II. es in diesem Sinne geübt, dass er zuerst in seinen Landen eine allgemein verbindliche Münzordnung eingeführt hat, ist bekannt. Galt im Perserreich seit Dareios I. die Gold- währung, der Stater oder Dareik zu 8,40 Grrn. Gold, und wurde dort Silber in der Art ausgebracht, dass einem Goldstater 10 Stater Silber zu 11,2 Gr. gleich gelten sollten, so sank im Han- del mit der griechischen Welt, wo man Silberwährung hatte, der Cours des Goldes mehr und mehr; lag dem persischen Münzwerth das Verhältniss des Goldes zu Silber von 1 : 13,33 zu Grunde, so war der Handelswerth um die Zeit des peloponnesischen Krieges wie 1 : 13,24 und sank weiter unter 1 ; 13, ja unter 1 : 12. Das Bemühen, zwischen beiden Werthen Ausgleichung zu finden, führte zu den vielerlei Münzsystemen der griechischen Staaten und zu heilloser Münzverwirrung. Der trat Philipp mit der Einführung der Doppelwährung entgegen; er schlug Goldstateren etwas höher als die persischen, zu 8,64 Gr., er nahm für das Silbergeld den rhodischen Fuss an, 7,24 Gr. auf die Drachme; er fixirte also das Verhältniss von Gold zu Silber auf 1 : 12,45.

Sank der Werth des Goldes weiter, so musste auch aus Ma- kedonien das Silber abfliessen, wie bisher schon aus Persien. Es ist sehr denkwürdig, dass Alexander die Doppelwährung aufgab, die Silberwährung nach dem attischen Fuss, die Tetradrachme zu 17,27 Grm., einführte; und nicht minder bemerkenswerth, dass sich auch nicht eine Drachme oder Tetradrachme .\lexanders fin- det, die nicht auf diesen Fuss geprägt wäre, so dass man anneh- men muss, dass er gleich im Anfang seiner Regierung die neue Münzordnung eingeführt hat, die dem persischen Golde .so zu sa- gen den Krieg erklärte. Denn mit dieser neuen Ordnung war das Verhältniss von Gold zu Silber auf 1 : 12,30 gestellt und das Gold war zur blossen Waare gemacht, zu einer M’aare, die, wenn die Schütze des Perserkönigs erobert und das da todt liegende Gold dem Verkehr zurückgegeben wurde, sich immerhin entwertheii konnte, ohne dass die auf Silber gestellten Preise in der griechischen Welt dadurch in gleichem Maasse erschüttert wurden.

vom 15. Februar 1877.

25

Wenn Philipp, wenn Alexander kraft ihrer königlichen Macht- vollkommenheit neue Münzordnungen erliessen, so traten dieselben natürlich überall, so weit die Befehle des Königthums gesetzliche Kraft hatten, in Geltung; und umgekehrt, Gebiete und Städte, wo sie nicht Aufnahme fanden, standen nicht in solchem Abhängigkeits- verhältniss zum makedonischen Königthum. Gab es Städte oder Gebiete, die in dieser Zeit nach dem königlichen Münzfuss, aber mit autonomen Typen prägten, so sind sie dem neuen Münzfuss entweder aus eigener Wahl gefolgt, oder sie haben bei ihrer Abhän- gigkeit von dem Königthum eine gewisse communale Autonomie be- wahrt.

II.

Damit ist ein Kriterium bemerkenswerther Art gewonnen. Wenn von den Griechenstädten der thrakischen Südküste in Alexanders Zeit nur Byzanz nicht Silbergeld nach Alexanders Münzfuss, geschweige mit Alexanders Typen und Namen geschla- gen hat, so ist Byzanz nicht wie Abdera, Maroneia, Perinthos u. s. w. eine unterthänige Stadt mit immerhin freier Communalverfassung geworden, sondern ein autonomer Staat geblieben. W^enn die Stadt Kardia auf der Chersones Tetradrachmen mit Alexanders Typus und Namen prägte und sich auf denselben nur mit dem bescheide- nen Beizeichen der Lanzenspitze, dem alten Wappen der Stadt, als Prägestätte bezeichnete, so sieht man daraus, dass Hekataios, der als Tyrann von Kardia von 335 bis über Alexanders Tod hinaus bekannt ist, nicht souverainer Plerr der Stadt in dem Sinne war, wie in derselben Zeit Timotheos und dessen Bruder Dionysios in der pontischen Herakleia, denn sonst hätte er, wie diese, Münzen mit seinem Namen geprägt.

Dass die Fürstenthümer und Völkerstämme von der Adria bis zum Pontos, die Makedonien umgaben, die der Epeiroten, der Agrianer, der Paionen, einige illyrische, die thrakischen der Odryser, Geten, Triballer in einer gewissen Abhängigkeit von dem makedonischen Königthum standen, ist aus unsern (Quellen ersichtlich, nicht aber, wie weit sich diese Abhängigk(‘it er- streckte.

Nur von den Verhältnissen des paionischen Landes erfahren wir Einiges. Diod. XVT. 2 und 4 berichtet, dass die Paionen

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Gesammtsitzung

kurz vor dem Anfang Philipps II. nach Makedonien eingebrochen seien, dass um die Zeit seines Anfanges der Paionen - König Agis gestorben sei, dass Philipp sich sofort gegen die Paionen ge- wandt, sie besiegt habe, rou? ßci^ßuoovg vini^Tug ^vctyxcerE to eS’vog TiEih’ctzyjiv Toig Mccxs8otu>. Drei Jahre später 356 erwähnt er (Diod. XVI. 22), dass die Athener, als sich Philipp der Goldberg- werke am Pangaion bemächtigt, mit drei Königen, dem der Paio- nen, dem der Thraker und dem der Illyrier, ein Bündniss zum An- griff gegen ihn geschlossen hätten, dass Philipp ihrem Angrift’ zu- vorgekommen sei, dass er sie, ehe ihre Streitkräfte sich vereinigt hätten, geschlagen und zur Abhängigkeit gezwungen habe ettj- c/)«e£«9 ccTVvrdxTOtg xct't y.uTun/.r,^ct'xEvog ^vccyxccTS rolg M«-

xsSoTt. Von eben diesem Bündniss der Athener handelt eine at- tische Inschrift, zu deren früher schon bekannten ersten Hälfte 1876 durch die Ausgrabungen am Fuss der Akropolis ein zweites bedeutendes Stück hinzugekommen ist (C. I. A. II. Add. bb**); sie giebt die Namen der drei Fürsten, mit denen Athen sich verbündet hat, es ist der Thraker Ketriporis „und seine Brüder“, der Illy- rier Grabos, der Paione Lyppeios. p]s giebt Silbermünzen mit AYKKEIOY (Lenormant in der Revue Num. 1866) oder auch AYKflElO (Six Nuraism. Chron. 1875. 1. p. 20), die schon Eck- hel nach ihrer Prägung als paionische erkannte. Ein attisches Ehrendecret von 286 (C. I. A. II. n. 312) nennt den König Audoleon (o Ilmovwu ßariXEvg den Sohn des Patraos.

Wir wissen aus unsern Quellen, dass Audoleon schon 310 König war (Diod. XX. 19. XXL 13), und dass kurz vor 281 sein Sohn Ariston, als er die Erbschaft des Vaters antreten wollte, von Kö- nig Lysimachos vertrieben worden ist (Polyaen. IV. 12. 3). Damit endet das Fürstenthum der Paionen; das Land haben dann erst die Galater überschwemmt, dann die Dardaner unterworfen, bis diesen König Philipp 217 wenigstens die paionische Feste Byla- zora am Südeingang der Pässe von Skopia wieder entriss (Polyb. V. 97. 1).

Von Alexanders Zuge 335 sagt Diodor. XVII. 8; iTTonTs\jTsi>

im rr,v Q^dxvjv xui tto?.?.« \xev aSrurj Qodxiu .... Ct: oruyyjvut xccTVji'd- yxciTEV’ ETT^/.-Zzs Ss xcct rYjV Xlcciovlui' xu\ Tr/U xcti roO? ouo^o\jg

TU’Jrcttg yjd^ccg xctt no7.7.ovg tmu xuTotxovuTun’ ßct^ßctouiv (((ftETTrxörctg ’^yiiyxTc’ifj.Evog VTTyjxoovg Trdi’Tctg rovg TT/.r^rtcy^u^oiig ßu^ßccoovg iTTOir,-

vom 15. Februar 1877.

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a-ciTo,'^) Man kann zweifeln, wie viel man von diesen Ausdrücken für die Paionen in Anspruch nehmen darf; eben so muss noch da- hin gestellt bleiben, ob die höchst merkwürdige Inschrift auf dem Weihgeschenk eines paionischen Königs, die in den letzten Wochen in Olympia aufgefunden worden ist, der Zeit zwischen Lykpeios und Patraos, wie vermuthet worden ist, angehört. Es giebt vom Audoleon, von seinem Vater Patraos, der vielleicht schon zu Ale- xanders Zeit König war, Silbermünzen mit ihrem Namen und Ty- pus; dieselben haben weder das Gewicht der philippischen Doppel- drachme 14,48 Gr., noch das der Tetradrachmen Alexanders 17,27 Gr., sondern das des Audoleon wiegt 12,03 Gr., das des Patraos 12,06 Gr., das des Lykpeios in verschiedenen Exempla- ren 13,15 Gr., 12, 74 Gr., 12, 57 Gr. Also Paionien stand wie vor, so nach der Besiegung dui’ch Philipp nicht unter dem make- donischen Münzgesetz, folgte seinem eigenen Münzfuss.^) Einige Ilen paionischer Reiter einen solchen zeigt die Münze des Pa- traos, wie er einen behelmten zu Boden geworfenen Feind durch- sticht — waren in dem Heere Alexanders, das nach Asien zog, geführt von Ariston, vielleicht einem Bruder des Patraos, wie sein Enkel ja wieder diesen Namen hat; denn als Alexanders Maxime wird überliefert: reges (barbarorum) praefectosque et omnes quibus videbatur inesse cura detractae libertatis secum vel honoris causa detraxit, Frontin. II. 11, 2: cf. Justin XI. 5. 3. Ob diese paioni- schen Ilen als ^zvoi oder als TvtxfMiy^oi, ob auf Grund eines beson- deren Werbe Vertrages oder als Contingent des paionischen Fürsten- thums folgten, muss dahingestellt bleiben; Langaros, der Fürst der Agrianer, der 335 dem Könige zum Zuge an die Donau 1000 Mann gestellt hatte, konnte ihm, als er durch das Agrianer Gebiet zu- rückmarschierte, noch eine bedeutende Zahl Hypaspisten vorführen

D Zehn Jahre früher fülirt Isokrates (Philipp. § 21) neben den Magne- ten und Perrhaibern die Paionen an: xat TtarTa? uttkjxoou; auTou? etXr|(j)£i'.

‘^) Imhoof-Blumer (in v. Sa 11 et Nuniismat. Zeitschrift 1, p. 108) macht dai’auf aufmerksam, dass die Münzen von Damastion und Pelagia, illyrischen Bergstädten, in denen er die dann Antigoneia und Antipatris ge- nannten wieder erkennt, nach dem gleichen Fuss wie die paionischen geprägt sind. Dass Audoleon auch Tetradrachmen mit seinem Namen, aber dem Typus Ale.\anders geprägt hat, ist für unsere Frage unwesentlich.

28

Gesamvitsitzung

und mit diesen die Autariaten, die den Makedonen in die Flanke fallen wollten, zurückzutreiben sich erbieten.

Von Langaros, von dem Triballer- Könige Syrmos, von dem Taulantiner Glaukias, dem Illyrier Kleitos sind bis jetzt keine Münzen bekannt, eben so wenig von den odrysischen Fürsten die- ser Zeit, obschon deren, auch nach Beseitigung des Kersobleptes und Teres durch König Philipp, wenigstens einer, vielleicht einige im Hebroslande geblieben sind^), wenn auch neben und über ihnen ein makedonischer Strateg.

Von besonderem Interesse würde es sein, Genaueres über das Verhältniss des molossischen Königthums zu Makedonien finden zu können; um so mehr, da die überaus bedeutsame Frage, ob der Molosser Alexander auf eigene Hand oder im Zusammenhang mit der makedonischen Politik 334/3 seinen Zug nach Italien unternom- men hat, nach den Angaben unserer Quellen nicht zu erledigen ist. Der molossische König Alketas wird um 372 von lason von Pherai bei Xen. Hell. VI. 1. 7 o li/ ’Htts/ow t/Vefay o?, also als Untergebener Thessaliens genannt; nach seinem Tode theilten seine Söhne Neoptolemos und Arrybbas nach längerem Hader die Herr- schaft, und als Neoptolemos starb, blieben dessen Kinder Olympias und der viel jüngere Alexander in des Oheims Haus, bis Olympias mit König Philipp vermählt wurde; wenn Satyros fr. 5 von Phi- lipp sagt: Ttäcyzy.r^yuTO hui rr,v Mc/.c~7wi> ßuTi7.Eutu y^uag ’O/.vuTrtuSu, SO muss eine Art weiblicher Succession in Epeiros in Geltung ge- wesen sein, wofür das spätere Verhalten der Olympias im molos- sischen Lande mehr als einen Beweis giebt. Wenn Philipp ihren Bruder Alexander 342, nachdem er Arrybbas beseitigt, in den Be- sitz des ganzen Landes setzte und dasselbe um das kassopische Gebiet am ambrakischen Meerbusen erweiterte, so scheint die Ver- muthung nahe zu liegen, dass das molossische Königthum in ma-

0 Diese Thatsaclie ergiebt sich aus der Arigal)e Diod. XVIII. 17, dass Seuthes, „König“ der Thraker, 322 sich gegen Lysiinachos erhob, und aus der bei Curtius X. 1. 43. auf die Vorgänge von 330 bezüglichen: Seuthes Odrysas populäres suos ad defectionem compulerat u. s. w. endlicti aus der jüngst gefundenen attischen Inschrift, über der eine bildliche. Darstellung mit der Unterschrift: 'PrjßouXa? Xtu.c’ou vtdj KcTuof a’5eX(j)0f ayj/eX ...., aus der man schliessen darf, dass wie der Vater, so der Bruder des Genannten Fürst in Thrakien ist.

vorn 15. Februar 1877.

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kedonischer Dependenz blieb. Aber bei den schweren Wirren, die Philipps Ermordung in Makedonien hervorrief, bei der schwereren Gefahr, mit der Alexanders Anfang durch die Erhebung der Völ- kerschaften in Thrakien, an der Donau, in Illyrien, durch die gleich- zeitige in Hellas bedroht war, findet sich von einer epeirotischen Hülfeleistung zu dem Zuge nach der Donau, gegen die Illyrier, nach Theben nicht die geringste Spur. Und die silbernen Gross- stücke, die der junge Molosserkönig prägen liess, und zwar in Ta- rent, wie die Numismatiker aus dem Styl des Gepräges entnehmen, folgen weder dem System Philipps von 14,48 Gr., noch dem Alexan- ders von 17,27 Gr., noch dem der Tarentiner von 7,70 7,90 Gr.; sie wiegen zwischen 10,75 und 10,50 Gr. Sie haben die Umschrift AAEEANAPOY TOY NEOHTOAEMOY, sie stimmen in ihrem Ty- pus — Schauseite: Kopf des dodonaeischen Zeus mit Eichenlaub gekränzt, Rückseite: Adler auf dem Donnerkeil stehend ganz mit denen der Stadt Kassope (Umschrift der R. KAZSfin Alf2N), nur dass diese in der Drachme 4,24 Gr. wiegen, also dem attisch- makedonischen System folgen. Ich entnehme diese Angaben einem Aufsatz von Imhoof-Blumer (in v. Sallet Num. Zeitschrift III.

p. 288).

Es ist bekannt, dass früher in Makedonien theils jüngere Li- nien des Königshauses mit eigenen Herrschaften ausgestattet wur- den, wie z. B. von einem jüngeren Sohne des Philhellenen Alexan- der die fürstliche Familie in Elymiotis stammt, der die Derdas Machatas, Harpalos angehören, theils ältere erbliche Fürstenthümer bestanden hatten, wie das der Oresten, dem Alexanders Feldherr Perdikkas, das der Tymphaier, dem Polysperchon entstammte, das der Bakchiaden in der Lynkestis, das vor dem Vater Philipps II. einige Jahre selbst das makedonische Königthum innegehabt hatte. Philipp II. selbst ist, bevor er das Königthum übernahm, ein solcher Theilfürst gewesen und hat als solcher Truppen gehalten, wie auch von Derdas II. in Elymiotis, von den Lynkesten in früherer Zeit nachzuweisen ist. Wenn von keinem dieser Fürsten Münzen vor- liegen, so wird das nicht zufällig sein; sie werden nicht das Münz- recht gehabt haben.

Und so scheint sich in dem Bereich des makedonischen Kö- nigthums und seiner Dependenzen eine Mannigfaltigkeit von Ab- hängigkeitsverhältnissen zu ergeben, die dieser Machtbildung ihren eigenthümlichen Charakter geben.

30

Gesammtsitzung

III.

Dieselbe Eigenthümliclikeit in anderer Wendung zeigen die Städtemünzen Philipps und Alexanders. Die scharfsinnigen Un- tersuchungen von L. Müller suchen zu erweisen, dass die Mo- nogramme auf den Münzen Philipps und Alexanders theils wie andere kleine Beizeichen die Prägesstätte, theils die Namen der mit der Prägung betrauten Beamten bezeichnen. Müller hat mehrere Fälle zu erkennen geglaubt, in denen dasselbe Mono- gramm sich auf den Münzen Philipps II. und Alexanders, Alexan- ders und Philipp III., oder auch auf den Münzen mehrerer einan- der benachbarter Städte findet; er hat daraus geschlossen, dass diese Monogramme nicht jährlich wechselnden städtischen, sondern dauernd angestellten königlichen Beamteten angehören. Die Er- gebnisse dieser Untersuchung sind wohl noch nicht der Art, dass man Weiteres darauf zu bauen wagen könnte.

Schon die Erwähnung von Byzanz, Kardia, Perinth, Abdera u. s. w. führte uns auf das Verhältniss des makedonischen König- thums zu den griechischen Städten. Wenn König Philipp die- selben nach der Schlacht von Chaironeia in dem Bunde von Ko- rinth vereinigt, wenn Alexander diesen Bund nach dem raschen Strafgericht über Theben erneut hatte, wenn dieser Bund für den Krieg gegen die Perser und die Aufrechterhaltung von Friede, Recht und Ordnung unter den Genossen gegründet worden war, so liegt die Frage nahe, ob auch die hellenischen Staaten ausser- halb des eigentlichen Griechenlands, ob namentlich die Griechen- städte in Kleinasien und die Inseln Genossen dieses '^'E.y.'/.Y^viy.ov ge- worden, oder in welches Verhältniss sonst sie zu Alexander getre- ten sind.

Aus den Schriftstellern ergiebt sich für diese Frage wenig. Für Thessalien erhellt aus der Liste der Thessalorum Reges bei den Chronographen, dass die Städte dort, wenn auch in eigener Art und Verfassung, seit Philipp II. den makedonischen Königen untergeben waren, und die Münzen Philipps und Alexanders be- stätigen es. Dass von allen Staaten „innerhalb der Thermopylen“, wie in jener Zeit der technische Ausdruck war, nur Sparta den Beitritt zum korinthischen Bunde versagte und darüber bedeutende Gebietsminderung erfuhr, ist bestimmt überliefert.

Man könnte glauben, dass Byzanz, weil Alexander, in dem Feldzuge gegen die Geten 335, Kriegsschiffe der Stadt zum

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Übergang über die Donau erwartete und wirklich vorfand, in dieser Hülfeleistung als zu dem korinthischen Bunde gehörig zu erkennen sei. Aber theils findet sich von dem Eintritt der Byzan- tier in diesen Bund sonst keine Erwähnung, theils kann diese Hülfe gegen die Geten nicht auf Grund des korinthischen Bundes gefordert und geleistet worden sein, da Alexander nur für den Feldzug gegen Persien zum crr^ccT-/)yog avroHoärwo bestellt und der Bund nur zur Stellung seiner Contingente gegen Persien ver- pflichtet war; somit ist jene SchifFssendung auf Grund eines be- sonderen Vertrages erfolgt, der Avohl auch des Weiteren die Sym- machie zwischen Makedonien und Byzanz geordnet haben wird.

Aus der Darstellung Arrians ergiebt sich mit Sicherheit, dass die Insel Tenedos in den korinthischen Bund getreten ist; Avie die persische Flotte im Anfang 333 dorthin kommt, Averden die cd TT^og A?.sqca'8oou y.ai ~ovg ytvö{j.£val crcpiri zerbrochen.

In ähnlicher Weise verfaliren die persischen Generale in Mitylene, aber der Ausdruck, den Arrian da braucht (II. 1. 4) -dg

TV^og Tiptri ysuousuccg arr^Mg ohne ycd roog '^^l^.vivag lässt

wohl keinen ZAveifel, dass diese Stadt nicht dem y.otuou rwu i’wv beigetreten ist. Wenn nach der Ermordung des Dareios die hellenischen Söldner und Gesandtschaften, die bis zuletzt in seiner Umgebung geAvesen waren, in Alexanders Hand fallen, so entlässt er den Gesandten von Sinope on '^wMTuiig cvrs rov yoivov rwu 'E?.- ?.yjru}i' iA.£Ts7<y^ov ovrs ctTrsiyorcc tcciziv ihöy.ow, ncc3c\ rov ßciTU-icc Tcpwv

TT^STßsVOUTBg, Al’!’. III. 25. 4.

Auf die Frage, Avie Alexander sein Verhältniss zu den befrei- ten Griechen Städten der asiatischen Küste geordnet habe, geben unsere Quellen keinen Bescheid. Wohl führt Arrian an (1. 17. 10), dass der König in Ephesos die Demokratie hergestellt und den bis- herigen Tribut der Stadt dem Tempel der Artemis übei'Aviesen habe, nicht minder 1. 18. 1, dass er eine Colonne nach der Aiolis, eine zAveite zu den ionischen Städten gesandt habe mit der Wei- sung, überall die Demokratie und Autonomie herzustellen und die Tribute, die sie den Barbai-en zahlen müssen, ihnen zu erlassen. In ähnlicher Weise befreit nach der Schlacht a'oii Issos die make- donische Flotte die Inseln Chios, Kos, vertreibt die von dem Spar- tanerkönig nach Kreta gesandten Besatzungen aus den Städten dort; aber nirgends findet sich eine Andeutung, ob die befreiten Städte dem y.ou’ou twv beigetreten, ob von ihnen irgend AA^elche

32 Gesaimutsilzuvg

Leistungen für den Feldzug gegen Persien gefordert worden seien.

Auf die erste dieser Fragen scheinen die Münzen Antwort zu geben. Es finden sich Gold- und Silberniünzen Alexanders von fast allen (Ti-iechenstädten Kleinasicns, sowie von den namhaftesten Inseln; und damit, so durfte man schliessen, ist der Beweis ge- liefert, dass diese Städte nicht Staaten waren, wie die des korin- thischen Bundes, sondern wie Perinth, Ahdera, Meroneia, immerhin Freistädte aber königliche, und zum Königthum nicht im Bundes- sondern Unterthanverhältniss standen.

An dieser Stelle muss der sogenannten Klassification der Alexandermünzen Erwähnung geschehen. Der schon genannte Nu- mismatiker Müller erkannte bei sorgfältiger Beobachtung der fast 2000 verschiedenen Typen von Alexandermünzen, dass die silbernen bei den Stateren fanden sich so deutliche Unterschiede nicht nach der Zeichnung und in der Technik des Gepräges sich in sieben Klassen scheiden, von denen die drei ersten sicht- lich die älteren sind, die drei letzten einer Technik angehören, die erst mit dem Ausgang der Diadochenzeit eintritt; zwischen beiden eine Klasse, die vierte, für deren Zeit ein bei Patras 1850 gefun- dener Schatz einen Anlialt gab; es waren meist Tetradrachmen, die ihren Beizeichen nach in Sikyon geprägt sein mussten, und Sikyon war erst seit der Zeit des Reichsverwesers Polysperchon, d. h. den Jahren 31G 308 makedonisch. Sehr bemerkenswerth nun ist, dass, wie Müller aus den Beizeichen zu erkennen glaubt, die sämmtlichen in den Griechenstädten Kleinasiens geprägten Tetra- drachmen der V. und VI. Klasse, die von Mesembria, Odessos und anderen Städte an der Westküste des Pontos der VII. Klasse ange- hören, während die I. Klasse sich nur in den Piägungen von Ma- kedonien, Thessalien, dem südlichen Thrakien, die II. nur in de- nen von Kilikien, Syrien und Phoinikien findet, die III. auf diese beiden Bereiche sich vertheilt.

Hierzu kommt noch, dass sich durch einen Münzfund, von dem gleich zu sprechen sein wird, erwiesen hat, dass während der Zeit Alexanders und in dem Jahrzehent nach seinem Tode meh- rere dieser kleinasiatischen Städte, namentlich Rhodos, Pergamon, Kios, Stateren mit ihrem eigenen Typus geprägt haben, also auto- nome, nicht Königsstateren. Und weiter: die rhodischen Münzen schon seit König Philipp II. haben meist immer die Namen der Münz-

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beamten, Avelcbe für die Prägung verantwortlicli waren, voll aus- geschrieben; vier Namen solcher Münzbeamten, die auf rhodischen Alexandertetradrachmen der VI. Klasse von 17 Gr. Gewicht Vor- kommen, Stasion, Ainetor, Aristobulos, Damatrios, fanden sich zu- gleich auf autonomen rhodischen Doppeldrachmen rhodischen Fus- ses zu etwa 14 Gr. (Müller Num. d’Alex. p. 260), ja der Name Aristobulos findet sich auch auf rhodischen Stateren mit den Typen und dem Namen des Lysimachos, und ein fünfter Name jener auto- nomen Münzen Mnasimachos erscheint auf einem rhodischen Stater mit dem Namen und Gepräge Philipps II. Also Rhodos hat im Ausgang der Diodochenzeit und später noch sein altes Münzsystem beibehalten, wenn auch von Seiten des Staates daneben, unzweifel- haft im Intei’esse des Handels, besonders verbreitete Münzen, wie Tetradrachmen Alexanders, Stateren des Lysimachos, Stateren Phi- lipps II. geprägt worden sind. Noch augenfälliger ergibt sich das gleiche Verhältniss bei Ephesos; Drachmen dieser Stadt mit der Biene und der Umschrift APCI statt E4> (bei L. Müller, Münzen des Lys. No. 429 433), also der Zeit zwischen 281 und 280 an- gehörend, in der die Stadt nach Lysimachos Gemahlin Arsinoe hiess, diese Drachmen sind nach Imhoof- Bl umers Wägungen nicht nach dem von Lysimachos beibehaltenen Münzsystem Alexan- d.ers (4,25 Gr.) ausgebracht, sondern haben in dem besterhaltenen Exemplar, dem Berliner aus der Sammlung Fox, 5,59 Gr., sind also autonome Münzen.

Aus diesen numismatischen Thatsachen wird man berechtigt sein den Scliluss zu ziehen, dass die hellenischen Städte Klein- asiens von Alexander die Herstellung nicht blos ihrer Demokratie, sondern ihrer politischen Selbstständigkeit empfingen, dass sie seit 334 wieder wirkliche Staaten wurden, wie es die im korinthischen Bunde des Mutterlandes vereinten geblieben wai-en. Wenn sich nicht die geringste Spur davon findet, dass die asiatischen Griechenstädte in diesen eingetreten seien, so liegen politische Gründe dafür, dass Alexander ihren Eintritt nicht forderte, nahe genug; nicht die na- tionale Einheit des Griechenthums politisch zu gestalten war seine Aufgabe; bei der nichts weniger als zuverlässigen Stimmung meh- rerer und der bedeutendsten Städte jenes Bundes empfahl es sich, die Griechen Asiens und der Inseln in anderer Weise an das In- teresse des Reichs zu knüpfen und sich in ihnen ein Gegengewicht gegen die Föderation des Mutterlandes zu schäften. Überdies musste

34

Gesammtsitzung

es angemessen erscheinen, einem Runde, zu dessen wesentlichen Aufgaben die Erhaltung und Handhabung des Landfriedens in dem Bundesgebiet gehörte, nicht Staaten zu überweisen, die, durch das Meer von Hellas getrennt, nicht füglich bei allen Vorkommnissen das Synedrion von Korinth beschicken konnten.

Aber hatten diese hergestellten Staaten Kleinasiens und der Inseln nicht in gleicher Weise das Bedürfniss des Landfriedens und eines Gerichtes, wie die Amphiktyonen für den Bund in Hellas waren? bedurften sie nicht zugleich für die Leistungen zum Per- serkriege, zu denen gewiss auch sie verpflichtet wurden, etwa für ihre Contingente an Schiffen und Manschaften, einer Organisation der des Synedrions von Korinth analog? So viel mir bekannl, giebt es in unsern Quellen keine Spur, die zu einer Antwort auf diese Fragen führt; es müsste denn das sein, was Vitruv. IV. 1. von Smyrna angiebt: regis Attali et Arsinoes beneficio inter lonas estrecepta, Smyrna, das, seit der Lyderzeit aufgelöst und dioikisirt, erst durcli Antigonos und Lysimachos als Stadt wieder hergestellt worden ist. Und vielleicht könnte man in denselben Zusammen- hang stellen, was Strab. XIV. p. 644 von der Landenge zwischen Klazomenai und Teos angiebt, die Alexander zur Ei-Lic^terung der Schifffahrt zu durchstechen befohlen hatte: es sei doi{» ein heiliger Hain und Festfeier dem Könige zu Ehren: an\ uywv tov xoivo\j rSiv ^hj.'vwv ’A?.£^«r^p{« y.arctyys}.}.STut arvi>7s}.ov!JL£vog £t'7ccv^^ct.

Bedeutsamer scheinen beim ersten Anblick zwei Reihen von Münzen, silbernen und kupfernen, mit der Umschrift AlOAE die einen, NASI die andern; Imhoof-Blumer hat in v. Sallets Nu- mism. Zeitschr. IH. p. 315 ff. von jenen 7, von diesen 23 Typen be- schrieben; er weist darauf hin, dass, während die mit NACI auf der Schauseite den lorbeerbekränzten Kopf des Apollon (Hekatos) haben, die mit AlOAE genau den Pallaskopf der Stateren Alexanders füh- ren, ihrer Technik nach beide auf Lesbos oder die nächstgelegenen Gebiete weisen. Man konnte vermuthen, dass diese Münzen für Föderationen der Nesioten, der Aioleis geprägt seien, dass Alexan- der — denn alle diese Prägungen gehören seiner und der folgenden Zeit an diese Föderationen veranlasst habe; freilich war dann auffallend, dass auf den Münzen der Nesioten nie die ionische Form des Namens erschien, dass neben dem Bunde der Inseln noch ein zweiter der AfoXef? bestanden haben sollte, während doch die Insel Lesbos von den A\o>£ig den bedeutendsten Theil bildet.

vom 15. Februar 1877.

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Jetzt ist durch eine Inschrift (in dem Mova-slou ku) TYjg

Evccy'ys}.i>{^g !T<y^o?.Ylg II. et. 1 ev XßVDi'Y) 1876 p. 128) und

durch die vortrefflichen Erläuterungen, mit denen sie Hr. Georg Earinos begleitet hat, die Bezeichnung NACI dahin festgestellt, dass die grösste der zahlreichen kleinen Inseln am Festlande, ge- genüber von Mitylene, die heutige Moskonisos, im Alterthum Nao-o? genannt war, wie denn in jener Inschrift, deren erstes Drittel be- reits C. I. Gr. II. No. 2166® Ap. p. 1023 mitgetheilt war, v. 40 o 8aiJ.og [o das Ehrendecret für Thersippos, das sie enthält, be-

schlossen hat.

Also hier findet sich nicht, was wir suchen; aber an einer andern Stelle zeigt sich, dass wir mit unserer Frage auf der rich- tigen Fährte waren. Einiges schon ergiebt eine Inschrift, die in Schliemanns Trojanische Alterthümer p. 204 mitgetheilt ist. Sie stammt aus Hissarlyk, das der Zeit Alexanders für das homerische Ilion galt und als solches hergestellt wurde. Diese Inschrift ent- hält mehrere Schreiben des Königs Antiochos an Meleagros, seinen „Satrapen in Phrygien am Hellespont“ und Schreiben von diesem, in denen es sich um Schenkungen von Landgütern an einen verdien- ten Assier handelt, Schenkungen cItto Tyjg ßctriXtyrlg %w§ag mit der Bedingung, dass diese Güter einer der umliegenden Städte Skep- sis, Gergithos, Ilion zugewandt werden sollen. Der Grund dieser auffallenden Bestimmung scheint sich aus dem Umstande zu erge- ben, dass mit der Schenkung diese Güter und die auf denselben Wohnenden aufhören königlich zu sein und damit unter der Juris- diction und dem Schutz der königlichen Beamten zu stehen, und indem der Beschenkte nicht selbstständiger Dynast ist noch wer- den soll, bleibt nichts übrig als diese Güter und ihre Bewohner unter die Competenz einer politisch selbstständigen Stadt treten, den Beschenkten gleichsam Pfahlbürger in derselben werden zu lassen; der Ausdruck der Inschrift ist, dass die ßariXt^o) 7ao\ ot iy reu roTrov ßou>Mvrc(i in der Feste Petra, die mit geschenkt wird, sollen wohnen dürfen dTipcü.slag euehei und der Beschenkte soll befugt sein Tr^oTEvsyyccT-S’ai rr^og du ßouXrirai rwu tio'Kemv rouu EU rE y.cti iu r^ Yjj.ETE^a a-u\j.\xc<’yja. Also die genannten

Städte, und namentlich Ilion, das der Beschenkte dann gewählt hat, sind nicht Unterthanen, sondern truwxayoi des syrischen Kö- nigs. Dass dieser König wahrscheinlich Antiochos III. ist, ergiebt sich aus einer schon C. I. Gr. II. 3569 publicirten Inschi'ift, die [1877] 4

3G Geftanwitsitzung

bei Kum-kevi, eine halbe Stunde von Hissarlyk, gefunden wor- den ist.

Noch bestimmter auf unsere Frage antwortet eine grosse In- schrift ebenfalls aus Hissarlyk, die O. Ilirschfeld in der Arch. Zeitung 1875. p. 151 ff. mitgetheilt hat. Es sind fünf Deci-ete, jede beginnend yv^ixr) -wr a-ui’sSouiv, zu Ehren des B««-

y^lov Va^ycc^sv^, für wiederholte zinsfreie Vorschüsse und sonstige Leistungen aller Art. Der erste Beschluss will mit der gewährten Ehre bezeugen, dass ro yotuov rtüv tto?.swu die um dasselbe ver- dienten Männer auszuzeichnen wisse. Der zweite Beschluss giebt die bezeichnenden Worte «TroorsX^.oVrwe irwiS^wi' rr^ia-ßsig sig rov ßcc- o'i'Ksci t;[7T£^] Tvjg s'ksv^'s^lccg xet) avrovcixhxg tmv Tto’kswv rwr yotrwrov- cTü'[i' roi7] ts^ov ycii T‘^g Trcti'viyv ^sujg. Also das y.oivoi> ist eine poli- tische Föderation, die mit dem Heiligthum der Athena von Ilion verknüpft ist; und so wird Malusios im dritten Decret gerühmt, dass er das Synedrion aufgefordert habe anzugeben, ttotou SsTreu ncc^

'C.' '

CCMTOV r^^^YilXCCTUiJU £ig 70 <^SCCT^0U fCUl Sig TU/./UC y.aTCCTTySUCCTIXCtTCC

Ha) £ig t[«] Is^d na) stg ttji’ TT^erßelav. In dem fünften Decret wird beschlossen, drayad\lyai SHaary^r [rwe noXswv tmv Hon’wuov^TÜii’ rov

tS^GV HUI TYjQ TtUUYiyV^SUjg HUI TYjU {TTyjAY^l/ 07T0V Ul' SHUTjTip VO

ixog Ittiv. Welche Städte dies hoivov bilden wird nicht angegeben; aber da Malusios ein Gargarer ist und da die Gargarer mit der Herstellung des ersten und zweiten Decrets beauftragt werden (^imixsXvjS'Yji’ai Ss Tovg l'a^ya^slg y.-'K, Zeile 21 und 35), SO ist Gargara am adramytenischen Meerbusen eine Stadt dieses Bun- des; und wenn auf das fünfte Decret noch ein Paar leider ver- stümmelte Zeilen folgen, deren Anfang ist; ... Tinashog Aaix4/a- H-yiv[og S17TSU' irrstSi^ Ma?.cvTiog] o l'a^ya^svg u. S. w., SO ist unbedenk- lich auch Lampsakos Mitglied des Bundes. Die Zeit dieser De- crete ergiebt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit daraus, dass in dem ersten eine Tz^za-ßüu ce7To-[T£?.?^onz]i/yi -n-^og ’Ai’Ttyoiw, im zwei- ten die schon erwähnte Tr^srßsla slg -oi> ßa(xiVia sAevSs^lag

Ha) avTovoixtag erwähnt wird. Die Sendung sh roi> ßan>ia in dem zweiten Decret, das der Zeit nach später und vielleicht Jahre spä- ter als das erste ist, kann nicht vor 317 fallen, da sonst wie in dem Ehrendecret der Nasioten für Thersippos l<? -ovg ßaa-iXiag ge- sagt sein müsste. Da in dem ersten Decret die Gesandtschaft TT^og AuTiyovou erwähnt wird denn für die freien Städte ist er weder Satrap noch Sirateg und da Antigonos erst 306 den

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Titel ßaxiXsvg angenommen hat^), erst nach ihm auch Lysimachos, Kassandi’os, Ptolemaios, Seleukos, so ging die Sendung slg rou ßa- a-ikia in dem zweiten Decret entweder an Antigonos, zwischen 306 und 301, oder sie gehört, was minder wahrscheinlich, der Zeit nach dessen vergeblichem Kampf gegen Aegypten, gegen Rhodos an und bezeichnet den König Lysimachos, der die Gegenden am Hellespont (seit 302) und lonien in Besitz nahm; bis zu der Zeit, da diesen Seleukos besiegte und Herr der Küsten wurde (281), wird man, da noch drei spätere Decrete für denselben Malusios folgen, nicht wohl gehen können.

Jedenfalls hier in dem Bereich Phrygiens am Hellespont ist damit in dem Jahrzehent nach Alexanders Tod eine Föderation hellenischer Städte nachgewiesen ; sie ist gewiss nicht erst in den Wirren nach Alexanders Tod, nicht etwa von Leonnatos, Eumenes, Arrhabaios, Antigonos, die nach einander die Satrapie Phrygien am Hellespont inne hatten, begründet woi’den, vielmehr wenn erst in dem zweiten Decret slg rou ßixTt'kia vtts^ r-^g s7.svS^s^lag hcu avTouQiMng tmu 7to?-.swu gesendet wird, so scheint den Städten des Bundes das ihnen von Alexander zugestandene und gai-antirte Recht in eben jener Zeit der Wirren mannigfach verkürzt, ja auch nach dem grossen Freiheitsdecret des Antigonos von 315 (Diod. XIX. 61) und trotz des ausdrücklichen Artikels in dem Frieden von 311 (Diod. XIX. 105) noch weiter vorenthalten wor- den zu sein. Aus Diod. XX. 107. 2 sieht man, dass 302 Lysi- machos über den Hellespont ging und AaiJ.'paariuovg neu Hu^ia- uovg knovTiwg Trgor^siJLsuovg aeprfnsu i'XsvS's^ovg, %’uyBiov S’ erexg ep^ov^äv TTCi^sia-^ycxyB.

Sind wir bis jetzt auch ausser Stande eine zweite derartige Föderation unter den griechischen Städten Asiens als von Alexan- der gegründet nachzuweisen, so erhellt doch auf völlig sichere Weise, dass von ihm diesen Städten die Stellung freier Bundesge- nossen im Reich gegeben worden ist.

In der von E. Curtius edirten Inschrift von Erythi-ai (Monatsb. d. Berl. Acad. 1875 p. 554) heisst es in einem Schreiben Antiochos I an die Stadt: hidn Itt/ te "AXe^cxuS^ov neu ^ Avriyövov avrduoiJ.og Y/U neu exepooo}.dyYiTog yj 7rd?.ig vfXMu, ganz SO wie Strabo XIII. p. 593 von

') Doch findet sich in einem attischen Decret vom December 307 be- reits ßanJXiu AvTtj/oi/oi/ C. I. A. II. no. 238.

4*

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Geflammtsitzung

Ilion sagt: oly.ohoixlctig avcc'^.cißiiv Tr^OTTci^ai \}l^civh^o\>') 7c~g i7ztus?.v)- Tccig i/.£'j>ZTs^ciu y^ivcci y.ctl cupoocv,^)

Sehr beinerkenswertli ist nun, dass in dem eben angeführten Schreiben des Antiochus I an die Stadt Erythrai gesagt wird: der König wolle wie seine Vorfahren die Freiheit der Stadt bewahren T»jV CCjTOVC\xIcCV Cjx7u TVuSlC(~Y,2‘^‘T0IX£V y.CU CC(p0^c[Xoy\t^TOVg elvca (TVy- yjJJ^O'jJXEV TÜÜU TS CcXy.ÜDV CtTTcivTWU yC(\ [tUJU £<?] TU l'c(}.C<Tiyct Tvvayc-

fxsvuiv. Also auch die Kriegssteuer zur Bekämpfung der Galater wird ihnen erlassen. Eine andere Inschrift, die oben erwähnte der Nasioten, zeigt des Weiteren, dass es Fälle giebt, in denen auch diese freien Staaten zu zahlen verpflichtet sind. In die- sem Ehrendecret für Thersippos kommt zuerst in nicht mehr zu ergänzenden Zeilen der Name Alexanders vor, dann wird ge- sagt, dass nach dessen Tod unter Philipp III Thersippos ein Freund der Könige, der Strategen und der übrigen Makedonen bei Anti- patrOS ctyci\^iüv cttnog ysyovs ra Tvc>}.£f ’A[i'r«7ra]r^'»j yu^

STziTct^civTog y^oy^fxccTU slg \rotx 7tc7.six\ov stgtps^Yjv, ttccutwu tmv u/.}.u:[y siTCps^^oi'Twi^ Qs^TiTTTTog 7T^oT<y£i'04£eo[? TtDog TO«]? ßctTt/.t^ag y.Ctl ’Ai't/- Tiar^ov iy.o[v(piTS r«]u 7rö}.iu, sttocc^s 8s yctt rr^og KP.[£7roi^ 7ts^i\rug sig K.V7z^ov TT^nrslag y.ui [ovy o/.(yc<]g huTCcvctg slg \xiy.^ov TVi>ayciy\s ^yooi'ou^.

Es ist der Krieg von 322 und 321 gemeint, in dem Perdikkas sei- nen Untergang fand, und dieser Krieg, in dem Ptolemaios, Anti- patros, Krateros, Antigonos gegen die Usurpation des Perdikkas auftraten, ist wohl als Befreiung der Könige aus der frevelhaften

') Gegen die im Text entwickelte Ansicht scheint zu sprechen, wenn Plilt. Phoc. 18 angiebt, Alexander habe den 323 heimziehenden Krateros angewiesen TCTTapwi/ TroXauw iv ’Atri'u, Ktou, MuXaVo-wi», ’El.ataj fxiav

uv aipr,TUi TrapaJoüi^ai tu d’uxtuv't. Ael. V. H. 1. 25 nennt statt Gergethos Patara und braucht den Ausdruck im e^vj xap7roucr.&ai tu( sxtiSsv npoco^ov;. Von Kios giebt es autonome Münzen aus dieser Zeit. Ob Patara, Gergethos, Mylassa Städte in hellenischer Art waren, vermag ich nicht zu sagen. Waren sie es, so könnte man an einen Unterschied denken wie im deutschen Reich, wo die Kaiser in den einen Städten (Reichsstädten) Grund- und Hofherren waren und nutzbare Rechte besassen, für welche sie diese Städte verschenken, verpfänden, verkaufen konnten, in den andern nur die Huldigung als Kaiser empfingen, daher diese (freie Städte) nur einen Beitrag zu den gemeinen Ko- sten des Reiches schuldeten. Arnold, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte. 11. p. 415 fi‘.

vom 15. Februar 1877.

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Gewalt des Reicbsverwesers, als ein Reichskrieg angesehen worden, zu dem auch die freien Staaten pflichtig gegolten haben werden, während später die Abwehr der keltischen Invasion als die Pflicht des Königs angesehn sein mag.

Man wird annehmen müssen, dass nach der Schlacht am Gra- nikos das politische Verhältniss der befreiten Griechenstädte Asiens zum Reich durch Verträge geregelt worden ist. Dass in denselben Alexander in der Regel die völlige innere Autonomie der Städte anerkannt hat, zeigen die merkwürdigen Inschriften von Eresos über die Vertreibung und Bestrafung der Tyrannen und die in Betracht dieser Sache an die Stadt erlassenen Schreiben der Könige Alexander, Philipp, Antigonos (C onze, Reise nach der Insel Lesbos p. 35.). Freilich irgend Näheres über diese Verträge und namentlich über Einigungen der hellenischen Städte der asia- tischen Küste ergeben die bisher gefundenen Inschriften, so viel ich sehe, eben so wenig wie irgend sichere Spuren von Leistungen der- selben für den weiteren Kampf Alexanders gegen die Perser. Nur von Rhodos erfahren wir ein Weniges. Die Insel hatte, wie die andern Inseln bis zum Hellespont durch den antalkidischen Frieden Autonomie erhalten und sie mit Hülfe des karischen Satrapen und Dynasten Maussollos im Abfall von dem zweiten attischen Seehund behauptet; sie war dann, als Alexander über den Hellespont kam, auf Seite der Perser geblieben und hatte ihre Schilfe zu der per- sischen Flotte, die der Rhodier Memnon führte, gestellt. Als sich nach dem Siege bei Issos die persische Seemacht aufgelöst hatte und die makedonische Flotte Chios und Kos befreite, aus den Städten auf Kreta die dorthin gesandten Besatzungen des Spar- tanerkönigs vertrieb, hatte Rhodos zehn Schilfe zur Belagerung von Tyros gesandt wie die lykischen Städte und die Könige von Kypros, und dafür wurde ihnen allen von Alexander verziehen, c(8sia oTi ü7t’ cli'ciyy.Yig iJt.a77.ou ri aara yvwfji.y^u r^u crcpwu i^oy.oxju ^vurayJB'Yjuat ro7g Ili^Taig ig ro uavTiyou. Die makedonische Be- satzung die nach Rhodos gelegt wurde, ist wenigstens nach Gurt. IV. 8. 12 bereits Anfang 331 wieder abberufen worden.

Von besonderem Interesse würde es sein feststellen zu kön- nen, wie sich Alexander zu den lykischen Städten und zu ihrem althergebrachten Bunde verhielt. Dass sie in der Zeit des Maus- sollos der karischen Satrapie untergeben worden waren, lehrt eine gelegentliche Notiz in (Arist.) Oecon. H. 15; ihre Schilfe waren noch

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Gesammtsitzung

bei der persischen Flotte, als Alexander nach Lykien kam; die Städte ergaben sich ihm und er forderte nur von ihnen Tru^aSovvat Tug 7T0?.£tg Tcig in\ to’jtw 'T7sV.}.c}xivoig, y.ui 7rcc^£hoSr,Tca> ^vuttutui, Arr. I. 24. 6. Im Weiteren giebt derselbe an, dass Nearch zum Satrapen über Lykien und die daran grenzenden Landschaften bis zum Tau- ros bestellt worden sei, Arr. III. 6. 6. Dass der lykische Bund mit seinem Lykiarchen blieb oder erneut wurde, ergeben Inschriften, die man unbedenklich der Zeit der Diadochen zuweisen darf. Dass goldene wie silberne Münzen von Alexander und Philipp Arrbi- daios mit der Bezeichnung AY, Tetradrachmen Alexanders wenig- stens von der IV. Classe, vorhanden sind, scheint zu erweisen, dass der Bund der Lykier nicht als Staat, aber doch als in inne- ren Angelegenheiten autonome Föderation fortbestand; ob es eine Bedeutung oder welche es hat, dass nicht mehr das alte Dreibein oder Vierbein als Wappen des Bundes auf den Münzen erscheint, vermag ich nicht zu beurtheilen.

Noch unklarer sind die Verhältnis.se Pamphyliens. Nach Arr.

I. 26 und 27 sollte man vermuthen, dass Alexander dort ein ande- res System befolgte als bisher. Die Städte Aspendos, Side, Syl- lion u. s. w. die ihres griechischen Ursprungs nicht mehr eingedenk waren und unterhandelnd ihn zu täuschen versuchten, wurden an- gewiesen dem Satrapen zu gehorchen, den er bestellen werde, und Tribut zu zahlen. Aber Tetradrachmen mit Alexanders Gepräge von Aspendos (AS) Philomelion (4>) von Syllion (^lA) findet L. Müller erst in der V. und VI. Classe und zwar mit Jahreszahlen bis 31, 28, 33; und wenn autonome Tetradrachmen von Side von 17,02 bis 16,78 Gr., also nach dem Münzsystem Alexanders, ange- führt werden (die Citate bei Brandis, p. 496) so vermag ich nicht zu sagen, ob sie älter als die Münzen der V. und VI. Classe sind.

Nicht aus den schriftlichen Überlieferungen, wohl aber aus den erhaltenen Münzen lässt sich mit einiger Sicherheit entnehmen, dass das für Pamphylien noch zweifelhafte andere System in dem städtereichen Kilikien, in Syrien, an der phoinikischen Küste in Anwendung gekommen ist. Mehr noch als die Alexandertetra- drachmen dieser Gebiete, die nach Müllers Ansicht sämmtlich der

II. III. IV. Classe angehören, erhellt dies aus dem dritten Münz- funde von Saida.

Beim Umgraben eines Gartens nahe bei dem alten Sidon wur- den 1863 über 3000 Stateren gefunden, von denen Weckbecker,

vom 15. Februar 1877.

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der östreichische Generalconsul dort, noch ehe der Fund zerstreut Y'urde, 1530 Stücke untersuchen und verzeichnen konnte (Bericht in Eggers Numism. Zeit. 1865 I. 1.) Schon 1829 und 1852 waren in demselben Garten bedeutende Münzfunde gemacht worden, namentlich der von 1852 wurde auf etwa 3000 Goldstücke Alexan- ders, einige Hundert mit dem Namen Philipps II. angegeben, doch sind von beiden Funden nur einzelne Stücke in europäische Samm- lungen gekommen. Unter den 1863 gefundenen, mit wenigen Aus- nahmen Stateren Alexanders, Avaren mehrere im palästinischen Ake geprägte mit den Jahresziffern 23 und 24; diese wie die zahlreichen von Sidon „noch rauh“, sagt Weck heck er in seinem Bericht, „wie sie eben vom Prägstock gekommen zu sein schienen“. Also waren sie wohl, ohne erst viel in Circulation gewesen zu sein, und bald nach dem 24. Jahr der Aera Alexanders, nach der in Ake gerech- net wurde, d. h. nach 310 vergraben worden. Ausser den Gold- stücken Alexanders, die man nach ihren Beizeichen in den phoini- kischen und in den Städten Makedoniens, Thrakiens, Thessaliens, geprägt erkannte, fanden sich unter den 1530 Stücken 2 von Alexanders Vater Philipp, 2 von dem König Pnytagoras im ky- prischen Salamis, ferner von autonomen Stadtmünzen 2 Stateren von Kios, 1 von Pantikapaion, 1 von Rhodos. Waddington, der ausser dem Bericht Weckbeckers auch den des Hrn. Peretie, des Kanzlers beim französischen Consulat in Beirut, benutzte (Revue numism. 1865 p. 1 ff.) zählt 7 Stateren A'on Kios, 2 von Rhodos auf und fügt noch ein Paar Münzen, die aus den früheren Funden stammen, hinzu; namentlich einen Stater von Philippoi in Make- donien von autonomen Gepräge, einen zweiten ebeufalls autonomen, der durch das Palladion als nach Ilion gehörig zu erkennen ist. Es verdient angeführt zu werden, dass mehrere Stateren von Phi- lipp III. Arrhidaios, die mit der Sammlung von Prokesch in das Berliner Münzcabinet gekommen sind und über deren Provenienz der Sammler keine Notiz hinterlassen hat, ganz die charakteristi- sche Rauhigkeit der sidonischen Goldstücke dieses Fundes haben, Prokesch hat in der 1859 herausgegebenen Schrift „Inedita mei- ner Sammlung“ noch keins von diesen Goldstücken angeführt, so dass es nahe liegt, auch diese dem Funde von 1863 zuzuzählen. Der Umstand endlich, dass sich in dem Funde von 1863 keine Königsstateren von Ptolemaios, Lysimachos, Kassandros, keine von Antigonos fanden, der doch in Syrien und Phoinikien Herr war.

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Gesammtsitzung

macht es in hohem Maasse wahrscheinlich, dass der Schatz zu einer Zeit vergraben worden ist, da es solche Königsmünzen noch nicht gab, d. h. vor der Schlacht bei Salamis 306, in Folge deren erst der Sieger, dann auch die Besiegten sich Könige nannten. Demnach wäre dieser Schatz zwischen 310 und 306 vergraben.

Aus dem Thathestand, den dieser Münzfund umschliesst, erge- ben sich mehrfache Bestätigungen für das früher Gesagte. Na- mentlich treten die beiden Systeme, nach denen sich die Städte in ihrem Verhältniss zum Reich unterscheiden, deutlich hervor. Dass Philippoi in Makedonien hier mit autonomen Stateren erscheint, bestätigt die Freiheit und Autonomie dieser innerhalb des makedoni- schen Gebietes von Philipp II. begründeten Bergstadt, die man früher schon aus den Silbermünzen derselben kannte, die nach rhodischem Fuss, d. h. vor 336, geprägt sind. Wie diese Stadt, so gehören auch die Staaten des korinthischen Bundes, auch Byzanz und Rhodos, auch die kleinasiatischen Griechenstädte, die kyprischen unter ihren Königen zum Reich, aber sie sind gleichsam reichsunmittelbar, d. h. sie stehen nicht unter den Satrapen, den territorialen Reichs- beamten, auch dann nicht, wenn sie, wie Rhodos, zeitweise make- donische Besatzung haben. Und andererseits, auch die Städte Thes- saliens und Makedoniens mit Ausnahme von Philippoi, unter dem königlichen Epimeleten, auch die Kilikiens, Phoiiiikiens haben ihr selbstständiges Gemeinwesen, zum Theil unter eigenen Königen wie Sidon, aber sie sind den königlichen Satrapen untergeben, sie sind gleichsam landsässige Städte. Es ist nur die Fortsetzung dieses Systems, wenn die griechischen Städte der Kyrenaika, als Alexander nach dem Ammonion zog, in die Bundesgenossenschaft Alexanders traten, (pt}.lcu> xu\ rvfxixuf^ua> (tvuiB’sto n^og «OroO? Diod. XVII. 49, und es mag als ihre Leistung für den Bundeskrieg ge- gen die Perser angesehen werden dürfen, wenn sie dem Könige

300 Kriegsrosse und fünf Viergespanne stellten.

Die technischen Ausdrücke für diese mannigfachen Rechtszu- stände sind in unserer Überlieferung nicht so scharf und klar, dass man danach das staatsrechtliche Verhältniss im einzelnen Fall feststel- len könnte; von den Lydern heisst es: Toig vofxoig rolg tt«?.«« AoSwe

sSwüE i}.Ev-y'i^ovg slucu aipi]y.zv (Arr. 1. 17. 4.), aber

trotz der stehn sie unter einem Satrapen; und so ent-

schieden den Städten Joniens die Autonomie gewährt wird, sie müssen sämmtlich die Oligarchie aufgeben und Demokratie ein-

vom 15. Februar 1877.

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führen (Arr. 1. 18. 2). Aus der Analogie der von den Römern gemachten Institutionen wird man keine Schlüsse auf die Zeit Alexanders machen, wohl aber auf Verhältnisse des ersten atti- schen Seehundes hinweisen dürfen, in dem, wie schon jetzt die In- schriften erkennen lassen, die Abhängigkeit der Bündner in den mannigfaltigsten Formen entwickelt war.

IV.

Noch für eine andere Frage scheint der Münzfund von Saida einige Auskunft zu geben, für die der Provinzialverwaltung im Reich Alexanders, wie wir sie in der Einleitung bezeichneten.

Dass der Name Satrap in dem Reich Alexanders beibehalten worden ist, steht jetzt auch urkundlich fest, so durch die Inschrift der Priester von Pe und Jep (Lepsius Zeitschr. für aegypt. Sprache IX. 1871. p. 1 ff.), in der Ptolemaios, der redend eingeführt wird, sich Satrap (^sati'apen) nennt. Es fragt sich, ob Alexander mit dem Namen auch die Functionen Hess, die den Satrapen im Per- serreich zugestanden hatten, oder ob er eine neue Organisation schuf, auf die nur der alte Name übertragen wurde.

Wenigstens einzelne Anführungen bei Arrian zeigen, dass Ale- xander die Phorologie und das Militaircommando oft von der Sa- trapie trennte, dass er in einzelnen Gebieten, z. B. in Aegypten, in dem Auseinanderlegen der Functionen der öffentlichen Gewalt noch weiter ging. In der Art, wie die schon früher angeführten OtxouofMHct das Wesen der Satrapenverwaltung, der königlichen und der der Politien gegenüber, beschreiben, dürfte wohl nicht das persische System, sondern die von Alexander eingeführte Compe- tenz der Satrapen zu erkennen sein; es werden für die satrapische Oekonomie als wesentliche Einnahmequellen angeführt: die von

dem Boden als die wichtigste, also die Grundsteuer, die als 8s>cdr-/i bezeichnet wird, dann die von den Bergwerken des Landes, die von den Häfen, die Abgaben von den Erträgen des Ackers und des Marktverkehrs, die von den Heerden, endlich Kopfsteuer und Gewerbesteuer; Münzrecht Avird in dieser Reihe nicht erwähnt, sondern nur in der königlichen Oekonomie.

Im Perserreich hatten nicht bloss Dynasten und tributpflich- tige Städte auch Geld geschlagen, und zwar Gold so gut wie Sil-

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Gesammtsitzung

ber; sondern auch von den Satrapen des Reiches giebt es zahlreiche Münzen, von Pixodaros und einem ungenannten in Larnpsakos auch goldene; und dass die Satrapen nicht erst mit dem Verfall der könig- lichen Autorität sich das Münzrecht angemasst haben, zeigt die be- kannte Angabe des Herod. IV. 16G, dass Dareios, der eigentliche Be- gründer des persischen Verwaltungsorganismus, den ägyptischen Sa- trapen Aryandes hinrichten liess, nicht weil er Silbergeld schlug, sondern weil er es feiner ausbrachte als die königlichen Münzstät- ten, worin der König Empörungsgelüste des Satrapen zu erkennen glaubte.

Aus Alexanders Zeit findet sich nicht die geringste Spur von Münzen seiner Satrapen. Man wird annehmen dürfen, dass er ent- weder in seinen Städten, unter Verantwortung der städtischen und vielleicht königlicher Beamten, oder durch seine Schatzmeister Har- palos, Philoxenos u. s. w., gewiss oft genug in seinem Hof- und Feldlager prägen liess. Wir sahen bereits, dass sich in dem Schatz von Saida, der nach dem Jahre 310 vergraben worden ist, auch nicht Eine Satrapenmünze fand. Wie heftig vom Tode Alexanders an die Grossen des Reiches gegen einander ringen, wie schwach Philipp Arrhidaios und der junge Alexander als Könige sein moch- ten, die Autorität und Einheit des Reichs, von den Reichsverwesern vertreten, war der Rechtstitel, mit dem nach einander Perdikkas und Eumenes, Antipatros, Polysperchon, Antigonos dem Ehrgeiz der Satrapen und anderer territorialer Beamtungen entgegen traten, ein Rechtstitel immer noch von hinlänglicher Bedeutung, um den- selben wenigstens die formelle Beschränkung auf ihre amtliche Com- petenz rathsam erscheinen zu lassen. Selbst als der junge Alexan- der durch Kassandros 311 ermordet und damit das legitime Königs- geschlecht erloschen war, wagte keiner der Grossen auszusprechen, dass nun das Alexanderreich ein Ende habe; man fuhr fort, wie ägyptische Documente zeigen, nach den Jahren des jungen Alexan- der zu datiren, der schon todt war; man fuhr fort Münzen auf sei- nen oder Philipps III. oder des grossen Alexander Namen zu prä- gen, wenn auch in bescheidenen Beizeichen, wie immer schon die Städte gethan hatten, nun auch die mächtigeren Satrapen zeigten, dass sie die prägenden seien, so Lysimachos mit dem Vordertheil eines Löwen und AY (L. Müller, Münzen des Lys. no. 1 36), so Seleukos mit dem Anker (L. Müller Num. d’Alex. no. 1355 1358, 1491 1514), so Ptolemaios vielleicht mit dem Widderkopf

vom 15. Februar 1877.

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des Chnubis (no. 1515 1517), mit dem Isiskopf (no. 1518), siche- rer mit dem Adler, der auf dem Blitz steht (so auf seinen Gross- stücken mit der Athene Promachos und dem Alexanderkopf, der mit der Elephantenhaut bedeckt ist). Erst als Antigonos der Reichsverweser über den Satrapen von Aegypten, der sich in den Besitz von Kypros gesetzt hatte, an der Küste der Insel bei Sala- mis den glänzendsten Sieg gewonnen hatte und nun das Diadem des Reiches und den Königstitel annahm, folgten die Gegner des Siegers, zuerst wohl Kassandros und Lysimachos, dann auch Se- leukos und Ptolemaios selbst dem gegebenen Beispiel. Das galt dem Antigonos als Usurpation und in neuen Kämpfen versuchte er dieselbe nieder zu werfen. Erst als er in der Schlacht bei Issos den Sieg und das Leben verlor, hatte das Reich Alexanders ein Ende.

Dieser charakteristische Gang der Entwickelung erklärt zu- gleich die Thatsache, dass von keinem der zahlreichen anderen Satrapen der Lande bis zum Indus uud Jaxartes nach Alexanders Tod Münzen vorhanden sind; der Name des Reiches hielt so lange, bis die Theilfürsten Seleukos im oberen Asien, Ptolemaios in Aegyp- ten, Lysimachos und Kassandros in Europa so weit erstarkt wa- ren, die Autorität, die das einige Reich gehabt hatte, für ihr Dia- dem (^WTcivsi Tiva ßcij-i}.slccu hoolurrjov, Diod. XIX. 105. 3) geltend zu machen und sie gegen die Satrapen und Strategen in ihrem Machtbereich aufrecht zu erhalten.

Es ist bekannt, dass demnächst in dem Reich der Lagiden ein anderes Münzsystem eingeführt worden ist, das im 'Wesent- lichen auf den alten Münzfuss der phoinikischen Städte zurückging. Die oben angeführte Tetradrachme mit der Athene Promachos und dem Alexanderkopf mit Elephantenhaut und Ammonshorn hat nicht mehr das Gewicht der Tetradrachmen Alexanders 17,05 17,20 Gr., sondern nur 15,52 Gr., eine Tetradrachme mit FITOAEMAIOY S£2THPO$, die man wegen des K0 im Felde dem Jahre 29 der philippischen Aera (295) zugeschrieben hat, wiegt 14,2 Gr., eine andere, die für tyrisch gilt, mit FITOAEMAIOY BASIAEflS 14,25 Gr. Wäre die Zutheilung dieser und ähnlicher Münzen an Ptole- maios I. sicherer, als sie ist, so würde man erkennen können, ob er erst als König und wann einen neuen Münzfuss in seinen Lan- den eingefübrt hat.

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Gesammtsitzumj vom 10. Februar 1877.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Jfevue archeologique. Nouv. Serie. 18. Aiinee. I. Janv. 1877. Paris. 8.

The Arneriean Journal of Science and arts. 3. Series. V'^ol. XIII. N. 74. New Haven 1877. 8.

K. Akademie der Wissenschaften in Wien. Jahrg. 1877. N. IV. Sitzung der math. naturw. Classe. 8.

Revue scientifiquc de ln Franee et de l'efranger. N. 33. Paris 1877. 4.

Hyde Clarke, Serpent and Siva Worship and Mythologg. London 1876. 8. Bulletin de la societe de gtographie. Decbr. 1876. Paris. 8.

(J/cersigt af Kong. Vetenskaps Akademiens Förhandlingar. 33. Arg. 1876. N. 7. 8. Stockholm 1876. 8.

Annales de chimie et de physique. 5. Ser. Janv. 1877. T. X. Paris 1877. 8. Monthly Notices of the R. astronomical Society. Vol. XXXVII. N. 3. Jan. 1877. 8.

126. ISO. Publikation des litterarischen Vereins in Stuttgart. Tübingen 1876. 8.

Monumenta Germaniae historica. Script, qui vernacula lingua usi sunt.

Tomus II. F asc. II. Deutsche Chroniken. 2. Bd. Hannover 1877. 4.

Memoires de V Academie des Sciences de Dijon. 3. Ser. T. 2. 3. Annee 1874 1876. Dijon 1874. 1876. 8.

G. Salmon, Dessous introductory to the modern higher Algebra. 3. Ed. Dublin 1876. 8. Vom Verf.

Memoires de l' Academie des Sciences, helles lettres et arts de Lyon. Classe des Sciences. T. 21. Paris & Lyon 1875 1876. 8.

Commission de Meteorologie de Lyon. 1874. Annee 31. ib. 1876. 8. Annales de la Societe Linneenne de Lyon. Annee 1875. (N. Serie.) T. 22. ib. 1876. 8.

Annales de la Societe d' agriculture de Lyon. Serie IV. T. VII. 1874. ib. 1875. 8. Mit Begleitschreiben.

The numismatic chronicle. 1876. Part III. N. Ser. N. 63. London 1876. 8. Melanges asintiques. T. VII. Livr. 4 6. St. Petersbourg 1876. 8.

Alterthümer. Arbeiten der Moskauer archäol. Gesellschaft. T. VI. Bog. 20-37 & Protokolle Bog. 7. 8. Moskau 1876. 4. russ.

Proceedings of the R. Society. Vol. XXIV. N. 164 170. Vol. XXV. N. 171 174. London 1875/76. 8.

Philosophical Transactions of the R. Society of London; for 1876. Vol. 166.

P. 1. 2. London 1876. 4.

The R. Society SO. Nov. 1875. 4.

Dun Echt Observatory Publications. Vol. I. Dun Echt Aberdeen. 1876. 4. Überreicht durch Lord Lindsay.

Sitzung der phys.-math. Klasse vom 19. Februar 1877.

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19. Februar. Sitzung der physikalisch -mathemati- schen Klasse.

Hr. A. W. Hofmann machte eine Mittheilung:

Zur Kenntniss der Xylidine.

Vor einigen Jahren habe ich gezeigt, dass sich im Methyl-, Aethyl- und Amylanilin durch starkes Erhitzen ihrer Chlor-, Brom- oder Jodhydrate eine Verschiebung des Alkoholradicals aus der Amidgruppe in den Benzolkern bewerkstelligen lässt, so zwar, dass aus den secundären Monaminen primäre von höherem KohlenstofF- gehalt entstehen:

CsH^NHC Hs = (CeH.CHs) H^N Cs Hs NH C, Hs = (Cs H, Cs Hs) H^ N Cs Hs NH Cs Hu = (Cs H, Cs H„) H^ N.

Neuerdings habe ich diese Versuche wieder aufgenommen, einer- seits um die noch wenig erforschten höheren Homologen des Anilins einem genaueren Studium zu unterwerfen, andererseits aber, um die zahlreichen Nebenproducte, welche bei so hoher Temperatur ent- stehen — die Reaction vollzieht sich bei 300 bis 330° näher kennen zu lernen.

Für die Darstellung der höchsten Homologen des Anilins, der Amine z. B. mit vier- und fünffach methylirter Phenylgruppe, schien es zweckmässig, nicht von dem Anilin selbst auszugehen, sondern vielmehr die in den rohen Anilinölen bereits vorhandenen, mehrfach methylirten Amine, also die verschiedenen Toluidine, namentlich aber Xylidine anzuwenden, insofern in dieselben nur noch eine geringere Anzahl von Methylgruppen einzuführen war.

Ich behalte mir vor, später eingehender über diese Versuche zu berichten, und will heute nur einige Beobachtungen mittheilen, welche bei der Darstellung der Xylidine gemacht wurden. Ange- sichts der verschiedenen Isomeren, welche die Theorie hier in Aus- sicht stellt, war es vor Allem wünschenswerth, über eine grössere Quantität Material zu verfügen, und ich ergreife mit Vergnügen die Gelegenheit, Hrn. Weiler meinen verbindlichsten Dank für die lie- benswürdige Bereitwilligkeit auszusprechen, mit welcher mir der- selbe nicht nur grössere Mengen hochsiedender Anilinöle, welche

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Sitzung der plnjuikalisch-mathematischen Klasse

sich in der Fabrikation angesammelt hatten, zur Verfügung gestellt, sondern auch erlaubt hat, dieselben in seinen Werkstätten in Ehren- feld selbst zu verarbeiten. Bei diesen Versuchen in grösserem Maass- stabe habe ich mich der ebenso thatkräftigen wie kenntnissvollen Mitwirkung des Chemikers des Etablissements, Hrn. L. R. Braun, zu erfreuen gehabt, dem ich gleichfalls zu bestem Danke verpflich- tet bin.

Da ich mich, in Folge dieser glücklichen Combination, etwas eingehender mit der Untersuchung der hochsiedenden Anilinöle be- schäftigen will, so habe ich vor Allem die schon sehr umfassende und etwas zerstreute Literatur des Gegenstandes genauer durchge- sehen, und es möge hier zunächst das über Xylidin Vorliegende kurz zusammengefasst werden.

Ein Xylidin ist zuerst von Cahours^) (1850) aus dem bei 128 130° siedenden Kohlenwasserstoffe des Ilolzgeistes erhalten worden; später hat Church^) (1855) die Base aus bei 128° sie- dendem Steinkohlenxylol dargestellt. Von beiden liegen indessen nähere Mittheilungen über den Körper nicht vor. Die erste Angabe über den Siedepunkt des Xylidins rührt von Deumelandt^) (1867) her. Das von ihm untersuchte Xylidin stammte von einer bei 240° siedenden Nitroverbindung, welche aus einem bei 140° siedenden Steinkohlenxylol erhalten worden war. Das so gewonnene Xylidin siedete bei 214 216°. Mit Salzsäure bildete es ein leicht kry- stallisirbares Salz. Etwas später (1869) haben wir, Hr. Martins und ich '*), grössere Mengen Xylidin aus dem hochsiedenden Ani- linöl dargestellt. Zur Reinigung diente ein ziemlich schwerlösliches, leicht krystallisirbares Nitrat. Aus dem vielfach umkrystallisirten Salze wurde die Base vom Siedepunkte 212° abgeschieden. Von der durch Nitrirung und Amidirung von Aethylbenzol dargestellten Base, von gleicher Zusammensetzung und gleichem Siedepunkt, unterschied sich dieses Xylidin durch seine Fähigkeit, bei der Oxy- dation in Gegenwart von Anilin einen rothen Farbstoff zu liefern, welche dem aus Aethylbenzol dargestellten Körper völlig abgeht.

D Cahours, Compt. Rend. XXX, 319.

2) Church, Phil. Mag. [4] IX, 453.

2) Deumelandt, Zeitschr. f. Chem. 1866, 21.

Martius und Hofmann, Monatsbericlite 1869, 558.

vom 19. Februar 1877.

49

Von einem aus ähnlicher Quelle wie das unserige erhaltenen Xyli- din hat später Genz^) die Acetverbindung dargestellt; als Schmelz- punkt des Acetkörpers giebt er 112 113° an. Die Existenz zweier isomerer Xylidine wurde zuerst durch die Untersuchungen von Tawil- darow^) (1870) angedeutet. Er stellte aus gereinigtem Steinkohlen- xylol Nitroxylol («) und aus diesem Xylidin dar, dessen Vol.-Gew. bei 18.5° zu 0.985, dessen Siedepunkt bei 216° gefunden wurde. Es bildete eine bei 123° schmelzende Acetyl Verbindung. Das Xylol wurde alsdann in eine wohlcharakterisirte krystallisirte Dinitro- verbindung (Schmelzpunkt 93°) verwandelt, aus dieser durch Par- tialreduction das bei 123° schmelzende Nitramin gewonnen und letzteres durch die Diazoverbindung hindurch in ein neues Nitro- xylol (,ö) übergeführt, welches in der Kälte erstarrte, bei -1-2° schmolz und bei 237° siedete. Von dem aus /3-Nitroxylol durch Reduction entsteheuden Xylidin (/3) wird nur bemerkt, dass es gleichfalls eine bei 123° schmelzende Acetverbindung liefert. Der Siedepunkt des /3-Xylidins ist nicht angegeben, auch fehlen ander- weitige, charakteristische Unterscheidungsmerkmale, so dass die Ver- schiedenheit vorzugsweise aus der verschiedenen Natur der Nitro- xylole erschlossen zu sein erscheint, von denen beide Basen ab- stammten.

Bei einer Darstellung des Xylidins im Grossen, welche wir Hr. Braun und ich, in der Weiler’schen Fabrik ausführten, wur- den 42 Kg. eines zwischen 200 und 240° siedenden Rohöls mit dem gleichen Gewicht Salpetersäure von 36° B. (1.3003 Vol.-Gew.) langsam gemischt; die sehr heiss gewordene Flüssigkeit hatte nach dem Erkalten reichliche Mengen eines röthlich gefärbten Salzes aus- geschieden, welches, in Leinwandsäcken gesammelt, in einer Centri- fuge ausgeschleudert wurde. Man erhielt auf diese Weise 50 Kg. eines nahezu weissen Salzes. 40 Kg. dieses Salzes wurden in Wasser vertheilt und durch einen Dampfstrom in Lösung gebracht. Die erkaltete Lösung hatte eine zweite Krystallisation abgesetzt, welche nach dem Ausschleudern 25 Kg. wog.

Durch diese Behandlung war eine bemerkenswerthe Scheidung erfolgt. Als man die letzterwähnte Krystallisation mit Nati’onlauge

*) Genz, Ber. Chem. Ges. II, 686.

Ta wil dar ow, Ber. Chem. Ges. II, 533. Zeitschr. f. Ciiem. 1870.418.

50

Sitzung der- physikalisch-mathematischen Klasse

zersetzte, wurde ein zwischen 202® und 230° destillirendes, basi- scIjos Öl erhalten, welches nicht nur mit Salpetersäure, sondern auch mit Salzsäure alsbald Krystalle lieferte; die aus der Mutter- lauge der zweiten Krystallisation abgeschiedene Base, zwischen ähnlichen Temperaturgrenzen siedend, gab noch, wie dies nicht anders zu erwarten war, mit Salpetersäure ein krystallinisches Salz; dagegen lieferte sie mit Salzsäure keine sofort krystallisirende Ver- bindung. In der aus der Mutterlauge der ersten Krystallisation abgeschiedenen Base brachte weder Salpetersäure noch Salzsäure eine krystallinische Ausscheidung hervor.

Man war auf diese Weise zu zwei wesentlich von einander verschiedenen Xylidinen gelangt, von denen das eine ich will es für den Augenblick «-Xylidin nennen sowohl ein schwerlösliches Nitrat wie auch Chlorhydrat liefert, während das zweite es möge vorläufig /3 -Xylidin heissen ein schwerlösliches salpetersaures, aber ein leicht lösliches salzsaures Salz bildet.

Ich habe zunächst nur das erstere genauer untersucht.

«-Xylidin.

Das Salz, welches oben als „zweite Krystallisation“ bezeichnet wurde, hatte bei der Behandlung mit Alkali ein Öl geliefert, wel- ches wie bereits bemerkt, zwischen 202 und 230° destillirte, also weit entfernt war, ein einfaches Product zu sein. Die grössere Menge des Öls siedete zwischen 208 und 216°, und es war somit nicht zu bezweifeln, dass es reich an Xylidin war, allein wie oft man fractionirte, es gelang nicht einen constanten Siedepunkt zu erhalten. Da der Versuch gezeigt hatte, dass sich das Öl leicht acetyliren Hess, so suchte nian auf diesem Wege eine reine Verbin- dung zu erreichen, was auch ohne Schwierigkeit gelang. Nach 3 4stündigem Kochen mit Eiessig verwandeln sich die Basen in ein Gemenge von Acetverbindungen, welches beim Erkalten zu einer schönen Krystallmasse erstarrt. Mit jeder Umkrystallisation dieses Gemenges aus siedendem Wasser steigt der Schmelzpunkt der beim Erkalten sich abscheidenden Krystalle, bis er endlich bei 127 bis 128° constant wird.

Das so erhaltene reine Acetxylidid stellt schöne weisse, ab- geplattete, mehrere Centimeter lange Nadeln dar, welche in heissem Wasser ziemlich leicht, viel weniger löslich in kaltem sind. In Alko-

vom 19. Februar 1877.

51

hol lösen sie sich leicht. Wird das Xylidid einige Stunden lang mit concentrirter Salzsäure gekocht, so hat es sich unter Rück- bildung von Essigsäure in salzsaures Xylidin verwandelt. Man erkennt den Übergang alsbald daran, dass die beim Erkalten aus- geschiedene Krystallmasse sich in Wasser auch schon in der Kälte löst. Die aus dem Salze ausgeschiedene Base ist ein farbloses, aber schnell dunkelndes Öl, welches bei 212° (uncorr.) absolut constant siedet; (das Thermometer zeigte im Anilindampfe 185°, im Naphtalindampfe 218°.) Das Vol.-Gew. dieser Base ist 0.9184 bei 25°. Dass man es in der That mit Xylidin zu thun hatte, ergab sich aus der Analyse des in schönen Nadeln krystallisiren- den Platinsalzes. Der Formel

C,6H24NoPtCl6 = [CeH3(CH3)2NH2,HCl].,PtCl4

entsprechen :

Theorie Versuch

I. II.

Platin 30.16 30.02 30.11.

Ein Xylidin von genau denselben Eigenschaften wie das aus den hochsiedenden Anilinen dargestellte ist das durch Methylirung des Paratoluidins bei hoher Temperatur gewonnene. Die durch Erhitzen von salzsaurem Paratoluidin mit Methylalkohol auf 300° gebildete Base,

Theorie Versuch

Platin 30.16 30.02,

liefert mit Eisessig dasselbe bei 127 128° schmelzende Acetyl- derivat.

Ich halte es für wahrscheinlich, dass das Xylidin, welches wir, Hr. Martins und ich, vor mehreren Jahren in Händen hatten, ob- wohl es denselben Siedepunkt (212°) zeigte, dennoch wohl nur ein Gemenge von «- und /3-Xylidin gewesen sein mag. Ich besass leider keine Probe mehr davon, um die Acetverbindung darzu- stellen. Die Angaben Deumelandt’s und Tawild aro w’s über die Eigenschaften des Xylidins stimmen mit meinen Beobachtungen nicht vollkommen überein, obwohl sie denselben nahe kommen, so dass ich es für den Augenblick unentschieden lasse, ob diese Che- miker mit demselben oder einem anderen Xylidin gearbeitet haben.

[1877] ö

52

Sitzuj)r/ der 2^^iysi^'<-^fisch-matheuiatischen Klasse

Da mir durch die mit lirn. Braun im Grossen ausgefülirten Yersuclie eine erhebliche Menge von reinem u-Xylidin zur Ver- fügung stand, so sind einige Derivate dieses Körpers dargestellt worden.

Dirylylsul/ohamstoj}' wird durch Digestion von Xylidin mit Schwefelkohlenstoft' am Rückllusskühler, bis sich kein Schwefel- wasserstoff mehr entwickelt, erhalten. Der Körper ist in Wasser vollkommen unlöslich, auch in Alkohol, selbst in der Siedhitze löst er sich nur spärlich. Beim Erkalten setzen sich blendend weisse, harte Krystalle ab, welche bei 152° bis 153° schmelzen. Der Formel

CS [NH . CoHaCCHa),], = C„HaoN.S

entsprechen:

Theorie Versuch

Kohlenstoff' 71,83 72.40

Wasserstoff’ 7.04 7.29

Xylylsenfül. Der Xylyl-Sulfoharnstoff' geht bei der Destillation mit wasserfreier Phosphorsäure, gerade so, wie ich dies früher bei dem Diphenylsulfoharnstoff' gezeigt habe, in das entsprechende Senföl über. Durch Salzsäure wird der Sulfoharnstoff' nicht verändert. Das aromatisch nicht unangenehm riechende Senföl des «-Xylidins ist bei gewöhnlicher Temperatur ein starrer Körper, der aber schon bei sehr niedriger Temperatur schmilzt. Ich habe bisher keine hin- reichende Menge dargestellt, um den Schmelz- und Siedepunkt mit Zuverlässigkeit bestimmen zu können. Doch will ich hier bemer- ken, dass ich ein Senföl schon früher aus dem von Hrn. Marti us und mir dargestellten Xylidin gewonnen hatte. Das Präparat war in meinen Noten als eine Flüssigkeit verzeichnet; als es aber bei dieser Gelegenheit mit dem aus reinem «-Xylidin dargestellten Senföl verglichen wurde, zeigte es sich, dass das Öl schöne äusserst leicht schmelzbare Krystalle abgesetzt hatte, ein hin- reichender Beweis, dass man damals mit einer Mischung von Xy- lidinen gearbeitet hatte.

Dixylylguanidin. Die Entschwefelung des SulfoharnstotTs mit Bleioxyd in Gegenwart von alkoholischem Ammoniak erfolgt mit grosser Leichtigkeit. Verdampft man die vom Schwefelblei abtil- trirte Flüssigkeit zur Trockene und krystallisirt alsdann mehrfach aus heissem Alkohol um, so erhält man feine, weisse, in Wasser

vom 19. Februar 1877.

53

vollkommen unlösliche Nadeln, welche bei 156 158°, aber Avie es scheint nicht ohne Zersetzung schmelzen. In Säuren löst sich das Xylylguanidin auf; es bildet aber keine besonders gut krystallisir- ten Salze. Die Formel

CNH[NH.CeH3(CH3)o]. =

wurde durch die Analyse bestätigt:

Theorie '

V ersuch

Ci7

204

76.40

76.22

H30

21

7.87

8.37

N3

42

15.73

267

100.00

Auch in Gegenwart des Xylidins wird die alkoholische Lösung des Sulfoharnstoffs durch Bleioxyd entschwefelt. Das so gebildete Trixylguanidin habe ich noch nicht näher untersucht.

NitracetxijUdid. Die mehrfach erwähnte Acetverbindung wird in kleinen Portionen in eine abgekühlte Mischung von 5 Th. rau- chender und 1 Th. gewöhnlicher Salpetersäure eingetragen. Die auf Zusatz von wenig Wasser aus der Lösung gefällte krystallini- sche Masse liefert, aus siedendem Wasser krystallisirt, gelbliche Nadeln, welche nach mehrmaligem Umkrystallisiren den constanten Schmelzpunkt 172 173° zeigen. Auch aus Alkohol, in dem sie leichter löslich sind, lassen sie sich umkrystallisiren. Die Formel

CcHo(CH3).3N03NH(C2H30) = C,oH,3N203 wurde durch die Analyse festgestellt:

Theorie Versuch

Kohlenstoff 57.69 57.75

Wasserstoff 5.77 5.83

Eine Bildung Isomerer bei der Einwirkung der Salpetersäure auf das Acetxylidid wurde nicht wahrgenommen.

Nitro.vylidin (Nitramidoxijlol) entsteht aus der vorigen Verbin- dung, wenn dieselbe mit concentrirter Salzsäure gekocht wird, bis die Lösung eine tiefrothe B^arbe angenommen hat. Setzt man als-

54

Sitzung der physikalisch-mathentatischen Klasse

dann Wasser zu, so scheidet sich eine krystallinische Masse aus, welche beim Unikrystallisiren aus siedendem Wasser oder aus Al- kohol in schöne, orangerothe Nadeln von dem Schmelzpunkte G9° übergeht. Schwerlöslich in kaltem Wasser, viel leichter in kaltem Alkohol; Wärme erhöht die Löslichkeit in beiden. Das Nitro- xylidiu ist der Salzbildung noch fähig, die Salze werden aber scbon durch viel Wasser zersetzt. Von siedender Natronlauge wird die Base nur äusserst langsam angegriflen. Die b'orinel ist

C6H^(CIl3)a NO2NH2 = CgHioN^Oj:

Theorie Versuch

Kohlenstoff 57.83 57.74

Wasserstoff G.02 G.09

Das aus dem Xylidin dargestellte Nitroxylidin ist verschieden von zwei isomeren Nitroxylidinen, welche beide durch partiale Amidi- rung von Dinitroxylolen erhalten wurden, das eine bei 123® schmel- zende einerseits von Luhmann^), andererseits von Fittig, Ah- rens und Mattheides aus einem bei 93° schmelzenden dini- trirten Steinkohlenoxylol, das andere bei 96° schmelzende, von den drei letztgenannten Forschern aus einem bei 123.5° schmel- zenden Dinitroderivat des synthetisch erhaltenen Dimethylbenzols dargestellt.

Xylendiamin (Diainidoxylol). Vermischt man Nitroxylidin mit einem Überschüsse metallischen Zinns und übergiesst die Mischung nach und nach mit Salzsäure, so erfolgt eine stürmische Reaction, die man durch Abkühlen mässigen muss. Sobald die Einwirkung nachgelassen hat, erwärmt man, um den Process zu Ende zu führen. Die von dem unangegriffenen Zinn abgegossene Flüssig- keit wird auf dem Wasserbade von dem Überschüsse von Salz- säure befreit und mit Scbwefelwasserstoff behandelt. Die entzinnte Lösung wird dann bis zur beginnenden Krystallisation eingedampft und mit Alkali versetzt, wodurch das Diamin in feinen glänzenden Blättchen ausgeschieden wird. Es bleibt eine nicht unerhebliche

') Luhmanii, Ann. Cheni. Pharm. CXLIV, 274.

*) Fittig, Ähren 9 und Mattheides, Ann. Chem. Pharm. CXLVII 15.

vom 19. Februar 1877.

55

Menge im Wasser gelöst, so dass es sich empfiehlt, die alkalische Flüssigkeit mit Äther auszuschütteln. Durch Umkrystallisiren aus Wasser oder Alkohol, in -welchen das Diamin leicht löslich ist, kann es vollkommen rein erhalten -sverden. Es stellt dann glän- zende Blättchen oder feine, weisse Nadeln dar, -welche hei 74 bis 75° schmelzen. In trockner Luft halten sich diese unverändert; in feuchter bräunen sie sich, aber lange nicht so schnell, -wie die entsprechenden Derivate der Phenyl- und Toluylreihe. Das Diamin ist eine schwach alkalisch reagirende Base, welche krystallisirbare Salze bildet. Das salzsaure Salz namentlich ist gut krystallisirt; Aveniger leicht ist das Platinsalz in guten Krystallen zu erhalten. Die Analysen entsprechen genau der Formel:

C«Hs(CH3)s(NHs)s

= CgHioNs

Theorie

Versuch

I.

II.

Cs

96-

70.51

70.98

70.41

12

8.81

8.82

9.12

Ns

28

20.60

136

100.00

Das Diamidoxylol wurde zumal in der Holfnung dargestellt, dar- aus einen chinonartigen Körper zu gewinnen. Schon vor vielen Jahren habe ich gezeigt, dass Phenylendiamin (die aus Anilin durch Nitrirung und Amidirung dargestellte Modification von dem Schmelz- punkt 140° und dem Siedepunkt 252°) durch Oxydation mit Leich- tigkeit in Chinon übergeht^). Oxydationsmittel wirken auch in der That mit Heftigkeit auf das Xylendiamin ein; es entstehen tief braunroth gefärbte Flüssigkeiten, allein es muss weiteren Versuchen Vorbehalten bleiben, ob sich aus denselben ein Chinon isoliren lässt.

Schliesslich soll nicht unerAvähnt bleiben, dass ein anderes Diamidoxylol bereits bekannt ist; es wurde vonLuhmann^) und später genauer von Fittig, Ahrens und Mattheides beschrie-

0 Hofmann, R. Soc. Proc. XII, 639. ‘0 A. a. 0.

=>) A. a. O.

56

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

ben. Man hat es durcli vollständige Reduction aus. dem bei 93° schmelzenden Dinitroxylol erhalten. Durch seinen Schmelzpunkt (152°) ist es hinlänglich von dem aus dem Xylidin dargestellten Körper unterschieden.

Hr. A. W. Hof mann las ferner über:

Oxydation aromatischer Acetamine mittelst Kalium- permanganat.

Im Laufe einer eingehenderen Untersuchung der isomeren Xyli- dine, deren Erstlingsergebnisse der Akademie gleichzeitig vorliegen, mussten nacheinander die verschiedenen Reactionen studirt werden, mittelst deren sich diese Monamine entweder auf bekannte und, was ihre Stellung im Systeme anlangt, wohl erforschte Körper oder wenigstens auf Substanzen znrückführen Hessen, welche man, von solchen bekannten Körpern ausgehend, auf einfachen Wegen erreichen konnte. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Ver- halten der Monamine zu Oxydationsmitteln einer erneuten Prüfung unterworfen.

Lässt man Kaliumpermanganat direct auf Anilin einwirken, so wird bekanntlich der Wasserstoff’ der Amidgruppe oxydirt und die Fragmente zweier Molecule treten zu Azobenzol zusammen. Ähnliches ist bei dem Toluidin beobachtet worden. Nach einigen vorläufigen Versuchen vollzieht sich auch bei dem Xylidin die lle- action in diesem Sinne. Wie aber, wenn man statt der Amine die acetylirten Derivate derselben zu oxydiren versuchte?

Es ist allbekannt, dass sich diese Verbindungen in erwünschter Weise chloriren, bromireii und nitriren lassen, während die Amine selbst, der Einwirkung von Chlor, Brom und Salpetersäure unter- worfen, sehr tiefgreifende Veränderungen erleiden. War es nicht wahrscheinlich, dass die Acetgruppe die Stabilität dieser Verbin- dungen auch unter dem Einflüsse oxydirender Ageiitien erhöhen werde?

vom 19. Februar 1877.

57

Je höher gegliedert ein Amin, am so mannichfacher die Reihe der Verbindungen, welche durch Oxydation entstehen kann. Bei der Oxydation des Acetxylidids Hessen sich, je nachdem sich die Oxydation auf eine oder zwei Methylgruppen erstreckte, je nach- dem die Acetylgruppe dem Oxydationsproducte verblieb oder wäh- rend des Processes als Essigsäure austrat, folgende Säuren er- warten :

COOH

Acetamidotoluylsäure

Ce Hs

CHs

1 NHCoHsO

Amidotoluylsäure

C.H,

1 COOH CHs 1 NHs

Acetamidophtalsäure

C.H, j

, COOH COOH 1 NHC.HsO

Amidophtalsäure

C.Hj j

COOH . COOH NHs

Aus dieser Reihe ist bisher allerdings nur ein Glied, die Acet- amidophtalsäure, wirklich erhalten worden, allein die bereits beob- achteten Erscheinungen deuten unzweideutig darauf hin, dass es sich nur darum handelt, die Arbeit in grösserem Maassstahe aus- zuführen, um auch zu den übrigen Gliedern zu gelangen.

Zum Versuche diente das schon in dem vorhergehenden Aufsatze mehrfach erwähnte Acetxylidid vom Schmelzpunkt 127 128°. Ver- setzt man die heisse, wässerige Lösung dieses Körpers mit einer concentrirten Lösung von Kaliumpermanganat, bis sich eine neu zugesetzte Portion erst nach einiger Zeit entfärbt, so giebt sich die Bildung einer Säure alsbald zu erkennen, Avenn man zu der von dem Hyperoxyd abfiltrirten schwach alkalisch gewordenen Flüssigkeit Salzsäure setzt; augenblicklich scheidet sich eine weisse, krystallinische Masse aus, welche sich in Ammoniak oder verdünn- ter Natronlauge mit Leichtigkeit wieder auflöst. Allein die so gewonnene Substanz scheint ein Gemisch verschiedener Säuren zu sein, wahrscheinlich hierfür sprechen einige Verbrennungen von Acetamidotoluylsäure und Acetamidophtalsäure. Es gelingt aber, eine Sclieidung zu bewerkstelligen, wenn man nach der Oxy-

58 Sitzung der phgsilcalisch-mathematischen Klasse

dation die Lösung mit Kupferacetat versetzt; alsdann fällt ein un- lösliches, hellblaues Kupfersalz, während die blaugefärbte Lösung ein anderes Salz enthält, dessen Säure durch die Einwirkung einer Mineralsäure ausgeschieden wird. Suspendirt man das unlösliche Kupfersalz nach dem Waschen in Wasser und zerlegt es dann mit Schwefelwasserstoff, so scheiden sich aus der über dem Kupfer- sulfid stehenden Flüssigkeit Krystalle ab; eine weitere Menge er- hält man durch Auskochen des Sulfids mit Alkohol.

Die so gewonnene Säure ist äusserst schwer löslich selbst in siedendem Wasser, sie ist leichter löslich in Alkohol. Aus einer siedenden Mischung beider lässt sie sich in schönen, kleinen, weissen Krystallen erhalten. Die Säure schmilzt leider nicht ohne Zer- setzung — diese erfolgt zwischen 270 und 280° so dass man auf dieses wichtige Kriterien der Reinheit verzichten musste. Das zur Analyse zu verwendende Präparat konnte daher nur durch mehrfaches Umkrystallisiren gereinigt werden. Die Analyse ergab, dass sich die in Rede stehende Substanz einfach durch Oxydation der beiden in dem Xylidin vorhandenen Methylgruppen gebildet hatte; das in der Arnidgruppe befindliche Acetyl war durch den Oxydationsprocess nicht verändert worden.

CH,

COOII

CeHs

CH,

CeH,

COOH

1

NHCC^HjO) J

Nn(C*H,0)

Die

Formel

der

Acetaraidophtalsäure

Cio H9 ^ O5

verlangt

folgende Werthe:

Theorie

Versuch

I.

II.

III.

Cjo

120

53.81 53.65

53.62

Hs

9

4.04 4.50

4.26

N

14

6.27

6.42

O5

80

35.88

223

100.00

vom 19. Februar 1877.

59

Es ist bis jetzt nicht gelungen, die Acetgruppe aus dieser Säure zu entfernen, um eine Amidophtalsäure zu gewinnen. Die Säure lässt sich längere Zeit mit concentrirter Salzsäure kochen, ohne sich zu verändern. Schliesst man sie mit Salzsäure ein, so geht auch bei 120° noch keine Umsetzung vor sich. Bei höherer Tem- peratur, in der Nähe von 200°, erfolgt nun allerdings Zersetzung, allein nicht mehr in der erwünschten einfachen Form. Erheblicher Druck in den Röhren, von Kohlensäure herrührend, deutet eine tiefer gehende Umbildung an. Das Product scheint eine Amido- benzoesäure zu sein; in einzelnen Fällen batte sich sogar etwas Anilin gebildet. Man kann sich vorstellen, dass die in erster In- stanz gebildete Amidophtalsäure sich unter Abspaltung eines oder zweier Molecule Kohlensäure weiter zersetzte. Ich habe mir vor- genommen später, wenn mir grössere Mengen der Acetainidophtal- säure die Ausbeute ist gering, da offenbar erhebliche Mengen Acetxylidid vollständig verbrannt werden zu Gebote stehen, diese Reaction noch einmal etwas eingehender zu studiren.

Auch der Versuch das erste Oxydationsproduct des Acet- xylidids, die Acetamidotoluylsäure und daraus die Amidotoluylsäure zu gewinnen, hat bis jetzt nicht gelingen wollen. Versetzt man eine abgewogene Menge des Xylidids mit etwa der Hälfte von Per- manganat, welche zur Erzeugung der Acetamidophtalsäure nöthig ist, so bleiben beträchtliche Mengen des Xylidids unangegriffen, und man erhält eine Säure, welche sich von der Acetamidophtal- säure wesentlich, zumal durch ihre grössere Löslichkeit in Wasser, unterscheidet. Ich halte diesen Körper für die gesuchte Acetami- dotoluylsäure; die Reindarstellung ist aber wesentlich durch den Umstand erschwert, dass auch diese Säure keinen Schmelzpunkt zeigt. Zur näheren Feststellung der Natur dieses Oxydations- productes sind daher noch weitere Versuche nöthig.

Die Lückenhaftigkeit dieser Resultate ist Veranlassung ge- wesen, die Reaction, um die es sich hier handelt, unter einfacheren Bedingungen zu wiederholen. Oxydirte sich das Acettoluidid in ähnlicher Weise, so musste eine Acetamidobenzoesäure entstehen, aus welcher man eine bekannte Amidobenzoesäure zu erhalten hoffen durfte. Dies hat sich denn auch bestätigt. Behandelt man das Oxydationsproduct des Acetparatoluidids (Schmelzpunkt 145°) mit Kupferacetat, so gewinnt man aus dem Kupferniederschlag mittelst Schwefelwasserstoff eine in Wasser schwer, in Alktdiol

60

Sitzung der 'phgsikalisch-mathematischen Klasse

leichter lösliche Säure, welche in schönen Nadeln krystallisirt. Diese bei ungefähr 250°, allerdings unter partialer Zersetzung, schmelzende Säure ist in der That Acetamidobenzoesäure ent- standen durch Oxydation der Methylgruppe in dem Toluidin.

* i NlI(CjlIjO) ^‘"‘1 NIl(CjlIjO),

Der Formel

CslI.NOs

entsprechen folgende Werthe:

Versuch

Theorie

I.

II.

C,

108

60.34

60.20

60.51

Hs

9

5.03

5.47

5.10

n

14

7.82

O3

48

26.81

179

100.00.

Das Arnmoniunisalz der Säure liefert mit Silberacefat einen krystallinischen Niederschlag, welcher in Wasser ziemlich löslich ist. Aus siedendem Wasser wurden feine, oft zolllange Nadeln er- halten.

Der Formel

entsprechen:

® 'InIICC.HjO)

Theorie Versuch

Silber 37.76 37.75.

Die Acetamidobenzoesäure ist isomer mit der Ilippursäure; noch näher steht sie der von Förster^) entdeckten Acetometamido- benzoesäure, w’elche sich bei der Behandlung von metamidobenzoe- saurem Zink mit Chloracetyl bildet.

Die aus dem Acettoluidid durch Oxydation dargestellte Säure begiebt sich der Acetgruppe viel leichter als das entsprechende Derivat des Acetxylidids. Man braucht in der That nur einige

Förster, Chem. Soc. Qu. J. XIII, 225,

vom 19. Februar 1877.

61

Zeit mit Salzsäure zu kochen, um salzsaure Paramidobenzoesäure zu erhalten. Die aus der salzsauren Verbindung gewonnene Para- midobenzoesäure zeigte den bekannten Schmelzpunkt 186 187°.

Die Möglichkeit, die acetylirten Derivate der aromatischen Basen durch Kaliumpermanganat in entsprechende Amidosäuren überzuführen, dürfte für die Untersuchung der höheren Homologen des Anilins und zumal auch für andere organische Basen von eini- gem Interesse werden. Schon heute will ich anführen, dass sich auch das Acetderivat des Mesidins mit Leichtigkeit durch Kalium- permanganat oxydiren lässt. Was hier zu erwarten steht, ist durch die Theorie unzweifelhaft angedeutet.

Eine Schvvierigkeit, welche der Oxydation mit Kaliumperman- ganat anhaftet ist diese, dass in der Regel eine erhebliche Menge der Substanzen vollständig verbrannt wird, so dass man veihält- nissmässig geringe Ausbeuten ei’hält.

Schliesslich mag hier noch darauf hingewiesen werden, dass andere als Acetylderivate der Amine von dem Kaliumpermanganat ebenfalls mit Leichtigkeit angegriffen werden. Die HH. Scheele und Townsend Austen haben im hiesigen Laboratorium bereits ähnliche Versuche mit dem Aethenyltoluylendiamin des Hrn. Hob- recker, Hr. Michael mit dem Phtalsäure- Derivate des Toluidins angestellt; ich selber beschäftige mich mit der Oxydation von Sulfoharnstoffen und Senfölen. Schon jetzt lässt sich mittheilen, dass sich in diesen Reactionen zahlreiche neue Verbindungen bil- den, deren Studium indessen noch nicht zu einem befriedigenden Abschlüsse gekommen ist.

Auch bei Ausführung der in diesem sowohl als auch in dem vorhergehenden Aufsatze beschriebenen Versuche hat mich Hr. Jo- seph Conen mit ebenso grossen Eifer als Geschick unterstützt; ich bin demselben für seine werthvolle Hülfe zu bestem Danke verpflichtet.

. . >

62

II

y Während der Ausarbeitung des Artikels: Anilinfarben für den liericht über die Entwicklung der chemischen Industrie während des letzten Jahrzehends, wurde meine Aufmerksamkeit durch Ilrn. Dr. Martins auf einen neuen orangerothen Farbstoff gelenkt, wel- cher unter dem Namen „ChrysoVdin“ seit Mitte des vorigen Jahres von der Firma Williams, Thomas und Do wer in London auf den Markt gebracht, aber, wie es scheint, auch bereits von einigen continentalen Fabriken dargestellt wird. Da ich in der Litteratur keine näheren Angaben über diese Substanz auffinden konnte, so wurden zur Ermittelung ihrer Natur einige Versuche angestellt, welche zu folgenden Ergebnissen geführt haben.

Der Farbstoff', den ich von Um. Martins erhielt, ist eine schön-krystallisirte Substanz, welche alle Charaktere eines chemi- schen Individuums an sich trägt. Er besteht aus theilweise ziem- lich gut ausgebildeten Krystallen von erheblichen Dimensionen mit stark glänzenden Flächen, so dass sich die Form ohne grosse Schwierigkeit wird bestimmen lassen. Im reflectirten Lichte er- scheinen sie schwarzgrau und zeigen einen ins Grünliche spielen- den Metallglanz, allein in geringerem Grade als die Mehrzahl der Anilinfarben. Im durchfallenden Lichte erscheinen dünne Krystalle tiefroth gefärbt, dickere Krystalle sind undurchsichtig. Zerrieben bilden sie ein rothes Fulver. Die Krystalle lösen sich ziemlich reichlich in kaltem, noch reichlicher in siedendem Wasser, mit Leichtigkeit in Alkohol. In Äther sind sie unlöslich. Die heiss gesättigten Lösungen erstarren beim Erkalten, zumal wenn etwas Säure zugesetzt wird, zu einer Gallerte, welche aus einer verfilzten Masse haarfeiner Nadeln besteht. Häufig ist diese .Masse von grösseren Krystallen, wie sie oben bescluieben wurden, durchsetzt. Wenn man verdünntere Lösungen, zumal in Gegenwart einer ge- wissen Menge Salzsäure krysiallisiren lässt, so gelingt es oft aus- schliesslich ausgebildetere, grauschwarze Krystalle zu erhalten, welche sich indessen gewölinlich nadelförmig aggregiren. Am leichtesten entstehen gut ausgebildete Krystalle, wenn man die krystalliiiische .Masse in heissem Alkohol löst und die Lösung mit concentrirter Salzsäure versetzt. Die Lösungen sind tief orange- rotli gefärbt und zeigen eine bemerkenswerth tinctoriale Kraft.

Sitzung der idnjsikaUsch-mathemalischen Klasse

•. A. W. Hofmann las ferner:

Zur Kenntniss des Chryso'idins.

vom 19. Februar 1877.

63

Auf Zusatz von Salzsäure nehmen sie einen Stich ins Carmoisin- rothe an.

Der in dem Handel vorkommende Farbstoff ist ein nahezu reiner Körper. Die Analyse, mit dem einmal umkrystallisirten, bei 100° getrockneten Product angestellt, zeigte, dass hier ein Chlorliydrat von der einfachen Formel

Cj2 Hi.,N4,HC1

Theorie.

I.

Versuch. II. III.

IV.')

c..

144

57.94

57.49

H.3

13

5.23

5.66

N*

56

22.54

22.34

CI

35.5

248.5

14.29

100.00.

14.37

14.04

Diese Formel fand in der Analyse eines schönen, carmoisin- rothen Platinsalzes, welches durch Eingiessen von Platinchorid in eine warme verdünnte, wässerige Lösung des käuflichen Chlor- hydrats erhalten wurde, Bestätigung. Der Formel

2(C,,HjoN4, HCl), Pt CU

entsprechen 23.6 pCt. Platin. Die Analyse des bei 100° getrock- neten Salzes ergab 23.76 pCt. Platin.

Die in dem Chlorhydrat enthaltene Base lässt sich mit Leich- tigkeit, sowohl durch Natronlauge als auch durch Ammoniak in Freiheit setzen. Sie scheidet sich als eine hellgelbe, flockige Masse aus, welche in Wasser schwer, leichter in Alkohol und Äther lös- lich ist. Sie krystallisirt lange nicht so leicht, wie ihre Salze. Die besten Krystalle werden beim langsamen Erkalten einer sie- denden wässerigen Lösung erhalten. Auf diese Weise bilden sich kleine Krystallfäden, welche sich gewöhnlich in einer sehr cha- racteristischen Weise halbkreisförmig umbiegen. Die Base schmilzt bei 110°. Mit Salzsäure erzeugt sie wieder das ursprüngliche Salz.

') In III wurde das Chlor durcli Glühen mit Kalk, in IV nach dem Ausfällen der Base mittelst Ammoniak durch directe Fällung mit Silbernitrat bestimmt.

G4

Sitzn7}g de?’ physikalisch-mathematischen Klasse

Mit Salpetersäure entsteht ein ganz ähnliches, in rothen Na- deln krystallisirondes Nitrat.

Versucht man die oben gegehene Formel zu interpretiren, so ist man zunächst auf ein diamidirtes Azobenzol hingewiesen:

CioIIsCNILX-N, = C,2H,,N4.

Hiermit treten aber auch alsbald Beziehungen zu wohlbekann- ten Körpern zu Tage, nämlich zu dem einfach amidirten und drei- fach amidirten Azobenzol, welche beziehungsweise das von den III I. Griess und Martins^) studirte Anilingelb und, nach Griess und Caro‘^), den Ilauptbestandtheil des von Hrn. Martius ent- deckten Phenylenbrauns darstellen.

Monoamidoazobenzol Ci2H9(NIL,) N2 = Ci2n,iN3 Anilingelb. Diamidoazobenzol CioHg (NH2)2N2 = C12II12N4 Chrysoidin. Triamidoazobenzol C12 II7 (N 112)3 N2 = Ci2lIi3Nä Phenylenbraun.

Der neue Farbstoff liegt also zwischen den beiden altbekann- ten geradezu in der Mitte, und in der That stellt sich auch die Tinte des Chrysoidins zwischen die des mono- und triamidirten Azobenzols. Auch der Habitus des Chrysoidinchlorhydrats erinnert lebhaft, sowohl im Aussehen der Krystalle, als auch durch das Rothwerden der Lösungen auf Zusatz von Säuren, an die Mono- amidoverbindung.

Nach diesen Andeutungen schienen verschiedene Wege zur Darstellung des Chrysoidins vorgezeichnet. Ein Diamidoazobenzol war bisher nicht bekannt; wohl hielt man früher das von Ger- hardt und Laurent entdeckte, durcli Amidirung des Dinitroazo- benzols erhaltene Diphenin für Diamidoazobenzol, allein Fräu- lein Lermontoff^) hat vor einiger Zeit durch eine im hiesigen Laboratorium ausgeführte Untersuchung gezeigt, dass das Diphenin nicht

C12H12N4 sondern Cj2H,4N4,

also die Hydroverbindung ist. Wenn man bedenkt, wie leicht

’) Martius und Griess, Monatsber. der Berl. Akad. 1865, 633. Griess und Caro, Zeitsohr. für Chem. 1867, 278. Lerniontoff, Ber. Chem. Ges. 1872, 231.

vom 19. Februar 1877.

Go

Hydrazobenzol diu’ch Oxydation, selbst an der Luft, in Azobenzol verwandelt wird, so lag der Gedanke- nabe, das Chrysoidin durch Oxydationsmittel aus dem Diphenin zu gewinnen. Dieser Versuch ist indessen ohne Erfolg geblieben.

Ein zweites, bereits bekanntes, bydrirtes Diamidoazobenzol ist das von Haar haus durch Reduction des Nitranilins (vom Schmelzp. 108°) mittelst Natriumamalgam gewonnene, sogenannte Hydrazoanilin. Allein auch diese Verbindung geht bei der Ein- wirkung von Oxydationsmitteln nicht in Chrysoidin über.

Einen besseren Erfolg schien die directe Anlehnung an die Darstellungsweise des Monoamido- und Triamidoazobenzols zu ver- sprechen. Erstere Verbindung, das Anilingelb, wird bekanntlich durch die Einwirkung der salpetrigen Säure auf Anilin, letztere, das Phenylenbraun, durch Behandlung des Phenylendiamins, und zwar der durch Reduction des Dinitrobenzols vom Schmelzpunkt 86° gewonnenen Modification, mit demselben Agens, erhalten.

2CeH,N + HNO2 = CioHiiNs + 2H2O

2CeU,K, -4- HNO2 = Cj.HjsNj + 2HoO.

Das Chrysoidin konnte das Product der Einwirkung der sal- petrigen Säure auf eine Mischung von Anilin und Phenylendiamin sein, entstanden nach der Gleichung

^ I + HNO2 = C12H12N, + 2hLO.

Der Versuch schien diese Voraussetzung bestätigen zu wollen. Denn als ein Strom von salpetriger Säure durch die Mischung von Anilin und Phenylendiamin strich, nahm die Lösung alshald die charakteristische, tiefrothe Färbung der Chrysoidinsalze an; allein obwohl der Versuch in mehrfacher Weise abgeändert wurde, indem man mit Lösungen von verschiedenen Concentrationsgraden und bei verschiedenen Temperaturen arbeitete, auch statt der freien Säure Nitrite anwendete, so gelang es doch nicht, auf diese Weise Krystalle aus Chrysoidin darzustellen. Stets bildeten sich Gemenge von Anilingelb und Phenylenbraun und der Grund ist nicht schwer cinzusehen. Das Phenylendiamin ist so ausserordentlich empfind-

*) Haarhaus, Ann. Cheni. Pharm. CXXXV, 162.

66 Sitzung der phgsikalUch-maihematUchen Klasse

lieh gegen salpetrige Säure, dass es in Phenylenbraun übergegangen ist. ehe noch das Anilin angefangen bat, sich zu verändern.

Hiermit war aber auch der Weg angedeutet, den Versuch in der geeigneten Weise zu modificireu. Leitet man einen Strom von salpetriger Säure durch eine alkoholische Lösung von Anilin, so setzen sich, wie man aus den schönen Untersuchungen von Griess weiss, bald Krystalle von Diazoamidobenzol ab, welche theilweise in das isomere Amidoazobenzol übergehen. Versetzt man die Flüssigkeit in diesem Stadium mit Phenylendiamin, so verändert sich die Farbe derselben nicht; fährt man aber mit dem Einleiten fort, bis die Anfangs gebildeten Krv'stalle sich wieder lösen, so entsteht auf Zusatz einer wässerigen Lösung von Phenylendiamin alsbald die tieforangegelbe Färbung des Chrysoidins. Am auffal- lendsten gestaltet sich der Versuch, wenn man die durch den Überschuss von salpetriger Säure dunkelgewordene Flüssigkeit mit Wasser vermischt und in die auf diese Weise nahezu farblos ge- wordene Lösung Phenylendiamin eingiesst. Augenblicklich erfolgt die tiefrothe Färbung und es setzen sich, wenn die Lösungen einigermassen concentrirt sind, auch sehr bald Krvstalle von sal- petersaurem Chrysoidin ab. Die mit überschüssiger salpetriger Säure behandelte, alkoholische Lösung von nilin enthält aber salpetersanres Diazobenzol und es war mithin die Reaction nach der Gleichung:

C, H, H K O, C* H* = C^ N. , H N O,

verlaufen. In der That lieferte denn auch auf die gewöhnliche W eise durch Anfleiten von salpetriger Säure auf einen Krystall- brei von Anilinnitrat bis zur Lösung dargestelltes salpetersaures Diazobenzol auf Zusatz von Phenylendiamin sofort in reichlicher Menge einen tiefrotben Niederschlag von Chrysoidinnitrat. Der- selbe wurde durch mehrfaches Umkrvstallisiren aus siedendem Wasser gereinigt und schliesslich die Base mittelst Ammoniak aus der heissen Lösung des Nitrats abgeschieden. So wurde eine gelbe krystallinische .Masse erhalten, welche alle Eigenschaften der aus dem Handelsproduct gewonnenen zeigte. Namentlich wurden beim Umkrystallisiren aus siedendem Wasser wieder die eigen- tbümlicb gekrümmten Krystalle beobachtet. Zum Überfluss wurde die Base in das Cblorbydrat übergeführt, und aus diesem ein dem schon oben beschriebenen vollkommen ähnliches Platinsalz dar-

rom 19. Februar 1877.

67

gestellt, welches bei der Analyse 23.77 pCt. Platin gab. die Theorie verlangt 23.60 pCr.

In der Darstellung des Chrysoidins hat die Farbeniudostrie in glücklichster Weise eine Reaction verwerthet. auf welche Griess itn Laufe seiner klassischen Untersuchungen über die Diazokörper bereits mehrfach hingewiesen hat. Aus diesen L ntersuchungen weiss man. dass die Diazoverbindungen Amine und Amide fixiren. So entsteht durch die AnlagerTing von Anilin an das Diabenzol das Anilingelb, durch Anlagerung von Amidobenzoesäure eine aus gleichen Moleculen zusammengesetzte Verbindung beider Körper. Mit Diaminen scheint indessen Griess keine Versuche angestellt zu haben.

Es braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, dass man eine ganze Reihe von dem Chrysoidin analogen Farbstoffen ge- winnt, wenn man nach dem oben angegebenen Verfahren andere Monamine und Diamine miteinander vereinigt, wenn man also statt des Phenylendiamins, Toluylendiamin und andere Diamine auf Diazobenzol ein wirken lässt und wenn man auch überdies das Diazotoluol, Diazoxylol etc. in Mitleidenschaft zieht. Von den zahlreichen so bildbaren Körpern ist beispielsweise einer etwas näher untersucht worden, nämlich der durch Behandlung von Dia- zotoluol (aus Paratoluidin dargestellt) mit Toluylendiamin vom Schmelzpunkt 99° gewonnene. Was die Darstellung dieser Ver- bindung anlangt, so genügt es auf das, was über das Chrysoidin gesagt worden ist. hinzuweisen. Der der Tolnylreihe angehörige Farbstoff ist womöglich noch schöner als das Chrysoidin. Jeden- falls ist die Krystallisationsfähigkeit der Salze, ganz besonders aber der freien Base eine entschieden grössere. Die durch wässe- riges Ammoniak aus der siedenden, alkoholischen Lösung des Chlorhydrais ausgeschiedene Base krystallisirt beim Erkalten der Flüssigkeit in schönen orangegelben, gewöhnlich sternförmig grup- pirten Nadeln vom .Schmelzpunkt 1S3°. Die Base ist leicht lös- lich in Alkohol und Äther, fast unlöslich selbst in siedendem Wasser.

Um die Zusammensetzung des in schönen rothen Nadeln kry- stallisirenden Chlorhydrats

C»Hi*N, . HCl

durch eine Zahl festzustellen, wurde das Platinsalz dargestellt.

[ISTU

6

68

Sitzung der ‘physUialisch-mathematisclien Klasse

Es gleicht dem des Chrysoidins, nimmt aber beim Trocknen im Wasserbade eine ziemlich dunkele Farbe an. Das bei 100° ge- trocknete Salz entliält 21.95 pCt. Platin. Ein der oben für das Chlorhydrat gegebenen Formel entsprechendes Platinsalz verlangt 22.12 pCt. Platin.

Noch mag hier eine Beobachtung Platz finden, welche ge- legentlich dieser Versuche mehrfach gemacht wurde. Das isomere Phenylendiamin, welches man durch weitere Amidirung des aus Anilin dargestellten Nitranilins erhält, liefert beim Zusammentreften mit Diazobenzol keine Spur eines Fai-bstoffes. Es knüpfen sich an diese Beobachtungen einige Folgerungen, auf welche ich bei einer andern Gelegenheit zurückzukommen denke. Das dritte Phe- nylendiamin stand mir leider im Augenblick nicht zur Verfügung

Ich kann diese Mittheilung nicht schliessen, ohne mit lebhaf- tem Danke der umsichtigen und werkthätigen Hülfe zu gedenken, welche mir Hr. Dr. R. Bücking, ein auf allen Gebieten der Tinctorial-Chemie erfahrener junger Chemiker, bei der Ausführung der beschriebenen Versuche geleistet hat.

Hr. W. Peters las über Rhinoceros inermis Lesson.

Das zoologische Museum zu Berlin erhielt im Jahre 1836 mit der von S. M. dem Könige Friedrich Wilhelm III. für 6000 Thir. angekauften Sammlung des französischen Reisenden Lamare Pi- quot ein weibliches Nashorn mit seinem Jungen von einer Insel am Ausflüsse des Ganges. Bereits im Jahre 1831 hatte eine wissen- schaftliche Commission der Pariser Akademie, bestehend aus Geof- froy-Saint-Hilaire, Dumeril und Cuvier, in ihrem Bericht über die Sammlungen von Lamare Piquot auf dieses Nashorn aufmerksam gemacht: „Ce qu’il y a de plus remarquable dans cette classe (des Mammiferes), c’est un rhinoceros Sans corne, dont les OS du nez, quoique aussi robustes que dans le reste du genre, pa- raissent n’avoir point porte l’armure, qui leur est ordinaire; la mere

vom 19, Februar 1877.

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et le petit s’y trouvent, en Sorte que Fon peut croire que c’est au moins un caractere de race ou une variete hereditaire; mais tout le reste des particularites de ces individus, les tubercules qui re- couvrent leur peau, le nombre et ]a directioii de ces replis, semble annoncer qu’ils appartiennent ä Fespece que Fun de nous a fait connaitre sous le nom de rhinoceros de Java“. (Ferussac, Bul- letin des Scienc. Natur, et d. GMogie. 1831. vol. XXVI. p. 181.) Die Exemplare wurden unter diesem Namen, Rhinoceros javanicus, in der Sammlung aufgestellt und die Schädel von Job. Müller, wie man aus seiner Handschrift erkennt, ebenso bezeichnet. Da das hiesige zoologische Museum noch sehr arm an diesen Thieren ist und noch nichts von den fünf anderen bekannten Arten, nicht einmal das am längsten bekannte indische, Rh. unicornis, besitzt, blieb die Frage, ob das Lamare Piquot’sche und das Nashorn der Insel Java wirklich identisch seien, unerörtert, obgleich Lesson das Lamare Piquot’sche Rhinoceros als eine neue Art, mit dem Namen Rh. inermis (Complement aux oeuvres de Buffon. 2. ed. 1838. p. 5141)) bezeichnet hatte.

Vor kurzem wurde ich von unserem verehrten Mitgliede, Hrn. Geheimerath von Brandt in St. Petersburg aufgefordert, ihm über die Lamare Piquot’schen Exemplare genauere Auskunft zu geben. Dieses hat mich zu einer genaueren Untersuchung und na- mentlich zu einer Vergleichung derselben mit dem javanischen Rh. sondaicus Cuv. veranlasst. Leider besitzen wir, wie erwähnt, keine Haut eines aus Java stammenden Nashorns, so dass eine directe Vergleichung des Äusseren zwischen diesem und dem bengalischen Lamare Piquot’schen mir nicht möglich ist^). Dagegen besitzt

1) Ich verdanke dieses Citat meinem Freunde, Hrn. Ph. L. Sei ater. Vor 1838 scheint dieser Name nirgends vorzukommen. Blainville’s An- gabe {Osteographie. Rhinoceros. p. 73), dass dieser Name von Lamare Pi- quot im Journal le l'emps. 1833. Oct. 5. No. 1448 bereits aufgestellt sei, finde ich nicht richtig; wenigstens findet sich an der citirten Stelle zwar ein Bericht über ein nach Paris gekommenes lebendes Nashorn und einige allge- meine Bemerkungen, aber keine Erwähnung der Exemplare von Lamare P i q u o t.

^) Hr. Geheimerath von Brandt hat die Güte gehabt, mir die Abgüsse der Hauthöcker des Rh. sondaicus zu senden, von dem das Petersburger Mu- seum zwei Felle und zwei Skelete besitzt. Diese stimmen in der Form mehr

6*

70

Silzunfj der physikalisch-mathematischen Klasse

das zoologische Museum drei Schädel (von Nagel, Ploem und von Martens) aus Java zur Vergleichung mit denen aus der Lamare Piquot’schen Sammlung.

In dem Gebiss stimmen Bh. inermis Lesson und Bh. sondaicus Cuv. miteinander so überein, dass die geringen Unterschiede, welche man bemerken kann, nicht über die individuelle Variation hinaus- gehen, wie sie durch mehr oder weniger Abgeschliffensein der Kau- flächen hervortritt; selbst die auffallend grössere Länge des oberen vorderen Schneidezahns bei Bh. inermis (vgl. Taf. 1. Fig 1 und Ib mit Taf. 3. Fig. 3 und 3 b) ist hierauf zurückzuführen. Auf die Eigenthümlichkeiten dieses Gebisses hat Professor Flower in einer vortrefflichen Abhandlung über die Schädel- und Zahncharactere der Nashörner aufmerksam gemacht {Proc. Zool. Soc. Lond. 1876. p. 446).

Auch in Bezug auf den Schädelbau stimmen Bh. inermis Les- son und Bh. sondaicus Cuv. zwar am meisten mit einander über- ein, sind aber doch in manchen mehr oder weniger wichtigen Puncten von einander verschieden.

Von oben betrachtet erscheint der Schädel von Bh. inermis an der Basis des Schnauzenthcils flacher und breiter und die Gegend der Nasenbeine länger. Im Profil gesehen ist die apertura nasalis sowohl vorn als hinten höher, der sich mit dem Zwischenkiefer verbindende Fortsatz des Oberkiefers kürzer, das Foramen infra- orbitale über dem zweiten und nicht über dem ersten Backzahn befindlich, das Foramen lacrymale einfach und nicht durch eine Längsbrücke getheilt, das Os lacrymale merklich kürzer, der Joch- bogen kräftiger und höher, die den äusseren Gehörgang umgebende

mit denen überein, welche Bh. unicornia (Sei ater, Trans. Zool. Soc. IX. Taf. XCV) und das von Jam rach gekaufte weibliche E.xemplar eines ein- hörnigen Rhinoceroa (mit wohl entwickeltem Horn) des Berliner zoologischen Gartens zeigt, welches- letztere aus dem District Munipore stammen soll (Sc lat er 1. c. p. 650). Die Hauthocker des alten weiblichen Bh. iuermia Les- son des Berliner Museums zeigen dagegen mehr die polygonale Gestalt, wie man sie in der Abbildung des Bh. sondaicus von Sei ater (I. c. Taf. XCVI) und an den beiden lebenden E.xemplaren von Bh. unicornia des Berliner zoo- logischen Gartens sieht. Hr. Sclater theilt mir noch brieflich mit, dass in den Sunderbunds ein Rhinoceros vorkommt, dessen Weibchen hornlos sein soll.

Taft

M''''ndt"br,Berl °n:ch.l

Gez.u lith v:J.D-L.Franz¥agner.

Kunsransr v C.'Böhm.Berlm

Mo’natsbr.Beii.AkWissensch 18 7 " p

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Hhinoceros inermis Lesson

Ja-, VSnai 'ii'/rse

Gez.u 'alh.y IDL Franz Wagner

i

vom 19. Februar 1877.

71

Grube lange nicht so hoch liinaufsteigend M’ie bei Bh. sondaicus. Die Hinterhauptbasis fehlt leider an beiden Schädeln von Eh. inermis, so dass eine directe Vergleichung dieser Theile nicht möglich ist; nach der Abbildung von Flower (1. c. p. 447, Avelche als Rh. iner- mis, nicht als Rh. sondaicus zu bezeichnen ist) scheint sie aber der von Rh. sondaicus sehr ähnlich zu sein. Auffallende Unterschiede fin- den sich dagegen in der Gauniengegend. Der Gaumen ist flach, bei Rh. sondaicus dagegen von einer Seite zur anderen stark concav, hinten viel weniger ausgeschnitten, so dass der hintere Gaumenrand nicht zwi- schen dem drittletzten, wie dieses schon Cu vier von Rh. sondaicus angegeben hat {Oss. foss. 3. ed. II. I. p. 34), sondern zwischen dem vorletzten Backzahnpaar gelegen ist und der horizontale Theil der Gaumenbeine doppelt so lang wie breit, bei Rh. sondaicus nicht länger als breit ist. Die Entfernung des vorderen Randes der Gaumenbeine von der Fissura incisiva ist nur wenig grösser als die von dem hinteren Gaumenrande, während dieselbe bei Rh. son- daicus mehr als doppelt so gross ist. Das hintere Ende der Fis- sura incisiva liegt zwischen, bei Rh. sondaicus dagegen noch vor den vordersten Backzähnen. Das freie Ende der Ossa pterygoidea ist bei Rh. inermis, wie dieses auch auf der Zeichnung Flower’s (1. c. p. 447) sich zeigt, verdickt, bei Rh. sondaicus aus Java dagegen zu- sammengedrückt spitz, während das freie Ende der Processus ptery- goidei externi bei einem Exemplar von diesem letzteren mehr dem von Rh. unicornis, bei einem anderen dem von R. inermis sich ähnlich zeigt. Am Unterkiefer ist mir am auffallendsten, dass bei Rh. inermis der Endtheil an seiner Oberseite flach, nicht concav und in seiner Richtung horizontaler ist, dass ferner die Gegend vor dem Gelenk- höcker flacher und weniger ausgehöhlt, und der flache grosse Höcker hinter dem Gelenkfortsatz bei Rh. inermis eine schiefe, bei Rh. son- daicus dagegen eine mehr senkrechte Richtung hat.

Erklärung der Abbildungen.

Taf. 1. Schädel von Rhinoceros inermis Lesson. Ausgewachsenes Weibchen aus der Sammlung von Lama re Piquot; vom Ganges.

Taf. 2. Schädel von Rhinoceros inermis Lesson. juv.; Fig. 2c einige Haut- tuberkeln von der Schultergegend desselben.

Schädel von Rhinoceros sondaicus Cu vier. Durch Nagel aus Java.

Taf. 3.

72

Sitzung der phgsikalisch-mathematischen Klasse

Hr, du Bois-Rey oiond legte folgende Mittheihing von Ilrn. Prof. Franz Bo 11 in Rom vor.

Zu meiner unter dem 11. Jan. der Akademie eingesandten Mittheilung sei mir gestattet einige Zusätze zu machen.

I. Die constant sonnigen Tage der zweiten Januarhälfte haben mir erlaubt mit grösserer Genauigkeit als in den frülier ange- stellten Versuchen die Zeiten zu bestimmen, in denen das Sehroth durch das Sonnenlicht verzehrt wird und in der Dunkellieit sich wiederherstellt. Bringt man ein Dutzend Frösche gleichzeitig aus der vollkommenen Dunkelheit in der Sonne ausgesetzte Glasgefässe und untersucht von fünf zu fünf Minuten je ein Augenpaar, so stellt sich heraus, dass schon nach den ersten fünf Minuten ein starkes Abblassen des Sehrothes stattgefunden hat; nach 10 Minu- ten ist nur noch ein schwacher Schimmer der rothen Farbe nach- zuweisen; nur sehr selten ist dieser Schimmer auch nach 15 Mi- nuten noch vorhanden: gewöhnlich ist nach dieser Zeit die Retina bereits vollkommen farblos; nach einer halben Stunde war endlich niemals mehr eine Spur der ursprünglichen Färbung nachzuweisen und die absterbende Retina zeigte keinen gelblichen sondern einen rein weissen Atlasglanz. Ganz dieselben Versuche wurden gleich- zeitig an einem nach Norden gelegenen Fenster des Laboratoriums angestellt und ergaben das Resultat, dass bei diffusem Tageslicht zur vollständigen Entfärbung der Retina das 2 3 fache der für das direkte Sonnenlicht gefundenen Zeit erforderlich ist. In einer anderen Versuchsreihe wurde endlich ein Dutzend Frösche, die länger als eine Stunde der Wirkung des direkten Sonnenlichtes ausgesetzt gewesen waren, in die absolute Dunkelheit zurückge- bracht und folgweise untersucht. Die ersten Spuren einer wieder- kehrenden Röthung traten bei diesen Fröschen niemals vor einer Stunde ein und waren auch noch nach Stunden meist nur noch sehr schwach; nach Verlauf von zwei Stunden w'ar jedoch bereits wieder meist eine sehr intensive Färbung vorhanden.

II. Ich habe nunmehr die Untersuchung der monochromati- schen Blendung ausgeführt, wobei jedoch zu bemerken ist, dass ich mich bei diesen Versuchen noch nicht wirklich monochromatischen Lichtes bedienen konnte, sondern dieselben mehr oder weniger fehler- haften Gläser anwenden musste, die zu den ersten Versuchen bei mitt-

vom 19. Februar 1877.

73

lerer Lichtintensität gedient hatten (S. oben S.2). Diese Versuche er- gaben folgende Resultate: 1) Auch bei bis zu mehreren Stunden fort- gesetzter Einwirkung intensivsten rothen und gelben Lichtes erhält sich die rothe Farbe der Retina, jedoch mit dem (in den bei mitt- lerer Helligkeit ausgeführten Versuchen kaum merkbaren) Unter- schiede, dass sie in dem rothen Lichte noch intensiver und dunkler, „rothbraun“ ja fast braun wird, während sie im gelben Lichte heller und klarer, ja fast „rosa“ erscheint. In der Mitte zwischen diesen beiden Farbennuancen steht die Grundfarbe der Retina. 2) Die Blendung durch grünes Licht erzielt bei kurzer Dauer ganz dieselben Resultate wne die Einwirkung des grünen Lichtes bei mittlerer Helligkeit. Wird die Blendung länger als zwei Stunden fortgesetzt, so verändert sich die Fai-be der Retina in demselben Sinne, wie nach der Einwirkung des blauen Lichtes bei mittlerer Helligkeit, d. h. sie wird violett. Bei noch weiter fortgesetzter Blendung wird dieses Violett blasser und blasser und zuletzt er- scheint die Retina fast völlig farblos. 3) Die Blendung durch blaues und violettes Licht erzielt bei kurzer Dauer ganz dieselben Resultate wie die Einwirkung des blauen und violetten Lichtes bei mittlerer Helligkeit. Wird die Blendung bis zu zwei Stunden und darüber fortgesetzt, so wird die violette Farbe der Retina bestän- dig blasser und zuletzt wird die Netzhaut völlig farblos, wie nach der Einwirkung des w'eissen Lichtes. 4) Bei diesen Versuchen stellte sich mit grosser Evidenz eine schon bei früheren Experi- menten zur Beobachtung gelangte Erscheinung heraus: Hand in Hand mit der fortschreitenden Entfärbung der Retina geht eine eigenthümliche Consistenzveränderung in der Stäbchenschicht und in dem retinalen Pigment vor. Während bei den in der Dunkel- heit und im rothen und gelben Lichte gehaltenen Augen die Re- tina bis zur Stäbchenschicht sich fast stets leicht als eine conti- nuirliche Membran rein von dem retinalen Pigment ablöst (wobei die Fortsätze der Pigmentzellen aus ihr herausgezogen werden), geht dieses bei der entfäi'bten Retina lange nicht so glatt von statten: die Retina zerreisst gew'öhnlich in mehrere Fetzen, denen dann stets grössere oder geringere Mengen des retinalen Pigments un- trennbar anzubaften pflegen.

HL Ich habe nicht unüberlegt die verschiedenen Wirkungen der einzelnen Regionen des Spectrums der verschiedenen Wellen-

74

Sitzung der phgs.-math. Klasse vom 19. Febrxiar 1877.

länge zugesclirieben , und die so nahe liegende Beziehung auf die stärkere chemische Wirkung der kurzwelligen Strahlen deshalb vermieden, weil mir die Versuche über die Einwirkung der ultra- violetten Strahlen auf die Farbe der Netzhaut nur negative Resul- tate ergeben haben.

22. Februar.

Gesaiiiuitsitzuug der Akademie.

Hr. Roth las über die Gänge des Monte Somma.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Bulletin de V Academie B. des Sciences. 45. Annee. 2. Serie. T. 42. N. 12. Bruxelles 187G. 8.

Revue scientifique. N. 34. Baris 1877. 4.

Ü/versigt over det k. Danske Videnskabernes Selskabs Forhandlinyar i Aaret 1870. Kjobenhovn. 8.

The juurnal of fhe R. Asiatic Society of Great Brituin and Ireland. New Series. Vol. IX. Bart. I. Oft. 187C. London. 8.

Mittheilungen des Deutschen Archäologischen Institutes in Athen. 1. Jalirg. 4. Heft. Athen 1876. 8.

Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. 1. Bd. N. Folge des Archivs. Zü- rich 1877. 8.

R. Lipschitz, Bemerkungen zu dem Princip des kleinsten Zwanges. 4. Sep.-Abdr.

B. Gervais, Journal de Zoologie. T. V. N. 6. Baris 1876. 8.

Berliner astronomisches Jahrbuch für 1879. Berlin 1877. 8.

Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. 14. Lief. Bern 1877. 4. Mit Begleitschreiben.

A. J. Odobescu, Istoria Archeologiei. I. Bucuresci 1877. 8.

Gesammtsiizung vom 22. Fehruar 1877.

75

Orth, Ü6er einige Aufgaben der icissenschaftlichen Meereslatnde. 4. Sep.- Abdr. Vom Yerf.

, Beiträge 2ur Meereskunde. 4. Desgl.

G. Ca V an II a e G. Papasogli, Rassegna semestrale delle scienze fisico-na- turali in Italia. Anno I, 1875. Vol. II. Firenze 1876. 8. Vom Her-

ausgeber; übergeben von Hrn. Peters.

Atti del R. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. Tomo II. Serie V. Disp. 4 9. Venezia 1875/76.

Memorie del R. Istituto Veneto. Vol. XIX. P. I. II. III. ib. 1876. fol. Anzeiger für die Kunde der Deutschen Vorzeit. N. Folge. Jahrg. 23. 1876. Nürnberg. 4. Mit Begleitschreiben.

Berichte des naturicissenschaftlich- medizinischen Vereines in Innsbruck. VI. Jahrg. 1875. Heft 2. Innsbruck 1876. 8. Mit Begleitschreiben.

[1877]

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Correcturen zmii Novemberlieft 1876 des Monatsberichts.

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MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

März 1877.

Mit 2 Tafeln.

BERLIN 1877.

BÜCHDRUCKEKEI DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. ÜNIVER8ITÄT88TR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG. HARRWITZ UND G088MANN.

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MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

März 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Mommsen.

1. März. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Zeller las über die Benutzung der aristotelischen Meta- physik bei den älteren Peripatetikern.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Jan Kops & F. W. van Eeden, Flora Batava. Livr. 232. 233. Leide. 4. Sitzungsberichte der K. Akademie der Wissenschaften. Philo s.-kistor. Classe.

Bd. 85. Heft 1. 2. Jahrg. 1876. April, Mai. Wien 1876. 8.

Fontes rerum Austriacaruni. Abth. II. Diplomataria et Acta. 39. Bd. ib. eod. 8.

Verhandlungen der K. K. Geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1876. N. 14 17. ib. eod. 8.

Jahrbuch der K. K. Geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1876. XXVI. Bd. N. 4. ib. 8.

Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd. VI. N. 6-10. ib. eod. 8.

Annales des Mines. 7. Serie. T. X. 4. Livr. de 1876. Paris 1876. 8.

Vom vorgeordneten K. Ministerium.

Annales de la Societe entomologique de Beigigue. T. XIX. Fase. III. Bru- xelles 1877. 8.

[1877]

8

t

78 Gesammtsitzung vom 1. März 1877.

Termeszetrajzi Fiizetek. EIsö Kötet. 1. Füzet. Buda Pest 1877. 8.

C. de Seue, Windrosen des südlichen Norwegens. Kristiania 1876. 4.

C. M. Guldberg & H. Mohn, Etudes sur les mouvements de V Atmosph'ere. P. 1. ib. eod. 4.

A. Bo eck, De Skandinaviske og Arktiske Amphipoder. Hefte II. ib. eod. 4. P. A. Munch, Oplysninger om det pavelige Archiv og dets indhold etc. tulgi- vet af Dr. G. Storni, ib. eod. 8.

Diplomatarium Norvegicum. 9. Samml. 1. Halvdel. ib. eod. 8.

O. J. Broch, Le Royaume de Norvege. ib. eod. 8.

A. Blytt, Norges Flora. Del 3. ib. eod. 8.

H. Siebke, Enumeratio Insectorum Norvegicorum. Fase. III. ib. eod. 8.

P. C. Holsts Efterladte Optegnelser om sit Liv og sin Samtid. Hefte 1. 2.

ib. 1875. 1876. 8.

Det K. Norske Frederiks Universitets Aarsberetning /or Aaret 1875. ib. 1876. 8. Beretning om Bodsfaengstets Virksumhed i Aaret 1875. ib. eod. 8.

Norske Universitets- og Skole-Annaler. XIV. 1. 2. August 1876. ib. eod. 8.

E. Blix, De vigtigste Udtryk /or Begreberne Herre og Fyrste i de semitiske Sprog. ib. eod. 8.

H. Blom, Riissisk Sproglaere. ib. eod. 8.

Archiv /or Mathematik og Naturvidenskab. Bd. I. Hefte 1. 2. 3. ib. eod. 8.

B. Classen, Skottetoget, Molde. 1877. 8.

Norwegian Special -Catalogue /or the International Exhibition at Philadelphia 1876. Christiania 1876. 8.

Den Norske Turist/orenings Arbog /or 1875. Kristiania 1876. 8.

Forhandlinger i Videnskabs-Selskabet i Christiania Aar 1875. ib. eod. 8.

F. C. Sch übe 1er, Pjlanzengeographische Karte über das Königreich Nortce- gen. ib. 1875. fol.

R. Collet, Norvege, Carte zoo-geographigue. ib. eod. fol.

Nyt Magazin /or Naturvidenskaberne. Bd. 21. Hefte 4. Bd. 22. Hefte 1. 2. ib. 1876. 8.

Polybiblion. Partie litter. Serie II. T. V. Livr. 2. Part, techn. Ser. II. T. ni. Livr. 2. Paris 1877. 8.

Proceedings o/ the London mathematical Society. N. 101. 102. 103.

Das geographische Wörterbuch des Abu Obeid 'Abdallah ben Abd el-Aziz el-Bekri. Herausgegeben von F. Wüsten/eld. Bd. II. 1. 2. Güttingen 1876/76. 8.

Abhandlungen der K. Gesellscha/t der Wissenscha/ten zu Göttingen. Bd. 21. Bd. 21 V. J. 1876. ib. 1876. 4.

4

Sitzung der plnl.-Mst. Klasse vom 5. März 1877.

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5. März. Sitzung der philosophisch -historischen Klasse.

Hr. Schräder las über die Aussprache der Zischlaute im Assyrischen.

Die Aussprache der Zischlaute im Assyrischen ist bei zweien von ihnen: dem emphatischen Zischlaute = hebr. 2, sowie dem weichen, dem hebräischen entsprechenden Laute, eine ganz zweifellose und daher auch nie in Discussion gekommene. Anders ist dieses bei denjenigen beiden Zischlauten, von denen der eine dem hebräischen il3, bzAv. b, der andere dem hebr. 0 gleichzusetzen wäre. Auch hier ist darüber keine Meinungsverschiedenheit, dass das Assyrische diese beiden Zischlaute gehabt habe, und dass, wenn die eine Gruppe syllabarischer Zischlaut-Zeichen für Sylben mit dem Schinlaute zu reserviren ist, alsdann die andere als eine solche für Sylben mit dem Samechlaute zu betrachten sei, da eine Spaltung der Schingruppe in eine solche mit Schin (b) und in eine weitere mit Sin (b) nach hebräischer Art im Assyrischen nicht Statt hat. Es fragt sich nun aber, welche Gruppe sei es den einen, sei es den andern Zischlaut repräsentirt; also mit andern Worten, bei welchen Sylbenzeichen der Zischlaut als breites, gequetschtes b, bei welchen als scharfes D zu sprechen ist? In erster Linie wohl mit Rücksicht auf den ganzen lautlichen Typus des Assyrischen, der diesen Dialekt entschieden zum He- bräischen im Gegensätze zum Aramäischen einerseits, dem Ara- bisch-Äthiopischen andererseits stellt, haben die Assyriologen mit einer grossen Übereinstimmung sich dahin entschieden, die gleiche Aussprache der Zischlaute anzunehmen wie im Hebräischen (abge- sehen natürlich von der ja ohnehin auch innerhalb des Hebraismus erst secundären Scheidung von Schin und Sin); sie haben demge- mäss bei der Transcription die Übung beobachtet, in denjenigen Sylbenzeichen, in denen wir in diesem Aufsatze den Zischlaut durch s ausdrücken, denselben als (jedoch ohne diacritisclien Punkt) zu transcribiren; umgekehrt in denjenigen, in welchen wir den Zischlaut durch s andeuten, als Samech zu bezeichnen; also

8*

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Sitzuvg der philosophisch-lnstorischen Klasse

z. B. ^yyy^ HF *• *‘“"**^*> m-mas zu

transcribiren ujauj; ^JTT, ^ ^TTT sar-m,

sa-ar-ru zu transcribiren “lü, und wiederum II lEj ^jn sik-ku-ru „Riegel“ zu transcribiren “'rc; *^TT tEU -EEI si-hir-üi „Umkreis“ zu transcribiren niriD; ^-KT ^IT

kn-us-su „Thron“, hebräisch nCs etc. zu transcribiren nc3 u. s. w.

Das Wesen der Sache ist, dass die Assyriologen bisher das Assyrische in Bezug auf die Ausspraclie der betreffenden Zischlaute auf der gleichen Stufe wie das Hebräische stehend betrachteten. Aber dabei machte ein Umstand Schwierigkeit. Bei der llerübernahme nämlich von assyrischen Namen ins Hebräische oder von hebräischen Namen ins Assyrische trat eine auffallende Discrepanz zu Tage. Während man nämlich erwarten sollte, dass in einem solchen Falle dem supponirten assyrischen breiten Zischlaute '»u auch im Hebräi- schen ein und wiederum dem scharfen c ein D entsprechen würde, und vice versa, so war dem in Wirklichkeit nicht so. Gerade umgekehrt entspricht in diesem Falle in der Regel dem ein D und dem D ein Assyr. Amr-ah-iddin (mit dem Sylbenzeichen für ü;) wird im Hebr. “pnmCN (mit z); S<^rrukin pi'.!: wird im Hebr. und wiederum hebr. im Assyr. Mi-na-si-’i hebr.

zu assyr. La-ki-su. S. KAT. 197. Anderseits assyr. liah-sak zu hebr. u. s. w. Folgt daraus nicht, dass dem von uns

durch s (mit Unterscheidungsstrich) ausgedrückten assyrischen Laute hebräisch ein c, und dem s (ohne Unterscheidungsstrich) hebräisch ein tr entspricht, dass demgemäss also auch innerhalb des Assyrischen ein sa-ma,^, sam-ku „Sonne“ mit C'SC und sikkuru „der Riegel“ vielmehr mit zu transcribiren wäre? Diese Ansicht hat in der That neuerdings ihre Vertretung gefunden. Bernhard Stade hat in einer scharfsinnigen Ausführung den Satz aufgestellt, dass der dem hebräischen gequetschten, breiten Zischlaute r in den assyri- schen Wurzeln entsprechende assyrische Zischlaut durch ein c wie- derzugeben sei, und wiederum der dem hebräischen c entsprechende Laut durch 'r zu transcribiren sei. Das Wort für „Silber“ also,

ka- as-pa, kas-jm, sei nicht wie bisher und in Analogie mit dem Hebräischen geschehen: denn

vom 6. März 1877.

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vielmehr C]irr; umgekehrt mmsii nicht

sondern c?:5 zu schreiben u. s. \v. (Morgenl. Forschungen 181). Der genannte Gelehrte wird dadurch weiter zu der jedenfalls auf- fallenden Annahme geführt, dass ursprüngliches c, welches sonst fast durchweg in den semitischen Sprachen sich erhalten habe, im Assyrischen (von Ausnahmefällen abgesehen) zu einem üj geworden sei, z. B. hebr. C]ö3, aram. . <r> o (arab. wäre =

einem assyr. hebr. “imD „umhergehen“ aram. (• ..m) IMO wäre

= assyr. (s. o.) ; ferner hebr. 5|^iC, aram. . ^ ..m „zu Boden strecken“ wäre = assyr. u. s. f. Schon dieser Umstand wird uns stutzig machen. Das Assyrische würde darin den übrigen semitischen Sprachen isolirt gegenüber stehen.

Es kommt hinzu der bereits früher bemerkte und von J. 01s- hausen schon vor Jahren mit Recht hervorgehobene sonstige, ganz hebräischartige lautliche Typus des Assyrisch-Babylonischen. Bei der bisherigen Annahme nun würde, auch was die Zischlaute und D betrilft, das Assyrische zu den übrigen semitischen Spra- chen die gleiche Stellung einnehmen, Avie das Hebräische. Durch- weg — die Ausnahmen sind verschwindende entspricht in as- syrischen Wurzeln der Laut s dem hebräischen üJ, und das s dem hebräischen D; dazu entspricht das assyrische .s dem hebr. üj auch da, wo in der letztem Sprache sich das ursprüngliche (Schin) bereits zu b (Sin) differenzirt hat. Ich erinnere an die bekannten Beispiele, assyrisch mmilu und mmilu (mit ^|) „linke Hand“ hebr. arab. aram. |1 vn m : ass. mp-tu (mit

= ^ 350^^) „Lippe“ hebr. aram.

arab. xäb;; ass. Isi'rit (mit ■^) „zehn“ = hebr. arab. «.xbc,

aram. ' ro ; ass. kar-m „Bauch“ (Syll. u. Schöpfungsgesch.)

Go .01 ^ .

hebr. b'ns, arab. (jbA, aram. ass. nasd „tragen“ = hebr.

Nb:, arab. L/i. j ; assyr. mrap „verbrennen“ hebr. tjib u. a. m. So würde die Harmonie zwischen dem Hebräischen und Assyri-

’) Tn der Sargonsinschrift I K. 36, 41. 42 erscheint das betr. Zeichen freilich auch mit dem Lautwertlie sap (in dem Worte ku-aap , Preis“ =

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Sitzung der philosophisch-historischen Klasse

sehen eine völlige sein, falls die bisherige Theorie richtig, dass näm- lich ass. bab. s dem Laute nach = uj und s = c ist. Alles würde verschoben werden, wenn assyr. babyl. s den Lautwerth von C und s den Lautwertli von v hätte. Untersuchen wir nunmehr, ob dem so ist und wann dem so ist.

Es kommt darauf an, sich klar zu werden, welches die laut- liche Qualität der bezüglichen beiden Zischlaute war, ganz abgese- hen von dem organischen Verhältniss der sie aufweisenden Wur- zeln im Assyrischen und den verwandten Sprachen; es gilt, für sich die Ausspraclie der, durch die betreffenden Zeichen reprä- sentirten Laute, bezw. der sie bietenden Wörter festzustellen. Dieses scheint freilich bislang schon längst geschehen zu sein; es ist ja dargethan, dass in den von den Assyrern zu den Hebräern und von den Hebräern zu den Assyrern gekommenen hligennamen es sich umgekehrt verhält als oben ausgesprochen; dass z, B. in dem

dem hebr. 'Aschschur entsprechenden Worte As-sur (“V) unser durch s angedeuteter Zischlaut dem sch, in dem dem hebr. Menaschscheh entsprechenden Worte Minasi'i (T) dem hebr. s unser s = ö entspricht. Damit ist eben bewiesen, dass assyrisches s den Laut doch von 'c =. sch (s) und assyr. s denjenigen von 5 = geschärftem s hat. Die Ausnahmen, so sagt man, vermögen diese Regel nicht umzustossen. Gerade nun diese Ausnahmen zu betrachten, wird unsere nächste Aufgabe sein.

1. Seit dem babylonischen hlxil wurden bekanntlich bei den Hebräern ganz neue Bezeichnungen der Monate üblich, die sich nicht minder auch bei den Syrern, und zwar bereits auf den palm. Inschriften finden. Dass dieselben keine ursprünglich hebr. oder kanaanäischen, ja überhaupt nicht semitische Namen wären, ver- muthete man längst. Man hielt sie früher wohl für persischen Ur- sprungs; jetzt wissen wir sicher, dass sie die bei den semitischen Mesopotamiern üblichen Monatsnamen waren. Königscylinder und Rrivatdocumente der Assyrer und Babylonier sind nach Monaten, die diese Namen führen, datirt. Dass es nicht die altmesopotamischen Benennungen der Monate waren, wissen wir dazu aus einer uns überkommenen altbabylonisch-assyrischen Monatsliste (veröffentlicht bei Norris, Assyrian Dictionary 1 p. 50; Delitzsch, assyr. Lese- stücke S. 33 flg.), aus der sich ergiebt, dass dieselben in dieser

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o

alten, nichtsemitischen Sprache andere Benennungen hatten, als irn Assyrischen, und dass die Ideogramme für diese Namen in den assyrischen Inschriften gegen die sonstige Analogie in der mesopotamischen Schrift Abkürzungen sind der betr. anders- artigen Namen. Dass anderseits die bei den Assyrern gebräuch- lichen Monatsnamen semitische seien, folgt aus dem Umstande, dass die Assyrer sich ihrer bedienten, noch nicht; und wenn auch bei einem dieser Namen, nämlich demjenigen des 8. Monats oder des Marcheschwan, assyr. arah-samna, d. i. „Achter Monat“, die assyrisch-semitische Etymologie zu Tage liegt, so ist diese Bezeich- nung des betr. Monats doch überhaupt eine vereinzelt inmitten der übrigen dastehende, und wenn man auch bei dem einen oder an- dern der übrigen an eine semitische Ableitung denken könnte, so muss dieses doch vorläufig noch dahingestellt bleiben. Fest steht nur, 1) dass dieses die bei den Assyrern und nicht minder auch bei den Babyloniern zur Zeit der Exulanten gebräuchlichen Namen der Monate waren, und 2) dass die Hebräer diese Namen von Baby- lonien aus erhielten, nicht etwa von einem andern nichtsemitischen Volke, auf welches etwa der Ursprung dieser Namen, falls er näm- lich sich als kein semitischer erweisen sollte, zurückginge. Die- ses letztere ergiebt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Herübernahme des, wie wir meinen, ausschliesslich babylonisch- assyrischen Namens Arah-samna hebr. Diese späteren

hebräischen und zugleich babylonischen Monatsnamen enthalten nun zufällig wiederholt auch Zischlaute, und vergleicht man diese Laute, Avie sie in den assyrischen Wörtern erscheinen, mit den entspre- chenden in der hebräischen Transcription, so tritt uns die Erschei- nung entgegen, dass in allen den Fällen, in denen sich die Zisch- laute durch die Schrift sicher constatiren lassen, ein ursprüng- lich babylonisches s einem hebräischen s (=: lü) und babyloni- sches s einem hebräischen s (= d) entspricht. Es sind

1) assyr. ßa-ha-tu hebr.

2) assyr. Ni-sa-an-nu = hebr.

3) assyr. Si-va-nu = hebr. ‘Vp;

4) assyr. Ki-si-li-vu =. hebr.

Für unsern Zweck nicht streng beweisend, weil mit in zusammen- gesetzter Sylbe erscheinendem Zischlaut geschrieben (s. oben), ist 7as-ri-tav =. '“ipp, da das Zeichen für tas soAVohl mit dem Laut- Averthe ta-as (mit x’), als auch mit dem andern ta-as (mit t) vor-

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Sitzung der 2^^ilosophisch-historischen Klasse

kommt, wenn auch das Syllabar (No. 761) es ausdrücklich als ta- as (mit 'i'), wie in unserm Falle zu erwarten, erklärt. Dasselbe gilt von Arah-samna ‘iVw'r.n'C, da die betr. Sylbe mit dem zu- sammengesetzten Zeichen für sam geschrieben wird, das zwar in der Regel für sam (mit w) vorkommt (ABK. 76 Nr. 223), dessen Variante sayn aber nicht a priori als eine unmögliche bezeichnet werden kann. Wegen eines in einer Liste erscheinenden Zahlsub- stantivs su-ma ... = „ein Achtel“ könnte man sogar an ein

assyrisches samnu als an das entsprechende Wort denken und jedenfalls hätte man ein Recht so zu transcribiren. Allein diese selbe Liste giebt auch das assyrische Wort für „ein Sechstel“ durch sudu(?) wieder, während „das Sechszig“ docli sulsu vgl. zi= etc. heisst, mit welchem das assyr. Wort doch wohl wurzelhaft zusammenzubringen ist. Dasselbe würde von si-hu-a = nr-r „siebzig“ gelten, dem Hincks irgendwo in den Texten begegnet zu sein glaubt (ABK. 241). Immerhin würde das steht fest Arah-sam-na wie mit s so auch mit s transcribirt werden können. Wir müssen demnach auch dieses Beispiel ausser Betracht lassen. Sehen wir nun von diesen zweifelhaften Fällen ab, so gewin- nen wir als Resultat, dass bei den von den Babyloniern seit dem Exil herübergenommenen assyrisch-hebräischen Monatsnamen stets babylonischem s ein h e b räi sch es ir, babylonischem s ein hebräisches c entspricht.

2. a) Dasselbe erhellt durch einen Blick auf die babyloni- sche Transcription der auch in hebräischer Umschrift vorliegenden persischen Eigennamen. Cyrus, assyr. Ku-ra-as (Beh. 21) d. i.

lautet im A. T. uii'r; Xerxes, d. i. Ahasverus, assyr. Hi-si-'- ar-si (D, 4. 6 u. ö.), Hi-U- -ar-sa- (C, a. 5. 8; b. 5. 14), Ili-si-'- ar-su (Sus. 5) wird im A. T. transcribirt durch (Esr.

Esth. Dan.); Artaxerxes, assyr. Ar-tak-sat- su (Sus. 1. 4 u. ö.) lautet Esr. 7, 7 Bekanntlich findet sich hierzu noch

die Variante: Esr. 4, 8. 1 1. 23, bzw. Esr. 4, 7,

Obgleich hier 4 Stellen gegen 1 stehen, wird man sich doch wohl dahin zu entscheiden haben, dass Esr. 7, 7 die richtigere und wohl auch ursprünglichere Lesung bietet. Denn bei ursprüng- lichem ist die Verlesung in doch schwer be-

greiflich. Wie immer man sich aber auch entscheiden möge: im Hebräischen wird durch die Zeichengruppe r'i oder rc Jener

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eigen thümliche Laut auszuclrücken gestrebt, der im Persischen als tr {Artakli sa-tr-ä) bezeichnet und im Babylonischen durch ts (mit dem einfachen s) angedeutet wird. Auch hier bestätigt sich we- nigstens indirect die Regel.

Das Resultat dieser Betrachtung ist: in allen, mit aufgelö- sten Sylben geschriebenen Eigennamen der im A. T. erwähnten persischen Könige entspricht babylonisch s hebräischem ii', babylo- nisch s hebräischem c. Es erhält dieses seine Bestätigung wenig- stens bis zu einem gewissen Grade auch noch durch den einen mit einem lediglich in zusammengesetzter Sylbe erscheinenden Zisch- laut geschriebenen persischen Königsnamen: nämlich durch den Na- men Darius, babylon. Da-ri-ja-vus (Da- a-ri-ja- a-vus) in der Behistuninschrift und sonst, welcher im Hebräischen als er-

scheint. Das in Betracht kommende Sylbenzeichen erscheint näm- lich, soviel mir bekannt, nur als mus, vuD, für mus ist ein an- deres Zeichen in der Regel im Gebrauch (ABK. 71 Nr. 143. 151; vgl. Men. Syllab. II p. 166. Nr, 171).^)

b) An die Personennamen reiht sich nun ein Ländername. Persien heisst in der babylonischen Übersetzung der Achäme- nideninschriften Par-su (Beh. 1. 5 u. ö.), während ihm im Hebräi- schen ö'nS entspricht; babyl. ö ist somit = hebräisch D. Eine Ausnahme bildet dagegen der Name für die elamitische Hauptstadt Susa; gerade hier aber ist wahrscheinlich die Incorrektheit auf Seiten des Assyrischen; denn Hebräer und Babylonier stimmen zusammen gegen die Assyrer. Der Name wird nämlich im Hebräi- schen mit dem breiten Zischlaute := ‘itäW geschrieben, und wäh- rend sonst in solchen Fällen im Assyrischen ein s- Zeichen ent- spricht, finden wir diesmal ein solches für s =z (-tP) V-I (oft in den Inschriften Asurbanipal’s). Nun aber ist dieses genau die Aussprache des Zischlautes, welche uns auch auf den einheimi- schen elamitischen Inschriften in dem häufigen <V

entgegentritt. Dass zwischen Babylon und Elam Verschiedenheit in der Aussprache der durch die gleichen graphischen Bilder be-

') Ebenso erscheint der babylonische Name S in- uball it im Hebr. als was aber nichts beweist, da auch S in-ahi-irih im Hebr. als wiederkehrt.

SG

Siizimg der philosophisch-historischen Klasse

zeichneten Zischlaute bestand, ist bis jetzt nicht zu constatiren. Weiter aber ist es durch eine Reihe von Beispielen zu belegen, dass in dem Falle, wo die Assyrer einen sei es babylonischen, sei es elainitiscben Eigennamen in ihren Inschriften bringen, sie ihn, Avas den Zischlaut anbetrifft, mit dem Keilschrift - Zeichen ge- schrieben bieten, mit welchem er in seiner Ileimath geschrieben erscheint. Mit andern Worten: die Assyrer haben sich in der Schreibung des Namens Susan der in Elarn und vermuthlich auch Babylonien üblichen einfach angeschlossen daher die scheinbare Unregelmässigkeit in der Wiedergabe der Zischlaute bei diesem Namen. Auch die Wiedergabe des babylonisch - assyr. Sipar als Hebräischen wird sich so erklären.

c) Und diese Behauptung der Übereinstimmung der Zischlaute

in den babylonischen Eigennamen und in ihren entsprechenden hebräischen Transcriptionen erhält ihre Rückversicherung durch die persische Schreibung der betr. Namen. Überall nämlich entspricht babylonischem .v (= :r) sowie hebräischem ü persisches ^ d. i. sh (unser s), und wiederum babylonischem s (c) sowie hebräischem o persisches d. i. s oder p (unser s). Vgl.*) pers. Kürbis = Khhjursd zz=. ü“*':jr:(N'); Ddrayavus ■=.

Arialchsatrd assyr. Artaksatsu^ hehr. , und wiederum

Pdr^a =■ D“iS (assyr. hehr.); K\mijd (NR. Z. 30= 19) = hehr, und babyl. iüid.

d) Auch die ägyptische Transcription der persischen, zugleich auch in hebräischer und babylonischer Form uns erhaltenen, Na- men bestätigt das Ausgeführte. Wir finden auf der Pariser Xerxes- vase den Namen Xerxes hieroglyphisch ,F-.s-i-a-r(/)-.s^-a und auf der Vase der Skt. Marcus -Bibliothek in Venedig den andern des Artaxerxes A -r--S’- 1 -.s-s-.?) geschrieben. Beidemale wird babyl. hebr. pers. «(’C) durch ägypt. s TtTtT (i w i), und in dem zweiten F^alle dazu noch der dem hebräischen rc und babylonischen er ent- sprechende differenzirte Zischlaut durch das Zeichen e wiederge- geben. Auch in den verschiedenen hieroglyphischen Schreibungen des Namens Darius: nämlich (nach Lepsius) Ntrus, KSrlus, N^llm, Trius, Tim, Trus, sowie ferner des Namens Xerxes neben

U In der Transcription folge ich, abgesehen von dein Zischlaute g (Spiegels s), dem Genannten. Über tr s. Leps. in Abhdll. 18ü2 S. 407.

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(s. ob.) auch yJiaU, %sJals, %Ms, yjrls erscheint durchweg der der babylonisch -persisch“ hebräischen Schreibung entsprechende breite Zischlaut. Ebenso findet sich das dem babylonischen Kum (d. i. Kusch) , hebräischem persischem K\mijd, entsprechende ägypt. Wort Kes.) Kesa mit dem breiten Zischlaute geschrieben. Und umgekehrt erscheint das dem babylon. Par-su „Persien“, hebr. DnS, pers. Pdrga entsprechende ägyptische Wort im Ägypti- schen mit dem geschärften Zischlaute Pers geschrieben. Hier- nach kann es unseres Erachtens einem Zweifel nicht unterliegen, dass in den babylonischen Übersetzungen der Achämenideuin- schriften keilschriftliches s hebräisch -persisch -ägyptischem breitem s (s) 115, keilschriftliches s hebr. -pers.- ägyptischem geschärftem

s (s) D entspricht, mit anderen Worten, dass in ihnen die Aus- sprache der Zischlaute s und s genau die gleiche ist, wie im Hebräischen.

3. Das bestätigt sich schliesslich noch durch einen Blick auf die babylonischen Eigennamen, welche uns in den spätem alt- testamentlichen Büchern: Daniel, Esther und Esra begegnen. Durch- weg erscheint hier bei den Namen der persischen Könige Ddre- jdvesch = Darius, ' Ahaschverosch = Xerxes dieselbe Schreibweise wie vorhin. Es stimmt damit die Wiedergabe des Namens Bil-sar- 2isur durch Dan. 5, 1. Und wenn der assyr. Name Balat-

su-usur (s. KAT. 278*^) ebenfalls durch mit 115 wiedergege-

ben wird (Dan. 1, 7), so hat diese scheinbare Incongruenz ihren Grund vielleicht in dem Sti’eben, die lautlich einander so nahe ste- henden Namen und ^l£N(D)lÜC3Vi auch äusserlich einander

möglich zu verähneln. Nothwendig ist aber diese Annahme nicht. Denn statt Balat-su-usur konnte der Assyrer ebensowohl Balta- su-usur aussprechen, was sogar der hebr. Ansprache, wie sie in der masorethischen Punktation vorliegt (“iiSNlüü^a), noch näher kommt. Überall nicht hieher gehört der auch im Buche Daniel uns ent- gegentretende Name “|^D für „Statthalter“ in::: assyr. ‘piy (KAT. 270); denn dieses Wort, das schon bei Jeremia und Ezechiel als ganz hebraisirt erscheint, wird bereits durch die Assyrer, die ja seit Sargon sicher ihre mkmUi, PI. von saJcan, saknu, zeitweilig mit der Verwaltung in Israel betrauten, zu den Hebräern gekommen sein. War das Wort aber einmal in der Aussprache )y'o (mit as-

') Vgl. ABK. 1.H Nr. 59a.

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Sitzung der philosophisch-historischen Klasse

syrischer Aussprache des Zischlautes; für > vgl. aus Sarrukin)

in Israel heimisch geworden, so liegt zu Tage, dass es auch spä- ter in dieser Aussprache sich hielt. Ini Übrigen bestätigt gerade auch Jeremia in den uns überlieferten babylonischen Personen- namen unsere Ergebnisse ist = babyl. Nirgal-sar-usur

der. 39, 3, und ■piä'S: ist = babyl. Nabu-si'zibanni ebenda Vs. 13. Vereinzelt steht lediglich falls dieses aus Sumgir-Nabu,

ebenda 39, 3.

4. Ja, noch der Talmud liefert uns eine Bestätigung unsers Satzes, wenn er uns berichtet, dass der „Südwind“ babylonisch xnnd und der „Ostwind“ N‘“'ä gelautet habe (s. Fr. Delitzsch, Assyrische Thiernamen S. 140); denn jenes ist das babylonische m-u-tav, dieses das babyl. m-du-u (II B. 29, 1. 3). Die baby- lonischen Juden hörten also babylonisches s wie TT.

Hiernach können wir als das Resultat unserer Untersuchung über die Transcription der fremden in Betracht kommenden Namen der nachexilischen BB. es anssprechen, dass bei der Wiedergabe der Zischlaute sowohl bei den Hebräern in Bezug auf die babylonisch- persischen Namen, als bei den Babyloniern in Bezug auf die west- lichen Namen (Kus) die organische Aussprache der Zischlaute ‘Zi und 0 mit der faktischen sich deckt, d. h. dass babylonisches s hebräischem s =. ‘c:, babylonisches s hebräischem s = o entspricht und umgekehrt. Die vereinzelten etwaigen Ausnahmen und “(Jc) können diese Regel sowenig umstossen, wie die wenigen auftretenden gegentheiligen Beispiele dieses für die Transcription in den assyrischen Inschriften gegenüber den hebräi- schen und vice versa etwa vermögen. Ohnehin kann man in den angeführten Fällen den Grund der Unregelmässigkeit mehrfach noch ziemlich sicher aufzeigen (s. o.). So stehen wir denn nun vor der merkwürdigen Thatsache, dass die Transeriptionsweise der Zisch- laute und folglich die Aussprache derselben in Mesopotamien eine verschiedene war bei den Verfassern der assyrischen Inschrif- ten und bei denen der babylonischen Übersetzungen der persi- schen Achämenideninschriften; und wiederum, dass während bei den assyrischen Inschriften zwischen der organischen und der faktischen Aussprache eine Differenz klafft, und hier eine offen- bare Umkehrung der Aussprache der in Rede stehenden Zischlaute eingetreten ist, bei den babylonischen Inschriften der Achämeni-

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den organische und faktische Aussprache der hetr. Zischlaute sich in völliger Coincidenz befinden; endlich, dass die aller Wahrschein- lichkeit nach erst in der babylon. Periode zu den Hebräern gekom- menen mesopotamischen Namen, was die Transcription der Zisch- laute hetritft, mit den babylonischen der Achämenideninschriften rangiren.

Dieses Gesetz, vermuthungsweise schon vor längeren Jahren von Oppert aufgestellt, hat bis zu dem Grade Gültigkeit, dass es sogar sich trift’t, dass der selbe Fremdname, wenn er in den assyrischen Inschriften auftritt, einen anderen Zischlaut aufweist, als wenn er in der babylonischen Übersetzung der Achämeniden- inschriften erscheint. Das Beispiel liefert der Name für „Äthiopien- Nubien“, das Land und Reich Kusch. Im A. T. erscheint dieser Name in der Aussprache üi3 mit breitem Zischlaut = assyr. .s-; in den assyrischen Inschriften aber (s. KAT. Gloss. s. v.) wird er Ku-u-su, Ku-u-si, Ku-si (mit resp. ^1^)^ ^ilso mit

im Babylonischen den Laut D repräsentirenden Zeichen geschrieben. Bei den Assyrern also so müssen wir schliessen hatte das Zeichen für c eben den Werth von Dagegen nun wird in der Dariusinschrift von Naksch-i-Rustam Z. 19 dieser selbe Name viel- mehr Ku-u-ki, I^) ^1’

dem, organisch und wui’zelhaft dem hehr. UJ entsprechenden Zisch- laute — wie im Hebräischen und beiläufig auch im Ägyptischen selber (Kes oder Kas) geschrieben ^), mit ihm somit auch ge- sprochen. Daraus folgt, dass derselbe fremde Laut bei den As- syrern durch ein anderes Zeichen wiedergegeben ward, als bei den Babyloniern zur Zeit der Achämeniden; dass somit die Lautwerthe der betreffenden Zeichen verschiedene waren in Assyrien und zur Zeit der Abfassung der babylon. Inschriften der Achämeniden. 2) Auf welche und wie beschaffene Ursachen ist nun diese Veränderung der Aussprache, was die Zischlaute an-

Gerade die Zeichen ... sind bei dem im Anfang ver-

stümmelten Namen auf der AV'^estergaard’schen Copie völlig deutlicli zu lesen. S. Taf. XVIII, b. Z. 19.

*) Ist ein solcher Rückschluss gestattet, so würde aus dem dargelegten Lautwandelgesetze indirekt folgen, dass auch der in den Inschriften der as- syrischen Könige auftretende Ländername Par-su-a (I. liawl. 35, 8 u. ö.),

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Sitztwg der ithihsophisch-hhtorischen Klasse

betrifft, zurückziifübren, auf zeitliche oder aber auf örtliche? - Wenn man den Umstand in Erwägung zieht, dass die assyrischen Inschriften zeitlich den babylonischen vorangehen, könnte man auf die Vermuthung kommen, dass eben das erstere der Fall und dass in Folge lediglich zeitlicher Entwicklung eine Vertauschung der Werthe statt gehabt (denn dass es sich nicht etwa um eine blosse und einseitige Abschvvächung des breiten Zischlautes u; zu o han- delt, wie im Äthiopischen, versteht sich nach dem Ausgeführten von selbst). Dann würde man auzunehmen haben, dass die ur- sprüngliche Aussprache des von uns mit s bezeichneten Zischlau- tes hebräisch c, arab. , gewesen und im Laufe der Zeit dieses 0 zu einem breiten ’ji (in den Achämenideninschriften) ge- worden sei. Dem stehen nun aber gewichtige Instanzen entgegen. Zunächst der allgemeine, wiederholt geltend gemachte, von dem ganzen Typus des Assyrischen, insbesondere was die Zischlaute aubetrifft. hergenommene Grund. Ihm gesellen sich andere bei. Gerade nämlich bei den Namen, von denen wir anzunehmen ha- ben, dass sie in allerältester Zeit zu den Hebräern und Westsemi- ten gekommen sind, begegnen wir nicht der assyrischen, denn vielmehr der in den babylonischen Texten der Achämeniden- inschriften uns entgegentretenden Aussprache, gerade in ihnen ent-

der von den Einen als Name für „Persien“, von den Andern als ein solcher für „Parthien“ gefasst wird, jedenfalls das erstere nicht sein kann. Denn da „Persien“ bei den Babyloniern (s. Behistuninschr. n. s. \v. passim) Par-SU (mit d) hiess, müsste das Wort bei den As Syrern Par-su (mit s) lauten. Durch Vermittelung der Babylonier (s. o. S. 8G) haben nämlich, soviel wir bis jetzt sehen können, die Assyrer weder den einen noch den anderen Namen erhalten, falls sie den ersteren überall kannten. Die Gleich- stellung von Par-su-a mit C“C wäre damit ausgeschlossen. Es kommt hin- zu, dass Par-su-a ein auslautendes a zeigt, dem wir sonst bei dem betr. Namen nicht begegnen, und das auch an sich unbegründet sein würde. Ob nun aber darum wiederum ohne Weiteres Pur- su -a dem babyl.-pcrs. Pur- tu-u „Partbien“ = pers. Purthava^ gleichzustellen ist, wie mehrfach vermu- thet ist, ist eine besondere Frage. Der Wechsel von c und r wäre immer- hin auffallend; doch Hesse sich vielleicht das Par-su-a der sog. scythischen Übersetzung der Achämenideninschriften zum Vergleich heranziehen. Geo- graphisch-geschichtliche Erwägungen werden hier den Ausschlag geben müs-

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spricht nicht rnesopotamisches s hebräischem ö, sondern hebräischem lü; weiter mesop. s nicht hebräischem tu, sondern hebräischem o, verhält sich also die Sache umgekehrt als in den assyrischen In- schriften; dagegen so wie in den babylonischen Texten der Achä- menidenkönige. Dieses haben wir nun zuvörderst zu zeigen. Es folgt dieses nach unserer Meinung zunächst aus der Wiedergabe des alt -babylonischen Gottesnamens Ihar bei den Westsemiten. Die assyrische Schreibung des Namens und zwar, was den Zisch- laut betrifft, so viel ich weiss, die ausnahmslose ist Is-tar, als Femininum Is-ta-ri-tuv (Assyr. Akkad. Hymn. Nro. S. 954 bei Fr. Delitzsch, assyr. Lesestücke S. 35 Rev. 16), die hebräisch-kanaa- näische Form des Namens ist bekanntlich n“iinu3u. Ebenso lautet die Aussprache desselben auf dem Mesasteine (Zeile 17): ntmuu. Dass wir es nun hier nicht mit einem gemeinsemitischen Namen zu thun haben, vielmehr mit einem solchen, der zu den Westse- miten eben so importirt wurde wie Neho, Merodach, Kaivan u. a. m. steht uns fest. Der Name kam, so meinen wir, von Babylonien, wie zu den Assyrern und Westsemiten, so auch zu den Südsemi- ten, wo er bei den Himjaren in der Aussprache Xic erscheint, mit Übergang des üJ in n, wie bei assyrisch As-kir., hebräisch gegenüber aramäisch joI'( (vgl- noch nro“ins-'). Wenn nun dieser Eigenname, der so müssen wir annehmen schon in den allerfrühesten Zeiten zu den Westsemiten kam, vielleicht von ihnen bereits bei ihrer Auswanderung aus Mesopotamien mitge- bracht ward, gegen den sonst zwischen Assyrien und Palästina herrschenden Lautwechsel nicht mit 5, sondern mit üJ geschrieben wird, so kann er entweder überhaupt nicht über Assyrien oder aber nicht zu der Zeit, da in Assyrien jene andere Aussprache herrschte, zu den Westsemiten gekommen sein. So werden wir auf Babylonien und zugleich auf eine verhältnissmässig weit in der Zeit zurückliegende Epoche geführt. Das gleiche Resultat giebt eine Betrachtung des Gottesnamens Salc-kut an die Hand, der im B. Arnos (5, 26) als msö erscheint. Auch dieser Name ist kein semitischer, sondern ein altbabylonischer. Ist dem aber so, so ist auch das Zeichen SAK, das in den assyrischen Inschriften ebensowohl für sak als auch für mk gebraucht wird, gemäss dem ursprünglichen d. i. akkadisch-sumirischen Lautwerthe zu neh- men. In den nichtsemitischen babylonischen Texten hat gemä.ss

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Sitzung der jddlosophisch-historischen Klasse

Syll. 805 ff. das betr. Zeichen den Landvverth: sa-ak(k) = (pc).

Genau so finden wir in dem Namen den Zischlaut auch im A. T. wiedergegeben. Es würden liierher noch die E'“id aus assyr. si'-i-dti gehören, falls diese Gleichstellung eine richtige. Muss nun bei den letztem Namen die Zeit, wann sie zu den Westsemiten gedrungen, dahingestellt bleiben, und lässt sich dem- gemäss auch der Schluss, dass diese Aussprache des s als 'lü, des s als c bei diesen Wörtern auf eine ältere, theilweis vorassyrische Zeit deute, beanstanden (obgleich, dass diese Zeit jedenfalls be- trächtlich zurückliegt, aus ihrem verhältnissmässig frühen Vor- kommen in den alttestamentlichen Schriften sich schliessen lässt), so würde dieses bei zwei anderen Namen weit sicherer sein. Es sind das Namen, welche bereits in den, wenigstens nach der überwiegenden Ansicht der Kritiker, ältesten Abschnitten des A. T.’s erscheinen, nämlich „Sinear“ und „Ellasar“.

(für Sinear Gen. 10, 10; 11, 2; 14, 1, sowie auch des. 11, 11; für Ellasar Gen. 14, 1. 9), Namen, deren resp. Identität mit babyl. Sumir nach bekanntem Lautgesetze) und babylon.

Larsav (C“'^) = Senkereh wenigstens bis auf einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit gebracht ist. Schliesslich habe ich noch auf den Namen für Assyrien selber hinzuweisen: in den Texten As-sur^ bezw. A-sur, bei den Hebräern ebenfalls Askur d. i. ■r.tSN lautend. Da das Wort für den Hebräer ein Fremdwort ist, sollte nach dem oben besprochenen, sonst bei der Herübernahme assy- rischer Eigennamen ins Hebräische geltenden, Lautwandelgesetze der Zischlaut u; in den andern c verändert sein, das Wort im Hebräischen also in der Aussprache “rCs erscheinen, dieses um so mehr, als in den in späterer Zeit herübergenommenen Eigen- namen, z. B. in Amr-ah-iddin, Tuklal-habal-asar das « in s = r übergeht: ,“CNpv“r*p>p. Auch Tul-Assur ■=. “liL'NPri, ~wVn

kann vielleicht hieher gezogen werden. Allerdings könnte man einwenden, dass es ja denn doch immer nur eine Hypothese sei, dass der Name für das Land Asur, Aksur derselbe sei wie der des Gottes Asur, mit welchem die angeführten Eigennamen zu- sammengesetzt seien; dass somit nichts der Annahme entgegen- stehe, dass der Name Assur von einer anderen Wurzel abzuleiten Sei, als der Name des Gottes Asur. Allein gesetzt auch, es wäre dieses zu statuiren, so würde dadurch für uns hier nichts geän- dert. Denn da die Assyrer in der Aussprache der beiden Wör-

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ter AMur (^Äsur) and Asur, wie der Schreibung der betreffenden Namen mit den gleichen bezüglichen Zischlautzeichen zu entneh- men ist, durchaus keinen Unterschied machten, so lag auch für die umwohnenden Völker, zu denen die betreffenden Namen als Fremdnamen kamen, kein Anlass vor, sie lautlich zu differenzi- ren. Der Grund also, warum die Hebräer den Landesnamen As- htr durch “-rN mit w , den Gottesnamen A.^ur durch “cn mit wiedergeben, muss ein anderer gewesen sein. Nun sind die Na- men und u. s. f. erst in bestimmt nach-

weisbarer, späterer Zeit zu den Flebräerii gekommen (seit Mitte des 8. Jahrhunderts). Der Name “,vü:n Asmr erscheint aber in beträchtlich älteren Resten der hebr. Literatur, und es versteht sich, dass der Name überhaupt schon sehr früh den Hebräern be- kannt ward. Es kann nicht als undenkbar bezeichnet werden, dass die verschiedene Aussprache des seitens der Assyrer ständig in gleicher Weise geschriebenen Namens auf einen Wechsel der Aussprache des betreffenden Zischlautes innerhalb des Assyri- schen zurückgehe; dass lautlich dasselbe Wort Assur, Asur zu der Zeit, da der Landesname Assur als “‘w'n zu den Hebräern kam, mit dem breiten Zischlaut (= "■) gesprochen ward, dass diese Aussprache aber später sich in diejenige mit c umsetzte. Nach- dem dann aber die Hebräer ein Wort in einer bestimmten Aus- sprache (hier des Zischlautes) herübergenommen hatten, war es im Übrigen nur natürlich, dass sie dasselbe in dieser Aussprache nun auch beibehielten, s. den ähnlichen Fall oben bei “c.

Blicken wir nun auf diese ganze letzte Erörterung zurück, die freilich der Natur der Sache nach nicht die gleiche Stringenz haben kann, wie die über die Aussprache der Zischlaute in den Eigen- namen der Achämenideninschriften, so ergiebt sich, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich hat, dass die mit dem Hebräischen congruente, in den babylonischen Achämenidentexten vorliegende Aussprache der Zischlaute bereits auch die Altbabyloniens war, ja dass sogar noch in Assyrien eine Zeit lang diese, mit dem Hebräischen congruente, Aussprache herrschend war; dass sich dann aber hier mit der Zeit eine abweichende Aussprache aus- bildetc, welche den Zischlauten einen umgekehrten Lautwerth zu- wies. In Folge dessen stellte sich hier zunächst ein eigenthüm- liches Schwanken bei der Wiedergabe der Zischlaute durch die Sylbenzeichen ein, wovon uns die Schreibung des Eigennamens [1877] 9

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Sitzung der philosophisch-historischen Klasse

T Jw 44.J4 (1. i.* Sa - am - si - 7^/n

(I Rawl. 6 Nr. I Z. 1) mit doppeltem c statt 'c: noch ein Zeug- niss ist. Während nun in Habylonien die alte hebräischartige Aus- sprache sich unverändert hielt, wie noch die babylonischen Texte der Acliämenideninschriften beweisen, wurde in Assyrien die Verschiebung oder besser die völlige Umkehrung der Aussprache der Zeichen für die Sylben mit den beiden in Rede stehenden Zischlauten vollzogen, wovon die Wiedergabe assyrischer Eigen- namen bei den Hebräern einerseits, hebräischer bei den Assyrern anderseits Zeugniss giebt. Der Grund der völlig entgegengesetzten lautlichen Verw'endung derselben betreffenden Zeichen war nach dem Angeführten in erster Linie ein örtlicher (dass in Babylonien jemals eine andere Aussprache als die in den Achämenideninschrif- ten zu Tage liegende geherrscht habe, ist nicht zu belegen), ein Grund, dem sich aber ein zeitlicher, so scheint es, beigesellte. Und dass nun auch sonst zwischen Babylon und Assyrien Differenzen in der Aussprache klafften und zwar auch der Zischlaute (die Dif- ferenz zwischen p [assyrisch] und g [babylonisch] ist ja schon längst von den Assyriologen angemerkt), dafür glauben wir eben- falls noch einen Anhalt zu haben. Bekanntlich bezeichnen die Hebräer die Babylonier mit dem Namen -‘"'i's. In den assyri- schen Inschriften findet sich bis jetzt ausschliesslich nur die Aussprache Kal -di, vgl. griech. Xu/.8c(7ct, für das betr. babyloni- sche Volk, niemals Kas-di-, von ihnen, den Assyrern, können also die Hebräer den Namen kaum erhalten haben. Es bleiben nur die Babylonier selber übrig. Leider haben wir auf babylonischen Inschriften den Namen bis jetzt überall noch nicht gelesen, weder in der einen, noch in der andern Aussprache: die babylonischen Inschriften bezeichnen die Bewohner Chaldäa’s eben anders. Es wird aber die Vermuthung nicht zu gewagt erscheinen, dass bei ihnen in der früheren Zeit (vgl. Gen. 11 u. 15 : r*“r: “*n) der Name statt mit der Liquida mit dem Zischlaute gesprochen ward. Da nun anderseits auch noch die im Lande der Chaldäer selber ansässigen und dort schreibenden jüdischen Schriftsteller stets nur die Aussprache mit dem Zischlaute wählen, so ist es doch wohl das Nächstliegende anzunehmen, dass auch später noch bei den Baby- loniern diese Aussprache mit dem Zischlaute die übliche war. Es kommt hinzu, dass dieses wenigstens in zw’ei anderen Fällen sicher ist.

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Das armenische Land Ararat, welches auf den assyrischen In- schriften stets und ständig Urartu genannt wird, heisst in dem babylonischen Texte der Behistiininschrift Urastu, mit Zischlaut (Bell. 49. 94) ; wiederum also entspricht der Liquida im Assyri- schen der Zischlaut im Babylonischen. Sodann heisst im Talmud der „Nordwind“ NjftöN, der wie die beiden schon vorher angeführ- ten Namen für die Winde sicher ein mesopotamischer, näher ba- bylonischer und zweifellos derselbe Name ist, der in dem assy- rischen Syllabar als il-ia-nu aufgeführt wird. Babylonisch is-ia- nu ist also im Assyrischen zu il-ta-nu geworden: wiederum also entspricht der babylonische Zischlaut der Liquida im Assyrischen. Bei dieser Lage der Dinge wird es nun auch wohl gerechtfer- tigt erscheinen dürfen, wenn Avir den Wechsel in der Aus- sprache der Zischlaute und o bei den Assyrern im Vergleich zu den Babyloniern in erster Linie auf örtliche, secundär auf zeit- liche Ursachen zurückführen; Avenn Avir sagen, dass die mit dem Hebräischen durchaus in Übereinstimmung sich befindende Aus- sprache des Babylonischen sich in Assyrien in die gerade entge- genstehende umgesetzt hat. Wie dann aber die babylonische Aus- sprache zugleich als die ursprüngliche der mesopotamischen semi- tischen Sprache sich erAveisen Avürde, so Avürde damit zugleich er- hellen, dass man bei der etymologischen Einreihung der Wurzeln die bisherige, hebräischartige Bezeichnung der Zischlaute beizube- halten, demgemäss auch ferner s unter UJ und s unter o einzureihen hätte, so sicher anderseits assyr. s gleich hebr. D und assyr. s gleich hebräischem ’i' ist. Es Aväre zu erAvägen, ob man mit Rück- sicht auf das Dargelegte nicht überhaupt die doch immer missA'er- ständliche, dazu für das Babylonische d. h. aber für die ursprüng- lichste Form des mesopotamischen Semitismus geradezu falsche Bezeichnung der Zischlaute, Avie auch Avir sie in unseren bisheri- gen Publicationen befolgten, aufgäbe und hinfort assyr. s durch s und assyr. s z=z z durch s ersetzte.

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GesammtsUziütg

Am 4. März starb in Rom Ilr. Graf Carlo Raiuli di Vesme, correspoiidireiides Mitglied der pliilosophiscli - liisloriselien Klasse der Akademie.

8. März. Gesainmtsitziing der Akademie.

Hr. Beyrich las:

Über j urassische Ammoniten von Mombassa.

Eine im Herbst des vergangenen dabres liier angelangte Sen- dung des Reisenden Hildebrandt entbleit eine Partie von Ver- steinerungen, grösstentheils Ammoniten, durch welche unserer Kenntniss von der Existenz und der Zusammensetzung der Jura- formation im östlichen Afrika eine nicht unwichtige Bereicherung zugeführt wird. Herr Hildebrandt schreibt, dass er, durch Krankheit verhindert, den Fundort der gesendeten Versteinerungen noch nicht selbst habe besuchen können; sie seien durch seine Diener an der Zanzibar-Küste bei Mombassa am Wege von Kisauri nach Takaiinga aufgelesen und fänden sich hier auf einer Ebene, etwa zwei englische Meilen vom Meeressfrande, vor der ersten Hügelreihe. Obwohl hiernach sowohl ein reicheres Material, wie auch genauere Angaben über das Vorkommen in Aussicht stehen, so glaube ich doch bei dem hohen Interesse, welches dieses Vor- kommen zu erregen geeignet ist, bereits jetzt eine Mittheilung über das Gesendete geben zu müssen.

Eine erste Andeutung von dem Vorhandensein animoniten- führender jurassischer Ablagerungen an der Zanzibar- Küste bei Mombassa erhielt man im .Jahre 1859 durch die Angabe von Fraas, dass bei Kisaludini von dem Missionar Krapf ein Hw-

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monites annularis gefunden sei. Herr Sadebeck verzeichnete dar- auf in der geologischen Karten-Skizze von Ost-Afrika, welche dem von der Decken’schen Reisewerke beigegeben ist, einen Jura- streifen, der sich von Kisaludini nahe Mombassa nordwärts bis nach Takaungu hinzieht, d. i. in der Erstreckung zwischen den- selben Orten, welche von Hildebrandt Kisauri und Takaiinga geschrieben werden. Auch Herr Waagen liess in dem neuerlich erst vollendeten, inhaltreichen und reich ausgestatteten Werk über die Cephalopoden der Juraformation von Kutch die Angabe nicht unbeachtet, dass Ammonites annularis oder athleta bei Mombassa gefunden sei, und legte Gewicht darauf, dass dieselbe Art auch im indischen Jura vorkomme. Dieser Ammonit, welcher in Europa den obersten Horizont der Kelloway-Gruppe oder die Basis des süddeutschen weissen Jura charakterisirt und auch in Indien dem gleichen Horizont angehört, ist unter den Ammoniten der Hilde- brandt’schen Sendung nicht vertreten, und man müsste, wenn in die richtige Benennung des Krapf’schen Ammoniten kein Zweifel gesetzt werden darf, folgern, dass derselbe auf einem anderen Wege gefunden wurde als demjenigen, auf welchem die Neger Hilde- brandt’s die uns zugekommenen zahlreichen Ammoniten auflasen. Diese letzteren repräsentiren eine Ammoniten-Fauna, welche ganz den Charakter einer oberjurassischen alpinen Kimmeridge-Fauna an sich trägt und im indischen Jura ihr Äquivalent in der Fauna des „Katrol Sandstone“ besitzt. Keine einzige Art liegt vor, welche die Annahme veranlassen könnte, dass in unserer Ammonilen- Fauna mehi-ere Horizonte vertreten seien, und auch die gleich- artige Erhaltung lässt schliessen, dass ein und dasselbe Lager dieselbe geliefert hat. Das Gestein, aus welchem unsere Ammo- niten herrühren, scheint ein eisenreicher, thoniger Sandstein zu sein, in welchem sicli zahlreiche sphärosideritische Knollen ausge- schieden haben, die in ausgelaugtem Zustande als allein zurück- gebliebenes Residuum des zersetzten Gesteins den Boden bedecken. Die Atiimoniten sind von den Nieren umschlossen und Averden durch deren Zeifallen oder Zerschlagen sichtbar in vortrefflicher Steinkernerhalturig mit scharfen Lobenlinien und unversehrter Skulptur, etwa vergleichbar der Erhaltung des Ammonites Parkin- sonii aus den gerösteten Eisensteinnieren des oberschlesischen Dogger.

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Gesammtsitzung

Unter den Ammoniten von Mombassa sind 7 Arten scharf unterscheidbar; sie vertheilen sich auf die Gruppen der Hetero- phyllen, Fimbriaten, Inflaten und Hybonoten mit je einer Art und auf die Planulaten mit 3 Arten. Die Mehrzahl der Individuen ge- hört den Planulaten an; wichtiger für die Vergleichung mit ande- ren Faunen sind die den anderen 4 Gruppen angehörenden Arten.

Ammönites cf. silesiacus Oppel, Zeitschrift der d. g. G. 1865, Zittel, Stramberger Schichten Taf. 5, Fig. 1 7 (P/igl- loceras).

Die nur durch ein gekammertes Fragment vertretene Art ge- hört sicher zu der Untergruppe der Ileterophyllen, welche Neu- mayr in seiner Monographie der Phylloceraten des Dogger und Malm im Jahrbuch der Wiener geologischen Keichsanstalt von 1871 die Gruppe des Ammönites (Phylloceras) ultramontanus ge- nannt hat. Sie könnte ausser dem Ammönites silesiacus auch mit dem A7nm. mediterraneus N eam. und mit dem Amm. jwhjolcus hew. verglichen werden. Amm. silesiacus unterscheidet sich durch glatte Schale vom Amm. mediterraneus und j^olyolcus, letzterer von den beiden anderen durch grössere Zahl der Einschnürungen im aus- gew^achsenen Zustande. Der Ammonit von Mombassa hat die ge- ringere Zahl der Einschnürungen des Amm. mediterraneus und sile- siacus', die Steinkernerhaltung lässt unbestimmt, ob die Schale glatt oder gerippt war. Die drei zur Vergleichung herangezogenen Arten finden sich alle drei in oberen alpinen Jurakalken, nur vom Annn. mediterraneus nimmt Neumayr an, dass er bereits im oberen alpinen Dogger auftrete und ohne Unterbrechung bis zu den ober- sten Jurascliichten fortsetze. Zur Erläuterung des Amm. mediter- raneus gab Neumayr, a. a. 0. Taf. 17, Fig. 1, eine treffliche Ab- bildung der älteren Form aus dem Kelloway-Kalk des Brielthals bei Gosau; die jüngere Form erläuterte Zittel, in der Fauna der älteren Tithonbildungen Taf. 25 Fig. 15 und Taf. 26 Fig. 1, durch Abbildungen von Stücken aus den Central- Apenninen und von Rogoznik, indem er zugleich bemerkte, dass diese jüngere Form sich von der älteren der Kelloway- Gruppe durch geringere Dicke unterscheide. Da der Ammonit von Mombassa sich in gleicher Weise von der Art des Brielthals unterscheidet und ebenso von einem Ammoniten aus indischen Kelloway-Schichten, welchen Waa-

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gen, a. a. O. Taf. 5 Fig. 1, dem Amm. mediterraneus zurecbnet, so möchte ich glauben, dass hier zwei verschiedene Arten vorliegen, und nehme Anstand, den Namen des Amm, mediterraneus zur Be- nennung unserer Art zu wählen. In der Fauna des indischen Katrol - Sandsteins ist die Heteroph}dlen - Gruppe des Amm. medi- terraneus nicht vertreten.

Ammonites cf. rex Waagen, Jur. Fauna of Kutch S. 36 Taf. 8 Fig. la, b (Lytoceras).

Zwei Dunstkammerstücke eines grossen Fimbriaten gestatten die Art nach der Form des Querschnittes und den wichtigsten Ver- hältnissen der Lobenlinie zu beurtheilen. Bei dem grösseren der beiden Stücke beträgt die Höhe 65 Mm., die Dicke 60 Mm. Der gegen den Rücken vorgeschobene Zweig des oberen Lateral-Lobus erreicht sein Ende unter dem vertikal absteigenden Zweig des Dorsal -Lobus, so dass die A"on beiden Seiten herkommenden Zweige des oberen Lateral-Lobus nur durch einen Raum von der Breite des Siplional-Sattels von einander getrennt bleiben. Da bei unseren Ammoniten die Skulptur der Schale und bei dem indischen Ammonites rex die Lobenlinie unbekannt ist, so muss die Verglei- chung der beiden Arten eine sehr unsichere bleiben. Möglich wäre es auch, dass unsere Art oder der Ammonites rex, wenn nicht der Amm. (Lytoceras) adeloides bei Waagen a. a. O. Taf. 8 Fig. 2, eine und dieselbe Art ist, welche als der erste aus Indien nach Europa gelangte Ammonit bereits von Larnarck den Namen Ammonocera- tites glossoidea erhalten hat ^).

Laiuarck sagt „Trouve, dit-on, daiis les Grandes-Indes“. Die Samm- lung der Universität besitzt durch Valenciennes das Modell der Larnarck - sehen Art mit folgender Erläuterung: „Ammonites fimhriatus moule sur l’echan- „tillon qui faisait partie des collections de Larnarck et dont il avait fait le „genre Ammonoceratite, Ammonoceratite ylossoide, Amm. ylossoides Lk. anim. „s. Vert. T. VII. p. G44. Cet echantillon provenait du cabinet de Mr. Turbot, „Icquel le tenait de son beau-frere, gouvorneur de Fondichery pour la France, „qui l’avait rapporte comme ayant ete trouve dans les montagnes de 1 Inde. „Cet echantillon fait maintenant partie des collections du Museum. II a ete „donne par le Duc de Ilivoli.“

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Gesamntsitzung

Ammoniies iphiceroides Waagen, Jur. Fauna of Kutcli. S. 102 Taf. 23 {Aspidoceras).

Drei von verschiedenen Individuen herrührende Stücke geben über die Wohnkaminer, die Lobeulinie und über die Form der Schale im frühesten Jugendziistaude hinreichenden Aufschluss, um dieselben mit Sicherheit der von Waagen beschriebenen indischen Art zurechnen zu können. Ein Wohnkammer- Fragment hat eine Dicke von etwa 95 Mm. bei 55 Mm. Höhe in der Mittelebene. Zwei zu einem Paare, gehörende Knoten haben zu einander die gleiche Stellung, wie sie der Figur Taf. 23 Fig. la bei Waagen der zweite oder dritte Knoten der inneren Reihe zu dem correspon- direnden Knoten der äusseren Reihe zeigt; der innere Knoten ist ausnehmend dick und stumpf, der äussere viel schwächer, ohne bestimmte Begrenzung, und durch eine breite flache Welle mit dem inneren Knoten verbunden. Über den hoch gewölbten Rücken ver- laufen schwache Falten, die zwischen und in der äusseren Knoten- reihe hervorzutreten beginnen und auf der Mitte des Rückens ziem- lich regelmässig etwa 4 Mm. weit auseinanderstehen. An dem Dunstkammerfragment eines anderen Individuums ist zu sehen, dass die Falten auch bereits an dem gekammerten Theil der Schate aus- gebildet waren. Der Verlauf der Lobeulinie lässt, so weit er zu beurtheilen ist, keine bemerkenswerthen Verschiedenheiten von der bei Waagen gezeichneten Linie erkennen. Der ausserdem noch vorhandene Steinkern eines jungen Individuums zeigt bei 23 Mm. Durchmesser in seiner Form genau dieselben Verhältnisse, wie sie von dem Jungen Amm. iphiceroides a. a. O. Taf. 23 Fig. 3 darge- stellt sind. Der Steinkern ist bei dieser Grösse noch glatt, eben- so wie es bei dem indischen .\mmoniten der Fall ist, und das erste Auftreten der Stacheln ist nur durch ein paar feine Spitzen angedeutet.

Der Name iphiceroides spielt darauf an, dass Waagen selbst den indischen Ammoniten iVülier für nicht wesentlich verschieden hielt von dem europäischen Amm. iphicerns Opp. Die afrikanische Form würde ich wegen der noch grösseren Dicke der Wohn- kammer eher dem 5/?(0(/«s (Qu.) Oppel vergleichen und die

schwache Berippung der Schale als den einzigen bemerkenswerthen Unterschied ansehen. Beide Arten, Amm. iphicerns und hinodits, gehören zu der Gruppe von Ammoniten, welche (^uenstedt in

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der Familie der Armaten als bispinose Inflaten zusammenfasste; sie stehen einander so nahe, dass Zittel es für fraglich hielt (Pal. Stud. p. 195), ob die Trennung überhaupt beizubehalten wäre. Die beiden Arten gehören nebst ihren nächsten Verwandten zu den ver- breitetsten und bezeichnendsten Ammonitenformen sowohl in alpinen wie ausseralpinen Kimmeiüdge-Bildungen. In diesem Horizont fan- den sich ähnliche Ammoniten auch allein in der Juraformation von Kutch. Waagen unterschied, ausser seinem Asindoceras ipMceroides, noch 3 zu derselben Gruppe gehöi’ende Arten, von denen 2, gleich dem iphiceroides, dem Katrol - Sandstein und die dritte der noch höher gestellten Oomia-Gruppe angehören.

Ammonites Hildebrandti n. sp. Aus der Gruppe der Hy- bonoten; Avahrscheinlich gleich Aspidoceras sp. ind. bei Waagen, Fauna von Kutch S. 101 Taf. 21 Fig. 4, aus dem Katrol -Sand- stein.

Ammonites hijhonotus nannte Oppel im Jahre 1863 einen Am- moniten aus dem lithographischen Schiefer von Solenhofen, der nur in Avenigen unvollkommenen Fragmenten gekannt Avar, aber doch, Avie Oppel meinte, Avegen einiger bezeichnender Merkmale ausgezeichnet zu Averden A'erdiente. Der Name bezieht sich auf den auffällig ausselienden Rücken desselben Ammoniten, dessen Seitenansicht gleichzeitig als eine andere Art den Namen Ammoni- tes Autharis erhielt. Nachdem darauf Benecke im J. 1866 einen ähnlichen, anscheinend zu schnell für ident gehaltenen Ammoniten aus dem südlichen Tirol in A'ollständiger Erhaltung kennen lehrte, erhielt Ammonites hyhonotus schnell die Bedeutung eines der aus- gezeichnetsten Ammoniten-Typen des oberen Jura. In der Fauna der Schichten mit Aspidoceras acantlricum unterschied Neumayr aus alpinen und ausseralpinen Kimmeridge-Bildungen nicht Aveniger als 4 A'erwandte Arten: Amm. pressidus aus Siebenbürgen und den Sette Comuni, Amm. Beclceri von denselben Fundorten, Amm. liar- p>ephorns aus Siebeidjürgen und Amm. Knopi A"on Immendingen in Baden, Avelche mit dem Amm. Injhonotus zu einer Gruppe der Ily- bonoten verbunden und in die Gattung Aspidoceras d. h. in die Abtheilung der Armaten gestellt Avurden. Dieselbe Stellung er- hielten die Hybonoten in der systematischen Anordnung der indi- schen Ammoniten bei Waagen, mit dem zugefügten Bemerken,

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Gesammtsitzung

dass es nöthig sein werde, für diese Ammoniten eine besondere neue Gattung einzufiihren.

Der indische Jura hat 2 Ilybonoten geliefert, von welchen der eine den Namen Amm. monacanthus erhielt, der andere unbekannt blieb (a. a. O. Taf. 21, Fig. 3 und 4). Von beiden Arten waren nur unbedeutende Fragmente der Wohnkammer erhalten, beide | stammen aus dem Katrol-Sandstein. Von Mombassa erhielten wir zwei ansehnlichere Wohnkammerstücke einer Art, der ich den Na- men des unerschrockenen Reisenden, dem wir sie zu verdanken \ haben, beilege. Die Art lässt sich dem Amm. monacanthus Waag. j nicht näher vergleichen, könnte .aber sehr wohl mit der unbenannt j gebliebenen Art des Katrol-Sandsteins übereinstimmen. Das grössere | unserer Wohnkammerstücke stammt von einem Ammoniten, der um |

die Länge einer Windung grösser war als der schöne Ammonit -

von Volano, dessen Abbildung Benecke gegeben hat. Die am äusseren und inneren Rande der Seiten stehenden Knoten oder Dornen sind mit einander durch Rippen verbunden, die in der Mitte der Seiten flach sind, gegen die Dornen hin aber sich stär- ker erheben. Ihre Stellung und Entfernung entspricht derjenigen, wie sie das unbenannte Fragment bei Waagen Taf. 21 Fig. 4 darstellt. Von den äusseren, am Rande des Rückens stehenden Dornen ziehen sich die Rippen mit starkem Schwünge nach vorn bis an den Rand der die Ilybonoten charakteristisch auszeichnen- den mittleren Rückenrinne heran; die Ränder der Rinne lassen - nur stumpfe längsgedehnte Kerben erkennen, welche einer ver- steckten Theilung der von den Dornen nach vorn laufenden Rip- pen entsprechend gestellt sind. An dem Eindruck der Bauchseite dagegen ist zu sehen, dass der Rücken der vorhergehenden Win- dung eine nur schmale tiefe Rinne besass, deren Ränder mit dicht j

stehenden gerundeten Höckern besetzt war, ähnlich wie sie am i

Ammonites Beckeri (Neumayr a. a. O. Taf. 38 F"ig. 3b) dargestellt .

sind, doch weniger dicht aneinander stehend. Diese Verzierung 1

des Rückens entspricht derjenigen, die das Wohnkammerstück des {

kleineren Ammoniten an der Aussenseite zeigt. Die Stellung der I

Knoten und die Berippung der Seiten ist hier derjenigen ähnlich, |

welche Neumayr an dem Amm. Knopi von Immendingen in der ^

Figur 2 a auf Taf. 43 seines angeführten Werkes darstellt. Dieser ;

Figur entspricht auch unser Stück in der Grösse. Man würde |

vom 8, März 1877.

103

sich hiernach den Ammonites Hildebrandti als einen Hybonoten zu denken haben, der im mittleren Alter von der Seite gesehen dem Ammonites Knojn, vom Rücken gesehen dem Amm. Beckeri ähnlich ist und im Alter das Ansehen des Benecke’schen Ammonites hy- bonotus von Volano erhielt.

Die engen Beziehungen, durch Avelche nach Vorgehendem die Ammoniten -Fauna von Mombassa ebenso mit derjenigen des indi- schen Katrol- Sandsteins wie mit europäischen Faunen gleichen Alters verbunden ist, werden bestätigt durch den Charakter der Planulaten zwischen welchen die erörterten Formen nur vereinzelt auftreten. Eine genaue Charakteristik der dieser Gruppe ange- hörenden Arten ziehe ich indess vor zu verschieben in der Hoff- nung, dass ein noch reicheres Material später der Untersuchung eine grössere Schärfe zu geben gestatten wird; doch unterlasse ich nicht hervorzuheben, dass die häufigste unter den Planulaten- Formen der verwandten indischen Fauna, Ammonites Pottingeri oder Katrolensis auch an der afrikanischen Küste, wie es scheint, domi- nirend auftritt. Hoffentlich werden spätere Sendungen auch von anderen die Ammoniten begleitenden Formen Kenntniss geben. Gegenwärtig liegt nur das abgerollte Fragment einer Auster oder Gryphaea vor, und eine kleine Gesteinsprobe aus der Hügelreihe, welcher die von Ammoniten bedeckte Ebene vorliegt, lässt nur Crinoiden- Reste erkennen, von denen jedoch kaum zu sagen ist, ob sie jurassisch seien.

104

Gesamntsitzung

Ilr. G. Kirclihoff legte folgende Abliundliing des Hrn. H. C. Vogel vor:

iSpe ctral - Photoniet risch e Un te r s n c h n n ge n i n sb eso n der e zur H e s t i rn in u n g der Absorption der die So n n e u in - gebenden Gashülle.

1. Apparate zur Messung farbigen Lichtes.

Während die älteren photonietrischen Apparate keine oder nur sehr ungenügende Mittel boten, verschieden farbige Lichtcpiellen mit einander zu vergleichen, hat man in neuerer Zeit, durch Ver- bindung des Spectroskops mit dem Photometer, Apparate, con- struirt, welche jenem längst gefühlten Bedürfniss Methoden zur Messung der Stärke farbigen Lichtes zu besitzen abgeholfen haben. Diese neueren Ilülfsmittel sind -wieder für die Spectral- analyse von Bedeutung geworden, da sie die Mittel an die Hand geben, die relativen Intensitäten der einzelnen Theile eines Spec- trums gegen einander, oder gegen eine bestimmte Lichtquelle zu fixiren und man wird zugeben, dass gerade die Bestimmung der Lichtstärke der verschiedenen 'riieile eines Spectrums sehr wesent- lich zur Charakterisirung desselben beiträgt. Bisher hatte man eine solche nur durch allgemeine Bezeichnungen, vom Intensivsten bis zum Schwächsten, zu geben versucht, was jedoch durch den Umstand, dass dem Auge die Fähigkeit fast ganz abgeht verschie- denfarbiges Licht in Bezug auf Intensität in Vergleich zu stellen, nur in sehr unvollkommener Weise geschehen konnte.

Vierordt^) hat die ersten und sehr umfangreichen Unter- suchungen auf diesem Gebiete angestellt. Der Apparat, welchen er anwandte, bestand aus einem gewöhnlichen Spectroskop, bei ■welchem, von der Vorderfläche des dem Beobachtungsfernrohr zu- nächststehenden Prismas reflectirt, das Bild eines seitlich ange- brachten, durch eine möglichst constante Lichtquelle erleuchteten

*) Die Anwendung d. Spectralapp. z. Messung und Vergleieliung der Stärke des farbigen Licfites (Tübingen 1871).

vom 8. März 1877.

105

Spaltes, gleichzeitig mit dem zu untersuchenden Spectrum, in das Auge des Beobachters gelangte und bei genügender Intensität als ein schmales Lichtband das Spectrum der Länge nach durchzog. Das Gesichtsfeld des Beobachtungsfernrohrs konnte durch zwei bewegliche Schieber beliebig beschränkt werden, so dass nur ein schmaler Theil des Spectrums sichtbar blieb.

Es wurde nun durch Rauchgläser von bekannter absorbirender Kraft, die Lichtstärke des hellen weissen Streifens so lange ge- schwächt, bis eine Unterscheidung desselben auf dem betreffenden Theile des Spectrums nicht mehr möglich war. Die Lichtstärke verschiedener Stellen ein und desselben Spectrums, sowie verschie- dener Spectren verhält sich dann, bei Gleichheit des Eintrittsspaltes, proportional der durch die Rauchgläser abgeschwächten Lichtstärke des seitlichen Spaltes.

Nach dieser hier in kurzen Umrissen angedeuteten Methode hat Vierordt eine sehr grosse Anzahl werthvoller Beobachtungen über die Intensitätsverhältnisse im Sonnenspectrum, sowie in den Spectren einiger Flammen gegeben, und die einzigen bisher bekann- ten derartigen Messungen von Fraunhofer haben durch seine Untersuchungen eine schöne Bestätigung und Vervollständigung er- fahren.

Die Beobachtungen mit dem soeben beschriebenen Apparate sind jedoch äusserst schwierig und gewähren nur bei sehr grosser Übung einen hinreichenden Genauigkeitsgrad.

Vierordt hat daher später einen anderen Apparat verwandt, welcher sich von einem gewöhnlichen Spectralapparat nur dadurch unterscheidet, dass der Spalt nicht einfach ist, sondern aus zwei möglichst exact übereinanderstehenden Spalten besteht. Jeder der- selben lässt sich mit Hülfe einer Mikrometerschraube messbar öff- nen und schliessen. Durch den einen Spalt leitet man das Licht der zur Vergleichung dienenden, durch den anderen das der zu untersuchenden Lichtquelle. Im Ocular des Fernrohrs ist die schon vorhin erwähnte Einrichtung getroffen, dass man ein belie- big schmales Stück des Spectrums herausblenden kann. Ohne diese Ocularblende erblickt man zwei übereinanderliegende, von den beiden Spalten herrührende, einander berührende Spectra. Blendet man nun einen Theil des Spectrums heraus, z. B. einen schmalen Streifen ini Grün, so wird man durch Veränderung der Weite des einen Spaltes eine Schwächung oder Verstärkung des

106

Gesammtsitzung

entsprechenden Spectrums hervorbringen, und die beiden Spectra, in dem schmalen Streifen im Grün, gleich intensiv machen können. Sind die Spalte gut gearbeitet und stehen sie möglichst genau übereinander, so sieht man einen farbigen Streifen von voll- kommen gleicher Intensität.

Es ist leicht einzusehen, dass innerhalb gewisser Grenzen die Lichtstärken sich wie die Öffnungen der Spalte verhalten werden. Vierordt wendet ausserdem noch sclnvache Rauchgläser an, die er vor den einen oder den anderen Spalt anbringt, um bei grossen Intensitätsunterschieden, den einen Spalt nicht zu weit öffnen, den anderen nicht unter eine gewisse zulässige Grenze schliessen zu müssen.

Der Vortheil dieser Methode gegenüber der ersten, auf dem verschiedenen Sättigungsgrad der Farben mit weissem Lichte ba- sirten, liegt auf der Hand. Man vergleicht hier Licht von der- selben Wellenlänge mit einander und dafür hat das Auge eine ganz erhebliche Empfindlichkeit. Die relativen Intensitätsunter- schiede der verschiedenen Theile ein und desselben Spectrums er- hält man allerdings nicht direct, sondern kann dieselben nur durch Vergleichung mit einer Lichtquelle, bei welcher man vorher nach der ersten Methode jene Bestimmung ausgeführt hat, erhalten, aber für die meisten Untersuchungen ist es ausreichend, die relativen Unterschiede der einzelnen Farben gegen die homologen einer an- deren Lichtquelle kennen zu lernen.

Um sich von der vielseitigen Anwendung des Apparates und von der Wichtigkeit, welche derselbe für den Physiologen und Physiker hat, zu überzeugen, braucht man nur die zwei starken Bände Beobachtungen, welche Vierordt in den Jahren 1873 und 1876 herausgegeben hat, etwas näher anzusehen ^). Dass derartige Apparate auch für die Astrophysik von Bedeutung werden können, dürfte aus dem Folgenden erhellen. Vierordt hat bereits seinen Apparat empfohlen für Untersuchungen an Sternspectren ^), und gern wäre ich schon eher bedacht gewesen, den Apparat auf den Himmel anzuwenden, wenn nicht andere Arbeiten meine Zeit in

U Die Anwendung des Spectralapp. zur Photoin. der Absorptions- Spectren etc. Tübingen 1873; Die quantitative Spectralanalyse etc. Tü- bingen 1876.

*) Astr. Nchr. Nr. 1863, p. 237.

vom 8. März 1877.

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Anspruch genommen hätten. Erst im Frühjahr 1876 wurde von Neuem meine Aufmerksamkeit diesem Gegenstände der Forschung zugeAvandt und zAvar durch die Kenntnissnahme eines nach anderen Principien construirten Apparates, welchen ich bei den Mechanikern Herren Schmidt und Haensch in Berlin sah.

Einige Mängel, in der Construction des Viero r d t’schen Ap- parates begründet, auf welche ich weiter unten zu sprechen kom- men werde, machten mir die Anwendung desselben auf Gestirne etwas fraglich. Diese Mängel schienen mir bei dem neuen Apparate, dessen Construction von Herrn Dr. Glan angegeben worden ist, gehoben, und ich veranlasste daher die Herren Schmidt und Haensch mir einen ähnlichen Apparat anzufertigen, an dem ich jedoch nicht unwesentliche Änderungen, welche mir für die speciell astronomischen Zwecke Avünschenswerth erschienen, anbringen Hess. Der Apparat ist. Dank den eifrigen Bemühungen und der Umsicht des Herrn Haensch, in jeder Beziehung zufriedenstellend ausge- fallen, und kann ich den Apparat in der schliesslichen Form allen Fachgenossen empfehlen. Ich lasse hier eine kurze Beschreibung folgen.

Bei S in der Figur 1 auf Tafel 1 befindet sich der Spalt, C ist eine Collimatorlinse von 22 Cm. Brennweite, P ist ein staik zerstreuendes Flintglasprisma. Das Beobachtungsfernrohr F hat ein Objectiv B von gleicher Brennweite wie. die Collimatorlinse. In so Aveit Aveicht der Apparat nicht von einem geAvöhnlichen Spectralapparat ab, es befindet sich aber bei I) noch ein doppelt- brechendes Bergkrystallprisma, und bei N ein Nicolprisma. Ausser- dem ist der Spalt P, dessen eine Backe durch eine Mikrometer- schraube beAvegt Averden kann, in der Mitte durch einen etAva 2 Mm. breiten Steg q getrennt (s. Fig. 2 Taf. 1). Ein total reflec- tirendes Prisma p lässt sich dicht vor dem Spalte so beAvegen, dass man es nach Belieben vor die eine oder die andere Spalt- hälfte bringen, oder auch ganz zur Seite schieben kann (s. Fig. 3 Taf. 1). Nehmen wir das letztere an, so werden, Avenn der Spalt von einer Lichtquelle erleuchtet wird, von den beiden Spalthälften durch die Zerlegung des doppeltbrechenden Prismas P, 4 über- einanderliegende Bilder in der Brennpunktsebene des Fernrohrs F erscheinen, deren Intensität durch Drehung des Nicolprismas N paarweise bis zu Null abgeschwächt Averden kann, da die aus dem

108 Gesammtsitzung

doppeltbrechenden Prisma J) austretenden Strahlen senkrecht auf einander polarisirt sind.

In der Brennpunktsehene des Fernrohrs F befindet sich nun ein Diaphragma, welches die beiden äussersten der 4 Bilder ver- deckt, so dass man durch das Ocular 0 sehend, nur 2 Spectral- streifen beobachtet. Die Breite des oben erwähnten Steges q vor dem Spalt ist nun so bemessen, dass die beiden obenerwähnten Bilder sich berühren. Da dies aber für die verschiedenen Theile des Spectrums nicht gleichzeitig in voller Strenge zu erreichen ist, so lässt sich die Collimatorlinse C etwas verschieben und hierdurch, sowie durch eine entsprechende Verschiebung des Oculars D, an jeder Stelle des Spectrums Jene Berührung auf das Genaueste her- beiführen.

Wie bei den Vieror dt’schen Apparaten ist es möglich das Gesichtsfeld des» Fernrohrs, in der Richtung senkrecht auf die Längsausdehnung des Spectrums, durch 2 Schieber beliebig zu be- schränken, so dass man nur einen ganz schmalen Theil des Spec- trums, oder besser der beiden dicht übereinanderliegenden Spectren übersieht und die Beurtheilung der Intensitäts - Gleichheit der zu untersuchenden Stelle der Spectra durch nebenliegende Theile nicht störend beeinflusst wird. Durch Drehung des Nicolprismas, welche mit Hülfe einer Theilung 7nm abgelesen Avird, kann das eine Spectrum, z. B. das obere, völlig ausgelöscht werden, das un- tere hat dann seine grösstmöglichste Intensität. Bei einer Dre- hung von nur 45° sind beide Spectra gleich hell. Stellt man nun das Vergleichsprisma q) vor die eine Hälfte des Spaltes und lässt Licht durch dasselbe fallen, während die freie Spalthälfte von einer anderen Lichtquelle beschienen wird, so rühren die beiden durch das Ocular 0 wahrzunehmenden, dicht übereinander liegenden Spectra von den beiden verschiedenen Lichtquellen her und man kann die Intensitäten an irgend welcher Stelle des Spectrums durch Drehung des Nicolprismas gleich machen und durch den Drehungswinkel messen.

Durch eine Drehung des Fernrohrs um eine durch die Mitte des Prismas, parallel zur brechenden Kante desselben, gehende Axe und durch Ablesung an einem Gradbogen t'u, ist nmn im Stande, verschiedene und ganz bestimmte Theile der Spectra in die Mitte des Gesichtsfeldes des Fernrohrs F zu bringen, und es wird, Avenn die Lichtquellen Spectra geben, deren Intensität nicht in allen

vom 8. März 1877.

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Theilen dieselbe ist, eine Drehung des Nicol -Prismas um einen anderen Winkel erforderlich sein, um die betreffenden Stellen der Spectra gleich intensiv zu sehen. Auf diese Weise ist es möglich, die Intensitäten der verschiedensten Theile eines Spectrums, bezo- gen auf ein Normalspectrum, zu messen, da die Intensitäten sich wie die Quadrate der Tangenten der Drehungswinkel verhalten. D er Hauptvorzug dieses Apparates gegenüber dem Vier ordt’schen mit zwei übereinanderliegenden Spalten, liegt darin, dass man stets Farben von genau derselben Beschaffenheit vergleicht, während bei dem letzteren Apparate die Vergrösserung der Lichtstärke eines Spectrums durch weiteres Öffnen des Spaltes, stets nur auf Kosten der Reinheit des Spectrums geschieht, und mit der Abnahme der völligen Farbengleichheit in sehr schneller Weise das Auge, in Bezug auf Intensitätsschätzungen, unsicher wird. Mit dem so- eben beschriebenen Apparate ist man im Stande, ohne Weiteres Spectra von sehr verschiedenen Intensitäten zu vergleichen, wäh- rend man bei dem Apparate mit Doppelspalt bei grosser Intensi- tätsverschiedenheit immer bedacht sein muss, durch Einschaltung von Gläsern zu bewirken, dass die Spaltöffnungen nicht zu un- gleich werden, da bei zu weiter Öffnung des einen das zugehörige Spectrum zu unrein wird, bei Verminderung der Spaltöffnung des anderen Spaltes, über eine gewisse untere Grenze, jene Proportiona- lität zwischen Öffnung und Intensität nicht mehr besteht, indem Un- vollkommenheiten in den Spaltbacken und die nie fehlenden Staub- theile einen zu grossen Einfluss gewinnen. Die Anwendung von Rauchgläsern hat aber immer etwas Missliches, wie aus den im Anhang folgenden Beobachtungen hervorgehen wird.

2. Die Bedeutung spectralphotoraet risch er Beobachtungen für die Astrophysik.

Es sei mir, ehe ich zur Mittheilung von Beobachtungen über- gehe, gestattet, in Kürze darauf hinzuweisen, von welcher Bedeu- tung die Spectralphotometrie für die Astrophysik zu werden ver- spricht, und wie sich ein neues ausgedehntes Feld der Forschung von grosser Tragweite zu eröffnen scheint.

[1877]

10

110

Gesammtsitzung

Ich würde umsomehr die folgenden Bemerkungen ungern unter- drücken, als es mir in der nächsten Zeit selbst nicht vergönnt sein wird, weitere Untersuchungen auf diesem Gebiete zu machen, da ich kein grösseres Fernrohr zur Verfügung haben werde, demnach nur dadurch die Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand zu lenken vermag.

Die Anwendung der spectroskopischen Methode erstreckt sich vorzugsweise auf selbstleuchtende Gestirne, so dass grade in Be- zug auf die uns zunächst liegenden Himmelskörper, die Planeten, welche mit reflectirtem Lichte leuchten, die spectroskopische Unter- suchung zwar sehr interessante Resultate zu Tage gefördert, aber unsere Erkenntniss nicht in dem Mjiasse erweitert hat, dass nicht sehr fühlbare Lücken, besonders in Bezug auf die physische Be- schaffenheit einiger Planeten, geblieben wären, die wir zum Theil durch photometrische Beobachtungen auszufüllen im Stande sein werden. Wir beobachten mit Hülfe des Spectroskops elective Ab- sorptionserscheinungen, welche das Sonnenlicht bei dem theilweisen Eintritt in die gasartigen Hüllen, welche die Planeten umgeben, erfährt, und werden gewiss mit der Zeit durch weiter fortgeführte terrestrische Untersuchungen jene eigenthümlichen Absorptions- bänder, wie sie vorzugsweise in den Spectren der beiden äusser- sten Körper unseres Planetensystems auftreten, deuten lernen. Neben den electiven, sich nur auf sehr schmale Theile des Spec- trums erstreckenden Absorptionen, erleidet das Licht aber beim Durchgang durch Gasgemische Schwächungen, die sich über grosse Theile des Spectrums erstrecken und die nicht minder wichtig zur Charakterisirung desselben sind, als die Streifen und Bänder. Für diese Beobachtungen ist das Spectralphotometer geeignet, es wird uns da eine Fortführung der Forschung ermöglichen, wo das ge- wöhnliche Spectroskop seine Dienste versagt.

Wenn man von einer grösseren Anzahl Körper von bestimm- ter physikalischer Beschaffenheit, das Reflexionsverinögen für Strah- len verschiedener Brechbarkeit kennt, so wird man umgekehrt aus der Übereinstimmung dieser Grössen eines bekannten, mit analogen Grössen eines unbekannten Körpers, innerhalb gewisser Grenzen, auf die physische Beschaffenheit des letzteren zu schliessen berech- tigt sein, man wird daher mit dem Spectralphotometer, auf den Mond angewandt, Fragen über die Farbe und Überflächenbeschaffen- heit dieses uns nächsten Himmelskörpers lösen können.

vorn 8. März 1877.

111

Bei den selbstleuchtenden Gestirnen wird das Spectralphoto- nieter, wie bei den Planeten, zunächst das Studium des Spectrums vervollständigen helfen, indem es die relativen Intensitäten der ein- zelnen Spectralbezirke kennen lehrt. Wir werden möglicherweise mit diesem Apparate im Stande sein, in den Spectren veränderlicher Sterne, hei denen mit Hülfe des Spectroskops bisher kein nach- weisbarer Unterschied in Bezug auf die dunklen Linien hat erkannt werden können i), Änderungen in der relativen Helligkeit der ein- zelnen Spectralbezirke wahrzunehmen und auf diese Weise einen Lichtwechsel, der durch die eigenthümliche innere Beschaffenheit der Weltkörper bedingt ist, von dem zu scheiden, der durch das Vorbeigehen eines dunklen Begleiters hervorgebracht wird, wie das z. B. bei Algol sehr wahrscheinlich der Fall ist.

Die Bestimmung der Intensitätsverhältnisse in den Spectren der Fixsterne setzt uns aber ausserdem noch in den Stand, Folge- rungen über den Hitzegrad der Sterne zu machen, ja es dürfte so- gar möglich sein, wirkliche Temperaturbestimmungen (natürlich innerhalb weiter Grenzen) auszuführen. Ich lasse hier Zöllners Worte folgen, der in einer Abhandlung über die Temperatur und physische Beschaffenheit der Sonne (Berichte der K. Sachs. Ge- sellsch. der Wissensch. 1873 Febr. 21 pg. 36 und 37) auch auf die Wichtigkeit der spectralphotometrischen Untersuchungen hin- weist.

„Schwächt man . . . das helle Spectrum (von dem einen Kör- per herrührend) soweit ab, dass die Helligkeit einer beliebigen Strahlengattung mit der homologen des anderen Spectrums über- einstimmt, so müssen, falls die beiden Körper gleiche Temperatur besitzen, auch alle übrigen homologen Theile photoinetrisch mit einander übereinstimmen. Ist die Temperatur verschieden, so fin- det diese Übereinstimmung nicht statt, sondern wenn die beiden Spectra für eine bestimmte Strablengattung (z. B. für die der Linie IJ entsprechende) photometrisch gleich gemacht worden sind,

’) Die Vermuthung Secchi’s, dass in dem Spectrum von a Orionis Veränderungen Vorgehen, sind durch die Beohaclitungen von Huggins und mir als unbegründet erfunden worden, ebenso konnte ich die Beobachtungen Secclii’s über Veränderungen im Spectrum von R Geminorum nicht be- stätigen.

10*

112

Gesammt Sitzung

■werden im Allgei^einen die stärker brechbaren Strahlen des dem heisseren Körper augehörigen Spectrums über die homologen des kühleren prävaliren. Die Intensitätsverhältnisse, welche hierbei stattfinden, sind Functionen der Temperatur, welche sich aus der K i rch ho ff’schen Function ergeben müssen. Aber auch schon ohne Kenntniss der letzteren, würde diese Methode auf Sterne an- gewandt uns gestatten, die Temperaturverhältnisse derselben wenig- stens qualitativ zu bestimmen, d. h. zu entscheiden, welcher von zwei Sternen eine höhere Temperatur besitzt.“

Ich habe zu derartigen Untersuchungen an Sternen mit dem oben beschriebenen Apparate eine Petroleumlampe in Verbindung bringen lassen, welche in Folge ihrer eigenthümlichen Aufhängung, bei den verschiedenen Lagen des Fernrohrs, immer in derselben Entfernung von dem Reflexionsprisma (p) bleibt. Man kann sich, wie die Beobachtungen ergeben haben, innerhalb längerer Zeit auf die Constanz der Flamme verlassen und es wird auf diese Weise möglich, die Intensitätsverhältnisse in den Spectren verschiedener Sterne unter einander zu vergleichen. Nähere Mittheilungen über diese Einrichtungen des Apparates behalte ich mir jedoch vor, bis ich Beobachtungs- und Messungsresultate mittheilen kann.

Ich habe das Spectralphotometer zuerst auf die Sonne ange- wandt und Beobachtungen angestellt, welche ich weiter unten mit- theilen werde, zuvor lasse ich hier einige Untersuchungen über die Genauigkeit, welche die Messungen erreichen können, folgen.

3. Über die Genauigkeit der Beobachtungen mit dem Spectral- photometer.

Um die Empfindlichkeit der Unterscheidung für Intensitäts- differenzen gleichfarbigen Lichtes oder mit anderen Worten um die Genauigkeit der Messungen mit dem Spectralphotometer zu be- stimmen, habe ich eine grössere Reihe von Beobachtungen ausge- führt, aus denen hervorgeht, dass dieselbe für die verschiedenen Farben nicht wesentlich verschieden und nur im äussersten Roth und Violett geringer ist als in den mittleren Theilen des Spec- trums. Für letztere hat sich als w. F. einer Einstellung 2.8 J

vom 8. März 1877.

113

ergeben, im äussersten Roth und Violett wächst derselbe bis zu 5^. Ich muss hierzu bemerken, dass diese Beobachtungen aus der ersten Zeit stammen und jetzt, nach grösserer Übung, der Fehler noch geringer anzunehmen sein wird.

Hr. G. Müller, der sich sehr eifrig bei den folgenden Beob- achtungen betheiligte, hat seine ersten Beobachtungen mit einem lü. F. für eine Einstellung von 4 bis 5^ gemacht, bei späteren Beobachtungen schwankte jedoch der lo. F. nur zwischen 1.2 und 2.8 f

Einige Beobachtungsreihen, die Hr. Müller mit einem Appa- rate mit Doppelspalt ausgeführt hat, welchen die Herren Schmidt & Haensch mir zu einer Prüfung freundlichst zur Verfügung ge- stellt hatten, geben eine ungleich grössere Genauigkeit. Es beträgt der 10. F. einer Einstellung im Grün bei genügender Intensität 0.61^ im Blau 0.75 -[}. Es liegt meines Dafürhaltens diese grössere Sicher- heit lediglich in der Construction des Apparates und ist bedingt durch die feinere Einstellung mit der Mikrometerschraube am Spalt, während an meinem Apparate die Drehung des Nicolprismas aus freier Hand nicht mit ähnlicher Feinheit ausgeführt werden kann, und eine Bewegung von 091 in den günstigsten Fällen schon einem Intensitätsunterschiede von 097 entspricht.

Es wäre ein Leichtes, die Feinheit der Einstellung mit Hülfe einer Schraube zu erhöhen, es hat sich aber herausgestellt, dass ein langsameres Gleichmachen der Intensitäten, wie es mit Hülfe einer Schraube möglich wird, das Auge ungewöhnlich anstrengt und sehr bald ermüdet, und es meines Dafürhaltens vorzuziehen ist bei Beobachtungen am Himmel, bei denen es aus verschie- denen Gründen erwünscht ist, nicht zu viel Zeit auf jede einzelne Beobachtung zu verwenden ein schnelles Arbeiten zu ermög- lichen, auch wenn die Genauigkeit in Etwas darunter leiden sollte. Bei den meisten Beobachtungen sind übrigens 6, bei erschweren- den Umständen S bis 10 Einstellungen gemacht worden, sodass der w. F. des Mittels nur in seltenen Fällen 1 -g- überschreiten dürfte, eine Sicherheit, die ich für ausreichend halte.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass man bei Appa- raten mit Polarisation am Vortheilhaftesten die Beobachtungen zu beiden Seiten desjenigen Punktes (Nullpunktes) macht, wo das eine Spectrum ausgelöscht ist, um eine etwaige fehlerhafte Stellung des Nicolprismas zu eliminiren. Auch ist es empfehlenswerth, durch

114

Gesammtsitzuiuj

eine Beobachtungsreihe im 1. und 4. und im 2. und 3. Quadranten sich zu überzeugen, dass der Apparat vollständig in Ordnung ist. Derartige Beobachtungsreihen haben Folgendes ergeben:

Quadrant I IV

1. Reihe 50921 50915

Mittel 50918

2. Reihe 17933 17927

Mittel 17930

II III

50932 50944

50938

17930 17953

17942

ich glaube, dass diese Übereinstimmung eine befriedigende genannt werden kann.

Eine fernere Prüfung des Apparates kann darin gefunden wer- den, dass man eine möglichst constante Lichtquelle in verschiede- nen Entfernungen misst. Ich habe am 27. Sept. 1876 eine solche Beobachtungsreihe ausgeführt, die ich hier mittheile.

Entfernung der Mitte der Flamme einer Petroleumlampe vom Spalt = e

Beobachteter Winkel (Mittel aus 6 Einstellungen) = w Intensität J = tg^ w

Die aus der Entfernung berechnete Lichtstärke J' = k\

e

01>645

0.980

1.295

1.656

VJ

S7°52

26.98

20.73

16.83

J

58.97

25.91

14.32

9.15

J'

59.05

25.58

14.65

8.95

Eine andere Reihe habe

ich am 10. October

angestellt, welche fol

gendes

ergeben bat (wj Mittel aus

12 einzelnen Einstellungen):

e

OT7323

0.8995

1 .0815

1.2825

1.5110 1.7525

w

20953

17.01

14.41

12.24

10.26 8.98

J

14.03

9.36

6.60

4,70

3.28 2.49

r

14.15

9.38

6.49

4.62

3.32 2.47

vom 8. März 1877.

115

Das Spectralpliotometer lässt sich an dem 9-zölligen Refractor der Berliner Sternwarte anbringen, und es ist noch eine dritte Prü- fung vorgenommen worden, indem das Fernrohr auf die Sonne ge- richtet wurde, so dass die Mitte des Brennpunktbildes von der Sonne auf die eine Spalthälfte fiel, während directes Sonnenlicht mit Hülfe eines an dem Spectroskop angebrachten Spiegels auf das Vergleichsprisma geworfen wurde. Das Objectiv des Fern- rohrs wurde, während das Uhrwerk für die Fortführung desselben sorgte, nach und nach abgeblendet und die verschiedenen Intensi- täten des Brennpunktsbildes wurden mit dem directen Sonnenlichte verglichen.

Hr. Müller hat diese Beobachtungen am 9. October ausge- führt, leider war aber die Atmosphäre nicht ganz schleierfrei, so- dass ein Theil der Differenz zwischen Beobachtung und Rechnung jedenfalls den ungünstigen atmosphärischen Verhältnissen zuge- schrieben werden muss. Immerhin ist aber die Übereinstimmung recht gut und spricht für die Brauchbarkeit des Apparates.

1. Reihe

Öffnung des Objectivs o =

0'?199

.180

.160 .1395

.1195

10

75910 7

3.70

72.03 69.70

66.23

J =

1412

1169

950 731

516

J’ = =

1451

1160

938 713

523

2. Reihe

0 = 0?800

.6075 .

3950

.2675

10 = 59953

51.67 39.83

28.70

J = 289

160

69

30

J' = 280

161

68

31

4. Über die Abnahme des Lichtes

von

der Mitte nach

dem

Rande der Sonnenscheibe.

Die Vertheilung des Lichtes und der Wärme auf der Sonnen- scheibe zu bestimmen, haben sich verschiedene Beobachter zur Auf-

116

Gesammtsitzung

gäbe gestellt. Bouguer war der Erste, der durch Messungen nachwies, dass die Sonnenscheibe durchaus nicht gleichförmig liell sei, wie man bis dahin angenommen hatte, sondern dass eine be- trächtliche Abnahme der Intensität des Lichtes von der Mitte nach dem Rande hin zu beobachten sei. Da wir diese Wahrnehmung nur durch die Absorption einer Atmosphäre, welche die Sonne umgiebt, erklären können, gewinnt die Aufgabe, jene Absorption genau kennen zu lernen, an Interesse, und es hat sich namentlich Secchi bemüht, durch photometrische Beobachtungen, sowie auch durch Beobachtungen mit einer Thermosäule zur Lösung derselben beizutragen.

Liais hat Versuche über die verschiedene Intensität des Lich- tes, Langley über die Wärme angestellt, während ich zahlreiche Beobachtungen ausgeführt habe, um die Absorption der chemisch wirksamsten Strahlen in der Atmosphäre der Sonne zu bestimmen.

Aus einer Vergleichung meiner Beobachtungsresultate mit denen der oben erwähnten Beobachter schien hervorzugehen, dass die Ab- sorption in der Sonnenatmosphäre eine Function der Wellenlänge sei und mit der Abnahme der Wellenlänge wachse. Es Hess sich dies nicht mit Bestimmtheit erkennen, da die Resultate der ver- schiedenen Beobachter zu stark untereinander abwichen, und ich entschloss mich daher bereits vor einigen Jahren, ausgedehnte Untersuchungen über diesen Gegenstand zu machen und für mög- lichst homogenes Licht von der verschiedensten Wellenlänge jene Abnahme der Intensität von der Mitte nach dem Rande der Sonnen- scheibe zu bestimmen.

Auf diese bisher nicht veröffentlichten Beobachtungen werde ich weiter unten zu sprechen kommen, die hierbei befolgten Me- thoden der Beobachtung aber in einem vierten und letzten Hefte der Bothkamper Beobachtungen, welches in nächster Zeit im Druck erscheinen wird, zur Sprache bringen.

Der geeignetste Apparat für derartige Untersuchungen dürfte das Spectralphotometer sein, und ich habe daher mit Hülfe des- selben jene Beobachtungen wieder aufgenommen und zum Abschluss gebracht.

Das Photometer wurde zu dem Zwecke so an dem 9-zölligen Refractor der Berliner Sternwarte angebracht, dass der Spalt ge- nau in den Brennpunkt des Objectivs gestellt werden konnte. Während das Fernrohr mittelst des Uhrwerks fortgeführt wird.

vom 8. März 1877.

117

kann man durch Bewegung in Declination verschiedene Theile des Brennpunktbildes auf den Spalt bringen. Einige Schwierigkeit verursachte es, eine Lichtquelle zur Vergleichung zu beschaffen, die nur annähernd mit der Intensität des Lichtes einzelner Theile des Brennpunktbildes der Sonne zu vergleichen gewesen wäre, bis ich auf die Idee kam, die Sonne selbst dazu zu verwenden. Ich habe mit dem Apparate einen beweglichen Spiegel M (Taf. 1 Fig. 1) in Verbindung gebracht, welcher an einem Messing-Arm von etwa 40 Cm. Länge sich befand, damit der Sehatten des Fern- rohres den Spiegel nicht verdeckte und das volle Sonnenlicht un- gestört mit Hülfe des Spiegels auf das Vergleichsprisma p (s. d. Fig.) gelangen konnte.

Bei der Einstellung des Spaltes auf verschiedene Theile der Sonnenscheibe, ändert sich nun der Incidenzwinkel der auf den Spiegel fallenden Strahlen bis zu 16' (dem Sonnenradius), und man könnte Bedenken tragen, die Lichtmenge, welche der einen Spalt- hälfte, vor welcher das Reflexionsprisma p steht, zugeführt wird, als constant anzusehen. Ich habe mich aber durch Versuche über- zeugt, dass die Intensität des Lichtes, bei einem mittleren Incidenz- winkel von 45° (welcher Fall bei den Beobachtungen vorliegt) erst bei einer Variation desselben bis dz 6°, sich bis ca. 0.5-^ ändert, bei den in Betracht kommenden Winkeln demnach als constant angesehen werden konnte.

Ein zweites Bedenken gegen die Art der Beobachtung könnte darin gefunden werden, dass die Sonnenstrahlen, welche von dem Spiegel auf das totalreflectirende Prisma geworfen w'erden, bei einer Stellung des Fernrohrs, wo sie senkrecht auf die Fläche des Prismas fallen, weniger Verlust durch Reflexion an der Prisnien- fläche erleiden, als bei jeder anderen Stellung. Ich glaube, dass man auch hier bei der geringen Änderung des Winkels von höch- stens 16', keinen beträchtlichen Unterschied in der Intensität Avürde bemerken können, habe aber, da die Strahlen bei Veränderung des Einfallswinkels nicht nur unter etwas anderen Verhältnissen ein-, sondern auch austreten und sich ferner der Weg im Prisma etwas verändert, einen Convexspiegel genommen, der im Vergleich zur Fläche des Prismas p einen grossen Zerstreuungskreis giebt. Die Strahlen fallen divergent auf die Fläche des Primas und man wird bei dieser Anordnung annehmen können, dass selbst bei sehr grossen Änderungen des Incidenzwinkels der auf den Spiegel fal-

118

Gesavmtsitzung

lenden Strahlen, die von demselben reflectirten die Prismenflächc sehr nahe unter denselben Verhältnissen tretlen werden.

Das Objectiv wurde bei den Vcrsufhen abgcblendet, um den immer noch beträchtlichen Unterschied zwischen der Intensität des Brennpunktsbildes und des directen Sonnenlichtes zu vermindern. Es schien mir diese Abblendung unter eine gewisse Grenze nicht rathsam und habe ich daher bei späteren Beobachtungen vor dem Spalte noch ein Rauchglas angebracht.

Der Spalt des Spectralphotorneters wurde bei den Beobach- tungen so weit geöftnet, dass nur noch die stärksten Fraunhofer- schen Linien zu sehen waren, und es geschah dies hauptsächlich desshalb, um die lästigen und die Beobachtungen sehr stark beein- flussenden Längslinien im Spectrum ganz zum Verschwinden zu bringen. Da die Intensität der Spectra bei einer solchen Spalt- öft’nung aber zu gross wurde, um längere Zeit ertragen werden zu können, musste auch noch ein Rauchglas vor dem Ocular ange- bracht werden.

Es dürfte erwähnenswerth sein, dass es gleichgültig ist, ob die absorbirenden Gläser vor dem Spalt oder das Objectiv des Fernrohrs die verschiedenen Farben gleich stark absorbiren oder nicht, da die Beobachtungen so angestellt worden sind, dass bei ein und derselben Farbe, die Intensitäten verschiedener Theile der Sonnenscheibe und jedesmal auch die Intensität in der Mitte der Scheibe bestimmt worden ist, und indem man nun die Intensitäten verschiedener Punkte auf die Intensität in der Mitte der Scheibe bezieht, die Beobachtungen frei werden von dem etwaigen Einflüsse des vor dem Spalt angebrachten Rauchglases oder des farbigen Objectivs.

Die Einstellung der freien Spalthälfte des Spectralphotorneters auf die verschiedenen Theile der Sonnenoberfläche glaubte ich mit Hülfe des Declinationskreises an dem äquatoreal niontirten Re- fractor bewerkstelligen zu können, es zeigte sich aber die Monti- rung des Fernrohrs nicht stabil genug, um auch nur auf kurze Zeit sich auf die Unveränderlichkeit der Einstellung verlassen zu kön- nen. Ich musste daher einen anderen Weg einschlagen und habe mit dem Photometer einen durchsichtigen Schirm, auf welchem in gleichen Abständen horizontale und verticalc Linien gezogen waren, in Verbindung gebracht, so dass die Mitte dieses Schirmes in der verlängerten optischen Axe des Suchers am Refractor gelegen

vom 8. März 1877.

119

war und mit dem Sucher ein vergrössertes Bild der Sonne auf jenen Schirm projicirt werden konnte. Das eine der Liniensysteme des Schirmes wurde vor jeder Beobachtung parallel der täglichen Bewegung gestellt und dann durch Einstellung von Randpunkten der Sonne auf den Spalt, der Mittelpunkt des Sonnenbildes auf dem Schirm bestimmt. Der Durchmesser des Letzteren betrug ca. 60 Mm., und da man mit Leichtigkeit bis auf 0.2 Mm. einstellen konnte, waren einzelne Partien der Sonnenscheibe bis auf 6" ge- nau zu pointiren. Bei den Beobachtungen wurde die Mitte oder einer der Randpunkte zuerst und dann successive vorher bestimmte Punkte des Radius eingestellt. Es ist einleuchtend, dass bei dieser Vorrichtung selbst kleine Schwankungen im Uhrwerk oder Verän- derungen in Declination sofort merklich werden mussten und leicht corrigirt werden konnten.

Beobachtungen.

Ich gebe dieselben hier in reducirter Form. Zunächst ist der leichteren Übersicht wegen der Radius der Sonne bei allen Beobachtungen = 100 gesetzt, es sind ferner die Mittel aus den die Intensitäten bestimmenden Winkeln genommen, und die Intensitäten selbst im Vergleich zur Intensität in der Mitte der Scheibe berechnet worden. Durch Bestimmung des Intensitäts- verhältnisses des Himmelsgrundes in nächster Nähe der Sonne zur Mitte der Sonne, konnte hierbei noch der constante allerdings nur höchstens 0.2 ^ betragende Einfluss der erleuchteten Luft- schicht berücksichtigt und in Abzug gebracht werden.

Die Entfernungen von der Mitte der Sonnenscheibe sind mit jE, die Intensitäten mit J bezeichnet worden.

120

Gesammtsitzung

* t

Ocloher 6. 1876.

Beobucliter G. Müller; Wellenlänge { 57I Mill. Mm. (Gelb).

(Jbjectiv bis auf 85'""' abgeblendet; Himmel mit leichtem Schleier überzogen; die Intensitäten sind Mittel aus 12 Beobacbtungen.

Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E. 0 25 39 61 68 75 82 89 93 97

J 100 114 97 93 91 76 68 62 54 35

October 7.

Beob. Vogel; Wellenlänge {4Q5 Mill. Mm. (Violett).

Objectivöffnung 85"'*"; bei dieser und den folgenden Be- obachtungsreihen Rauchglas vor dem Spalt; Atmosphä- rische Verhältnisse günstiger als am 6. Oct., Sonnen- rand aber sehr stark undulirend; die Intensitäten sind Mittel aus 8 Beobachtungen.

Oberer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 30 44 59 74 81 85 89 93 96

J 100 93 92 79 67 (54) 54 50 40 26

Beob. Müller; Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 21 39 58 72 80 83 87 91 95

J 100 96 94 83 71 63 61 53 49 38

Oberer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 22 59 81 89 96

J 100 99 (93) 64 56 31

Beob. A'^ogel; Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 21 39 87 95

J 100 96 97 58 39

vom 8. März 1877.

121

Octoher 8.

Beob. Müller; Wellenlänge { 44Q Mill. Mm. (Dunkelblau).

Objectivüffnung 85“"'; der Himmel war rein, und die Be- obachtungen sind ganz ohne Störung verlaufen. Die Intensitäten sind Mittel aus 6 Beobachtungen.

Unterer Sounenrand bis Mitte.

E 0 18 33 48 G3 71 78 85 89 92.5 96.3

J 100 96 93 91 80 78 71 60 54 42 23

Oberer Sonnenrand bis Mitte.

E (i 33 63 78 89 96.3

J 100 100 97 83 73 59 24

October 9.

Beob. Müller; Wellenlänge { Hq Mill. Mm. (Grün).

Objectivöflfnung 85"""; Schwache Cirri in der Nähe der Sonne; die Intensitäten sind Mittel aus 6 Beobach- tungen.

Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 8 24 38 53 68 75 82 90 93 97

J 100 98 92 95 95 81 74 69 57 50 25

Octoher 21.

Beob. Vogel; Wellenlänge { Mill. Mm. (Blau).

Objectivöffnung 120""“; Atmosphärische Zustände günstig; die Intensitäten sind Mittel aus mindestens 6 Einstel- lungen.

Oberer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 16 34 49 64 71 79 83 86 90 94 97

J 100 (91) 98 95 86 80 (81) 63 64 61 52 42

. (

122 Gesammtsitzung

Beob. Müller; Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E 0 22 37 52 67 74 82 85 89 93 97 99

J 100 98 91 95 83 80 76 68 66 59 40 17

Octoher 22.

Beobachter Müller; Wellenlänge { ^5^ Mill. Mni. (Roth).

Objectivöffnung 120"""; es wurde noch ein rothes Glas vor das Ocular gesetzt; Luftzustand ganz vorzüglich; die Intensitäten sind Mittel aus mindestens 6 Einstel- lungen.

Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E

0

32 54

69 77

80

84

88

92

95

97

J

100

100 93

93 82

87

80

78

67

53

39

Beob.

Vogel; Oberer Sonnenrand

bis

Mitte.

E

0

31 54

69 76

80

84

88

91

95

98

J

100

98j

9.

85 j

86

78

73

68

60

42

October 23.

Beob. Vogel; Wellenlänge { Mill. Mm. (Violett).

Objectivöffnung 120*""*; Luft durchsichtig aber sehr un- ruhig, zeitweilig ganz schwache Cirri; die Intensitäten sind Mittel aus mindestens 6 Einstellungen.

Unterer Sonnenrand bis Mitte.

E

0

40

55

78

82 86

90 94

97

J

100

90

90

67

61 55

49 39

26

Beob.

Müller;

Oberer Sonnenrand bis

.Mitte.

E

0

11

27

42

57 65

73 80

84

88

92

96

J

100

99.6 97

90

91 77

64 60

54

50

44

30

vom 8. März 1877.

123

Es war mir möglich, die Intensität eines kleinen Sonnenflecks mit Penumbra zu den ihm nächstliegenden Theilen der Sonnen- oberfläche zu bestimmen, und habe dafür die Zahl 0.533 gefunden. Es ist also der Intensitätsunterschied nicht grösser als der eines Stückes Sonnenoberfläche im Abstande 0.85 des Radius zur Mitte der Scheibe.

Besultate am den Beobachtungen.

Ich habe zunächst aus den Beobachtungen durch graphische Ausgleichung diejenigen Curven abgeleitet, welche, möglichst nahe sich den Beobachtungen anschliessend, die Abnahme der Intensität von der Mitte nach dem Rande der Sonne darstellen. Hierbei war es nöthig, aus der grossen Anzahl von Beobachtungen (125) 5 wegen zu starker Abweichung auszuschliessen, dieselben sind bei den vor- stehenden Beobachtungen geklammert.

Die Genauigkeit der Beobachtnngen ist durchschnittlich gerin- ger als bei den Beobachtungen an irdischen Lichtquellen, es ist dies bedingt einmal durch partielle Trübungen des Himmels, die sich der gewöhnlichen Beobachtung entziehen, weil sie zu gering sind, bei feineren photometrischen Messungen aber sehr merklich werden können, anderntheils durch die Unruhe der Luft, die bei den vorliegenden Beobachtungen, besonders wenn man in der Nähe des Sonnenrandes, wo die Intensitäten so schnell sich verändern, beobachtet, einen sehr starken Einfluss auf die Genauigkeit aus- üben kann.

In der folgenden Zusammenstellung erkennt man leicht die grosse Verschiedenheit der Intensitätsabnahme für die verschiede- nen Farben, und es ist durch die Beobachtungen unzweifelhaft dar- gethan, dass die Absorption der Sonnenatinosphäre für Strahlen grös- serer Brechbarkeit oder geringerer Wellenlänge wächst. Um den sehr beträchtlichen Unterschied für die äussersten Grenzen des sicht- baren Spectrums noch klarer zur Darstellung zu bringen, habe ich die Beobachtungen für Violett und Roth auf Taf. II zusaminen- gestellt.

124

Gesammtsitzung

Entfernung von der Mitte der Sonnen- scheibe

Violett

Dunkelblau

Mill.Mm.

440 *

Blau

Mill.Mni

46 / 1

0

100.0

100.0

100.0

5

99.9

99.9

99.9

10

99.6

99.7

99.7

1 5

99.2

99.3

99.3

20

98.5

98.7

98.8

25

97.5

97.8

98.1

30

96.3

96.8

97.2

35

95.0

95.6

96.1

40

93.4

94.1

94.7

45

91.2

92

93.1

50

88.7

90.2

91.3

55

85.7

87.8

89.3

60

82.4

84.9

87.0

65

78.7

81.7

84.2

70

74.4

77,8

80.8

75

69.4

73.0

76.7

80

63.7

67.0

71.7

85

56.7

59.6

65.5

90

47.7

50.2

57.6

95

34.7

35.0

45.6

100

13.0

14.0

16.0

vom 8. März 1877.

125

Entfernung von der Mitte

G r ü n

Gelb

Roth

der Sonnen- scheibe

Mill.Mm.

olOl

Mill.Mm.

65s)

0

100.0

100,0

100.0

5

99.9

99.9

100.0

10

99.7

99.8

99.9

15

99.3

99.5

99.7

20

98.7

99.2

99.5

25

97.9

-68.8

99.3

30

96.9

98.2

98.9

35

95.7

97.5

98.5

40

94.3

96.7

98.0

45

92.6

95.7

97.4

50

90.7

94.5

96.7

55

88.6

92.9

95.9

60

86.2

90.9

94.8

65

83.4

88.0

93.2

70

80.0

84.5

91.0

75

75.9

80.1

88.1

80

70.9

74.6

84.3

85

64.7

67.7

79.0

90

56.6

59.0

71.0

95

44.0

46.0

58.0

100

16.0

25.0

30.0

[1877] 11

12G

GemmmtsHzung

Ich habe nun versucht unter der Voraussetzung, dass die Ab- nahme des Lichtes von der Mitte nach dem Rande der Sonnen- scheibe die Folge einer absorbirenden die Sonne umgebenden Gas- hülle ist, die Beobachtungen durch einen mathematischen Ausdruck darzustellen. Den Weg dazu hat schon La place angegeben, wel- cher in dem 10. Bande der Mecanique celeste die Bougue.r’schen Beobachtungen dazu benutzt hat, die Absorption, welche die Atmo- sphäre der Sonne ausiibt, sowie die Helligkeit zu berechnen, welche die Sonne ohne Atmosphäre haben würde.

Bezeichnet man nach Laplace mit Ö einen Bogen grössten Kreises auf der Oberfläche der Sonne, gemessen zwischen einem Punkte der Sonnenscheibe und der Mitte derselben, und nimmt den Radius der Sonne als Einheit, so wird ein Flächentheilchen « der Sonne, von der Mitte nach der Entfernung sinö versetzt, reducirt erscheinen auf den Raum «cosö, die Intensität des Lichtes wird demnach gesteigert sein im Verhältniss l:cosö. Die Abnahme, die man im Gegentheil beobachtet, ^ist Folge einer absorbirenden At- mosphäre, und die Intensität des Lichtes berechnet sich für den _ /

betreffenden Punkt zu e wo e die Basis der natürlichen Lo-

garithmen bezeichnet. Für die Mitte der Scheibe wird S = 0 und die Intensität ist dargestellt durch e~^. Kennt man nun für einen Punkt im Abstande sin Ö das Intensitätsverhältniss a dieses Punk- tes zur Mitte der Scheibe, so folgt:

__/

e = fx cos ö

woraus:

COS 6*

1) /= 2si„iföl‘S^^-COSÖ -t- Ignt.uj.

Die Annahme, welche Laplace macht, dass eine leuchtende Fläche als ein Aggregat von gleichmässig nach allen Seiten hin strahlenden Punkten zu betrachten, also ihre Lichtmenge unab- hängig vom Emanationswinkel sei (wonach eine selbstleuchtende Kugel am Rande heller erscheinen müsse als in der Mitte), ist aber durch neuere Beobachtungen widerlegt. Diese haben im All- gemeinen ergeben, dass die Intensität der von einer leuchtenden Oberfläche ausgehenden Strahlen eine Function des Emanations- winkels (p ist, welche für <p = 0 ein Maximum erreicht, und für 9=2 verschwindet.

r -

vom 8. März 1877.

127

Zöllner hat in seinen photometrischen Untersuchungen (Leip- zig 1865) auf pg. 17 eine sehr einfache Erklärung dieser Eigen- schaft leuchtender Flächen gegeben, indem er die Fourier’sche Hypothese über Wärmeausstrahlung auf Licht überträgt und an- nimmt, dass die Strahlen eines leuchtenden Körpers nicht nur von seiner Oberfläche ausgehen, sondern die Lichtmenge von allen den Molecülen herrührt, die bis zu einer gewissen Tiefe unter der Ober- fläche gelegen sind.

Untersuchungen von Ericsson über die Ausstrahlung einer glühenden metallischen Scheibe unter verschiedenen Winkeln, sowie auch glühender Kugeln (The difference of thermal energy trans- mitted to the earth by radiation from different parts of the solar surface; Nature 1875 Dec. 9, 1876 Jan. 20), haben gezeigt, dass eine glühende Kugel aus grosser Entfernung betrachtet an allen Theilen gleich hell erscheint. Lohse hat Beobachtungen an einer glühenden Eisenkugel angestellt (Bothkamper Beob. HeftS pg.39), bei denen sich ergeben hat, dass eine sehr geringe Abnahme der Helligkeit von der Mitte nach dem Rande hin zu beobachten ist.

Bei einer kugelförmigen Lampenglocke aus Milchglas sind, wie Zöllner zuerst erwähnt, die theoretisch geforderten Bedingungen, welche für einen selbstleuchtenden resp. glühenden Körper nach der Fourier’schen Hypothese verlangt werden, gegeben, indem das Licht aus einer gewissen Tiefe herausstrahlt und in der That zeigt eine solche Lampenglocke in der Mitte und an den Rändern merk- lich dieselbe Helligkeit.

Man wird daher weit eher annehmeu dürfen, dass die Sonne ohne Atmosphäre als Scheibe von überall gleicher Helligkeit er- scheint, als dass sie eine beträchtliche Zunahme der Helligkeit nach dem Rande zeigt und hat dann für das Verhältniss der Intensität eines Punktes im Abstande sin Ö zur Mitte der Scheibe, folgende einfachere Formel:

Für die drei Beobachtungs-Reihen, welche ich für die sicher- sten lialte: Violett, Dunkelblau und Roth, habe ich nun die Werthe

_ /

6 cos 9

woraus:

2)

11

128

Gesanimtx itzung

von / nach beiden Formeln berechnen lassen. Aus den sich er- gebenden Mittehvertben von / sind dann die Wertbe von zurück- berechnet worden und es bat sich berausgestellt, dass die Summe der Quadrate der Abw'eicbungen zwisclien Beobachtung und Rech- nung bei der ersten Reibe nach der Formel 1, 5 mul grösser ist als nach der Formel 2, bei der zweiten Reibe ist sie 10 mal und bei der dritten Reibe sogar 26 mal grösser.

Wie gut verbältnissmässig die Beobachtungen durch die Formel 2 dargestellt werden, zeigen die folgenden Zusammenstellungen:

1

/

E

ß

Dunkel-

Violett

Blau

Blau

Grün

Gelb

Roth

10

o

5.7

0.796

0.597

0.597

0.597

0.399

0.200

•20

11.5 '

733

634

586

634

390

244

30

17.5 '

780

672

587

651

375

229

40

23.6 ;

750

668

598

645

464

222

50

30.0

775

667

588

631

183

217

60

36.9

774

655

557

594

377

214

70

44.4

739

628

533

557

421

236

80

53.2

677

600

479

516

439

256

90

64.2

572

533

427

441

408

265

Mittel

;

0.733

0.628

0.550

0.585 j

0.406

0.231

Aus den Mittehvertben von / ist ix wie folgt zurückbereebnet worden; ^ bezeichnet die Abweichung der berechneten Wertbe ix von den beobachteten im Sinne Beobachtung-Rechnung.

vom 8. März 1877.

129

<1

0

0

0

+ 1 + 2

+ 4 2 14 —32

190a

0.999

995

989

979

965

944

912

857

742

<1

OOOlCOtO

+ + + + M 1

<1^

0

0.998

992

980

964

939

903

850

763

592

<1

c

<1

O»HC0iOCC)

CO Oi

1111 1 + + +

0.997

988

972

948

913

864

791

677

470

0

1 2

4

5

2 6

+24

+85

s

<1

1 1 Q

0.997

989

974

951

918

872

802

693

491

0

1 ^ 2

3

5

6 0

+ 12 +58

0.997

987

970

944

907

855

778

658

444

00<M^O CiC^COO

(M 05

111 1 1 + +

Violett j

1

0.996 985 965 935 1

893

833 ,

746 614 387

oocoo 0000

r-i Ol CO -f »0 00 Oi

130

Gesainmtsitzung

Für Gelb stimmt die berechnete Curve vollkommen innerhalb der zulässigen Grenzen mit der aus den Beobachtungen abgeleite- ten überein (selbst bei E = db d. i. bei einem Winkel Ö = 7098 ist die Abweichung erst +42), dagegen fallen die berechneten Cur- ven für Grün, Blau und Violett schneller, die Curve für Roth langsamer ab, als die beobachteten.

Durch eine Veränderung des Werthes von / innerhalb der Ge- nauigkeitsgrenzen lassen sich die grossen Abweichungen bei E = 80 und 90 nur wenig vermindern und bei stärkerer Veränderung wei- chen dann die anderen Beobachtungen um Grössen ab, die unzu- lässig erscheinen. Ich glaube, man muss diese Abweichungen nicht als zufällige ansehen, sondern muss ihnen eine gewisse Realität zuschreiben und dürfte die einfachste Hypothese zur Erklärung der- selben wohl die sein anzunehmen, dass die Intensität der von der Sonnenoherßäche ausgesandten Strahlen nicht nur eme Function des Emanationswinkels, sondern gleichzeitig der Wellenlänge sei und dass die Sonne ohne Atmosphäre für die brechbareren Strahlen als eine Scheibe erscheinen iciirde, die am Rande etwas weniger hell als in der Mitte, für die Strahlen mittlerer Brechbarkeit vollkommen gleich hell und für die weniger brechbaren Strahlen am Rande etwas heller als in der Mitte wäre. Unter diesen Annahmen würden sich die berechneten und die aus den Beobachtungen abgeleiteten Curven besser anschliessen.

Vielleicht gelingt es auch an glühenden Metallkugeln ähnliche Beobachtungen anzustellen, wenn die Beobachtungsmethoden nur genügend verfeinert werden.

Ich möchte eine Bestätigung meiner Vermuthung darin finden, dass wenn man den Sonnenradius für die Beobachtungen im Vio- lett, Blau und Grün etwas grösser als 1, für die Beobachtungen im Roth etwas kleiner als 1 annimmt, die Rechnung sehr gut in Übereinstimmung mit den Beobachtungen gebracht werden kann. Eine Veränderung des Radius^) für die verschiedenen Farben würde

U Dass die Übereinstiuinmng zwischen Beobachtung und Rechnung eine bessere wird, wenn man den Radius etwas verändert, könnte zu der Ver- muthung Veranlassung geben, dass der Sonnendurchmesser bei den verschie- denen Beobachtungen vielleicht innerhalb der Grenzen der Variation unsicher bestimmt worden sei, das ist aber nicht der Fall, da aus den Beobachtungen folgt, dass die Unsicherheit in der Bestimmung des Radius O.OOC seines Wer- thes nicht überschreitet.

vom 8. März 1877.

131

aber einer Hinzufügiing eines Factors in der Formel 2 entsprechen, welcher eine Function des Winkels 6 und der Farbe ist.

o

(M

11

.d

0

9

4 +71

'M 3

c3

00

o:>

° § II

0.910

852

714

509

1

II

tl ^

70

80

90

95

3

m

O)

c

Q

'

ö

<1

O CO ■-( Ol + + 1

0.778

667

491

352

70

80

90

95

.ti

S

uO to 00

+ + +

CO >o t- ca

d

O O O UO CO o; CO

132

Gesammtsitzung

Wie schon oben erwähnt stellt der Ausdruck e~-^ die Intensi- tät in der Mitte der Sonnenscheibe dar und es ergeben sich für die verschiedenen Farben folgende Werthe:

Violett Dunkelblau Blau Grün Gelb Roth

0.481 0.534 0.577 0.55? 0.666 0.794

d. h. das Licht, welches von einem Punkte in der Mitte der Scheibe ausgeht, ist durch die Extinction in der Atmosphäre auf die hier angegebenen Grössen reducirt. In Anbetracht der enormen Dimen- sionen welche die Chromosphäre hat, ist diese Extinction sehr ge- ring. Eine Luftsäule von und 0".’76 Druck von 55 Klom. Höhe reducirt die durchgehende Lichtmenge 1 auf 0.25, die Chromosphäre zu 3" bis 4" d. i. 2200 Klom. bis 3000 Klom. Höhe angenommen bringt jedoch erst eine Reduction auf durchschnittlich 0.5 hervor.

Es dürfte nicht uninteressant sein, noch die Frage zu erörtern, wie hell uns die Sonne ohne Atmosphäre erscheinen würde. Man könnte zu dem gewünschten Resultate durch Integration des die

_ /

Beobachtungen ziemlich gut darstellenden Ausdruckes e ge-

langen, es ist aber einfacher eine Eintheilung der Sonnenscheibe in concentrische Zonen vorzunehmen, die Flächen der Zonen mit der aus den Beobachtungen zu entnehmenden Intensität zu multi- pliciren und diese einzelnen Producte zu summiren.

Eine derartige Rechnung, bei welcher die Breite der Zone zu 0.05 angenommen worden ist (Radius der Sonne r = 1), giebt iS c7(s* £?) n = 2.17 für Violett; = 2.65 für Roth. Unter der frü- her gemachten Annahme, dass die Sonne ohne Atmosphäre in allen Punkten gleich hell sein würde, findet man für die Intensität der

r*7T

Scheibe ohne Atmosphäre = 6.54 für Violett; = 3.96 für Roth.

e ^

Die Sonne loürde demnach ohne Atmosphäre uns für violettes Licht

6 54 3 96

= 3.01 mal heller, für rothes Licht nur = 1.49 mal heller 2.17 2.hG

erscheinen.

Laplace findet unter den von ihm gemachten Annahmen, dass die Sonne ca. 12 mal heller sein müsste ohne Atmosphäre als mit derselben, wie wir oben gesehen haben entsprechen aber diese An- nahmen den Beobachtungen nicht.

vom 8. März 1877.

133

Ich möchte zum Schluss noch hervorheben, dass es meines Erachtens wichtig sein dürfte, die Beobachtungen über die Ab- sorption der Sonnenatmosphäre, die zur Zeit des Sonnenflecken- Minimums angestellt worden sind, in demselben Umfang auch zur Zeit des Maximums zu wiederholen, indem es doch sehr Avahr- scheinlich sein dürfte, dass die Gesammtabsorption eine andere ist, da die Temperatur der Atmosphäre durch die enormen Ausbrüche glühenden Wasserstotfgases aus dem Sonneninneren jedenfalls er- höht wird und damit ihre absorbirende Wirkung sich ändert. Es ist ferner empfehlenswerth, bei besonders günstigem Luftzustande die Beobachtungen vielleicht nur für eine Farbe mit der aller- grössten Sorgfalt und über noch mehr Punkte des Sonnenradius sich erstreckend, durchzuführen, um feinere Unterschiede zwischen einzelnen Zonen der nördlichen und südlichen Hemisphäre der Sonne, die in den jetzt vorliegenden Beobachtungen angedeutet scheinen, mit Sicherheit zu ermitteln.

Die Helligkeitsunterschiede zwischen Flecken, Penumbren und Sonnenoberfläche werden mit dem Spectralphotometer mit grosser Sicherheit bestimmt werden können, sobald wieder Sonnenflecken von grösseren Dimensionen auftreten.

Discussion früherer Beobachtungen über die Absorptionswirhungen der Sonnenatmosphäre.

Die umfangreichen Beobachtungen, welche ich früher über die Absorption der chemisch wirksamsten Strahlen in der Atmosphäre der Sonne angestellt habe, (Berichte der K. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1872 Juli 1) lassen sich recht gut mit Plülfe der For- _ /

mel fxe~7 = e darstellen. Aus ca. 150 einzelnen Beobach- tungen ergiebt sich folgende wahrscheinlichste Curve für die Ab- nahme der Intensität von der Mitte nach dem Rande der Sonnen- scheibe

*) Einige Werthe weichen etwas von denen ab, die a. a. O. pg. 7 auf- geführt sind. Es hat das darin seinen Grund, dass ich früher den Beob- achtungen gleiches Gewicht gegeben habe, während ich hier nach nochmaliger Bearbeitung des Beobachtungsmaterials es für gut gefunden habe, den Wer-

134

Gesammtsitzung

E

S

J

0.0

o!o

100.0

8.3

4 46.8

99.8

16.7

9 35.7

99.0

25.0

14 28.6

97.8

33.3

19 28.3

96.0

41.7

24 37.5

93.3

50.0

30 0.0

89.5

58.3

35 41.2

84.5

66.7

41 48.6

77.0

Ib.O

48 35.4

67.0

83.3

56 26.6

53.5

91.7

66 26.6

35.0

100.0

90 0.0

13.5

Aus diesen Werthen ergiebt sich / = 0.709, eine Grösse, die sehr schön mit den neueren Untersuchungen übereinstimmt, und damit folgende Werthe von u:

E

u

0.0

1.000

8.3

0.998

0

16.7

990

0

25.0

977

4- 1

33.3

958

+ 2

41.7

932

.4- 1

E

50.0

0.896

' - 1

58.3

849

4

66.7

785

15

75.0

696

26

83.3

563

—28

91.7

345

-f- 5

Es ist ferner e~^ = 0.492.

Die Beobachtungen, die ich später in Bothkamp für die Strahlen mittlerer Brechbarkeit angestellt habe, sind reducirt folgende:

then, welche aus Photographien abgeleitet wurden, die direct im Brennpunkt (ohne Vergrösserungsapparat) aufgenommen worden sind, etwas grösseres Ge- wicht heizulegen.

vom 8. März 1877.

135

1872 Oct. 19; Grün 1873 April 10; Orange

W. L. 588 Mill. Mm. an der Grenze des Gelb

E '

E *

! z

0

100

0

100

48

89

81

73

79

72.5

94

44.5

86

63

95

46.5

99

17

i

1

i

1

(Radius der Sonne = 100 wie bei den früheren Beobachtungen.)

Sie schliessen sich gut an die neueren Beobachtungen an, stehen aber in Bezug auf Genauigkeit sehr hinter denselben zu- rück. Beobachtungen über 'Wärmestrahlung einzelner Theile der Sonnenscheibe mit der Thermosäule haben folgendes ergeben:

Bothkamp 1873

l

Jan. 25

Jan. 27 |

I Jan. 30 I

Jan. 30

0

100

100

100

100

28

98.5

97.4

50

94.3

59

96.5

93.9

90.4

75

79.3

79

86.0

84.2

87.8

92

64.3

95

46.5

62.1

62.0

Südrand Mitte bis bis Mitte Xordraud

Eine Zusammenstellung der Secchi’schen Beobachtungen auf eine Form gebracht, welche eine directe 'N’ergleichung ermöglicht, lasse ich hier folgen.

136

Gesammtsitzung Le Soleil p. 128 u. 130.

J

E

März 19 23

Sept. 8 15

1852

(Jahr?)

0

100.0

100.0

11.0

99.5

65.7

(87.1

*82.0

67.7

81.3

70.2

88.8

88.8

(64.1

*63.5

92.5

(54.3

*57.4

(Die Entfernungen sind in Bogenminnten und Bruchtheilen angegeben, ich habe für die 1. Reihe den Sonnenradius = 16 1, für die 2. Reihe = 16^0 angenommen.)

Recenti ricerclie intonio alla distrituzione del calore sul disco solare. Nota del P. A. Secchi, Memoria della societa degli Spet- troscop. Italiani 1875 p. 12G. ,

E

J

E

/

0

100

0

100

56.2

89

9

101

93.3

80

27

99

98.7

52

45

98

64

94

82

84

95

71

Aus meinen und Secchi’s Beobachtungen habe ich auf gra- phischem Wege eine Curve abgeleitet, welche die Abnahme der In- tensität der Wärmestrahlung von der Mitte nach dem Rande der Sonnenscheibe darstellt, die Curve ist durch folgende Punkte be- stimmt:

vom 8. März 1877.

137

E

J

E

J

0

100

GO

94

10

100

70

89

20

99

80

82

30

99

90

69

Io

98

100

40

50

97

Eine Vergleichung mit den spectralphotometrischen Beobach- tungen lässt eine auffallende Übereinstimmung mit Roth erkennen. Die Zusammenstellung der Beobachtungen zeigt übrigens, wie un- sicher die einzelnen Bestimmungen sind und beweisen, dass der Schluss, w'elchen Secchi aus den Beobachtungen in Bezug auf die verschiedene Temperatur der beiden Hemisphären der Sonne ge- zogen »hat, nicht zulässig ist, indem die an einzelnen Tagen erhal- tenen Abweichungen im Sinne einer Temperaturverschiedenheit, ganz innerhalb der Beobachtungsfehler liegen.

Von Langley sind mir nur allgemeine Betrachtungen über den Unterschied der Wärme zwischen Mitte und Randtheilen des Son- nenbildes, speciellere Untersuchungen aber nur über die Differenz der Wärmestrahlung der Sonnenflecken und ihrer nächsten Um- gebung bekannt.

Die Beobachtungen von Liais^) über den vorliegenden Gegen- stand sind gar nicht mit den meinigen in Einklang zu bringen. Die Beobachtungen sind allerdings bei näherer Betrachtung so un- sicher, dass man aus ihnen weiter nichts entnehmen kann, als dass eine Abnahme der Intensität nach dem Rande der Sonne statt- findet. Liais hat ein Fernrohr von nur 30 Mm. Öffnung zu den Beobachtungen verwandt, er hat durch Projection des theilweise im Brennpunkt verdeckten Sonnenbildchens auf einen beleuchteten Schirm, die Intensitätsunterschiede einzelner Theile der Sonnen- scheibe dadurch bestimmt, dass er durch Anwendung v^erschieden starker Oculare, das projicirte Bild so lange vergrösserte, bis es sich vom beleuchteten Schirm nicht mehr abhob. Diese photome- trische Methode, auf der sogenannten Unterscheidungsempfindlich-

') Sur l’intensite relative de la lumiere dans les divers points du disque du Soleil. Meui. de Clierl)üurg XII 18GG pg. 277 342.

138

Gesam m tai tzung

keit basirend, erweckt allerdings kein grosses Vertrauen zu der Genauigkeit der Beobachtungen.

Die erste pbotonietrisclie Bestimmung an der Sonnenscheibe von Bouguer: Intensitätsverhältniss in der Entfernung f des Ra- dius von der Mitte y. = 0.73, weicht nicht beträchtlich von dem ab, was ich gefunden habe, es würde sich aus den oben mitgetheil- ten Beobacbtungen für die Strahlen mittlerer Brechbarkeit in dieser Entfernung u = 0.7G ergeben.

A n h a n g.

Untersuchungen über die Absorption einiger Glassorten, sowie über die Intensitätsverhältnisse einiger irdischer Lichtquellen.

Die folgenden Beobachtungen über die Absorption einiger Glas- sorten für die verschiedenen Theile des Spectrums sind zum gröss- ten Theil von Hrn. G. Müller ausgeführt worden. Ich begnüge mich hier nur die Resultate der Beobachtungen zu geben und be- merke, dass denselben zahlreiche Beobachtungn meist an verschie- denen Tagen zu Grunde liegen. An den Beobachtungen über die Absorption verschiedener Rauchgläser .sowie für schweres Elint- glas habe ich mich betheiligt, und stets sind meine Beobachtungen in guter Übereinstimmung mit denen des Hin. Müller gewesen.

Intensität des dnrchgelassenen Lichtes

vom

8. Marz 1877.

139

r- -

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r:

o

CO

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o

CO

o o

O CO 00 Ö

CO O lO lO C lO O

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O lO O lO O O CO CO CD Ol oo 1 I CD

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01

O

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0^0 0 2^1*^ lO

CO (M C'l r-< o IO

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lO

GO

lO

o

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^

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oocoooooo

CO-t<OCDOl030CO-t<

CDCOCOiO‘OiO-^<-1<'1<

140

G esammtsilzung

Während das Crownglas eine sehr geringe Zunahme der Ab- sorption (fast ganz proportional der Wellenlänge) zeigt, hat das leichte Flintglas für gelbes Licht die grösste Durchlässigkeit; die Absorption wird schon im Grün bemerkbar und wächst dann lang- sam nach dem violetten Ende des Spectrums hin. Das schwere Flint lässt Roth und Orange am besten durch, die gelben und grünen Strahlen werden gleichviel und etwas mehr geschwächt, da- gegen beginnt an der Grenze des Blau eine beträchtliche Abnahme der Durchlässigkeit, die in sehr starkem Maasse zunimmt, sodass die Intensität des durchgehenden Lichtes bei 440 Mill. Millim. Wellen- länge (also ungefähr bei G) sich zu der Helligkeit desselben im Gelb wie 16:25 verhält^).

Recht interessant ist die genauere Untersuchung der Absorption verschiedener Rauchgläser (London smoke), von denen man gewöhn- lich annimmt, dass sie alle Farben gleichmässig schwächen, was jedoch bei keinem der untersuchten Gläser der Fall war.

Intensität des durchgehenden Lichtes

Wellen-

Länge

Xo. 1

No. 2

No. 3

No. 4

680

0.640

660

500

0.083

0.098

0.031

640

445

096

088

037

620

440

112

088

043

600

450

130

103

048

580

465

147

121

057

560

460

155

125

063

540

450

144

107

054

520

435

115

105

044

500

400

102

108

040

480

345

100

113

038

460

300

102

115

036

440

113

D Es könnte anffallen, dass das leichte Flintglas bei nnr 2 Mm. gerin- gerer Dicke, im Verhältniss 6 : 7 mehr Licht darcbgelassen hat und ich be-

vom 8. März 1877.

141

M

Xo. 1 schwach; 2 stark absorbirend , hat etwas grünliche Färbung: 3 stark absorbirend (Beobachtungen im Blau und Violett etwas unsicher); 4 sehr stark absorbirend.

Auffallend ist hierbei das stark ausgesprochene Maximum der Durchlässigkeit im Grün bei den Gläsern 2, 3 und 4, was bei al- len dreien fast genau an derselben Stelle (ungefähr bei 560 Mill. Mm. W. L.) liegt.

Eine Vergleichung der gebräuchlichsten Lichtquellen in Bezug auf die Intensität in den verschiedenen Theilen des Spectrums hat zu dem Resultate geführt, dass bei den meisten nur sehr geringe Unterschiede vorhanden sind.

1) Das Licht einer Wachskerze ist im Blau relativ schwä- cher als das einer Stearin- und Paraffin-Kerze.

2) Petroleum giebt im Blau grössere Intensität als Ol.

3) Eine Petroleumlampe sendet bei frisch abgeschnittenem Dochte mehr blaue und violette Strahlen aus. als wenn sie einige Zeit gebrannt hat. Das Verhältniss dafür ist ungefähr 12:11.

4) Eine Gasflamme ist im Roth und im Blau und Violett relativ heller als eine Petroleumflamme.

5) Die einzelnen Theile der Flammen, welche einen sehr beträchtlichen Unterschied in Bezug auf die Totalinten- sität haben, sind in Bezug auf verschiedene Stellen des Spectrums wenig verschieden.

6) Die Vergleichung einer Petroleumlampe (flacher Docht) mit einer Silber sehen Öllampe (eine Lampe mit eigenthümlichem mehrfachem Luftzuge, durch sela- grosse Lichtstärke ausgezeichnet) hat ergeben (Beob. Müller):

merke desshalb, dass die Glasstücken nicht gleichmässig gut polirt gewesen sind, sodass man aus den Zahlen verschiedener Reihen ohne Weiteres keine Schlüsse ziehen darf.

[1877]

12

Geflammtsitzung

Wellenlänge

Intensität

680

100

650

100

620

97

590

91

560

87

530

85

500

83

470

82

440

80

Die Petroleumlampe sendet relativ mehr brechbare Strah- len aus als eine Silber’sche Öllampe.

Das Gegentheil findet

statt bei einer Silber’schen

Lampe mit Petroleum,

welche mit derselben gewöhn-

liehen Petroleumlampe

verglichen, folgende Resultate

gegeben hat (Beob.

Iler):

Wellenlänge

Intensität

680

100

650

102

620

103

590

106

560

109

530

114

500

123

470

136

440

154:

8) Eine Vergleichung einer Petroleumlampe mit Drummond- schem Kalklicht hat im Allgemeinen zu dem Resultate geführt, dass das letztere vom Grün ab eine sehr be- trächtlich grössere Intensität besitzt, die sich in» Blau und Violett bis auf mehr als das Doppelte steigern kann. Das Kalklicht war jedoch so inconstant, dass von einer einigermassen sicheren Messung keine Rede sein konnte.

Monatshevichi d.K.^-^.d .W. 2Iäryi 18)1.

O

ao!

00/

vom 8, März 1877.

143

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

A. Todaro, Hortus botanicus Panormitanus. T. I. Fase. VI. Panoriui. fol. Überreicht durch Hrii. Braun.

B. B on c 0 m p ag ni , Bullettino. T. IX. Nov. 1876. Roma 1876. 4.

G. Bianchi, Saggio storico- c.ritico intorno all' epoca della disfruzione di Aquileja. Venezia 1877. 8. Von Hrn. Mommsen.

Lettres inedites de Joseph Louis Lagr ange a Leonard Euler etc. publiees par B. Boncomp a g ni. St. Petersbourg 1877. 4. Überreicht durch

Hrn. Borchardt.

Besulis of astronomical and meteorological Observations made at the Radcliffe Observatory, Oxford, in the year 1871. Vol. XXXIV. Oxford 1876. 8. Von den Radcliffe Trustees eingesandt.

G. N a r d o , Sopra una pietra di origine e di provenienza ineerte aporemite di speciale caratt. mineral. Venezia 1877. 8. Extr.

II nuovo Gimento. Serie II. Tomo XVI. Nov. e Die. 1876. Pisa. 8.

J. Oppert, Salomon et ses successeurs. Paris 1877. 8.

Revue scientifique de la France et de l’etranger. N. 36. 1877. Paris. 4. AV. F. G. Behn, Leopoldina. Heft XIII. N. 3. 4. Dresden 1877. 4.

Societe entomologique de Belgique. Ser. II. N. 35. Bruxelles 1877. 8.

Rad Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosti. Knjiga XXXVI. Za- grebu 1876. 8. Mit Begleitschreiben.

R. Gozzadini, Intorno agli scavi archeologici fatti dal Sig. A. A. Veli. Bologna 1877. 4. Vom Verf.

Bulletin de V Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. T. XXII. N. 4.

T. XXIII. N. 1. St. Petersbourg 1877. 4.

L.P. Matton, Le bissegment. Lyon 1876. 4.

, Premiere suite de la brochure le bissegment. ib. eod. 4.

, 4 Broschüren über denselben Gegenstand, ib. 1876/77. 4.

144

Gesammtsitzung

15. März. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. G. Kirchhoff las:

Zur Theorie des Condensators.

Ein Condensator, der zu Messungen dienen soll, besteht in seiner gewöhnlichsten und einfachsten Gestalt aus zwei gleichen, kreisförmigen Metallplatten, die nahe bei einander und so aufge- stellt sind, dass sie eine gemeinschaftliche Achse haben. Die Auf- gabe der Theorie des Condensators ist es, die Elektricitätsmengen anzugeben, die die beiden Platten enthalten, wenn das Potential in ihnen zwei gegebene, verschiedene Werthe besitzt. Näherungsweise lassen diese Elektricitätsmengen sich sehr leicht finden; näherungs- weise ist nämlich nur auf den einander zngekehrten Flächen der Condensatorplatten hilektricität vorhanden und diese ist gleichmässig auf jeder von diesen Flächen verbreitet mit einer Dichtigkeit, die auf der einen positiv, auf der andern negativ ist, und deren abso- luter Werth gleich ist dem Unterschiede der beiden Potentialwerthe, dividirt durch den Abstand der beiden Flächen und durch 4:r. Nur ganz nahe an den Rändern hat die Dichtigkeit Werthe, die von dem angegebenen erheblich abweichen. Eine genauere Lösung des genannten Problems hat zuerst Hr. Clausius^) gegeben; jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Dicke der Platten verschwindend klein auch gegen ihren Abstand ist, einer Voraus- setzung, die bei den meisten Versuchen nicht zutrifft. Die Rech- nungen, durch welche Hr. Clausius zu seinem Resultate gelangt, sind sehr beschwerlich; Hr. II el m h o 1 1 z hat bei einer Mittheilung, die er der Akademie am 23. April 18G8 über discontinuirliche Flüssigkeitsbewegungen gemacht hat, eine Methode kennen gelehrt, die sehr viel leichter zu demselben Resultate führt, und die auf der Theorie der Funktionen eines complexen .Vrguments oder, was dasselbe ist, auf der Theorie der conformen Abbildung eines ebe- nen Flächenstücks auf einem andern beruht. Diese Methode des Hrn. Helmholtz erlaubt auch die Dicke der Condensatorplatten zu berücksichtigen, wenn man die Methode zu Hülfe zieht, die Hr. Schwartz'*) angegeben hat, um irgend ein durch gerade Li-

D Pogg. Ami. I3d. 8ü.

Borcliardt’s Journal Bd. 70.

vom 15. Mär: 1877.

145

nien begrenztes, ebenes Fläcbenstück auf einem andern, durch gerade Linien begrenzten, ebenen Flächenstücke conform abzu- bilden. Dieselben Mittel reichen auch aus, um die Theorie des von Sir William Thomson construirten Condensators zu ent- Avickeln, bei dem ein sogenannter Schutzring benutzt ist, und der vor dem einfacheren dadurch namentlich sich auszeichnet, dass bei ihm der Einfluss nicht zu fürchten ist, den äussere elektrische Kräfte auf die Theile des Condensators etwa ansüben.

Es sei (p das Potential von elektrischen Massen, die symme- trisch in Bezug auf eine Achse vertheilt sind, in Bezug auf einen Punkt, der um j von dieser Achse absteht, und dessen Ordinate parallel derselben y ist; dann ist q> eine Funktion von y und j, die der Gleichung

cp cp 1

- -t = 0

dtf ^ do^ f

oder, was dasselbe ist, der Gleichung

3 / 9 f 99s\

genügt. Hiernach giebt es eine Funktion von y und a, die ge- nannt werden möge, für welche

9\L 9(p 9\1/ 9(p

d 2 ^ dy ^ d y 9 j

ist, woraus folgt

9^vh 9“'T 1 9 \1/

dy^ 95' f 9 ^

Aus den Gleichungen 1) folgt auch

3qp9\i/ 9(t9\L

_r ^ I r = 0, dy d y 9 5 9 j

und hierdurch ist ausgedrückt, dass \!/ = const. die Gleichung der Kraftlinien ist, der Linien, die die Flächen gleichen Potentials senk- recht schneiden.

Nun sei die Elektricität, deren Potential cp bezeichnet, auf lei- tenden Rotationskörpern, deren Rotationsachse die y- Achse ist, verbreitet. Es sei ferner eil ein Element einer Meridiancurve einer

146

Gesammtsitzung

der Leiteroberfläcben, n die entsprechende, nach Aussen gerichtete Normale derselben; dann ist

also

3 4/

3 n

= 0 ,

mithin

dcp dcp d4' 9'|/ V

^ = K-c(^s(n7j) , = —cos (/fl) ,

3y an öd öl '

wo / eine beliebige von den beiden Richtungen des Elementes dl bedeutet. Die erste der Gleichungen 1) ergiebt daher

cos (ny) =

3 \l"

äTT

cos (/fl) .

Nun ist cos(nij) = zh cos(/a); man wähle die Richtung / so, dass (/f) spitz oder stumpf ist, je nachdem (ny) spitz oder stumpf ist; dann gilt das obere Vorzeichen und man hat

dcp 3 4/

^ 3 n 3 /

Bezeichnet h die Dichtigkeit der Elcktricität in einem Punkte der Leiteroberfläche, so ist aber

dcp

dn

47r/i ;

es ist also auch

3 4^

3T

= 4:7: .

Diese Gleichung multiplicire man mit dl und integrire nach / von dem kleineren Werthe /' bis zu dem grösseren /"; dann erhält man

2) 26 = 4^'— 4/",

wo e die Elektricitätsmenge bedeutet, welche auf der Ringfläche sich befindet, die durch die Kreise 1=1' und / = l" begrenzt ist, und \]y' und die Werthe von \jy sind, die diesen Werthen von / entsprechen. Hiernach reicht es zur Bestimmung der Vertheilung der Elcktricität auf den Leiteroberflächen aus, die Funktion 4/ für alle Punkte dieser zu ermitteln.

Jetzt werde angenommen, dass die Leiter die beiden Platten eines Condensators sind; für die Grundflächen der einen sei y = a

vom 15. März 1877.

147

i.ncl y = a-\-h, für die der andei’n y a und y = (a + &), sn dass h ihre Dicke, '2a ihr Abstand ist; für ihre Randflächen sei § = R. R soll als endlich, a und h sollen als unendlich klein angenommen und die Werthe von bis auf unendlich kleine Grössen bestimmt werden. Es ist ausreichend den Fall zu be- trachten, dass die Potentialwerthe in den beiden Platten + 1 und 1 sind, und den Fall, dass beide -f- 1 sind; i$t für diese beiden Fälle 4^ bestimmt, so findet man dasselbe auf bekannte Weise für den Fall, dass die beiden Potentialwerthe irgend welche sind.

Es sei also zunächst qo = 1 in der Platte, in der y positive Werthe hat, (p = 1 in der anderen. Für alle Punkte des Raumes, die in Entfernungen von den Rändern der Platte liegen, die gegen a unendlich gross sind, lassen sich dann die Werthe von cp und 4/ in der folgenden Weise angeben. Man bezeichne durch ds ein Element der Kreisfläche, für deren Grenze ?/ = o, o = R ist, durch r den Abstand dieses Elementes von dem Punkte, auf den man cp und 4^ bezieht, und setze

Für diejenigen Punkte der bezeichneten Art, die nicht zwi- schen den Platten liegen, ist dann

cp =

J_ dU 2tt dy

4/ =

1 9t7

g r 1- const.

2-^8^

Dieses cp hat eine einfache geometrische Bedeutung: es ist gleich der scheinbaren Grösse der Fläche, deren Element ds genannt worden ist, von dem Punkte aus gesehn, auf den sich cp bezieht, dividirt durch 2n, mit dem positiven oder negativen Zeichen, je nachdem dieser Punkt ein positives oder negatives y hat. Ist die kürzeste Entfernung dieses Punktes von den Rändern der Platten unendlich klein gegen R, so ist hiernach, wenn man

3)

setzt.

4)

R ^ = X

1 y

cp = arctg 5

TT X

wobei die Vieldeutigkeit des arctg durch die Bedingung gehoben wird, dass cp verschwindet, wenn y = 0 und x negativ ist. Um

148

Gesammtsitzung

\|/ für die Punkte der Oberflächen der Platten berechnen zu krm- nen, braucht man nur den Werth von U für y = 0 zu kenneu. Dieser Werth ist

U = ARE, wo

E = j'vi k'hm^udu , k

I

R

Setzt man noch

so ist

und daher

du

Psin*

dE _ E— K ~d k ■" k

•1/ = —R{E Ä") -i- const.

Ist das durch 3) bestimmte x unendlich klein gegen R, so folgt hieraus

8R\

I -i- const.

Für Punkte, deren Abstände von den Rändern der Platten unend- lich gross gegen a sind, und die zwischen den Platten liegen, ist

7)

und

B)

,2

4^ = const.

2a

X*

Ist X so klein, dass verschwindet, so ist hiernach a

t _

2a a

9) = const.

Nun handelt es sich darum cp und i/ für den Raum zu finden, für

vom 15. März 1877.

149

den X und y von der Ordnung von a sind. Die Gleichungen 1) werden für diesen

9 a; * 9 y

= 7?^ dy dx

und zeigen also, dass, wenn man

10)

IC = H- ^

r = .r -h iy

setzt, w eine Funktion von c ist. Durch diese Bedingung ist q: vollständig, \!y bis auf eine additive Constante bestimmt, wenn man hinzunimmt, dass an der Oberfläche der einen Platte qc = i, an der der andern q = 1 wird, dass ausserhalb der Platten, da wo X und y unendlich gross gegen a sind, die Gleichung 4), und zwi- schen den Platten da, wo x unendlich gross gegen a ist, die Glei- chung 7) erfüllt werden muss. Ist lo als Funktion von z bestimmt, so wird durch die Beziehung zwischen z und ?c, wenn man q und

vi/

als rechtwinklige Coordinaten eines Punktes ansieht, das zu

betrachtende Gebiet von c auf einem unendlichen Streifen in der Jü-Ebene conform abgebildet; es muss die Beziehung zwischen iv und z, die diese Abbildung vermittelt, aufgesucht werden, und das ist möglich vermöge der Eingangs erwähnten Methode des Hrn. S c h w a r t z.

Es werde eine dritte complexe Variable, die t genannt werden möge, eingeführt, und man setze

H)

dz

dt

C'(ai 0 (a, 0 /)

wo C eine im Allgemeinen complexe Constante, «i , a, , ... , «i , «o , ... reelle Constanten und rational sein sollen. Durch diese

Beziehung zwischen z und t wird ein Gebiet der t- Ebene, das hin- reichend beschränkt ist, auf einem gewissen Gebiet der z- Ebene conform abgebildet, wenn die nöthigen Bestimmungen getroften sind,

um die Vieldeutigkeit von zu heben. Das Gebiet von t sei be- ® di

grenzt durch die Achse, auf der t reell ist, und einen um den Punkt t = 0 mit einem unendlich grossen Radius beschriebenen

150

Gesammttitzung

Halbkreis auf der Seile, aaf der der imaginäre Theil von / gleich i mal einer positiren Grösse isi: ausgeschlossen seien aber noch unendlich kleine Flächen, die durch Halbkreise begrenzt sind, die den Radius s und zu Mittelpunkten die Punkte f = a, , / = n, , ... haben. Dieses Gebiet von / ist ein einfach zusammenhängendes,

in dem ^ nicht unstetig wird, und in dem kein Punkt liegt, für

welchen zwei, im Allgemeinen verschiedene Werthe von

ein-

ander gleich sind. Daraus folgt, dass, wenn man für einen Punkt

des /-Gebietes einen von den Werthen. die ^ hier haben kann,

dt

nach Willkür festgesetzt. ~ in dem ganzen Gebiete eindeutig be-

dz

stimmt ist. Da in diesem Gebiete auch nicht verschwindet.

so ist r eine Funktion von /, durch welche das Gebiet von t auf dem entsprechenden Gebiet von ; conform abgebildet wird. Es ist leicht zu zeigen, dass die Grenzen des letzteren, soweit sie endlich sind, ans geraden Linien bestehn, und die Winkel zu finden, die je zwei aufeinanderfolgende von diesen Linien mit einander bilden. Man setze

12)

dz

d^i

-V (cos c* -i- 1 sin 3) ;

M. der Modul von

dz

di"

ist dann das Verhältniss der linearen Di-

mensionen entsprechender, unendlich kleiner Gebiete von z und /, und c- ist, wenn die Achsen des Reellen und die des Imaginären in der r- Ebene und der /-Ebene parallel sind, der Winkel, um den das r-Gebiet gegen das /-Gebiet io positivem Sinne gedreht

ist. d. h. in dem Sinne, in dem die x-.\chse um gedreht wer- den muss, um der y- Achse parallel zu werden. Es möge festge- setzt sein, dass für einen reellen, negativen, unendlich grossen Werth von / alle Factoren von C in der Gleichung 11) reell und positiv sind. Lässt man / auf der Grenze seines Gebietes von 3c bis a £ wachsen, wo a irgend eine der Grössen , o. . . bedeutet, so bleibt (a /)““, wo « diejenige der Grössen a, bezeichnet, die dem a entspricht, reell und positiv. Für den Halb-

vom 15, März 1877.

151

kreis, den der Punkt t bei seinem -sveiteren Fortschreiten auf der Grenze zu durchlaufen hat, setze man

13) a t B (cos jj i sin w) ,

so dass j: von o bis - wächst, während der Punkt t den Halb- kreis beschreibt. Während dieses geschieht, ist

(a f)~“ = (cos ccx -h i sin a :»,) , und daher ist für t = a -h s

(a (cos ct77 -\-i sin «-) .

Wächst t durch reelle Werthe weiter, so ändert sich nur der Mo- dul dieser Grösse, während die Potenz von 1, die ihren zweiten Factor bildet, ungeändert bleibt. Durchläuft der Punkt t einen der »radlinigen Theile seines Gebietes, so bleibt daher der durch die Gleichungen 11) und 12) difinirte Winkel c* ungeändert; durch- läuft er den um t = o beschriebenen Halbkreis, so wächst -r um cc-. Den n -+- 1 geradlinigen Theilen der Grenze des t- Gebietes entsprechen daher eben so viel gerade Linien in der Grenze des r- Gebietes; von je zwei aufeinander folgenden von diesen ist die zweite gegen die erste um den Winkel a- in positivem Sinne ge- dreht. Welche Linie im c- Gebiet dem um i = a beschriebenen Halbkreis im t- Gebiet entspricht, erkennt man, wenn man erwägt, dass, wenn a t unendlich klein ist,

also

c = (a - 0'”“ -k B

oder nach 13)

r = [cos (l «) X i sin (l «) ii] H- B

ist, wo J- und B zwei endliche, complexe Constanten bedeuten. Hiernach ist die gesuchte Linie ein Kreisbogen, dessen Mittelpunkt im Endlichen liegt, nämlich der Punkt z B ist. und dessen Ra- dius unendlich klein oder unendlich gross ist, je nachdem « < 1 oder « > 1. Ist «= 1, so hat man

dz _ A dt a t

152

Gesammtsitzung

also

r = ^ lg (fl Oh-

oder nach 13)

r = ^(Igs

voraus hervorgeht, dass die Linie gerade ist, ini Unendlichen liegt und eine endliche Länge besitzt, die gleich - mal dem Modul von A ist. Durchläuft der Punkt t seinen Halbkreis mit gleichbleiben- der Geschviudigkeit, so wird die entsprechende Linie von dem Punkte r auch mit gleichbleibender Geschwindigkeit dui'chlaufen. "Was endlich den unendlichen Halbkreis in der Grenze des t- Ge- bietes anbetrifft, so ist für diesen

also

dz

Tt

C(-0

II

C

1 «1 «.1 •••

(-0

1— CT, «o et.

B.

Mit Hülfe von 13) erkennt man, dass hierdurch ein Kreisbogen dargestellt ist, der zum Mittelpunkte den im Endlichen liegenden Punkte z = B hat, und dessen Radius unendlich gross oder un- endlich klein ist, je nachdem -h «« H- " H- ^ 1 oder > 1. Er

wird von dem Punkte r mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch- laufen, wenn der Punkt t seinen Halbkreis mit gleichbleibender Ge- schwindigkeit durchläuft.

Ist das c- Gebiet gegeben, so ist zunächst n bekannt, da ti + 1 die Zahl der geraden, im Endlichen liegenden Stücke der Begren- zung ist; für «1 - , «2 - kann man n beliebige der n i "Winkel setzen, die je 2 aufeinanderfolgende dieser Begrenzungs- stücke in dem oben bezeichneten Sinne mit einander bilden. Die Grossen a und die Grösse C können theilweise beliebig gewählt werden, theilweise sind sie durch die Dimensionen und die Lage des c- Gebietes zu bestimmen.

Für das Gebiet von r, auf welches die hier zu entwickelnde Theorie des Condensators geführt hat, kann man hiernach setzen

14)

t

dt .

wo u und X zwei reelle, positive Constanten bedeuten. Den Punkten

vom 15. März 1877.

153

t = dz /. entsprechen dann, wenn u > /. ist, die Punkte c = ± ia, den Punkten t = dz u die Punkte z = zh * (a-i-5), dem unend- lich kleinen, um i = o beschriebenen Halbkreise, der zur Grenze

, X .

des t- Gebietes gehört, die Linie, für die - einen unendlich grossen,

positiven, constanten Werth hat, und für deren Endpunkte y dz a ist, dem unendlichen Halbkreise endlich, der die Grenze des t-Gebie- tes vervollständigt, ein gegen a unendlicher Kreisbogen , dem nur ein gegen a endliches Stück fehlt, um ein voller Kreis zu sein, und

.V .

für dessen Endpunkte - einen unendlich grossen, positiven Werth

hat und y ziz (a -h b) ist. Um die Constanten /. , u durch a und b auszudrücken, integrire man zunächst die Gleichung 14) über den unendlich kleinen, um t = o beschriebenen Halbkreis; dann findet man

1 = A U 77 .

Dieselbe Gleichung integrire man ferner über den unendlich grossen, zur Grenze des t- Gebietes gehörigen Halbkreis; man hat hierbei

<1: =

ZU setzen und findet daher

a -h b z.' -j- a' a ~ 2

Hieraus folgt

1 o) u -f- A 1/ , \x 7. = 1/

1 77 a f 77 a

Lm die gesuchte Beziehung zwischen c und dem durch 10) defi- nirten xc zu finden, muss man zu der jetzt festgestellten Beziehung zwischen r und t eine zwischen t und xc hinzunehmen, durch welche das Gebiet von t conform abgebildet wird auf einem unendlich lan- gen Streifen in der tr- Ebene, von dessen Enden das eine unendlich kleinen, das andere unendlich grossen Werthen von t entspricht. Eine solche Abbildung wird vermittelt durch

d xc H

dt ~~ t

154

Gesammtsitzung

also

■w = A\gt B

die Constanten A und B sind hier so zu bestinnuen, dass (p (d. h. der reelle Theil von w) \ ist für positive und 1 für nega- tive reelle Werthe von t. Hiernach ist

2 i

w = 1 H \gt iC

TT

ZU setzen, wo Igt für positive Werthe von t reell zu nehmen ist und C eine reelle Constante bedeutet. Nun soll für die Punkte der Oberfläche d e r Condensatorplatte bestimmt werden, für welche 9 = + 1 ist. Für diese Oberfläche ist t positiv und daher

16) = '^^Ugt-hCR.

Für die Mitte der äusseren Grundfläche der betrachteten Conden- satorplatte möge \ly = 0 angenommen werden; dann lässt sich C in der folgenden Weise bestimmen. Man betrachte einen Punkt der äusseren Grundfläche, für den x unendlich gross gegen a und unendlich klein gegen R ist. Für diesen Punkt ist t unendlich gross und daher nach 14)

z = a -|- A^ ,

wo A eine endliche Constante bedeutet. Daraus folgt, dass bis auf unendlich Kleines

Z X

lg- = 2lgt und lg— = 2lgt

ist; aus 16) ergiebt sich hiernach

1 R X 4. = - lg - 4- Ci? .

7T a

Andererseits ist für denselben Punkt nach 6)

und daher

17)

vom 15. März 1877.

155

Nun werde ein Punkt der inneren Grundfläche ins Auge ge- fasst, für den x unendlich gross gegen a und unendlich klein gegen R ist. Für diesen ist t unendlich klein und zwischen x und t be- steht nach 14) die Relation

Es ist aber

X

t

dt.

+

A- I' !X

la:

Ä/zlg

bei Rücksicht darauf, dass t unendlich klein ist, folgt hieraus

A

X (u 4- A)' w + A A)^ ß

- = Xß+ lg ^ ^ lg

a 2 2 2 2

2Xßlgt

oder bei Rücksicht auf 15)

, X ^ 7T (2a -\-b) b ^ 2a -\-b

2\gt = -TT + n-lg j

a 2a 2a b

Diesen Ausdruck, so wie den in 17) angegebenen Werth von C denke man sich in 16) substituirt und vergleiche das Resultat mit der Gleichung

, R^ Rx

\i/ = const. ,

2a a

die nach 9) gilt, falls unendlich klein ist. Die mit const. be- a

zeichnete Grösse ergiebt sich dann

-ß“ R f ^ AlTv (2 a ->r b) R b 2a-\-b'

18) = 1 I lg ^ 1 lg ,

2 a 7t \ ea 2 a b

wo e die Basis der natürlichen Logarithmen bedeutet. Dieser Aus- druck ist nach 8) und 2) das Doppelte der Elektricitätsmenge, W(dche die ganze Condensatorplatte enthält.

15G

Gesammtsitzung

Die Elektricitütsinenge der zweiten Comlensatorplatte ist eb(Mi so gross, aber von entgegengesetztem Vorzeiolien.

Setzt man b = o, so kommt man auf den von Ilrn. Clausius behandelten Fall; der Ausdruck 18) wird dann

Ji- E, SttE

_l_ lg

2a - ^ ea

oder, wenn man für tt und e ihre Zalilenwertbe setzt,

2u

R , R

lg 9,246 7T a

Statt dessen hat Hr. Clausius bei der hier gebrauchten Bezeich- nung gefunden

R- R , R

1 lg 8,84

2a TZ a

Der Unterschied der Zahlencoefficienten erklärt sich durch die Un- sicherheit, die die lange numerische Rechnung, durch welche Ur.

Clausius zu seinem Resultate gelangt ist, noth wendig mit sich brachte.

Viel leichter ist der zweite der beiden Fälle zu behandeln, die hier betrachtet werden sollten, der Fall, dass in beiden Platten q) = \ ist. In diesem ist für alle Punkte des Raumes bis auf un- endlich Kleines

2 R

cp = arctg ,

TT u

wo u die positive Wurzel der Gleichung

,y, H h 1

R‘ H- u‘ u“

ist und wo der arctg zwischen 0 und - liegt; d. h. es hat cp den- selben Werth, wie wenn statt der beiden Platten nur <*ine vorhan- den wäre. Die Elektricitätsmenge einer jeden der beiden l^latten ist

R

Es soll jetzt die Theorie des Eingangs erwähnten Thomson - sehen Condensators entwickelt werden. Es lässt sich derselbe fol-

vom 15. März 1877.

157

gendermaassen beschreiben: der untere, horizontale Boden einer me- tallnen, cylindrischen Büchse besteht aus zwei Theilen, einem äusseren, dem Schutzringe, und einem inneren, der die Collektor- platte genannt werden möge; unter diesem Boden, in kleinem Ab- stande von demselben befindet sich eine Metallplatte von gleicher Grösse. Das Potential in dieser sei = 0, während es in der Büchse und der Collektorplatte =1 sei ; es handelt sich darum die Elek- tricitätsmeoge der Collektorplatte zu finden. Die Gleichung der oberen Fläche der Platte, in der qp = o ist, sei y = 0, die Glei- chungen der Grundflächen der Collektorplatte und des Schutzringes seien y a und y = a H- 5, die Gleichungen der Randflächen der Collektorplatte und des Schutzringes endlich ^ = R c und ^ = so dass a der Abstand der Collektorplatte von der unteren Platte, h die Dicke der Collektorplatte und 2c die Breite des ringförinigen Zwischenraumes zwischen dieser und dem Schutzringe bedeutet. a, b, c werden als unendlich klein gegen i?, die Breite des Schutz- ringes als von derselben Ordnung wie B vorausgesetzt.

In endlicher Entfernung von dem Kreise, für den y = o, o B ist, ist oberhalb der Collektorplatte und des Schutzrings qp = i,

y

unterhalb qo = - , dort ist 4^ = const, hier a

19) 4/ = const.

' 2a

Es sind cp und 4^ für Punkte, die unendlich nahe an jenem Kreise liegen, zu berechnen. Setzt man wieder

4-

B ^ = X , X i y = z , (p -i- i— = w ,

so ist w eine Funktion von z. Man bilde das zu betrachtende Gebiet von z wieder auf der Hälfte der t- Ebene ab. Das geschieht durch die Gleichung

20)

Ndz =

1 —}?f

wo A", k, }. positive Constanten bedeuten sollen, von denen und >1. Den unendlich kleinen Halbkreisen, deren Mittelpunkte

die Punkte t = ± j sind, und die zur Grenze des t- Gebietes

[1877]

13

158

Gexammt^iizung

gehören, entsprechen dann in der Grenze des r- Gebietes gerade

X

Linien, für welche -= dz x und für deren Endpunkte y = 0 und

y = a ist; dem unendlich grossen Halbkreis in der Grenze des t- Gebietes entspricht ein gegen a unendlich grosser Halbkreis in

X

der Grenze des r- Gebietes, für dessen Endpunkte ~ = dz x und

a

y a -h b ist; den Punkten

t = it 1 und

endlich entsprechen die Punkte

r = ± c -H I a und z = zkz c i (a b) .

Man erhält die verlangte Beziehung zwischen z und tc, wenn man zwischen w und t die Gleichung

I , 1 /.t _

tc = —lg -d- iC

festsetzt, in der C eine reelle Constante bedeutet. Hieraus folgt für die Oberfläche der Collektorplatte, für die ist,

21)

d = -ig^:^^ ^-d-CR.

Die Gleichung 20) lässt sich schreiben dt

Xdz =

1 4-1

1-/.V ;•

Bei der Bezeichnungsweise Jacob i’s ist daher, wenn man / = sinamu.il' , X = i'sinam «, il'

setzt.

. cos am «A am«

Ar = u A* am « 4- E(u) 4 : H (u , «)

oder auch

159

ist, reell und zwischen o und K gewählt werden. Mau hat dann •r(«) =

und daher

- ■(

dlgj^) d d‘\grT,j3y

(I3 dl'- ,

dig-'M

du =.>,C3-h») de =.r,(.3)

oder, wenn man

d2

=

setzt.

*Vr --

r-iß) d r-(3) dlg.r(«)

^,(3) d3 c-(3)

(f u

,l^^i(j~«) d ^ .r,(3)

-,(o + u) S-,(3) (/3 r(3)

Die Bedingung, dass

für M = nr äT r = =i=CH-ia

* und

für u = rh A' H- » Ä'' r = ± c -h i (a + 5)

werde, ergiebt zur Bestimmung der 3 Coustanten, A*. k, .2 die Glei- - chungen

r

13'

IGO

Gesammtsilzung

22)

.Vo = -kZ^ "

(^)

}r,(ß) ^(ß)

^ ^ ^(ß) d B,(ß)

2 ^,(ß) ^(ß)

V J 2A'

in Folge der beiden ersten von diesen lässt die Gleichung für Nz sich schreiben

oQ^ _ «)

2 O ) Z i\ C "rrr |— ; lg 7:^ -7» r

' K du 7Z ^.S',(/3-t-u)

Durch Einführung von u und ß wird die Gleichung 21)

, H, sin amu sin am /3 _

'i = -Ig^ . n-^-CR.

- Sin am u -h Sin am p

Für einen Punkt der oberen Grundfläche der Collektorplatte, für den - unendlich gross ist, ist sin amu unendlich gross, also

= CR.

Setzt man für Punkte dieser Grundfläche, deren P^ntfernungen vom Rande von der Ordnung von R sind, und für die, wie bemerkt, \I/ constant ist, \Jy = o, so ist also C = o und

24)

R, sinamu sinam/3

= rJg7:

- sin am u -H Sin am

Für Punkte der unteren Grundfläche der Collektorplatte, für die

unendlich gross ist, ist u ß unendlich klein und positiv, und da- her nach 23)

ß i rflgc-(/3) a , (u /3)cr;(0)

77*^ .>,(2/3)

, i? , (u /3) cos am /3 a am /3

= Ig-^ : Ti

7T 2 sin am p

und nach 24)

vom 15. März 1877.

161

Benutzt man, dass

und

sin am /3 =

5(0) 5,(/3) 5;(o) 5(ß)

A am.ß =

cosam.ß =

^(0)

r-,(o) S(ß)

■5(0) .5,(5) 5,(0) 5(/3) =

.’(o).5,(o)^,(o)5,(2/3) = 2 5(/3)?,(/-)S,(/3)^,(/3)

ist, so folgt aus diesen beiden Gleichungen

' fa , -3^/0 ,3^ ^ rflg5(/3) 5,(/3):-,C5)\

a 77 \ ö!2Ä’' 2J\*Ö * (o) S’3 (o) y

Da nun nach 19) wiederum

, i?‘ Rx

\y = const.

2a a

X’

ist, falls unendlich klein, so ergiebt sich für die mit const. be- a

zeichnete Grösse, d, h. für das Doppelte der Elektricitätsmenge, die die Collektorplatte enthält, der Ausdruck

!6)

E- 2R fc ß 77

2a 77 ya 2/v

-I-

rflg5(,S) , , .r,(.S)&,(3)'

2 Na

+ i.s;

7,(0) ^3(0)

Im Allgemeinen ist die Berechnung desselben beschwerlich, da sie die Auflösung der Gleichungen 22) nach N erfordert; sie ist

aber sehr leicht, wenn man die Dicke der Collektorplatte b als unendlich gross gegen die Breite 2 c des Zwischenraumes zwischen ihr und dem Schutzringe aunimmt und sich begnügt, neben den endlichen Gliedern die unendlich kleinen Glieder niedrigster Ord-

b

nung zu berücksichtigen. Aimmt man als unendlich gross an

und berücksichtigt nur endliche Glieder, so genügt man den Glei- chungen 22) durch

^ = 0 ,

TT

und der Ausdruck 25) wird dann

162

Gesammtsitzung

~ —(ßtgß 4- lg cos /3) . Um seinen Werth genauer zu linden, setze man

^ = tg,ß„;

die dritte der Gleichungen 22) giebt dann

K

lg(? = "

und die beiden ersten geben

J ^0 b7z\

ß^

= ßo 45sin2)So .

In Folge hiervon wird der Ausdruck 25) jy- 2 R

(ßotgßo -H lgcos/?o -H 45 sin'/3o)

2a 77

Der Ausdruck 25) ist auch leicht in dem Ifalle zu berechnen, dass b = o ist, einem Falle, der aber ein geringeres praktisches Interesse darbietet. In ihm ist /: = 1 und die Elektricitätsmenge der Col- lektorplatte

__ R- R 1

~ 4a - 1

wo /. aus der Gleichung

c _ 2 /. /. -t- 1

'* 7 "4* S r

zu bestimmen ist.

vom 15. März 1877.

163

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Bulletin de la Societe mathematique de France. T. V. N. 1. Paris 1877. 8. Bulletin de la Societe Imp. des naturalistes de Moscou. Armee 1876.

N. 3. Moscou 1876. 8.

Annales de V Ohservatoire de Moscou. Vol. III. Livr. 1. ib. 1877. 4.

J. Timme, Memoire sur le rahotage des metaux. St. Petersbourg 1877. 8.

2 Ex.

M. Thiesen, Zur Theorie des Schalen- Anemometers, ib. eod. 4 Ex.

, Zur Theorie der Windstärke- Tafel, ib. 1875. 4. Extr.

The numismatic chronicle. 1876. Part IV. London. 8.

Verhandlungen des naturforschenden Vereines in Brünn. XIV. Bd. 1875.

Brünn 1876. 8. Mit Begleitschreiben.

Journal of the Chemical Societg. 1876. Vol. I. II. Supplementär)’ Number.

N. CLXX. Febr. 1877. 1877. Vol. I. London 1876/77. 8.

Landwirthschaßliche Jahrbücher. VI. Bd. (1877). Supplementheft. Berlin 1877. 8.

Bullettino di Archeologia cristiana. Terza Serie. Anno I. Roma 1876. 8.

Bulletin de la Societe de geographie. Janvier 1877. Paris 1877. 8.

Zeitsehriß der Deutschen geologischen Gesellschaß. XXVIII. Bd. 3. Heft. Berlin 1876. 8.

Mittheilungen aus dem Jahrhuche der K. Ungarischen geologischen Anstalt.

IV. Bd. 3. Heft. Budapest 1876. 8.

Monthly Xotices of the li. astronomical Society. Vol. XXVII. N. 4. Februar 1877. London. 8.

R. AVolf, Astronomische Mittheilungen. XLII. Febr. 1877. 8.

Revue scientißque de la France et de Vetranger. N. 37. Paris 1877. 4.

0. Böttger, Uber eine neue Eidechse aus Brasilien. 8.

Annales de chimie et de physique. V. Ser. Fevr. 1877. Paris 1877. 8.

A. Grisebach, La Vegetation du Globe. Ouvrage trad. de l’ Allemand par

P. de Tchihatehef. T. 2. Fase. 1. Paris 1877. 8. Von Hrn.

V. Tchihatehef.

Proceedings of the R. Society of Edinburgh. Session 1875 76. 8.

Transactions of the R. Society of Edinburgh. Vol. XXA'II. Part IV. for the Session 1875 76. 4. Mit Begleitschreiben.

Historiae Patriae Monumenta. Tomus XVI. Leges municipales. T. II. 1. 2.

Augustae Tavrinorum. 1876. Fol. Mit Begleitschreiben.

Zeitschriß des K. Preuss. Statistischen Bureaus. Jahrg. 16. 1876. Berlin 1876. 4.

Transactions of the zoological Society. Vol. IX. Part. 10. London 1877. 4.

164

Öffentliche Sitzung

19. März. Sitzung der physikalisch - mathemati- schen Klasse.

Hr. Reichert las über das vordere Ende der Chorda dorsalis bei frühzeitigen Haifisch-Embryonen (Acanthias vulgaris).

22. März. Öffentliche Sitzung der Akademie zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs.

Der an diesem Tage Vorsitzende Sekretär der Akademie, Hr. Kummer, eröffnete die Sitzung mit folgender Festrede:

Der Geburtstag unseres erhabenen Kaisers und Königs, wel- chen unser gesammtes Vaterland als einen Festtag feiert, hat auch die Königliche Akademie der Wissenschaften zu der heutigen öffent- lichen Sitzung vereinigt, in welcher es mir obliegt den Gefühlen des Dankes und der Freude, welche diese Feier in allen preussischen und deutschen Herzen erregt, im Sinne unserer Akademie einen Ausdruck zu geben.

Wohl geziemt es sich an diesem Tage der Grossthaten unseres Kaisers und Königs zu gedenken, durch welche er unser engeres preussisches Vaterland zu neuer Macht und neuem Ansehen erhoben und unser deutsches Vaterland aus tiefem Schlafe der Ohnmacht wieder erweckt und geeinigt hat. Wohl gedenken wir auch der schweren Kriege und der blutigen Schlachten, welche geschlagen werden mussten, um das Vaterland vor dem Untergange zu be- wahren und es zu der Grösse zu erheben, in welcher es jetzt her- vorragt. Wir vergegenwärtigen uns dabei mit besonderer Vorliebe die Heldengestalt unseres Königs und Kaisers, wie er in diesen Schlachten als Heerführer gebietet, und überall an die preussischen und deutschen Fahnen den Sieg zu fesseln weiss. Aber ich kann es nicht unternehmen diese Thaten hier würdig zu schildern, denn

vom 22. März 1877.

165

alles was ich darüber zu sagen vermöchte, würde der Wirklichkeit gegenüber nur matt und kraftlos erscheinen. Ebenso würde ich mich auch nur vergeblich bemühen die Empfindungen zu erneuern, von denen wir alle damals durchdrungen waren, als unser König an der Spitze des vereinten deutschen Heeres auszog, um Deutsch- lands Ehre und Selbständigkeit zu retten; als sodann die Berichte über die erfochtenen grossen Siege zuerst an unser Ohr drangen; als endlich nach langem schwerem Ringen der Friede geschlossen war, der unserem deutschen Yaterlande zwei in der traurigen Zeit seiner Schwäche ihm geraubte Provinzen zurückgab, und als nach Vollbringung solcher Thaten unser König als deutscher Kaiser zu- rückkehrte, um mit gewohnter Gewissenhaftigkeit und Treue die Regierung wieder von hier aus zu führen, um die Wunden zu hei- len, welche der Krieg geschlagen hatte, und Deutschlands neue Verfassung zu gründen und zu befestigen. Diese grosse Zeit, welche mit zu durchleben uns vergönnt gewesen ist, wird uns allen stets unvergesslich sein, und die Verehrung gegen unseren Kaiser und König, welcher in derselben die Geschicke unseres Vaterlandes mit starker Hand geleitet hat, kann niemals aus un- seren Herzen schwinden.

Aber solche grossartige Momente in der Geschichte Deutsch- lands, wie in dem Leben unseres Kaisers und Königs, können sich nicht immer wiederholen. Im Besitze dessen, was Preussen und Deutschland nach aussen zu erstreben hatte, erfreuen Avir uns seit- dem des Friedens, und fern von aller eiteln Ruhmsucht, hat die deutsche Nation, mit ihrem Kaiser Wilhelm an der Spitze, kein Verlangen nach neuen kriegerischen Lorbeeren, sondern nur den Wunsch in der Ausbildung und Ausübung der Künste des Friedens mit anderen Nationen zu wetteifern.

Lenserem von Gott hoch begnadigten Kaiser und König ist es vergönnt worden auch in seinem jetzt vollendeten achtzigsten Lebens- jahre zum Heile seines Volkes die Pflichten seines hohen Berufes in ungeschwächter Kraft zu erfüllen. Er hat das ganze Gewicht seines hohen Ansehens dafür eingesetzt den von Osten her be- drohten Frieden Europas zu erhalten. Ein bedeutender Fortschritt in der geistigen Einigung der verschiedenen deutschen Stämme auf dem Gebiete des Rechts, Avelcher durch den Erlass der Justiz- gesetze gemacht worden ist, zeigt uns einen neuen Erfolg seiner Regierungsthätigkeit. Der Tod der ihm doppelt verschwägerten

166

Öffentliche Sitzung

hohen Frau, welcher unser Königsliaus in tiefe Trauer versetzt und das Mitgefühl des ganzen Landes erregt hat, musste sein Herz besonders traurig bewegen. Aber wir haben auch ein besonders freudiges Ereigniss dieses Jahres in dem Leben unseres Kaisers zu verzeichnen, sein siebzigjähriges militärisches Dienstjubiläum, welches am ersten Januar von dem Heere, von denen weiche dem Heere früher angehört haben und von allen Vaterlandsfreunden ge- feiert worden ist.

Diese siebzig Jahre, in denen unser Kaiser als Soldat dem Vaterlande gedient hat, umfassen einen Zeitraum, der mit der tief- sten Erniedrigung Preussens beginnt, sodann in den Freiheitskriegen zeigt, wie durch die Begeisterung und Energie des Volkes die Zwingherrschaft gebrochen und die Wiedererhebung des preussi- schen Staats erkämpft wurde, und welcher endlich, nach vollstän- diger Niederwerfung der Feinde Deutschlands, die Einheit und Grösse unseres Vaterlandes herbeigeführt hat. Wenn wir in die- sem Wechsel der Geschicke das Walten einer höheren Macht er- blicken, wenn wir in derselben Demuth gegen Gott, welche unse- ren Kaiser , stets beseelt, nicht menschlicher Kraft und Weisheit das Vollbringen und Gelingen zuschreiben, sondern den Segen Gottes welcher auf der ganzen Regierung und auf allen Thatcn unseres Kaisers ruht, freudig anerkennen und tief verehren, so können wir doch auch hierin, wie überall in der Weltgeschichte, Ursachen und Wirkungen zu unterscheiden, und so zu einer ge- wissen, wenn auch nur menschlich beschränkten Erkenntniss zu gelangen suchen. In diesem Sinne möchte ich versuchen den Zu- sammenhang, in welchem die siebzigjährige Militärdienstzeit unse- res Kaisers mit der ganzen Entwickelung unseres Vaterlandes steht, hier etwas näher zu betrachten.

Als nach der unglücklichen Schlacht bei Jena Preussen dar- niedergeworfen, und die königliche Familie genöthigt war in dem äussersten Osten Preussens vor dem Eroberer Schutz zu suchen, hatte die Königin Louise ihren beiden ältesten Söhnen die hohe Aufgabe gestellt, sie sollten Feldherren und Helden werden, um später die gegenwärtige Schmach des Vaterlandes zu tilgen, oder wenn diess nicht gelänge, wenigstens einen ehrenvollen Tod auf dem Schlachtfelde finden zu können. Diese Worte der Mutter und die Lage, in welcher sie gesprochen waren, konnten nicht ver- fehlen auf das sittlich ernste Gemüth des damals neunjährigen

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Prinzen Wilhelm den tiefsten Eindruck zu machen und seiner, wenige Monate darauf erfolgenden, Einkleidung als Soldat eine tiefere Weihe zu geben.

Da in dieser Zeit die Reorganisation der Reste des preussi- schen Heeres und die Bildung einer Militärmacht, welche im ern- sten Kriege sich bewähren sollte, ernstlich ins Werk gesetzt wurde, so hatte Prinz Wilhelm das Glück, gleich bei seinem Eintritt in die Armee von diesem neuen Geiste, der in derselben aufging, mit beseelt zu werden. Als zweitgeborner Prinz, welcher wenig Aus- sicht hatte später selbst zur Regierung zu gelangen, konnte er sich mit ungetheilter Kraft seinem militärischen Berufe vollständig wid- men, und die hohe- Aufgabe, für die Hebung und Entwickelung der Macht des Vaterlandes thätig zu sein, als die Hauptaufgabe seines Lebens betrachten. Es war diess damals zugleich die Hauptauf- gabe des preussischen Staats, an welcher alle Organe desselben arbeiteten, weil es sich um die Befreiung des Vaterlandes von fremder Zwingherrschaft handelte. Als sodann die Zeit gekommen war, wo König Friedrich Wilhelm der dritte glaubte den Kampf gegen den fremden Eroberer wieder aufnehmen zu können, als er den Aufruf zur Befreiung des Vaterlandes an sein Volk erliess, als alle waffenfähigen Preussen freiwillig zu den Waffen griffen und sich unter die Fahnen ihres Königs sammelten, in jener grossen Zeit der allgemeinen Begeisterung musste der damals sechszehn- jährige Prinz Wilhelm den tiefen Schmerz erfahren, dass es ihm nicht erlaubt war persönlich mitzukämpfen, weil sein Vater ihm die dringende Bitte, mit in’s Feld ziehen zu dürfen, abschlug, und zwar aus Rücksicht auf den körperlichen Gesundheitszustand des Prinzen, dessen Pflege dem Könige von der verewigten Mutter dringend anempfohlen worden Avar. Erst in dem folgenden Jahre, als Napoleon durch die gemeinsamen Anstrengungen der verbün- deten Mächte schon bis über den Rhein zurückgeworfen war, ge- stattete ihm der König versuchsweise sich bei dem ferneren Feld- zuge in Frankreich zu betheiligen, und dieser Versuch gelang in ausgezeichneter Weise. Hier sah Prinz Wilhelm zuerst den gan- zen Ernst des Krieges und der Schlachten. Hier war es ihm auch vergönnt den hohen Muth und die Verachtung der Gefahren zu be- währen, welche unsere Hohenzollernschen Prinzen stets ausgezeich- net haben. Hier hat er auch seine ersten kriegerischen Auszeich- nungen, den russischen St. Georgen-Orden und das eiserne Kreuz

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sich ehrenvoll verdient, als er bei Bar snr Aube mit einem russi- schen Regimente längere Zeit in heftigem Feuer stand, um als Ordonnanzofficier des Königs, seines Vaters, die Befehle desselben zu überbringen, und die ihm aufgetragenen Erkundigungen einzu- ziehen. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich war er an den un- erfreulichen Verhandlungen des Wiener Kongresses nicht betheiligt, und bei dem sehr ernsten Intermezzo der hundert Tage, welches der von Elba zurückgekehrte Napoleon in Scene setzte, kam er im Gefolge seines Vaters erst an, nachdem die Schlacht bei Waterloo schon geschlagen und Paris wieder von den Verbündeten besetzt war.

In der nun folgenden Zeit des längeren europäischen Friedens war Prinz Wilhelm mit alten den militärischen Studien und Übun- gen ernstlich und eifrig beschäftigt, welche zur allseitigen Aus- bildung eines Feldherrn gehören, so wie auch mit allen die Orga- nisation der Armee betreffenden Fragen. Mit welchem Erfolge er hierin gearbeitet hat, können wir daraus ersehen, dass sein Vater, welcher das ganze Militärwesen gründlich verstand und für das Gedeihen desselben stets eifrig besorgt w'ar, für die Zeit, wo er mit dem Kronprinzen zwei Monate lang abwesend war, um seine mit dem Grossfürsten Nikolaus vermählte Tochter in Petersburg zu besuchen, dem Prinzen Wilhelm die oberste Leitung der Militär- angelegenheiten Preussens anvertraute, als derselbe erst 21 Jahre alt war, und den Rang eines Generalmajors bekleidete.

In stetig sich erweiternder und steigernder militärischer Thätig- keit, als Mitglied des Kriegsministeriums, als Vorsitzender beson- derer Militär-Commissionen, als Inspecteur der Festungen und als Führer der Truppen bei grossen Manövern, arbeitete Prinz Wil- helm sodann weiter in seinem Berufe. Auch der im Jahre 1840 erfolgte Tod seines Vaters, die Thronbesteigung seines Bruders, des hochseeligen Königs Friedrich Wilhelms des vierten, und der Titel als Prinz von Preussen, welcher ihm eine nähere Aussicht auf den Thron eröflfnete, änderten in seiner Berufsthätigkeit nur wenig, weil er für seinen Königlichen Bruder ein längeres Leben erwartete und hoffte, als für sich selbst. Mit derselben Loyalität, w'elche er seinem Vater gegenüber stets beobachtet hatte, ordnete er sich auch dem Könige seinem Bruder unter, und befriedigt mit dem, was er dem Vaterlande in dem Gebiete des Militärwesens leisten konnte, vermied er es einen anderen Einfluss auf die Regie-

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rung zu erstreben, er betrachtete sich vielmehr stets nur als den ersten, treusten und gehorsamsten Unterthan seines Königlichen Bruders, und als den ersten Soldaten Preussens. Leider aber musste er auch in dieser bescheidenen Stellung bald sehr bittere Erfahrungen machen. Die Begeisterung, welche das preussische Volk in den Freiheitskriegen gezeigt hatte, war längst verschwun- den, es war von derselben nur ein sehr unbestimmter Drang nach der Einheit Deutschlands und nach grösserer politischer Freiheit übrig geblieben, welcher darin eine gewisse Berechtigung hatte, dass der König Friedrich Wilhelm der dritte selbst den Willen ausgesprochen hatte, eine freiere Verfassung des preussischen Staats einzuführen. Je länger die Erfüllung dieses königlichen Wortes verschoben wurde, um so mehr verbreitete sich eine gewisse Miss- stimmung und Unzufriedenheit, welche namentlich durch den Man- gel politischer Bildung, der in dem eigentlichen Bürgerthume herrschte, gefährlich wurde, und als von Frankreich her mit der Entthronung Louis Philippe’s und der Einführung der Republik vorgegangen worden war, dahin führte, dass auch bei uns die staatsgefährlichen Elemente die Oberhand erhielten und als Strassen- demokratie eine Zeit lang eine unheilvolle Rolle spielten. Ihr ge- fürchtetster Gegner war das Militär, gegen dieses und namentlich gegen den Prinzen von Preussen, als den hervorragendsten Vertreter desselben, richtete sich daher ihr ganzer Hass, welchem der König so weit nachgeben zu müssen glaubte, dass er dem Prinzen sei- nem Bruder befahl auf einige Zeit Preussen zu verlassen und sich nach England zu begeben. Aber auch in dieser traurigsten Zeit seines Lebens bewährte der Prinz von Preussen seine Seelengrösse durch unerschütterliches Festhalten an seiner Pflicht, durch die ihm als Soldaten gewohnte Tugend der Unterordnung unter höhere Be- fehle, und durch die echt christliche Tugend des vollständigen Ver- gebens aller ihm angethanen Kränkungen und Beleidigungen.

Nach seiner Rückkehr aus England lebte er einige Monate in der Zurückgezogenheit, ohne ein bestimmtes militärisches Comman- do. Als aber im folgenden Jahre eine Armee zusammengezogen wurde, welche die Aufgabe erhielt das Badensche Land von den daselbst zur Herrschaft gelangten Insurgenten zu befreien, und den vertriebenen Grossherzog, als den rechtmässigen Landesherren, wieder einzusetzen, wurde der Prinz von Preussen vom Könige zum Oberbefehlshaber dieser Neckararmee ernannt. Hier, wo der

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Prinz das erstemal als Feldherr aiiftrat, rechtfertigte er das in ihn gesetzte Vertrauen in vollen) Maasse, indem er die ihm und seiner Armee gestellte Aufgabe in der kürzesten Zeit vollständig erfüllte.

Durch das hohe Vertrauen seines Königlichen Bruders erhielt er auch ferner stets die wichtigsten militärischen Commandos, und es Avurde ihm auch äusserlich durch seine Ernennung zum General- obersten der Infanterie die höchste militärische Rangstufe verliehen. Bei der Feier seines fünfzigjährigen Militärdienst-Jubiläums sprach sich ebenso die allgemeine Anerkennung aus, welche er in diesem seinem Berufe sich erworben hatte. Dieses schöne Fest sollte aber zugleich auch einen würdigen Abschluss seiner bisherigen rein mi- litärischen Berufsthätigkeit bilden, denn als kurze Zeit darauf der König ernstlich erkrankte, musste der Prinz von Preussen die Sor- gen und Lasten der Regierung übernehmen, Avelche er anfangs als Stellvertreter, dann als Prinzregent und nach dem Tode seines Bruders als König und als Kaiser geführt hat.

Seine Regierung hat uns das denkAVÜrdige Beispiel gegeben, Avie ein Prinz, AV'elcher aus Neigung sich dem militärischen Berufe ganz hingegeben hatte, als er im sechszigsten dahre seines Lebens, unter scliAvierigen äusseren und inneren Verhältnissen, die Regie- rung eines grossen Staates übernehmen musste, sich sogleich als vollendeten Meister in der Regierungskunst zeigte, und mit den höchsten Herrschertugenden ausgerüstet auftrat. Man Avird geneigt sein diess seinem angeborenen Herrschertalente zuzuschreiben, und es ist geAviss, dass er ohne dieses nicht so Grosses hätte voll- bringen können; aber es gehörte auch dazu, dass diess Herrscher- talent durch seine bisherige militärische Berufsthätigkeit in gedeih- licher Weise entAvickelt und ausgebildet sein musste. Die Geschichte giebt uns viele Beispiele von hervorragenden Kriegshelden, welche in gleicher Weise auch als Regenten ausgezeichnet Avaren, und un- sere preussische Geschichte bestätigt diese Erfahrung im vollen Maasse. Es kommt aber in der neueren Zeit, und namentlich für unser V'aterland, noch ein besonderer Umstand hinzu, welcher der allseitigen militärischen Ausbildung, als Vorbereitung für den Re- genten, einen bedeutend höheren Werth verleiht, als er in früheren Zeiten haben konnte. Es ist diess die neuere Wehrverfassung, u)it der allgemeinen Wehrpflicht, Avelche fast zu derselben Zeit, avo unser Kaiser und König vor siebzig Jahren in die Armee eintrat, zuerst in Preussen eingeführt worden ist. Durch diese ist der

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Jahrhunderte hindurch bestehende Gegensatz von Civil und Militär im socialen Leben, wie in der Verwaltung, fast ganz ausgeglichen; die militärische und die bürgerliche Ausbildung fördern sich jetzt gegenseitig, indem eine gute Schule einen guten Soldaten giebt und der ausgebildete Soldat die vorzugsweise militärischen Tugenden des Gehorsams, der Ordnung und Pünktlichkeit, und eine erhöhte Thatkraft mit in das bürgerliche Leben zurückbringt. Die höhere militärische Ausbildung aber, welche alles umfasst, Avas zur Her- stellung und Ausrüstung eines schlagfertigen Heeres und zur Füh- rung desselben im Kriege gehört, steht in unserer Zeit mehr als je zuvor im engsten Zusammenhänge mit allen verschiedenen Rich- tungen des Lebens und der Thätigkeit des Volkes und mit dem ganzen Staatsorganismus. Sie hat eine mehrseitige, gediegene wissenschaftliche Vorbildung zu ihrer Voraussetzung, welche den specifisch militärischen Wissenschaften, der Fortifikation, der Walfen- lehre, der Kriegsgeschichte, der Taktik und Strategie zur Grund- lage dienen muss; sie erfordert eine vielseitige Kenntniss der Zu- stände und Hülfsmittel des Landes, seiner Industrie und Technik, seines Verkehrs und Handels, so wie der ganzen Civilverwaltung des Staates, denn alle diese verschiedenen Faktoren müssen mit- wirken, damit ein Heer seine Aufgabe vollständig erfüllen könne.

Unser Kaiser hatte nun als Prinz alle militärischen Stufen von der niedrigsten eines Rekruten bis zur höchsten eines General- obersten denkend und arbeitend durchlebt. Er hatte gehorchen ge- lernt, um die schwerere Kunst des Befehlens zu lernen. Er hatte schon frühzeitig durch eigene Anschauung und Mitwirkung erfahren, was alles dazu gehört um eine Armee im Felde schlagfertig her- zustellen und sie sodann zum Siege zu führen. Er hatte in beiden Richtungen sich zum Meister ausgebildet, da er aber nicht das Be- streben hatte nur für seine eigene Person den Ruhm eines grossen Feldherren zu gewinnen, sondern beseelt von echtem Patriotismus stets auf die Hebung und Stärkung der Macht des Vaterlandes seinen Sinn richtete, so wendete er sich niemals einseitig nur der Kunst der Heerführung zu, sondern arbeitete mit besonderem Fleisse auch für die Organisation der preussischen Militärmacht. So konnte er das organisatorische Talent, Avelches er als Herrscher überall in hervorragendem Maasse gezeigt hat, zur vollständigen Ausbildung bringen, und schon als Prinz seine allseitige Kenntniss des ganzen Staatsorganismus und der Civilverwaltung sich erwerben. Auf seinen

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vielen Dienstreisen zur Besichtigung der Truppen, zu Übungen und grossen Manövern, liatte er auch Gelegenheit im pex'sönlichen Ver- kehr mit den bedeutendsten Männern des ganzen Landes, aus eige- ner Anschauung die Zustände und die Bedürfnisse des Volkes kennen zu lernen, und die allgemeine so wie die specielle Menschenkenntniss sich zu erwerben, welche er als Herrscher überall bewährt hat. Vor allem aber ist hervorzuheben, dass er durch seine militärische Berufsthätigkeit von allem politischen Parteitreiben fern gehalten war, dass die Achtung vor dem Gesetz ihm stets höher galt, als alle einseitigen doctrinären Theorieen, und dass er als praktischer Soldat und Feldherr gewöhnt war, die gegebenen Verhältnisse über- all nur in ihrer Wirklichkeit aufzufassen. Hierin ist auch der Grund dafür zu finden, dass er, ohne seinen Charakter zu verleug- nen, in voller Übereinstimmung mit den höchsten sittlichen Grund- sätzen seines Denkens und Handelns, die von dem Könige seinem Bruder gegebene und von der Landesvertretung angenommene neue Verfassung Preussens ohne allen Rückhalt als bestehendes Gesetz anerkannte, und dass er auch als König niemals danach gestrebt hat, alte und veraltete Institutionen und Zustände wieder zurück- zuführen, sondern stets nur auf dem Grunde des gesetzlich Beste- henden die weitere Entwickelung zu fördern.

Als unser König die Regierung antrat, waren die Zeiten und Verhältnisse längst vorüber, in denen ein König wie Friedrich der Grosse mit starker Hand die ganze Staatsmaschine bewegen und bis in’s Kleinste hinab durch specielle Befehle nach seinem eigenen festen Willen leiten konnte. Es kam jetzt darauf an, irn Civil- wie im Militärdienst, die rechten Männer an die rechte Stelle zu setzen, welche mit der nöthigen Selbständigkeit ausgerüstet und in dem Gefühle persönlicher Verantwortlichkeit, mehr nach den allge- meinen Directiven des Königs, als nach speciellen Befehlen die verschiedenen Dienstzweige des Staats in seinem Sinne zu führen hatten. Wir alle wissen wie glänzend grade hierin die Weisheit und Menschenkenntniss unseres Königs sich bewährt hat; denn wir haben erlebt, dass selbst diejenigen Männer seiner Wahl, welche anfangs nur mit Misstrauen und Widerwillen empfangen w'urden, durch ihre bewährte Tüchtigkeit und durch ihre staunenswerthen Leistungen sich nachmals den Dank und die Verehrung der ganzen Nation erworben haben.

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Die Hauptschwierigkeit der politischen Stellung Preussens nach aussen lag damals in seinem Verhältniss zu den übrigen deutschen Staaten und in dem deutschen Bundestage, welcher schon einmal todt und begraben, dennoch wieder aufgelebt war. Ganz unfähig Deutschland einen Schutz nach aussen zu gewähren, oder überhaupt die nationalen deutschen Interessen irgend wie zu fördern, konnte er nur noch dazu benutzt werden, dem Interesse der zum grösseren Theile ausserdeutschen, österreichischen Macht zu dienen. Da er in seiner alten Verfassung kaum noch lebensfähig war, so wurde auch von Österreich und den zu ihm haltenden deutschen Staaten eine Reform desselben angestrebt, aber in dem Sinne, dass Deutsch- land ganz den österreichischen Interessen dienstbar gemacht, und Preussen ganz herabgedrückt Averden sollte. Unser König erfasste diese Lage der Verhältnisse mit sicherem Blick. Er erkannte klar, dass die Frage der Reform des deutschen Bundes, oder der Neu- gestaltung Deutschlands, nicht durch diplomatische Künste ihre Lö- sung werde linden können , sondern dass die ganze reale Macht Preussens und seines Heeres werde eingesetzt werden müssen, um eine günstige Entscheidung derselben herbeizuführen.

So trat schon bei seinem Regierungsantritte für unseren König wieder die Aufgabe der Hebung und Stärkung der militärischen Macht Preussens in den Vordergrund, für welche er schon als Prinz unablässig gearbeitet, und in welcher er sich zum Meister ausgebildet hatte.

Die von unserem Könige selbst mit fester Hand geschaffene neue Organisation der Armee, die Errichtung neifer Regimenter und Cadres, deren nächstliegender und wichtigster Grund unaus- gesprochen bleiben musste und nur wenigen bekannt war, wurde von vielen Seiten mit Misstrauen angesehen. Die Volksvertretung legte derselben Schwierigkeiten in den Weg und es gehörte die ganze Festigkeit unseres Königs dazu sich in dem, was er für nothwendig zum Heile des Vaterlandes erkannt hatte, nicht beirren zu lassen. Ein Conflikt der Regierung und der Volksvertretung, welcher daraus entstand, ermuthigte die Gegner Preussens und be- schleunigte die Ausführung der gegen dasselbe unternommenen Pläne. Aber sie hatten sich auch hierin verrechnet; denn als un- ser Heer in das Feld zog, und die Gefahr, in welcher Preussen schwebte, allen deutlich vor Augen trat, war plötzlich aller innere Hader verschwunden, und die Parteileidenschaft ging in dem einen

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gi-ossen Gefühle der Vaterlandsliebe unter. In blutigen Schlachten, in der schon nach wenigen Wochen vollendeten Niederwerfung aller Gegner Preussens, bewährte sich damals zuerst im grossen Kriege, gegen ebenbürtige, au Länderbesitz und Volkszahl sogar weit über- legene Feinde, die von unserem Könige geschaffene neue Organi- sation der Armee, ebenso wie die Heeresleitung unter seinem Ober- befehl, in der glänzendsten Weise. Das Resultat dieses kurzen, aber entscheidenden Kampfes war: die bedeutende Vergrösserung und Stärkung Preussens durcl» Einverleibung der, die verschiedenen Provinzen des Staates bis dahin geographisch trennenden Länder, welche gegen Preussen gekämpft hatten, deren Regierungen für alle friedlichen und wohlwollenden Anerbietungen unseres Königs taub geblieben waren, und die Errichtung des norddeutschen Bun- des, unter Ausschluss des österreichischen Einflusses in allen rein deutschen Angelegenheiten und Interessen.

So war das erste Stadium der Einigung Deutschlands erreicht, die Vollendung dieses grossen Werkes, glaubte unser König, werde der schon glänzend bewährten Thatkraft seines Sohnes und Nach- folgers Vorbehalten bleiben; es war aber ihm selbst noch beschie- den, auch diese grosse That zu vollbringen. Die Eifersucht Frank- reichs auf den Kriegsruhni Preussens, das Verlangen nach weiterer Erwerbung deutschen Hodens bis zur Rheingränze, die prekäre Stel- lung des Kaisers Napoleons des dritten, welcher genöthigt war die unruhigen Gemüther der Franzosen wieder einmal nach aussen zu beschäftigen, drängten ihn zu einem Kriege gegen Preussen, der unter den nichtigsten Vorwänden erklärt und begonnen wurde. Aber es war nicht mehr Preussen allein, oder der norddeutsche Bund, der diesem Angriffe entgegentrat, sondern ganz Deutschland; denn auch die süddeutschen Staaten, w'elche für diesen unschwer vorauszusehenden Fall eines französischen Angriffs durch besondere Verträge an das deutsche Interesse gebunden waren, bewährten sich treu, und stellten ihre wohlgerüsteten Heere mit unter den Oberbefehl unseres Königs.

Deutschland schritt so, seit vielen Jahrhunderten das erste Mal zu einer gemeinsamen, ohne fremde Beihülfe und Mitwirkung auszuführenden grossen That, welche zeigte, was es mit vereinten Kräften vermöge. In einer Reihe der blutigsten Schlachten wur- den die französischen Armeen vernichtet, und mit dem Kaiser Na- poleon selbst als Gefangene nach Deutschland abgeführt. Die

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stärksten Gränzfestungen Frankreichs wurden erobert, und Paris eingeschlossen gehalten, bis es dem siegreichen deutschen Heere seine Thore öffnen musste. Da drang sich allen deutschen Fürsten die Überzeugung auf, dass sie nur im Anschluss an ein einiges Deutschland gross sein und grosses leisten könnten, und sie boten, unter dem Vortritte Baierns, unserem Könige, durch dessen Füh- rung alle diese grossartigen Erfolge erreicht worden waren, die Kaiserkrone an, welche fortan mit der Krone Preussens unzer- trennlich verbunden sein sollte. Unter der jubelnden Zustimmung des vereinten deutschen Heeres und der ganzen deutschen Nation wurde in Versailles, dem alten Sitze der französischen Könige, jetzt dem Hauptquartiere unseres Königs, des deutschen Heerführers, der König von Preussen als Deutscher Kaiser, als Haupt und Heer- führer des zu errichtenden deutschen Bundesstaates proklamirt, und so die Einheit Deutschlands fest und dauernd gegründet.

Ein grosser Staat wie der preussische und eine grosse Nation wie die deutsche sind nicht bloss dazu da, das Wohlergehen der ihnen ungehörigen einzelnen Personen, Gemeinden, Kreise und Pro- vinzen zu fördern, sie haben ausserdem auch die nationalen Güter ihrer Ehre, Selbständigkeit und Freiheit zu schützen und höhere ihnen von Gott gestellte weltgeschichtliche Aufgaben zu voll- bringen. So war unserem preussischen Staate, dem mächtigsten der rein deutsclien Staaten, die hohe Aufgabe gestellt, die Einheit und Grösse unseres deutschen Vaterlandes mit seinem Blute zu erkämpfen, damit der nationale deutsche Geist sich selbständig, frei und gross entwickeln, und als solcher seine höhere welt- geschichtliche Bestimmung erfüllen könne. Es würde verwegen sein jetzt schon ergründen zu wollen, welche Aufgaben unserem deutschen Vaterlande im ferneren Verlauf der Weltgeschichte ge- stellt werden möchten, aber wir hoffen und wünschen, dass es vor- züglich friedliche, auf geistigem Gebiete zu lösende sein mögen. Sollte aber unser Vaterland Avieder in die Lage kommen, die Er- haltung seiner Selbständigkeit und Freiheit mit Blut erkaufen zu müssen, dann können wir nur wünschen, dass sein Heer wieder eben so wohl ausgerüstet, schlagfertig, tapfer und opfermuthig sich bewähren möge, wie das von unserem Kaiser Wilhelm organisirte und au.sgebildete Heer, und dass es auch dann Helden zu seinen Führern haben möge, gleich denen, welche jetzt an seiner Spitze stehen.

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Öffentliche Sitzung

Ilr. Mominsen legte folgenden Jahresbericht über die wissen- schaftlichen Arbeiten der Akademie so wie über die Thätigkeit des mit derselben verbundenen archäologischen Instituts vor.

Von der Sammlung der lateinischen Inschriften ist die erste Abtheilung des sechsten Bandes, welche die öffentlichen Inschriften der Stadt Rom selbst enthält, im Druck vollendet worden. Die zweite Hälfte des fünften Bandes, womit die oberitalischen In- schriften zum Abschluss gelangen, ist fast vollständig ausgedruckt. Der Druck der beiden für Africa und das südöstliche Italien be- stimmten Bände ist fortgesetzt, der Druck zweier anderer, das mittlere und das südwestliche Italien umfassender Bände begonnen worden, so dass augenblicklich fünf Bände gleichzeitig unter der Fresse sind und nur noch ein einziger, der von Gallien und Ger- manien, sich noch nicht im Druck befindet. Zur rascheren För- derung des schwierigsten Theils der Sammlung, der stadtrörnischen Inschriften, ist beschlossen worden die bisher mit denselben ver- bundenen Inschriften des alten Latium einem besonderen Bande zu überweisen und ebenso die Figlinen, Siegel und das sonstige Ge- räth einem eigenen Bearbeiter zu übertragen. Beide Abtheilungen sind in Vorbereitung. Auch der Druck der zweiten Abtheilung der stadtrömischen Inschriften wird in nächster Zeit in Angriff ge- nommen werden.

Für die Paläographie der lateinischen Inschriften, mit welcher die Akademie Hin. Hübner beauftragt hat, ist das erforder- liche Material jetzt in solcher Vollständigkeit beisammen, dass mit der Herstellung der Zeichnungen hat begonnen werden können. Auch das Verfahren für deren Vervielfältigung iin Wege der Fhoto- zincotypie ist festgestellt worden und wird demnächst an die Drucklegung des Werkes gegangen werden können.

Von den griechischen Inschriften hat der seit vielen Jahren rückständige Index zu dem vierbändigen Corpus inscr. Graecarum endlich seinen Abschluss gefunden und befindet derselbe sich zur Zeit unter der Presse. Von der die attischen Inschriften umfassen- den Sammlung ist die erste Hälfte des zweiten Bandes zur Aus- gabe gelangt. Der dritte Band derselben Sammlung ist ferner ge- fördert worden und wird dessen erste Hälfte voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres ausgegeben werden können. Ein durch die wichtigen Funde neuester Zeit veranlasster Nachtrag zu dem ersten Theil derselben Sammlung wird vorbereitet. Die Sammlung der

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archaischen nichtattischen Inschriften ist ebenfalls in Vorbereitung. Auch sind Vorarbeiten gemacht worden für die dringend erforder- liche Neubearbeitung der griechischen Inschriften Italiens.

Das Archäologische Institut des Deutschen Reiches hat seine Thätigkeit in Rom, Athen und Berlin entsprechend den ihm zu Gebote stehenden Geldmitteln im verflossenen Jahre fortgeführt. Das Athenische Secretariat hat die Publication seiner 'Mittheilun- gen’ eröifnet und liegt der erste Band derselben für das J. 1876 abgeschlossen vor. Das Unternehmen einer auf genauer Triangu- lation beruhenden Karte der Stadt und Umgegend Athens ist durch die von der K. Preussischen Regierung gewährte ausserordentliche Unterstützung von 20000 M. fundirt worden und sind die Arbeiten für dies Werk in gedeihlichem Vorschreiten. In Rom ist das neue Institutionsgebäude vollendet und steht die Übersiedelung der Secretare und der Bibliothek in die ihnen bestimmten Räume bevor. Über eine dem römischen Institut durch Privatmunificenz gemachte wichtige Zuwendung wird nach Abschluss der darüber jetzt noch schwebenden Verhandlungen im nächsten Jahre berich- tet werden.

Von den fünf jährlich nach Vorschlag der Direction des In- stituts zu vergebenden Stipendien sind die vier der klassischen Archäologie bestimmten den Doctoren v. Duhn aus Lübeck, V. Rohden aus Bremen, Furtwängler aus Freiburg im Breis- gau, Knapp aus Ulm ertheilt worden. Das fünfte für altchrist- liche Archäologie bestimmte Stipendium hat abermals nicht seiner Bestimmung gemäss verliehen werden können, da es an Bewerbern fehlte. Es wurde daher das im vorigen Jahre nicht zur Verge- bung gelangte fünfte Stipendium mit Genehmigung der Vorgesetz- ten Behörde ausserordentlicher Weise an Hrn. Dr. Milchhöfer in Berlin für Studien auf dem Gebiet der klassischen Archäologie verliehen.

Für die Publication der Sarkopbagreliefs, mit welcher der verstorbene Prof. Matz betraut gewesen war, ist ein Ersatzmann bis jetzt noch nicht bestellt worden, da auch die Mittel zu einer energischen Förderung dieser Unternehmung nicht in genügendem Masse vorhanden waren. Dagegen ist das Terracottenunternehmen unter Hrn. Kekules Leitung in stetigem Vorschreiten und wird eine erste Publication der tanagräischen Figuren in Farbendruck noch im Laufe d. J. erscheinen.

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Die Redaction der Archäologisclien Zeitung bereitet gleichfalls über die pompeianischen Wanddecorationen eine umfassende Spe- cialpiiblication durch Dr. Mau vor.

Die Unternehmung der Sammlung und Herausgabe der Aristo- telesconimentare hat durch eine zweite nach Paris, Oxford und Madrid gerichtete Reise des Professor Torstrik in Bremen ihre abschliessende Fundirung erhalten, so dass nun nach gewonnener Übersicht des handschriftlichen Materials an die Bearbeitung der einzelnen Stücke herangetreten werden kann.

Über die Herausgabe der politischen Schriftstücke Friedrichs des Grossen liegt der dessfällige Antrag den beikommenden Be- hörden vor. So wie die Akademie durch diese die erforder- lichen Vollmachten erhalten haben wird, werden die Vorarbeiten für das umfassende Unternehmen beginnen.

Zum Schluss hielt Hr. Mommsen einen Vortrag über die römische Militärverfassung zur Zeit Casars.

In Ferd. mm 1er ’s Verlagsbuclibandlung sind folgende akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 1873 bis 187G er- schienen :

Schott, Zur Uigurenfrage. 1873. l’reis: 1 M. 50 Pf.

Kchs, Über Entwicklungsstufen der Mythenbildung. 1873. Preis: 1 M.

Kirchhoff & CiRTics, Über ein altattiscdies Grabdenkmal. 1873. 1 M.

Hagen, Messung des Widerstandes, den Planscheiben erfahren, wenn sie in normaler Richtung gegen ihre Ebenen durch die Luft bewegt werden. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

F. Harms, Über den Begriff der Psychologie. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

A. Kirchhoff, Über die Schrift vom Staate der Athener. 1874.

Preis: 2 M. 50 Pf.

F. Harms, Zur Reform der Logik. 1874. Preis: 2 M.

Hacpt, Marci Diaconi vita Porphyrii Episcopi Gazensis. 1874. Preis: 1 M.

Kummer, Über die Wirkung des Luftwiderstandes auf Körper von verschie- dener Gestalt, insbesondere auch auf die Geschosse. 1875. Preis: 4 M.

A. Kirchhoff, Gedächtnissrede auf Moriz Haupt. 1875. Preis: 75 Pf.

A. Kirchhoff, Über die Redaction der Demostlienischen Kranzrede. 1875.

Preis: 2 M.

Schott, Zur Uigurenfrage. 1875. Preis: 1 M.

E. Rüdiger, Über zwei Pergamentblätter mit altarabischer Schrift. 1875.

Preis : 1 .M.

R. Hercher, Über die Homerische Ebene von Troja. 1875. 2. Aufl.

Preis: 1 M.

Reichert, Zur Anatomie des Schwanzes der Ascidien-Larven. 1875. Preis: 5 M. Bruns, Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 1876. Preis: 4M. CuRTius, Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 1876. Preis: 2 M. Dove, Die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876. Preis: 2 M. 50 Pf.

Zeller, Über teleologische und mechanische Naturerklärung in ihrer Anwen- dung auf das Weltganze. 1876. Preis: 1 M.

Harms, Über den Begriff der Wahrheit. 1876. Preis: 1 M. 50 Pf.

ViRCHOW, Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit beson- derer Berücksichtigung der P'riesen. 1876. l'reis: 20 .M.

Schott, Über einige Thiernamen. 1876. Preis: 1 M.

G. Rose &. A. Sadebebk, Über die Krystallisation des Diamanten. 1876.

Preis: 4 M.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

AprU 187T.

Mit 1 Tafel.

BERLIN 1877.

BUCHDKUCKHRBI DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) SW. ÜNIVER8ITÄTSSTR. 8.

IN»COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’s VERLAGS-BUCHHANDLUNG.

RARRWITZ UND G08SMANN.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

April 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Mommsen.

9. April. Sitzung der philosophisch -historischen Klasse.

Hr. V. Sy bei las über die Österreichische Staatsconferenz vom Jahre 1836.

12. April. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Hel mholtz las über Herleitung der Bewegungsgleichun- gen für elektrisirte Körper in dielektrisch polarisirbaren Flüssig- keiten.

Hr. Websky legte darauf den von Kjerulf und Brögger dem mineralogischen Museum übersandten grossen Krystall En- statit von Bainle bei Brevig vor.

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Gesammtsitzung

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Polyhiblion. Partie litter. Ser. II. T. III. Livr. 3. Partie technique. Ser. II. T. III. Livr. 3. Paris 1877. 8.

Bibliotheca Indica. Oltl Series. N. 236. New Series 343. 351. 354. Cal- cutta 1876. 8.

Journal of the R. Asiatic Society of Bengal. Vol. XLV. P. I. II. N. II. III. ib. eod. 8.

Proeeedings etc. N. VIII. Aug. 1876. ib. eod. 8.

Loewenberg, De l'echange des gaz dans la caisse du Tympan. Paris 1877. 8.

Bulletin de la Societe geologique de France. Ser. III. T. 4. (Fenilles 31 33). T. V. N. 2. Paris 1875/76. 8.

Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXIV'. 1876 77. Seria III.

Transuinti. Vol. I. Fase. 3. Febbr. 1877. Roma 1877. 4.

Journal of the Chemical Society. 1877. Vol. I. N. CLXXI. Marcli. London. 8. H. Brugscb-Bey, Geschichte Ägyptens unter den Pharaonen. Erste Deut- sche Ausgabe. Leipzig 1877. 8. Vom Verf. überreicht.

A. Soromenho, Le table de bronze d' Aljustrel. Lisbonne 1876. 8.

Revue scientifique de la France et de l'hranger. N. 38. 39. 41. Paris 1877. 4.

B. Boncompagni, Bullettino. T. IX. Die. 1876. Roma 1876. 4.

List of the geological Society of London. Nov. 1. 1876. 8.

Proeeedings of the R. geographical Society. Vol. XXI. N. 11. March 1877.

London. 8.

The quarterly Journal of the geological Society. Vol. XXXII. P. 4. Vol. XXXIII. P. 1. London. 8.

Proeeedings of the R. Institution of Great Britain. V^ol. VIII. P. I. II. Lon- don 1876. 8.

N. 19. Additions to the Library of the R. Institution of Gr. Britain. ib. eod. 8.

R. Institution of Gr. Britain. 1876. List of the Members. ib. eod. 8.

The American Journal of Science and arts. Ser. III. Vol. XIII. N. 75. March. 1877. New Haven 1877. 8.

K. Akademie der Wissenschaften in Wien. Sitzungsberichte der math.-naturw. Glosse. 1877. N. VI. VII. VIII. 8.

Bericht der Handels- und Gewerbekammer in Budapest im J. 1875. Budapest 1876. 8.

Annaes da Commissao central permanente de Geographia. N. 1. Dez. 1876. Lisboa 1876. 8.

Eine Anzahl Jahresberichte hiesiger Schulen. 4.

Das Deutsche Strafgesetzbuch. Hamburg 1877. 8.

mm 12. April 1877.

181

Sitzungsherichte der philos. - iMlol. und hist. Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1876. Heft V. München 1876. 8.

F. Althaus, Das Berg- ztnd Hüttenwesen auf der Weltausstellung zu Phila- delphia im Jahre 1876. Berlin 1877. 4.

Zeitschrift für das Berg-^, Hütten- und Salinen -Wesen im Preuss. Staate. Bd. XXIV. Lief. 5. ib. 1876. 4.

Revue archeologique. N. Serie. 18. Annee II. Fevrier 1877. Paris. 8. Vivien de Saint- Martin, Nouveau Dictionnaire de geographie universelle.

1. Fase. Paris 1877. 4. Vom Verf.

Societe entomologique de Belgique. Ser. II. N. 35. Bruxelles 1877. 8.

W. F. G. Behn, Leopoldina. Heft XIII. N. 5. 6. Dresden 1877. 4.

Reise der Österreichischen Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857, 1858, 1859. Anthropolog. Theil. Abth. I. H. III. Botanischer Theil. Linguistischer Theil. Nautisch- phgs. Theil. Abth. I. II. III. mit Kar- ten. — Zool. Theil. Bd. I. II. Abth. I. A. B. Bd. II. Abth. II. III. Wien 1861 1875. 4. Mit Begleitschreiben.

M. Schmidt, Sammlung kyprischer Inschriften. Jena 1876. fol. Über- reicht von Hrn. Schräder.

Smithsonian contributions to knoivledge. Vol. XX. XXI. Washington 1876. 4. P. Pooke, Congressional Directory, ib. 1876. 8.

J. M. de Macedo, Brazilian biographical Annual. Vol. I. II. III. Rio de Janeiro. 8.

Proceedings of the Davenport Academy of natural Sciences. Vol. I. 1867 1876. Davenport, Jowa 1876. 8.

Bulletin of the Buffalo Society of natural Sciences. Vol. III. N. 3. Buffalo 1876. 8.

Annals of the Lyceum of natural history of Neio York. Vol. XI. N. 1 8.

12 14. New York 1874. 8. Mit Begleitschi-eiben.

Sec. Series. Jan. June 1873. Jan. June 1874. ib. 1874. 8.

Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde. Bd. II.

Heft 1. 2. 3. Hannover 8. Überreicht von Hrn. Waitz.

Monumenta Germaniae Historica. Scriptorum qui vernacula lingua usi sunt.

T. II. Fase. II. ib. 1877. 4. Desgl.

J. C. Nesfield, Catalogue of Sanskrit Biss, existing in Oude etc. Fase. 8. Calcutta 1876. 8.

Revue archeologique. N. Serie. 18. Annee. III. Mars 1877. Paris. 8. Annales de chimie et de physique. Serie V. Mars 1877. Paris 1877. 8.

Rad Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosti. Knjiga XXXVIII. Za- grebu 1877. 8.

Annual Report of the board of regents of the Smithsonian Institution. Wa- shington 1876. 8. 2 Ex.

15

182

Sitzung der j)hys.-math. Jvlaftse vom iß. April 1877.

F. V. Hayden, Annual Report of the United States geoL and geographical surveg of the territories. 1873. 1874. Washington 1874. 1876. 8.

Verhandelingen der k. Akademie van Wetenschapijen. Afd. Letterkunde. D. X.

A/d. Natuurkunde. D. XVI. Amsterdam 1876. 4. Mit Begleitschreiben.

Verslagen en Mededeelingen. Afd. Letterkunde. Bks. 2. D. V. Afd. Nutuur- kunde. Rks. 2. D. X. ib. 1876/77. 8.

Jaarhoek ... voor 1875. ib. 8.

Catalogus van de Doekerij. D. III. 1. ib. 1876. 8.

Processen Verbaal 1875I7G. ib. 8.

Prysvers Hollandia. ib. 1876. 8.

16. April. Sitzung der physikaliscli-matheiiiatisclien Klasse.

Hr. Kronecker las über Abel’sclie Gleichungen.

Hr. Virchow berichtet über die letzten, von Hin. J. M. Hil- debrandt eingegangenen Mittheilungen. Dieselben sind von Tschani- tei in Durunia, 16. Januar, datirt und melden, dass der Reisende die ersten 6 Tagemärsche glücklich zurückgelegt und die Wildniss erreicht hat. Er ist von .Momba^a mit 40 Trägern und einem Ma- sai-Dolmetscher aufgebrochen, und gedachte sich zunächst der Er- forschung des Kenia zu widmen. Jedoclt hat er schon jetzt in’s Auge gefasst, falls es ihm möglich werde, ein der Aussage seines Führers nach von dem Kenia nordwestlich zum Baringo oder Sum- burru-See leitendes Flufssystem zu verfolgen.

I

4

Gesammtsiizung vom 19. April 1877.

1 83

19. April. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Kuhn las über die Zwerge als Geister der Verstorbenen.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Bulletin de la Societe mathematique de France. T. V. N. 3. Paris 1877. 8.

W. Mangold, Wider Strauss. Bonn 1877. 8.

The Royal School of Mines. Magazine. Vol. I. N. 2. Febr. 1877. Lon- don. 8.

Monthly Notices of the R. astronomical Society. Vol. XXXVII. N. 5. 1877. , London. 8.

Ö/versigt af K. Vetensh. Akademiens förhandlingar. 33. Arg. 1876. N. 9. 10. Stockholm 1877. 8.

Fachrichten von der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. N. 1-9. 1877. Göttingen. 8.

Revue scientifique de la France et de V etranger. N. -1:2. 1877. Paris. 4. Meddelanden af Societas pro Fauna et Flora Fennica. I (1876). Helsing- fors. 8.

Da che dipenda lo stato dei corpi poche considerazioni fisico-chimiche lette dal Socio Riisso Eugenio. Napoli 1877. 8.

Sitzungsberichte der qyhilos.-yhilol. und histor. Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1876. Heft V. München 1876. 8.

Bulletin de V Academie R. des Sciences de Belgique. 46. annee. 2. ser. T. 43.

N. 2. Bruxelles 1877. 8.

E. Robin, Revendication. Paris. 8.

Publications de la section hist, de V Institut R. Grand-Ducal de Luxembourg.

Annee 1876. XXXI (IX). Luxembourg 1877. 8.

H. AVild, Annalen des phys. Central -Observatoriufns. Jahrg. 1875. St. Pe- tersburg 1876. 4.

Vivien d e Sa i n t -Mar t i n , Nouveau Dictionnaire de geographie universelle.

Fase. 2. Paris 1877. 4. Vom Verf.

Adr ess- Kalender für Berlin und Potsdam auf das Jahr 1877. Berlin 1877. 8.

Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik. Herausgegeben von Dr. N. Prings- heim. Bd. XL Heft 1. Leipzig 1877. 8. Überreicht vom Heraus-

geber.

184

Gesammtsitzung

Atti della li. Accademia dei Lincei. Anno 1876 77. Ser. III. Transunti Vol. I. Fase. 4. Marzo 1877. Roma. 4.

Acta Horti PetropolUani. .Suppleni. ad Tumuni III. Tomtis IV. Fase. 1. II. Fetrop. 1876. 8.

E. Kegel, Cycadearum yenerum specierumfjue revisio. ib. 1876. 8. Vom

Verfasser.

, II. Generis Evononymi species ßoram rossicam incolentes, 8. Vom

Verfasser.

F. Müller, The plants iudiyenous to the colony of Victoria. Lithograins.

Melbourne 1861/65. 4. Vom Verfasser.

26. April. Gesaiiimtsitzmig der Akademie.

Hr. Zeller las über die Benützung der aristotelischen Meta- physik in den Schriften der älteren Peripatetiker.

Hr. \V. Peters las über eine neue Gattung von Fleder- thieren, Amorphochilus, aus Peru und über eine neue Cro- cidura aus Liberia.

Hr. L. Taczanowski in Warschau übersandte mir eine Fleder- maus aus dem nördlichen Peru, mit der Bitte, dieselbe zu bestimmen und falls sie neu sei, zu beschreiben. Dieselbe gehört einer eigen- thümlichen neuen Gattung an, welche sich zunächst der von Fr. Cuvier im .Jahre 1828 zuerst beschriebenen Gattung Furia an- schliesst, über welche ich vor 12 Jahren (.Monatsber. 1865 p. 645) zu berichten die Ehre hatte.

vom 26. April 1877.

185

Sie gehören beide zu der Abtheilung der Fledertbiere, welche ich als Chiroptera brachyura zusammengefasst habe. Sie unter- scheiden sich von den anderen hierher gezogenen Gattungen dadurch, dass das Schwanzende, welches ziemlich entfernt von dem abge- stutzten Rande der Schenkelflughaut aufhört, nicht hervorgestreckt werden kann, durch die ausserordentlich abgeplattete Schnauze, den sehr hoch hervorragenden Hirntheil des Schädels und durch den in Form einer Spitze zwischen den Zwischenkiefern vorspringenden Gaumentheil der Oberkiefer. Ich vereinige sie daher als Furiae zu einer besonderen Untergruppe oder Unterfamilie der Brachyura.

Die neue Gattung unterscheidet sich von Furia durch die, Avie ein Schweinsrüssel, abgestutzte und oben mit einem bogenförmig vorspringenden Rande versehene Schnauze, durch die dreieckig- sichelförmige Form der Nasenlöcher, die breite Nasenscheidewand, die wulstige unförmlich gelappte Unterlippe und im Bau des Schä- dels namentlich dadurch, dass der harte Gaumen, dessen Hinter- rand bei Furia in einer Querlinie mit dem hinteren Rande der hin- tersten Backzähne liegt, sehr viel weiter nach hinten verlängert ist.

Amorphochilus nov. gen.

Rostrum iruncatum, margine sicperiore prominente ; nares triangu- lari-ensiformes, sep)to lato sejunctae; labia tumicla, inferius lobatum; auriculae rotundatae. Pars p>alati chiri posterior protracta. Reli- quum Furia.

Amorphochilus Schnablii n. sp. (Taf. Fig. 1 10).

A. fuscus, alis fuscis.

Long. tota 0,062; antibr. 0,034.

Habitatio: Peru.

Die Ohren sind abgerundet, fast so breit AAue hoch, bis zur Schnauzenspitze hervorragend, am äusseren Rande nach unten etwas eingebuchtet, inwendig nahe dem inneren Rande stärker, nahe der unteren Hälfte des äusseren Randes und auf der diesem Rande pa- rallelen Falte schwächer behaart. Die Ohrklappe ähnlich wie bei Furia, breit dreieckig mit schmaler Basis; der äussere Winkel des Dreiecks zugespitzt, der kürzere innere Winkel und die längere obere, nach vorn umgeschlagene Plndspitze abgerundet. Die kleinen Augen werden fast von den Ohren verdeckt. Die Oberlippe ist hoch und überragt schräg nach vorn aufsteigend die Unterlippe.

186

Gesammisilzunfj

Die fast dreieckigen Nasenlöcher liegen an der Vorderseite eines einem Schweinsrüssel ähnlichen bogenförmigen Vorsprunges, dessen oberer Rand wie bei einem Schweinsrüssel frei hervorspringt. Wäh- rend die queren Nasenlöcher von Furia nur durch eine schmale Scheidewand von einander getrennt sind, ist diese Scheidewand hier sehr breit, ln jedem Mundwinkel findet sich ein zapfenför- miger Lappen, der weniger entwickelt auch bei Furia vorkonimt; an jeder Seite der Unterlippe ein zweiter mit seiner Spitze nach innen gekehrter Lappen; in der Mitte der Unterlippe ein fünfter zapfenförmiger Lappen, der sich jederseits nach hinten und aussen in eine vorspringende Ilautleiste fortsetzt. Hinter diesem mittleren Lappen eine glatte nackte Grube, welche hinten durch einen war- zenförmigen Vorsprung begrenzt wird. In der Mitte des Unter- lippenrandes eine breite dreieckige glatte Wulst. 9 Gaumenfalten.

Die Gliedmafsen verhalten sich ganz wie bei Furia. Der Dau- men ist sehr kurz und die Kralle desselben so klein, dass sie nicht zum Festhalten dienen kann. Die erste Phalanx des dritten Fin- gers ist, wie bei Furia auffallend kurz, die Sporen sind lang, die Schenkelflughaut ist auf den Querlinien mit Härchen besetzt und der Schwanz endigt an der achtletzteji dieser Querlinien. Die Flughäute sind neben dem Körper bis zu der Mitte des Oberarms behaart. Die unteren Prämolarzähne nehmen vom ersten bis drit- ten an Grösse zu. Die Spitze der Zwischenkiefer überragt merk- lich die zweispitzigen Schneidezähne und die Basis des Schädels zeigt nach hinten und innen von den Hamuli pterygoidei zwei grosse durch Haut verschlossene Öffnungen.

Dunkelbraun; die einzelnen Haare der Rückseite in der Mitte, die kürzeren der Bauchseite an der Spitze etwas heller.

Meter

Totallänge o,uc2

Kopf o,ou

Ohrhöhe 0,011

Ohrbreite 0,010

Ohrklappe 0,0032

Schwanz 0,0225

Oberarm o,oi8

Vorderarm 0,034

vom 26. April 1877,

187

Meter

L. 1. F.

Mb.

1 Gl.

2 Gl. . .

L. 2. F.

-

0,027 ;

-

L. 3. F.

-

0,0323 ;

; - 0,004 ;

- 0,021 ;

Kpl. 0,0018

L. 4. F.

-

0,0295;

; - 0,006 ;

0,010;

- 0,0005

L. 5. F.

-

0,0285;

; - 0,010 ;

0,007 ;

- 0,0007

Oberschenkel

Tibia

Fuss

Sporn

Die Schenkelfiughaut ragt 12 Mm. über den Schwanz hinaus.

Diese Art ist auf den Wunsch von Hrn. Taczanowski Hrn. Schnabl zu Ehren benannt worden.

Das einzige Exemplar, ein Weibchen, stammt aus Tumbez im nördlichen Peru, an der Grenze von Ecuador, wo es von Hrn. Jelski und Stolz mann gefangen wurde.

Crociclura (Croddura) Schweitzeri n. sp.

Cr, cinnamo7neo-fusca, subtus jmUidior, pilis basi schistaceis; cauda iett’agona, setis longioribus in parte basali.

Long. tot. 0,143; caud. 0,053; p>lantae 0,015,

Habitatio: Liberia.

Die hintere Abtheilung des ersten oberen Schneidezahns ist ungefälir ebenso lang wie die vordere und nicht halb so hoch wie der zweite Schneidezahn. Der Eckzahn ist ein wenig grösser, aber zugleich niedriger als der dritte Schneidezahn. (An der rechten Seite befinden sich abnormer Weise an Stelle des Eckzahns zwei kleinere Zähne.) Der vordere Zacken des oberen Prämolarzahns ist viel niedriger als der Eckzahn. Der erste untere Schneidezahn hat auf der Mitte seiner Schneide keinen Vorsprung. Der Prämo- larzahn ist einspitzig, der vordere innere Zacken des ersten un- teren Molarzahns ebenso entwickelt wie die folgenden.

Die Schnauze ist sehr lang, am Ende zweispitzig. Die Ohren sind mäfsig gross, an den Rändern der Vorsprünge behaart. Der Schwanz ist kürzer als der Körper, erscheint im getrockneten Zu- stande viereckig und zeigt nur am Basaltheil einige längere zer- streute Haare; die Schuppenringel sind sehr fein (15 = 5 Millim.). Die Krallen der hinteren Extremität sind etwas grösser als die der vorderen; die Fufssohle ist kürzer als die Schnauze.

188

Gesammlsitzuntj

Farbe dunkel ziniintbraun, am Bauche blasser. Sämmtliclie Haare sind am Grundtheile schieferfarbig.

Bis Schwanzbasis .

Meter

0,090

Fiifssohle mit Krallen

Meter

0,015

Schwanz

0,053

Länge der unteren Zahn-

Kopf

0,031

reihe

0,011

Schnauze bis Auge

0,016

Länge der oberen Zahn-

Schnauze bis Schneide-

reihe

0,0103

zähne

0,007

Länge des ersten oberen

Auge bis Ohr ....

0,008

Schneidezahns .

0,002

Olirhöhe

0,010

Höhe desselben ....

0,0023

Ohrbreite

0,008

Länge des unteren Schnei-

Handsohle mit Krallen .

0,010

dezahns

0,0042

Ilr. Dr. II. Dohrn erhielt ein einziges Exemplar dieser Art, welches Hr. Schweitzer aus Liberia einsandte. Dem Wunsche des Hrn. Dr. Dohrn entsprechend habe ich diese Art dem Ent- decker zu Ehren benannt.

Erklärung der Abbildung.

Amorphochilus Schnahlii Ptrs. Fig. 1. von der Bauchseite; 2. Kopf im Profil; 3. Kopf von vorn; 4. Kopf von unten; 5. linke Ohrklappe; 6. Schädel im Profil, 7. von oben, 8. von unten; 9. rechter Unterkiefer; 10. Gebiss von vorn. Fig. 1 in natürlicher Grösse, alle übrigen Figuren vergrössert.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt: Landwirthschaftliche Jahrbücher. VI. Bd. (1877). 2. Heft. Berlin 1877. 8, L. Hugo, La theorie Hugodecimale. Paris 1877. 8. 2 E.x. Vom Verf.

Deutsche geographische Blätter. Jahrg. I. Heft 1. Bremen 1877. 8. Mit

Begleitschreiben.

F. Sclopis, Notizie della vita e degli studi del Dante C. Baudi di Vesme. Torino 1877. 8. Vom Verf.

Polgbiblion. Part. litt. Ser. 2. T. V. Livr. 4. .\vril. Paris 1877. 8.

Proceedings of the London math. Society. N. 104. 105. (V'ol. VIII.) 8.

Amoi-ptioc’hiliis S(’liii;il)lii

I

vom 26. April 1877.

189

Nederlandsch kruidkundig Archief. Ser. II. Deel 2. St. 3. Nijmegen 1877. 8. The Constitution and hy-laws of the Ann Arhor scientific Association with the 2}t'oceedings etc. Ann Arbor 1876. 8.

H. Burmeister, Description physique de la Repuhlique Ar gentine. Ti 1. 2. Paris 1876. 8. Mit Begleitschreiben.

, Die fossilen Pferde der Pampasformation. Buenos Aires 1875. fol.

Acta de la Academia Nacional de ciencias exactas. T. 1. Buenos Aires

1875. 4.

The American Journal of Science and arts. Ser. III. Vol. XIII. N. 76. New Haven 1877. 8.

J. E. Stone, Results of astronomical ohservations made at the R. Observatory, Cape of Good Hope, during the years 1871, 1872 1873. Cape Town

1876. 8.

Sitzungsberichte der math.-qjhys. Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1876. Heft III. München 1876. 8.

Revue scientifique de la France et de T etrang er. N. 43. Paris 1877. 4.

M. Th. Houtsma, Catalogus Codicum Orientalium. Vol. VI. P. 1. Lugd. Bat. 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Societe Nationale des Sciences naturelles de Cherbourg. Compte-rendu.

Cherbourg 1877. 8. Vom vorg. K. Ministerium.

Sitzungs-Berichte der math.-naturio. Classe der K. Akademie der Wissenschaf- ten in Wien. Jahrg. 1877. N. IX. 8.

Astronomical and magnetical and meteorological Observations made at the R.

Observatory, Greenioich, in the year 1871. London 1876. 4.

Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 53. Heft 1. Görlitz 1877. 8. Mittheilungen des Deutschen Archäologischen Institutes in Athen. Jahrg. II. Heft 1. Athen 1877. 8.

Academie des Sciences et lettres de Montpellier. Memoires de la section des Sciences. T. VIII. Fase. 3. Annee 1875. Montpellier 1876. 4. Mit

Begleitschreiben.

Nachtrag.

8. Januar. Sitzung der philosophisch - historischen Klasse.

Hr. Mommsen legte folgende Abhandlung des Hrn. Dr. Mi- chael Deffner in Athen vor:

Die Infinitive in den pon tischen Dialekten und die zu- sammengesetzten Zeiten im Neugriechischen.

In allen Sprachen macht sich ein Streben nach Vereinfachung der sprachlichen Formen, nach Beschränkung ihrer Anzahl geltend. Von diesem allmähligen Zusammenschmelzen des Formenreichthums liefert uns gerade die Geschichte der griechischen Sprache, die wir glücklicher Weise durch fast drei Jahrtausende hindurch verfolgen können, recht interessante Beispiele. Während dem Altgriechischen von dem indogermanischen Erbgut noch fünf Casus geblieben waren, ist das Neugriechische auf zwei Casus heruntergekommen, indem der Dativ allmählig verschwand und seine Functionen theils der Genitiv, theils der Accusativ übernahm, letzterer aber wieder we-

192

Nachtrag.

gen Abschwäclmng des auslautenden v theils mit dem Nominativ, tlieils mit dem Genitiv zusammenfiel. Das Zakonische gar ist schon längst auf dem Punkte angelangt, dass es alle Casusendun- gen sammt und sonders verloren hat und nur eine Form für alle Casus des Singulars und eine andere für den Plural kennt.

Unter den Numeris ist dem Neugriechischen und seinen Dia- lekten der Dual ganz abhanden gekommen; das Zahlwort ist der letzte Rest desselben.

Beim Verbum bemerken wir ähnliche Verluste. Von den Modis sind der Optativ und der Infinitiv verschwunden. An die- ser Erscheinung trägt gewiss der Jotacismus die Schuld; die gleiche Aussprache von v\, ot und st machte eben ein Auseinanderhalten des Conjunctivs und Optativs unmöglich. Auch die Infinitivformen fielen in Folge von Abschwächung, Veränderung oder Abfall des Auslautes meist mit dem Conjunctiv zusammen und wurden allmäh- lig durch Umschreibungen ersetzt; sie sind aber nicht verloren ge- gangen, wie man gewöhnlich meint, sondern haben sich als Be- standtheile der zusammengesetzten f'utura, Perfecta und Plusquam- perfecta erhalten. Darüber unten.

Auch den andern modernen Sprachen ist es in diesem Punkte nicht viel besser gegangen. So haben z. B. die romanischen Spra- chen sowohl den Infinitiv Perf. Act. (amavisse) als auch den In- finitiv Praes. Pass, {amart) verloren, und nur den Infin. Praes. Act. {amare) gerettet, während das Neugriechische noch Infinitiv Aor. Act. und Inf. Aor. Pass. hat. Allerdings ist der Gebrauch des Infinitivs im Neugriechischen ungemein viel beschränkter als in den romanischen Sprachen.

Während nun unter den neugriechischen Dialekten dem Za- konischen jegliche Spur des Infinitivs abhanden gekommen ist, übertreffen die politischen Dialekte das Neugriechische sowohl durch die viel getreuere Erhaltung der alten Infinitivformen als auch durch einen bedeutend ausgedehnteren Gebrauch derselben; unter den politischen Dialekten hinwiederum stehen in diesen zwei Punkten die Dialekte von Ofis und Saracho über den trapezunti- schen.

Nachtrag.

193

A. Betrachten wir nun zuerst die verschiedenen Formen des Infinitivs.

1) Die trapezuntischen Formen des zweiten Aorists Activ unterscheiden sich von den altgriechischen nur durch Anhängung eines e^) an die Endung -ziv, z. B.

iplne shTslu. paS'lne 7tu3's7v. apoS'anine a7vo3‘ccus7v. p)iine Tuiiiv.

i^hie (und ihe^neT) lhs7u. fit ne cpvys7u^). evrtne

kamtne y.a\xs7v. faine (payiiv^). makftne

IxS-sTi' ^).

menlne f/svstc u. s. w.

2) Diejenigen Infinitive, welche im Altgriechischen auf -Yjvai ausgehen, haben sich im Trapezuntischen unverändert erhalten; des Zusatzes eines e bedurften sie eben nicht. So:

anevine avaß^vai ® ) .

Zur Darstellung der Laute der pontischen Dialekte gebrauche ich das Alphabet, welches ich in den Monatsberichten der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 7. Januar 1875 für das Zakonische aufgestellt habe.

Dieser Vocal (auch a) wird häufig angehängt, um den Auslautcon- sonanten, wenn er ein wichtiges Formelement ist, vor Zerstörung zu schützen. Darüber ausführlich unten.

Gamma oder vielmehr j fällt zwischen zwei Vocalen, von denen der letztere e oder i ist, in diesen Dialekten immer aus.

Über die unregelmässige Betonung siehe A, 12.

*) Über die Infinitivendung siehe A, 11.

®) Der Übergang von a in e in den Präpositionen dvu und xctra in der Zusammensetzung ist allgemein neugriechisch.

194

Nachtrag.

katevine y.ccTaßyj vca. emhhie iußrjvcu. e vj tne I y.ß ^vui. apih vlne uTrohinß^i'cu.

k i me<^\ne y.ctari3‘y^ vcu.

Xtkpe yine yTVTrri&i^i’cct evreS'hie sCosB’vji'ui. vrasine ß^u^/ßvai^). ra*ine pccyYji/ca u. s. w.

Dazu kommen noch die zwei Formen jenine *ysifrji'cti statt ysviT^ai (in Ofis auch jine^ne) und stäne ttyivui in der Bedeu- tung „sein“ gegenüber dem statine TTct^^vca mit der Bedeutung „stehen“.

3) Im Trapezuntischen bilden aber noch manche Verba den zweiten Aorist Passiv, während von ihnen im Alt- und Neugrie- chischen nur der erste Aor. Pass, gebräuchlich ist, z. B.

filame (pv}.c(y^i’ca statt (pv/.uyßrrivui,^') kilihie y.'j?.iyr^i>cti statt xu/Jx.S’ijmr, tsaniine ^nirty^uca statt pavriT^r^vai u. a.

4) Mit dem irapezuntischen Dialekte stimmt in Bezug auf die Endungen der von Saracho überein. Bei dem Dialekt von Ofis aber haben wir eine ganz eigenthümliche Erscheinung zu vermer- ken. In Bezug auf die Bildung der Formen ist kein Unterschied, aber es hat sich dort merkwürdiger Weise eine Conjngation des Infinitivs herausgebildet. Man fügt dort an die Endung -siv nicht ein unveränderliches e, sondern die Endungen des 1. Aor. Act. an; also:

ip'ina slmtvcc. ip'tnes siTTZivzg. ip'ine sItteIue.

D Tenuis geht vor Tenuis in den Fricativlaut über, ttt wird zu Jt, KT zu ^ t. Das ist ein neugriechisches Lautgesetz, von dem kein Dialekt eine Ausnahme macht.

-) ^ wird vor e und i immer zu S.

Siehe Anmerkung 3.

Nachtrag.

195

ip \ 11 a in e sl'n'slvccfj.si'. ipznete siTrsivars. ipinane smslvavs.

So auch alle andern, also: pa^ina tta^fwa, apoB'antna u, s. w.

Die Tnfinitivendung -y}vcii wird dem analog in -Yjva verwandelt und ebenso conjugirt; also:

ts i in eShia ^) .

tHine^lnes u. s. w.

Über den Gebrauch dieser conjugirten Infinitive siebe unten. Einstweilen sei nur bemerkt, dass auch im Futur und Conditionel verschiedener Dialekte von Hellas sich diese Erscheinung eines conjugirten Infinitivs mit den Endungen des Praesens findet. Sonst existirt von allen mir bekannten Sprachen nur noch im Portugiesi- schen dieser spezielle Zug einer Verbalflexion des Infinitivs.

5) Nachdem wir die Formen der zweiten Aoriste betrachtet, gehen wir zum Infinitiv des I. Aorist. Act. über. Es handelt sich hier darum, zu erfahren, welche Formen in den genannten drei pontischen Dialekten den altgriechischen y.Qcl^ai, iJ.sS'va-ai,

y.ct/.zTcti, y.TVTr^crai, y.a^la-ai, ysi’uocrai u. s. w. entsprechen.

Und da sollte man wohl glauben, dass diese Formen sich unver- ändert erhalten haben werden. Hier liegt nun ein interessantes Beispiel von Analogie vor. „Das Streben nach Uniformirung, nach Behandlung aller Infinitive auf einerlei Art und das immer mehr ersterbende Gefühl für die Bedeutung und den Ursprung des Besonderen“ hatte hier zur Folge, dass die vielleicht weniger ins sprachliche Gefühl sich einprägenden Formen des I. Aoristes die Endung -ca mit der Endung -sh des II. Aoristes vertauschten, wm- bei aber der Accent unverrückt an seiner Stelle blieb. So gehen also aus yad^ca, ixs^vTca u. s. w. die Formen n^ü^siv, jxsB'vasiv u. s. w. hervor, die aufs Haar mit den Infinitiven des activen Futurs übereinstimmen. Wenn man bedenkt, dass die Endung siv dem Infinitiv Praesens Act., dem Inf. Fut. Act. und dem Inf. des II. Aor. Act. angehört, während -ca nur im Infinitiv des I. Aor. Act. vor-

*) Im Dialekt von Ofis geht k vor e und i immer in tS über, ders steht es bei der Lautgruppe crx.

[1877]

IG

An-

196

Nachtrag.

kommt, so nimmt es niclit Wunder, dass die weniger häufig in der Sprache gebrauchte Endung der vielfach gebrauchten sich anähn- lichte; nehmen wir hinzu, dass statt der Endung -Y\vai auch im Gebrauch war, dass schon die alten Dialekte sich durch eine grosse Mannigfaltigkeit der Infinitivformen auszeichnen, so können wir uns denken, welches Chaos von Formen beim Überhandnehmen des Jotacisrrius existirt haben mag, das erst mit dem Untergänge der Infinitive Praesentis und Futuri und der dadurch herbeigefiihr- ten Vereinfachung der Verbalformen sich löste.

6) Kehren wir nun wieder zu den Formen x^ct^siv, ixeSvTSiu

u. s. w. als Formen des Infin. Aor. zurück. Aus ihnen entstanden durch Anfügung eines e im Auslaute die Formen y.Dci^sius,

f/£<irV3"£«l’£, XU/Z7S.IVZ, /.C(/.Y,7Sll'S, arV”>J T£tl£, XCt-^lTBU'E, HEVMTElt'E U. S. W.,

die in Sarächo rapsine, krälcsine, me^lsine, kalesine, laie- sine, X tipHine, k aibisine , tsenö sine gesprochen werden.

Ihnen entsprechen im ofischen Dialekte die conjugirbaren For- men räpsina, kräksina, me^'isina, kalesina, lalesina, Xtipe- sina, ka^tsina, tsenösina u. s. w.

7) Im trapezuntischen Dialekte wird das tonlose i der Endung -ine ausgestossen, und so entstehen die Formen räpsne, kräksne, metsne, kätsne^), kalesne, lalesne, Xtipesne, kenösne

u. s. w.

Ebenso wird aus rcply^ai sping sne“^), aus ixet^tui metresne, aus (<77r^v\'ui asprine, aus rrEl/.m stilne, aus yjc^iTui

u. s. w.

D In beiden Beispielen ist 0 vor er nach Ausstossung des t- Lautes in t übergegangen.

2) Dem alt- und neugriechischen entspricht in diesen Dialekten im- mer «p; z. B. :

anaspallo vergesse, duac-(puXXu.',

spetzo <rtpd^u> schlachte,

spendani (to) o cr<f>ivBauvo(,

spmgo 7(plyyu>, s/n^tos (Adj. verb.).

spatxzo (äcripaXl^tßt) zuschliessen, ngr. s/alo.

spofigiir (to), ngr. afuUgari Schwamm,

spondtxl (to) atbov^vXiov,

spondeyvale G) r' uxpEv^cvri (Ofis) u. s. v>\

Nachtrag.

197

Es ist überhaupt eine Eigentbümlichkeit des trapezuntischen Dialektes, unbetonte Yocale zwischen Consonanten auszustossen. Von den zahlreichen Fällen führe ich hier nur einen an, der mit dem in Rede stehenden die grösste Ähnlichkeit hat. Die ngr. Formen der 3. Fers. Flur. Fraes. Act. irdyu'7i r^Myovn, leyun ?.iyovT(, yrdfun y^cccpovrt, i^izun krdzun y.oci(^ovri u. S. w.

werden durch Anhängung eines e und Ausstossung des unbetonten u zu irbyne, ley^ie, yrdfne, }')ezne, krdzne u. s. w.^).

8) Durch Anfügung des e in den Dialekten von Trapezunt und Sarächo, und der Endungen des Ind. Aor. Act. in dem von Ofis werden bei einigen Verbis Infinitivforraen aus dem altgrie- chischen Infinitiv Fraesens gebildet. Diese Verba sind leyo, eksero, fero, elepo, pdyo, ^elo, prepi Tr^i-Trsi und die von ihnen gebildeten Infinitive lauten im Dialekte von Sarächo lehrte (neben leine)., ekser'ine, ferlne, eleplne (neben iSine), pia^^ie (neben pdine), Veline; in Ofis le'lna, ekserlna , fertna, ele- p)hia, pahia (neben päina), Pelina. Man sieht, dass der Accent auf der Silbe -siu ist, gleich als kämen sie von agr. zweiten Aoristen her. In Trapezunt endlich lauten sie nach Ausstossung des ton- losen i, von der nur /lysw und virdysiv ausgenommen sind: leine, ekserne, ferne, elep>ne, päine, ^elne, prepne (in Ofis und Sarächo nicht gebräuchlich); ihre Betonung stimmt mit der der agr. Infinitive Fraesentis überein.

Diese Verba bilden den Infinitiv vom Fraesensstamm, theils weil sie eines Aoristes entbehren, wie eksero „ich weiss“, theils weil ihr Aorist von einem andern Stamme kommt, zu dem sich der Infinitiv entweder nicht mehr erhalten hat, wie tusyyslu zu Aor. eiiga r,vzyy.ov „ich brachte“, oder doch anfängt seltener zu werden, wie iS ine iSs7u von iSa aiSou, und iplne alrrslu von ipa

SITTGU.

0 Weitere Beispiele des ungemein liäufigen Ausfalls von Vocalen sind; eßrsen ij/upitrev, ey/iorsen kyvtäpLCBv, ej'endon sysvero, eleps IXeirei?, ßXtTrsi?, eyn'e/sa ich wachte auf, ter'este T/)pyjc-a.re, epemna atiiguva, sindz'eno

cww^alvj) spreche u. s. w. Sehr häufig stellt sich statt des ausgefallenen Vocales ein Consonant ein. So wird aus anulpzu; pers und daraus perts, aus StaßajKEtf jav'endz, aus der Participialendung -pitro;, Fein, -pevr], durch W eiterbildung -[xevicrau und schliesslich -m'endza.

16*

198

Nachtrag.

Hierher gehört auch evrikine (neben evrhie und evre^ne) vom Praesens evrtko statt svoIthm im Dialekte von Trapeznnt. Man beachte dabei die Betonung. Über ise^ne unten.

9) In den pontischen Dialecten gibt es, wie im Alt- und Neu- griechischen, verschiedene Verba, die den Aor. Act. auf -ka bilden; diese sind:

ehbka t^wy.a.

enhöka Ivi^wy.u „ich schlug“.

eplka iTTovYjyci.

eflka ctif^Yjy.cc.

eSika (und e^eka) sS-vjycc.

Wie sie aber ini Altgriechischen den Inf. vom ersten Aorist, d. h. auf .-o-«« bilden, so auch in diesen Dialekten; also im Dialekte von Sarächo: Sösine, ndösine, 2)isine (man beachte die Betonung), aftsine, ^esine\ im Dialekte von Ofis: Sösina, ndösina, pi- sina (man beachte die Betonung), a/isina, Seshia; endlich im trapezuntischen Dialekte mit der schon öfters erwähnten Ausstos- sung des s«: hds7ie, ndösne^ pisne, a/isne, S-esne (neben

^ikn e).

10) Wir gelangen nun zu einer Infinitivbildung, die als wei- teres Beispiel für falsche Analogie dienen kann. Man weiss, dass die Verba auf -slv weitaus die zahlreichsten unter den abgeleiteten Verben im Griechischen sind, auch die auf -du ihnen nicht viel nachstehen. Von beiden Klassen lautet im Altgriechischen der Inf. Aor. -YjTcit, öfter auch -sxcci; beide Endungen aber werden in den pontischen Dialekten -ese gesprochen. Wir haben oben schon In- finitive wie kales{t)ne Hn7ixcu, lales(i)ne ?.cc?,^Tat, Xti pes{i)iie^)

*) Der Wörter und Fälle, in denen das »j als e gesprochen wird, sind so viele, dass man diese Aussprache als Hegel und die des »j als i als Aus- nahme betrachten muss. Ich führe nur einige Beispiele an : alle ni/e aXXrj ruu<J)»],

ekb/tes, eko/te, ek'oftete ix9(|)S>jj, exo<j)S»], cK0(pär)rc, at'e auTi], ek'ine IxeiVn], peycdi' itr\yä.tiov^ pelbe TfrjXo’f, estesa tcTriaa, eB'eka lS>;xa,

Nachtrag.

199

HTvnvjo-ui angeführt. So häufig nun in dem Altgriechischen Infini- tive auf -Yio-cei und -irai sind, so häufig sind auch in diesen Dia- lekten die Infinitivbildungen auf -es(i)ne. Das Streben nach Ana- logie hat nun dahin geführt, dass diese Endung auch barytonirten Verben, deren Stamm auf einen Consonanten endigt, angefügt wird, z. B. maBes{'i)ne neben marine y.uS’sws, feres(i')ne

*<p£§i<rsivs neben f er ine, resp. ferne, th'meS'esin e, resp. kime- Sesne neben tsime^ine, resp. kinie^ine. Am häufigsten ist diese Nebenbildung beim Aorist Passiv und in zweiter Linie beim II. Aorist Act. Auch die unter 8) angeführten Verba, die ihre Infinitive vom Praesensstamme durch Anfügung von -ine, resp. -ine bilden, haben Nebenformen mit der Endung es{i)ne, in de- nen aber die Bedeutung des Aoristes klar zu Tage tritt; z. B. ekseres(i)ne, elepes(f)ne u. a.

Auch die fünf unter 9) aufgeführten Verba haben Nebenformen auf -es(?)ne; so z. B. 6oses(i')ne neben hös(i)ne, afises{i)ne neben afis{i)ne, pises{;i)ne neben pisine, resp. pisne u. s. w.

Sonst ist diese Art der Infinitivbildung bei Stämmen des er- sten Aorists verhältnissmässig nicht häufig. Man hört wohl yrap ses(i)ne , allaks es(i)ne d. i. y^u-^ca, aber nicht

Formen wie X tipeses(i)ne , kaleses(i)ne, weil eben die Endung -es(i)ne nur barytonirten Verben, deren Stamm auf einen Conso- nanten endigt, angehängt wird.

11) Endlich gibt es in diesen Dialecten noch eine Infinitiv- endung -e^ne statt -ine. Man weiss eigentlich nicht, wie man den Halbdiphthongen, der hier gehört wird, schreiben soll, ob e" oder ^ä. Er lautet ungefähr so, wie das ie in den Wörtern Wien, dienen im Munde der Östreicher und der Oberdeutschen überhaupt (We°n, de^ncf). Ich bin der Ansicht, dass der Laut in der Endung historisch von dem Diphtongen s< stammt, also auf

epend'eSren anY\vr^^i],

ellaya '^Wa.yr\v, eyapna r\ydTZ'j}v, emes wir waren,

kle/tes xXiTCTYi^, ^oretes u. s. w.

Die Tliatsaclie, dass in den politischen Dialekten die Aussprache des rj als e sich in den meisten Fällen erhalten hat, genügt, um den Neugriechen zu bew'eisen, dass ihre Aussprache des >] als i nicht die ursprüngliche ist.

200

Nachtrag.

eine Zeit zurückgellt, die der Monoplitliongisirung des si voraus- liegt, ebenso wie die Aussprache ITe"?! auf dein althochdeutschen Standpunkte beruhtA)

Die Endung haben folgende Infinitivfornien:

iBe^ne neben iBlne iSslu, evre^ne neben evrlne sv§stu, erSe^7ie neben erS'ine ixSs7u, und ise^ne

Vergegenwärtigen wir uns, dass vor den e- und i- Lauten in diesen Dialekten wie s gesprochen wird, so ist an der Form iH°'ne nichts als der Übergang von s in i und die Betonung zu bemerken.

In Sarächo lauten diese vier Infinitivformen: ihene, evrene., erzene, isene^).

12) Über die Betonung ist das Nöthige schon an den be- treffenden Stellen gesagt worden. Daraus konnte man ersehen, dass manche Infinitive, die auf Stämme des Praesens oder des

I. Aor. zurückgehen, so betont werden, als ob sie vorn II. Aor. gebildet wären. Dahin gehört auch noch spirtna tttsi^siu im Dia- lekte von Ofis. Umgekehrt finden sich ein Paar Infinitive des

II. Aoristes, die so betont sind, als wären sie Praesensbildungen; diese sind:

faine (f>ccys7i',

välne ßccXiiv, und die Composita evy älne l>cß a}.s7v, par aväl'ne Ttu^aßa}.s7v.

') Der Halbdiphthong e* ist in diesen Dialekten sehr häufig, geht aber sonst fast immer aus la hervor.

Auch im trapezuntisehen Dialekte giebt es Wörter, in denen der Halbdiphthong in e übergegangen ist, z. B. Sh<a ^idßa, ^ev'eno ^loßaiVw,

u. s. w.

Nachtrag.

201

B. Wir gelangen nun zu dem Gebrauche des In f i n i t i V s in diesen Dialekten. Dieser ist beschränkt auf die Verbindung mit ungefähr einem halben Hundert Verba, d. h. der Infinitiv Avird re- giert von dem Hilfsverbum e.Zo, von den Hilfszeitwörtern im wei- testen Sinne des Wortes, wie eporö, ^elo u. s, w., von den Ver- bis, die ein logisches, temporales oder modales Verbältniss des Praedicats ausdrücken , wie arsinb anaspällo vergesse

foüine cpoßovy.ca, ayapö (in der Bedeutung „wün- schen“), endlich von den Verbis der Ruhe und Bewegung, wie erXuinSi päyo, kä^ume, treXo, steko u. s. w.

1) Der Infinitiv in Verbindung mit eXo. In diesen Dialekten gebraucht man nicht, wie im Neugriechischen, das Prae- sens eXo und das Imperfect •JjT« mit dem Infinitiv (darüber unten) zur Umschreibung des Perfectes und Plusquamperfects, sondern nur das Imperfect iXa mit dem Infinitiv zur Bildung des Conditio- nel passe beim Falle der Unmöglichkeit. Der Vordersatz Avird eingeleitet durch an oder nä, der Nachsatz nur dann durch (in Ofis dafür immer nä), wenn statt des Conditionel passe der Indicativ Imperfect gesetzt wird. Ich werde hier Beispiele von allen möglichen Fällen geben, die zugleich als Sprachproben die- nen mögen.

I. Conditionel passe in beiden Sätzen, a) T r a p e z u n t :

Än (oder nä) iXa kuiksne'^) , zsen ihe^'‘ne me.- Wenn ich geschrieen hätte, hätte er mich gesehen.

^n(oderfid) Ises lalesne mas, IX anie erSe'^ne. Wenn du uns gerufen hättest, wären Avir gekommen.

Än (oder nä) tsen fäsne^) mas, l X a,me x>ihie ke krasin. Wenn er uns zu Essen gegeben hätte, hätten Avir auch Wein getrunken.

D voji kuXzo.

') von J'aizo, d. i. (^ayX'j}.

*) von d. i. Der Übergang von iu in e findet sich auch

in andern Wörtern, z. B. äijes ayiog, ai/'erts ayiog F e u pyiog, u. a.

202

Nachtraf).

Än (oder na) iXame heksne^) sas, isete fi’^ine. Wenn wir euch fortgejagt hätten, wäret ihr fortgegangen.

Än Isete metsne me, tXa j^a-S-ine )^olä kj (apo)me- n'ine ss’ esetera^). Wenn ihr mich betrunken ge- macht hättet, hätte ich viel erlitten und wäre in eurem Hanse (übernacht) geblieben.

Än ndösne se^), tses ma^'tne to mäSema s\

Wenn sie dich geschlagen hätten, hättest du deine Auf- gabe gelernt.

b) Dieselben Beispiele in Ofis:

An (oder n') vöksina^), Isen ihe^ne me.

Än (oder n’) Hes lal esines mase, l.Xame er^e^name.

Än (oder n') Ise fa'isne mase, tXame piiname ise kr ash

Än (odern’) iXayne fijäsname sase^), isete fiinete.

Än (oder w’) isete me^isinete me, iXa j)a^ina polä tV ap omenin a ss' esetera.

Än (oder n') iXane ndo sinane se, ises marines to mä^ema s'.

El? Tc? ecenpa = ei? zu Vfiezspa. Erstens wird et; ru zu sta, dann durch Assimilation zu ssa, endlich fällt das auslautcnde a des Artikel vor dem vocalisch anlautenden nächsten AVorte ab. Nur in diesen Dialekten haben sich die Possessiv-Pronomina erhalten; t' embn to euoi/, t'esbn to Ico», t' emeteron to ■^uiripov, { esetei'on to äjueTspoi'- Statt to ad>sTepov gebraucht man f autin'eteron, t' akin'eteron, t' ekin'eteron, t' atin'eteron, f allineteron, jedes mit eigener Bedeutung. Für o;, ov gebraucht man die Genitive der verschie- denen Demonstrativpronomina. Auch tTspo; hat sich dort erhalten.

2) Die Casus obliqui der persönlichen und demonstrativen Pronomina werden immer hinter das A'erbum gesetzt.

Von

*) fijasname sase wird als ein AA’ort gesprochen, das den Accent auf der fünftletzten Silbe hat. Alle Casus obliqui der Personalpronomina sind enclitisch, ohne dass sie aber den Ton des vorhergehenden AA’ortes beein- flussen. Die Leute dort betonen sehr häutig auf der sechstletzten Silbe, z. B. e/eram atunus wir haben ihnen gebracht (in Trapezunt), esirame aasv wir haben euch gebracht (in Ofis) u. a.

Nachtrag.

203

II. Conditionel passe mit an oder im Vordersätze,

im Nachsatze mit Im perfect.

a) T r a p e z u n t.

zXa ^elne se, B'ä eperna se. Wenn ich dich ge- wollt hätte, hätte ich dich genommen.

ises ^'elne., -S'a erXusun. Hättest du gewollt, so wärest du gekommen.

zsen elepne (oder eleptne oder ihzne) me, epiäne me. Hätte er mich gesehen, so hätte er mich ergriffen.

zXame le'ine tiSen, endünete znas. Wenn wir etwas gesagt hätten, hättet ihr uns geprügelt.

zsete elepne me, eXt'zpanete me. Wenn ihr mich gesehen hättet, hättet ihr mich geschlagen.

zXane prepne se lömata, eyöraza satä. Wenn dir die Kleider gepasst hätten, würde ich sie dir gekauft haben.

b) Dieselben Beispiele in Ofis.

N{d)zXa Sel'zna se, n’e'per ina se.

NXses Selznes, X e(r) X'^sune.

N^'zse elepine me, n’ eple^^ne^) me.

N' zX ame le'iname t'zpo^), rC endbnete mase.

N{a)'zsete elepznete me, zi'eXt'zjyenete zne.

N'zXane j aküsepsinane^) se seja^), n'eybraza s e ^).

’) Parasitisches l; iigr. pjäno vom dor. und vulgären *) ngr. t\pote, Ttirore.

Türkischer Stamm.

Desgleichen.

Bei sehr vielen Verbis vertritt in diesen Dialekten der Accusativ den alten Dativ, mehr noch als dies im Neugriechischen der Fall ist.

204

Nachtrag.

III. I mperfect mit na oder an im Vordersatz (statt des

Conditio nel passe), und Conditionel passe im

Nachsatz.

a) in Trapezunt.

Na epe^äna , /jfa •S'ö/iae^) us atbra“). Wenn ich gestorben wäre, so wäre ich bis jetzt begraben worden.

Na epeynes ssd jalön, ises histine Xoris ällo. Wenn du ans Meeresufer gegangen wärest, so hättest du dich ohne Zweifel gebadet.

eX ole^ sk}itun^ ällo*) k'\sen sindzesne^) mas. Wenn er zornig geworden wäre, hätte er nicht mehr mit uns geredet.

eines {e)ftosi, tXame apo^anine äs^) stm hi- nan. Wenn wir arm gewesen wären, wären wir des Hungers gestorben.

Na estin ssin Turkian, pollä isete sirine. Wenn ihr in der Türkei gewesen wäret, hättet ihr viel er- duldet.

*) Man beachte die Form äa/'tne, in der beide Silben mit Fricativ- lauten anlauten.

2) d. i. u; TrJ wpa, bis zur Stunde.

cB wird immer st gesprochen, wie auch <})^ ft und Es ist

überhaupt allgemein neugriechisches Lautgesetz, dass von zwei nebeneinander stehenden Fricativlauten der zweite in den entsprechenden harten Explosiv- laut übergeht.

■*) ällo „anders“ ist in den Begriff „melir“ übergegangen. Demzufolge bedeutet ällo ’k’ («XLo ouk) „nicht mehr“. Auch zur Umschreibung der Comparative und Superlative wird ällo gebraucht; also: ällo kalos „besser“ u. 6. w. Auch auf Aenos ist allo in letzterer Bedeutung in Gebrauch, z. B. allo meyälos „grösser“.

ist aus sindi-^eno cuoTuy^oVw hervorgegangen.

6) = unö. Hier ist äs t'im {dito ^r\v) durch progressive Assimilation zu äs s'im geworden.

Nachtrag.

205

esan yjiostikl , iXane akustlne löija tun.^') Wenn sie verständig gewesen wären, würden ihre Re- den gehört worden sein.

b) Dieselben Beispiele in Ofis.

N'epe^äna , ^a/lna os här.^)

N^epeines ssöjalö, ises lustines mütlak. N^eXujäskutone^) , ällo ütP isen sindisesine mase. N^emunes eftosl, apo^amname äs so limö.

N’esunest türtHko Xoma, poUä isete sirinete. N’’esane akülliSes , iXane akustinane ta lakürtla tiina.

IV. Einige Beispiele mit dem Conditionel passe der

Verba sein, haben und werden.

a) in Trapezunt.

Na zXa stdne ftoXös, tXa isdne ynös'. Wenn ich arm gewesen wäre, hätte ich Verstand gehabt.

Na Isen kj dllo polld ynds\ kj isen jenine ftoXös. Wenn er mehr Verstand gehabt hätte, wäre er nicht arm geworden.

NalXame stdne kj dllo prokominen’ , iXame ma3'ine kj dllo polld. Wenn wir fleissiger gewesen wären, hätten wir mehr gelernt.

Na isete statine ap dn' so hrömo, isete vrasine. Wenn ihr auf der Strasse gestanden wäret, würdet ihr nass ge- worden sein.

') = Dgr. Twi», d. i. auTwi».

') Auch ngr. kann man sagen; w? ra xwpa.

Das l ist durch Mouilliruug ganz ausgefallen. Beispiele aus dem Neugriechischen und besonders aus dem Dialecte der Terra d’Otranto siehe in meinen „Neograeca“, Curtius Stud. IV. 258 fl'.

206 Nachtrag/.

b) Dieselben Beispiele in Ofis.

N(a) lyXa stäna eftoXos, iXa isäna aküll.

N (a) tse j)le'ijo^) aküll, üts' \se jine^ne eftoXos. N(a) tXttwe staname ts'ällo ideijn akül Itbes , tXcime ma^'mame j)le t'j a.

isete staShiete epän' so rhömo^), isete vra- s'in ete.

V. Ist der bedingende Vordersatz negativ, so ge- braucht man die Negation ixy,", dem a g r. st iJ.y, ent- spricht in diesen Dialekten immer 7iä »iL

a) Beispiele in T r a p e z u n t :

w’l .bö ekseresne , ncV ejendon, eleya sas, pös ki ksh'o tihen. Wenn ich nicht gewusst hätte, was sich ereignete, so liätte ich euch gesagt, dass ich niclits w’eiss.

K'ises sko^ine äs söm birnön aryös, niises peslcaS-ine kä^), asü eh\van mesäni X la. Du würdest nicht so spät am Morgen anfgestanden sein, Avenn du dich nicht niedergelegt hättest, nachdem Mitter- nacht vorbei war.

D Die alte Comparativform hat sich noch erhalten.

Die Metathese ist in dem Dialekt von Otis sehr häufig. Es gibt davon die sonderbarsten Beispiele.

Das alte to statt rt mit Erweichung in ndö.

Die sonderbare Form erklärt sich auf folgende Weise. Epesa kii (emcov xaxw) heisst „ich habe mich niedergelegt“. Davon lautet der Impe- rativ p'es{e)ka, und davon bildet man nun den Infinitiv jjeskaS'ine (*7reffxa^rj- vul) und die II. Pers. Plur. des Imperativs: peska^'este, gleich als gäbe es ein mediales Verbum neaxaojiai. Zu allem Überfluss setzt man, da das Be- wusstsein für die Silbe ka abhanden gekommen, nochmals dieselbe am Ende an ; peskayvie kä.

Nachtrag.

207

Tria^) imeres pä^) vi^iXci faine tihen, kl epe^äna. Und wenn ich auch drei Tage nichts ge- gessen hätte, wäre ich (doch) nicht gestorben.

K'lXame treksne apu pls' esün, m'lsete fepsne. Wir wären euch nicht nachgelaufen, wenn ihr nicht da- von gelaufen wäret.

m’lX^ elepne kanlnan, efoy ümun^). Wenn ich Niemand gesehen hätte, hätte ich mich gefürchtet.

h) Dieselben Beispiele in Ofis:

in^iXa ekseresina öti ej endone, ideleya sase, tlp' ü^) ksero.

ifts ises skoBlnes tb purnär aryä, na ni’lses ‘peskaBlnes kä, apet’^) ehe^'‘van mesäniXta.

Trla imeres päl m'lXa faina tlj)o, litr V n'epe- Bäna.

U'ts iXame treksiname ap’’ ej>ls asuna, na m'lsete fijänete.

m’l X a ihe^'-na ka'inä, X efoy ümune.

VI. Statt des Conditionel passe kann man im Vorder-

und im Nachsatz zugleich das Imperfect setzen,

sowohl im Dialekt von T r a p e z u n t wie in dem

D In diesen Dialekten werden fast alle Wörter im Plural zu Neutris.

2) nä\iv , wieder“ (ngr. puli oder pale), im Dialekte von Ofis pal, in dem von Trapezunt pu ist durch die Bedeutung „hinwiederum“ in die von „auch“ ühergegangen.

*) Statt ngr. efovumun. Übergang von v in y.

B ou hat sich in Ofis erhalten; vor Vocalen lautet es utS- In Trape- zunt 'k'i, d. i. ouxt', eine von jenen Formen, die nicht ausser Acht werden gelassen werden, wenn ich den Beweis liefere, dass diese Dialeote grossen- theils auf den jonischen zurückgehen.

B ap'et, auch ap'itis in ngr. Volkliedern, führe ich mit Bezug darauf, dass 0710 in Zusammensetzungen zu ap'e und ap\ geworden, auf ano zu- rück und erkläre es als .lonisrnus statt o<j)’ (i^pepa; oder wfo?).

208

Nachtrag.

von Ofis. Der Vordersatz wird dann immer mit nä, resp. ml ein geleitet, der Nachsatz in Tra- pezunt mit •9’d, in Ofis mit nä. Den Satz also: „Wenn ihr zu uns gekommen wäret, wären wir zusam- men gegangen“ kann man in dem Trapezunter Dialekt auf viererlei Weise ausdrücken:

a) Hete erS-e^ne ss'ernetera, iXame pä'ine endä-

man ^).

b) Na Hete erBe^ne ss'emetera, S-« epeyname endä-

man.

c) h'.lestin s s'emetera , ? e iiä'ine endäman.

d) erHstin ss^emetera , ep ey7iame endäman.

Dasselbe gilt vom Dialekte von Olis:

a) Nlsete er^'e^nete ss' emeter a ^ iXd^ne piä'iname en-

däma.

b) N'Hete erS-e^nete ss'emHera , n'epXiname endäma.

c) N'e(r)Xustin ss^emetera, \ X a^ne pä'iname endäma.

d) N''e(r) Xustin ss'emetera., n'epe'iname endäma.

VII. Wir haben oben gesagt, dass nur in dem Dialekte von Ofis bei dem Conditionel passe an die Endung des Infi- nitivs noch die Personalendungen des 1. Aor. Act. ange- hängt werden 2). Doch gibt es einen Fall, wo auch in dem Dialekte von Trapezunt und Sarächo dasselbe ge- schieht: wenn nemlich auf den Infinitiv eine Accusativform des Demonstrativpronomens atös, ate, atu folgt. Man sagt also

a) in Trapezunt:

evrika tb peht m\ iX^ stilin' ato ssu jalu. Wenn ich mein Kind gefunden hätte, hätte ich es an den Strand geschickt.

0 ngr. anduma, aus iv rtS aua.

2) Über einen ähnlichen Fall des conjugirten Infinitivs s. u. die An merkung bei afino.

Nachtrag.

209

Na \ses evriMne ton gh'i s' , ?ses ang ale^ sthxes aton(a7x). Wenn du deinen Vater gefunden hättest, hättest du ihn umarmt.

Na Isen jinekan, Jc'H'en afzsneii aten(an). Wenn er eine Frau gehabt hätte, hätte er sie nicht verlassen. Na niz esane peSla ^imin aSä, iXame ar aej) snazn' ata. Wären unsere Kinder nicht hier gewesen, so hätten wir sie gesucht, u. s. w.

h) Dieselben Beispiele in Sarächo:

N' evrislca to yarSelin mu, \Xa stilhi’ ato ssp jalö. Nises evr enes^) tön clzirin su, ises atigalja'ines ato 71.

Nlse jiziekazi, üts' Isen ajzol'tsizi ezi atezi.

??i’ esa7ie yarhele hxiuna aBahä^) zXo-'>ne araepsi7ia7n' ata.

Aus dem ersten und vierten Beispiele ersieht man, dass in den Fällen, avo die conjugirte Infinitivform vor den Formen von atbs auf einen Yocal endigt, dieser abge- worfen wird. Das auslautende e der 2. Pers. Plur. da- gegen Avird mit dem anlautenden a von atbs verschleift.

2) Wir gehen nun zu den andern Verbis über, die den Infi- nitiv in diesen Dialekten nach sich haben. Dahin gehören nicht nur die Hilfszeitwörter im Aveitesten Sinne des Wortes, sondern auch jene Verba, die ein logisches, ein Zeit- oder Modusverhaltniss des Praedicats bezeichnen. Auch an objectiven InfinitiA’^en fehlt es nicht.

*) Dem in den Dialekten von Olis und Trapezunt entspricht e in dem von Saracho. So ist auch die agr. Endung -ta, trap. e“, dort zu e gevN'orden, z. B. unterhalb yur^'ele statt yax-'^elia.

Die Anhängepartikel hu ist in den Dialekten von Ofis und Saracho sehr häufig und hat hinweisende Kraft. Icli stelle sie gleich dem dor. aeol. ya, gr. yk , die wieder mit skr. ha (ved. hä, cj a und gä) stammverwandt sind.

210

Nachtrag.

Doch haben alle diese Verba, die wir gleich eines nach dem andern durchgehen wollen, nicht in allen Fällen den Infinitiv nach sich. vSo folgt dieser nie auf Praesens, Perfect oder Futur, son- dern nur auf Iraperfect, Aorist und Conditionel. Überhaupt wird er nur gesetzt, wenn die durch ihn ausgedrückte Handlung ent- weder gar nicht vollzogen wurde oder was seltener ist wenn sie als mit der Handlung des Hauptsatzes gleichzeitig hingestellt wird.

Hauptsächlich wird der Infinitiv gebraucht, wenn das ihn re- gierende Verbum entweder negativ oder fragend (oder bedingend) steht. Auf einen bejahenden Hauptsatz folgt selten ein Infinitiv, namentlich im Dialekte von Trapezunt, der überhaupt zur Um- schreibung desselben mehr hinneigt als die andern politischen Dialekte.

Andere Verba haben nur in Verbindung mit einer Negation den Infinitiv nach sich, andere nur iji einem bestimmten Tempus, andere nur in metaphorischer Pedeutung.

Auf alle diese Punkte wird bei den einzelnen Verben Rück- sicht genommen werden.

a) Ejyorö, „ich kann“ Impf, in Trapezunt epörna, in Ofis epörena (Aor. ejiöresa), regiert den Infinitiv, wenn es steht im Imperfect mit einer Negation, im Aorist bejahend, fragend oder verneinend, im Con- ditionel mit einer Negation. Man sagt z. B. in Tra- pezunt:

Opse atoson p)ollä eporpätesa ki^), k'ephrna sta- S'i7ie aiiän ssä p>ohdre"' m\ Gestern bin ich soviel spazieren gegangen, dass ich nicht auf meinen Füssen stehen konnte.

O'V ekserne~'nd' [ro ort] epuresa trai'ohesne"'^') ssö

D k\ ist türkisch = werre „so dass“ und wird in den pontisehen Dia- lekten wie iin Türkischen nicht an den Anfang des Nebensatzes, sondern an das Ende des Hauptsatzes gesetzt.

travo^b statt Tpaj/w5w, Übergang von y in v. Der umgekehrte Laut- wandel liegt in J'oyume (j)oßoupat vor.

Nachtrag.

211

Xorön esun. Alle wissen, dass ich bei eurem Tanze singen konnte.

Eksa, E eporesete slrne isa tufek. Ich hörte, (dass) ihr konntet nicht mit dem Gewehre treffen.

Ej^oresete anevtne a^kt^) apän ssb Sejidrönl Konntet ihr auf den Baum da hinaufsteigen?

mi emes em?s meV esäs, k^ )sef eporesne be"vhie potäm'. Wenn wir nicht bei euch gewesen wären, so hättet ihr nicht über den Fluss kommen können.

Dieselben Beispiele in Ofis:

EXtes atbso pollä eparpätesa ki, uts epbrena sta- ep)äii ssä p>ohära m\

NV ekserune^ncV epbresa travohesina ssb Xorb s una.

Ekusa, titr eporesete sirinete Isa to tufet^.

Epbr esete anevlnete atXi amhän ssb Sendrbl

Na to’ emunest eiiüst met' esäs, üti' eptoresinete

^ e^v'tnet e tb potäm\

b) Eyrikb^) m'cIi verstehe, weiss, kann (je sais)“ Im- perfekt in Trapezunt eyrikana, in Ofis eyrHs' ena, Aor. in Trap. eyr?ksa, in Ofis eyrHi'esa, regiert den Infinitiv, wenn es steht im Imperfect verneinend oder fragend, im Aorist bejahend, verneinend oder fragen d.

Beispiele im Dialekte von Trapezunt:

ekseres, pös k'eyrikana kolimbesne , ki estilnes me ssi Bälassan lüskume^). Hättest

0 Es gibt zwei Formen für „da“ a’Al und eki\ durch die erstere wird das Näherliegende, durch die letztere das Entferntere bezeichnet.

*) Über eyriko, ngr. ayrikb „höre“ und sein Verhältniss zu agr. xXuw {V kru, mit verstümmelter Reduplication: kntk) habe ich in der von mir im Jahre 1874 herausgegebeneii Zeitung Näa 'EXX«f, No. 4, gehandelt.

Fast allgemein wird in diesen Dialekten das Medium durch das In- choativsuftix ex gebildet.

[1877]

17

212

Nachtrag.

du gewusst, dass ich nicht schwimmen konnte (kann), so liättest du midi niclit ans Meer geschickt, um zu baden.

ICeyriksame amondö^) \pes mas. Wir konn-

ten nicht sagen, wie du uns gesagt hast,

Eyriksete evr'me t' osplt\ ümban estila sasi Konntet ihr das Haus finden, woliin ich eucli geschickt hatte?

Dieselben in Ofis:

N'ekseres j)ös iits' eyrttsena uzej)sina^), üts'e n’ estilines me ssi B'älassa Ikskxime.

U'ti eyr'ttsesame ip'iname omondö ipes mase.

Eyritiesete evr ebnete ( osp'it., apö^e epölisa^) sase^i

c) Afhio lasse, Imperf. e/ina (in Ofis e/hiena), Aor. ef'ika (in Ofis Pfisa und ef'ika) regiert den Infinitiv, wenn es steht im Imperfect oder Aorist, gleichviel ob bejahend, verneinend oder fragend'*).

Ef'xnane ölts C a^rbps X orepsnel Liessen sie (Hess man) alle Leute tanzen? (Tr).

E/ikane sas i Turts skäpsinete^) Xorä/e^^ suna

’) Ist hervorgegaiigen aus af/o? to (= L* aber nicht bloss Tem-

poralpartikcl mit der Bedeutung der Gleichzeitigkeit, sondern aucli Compara- tivpartikel, wie Ja auch unser „wie“ beide Bedeutungen hat.

türkischer Stamm.

d. i, ä.itt\v<TU..

■*) Von jetzt an werde ich die Zahl der Beispiele beschränken und bei jedem Verbum nur zwei oder drei anführen, wovon jedes aus einem andern Dialekte.

Im Dialekte von Ofis wird der Infinitiv conjugirt, nicht nur da, wo er in Verbindung mit dem llilfsverbum c^o zur Bildung des Conditionel passe dient, sondern auch in allen andern Fällen ; und zwar wird er bei Gleichheit des Subjects in Haupt- und Nebensatz mit dem gemeinsamen Sub- ject übereingestimmt, bei Ungleichheit mit dem Subjecte des Nebensatzes. Als Beispiele für den ersteren Fall können alle bei eporb und lyrilb aus dem Dialekte von Otis angeführten gelten; Beispiele für den zweiten Fall

Nachtrag.

213

tse klahepsinete ta ^endrä su7ia‘? Liessen euch die Türken eure Äcker auf hacken und eure Bäume be- schneiden ? (Of.)

Na efernane 7nas, inde^n epsaläfesam' atunus, tXame afisnaiX ats j^äine. Hätten sie uns gebracht, was wir von ihnen verlangten, so hätten wir sie gehen lassen. (Tr.)

d) AJ70 ä8ian (in Ofis Slyo izhi) erlaube. Hier gilt das bei aflno Gesagte.

O'ndan ehiinane sas ä^ian paine esls

k' e^elnete. Als sie euch die Erlaubniss gaben, fort- zugehen, wolltet ihr nicht. (Tr.)

m' isete Sdsinete 7iiase izln pek siname^), uts e n'epezame. Hättet ihr uns nicht gestattet zu spielen (dass wir spielen), so hätten wir nicht gespielt. (Of.)

e) Endrepume Imperfect C7i dr ejjuinun , Aorist en- dräiia hat den Infinitiv nach sich, es mag im Imperfect, Aorist oder Conditio nel, bejahend, verneinend oder fragend, stehen.

Endrepu s an paine ihe'^ne., pös apoka7narönne ti7i 7x1 fen. Sie schämten sich zu gehen zu sehen, wie man die Braut entschleiert. (Tr.)

Endräpete pähxe^ Habt ihr euch geniert hin zu gehen? (Tr. Sar.)

findet man hier und bei den folgenden Verbis genug. Ich weise hier noch- mals auf die Analogie des Portugiesischen hin, wo gleichfalls der Infinitiv conjugirt wird. Dieser lautet z. B. von tenho „ich halte, habe“ folgender- massen; ter, ier-es, te?', ier-mos, tei'-des, ter-em. Ter wird von dem Haben der ersten Person (von meinem Haben), teres von dem der zweiten (von dei- nem Haben) gebraucht; vio teres „er sah dich haben“. S. Diez, Gramm, d. rom. Spr. II, 174.

^) payo ^e"v'eno. Durch diese zwei Verba zusammen wird der Begriff des Fortgehens (aTtgp^Ecr^ai) ausgedrückt. Solcher Verbindungen gibt es noch mehr.

^) Beispiel zur vorvorletzten Anmerkung.

17“

214

Nachtrag.

Na iri isete endrapivete teresivete, ttlea^) eXhre- t^ane, n' ek ser et e ip'inete. Hättet ihr euch nicht ge- niert zuzusehen, welcher Art sie tanzten, so könntet ihr es uns sagen, (Of.)

f) Foyiime und foitme (Impf, efoümum, A o r. efoi'e^a und efoe^a). AV i e das Obige.

Efoümuna landzepaina j)era^‘emhera^') tu

Ich fürchtete mich, über den Bach hinüberzuspringen. (Of.)

AhiXori^') esenan ndd^) hnun, efoeS'a pd'ijie t'in mXtO' 'S 5’ uros. Da icli ohne dich war, so fürchtete ich mich. Nachts in den Wald zu gehen. (Sar.)

g) Oknö „überdrüssig werden“ (Impf, öknina, A o r, bknisd) und

h) Var^ äskxtme (in Ofis: varäume), „überdrüssig

werden“ (Impf, ev a r s kuimin , Aor. ev ar nt a). Für sie gilt das bei endrepume Gesagte,

O'kninen porpatesne met' einen' enddman. Er war überdrüssig mit mir zusammen zu spazieren. (Tr.)

Atsäps^) evarästane^) ferinane mase nd' epsi- Jdfesam' atinnsl War es ihnen etwa zu viel Mühe, uns zu bringen, was wir von ihnen verlangten? (Of.)

i) Anasp ällo „vergesse“ (Impf, enespdlna, Aor. ene-

0 ngr. tI Xoyr^q , welcher Art“.

*) wepaSev Tttpa.

Übergang des auslaufenden f in « selir häufig. Vgl. dazu umon ndb ufxoi to.

■* *) Entspricht fast in allen Fällen dem agr. oxt, sowohl als Pronomen als auch als Partikel.

Türkisch.

e“ ist vor r im Dialekte von Ofis zu a geworden.

Nachtrag.

215

sjyala^) wird in allen oben erwähnten Fällen mit Infinitiv constrnirt. Statt anaspällo kann man auch sagen: evjen' äs so m' (in Ofis : evjeri as sin onü in'), d. i. «tto tou uovu gov.

Kammian^) k' enespala iphv ato 'ki^), amä k' evrik' aton(än). Ich habe nie vergessen, es ihm zu sagen, aber ich fand ihn nicht. (Tr.)

N’evrisk' atonä, üts "tsen eyvlne äs sin onü in', ip'in a^) etsi. Wenn ich ihn gefunden hätte, so hätte ich nicht vergessen, es ihm zu sagen. (Of.)

Ekseven äs so s', aksa^ratsisine ^) t' äpsimon. Du vergassest, das Feuer anzuschüren. (Sar.)

j) &elo (in Sar. e^elo) „ich will“ (Impf, e^elna, in Ofis e^elina, Aor. e^elesa) hat in allen oben er- wähnten Fällen d e la Infinitiv nach sich.

Ek'inos k' eB'elnen iplne tiii aU^e^n. Jener wollte die Wahrheit nicht sagen. (Tr.)

E^elese er^e^iie eksäheJfo^) s'l Wollte dein Bruder kommen? (Of.)

0 Doppelte Reduplication ist nicht selten in diesen Dialekten.

-) Ist foran (<|)opa Mal) zu ergänzen; also kamnuan (foran) k'i „nicht ein Mal“, d. i. „nie“.

{e)k'i „da“ steht auch für den Dativ des Personalpronomens der dritten Person, = ihm, ihr.

■*) a wird in den Dialekten von Otis und Sarachi statt atu „es“ ge- braucht; der Plural davon lautet, wie in Trapezuut, afä. Es ist aber a nicht etwa eine alte Form, sondern nur eine Verstümmelung aus ato.

l^arSpaxterai.

®) eksä^elt'o, in Trapezunt eksa^elfon, ist durch Crasis aus o eksä^el/on entstanden. In diesen Dialekten bekommen nämlich die Substantiva der zweiten Declination, wenn der bestimmte Artikel vorausgelit, statt der En- dung -OS die Endung -un\ also: ö 6gaSe7.«J)ov, d <^Byyov der Mund u. s. w. Das anlautende v ist in Ofis geschwunden. Was die Crasis betriflt, so findet

216

Nachtrag.

N'isete Selesine 'pse Xteresine to stärin emun ssö kliväni7i, här n' epein ame ssbn X amel'eten.'^) Wenn ilir unser Getreide in dem Ofen hättet rösten wol- len, so würden wir jetzt in die Mühle gehen. (Sar.)

k) Ayapb., in Ofis eyapb (Impf, eyäpana , in Ofis eyä- pena, Aor. eyäpesa) hat in der Hedeutung von „wol- le n^^ den Infinitiv in allen oben erwähnten Fällen nach sich.

N'eyäpenan emäs jinekas pärine was, kalbn isen stäne. Wenn uns die Weiber hätten nehmen wollen, wäre es gut gewesen. (Sar.)

l) Polei7ib „suchen, sich Mühe geben“ (Impf, epolema- na, Aor. epoleme sa) hat in allen oben erwähnten Fällen den Infinitiv nach sich.

Epolemanarne evr'ine sas kä^an imeran ke k'epbr- name. Wir gaben uns jeden Tag Mühe euch zu fin- den, und wir konnten nicht. (Tr.)

Kammtan üts ejyolemeses marines tb liXtrema^). Nie hast du dir Mühe gegeben (gesucht), das Um- graben zu lernen. (Of.)

m) Ma^äno „lernen“ (Impf, ema^äna., in Ofis ema^ä- nena., Aor. emaSa) hat in allen oben erwähnten Fäl- len den Infinitiv nach sich.

EmaB'ete ipine tb inä^eman esun kaldi Habt ihr eure Lection gut hersagen gelernt? (Tr.)

sie bei allen vocalicb auslautenden Formen des Artikels statt: äSrropon o av- av^pu-'Ttof, t a^rbp' tou ai/^pwTrou, uBrbj)’ oi ar^pa'Trot t a^ropion Tw(r) uv^pun'j)v.

') ^^amet'etes (m.) die Wassermühle von im Gegensatz zu

den höher gelegenen Windmühlen.

') d. i. *).t'xTpeupia, von XUzpov, einer Nebenform zu Xt'crTpoi».

Nachtrag.

217

N'emunest okneäncV iitT ma^lname ipl-

name ndö \pete mas. Wären wir faul gewesen, so hät- ten wir nicht sagen gelernt, was ihr uns sagtet. (Of.)

n) De^^^rmenevo Sis ^i/.yiusv w, d. i. s^!J.Yiuavw unterweisen, auftragen (Impf, ehe^'-rmeneva, Aor. ehe^'' rmenepsa).^ verneinend und fragend im Imperfect und Aorist.

E^e^rvienepses to peSi s\ ptsne amondö Ipa se“^ Hast du deinem Kinde aufgetragen, zu thun, wie ich dir sagte? (Tr.)

Uts' ehe^''rmenep)sa to yardelin mu, köpsine aplhe. Ich habe meinem Kinde nicht gesagt, dass es Birnen abreissen soll. (Sar.)

o) Leyo (Impf, eleya, Aor. i2Ja) mit Infinitiv in allen Fällen. Beispiele:

0 klri s’ eleye se, fernes aton tiSen, etreses.

') In Ofis bilden nicht wenige Substantiva, namentlich solche, die le- bende Wesen bezeichnen und auf -as endigen, den Plural auf -ändj, wie z. B. 0 kosfas xoVcrucjjo?, kosfandj, o Bopekas S’opekändj, o kukgtmas, ein

dem Schakal ähnliches Thier, kuhgunandj, o yl'io *ykoioi;j lat. glis, frz. /oiV(!), yliandj, o ajerakas ajerakandj. Die Endung -andj geht auf -avrai zu-

rück und dieses ist bei dem Übergewicht der 2. Declination im Plural der Mas- culina aus -äkts? hervorgegangen; beide verhalten sich zu einander wie -ond{f) zu oi/THC, jerbndj, a>"^ondj zu yapoias?, ap^oi'Ts^. In Trapezunt findet sich die Plural-Endung -and' nur bei den Adjectiven auf -as, z. B. Plur.

miks^dnd' , omiag, Plur. okn^dnd’ u. s. w. In Ofis wird diese Endung auch zur Bezeichnung grosser Familien gebraucht, z. B. i Al-x_azdnd' , i Salonikdnd' , i Mavrand' u. s. w. Genitive solcher Familiennamen sind in Ofis sowohl als in der ganzen Umgegend von Trapezunt, namentlich in Krbmne, zu Dorf- namen geworden, z. B. tu (jw) liusdndon, tu Mavrdndon u. s. w. Ein Blick auf die S trecke r 'sehe Karte „eines Theiles von Hoch- Armenien“ in „Bei- träge zur geograph. Erklärung des Rückzuges der Zehntausend durch das armenische Hochland von W. Strecker und H. Kiepert (Berlin 1870)“ genügt, um derartige Namen den Dutzenden nach zu finden. Von diesen Genitiven werden dann wieder durch die Endung -tes, d. i. -t^g die Einwoh- nernamen gebildet; so o 3favrandbtes o MaupavTwt*]?, liusandetes u. s. w.

218

Nachtrag.

Hätte dein Vater dir gesagt, dass du ihm etwas brin- gen sollst, so wärest du geeilt (gelaufen), (Tr.)

I'pate stä yardele suna, ferine sase tin dzäpan tse t' ifterin‘{^) Habt ihr euren Kindern gesagt, dass sie euch das Grabscheit und die Wurfschaufel bringen sollen? (Sar.)

p) Parakalö (in Ofis parkalo) „ich bitte“ (Impf, epara- kälna [epar kälena], Aor. epar(a)kälesa).

Follä eparakäles' aton ferne me ta lömata^) ni, kj atös k' eS elesen. Ich bat ihn sehr, mir meine Klei- der zu bringen, und er wollte nicht. (Tr.)

Ondän eparakälename sas pd'ine, ohen^) iiis' eS’e- linete’'} Als wir euch baten, zu gehen, warum wolltet ihr nicht? (Sar.)

q) Etimäskume iroifj.ct^ofj,cti{\nO{\%Xazirlae/kume') „ich bereite mich“ kann in allen Fällen den Infinitiv nach sich haben.

Na m'i e^elname paine, k' iX<inie etimastine fo-

(1. i. TO TTTuaptoi/. Hier bemerken wir in einem Worte a) Übergang von TtT in ft, allgemein-neugr. Lautgesetz, b) Prothesis eines i, c) Übergang von vu durch in e im Dialekt von Saracho (in Trapezunt und Otis t ift^är), endlich d) Schwinden des o in der Endung -lov.

To l'oma, in Trapezunt Ibmun , Kleid, ist ohne Zweifel das von Hesychius angeführte >.upa' pa^rj, xXwtrpo?, ^ tt? to xuTjirepov tou ifjiartov ... Xwua, wozu verwandt X wtt»]. igänov, Trsp/ßXrjpa, XuTTOi' tuuriov und X'aitto- ^uTjjc; auch ngr. luitotinjuzo *XvnoTU’Uff(7w, das ich im Peloponnes, in Tripo- lis gehört habe.

2) ci5e« bedeutet in Saracho ?ia t(; warum? In Ofis sagt man dafür oja, o5*’a, o^^undi, o^^dndo, in Trapezunt jat'i. Halten wir die Form öoew mit o^*dndi und oi^dndo (ö-^ta-rt, 6-Bia-To) zusammen und bedenken wir, dass ta. im Dialekt von Saracho zu e wird, so ist klar, dass t»?en aus cid ti hervorgegangen ist und sich von den Ofischen Formen, mit denen es das prothetische o gemein hat, nur durch den Abfall der Endsilbe di, resp. t/o, und die Verschiebung des Tones unterscheidet.

Nachtrag.

219

resne. Wenn wir nicht hätten gehen wollen, so hätten wir uns nicht daran gemacht, uns anzuziehen.

E Xf^zirlaeftane paine ssi ni/es so j}(i>'inemo’? Ha- ben sie sich fertig gemacht, um zu gehen zum Akholen der Braut? (Of.)

r) Ähnlich kommt noch der Infinitiv vor nach den Ver- bis: nunlzo daran denken, nachdenken, im Sinne ha- ben (in Ofis und Saracho dafür: tusune/kume) , ef- tdyo sdpr(in), sich gedulden, und andern.

Bei allen diesen Verbis steht der Infinitiv als Ergänzung eines unvollständigen Verbalbegriffes. Er findet sich aber in diesen Dialekten oft nach vollständigen Praedicatbegriffen, um die Ab- sicht oder Folge auszudrücken, immer aber ohne Vorsetzung einer Conjunction.

Eine Absicht enthält der Infinitivsatz namentlich nach den Verbis der Bewegung. Solche sind:

a) erXume (in Ofis Impf. erXumu7i^

Aor. h'^a.

iits er^'es ferines me i' aXld^e^'' nd’ eBeri- ses? Warum bist du nicht gekommen, mir das Gras zu bringen, das du gemäht hast? (Of.)

0 <Ss'i lu/es to parmemo entspricht dem neugr. ar-^5 (st? t^?) vu(p)(|)ii? to 7rdpc-i|uo(i/). Wie im Neugriechischen durch Anhängung der Endung igotv) an den Stamm des ersten Aorist Act. Substantiv a gebildet werden, die den abstracten Begriff der Thätigkeit des Verbums ausdrücken, z. B. to ^so-tpo, to' xäipigo, to' ypäipifj.o u. s. w., Formen, in denen die Adjectivbildungen auf -Igo? (xauVtpo? u. s. w.) und die Substantivbildungen auf -gd? (^scrgo'?, a"iraajj.ög u. s. w.) dureheinandergeben, so werden auch in den pontischen Dialekten, namentlich in dem von Ofis, abstracto Substantiva durch Anhängung von -(jnou) an den Infinitiv gebildet, z. B. er^^dnemo von er^^dne sX^bTv, ip'memo von ip'me stTrsii/, tSimeB'ineino von xotgrjSJji'at, u. s. w.

2) Siehe die Anmerkung zu i^en. Die Form ist entstanden aus

Sid mit prothetischem o. Auch sonst findet sich im Neugriechischen ^id {jc'i) allein in der Bedeutung : „warum?“, z. B. hvaitXi, yiu Ssv j^ai'pso-at, ytd S'sv ßapet? naiyvi'iia-,

220

Nachtrag.

b) päyo vnuyo} „icli gehe“, Impf, epeyna, Aor. ej)lya. (Impf, in Ofis und Saracho; epeina).

Ondän epe'ines ihene t'äleon, eterena se. Als du gingst, um das Pferd anzuscliauen, sah ich dich. (Sar.)

c) Änivhio uv ciß ctlv Ul und k ativtno nurußulvui.

ises katevine assd hendrun hösne me enan bto aiithe^, 'S"« ehüna se k' eyb mtla. Wärest du vom Baume heruntergestiegen, um mir ein Paar Birnen zu geben, so hätte auch ich dir Apfel gegeben. (Tr.)

Uts eniven atsi amhän^) ssb hendrb parine kots'nn- bela. Er stieg nicht da auf den Baum hinauf, um Pflaumen (yoxxvixrjy.u) zu nehmen. (Of.)

d) Klbskiime „ich wende mich“, (;<?.w-S'o^z««), Impf, eklb- skumun, Aor. ek Ib sta.^)

Eklbsten ipzne me enan Ibyon k' eyb k' e^elesa n' aku’ aton. Er wandte sich zu mir um mir ein Wort zu sagen, und ich wollte ihn nicht hören. (Tr.)

e) he^^veno hiuß n Ivui , Impf. ehe^‘vena, Aor. ehiva.

Ehtven assb 2>otäni paz’ine ksila. Er ist über den Fluss gegangen, um Holz zu holen. (Tr.)

*) Auch atsamhnn, in Trapezunt a'k\ apdn und u'kjnpdn, entstanden aus dem demonstrativen a, sxei und iTravco.

K'/.uj^!o bedeutet in diesen Dialecten nicht bloss „ich wende“, son- dern auch „ich bekelire einen zu einer andern Religion“, und so hat auch K l'o skume neben der Bedeutung „sich wenden“ die „ich gehe zu einem andern Glauben über“. Davon kommt es, dass in der Umgegend von Tra- pezunt alle diejenigen, welche vor ein Paar Jahrhunderten äusserlich zum Mohamedanismus übergetreten, im Geheimen aber Christen geblieben waren, Klost'i (xX'jiaroi) genannt wurden. Ihrer waren im Ganzen ungefähr 20 Tausend und sie wohnten hauptsächlich in den Dorfercomple.xen von Krümne und Matzuka. Im Jahre 1856 haben sie sich wieder ofl'en zum Christenthum bekannt. In Ofis nennt man solche yvpiaiot; dort hat auch Twpf^w die Bedeutung von Kloskume.

Nachtrag.

221

f) treXo r^sy^üu, Impf. etreXa, Aor. etreJcsa.

Jatl etrekses esi ])arhie to milon kj epiren atö ällos“? Warum bist du nicht gelaufen, den Apfel zu nehmen, und hat ihn ein anderer genommen? (Tr.)

g) e/täno (p^ul'w „einholen“, Impf, e/tana, Aor. eftasa.

Eftasete to?i dzlrin esun, kldsnet' atonän epts'^ Habt ihr euren Vater eingeholt, um ihn zurückzubringen (zurückzurufen)? (Sar.)

h) ste'ko stehen, stehen bleiben (Impf, esteka, Aor. estä^a) und sthno stellen, zum Stehen bringen, an- halten (Impf, estena, Aor. hstesa.)^)

EstäSen ipine mas nd' epa^'en er blieb stehen, um uns zu sagen, was ihm begegnet sei. (Tr.)

Esteses ton Senate ipines atona nd' ipa se? Hast du den Wanderer angehalten, um ihm zu sagen, was ich dir gesagt? (Of.)

i) sköno (auch esköno in Ofis) aufheben, sküme auf- stehen (Impf, eskümun , Aor. eskö^a), ngr. g-yjhovüj und TYjno uoiJ.cti.

ises skösne ferine to peShi aSd, kt S’ä hkleen. Hättest du das Kind aufgehoben und hieher gebracht (wörtlich: um es hieher zu bringen), so hätte es nicht geweint.

Uts' eskö^e pd'ine. Er stand nicht auf, um zu gehen. (Of.)

’) Eftdno hat neben der Bedeutung „einholen, erreichen“ auch noch die intransitiven „ankommen“ und „reif werden“ ; davon f tazmenos (cf)Sacr- psvof) = reif, mündig, heirathsfähig.

*) Steno (cTTttiVw) hat auch die Bedeutung „zum Schweigen bringen, den Mund stopfen, verstummen machen“, tj)tpo’u) N. T.; z. B. estes’ atond ich habe ihm den Mund gestopft.

222

Nachtrag.

j) leime nE~fxctt (in Ofis tslnie), Impf, eklmun (Ofis: etsl- 77iujie), Aor. hpesa (Ofis: etslsta).

Etslste SSO Stroma tsime^-hie, amd nts' epörese. Er legte sich auf das Lager um zu schlafen, aber er konnte nicht. (Of.)

k) ka^lzo ich setze mich (Impf, ekd^iza, Aor. ekdtsa und ekd^isa), und kd^^Lme ich sitze (Impf, ekd- ^um7iri). In dem Uorfe Zeno der Provinz Ofis sagt man kahÜ77ie statt xcc^oiMct. Der Übergang von 3- in A scheint dort häufiger zu sein. So habe ich auch statt (ndo •5’e nd en'l Was wird es sein?) ndo E nd en’? gehört.

ICekdtsane sindzesrie, Sie setzten sich nicht nieder, um zu plaudern. (Tr.)

l) kllno, (Impf, eklina, Aor. eklisa) ich neige

mich, auch kllsku77ie, (Impf. ekllskti77inn, Aor. ekll- sta).^)

EkUsta assö paraSh'^ teresne, p)ös Xtiplundan. Ich neigte mich aus dem Fenster um zu schauen, wie sie sich schlugen. (Tr.)

m) K%ipiu77ie (Ofis: ytivlu7ne) y.oTTTM ich bücke mich (Impf. ekupiu7min , Aor. ekuplsta und ekupiya.

Na iXa kupiine parlne ta mlla, ki 3a epernan ata dir. Wenn ich mich gebückt hätte, um die Apfel zu nehmen, so hätten sie nicht andere genommen. (Tr.) u. s. w.

Endlich führe ich noch die Verwünschung (ya-ct^cc) an:

Na m' Ises sösi7ies er-S-^ d77 es, möchtest du nicht heil geblieben sein, hieher zu kotnmen, d. i., möchte dich doch unterwegs der T. geholt haben! (Of.)

D Kl'i/io bedeutet auch „ich gehe uach*‘. Damit zusaninieiigesetzt ist s i/ig l'isk U7/ie (cvyxXlvouai) „ich verbeuge u)ich“.

Nachtrag.

223

Auch bei ungleichen Subjecten kommt der Infinitiv in Absichtssätzen vor, z. B.:

K' eBo^ke me ta mlla, fertn' ata ton a^elfö m\ Er gab mir die Äpfel nicht, um sie meinem Bruder zu bringen. (Tr.)

Hier kommt wenigstens das Subject des Infinitivsatzes als Object des Hauptsatzes vor, aber in einem Satze wie:

ekrdtesa ton gleften, jiidsines aton, k' esi F e'tre- kses, kj' efijen, ich habe den Dieb gehalten, damit du ihn fassen sollst, du aber nicht gelaufen und (so) ist er entflohen, (Tr.)

Eine Folge drückt der Infinitivsatz aus in folgenden Bei- spielen :

K' ekua eyrike'sne ndö eleje me. Ich hörte nicht auf, so dass ich verstanden hätte, was er mir sagte. (Tr.)

Xtes'^) il niXta elepenete }-)arpate sinete°t Gestern Nachts sähet ihr, so dass ihr spatzieren gehen konn- tet. (Of.)

Ivres i2')hie ton ahelfd s’ na e'rtef Hast du deinen Bruder gefunden, so dass du ihm sagen konntest, dass er kommen soll?

Wir würden in solchen Fällen sagen: Ich hörte nicht auf, um zu verstehen, . . . Sähet ihr gestern Nachts zum Spazierengehen? Hast du deinen Bruder gefunden und ihm gesagt . . .?

*) Gestern heisst in Trapezunt ops'e, was in dein Dialekt von Otis „heute Abend“ bedeutet (ngr. apopse). Die Form o-^tes bedeutet in Tra- pezunt „vor einigen Tagen, in den letzten Tagen“ ; statt ihrer gebraucht man auch die zusammengesetzten aro'^tes, o)(_tes fees xat scrw), aro)(^tes

k’es (daneben auch opse k’es und ar ops'e k’es'. Das k'es’ (xal eaw, in Ofis tg es’) steht nie allein, sondern immer in Verbindung mit Orts- oder Zeitadverbien und entspricht unserm „herum“, z, B. aSd k’'es’ hier herum, SSO mesimer k'es’ um Mittag (nsfil rr^v gea-Yifxßpiav) u. s, w. Älinlich bedeutet kjdn (kuI uvui) „herauf“.

224

Nachtrag.

Sehr häufig wird in diesen Dialekten der Infinitiv durch nd mit Conjunctiv umschrieben oder in einen parataktischen Satz mit ke (und) aufgelöst. Doch das gehört nicht hieher. Gehen wir jetzt zum dritten Haupttheil unserer Abhandlung über und unter- suchen wir, ob sich nicht etwa auch im Neugriechischen Reste des Infinitivs oder wenigstens Reste von Infinitiv- formen gerettet haben.

C. 1) Charakteristicum des Neugriechischen als einer analytischen Sprache ist die Auflösung einerseits des Futurs und des Conditionels durch S-£?.w, anderseits des Perfects und Plusquamperfects durch £%ciu. Es gehört nicht in diese Ab- handlung, nachzuweisen, wie die Umschreibung des Futurs durch ■S’hXw, resp. bSeXm mit Infinitiv Praesens oder Aorist seit der ho- merischen Zeit auch in der Schriftsprache immer häufiger gewor- den ist, ein Punkt, auf den bis jetzt weder die Lexicographen noch die Grammatiker geachtet haben. Ich beschränke mich, nur zwei Stellen anzuführen, die eine aus einem Dichter, die andere aus einem Prosaiker, in denen je ein einfaches Futur mit je einem zusammengesetzten wechselt:

Soph. Ant. 234: roi, xsl to S’ oixuig

und

Xen.

238: (pOCtTCil S’ixu) TOI TZ^WTCt TdlJ,CCVTOV.

Anab. F' 4,41 : ’A?A«, sl ßovXsi, lAvs irrt rtfl TT^ccTsv^ctTt, I70Ü hs iSiXt/j 7T s tB' cti' £i hl

f 9 \ \ '*1

noj€vov sTTi TO 0^09, syou de fxeuütj uvrov*

Es dürfte wohl schwer halten, in diesen Stellen einen Unter- schied zwischen dem einfachen und dem umschriebenen Futur herausklügeln zu wollen. Durch das allmählige Überhandnehmen nun der aufgelösten Formen und die Ersetzung des aussterbenden In-

Nachtrag.

225

finitivs durch va mit. Conjunctiv Praesens oder Aorist ist das Neu- griechische dahin gekommen, dass es für das Futur folgende vier aufgelöste Formen hat:

a) &SÄOJ resp. y^dc^ysi,

b) 3’£Ä£« y^d\l/M, resp. y^dupuj,

c) vd y^cc\l^üo, resp. y^cicpM,

d) S’« y^d\J/Cfj, resp. y^dcpuj,

von denen die letzte die gewöhnlichste ist. Ebenso:

sü^st.

SsKsi s^^w, resp. s^y^wuat,

\ \ C\ V

resp. s^y^wixai, resp. s^yMixcii',

desgleichen

3"£ÄW tiOlfXYjS’’^ ,

3’iXst Hogx'^^'txi, resp. xotixovixat, vd xoiixr^^M, resp. yoifxovfxca,

3’« HotUYiS'üi), resp. HotfxoCfxca.

Der Conditionel present wird gleichfalls durch das Hilfsver- bum SsAw, d. h. durch das Imperfect desselben umschrieben; also:

a) y^d\jysi, resp. y^dcpsi,

b) yjS'sXs y^d\l/uj, resp. y^cicpM,

•V V ^ j/

C) ’^s va sy^a<.pct,

d) sy^cupcc.

2) Was sind nun die Formen y^d^jysi, hoiixyB'^? Co-

ra'is hält sie für Infinitivformen. Er sagt Atacta I, 158: neu

TOU \XZV £IU£ dl'C{ß<plßo7.0\’, OTl 0 (TyYJXaTtTIXO ^ rwu fX£}^.}-.OVTMV }iOl-

y^MTTi^g ylv£rui \x\ dna^£ix(pccTu, £7i£t8ri Hut £i9 «0x009 Tovg Trußv]- TtHovg T\j7Tovg £v^Ith£tui uTTuou'kXuHTog u. s. w. Mull ach dagegen sieht Conjunctive darin. Er hat in einem Excurs zu Demetrius Zenus V. 468 die Ansicht Corai’s zu widerlegen gesucht und Gründe für seine eigene angeführt. Auch in seiner Grammatik S. 241 ff. han- delt er davon. Er sagt S. 242: „Wenn man nämlich auch glauben könnte, y2uip£i .stände für y^cupziv, uyanrißri für ayunriß^v, d. i. «-y«- 7j->j3-/j'i'««, so kann man doch unmöglich y^u-^£t aus y^u-^at und ?.uߣt aus }.uߣiv njit Umstellung des Accentes, welcher eine Hauptsache

22G

Nachtrag.

im Neugriechischen ist, entstanden glauben.“ Durcli den ganzen ersten Theil dieser meiner Abhandlung, namentlich aber durch das in 5) Auseinandergesetzte wird Mullach’s Ansicht zur Genüge widerlegt.

Maurophrydes endlich hat in seinem Aoxlfxtov tTToolug s?.- }.Yiviy.y}g yA'jjTTYjg, das nach seinem Tode von der evangelischen Schule in Smyrna (1871) herausgegeben wurde, S. 245 erklärt, dass die Formen u. s. w'. alte Infinitive seien, nur

will er, dass man sie schreibe, weil er Reste des

aeolischen Dialektes darin erkennt.

3) Dieselben Infinitivformen begegnen uns aber noch in Zu- sammenhang mit dem Hilfsverbum syjM zur Kildung des Perfects und Plusquamperfects Activ und Passiv; z. B. :

y.c'cßst.

iV/je /.aßet.

y^acp^-B,

siyjt y^UipS-^,

Cor als hält natürlich die Formen y^cisl^st, /.cißst, y^acpS'^ u. s. w\ ebensogut wie die zur Umschreibung des Futurs ge- brauchten für alte Infinitive, Mul lach sieht auch in ihnen Con- junctive. Maurophrydes, sollte man glauben, würde sie auch in der Zusammensetzung mit consequent für Infinitive halten.

Statt dessen setzt er a. a. O. S. 333 und 34 auseinander, dass hier aeolische Participialformen vorliegen, und nicht wie in y^ci^stj

/.eißsi, y^c((p^^ Infinitive. Er führt sie in diesem Falle auf y^u- ■d/cag, yAßiig, y^ucp^slg zurück. Ich kann seiner ganzen Darlegung, die mir sehr gekünstelt scheint, nicht den geringsten Grad von Wahrscheinlichkeit beimessen. Denn dann müssten in der Volks- sprache einmal Participialformen wie 7.ußsig, ipctyatg, (pvysig, i/J^ng, "iBsig u. s. W. Statt y.ußtj'n’y (pnywv, tpvyJiu, i/.Soui’, iBwu u. s. w. ge- bräuchlich gewesen und müsste das auslautende s mit der Zeit abgefallen sein, was gar nie im Neugriechischen geschieht. Denn wenn jetzt der Nom. Sing. tto/.i lautet statt >5 ttc?.»?, so liegt nicht Abfall des s vor, sondern wir haben darin ein Meta- plastbn zu erkennen. Darüber habe ich ausführlich in meiner Ne« ‘E/./.av gehandelt.

Nachlrag.

227

4) Dass y^ctsl^si, T^ctßsi, yoctcpß’Yj Infinitivformen sind, darüber kann kein Zweifel sein; nur wird man fragen: Wie kommt es, dass, während im Altgriechischen y^cc-^rti bedeutet ich kann schreiben iind folglich sl%ou yoctd^at ich konnte schreiben, letzteres übergegangen ist in die Bedeutung: ich hatte ge-

schrieben? Sehen wir uns nach den romanischen Sprachen um, so gibt uns deren Entwicklung Analoga an die Hand. Denn das französische je cJianter - ais, das spanische cantar-ia sind nichts an- deres als zusammengesetzte Formen aus dem Infinitiv cantare, chanter und dem Indicativ Imperfect avia, avais des Verbums habere.

Wie nun „ich hatte zu singen, d. i. ich konnte singen“ in einer Sprache in die Bedeutung von ich würde singen, ja auch: ich würde gesungen haben übergehen konnte, ist sehr leicht einzusehen. Denn in einer Zeit, wo die alten einfachen Formen verschwanden und durch andere analytische ersetzt wur- den, wo manche Tempora und Modi durch das unvermeidliche Um- sichgreifen der umschreibenden Methode doppelt vorhanden waren, darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn auch die Bedeutung der einzelnen sich verschoben hat.

So hatte auch die spätere griechische Umgangssprache so nehme ich an für den Conditionel die beiden Formen ^l%ov yocx\l/ut und you-^at, und ich denke mir, dass sich die Praxis

dahin ausgesprochen haben wird, dass y^ct\lrai für den Con- ditionel present, sly^ou dagegen für den Conditionel passe

gebraucht wurde, wie letzteres noch heute in den pontischen Dia- lekten der Fall ist. Zu dieser Zeit, die ich mir der guten alten nahe denke, existirte schon in der Volkssprache die aufgelöste Form des Plusquamperfects sly^cu ysycaiJ-iAvou, die heute sl%ce yocqx- ixsuc lautet.

Als in einer folgenden Epoche der griechischen Sprache das aus ■S’eXw vk durch ■S’e vu hervorgegangene das ursprünglich

nur zur Umschreibung des Futurs gebraucht ward (c-eAw ucc yad^hw, Bl i>cc yacc\iyw. Bei y^u\!/w für Bi?.w yocc^^at), von dem Futur aus weiter um sich griff, da verband es sich als Partikel nicht bloss mit dem Indicativ Imperfect zum Ausdrucke des Conditionel pre- sent (c« sy:cc(pou ich würde schreiben) und mit dem Indicativ Aorist zum Ausdrucke der Wahrscheinlichkeit (S« £y^a\Jycc, Bei sy^et- nF«?, Bu £y^ci4e£ er wird geschrieben haben, er hat wohl [gewiss] [1877]

18

1

228 Nacldrag.

geschrieben), sondern inissbräuclilich trat es auch vor sly ou yon-^pca, das schon ohne •S'« die Bedeutung des Conditionel passe hatte.

Dadurch nun, dass •S'« syoctcpov und •S’« slyou yocc'l/ui als For- men des Conditionalis sich gegenüberstanden, fing man im Verlaufe der Zeit an, ^lyjov y^d-^ut (ohne -Svi) als Indicativ Flusquamperfect zu fühlen und es dem siyjov ysy^uwjdvov gleichzustellen. Und so haben noch heute diyjt yod-^si und dyji youixiAuo eine und dieselbe Bedeutung.

Stellt man sich die allmählige Verschiebung der Bedeutung des sly^ou y^(i\L-c(i von dem Conditionel present zum Flusquamperfect Indicativ so vor und ich denke, es sei doch wohl das einzig Richtige , so braucht man weder zu Conjunctivformen, wie Mul- lach es that, noch zu aeolischen Farticipialformen und neugriechi- schen Lautwandelungen, die nicht existiren, wozu Maurophrydes’ Erklärung nöthigt, seine Zuflucht zu nehmen.

5) Was die Betonung dieser Infinitivformen im Neugriechi- schen anlangt, so ist Folgendes zu sagen:

Mit Ausnahme derjenigen, welche im Altgriechischen auf -Yjuca ausgehen (siehe 2):

anavi cluctßvjuut, k ata VI aurußvivut^

'vj? s^ßrucd, saßvivctt, hjavi 8tc<ß^t’ut,

xotixyi^’Yjuceiy ’tTC'S'/ sC^s^yjvcti,

vrä'Xi

sta<ri TTct^'yjuctt u. s. w.

und der drei Formen pji -tslu, ipi slrrsTu und iSi ibslu, in denen das i der ersten Silbe theils consonantisch (j), theils fast irrational geworden ist, werden alle Infinitive des II. Aorist Activ paroxy- tonirt; also:

■>

Nachtrag.

229

7T«S'f7t',

peS'äni aTroS’ccvsTu, ßji cpvys7u,

e'vri (neben ’vr?) ev^sTr, kämi xccfXEli’, lävi ?.ccßs7i', fä^ji cpaysli’, viäSi fj,ci3’s7i>,

e?’3'i IX-S’sTt',

väli ßaXs7v, vyäli laßciksiv.,

nebst allen ihren Coinpositis. Ich möchte aber nicht annehmen, dass hier Reste der eigenthömlichen Betonung eines alten Dialek- tes, etwa des aeolischen, vorliegen, sondern ich bin überzeugt, dass wir hier eben wieder ein Beispiel von Analogie haben, indem die Betonung der ungleich häufigeren Infinitive des ersten Aoristes auf die viel selteneren des zweiten uniformirend einwirkte.

6) Wir haben endlich noch von dem conjugirten Infinitiv im Neugriechischen zu reden. Oben [C 1)] führte ich neben 3-eAou y^c(\ly'si die Form ßiXsi y^cx-ßou und neben <y^«4/£t die Form

^3-eXs an. Mul lach handelt davon auf Seite 245 seiner

Grammatik. Er vergleicht den impersonalen Gebrauch von S-s?.st und •^ßs?:£ mit dem von iuSl'-/^sTcei und übersetzt y^ct^/M „es

ist Wille, dass ich schreibe, ich werde schreiben“. Auch Mauro- phrydes, der doch in dem y^cc\!yst von BiXuo y^dyjysi eine Infinitiv- form erblickt, hält a. a. O. S. 244 y^cc^w von Bh.si y^ccspw für einen Conjunctiv und schreibt also:

3'eXst yon-ßw S'h.Et yod\JyYig 3'h.si y^d-ß-^

S'h.st y^c{\L'WfX£i' u. S. W.

Beide aber haben Unrecht; denn die Sache verhält sich vielmehr folgendermassen : Neben dem o-sAw S-£A£<? y^d\l/si u. s. w.

muss sich allmählig die Neigung herausgebildet haben, auch das y^d\lyst ZU conjugiren, sodass man nun sagte:

230

Nachtrag.

y^n^/sig

S’h.si yoa\lrst

Sh.ofxsu y^d\l/ciJLci> u. s. w. ,

wie dies oben [A 4)] von dem ofisclien Dialekte angeführt wurde und aus allen im Verlaufe der Abhandlung aus demselben beige- brachten Beispielen ersehen werden kann. Je mehr sich aber die Bedeutung von 3's}m abschwächte und je mehr dieses sich mit dem abhängigen Verbum zu einem Begriffe verband, desto näher lag es, die Personalendungen nur einmal anzufügen und zwar am Ende der zusammengesetzten Futurformen. So kam also neben dem y^cc4xst und auf Kosten des doppelt conjugirten

y^ce4^uj, einer Schöpfung, an der vielleicht die Sprache selbst nicht viel Gefallen fand, die Form SiXst <y^rt\|/ou mehr und mehr in Ge- brauch, bis sie diese ganz verdrängte. Dass man gerade die dritte Person Singular wählte (SjXe* yjc<\l^w), dazu hat vielleicht die Infinitivendung selbst S£?m yod\l^st, Ss?.£tg y^u^l/st das Meiste beigetragen. Indem man das Verständniss für die Infinitive immer mehr verlor, kam man schliesslieh dahin, dass man es für eines und dasselbe hielt, ob man die Personalendungen dem ersten Be- standtheil und die Endung si dem zweiten anhängte oder umge- kehrt verfuhr.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

Mai 1877.

Mit 4 Tafeln.

BERLIN 1877.

BUCHDRUCKEREI DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (ü. VOGT) NW. ÜNIVERSITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERI). DÜMMI.ER’S VERLAGS-BL CHIIANDLIJNG . JIARRWITZ CND GOSSMANN.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH FREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

Mai 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Curtius.

3. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Harms las über die Formen der Ethik.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Annales des Mines. Ser. VII. T. X. Livr. 5 de 1876. Paris 1876. 8.

Vom vorg. K. Ministerium.

Bulletin de la Societe Vaudoise des Sciences naturelles. Ser. II. Vol. XIV. N. 77. Lausanne 1877. 8.

Annales de chiinie et de physiqiie. Serie V. Avril 1877. T. X. Paris 1877. 8. Mnemosyne. Nova Series. Vol. V. P. II. Lugd. Bat. 1877. 8.

Jahresbericht am 16. Mai 1875 dem Comite der Nicolai-Hauptstermoarte ab- gestattet von dem Director der Sternwarte. Aus dem Russischen übersetzt. St. Petersburg 1875. 8. Desgl. vom 19. Mai 1876. ib. 1876. 8.

Schweizerische meteorologische Beobachtungen. 12. Jahrg. 1875. 5. Lief.

12. Jahrg. 3. n. 4. Lief. 4.

E. Block, Hilfstafeln zur Berechnung der Polar- Azimute. St. Petersburg 1875. 4. Mit Begleitschreiben.

M. Nyren, Declinaisons moyennes corrigees des etoiles principales pour V epoque 1845,0. ib. eod. 4.

[1877]

19

>.

V

232 Gesammtsitzung vom 3. Mai 1877.

Observations meteorologiques faites aux utations interuat. de la Delgique et des Pays-bas. Annee I. 1877. Bruxelles 1877. 4.

Journal of the Chemical Society. N. CLXXII. April 1877. London. 8. Momnnenta Boica. Vol. 43. Monacliii 1876. 4.

Revue scientifique de la France et de V etranger. N. 44. April 1877. Ba- ris. 4.

Bulletin de la Societe geologique de la France. Serie III. T. IV. Feuilles 34 36. Baris. 8,

Verhandlungen des naturforschenden - medicinischen Vereins zu Heidelberg.

Neue Folge. 1. Bd. 5. Heft. Heidelberg 1877. 8.

II nuovo Cimento. Ser. III. T. I. Gennaio e Febbr. 1877. Bisa 1877. 8.

Abhandlungen, herausgegeben vom naturwissenschaftlichen Verein in Bremen. Bd. V. Heft 2. Bremen 1877. 8.

Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. XXVIII. Heft 4. Berlin 1876. 8.

Deutsches Wörterbuch von J. Grimm und W. Grimm. Bd. IV. Abtli. 1. Lief. 9. Leipzig 1877. 8.

Verhandlungen der k. k. zoologisch -botanischen Gesellschaft in Wien. Jabrg.

1876. Bd. XXVI. Wien 1877. 8. Mit Begleitscbreiben.

C. Oclisenius, Bildung der Steinsalzlager und ihrer Mutterlaugensalze. Halle 1877. 8.

G. M. Thomas, Commission des Dogen Andreas Dandolo für die Insel Greta im Jahre 1350. München 1877. 4. Sep.-Abdr. Mit Begleitschreiben.

7. Mai. Sitzung der philosophisch -historischen Klasse.

Hr. Schott las:

Über den Stabreim bei Finnen und Tataren.

Der berühmte finnische gelehrte A h 1 q vis t beginnt das sechste lieft seines Kiel et är (etwa Sprachmuse) mit nicht abzinveisenden einwürfen gegen eine aufstelhing oder Unterstellung des ungarischen Sprachforschers P. Hunfalvy, welcher den die ganze finnische und estnische volkspoesie aus alter zeit durchdringenden Stabreim

Sitzung der philo soph.-lmtor. Klasse vom 7. Mai 1877.

233

für selbständig d. h. nicht erst in nacliahmung des alten scandina- vischen Stabreims entstanden erklärt. Man darf eine löbliche Un- parteilichkeit darin finden dass herr Ahlqvist in diesem punkte die finnischen dichter ohne umstände als Schüler der skalden er- weisen will. Zwar dürfte schwer zu entscheiden sein, ob in sei- nem blute das finnische (Suomi-) element dem benachbarten germa- nischen überlegen oder umgekehrt; soviel ist aber wenigstens ge- wiss dass er sich als ächter Finne (Suomalainen) fühlt.

Paul Hunfalvy hatte in seiner behandlung der frage unter anderem hervorgehoben dass diese art reim schon bei solchen fin- nisch-ugrischen Stämmen die niemals mit Scandinaven in Berührung gekommen, unverkennbar sich zeige. Ahlqvist macht dawider geltend, die von Hunfalvy gebrachten beispiele seien nicht be- weisend genug, und lust am allitteriren bemerke man ausnahms- weise bei dichtem der verschiedensten Völker und zelten, welcher zweite grund übrigens in der vorliegenden Sache weit eher für als wider Hunfalvy zeugt.

Wer die wogulischen lieder im ersten bande des 'Nachlasses Reguly’s’ (i?. hagyomdjiyai, a Vogul föld es nep, P. 1864) unbefan- gen prüft, dem wird die hypothese des gelehrten herausgebers bes- ser Zusagen als die des herren A., obgleich bei den Wogulen die regelmäszig schöne durchführung des anfangsreimes vermisst wird.

Beide herren lassen aber in irem streite einen bundesgenos- sen H’s, wo nicht unberücksichtigt, so mindestens unbenachdruckt. Angenommen die urväter der heutigen Ostseefinnen hätten (was gar nicht bewiesen ist) vermöge irer langen berührung mit den scandinavischen nachbarn deren dichterische ergösse wirklich ver- stehen gelernt: wie soll man sich dann erklären dass der beiden Völkern gemeinsame Stabreim durch sämmtliche alte lyrische wie epische naturdichtungen vom Botnischen golfe bis in das sogenannte russische Karelien ausnahmslos waltet während doch alle diese dichtungen ir ganz eigentümliches, von demjenigen der scandina- vischen wesentlich verschiednes inneres gepräge haben? Wäre Finnlands poesie durch die vorzugsweise sogenannte nordische erst geweckt worden was ohnehin bei einem dichterisch anerkannt sehr begabten volkc schwer vorauszusetzen so würde sie doch wohl auch von seiten ires characters, nicht blosz irer art zu rei- men, scandinavisch geworden sein. Welches natuiwolk dürfte je nach gewissen rytbmischen gesetzen eines anderen ihm benachbar-

19»

234

Sitzunrj der philosophisch-historischen Klasse

ten gegriffen haben ohne zugleich in dessen geistigen zauberkreis nn't hineingezogen zu werden? Die finnische naturpoesie trägt den Stempel wahrer Urwüchsigkeit, muss also auch irer form nach un- abhängig geblieben sein, wie schon aus dem vorherrschenden pa- rallelismus der glieder sich ergiebt welcher bei den skalden nicht zu finden ist. Wenn anklänge an scandinavische sagen in der späteren epischen poesie, namentlich der Esten, vernommen werden, so beweist dies nichts gegen die Selbständigkeit ires rythmischen characters.

Es lohnt sich nun vielleicht, der entwicklung des Stabreims bei Tungusen, Mongolen und östlichen Türken nachzugehen.

Das aus Tungusien stammende Mandschu, die spräche der Vorfahren des jetzigen chinesischen kaiserhauses, hat, wie es scheint, seit China’s Unterwerfung nur ein gewissermaszen poetisches er- zeugnis aufzuwei.sen : dieses ist eine teils beschreibende, teils er- zählende lobrede auf die Stadt Mukden in der Mandschurei, den sommersitz der kaiser. Es ergoss sich aus geist und pinsel einer nicht geringeren per-son als desjenigen hochgelehrten -monarchen, den man in Europa unter dem chinesischen titel den er seiner re- girung gegeben {Khjan-lunfj d. i. vom himmel beschützt, er starb 1796) kennen gelernt. Sehen wir ab von dem etwanigen ästheti- schen verdienst dieses Werkes und fassen wir nur dessen form ins äuge, so bietet sich uns alsbald eine art Stabreim, den die man- dschuische majestät gewiss schwerlich selbst erfunden, sondern in erinnerung an altmandschuische lieder angewendet hat. Ein gleich- masz der Sätze (die nicht etwa versc heissen können) fehlt, aber gewöhnlich beginnt eine reihe derselben mit gleichem vocal oder, wenn es ein consonant, mit gleicher silbe^).

Beispiele von aiifangsreim bei den Mongolen sollen uns der ostmongolische chronikschreiber Szanang Szetsen und neuere west- mongolische (kalmykische) Volkslieder liefern.

Von der dem kaiserlichen flüchtling Toghon Temür (Chinas letztem quasi -beherrscher aus C'inggisz-Chans geschlechte) in den

*) Der kürze wegen verweise ich auf einen anhang zur ‘Grannnaire Mandchou’ des verewigten Freiherrn Conon von der Gabelentz (s. 148 150).

vom 7. Mai 1877.

235

mund gelegten elegie oder jeremiade beginnen die drei ersten Zei- len mit e (ä), genauer mit den geschlossenen silben l und r:

Eldebödjer hütükszen erdenitii iche (jeke) Taitu chotan minu Du mannigfach geschmückte, meine köstliche grosze Stadt Taitu !

Erkiledsü szerekün szaghukci "Sangdu Kejbung minu In herrlicher kühle thronend mein 'Sangdu Keibimg! Ertenu bokdaszun dsuszalang ’Sangdujin .sara tala mimt Göttlicher ahnherren sommersitz, meine gelbe ebene von 'Sangdu !

Dann kommt in kurzer zeile ein spiel mit den zwei bedeu- tungen von aldachu: verlieren und irren, sich täuschen:

Aldadsu iche türühen aldabai

Getäuscht verlor ich meine grosze herrschaft.

Im weiteren verlaufe beginnen vier zeilen- mit u-, die meisten aber enden auf minu mein, welches wort also einen endreim ver- tritt.

Die obgedachten kalmykischen Volkslieder hat ein sehr begab- ter junger linguist, der Szekler Gabriel Bälint, mehrjähriger Wanderer in Nordasien und der Mongolei, aus kalmykischem munde niedergeschrieben. Sie finden sich nebst iren singweisen in den von der magyarischen academie herausgegebenen abhandlungen aus dem Gebiete der sprach- und schönen Wissenschaften. Alle diese dana^s {dandk), wie Bai int sie, an das mongolische daghon, daon (ton und lied) erinnernd, magyarisch nennt, bestehen aus je zw^ei Strophen von je vier zeilen deren fast immer gleiche silbenzahl schon einen metrischen fortschritt bekundet. Im zw'eiten dieser lieder beginnen alle vier zeilen der ersten Strophe mit no, oder nom, der zw^eiten aber mit ne oder ner. Im vierten beginnt die ganze erste Strophe mit sd, die ganze zw^eite mit glui oder gh%d; im fünften die ganze erste mit be (bä), ba, bd oder bar, die ganze zweite aber mit ö und folgendem consonanten, so zwar dass jedes- mal eine geschlossene silbe entsteht: ön, öng, ör und öb. Ini er- sten liede beginnt die zweite Strophe durchaus mit u, genauer v.

’) Krtekezesek a nyelv en azeptudumdiajok korehol (band II, lieft 2).

236 Sitzung der philosojyhisch-historiscJien Klasse

uj und i/r; von der ersten Laben nur die ersten drei zeilen einen anf'angsreim der ci, ct und cik ist, während die vierte mit sd an- fängt. Anfangsreim des dritten liedes ist in der ganzen zweiten Strophe ö und ö>, wogegen in der ersten die zwei ersten zeilen mit si und sil anfangen, die dritte mit mel, die vierte mit chdr. Aus- serdem hat dieses lied die besonderheit dass ein seufzendes « die erste zeile beider Strophen einleitet,

Beispiele:

Uldszond' urghukszan dhjmigi Den apfel der auf der pappel wuchs Ujchon cdmdnn ögle bi Teuere, hab ich gegeben Dir,

Ujchon cdmddn öghö cig Teuere, gab ich Dir ihn gleich,

Urdin sdjdn chdrghulchus.

Eint uns doch das geschieh noch nicht.

Nomghon hora mören ciny Frommes graues rösslein Dein Nöszon tsulburighdn unguldd Zaum den wollnen nach sich zieht, Nojin ddn cherte Crogdgi Fürstin, die liebliche G'ogägi Noghdnd tnrünlenyi sukmldd Nimmt der grünende frühling fort.

Kikirte nxirin köbedü An des süszen teiches rande, S il Ghdrida besingdü In des aars crystallner halle

*) Uldszon (jilijaszun) ist die populus tremula.

Ghnrida (sanskritisch yarudd), ein mythischer vogel auf welchem Wisnu reitet, ist mit der buddhistischen religion zu den Mongolen gekommen.

vom 7. Mai 1877.

237

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S'ilbilszeksze?i Chdrlä Slse

Sitzet ruhlos Chärlä 'Sis'e,

Melmehzegi sziidik hi

Wieget stets sich hin und her.

Absichtlicher einklang der ersten silbe einer verszeile oder eines Satzes mit der ersten silbe eines oder mehrer folgenden Wör- ter bietet sich bei den Mongolen öfter in sprüchwörtern, z. b. chari etsa chabirgJia chaglmlclm dem gast eine rippe entreissen d. h. ihn für die bewirtung tüchtig ausniitzen, arracher une cöte a l’höte, wie man sich französisch ausdrücken könnte.

Unter den feierlichen anreden- in einer art streckversen die Szanang- Szetsen nicht selten seiner erzählung einflicht, hebe ich die von C'inggisz auf seinen Jonathan Boghorgi hervor, weil hier, wie in manchem sprüchwort, mehrere Wörter eines und desselben Satzes allitteriren. So lautet der erste satz oder streckvers:

Szagharin szagliatakjan szalburin aiala szajin ügeben ügü- lekszen Boghorgi minu!

Du mein B. der sein gutes wort sprach dieweil er seinen erschlafften bogen sinken liesz!

D. h. der im zustand äusserster erschöpfung vom heissen kämpfe noch freundlich zu mir sprechen konnte.

In diesem satze beginnen vier Wörter mit sza, ebenso in dem folgenden ;

Szamaghurgin jabuchuja szaidur nügütseldün, szanagha szed- kiljen esze mitakszan B. minu!

Du mein B. der, in trüber zeit ein treuer geführte mir, sein herz nie verzagen liesz.

In den meisten folgenden Sätzen spielt ü als Stabreim die vor- nehmste rolle, z, b,

Ukiiklen alaldun jabuchuja üneger nügütseldün üküküi ami- ban esze chairalakszan B. minu.

Der in verzweifeltem kampf ein wahrer freund sein leben nicht schonte, mein B,

An einem frühmorgen führt man C'inggisz eine anzahl ergrif- fener Verräter zu, und meldet ire ankuuft in einer art distichon von welcher ich sonst kein beispiel weiss. Die erste hälfte der

238

Sitzung der pfiil.-hist. Klasse vom 7 . Mai 1877.

beiden zeilen ist siebensilbig, die zweite das erste mal sechs- und das andere mal auch siebensilbig. Dazu kommt ein den endreim vertretendes gleiches Schlusswort der beiden ersten und der beiden letzten hälften. Endlich allitteriren vier Wörter:

Gegen orludur cinu gerel oron amui In Dein glänzendes gezelt morgenröte fällt,

Gemten jalatan cinu ghatana choran amui

Die sich wider Dich vergangen draussen harrend bangen.

Beispiele von Stabreim bei den Nogai-Türken habe ich her- vorgehoben im Monatsbericht vom juli 18G8, und bei den soge- nannten Altai -Tataren im 5ten hefte meiner Altaischen Studien, 8. 44.

14. Mai. Sitzung der physikalisch -mathematischen Klasse.

Hr. Ewald las über die neueren Fortschritte in der syste- matischen Behandlung der Kreidebildungen.

Gesammtsitzung vom 17. Mai 1877.

239

17. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Duncker las über die eigenhändigen Memoiren Harden- bergs.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Th. Spratt, Travels and researvhes in Crete. Yol. I. II. 1865. 8. Vom

Verf. überreicht durch Hru. Prof. Dr. Förch hammer in Kiel.

Abhandlungen der k. böhmischen Gesellschaß der Wissenschaßen vom Jahre 1875 und 1876. YI. Folge. Bd. 8. Prag 1877. Mit Begleitschreiben.

Jahresbericht der k. b. Gesellschaß, ib. 1876. 8.

Sitzungsberichte der k. b. Gesellschaft. Jahrg. 18T6. ib. 1877. 8.

Bulletin de la Societe de geographie. Mars 1877. Paris 1877. 8.

B. Boncompagni, Bullettino. T. X. Gennaio 1877. Eoma 1877. 4.

P. Gervais, Journal de Zoologie. T. YI. X. I. Paris 1877. 8.

Abhandlungen der math.-phys. Classe der k. Bayerischen Akademie der U'i's- senschaßen. Bd. XII. Abth. III. München 1876. 4. 2 Ex. Mit Be-

gleitschreiben.

Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinen-Wesen im Preussischen Staate. Bd. XXIY. Lief. 6. 8. Atlas. Bd. XXIY. Taf. 6—19. Berlin 1876. fol. & 4. Mit Begleitschreiben.

Literarische Berichte aus Ungarn etc. herausgeg. von Paul Hunfalvy. Bd. I. Heft 1. Budapest 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Chartes de la Familie de Be in ach. Fase. 1. Luxembourg 1877. 8. Mit

Begleitschreiben .

Annuario della Societä dei naturalisti in Modena. Serie II. Anno X. Fase. 2. .3. Modena 1876. 8.

La perpetuita dell’ esistente. Panpeumilea. Schema di scienza nuova di G. de Marzo. Firenze 1877. 8. 10 Ex.

Societe entomologique de Belgique. Ser. II. N. 37. Compte-rendu de l'assem- blee mens, du 7 avril 1877. ' 8.

Festschrift zur Säeularfeier des Geburtstages Carl Friedrich Gauss dar- gebracht von Herzogi. Collegium Carolinum zu Braunschweig. Braun- schweig 1877. 4.

Bijdragen tot de Taal- Land- en Volkenkuude van Xederlandsch- Indie.

240 Gesammtsitzuvg

4. Volg. Deel I. St. 1. 2. 4. Volg. Deel XI. St. 2. 'SGraveuhage 1876. 1877. 8.

Bijdrugen tot de Taal- Land- eii Volkenkitnde von Nederlandevh-Indie. Vers- Zag der feestviering van het vijf- en twintigjarig bestaan van het Instltuut (1851—1871). ib. 1876. 8.

The populer Science monthlg. Supplement. N. I. New York 1877. 8,

G. A. Hirn, Complement a la demonstration d un thcor'eme relatif d la detente des Vapeurs sans travail externe. Extrait. Daris 1877. 4. Vom Ver-

fasser.

Tgge Brakes meteorologiske Dagbog, holdt paa Uraniborg for Aarene 1582 15U7. Kjöbenliavn 1876. 8.

Memoires de T Acadhnie R. de Copenhague. 5 nie Serie. Clusse des Sciences. Vol. XI. N. 3. 4. ib. 1876. 4.

F. W. Hutton & G. H. F. Ulricb, Report of tke Geologg and Ooldßelds of Otago. Dublin 1876. 8. Vom Verf. überreicht durch Hrn. Fcters.

31. Mai. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. M ü 1 1 en h of f las über die alte Welsungensage.

Monutsbfj'irhl /tSTT.

Spectrum des neuen Sterns von 1876,

I 1876 Dec.8,. 11 Dec 14, 11] 1877 Jan.l, I\ Febr. 2 , V März 2

vom 31. Mai 1877.

241

Hr. Auwers legte folgende Abhandlung des Hrn. H. C. Vogel

vor:

Über das Spectrum des neuen Sterns im Schwan.

Seitdem die Spectral -Analyse Anwendung auf die Himmels- körper gefunden hat, ist es bereits zweimal möglich gewesen, das Spectrum eines sogenannten neuen Sterns zu beobachten.

Der am 12. Mai 1866 von Birmingham in Tuam in der Krone entdeckte Stern wurde von Huggins und Miller spectro- skopisch untersucht und zwar zuerst am 16. Mai, als er noch 3. bis 4. Grösse war. Das Ergebniss der Untersuchung war, dass in dem continuirlichen Spectrum, welches der Stern zeigte, zahl- reiche dunkle Linien und Streifen und fünf helle Linien zu erken- nen gewesen sind. Nähere Angaben über die Lage der hellen und dunklen Linien sind in den folgenden Worten von Huggins^) enthalten: „One of these bright lines is in the red at the position of Fraunhofer’s C. The brightest of the lines coincides with F ; a little beyond this is a fainter line; near this line a fourth occurs, which is either double or undefined at the edges. In the more re- frangible part of the spectrum, probably not far from G, a fifth line was seen by glimpses“

.... „This absorption- Spectrum contains two strong lines, a little more refrangible than C of the solar spectrum; a shaded group of lines extending nearly to D; a faint line coincident with D; numerous fine lines up to about the position of b of the solar spectrum, where a series of groups of strong lines commences and extends as far as the spectrum can be traced.“

Die Wahrnehmungen, welche Huggins und Miller gemacht, wurden durch die Beobachtungen von Stone und Carpenter^) in soweit bestätig.t, als es den letztgenannten Beobachtern gelang, mehrere helle Linien in dem Sternspectrum zu sehen. Messungen, Avelche sie über die Lage von den 3 hellsten Linien an verschie- denen Abenden anstellten, haben leider geringeren Werth, als sie haben könnten, wenn gleichzeitig Angaben über nur einige der wichtigsten Linien des Sonnenspectrums gemacht worden wären.

0 Monthly Notices Vol. XXVI. p. 275, 27t). Monthly Notices Vol. XXVI. p. 295, 29G.

242

Gesamintsitzunrj

Die Angabe: «When the Instrument is in adjustment, the reading for the solar F is 89r999, and 20’’ of the rnicrometer carries the index froni F to G“ ist ungenügend'). Nur für eine der hellen Linien im Sternspectrum geht die Coincidenz mit F mit grosser Bestimmtheit hervor. Auch Wolf und Ilayet^) haben den neuen Stern von 1866 spectroskopisch beobachtet. Die Beschreibung, welche sie vom Spectrum geben, ist in Bezug auf Intensitätsver- hältnisse und Lage der hellen Linien etwas abweichend von den soeben mitgetheilten Beobachtungen. Ich lasse die Beschreibung hier folgen: „La lumiere de la nouvelle etoile, reduite aujourd’hui (20 Mai) ä la 5 grandeur, donne un spectre complet tres-päle, sur lequel se detachent un certain norabre des bandes brillantes.

*) Ich habe unter der Annahme, dass das Zerstreuungsverhältniss für die verschiedenen Theile des Spectrums bei dem von Stone und Carpenter benutzten Apparate dem einer Flintglassorte von mittlerer Schwere gleich ge- wesen ist und die eine helle Linie Xo. 1 mit F coincidirt hat, folgende Wellen- längen für die beobachteten hellen Linien abgeleitet:

Wellenlänge Mill. Mm.

Linie X’o. 2 467

3 463

„4 502:

Zu Grunde gelegt habe ich hierbei die Messungen:

F No. 2 = + 5f8 F No. 3 = -f- 7.1

F No. 4 = 4^4: ergiebt sich aus der Zeichnung, in welcher die Ab- stände der Linien folgende sind: F 2 = 6.9 Mm.; F 3 = 9.0 Mm.; F 4 = 5.5 Mm.

Dieses Resultat scheint mir im Vergleich mit den unten folgenden Beobach- tungen über den neuen Stern von 1876 von hohem Interesse zu sein, indem es die Lage der hellen Linien im Blau, welche Hiiggins nicht näher an-

giebt, wenigstens einigermassen bestimmt und eine Cbereinstimmung mit hel- len Linien im .Spectrum des Sterns von 1876 vermuthen lässt. Die Linie bei 502 Mill. Mm. W. L. ist höchst wahrscheinlich dieselbe, welche im Spectrum des neuen Sterns von 1876 zuerst nicht auffällig, nach und nach besser her- vortrat und in welcher, bei dem allmäligen Erblassen des Sterns, schliesslich der grösste Theil des Lichtes concentrirt war.

*) C. R. T. LXII p. 1108 (Notes sur deux etoiles; par M. Le Verrier).

vom 31. Mai 1877 .

243

.... Entre ces bandes, la plus brillante et la plus large ap- parait d’une maniere continue a la limite a peu pres du jaune et du vert. Elle est precedee, du cdte du jaune, par un espace un peu soinbre, puis par une ligne brillante, inais faible. Dans le jaune assez brillant, et vers l’orange, se trouve une troisieme ligne qui semble correspondre a D.

Enfin, si Ton marche de la ligne la plus brillante vers le vio- let, on rencontre le vert bien caracterise, puis un espace plus sombre et un peu plus large que celui dont nous avons dejä parle, et une nouvelle ligne brillante qui ne le cede en eclat qu’a la bande principale. Le reste du specti'e est pale, mal limite, et nous n’y avons rien pu distinguer de saillant“.

Über das Spectrum des am 24. November 1876 von Schmidt in Athen entdeckten Sternes sind bisher von verschiedenen Seiten Beobachtungen bekannt geworden, welche ich weiter unten zu- sammenstellen und discutiren werde, zunächst erlaube ich mir meine eignen Beobachtungen mitzutheilen, welche, so oft sich nur die Gelegenheit bot, angestellt worden sind.

Eigene Beobachtungen und deren Resultate.

1.

1876 Dec. 5. Grösse 4.5.; Farbe gelbroth, nicht auffallend und nur wenig von der gewöhnlichen Sternfarbe verschieden.

Das Spectrum war sehr brillant, es war von zahlreichen dunk- len Streifen durchzogen, von denen namentlich einer im Grün durch seine Dunkelheit und einer im Blau durch seine Breite auffiel. Es schien, schon beim ersten Anblick, das Spectrum von denen der meisten rothen Sterne abzuweichen, und hat auch bei einer späte- ren Vergleichung mit der von dem Spectrum ausgeführten Zeich- nung, kein befriedigender Zusammenhang, weder mit den so sehr verbreiteten Spectren der Classe 3 a, noch mit den seltneren der CI. 3 b, gefunden werden können.

Ausser den dunklen Linien und Streifen waren mehrere helle Linien im Sternspectrum zu erkennen, von denen namentlich eine im Roth durch ihren grossen Glanz auffiel; eine zweite sehr lielle

244 ' Gesatiwitsit^img

Linie war an der Grenze des Grün und Blau und 2 Linien im Blau gelegen.

Im Gelb und Grün erschienen einige helle Linien oder Strei- fen, bei denen ich jedoch nicht zur Gewissheit kommen konnte, ob es wirklich helle Linien oder nur Stellen des Spectrums waren, die durch Contrast mit den in der Nähe befindlichen dunklen Ab- sorptionsstreifen stärker hervortraten. Bei den sehr ausgeprägten Bandenspectren der Classe 3 a hat man nämlich sehr oft, und be- sonders bei unruhiger Luft, den Eindruck von hellen Linien im Spectrum, während bei günstiger atmosphärischer Beschaffenheit sich deutlich herausstellt, dass linienarme Gegenden des Spectrums, in der Nähe dunkler Streifen, jenen Eindruck hervorbriugen.

Die Beobachtungen wurden mit Hülfe eines kleinen, von mir früher beschriebenen Spectralapparates ausgeführt. Ein Versuch, mit einem grösseren Browning’schen Sternspectralapparate einige der hellen Linien zu messen, ist später gemacht worden, und es haben die Messungen ergeben, dass die eine helle Linie, an der Grenze des Grün und Blau, sehr wahrscheinlich mit der zweiten Wasserstoflflinie (F) coincidirt. Für die zwei Linien im Blau wur- den die \N"ellenlängen 474 und 470 Mill. Mm. abgeleitet, ferner wurde für helle Streifen oder Linien im Grün die W. L. 512 und 498 Mill. Mm. gefunden.

Der Luftzustand, der anfänglich recht gut war, verschlechterte sich mehr und mehr, und die Beobachtungen mussten schliesslich eingestellt werden, da es ganz trübe wurde.

Zur Charakterisirung des Spectrums ist noch zu erwähnen, dass Blau und Violett im Vergleich zu anderen Sternen, welche ein Bandenspectrum zeigen, sehr gut sichtbar waren und dass jedenfalls jn Folge der verhältnissmässig geringen allgemeinen Absorption, welche diese Theile des Spectrums erlitten, die Farbe des Sterns nur wenig von der mittleren Sternfarbe abwich.

Dec. 8. Grösse 5. bis 5.3.; Farbe kaum von der gewöhnlichen Sternfarbe abweichend.

Mit Hülfe des kleinen Sternspectroskops wurden Messungen über die Lage der hellen Linien auszuführen versucht, der Luftzu- stand war aber sehr schlecht und wurden die Beobachtungen so

Berichte der Königl. Sachs. Gesellschaft d. Wissensch. 12. Dec. 1873;

vom 31. 2Iai 1877.

245

oft durch "Wolken unterbrochen, dass den Messungen nur geringes Gewicht b*eizulegen ist. Das Spectrum schien im Allgemeinen sich nicht verändert zu haben.

Es gelang, die Lage der rothen Linie recht sicher zu bestim- men und mit der Wasserstoff linie C zu identificiren. Ferner geht aus den Messungen mit grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass eine zweite helle Linie des Sternspectrums mit der Wasserstoff- linie F zusammenfällt. Für eine recht helle Linie, die wiederholt gemessen wurde, hat sich die W. L. 498 Mill. Mm. ergeben, und ebenfalls aus mehreren Messungen sind die folgenden Wellenlängen für 3 Linien im Grün abgeleitet worden resp. 527, 514 und 508 Mill. Mm. Ganz unsicher und nur auf einer Messung beruhend, sind endlich 2 Linien im Gelb bestimmt und dafür die Wellen- längen 588 und 570 gefunden worden. Es stimmt die erste dieser Linien sehr nahe mit (W. L. 587.5) überein, und es wäre nichts Auffallendes, wenn gerade diese Linie neben den Wasser- stofflinien hell im Sternspectrum erschiene. 2 Linien im Blau sind wiederholt gesehen und in der Zeichnung angegeben, aber nicht gemessen worden. Zeitweilig leuchtete noch eine breite ver- waschene Linie im Violett auf, wahrscheinlich die 3. Wasserstoff- linie in der Nähe von G.

Von den 3 Linien im Grün fällt die eine (W. L. 514) am näch- sten mit den Magnesiumlinien h (W. L. für die Mitte 517.5) zu- sammen, doch übertrifft die Abweichung so beträchtlich die Un- sicherheit der einzelnen Beobachtungen, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Magnesiumlinien hell im Sternspectrum erschienen sind, eine sehr geringe ist.

Dec. 14. Grösse 6.

Spectrum wenig verändert. Helle Linie im Roth (6') sehr in- tensiv, desgleichen 2 Linien, eine im Grün, die andere an der Grenze des Grün und Blau (F). Schwächere Linien im Gelbgrün und Gelb wurden vermuthet, ein heller verwaschener Streifen im Blau (nicht 2 nahe beieinanderstehende Linien wie früher) und ein ebensolcher etwas lichtschwächerer Streifen im Violett {IF/) wiederholt gesehen. Sehr auffallend wegen ihrer Dunkelheit und Breite war eine Bande im Blau.

Der Luftzustand war so ungünstig, dass an eine genauere Beobachtung nicht zu denken war.

246

Gesammtsitzung

I) ec. 22. Nur auf kurze Zeit klar; Beobachtung zwischen Wolken.

Im Spectrum des Sterns sind mehrere helle Linien* zu sehen. Eine solche im Roth scheint ganz isolirt zu stehen, da die nächst- liegenden Partien des Spectrums äusserst schwach sind. Eine helle verwaschene Linie im Gelb ist sehr deutlich sichtbar, desgleichen 2 im Grün und am Anfang des Blau. Auch im Gelbgrün leuch- teten einige helle Linien zeitweilig auf.

Dec. 26. Grösse 6.6. Farbe röthlich.

Das continuirliche Spectrum hat sehr an Glanz abgenom- men, vor allem ist der blaue und violette Theil desselben schwä- cher geworden. Das Roth ist in der Nähe der hellen Linie ((7), welche auch relativ gegen die anderen hellen Linien an Intensität abgenommen hat, sehr schwach. Recht gut sichtbar ist, eine helle verwaschene Linie im Gelb, eine scharf begrenzte Linie im Dunkel- grün und eine sehr helle Linie {F) an der Grenze des Blau. Sehr auffallend sind 2 dunkle Banden, eine breite im Blau und eine schmale im Grün. Die erstere ist an der weniger brechbaren Seite durch eine sehr helle Linie {F) begrenzt.

J) ec. 27. Das Spectrum erschien, wie am vorhergehenden Tage.

Die Grösse des Sterns ist mit Hülfe in der Nähe stehender Sterne 7.0. und 7.6., nach den Grössenangaben der Bonner Durchm. zu 6.7., höchstens 6.8. bestimmt worden.

iH77 Jan. 1. Grösse 7.2.

Das Spectrum hat sein Aussehen wesentlich verändert. Wäh- rend in den ersten Tagen der Beobachtung das continuirliche Spectrum so bell war, dass die hellen Linien (mit Ausnahme der Linie im Roth) sich nur wenig abhoben, erschien dasselbe am 1. Januar sehr schwach, und die hellen Linien traten mit grosser Bestimmtheit hervor.

6

vom 31. Mai 1877.

247

Die Vertheilung des Lichtes im Spectrum ist aus der vor- stehenden Intensitätscurve zu ersehen. Das Maximum der Inten- sität des continuirlichen Spectrums lag im Grün, woselbst auch die beiden hellsten Linien gelegen sind.

Unter der Annahme, dass Linie 6 mit F coincidirt, ergiebt sich aus den Messungen für die Linie 5 die W. L. 499 Mill. Mm. Die Linie 1 (Wasserstoft', C) war sehr schwach und nur zeitweilig zu sehen und stand ganz isolirt auf dunklem Grunde. Linie 2, nach beiden Seiten verwaschen, bildete die Grenze des continuir- lichen Spectrums nach der weniger brechbaren Seite hin. Einige helle Linien, die sich nur wenig vom continuirlichen Grunde ab- hoben und nur zeitweilig zu sehen waren, erschienen bei 3 im Grün. 4 ist ein dunkler Streifen, der besonders nach dem Violett verwaschen ist. Auf die hellste Linie des Spectrums (6) folgt ein breites dunkles Band 7, welches das Spectrum in 2 Theile trennt, da hinter demselben das continuirliche Spectrum, wenngleich sehr schwach, sich noch weit verfolgen lässt. Bei 8 und 9 sind sehr deutliche Intensitätsmaxima.

(Bei den folgenden Beschreibungen werde ich mich immer auf die obige Zeichnung beziehen.)

Jan. 2. Grösse 7.4.

Spectrum wie am vorhergehenden Tage. Die Linie im Roth (1) zeitweilig recht gut zu sehen. Die hellste Linie ist No. 6 der obigen Intensitätscurve.

Jan. 6.

Luftzustand ganz schlecht. Die 3 hellen Linien 6, 5 und 2 traten sehr deutlich hervor, sonst wie am vorhergehenden Beob- achtungstag.

Jan. 16. Grösse entschieden etwas heller als 7.6.

In einem Ocularspectroskop nach Zöllner ’s Angabe, welches beträchtlich stärker zerstreute, als mein gewöhnlich zu den Beob- achtungen angewandtes Sternspectroskop, liess sich nur zwischen den hellen Linien 2 und 6 continuirliches Spectrum erkennen. Die rothe Linie 1 war nicht mehr zu sehen, von 8 war nur eine ganz schwache Andeutung vorhanden. Die Linien 6 und 5 erschie- nen fast von derselben Helligkeit, 6 vielleicht etwas heller.

[1877]

20

248 GeaammUiizung

In meinem Spectroskop war die Linie 1 und das Intensitäts- Maximum bei 8 und 9 noch recht gut sichtbar.

Jan. 17.

An dem vorhin erwähnten Zöllner’schen Ocularspectroskop hatte ich eine Einrichtung getroffen, um gleichzeitig neben dem Sternspectrum das Spectrum künstliclicr Lichtquellen zu beob- achten. Es ist auf diese Weise gelungen, mit grosser Sicherheit nachzuweisen, dass die Linie 6 mit der Wasserstoff linie coin- cidirt. Es ist ferner bestimmt nachgewiesen worden, dass die Li- nie 2 des Sternspectrums brechbarer ist, als D oder p^.

Interessant war die Wahrnehmung, dass die Linien 5 und 6 in Bezug auf Helligkeit sich verändert haben, 5 war entschieden intensiver als 6. Mit dem schwächer zerstreuenden Spectroskop waren die Linien 1 und die verwaschenen Streifen 8 und 9 gut zu sehen, sehr deutlich war ferner in dem schwachen continuir- lichem Spectrum der dunkle Streifen 4 zu erkennen.

Jan. 18. Grösse schwächer als 7.O., entschieden heller als 7.6.

Die hellen Linien des Spectrums sehr glänzend. Noch alles Detail, welches am 1. Jan. im Spectrum beobachtet wurde, konnte gesehen werden. Die bei weitem intensivste Linie war 5.

Aus zahlreichen Messungen hat sich ergeben:

Linie Wellenlänge

2 580.4 Verwaschen, besonders nach Blau.

5 499.7

6 486.1 (F)

8 466.3 Nach beiden Seiten verwaschen.

Aus Schätzungen der relativen Abstände der Linien folgt noch: Linie Wellenlänge

9 434.7 (also sehr wahrscheinlich Hy.)

8 466.9 (in guter Übereinstimmung mit der Messung.)

Die dunkle Bande hat die Ausdehnung 486 bis 474 .Mill. Mm. W. L.

ft

vom 31. Mai 1877.

249

Febr. 2. Grösse 7.6.

Bei der vorzüglichen Luft konnte noch alles Detail, welches am 1. Jan. gesehen wurde, erkannt werden, sogar leuchteten noch zeitweilig helle Linien im Grün (bei No. 3) auf. Die hellste Linie des Spectrums ist 5, dann folgen der Intensität nach: 6, 2, 8, 1 und 9.

Fehr. 17. Stern etwa 8. Grösse.

Spectrum sehr matt, mit Ausnahme der beiden hellen Linien 5 und 6. Die Linie 1 im Roth war nicht mehr zu sehen.

März 2. Grösse 8.5,

Auf den ersten Blick schien das Spectrum nur aus zwei hellen Linien zu bestehen, so schwach war das continuirliche Spectrum geworden. Bei Gewöhnung des Auges an die schwachen Lichteindrücke, war jedoch noch die Linie 2 und 8 zu erkennen, ja sogar noch Spuren heller Linien im Grün. Das continuirliche Spectrum war nur noch von Linie 2 bis 6 zu verfolgen. Die Linie 5 überragte alle anderen an Helligkeit sehr beträchtlich und war etwa 2 mal heller als 6.

März 10. Grösse 8.3.

Continuirliches Spectrum äusserst schwach, nur mit Anstren- gung zu sehen. 4 helle Linien waren im Spectrum zu erkennen, welche folgende Helligkeiten hatten:

No. 5 = 10 „6=5

2.

Fassen wir die vorstehenden Beobachtungen zusammen, so resultirt, dass das Spectrum des neuen Sterns ein continuirliches gewesen ist, von zahlreichen dunklen Linien und Streifen und mehreren hellen Linien durchzogen. Die Intensität dieses anfänglich

20*

250

Ge4aiiVHtsiUun g

sehr glänzenden continnirlichen Spectrums bat sich sehr bald ver- ringert, so dass dasselbe 3 Monate nach der Auffindung des Sterns nur zum Theil und da nur äusserst schwach sichtbar war. Die lutensilätsabnahme hat sich nicht gleichniässig über das Spectrum erstreckt, es haben die blauen und violetten Strahlen schneller an Glanz verloren, im Vergleich zu den Strahlen mittlerer Brechbar- keit Grün und Gelb. Der rothe Theil des Spectrums, der schon bei den ersten Beobachtungen sehr schwach und von breiten Ab- sorptionsbändern durchzogen war, ist sehr bald ganz verschwun- den, sodass eine belle Linie im Roth ganz isolirt zu stehen schien. In der ersten Zeit war ein dunkler Streifen im Grün, bei den späteren Beobachtungen eine sehr breite dunkle Bande im Blau besonders auffallend.

Die hellen Linien nbertrafen anfänglich, mit Ausnahme einer Linie im Roth, das continuirliche Spectrum nur wenig an Glanz und waren desshalb schwer sichtbar. Bei der ziemlich raschen Lichtabnahme des continnirlichen Spectrums traten dieselben jedoch besser hervor, besonders waren es, wie aus den Messungen folgt, die Wasserstoff linieu Ha und ifc, welche stark leuchteten, später eine Linie bei 499 Mill. Mm. Wellenlänge.

Diese letztgenannte Linie hat sich bei der Erblassung des Spectrums am längsten erhalten und hat schliesslich die Wasser- stofflinien, von denen die rothe zuerst merklich schwächer wurde, an Intensität öbertroffen.

Aus den Messungen, die bei der Schwierigkeit der Beob- achtungen überhaupt und besonders in Folge der leider nicht sehr günstigen Wiiterungsverbältnisse, keinen sehr grossen Genauig- keitsgrad erreichen konnten, geht wenigstens so viel hervor, dass in dem Sternspectrum hell erschienen sind:

1. Die Wasserstoff linien Ha 1

\ bestimmt,

H/ höchst wahrscheinlich.

2. Eine Linie von der Wellenlänge 499 Mill. Mm. 1 Mill. Mm.). Diese Linie fällt innerhalb der Genauigkeitsgrenzen mit der hellsten Linie des Stickstoffspectrums unter gewöhnlichem Druck zusammen, es ist dieselbe Linie, welche als hellste in den Spectren der Nebelflecke anftritt.

3. Eine verwaschene Linie bei 580 Mill. Mm. W. L.

mm. 31. Mai 1877.

251

4. Eine ebensolche bei 467 Mill. Mm. W. L. (Diese fällt ebenfalls nahe zusammen mit einer Gruppe dichtstehender Linien des Luftspectrums.)

5. Es sind ferner helle Linien wiederholt gesehen worden in der Gegend von h und E, aber einige Sicherheit über ihre Lage konnte nicht erlangt werden. Von den bei der ersten Beobachtung am 5. December gemessenen 2 Linien im Blau (W. L. 474 bezw. 470 Mill. Mm.), welche auch am 8. Dec. beobachtet worden sind, ist bei den späteren Beobachtungen nur die zweite als verwasche- ner Streifen (467 Mill. Mm. MT. L.) wahrgenommen worden.

Ich habe auf der beifolgenden lithographischen Tafel treue Copien einiger der vielen Zeichnungen, welche an den verschiede- nen Beobachtungstagen ausgeführt wurden, in ein und demselben Maafsstabe gegeben, welche die vorstehenden Beobachtungen zum Theil ergänzen werden, da sie manches Detail enthalten, welches sich schwer in TTorte fassen Hess, und anderntheils dazu dienen können, mit einem Blicke jene höchst interessanten Veränderungen zu übersehen, welche das Spectrum des Sterns in dem Zeiträume von 4 Monaten erlitten hat.

Schliesslich mögen hier noch Positionsbestimmungen des neuen Sterns in Bezug auf 2 benachbarte Sterne 9.1 und 9.4 Grösse Platz finden, welche ich an einigen der weniger günstigen Beob- achtungsabende ausgeführt habe.

Nova ^9“1 {B. D. 42° 4184)

1877.0 Aa = 25:00 = -4- 1' 15'.'4

Nova *9“4 {B. D. -h 42° 4185)

1877.0 = 35?34 aS = 1’ 13V2.

Da der erste der Vergleichsterne am Meridiankreise in Bonn be- stimmt worden ist, so folgt noch für die Position des neuen Sterns:

1877.0 21»' 36™ 52U8 + 42° 16’ 54’.’5.

252

Gesammtsitzung

Zusammenstellung und Discussion bisher bekannt gewordener Beobachtungen.

Die ersten Beobachtungen sind von Cornu vom 2. Dec. und 5. (?) Dec. 1876. Es gelang ihm rnelirere helle Linien im Stern- spectrum zu messen und zwar wie folgt:

W. L.

661

Mill. Mm.

Hu

588

99

531

99

517

99

500

99

483

99

451

99

435

99

Hy

Dunkle Streifen haben nicht mit Bestimmtheit in dem conti- nuirlichen Spectrum erkannt werden können, weil Cornu jedenfalls ein zu stark zerstreuendes Spectroskop angewandt hat und ilun desshalb manches Detail entgehen musste. Es wird diese Annahme bestätigt, beim Anblick der Zeichnung, die sich C. R. T. 83. p. 1172 befindet und auf welcher das Spectrum als aus 2 Theilen bestehend abgebildet ist, und ausser den hellen Linien kein weiteres Detail enthält.

Da die im Sternspectrum gemessene Linie W. L. 588 Mill. Mm. sehr nahe mit 7)3, ferner die Linie W. L. 531 nahe mit der be- kannten Corona-Linie (W. L. 531.6) und endlich die Linie W. L. 517 nahe mit der Mitte der Magnesiumlinien b zusammenfällt, fol- gert Cornu die vollständige Übereinstimmung der Atmosphäre des Sterns mit der Chromosphäre unserer Sonne in Bezug auf Zu- sammensetzung „en resume, la lumiere de l’etoile parait posseder exactement la meme composition que celle de Tenveloppe du soleil nomrnee chromosphere“. Ganz zutreft'end dürfte diese Folgerung wohl nicht sein, weil eine Linie, welche nicht in der Chromosphäre auftritt (VV. L. 500), neben den andern hellen Linien im Stern-

vom 31. Mai 1877.

253

Spectrum sehr deutlich sichtbar war und später sogar die inten, sivste Linie des Sternspectrurns geworden ist.

Im Vergleich mit meinen Beobachtungen ist übereinstimmend das Vorhandensein der drei Wasserstofflinien und der stärksten Linie des Luftspectrums oder der hauptsächlichsten Linie des Nebelspectrums W. L. 500, Sicherheit über die hellen Linien im Grün, für welche ich an einem Tage die W. L. 527 resp. 514 fand, habe ich durch spätere Beobachtungen nicht erlangen kön- nen; die Beobachtungen über dieselben weichen stark von den Cornu’schen ab, noch mehr die Linien im Blau, für welche ich im Mittel aus mehreren Messungen W. L. 466 Milk Mm. fand, während Cornu für dieselben 451 abgeleitet hat. Die Linie 588 Mill. Mm. habe ich auch anfänglich einmal beobachtet, später aber nicht wieder gesehen.

Secchi hat in den Astr. Nchr. (No. 2116) eine kurze Notiz über das Spectrum des neuen Sterns gegeben, er findet die Be- schreibung von Cornu richtig mit der Ausnahme, dass die hellen Linien nicht verwaschen, sondern scharf begrenzt erschienen, wie Linien in Nebelspectren. Secchi hat am 7. und 8. Jan. 1877 beobachtet, wo die hellen Linien schon sehr deutlich hervorgetreten sind. Er spricht sich sehr bestimmt aus, dass eine der hellen Linien mit Wasserstoff, die andere mit Magnesium coincidire, eine dritte Linie Natrium sei und hat sich dabei ganz entschieden wie- der einmal getäuscht, denn am 8. Jan. waren die Linien in der Nähe der Magnesium - Gruppe ganz schwach und bei D war eine helle Linie nicht vorhanden. Die hellen Linien, welche er beob- achtete, haben die W, L. 500 Mill. Mm. und 580 Mill. Mm. ge- habt und sind ziemlich weit von den Natrium- bezw. Magnesium- linien entfernt gewesen,

Copeland hat mit einem der von mir construirten Stern- spectroskope, in Verbindung mit dem 15-zölligen Refractor des Lord Lindsay’schen Observatoriums, das Spectrum zuerst am 2. Jan. 1877 beobachten können, wo der Stern 7. Grösse war. Er fand dasselbe überraschend hell, bestehend aus einem schwachen con- tinuirlichem Spectrum, unterbrochen von 5 hellen Linien, deren Wellenlänge er, wie folgt, bestimmte:

1. 655 Intense bright red ^

2. 581 Middle of a rather bright band in the yellow,

fading off rapidly on both sides.

254

3.

4.

5.

Gesammtsitzung

504

486

456

Briglit, well-clefined line.

fl n «

Faint line in the violet.

No. 1 und 4 sind die Wasserstoff linien, 3 die hellste Linie des Gasnebelspectrums (Astr. Nchr. No. 2116).

Am 9. Januar, bei unge^vöhnlich günstiger Luft, konnten noch 2 Linien beobachtet werden, deren Wellenlänge zu 594 resp. 414: Mill. Mm. bestimmt worden sind. Die erste ist als ^very narrow line“, die zweite als „excessively faint, but still certainly and repeatedly seen“ bezeichnet. In der Gegend von ungefähr 525 Mill. Mm. W. L. ist ein Maximum der Intensität in dem continuirlichen Spectrum wahrgenommen worden (Astr. Nchr. No. 2117).

Die Beobachtungen sind, wie ein Vergleich mit dem Vor- stehenden lehrt, in sehr guter Übereinstimmung mit den meinigen, bis auf die Linie im Violett (456), für welche ich eine grössere Wellenlänge gefunden habe. Die Linie 414, welche Copeland beobachtet hat, ist möglicherweise die 4. Wasserstofflinie JlS ge- wesen, wenn nicht ein Druckfehler vorliegt und 434 anstatt 414 zu lesen ist, denn auffallend wäre es, wenn Copeland die sehr gut sichtbare dritte Wasserstofflinie Hy (W. L. 434) übersehen haben sollte.

Copeland macht darauf aufmerksam, dass die Linie von der W. L. 580 Mill. Mm. recht gut mit einer Linie übereinstimme, welche ich in den Spectren von drei ebenfalls im Schwan stehen- den schwachen Sternen mit ganz abnormen Spectren ^) beobachtet habe, und ich muss gestehen, dass, so unähnlich anfänglich das Spectrum des neuen Sterns mit diesen Spectren zu sein schien, bei der allmäligen Abschwächung des ersteren ein Zusammenhang ge- funden werden kann, denn nicht nur die erwähnte helle Linie, son- dern auch ein Helligkeitsmaximum im Blau (W. L. 467 Mill. Mm.) und die dunkle breite Bande kurz vor diesem Maximum stimmen überein.

Backhouse in Sunderland hat am 26. Januar beobachtet und als hellste Linie des Spectrums die Linie von der W. L. 503 Mill. Mm. erkannt, er bemerkt, in Übereinstimmung mit meinen Wahr-

D Berichte der Königl. Sachs. Gesellsch. der Wissensch. 12. Dec. 1873.

vom 31. Mai 1877.

255

nehmungen, dass Ende December nicht diese, sondern die Linie F die hellste gewesen sei (Nature No. 379 Vol. 15 Febr. 1, 1877).

Schlussbetrachtungen.

Obgleich ich kein Freund voreiliger Hypothesen bin, so kann ich mich doch der Ansicht Cornu’s nicht anschliessen, welche er zum Schluss seiner oben erwähnten Beobachtungen in folgendem Satze zum Ausdruck bringt „Malgre tout ce quil y aurait de se- duisant et de grandiose ä tirer de ce fait des inductions relatives ä l’etat physiqne de cette etoile nouvelle, ä sa temperature, aux reactions chimiques dont eile peut etre le siege, je m’abstiendrai de tout commentaire et de toute hypothese ä ce sujet. Je crois que nous manquons des donnees necessaires pour arriver ä une conclusion utile, ou tout au moins susceptible de controle; quelque attrayantes que soient ces hypotheses, il ne faut pas oublier qu’elles sont en dehors de la Science et que loin de la servir, elles ris- quent fort de l’entraver“. Die Befürchtung, dass eine Hypothese der Wissenschaft schade, dürfte doch wohl nur in sehr seltenen Fällen gerechtfertigt erscheinen, in den meisten Fällen wird sie die Wissenschaft fördern, schon dadurch, dass sie die Aufmerksamkeit des Beobachters auf Dinge lenkt, die er ohne dieselbe möglicher- weise unberücksichtigt gelassen haben würde. Wenn freilich der Beobachter sich so stark beeinflussen lässt, dass er zu Gunsten einer Hypothese Dinge sieht, die nicht vorhanden sind wie das ja auch Vorkommen mag so kann allerdings dadurch dem Fort- gange der Wissenschaft ein Hemmniss entgegengelegt werden, die Schuld trifft dann aber jedenfalls mehr den Beobachter, als den- jenigen, welcher die Hypothese aufstellte.

Der Wissenschaft ohne es zu wollen hinderlich Aver- den, kann man auch ohne Aufstellung von Hypothesen, indem man Aussprüche thut, welche das Interesse an einer Sache schmälern und die hohe Bedeutung derselben nicht in das richtige Licht stellen. Fast möchte ich behaupten, dass durch das Lesen des oben citirten Schlusssatzes der Cornu’schen Abhandlung eine ähn- liche Wirkung hervorgebracht werden kann. Ich bin der Meinung^ dass man nirgends besser als grade im vorliegenden Falle wo

256

Gesamuitsitzung

sich in sehr kurzen Zeiträumen grossartige Unnvälzungen auf einem Himmelskörper abspiegeln die nöthigen Anhaltspunkte gewinnen könne, nutzbringende Folgerungen zu machen und Hypothesen, die über die physische Beschaffenheit der Hiimnelskörper uufgestellt worden sind, zu prüfen.

Ein Sternspectrum mit hellen Linien ist für den mit Stern- spectralanalyse Betrauten immer eine höchst interessante Erschei- nung, wohl werth eines ernsten Nachdenkens. Denn wenn auch in der Chromosphäre unserer Sonne am Sonnenrande sehr zahl- reiche helle Linien zu erkennen sind, so treten doch nur dunkle Linien im Spectrum auf, wenn man ein möglichst kleines, stern- artiges Bild der Sonne erzeugt und spectroskopisch betrachtet. Es Avird gewöhnlich angenommen, dass die hellen Linien in einigen Avenigen Sternspectren A'on Gasen herrühren, die aus dem Innern des leuchtenden Körpers hervorbrechen und deren Temperatur die der Oberfläche desselben übertreff'en, Avie man Ähnliches in den Spectren der Sonnenflecke zinveilen beobachten kann, wo glühen- des Wasserstoff gas, aus dem heissen Innern emporgeschleudert, über den kälteren Flecken, sich durch das IlellAverden der Wasser- stoff'linien kundgiebt. Es ist dies aber nicht die einzige Erklärung. Man kann auch annehmen, dass die aus glühenden Gasen beste- hende Hülle eines Sterns, Avie es bei unserer Sonne der Fall ist, im Allgemeinen eine geringere Temperatur besitzt als der Kern, relativ zu dem letzteren aber sehr gross ist.

Bei der ersten Annahme lässt sich meines Erachtens ein Be- stehen der Erscheinung auf längere Zeit nicht wohl denken. Es Avird das aus dem heisseren Innern des Körpers hervordringende Gas einen Theil seiner Wärme der Oberfläche des Körpers mit- theilen und die Temperatur desselben erhöhen, infolge dessen wird die Temperatur zAvischen dem glühenden Gase und der Oberfläche des Körpers bald nicht mehr gross genug sein, und die hellen Li- nien im Spectrum Averden verschwinden.

Es passt diese Annahme ganz entschieden für plötzlich er- scheinende und bald wieder verschwindende oder wenigstens an Intensität sehr Aveit herabsinkende, für sogenannte neue Sterne, in deren Spectren helle Linien auftreten, Avenn man zu ihrer Erklärung die Aveiter unten envähnte Hypothese gelten lässt. Für einen sta- bilen Zustand scheint mir die zAveite Annahme geeigneter zu sein; ich möchte also vennuthen, dass Sterne, Avie ß Lyrae, 7 Cassio-

vom 31. Mai 1877.

257

pejae und andere, welche die Wasserstoff linien und die Linie nur mit geringen Helligkeitsschwankungen, hell auf continuirlichem Grunde zeigen, verhältnissmässig sehr grosse Atmosphären von Wasserstoff und dem unbekannten Stoffe, dem die Linie zuge- hört, besitzen.

In Bezug auf den neuen Stern erinnere ich an eine Hypo- these, welche Zöllner, noch vor der beträchtlichen Erweiterung, welche die Forschung auf dem Gebiete der Astrophysik durch die Spectralanalyse erfahren, aus den schönen Beobachtungen Tycho’s über den nach ihm benannten Stern abgeleitet hat.

Zöllner nimmt bekanntlich an, dass auf der Oberfläche eines Sterns bei der fortdauernd stattfindenden W^ärmeausstrahlung, die Abkühlungsprodukte, die wir auf der Sonne mit dem Namen Son- nenfiecke bezeichnen, in einer Weise zunehmen, dass schliesslich die ganze Oberfläche des Körpers mit einer kälteren, weniger oder nicht mehr leuchtenden Schicht bedeckt ist. Durch ein plötzliches und gewaltsames Zerreissen derselben, muss nothwendig die von ihr eingeschlossene Glutmasse hervordringen, und auf diese Weise, je nach der Grösse ihrer Ausbreitung, mehr oder weniger grosse Stellen der bereits dunklen Umhüllung des Körpers wieder leuch- tend machen. Einem entfernten Beobachter wird ein solcher Aus- bruch aus dem heissen noch glühenden Inneren eines Weltkörpers, sich als das plötzliche Aufleuchten eines neuen Sterns ankündi- gen. Dass die Lichtentwickelung unter Umständen eine ausser- ordentlich grosse werden kann, „würde sich aus dem Umstande er- klären lassen, dass alle die chemischen Verbindungen, die sich bereits unter dem Einfluss einer niedrigen Temperatur an der Oberfläche gebildet haben, durch das plötzliche Hervorbrechen der inneren Glutmasse wieder zersetzt Averden, und diese Zersetzung, wie bei irdischen Körpern, mit einer Licht- und Wärmeentwicke- lung von Statten geht. Es Aväre demnach das starke Aufleuchten nicht nur den, durch die hervorgequollene Glutmasse wieder leuch- tend gewordenen, Theilen der Oberfläche zuzuschreiben, sondern gleichzeitig einer Art Verbrennungsprozess, der durch die Be- rührung bereits erkalteter Verbindungen mit der glühenden Masse des Innern eingeleitet wurde“ ^).

*) Zöllner, photom. Unters. Leipzig 1865, pg. 251.

258

Gesammlsitzung

Die Zöllner’sche Hypothese über die allmälige Entwickelung der Weltkörper, welche er in seinen photojnetrischen Untersuchun- gen (S. 231 ff.) aufstellt, hat durch die spectralanalytischen Unter- suchungen im Wesentlichen nur Bestätigung erhalten. Wir er- kennen die verschiedenen Stadien der Abkühlung im Spectrum, und haben an einigen schwächeren Sternen sogar deutliche An- zeichen, dass in den die glühenden Körper umgebenden Atmo- sphären, bereits chemische Verbindungen sich bilden und halten können^). Die Hypothese über neue Sterne wird in keinem Punkte durch die spectralanalytische Beobachtung an den beiden neuen Sternen von 1866 und 1876 widerlegt.

Das sehr helle continuirliche Spectrum und die an Intensität dasselbe anfänglich nur wenig übertreffenden hellen Linien, würden sich nicht gut erklären lassen allein dadurch, dass gewaltsame Gas- ausbrüche aus dem Innern die Oberfläche ganz oder theilweise wie- der leuchtend machen, wohl aber mit der Annahme, dass die Licht- ausstrahlung durch einen Verbrennungsprocess um Beträchtliches erhöht wird. Ist derselbe von kurzer Dauer, so wird das conti- nuirliche Spectrum, wie es bei dem neuen Stern von 1876 der Fall war, sehr rasch bis zu einer gewissen Grenze an Intensität abnehmen, während die von den glühenden Gasen, welche in enor- men Quantitäten dem Innern entströmt sind ^), herrührenden hellen Linien im Spectrum, sich längere Zeit erhalten werden.

Dass das Erblassen des Sterns mit einer Abkühlung der Ober- fläche im Zusammenhang steht, geht aus den Beobachtungen des Spectrums unverkennbar hervor. Es haben die violetten und blauen Theile desselben schneller an Intensität abgenommen, als die anderen

') Berichte der königl. sächs, Gesellschaft der Wissenschaften, 12. Dec. 1873. S. 553. Astr. Nachr. Nr. 2000.

') Ich möchte hier eine AVahrnehmiing nicht unerwähnt lassen, die von einem der zuverlässigsten Beobachter herrfdirt und die darauf hindeutet, dass Gasausbrüche von ganz enormen Dimensionen Vorkommen können. Iluggins sagt über den neuen Stern von 1866 (Monthly Notices Vol. XXVI. p. 275, 276): „On that evening (May 16) a very faint nehulosity was seen e.xtending some little distance round the star, and gradually fading away at its outer houndary. A comparative examination of neighbouring Stars showed that this appearance of nehulosity was due to the star itself.

vom 31. Mai 1877.

259

Theile, und die Absorptionsstreifen, welche das Spectrum durch- zogen, sind nach und nach dunkler und breiter geworden.

Es ist sehr zu bedauern, dass die Nachricht von Schmidt’s Entdeckung so spät bekannt geworden ist, und uns spectroskopi- sche Beobachtungen aus der ersten Zeit fehlen. Nach Schinidt’s photometrischen Beobachtungen^) hat der Stern, in den ersten Tagen nach der Entdeckung, eine sehr plötzliche Abnahme der Helligkeit gezeigt, welche möglicherweise von interessanten Veränderungen des Spectrums begleitet gewesen ist. Es dürfte zu empfehlen sein, bei der Erscheinung neuer Sterne sobald als möglich spectroskopische Beobachtungen anzustellen. Auch mit kleineren Fernröhren können in einem solchen Falle werthvolle Beobachtungen erhalten werden, wenn man sich nur genügend schwach zerstreuender Spectroskope bedient.

Hr. G. Kirchhoff machte eine Mittheilung über, von Hrn. F. Strehlke ausgeführte, Messungen der Töne kreisförmiger Klang scheiben.

Vor längerer Zeit hat Hr. Strehlke sehr sorgfältige Messungen über die Knotenlinien kreisförmiger Klangscheiben angestellt; er hat diese jetzt ergänzt durch die Messung der entsprechenden Töne. Jene älteren Resultate des Hrn. Strehlke habe ich im 81. Bande von Poggendorff’s Annalen zusammengestellt mit den Resultaten der Theorie der Plattenschwingungen, die ich entwickelt hatte. In dieser Theoi’ie kommt eine Grösse vor, die mit Sicherheit sich nicht angeben Hess, nämlich das Verhältniss der Quercontraction zur Längendilatation eines in der Richtung der Länge gespannten Stabes, der aus der Substanz der Platte besteht; nach Poisson sollte dieses Verhältniss für alle isotropen Substanzen nach Wertheim ^ sein. Für jede dieser beiden Hypothesen hatte ich

) Astr. Nchr. Nr. 2115.

2G0

Gesammtsitzung

die Töne und die Knotenlinien einer kreisförmigen Scheibe be- rechnet, in der Hoffnung, dass die Beobachtungen entschieden zu Gunsten der einen oder der andern spreclien würden. In Betreff der Knotenlinien bestätigte sich diese Hoffnung nicht; die beiden Theorien ergaben die Radien der Knotenkreise so nahe gleich, dass die Messungen trotz ihrer grossen Genauigkeit zwischen ihnen nicht entscheiden konnten, sondern mit beiden in befriedigender Übereinstimmung waren. Grössere Unterschiede zeigten die beiden Theorien in Betreff der Tonhöhen; die Messungen, die Hr. Strelilke nun über diese ausgeführt hat, stimmen auf das Genaueste mit den Ergebnissen der Po isson’ sehen Hypothese und sind unverträglich mit denen der Werth ei m’schen.

Hr. Strehlke hat seine Versuche an 6 verschiedenen Glas- platten mit Hülfe eines Monochords und einer Reihe sorgfältig ab- geglichener Stimmgabeln angestellt; wie zuverlässig seine Resultate sind, kann aus der Übereinstimmung der bei den verschiedenen Platten gewonnenen Zahlen ersehen werden, die die folgende Zu- sammenstellung zeigt. In derselben sind die Schwingungszahlen der 6 Platten bei entsprechenden Schwingungsarten die Schwin- gungszahl des Grundtones einer jeden Platte = 1 gesetzt an- gegeben. Bezeichnet man mit d die Anzahl der Knotendurchmesser, mit k die Anzahl der Knotenkreise, so bezieht sich die erste Ver-

tikalreihe auf die Schwingungsart

11

= 0,

d. h. auf den Grundton,

die zweite

auf die Schwingungsart

d = 0,

= 1,

die dritte

»

eo

11

= 0,

die vierte

n

d = 1, k

= 1.

1,000

1,613

2,313

3,694

1,000

1,607

2,308

3,699

1,000

1,609

2,312

3,700

1,000

1,613

2,310

3,699

1,000

1,610

2,313

3,698

1,000

1,610

2,313

3,697

Die Theorie ergiebt für diese Zahlen nach der Poi sson’schcn Hypothese

vom 31. Mai 1877.

261

1,0000 1,6131

und nach der Wer thei m’schen

2,3124

3,7032,

1,0000 1,7284

2,3274

3,9072.

Dass für Glas die Poi ss o n’sche Hypothese sehr nahe richtig ist, folgt auch aus Versuchen ganz anderer Art, die Hr. Cornu mit Glasstreifen angestellt und in den Comptes rendus der Pariser Akademie t. 69 p. 333 beschrieben hat.

PIr. ^Y. Peters legte vor:

Übersicht der während der Reise um die Erde in den Jahren 1874 1876 auf S. M. Schiff Gazelle gesammelten Land- und Süsswasser-Mollusken, von Hrn. Professor Dr. E. von Martens.

I. Lauclschnecken.

a) Operculata.

1. Cyctotus Hehraicus Less. sp.

Valvata hebraica Lesson, Voyage de la Coquille, Zoologie II. 1. p. 347. pl. 13. Fig. 8.

Cyclostoma 'papua Quoy et Gaimard Voyage de V Astro- labe, Zoologie II. p. 185. pl 12. Fig. 23 26.

Cyclotus hebraicus Pfeiffer monographia pneumonopomorum

I. p. 35.

Neu-Guinea, am Mac Cluer- Golf.

2. Cyclotus liratulus Martens.

Cyclotus liratulus Martens Monatsberichte d. Ak. d. TT7ss. 1864. S. 117. Preuss. E.vped. nach Ostasien. Zool. II. S. 127. Taf. 2. Fig. 15.

Amboin a.

262

Gesammtshzung

3. Leptojioma vitreum Less. sp.

Cydostoma vitrea Lesson Vog. Cog. zool. II. 1. p. 315. pl. 13. Fig. 6.

Cydostoma lutea Quoy et Gaimard Voy. Astrol. zool. II. j). 180. pl. 12. Fig. 11 14.

Leptopoma vitreum Pfeiffer monogr. pneum. I. p. 101. Martens, Die g^reussische E.vjiedit. nadi Ost- Asien. Zool. II. S. 143. Taf. 4. Fig. 2.

Neu-Guinea an» Mac Cluer-Golf, und Neu-IIanno ver, ganz übereinstimmend mit den Exemplaren meiner ersten Varietät von Ternate und Batjan.

4. Pupina aurea Hinds.

Pupina aurea I I i n d s Voyage of II. M. S. SulpAiur, zoology, j)l. 16. Fig. 20, 21. Pfeiffer mon. pneum. I. p. 142.

N eu -Irland, am Carteret-Hafen, kleiner als die von Hinds beschriebenen Exemplare.

5. Cydostoma Novae Hiherniae Q. G. Taf. 2. Fig. 1 4.

Cydostoma Novae Iliberniae Quoy et Ga im. Voy. Astrol. X, zool. II. p. 182. pl. 12. Fig. 18, 10.

Testa perforata, glohoso-conica, tenuicula, Uris spiralibus confer- tis angustis ciliatis et striis incrementi confer tioribus Jecussata, lutea aut rufofusca, spira conica, acuta; anfr. 5, convexi, ultimus rotunda- tus; apertura subobliqua, circular is, peristoma subinerassatum, leviter e.Tpansum, superne interruj>tum, callo tenui junctum, margine columel- lari auriculatim dilatato. Oj>erculum calcareum, supra angulatum, ceterum circulare, extus concaviusculum, 5-sj>iratum.

Diam. maj. 8, min. 6, alt. 8^, apert. 5 Mill.

Neu-Hannover, am zweiten Ankerplatz S. M. S. Gazelle (Wasserhafen) und Neu-Irland beim Carteret-Hafen.

Die vorliegendenExemplare, einige gelb, andere dunkelrothbraun, ohne sonstige Unterschiede, stimmen recht gut mit der angeführten Beschreibung und Abbildung überein; da aber erstere etwas kurz ist, wird hier eine ausführlichere gegeben. Was jedoch Dr. L. Pfeiffer als C. Novae Iliberniae var. ß aus Cuming’s Sammlung,

vom 31. Mai 1877.

263

in seiner Monogr. pneumonopom. p. 220 beschreibt (vgl. auch in der neuen Ausgabe von Chemnitz, Cyclostoma S. 158. Taf. 21. Fig. 24 26) und Reeve conchol. icon. Bd. XIII als Cgcl. Nov. Hib. Fig. 100 abbildet, gehört der weit schwächeren Sculptur nach nicht da- zu und scheint vielmehr dem Leptopoma vitreum sehr ähnlich zu sein ; es dürfte sich fragen ob der an den angeführten Orten be- schriebene Deckel wirklich zu dieser Schnecke gehört und nicht etwa hier ein Zusammenwerfen der Schale eines Leptopoma mit dem Deckel eines Cyclostoma Novae Hiherniae stattgefunden hat, da ja beide auf Neu -Irland zusammen Vorkommen, wie die Samm- lungen von Quoy und Gaimard, sowie die auf S. M. Schiff Ga- zelle gemachten zeigen. Dagegen ist C. pygmaeum Sow. tliesaur. conch. I. Fig. 253., Pfeiffer mon. pneum. p. 187 (als Otopoma) und Reeve conch. ic. Fig. 121, ebenfalls von Neu-Irland, unserer Art äusserst ähnlich, nur merklich kleiner, vielleicht also dieselbe in unausgewachsenem Zustand, was ich aber ohne Vergleichung der Original-Exemplare dahin gestellt sein lassen muss.

Hr. Cand. Pfeffer hat die Reibplatte (Badula) an den vor- liegenden Exemplaren untersucht und gibt davon folgende Beschrei- bung:

Die Gestalt des Mittelzahnes, des Neben- und ersten Seiten- zahnes ist im allgemeinen dieselbe; der vordere abgerundete Rand biegt sich etwas nach oben über und zeigt an seinem Rande eine feine Zähnelung. Der äussere Seitenzahn zeigt die grosse drei- eckige Gestalt der Cyclostoma- Arten.

Der Mittelzahn ist symmetrisch, 0,03 Mm. breit und 0,05 Mm. lang. Da die Zähnchen am Rande sehr undeutlich sind, ihre Aus- bildung auch oft unterdrückt zu werden scheint, so zählte ich sie- ben, acht und neun; immerhin scheint neun die Normalzahl zu sein, nämlich der Nebenzahn zeigte gewöhnlich acht, der erste Seitenzahn neun Zähnchen. Da nun bei den Cyclostoma- Arten mit vierzähnigem Nebenzahne und fünfzähnigem ersten Seitenzahn der Mittelzahn fünf Zähnchen zeigt, d. h. ersterer ein Zähnchen weni- ger, der zweite ebensoviel wie der Mittelzahn, so ist wohl der Schluss aus der Analogie erlaubt und neun als die normale Zähn- chenzahl des Mittelzahnes anzusehen.

Der Nebenzahn ist 0,03 Mm. breit, 0,092 Mm. lang und ähnelt ganz dem Mittelzahn, nur durch die unsymmetrische Absatzstelle [1877]

21

264

Gesammtsitzung

an der Membran und durch die ein wenig stärkere Ausbildung der Zäl)nchen nach der Innenseite zu wird er etwas unsymmetrisch.

Der innere Seitenzahn ist sehr lang, nämlich 0,2 Mm. bei einer Breite von 0,03 Mm.

Der äussere Seitenzahn ist dreieckig, an dem Aussenrande zeigt er viele Einkerbungen, die sich nach der Innenseite des Zahnes zu als Furchen fortsetzen und dann unmerklich verschwinden. Der Rand einer jeden Einkerbung ist nach oben umgeschlagen. Jedes auf diese Weise gebildete Zahntheilchen zeigt meist drei nur bei stärkerer Vergrösserung wahrnehmbare schwächere und kürzere Furchen. Die Aussenseite des äusseren Seitenzahnes betrug 0,13 Mm., die Innenseite 0,092, die untere 0,097.

Hiernach bestätigt die Beschaffenheit der Reibplatte, was schon aus dem Deckel geschlossen werden konnte, dass die vorliegende Art in der That zu den Cyclostomiden im engeren Sinne gehört, welche hauptsächlich in Afrika zu Hause sind, und nicht zu den für Ostasien charakteristischen Cyclophoriden (Cyclotaceen); doch stimmt sie im Einzelnen mit keiner der bis jetzt beschriebenen überein, am nächsten kommt sie noch derjenigen von Leonia ma- miliaris sowie der der folgenden Schnecke.

G. Omph alotropis oceanica Hombr. et Jacq. sp.

Cyclostoma oceanica Hombron et Jacquinot Voijage au pole Sud, zool. V. p. 48. pZ. 12. Fig. 4 6‘.

Insel Vavao, Freundschafts-Inseln.

Die Reibplatte ist von Hin. G. Schacko untersucht und als dem Typus der Cyclostomiden zugehörig erkannt worden; die nä- here Beschreibung wird derselbe demnächst anderwärts geben.

7. Omj)halotropis bulimoides Hombr. et Jacq. sp.

Cyclostoma bulimoides Hombron et Jacquinot Voy. pole Sud, zool. V. id. 12. Fig. 37 33. Hydrocena

bid. Pfeiffer mon. jmeum. p. 162.

Neu-Irland, am C arteret - Hafen.

8. Omphalotropis conoidea Mouss.

Moussoii Journ. de Conchyliologie. XIII. 1865. p. 182.

Upolu, Samoa-Inseln.

vom 31. Mai 1877.

265

9. Truncatella valida Pfr.

Pfeiffer Zeitschrift f. Malakoz. 1846. S. 182; mon. auri- culaceorum p. 184; neue Ausg. von Chemnitz., Truncatella Taf. 2. Fig. 19 23. v. Martens Preuss. Exped. n. Ostasien, zool. II. S. 162.

Neu-Irlaud am Carteret-Hafen. Weit verbreitet im ma- layischen Archipel.

10. Helicina mxilticolor Gonld.

Pfeiffer monogr. pneum. suppl. 1. p>- 241.

Vavao, Freimdschafts-Iiiseln.

11. Helicina lutea Less.

Lesson Voyage de la Coquille zool. II. 1. 350. pl. 13.

Fig. 10. (non Sow.)

Neu-Gninea, im Mac CI uer - Go If.

12. Helicina fulgora Gould.

G Oll Id Proc. Boston soc. nat. hist. 1847. p. 201. Pfr. mon. pneum. p. 401. Mousson Journ. Conch. XIII. 1865. p. 178.

Upolu, Samoa- Inseln.

b) Stylommatojihora.

13. Nanina citrina L. sp.

Rumph amhoinsche rariteitkamer p. 92. tah. 27. Fig. P. Helix ciü'ijia Linne syst. nat. ed. X. p. 771. Pfeiffer monogr. heliceorum I. p. 53. Nanina citrina Gray Proc. Zool. Soc. 1834. p. 39. v. Martens Preuss. Exp. Ost- Asien, zool. II. S. 193. Taf. 6. Fig. 1, 2 und Taf. 7 . Fig. 4.

A ni b o i n a.

21*

266

Ge/iammtsitzung

14. Nanina cidaris Lam. sp,

Helix cidaris Lamarck hist. nat. an. d. vert. ed.2. VIII. p. 45. V. Martens a. a. O. S. 203. Ta/. .9. Fig. 3.

Pariti und Taimanan auf Timor.

15. Nanina rufa Less. sp.

Helix rufa Lesson Voy. de la Coquille, zool. II. 1. 1830. p>. 305. qü. 13. Fig. 2. Helix Novae Iliherniae Quoy et Gaimard T’’o^. de V Astrolahe, zool. II. 1832. p. 124. pl. 10. Fig. 14 17. Pfeiffer mon. hei. I. p. 79 und in der neuen Ausgabe von Chemnitz, Helix Taf. 88. Fig. 1, 2.

Carteret-Hafen auf Neu-Irland.

Die vorliegenden Exemplare zeigen, dass diese Art sowohl in der relativen Höhe der Schale, wie N. Ilumphreysiana Lea, als auch in der stärkeren oder schwächeren Ausprägung des Kiels variiren: als Beleg für das erstere mögen die Dimensionen der zwei unter sich am meisten abweichenden Exemplaren angeführt werden: a) Diam. major 22, min. 18, alt. 12, apert. lat. 12, alt. 9^ Mill.

n » n n 7> n r> ^ w

Man hat in neuerer Zeit ziemlich allgemein, aber mit Unrecht, Lesson’s Art auf eine Schnecke von der Insel Mauritius be- zogen, welche z. B. von Pfeiffer in der neuen Ausgabe von Chem- nitz, Helix Taf. 87 Fig. 4, 5 und von Ileeve conch. ic. Fig. 93 als Helix rufa abgebildet ist und welche durch mehr abgerundete Ge- stalt, stärkeren Glanz, sehr geringen Unterschied in der Färbung zwischen Ober- und Unterseite und auffällige zerstreute Spiral- furchen leicht zu unterscheiden ist. Lesson gibt ausdrücklich Port Praslin auf Neu-Irland als Fundort seiner Art an. G. Nevill hat in einem Briefe vom 23. März 1877 an mich die Über- zeugung ausgesprochen, dass jene Art von Mauritius identisch mit Helix semifusca Deshayes in Beianger voyage aux Indes orientales, zool. 2>- il4. pl. 1. Fig. 8 10 sei und dass der dort angegebene Fundort Pondichery sowohl für diese als für die ebenda beschrie- bene Omj)halotropis aurantiaca ein Irrthum sein müsse. So hoch ich nun auch Hrn. Nevill’s Autorität für die indische Schnecken- fauna schätze, so muss ich doch dagegen bemerken, dass die cha-

vom 31. Mai 1877.

267

rakteristischen Spiralfiirchen weder in der Beschreibung von Des- hayes erwähnt werden er nennt sie einfach „laevigata“ noch in der xVbbildung zu erkennen sind, auch passt letztere im Umriss nicht vollständig und so möchte ich denn für die Schnecke von Mauritius, H. riifa L. Pfr. und Reeve, non Lesson, den neuen Namen scaljyta vorschlagen, da ihre Furchen an durch Kratzen mit dem Fingernagel entstandene Risse erinnern; sie dürfte in die Verwandtschaft der semicerina Morelet (i?aiü50?n‘s Barclay), also zu Rotularia Mörch gehören, während die ächte neuirländische rufa Less. an striata Gray (naninoides Bens.) sich anschliesst und mit dieser zu Ariophanta im Sinne Semper’s zu stellen sein dürfte.

15. Nanina explanata Q. G. sp. Taf. I. Fig. 1 3.

Helix explanata Quoy et Gaimard Vog. Astrolahe, zool. II. p. 123. pl. 10. Fig. 10 13. Helix exilis (non O.

Fr. Müller) Ferussac hist. nat. moll. terr. 09. A.

Fig. 1; Pfeiffer mon. hei. I. p. 78.

Testa perforata, lenticularis, acute carinata, tenuis, superne con- fertiin oblique striatula, striis latiorihus intermixtis, rufescenti-fiilva, suhtus pallidior, striis debilioribus, prope centrum nitide albida; anfr. 6, superne sulplani, xdtimus non desccndens, carina peripherica, funi- formi, paullo pxallidiore munitus, supra et infra aequaliter convexus, utrmque juxta carinam inipressus, impressione infera fascia angusta rufescente notata; apertura rhomboidea, subsecuriformis, extus subro- strata; peristoma leviter incrassatuxn, rectum, margine supero strictiu- sculo, infero arcuato, ad insertionem ptaulum dilatato.

Diam. major 30, min. 25^, alt. 12, apex't. lat. 46, alt. 10 Mill.

Neu - Guinea am Mac C 1 u e r - G o 1 f.

Auch diese xVrt ist wie die vorhergehende schon durch die französischen Expeditionen entdeckt, aber nachher wieder verkannt und verwechselt M’orden. Zuerst hat Beck index moll. 1837 p. 4 sie zugleich mit rufa Less. als Synonym von exilis Müll, aufge- führt und Pfeiffer mon. hei. I. p. 78 ist ihm hierin gefolgt. O. Fr. Müller beschreibt aber seine Helix exilis hist. verm. II p. 22 als subcarinata, während die unsrige stark gekielt ist, und spricht von einer area centri rufofusca, welche der unsrigen ganz fehlt; sollte er vielleicht N. Bataviana Busch vor sich gehabt haben?

268

Gesammt Sitzung

Er selbst kannte den Fundort seiner Sclinecke nicht und es ist nicht wahrscheinlicli, dass damals schon Landsclinecken aus Nen- Guinea nach Europa gekommen seien. Ferner identifizirt Pfeiffer a. a. O. seine exilis - explanata mit einer philippinischen Art aus Cuming’s Sammlung, welche nach den auch unter sich nicht ganz übereinstimmenden Abbildungen in der neuen Ausgabe von Chem- nitz, Helix Taf. 137, Fig. 10 12 und bei Reeve conch. ic. Fig. 16 ziir Gruppe Bhysota gehört. In der oben beschriebenen Schnecke glaube ich nun die ächte explanata von Quoy und Gaimard von PortDorey in Neu-Guinea wieder zu erkennen, muss sie aber für verschieden von exilis Müll, und von exilis (Müll.?) Pfr., Reeve halten. Ein Exemplar enthielt noch die eingetrockneten Weichtheile und Hr. Cand. Pfeffer konnte daran konstatiren, dass der Geschlechtsapparat mit dem von Prof. Semper für die Ab- theilung beschriebenen übereinstimmt; die Schale schliesst

sich an diejenige mehrerer Arten aus dem malayischen Archipel wie arguta Pfr., Janus Chemnitz und i-egalis Rens. an. Der Artname explanata kann bleiben trotz der älteren Ilelix explanata Müll., da der letztere mit a/6e//a Lin n e zusammenfällt, vgl. Hanley ipsa Finnaei conchylia p. 358.

17. Nanina (Eurypus) P/ei/feri Phil. sp.

Helix Pfeifferi Philippi Archiv f. Naturgeschichte 1845 i). 62; Pfr. mon. hei. 1. p. 54 und Chemnitz ed, nov. Taf. 31. Fig. 9, 10; Reeve conch. ic. Fig. 1282; Mous- son Journ. de Conchyliologie XVIII p. lli. Heli- carion Pfeifferi Semper Reisen im Archipel der Philip- pinen, III. Landschnecken S. 31. Taf. 3. Fig. 8 und Taf. 6. Fig. 14.

Helix lurida Gon Id Proc. Boston Soc. nat. hist. 1846 p. 25.

Viti-Levu, am Re wa- Fluss.

Eine für die Gruppe der Viti -Inseln ganz charakteristische Art; die frühere Angabe, dass sie aus China stamme, hat sich nicht bestätigt. Prof. Semper stellt sie zwar a. a. (). zu Heli- carion, aber da der Schalen-llabitus, das Vaterland und auch die Geschlechts-Organe (diese nach Semper’s eigener Angabe) mit Eu- rypus übereinstimmen, möchte ich sie lieber hierzu setzen.

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18. Trochomor'pha Solarium Q. G. sp.

Helix Solarium Quoy et Gaimard Voy. Astrol. zool. II. •p 131. pl. 11. Fig. 24 29. Pfeiffer mon. hei. I. p. 120 und in der neuen Ausgabe von Chemnitz Taf. 87 Fig. 21. 24.

Neu- Irl and beim Carte ret-Hafen (dies ist auch der Fundort der von Quoy und Gaimard gesammelten Exemplare) und Neu- Guinea an der Segaar-Bay.

19. Patula Hookeri Reeve sp. Taf. 2. Fig. 5 10.

Reeve conchol. icon. VII. Fig. 1474. Pfeiffer monogr. helic. IV. 20. 87. Kidder Bulletin of the United States , Nat. Museum No. 3. 1876. p. 45. S t u d e r in den Ver-

handl. d. Gesellsch. für Erdkunde zu Berlin. III. 1876. S. 165.

Die einzige Landschnecke von der Kerguelen -Insel, bei Betsy-Ceve überall bis weit ins Innere und bis etwa 1000' aufwärts unter Steinen und zwischen den Wurzeln der AzoreUa se- lago von der deutschen Expedition gefunden, früher schon auf der Expedition des Erebus und Terror durch Dr. J. D. Hooker entdeckt.

Diese Art nähert sich in den Charakteren der Schale noch am meisten der H. Dianae Pfr. von S. Helena, ferner einiger- mafsen der II. quadrata Fer. und tessellata Mhlfld, von Juan Fernandez (Gruppe Siephanoda Alb.) und in anderer Hinsicht den kleinen zu Paryphanta gestellten neuseeländischen Arten, ohne mit Einer davon nahe übereinzustimmen. Die Schale ist sehr arm an Kalk, dagegen mit einer dicken Cuticula versehen. Da sie von Reeve nur in Einer Stellung abgebildet wurde, füge ich hier eine genauere Abbildung von mehreren Seiten bei und zugleich die Re- sultate der anatomischen Untersuchung, Avelche Hr. G. Schacko und Cand. Pfeffer auf meine Bitte zu machen die Güte hatten;

Die Fufssohle ist durch zwei longitudinale und viele transver- sale Furchen in Felder getheilt, die durch die äusseren Felder ge- bildete Randzone ist dunkel pigmentirt, wodurch die Sohle drei- theilig erscheint. Mantelanhänge sind nicht vorhanden.

Der Kiefer ist 0,7 Mm. lang und 0,68 Mm. breit, also ziemlich schmal, schwach gebogen, in der Mitte des convexen Randes auf-

270

Gesammtsüzung

fällig verbreitert; er zeigt feine etwas wellige Querstreifen und zahlreiche schmale senkrechte Furchen, welche den concaven Rand kaum merklich einkerben. An jungen Exemplaren erscheint er wie aus schmalen Platten zusammengeset/t und nur durch die unterliegende Membran zusammengehalten (G. Schacko).

Die Zahnplattcn der Reibplatte sind eigenthümlich gedrungen, ihr hakenförmig vorstehendes Stück sehr gross, breit und stumpf abgerundet, schaufelförmig, die Basalplatte sehr dünn und oft kürzer als der Haken. Die Querreihen stehen so dicht, dass die Schaufelspitzen der einen Reihe die Basalplatten der vorhergehen- den fast in ihrer Länge decken. Der Mittelzahn ist etwas schmäler als die nächsten Nebenzähne und diese bleiben bis zum 11. demselben ziemlich ähnlich, vom 12. an treten ein innerer und ein äusserer Seitenzacken auf, welche bei den äussersten Zähnen, dem 22. bis 25., wieder schwinden (G. Schacko). Übrigens schwanken sowohl der äussere als der innere Seitenzacken hedeu- tend in ihi’em Auftreten und bedingen dadurch ein ziemlich regel- loses Auftreten von fast oder ganz symmetrischen neben völlig un- symmetrischen Formen der Seitenzähne. In der Regel bleiben die Seitenzacken mindestens doppelt so klein als die mittlere Schaufel- spitze des Zahns. Auch das Verhältniss der Basalplatte zu dem obern zurückgebogenen Stück des Zahns ist nicht ganz beständig in den verschiedenen Querreihen, nur an den Randzähnen ist sie konstant kürzer, an den übrigen bald länger, bald kürzer (Pfeffer). Die Länge der ganzen Reibplatte beträgt 2,41 Mm., die Breite 0,68; Querreihen wurden 205 gezählt (Schacko) und in den Querrei- hen fanden sich je nach den Individuen 35, 51, 57 und 65 Zähne (Pfeffer).

Der Geschlechtsapparat zeigt keine besonderen Anhangsorgane, weder Glandulae mucosae noch Pfeilsack oder Flagellum, Dagegen besitzt die gestielte Blase an ihrem freien Ende einen rührigen Fortsatz, welcher an dem einen der untersuchten Exemplare ge- schlängelt, an einem andern starr und gerade war (Pfeffer).

Hiernach gehört die vorliegende Art im Allgemeinen allerdings, wie schon die Schale erwarten Hess, zu der Abtheil nng Paiula, welche wegen des Mangels von Pfeil und andern Anhangsorganen wohl als eigene Gattung den übrigen IJelix gegenüber gestellt wer- den darf; aber es lindet keine nahe Übereinstimmung mit andern schon anatomisch untersuchten Arten statt, namentlich nicht mit

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den europäischen, unter welchen P. rufestris Drap, wohl einige Ähnlichkeit im Kiefer und im Mittelzahn zeigt, rotundata Müll, und ruderata Stud. aber in der Gesammtform der einzelnen Zähne ziemlich abweichen. Nähere Verwandtschaft findet sich vielleicht mit australischen und neuseeländischen Arten, Avenn diese einmal anatomisch untersucht sein werden. Wegen der starken Entwick- lung der Cuticula, die am Mundsaume in gleicher Weise bei trocke- nen Stücken eingebogen erscheint, könnte man auch an Verwandt- schaft mit der grossen neuseeländischen Paryiihanta Busbyi Gray sp. denken, dei'en systematische Stellung auch noch, da wir ihre anatomischen Charaktere nicht kennen, ganz zAveifelhaft ist; doch kann die genannte Übereinstimmung auch nur durch das Vor- kommen in gleich excessiv feuchtem oceanischern Clima bedingt sein.

20. Helix similaris Fer.

Ferussac hist. nat. moll. terr. pl. 25b. Fig. 1 i und pl. 27a. Fig. 1. 3; Pfeiffer man. hei. I. p. 336; y. Mar- tens Preuss. Exped. Ost- Asie7\, zool. II. S. 7, 43 und 270.

Insel Ascension im atlantischen Ocean, die erste von da bekannt gewordene Landschnecke, aber wahrscheinlich nicht ur- sprünglich dort einheimisch, sondern eingeschleppt, da diese Art an vielen von europäischen Schiften vielbesuchten Hafenplätzen so- wohl Südamerikas als Ostindiens vorkommt. Prof. St u der schreibt mir darüber in einem Brief vom 2. Mai 1877: „Diese Schnecke „fand sich nur auf dem Green mount in circa 2500' Höhe unter „dichten Rasen von Lebermoosen. Die Höhe dieses Berges, avo- „rauf das Haus des Kommandanten, das Spital und einige andere „Gebäude stehen, bildet in der öden Wildniss eine wahre Oase (da- „her auch der Name), indem der vorüberstreichende Passatwind „hier seine Feuchtigkeit niederschlägt; es finden sich daselbst Gär- „ten, in denen eingeführte KulturgeAvächse gezogen werden, Avie „Guajaven, Pandanus, Ingw'er, Bananen, Kohl, Kartoffeln, auch „Rosen und Reseden, Avährend 1000' tiefer der Boden eine öde „Schlackenwüste darstellt“. Die Schnecke ist demnach wahrschein- lich mit den tropischen GartengeAvächsen eingeschleppt worden und hat sich dann auf die unbebauten Stellen der nähern Umgebnng Aveiter verbreitet.

272

Gesammtsitzung

21. Helix argillacea Fer.

Ferussac hist. nat. moll. terr. pl. 2H. Fig. 1, 2; Pfeiffer mon. hei. I. j)l- 3'^U v. Martens Preuss. Exped. Ost- Asien, zool. II. p. 27?).

Timor, bei Taimanan.

22. Helix colona n. sp. Taf. I. Fig. 4, 5.

Testa angnste umbilicata, globoso-depressa, superne plicis obliquis imrallelis confertis crassis sculpta, alba, obsolete diaphano -fasciata; anfr. 4^, convexi, sutura profunda discreti, priini laeves, ultimus rotundatus, subtits laeviusculus, antice descendens ; upertara perobli- qua, truncato-ovata, peristomate crasso, albo, margine siipero recto, arcuato, infero paulum expanso, columellari reflexo, umbilicum semite- gente, callo parietis aperturalis distincto.

Diam. inaj. 11, min. .9, alt. 7, apert. lat. 6, alt. Mill.

Insel Dana, südwestlich von Timor, an einer niedern Strandstelle, die durch eine Düne vom Meer getrennt ist, an Cy- peraceen sitzend. Vgl. über diese aus ganz jungem Korallenkalk bestehende, nur einige hundert Fuss über dem Meeresspiegel sich erhebende Insel die Mittlieilungen von Capit. von Schleinitz in den Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1876. S. 211.

Diese neue Art ist nächstverwandt mit Helix plectilis Bens, und II. carcharias Pfr., beide von der Ilaifischbai (sharks bay, baie des chiens marins) in West-Australien, aber durch ihre Sculptur von beiden zu unterscheiden. Der Unterrand zeigt öfters eine An- schwellung nach innen als Andeutung eines Basalzahne. Ein Exemplar zeigt durchscheinende Bänder, ein breiteres in der Peri- pherie und einige schmale an der Unterseite, ähnlich wie H. Drin- gi Pfr. Sie gehört demnach einer west- und nord-australischen Gruppe, Rhagada A Ibers, an und darf wohl als verhältniss- mässig neue Ansiedlerin auf der genannten Insel, einem gehobenen Korallenriff, Itetrachtet werden.

23. llelix convicta Cox. Taf. I. Fig. 6, 7.

Cox Proc. Zool. Soc. Ift70. p. 171. pl. 16. Fig. 6; Pfeif- fer mon. hei. VI 1. p>. 323.

Testa imperforata, globosa, solida, striata, alba, saepius iini/as-

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data; spira conoidea, obtusa; anfr. 6^, convexiuscidi, sutura super- fidali, xdtimus rotundatus, antice descendens ; apertura parva., subdia- gonalis, rotundato-lunaris, peristomate expanso, crassiusculo, columel- lari brevi in callum centralem subcircularem abeunte.

Diam. maj. 23, min. 18, alt. 16, apert. lat. 10, alt. 10 Mül.

Nordwest-Australien, bei der Meermaid- Strasse, im Grasland etwa 2 Stunden landeinwärts. Der Fundort der von Cox beschriebenen Exemplare istNichols-Bay, an derselben Küste etwa nördlicher.

Von dieser Art liegen zweierlei Formen vor, die eine in meh- reren Exemplaren, wie es scheint, todt gesammelt: alle sind matt weiss und zeigen nur die Spur eines durchscheinenden Bandes an der Peripherie; der Mundsaum ist breit, dick und zeigt einen schwa- chen Ansatz zu einer innern Lippe. Dagegen zeigt das einzige frische Exemplar, auf glänzend weissem Grunde ein scharf aus- geprägtes rothbraunes Band in der Peripherie und ein blässeres gelbliches dicht unter der Nath; sein Mundsaum ist dünn, schmal und ohne Spur einer lunenlippe. Da es sonst ganz mit der ande- ren übereinstimmt, dürfte sein Mundsaum als noch nicht vollständig ausgebildet zu betrachten sein. Der Fundort dieses Exemplars konnte nicht genau konstatirt werden.

Die vorliegende Art hat einigermafsen den Habitus der euro- päischen Gruppe Tachea, schliesst sich aber durch Färbung und Mundform eng an die folgende an und bildet mit derselben ein Mittelglied zwischen den australischen Gruppen Bhagada und Hadra.

24. Helix elachy stoma n. sp. Taf. I. Fig. 8, 9.

Testa imperforata, subdejjressa, temdcula, leviter striata striisque spxiralibus minutissimis decussata, nitidula, alba, fasciis compluribus ßavescentibus picta ; spira breviter conoidea, anfr. 5\, lente crescentes, vix convexiuscidi, sutura mediocri, ultimus rotundatus, basi planiuscu- lus, antice paulum descendens ; apertura parva, perobliqua, lunato- rotundata, peristomate tenui, paulidum expanso, intus albo-sublabiato, margine infero stricto, columellari brevi, in callum centralem' subcircu- larem crassiusculum abeunte.

Diam. maj. 10, min. 16, alt. 12, apert. lat. 8, alt. 8 Mill.

274

Gesavimtsitzung

' y.

Nordwest-Australien, an der Meermaid-Strasse, mit der vorigen, an Grasstengeln.

Diese Art ist weit mehr niedergedrückt als die vorhergeliende, aber im Übrigen ihr ähnlich. Die Bänder sind an den drei vor- liegenden Exemplaren etwas verschieden : wo sie am meisten aus- gebildet sind, erinnern sie an diejenigen von II. Incei Pfr., indem wie bei dieser sowohl unter der Nath als in der Peripherie des letzten Umgangs ein stärkeres Band sich findet und auf beide nach unten zu einige schmälere blässere folgen. Bei den zwei andern Exemplaren fehlt das Nathband und die ihm folgenden, und das peripherische wird nur von 1 2 schmäleren begleitet.

Ich glaubte erst in dieser Schnecke die II. sutilosa Ferus- sac {hist. nat. moll. terr. pl. 17 A, Fig. 18, 19 Pfr. mon. hei. IV. p. 233) zu erkennen, welche von Peron auf den Inseln St. Pierre und St. Framjois in Südaustralien an der Küste des heutigen Eyre-Land gesammelt worden ist (Ferussac tabl. syst, nro. 263.), aber, abgesehen von dem doch ziemlich entfernten Fund- ort, scheint diese nach der erwähnten Abbildung doch keineswegs die so auffallend kleine Mündung der unsrigen zu haben; Pfeif- fer a. a. 0. gibt leider keine Mafse für die .Mündung an und die Bescbreibung, welche Deshayes im Texte zu Ferussac’s Werk I. S. 203 für sutilosa gibt, bezieht sich wesentlich auf die damit verwechselte II. Jervisensis Q. G. Auch passt die Stellung, welche Ferussac seiner sutilosa gibt, zwischen similaris und Cantiana, keineswegs auf unsere Art.

25. IIeli.t (C hloritis) discordialis Fer.

Ferussac hist. nat. moll. terr. p>l. 74. Fig. 1. Pfeiffer mon. hei. III. p. 244.

Helix squalus Hinds Zoology of the Voyage of II. M. S. Sulphur p. .55 pl. 19. Fig, 12.

Neu-lrland, am Carterethafen.

26. Helix (Chloritis) circumdata Fer.

Ferussac hist. nat. moll. terr. pl. 77. Fig. 1. Quoy et Gaimard Voy. de VUranie, zool. p. 470. pl. 67, Fig. 12, 13. Pfr. mon hei. I. j). 387.

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Helix molliseta Pfeiffer novitat. conchol. II. Taf. 54. Fig. 4 5 und mon. hei. V. 888.

Neu-Guinea am Mac Cluer -Golf.

Die grössten Exemplare 35 Mill. im grossen Durchmesser und IG hoch; sie zeigen, dass H. molliseia sich nicht als beson- dere Art trennen lässt.

27. Helix (Planispira) zonaria L.

Ru mph anib. rarit. S. 92 Taf. 27. Fig. 0. Linne sgst. nat. ed. 12. p. 1245. Pfeiffer monogr. hei. I. p>- 386. V. Martens Preuss. Exped. Ost-Asien, zool. II. S. 307. Taf. 16. Fig. 6.

A mb oina.

28. Helix (Planispira) tortilabia Less.

Lesson Fb^'. Coquille, zool. II. 1. 1830. p. 311. p>l. 13. Fig. 1. Pfr. mon. hei. I. p. 388. v. Martens Preuss. Exped. Ost- Asien, zool. II. p. 391.

Helix torticollis Guillou Revue zool. 1842. p. 140.

Helix tortilabia und gibbosula Hembron et Jacquinot Vog. au 2^ole sud, zool. nwll. pl. 5. Fig. 7 9 u. 14 16.

Neu-Guinea, am M ac CI u er- Golf , zwei Varietäten ohne Zwischenformen :

a) alabasterweiss, mit einem dunkeln Band und Aveissem Mundsaum, 22 Mill. im grossen Durchmesser.

b) wachsgelb, ohne Band, Mundsaum rosenroth, 16 18 Mill.

Diese zwei Abänderungen reihen sich zwischen die vier von mir a. a. O. aufgeführten ein und bekräftigen damit das Zusam- mengehören der genannten Artnamen.

29. Helix (Papuina) labium Per.

Ferussac hist. nat. moll. terr. pl. 64. Fig. 6. Pfeiffer mon. hei. T". p)- 335.

Neu-Guinea, am Mac Cluer-Golf, in verschiedenen Form- und Farbenabänderungen:

276

Gesammtsitzung

a) 35 Mill. breit, 25 hoch, mit Einem sclimalen Band in der Peripherie.

b) 30 Mill. breit, 24 hoch, mit einem sehr breiten Band: - (2.3.) - -.

c) 30 Mill. breit, 22 hoch, ohne Band.

d) 30 Mill. breit, 16:^ hoch, mit einem schmalen peripherischen Band.

30. Helix (Papuina) Gaberti Less.

Lesson Foy. Coquille, zool. II. 1. p. 314. Ferussac bist. nat. moll. terr. pl. lOfJ. Ftg. 10 12. Pfeiffer 7non. hei. I. p. 231 tmd in der neuen Ausg. von Chem- nitz Taf. lol. Fig. 7, 8.

Helix trochus Quoy et Gaimard Voy. Astrol., zool. II. p. 100. 2>l. 8.

8 alo m o n s - 1 n s el n. Auch von Neu-Guinea und Neu-Irland bekannt.

31. Helix (Paj)uina) phaeo stoma n. sp. Taf. I. Fig. 10, 11.

Testa imperforata, trochiformis, tenuis, Striatula, obsolete rugulo- so-malleata, nitidula, isabellina, strigis nigrofuscis fulniinatis saepe interruptis j)icia ; spira conica, elata, anfr. 0, convexiusculi, j)rhni 2 unicolores, diaphano-cornei, tertius ad suturam carinatus, ultimus pe- ripheria rotundatus, late albofasciatus, subtus centro coinj)lanatus et concentrice striolatus; apertura subdiagonalis, exciso-elliptica, j)eristo- mate late expanso, margine externo et basali albis, columellari fusco, dilaiato, appresso, fauce fuscesceräe.

Diam. maj. 28, min. 20\, alt. 25, apert. lat. 17, alt. 15 Mill.

Neu - Hanno ver, etwa eine Meile landeinwärts am Ufer des* in den Wasserhafen mündenden Flusses, am Stamm einer Ficus.

32. Helix (Paj^uina) Boivini Petit. Taf. II. Fig. 11 13.

Petit Revue zool. 1841. p. 184. Pfeiffer mon. hei. I. p. 230. Reeve conchol. icon., Helix Fig. 410.

Bougainville-Insel.

Da die Gruppe Papuina incl. Geotrochus (Beck, non Has- selt) unseres Wissens noch nicht anatomisch untersucht worden

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ist, theile ich hier dasjenige mit, was Hr. Cand. Pfeffer an dem einzigen Exemplar, das noch die Weichtheile enthielt, gefun- den hat :

Die Zähne der Radula zeichnen sich in der allgemeinen Form dadurch aus, dass die Mittelspitze bis zum vollständigen Verschwin- den abgestumpft ist, während die »Seitenzacken an das freie Ende der Oberplatte gerückt sind. Der Mittelzahn ist aus zweien ver- wachsen, jedoch nicht ganz, indem weder der Rand des festge- wachsenen noch des freien Endes dies vollständig zeigen. Der erste Seitenzahn und etwa zwei oder drei folgende haben keinen Aussenzacken ; dann tritt er, zuerst ganz winzig, auf, vei'grössert sich allmählich und erreicht schliesslich fast die Ausbildung des Innenzackens, der seinerseits auch nach dem Rande zu an Grösse zunimmt. Die allgemeine Gestalt der Zähne verändert sich in der Querreihe etwa vom dritten oder vierten Seitenzahn an fast gar nicht, nur zeigen die äussersten Zähne verhältnissmässig stärker entwickelte Zacken. An dem präparirten Exemplar fanden sich etwa 50 Zähne in der Querreihe, die Länge des Mittelzahnes be- trug 0,05 Mm., und der Winkel, in dem die Hälften der Quer- reihen auf einander stiessen, etwa 100°, sodass die Reihen sehr stark geknickt erschienen. Kiefer gedrungen, mit abgeplattetem Scheitel und schwachen Furchen.

Die Geschlechtstheile Hessen eine langgestielte Blase, aber keine andern Anhangsorgane erkennen.

Hierin ist eine nähere Verwandtschaft mit der auch auf den Molukken und Neu-Guinea herrschenden Gruppe Planispira ersicht- lich, während Acavus, an welche man der Schale nach auch hätte denken können, nach Prof. Semper’s Untersuchungen durch die einspitzigen Zähne und die kurzgestielte Blase merklich abweicht, übrigens in der stai'ken Brechung der Querreihen der Radula übereinstimmt.

33. Helix (Alb er sia) zonulata Fer.

Ferussac hist. nat. moll. terr. p>l- 13. Fig. 1, 2. Pfeiffer mon. hei. I. p. 2G1 und in der neuen Ausg. von Chem- nitz Ta/. 53. Fig. 3 5. Reeve conch. ic. Fig. 400.

Neu-Guinea am Mac C 1 u e r - G o 1 f.

Die Grösse der erwachsenen Exemplare wechselt zwischen

278

Gesammisitzung

24 und 30 Mill. im grossen, 19 und 23 im kleinen Durchmesser, 18 und 21 in der Höhe, 12 17 in der Mündungsbreite und 13^ bis 15 in deren Höhe; die kleineren zeigen eine verhältnissmässig höhere Mündung, also eine mehr gerundete jugendliche Form der- selben. Die Färbung wechselt zwischen gelblich und röthlich; unter dem rothbraunen Band ist stets ein helleres weissliches vor- handen, das aber je nach dem Tone der Grundfarbe mehr oder weniger autfällig ist.

34. Helix (Iladra) Gratji Pfr.

Pfeiffer mon. hei. I. p. 134. Reeve conch. ic. Flg. 765. Cox australian landshells p. 35 j)l. 1. Fig. 3.

Moreton-Bai, Os t- Australien.

35. Helix (Hadra) Fraseri Gray.

Gray Zoology of Beechey's Voyage p. 143 pl. 38. Fig. 6. Pfeiffer mo7i. hei. I. p. 247. Reeve conch. ic. Fig. 360. Cox austi’al. landshells p. 64. pl. 10. Fig. 6.

Moreto n - Ba i, 0 s t - A ustr ali en.

36. Helix (Panda) Maconelli Reeve.

Bulimus Maconelli Reeve Proc. Zool. Soc. 1851. Pfeif- fer mon. hei. 1. p. 380.

. Helix Maconelli A Ibers lleliceen 2. Ausgabe S. 443. Cox austral. landshells p. 6 pl. 3. Fig. 5.

M or e t o n - B a i , O s t - A u s t r a 1 i e n.

Die drei letztgenannten Ai*ten sind eiu Geschenk des Hrn. Superintendenten Hamilton in Brisbane.

37. Bulhmis (Amphidromus) contrarius Müll.

Helix contraria Müller hist. verm. II. p. 35. Quoy et Gaimard T’o^. de VUranie, zool. p. 474. j)l. 67. Fig. 8, ft.

BuUnius contrarius Mousson Land- und Siissivass.-Moll. von Java S. HO u. 115. v. Martens l^’euss. E.tped. Ost-Asien, Zool. II. p. 363. Taf. 21. Fig. 7.

Timor, bei P a r i t i und T a i m a n a n.

vom 31. Mai 1877.

270

38. Bulimus (Amphidrom ics) suspectus Martens.

V. Martens Preuss. Exp>ed. Ost- Asien, Zool. II. S. 362. Taf. 21. Fig. 8.

Time r.

Bei dieser Gelegenheit möge erwähnt werden, dass der ver- wandte Bidimus laevus Müll., dessen näheres Vaterland bis jetzt immer noch zweifelhaft geblieben ist, mir in neuster Zeit in einer ausschliesslich auf der Insel Cer am von Capitän Schnitze ge- machten Conchylien-Sammlung vorgekommen ist und dass derselbe mir versicherte, diese Art lebe zahlreich auf den Keffing- Eilanden an der Ostspitze Ceram’s.

39. Placostylus hovinus Brug. sp.

Bulimus hovinus Bruguiere Encyclopedie meth., vers. I. l>. 343. Crosse Revue zool. 1855. p. 82 und Journal de Conchyliologie XII. 1864. p. 124.

Bulimus Shongii Lesson Voy. de la Coquille, zool. II. 1. p. 321. pl.7. Fig. 4,5. Pfeiffer mon. hei. II. p. 140. R e e V e conch. ic. Fig. 159.

Neuseeland. Geschenk des Hrn. Cheeseman in Auck-

land.

40. B uli m i 11 u s (L ip arus) Onsloivi Cox.

Cox australian landshells p>. 71. pl. 13. Fig. 13.

Dirk Hartog Peninsula, We s t- A u s t r al i e n. Dieses ist auch der Original-Fundort der von Cox besehriebenen Exem- plare.

41. Partula Carteriensis Q. G. sp.

Helix Carteriensis Quoy et Gaimard Voy. Astrol., zool. II. p. 117. pl. 9. Füg. 10, 11.

Bulimus Carteriensis Deshayes in Lamarck an. s. vert. ed. 2. VIII. p 283. Pfeiffer mon. hei. IL p. 68.

Neu-Hannover, am Nordhafen unter Steinen.

[1877]

22

280 Gefiamnilsitzutig

42. Stenogyra gracilis Hutt. sp.

Bulimus gracilis Hutton Journal of the Asiatic society HL p. 84. Pfeiffer 7non. hei. I. j>- ^<57. Reeve conchol. icon. Fig. 495.

Stenogyra gracilis \. Martens Preuss Exped. Ost - Asien. Zool. IL p. 375. TaJ. 19. Fig. 5 und Taf. 22. Fig. 13.

T i ni o i\

43. Stenogyra juncea Gould sp.

Bulimus junceus Gould Proc. Boston soc. nat. hist. 1848, p. 191. Mousson Journ. de Conch, XVIL 1800. j). 340 und XVII I. 1801. p. 120.

Viti-Levu, Upolu und Vavao.

II. Süsswasser- Mollusken.

44. Melania speciosa A. Adams.

Reeve ßonchol. iconica XII. Fig. 184.

Neu-Irland in einem Süsswasserbach mit starkem Gefall bei dem Katharinenbafen.

Die obere Hälfte der letzten Windung dicht mit Haarfilz be- deckt, die untere rein, glänzend gelbgrün, mit einigen Spiralfurchen. Die Dornen auf der Schulterkante gehen in biegsame Borsten aus und verlängern sich nicht als Halbrippen auf die Fläche der Schale, wie bei M. amarula.

45. Melania aspirans Hinds.

Hinds Zoology of IL M. S. Sulphur ]k 55. pl. 15. Fig.

9, 10. Reeve conch. icon. Fig. 53.

Neu-Irland.

4G. Melania Plutonis Hinds.

Hinds a. a. 0. p. 55. pl. 15. Fig. 14. Reeve conch. ic.

Fig. 30. Mousson Journ. Conch. Xlll. 1800. 200.

vom 31. Mai 1877.

281

Ovalau, Vi ti - Ar chi pel , einige Exempjare ganz schwarz überzogen, andere gelbgrün mit rothbraunen Flammen.

47. Melania Samoensis Reeve.

Reeve conchol. ic. XII. Fig. 365. Mousson Journ. de Concl\. XVII. 1869. 365.

Upolu, Samoa-Inseln.

Die meisten Exemplare zeigen zugleich dunkelbraune Spiral- bänder und dazwischen Flammen, am konstantesten ist das untere breite Band, das auch an der Innenseite der Mündung sichtbar wird, doch ohne deren Rand zu erreichen. Ein Exemplar ist ganz ein- farbig, ohne Bänder oder Flammen. Die Zahl der Spiralfurchen und die Ausprägung der dieselbe kreuzenden Vertikalrunzeln variirt bedeutend.

48. Melania suhexusta (Reeve) var. persulcata Mouss.

Taf. I. Fig. 14.

Mousson Journ. de Couch. XVIII. 1870. p. 211.

Ovalau, Viti-Inseln.

49. Melania laevigata Lam. Taf. I. Fig. 17 19.

Lamarck ans. vert. ed. 2. VIII. p. 431. Brot materiaux Melaniens III. p. 14.

Timor, bei Kupang.

Die meisten Exemplare sind von einer rauhen Kalk-Inkrusta- tion bedeckt, welche nur die Mündung freilässt, aber leicht mit dem Messer abzuschaben ist; darunter kommt dann die glänzende natürliche Oberfläche der Schale unversehrt zum Vorschein, blass- grün mit einem bräunlichen Band unter der Nath und hellroth- braunen kurzen Flammen und Flecken, welche nach unten zu mehr und mehr in Spiralreihen kleiner kurz - linienförmiger oder annähernd quadratischer Fleckchen übergehen, ähnlich denen von M. alhescens Lea. Die obersten 2 3 Windungen zeigen sehr feine und zahlreiche senkrecht zur Nath stehende Rippchen (Fig. 17). Das grösste Exemplar ist 48 Mill. lang (mit etwas verletzter Spitze), 15 breit, seine Mündung 15 Mill. lang und 9 breit.

22*

282

Gesammtskzung

50. Melania moesta Hinds. Taf. I. Fig. 15, 16,

H i n d s Zool. Sulphur -p. 57. pl. 15. Fig. 4.

Neu-Irlaiid, am ersten Landungsplatz (Dorfhafen) in einem ein Tarro-Feld überschwemmenden Bach.

Auf der letzten Windung tritt nahe unter der Nath eine Kante auf, welclie sich auch in der Form der Mündung ausspriclit, aber auf den früheren Windungen ganz fehlt; darin ist diese Art der M. costellaris Lam. und M. jnreni/ormis Martens ähnlich. Die mittleren Windungen treten über die Nath oft etwas dachartig vor, die obersten haben starke schiefe Falten.

51. Neritina (Clypeolum) Petiti Red.

Recluz Revue zooL 1841. p. 273. Sowerby thesaur. con- chol. II. Fig. 77. Reeve conch. ic. Xlll. Fig. 8. Mar- tens in der neuen Ausgabe von Chemnitz, Neritina, S. 58. Taf. 8. Fig. 1 3.

Neu-Irland beim Katharinenhafen, an Blättern in einem Süsswasserbach, etwas über Wasser.

Dieser Fundort bildet ein erwünschtes Mittelglied in der Reihe der bis jetzt bekannten, in welcher zwischen den Molukken und Neu-Caledonien noch eine auffällig weite Lücke bestand,

52. Neritina (Neritaea) ziczac Sow.

Sowerby thesaur. conch. II. Fig. 105. v. Martens a. a. 0. S. 101. Taf. 10. Fig. 20—24.

Timor, bei Kupang.

53. Neritina (Neritaea) Turtoni Reel.

Recluz Proc. Zool. Soc. 1843. p. 71. Reeve conch. ic. Fig. 74. V. Martens a. a. 0. S. 111. Taf. 13. Fig. 1, 2 und 5.

Neritina helvola Gould Proc. Bost. soc. nat. hist. II. 1847. p. 225.

Viti-Levu, im Rewa- Fluss.

vom 31. Mai 1877.

283

54. Neritina (Nerito drijas) dubia Chemn.

Xerita dubia Chemnitz Conchylien. - Cabinet V. S. 324. Fig. 2019, 2020.

Neritina dubia Lamarck an. s. vert. ed, 2. VIII. p. 569. Lesson Voy, Coquille, zool. II. 1. p. 374.

Sowerby thes. II. Fig. 81 88. Reeve conch. ic. Fig. 90. V. Martens a. a. 0. S. 137. Taf. 12. Fig. 1—7.

Amboina, Neu-Guinea am Mac Clner-Golf und Neu-Ir- lan d.

55. Neritina (Neritodr yas) cornea L.

Nerita cornea Lin ne syst. nat. ed. 10. p. 777. Red uz Journ. de Conch. 1. p. 152.

Nerita ainphibia Lesson Voy. Coquille, zool. II. 1. p.372. pl. 16. Fig. 1.

Neritina cornea Sowerby thes. conch. Fig. 67 u. 71. Ree- ve conch. ic. Fig. 7. v. Martens a. a. 0. S. 140. Taf. 12. Fig. 14 18.

Neu-Irland am Carteret-Hafen und Neu-Hannover.

56. Neritina (Neritodryas) sub sulcata Sow.

Sowerby conchological illustrations Fig. 50. Deshayes in Lam. an. s. vert. ed. 2. VIII. p. 585. Reeve con- chol. ic. Fig. 10. v. Martens a. a. 0. S. 142. Taf. 12, Fig. 11, 12.

Neritina cornla var. Sowerby thes. conch. Fig. 70.

Neu-Irland am Carteret-Hafen, mit der vorigen zusammen.

57. Neritina {Clithon) brevispina Lam.

Lamarck an. s. vert. ed. 2. VIII. 2). 5j72. Delessert recueil pl. 32. Fig. 5. Sowerby thes. conch. Fig. 45, 51 und 52. Reeve conch. ic. Fig. 28.

Timor, bei Kupang, in einem Flusse mit Melania laevigata zusammen und ebenso überzogen.

t.

284 Gesammtsüzung

58. Neritina Soulegetana Reel. var. Studer iana n. Taf. I.

Fig. 13.

Testa subplicata, strigis ßavis crebris, in spinas continuatis, aperüira ßavescente.

Neu-Irlantl am Carteret-Hafen, in klaren durch eine Siisswasserquelle gespeisten Tümpeln am Meeresstrande.

Nach dem Sammler, Herrn I)r. The odor Studer, Enkel des älteren als Conchyliologen bekannten Sam. Em. Studer und jetzt Professor der Zoologie m Bern, benannt.

59. Neritina (Clithon) ruginosa Reel.

Reel uz Bevue zooL 1841. p.310. Mousson Journ. de Conch. XVII. 1869. p. 376.

Neritina aspersa Sowerby thes. conch. II. Fig. 43, 44. Reeve conch. ic. Fig. 114.

Neritina humerosa Mousson Journ. de Conch. XI II. 1865.

p. 188.

Upolu, Samoa- Inseln, im obern Theil des Flusses, soweit die Mitglieder der Expedition ihn hinaufgingen.

Grundfarbe meist dunkel-olivengrün, selten röthlich mit drei olivengrünen Bändern. Flecken blass-grünlichgelb mit einer schwar- zen Spitze nach vorn, Stacheln nur an jungen Exemplaren.

60. Neritina (Clithon) thermophila n. sp. Taf. I. Fig. 12.

Testa globosa, transversim plicato-striata , olicaceo-fusca, guttis pallide ßavis rariusculis, nonnullis antrorsum nigromarginatis picta, nitidula ; spira prominens, erosa, anfractus penultiinus subangulatus, ulthnus rotundatus, sutura appressa, antice valde descendens ; apertiira diagonalis, j)ro ratione generis parva, semicircular is, peristomaie intus lutescente, subincrassato, margine columellari medio obtuse denticulato, denticulo supero niulto majore, area columellari subtiliter rugidosa, aurantioßava, medio et in/ra distincte circumscripta.

Diam. maj. 6^, min. 4, alt. 5^, marg. columell. 3, latit. aveae 2 Mill.

Neu- Bri tannien, an Stellen des Seestrandes, die von heis- sen Quellen überrieselt ‘waren ; das 50 60° heisse süsse Wasser

vom 31. Mai 1877.

285

bildete daselbst eine bestimmte Schichte über dem kälteren Salz- wasser (Th. Studer).

61. Nerüina (Mitrnla) er e'pidularia Lam.

Lamarck an. s. vert. ecl. 2. VIII. p. 572. Sowerby thesaur. concli. II. Fig. 139 144. Reeve conch. ic. Fig. 38. V. Martens a. a. 0. S. 37. Taf. 7. Fig. 1-14.

Neu-Guinea, Mac CI u er -Golf in einem Brackwassergra- ben.

Diese Art ist zwar im hinterindischen Archipel weit verbrei- tet, aber war bis jetzt noch nicht so weit nach Südosten bekannt.

62. Navicella stiborbicularis Sow.

Sowerby catalogue of the coUection of the Earl Tanlerville, appendix p. X; thes. conch. II. Fig. 30, 31.

Nav. orbicularis Reeve conch. ic. IX. Fig. 5.

Neu-Hannover, im obern Theil des von der Expedition be- suchten Flusses häufig.

63. Navicella haustrum Reeve.

Reeve conchol. . icon. IX. Fig. 18. Mousson Journ. de Conch. XVII. 1809. p. 380.

Upolu, Samoa-Inseln.

64. Navicella undulata Mouss.

Mousson Journ. de Conch. XII. 1805. p. 200.

Ovalau, Viti-Inseln.

65. Navicella macr ocephala Guillou.

Guillou Revue zool. 1841. p. 374. Reeve conch. ic. Fig. 28. Mousson Journ. de Conch. XII. 1805. p. 200.

Viti-Levu, im Rewa-Fluss.

66. Cyrena Papua Less.

Lesson Voy. Coquille, zool. II. 1. p. 428 und in Guevin’s Magasin de Zoologie 1831. qd. 11.

286

Gesammtsitzung

Neu-Han no ver, von den Eingebornen erhalten, welche die Schalen dieser Muscheln an Schnüre gereiht aufbewahren und so zum Glätten des Holzes benützen (Th. Studer)^).

67. Cyrena suhorbiculari s Busch.

Philippi Abbildungen III. S. 77. Taf. 2. Fig. 1.

Timor bei Pariti.

68. Cyrena (Batissa) tenebrosa Hinds.

Hinds Zool. of the voyage of II. M. S. Sulphur p.HH. pl. 21. Fig. 7. Mousson Joum. de Conch. XII. 1865. p. 206.

Viti-Levu, im Rewa-Fluss.

Ich füge hier noch die auf derselben Expedition gesammelten Schnecken des Brackwassers und der Mangle-Dickichte bei, da dieselben mehr oder weniger amphibisch lebend sich nicht scharf von denen des Landes und des süssen Wassers scheiden.

a) A u r i c u 1 ace en.

69. Pythia scarabaeus L. sp.

Cochlea imbrium Rumph aiub. rar. p. 01. Taf. 27. Fig. 7. Helix scarabaeue Linne syst. nat. ed. X. p. 768.

Auricula scarabaeus Lamarck an. s. vert. ed. 2 Vlll. p. 327. Quoy et Gaimard Voy. Astrolog., zool. II. p. 162. pl. 12. Fig. 21.

Pythia scarabaeus Pfeiffer mon. auriculaceorum p. 82.

*) Reeve bildet in seiner C’onchologta iconica unter dem Namen C. pa~ pua, Fig. 22, eine Muschel mit einer Kante am Hinterfelde ab, wovon weder in Lcsson’s Originalbeschreibung etwas erwähnt, noch in der oben erwähn- ten Abbildung oder an unsern Stücken etwas zu sehen ist.

vom 31. Mai 1377,

287

Aniboina in zahlreichen jungen Exemplaren, die kleinsten eilf Mill. lang und 7 hreit, zeigen schon Zähne an den Taricen. Ferner Neu-Hannover und Xeu-Irland am Carteret-Hafen, in den Mangle -Sümpfen, theils auf Blättern, theüs an den Wurzeln oder am Boden.

70. Pythia scarabaeus var. g raciUor.

Scarabus jyantherinus A. Adams Proc. Zool. Soc. 1850, p. 152. Pythia p. Pfeiffer rnon. auric. p. 91.

Carteret-Hafen, Xeu-Irland.

71. Auricula Judae L.

Bulla auris Judae luinne syst. nat. ed. 10. p.728. Mar- tini Conchilien-Cabinet II. S. 128. Fig. 149 151.

Auricula Judae Lamarck an. s. vert. ed. 2 VIII. p. 321. Lesson Voy. Coquille, zool. II. 1. p. 339. Pfeiffer mon. auric. p. 130.

Amhoina; Timor, hei Pariti; Insel Salawatti hei Xeu- Guinea; Xord west- Australien au der Meermaid -Strasse. In sehr verschiedener Grösse.

b) T a e 11 i o g 1 o s s e n.

72. Litorina scabra L.

Buccinum foliorum Ru mph amb. rar. p. 98 (Deutsche Ubers. S. 66) Ta/. 29. Fig. Y.

Helix scabra Lin ne syst. nat. ed. X. p. 770. Chemnitz Conch. Cab. XI. S. 283. Fig. 2071, 2075.

Litorina angulifera (Lam.) Quoy et Gaim. loy. Astrol., zool. II. p. 171. pl. 33. Fig. 1 3.

Littorina scabra Philippi Abbildungen und Beschreibungen neuer Conchylien II. S. 221. Ta/. 5. Fig. 3 7. Reeve conch. ic. X. Fig. 21.

X e u - G u i n e a.

73. Litorina sulculosa Phil.

Philippi Proc. Zool. Soc. 1815. p. 112. Reeve conchol. ic. Fig. 39.

288 Gesammlsitzung

Nordwest- Australien , Meer niaid -Strasse, ini Mangle- Dickicht,

74. Pirena atra L. sp.

Strombiis 2>ci^iisiris laevis Ru mph amb. rar. j). 101. Taf. 30. Fig. B.

Strombus ater Lin ne sgst. nai. ed. XII. p. 1213. Chem- nitz Conch. Cab. IX. Fig. 2227.

Pirena terebralis Lamarck an. s. vert. ed. 2. VIII. p. 490. Quoy et Gaimard Vog. AstroL, zool. III. p. 101. j)l. 56. Fig. 40 42. Mousson Land- u. Süsswass.-Conch. von Java S. 63. Taf. 10. Fig. 1.

Bougainville-Insel, im Mangle-Sumpf.

75. Potamides cingulatus Gmelin sp.

Chemnitz Conch. Cab. IV. S. 328. Taf. 157. Fig. 1492 = Murex cingulatus Gmelin Linne sgst. natur. ed. 13. p. 3561.

Ceritkium Jiuviatile Potiez et Michaud galerie d. moll. de Douai I. p. 363. 2^-31. Fig. 19 21. Kl euer icon. 2)1. 19. Fig. 3. Deshayes Lamarck an. s. vert. ed. 2. IX. p. 320.

Tgni2)anotonos Jluviatilis Reeve conch. ic. XV. Fig. 9. Nordwest- Australien, an der Meermaid-Strasse, im Mangle- Dickicht.

76. Potamides (Cerith idea) quadratus Sow.

Cerithidea quadrata Sowerby bei Reeve conch. ic. AT. Fig. 5.

Timor, bei Pariti.

77. Potami des (Pgrazus) sxdcatus Brug.

Strombus mangioruni Rumph a)nb. rar. p. 101. Taf. 30.

Fig. T. (in der deutschen Ausgabe ganz entstellt).

Murex Moluccanus Gmelin Linne sgst. nat. ed. 13. p. 3563. Cerithium sidcatim Bruguiere Encgclop. method., vers. Lamarck an. s. vert. ed. 2. IX. 285. (^uoy et

Gaimard Vog. Astrolab., zool. III. 121. i)l- 54. Fig.

22. 23. Kien er iconogr. p>l- '2.7. Fig. 1, 2.

vom 31. Mai 1877.

289

Pyrazus sulcatiis Reeve concJi. ic. XV. Fig. 1.

Timor, bei Pariti, und Nordwest- Australien, an der Meermaid - Strasse.

78. Potamides (Pyrazus) •palustris L.

Strombus palustris Ru mph amb. rar. p. 101. Taf. 30. Fg. Q. Linne. syst. nat. ed. 12 p. 1213. Chemnitz Couch. Cab. IV. S. 311. Fig. 1472.

Cherithium palustre Bruguiere Encycl. meth., Vers. p. 467. Lamarck an. s. vert. ed. 2. IX. jj. 284. Kiener ico- nogr. pl. 1.

Pyrazus palustris Reeve conch. ic. XV. Fig. 1.

Lucipara (zwischen Timor und Amboina) und Nordwest- Australien, an der Meerm.aid-Strasse, jüngere Exemplare, in Ge- sellschaft der vorigen Art.

79. P otamides (Telescopium) telescop)ium L.

Ru mph amb. rar. p. 75. Taf. 21. Fig. 12.

Trochus telescopium Linne syst, nat, ed. 10. p. 760.

Chemnitz Conch. Cab. V. S. 14. Fig. 1397 1509. Cerithium telescopium Bruguiere Eneycl. meth., Vers. La- marck an. s. vert. ed. 2. IX. p. 286. Quoy et Gai- mard Voy. Astrol., Zool. III. p. 125. pl. 55. Fig. 4 6. Kiener iconogr. pl.. 28. Fig. 1. Hombron et J aequi- not Voy. pole sud, moll. pl.23. Fig. 1.

Telescopium indicator Montfort conchyliol. syst. II. p. 438. Reeve conch. ic. XV. Fig. 1.

Timor, bei Pariti und Nordwes t-A ustrali en , an der Mee rrnaid-S trasse, im Mangle-Dickicht.

80. Lucina Philippinarum Reeve.

Reeve conch. ic. Fig. 18.

Timor bei Pariti, im Mangle-Sumpf.

290

Gesammtsitzung

Die vorliegende Sammlung erweitert in verschiedenen Punkten unsere Kenntniss der Land- und Süsswasser- Mollusken in dem interessanten Übergangsgebiete zwischen der indo-malayischen und der australisch -polynesiscben Fauna, und auch die Arten, welche schon früher von andern Naturforschern an denselben Orten ge- funden worden waren, werden uns dadurch wichtig, dass sie eine Controle der frülieren Angaben und die Möglichkeit gewähren, früher wenig bekannte, nur in einzelnen ausländischen Sammlungen vorhandene oder ganz verkannte Arten näher und besser kennen zu lernen. Die für die Wissenschaft ganz neuen stammen von der noch wenig erforschten Nordwestküste Australiens und von Neu-Hannover, das sich übrigens auch in den Land- und Süss- wasser-Conchylien als unmittelbar zu Neu-Irlaud gehörig ausweist; von den sieben dort gesammelten Arten waren fünf schon von Neu- Irland bekannt. Neu -Guinea zeigt, wie theilweise schon früher bekannt, in seinen Landschnecken die nächsten Beziehungen zu den Molukken, grösstentheils zwar eigene Arten, aber doch aus denselben Gruppen und Gattungen. Die Süsswasserarten zeigen sich auch hier weiter verbreitet, und noch mehr die Brackwasser- arten, welche z. B. an der Nordwestküste von Australien mit Aus- nahme der einen Litorina sulculosa noch ganz dieselben Arten sind, wie im ganzen indischen Archipel, von Vorderindien und Hinter- indien über die Sunda-Inseln bis zu den Philippinen und Moluk- ken.

Monntsbpr Ber' Ak UAssensA Mai ?,9i

1 :> Xanin.i, explaiiata. l.o Helix colotKi b’ /. 11 eonvicla o 1). 11 elacliy.stoina . 10. !1. H piuieo.stom.i . yj .Yeritina AiPi iiinpln 1 ). X. Süll leyeOjna \'ar, .StiidoiOaii-i , 14 .Mc!aii:a ji'T.siikM'ci l.‘) ]() .M. mrH‘.sl,!-. H 10 ).•.l^‘V’i{lata

E?

1-4. C\Tlostoma .Novae Hil)erniae. j-10. Helix Ilookeri. 11.14. Papiniia Hoivini .

vom 81. Mai 1877.

291

Taf. I.

Fig. 1—3.

, -1, ä-

« 'i-

^ 8, 9.

, 10, 11.

r>

14.

15, 16.

7>

17—19.

Taf. II.

Fig. 1.

2.

3.

j)

4.

» 5

7i

7>

8.

9.

10.

11.

12.

13.

E r k 1 ä r \i n g der Abbildungen.

Nanina explanata Q. G., Schale von der Seite, von oben und von unten.

Helix colona, Schale von der Seite und von unten.

eonvicta Cox., Schale von der Seite und von unten.

elachystoma, Schale von der Seite und von unten.

phaeostoma, Schale von der Seite und von unten. Neritina thermophila, Schale vergrössert; der beigefügte Strich

zeigt die natürliche Grösse an.

Souleyetana var. Studeriana, Schale von der Rücken- seite, in natürlicher Grösse.

Melania suhexusta var. persulcata Mouss.

moesta Hinds, Schale von der Rücken- und von der Bauchseite.

laeci^ata Lam. 17 Spitze vergrössert, 18 jüngeres, reines, 19 älteres, mit Kalksinter überzogenes Exem- plar.

Cyclostoma Novae Hiberneae Q. G., Schale, um das Zweifache vergrössert.

Deckel desselben.

Eine Querreihe aus der Reibplatte derselben.

Ein Stück des Randes der äusseren Seitenplatte, noch stärker vergrössert.

Patula Hookeri R v., Schale von oben, im Profil und von unten. Zähnchen aus der Reibplatte derselben.

Kiefer derselben.

Geschlechtsapparat derselben.

Zähnchen aus der Reibplatte von Helix Boivini Petit. Geschlechtsapparat derselben.

Kiefer derselben.

Die anatomischen Zeichnungen sind von Hrn. Cand. Pfeffer gemacht; die Zifi’ern an den einzelnen Zähnchen einer Qiierreilie gibt ihre Ordnungs- zahl von der Mitte nach aussen gerechnet an, 0 bezeichnet den Mittelzahn.

292

Gesamm Isitzung

Hr. Websky legte eine Arbeit des Hrn. G. vom Rath in Bonn über eine neue kry st al li s irte Tel 1 urgol d - Verbi nd u n g, den Bunsenin Krenner’s, vor,

„Bei meiner Anwesenheit in Nagyag (spr. Nadjäk), Sept. 1875, erwarb ich ausser mehreren Sylvanit- und Petzit-Stufen auch ein kleines Gangstück, welches in Begleitung von Quarz und etwas feinkörnigem Eisenkies, prismatisch ausgebildete, fast silberweisse Kryställchen (| bis 2 Mm. gross) darbot. Dieselben wurden in Nagyag für Sylvanit gehalten, erwiesen sich aber bei näherer Un- tersuchung als bisher nicht beschriebene Formen, welche voraus- sichtlich einem neuen Mineral angehören mussten. Die kleinen Pris- men sind vertical gestreift und meist durch die in der Endigung herrschende Basis begrenzt, der eine vollkommene Spaltbar- keit parallel geht. Andere Zuspitzungsflächen treten meist nur untergeordnet auf. Nur an einem Kryställchen zeigten sich meh- rere dieser letzteren Flächen so ausgedehnt und glänzend, dass sie mit dem Fernrohr-Goniometer gemessen und so die nöthigen Fun- damentalwinkel zur Bestimmung des Krystallsystems gewonnen werden konnten.

K r y s t a 1 1 s y s t e m rhombisch.

a (Brachyaxe) : b (Makroaxe) : c (Verticalaxe) =

= 0,94070G : 1 : 0,504455.

Diese Elemente wurden aus folgenden Messungen berechnet:

m(ooP, 110) : m' über a(ooPoo, 100) = 93° 30' e(Poo,011):m = 107° 58.^' Q.

Beobachtete Formen:

*) Mittel aus den beiden Messungen e : in = 107° 59‘ und e : in' = 72° 2'.

vom 31. Mai 1877.

293

o =

P ,

(111)

u =

P2 ,

(122)

i =

fPf ,

(232)

e =

P OO ,

(011)

h =

P CO ,

(101)

g =

ip- ,

(102)

m =

oo p ,

(110)

n =

ooP2 ,

(120)

1 =

CO Pf ,

(320)

a =

CO P oo

,(100)

b =

KJ

oo P oo ,

, (010)

c =

OP ,

(001)

Aus den Axenelemeiiten berechnen sich für die Pyramiden folgende Winkel :

o

u

1

Brachy diagonale

Kante

132

°4'

128°

3'

137°

5'

Makrodiagonale Kante

128

°48f'

153°

3i'

108°

38'

Lateralkante

72

43'

59°

29'

87°

2'

Ferner ergeben sich folgende

Winkel:

a

b

c

m

e

o

115'

^ 35f'

113'

" 58'

143'

381'

126°

211'

154°

24f'

u

103

281

115

58f

150

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168

50|

103

50|-

Bei der Kleinheit und Streifung der Flächen konnten die Mes- sungen nur annähernd geschehen, mit Ausnahme der Neigungen

294

Gesammtsitzung

zwisclien den Flächen m, e und u, welche mit dem Fernrohr-Go- niometer messbar waren.

e: u = 166° 30' (her. 166° 31|') i:u = 157°— 158° (her. 157°47f) o:u = 167°— 168° (her. 167° 52^) i : a == 125° 30' (her. 125° 41') o:a = 115° 30'— 45' (her. 115°35|-') n : a = 103° 30' (her. 103° 28i') h:a = 1171°— 118° (ber. 118° 12')

Die Fig. 1, la vereinigt sämmtliche Flächen, welche ich an den Krystallen beobachtete, während Fig. 2, 2a die herrschende Ausbildung darstellt, in welcher die Ilasis ausgedehnt und die Zu- spitzungsllächen nur untergeordnet auftreten. Häutig sind die Kry- ställchen in der Weise unsymmetrisch, dass die in der einen Zone a i o u e liegenden Zuspitzungsflächen ausgedehnt, während dieje- nigen der andern punktähnlich verkümmert sind. Dann wird man versucht, die Krystalle um die Verticale 90° zu drehen und sie für monoklin anzusehen, was auch anfangs geschah. Wie die Fläclien m, n, 1 vertical, so sind i, o, u, e parallel ihrer Combinationskante gestreift, zuweilen gefurcht. Trotzdem geben mehrere Flächen, wenn sie nicht allzuklein sind, vorzügliche Reflexe, namentlich ra, a und e.

Nachdem ich die Form der in Rede stehenden Nagyager-Kry- stalle, wie oben angegeben, bereits seit mehreren Monaten bestimmt hatte und mich bemühte, das für eine chemische Analyse nöthige Material von Nagyag zu erlialten, erhielt- ich durch des Verfassers Güte den Aufsatz „Bunsenin, ein neues Tellurmineral,“ von Dr. Jos. Al. Kreimer, Sep. aus dem I. Heft der Termeszetrajzi Füzetek 1877. Ich erkannte sogleich aus der hier gegebenen Be- schreibung und den Figuren, dass Kremier das gleiche oder we- nigstens ein isomorphes Mineral untersucht habe. Namentlich stimmt die ausgezeichnete basische Spaltbarkeit überein. Der „Bunsenin“, welchen Kremier unter den von Prof. Schüller gesammelten Nagyager Mineralien auffand, ist nach vorläutigen (jualitativen Versuchen Prof. Warth a’s in Pest-Ofen eine Verbin- dung von Gold und Tellur. Aus Krenner’s Fundamentalwinkeln ooPiooP = 93° 40' und ooP:Poo = 108° 7', welche nur um 10',

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i'om 31. Mai 1877.

295

beziehungsweise 8^' von meinen Messungen abweichen, ergeben sich für die Grundform

Brachydiagonale Kante 131° 43'

Makrodiagonale Kante 128° 111^'

Lateralkante 73° 26'

Auf die von Kremier übrigens nicht beobachtete Grundform bezogen, erhalten die von ihm bestimmten Combinationsgestalten folgende Ausdrücke:

2F2(211), Poo(Oll), ooP(llO), ooP2(210), ooP3 (310), ooP|(230), ooP2(120), ooPoo(lOO), ooPoc(OlO), oP(OOl).

Während demnach Kremier zahlreichere Prismenflächen beobach- tete, als oben angegeben wurden, waren seine Krystalle ärmer an Pyramiden- und Domenfläclien. In seinem Aufsatze erwähnt Kren- ner noch eines zweiten jSlagyager Mineralvorkommens, welches mit dem „Bunsenin“ isomorph, wohl kaum als eine besondere Species betrachtet werden kann Kremier sagt in Bezug auf dasselbe (1. c.): „Die Gestalt des Bunsenin stimmt überein mit einem andern, seit mehreren Jahren mir bekannten Tellurerze von Nagyag, welches aber aus Gold, Silber und Tellur besteht und unter dem mehrdeutigen Sammelnamen „Weisserz“ eine Rolle spielt. Dies weisse Mineral besitzt folgende Winkel ooP<5o:ooP = 136° 48'; ooP:Pcx> = 107° 57'.“

Die Übereinstimmung dieser letzteren Neigungen mit denjeni- gen der von mir aus Nagyag niitgebracliten Krystalle ist mit Rück- sicht auf die Beschalfenheit der Flächen fast als vollkommen zu bezeichnen. Leider gelang es mir nicht, eine zur Ausführung einer quantitativen Analyse genügende Menge der seltenen Kryställchen zu erhalten. Nur zu einer qualitativen Untersuchung reichte die kleine zur Verfügung stehende Menge aus. Hr. Hofrath Bimsen hatte die dankenswerthe Güte, sich dieser Arbeit zu unterziehen. Seiner gefälligen Mittheilung zufolge „bestehen die Krystalle der Hauptmasse nach aus Tellur und Gold, enthalten dabei aber eine kleine Menge Silber nebst Spuren von Kupfer.“ Antimon und Arsenik, welche sich in vielen Tellurerzen finden, konnten nicht nachgewiesen werden.

[1877]

23

29(3

Gesommtsitzung

Was den von Kremier dem krystallisirten Tellurgolde beige- legten Namen betrifft, so ist derselbe leider schon vergeben, da C. Bergemann das in regulären Oktaedern krystallisirende, zu Johanngeorgenstadt mit andern Nickelerzen sowie mit Uran -Ver- bindungen vorkommende Nickeloxydul als „Bunsenit“ bezeichnete (1858). So sehr man es auch bedauern muss, dass nicht statt des weniger schönen Johanngeorgenstadter Minerals die wohl krystalli- sirte edle Tellurgold-Verbindung von Nagyag den Namen des gros- sen Chemiker tragen soll, so ist es dennoch nach den allgemein geltenden Gesetzen nicht wohl möglich, den Namen Bunsenin oder Bunsenit ein zweites Mal zu verAvenden, noch auch dem natür- lichen Nickeloxydul den bereits allgemein angenommenen Namen Avieder zu entziehen. Es muss demnach dem neuen Mineral von Nagyag (Tellurgold, Avahrscheinlich mit Avechselnden, aber unter- geordneten Mengen von Tellursilber) ein anderer Name beigelegt werden. Ich gestatte mir als solchen „Krenneri t“ in Vorschlag zu bringen mit Rücksicht darauf, dass Hr. Prof. Kremier in Pest- Ofen das seltene Mineral entdeckte und zuerst eine dasselbe genau charakterisirende Beschreibung gab.

Dem Krennerit steht in Bezug der chemischen Zusammensetzung der Calaverit Genth’s von der Stanislaus-Grube, Calaveras County, Califoniien am nächsten. Derselbe ist indess derb, bronzegelb und entspricht der Formel AuTe4. Ferner Avürde das neue Mineral zu vergleichen sein mit dem Nagyager Petzit oder Tellurgoldsilber, Avelches freilich bisher nicht in Krystallen beobachtet Avurde, so- Avie mit dem Hessit oder Tellursilber (AgTe), Avelches aber keine deutliche Spaltbarkeit besitzt und dessen Form nicht mit derjeni- gen des Krennerit zu vereinigen ist.“

vom 31. Mai 1877.

297

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

The Observator^, a monthli/ review of astronomy. N. 1. 1877. April. Lon- don. 8.

Zeitschrift des Kgl. Preuss. Statistischen Biireaus. Jahrg. 17. 1877. Heft 1. Berlin 1877. 4.

Atti della R. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXIV. Serie terza. Tran- sunti. Vol. I. Fase. 5. Roma 1877. 4.

Deutsches akademisches Jahrbuch. 2. Jahrg. Leipzig 1877. 8. Mit Be-

gleitschreiben.

Die Fortschritte der Physik im. Jahre 1872. Jahrg. XXVIII. Abth. 1. 2. Berlin 1876/77. 8.

Annual Report of the trustees of the Museum of comparative zoölogy for 1875. Senate N. 5. Boston 1877. 8.

Revue archeologique. Nonv. Serie. 18. Annee. IV. Avril 1877. Paris. 8. Zeitschrift der Deutschen Morgenlcindischen Gesellschaß. Bd. 31. Heft 1. und Register zu Bd. 21 30. Leipzig 1877. 8.

G. Omboni, II mare glaciale e il pliocene al piedi delle Alpi Lombarde. Padova 1876. 8. Extr.

E. Sabine, Contributions to terrestrial magnetism. N. XIV. 4. London. Extr. Vom Verfasser.

Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Jahrg. 1877. Bd. XXVII. X. 1. Wien. 8.

Verhandlungen der k. k. Geol. Reichsanstalt. 1877. N. 1 6. ib. 1877. 8. Abhandlungen der k. k. Geol. Reichsanstalt. Bd. IV. ib. eod. 4. Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaß in Wien. Bd. VII. X. 1 3. ib. 1877. 8.

Achtar (der Stern, eine p>6rs. Zeitung). X. 22 25 vom 21. 25. 28. April und 2. Mai 1877. pag. 137 168. fol.

Th. Schwedoff, Idees nouvelles sur l' origine des formes cometaires. Odessa 1877. 8. 6 Ex.

Bulletin de lo societe mathematique de France. T. V. X. 3. Paris 1877. 8.

Revue scientifique de la France et de V etranger. X. 47. 48. Mai 1877. Paris. 4.

Polybiblion. Part. litt. 2. Ser. T. V. Livr. 5. Mai 1877. Paris. 8. Part, techn. 2. Ser. T. III. Livr. 4. 5. Avril-Mai 1877. ib. 8.

Bulletin de la Societe geologique de France. 8. Serie. T. V. Feuilles 8 10. Paris 1877. 8.

Bulletin de V Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. T. XXIII.

(Feuilles 26 32.) Avril 1877. St. Petersbourg. 4.

Transactions of the zoological Society of London. Vol. IX. Part. II. Lon- don 1877. 4.

298

Gesammtsitzung vom 31. Mai 1877.

Atti della B. Accademia dei Lincei. Aniio CCLXXIII. ISlbllß. P. I. II.

Roma 1876. 4. Mit Begleitschroiben.

Serie III. Transimti. Vol. I. Fase. 2. ih. 1877. 4.

Desgl.

B. Boneoinpagni, Bu/lettiiw. T. X. Febbr. 1877. Roma 1877. 4.

Bapport etc. siir la mission des chotts. Paris 1877. 8.

Atti dell' Accademia Pont, de' nuovi Lincei. Anno XXX. Sess. I. del 17 Dec. 1876. Roma 1877. 4.

Bapport a Mr. Waddington sur le Service des missions et voyages .scientifigues en 1876, par M. Le Baron de Wattevi Ile. Paris 1877. 8.

K. Akademie der Wissenschaften in iVien. 1877. N. XII. XIII. Sitzung der math.-naturic. Classe. Wien. 8.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

Juni 1877.

Mit 4 Tafeln.

BERLIN 1877.

BUCHDRUCKERHl DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. UNIVKRSITÄTSSTR. 8,

IN COMMISSION IN FERD. DÜ.MMLEr’S VERLAGS-BUCHHANDLUNG.

HARRWITZ t'ND OOSSMANN.

*T

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

Juni 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Curtius.

4. Juni. Sitzung der philosophisch -historischen Klasse.

Hr, Curtius sprach nischen Topographie und

über neu gewonnene Resultate der athe- insbesondere über das Pythion.

7. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. W. Siemens las:

Uber die Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähig- keit des Selens von Wärme und Licht.

Am 17. Februar 1876 theilte ich der Akademie den ersten Theil dieser Untersuchung mit, welclier sich auf die Beschreibung der Veränderungen beschränkte, welche das Selen durch Einwir- kung der Wärme und des elektrischen Stromes erleidet. Da es mir nicht gelungen war, den von Anderen sowie von mir selbst früher beschriebenen Einfluss der Beleuchtung auf die elektri-

[1877]

•24

300

Gesa)mntsit:unfj

sehe Leitungsfähigkeit des Selens auch bei anderen Körpern nach- zuweisen, so musste ich diese Erscheinung als eng verknüpft mit den besonderen Eigenschaften des Selens betrachten, und es erschien eine eingehendere Untersuchung derselben der einzige Weg zu sein, um eine Erklärung für diese merkwürdige Lichtwirkung zu finden.

Leider machte es mir meine Thätigkeit auf anderen Gebieten bisher unmöglich, die schon damals grösstentheils angestellten Versuche über die Lichtwirkung auf das Selen zum Abschluss zu bringen.

Inzwischen ist unter dem Titel „der Einfluss des Lichtes auf den elektrischen Leitungswiderstand der Metalle“ eine Arbeit des Dr. Richard Börnstein in Heidelberg erschienen, welche die Grundlage meiner Arbeit dadurch in Frage stellt, dass Hr. Börn- stein die Führung des Nachweises unternimmt, dass die Vergrösse- rung der Leitungsfähigkeit der Metalle durch Beleuchtung nicht auf Selen beschränkt sei, sondern auch beim Tellur, Platin, Gold und Silber und wahrscheinlich auch bei allen übrigen Metallen eintrete.

Bei meinen Versuchen über den Einfluss der Beleuchtung auf andere Metalle hatte ich zwar bei der Wahl der Methoden und In- strumente stets die grösstmögliche Empfindlichkeit angestrebt, war auch von demselben Principe ausgegangen, wie Hr. Börnstein: die beleuchtete Fläche im Verhältniss zu der Dicke möglichst gross zu machen; ich war aber doch immer von der Ansicht ge- leitet worden, dass eine etwaige Vergrösserung der Leitungsfähig- keit in einem gewissen Verhältnisse zur specifischen Leitungsfähig- keit des betretfenden Metalles stehen müsste. Da nun das Selen auch in der bestleitenden und zugleich lichtempfindlichsten, von mir mit Modification II bezeichneten Form noch etwa 240000 Millionen mal schlechter leitet als Silber, so müsste eine Vergrösserung der Leitungsfähigkeit eines dünnen Metallblattes voraussichtlich auch mit wenig empfindlichen Instrumenten noch leicht zu erkennen sein, wenn die Zunahme der Leitungsfähigkeit der beleuchteten Oberfläche des Metalles von der specifischen Leitungsfähigkeit des- selben abhängig war.

Anders stellt sich die Sache jedoch, wenn man annimmt, dass durch die Lichtwirkung auf der Oberfläche des Metalles eine lei- tende Schicht hergestellt wird, deren Leitungsfähigkeit in keinem directen Verhältniss zur specifischen Leitungsfähigkeit des beleucli-

vom 7. Juni 1877.

301

teten Metalles selbst steht, also bei gut leitenden Metallen viel- leicht nicht besser leitet, als die auf der Oberfläche des Selens erzeugte. Da wir die Leitungsfähigkeit der hinzugekominenen lei- tenden Schicht nur als Vergrösserung der Leitungsfähigkeit des beleuchteten Metalles messen können und in der Verminderung der Dicke desselben durch den zu erhaltenden Zusammenhang des Metallblattes beschränkt sind, so erreichen wir bei gut leitenden Metallen bald die Grenze der durch die empfindlichsten Messinstru- mente nicht mehr zu erkennenden Unterschiede. Ein Selenplätt- chen z. B., wie ich sie zu meinen Versuchen und zu Selen-Photo- metern verwendet habe, besteht aus 11 parallelen, 0,1 Mm. dicken Drähten von 10 Mm. Länge, in 1 Mm^ Abstand von einander, und hat dabei einen Leitungswiderstand von circa 1 Million Q. Einh. Man kann sich das Selen daher ersetzt denken durch eine, die parallelen Drähte leitend verbindende, Quecksilberschicht von der Dicke X, welche durch die Gleichung gegeben ist:

oder

1000000 =

1

lOÖ'

1

1000

1

X

X

1

100000 Million

oder

1

Tö"

Mm.

Bei einer Beleucbtung, welche die Leitungsfähigkeit des Selen- Plättchens verdoppelt, würde die hinzutretende leitende Beleuch- tungsschicht durch eine Quecksilberschicht von gleicher Dicke er- setzt werden können.

Das von Hrn. Börnstein zu seinen Versuchen benutzte Gold- blatt, an welchem er durch die Brückenmethode eine Zunahme der Leitungsfähigkeit von 0,0001 gefunden hat, hatte einen Widerstand von 3 Q. E., eine Länge von 24 und eine Breite von 9 Mm. Wenn man daher das Goldblatt durch eine Quecksilberschicht von der Dicke y ersetzt, so hat man für y.

oder es ist

0,001

y

89

10^

Mm.

Wenn die Leituiigsfähigkeit des Goldblattes sich um 0,0001 durch Beleuchtung vergrösserte, wie Hr. Börnstein fand, so

24*

302

Gemmmtsitzung

musste die hinzugekommene Beleuchtungsschicht einer Quecksilber-

89

Schicht von 0,0001 dieser Dicke, also von Mm., entsprechen.

der Beleuchtungseffect war also circa 8900 mal so gross als beim Selen, wenn angenommen wird, dass die von Hrn. Börn- stein benutzte Beleuchtung die Leitungsfähigkeit des Selen-Plätt- chens verdoppelt hätte! Um die Lichtwirkung auf das Selen durch eine bei allen Metallen gleiche Beleuchtungsschicht zu erklären, braucht die Leitungsfähigkeit des Börnstein’schen Goldblattes nur um ^/gg Millionstel ihres Werthes vergrössert zu werden, eine Grösse, die sich wohl niemals auf experimentellem Wege wird nachweisen lassen. Am meisten Aussicht dazu gäbe wohl das Tellur, da dessen Leitungsfähigkeit nur 0,00042 von der des Gol- des ist, falls es gelingen sollte, das Tellur in so dünnen leitenden Schichten darzustellen, wie das Goldblatt.

Die Gründe, aus welchen ich die Annahme einer auf allen Me- tallen auftretenden, leitenden Beleiichtungsschicht verwarf, stützen sich daher nicht auf die negativen Resultate meiner Bemühungen, die Lichtempfindlichkeit bei anderen Körpern als Selen nachzuweisen, sondern wesentlich darauf, dass die Lichtempfindlichkeit des Selens in hohem Grade abhängig ist von der Reinheit und molekularen Beschaffenheit desselben. Die geringste Verunreinigung mit ande- ren Metallen vermindert seine Lichtempfindlichkeit in sehr hohem Grade. Als ich dem zur Anfertigung von Selen-Plättchen benutz- tem Selen nur ^ Proc. Silber zusetzte, war gar keine Lichtem- pfindlichkeit mehr wahrzunehmen. Durch zu starke Lichtwirkung, durch starke Abkühlung oder Erhitzung wird die Lichtempfindlich- keit in hohem Grade beeinträchtigt, selbst wenn keine wesentliche Veränderung der Leitungsfähigkeit des Präparates selbst eintritt. Alles dies wäre nur schwer erklärlich, wenn sich auf der Selen- Oberfläche eine leitende Schicht durch Einwirkung des Lichtes bildete, die von dem unter ihr liegenden Leiter unabhängig wäre. Es Hesse sich die Entstehung einer solchen leitenden Beleuchtungs- schicht überhaupt wohl nur so erklären, dass inan annähme, es ■würden die auf der Oberfläche der Metalle condensirten Gase durch Lichtwirkung chemisch so modificirt, dass sie leitend würden und dass nach dem Aufhören der Beleuchtung eine Rückbildung in den nicht leitenden Zustand einträte. Dann müsste aber eine an Glas oder Glimmer durch Schmelzung fest anliegende Selenschicht gar

vom 7. Jxmi 1877.

303

keine oder doch nur eine weit geringere Lichtempfindlichkeit zeigen, als eine der Luft ausgesetzte; dies ist jedoch nicht der Fall, wie schon aus der Construction meiner lichtempfindlichen Selen- Prä- parate sich ergibt, die zwischen Glimmerplatten eingeschmolzen werden.

Wenn ich aber durch diese Betrachtungen auch in der Ansicht bestärkt wurde, dass die Lichtempfindlichkeit eine speci- fische Eigenschaft bestimmter Selen -Modificationen sei und bei anderen Körpern nicht vorkomme, so erschien es mir doch durch- aus nicht unmöglich, dass empfindlichere Methoden und Instrumente, als ich sie benutzte, eine Lichtempfindlichkeit auch bei anderen Metallen nachweisen könnten. Das Experiment konnte hier allein entscheiden.

Bei der Arbeit des Hnii Börnstein waren mir, ausser eini- gen missverstandenen Anführungen aus meiner Untersuchung, auf die ich später zurückkomme, von vorn hei-ein einige seiner Resul- tate sehr auffallend. Einmal findet er bei Platindrähten von 0,00022 Mm. Dicke eine noch etwas grössere Zunahme der Lei-

19

tunffsfähigkeit wie bei einem Goldblatte von Mm. Dicke,

*= ^ Million

obgleich die Verhältnisse der Projection der beleuchteten Fläche zum Querschnitte des Metalles in beiden Fällen sich wie 2348 : 1 verhält. Wäre dies richtig, so müsste die lichtempfindliche Schicht beim Platin über 2000 mal besser leiten wie beim Golde, was jedenfalls nicht wahrscheinlich erscheint; In gleichem Grade auf- fällig ist die überraschend grosse Verschiedenheit der Lichtempfind- lichkeit, welche sich durch Messung mittelst der Brücken- und der Weber’schen Dämpfungsmethode ergibt. Während die Brücken- messung eine Vermehrung der Leitungsfähigkeit von etwa 0,01 Proc. nachwies, ergab die Dämpfungsmethode unter ähnlichen Verhält- nissen eine Vergrösserung der Leitungsfähigkeit von 3 bis 5 Proc., dieselbe war also in diesem Falle 300 bis 500 mal so gross, als im ersten. Ilr. Börn stein vermuthet, dass diese grosse Verschieden- heit seiner Messresultate davon herrührt, dass die durch den schwingenden Magnetstab in den Drahtwindungen erzeugten Ströme sehr viel schwächer gewesen seien, als die des Leclanche’schen Elementes, mit dem er die Brückenmessungen ausführte, und be- gründet hierauf den Satz, dass „die vom elektrischen Strome er- zeugte Verminderung der Leitungsfähigkeit, die er als elektrische

304

Gesammtsitzuruj

Nachwirkung bezeichnete, begleitet sei von einer Abnahme der Lichtemptindlichkeit“. Wie gross die elektromotorischen Kräfte waren, welche von den schwingenden Magnetstäben in den Win- dungen erzeugt wurden, mag dahin gestellt bleiben, da eine Be- rechnung nicht ausführbar ist, weil die bezüglichen Angaben des Hrn. Börnstein nicht vollständig genug sind. Jedenfalls wider- spricht aber eine so grosse Abhängigkeit der Lichtwirkung von der Stromstärke den beim Selen gemachten Erfahrungem

War die Ansicht des Ilrn. Börnste in richtig, dass die directe Widerstandsvergleichung aus dem Grunde ein so bedeutend gerin- geres Resultat ergab, als die Widerstandsmessung mittelst der Däm- pfungsinethode, weil die Lichtwirkung durch 1‘lrwärmung der be- leuchteten dünnen Metallplatten durch den Strom und die gleich- zeitig eintretende Verminderung der Lichtempfindlichkeit durch den- selben verdeckt, resp. vermindert wurde, so mussten jedenfalls di- recte Widerstandsmessungen mit sehr geringen elektromotorischen Kräften ähnliche Resultate ergeben, wie er sie durch die Däm- pfungsmethode erhielt. Ich ersetzte daher mein Galvanometer mit aperiodisch schwingendem Glockenmagnete und 8 Meter Scalenab- stand, mit dem die früheren Versuche angestellt waren, durch ein Galvanometer mit einem astatischem Paare von zwei kleinen Glockenmagneten, die an einem xVluminium -Draht in einem Ab- stande von circa 100 Mm. befestigt waren. Jeder Magnet befand sich im Centrum einer Drahtspirale mit durchschnittlich 445 Win- dungen 1 Mm. dicken Drahtes von 1.84 (^. E. Widerstand. Am oberen Ende des Aluminiumdrahtes war ein Ste i n he i l’scher leichter Spiegel von 9 Mm. Durchmesser befestigt, der durch ein Gehäuse mit Spiegelscheibe gegen Luftströmungen geschützt war. Durch einen in beliebiger Entfernung unter dem Magnetpaare anzubrin- genden, drehbaren Magnetstab Hess sich dem Magnet-Systeme eine beliebige Richtkraft geben und die Einstellung auf die Mitte der, wie früher, 8 M. entfernten Scala, von 1 M. Länge mit Millimeter- Theilung, bewirken. Dies äusserst empfindliche Galvanometer com- binirte ich mit einer Brückenverzweigung, deren vier Zweige, von denen das zu untersuchende .Metallblatt den einen bildete, möglicliSt gleich gross und wenig verschieden von dem Widerstande des Gal- vanometers gemacht wurden. Zwischen die beiden veränderlichen Brückenzweige aus Neusilberdraht war ein um die Peripherie einer runden, mit Theilkreis versehenen Schieferscheibe apsgespannter Neu-

vom 7. Juni 1877.

305

silberdraht von 300 Mm. Länge und 3 Q. E. Widerstand einge- schaltet, auf welchem sich eine Platinrolle mit Index und Nonius verschieben Hess. Die Platinrolle war mit dem einen Pole eines DanieU’schen Elementes verbunden, dessen Widerstand durch Ein- schaltung eines Dralitwiderstandes auf 10 Q. E. gebracht wurde. Vermittelst einer Widerstandsscala konnte dies Element durch eine beliebig grosse Nebenscliliessung geschlossen werden. Die in den, nahe gleich grossen, Brückenzweigen wirksame elektromotorische

w'

Kraft E' war dann E : wenn w der Widerstand, E die

10 + %o'

elektromotorische Kraft des Elementes und lo’ der Widerstand der Zweigleitung war. Um die Empfindlichkeit der Messung genau controlliren zu können, wurde in den das zu untersuchende Metall- blatt enthaltenden Brückenzweig ein Kupferdraht von 0,001 Q. E. Widerstand eingeschaltet, der durch einen kurzen, dicken, amalga- mirten Kupferbügel mit Hilfe zweier Quecksilbernäpfchen ausge- schlossen werden konnte. War durch wiederholte kurze Schlies- sungen der erst schwächeren, dann bis auf die Stärke von 1 Daniell verstärkten, wirksamen Kette vollständiges Gleichgewicht hergestellt, so ergab die Ein- oder Ausschaltung des Widerstandes von 0,001 Q. E. eine Ablenkung der Nadel von circa 20 Scalentheilen; es mussten also Veränderungen der Leitungsfähigkeit eines Brücken- zweiges von 0,0001 Q. E. noch mit grösster Deutlichkeit erkannt werden.

Die Objecte, welche ich prüfte, waren auf Glasplatten ausge- breitete, dünne Goldhäutchen, welche an den Enden durch aufge- tropftes, geschmolzenes Rose’sches Metall mit Stanniolbelegungen und den Zuleitungsdrähten metallisch verlöthet waren, ferner sehr dünne, noch hell durchscheinende, auf verschiedenen Wegen herge- stellte, Niederschläge von Gold, Platin und Silber, die auf ähn- liche Weise mit den Zuleitungsdrähten verlöthet waren, endlich möglichst dünne Plättchen von Aluminium und Tellur. Diese Prä- parate wurden in den betreffenden Brückenzweig eingeschaltet, wäh- rend sie durch einen übergedeckten Pappkasten vor Lichtwirkung geschützt waren. Nachdem das Gleichgewicht hergestellt und einige Zeit verstrichen war, wurde der Batteriecontact hergestellt, und nach- dem die gewöhnlich eintretende, geringe Ablenkung des Spiegels ab- gelesen war, der Pappkasten abgenommen. Das Metallblatt war dann der Beleuchtung durch eine in einer Laterne mit weitem Spalt

306

Gesammtsitzung

aufgestellte Petroleumlampe ausgesetzt, deren Strahlen durch ein 12 Cm. im Durchmesser haltendes, cylindrisches und mit concen- trirter Alaunlösung gefülltes Glasgefäss gingen und dadurch auf dem Metallblatte concentrirt wurden, während die Wärmestrahlen durch die Alaunlösung absorbirt wurden. Der Pappkasten wurde dann wiederholt aufgesetzt und abgenommen, während die Kette dauernd geschlossen blieb. In fast allen Fällen ergaben sich die Wirkungen einer langsam eintretenden, schwachen Erwärmung des Metallblattes durch den Strom und die Beleuchtung, aber niemals sichere Anzeichen einer Verminderung des Leitungswiderstandes durch Lichtwirkung.

Leider zeigte sich, dass das Galvanometer nicht ruhig genug zu erhalten war, um bei dieser Empfindlichkeit zuverlässige Messun- gen ausführen zu können, welche die Frage entscheiden konnten, ob überhaupt eine messbare Lichtwirkung auf andere Metalle, als Selen stattfindet. Weder das Galvanometer selbst war vor äusse- ren Strömungen ausreichend zu schützen, noch waren die Therrno- ströme, die bei so geringen Widerständen und elektromotorischen Kräften ohne besondere Vorkehrungen sehr störend auftreten, hin- länglich auszuschliessen.

Ein gleiches negatives Resultat erhielt ich bei einer anderen Anordnung meiner Versuche. Es wurde das zu untersuchende Me- tallblatt direct in den Galvanometer-Kreis eingeschaltet. Wurde der Kreislauf mit einer wirksamen elektromotorischen Kraft {E') von 0,01 Daniell geschlossen, so ging der Spiegel über die Scale weg. Durch einen in geeigneter Weise dem Galvanometer genäherten Magnetstab wurde er darauf wieder auf die Mitte der Scala zu- rückgeführt. War dies einmal eingestellt, so stellte sich auch nach längerer Ruhe beim Schliessen der Kette das Fadenkreuz meines Fernrohrs bei der vollkommenen Aperiodicität des Galvanometers ohne Schwankungen auf einen Theilstrich der Scala ein. In die- sem Moniente wurde durch einen Gehilfen der Pappkasten ab- genommen un.d dadurch die Metallplatte beleuchtet. Auch hierbei war bei allen oben erwähnten Metallblättern keine unzweifelhafte Lichtwirkung zu erkennen, obgleich eine Verminderung des Wider- standes um 0,0001 noch mit grösster Deutlichkeit hätte hervor- treten müssen. Wäre Ilrn. Börnstein’s Annahme richtig, dass durch Verminderung der elektromotorischen Kraft eine so bedeu- tende Vergrösserung der Lichtwirkung eintritt, als er sie bei An-

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307

Wendung der Dämpfungsmethode gefunden hat, so hätte dieselbe bei Anwendung v«n 0,01 Daniell doch schon in einem beträchtlich höheren Grade hervortreten müssen, als bei Anwendung von 1 Leclanche Element, welches er bei der Brückenmessung benützte.

Ich musste aus den schon erwähnten Gründen darauf ver- zichten, die Empfindlichkeit der benutzten Galvanometer noch wei- ter zu steigern, und konnte nur noch versuchen, die etwa vorhan- dene Lichtwirkung durch Herstellung möglichst dünner und dabei sicher leitender Metallblätter noch zu verstärken. Es gelang in der That mit Hilfe bekannter Methoden, äusserst dünne noch lei- tende Metallbeläge auf Glasplatten herzustellen und mit sicheren Zuleitungen zu versehen. Letzteres gelang nur auf die Weise voll- ständig, dass der mit dem dünnen Metallbelage versehene Glas- streifen in einer Lösung von unterschwefligsaurem Silber oder Gold galvanisch versilbert oder vergoldet wurde, wobei ein Quer- streifen durch eine Lackschicht, die man später durch Alkohol oder Aether entfernte, vor der Versilberung geschützt wurde. Es gelang auf diese Weise, eine noch gut leitende Goldschicht herzu- stellen, die im reflectirten Lichte als schöner Goldspiegel erschien, das Tageslicht aber nicht mehr in grüner, sondern in hellblauer Farbe durchscheinen Hess. Der Widerstand dieses 15 Mm, langen und 10 Mm. breiten Goldspiegels betrug nach wiederholten und constant bleibenden Messungen 7000 Q. E. Danach würde die Dicke der Goldschicht, wenn man die Leitungsfähigkeit des Goldes = 34 setzt die des reinen Quecksilbers = 1 angenommen 0.0000000063 Mm. betragen haben, falls eine so dünne Schicht ebenso leitet wie eine dickere Metallmasse ^). Auch mit diesem Präparate konnte ich keine Lichtwirkung wahrnehmen, obschon ich des grossen Widerstandes wegen mein Galvanometer mit 40000 Drahtwindungen aus dünnem Drahte von 7613 Hg E. Widerstand versehen und da- durch seine Empfindlichkeit sehr bedeutend gesteigert hatte. Be- merkenswerth ist aber, dass der Widerstand dieser so äusserst dünnen Goldschicht bei Anwendung einer elektromotorischen Kraft von 0,01 Daniel! noch durchaus constant war und die von Hrn. Börnstein gefundene Nachwirkung des Stromes nicht zeigte.

Da mir daran lag, meine negativen Versuclisresultate einer

Letzteres ist in Wirklichkeit schon deshalb niclit anznnehmen, weil die Oberfläche nicht spiegelnd, also rauh ist.

308

Gesammtsitzung

Controlle durch andere Experimentatoren zu unterwerfen, und es mir auch von Wichtigkeit schien, durch Anwendung weit empfind- licherer Methoden, als Hr. Börnste in und ich selbst sie anwenden konnten, zu untersuchen, ob überhaupt eine Lichtwirkung bei an- deren Metallen als Selen nachzuweisen ist, so veranlasste ich mei- nen Freund Gustav Hansemann in seinem zur Untersuchung von schwachen Thermo-Strömen eingericliteten Laboratorium eine Unter- suchung der Sache vorzunehmen. Im Hanseman n’schen Labo- ratorium ist durch eine Wand aus dicken Spiegelglasscheiben, die den Beobachter von den Instrumenten trennt, ein relativ dunkler Raum abgeschieden, in welchem die Instrumente aufgestellt sind, so dass alle Luftströmungen und sonstige Ursachen localer Tem- peraturänderungen vermieden werden. Die nöthigen Bewegungen werden durch Schnüre, die durch die Glaswand gehen, ausgeführt. Dies und die grosse Empfindlichkeit seines Spiegelgalvanometers mit Drahtwindungen von 0,5 Q. IL Widerstand machte es ihm möglich, als Elektromotor ein Eisenkupfer-Thermo- Element anzu- wenden, welches eine constante elektromotorische Kraft von nahe 0,001 Daniell gab, wenn die eine Löthstelle durch kochendes Wasser, die andere durch einen Strom von Wasserleitungswasser auf constanter Temperatur erhalten wurde. Bei dieser geringen elektromotorischen Kraft konnte von einer Verdeckung der Licht- wirkung durch Erwärmung des Metallblattes und durch Nachwir- kung des Stromes gar nicht mehr die Rede sein und es war anzunehmen, dass die von Hrn. niste in mit Anwendung der Dämpfungsmethode gefundenen 3 bis 500 mal grösseren Beleuch- tungswerthe jetzt sicher hervortreten würden, wenn sie nicht auf Selbsttäuschung beruhten. Da Hr. Hanse mann seine Versuche in einem dieser Abhandlung angeschlossenen Aufsatze selbst be- schrieben hat, so will ich hier nur hervorheben, dass derselbe ebenso wenig als ich einen Einfluss des Lichtes zu finden ver- mochte. Auch die Dämpfungsmethode, mit welcher Hr. Hanse- inann die Börnstein’schen auffallenden Versuchsresultate mit Hilfe eines passend scheinenden Spiegelgalvanometers, welches ich ihm hierzu zur Verfügung gestellt hatte, zu reproduciren suchte, er- gaben bei Anwendung der nöthigen Vorsicht gegen Auftreten von Tlierrnoströmen und anderen Störungen kein positives Er- gehn iss.

Welches die Ursachen der abweichenden Versuchsresultate des

vom 7. Juni 1877.

309

Hrn. Börnstein sind, lässt sich nicht beurtheilen, da die Versuche desselben hierzu nicht eingehend genug beschrieben sind. Bei der- artigen Messungen, welche die höchste Empfindlichkeit der Instru- mente beanspruchen, treten leicht Störungen mit einer gewissen Constanz auf, und es ist immer etwas gewagt, neue Fundamental- erscheinungen ausschliesslich auf Mittehverthe zu basiren, nament- lich dann, wenn das Ergebniss noch weit innerhalb der Fehler- grenzen der einzelnen Versuche liegt, wie es bei den Börnstein- schen Versuchen der Fall ist.

Nach Obigem kann ich die Schlussfolgerungen, die Hr. Börn- stein aus seinen Versuchen zieht, nicht anerkennen, muss im Gegentheil bei meiner Ansicht stehen bleiben, dass eine Lichtwir- kung bei anderen Metallen als beim Selen mit den bisherigen Hilfsmitteln nicht nachzuweisen ist.

Ich will damit nicht die Möglichkeit in Abrede stellen, dass dies künftig mit sehr verfeinerten Messmethoden noch geschehen kann, und dass dann auch die Lichtwirkung auf das Selen durch diese verallgemeinerte Wirkung des Lichtes zu erklären wäre, glaube aber nicht, dass wir berechtigt sind, dieselbe als bestehend anzunehmen, bevor sie nicht durch unzweifelhafte Versuche nach- gewiesen ist. Bis dahin müssen wir die Lichtwirkung auf das Selen als dem Selen ausschliesslich zukommend ansehen und ver- suchen, in den besonderen Eigenschaften desselben eine Erklärung für diese Lichtwirkung zu finden.

Bevor ich hierzu übergehe, muss ich noch kurz auf einige An- führungen des Hrn. Börnstein aus meiner der Academie mitge- theilten Untersuchung über das Verhalten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom zurückgehen.

Hr. Börnstein hat wiederholt Angaben, die sich nur auf den gerade besprochenen Versuch bezogen, als allgemein gütige Versuchs- resultate angeführt. So ist der mir zugeschriebene Satz, dass mit der Dauer der Erhitzung des amorphen Selens die Leitungsfähig- keit, aber nicht die Lichtempfindlichkeit wachse, in dieser Allge- meinheit nicht richtig. Ebenso ist es nicht richtig, dass sich stets ein Polarisationsstrom zeigt, als Folge anhaltender Ströme durch das Selen. Ich habe im Gegentheil bestimmt ausgesprochen, dass dieser nur in exceptionellen Fällen, bei starken Strömen und frisch hergestellten Selenplättchen der gut leitenden Modification II nach- weisbar sei, und dass in den meisten Fällen auch mit den ein-

310

Gesammtsiizung

pfindliclisten Hilfsmitteln keine Polarisation zu finden sei. Ich erklärte diese Polarisation als eine Elektrolyse der Berührungs- fläche zwischen dem Selen und den dasselbe begrenzenden Leitern. Die Lichtempfindlichkeit des Tellurs nimmt Hr. Börnste in als Thatsache an, ohne sie selbst untersucht zu haben, obgleich ich sie bestimmt in Abrede gestellt habe. Er stützt sieb dabei ausschliess- lich auf den gelegentlichen Versuch des lirn. Adams, der an einem 1 Zoll langen Tellurstabe eine Lichtw'irkung zu erkennen glaubte.

Da das Tellur nach Matthiessen ca. 2400 mal so grossen spe- cifischen Leitungs widerstand hat, als (jold, und ausserdem viele })hysikalische Eigenschaften mit dem Selen gemein hat, so ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass das Tellur unter Umständen licht- empfindlich ist. Sein specifischer Leitungswiderstand ist aber im- mer erst circa 1 Millionstel von dem des Selens und da es seiner Sprödigkeit wegen bisher nicht in die Form so dünner Blätter ge- bracht werden kann, als die ductilen Metalle, so wird seine Licht- empfindlichkeit unter gewöhnlichen Umständen schwerlich nach- weisbar sein. Mir ist dieser Nachweis auch mit circa 0,01 .Mm. dicken Platten, die zwischen erwärmten Glasplatten aus geschmol- zenem Tellur durch starken Druck ausgepresst waren, nicht gelungen.

Bereits in meiner vorläufigen Mittheilung an die Akademie von 1875 habe ich angegeben, dass die Zunahme der Leitungs- fähigkeit des Selens durch Beleuchtung im annähernden Verhält- nisse der Quadratwurzeln aus den Lichtstärken stehe. Bevor ich zur näheren Untersuchung dieser Frage überging, suchte ich mich erst zu vergewissern, dass gleiche Lichtstärken gleichfarbigen Lichtes bei demselben Selenpräparate unter sonst gleichen Verhältnissen auch sicher die gleiche Lichtwirkung zeigte. Es sollten diese Versuche zugleich die Frage entscheiden, ob das Selen sich zur Herstellung eines brauchbaren Photometers eignete, das dann vor den bisher benutzten den grossen Vorzug haben würde, dass es frei von den bei photometrischen .Messungen so störenden persönlichen Fehlern des Beobachters sein und auch für den Vergleich verschie- denfarbigen Lichtes bestimnile Zahlenwerthe geben würde.

Die zu diesen Versuchen benutzten Selenpräparate waren die- selben, wie ich sie in dem ersten Theile dieser Untersuchung be- schrieben habe. Sie bestanden aus zwei 0,05 bis 0,10 .Mm. dicken Platina-, Stahl- oder Kupferdrähten, die von einander isolirt auf einem Glimmerblättchcn so befestigt waren, dass ein Zwischen-

vom 7. Juni 1877.

311

raum von 0,5 bis 1 Mm. zwischen den Drähten frei blieb. Die Befestigung geschah auf die Weise, dass das Glimmerblatt mit zwei Reihen feiner Löcher im Abstande von ca. 10 Mm. von einander versehen wurde. Durch diese Löcher wurden die Drähte gezogen und die Enden so verbunden, dass ein Drahtgitter auf der Ober- fläche des Glimmerblattes entstand, dessen Drähte abw'echselnd mit dem einen oder anderen der beiden Zuleitungsdrähte verbun- den waren. Auf dies Gitter wurde nun eine etwa Mm. dicke Platte amorphen Selens gebracht, darauf eine zweite Glimmerplatte auf dieselbe gelegt und diese mit der ersten Glimmerplatte fest verbunden. Dai’auf wurde das Ganze zwischen zwei kleine Metall- platten mit elastischem Drucke eingesperrt und dann mit diesen in ein Paraffinbad getaucht, welches auf eine Temperatur von 200° bis 210° C. gebracht war, und in dieser Temperatur mehrere Stun- den lang durch einen passenden Wärmeregulator erhalten wurde. Nach eingetretener Abkühlung hatte das Plättchen dann in der Regel einen Leitungswiderstand von 500000 bis 1500000 Q. E. und eine Lichtempfindlichkeit, die einer Vergrösserung der Leitungs- fähigkeit durch diffuses Tageslicht um 0,2 bis 0,5 entsprach; Licht- empfindlichkeit und Leitungsfähigkeit pflegten nach etlichen Tagen etwa auf die Hälfte zurückzugehen. Ein solches Selen -Plättchen wurde nun auf den Boden eines etwa 30 Mm. weiten und 60 Mm. langen Metallrohres befestigt, und die Zuleitungsdrähte mit ausser- halb desselben angebrachten isolirten Klemmen verbunden. Das Rohr selbst war um eine verticale Axe drehbar, so dass man das Selen-Plättchen durch Drehung des Rohres schnell und sicher von einer Lichtquelle auf die andere richten konnte. An dem Gestelle, welches die Axe trug, war ein 1 M. langer Holzstab mit Millimeter- Theilung so befestigt, dass die Axe mit dem Beginn der Theilung zusammenfiel. Auf dem Holzstabe war ein Lichthalter mit Index verschiebbar, der zur Aufnahme der Normalkerze bestimmt war, die zum Vergleiche der gemessenen Lichtquelle diente.

Zur Ausführung der Messung wurde der Apparat so aufge- stellt, dass der Maafsstab mit der Normalkerze einen rechten Win- kel mit der zu messenden Lichtquelle bildete, so dass man durch schnelle Drehung des Rohi’es von einem Anschläge zum anderen das Selen ohne wesentlichen Zeitverlust der Einwirkung der einen oder der anderen Lichtquelle aussetzen konnte. Die Contact- Klemmen des Rohres wurden dann in Verbindung mit den Zu-

312

Gesammt Sitzung

leitungsdrähten eines empfindlichen Galvanometers gebracht, in wel- che durch einen Contactgeber eine passende galvanische Kette ein- geschaltet werden konnte. Je nach der Lichtempfindlichkeit des Selenplättchens und der Empfindlichkeit des Galvanometers wurden 1 bis 10 Danieirsche Elemente, unter Umständen auch noch stär- kere Batterien eingeschaltet. Es wurden nun zuerst 4 Normal- kerzen in einer Entfernung von 100 Cm. vom Selen-Plättchen neben einander aufgestellt und die auf dem Schieber befindliche Normal- kerze so lange genähert, bis beim schnellen Wechsel des Selen- rohres von einer Lichtquelle zur anderen keine dauernde Änderung der Ablenkung des Spiegels mehr eintrat, wenn auch der kurze Moment der Dunkelheit während des Überganges des Rohres aus einer Stellung in die andere stets ein kurzes Zurückzucken des Spiegels bemerkbar machte. Die Stellung des Index ergab eine Ent- fernung der Normalkerze von 49,1 Cm. anstatt 50, die es nach dem umgekehrten Quadrate der Entfernung hätte zeigen müssen. Der Grund dieser Verschiedenheit lag ersichtlich in der verstärk- ten Flamme der vier nebeneinanderstehenden Kerzen durch gegen- seitige Erwärmung.

Bei einem weiteren Versuch wurde eine sehr gleichmässig bren- nende Petroleumlampe, welche in einem geschlossenen, inwendig geschwärzten Gehäuse mit Blendung aufgestcllt wurde, in verschie- denen Entfernungen mit der Normalkerze verglichen, deren Flam- menhöhe durch häufiges Putzen des Dochtes auf 24 Mm. Höhe erhalten wurde.

Entfernung der Lampe in Cm.

100

150

200

250

300

Entfernung der Normal- kerze bei gleiclier Al>- lenkung des Spiegels

33,7

51,4

G9,3

81,0

92,0

Berechnete Lichtstärke der Lampe in Normal- kerzen

8,8

8,5

8,3

1

10,5

Die Abweichungen der berechneten Lichtstärken sind durch die unvermeidlichen Schwankungen der Helligkeit der Normalkerze

vom 7. Jxmi 1877.

313

erklärlich. Bei den grösseren Entfernungen macht sich die Be- leuchtung der Zimmerwände durch die otfenbrennende Normalkerze, durch welche der Beleuchtungswerth der letzteren erhöht wurde, sehr bemerklich.

Um diesen Ubelstand zu beseitigen, wurden zwei mit Gehäu- sen versehene Petroleumlampen in verschiedenen Entfernungen auf- gestellt, und die Entfernung der einen so lange geändert, bis Gleich- gewicht ein trat.

Entfernung

d(

englischen Petro- leumlampe mit Dop- pelflamme im Ge- häuse

in Metern

Petroleumlampe im Gehäuse

Yerhältniss der Quadrate der Ent- fernungen

Differenz

6

1,890

10,07

+ 0,09

5,5

1,775

9,58

0,40

5

1,615

9,60

0,38

4,5

1,495

10,10

+0,12

4

1,290

9,60

—0,38

3,5

1,090

10,50

+ 0,52

3

0,930

10,40

+0,42

Mittel 9,98

314

Oesammtsitzung

Unzweifelhaft würde die Anwendung grösserer Sorgfalt auf diese Versuche zu weit übereinstimmenderen Resultaten führen. Es genügte mir hier durch die Versuche den Nachweis zu führen, dass das Selen-Photometer auch ohne Anwendung besonderer Sorg- falt hinreichend genaue Vergleichsresultate giebt, um in der Tech- nik als practisch brauchbares Photometer verwendet werden zu können.

Bei Beginn meiner Versuche mit dem Selen hoffte ich, dass sich mit Hilfe desselben ein Photometer konstruiren lassen würde, welches directe Angaben der Lichtstärke geben könne, und bemühte mich zu dem Ende bestimmte Relationen zwischen der Lichtstärke und der Zunahme der Leitungsfähigkeit des Selens zu finden. Es zeigte sich jedoch, dass die Leitungsfähigkeit desselben von zu vielen, nicht controllirbaren Factoren abhängt, um direct als Maass der Beleuchtung benutzt werden zu können. Namentlich tritt die Dauer der Beleuchtung, ebenso wie die Lichtstärke, als ein wirk- samer Factor auf. Bei Modification I bewirkt andauernde Be- leuchtung eine fortschreitende Vergrösserung der Leitungsfähigkeit, während bei Modification II die Leitungsfähigkeit schon nach kur- zer Zeit, oft schon nach 5 bis 10 Secunden ihr Maximum erreicht und dann erst schneller, dann langsamer, wieder abnimmt.

Diese Eigenschaft der Vergrösserung oder Verminderung der Leitungsfähigkeit durch die Dauer der Beleuchtung tritt bei ver- .schiedenen Selen-Präparaten in sehr verschiedener Stärke auf. Je sorgfältiger man verhindert hat, dass das Selen sich bei seiner Um- wandlung aus dem amorphen in den krystallinischen Zustand über 100° C. erhitzt, desto geringer ist seine Leitungsfähigkeit, und desto langsamer steigt dieselbe durch die Dauer der Beleuchtung. Das in der ersten der folgenden Versuchsreihen, die mit A bezeichnet ist, benutzte Selen-Plättchen war durch Eintauchen in ein auf 100° C. erhitztes Petroleumbad umgewandelt, während das zu der mit B bezeichneten Versuchsreihe benutzte Plättchen langsam mit seinen« Petroleumbade bis 100° C. erhitzt und dann mehrere Stunden in dieser Temperatur erhalten wurde. Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass durch eine, vor der Diaphragma- Öffnung einer hellbrennenden Petroleumlampe aufgestellte Linse ein circa 14 Mm. grosses, scharfes Lichtbild auf das Selenplättchen gewor- fen wurde. Durch einen mit Alauiilüsung gefüllten 3,5 Cm. dicken Glastrog wurden dunkle Wärmestrahlen möglichst absorbirt. Der

vom 7. Juni 1877.

315

elektrische Strom ging nur während der Messung und nur so lange durch das Selen-Präparat, bis der Spiegel des aperiodisch schwin- genden Galvanometers seine Ruhelage erreicht hatte.

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[1877]

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31 fi

Am folgenden Tage hatten beide Plättchen im Dunkeln nahe diesc'lbe Leitungsfähigkeit wie vor dem Versuche. Wie ersichtlich, tritt die Lichtwirkung bei dem viel schlechter im Dunkeln leiten- den Selen- Plättchen der zweiten Versuchsreihe viel langsamer ein, so dass sie erst nach Verlauf von G Stunden ihr Maximum er- reichte. Die grossen Unregelmässigkeiten sind wahrscheinlich Folge verschiedener Temperatur. Die Zimmertemperatur w'ar w'ährend des Versuches von 21 auf 25° C. gestiegen.

Ein ganz verschiedenes Verhalten zeigt nun bei dauernder Be- leuchtung das Selen, welches bei einer Temperatur von 200° bis 210° in krystallinisches umgewandelt und dal^ei längere Zeit in dieser Temperatur erhalten ist. Die in der folgenden Tabelle zu- sammengestellten Messungen sind in oben beschriebener Weise mit einem Plättchen der Mod. II ausgeführt. Es w'urde 1 Dan i eil dazu verwendet und dasselbe jedesmal so lange eingeschaltet, bis die Ablenkung ihr Maximum erreicht hatte, was nach etwas 10 Secunden der Fall war. Das unbeleuchtete Selenplättchen gab eine Ablenkung von 35 Scalentheilen.

Tabelle C. (Mod. II.

vom 7. Jtmi 1877.

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318

Gesamm t Sitzung

Es ergiebt sich aus diesen Versuchen, dass die beiden Modi- ficationen des Selens sich einmal durch sehr verschiedene Leitungs- fähigkeit, hauptsächlich aber dadurch unterscheiden, dass die Mod. II schon nacli Verlauf weniger Secunden, das bei niedriger Tem- peratur umgewandelte Selen aber erst nach längerer Zeit das Maxi- mum seiner Leitungsfähigkeit erreicht. Ist dies Maximum erreicht, so beginnt die Lichtwirkung sich wieder zu vermindern ein Vorgang, den man als Ermüdung des Selens bezeichnen kann und nähert sich asymptotisch bei Mod. II einem Minimum. In wie weit dieser Rückgang auch bei Mod. I eintritt, ist nicht unter- sucht worden; es scheint aber die Abnahme der Lichtwirkung nach Überschreitung des Maximums einen eben so langsamen Verlauf zu haben, als das Ansteigen bis zum Maximum.

Dieser bei jedem Selen-Präparate verschiedene Einfluss der He- leuchtungsdauer auf die Grösse der Lichtwirkung niacht es, wie schon gesagt, schwierig, bestimmte Relationen zwischen der Lichtstärke und der Lichtwirkung festzustellen. Die zahlreichen und vielseiti- gen Versuche, welche ich hierüber angestellt habe, gaben keine hin- reichend übereinstimmenden Resultate. Sie ergaben nur, dass die Lichtwirkung in noch geringerem Maasse als die Quadratwurzeln aus den Lichtstärken zuuimmt. Die Versuche wurden einmal in der Weise angestellt, dass zwei constante Lichtquellen in verschie- denen Entfernungen in auf- und absteigender Reihe verglichen wurden. Ferner wurde vor die grosse helle Flamme einer engli- schen Lampe mit doppeltem, flachen Dochte ein verschiebbares, dünnes Blech mit Löchern, die möglichst genau 1, 2, 3 bis 6 Mm. Durchmesser hatten, gesetzt, und das Selenpräparat wiederholt in auf- und absteigender Reihe nacheinander der Bestrahlung durch diese Löcher ausgesetzt. War das quadratische Gesetz richtig, so musste die Lichtwirkung dann den Durchmessern der Löcher pro- portional sein. Die übereinstimmendsten und zuverlässigsten Re- sultate gab eine dritte Methode, die darin bestand, dass ein Lichtbündel durch ein Doppelprisma in zwei Lichtbündel zerlegt und das Selen- Plättchen abwechselnd dem einen oder ajideren Strahlenbüudel allein oder beiden zugleich ausgesetzt wurde. Es wurde zu diesen Versuchen die erwähnte Petroleumlampe mit dop- peltem Flachbrenner mit einem Diaphragma von 2 Mm. Durch- messer benutzt. Im Dunkeln gab das Selen mit 4 I) an ie 1 l’schen Elementen eine Ablenkung von 50 Scalentheilen.

vom 7. Juni 1877.

319

Ablenkung

bei

Beleuchtung

Lichtwirkung

Mittel der Lichtwirkung

103,5

53,5

Linker Strahl

102,5

52,5

52,0

100,0

50,0

103,0

53,0

Rechter Strahl

101,5

51,5

51,3

99,5

49,5

112,5

62,5

Beide Strahlen

114,0

64,0

63,5

114,0

64,0

Also Mittel der Ablenkung durch einen Strahl = 51,7 Mittel der Ablenkung durch den Gesammtstrahl = 63,5,

was nahe dem A^erhältnisse der Kubikwurzeln aus den Lichtstärken entspricht. Wie schon bei der Besprechung der Arbeit des Hrn. Börnstein hervorgehoben wurde, lässt sich die auffallende Er- scheinung, dass das Licht die elektrische Leitungsfähig- keit des Selens vergrössert, bisher nur bei diesem nachweisen; und erscheint es daher nicht zulässig, zur Erklärung desselben dem Lichte eine neue Eigenschaft beizulegen, welche mit den bisher beob- achteten in keiner Verbindung steht. Jedenfalls würde dies erst dann zulässig sein, wenn die besonderen Eigenschaften des Selens gar keine Handhabe dafür darboten, diese Erscheinung auf die be- kannten Eigenschaften des Lichtes zurückzuführen. Das in mei- nem früheren Aufsatze beschriebene besondere Verhalten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom und das oben auseinan- dergesetzte Verhalten desselben bei eintretender Beleuchtung seiner Oberfläche gestatten jedoch die Lichtwirkung auf das Selen als eine der bekannten chemischen Wirkung der Lichtstrahlen ganz analoge Erscheinung aufzufassen.

320

Gesammtsitzung

f

Wie schon gesagt, kann man das krystallinische Selen, welches durch Erwärmung des amorphen Selens auf 100° C. unter Abgabe latenter Wärme sich bildet, ebenso wie das amorphe als eine allo- trope Modilication des hyppothetischen metallischen, d. h. von la- tenter Wärme freien Selens betrachten. Erhitzt man amorphes Selen auf 200° anstatt auf 100° C., und erhält es längere Zeit auf dieser Temperatur, so giebt es mehr latente Wärme ab, als bei Erhitzung auf 100°, und leitet dann im abgekühlten Zustande die Elektricität so wie die wirklichen Metalle, d. i. in der Weise, dass die Lei- tungsfähigkeit mit steigender Temperatur abnimmt, während sie bei dem bei 100° C. umgewandelten krystallinischen Selen, wie bei der Kohle, mit steigender Temperatur zunimmt. Dabei leitet die erstere, von mir mit II bezeichnete Modification sehr viel besser als die letztere, von mir I genannte Modification ^).

Man kann sich nun die Modification II als eine Mischung oder Verbindung von krystallinischem und metallischem Selen vorstellen. Eine vollständige Umwandlung in metallisches Selen ist nicht mög- lich, da das letztere im reinen Zustande bei gewöhnlicher Luft- Temperatur kein stabiler Zustand ist und sich bei eintretender Ab- kühlung bis auf einen durch Mischung oder Verbindung mit kry- stallinischem Selen vor Rückbildung geschützten Rest wieder in krystallinisches Selen, unter Aufnahme latenter Wärme, zurück- bildet. Ein ganz analoges Verhalten finden wir beim Ozon. Wenn man reinen Sauerstoff der Gaselektrolyse durch den von mir be- schriebenen Ozon- Apparat 2) unterwirft, so wird ein Theil des Sauerstoffs in Ozon umgewandelt. Entzieht man das gebildete Ozon durch eine eingelegte Silberplatte oder auf andere Weise fortwährend der entstandenen Mischung von Sauerstoft' und Ozon,

D Um diese rein zu erhalten, muss mau das amorphe Selen in dünnen Platten in Steinöl oder einer anderen Wärme leitenden Flüssigkeit auf circa 100° C. erhitzen und längere Zeit in dieser Temperatur erhalten. Braucht man diese Vorsicht nicht, so erhitzt sich das in dickeren Stücken umgewan- delte Selen durch Abgabe latenter Wärme dermafsen, dass schon eine wei- tere Abgabe von latenter Wärme, also eine theilweisc Umwandlung in Mo- dification II eintritt. Es lassen sich hieraus viele scheinbare Widersprüche in den Angaben verschiedener E.xperimentatoren erklären.

2) Pogg. Aun. Band 102, pag. 120.

V07H 7 . Juni 1877.

o21

so kann man nach und nach die ganze Sauerstoffinenge unnvan- deln. Beseitigt man das gebildete Ozon dagegen nicht, so tritt bald die Grenze auf, wo keine weitere Ozonbildung mehr statt- findet, da nur eine bestimmte Menge Ozon durch Mischung mit unactivem Sauerstoff vor Rückbildung in diesen geschützt wird. Wahrscheinlich ist das Ozon eine „von 1 atenter Wärme freie“, al- lotrope Modification des Sauerstoffs und könnte als metallischer Sauerstoff bezeichnet werden ebenso wie das hyppothetische me- tallische Selen. In diesem „von latenter Wärme freien“ oder „metallischen“ Zustande haben die Körper das grösste Bestreben, in chemische Verbindung mit einander zu treten, und er ist wahr- scheinlich allgemein als der sogenannte active Zustand der Körper, wie er im Status nascendi auftritt, zu betrachten. Da die Wärme die Stabilität der latente Wärme haltigen allotropen Zustände der Körper vermindert, so erklärt diese Anschauung auch die ziemlich allgemein beobachtete Begünstigung chemischer Umbildungen durch Erwärmung. Ebenso erklärt sie die allgemein beobachtete That- sache, dass die elektrolytische Leitung durch Erwärmung begünstigt wird, da man annehmen muss, dass auch die chemischen Verbin- dungen verschiedener Körper allotrope, latente Wärme haltige, Molekular-Zustände annehmen, die erst in den „metallischen“ Zu- stand zurückgeführt werden müssen, bevor sie neue Verbindungen eiugehen können. Die Thatsache, dass auch einfache Körper wie Kohle, Tellur, Selen nach Art der Elektrolyten leiten, indem ihre Leitungsfähigkeit bei erhöhter Temperatur grösser wird, würde dann beweisen, dass bei dieser Leitung wirklich ein elektrolytischer Vorgang stattfindet, dass sich also an der einen Anode z. B. me- tallisches Selen, an der anderen eine höhere oder mehr latente Wärme enthaltende, allotrope Modification desselben abschiede, von denen wenigstens die erstere bei gewöhnlicher Temperatur im rei- nen Zustande nicht stabil ist, sich also nach Aufhören des Stro- mes, oder vielleicht noch während seiner Dauer, durch Wiederauf- nahme latenter Wärme zurückbildet. In ähnlicher Weise hätte man sich die chemische Wirkung des Lichtes so vorzustellen, dass die Ätherschwingungen der chemischen Lichtstrahlen die Stabilität der „latenten Wärme haltigen“ allotropen Molekularzustände auf heben und dadurch den activen oder metallischen Zustand der bestrahlten Körpermoleküle herstellen.

22

Gesammtsitzunrj

An der Hand dieser Theorie ist nun die Wirkung des Lichtes auf das Selen in der Weise zu erklären, dass den Lichtstrahlen, welche die Oberfläche des Selens treffen und bis zu einer gewissen, sehr geringen Tiefe in dasselbe eindringen, eine ähnliche Wirkung zugeschrieben wird, wie die höhere Temperatur sie ausübt. Sie reduciren das krystallinische Selen zu metallischem, sehr viel besser leitendem, und machen die latente Wärme des ersteren frei. Nach Aufhören der Beleuchtung bildet sich die metallische Selenober- fläche wieder in krystallinisches Selen zurück, da der metallische Zustand nur bei Beleuchtung oder bei hoher Temperatur stabil ist. Dass diese Wirkung wesentlich nur durch die dem Auge sicht- baren Strahlen des Spektrums und nicht auch durch die ausserhalb des sichtbaren Spektrums liegenden, chemischen und dunklen Wärrae- strahlen ausgeübt wird, ist zwar bisher nicht zu erklären. Viel- leicht werden aber später eingehendere Untersuchungen den Nach- weis führen, dass jedem Körper eine bestimmte Schwingungsdauer der Ätherwellen entspricht, welche bei ihm das Maximum der che- mischen Lichtwirkung ausübt, oder auch, dass die Verminderung der Stabilität der allotropen Modificationen der einfachen Körper am stärksten durch Ätherschwingungen mittlerer, die der zusammen- gesetzten Körper mehr durch Ätherschwingungen kleiner Wellen- länge bewirkt wird.

Dass die Lichtwirkung auf die besser leitende, schon metalli- sches Selen gelöst haltende Mod. II weit schneller von statten geht und weit grösser ist, als auf das ungemischte krystallinische Selen, erklärt sich z. Th. dadurch, dass bei dem ersteren eine ge- ringere Menge krystallinischen Selens zu reduciren ist, um eine lei- tende metallische Oberfläche her/.ustellen, zum Theil aber auch da- durch, dass die gut leitende Oberfläche wohl nur an wenigen Punk- ten mit den Zuleitungsdrähten in directer leitender Verbindung stehen. Pis wird fast überall vom Strome noch eine nicht in den metallischen Zustand übergefübrte Selenschicht zu durchlaufen sein, von deren Leitungswiderstande die Stärke des Stromes abhängig ist.

Zur Erklärung der merkwürdigen Pirscheinung der Ermüdung des Selens bei andauernder Lichtwirkung muss man annehmen, dass das krystallinische Selen in höherem Grade durchscheinend ist als das metallische. In diesem P'alle wird sich die Licht- wirkung anfangs auf grössere Tiefen erstrecken und schlecht lei-

vom 7. Juni 1877.

323

tendes krystallinisches Selen in gut leitendes metallisches umwan- deln. Sobald aber die Selenoberfläche eine zusammenhängende metallische Schicht geworden ist, so wirkt diese als ein Schirm, welcher das Licht von den anfänglich in grösserer Tiefe umge- wandelten metallischen Molekülen abhält und diesen dadurch ge- stattet, sich in krystallinisches Selen zurückzubilden. Bei einfach krystallinischem Selen tritt diese Ermüdung scheinbar nicht ein, im Gegentheil nimmt die Leitungsfähigkeit desselben durch Bestrahlung, wie früher nachgewiesen ist, mehrere Stunden lang zu. In Wirk- lichkeit tritt die vollständige Lichtwirkung aber nur sehr viel lang- samer ein, da nach mehrstündiger Beleuchtung das Maximum der Lichtwirkung erreicht ist und dann ebenfalls ein Rückgang der Leitungsfähigkeit constatirt ist.

Dass die Lichtwirkung sich auf die Oberfläche und die der Oberfläche zunächst liegenden Selenschichten beschränkt, davon kann man sich leicht durch Vergleich der Lichtwirkung auf die beiden Seiten eines Selen-Plättchens überzeugen. Die Herstellung derselben bedingt, dass das Drahtgitter auf der einen Seite die Oberfläche des Plättchens berührt, während die andere Seite des Gitters von einer dünnen Selenschicht bedeckt ist. Wird die erstere Seite beleuchtet, so ist die Lichtwirkung 2 bis 3 mal so gross, als bei Beleuchtung der letzteren.

Es bleibt noch die verschiedene Lichtwirkung der farbigen Lichtstrahlen und der störende Einfluss derselben auf die Verglei- chung verschiedenfarbigen Lichtes durch das Selen-Photometer zu erörtern.

Ich habe die Angaben Sale’s bestätigt gefunden, _ dass die Lichtwirkung erst mit den sichtbaren violetten Strahlen des Spek- trums beginnt, von da ziemlich gleichmässig bis zum Roth steigt, im Ultraroth noch vorhanden ist und durch die darüber hinaus liegenden Strahlen nicht mehr stattfindet. Die nachstehende Versuchsreihe wurde mit einem schmalen, nur aus 2 parallelen Platindrähten in 1 Mm. Abstand bestehenden Selenplättchen bei Anwendung von 4 DanielTschen Elementen ausgeführt. Das Spektrum wurde durch ein Glasprima und eine hellbrennende Pe- troleumlampe mit Spalt hervorgebracht.

324

Gemmmtsitzung

1

Dunkel

Violett

-2

0

CD

1

p

o

O

Ablenkung

139

148

158

165

170

oo

oo

180

150

LichtAvirkung

0 1 9

19

26

39

49

41

11

Differenzen

9

7

13

10

-8

-30

Diese ohne besondere Sorgfalt und nur zur Orientirung aus- geführte Versuchsreihe zeigt doch schon hinlänglich, dass das Selen- Fhotometer nicht ohne Weiteres zur Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes benutzt Averden kann.

Es führt dies auf die Frage, Avas man sich bei der photo- metrischen Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes eigentlich zu denken hat. Eine Vergleichung der durch unsere Sehorgane her- vorgerufenen Helligkeitsemplindung ist unausführbar und ganz in- dividuell. Das Licht dient uns aber auch nicht dazu, eine mehr oder AA'eniger grosse Helligkeit zu empfinden, sondern dazu, ent- fernte Gegenstände deutlich unterscheiden oder erkennen zu können und ein richtiges Photoineter sollte verschiedenfarbiges Licht als gleich angeben, wenn es uns in gleicher Weise entfernte Objecte erkennbar machte. Mit der Empfindung gleicher Helligkeit fällt diese Eigenschaft durchaus nicht zusammen. Betrachtet man eine Land- schaft abwechselnd durch ein blaues und ein gelbes Glas, so er- scheint sie uns im letzteren Falle viel heller; aber es ist darum, Avenn das gelbe Glas viel Licht absorbirte, doch nicht ausge- schlossen, dass man durch das blaue Glas die Gegenstände der Landschaft viel deutlicher erkennt.

Das blaue Licht, Avelches in unser Auge gelangt, hat in die- sem Falle für uns einen höheren BeleuchtungSAverlh, Avenn es auch eine geringere Helligkeitsempündung hervorruft. Den so definirten Beleuchtungs werth des farbigen Lichtes sollte ein für praktische ZAvecke dienendes Photometer angeben.

Die bisherigen Photoineter, Avelche auf Hervorbringung gleicher Helligkeitsempfindung beruhen, sind hierfür durchaus ungeeignet. Selbst abgesehen von dem verschiedenen BeleuchtungsAverthe des farbigen Lichtes, ist es nicht möglich, sich ein bestimmtes Urtheil darüber zu bilden, Avenn ZAvei verschiedenfarbige Beleuchtungen gleich hell sind. Jedenfalls ist ein solches Urtheil ein durchaus

vom 7. Jimi 1877.

325

Sübjectives. Da& Selen- Photonieter hat vor diesen Fhotonietern nun allerdings den grossen Vorzug, dass es unzweifelhafte Angaben der Lichtwirkung des Lichtes aller Farben macht; diese Angaben sind aber nicht direct verwendbar, da das Selen von verschieden- farbigem Lichte in verschiedenem Grade beeinflusst wird. Auch die Ermittelung und Benutzung einer Scala für die Lichtwirkung der verschiedenen Farben des Spectrums zur Correctur der An- gaben des Selen -Photometers reicht nicht aus, da es durchaus nicht feststeht, welchen Beleuchtungswerth die farbigen Strahlen des Sonnenspektrums haben. Wäre aber auch eine Scala dafür ermittelt, so hätte sie doch nur einen ganz beschränkten Werth, da sie zur Vergleichung des Beleuchtungswerthes farbigen Lichtes terrestrischer Lichtquellen nicht anwendbar wäre.

Ich habe nun versucht, auf empirischem Wege eine Scala des Beleuchtungswerthes verschiedenfarbigen Lichtes, welches auf das Selen die gleiche Lichtwirkung ausübt, herzustellen.

Es wurde eine feine Druckschrift auf weissem Papier in einer Entfernung von ca. 5 Meter durch ein Fernrohr betrachtet. Eine gleichmässig und mit ziemlich weisser Flamme brennende Petro- leumlampe konnte vom Beobachter durch einen Schnurlauf der Druckschrift so lange genähert werden, bis dieselbe in dem sonst dunklen Raume eben lesbar war. Dieselbe Procedur wurde wie- derholt, nachdem eine farbige Glasscheibe vor die Lampe gesetzt war. War die Lampe so weit genähert, dass die Druckschrift wie- der eben lesbar war, so hatten beide Beleuchtungen den gleichen Beleuchtungswerth. Wurde nun die Lichtwirkung auf ein in der Ebene des Papiers angebrachtes Selen-Plättchen jedesmal bestimmt, so hatte man in dem Verhältnisse dieser Lichtwirkungen einen Factor, mit welchem die Angaben des Selen-Photometers für glei- chen Beleuchtungswerth dieses farbigen Lichtes zu multipliciren waren. Es sollten in dieser Weise die Coefficienten für alle Far- ben des Spectrums ermittelt und so eine Correctur-Tabelle für die Vergleichung verschiedenfarbigen Lichtes gebildet Averden. Leider ergab sicli aber, dass die Augen der Beobachter durch die An- strengung des Erkennens der Druckschrift bei schwacher Beleuch- tung und namentlich auch durch den schroffen Wechsel der Licht- farbe in solchem Maasse und bei verschiedenen Personen so un- gleich angegriffen wurden, dass keine übereinstimmenden Resultate zu erreichen waren und die Versuche aufgegeben werden mussten.

326

Gesammtsitzung

Es ist zu hoffen, dass es anderen Beobachtern mit besseren Hilfs- mitteln gelingen wird, eine solche Correctur- Tabelle für gleichen Beleuchtungswerth farbigen Lichtes herzustellen. Die Lichtempfind- lichkeit des Selens würde uns dann zu einem Photometer verhelfen haben, welches nicht, wie alle bisherigen, nur farbloses oder gleich- farbiges sondern Licht aller Farben vergleichen könnte und dabei frei vom persönlichen Fehler des Beobachters wäre.

Doch selbst ohne eine solche Corrections- Tabelle hat das Selen-Photometer den wesentlichen Vorzug vor anderen, dass es nicht, wie diese, bei geringen Differenzen der Lichtfarbe zu fal- schen Schätzungen verleitet, sondern bestimmte Angaben macht, über deren Bedeutung man sich verständigen kann.

Hr. Siemens legte hierauf folgende Abhandlung von Hrn. G. Hansemann vor:

Uber den Einfluss des Lichtes auf den elektrischen L e i t u n g s w i d e r s t a n d von Metallen.

Die hier beschriebene Untersuchung nahm ich vor auf Veran- lassung meines Freundes, Dr. Werner Siemens. Sie sollte die Folgerungen prüfen, welche Dr. Richard Börnstein aus sei- nen Versuchen über den Einfluss des Lichtes auf den elektrischen Leitungswiderstand von Metallen gezogen hat. Dr. Börnstein hat seine Versuche nach zwei verschiedenen Methoden ausgeführt, und dabei ausserordentlich weit von einander abweichende Resul- tate erhalten. Die eine Methode, Messung der Leitungsfähigkeit der Metalle im beleuchteten und nicht beleuchteten Zustande ver- mittelst der Wheatstone’schen Brücke, ergab, im Mittel aller Ver- suche, eine Zunahme der Leitungsfähigkeit durch die Beleuchtung

') „Der Kinfluss des Lichtes auf den elektrischen Leitungswiderstand von Metallen.“ Habilitationsschrift von Dr. K. Börnstein.

vom 7. Juni 1877.

327

von nur etwa

ii.

100

Procent; wogegen die andere Methode, welche

auf der Veränderung des logarithmischen Decrenients bei einem geschlossenen Multiplicator, durch Veränderung des im Stromkreise befindlichen Widerstandes, beruht, Zunahmen der Leitungsfähigkeit bei der Beleuchtung der Metalle bis zu 3, 4, und 5 Procent ergab. Bei der ersten Methode wurde eine relativ ziemlich starke elektro- motorische Kraft, ein Leclanclie-Element, angewandt; bei der zwei- ten dagegen liefen durch die untersuchten Metallstreifen nur die sehr schwachen Ströme, welche der schwingende Magnet durch In- duction in der geschlossenen Multiplicatorrolle erzeugte. Diesen Unterschied in den angewandten elektromotorischen Kräften be- nutzte Dl’. Börnstein, um die grossen Unterschiede in den nach den beiden Methoden erhaltenen Resultaten zu erklären, indem er annahm, dass der elektrische Strom die Lichtempfindlichkeit der Metalle schwäche.

Die Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, müsste also eine übrigens gleich genaue Methode, bei welcher eine zwi- schen den von Dr. Börnstein angewandten Stromstärken lie- gende elektromotorische Kraft benutzt wird, auch Resultate er- geben, welche sich zwischen den von Dr. Börnstein erhaltenen Grenzen bewegen. Die Wahl einer anderen elektromotorischen Kraft kann daher zu gleicher Zeit einen Prüfstein bilden, sowohl für die Folgerung Dr. Börn Steins in Bezug auf die Lichtempfind- lichkeit der Metalle, wie auch für die Annahme über die Einwir- kung des elektrischen Stromes auf die Lichtempfindlichkeit. Von Dr. Siemens und mir wurde nun eine Methode gewählt, die im Wesentlichen darin besteht, einen sehr schwachen Strom mög- lichst constant zu erhalten, in dessen Kreis sich der zu unter- suchende Metallstreifen und ein Galvanometer befinden; und als- dann die Veränderungen im Stande des Galvanometers zu beob- achten, während der Metallstreifen abwechselnd beleuchtet und nicht beleuchtet wird.

Die elektromotorische Kraft wurde erzeugt durch ein Thermo- Element Eisen -Kupfer, dessen Enden durch kochendes destillirtes Wasser einerseits und durch fliessendes Wasser der städtischen Wasserleitung andererseits in einer Temperatur-Differenz erhalten wurden, welche während der kurzen Dauer jedes einzelnen Ver- suches äusserst constant blieb. Die elektromotorische Kraft des

328

Geaarnrnfsifzung

Thenno-Elenienfes bei der angewandten Teniperatnr-DifTerenz wurde gleich 0,0009 Daniell gefunden.

Das benutzte Galvanometer ist ein sogenanntes Tbomson- scbes mit concavem Spiegel, welcher das Bild eines beleuchteten feinen Spaltes auf die Scala projicirt. Die Empfindlichkeit des Galvanometers variirte je nach der Einstellung der benutzten Richt- magnete. Sie ist desshalb bei jedem einzelnen Versuche besonders bestimmt -worden. Die Beleuchtung des Galvanometer-Spaltes ge- schah durch eine verdeckte Petroleumlampe; ebenso die schwache l^eleuchtung der Scala. Zur Beleuchtung des Metallstreifens be- nutzte icb eine Laterne für elektriscbes Licht, in welcher nur in einigen Fällen eine Natriumflamme, in den meisten Fällen Petro- leundicht sich befand. Die Licbtstrablen gingen zuerst durch eine Glaslinse, welche dieselben parallel richtete, dann durch einen Spalt, hierauf wieder durch eine Linse, welche das Bild des Spal- tes auf den Metallstreifen projicirte, und zuletzt noch durch eine etwa einen Zoll dicke Schicht von Alaunlösung.

Die zur Untersuchung gelangten Metallstreifen: Silber, Gold, Platina und Aluminium, waren an der Rückwand eines Holz- kastens befestigt, dessen Vorderwand eine spaltförmige Öftiiung hatte; dicht davor stand ein Schirm, welcher in einer runden Ötf- nung das Gefäss mit der Alaunlösung trug, und vor diesem war ein zweiter Schirm angebracht, welcher mit Hülfe einer Schnur gehoben und gesenkt werden konnte, um so aus einiger Entfer- nung die Beleuchtung oder Nichtbeleuchtung des Metallstreifens bewerkstelligen zu können. Bei dem Heben und Senken dieses Schirmes entstand jedesmal ein Contact zweier Messingdrähte, und dadurch wurde ein elektrischer Strom geschlossen, in dessen Kreis sich ein Chronograph befand, welcher die Zeiten der. Beleuchtung und Nichtbeleuchtung registrirte.

Der hier erwähnte Chronograph ist ein etwas veränderter Schreibtelegraph, auf dessen Papierstreifen, ausser den Zeichen, welche das Sekundenpendel einer Uhr und die soeben angeführten Bewegungen des Schirmes in der Mitte des Streifens erzeugten, noch zwei unterscheidbare Zeichen, an den beiden Seiten des- selben, durch Niederdrücken zweier Knöpfe gemacht werdeii kön- nen. Diese Knöpfe, welche bequem mit zwei Fingern derselben Hand zu regiei*en sind, benutzte ich, um die Galvanometer- Beob- achtungen der Zeit nach zu registriren.

vorn 7. Juni iR77.

329

Zwischen dem Galvanometer und dem Metallstreifen, welcher untersucht werden sollte, Avar ein Commutator angebracht, der es ermöglichte, den Metallstreifen in den Stromkreis einzuschalten, während eine Rolle Kupferdraht von nahezu gleichem Widerstande ausgeschaltet AAmrde, oder umgekehrt. Dieses Ein- und Ausschalten durch den Commutator konnte mit Hülfe einer Schnur aus der Entfernung geschehen.

Was nun die Anordnung der beschriebenen Apparate anbe- trifft, so bemerke ich, dass das Thermo-Element, das Galvanometer mit Scala, der Apparat zur Beleuchtung der Metallstreifen, der Holzkasten zur Aufnahme der letzteren, die Rolle Kupferdraht und die Leitungdrähte, bis auf ein kleines etwa zwei Meter grosses Stück, in einem Raume sich befanden, welcher durch eine Thüre mit Spiegelglasscheiben mit dem Nebenzimmer verbunden ist. Diese Thüre blieb während der Versuche und lange vorher geschlossen. Beide Räume konnten auch bei Tage vollkommen verdunkelt wer- den. In dem Nebenzimmer, vor der Glasscheibe der Thüre, stand ein Tisch, auf dem sich die Laterne zur Beleuchtung der Galvano- meter-Scala, ein Fernrohr zur Beobachtung derselben und der be- schriebene Chronograph befanden. Ausserdem waren die Schnüre daran befestigt, welche zur Bewegung des Beleuchtungsschirmes und zur Veränderung des Commutators dienten, so dass alle Beob- achtungen gemacht und alle noth wendigen Veränderungen bewerk- stelligt werden konnten, ohne den eigentlichen Versuchsraum zu betreten.

Das Stück der Drahtleitung, welches, wie ich soeben erwähnte, in das Nebenzimmer geleitet war, diente dazu, um durch Aus- schaltung eines bestimmten Widerstandes aus dem Stromkreise die Empfindlichkeit des Galvanometers prüfen zu können, ohne die den Experimentirraum verschliessende Glasthüre zu öffnen. Die Aus- schaltung geschah in der Weise, dass zwei von der Guttapercha Umhüllung des Drahtes befreite Stellen desselben vermittelst eines Gewichtes gegeneinander gepresst wurden.

Die Vorbereitung zu den eigentlichen Beleuchtungsversuchen fand stets an dem einen, und der Versuch selbst erst an dem fol- genden Tage statt, so dass die Metallstreifen sich jedesmal längere Zeit vorher in der Dunkelheit und ausserhalb des Stromkreises befanden.

330

Geaammtaitzung

'Vr

Der vStrom des benutzten Therino-Elementes erzeugte am Gal- vanometer einen Ausschlag, welclier weit hinter der Grenze der Beobachtung lag. Mit Hülfe eines Magnetstabes unter dem Gal- vanometer wurde desshalb, bei gescblossenem Stromkreise, die Magnetnadel zuerst in das Gebiet der Beobachtung zurückgeführt und alsdann die, durch Combination des Erdmagnetismus und des eben erwähnten Stabes, entstandene Richtkraft, mit Hülfe eines, über dem Galvanometer befindlichen, verstellbaren Magnetes, so weit geschwächt, bis die Empfindlichkeit des Instrumentes den gewünschten Grad erreicht hatte.

Nachdem der Stromkreis geschlossen, die Beleuchtungslampen angezündet, beide Zimmer verdunkelt und die Zwischenthüre zuge- zogen war, wartete ich, bis der Stand des Galvanometers mög- lichst constant wurde, bevor ich zu den Versuchen überging.

Bei diesen wurde alsdann in folgender Weise verfahren: Ich stand am Fernrohr und beobachtete die Scala, die rechte Hand am Chronographen, die linke an der Schnur des Commutators. Ein Gehülfe hielt die Schnur des Beleuchtungsschirmes. Die Pa- pierrolle des Chronographen wurde in Bewegung gesetzt und durch ein Zeichen mit den beiden Knöpfen der Anfang des Versuches notirt. Jedesmal, wenn nun das Bild des Spaltes auf der Scala, und zwar dessen rechte Grenze, Einen Scalentheil nach rechts hin überschritt, machte ich ein Zeichen mit dem rechts gelegenen Knopfe; und jedesmal, wenn dasselbe, nach links hin Einen Scalen- theil überschritt, ein Zeichen mit dem links gelegenen Knopfe; so dass jedes dieser Zeichen, je nach seiner Lage auf der Papierrolle, die negative oder positive Ablenkung des Galvanometers um Einen Scalentheil anzeigte. Ausserdem hatte ich noch besondere Zeichen für grössere Ablenkungen gewählt, für den Fall, dass die Ab- lenkungen zu rasch geschehen würden, um bei jeder einzelnen Veränderung um Einen Scalentheil das Zeichen zu geben. Der Stand des Galvanometers bei dem Anfänge der Beobachtungen, welchen ich als Nullpunkt betrachtete, wurde notirt. Nach einigen Sekunden brachte ich alsdann durch den Commutator die Draht- rolle aus dem Stromkreise und den Metallstreifen in denselben.

Eine Zeitlang bewegte sieb hierauf der Lichtspalt auf der Scala ziemlich stark, weil die Widerstände der Drahtrolle und des Metallstreifens immer etwas verschieden waren. Sobald derselbe sich beruhigt hatte, gab ich dem Gehülfen ein Zeichen und nun

vom 7. Juni 1877.

331

bewerkstelligte dieser abwechselnd die Beleuchtung und Verdunke- lung des Metallstreifens, während ich, ohne zu wissen, ob Beleuch- tung, oder Nichtbeleuchtung stattfand, die Bewegung des Lichtspaltes beobachtete uud in der beschriebenen Weise auf dem Bapierstreifen des Chronographen notirte.

So erhielt ich bei jedem Versuche eine Reihe von Zeichen auf dem Papierstreifen des Chronographen, mit deren Hülfe die Bewe- gung der Magnetnadel des Galvanometers während des Versuches durch eine Curve dargestellt wurde.

Bei allen Versuchen befand sich in der Mul-

tiplicatorrolle ein Widerstand von . . . 0,60 S. E.

Das Thermo-Element hatte einen AViderstand

von 0,12

und die Leitungsdrähte einen Widerstand von 0,11

Zusammen befand sich daher im Stromkreise

ein Widerstand von 0,83

welcher unverändert blieb.

Versuch I.

Widerstand in der Drahtrolle 1,84 S. E. Empfindlichkeit des Galvanometers: 0,03 S. E. Widerstand gaben -h270®‘^ Aus- schlag; daraus berechneter Gesammtausschlag des Thermostromes: 26000 Sc.

Die Bewegungen der Magnetnadel wurden beobachtet, ohne dass Veränderungen des Beleuchtungsapparates Statt fanden. Hierzu Curve I.

Versuch II.

Widerstand der Drahtrolle und Empfindlichkeit des Galvano- meters wie bei I. Der Beleuchtungsapparati) wurde abw'echselnd

*) Bei den ersten Versuchen wurde die abwechselnde Beleuchtung und Nichtbeleuchtung durch kleine Drehungen des Beleuchtungsapparates bewerk- stelligt und erst später benutzte ich den beschriebenen beweglichen Schirm.

[1877] 2G

332

Geftain mt Sitzung

in die Stellung der Beleuchtung und Nichtbeleuchtung gebracht, ohne dass aber Beleuchtung des überhaupt noch niclit iin Strom- kreise befindlichen Metallstreifens stattfand. Hierzu Curve II.

Versiiclf in.

Wiederholung des Versuches I. Hierzu Curve III.

Veisucli IV.

Wiederholung des Versuches II. Hierzu Curve IV.

Versuch V.

Wiederholung des Versuches 11 mit Einschaltung eines zwi- schen Glimmerplältchen liegenden Goldstreifens von 38 Mm. Hohe, 4 Mm. Breite und einem Widerstande von 1,84 S. E. Hierzu Curve V.

Versuch VI.

Emptindlichkeit des Galvanometers wie vorher. Der Gold- streifen wurde nun abwechselnd beleuchtet und nicht beleuchtet und zwar mit Natriumlicht. Hierzu Curve VI.

Versuch VII.

Wiederholung des Versuches VI; jedoch war die Empfindlich- keit des Galvanometers noch gesteigert worden: 0,03 Wider- stand gaben +328*'’ Ausschlag, woraus sich ein Gesammtausschlag von 30000®'^' berechnet. Eine Veränderung um Procent im

Widerstande des Goldstreifens entsprechen Einem Scalentheil. Hierzu Curve VII.

vom 7. Juni 1877.

Versuch VIII.

Beleuchtung des Goldstreifens mit Petroleumlicht, welches auch bei allen folgenden Beleuchtungsversuchen angewandt wairde. Empfindlichkeit des Galvanometers wie bei VII. Hierzu Curve

VIII.

Versuch IX.

Wiederholung des Versuchs VIII, jedoch war die Empfind- lichkeit des Galvanometers etwas verringert worden: 0,03 S. E. Widerstand gaben -t-295®“ Ausschlag. Hierzu Curve IX.

Versuch X.

Beleuchtung eines auf Glas frei liegenden Silberstreifens von 30 Mm. Höhe, 3 Mm. Breite und 5,3 S. E. Widerstand. Plmpfind- lichkeit des Galvanometers: 0,03 Widerstand gaben -f-112®“ Aus- schlag, Avoraus ein Gesammtausschlng von 22700®® sich ergibt. entspricht, wie bei dem Goldstreifen, etwa yöW Piocent des Widerstandes des Silberstreifens. Hierzu Curve X.

Versuch XI.

Beleuchtung eines anderen, ebenfalls auf Glas freiliegenden Silberstreifens von denselben Dimensionen, der Höhe und Breite nach, wie bei X, aber mit einem Widerstande von 5,16 S. E. Empfindlichkeit des Galvanometers: 0,03 S. E. Widerstand ga- ben + 104®® Ausschlag. Gesammtaussclilag hiernach 20600®®. Tcntu Pi’ocent des Widerstandes des Silberstreifens entsprechen Einem Scalentheil. Hierzu Curve XI.

Versuch XII.

An Stelle des Silberstreifens wurde eine scdir empfindliche Therniosäule (Antimon-Wismuth) mit berusster Fläche angebracht

2G*

334

GesammtsHzung

und die Tberniosäule mit einem Galvanometer verbunden. Die Strahlen des Petroleumlicbtes, Avelcbes zur Beleucbtung der Metall- streifen diente, gaben eine Erwärmung der berussten Fläche von 4-44®*^. Die directe Bestrahlung seitens eines hohlen Messingwür- fels, in welchem Wasser kochend erhalten wurde, ergab, nach Wegnahme der die dunkelen Strahlen fast ganz absorbirenden Alaun- lüsung, einen Ausschlag von Die Wärmewirkung des

Messingwürfels ist also jedenfalls grösser, als diejenige der hellen Strahlen des Petroleumlichtes. Nachdem dies constatirt war, wurde an Stelle der Thermosäule wieder der Silberstreifen des vorigen Versuches gebracht, und dieser nun in derselben Weise den Wär- mestrahlen des Messingwürfels ausgesetzt, wie bei den Beleuch- tungsversuchen den Lichtstrahlen. Empfindlichkeit des Galvano- meters: — 0,03 S. E. Widerstand ergaben -+-108®*^ Ausschlag. Also Gesammtausschlag: 4-22,000*® und gleich Procent vom

Widerstande des Silberstreifens. Hierzu Curve XII.

Versuch XIII.

Wiederholung des Bestrahlungsversuches XII. Hierzu Curve XIII.

Versuch XIV.

Beleuchtung eines auf Glas freiliegenden Aluminiumstreifens von 27 Mm. Höhe, 44 Mm. Breite und einem Widerstande von 4,2 S. E. Empfindlichkeit des Galvanometers: 0,03 S. E. Wi- derstand gaben 4-107*® Ausschlag. Daraus folgt Gesammtausschlag gleich 18200®® und gleich yüViF Procent des Widerstandes des Aluminiumstreifens. Hierzu Curve XIV.

Versuch XV.

Wiederholung des vorigen Versuches. Empfindlichkeit des Galvanometers: 0,03 S. E. Widerstand gaben 4-97®® Aussclilag. Daher Gesammtausschlag 16500®®, und gleich Procent '

des Widerstandes des Aluminiums. Hierzu Curve XV.

vom 7. Juni 1877.

335

Versuch XVI.

Alles geschah wie bei dem Beleuchtnngsversuch XV; die Be- leuchtung wurde aber durch einen zweiten feststehenden Schirm verhindert. Empfindlichkeit des Galvanometers wie bei XV. Hier- zu Curve XVI.

Versuch XVII.

Wiederholung des Versuches XVI. Hierzu Curve XVII.

Versuch XVIII.

Beleuchtung eines frei auf Glas liegenden Platinstreifens von nur 3 Mm. Höhe und 10 Mm. Breite und mit einem Widerstande von 3,32 S. E. Empfindlichkeit des Galvanometers: 0,03 S. E. 'Widerstand gaben -+-210®*^ Ausschlag. Daher Gesammtausschlag: 28700®*^ und 1®*^ gleich Procent des Widerstandes des Platin-

streifens. Hierzu Curve XVIII.

Versuch XIX.

Wiederholung des Versuches XVIII. Hierzu Curve XIX.

Eine Betrachtung und Untersuchung der die Beleuchtungs- versuche darstellenden Curven lässt einen Einfluss der Beleuchtung auf die elektrische Leitungsfähigkeit der untersuchten Metalle nicht erkennen, obgleich eine Veränderung des Widerstandes der Metall- streifen um Pi'ocent schon deutlich hätte hervortreten müssen. Dass dies nicht etwa durch die bei der Beleuchtung stattfindende, entgegengesetzt wirkende Erwärmung der Metallstreifen verhindert wurde, beweisen die Curven XII und XHI, welche ergeben, dass diese Erwärmung keinen bemerkbaren Einfluss ausübte. Die Fol- gerungen, welche Dr, Börnstein aus seinen Versuchen

Gesammlsilzuvg

3:j6

über die Liclitempfindlicbkeit der Metalle gezogen hat, sind daher durch meine Versuche in keiner Weise bestä- tigt worden.

Obgleich ich die, nach der von mir angewandten Methode er- haltenen Resultate als ungleich sicherer und schlagender betrachte, als die Resultate, welche die Dämpfungsmethode ergeben kann bei dieser zeigt sich eine Widerstandsveränderung um 1 Frocent durch 4 bis 1 Scalentheil am Gal Variometer an, wogegen die gleiche Veränderung, bei jener, 140 250 Scalentheilen entspricht so habe ich dennoch einige Versuche nach der Dämpfungsinethode angestellt.

Ich benutzte dazu ein Galvanometer, bei welchem, in bekann- ter Weise, die Ablesung der Scala durch ein Fernrohr mit Faden- kreuz geschah. Die Schwingungszeiten des Magneten waren zu kurz, um genau so verfahren zu können, wie Dr. Börnstein; denn, bei einem ersten Ausschlag von ungefähr 400®*^, konnte ich erst die vierte Elongation mit einiger Sicherheit bis auf etwa Scalentheil bestimmen.

Die Multiplicatorrolle des Galvanometers war von einem Drahte 2 mal umwickelt, welcher mit einem Daniell, einem Rheostaten und einem Schlüssel zu einem Kreise verbunden wurde. Durch diese Einrichtung war es leicht möglich, am Galvanometer immer einen ganz bestimmten Ausschlag zu erzielen. Derselbe betrug bei allen Versuchen 420,0®''. Nach dem Loslassen des Schlüssels wurde alsdann die vierte Elongation bestimmt.

. W .

Indem ich abwechselnd den Widerstand \V in den Kreis

100

der Multiplicatorrolle brachte, was durch Ausschaltung eines Stückes des Leitungsdrahtes #in der früher beschriebenen Weise geschah, erhielt ich bei den Widerständen:

ir

,F_":

100

W

ii'-l'l

100

ir

100

W

100

335,0

335,3

334,9

335,3

335,0

335,3

334,9

335,4

335,0

335,4

335,0

335,6

334,9

335,3

335,0

335,3

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VnbekuclUet.

■i0000)i-30H

vom 7. Juni 1877.

337

Scalentheile Differenz zwischen dem ersten Ausschlag und der vierten Elongation.

In diesen Zahlenreihen tritt die Veränderung des Widerstandes um 1 Procent in jedem einzelnen Falle deutlich hervor. Im Mittel beträgt der Unterschied zwischen dem ersten Ausschlag und der vierten Elongation, bei den Widerständen:

TF: 334,96®^=

335,36-

mithin die Zunahme, durch Verminderung des Widerstandes um 1 Procent, 0,4®'’.

Die folgenden Zahlen sind nun die Unterschiede des ersten und vierten Ausschlages, welche sich ergaben bei der abwechselnden Beleuchtung und Nichtbeleuchtung des in den Stromkreis einge- schalteten Platinstreifens der früheren Versuche XVIII und XIX.

Unbel.

Bel.

Unbel.

Bel.

Unbel.

Bel.

Unbel.

Bel.

333,8

333,9

333,9

333,9

333,9

333,9

333,9

333,8

334,0

333,9

333,8

333,9

333,8

333,7

333,8

333,9

Im Mittel, bei der Beleuchtung, wie bei der Nichtbeleuchtung: 333,86. Also auch hier: keinerlei Einwirkung der Beleuch- tung auf den elektrischen Leitun gs widerstand.

338

G es a m mts i (z uiuj

Hr. Dove las über die intensive Wärme am 5. Juni 1877.

An eingegangenen Scliriften wurden vorgelegt:

Jievue scientißque de la France et de C etranrjer. N. 49, Jiiiii 1877. Paris, 4, Numismatic chronicle. 1877. Part. 1. N. .Series. N. LXV, Loiidun. 8,

W. F. G. Behn, Leopoldina. Heft XIII. N. 9. 10. Dresden 1877. 4.

rt*r: PharaoK s Dauyhter. London 18C8, and Sec. Edition, ib. 1874. 8. 2 Ex. Vom Verf.

The Transactions of the li. Irish Academy. Vol. XXVI. Science I V. Dublin 1876, 4.

List of the Council and 0/ficers and Members of the R. Irish Academy; Du- blin, 3Ist. of July 1876. ib. 8.

In der Nacht vom 13. zum 14. Juni starb Hr. v. Hetbmann- Hollweg, Ehrenmitglied der Akademie, auf Schloss Rheineck.

vom 14. Juni 1877.

339

14. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Virchow las:

Der H o s p i t a 1 i t e r - 0 r cl e n vom heiligen Geist, zumal in

Deutschland.

Von jeher hat sich die Aufmerksamkeit derjenigen, welche sich mit der früheren Entwickelungsgeschichte des abendländischen Krankenhauswesens beschäftigten, mit einer gewissen Vorliebe den Heiliggeistspitälern zugewendet. Dafür dürften hauptsäch- lich zwei Gründe maassgebend gewesen sein. Der eine ist der, dass mit der Ausbreitung des Ordens vom heiligen Geist un- vei’kennbar eine allgemeine Änderung in der Auffassung der Spi- täler überhaupt eintritt, eine Änderung, welche so gross ist, dass man in ihr die Grundlage des modernen Krankenhauswesens suchen darf.

Allerdings gab es auch schon vorher zahlreiche und zum Theil gut gehaltene Anstalten der Art; ich erinnere nur an die in Deutschland ziemlich häufigen Johannisspitäler. Allein der Ge- danke, dass ein gut gehaltenes Spital zu der Ausstattung einer Stadt gehöre, dass es gewissermaassen eine sociale Nothwendigkeit sei, war ein neuer. Bis gegen das Ende des 12. Jahrhunderts Avurde wohl die Mehrzahl der Spitäler, wenigstens soweit es sich um selbständige Anstalten und nicht nur um Infirmarien der Klöster und Stifter handelte, vor den Städten angelegt. Diese domus hospi- tales extra muros waren, Avie die Gasthäuser an den Brücken und Gebirgspässen, voi’zugsweise für Pilger 'und Reisende bestimmt, oder sie dienten für die dauernde Aufnahme der Aussätzigen, Avelche man aus der menschlichen Gesellschaft ausstiess. Mit den Heilig- geistspitälern erscheinen, anfangs allerdings mit nicht AA^enigen Aus- nahmen 1), bald jedoch in schnell Avachsender Zahl, die domus

*) Heiliggeistspitäler ausserhalb der Stadt werden erwähnt von Hamburg (Ger net Mittheilungen aus der älteren Medicinalgesehichfe Hamburgs. 1869. S. 79), von Stettin (F r i c d eb o r ii , Historische Beschreibung der Stadt Alten- Stettin. 1613. S. 39), von Spandau (Riedel, Cod. diplum. Vol. XI. Abih. 1. p. 4. Anm.), von Berleberg (ibid. Vol. VII. p. 66), von Salzwedel (Danneil

340

Gesammtsitzuvg

liospitales intra moenia, freilich nocli keine Krankenhäuser in un- serem Sinne, aber doch Ilumanitätsanstalten innerlialb der Ge- meinde, und wenngleich nicht ausschliesslich für Angehörige der Gemeinde bestimmt, so doch vorzugsweise ihnen zugänglich. Wäh- rend die Aussenspitäler in der Regel nicht nur kleine, höchst kümmerliche Anstalten waren und blieben, bis die Mehrzahl von ihnen ganz verschwand oder sich in blosse Pfründenanstalten um- wandelte, ist eine nicht geringe Zahl der Ileiliggeistspitäler ich er- innere nur an die von Frankfurt, Lübeck, Würzburg, Bern, Wien im Laufe der Jahrhunderte gewachsen und in verbesserter Gestalt in die neue Zeit übergegangen, zum Theil als eigentliche Kranken- häuser, zum Theil als Siechenhäuser.

Indess weit mehr entscheidend ist wohl ein anderer Grund gewesen, das Interesse Vieler gerade für die Ileiliggeistspitäler anzuregen. Knüpft doch der Anfang ihrer Geschichte an den Na- men desjenigen Papstes an, der den kühnsten und weitesten Ver- such gemacht hat, die Gesammtheit der menschlichen Interessen in der Organisation der katholischen Kirche zusammenzufassen. Für Innocenz III. waren die Heiliggeistspitäler eines der vielen Mittel, durch welche er die Gesellschaft an den römischen Stuhl zu fesseln suchte, und sicherlich eines der wirkungsvollsten. Musste es nicht den tiefsten Eindruck hervorbringen, zu sehen, wie der gewaltige Papst, der den Kaiser demüthigte und Könige entsetzte, der unerbittliche Verfolger der Albigenser, seinen Blick mitleids- voll auf die Armen und Kranken wendete, wie er die Ilülflosen und Verkommenden auf der Strasse aufsuchte und die unehelichen Kinder vor dem Wassertode rettete! Es hat etwas Versöhnendes

Kircheiigeschichte der Stadt Salzwedel. Halle 1842. S. 79, 115, Urkundeii- bucli S. 3), von Sangerliausen (Schöttgeii und Kreysig, Diplomat, et script. liist. Germ. Altenb. 1753. I. p. 715. Sam. Müller, Clironieka der uralten Bergstadt Sangerbansen. Leipz. und Frankf. 1731. S. 4G), von Naumburg (Lepsius, Histor. Nathr. vom Augustinerkloster zu Naumburg. 1835. S. 170), von Quedlinburg (v. Eratli, Cod. dipl. Quedlinb. Frankf. a.M. 1764. p. 333, 871), von Würzburg (C. Heffner und F. Reuss, Würzburg und seine Um- gebungen. 1852. S. 30), von Augsburg (Mencken, Script, rer. Germ, praes. Saxonicarum Dips. 1728. T. I), von Straubing (G. Kolb, Geschichte der Wohlthätigkeitsanstalten der Stadt Straubing. Landsh. 1858. S. 22), und von Bern (B. L. M essm c r , Der Bürgerspital von Bern. 1831. S. 60).

V07JI 14. Jtmi 1877.

341

und Bestechendes, dass in derselben Zeit, als auf seinen Antrieb der vierte Kreuzzug ins Werk gesetzt wurde, der Gedanke in sei- ner Seele keimte, eine grosse Organisation von wesentlich huma- nem Charakter durch die ganze Christenheit ins Leben zu rufen, und dass in demselben Jahre (1204), wo in Constantinopel das neue lateinische Kaiserthum eingesetzt ward, das von ihm neu er- baute Hospitale S. Spiritus an der alten Tiberbrücke als künftiger Mittelpunkt dieser Organisation geweiht werden konnte. Es war dies freilich noch nicht jenes Spital, von dem ein späterer fran- zösischer Autor 1) gesagt hat: etablissement utile, le plus beau, le plus grand, le mieux ordonne peut-etre, qui existe encore actuelle- inent, je ne dis pas dans la ville reine des cites, je dis dans aucune societe civile de l’Europe. Aber es war doch von Anfang an das herrlichste und grösste Spital der Christenheit.

Die Ansprüche der Menschen wachsen schnell. Was den Zeit- genossen als ein Unerhörtes entgegentritt, sinkt in einigen Jahr- hunderten zum Gewöhnlichen herab. So dürfen wir uns auch nicht wundern, dass der erste, von Innocenz aufgeführte Spitalbau nicht lange genügte, selbst nicht den bescheidenen Ansprüchen jener Zeit, so dass schon Papst Sixtus IV. in seiner Bulle vom 21. März 1477 von aedificia angusta, depressa et minus accomoda, ita ut exilii potius quam recuperandae sanitatis et salutis causa existerent^), spricht. Aber die wiederholten Neubauten brachten doch das Archihospitale Sancti Spiritus immer wieder in einen prächtigen Zustand, und noch bis in die neuere Zeit konnte man zugestehen, dass es in vielfacher Beziehung eine Musteranstalt ge- blieben war.

In solche vergleichende Betrachtungen mischt sich freilich leicht viel Übertreibung, und gerade die Besprechung der Humauitätsan- stalten ist am wenigsten frei davon geblieben. Hurter ^) geht so weit zu sagen: „Alle wohlthätigen Anstalten, deren jetzt noch das Menschengeschlecht sich erfreut, alle Obsorge um die Verlassenen und Dürftigen von dem ersten Augenblicke ihrer Geburt bis zur

de la Porte du Theil in den Memoires et extr. VI. 152 (titirt bei Hurter, Gesch. Papst Innocenz III. Hamb. 1834. Bd. II. S. 751).

Bullarium ronianum. Aug. Taurin. 18G0. T. V. p. 247.

Hurter, Gesch. Papst Innocenz III. Hamb. 1842. Bd. III. S. 456.

342

Gesammtsitzung

Rückkehr der irdischen Hülle zur Erde, durch alle Stadien des Lei- dens, sind theils unmittelbar, theils mittelbar durch die Gesinnun- gen, die sie geweckt, gekräftigt, zur That belebt hat, von der Kirche ausgegangen; sie hat zu denselben das Vorbild, den Antrieb, häufig die Hülfsmittel gegeben; dass es hieran nirgends fehlte, ist wesent- lich ihrer Einwirkung auf die menschlichen Gemüther zu danken.“ Man sollte nicht vergessen, dass um jene Zeit die Araber zahl- reiche und gut gehaltene Krankenhäuser besassen und dass lange vor dem Christenthum im fernen buddhistischen Orient die Unter- stützung der Armen und die Pflege der Kranken als religiöse Pflicht von Königen und Fürsten geübt worden ist. Noch weniger sollte man vergessen, dass schon seit langer Zeit durch die sich neu formende Gesellschaft des Occidents eine humane Bewegung ging, welche, wenngleich auf christlichem Grunde ruhend und von der Kirche gefördert, doch aus freier Entschliessung der Menschen und in selbständigen Formen zu Tage trat. Namentlich in den Städten entstanden zahlreiche Genossenschaften, gleichsam freie Verbrüderungen der Bürger, um die Werke der Liebe gegen Arme und Kranke in gemeinsamer Leistung auszuführen.

Nichtsdestoweniger kann man anerkennen, dass es der rö- misch-katholischen Kirche und vor Allem Innocenz III. Vorbehalten gewesen ist, den Born christlicher Liebe und Barmherzigkeit nicht nur in ganzer Fülle zu öfi’nen, sondern auch den befruchtenden Strom auf alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens in geordneter Weise zu vertheilen. Und schon aus diesem Grunde wird das Interesse an diesem Mann und dieser Zeit nie erlöschen.

Viele und nicht bloss kirchliche Schriftsteller betrachten diese ganze Richtung der praktischen Werkthätigkeit als die unbefan- gene Frucht der christlichen Liebe. Andere und nicht bloss welt- liche .Schriftsteller haben sich bemüht, besondere Beweggründe auf- zusuchen oder wenigstens hinzuzufügen. Selbst Ilurter *) trägt kein Bedenken, zuzugestehen, dass der Bau des neuen Spitals vom heil. Geist durch Innocenz unternommen sei, um dem Tadel zu begegnen, den sein Hang zum Nepotismus erregt hatte, namentlicli seitdem der Bau des gewaltigen Thurmes der Conti das Miss- trauen des römischen Volkes in höherem Maasse wacbgerufen

') Ilurter, a. a. 0. .S. 750,

vom 14. Juni 1877.

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hatte. Non sine nota ambitionis ac impensae supervacuae, sagt Raphael Volaterranus. Es mag sein, dass der Spitalbau ohne ein solches Motiv weniger prächtig ausgefallen sein würde, aber es entspricht einer unbefangenen Erwägung der Gesannntvorgänge wenig, dieses Motiv in den Vordergrund der Handlung zu schieben.

Die kirchliche Sagenbildung hat ein anderes Motiv, wie mir scheint, von ebenso wenig entscheidender Bedeutung ausgebildet. Innocenz verband mit seinem neuen Spital eine grosse Findel- anstalt. Ascanius Tamburinus, Abt von Vallumbrosa knüpft daran, gestützt auf Bullen Nicolaus IV und Sixtus IV, die Erzäh- lung von dem mirabile principium des Heiliggeistordens. Huic (Innocentio) oranti facta est vox de caelo dicens: Innocenti! vade piscatum ad Tiberim fluvium. Re cum S. R. E. Cavdinalibus coinmu- nicata ad Tiberim se contulit, et laxatis retibus, prima vice octo- ginta Septem, secunda vero trecentos et quadraginta extraxit in- fantes abortivos, ab impiis matribus suffocatos et in Tiberim pro- jectos. Man sieht: fama crescit eundo. Königshofen hatte nur Nachricht davon, dass ein Fischer in der Tiber statt der Fische die Leichen dreier Kinder ans Land gebracht habe. Hier sind dar- aus hundertmal mehr geworden. Indess auf die Zahl kommt nichts an. Denn es ist offenbar ein Missverständniss, die Findelanstalt für den wesentlichen Theil oder gar für die eigentliche Aufgabe des Hospitals S. Spirito zu halten, ein Missverständniss, wie es wohl in der Phantasie eines fern von Rom lebenden Mönchs^) sich ausbilden konnte, welches aber Angesichts der Einrichtungen des Spitals selbst und noch viel mehr bei Erwägung der Gesammt- anlage des Ordens auch nicht einmal in seinen Grundlagen berech- tigt ist. Denn auch die psychologische Beweisführung für die That- sächlichkeit des Wunders, welche der gelehrte Prior des Schotten- klosters in Regensburg, Marianus Brockie^) antritt, scheint mir nicht genügend. Er meint, der Umstand, dass Innocenz unmittel-

Tamburinus de jure abbatum T. II. disp. 24. quaest. 4. p. 314 (ci- tlrt bei Holstenius Codex regularum. Aug. Vindel. 1759. T. V. p. 495). *) Königshofen, Strassb. Chronik S. 194.

*) Sonderbarerweise theilt auch Helyot (Hist, des ordres monastiques II. p. 200) dasselbe.

■* *) Lucae Holstenii Cod. regularum, observationibus critioo-liistoricis a M. Brockie illustratus. T. V. p. 499,

344

Gesammtsitzung

bar nach seiner Erwählung zum Papst einen Brief an die ge- sainmte Christenlieit erlassen hat, worin er denen, welche prosti- tuirte Mädchen heirathen, Nachlass ihrer Sünden zusagt (Epist. Innocent. 112), spreche dafür, dass sein Geist sich anhaltend mit diesem Gegenstände beschäftigt habe. Gewiss beweist dieser Brief die grosse Theilnahme, welche der Papst den verwahrlosten Eami- lien-Zuständen der ewigen Stadt zuwandte, aber er bietet kein Ma- terial für jenes Maass der Exstase, welches das Wunder der gleich- zeitig aus der Tiber hervorgezogenen 427 Kinderleichen voraussetzt.

Sicherlich hatte Innocenz eine Reihe von Local m oti ven , welche bestimmend wurden für Ort und Art der Anlage und Ein- richtung des römischen Spitals. Unzweifelhaft wollte er in einer Zeit, w’o Rom durch die verderblichen Kämpfe der Parteien, na- mentlich der Guelfen und Ghibellinen so grosse Verwüstungen er- litten hatte, nicht nur durch den Bau als solchen, sondern noch mehr durch die Einrichtungen des neuen Hauses eine wirksame und dauernde Hülfe bringen. Der Ort, den er wählte, gestattete es, diese Hülfe den Einwohnern, w’ie den fremden Pilgern in glei- cher Weise zugänglich zu machen. In der Nähe der Peterskirclie und des Vatikans gelegen, ganz nahe dem Übergange über die Tiberbrücke, hat das Ospedale S. Spirito heutigen Tages freilich eine noch mehr geeignete Lage für die Pilger, als in jener Zeit, da die Päpste noch im Lateran residirten. Dennoch waren schon damals in der späteren leoninischen Stadt zahlreiche Heiligthümer zusammengedrängt. Innocenz brachte Alles dies in eine sehr glück- liche Verbindung. Seiner Verfügung nach sollte alljährlich am Sonn- tage nach der Oktave der Erscheinung Christi das Sclnveisstuch des Herrn in feierlichem Zuge unter Festgesängen aus der Peters- kirche dahiti gebracht werden, und der Papst selbst sollte eine Ansprache an das Volk über christliche Liebeswerke und deren Einfluss auf Sündenvergebung halten, zugleich aber an alle An- wesenden Brot, Fleisch und Wein austheilen (Epist. Innoc. HI. Paris. 1682. T. II. p. 98. Lib. X. Epist. 179) Es war dies sicher- lich die am meisten volksthümliche Form, in welcher jemals der Träger der höchsten Kirchengewalt mit dem V'olk selbst in un- mittelbare Berührung getreten ist.

Der Ort w'ar durch alte Tradition geheiligt. Hier hatte, der Erzählung nach schon 715, Ina, der König der Angelsachsen, nach seiner Thronentsagung selbst ein Bewohner Rüm’s (seit 727),

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eine Kirche und ein Gasthaus errichtet, in welchem Fürsten und Geistliche Angliens im katholischen Glauben unterwiesen werden sollten Die Kirche führte den Namen Ecclesia S. Dei Geni- tricis virginis Mariae in Saxia oder Sassia, das Gasthaus hiess gleichfalls das Hospitale S. Mariae in Saxia, mit dem häufigen Zusatz de urbe, oder auch wohl kurzweg die Schola Saxonum (s. Anglorum). König Oflfa von Mercia erweiterte die Schola später (794) durch neue Schenkungen und verband damit ein Xeno- dochium. Aber wiederholte Brände (816 und 847) zerstörten das Haus, und obwohl immer wieder aufgebaut, war es doch auch in den letzten Parteikämpfen gänzlich zerstört worden. Hier, auf diesem nahezu ältesten Boden der Hospitalität in Rom, beschloss Innocenz seinen Neubau zu errichten. Gewann er doch damit zugleich einen sicheren Besitz für die neue Stiftung. Denn das alte Sachsen- spital hatte durch alle Wechsel des Geschickes einen gewissen Be- sitzstand bewahrt. Als ich im Herbst 1871 das Archiv des Hau- ses selbst durchforschte, fand ich in den alten Güterverzeichnissen noch 3 englische Ortsnamen, Wintele, Scofrath et Wimpin in Anglia, neben sonst fast ausschliesslich italienischen aufgeführt.

Es war aber aller Wahrscheinlichkeit nach ein anderer und vielleicht gerade der am meisten zwingende Grund vorhanden, der eben diese Stelle als die prädestinirte erscheinen liess. Der Car- dinial Morichini^) giebt an, dass in dieser Gegend (in que’ con- torni) schon Symmachus, der 498 Papst wurde, ein Spital errich- tet hatte, welches seine Nachfolger restaurirt und vergrössert hät- ten, welches aber später herabgekommen sei. Von diesem Spital ist allerdings später nicht mehr die Rede. Dagegen erwähnt In- uocenz selbst (Epist. p. 53. Lib. I. Ep. 97), wie schon angeführt, dass an dieser Stelle durch Guido von Montpellier ein Heilig- geistspital errichtet war. Dieser Umstand ist gewiss nicht gering zu veranschlagen, wenn man erwägt, dass die ganze weitere Orga- nisation, welche Innocenz schuf, an Guido anknüpfte.

0 (4r e gor 0 V i n s , Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Stuttg. 1859. Bd. II. S. 4G7.

-) C. L. Moricliini, Degli istituti di caritii per la siissistenza e l’edii- cazione dei poveri c dei jirigionieri in Roma. Rom. 1870. Ediz. nov. p. 99. Er citirt dazu Fanucci Trattato di lutte le opcre pie dell’ alma cittä di Roma. Rom. 1601. Eil). I. cap. 2. pag. 15.

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Geeammtsitzung

Wir kommen damit an den dunkelsten und vielleicht nie ganz aufzuklärenden Punkt dieser Ereignisse. Guido von Montpellier ist eine so eigenthümlicke, um nicht zu sagen, fremdartige Erschei- nung, er taucht so unvermittelt als eine fertige Persönlichkeit auf, dass irgend eine Vorgeschichte seiner Entwickelung nicht mehr hergestellt werden kann. Auch die Arbeit des Hrn. A. Ger- main*), dem alle Archive in Montpellier offen standen, hat nur negative Resultate ergeben. Guido (Guy) war darnach weder ein Graf, noch ein Abkömmling des einheimischen Grafengeschlechts. Er wird zuerst in einer Bulle P. Innocenz von 1198 als Stifter eines vorher nie genannten Ileiliggeistspitals zu Montpellier, viel- leicht des ersten dieses Namens überhaupt, in die Geschichte ein- geführt. Mit ihm zugleich erscheinen .Magister et fratres ipsius domus, also eine wirkliche Organisation, ein Orden. Wann das Hospital von Montpellier gegründet ist, wissen wir nicht. Es ist nur bekannt, dass es in der Vorstadt Pyla- Saint -Gely, am Wege nach Nimes und in der Nähe des Verdanson, lag, und dass es nach einem mehr als 300jährigen Bestand durch den Vandalismus des Jahres 1562, der sich gegen alles Katholische richtete, zer- stört wurde. Wir wissen ebensowenig, wie es kam, dass in einer Zeit, wo die Marien -Verehrung sich so stark ausbreitete, gerade die ideellere Gestalt des heiligen Geistes zum Symbol der Hospita- lität genommen wurde, und zwar mit solchem Erfolge, dass selbst das alte Hospitale S. Mariae in Saxia seinen Namen und seinen Schutzpatron umtanscben musste. .Mehr verständlich ist die freiere, weltliche Richtung, welche Guido seinen Einrichtungen gab. Schon seit langer Zeit war vieler Orten im Occident eine Genossen- schaftsbewegung zur Geltung gekommen, welche die Formen suchte, in welcher die Laienwelt sich an der praktischen Tbätigkeit der Kirche betheiligen könne. Seit Chrodegang von Metz die erste Con- gregation von regulirten Chorherren (Canonici) ins Leben gerufen und damit gewissermaassen eine Vermittelungsform gefunden batte, waren ähnliche Einricbtangen auch auf das Hospital wesen vielfach in Anwendung gekommen. Auf diesem Grunde ruhte namentlich

*) Poblicarions de la societe arch^l<jgiqae de Montpellier. 1859. No. 27. De la cbarite publique et hospitaliere k ^lontpellier au mojen-age p. 502. sq.

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die so einflussreiche Congregation der Hospitaliter des heil. Anto- nius von Vienne.

Nicht wenig mochte auch der bewegliche südfranzösische Geist dazu beitragen, dass man ohne lange Vorberathung sofort in die Arbeit trat. Dazu kam die Nähe Spaniens, das Beispiel der Araber, welche in der Sorge für Arme und Kranke so weit gin- gen, dass allein in Cordova 50 Krankenanstalten bestanden haben sollen, endlich die Bewegungen der ketzerischen Männer von Lan- guedoc, — Alles das mochte Zusammenwirken, dass Guido den Versuch wagte, auf rein weltlichem Boden einen neuen Hospita- literorden zu erschaffen, und dass dieser Versuch so sehr ein- schlug, dass nicht nur an mehreren Orten Frankreichs, sondern alsbald auch in Rom selbst Heiliggeisthäuser im Anschlüsse an das Mutterhaus gegründet wurden. Innoscenz HI. nennt in der Bulle von 1198, in welcher er das Hospital von Montpellier in seinen Schutz nimmt, ausser 7 französischen Häusern deren zwei in Rom: das eine bei S. Agatha am Eingang in die Stadt, das andere bei S. Maria jenseits der Tiber (domum quam habetis in urbe Roma juxta S. Mariam trans Tiberim, cum domo quae est in loco qui dicitur S. Agatha in introitu urbis Romae).

Es ist von Einzelnen behauptet worden, dass es schon vor 1204, ja schon vor Guido Heiliggeistspitäler gegeben habe. Ich leugne die Möglichkeit nicht, finde aber noch keine ganz bewei- senden Belege für die Thatsache. Volz (Das Spitalwesen und die Spitäler des Grossherzogtbums Baden. Karlsr. 1861, S. 109) führt die Heiliggeistspitäler von Freiburg im Breisgau, Pfullendorf, Brei- sach und Überlingen als solche ältere an. Von dem Heiliggeist zu Freiburg nimmt er an, dass er schon 1120 bestanden habe. Ebenso soll das Spital zu Memmingen nach Schelhorn (Kleine histo- rische Schriften. Memming. 1789, S. 237) schon 1010 von Heinrich Herrn von Kirchheim und Weissenborn, Grafen zu Maurstetten ge- stiftet sein. Die Thatsache der früheren Existenz mag richtig sein, aber es wäre erst zu erweisen, dass diese Spitäler ursprünglich dem heiligen Geiste gewidmet waren. M’ahrscheinlich handelt es sich hier, wie an vielen anderen Orten, um ältere Spitäler, welche erst später dem Orte vom heiligen Geist übergeben und nach dem- selben genannt wurden. Schon vor Guido gab es an vielen Orten Spitäler, welche von regulirten Chorherren verwaltet wurden; ich [1877] 27

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Ge^ammUitznng

erinnere nur an die schon erwähnten C-anoniker des Ordens vom heil. Antonias von Vienne, welche um das Jahr 1093, zur 2^it der Herrschaft des Antonias -Feuers, als ein eigentlicher Hospi- laliterorden auftraten (Helvot II, p. 108). Mit ihnen hängt we- nigstens die Memminger Spitalgeschichte unmittelbar zusammen. Jos. Frhr. v. Hormayr-Hortenburg (Die goldene Chronik von Ho- henschwangau. München 1842. S. 56) berichtet darüber, dass -den Brüdern und Schwestern des heil Geistes von S. .\nton“ das Pilgerhaus und später das seit 1178 bestandene Spital eingeräumt wurden, und dass K. Friedrich II. 1215 das Patronatsrecht der Pfarre Memmingen an das Matterspital S. Anton zu Vienne in der Dauphine schenkte. Der Orden vom heil. Antonius war aber keineswegs der einzige seiner Art. So steht es urkundlich fest, dass 1 183 der Ritter Witiegow von Albegg den Michaelsberg bei Ulm an das Kloster Reichenau zur Errichtung eines Hospitalhauses übertrug; in diesem wurden Canouiker von der Regel des heil. Augustin eingesetzt und aus ihm ging später das Ulmer Heilig- geistspital hervor (Vgl. mein Archiv Bd. XVllI, S. 296). Einen ähnlichen Fall treffen wir in Mainz. Nach Schaab (Geschichte der Stadt Mainz. II. S. 173) lag das älteste Hospital dieser Stadt neben der Domkirche an der Stadtseite. Schon 1145 hatte Erz- bischof Heinrich die Verwaltung dem Propst der regulirten Chor- herren zu Gottesthal im Rheingau übertragen. Erzbischof Sifrid verlegte es 1236 mit Bewilligung des Domkapitels an den Rhein neben die ehemalige S. Gereonskapelle, übergab es dem Orden vom heil. Geist und legte ihm auch diesen Namen bei.

Solche vorbereitenden Einrichtungen ebneten der späteren Or- ganisation des Heiliggeistordens die Wege, aber gewiss nur in der .\rt. dass der letztere nachträglich in die Verwaltung schon be- stehender Spitäler eingesetzt wurde. *) Jedenfalls habe ich kein Dokument aufgefunden, welches mit voller Sicherheit darthut, dass schon vor Guido ein wirklich so genanntes Heiliggeistspital vor- handen war. Die am meisten bezeichnende Angabe bezieht sich

•) Ein Beii^iel au» rpäierer Zeit würde nach Fechter das SpitaJ an den SthweUen za Basel liefern, welches sebon 1265 erwäljnt wird, jedoch erst 1409 den Beligiosen des heil. Geistes übergeben sein soll (Vgl. mein Archiv 1S60. Bd. XVm. .S. 294).

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auf das Hotel-Dieu von Coustauce ^), indess Aväre doch auch diese noch genauer zu prüfen.

Man hat später, mit Aufwand von mancher Gelehrsamkeit, den Nachweis führen wollen, dass der Ordo S. Spiritus ein alter, ja der älteste christliche Ritterorden, eine eigentliche Militia gewesen sei, Ja dass er bis auf S. Martha und ihren Bruder, S. Lazarus selbst, zurückführe. Mit grosser Entschiedenheit hat schon Helyot^) diese Erfindungen zurückgewiesen. Ich möchte dabei nur noch auf Zweierlei hinweisen. Erstlich darauf, dass, soweit ich habe er- mitteln können, irgend ein Zusammenhang zwischen dem S. La- zarus-Orden und dem heil. Geistorden niemals existirt hat. ja dass sich eher ein gewisser Gegensatz nachweissen lässt. Sodann

Helyot (II. p. 218) erzählt von den Religieux Hospitaliers de l’Hötel-Dieu de Coustance in der Xormandie, dass sie auf ihrem Ordenskleid ein ganz ähnliches Kreuz trugen, wie die Canoniker vom heil. Geist, und dass sie deshalb, und weil ihr Hotel-Dieu dem heil. Geist geweiht war, Versuche machten, in den Orden des heil. Geistes von Montpellier incorporirt zu werden, um sich dadurch der Jurisdiction des Bischofs von Coustance zu entziehen. Es gelang ihnen aber nicht. Sie waren ursprüng- lich durch den Bischof 1209 als regulirte Cleriker vom Orden des heil. Augustin in das Hotel-Dieu eingesetzt.

Histoire des ordres monastiqnes, religieux et militaires et des cou- gregations seculieres. Douay 1714. T. Et. p. 193.

Der Umstand, dass an einigen Onen Aussätzige in Heiliggeisrspitälern verpflegt wurden, oder dass dieselbe Verwaltung über Krankenhäuser bei- derlei Art gesetzt war, hat auf die Verhältnisse der beiden Orden zu ein- ander keinen Bezug. Abgesehen davon, dass in der Regel dieses Verhälmiss erst Jahrhunderte nach der Zeit, von der wir hier handeln, eingeführt wor- den ist, sind die meisten der einschläglichen Angaben nicht einmal ganz klar. Ich habe Beispiele der Art in meiner Arbeit über die Geschichte des Aussatzes und der Spitäler, besonders in Deutschland, (Archiv f. path. Anat. u. s. w. 1860. Bd. XVIII. S. 298. Bd. XIX. S. 52, 66) von Ulm, von Flau in Meklenburg und von Aachen mitgetheilt. Das am meisten verwickelte Verhält- niss, welches mir vorgekommen ist, betrift't das .Hospital S. Antonii oder zum heil. Geist* in Halle, von welchem behauptet wird, dass es für die Sonder- siechen erbaut sei (v. Dreyhaupt, Chronik des Saalkreises, Halle 1750. Bd. I. S. 952. Bd. II. S. 246), und welches zuerst 1241 erwähnt wird. Sicherlich bandelt es sich hier um eine Reihe successiver Umbildungen, nicht um ein ursprüngliches Verhältniss. Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass nach allgemeinen Bestimmungen die Brüder oder Schwestern des Ordens

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Gesammtsitzung

darauf, dass allerdings in späterer Zeit, namentlich in Frankreich, der Adel sich in die Commenden des heil. Geistes eindrängte und dass ganz spät, im 17. Jahrhundert, ein wirklicher französischer Ritterorden, bloss der ^Villkür des Königs unterstellt, auftritt. Aber weder die Schöpfung Guido’s, noch die von Innocenz hatten irgend etwas an sich, was darauf hindeutete, dass man sich die grossen ritterlichen Hospitaliterorden, welche kurz zuvor entstanden waren, zum Muster nehmen wollte. Beide ruhten allem Anschein nach mehr auf bürgerlichem Grunde.

Durch die berühmte Rulle Inter opera pietatis (XIII Cal. Julii Indictione VII Incarnationis dominicae Ao. 1204), welche Inno- cenz im 7. Jahre seines Pontifikats erliess, übertrug er die Leitung des bei S. Maria in Saxia neuerbauten Hospitals an Guido und den Orden vom heiligen Geist. Guido wird ausdrücklich Magister hospitalium S. Mariae in Saxia et S. Spiritus in Monte Pessulano genannt; neben ihm erscheinen Fratres, regulärem vitam professi, und der Ordo regularis, qui secundum Deum et institutionem fra- trum Hospitalis S. Spiritus in eodem loco per nos institutos esse dignoscitur. Soweit wird die schon bestehende Institution einfach herübergenommen und bestätigt. Der Spitalmeister wird von aller Gewalt der Bischöfe und Prälaten eximirt, das Hospital selbst nur der päpstlichen Jurisdiction unterstellt. Ausdrücklich fügt der Papst als Grund hinzu: cum Ecclesia S. Mariae in Saxia et Hospitale constructum ibidem ad nos nullo pertineant medio (salvo quod clerici ejusdem Ecclesiae debent ex nostro mandato Basilicae Prin- cipis Apostolorum in scrutinio. Baptismo et Laetania). Allein schon in derselben Bulle findet sich ein gewisser schwarzer Punkt. Guido und seine Brüder waren sämmtlich Laien und in ihren Häusern gab es keine Geistlichen. Innocenz bestimmt nun, dass in der Kirche S. Maria in Saxia stets mindestens 4 Geistliche (clerici regulam ejusdem hospitalis professi), und zwar unmittelbar der Disciplin des Papstes untergeordnet sein sollten. Freilich wurde

vom heil. Geist, wenn sie vom Aussatz befallen wurden, nicht au.«gestossen werden sollten. In dem Cap. LI der Ordensregel von 15C4 heisst es: Sta- tiiimns, ut si quis Fratrum nostrorum vel Sororum in leprae morhiim inci- derit, in Domo sancti Spiritus provideatur ei tanquam uni ex aliis Fratribus in aliquo loco Domus.

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zugleich verordnet, dass sie sich in andere als geistliche Geschäfte des Hospitals in keiner Weise einmischen, vielmehr alle anderen sine contradictione et murmuratione dem Meister und seinen Ver- tretern überlassen sollten. Allein diese schwache Zumischung des geistlichen Elements hat in Wirklichkeit den Anfang zu weiteren Änderungen gebildet, welche endlich dahin geführt haben, den Orden zu zersprengen, und den letzten, von demselben noch übrig gebliebenen Rest in Rom zu einer rein hierarchischen Institution zu machen. Der Ordensgeneral oder Komthur gehörte während der letzten Jahrhunderte der höchsten Prälatur au; ihm schlossen sich Canonici reguläres und eine gewisse Zahl geistlicher Brüder, früher auch von Schwestern an, welche nach einer besonderen Regel lebten. Das Laienelement wurde schon im 15. Jahrhundert, zur Zeit Sixtus IV, gänzlich hinausgedrängt (Helyot II. p. 206).

Ob dies das Ergebniss war, welches Innocenz erwartete? ob es sein Ziel war, eine lebensfrische und viel versprechende Laien- brüderschaft dadurch allmählich umzubilden, dass er ihnen von Anfang an eine Zumischung geistlicher Elemente zufügte? wer mag diese Fragen beantworten! L nwahrscheinlich ist es nicht, dass die Veränderung, welche sich später vollzog, von Anfang an beabsichtigt war. Denn schon nach dem Tode Guido’s verstärkte Innocenz selbst die Einwirkung der Curie. Während in der Bulle von 1204 festgesetzt war, dass den beiden Spitälern von Rom und Montpellier ein einziger Meister vorstehen sollte, der von den Brüdern beider Spitäler gewählt wurde, in der Art, dass, wenn er jenseits der Alpen stürbe, die Wahl in Montpellier, wenn er dies- seits stürbe, die Wahl in Rom stattfinde und dazu das entferntere Spital 2 3 Brüder absende, so verordnete die Bulle von 1208, ut caput et raagisterium ordinis perpetuo perseveret in urbe apud hospitale S. Spiritus in Saxia, ita quod rector ipsius praesit uni- versis fratribus omnesque sibi teneautur impendere obedientiam et reverentiam regulärem, cum autem hospitalis Montis Pessulani rector fuerit eligendus, de consilio et assensu rectoris hospitalis quod est apud urbem , regulariter eligatur. Hier ist demnach die Trennung beider Anstalten und der Vorrang der römischen schon bestimmt ausgesprochen , und es ist nicht richtig, wenn Germain die Unterordnung Montpellier's unter Rom erst Gregor IX. (1228) oder wenn Cinque Gentili die Trennung beider Spitäler Hono- rius HL (1218) zuschreibt. Beides ist in der erwähnten Bulle

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Iniiocenz III. (Epistol. Innoc. p. 188. Bd. XI. Ep. 104) schon an- geordnet, und man kann als sicher annehmen, dass die Stellung des Hospitals in Saxia als Archixenodochium des Ordens schon von dieser Zeit an festgestellt war. Die Nachfolger Innocenz’ hat- ten nur auf diesem Wege weiter zu gehen und sie trugen keinen Anstand es zu thun. Schon Alexander IV. nennt in einer Bulle von 1256 den Ordensmeister Cornmendator (Helyot II. p. 204) und Eugenius IV. setzt seinen Nepoten Bietro Barbo, den späteren Papst Paul II., der gar nicht zum Orden gehörte, ohne Weiteres zum Cornmendator ein ^). Sixtus IV. und Julius III. versuchten, einzelnen Missbrauchen zu steuern. Ersterer erkannte neben dem, durch den Convent der Brüder zu wählenden Ordensmeister, der jetzt Praeceptor genannt wurde, einen Cardinal als Protector an, Hess ihn aber wählen ^). Allein jeder neue Versuch führte nur in mehr beschleunigtem Tempo die Auflösung des Ordens herbei, und schon im 16. Jahrhundert ist fast die ganze grosse Organisation zertrümmert. Den letzten Schlag führte jedoch erst Pius IX., indem er durch ein Breve vom 1. Juli 1847 auch die regulirten Chorherren vom heiligen Geist unterdrückte. Der Cardinal Morichini konnte daher seinen Überblick der Spitalge- schichte mit den Worten schliessen: Dell’ antico istituto di Guido di Montpellier ora non resta altra memoria si non che quella del capo deir ordine, che si chiamava maestro generale o commenda- tore di S, Spirito. Spesso i meriti del commendatore sono pre- miati colla porpora cardinalizia ^). Das italienische Königreich hat endlich auch diesen Rest beseitigt, und der Orden vom heiligen Geist gehört nunmehr in allen seinen Theilen nur noch der Ge- schichte an.

Leider ist uns die alte Ordensregel nicht erhalten. Wir wis- sen nur, dass sie sich der Regel des heil. Augustin anschloss. Die erste formulirte Regel, die wir kennen, stammt von dem Or- densgeneral (ordinis praeceptor et generalis magister) Bernardinus Cyrillus und trägt die Jahreszahl 1564. Sie ist abgedruckt in

0 (Ermeneg, March, de Cinque Gentili) Eesoconto statistico per l’anno 1865 degli Ospedali di Roma dipendenti dalla commissione istituita della Sant. di nostro Signore Papa Pio IX, Roma 1866. p. XIV.

-) Bullar. rom. T. V. p. 289. Bulle vom 11. Febr. 1483,

Morichini 1. c. p. 111.

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dem Codex regularum von Lucas Holstenius (T. V. p. 503) und in einer besonderen Ausgabe: Regula Sacri Ordinis S. Spiritus in Saxia. Lugduni apud Guilelmum Barbier. Typogi’. Reg. MDCXLYIL

Obwohl in der Einleitung gesagt ist. dass sie den alten Ein- richtungen (veterum nostrorum instituta patruni) entspricht, so merkt man ihr die Differenz von drei Jahrhunderten doch sehr stark an. Sie steht ganz auf geistlichem Boden und sie wider- streitet daher diametral der ursprünglichen Ordnung von Mont- pellier. Im Cap. XXVI heisst es sehr bezeichnend: Correctio Cle- ricorum et specialium aliorum ad Praceptorem laicum non per- tineat, sed ad Cardinales, quibus a Domino Papa ipsa domus fuerit recommendata. Wollen wir die älteren Verhältnisse näher kennen lernen, so bleibt uns nichts übrig, als in die Specialgeschichte der Heiliggeistspitäler einzugehen. In dieser Beziehung erwähne ich die Spitäler von Ulm, Memmingen, Rothenburg an der Tauber, Rostock u. s. w., von denen ältere Urkunden erhalten sind. Die bekannt gewordenen Ordnungen der meisten übrigen Heiliggeist- spitäler datiren erst aus der Zeit der Reformation oder noch später.

Aus diesen Zeugnissen geht hervor, dass auch die deutschen Heiliggeistspitäler von dem Archispedale di S. Spirito in Saxia abhingen, dass von dort die Ernennung oder Bestätigung ihrer Meister oder Provisores geschah, und dass sie dorthin als Zeichen der Abhängigkeit eine kleine jährliche Geldsumme zahlen mussten. Nach der Bulle von 1204 sollte das römische Hospital durch seine Sammler Almosen nur erheben in Italien, Sicilien, England und Ungarn, während die Collectoren von Montpellier frei in allen andern Provinzen sammeln sollten. Honorius III. scheint daraus eine wirkliche Theilung der Jurisdiction gemacht zu haben (He- lyot II. p. 204. Germain 1. c. p. 503). Nach dieser Eintheilung müsste Deutschland zu Montpellier gehört haben. Indess noch nirgend ist mir irgend eine Spur einer solchen Beziehung vorge- kominen. Dass der arme Heinrich und der dem Aussatze ver- fallene Fürst Nicolaus von Werle (Meklenburg, im 14. Jahrhundert), Heilung suchend, nach Montpellier zogen, kann hier natürlich nicht in Betracht kommen, da es sich dabei um die berühmte Facultät und nicht um das Heiliggeistspital handelte. An anderen Nach- richten fehlt es ganz. Obwohl vielleicht kein Land mehr Heilig-

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geistspitäler hervorgebracht hat, als Deutschland, und obwohl gerade in der ersten Zeit nach 1204 die Mehrzahl der Heiliggeist- spitäler in der Mark Brandenburg, Meklenburg, Pommern, Schle- sien, Sachsen, Bayern gegründet ist, so scheint doch nirgend eine Theilung der Plerrschaft zwischen Rom und Montpellier zur Er- scheinung gekommen zu sein. Ich muss es daher zum mindesten als unwahrscheinlich bezeichnen, dass in "NVirklichkeit jemals in Deutschland eine andere Jurisdiction über die Ileiliggeistspitäler, als die des römischen Erzspitals bestanden hat.

Eine eigenthümliche Unterabtheilung tritt, freilich in wenig deutlicher Gestalt, in Südwest-Deutschland hervor. Von Stephans- felden im Eisass berichtet Schöpflin (Alsatia illustrata. 17G1. T. II. p. 451. Alsatia diplomat. No. 425 und 465): Domus Ilospitalis S. Spiritus Canonicorum regulae S. Augustini, plurium in Alsatia et extra Alsatiam mater, ab Hospitali ejusdem ordinis, quod Romae est, in Saxia nuncupato, pendens, ante ann. 1220 alendis paupe- ribus et speciatim infantibus expositis a Werdensibus, Alsatiae Landgraviis, brevi post Hospitale Romanum constructa est, cui domus feminarum olim quoque adhaesit. Offenbar ist hierin ein beson- deres Verhältniss angedeutet, ln einem Verzeichnisse der Ordens- güter im Archiv des römischen Hospitals, vielleicht aus dem 18. Jahrhundert, welches sonst nur Namen aus Spanien und Italien enthält, fand ich die Angabe: „in Stefanfeld Prioratus“. Dieser Ausdruck ist einigermaassen ungewöhnlich. Ein Prior an der Stelle, wo sonst Rector oder Magister gesagt wird, findet sich freilich bei mehreren Spitälern erwähnt, gelegentlich sogar abwechselnd mit Rector und scheinbar damit gleichbedeutend. Indess die Bezeichnung Prioratus besagt offenbar mehr, und ich möchte glauben, dass sie eine besondere Bedeutung habe. In der That erwähnt' Schelhorn (a. a. O.), dass das Memminger Heiliggeistspital „unter Stephansfelden stand‘‘. Weiteres ist mir bis jetzt nicht bekannt geworden, indess lässt sich erwarten, dass auch bei anderen Spitälern im Eisass und Breisgau ähnliche Verhältnisse bestanden haben.

Weiterhin befinden sich im Archiv des Erzspitals unter der Bezeichnung: Rubricella de priorat. ein Paar Bände. Eine Stelle in dem II. Bande weist auf eine analoge Einrichtung im fernen Osten hin. Der Praeceptor des Hospitals zu S. Spiritus und Ge- neralmeister Albertinus de Ruuere (Albertino della Rovere) bestä- tigt die Wahl des Prior oder Praeceptor des Spitals von Riesen-

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bürg in Ostpreussen 1510. Dabei wird ausdrücklich ein Prioratus Risimburg erwähnt. Damit stimmt die Angabe von Morichini (1. c. p. 110), dass der Orden bis zum Ende des vorigen Jahr- hunderts Commenden und Priorate besessen habe.

Eine fernere Bestätigung endlich ergiebt sich an einem noch mehr entfernten Punkte. Das älteste Hospital in Siebenbürgen, das zu Hermannstadt, war dem h. Geist gewidmet. Nach einer Urkunde von 1503 stand es zunächst unter dem Hause in Ofen und mit diesem unter dem in Wien, an welches es jährlich eine Mark oder vier Dukaten zu zahlen hatte ^). Wahrscheinlich war diese Zahlung für Rom bestimmt. Denn im Allgemeinen ist über- all festgehalten, dass die Localspitäler durch eine kleine jährliche Zahlung ihr Abhängigkeitsverhältniss von dem Erzspital materiell bezeugten. Selbst das Hospital von Montpellier musste, nachdem es sich ofüciell dem Erzspital zu Rom unterworfen hatte, jährlich 3 Goldgulden zahlen, wie eine Bulle Papst Nicolaus IV. von 1291 ausspricht (Helyot II. p. 204).

Die ältesten, mir bekannten Anordnungen der Art stammen noch von Innocenz HI. selbst her. In einer Urkunde von 1207 bestätigt er die Gründung des Spitals in Zürich mit der Auflage, dass dasselbe jährlich einen Goldgulden nach Rom entrichten solle (Schöpflin Historia Zaringo -Badensis V. p. 131). Aus dem Jahre 1209 besitzen wir seine Bestätigungsurkunde des h. Geist zu Halber- stadt (Epist. Innoc. HI. p. 164. Lib. XI. Ep. 69). Derselbe war durch den Grafen von Blankenburg bei dem Kloster zum h. Michael ad opus infirmorum et pauperum gegründet worden. Nos, sagt In- nocenz, ad jus et potestatem Romanae ecclesiae ac utilitatem S. Spi- ritus in Saxia recipimus. Als Zins (census) sollte es dem letzteren .jährlich zwei Mark reinen Silbers zahlen. In gleicher Weise wurde der neu gegründeten Capella ad honorem S. Spiritus in der Vor- stadt AViens die jährliche Zahlung von 1 Mark auferlegt (Epist. Inn. p. 219. Lib. XI. Ep. 169). Etwas Ähnliches berichtet Brockie (Holstenii Cod. regul. V. p. 502) von Memmingen, und zwar nocli aus der Zeit nach der Reformation, welche grade hier die katho-

*) Friedr. Müller, Geschiidite der siebeiibürgischen Hospitäler bis zum Jahre 1625. Programm des evangeliselieii Gymnasiums in Sebässburg. Wien 1858. S. 27.

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lische Spitalverwaltuug unberührt gelassen hatte. Ja, in der Mitte des 17, Jahrhunderts übernahm das Hospital in Memmingen auch noch die Verwaltung des in Folge der Reformation zerrütteten Hospitals in Wimpfen. Pro his duobus hospitalibus in Germania silis Praeceptor Xenodochii Memmingensis, in recognitionem sub- jectionis Archihospitali Romano debitae, annuatim exsolvere solebat Septem Bizantinos aureos, prout ex antiquis monumentis urbis Meni- mingensis eruitur. Brockie setzt hinzu: Nec ambigere licet, quin reliqua amplissima Xenodochia pei- varias Catholici orbis provin- cias dispersa hoc idem praestiterint, prout plurima, quae per Hispa- niam, Belgiam, Hungariam, Poloniam supersunt, etiamnum hodie debitum suum pensum annuatim huic Archihospitali Romano tan- quam totius sacri ordinis supremo Capiti persolvunt et ejusdem Praeceptorem tanquam Supremum Magistrum Generalem omnium Hospitalariorum S. Spiritus agnoscunt.

Bei der sehr losen Organisation des Ordens vom heil. Geist kann man nicht annehmen, dass diese materielle Auflage und die damit ausgedrückte Unterordnung unter Rom überall in gleicher Weise angeordnet worden sind. Auch da, wo wir die Gründiings- und Bestätigungsurkunden besitzen, ist häufig weder von einer Geldzahlung, noch von einer ausdrücklichen Anerkennung der Obergewalt des Erzspitals die Rede. An manchen Orten wird freilicli ganz ausdrücklich Vorbehalten, dass der Spitalmeister von Rom aus bestätigt werden müsste. Wir wissen dies von Ulm (mein Archiv Bd. XVIII. vS. 297) und von Pforzheim, von letzte- rem Orte durch die genaueren Mittheilungen von Mone ^). Es heisst hier:

1) Der Markgraf Rudolf und seine Frau übergeben (durch Urkunde vom 16. Sept. 1323) das Spital dem Orden der Spital-w brüder des heil. Geistes zu Rom mit der Vermögensverwaltung, Krankenflege, Gottesdienst und Nutzniessung nach den Regeln ihres Ordens.

2) Bruder Heinrich von Pforzheim, Spitalmeister zu Wimpfen und Grüningen (Markgröningen bei Ludw'igsburg), der dazu bevoll-

0 F. J. Mone, Über Armen- nncl Krankenpllege früherer Zeit. Aus dem XII. Bande der Zeitschr. für die Geschictite des Oberrheins. Karls- ruhe 1861. S. 77.

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mächtigt ist, empfängt das Spital statt des Meisters und Ordens zu Rom.

3) Das Spital wird unmittelbar unter das Ordensspital zu Rom gestellt.

6) Wenn ein Spitalmeister zu Pforzheim abgeht, so sollen der Meister und die Brüder zu Markgröningen einen anderen einsetzen, der dem Herrn von Pforzheim genehm ist, bis derselbe oder ein anderer von dem Meister zu Rom bestätigt wird.

Allein diese Verhältnisse sind gewiss nicht überall maass- gebend gewesen. Erzbischof Sifrid von Mainz behielt, als er 1236 das alte Spital dem Orden vom heil. Geist übergab, das Recht, den Rector zu ernennen, ausdrücklich sich und seinen Nachfolgern vor. Über das 1242, schon fünf Jahre nach Erbauung der Stadt, in die Ehre des heil. Geistes und der Jungfrau Maria gegründete Hospital zum h. Geist in Elbing, wie über das zu Thorn liess sich der deutsche Orden das Patronatsrecht sofort durch den päpstlichen Legaten ertheilen; auf Grund dieses Rechtes führte er später durch einen Unterspittler die unmittelbare Verwaltung (mein Archiv 1861. Bd. XX. S. 480). An vielen Orten reservirten sich die städtischen Behörden das Recht, den Rector zu ernennen und die Verwaltung einzurichten.

Man muss sich in dieser Beziehung daran erinnern, wie weit- gehende Concessionen Papst Innocenz schon in den beiden Bullen von 1198 an Guido und den Orden gemacht und in der von 1204 wiederholt hatte. Nicht nur hatte er sie von jeder anderen kirch- lichen Gewalt, als der päpstlichen, eximirt, sie von jeder Art von kirchlichen oder weltlichen Gelöbnissen befreit ^), sondern er hatte ihnen auch das Recht verliehen, Kirchen zu bauen, Kirchhöfe zu errichten, Geistliche anzustellen. Daraus erklären sich manche sonst sehr auffällige Localerscheinungen. Ich verweise auf eine Urkunde des Bischofs Hermann von Schwerin für das Heiliggeist- spital zu Rostock, die ich in meinem Archiv 1861. Bd. XX. S. 491 auszüglich mitgetheilt habe, und in welcher nicht nur alle diese Gerechtsame aufrecht erhalten, sondern auch dahin ergänzt

0 Inliibemus ne a te Fili Magister vel successuribus tuis et Fratribiis Hospitalium eorunclcru exigat ulla ecdcsiastica saeciilarisve per.soiia lideiitates, homagia, juramcnta vel securitates aliquas, quae a Laicis frequentantur.

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werden, dass zur Predigt des göttlichen Wortes im Spital an F esttagen jeder berufen werden könne, quem rector dictae domus decreverit. Dass sich diese Bestimmung auf Geistliche bezog, scheint mir nicht zweifelhaft, aber auch so gewährt sie eine un- gewöhnliche Freiheit^).

Trotzdem behielt der Meister des Erzspitals zu Rom gegen- über allen Provincialspitälern sein Recht der Aufsicht und der Vi- sitation. Ob dasselbe häufig und mit Erfolg geübt worden ist, vermag ich nicht zu sagen. In dem Spitalsarchiv zu Rom fand ich nur ein Visitations- und Reformationsprotokoll, welches unter Clemens VIII (1592 1G05) durch Sallustius Taurusius^) aufge- nommen ist, der sich Archiliospitalis Apostolici S. Spiritus in Saxia de urbe Praeceptor et totius Ordinis S. Spiritus Generalis Magister, in partibiis et locis Franciae atque superioris et inferi- oris Germaniae et Poloniae specialiter deputatus Visitator et Re- formator nennt. Von seiner Wirksamkeit in Deutschland habe ich keine Spur aufgefunden; die Reformation und die grosse, ihr vor- aufgehende Umwälzung in den deutschen Städten hatte schon ohne

U Freilich wäre dies wenig, wenn es richtig wäre, was Hr. Friedr. Müller von dem Spital von Scliässhurg in Siebenbürgen erzählt, dass es nämlich dort der bürgerlichen Gemeinde zugestanden habe, „aus ihrer Mitte eine bis dahin weltliche Person zu einer geistlichen Stelle (der des Spitalgeistlichen) zu befördern“ (a. a. O. S. 32). Allein er verwechselt hier ofl’enbar den Rector und den Spitalgeistlichen. Die Sache betrifft übrigens nicht den Heiliggeist-, sondern den Antonius - Orden, in Bezug auf welchen im Jahre 1487 durch einen förmlichen Vertrag zwischen der Stadt Schäss- burg und dem Rector und Praeceptor der Häuser des Antonius - Ordens in Ungarn ausgemacht wurde, dass nach dem Tode eines Rectors der Rath der Stadt das Recht haben solle, einen geeigneten Mann zum Rector der Kirche und des Spitals zu wählen, und dass der Orden gehalten sein solle, den- selben in den Orden und auf die Regel des h, Augustinus anzunehmen. Da der Betreffende durch diese Aufnahme eben nur regulirter Chorherr des An- tonius-Ordens wurde, dieser Orden aber gleichfalls keinen im engeren Sinne geistlichen Charakter hatte, so bleibt das Vertragsverhältniss ganz innerhalb der traditionellen Grenzen.

-) Ermenog. di Cinque Gentili (I. c. p. XXXIX. Not.) führt in dem Verzeichnisse der Ordensmeister Saluzio Taruggi da Monte Pulciano, Arcivescüvo di Pisa (1595 1601), auf.

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dies die Mehrzahl der Heiliggeistspitäler in bürgerliche Hand ge- bracht.

Ein illustratives Beispiel von der Art der Verhandlungen in der Aufsichtsinstanz besitzen Avir aus Siebenbürgen von dem schon erwähnten Spital von Hermannstadt. Der Rath der Stadt hatte den „Prior“ des Hospitals seiner Stelle entsetzt und einen anderen an die Spitze der Verwaltung gestellt. Darauf theilt der Bischof von Siebenbürgen in einem Schreiben vom 10. Sept. 1456 mit, dass sich der Ordensgeneral in Rom, Matthaeus (Pietro Mattei de Capucinis 1443 78) an ihn gewandt und ihn in seiner Eigen- schaft als Judex et Commissarius ac protector hospitalis S. Spiri- tus in Cibinio requirirt habe, den vertriebenen Prior wieder in sein Amt einzusetzen. Der Ausgang dieses Rechtshandels ist nicht bekannt. Wir wissen nur, dass einige Jahre später mit einem an- dern Rector wiederum Streitigkeiten ausbrachen, in Avelchen König Matthias von Ungarn zu Gunsten der Stadt intervenirte; er ver- langte die Auslieferung des’ Rectors und ermächtigte den Rath, einen anderen Rector einzusetzen.

Immerhin geht aus diesen Verhandlungen hervor, dass im 15. Jahrhundert die Immunität des Heiliggeist-Ordens in Sieben- bürgen, wie in Deutschland, gebrochen war und dass sowohl Bischöfe, als Fürsten in die inneren Verhältnisse desselben ein- griffen. In Deutschland geschah dies sehr häufig, nicht nur durch Bischöfe und Landesherren, sondern auch durch städtische Obrig- keiten, welche von sich aus ganz neue Organisationen der Spitäler Vornahmen und an die Stelle der Ordensbeamten städtische Provi- soren und Procuratoren setzten ^), Und die Curie war nicht mehr stark genug, sich diesen unzweifelhaften Übergriffen zu wider- setzen.

Dass es dahin hat kommen können, dass ein Orden, der unter so selten glücklichen Umständen in das Leben gerufen, durcli

1) Fr. Müller a. a. O. S. 53.

2) Ein besonders lehrreiches Beispiel dafür liefert die Geschichte des lleiliggeistspitals zu Rostock, welche ich in meinem Archiv Bd. XX. S. 489 ff. ausführlich gegeben habe. Man vergl. übrigens meinen Vortrag über Hospi- täler und Lazarette (in der von v. Holtzendorf und mir lierausgegebenen Sammlung gemeinverständlicher Vortrüge Bd. III.) Berlin 1869. S. 15. ff.

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den kräftigsten Papst in die Welt eingeführt und mit den grössten Privilegien ausgestattet war, ohne irgend einen gewaltsamen Ein- grift', wie er so manchem anderen Ilospitaliterorden tödtlich wurde, gleichsam in sich selbst abgestorben ist, das weist auf grosse Män- gel seiner Organisation bin. Als der hauptsächlichste darf wohl jetzt, wo der Orden zu den Todten gethan ist und seine ganze Ge- schichte hinter uns liegt, der bezeichnet werden, dass der Wider- streit der humanen und der hierarchischen Interessen von dem Zeitpunkte der Versetzung des Ordens von Montpellier nach Rom an in immer zunehmendem Maasse in ihm zum Ausdruck gekom- men ist. Innocenz mochte die beste Absicht haben, die rein hu- mane, weltliche Form, in welcher sich der Orden in Montpellier entwickelt hatte, der ganzen Christenheit zu Gute kommen zu lassen. Auch hat er selbst im Grossen und Ganzen diese Form nicht angetastet. Er beliess dem Orden die freie Wahl des Meisters, er gestattete es, dass die Brüder und Schwestern ohne Gelübde in den Orden eintraten und darin wirkten, er eximirte den Orden so- gar von der Gewalt aller Bischöfe und Prälaten. Aber er hätte nicht Papst sein müssen, um auf den Versuch zu verzichten, eine so viel versprechende und so schnell herangewachsene Corporation an die allgemeine Organisation der Kirche anzuschliessen. Von 1198 bis 1204 betrachtete er die Sache in ihrer natürlichen Ent- wickelung. Im letzteren Jahre, in der Bulle Inter opera pietatis, als er sein neues Spital in Rom eröft’nete, schob er die 4 Geist- lichen ein, welche stets in dem Spital thätig sein sollten, wenn- gleich ohne irgend eine Einwirkung auf die praktische Thätig- keit des Ordens. Zugleich stellte er einen einzigen Meister an die Spitze, der Jedes Jahr die beiden Hauptspitäler in .Montpellier und Rom visitiren sollte. Dieser Meister sollte aus der, in einem Convent vollzogenen Wahl der Ordensbrüder hervorgehen. Dies war gewiss eine sehr milde Einwirkung, und doch störte sie die IIo- mogeneität des Ordens und brachte eine gewisse Verwirrung in das Rechtsverhältniss des Spitals von .Montpellier. Aber schon 1208, als Guido starb, genügte auch diese Organisation dem Papst nicht mehr. Er sprach jetzt den Vorrang des römischen Spitals offen aus und bewilligte Montpellier dafür einen eigenen Rector. Dies war aber von da an natürlich ein untergeordneter Posten.

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Wir haben schon gesehen, dass von diesem Anfänge aus mit Folgerichtigkeit der Generalat des Meisters des römischen Erz- spitals, die endliche Verbindung desselben mit der Prälatur und die Ernennung des erst Praeceptor, dann Commendator genannten Meisters durch den Papst selbst sich ergeben hat. Selbst die alte Confraternität war mit der fortschreitenden Consolidation des hierar- chischen Verhältnisses nicht zu vereinbaren. Schon die Coexi- stenz von Brüdern und Schwestern in demselben Hause wurde in der Weltstadt zu einer Unmöglichkeit. Der Cardinal Morichini (1. c. p. 94) citirt in dieser Beziehung das Wort eines Chronisten des 16. Jahrhunderts : in quell’ etä del Venerabile Guido s’atten- deva piü a fare il bene, e meno a pensare il male, e cosi le suore servivano gli ammalati nell’ infermeria. Nachdem die Schwestern von der Krankenpflege ausgeschlossen waren, blieb ihnen noch eine Zeitlang die Pflege der Findlinge, aus deren Zahl sie sich recrutirten (Mo- richini p. 433). Sie blieben als Augustiner - Nonnen dem Spital angeschlossen, führten aber den Namen monache di S. Tecla, weil ihnen ganz in der Nähe ein Kloster mit einer der heil. Tecla ge- Aveihten Kirche eingerichtet Avar^). Allein im 17. Jahrhundert, unter dem Pontifikat Alexanders VII. Avurden sie ganz unterdrückt. Auch das Wahlrecht der Brüder beseitigte Eugenius IV., indem er die Stelle des höchsten Ordensbeamten für einen Nepoten frei- machte. Allerdings erneuerte er, Avie Sixtus IV. sagt, confrater- nitatem proborum virorum, a praedecessoribus suis hactenus institu- tam, tune tarnen intermissam , aber sehr bald Avurde aus dieser Arciconfraternitä (seit Leo X. 1513 della caritä genannt) ein blosses BeiAA’^erk, eine Art von Ehrenamt, zum Theil ein so formelles, dass Sixtus selbst und viele seiner fürstlichen Gäste ihren Namen in die Mitgliederliste eintragen konnten.

In AYirklichkeit sank der Orden um so tiefer, je höherer Glanz sich um das Erzspital sammelte. Es wurde eine Avesentlich ita- lienische Institution, Avelche die Fühlung mit der übrigen Welt ver- lor. Die Centralisation , Avelche gewonnen AVurde, Avar nur eine scheinbare. Ausserhalb Italiens AVurden die Fäden, durch Avelche die Provincialspitäler mit dem Mutterhaus in Rom zusammeidiin- gen, immer schwächer. Mochte auch an einzelnen Orten, Avie

') Roiua antica e moderna. Rom. 1750 T. I. p. 120.

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in Stephansfelden und in ^Vien, ein neuer Knotenpunkt gewonnen sein, der seine Umgebungen einigermassen in der Verbindung er- hielt, so fehlte doch jede regelmässige Provincial- Organisation. Das schon angeführte Beispiel des Spitals von Pforzheim lehrt ja, dass auch Provincialspitäler unmittelbar dem Mutterhaus un- terstellt wurden. Dieses aber trug wenig Sorge dafür, die Ver- bindung zu unterhalten. Ja, es scheint, dass man in Rom über- haupt keine Kenntniss von der Mehrzahl der Provincialspitäler hatte.

Vergeblich hatte ich gehofft, in den Archiven des römischen Mutterhauses vollständige Verzeichnisse der Ileiliggeistspitäler zu finden. Es ist möglich, dass Manches davon mit dem Eintritt des sardinischen Regiments beseitigt worden ist, aber schwerlich hat man in Rom jemals eine vollständige Übersicht gehabt. In der Abschrift einer Bulle Papst Nicolaus IV. von 1291 im Transsum- ptum privilegiorum hospitalis S. Spiritus in Saxia de urbe, welches noch im Ordensarchiv befindlich ist, werden aufgeführt in regtio Alemaniae die Spitäler de Crefelt et de Wimpina (in einer anderen Abschrift Winipino), de Vienna, de Comundia, de Mamich et Cra- oouia, de Stetina cum vineis. In der Rubricella de priorat. P. I. wird zwischen 1416 Ö9 Glogouia major und P. II. p. 405 Risirnburg Pomesan. dioec. Prioratus 1510 erwähnt. Dazu kommt der schon erwähnte Prioratus Stephansfeld.

Das ist Alles, was ich aus den Akten des Archivs notiren konnte. Ausserdem erwähnt Saulnier ') in einer Verbindung, welche auf Deutschland hinzuweisen scheint, welche jedoch nur zum Theil zutrift't, die Domus Malmogiensis, Stenauiensis, Grosglowiensis, Resemburgensis, Raudusiensis, Rubeacensis. In dem mehrfach an- gezogenen Resoconto statistico von 1865 (Erm. di Cinque Gentili) werden aus einer (scheinbar früheren) Bulle Papst Nicolaus IV. an- geführt le chiese coi loro aunessi ospedali di Novoforo, di .Men- nin, di Vienna e di Cracovia, aus der von 1291 le chiese di Grefeld e gli ospedali di Concordia e di Stettino. Schelhorn schreibt in einem 1789 veröffentlichten Citat aus dieser Bulle Mu- nich statt Manuell.

’) F r. P e t r US .S au 1 n i e r, De capife sacri ordiuis .S. Spiritus di.<sertatio, in qua orfus prf>gressusque ordiiiis totius ar speciatini Homariae Dontus ani- plitudo, praerogativiini jus et oeconomia disseruntur. Lugd. 1G49. 4. p. 82.

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Ich bin nicht im Stande, alle diese Namen zu deuten. In Bezug auf Concordia finde ich in meinen Notizen ein Citat aus der Rubricella de priorat. P. I. p. 48: Concordia Confraternitas sub nomine S. Spiritus in Eccl. S. Andreae de porta grenaria Concor- diac. dioecesis. Petr. Aquilej. Schwerlich dürfte es etwas mit Deutschland zu thun haben. Novoforo könnte Neumarkt, die Domus Stenauiensis das Spital zu Steinau in Schlesien, Comundia viel- leicht Gmunden sein. 'W’impina oder Winipino ist offenbar "Wim- pfen, Mennin muss auf Memmingen bezogen werden. Manuch ist wohl statt Munich verschrieben und soll München bedeuten. Lassen wir die unverständlichen Namen bei Seite und übergehen wir Krakau, so bleiben uns also als der Ordensleitung bekannt Stephansfelden, Wimpfen, Memmingen, Crefeld, Stettin, Riesenburg, Gross-Glogau, Neumarkt (?), Steinau (?), Wien, Gmunden (?) und München, im Äussersten 12 deutsche Spitäler. Nach einer ganz oberflächlichen Schätzung musste aber um 1291 die Zahl der Heiliggeistspitäler selbst innerhalb derjenigen Grenzen , welche das gegenwärtige deutsche Reich umfasst, mindestens über 50 betragen.

Es wird einiges Interesse gewähren, damit das Verzeichniss deutscher Heiliggeistspitäler zu vergleichen, welches ich gleichzeitig vorlege. Dasselbe macht auf Vollständigkeit keinen Anspruch, dürfte indess wenigstens die hauptsächlichsten Spitäler enthalten. Aber auch in seiner unvollständigen Gestalt genügt es vollkommen, um zu zeigen, wie schlecht die Organisation gewesen sein muss, bei der eine so grosse Zahl von Anstalten, selbst solcher, welche durch päpstliche Bullen bestätigt sind, sich der dauernden Aufmerk- samkeit des Mutterhauses entzogen hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach hängt dies damit zusammen, dass diese Anstalten den jähr- lichen Zins an das Erzspital nicht zahlten. Dies wird sich viel- leicht durch weitere Localforschungen aufklären lassen. Dabei wird es sich empfehlen, die Frage von der Bedeutung der Priorate, auch mit Bezug auf Glogau und Riesenburg, weiter zu verfolgen.

Mone^) sagt, mau könne nicht behaupten, dass alle Spitäler,

0 Cives stjnavienses in einer Urkunde von 1310. H. Wuttke, Städte- buch des Landes Posen. Leipz. 1864. Cod. dipl. urb. Posn. p. 17. Domi- nus Stinavie. ibid. p. 23.

®) Mone, Uber Armen- und Krankenpflege früherer Zeit S. 7.

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Gesammtsitzung

die dein heil. Geist geweilit waren, von dem Orden der heil. Geist- brüder verwaltet wurden. Es lässt sich bei der Lückenhat’tigkeit der localen Überlieferungen allerdings nicht beweisen, dass dies überall der Fall war. Aber es scheint mir, dass die Gegner erst positiv darzuthun hätten, dass es überhaupt Spitäler gegeben hat, welche dem heil. Geist gewidmet waren und trotzdem dem Orden nicht unterstanden. Möglicherweise gab es, worauf die Beispiele von Memmingen und Halle hindeuten, Antoniusspitäler, welche dem heil. Geist gewidmet waren; vielleicht kam auch hie und da, wie der Fall von Coustance zu lehren scheint, bei irgend einer andern Congregation das Gleiche vor. Die Beispiele aus badischen Be- zirken sind jedoch noch so wenig substantiirt, dass sie nichts be- weisen können. "Würde aber auch dargethan, dass es hier schon vor 1204 Ileiliggeistspitäler gab, so ist doch kein Zweifel, dass nach 1204 alle badischen Spitäler der Art dem Orden übergeben wur- den. Ich trage daher nicht das mindeste Bedenken, bis auf Weiteres alle als Heiliggeistspitäler bezeichneten Hospitäler des 13., 14. und 15. Jahrh. als Domus religiosae, Gotteshäuser des Ordens zu nehmen. Von der iMehrzahl lässt sich dies direct beweisen. Von denen in Nord- und Ost-Deutschland, deren Gründung in das 13. Jahrh. fällt, folgt dies schon aus dem Umstande, dass ihre Gründung meist mit der Gründung oder Neueinrichtung der Städte, vielfach mit der fort- schreitenden Colonisation der Länder zusammenüel und sich in einer gleichsam schematischen Form nach der einmal aufgestellten Regel vollzog. Eine grosse Zahl der Heiliggeistspitäler in der Mark Brandenburg, in Meklenburg, Pommern und Schlesien datirt kurz nach dem Beginn der Germanisirung des Landes. Der Elbinger heilige Geist, der sich sehr bald während der Herrschaft des Deutschordens zum Landesspital von Preussen entwickelte, wurde schon fünf Jahre nach Gründung der Stadt, 1242 gestiftet, und es ist gewiss sehr charakteristisch, dass die Heiliggeistspitäler von Lübeck (1234) und Hamburg (1248), soweit wir bis jetzt wissen, später entstanden, als das von Riga, der Tochterstadt der alten Hanse, welches schon 1225 bezeugt ist. Wie ich schon früher nachgewiesen habe, ist das älteste, in Deutschland als solches be- kannte Heiliggeistspital das von Brandenburg, welches schon 1204 erwähnt wird (Riedel, Cod. diplom. Bd. VIII. Abth. I. S. 45). Dann folgt das Hospital von Zürich 1207, darauf die von Halber- stadt und AVien 1209, von Spandau und Breslau 1214. Auch für

vom li. Juni 1877.

365

die nächsten Decennien kann inan wohl sagen, dass im Osten Deutschlands die neue Bewegung in weit ausgedehnterem und schnellerem Maasse sich vollzog, als im Westen und Süden.

An zahlreichen Orden lässt sich darthun, dass in diese An- stalten sowohl Männer als Weiber aufgenommen wurden. Da- gegen ist mir ausser Rom, Montpellier^) und Stephansfelden kein Ort bekannt, avo zugleich eine Findelanstalt mit einem Heiliggeistspital verbunden war. Mone (a. a. O. S. 26) erwähnt aus dem 14. Jahrhundert von Freiburg im Breisgau „der funden kindlin hus“, aber es ist nicht ersichtlich, dass es mit dem heil. Geist in irgend einer näheren Beziehung gestanden habe. Das- selbe gilt von Ulm, wo 1386 ein Findelhaus erwähnt Avird (Mein Archiv Bd. XIX. S. 299). Diese Aufgabe ist also sicherlich nur in vereinzelten Fällen Aveiter verfolgt Avorden. Auch die Auf- nahme A"on Schwangeren, Avelche im Capitel XLI der Ordensregel ausdrücklich vorgesehen ist (pauperes foeminae praegnantes gra- tanter suscipiantur et eis charitative ministretur), finde ich nur ein- mal, bei dem Spital von Pfullendorf. In einem Briefe vom 8. Sept. 1288 (Mone a. a. O. S. 49) definirt der Magister hospitalis S. Spi- ritus pauperum die Aufgabe der Anstalt dahin, quod nudi A^estiun- tur, esurientes reficiuntur, debiles colliguntur, mulieres pregnantes usque ad sex septimanas favorabiliter tractantur, viduis, orphanis et peregrinis, de quocunque locorum aduenerint, ccna et pandium de consuetudine hospitalis non negatur. So vollklingend diese Sätze sind, so muss man sich die Mittel, Avelche zu der Erfüllung sol- cher Zusagen zur Verfügung standen, doch recht klein denken, und von der Mehrzahl der Anstalten darf man annehmen, dass sie für die eigentliche Krankenpflege recht Avenig, für Gebärende und Findlinge gar nichts thaten, dass vielmehr die Aufnahme sie- cher Personen und die vorübergehende BeAvirthung von Pilgern und Fremden das Avesentliche Ziel ihrer Thätigkeit Avar. Daher die gewöhnliche Bezeichnung hospitale infirmorum, höchstens mit dem Zusatze: et peregrinorum. Später, als sich das Pfründner- Avesen Aveiter entwickelte, als es, schon seit dem Ende des 13. Jahr-

0 Germain I. c. p. 505. Not. 2. Hurter, Gesell. P. Innocenz. IV. S. 456. Anni. 276 (darnach liätte das Findelliaus zu Montpellier schon 1204 bestanden).

28'

366

Gesammtsitzung

hunderts, Gebrauch wurde, sich in diese Spitäler einzukaufen und sie als Versicherungsanstalten für die verschiedensten Fährlichkeiten des Lehens zu behandeln, wurde der niedicinische Zweck durch den ökonomischen an den meisten Orten ganz überwuchert. Nur in den grösseren Städten blieb, namentlich nachdem die bürgerliche Ge- meinde sich der Verwaltung bemächtigt hatte und die Spitalpfleger bestellte, der humane Gedanke lebendig und nur da entwickelte sich das Spital zu dem eigentlichen Krankenhause, während es überall sonst zur Pfründenanstalt und zum Siechenhause herabsank.

Dem gemischten Charakter der aufzunehmenden Personen ent- sprach von Anfang an der gemischte Charakter der Confraternität oder, wie der deutsche Name lautet, der „Sammnung“. Bei dem heil. Geistspital zu Halberstadt heisst es in Urkunden von 1288 und 1304: Provisor, conversi fratres et sorores conversae hospi- talis S. Spiritus ^). Zu Rothenburg an der Tauber stand dem Meister eine Meisterin zur Seite, und die Sammnung bestand aus Brüdern und Schwestern. In Aalborg waren, ausser einem Prior und einer Priorin, 13 Brüder und 23 Schwestern zur Kranken- pflege bestellt^). In Ulm werden noch 1338 Schwestern erwähnt. Die Stellung dieser Schwestern war ursprünglich eine den Brüdern ganz gleichartige, und noch die Ordensregel von 1564 verordnet im Cap. XCVII. Quidquid in Regula constitutum est, de Fratribus et Sororibus intelligitur, ut eidem regulae subjaceant: quia indignum satis videretur, si in Domo S. Spiritus acceptio vel correctio Fra- trum vel Sororum duobus modis fieret: Unde ordinatum est, ut si- cut sub una Regula vivimus, ita sub eisdem judiciis Regulae sub- jecti esse debemus. Trotzdem sucht man vergeblich in der Regel nach irgend einer weiteren Bestimmung über die Organisation der weiblichen Abtheilung: weder eine Meisterin, noch eine Betheilung der Schwestern an Berathungen oder Conventen ist irgendwo zu erkennen. Auch in den Provinzen verschwand die Meisterin sehr bald; schon im 14. Jahrhundert ist, wenigstens in Deutschland, kaum noch von ihr die Rede. In Frankreich scheint sich das

D G. A. V. Mülverstedt. Hat in Bukau bei Magdeburg ein Kloster bestanden? S. 23.

Munter Kircliengesch. von Dänemark und Norwegen II. S. 656, ci- tirt bei Hurter IV. S. 227.

vom 14. Juni 1877.

367

Verliältniss hier und da etwas länger gehalten und mehr ausge- bildet zu haben; wenigstens spricht Helyot (II. p, 217) davon, dass die Schwestern des heil. Geistes in Bar-sur-Aube, in Neuf-Chateaii und an anderen Orten in besonderen Häusern wohnten, während sie in Besannen und anderswo in denselben Hospitälern mit den Brüdern sich aufhielten.

Übrigens hatte die Einrichtung der Provincialspitäler des heil. Geistes wenig an sich, wodurch sie sich von andern Spitälern, die durch regulirte Chorherrn geleitet wurden, unterschied. Ich nenne in dieser Beziehung die Spitäler der heil. Catharina, wie sie in Regensburg, Esslingen, Stuttgart bestanden; die Verhältnisse der- selben habe ich in meinem Archiv Bd. XVIII. S. 301. 301 zum Theil erörtert. Auch hier sind Schwestern mit einer Meisterin vorhanden, und es ist von Interesse, dass in einem solchen Spital der heil. Catharina, dem zu Paris, schliesslich die Brüder beseitigt wurden und nur die Schwestern übrig blieben, Helyot (II. p, 293) nennt diese Genossenschaft einfach Hospitaliers de Ste. Catherine und es erhellt nicht, dass sie einen wirklichen Orden bildeten oder einem solchen angehörten. In Esslingen ertheilte 1247 der Bischof von Constanz der Spitalgenossenschaft die Regel des heil. Augustinus, und 1318 wurde ihnen erlaubt, auf dem Oberkleide das Zeichen der Brüder des Spitals auf dem Berge Sinai zu tra- gen, wie es sonderbarerweise 1376 auch die Brüder im Heilig- geistspital zu Ulm erhielten. Eine ähnliche Verwischung der Or- densverhältnisse zeigt sich im Osten. So wird von Inowraclaw berichtet (Wuttke, Städtebuch des Landes Posen S. 326), dass 1268 die Kreuzherrn vom rothen Stern (fratres cruciferi stellati ordinis S. Augustini) daselbst eine Kirche des heil. Geistes und ein Spital hielten, welches zum Matthiasstift der Kreuziger in Breslau gehörte i). Aus dem Allen geht nur von Neuem hervor, wie wenig straff die Centralisation Seitens des Erzspitals in Rom geübt wurde, und wie wenig es zulässig ist, die römische Ordens-

0 Wenn hier keine Verwechselung vorliegt, so wäre damit bezeugt, was wir oben vermissten, dass auch zur Zeit des heil. Geisfordens Spitäler anderer Orden unter dem gleichen Namen existirt haben. Indess ist zu er- innern, dass in Ungarn auch die Brüder vom heil. Geist Cruciferi hiessen, und dass daraus auch für die ungarische Spitalgeschichte viele Schwierig- keiten erwachsen.

368 Gesammtsiizung

regel auf die Beurtlieilung der Gesammtheit der Provincialspitäler anzinvenden.

Darin lag, wie schon früher angedeutet ist, einer der Gründe des Zerfalls des Ordens, Sollte der Orden einmal ein religiöser sein, so bedurfte er einer strammen Centralisation. Aber in den Provinzen erhielt sich der weltliche Charakter der Brüderschaften viel reiner als in Rom. Meister und Brüder, wenngleich sie Pro- fess thaten, blieben doch Laien, und der Spitalgeistliche wurde streng auf seine kirchlichen Obliegenheiten beschränkt. Damit war die Überleitung in rein weltliche Ordnungen, wie sie das 14., 15. und 16, Jahrhundert brachten, sehr erleichtert. In der Regel nahm die Bürgerschaft die Umwandlung in die Hand. Die Recto- res s. Provisores wurden nunmehr durch den Rath, häufig auch aus dem Rath ernannt, und die Brüder und Schwestern traten aus der Stellung von Pflegeni in die von Pfleglingen oder Pfründnern über, neben welchen das eigentliche Subject, die infirmi et aegro- tantes, entweder ganz verschwand, oder wenigstens sehr zurück- gedrängt wurde. Auf alle Fälle verlor sich das geistliche Ele- ment in Deutschland ganz und gar aus den Spitälern. Während das Erzspital in Rom ganz in die Ordnung der Hierarchie aufge- nommen wurde, fielen die deutschen Provincialspitäler ganz in bürgerliche Verwaltung. Der Name „Bürgerspital“, wie ihn noch heutigen Tages die alten Heiliggeistspitäler von Würzburg, Bern und anderen Orten tragen, ist die charakteristische Signatur des deutschen Zweiges.

In Frankreich vollzog sich inzwischen die dritte Art der Me- tamorphose. Das Hospital zu Montpellier erholte sich nie wieder von dem Schlage, welcher ihm durch die Gunst Innocenz III. zu- gefügt war. Als es, wie erwähnt, im Jahr 1562 zerstört wurde, fand man nicht einmal die Mittel, um es wieder aufzubauen; nach Germain stehen noch heute die Ruinen des niemals vollendeten Neubaues. Dagegen blieb der Orden des heil. Geistes von Mont- pellier bestehen und die Päpste Paul V. (1619) und Gregor XV. (1621) gaben endlich dem Meister desselben sogar den Generalat über Frankreich und alle anderen Provinzen der Christenheit zu- rück, mit Ausnahme von Italien, Sicilien, Ungarn und England. Urban V. (1625) hob auch den Vorrang des römischen Ordens- generals auf. Statt einer Regeneration ging daraus jedoch eine

vorn 14. Juni 1877.

369

unglaubliche Verwirrung hervor, deren endliches Ergebniss die Um- bildung in einen rein königlichen Ritterorden war.

Auf so verschiedene Weise endete die merkwürdige Bewe- gung, welche Guido von Montpellier eingeleitet hatte. Jede der drei grossen Culturnationen hat sie auf ihre besondere Weise auf- genommen und fortgeführt. Aber nur in Deutschland ist man, wie es mir scheint, dem ursprünglichen Gedanken des Stifters einigermaassen treu geblieben. Häufiger als in irgend einem an- deren Lande, erinnert noch heute der Namen des heiligen Geistes an die Zeit, wo man unter diesem Banner zuerst den schönen Versuch machte, in dem Spital dem siechen und kranken Armen die Wohlthaten der Familie, dem Elenden und Fremden wenig- stens zeitweilig das Gefühl einer Heimath zu bereiten.

Verzeichniss

deutscher Heiliggeistspitäler,

(Die Jahreszahl bedeutet entweder die Zeit der Gründung oder der Um- wandlung eines älteren Spitals in ein Heiliggeistspital oder die erste Er-

wähnung eines solchen.)

1207

Zürich

1220

Stephansfelden

1228

St. Gallen

1230

Oppenheim

1233

Bern

1236

Mainz

1265

Basel

1272

Speyer

1422

Nieder-Ingelheim

1225

Constanz

1257

Villingen

1275

Pfullendorf (12. jahrh.)

1297

Freiburg i. Br. (1120)

1238

Coblenz (an der Leer)

Breisach (12. Jahrh.)

1286

Cöln

13. Jahrh. Meersburg

1291

Crefeld

1322

Pforzheim

1344

St. Goar ?

1363

Ueberlingen (12. Jahrh.)

1355

Meyen

1386

Radolfzell

1411

Waldshut

370

1240

1258

1291

1322

1223

1252

1281

1291

1319

1331

1349

1355

1358

1451

1283

1358

1218

1280

1204

1214

1231

1251

1278

1299

Gesammtsilzung

Ulm (1183)

Biberach

Rothenburg a. N.

Kircbheim

Mergentheim

Wimpfen

Reutlingen

Markgröningen

Memmingen (1010) Augsburg

Rothenburg a. Tauber

München

Würz bürg

Nürnberg

Meirichstadt

Weilheim

Aub

Fassau

Straubing

Dinkelsbühl

Eichstädt

Frankfurt a. M. Limburg a. L. Fritzlar

Höxter

Dortmund

Brandenburg

Spandau

Salzwedel

Stendal

Berlin

Perleberg

1209 Halberstadt 1241 Halle 1246 Quedlinburg 1267 Helmstedt 1284 Magdeburg 1292 Sangerhausen Eisenach Naumburg 1301 Wittenberg Northeim

1248 Hamburg 1465 Rendsburg 1234 Lübeck

1218 Parchim 1250 Wismar 1260 Rostock

1298 Schwerin

Möllen

Oldeslo

Ratzeburg

1299 Ribnitz 1361 Gadebusch

1364 Stargard in Mekl. 1370 Flau 14. Jahrh. Sternberg 1552 Neu-Brandenburg 1577 Röbel Krakow Crivitz

1300

1309

1313

1319

1321

1343

1362

1377

1390

1552

1214

1261

1264

1273

1275

1283

1290

1296

1302

1320

1347

1451

1268

1209

1271

vom 14, Juni 1877,

371

Px’itzwalk

1237

Stettin

Wittstock

1262

Greifswald

Werben

1263

Stralsund

Gardelegen

1269

Demmin

Neu-Ruppin

1309

Barth

Gransee

1319

Cöslin

Prenzlau

1320

Anclam

Angermünde

1369

Schivelbein

Havelberg

Belgard

Treuenbrietzen

Colberg

Seehausen

Rügenwalde

Frankfurt a. 0.

Stolp

Königsberg i. Neum.

Stargard

Müncheberg

Pyritz

Kyritz

Gollnow

Damm

Breslau

Greifenberg a. R,

Bunzlau

Treptow a. R.

Görlitz

Wollin

Brieg

Uckermünde

Glatz

Pasewalk

Sagau

Treptow a. Toll.

Steinau (1209?) Glogau Ober-Beuthen Fr ei Stadt

Greifenhagen

Strehlen

1242

Elbing

Köben

Thorn

Namslau

1256

Königsberg

Lüben

Danzig

--

Marienburg

Inowraclaw (?)

1396

Pr. Holland

Wien

1510

Riesenburg

Meran

Brixen

1225

Riga

Sterzing

1376

Reval

372

Sitzung der pJnjs.-matJi. Klasse vom 18. Juni 1877.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Memoires de V Acadhnie Imp. des Sciences de St. Pkersbourg. VII. Serie. T. XXII, N. 1 12. T. XXIII, N. 2 8. T. XXIV, N. 1—3. St. Pe- tersbourg 1874 1877. 4.

Nachrichten und gelehrte Denkschriften der K. Universität zu Kasan. Jalirg. 43. 1876. Kasan. 8. (russ.)

Atti del 11. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti. T. I. II. III. Disp. 1 3. Serie V. Venezia 1874 1877. 8.

Annales de chimie et de phgsique. Serie V. Mai 1877. T. XI. Paris 1877. 8. Publication des K. Preuss. Geodätischen Institutes. Astronomisch-geodätische Arbeiten im Jahre 1876. Berlin 1877. 4.

P. Gervais, Journal de Zoologie. T. VI. X. 2. Paris 1877. 8.

Bulletin de la Societe math. de France. T. V. N. 4. ib. eod. 8.

The American Journal of Science and arts. Series III. Vol. XIII. N. 78. New Haven 1877. 8.

18. Juni. Sitzung der physikalisch -mathemati- schen Klasse.

Hr. Borchardt las über die Darstellung der Kunimer’schen Fläche 4. Ordnung mit IG Knotenpunkten durcli die Göbel’sche biquadratische Relation zwischen 4 -S’- Funktionen mit 2 Variabein.

Gesammtsüzung vom 21. Juni 1877.

37

21. Juni. Gesammtsitziing der Akademie.

Hr. V. Sy bei las über Graf Lehrbach.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Bad jugoslavenske Akademije znanosU i timjetnosti. Knjiga XXXIX. Zagre- bu 1877, 8. Mit Begleitschreiben.

Verhandlungen der gdiysikal.-medicin. Gesellschaft zu Würzhurg, Neue Folge.

Bd. X, Heft 3. 4. Würzburg 1877. 8.

Atti della R. Accadeinia dei Lineei. Anno CCLXWIV. 1876 1877. Serie Terza. Ti'ansunti Vol. I. Fase. 6. Eoma 1877. 4.

Anncdele Societatii Academice Romane. Sess. ann. T. IX. Bucuresci 1876. 8. T. Cipariu, Grammteca Limhei Romane. Parte II. Sintetica. ib. 1877. 8. Astronomische, magnetische und meteorologische Beohachtungen an der K, K.

Sternwarte zu Prag im J. 1876. Jahrg. 37. Prag 1877. 4.

Tgdschrift voor Indische Taal-, 1 and- en Volkenkunde. Deel XXIII. Aft. 2-6.

Deel XXIV. Aft. 1. 2. 3. Batavia 1875 77. 8. Mit Begleitschreiben.

Notulen. XIV. 1876. N. 1. 2. 3. ib. 1877. 8.

Het Mcdeisch der Molukken door F. S. A. Clercq. ib. 1876. 4.

Verslag van eene Verzameling Handschriften, door Mr. L, C. van den Berg. ib. eod. 8,

Catalogus der ethnologische Afdeeling van het Museum. 2. druk. ib. 1877. 8. V. Schmidt, Assyriens og Aegyptens garnle Historie. Dell. II. Kjobenhavn 1872 77. 8. Vom Verf. durch Hrn. Lepsius überreicht.

*Pappi Alexandrini Collectionis quae supersunt e lihris manu scriptis edidit lat.

Interpret, et comment. instruxil Frid. Hultsch. Vol. II. Berolini 1877. 8. The he Annued Report of the Board of Directors of the zoological Society of Philadelphia. Philadelphia 1877. 8.

Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. XIX. Heft 2. 3. 4. Zürich 1876/77. 4.

374

Gesammtsitzung

28. Juni. Gesammtsitzung der Akademie.

llr. A. W. Hofmann legte eine Abhandlung vor:

Versuche über die Einwirkung des Chlor-, Brom- und Jodmethyls auf Anilin.

Vor einigen Jahren habe ich der Akademie eine Abhandlung vorgelegt, in welcher die Darstellung und die Eigenschaften des Monomethylanilins eingehends beschrieben sind. Derselbe Gegen- stand ist vor Kurzem von Hin. A. Kern bearbeitet worden. In einer an die Deutsche Chemische Gesellschaft gerichteten Mitthei- lung hat derselbe über seine Resultate ausführlich berichtet. Alle seine auf die Darstellung des Monomethylanilins abzielenden Ver- suche sind fruchtlos gewesen und er gelangt schliesslich zu der Ansicht, dass man das Monomethylanilin bisher überhaupt noch nicht hervorgebracht habe. „Wenn ich“, sagt Hr. Kern, „hier zunächst positiv nachzu weisen versucht habe, dass mit einer Me- thylhalogenverbindung kein Monomethylanilin zu erhalten ist, so soll damit die Existenzfähigkeit desselben nicht bestritten sein, wohl aber, dass es bis jetzt noch nicht {sic!) dargestellt wurde.“

Ich muss gestehen, dass mir der logische Zusammenhang zwischen Hrn. Kern’s negativen Versuchen und den positiven Ergebnissen, welche ich nach anderer Methode arbeitend, gewonnen habe, unverständlich ist. Selbst vorausgesetzt, dass Hr. Kern seine Versuche über die Einwirkung des Jodmethyls auf das Anilin mit vollendeter Sachkenntniss und Sorgfalt ausgeführt hätte was ich nicht behaupten will so würde sich aus seinem Misserfolg noch lange nicht ergeben, dass Andere mit Brommethyl oder Chlor- methyl experimentirend nicht glücklicher gewesen seien.

Es liegt gewiss ebenso sehr im Interesse der Wissenschaft wie eines jeden Experimentators, dass die Angaben eines Jeden von Anderen nach den verschiedensten Seiten geprüft und, wie dies so oft nöthig ist, berichtigt werden, allein es zeugt denn doch von nicht geringer Selbstüberschätzung, wenn ein Forscher auf Grund einiger negativer Resultate hin sich alsbald für berechtigt hält, die positiven, Schritt für Schritt durch Zahlen bekräftigten Angaben eines Fachgenossen ohne Weiteres in Abrede zu stellen.

Die Anzweiflung seitens Hrn. Kern’s von Thatsachen, welche ich der Akademie als Ergebniss sorgfältiger Versuche unterbreitet

Kern, ßer. Chem. Ges. X. 195.

vom 28. Juni 1877.

375

habe, legt mii- die -wenig erfreuliche Pflicht auf, einen Gegenstand, der an und für sich nur ein beschränktes Interesse bietet, in der heutigen Sitzung nochmals zur Sprache zu bringen.

Meine ersten Versuche, das Anilin zu methyliren, gehen bis zum Jahre ISSO^) zurück, allein sie wurden in sehr kleinem Maafs- stabe ausgeführt, und das damals mit Brommethyl und Jodmethyl dargestellte Methylanilin Avar, Avie ich dies bereits selbst hervor- gehoben habe^), mit Anilin A^erunreinigt.

Erst vor AA^enigen Jahren^) habe ich das Studium dieses Ivör- pers unter günstigeren Bedingungen Avieder aufgenommen. Die Methylderivate des Anilins Avaren mittlerAveile Gegenstand der in- dusti’iellen Gewinnung nach einem A'on Hrn. Bardy angegebenen Verfahren geworden, Avelches Avesentlich in einer glücklich disponir- ten Substitution des Chlormethyls für Brom- und Jodmethyl be- steht. Jedermann Avciss, dass im Augenblick grosse Mengen von „Methylanilin“ durch die EinAvirkung A^on Methylalkohol auf salz- saures Anilin bei hoher Temperatur und unter Druck fabrikmässig dargestellt Averden.

Mit Versuchen beschäftigt, welche erhebliche Quantitäten (meh- rere Pfunde) vollkommen reinen Monomethylauilis erheischten, ver- suchte ich A’or einigen Jahren (1874) ob man nicht von dem Me- thylanilin der Industrie ausgehend zu der reinen Mono Verbindung gelangen könnte. Ein mir zur Verfügung stehendes Methylaniliu erAvies sich noch stark anilinhaltig, schien also für den in Aus- sicht genommenen ZAveck besonders geeignet. Nach Abscheidung des Anilins in der Form A'on Sulfat blieb ein zwischen 190 193° siedendes Oel, in Avelchem das Monomethylanilin, AA'enn es vorhan- den, enthalten sein musste. Die Leichtigkeit, mit Avelcher Acetyl- chlorid auf primäre und secundäre Amine einAvirkt, Avährend tertiäre nicht angegrift'en Averden, bezeichnete das genannte Chlorid als ein Agens für die Trennung der in dem Öle vorausgesetzten beiden Basen. Der ATrsuch bethätigte diese ErAvartung. Ohne alle ScliAvierigkeit bildeten sich reichliche Mengen einer prachtvoll kry- stallisirenden Verbindung von charakteristischem Schmelzpunkte, deren Analyse genau der Formel des eiAvarteten monomethylirteu Acetanilids

0 Hofüiann, Ann. Cheiu. Plianu. LXXIV, 151.

Derselbe, Monatsbericht. 1874. 327. Ebendas. 324.

37G

Gesammtsitzung

entsprach. Mit Salzsäure zerlegt lieferte diese Acetverbiudung eine bei 190 191° constant siedende Base, Avelcbe in der Form des Flatinsalzes mebrfacb analysirt sieb als reines Monometbyl- anilin erwies. leb habe nach diesem Verfahren grosse Quantitäten Monometbylanilin gewonnen und Ilr. SmytbQ bat sieb derselben Methode bedient, um das gesammte für seine Untersuchung der Monometbylanilinsulfosäure nötbige Material darzustellen.

Wie übereilt und unüberlegt seine auf negative Versuche ge- stützte Schlussfolgerungen gewesen ist, bat Ilr. Kern sehr bald erfahren müssen. Fast unmittelbar nach seiner Mittbeilung ist eine Arbeit von Hrn. Paul Hepp^) über das Monometbylanilin erschienen. Hr. Ile pp stellt die Base aus derselben Acetverbindung dar, welche mir als Ausgangspunkt diente, allein er gewinnt diese Verbindung nach einem neuen und sehr eleganten Verfahren, indem er das Anilin zunächst acetylirt, das Acetanilid alsdann in eine Natrium- verbindung verwandelt und diese mit Jodmethyl behandelt

Die Eigenschaften des von Ilrn. Ilepp da r ges teil ten Monome-thylanili ns fallen begreiflich mit denen des von mir gewonnenen zusammen.

Ich könnte hier abbrechen, allein der Aufsatz des Ilrn. Kern hat einige Versuche veranlasst, welche zunächst zu meiner Be- lehrung unternommen wurden, von deren Ergebnissen jedoch auch Andere mit Nutzen Kenntniss nehmen dürften, insofern dieselben nicht nur das Monometbylanilin m integrum restituiren was durch die Arbeit des Ilrn. Ilepp bereits zur Genüge gescliehen war sondern auch den Beweis führen, dass den irrigen Schlussfolgerungen des Ilrn. Kern nicht einmal richtige Versuche zu Grunde gelegen haben.

Wenn man sich mit Versuchen über das Verhalten des Anilins zu den Halogenderivaten des Methylalkohols beschäftigen will, so

CuIIs ^

C, II3 O N

Na J

C,\h 1

C.. ILO NO

0 Sniyth, Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft VII, 1240. 2) Hepp, Daselbst X, 327.

vom 28. Juni 1877.

377

liegt es nahe, auf die Erfahrungen zurück zu gehen , welche über die Einwirkung der Alkohol-Halogenide auf das Ammoniak vor- liegen. In dieser Beziehung sind die Beobachtungen von Interesse, welche ich^) vor nahezu 30 Jahren über die Einwirkung des Jod- methyls auf das Ammoniak mitgetheilt habe. Lässt man bei der Temperatur des siedenden 'Wassers eine concentrirte Lösung von Ammoniak auf Jodraethyl einwirken, so wird das letztere schnell aufgelöst und die Lösung enthält nunmehr in überwiegender Menge das letzte Product, welches sich überhaupt bilden kann. Aber neben diesem letzten Product lassen sich sämmtliche möglichen niedrigeren Substitutionsproducte nachweisen, so dass man in der That nicht weniger als 5 verschiedene jodwasserstoffsaure Salze in der Lösung hat, nämlich die Verbindungen

HaN.HJ; ^^N.HJ; (CH3)3N.HJ;

(CH3)3 N . CH3 J.

In kleinster Menge bildet sich hier die secundäre Base; allein durch später in grossem Mafsstabe ausgeführte Versuche, ist es mir gelungen, auch diesen Körper im Zustande der Reinheit zu erhalten.

Die Reaction verläuft also ganz den Traditionen getreu, welche aus dem Studium der Substitutionsprocesse im Allgemeinen her- vorgegangen sind. Das Auftreten sämmtlicher Substitute lässt schliessen, dass sich zuerst die einfachen Glieder der Reihe bilden, welche alsdann unter dem fortdauernden Einflüsse des Substitutions- agens theilweise, oft nahezu vollständig, in die höheren Glieder übergehen. Je kräftiger das Substitutionsagens, um so weiter wird sich die Substitution erstrecken und um so zahlreicher werden die Glieder sein, die überhaupt auftreten können. Im vorliegenden Falle wird die Substitution bei Anwendung von Jodmethyl tiefer eingreifen, als durch die Einwirkung von Brommethyl und letzteres wird immer noch höher gegliederte Substitutionsproducte liefern, als das Chlormethyl. Ausserdem liegt cs auf der Hand, dass man, wenn hochsubstituirte Producte verlangt werden, einen Ueberschuss des Substitutionsagens, dass man dagegen, wenn es sich um die

*) Hofmann, Ann. Chem. Pharm. LXXIX, 16. ') Hof mann, Lond. R. S. Proc. X, 380.

378

Gesammtsitzung

Darstellung der Anfangsglieder der Reihe handelt, den Körper, in welchem sich die Substitution vollziehen soll, im Ueherschusse an- wenden muss.

AVenn man Jodmethyl auf Anilin einwirken lässt, so werden sich offenbar sämmtliche Methylsubstitute bis zum Jodmethylat des Dimethylanilins hinauf bilden können und es wird von den beson- deren Bedingungen des Versuchs von den Verhältnis.sen , in welchen die Körper aufeinandertreifen, von dem Lösungsmittel, von dem Grade der Verdünnung, von der Temperatur abhängen, in welchem Stadium der Substitution die Reaction mit Vorliebe stehen bleiben und welches Product vorwaltend auftreten wird. Um eine möglichst grosse Menge von Monomethylanilin zu erhalten, wird man einen möglichst grossen Üeberschuss von Anilin in Action treten lassen müssen.

Allein mit der Erzeugung des Monomethylanilins ist die Auf- gabe nicht gelöst, es handelt sich noch um eine gute Methode, die monomethylirte Base in Gegenwart der diinethylirten zu erkennen. Da beide Substanzen in ihrem chemischen Charakter übereinstimmen und fast genau bei derselben Temperatur sieden, so musste man an ein Agens denken, welches der Natur der 'Sache nach nur auf den einen Bestandtheil der Mischung einwirken konnte. T)a lag es denn wieder nahe, die von mir schon früher angegebene Be- handlung des Gemenges mit Acetylchlorid zu versuchen, allein man würde nicht vergessen dürfen, dass dieses Chlorid bisher nur zur Abscheidung der monomethylirten Base aus einer monomethyl- anilinreichen, nicht aber zum Nachweis derselben in einer mono- methylarmen Mischung angewendet wurde. Man würde nicht er- warten dürfen, wenn nur wenig Monomethylanilin vorhanden wäre, dass die Acetverbindung, trotz ihrer stark ausgeprägten Krystalli- * sationsfähigkeit , so ohne Weiteres in Krystallen anschösse und man würde Sorge tragen müssen, den Ballast von essigsaurem und salzsaurcm Dimethylanilin zu entfernen, um der Acetverbindung Spielraum zum Krystallisiren zu verschaffen.

Dies gelingt denn auch in der That ohne Schwierigkeit, sei’s durch Abdestilliren des essigsauren Salzes, sei’s durch Ausschütteln der Flüssigkeit mit Aether; allein es leuchtet ein, dass man noch viel schneller zum Ziele gelangen muss, wenn man die Bildung von salzsauren Salzen ganz und gar vermeidet. Zu dem Ende Jbraucht man nur dem Acetylchlorid ein anderes Acetylirungsagens

vöm 28. Juni 1877.

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zu substituiren. Ein solches bietet sich in dem Anhydrid der Essigsäure.

Um die mit Hülfe dieses Anhydrids gebildete Aceto verbin düng als Index für die Gegenwart von Monomethylanilin betrachten zu dürfen, musste zunächst festgestellt werden, dass das Anhydrid keinerlei Wirkung auf das Dimethylanilin ausübt. Obwohl eine solche Wirkung kaum wahrscheinlich war, so hätte möglicherweise doch eine Umsetzung nach der Gleichung

CeH,. CH Ol 1

= CH,jN +

CH3

CoHaOj^

c H3J eintreten können.

Um diese Frage zu entscheiden wurden 12 Grm. vollkommen reines Dimethylanilin (dargestellt durch Destillation von Trimethyl- phenylammoniumhydroxyd und zwischen 192 193° siedend) mit 5 Grm. Essigsäureanhydrid gemischt. Das in die Flüssigkeit ein- gesenkte Thermometer zeigte nicht die geringste Temperaturver- änderung, eine Erscheinung, aus der sich alsbald erschiessen liess, dass keine Reaction stattgefunden habe. Die Mischung wurde nun destillirt; sie begann bei etwa 140° zu sieden. Der Siedepunkt stieg alsdann auf 193°, bei welcher Temperatur er sich erhielt, bis nur noch ein paar Tropfen Flüssigkeit im Siedekolben zurückge- blieben waren. Dieser kleine Rückstand wurde Tage lang an der Luft stehen gelassen, ohne das eine Spur von Krystallen entstan- den wäre. Nun wurde dem Destillate 1 Grm. Monomethylanilin (aus der Acetverbindung gewonnen) zugesetzt; alsbald erfolgte eine starke Wärmeentwickelung, das Quecksilber stieg um 30 Grade und als man nun von Neuem destillirte, war selbst bei 220° noch eine erhebliche Menge von Flüssigkeit in dem Kolben geblieben, welche beim Erkalten zu einer prachtvollen Krystallmasse von dünnen vier- seitigen Tafeln erstarrte. In heissem Wasser gelöst lieferten die gepressten Tafeln die langen Spiesse von Methylacetanilid, wie ich sie früher beobachtet hatte. Als das Destillat nochmals destillirt wurde, wiederholte sich diese Erscheinung; allein es hatten sich diesmal viel weniger Krystalle gebildet; aber selbst bei einer dritten vierten und fünften Destillation erschienen noch Krystalle, bei der letzten allerdings nur noch in sehr geringer Menge. Es war somit eine einfache Methode des Nachweises von kleinen Mengen Mono- methylanilin in selbst erheblichen Quantitäten von Dimethylanilin gegeben.

[1877]

29

380

GesammtsHzung

Die Entscheidung der Frage, ob sich bei der Einwirkung von Chlorniethyl, Broimnethyl und Jodmethyl auf Anilin Monoraethyl- anilin bilde, unterlag jetzt keiner Schwierigkeit mehr.

In seiner xVbhandlung über die Darstellung des Monomethyl- anilins lasst Hr. Kern das Ergebniss seiner Versuche über diese Frage in folgenden Worten zusammen: „Ich halte es mit diesen Versuchen demnach für vollkommen erwiesen, dass bei der Ein- wirkung von Jodmethyl auf Anilin unter keinen Verhältnissen Mono- thylanilin entsteht und halte ich dies mit dem von mir schon früher Mitgetheilten^) zusammen, so darf ich mich wohl allgemein dahin ausdrücken, dass durch Eiinvirkung von Chlor-, Brom- und Jod- methyl auf Anilin kein Monomethylanilin erhalten wird, sondern dass die Substitution , wie schon damals ausgesprochen, sich stets auf die beiden Amidwasserstolfatome des Anilins erstreckt, und zwar so, dass das einmal angegriffene Anilinmolecul sofort in Dime- thylanilin übergeführt wird.“

Meine eigenen Versuche haben zu folgenden Resultaten geführt:

Versuch mit Chlormethyl. Das Chlormethyl wurde nach der vortrefflichen Methode von C. E. Groves durch Einleiten von trockner Salzsäure in reinen Methylalkohol bei Gegenwart von Zink- chlorid dargestellt. Es strich durch mehrere Flaschen, welche Alkali enthielten, dann durch Wasser, welches keine saure Reaction mehr annahm und endlich durch Schwefelsäure, um mit Anilin zusammen- zutreten. 150 Gr. der trocknen Base waren in 3 kleine Ballons vertheilt, deren jeder seinen Rückflusskühler hatte, so dass man das Anilin während der ganzen Operation im Sieden erhalten konnte. Nach zwei Stunden traten erhebliche Mengen von Chlormethyl aus dem letzten Ballon aus; so dass die Operation unterbrochen wer- den konnte. Beim Erkalten erstarrten die Flüssigkeiten in Folge reichlicher Ausscheidung eines Chlorhydrats. Es wurde nunmehr trockner Äther eingebracht, und auf diese Weise 100 Gr. reinen salzsauren iVuilins erhalten, aus denen sich die Menge des zur Wirk- samkeit gelangten Chlormethyls zu 39 Gr. berechnet. Die ätheri- sche Lösung lieferte mit verdünnter Schwefelsäure noch 41.2 Gr. Sulfat, so dass aus dem Chlorhydrat und Sulfat zusammengenoramen 98.2 Gr. Anilin wiedergewonnen wurden, also nur 51.2 Gr., für die Bildung von Methylanilinen, zur Verwendung gekommen waren.

’) Kern, Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft VIII, 771.

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Beim Verdampfen des Äthers blieb ein basisches (3l zurück, welches alsbald bei der Behandlung mit Essigsäureanhydrid einen starken Gehalt an Monomethylanilin zu erkennen gab, denn die Temperatur der Mischung stieg um mehr als 80 Grade. Nach mehrfacher Destillation wurden aus dieser Mischung 34 Gr. reinen Methylacet- anilids, entsprechend 24.4 Gr. Monomethylanilin erhalten. Diese hatten aber zu ihrer Bildung 11.5 Gr. Clormethyl bedurft und dem Reste 39 11.5 = 27.5 Gr. entsprechen 32.9 Gr. Dimethylanilin. Nun sind 24.4 Gr. Monomethylanilin aus 21.2 Gr. Anilin, und 32.9 Gr. Dimethylanilin aus 25.3 Gr. Anilin entstanden; es Avären hiernach also im Ganzen 21.2 4- 25.3 = 46.5 Gr. Anilin methylirt worden. Die Differenz 51.2 46.5 = 4.7 zeigt, das jedenfalls eine kleine Menge des gebildeten Methylacetanilids in der Mutterlauge geblieben war. Diese Löslichkeit beeinträchtigt die Ausbeute an Monomethylanilin, immerhin zeigt der Versuch, dass sich auf 4 Theile Dimethylanilin, zum wenigsten 3 Theile Monoverbindung ge- bildet hatten.

Versuch mit Brommethyl. 124 Gr. Anilin in ätherischer Lösung wurde bei gewöhnlicher Temperatur mit 50.5 Gr. Brom- methyl zusammengebracht. Nach Verlauf von 24 Stunden hatten sich 81 Gr. bromwasserstolfsauren Anilins ausgeschieden, woraus sich die Menge des in Wirksamkeit getretenen Brommethyls zu 44.2 Gr. ergiebt. Kleine Verluste sind bei einem so ausserordent- lich flüchtigen Körper wie das Brommethyl kaum zu vermeiden. Aus der ätherischen Lösung wurden ausserdem 86.6 Gr. Anilin- sulfat erhalten, so dass im Ganzen 100 Gr. Anilin wieder ge- wonnen, mithin nur 24 Gr. methylirt wurden. Die aus der ätheri- schen Lösung abgeschiedene Mischung von Basen lieferte nun durch mehrmaliges Destilliren mit Essigsäureanhydrid, beim Zusatz derselben war auch in diesem Falle eine beträchtliche Temperatur- erhöhung eingetreten 10 Gr. Acetverbindung, entsprechend 7.2 Gr. Monomethylanilin. Zu ihrer Bildung sind 6.4 Gr. Brommethyl er- forderlich gewesen; der Rest 44.2 64 = 37.8 Gr. hat zur Er- zeugung von 24 Gr. Dimethylanilin gedient. 7.2 Gr. Monoverbindung sind aber aus 6.2 Gr. Anilin, 24 Gr. Dimethylanilin aus 18.4 Gr. Anilin entstanden. Es sind also im Ganzen 6.2 + 18.4 = 24.6 Gr. Anilin methylirt worden. Diese Zahl stimmt aber so genau, als man dies überhaupt nur erwarten kann, mit der Menge von 24 Gr., welche zur Verfügung stand.

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382

Gesammtsitzung

Hiernach batte sich also in diesem Falle auf 3.3 Theile Dime- thylanilin 1 Theil Monomethylanilin gebildet.

Versuche mit Jodmethyl. 150 Gr. Anilin in ätherischer Lösung würben bei gewöhnlicher Temperatur mit 7G Gr. Jodmethyl in Wechselwirkung gebracht. Nach einigen Tagen hatten sich 113 Gr. jodwasserstoftsauren Anilins ausgeschieden, aus denen sich die Menge des in Wirksamkeit getretenen Jodmethyls zu 72.6 Gr. berechnet. Die ätherische Lösung lieferte auf Zusatz von ver- dünnter Schwefelsäure noch 111.8 Gr. Sulfat, so dass 120.7 Gr. Anilin zurückgewonnen wurden, also nur 29.3 Gr. zur Methylirung gekommen waren. Als der nach dem Verdampfen des Äthers bleibende Rückstand mit Acetanhydrid behandelt wurde, gab die starke Wärme- entwicklung alsbald die Gegenwart erheblicher Mengen von Mono- znethylanilin zu erkennen. Nach mehrfacher Destillation wurden 9 Gr. der Acetverbindung erhalten, welche G.5 Gr. Monomethyl- anilin entsprechen. Zu ihrer Bildung waren 8.6 Gr. Jodmethyl erforderlich, und es sind demnach 72.6 8.6 = 64 Gr. Jodmethyl zur Bildung von 72.2 Gr. Dimethylanilin verwendet worden. 6.5 Gr. Monomethylanilin sind aber aus 5.6 Gr. Anilin, 27.2 Gr. Dimethyl- anilin aus 20.9 Gr. Anilin entstanden. Hiernach waren in dem Versuch 6.5 + 20.9 = 26.2 Gr. Anilin methylirt worden, während die Differenz des in Arbeit genommenen und wieder gewonnenen Anilins 29.3 beträgt. Bei der Einwirkung von Jodmethyl auf Anilin sind demnach 4.2 Theile Dimethylanilin auf 1 Theile Monomethyl- anilin entstanden.

Aus den beschrieben Versuchen erhellt, dass wenn man nur Sorge trägt, einen recht grossen Überschuss von Anilin anzuwen- den, bei der Einwirkung des Jodmethyls 21.2 pCt. , bei der des Brommethyls 25.2 pCt , bei der des Chlormethyls sogar 45.7 pCt. des angegriffenen Anilins als Monomethylauilin erhalten wurden. Allein es verdient hervorgehoben zu werden, dass diese Zahlen Mini- malwerthe darstellen; bei den zahlreichen Operationen sind, der Löslichkeit der Acetverbindung, zumal aber ihrer Flüchtigkeit mit den Wasserdämpfen wegen, erhebliche Verluste ganz unvermeidlich. Könnte man diese Verluste vermeiden, so würde sich das Verhält- niss noch wesentlich günstiger gestalten.

Um zu sehen, ob eine Bildung von Monomethylanilin auch ohne einen Überschuss von Anilin stattündet, wurde eiu zweiter Versuch angestellt, in welchem 1 Mol. Jodmethyl auf 1 Mol. Anilin

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zur Anwendung kam. Zu dem Ende wurden 25 Gr. Anilin und 38.8 Gr. Jodmethyl in ätherischer Lösung bei gewöhnlicher Tem- peratur gemischt. Aber selbst nach 8 Tagen war die Reaction nicht beendet, denn bei gelindem Erwärmen schieden sich neue Mengen von jodwasserstoffsaurem Anilin aus. Erst nach mehr- facher Destillation erfolgte keine weitere Salzbildung mehr, wobei jedoch begreiflich viel Jodmethyl verloren ging. Es wurden schliess- lich 30 Gr. jodwasserstoffsauren Anilins entsprechend 19.2 Jod- methyl erhalten. Das mit Schwefelsäure ausgefällte Sulfat wog 6.6 Gr. so dass im Ganzeii 16.9 Gr. Anilin zurückerhalten wurden, mithin 8.1 Gr. methylirt worden waren. Dui'ch Destillation mit Acet- anhydrid entstanden aus dem Gemenge von Mono- und Dimethylanilin 1.3 Gr. der Acetverbindung, welche 0.9 Gr. Monomethylanilin ent- sprechen. Hieraus berechnet sich, da die Menge des verbrauchten Jodmethyls bekannt ist, die Menge des gebildeten Dimethylanilins zu 7.6 Gr. Es waren also auf 1 Theil Monomethylanilin in diesem Versuche 8.5 Theile Dimethylanilin erzeugt worden oder aber es hatten sich nur 12.5 pCt. des angegriffenen Anilins in Mono- methylanilin verwandelt.

Immerhin bleibt es bemerkenswerth , dass sich unter so un- günstigen Verhältnissen noch eine so erhebliche Menge der mono- methylirten Base gebildet hatte.

Jedenfalls aber ist durch die im Vorstehenden beschriebenen Versuche über die Einwirkung des Chlor-, Brom- und Jodmethyls auf das Anilin, die auf irrigen Untersuchungen fussende Ansicht des Hrn. Kern, das sich mit Hülfe der Methylhalogenide kein Monomethylanilin erhalten lasse, unzweifelhaft widerlegt.

Nach diesen Erörterungen könnte es fast überflüssig erscheinen, auf die Bildung des Monomethylanilins bei der fabrikmässigen Dar- stellung des „Methylanilins“ nach besonders einzugehen. Ist es ja doch in diesem Pi-ocesse schliesslich nur das Chlormethyl in condicione nascendi, welches die Methylirung besorgt. Gleichwohl hat mir die erneuete Beschäftigung mit diesem Gegenstände mancher- lei Aufschlüsse verschafft, welche vielleicht auch Anderen will- kommen sein möchten.

Über die Beobachtungen, welche Hr. Kern bei der Fabrika- tion des Methylanilins im Grossen gesammelt hat, sind von demselben Mittheilungen an die chemische Gesellschaft in Zürich gemacht worden, über welche Hr. R. Gnehm der Berliner Gesellschaft be-

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Gesammtsitzung

richtet hat^). „Aus denselben geht hervor, dass die Methylirung des Anilins mittelst Holzgeist und Salzsäure sich stets auf die beiden Ainidwasserstoffe erstreckt, so zwar, dass das einmal an- gegriftene Anilinmolecul sofort in Dimethylanilin übergeht. In dom Rcactionsproduct konnte nämlich Hr. Kern, selbst wenn die Me- thylirung, sei es absichtlich oder unabsichtlich , keine vollständige war, neben Dimethylanilin wohl noch intactes Anilin, nie aber die monomethylirte Base nachweisen.“

Nach dem bereits oben Gesagten bedarf es keiner weiteren Erklärung mehr, weshalb Ilr. Kern, auf directe Bildung von Kry- stallen durch Chloracetyl sich verlassend, zu negativen Resultaten gelangt ist. Mit Hülfe des Essigsäureanhydrids lässt sich nach- weisen, dass das Monomethylanilin der constante Begleiter des Dimethylanilins ist. Mir ist bis jetzt kein „Methylanilin“ des Handels durch die Hände gegangen, in welchem ich nicht Mono- niethylanilin wenn auch meist nur in geringer jMenge auf- gefunden hätte. Der Güte der HHrn. Marti u s und Mendelsohn- Bart hol dy verdanke ich eine Reihe von Handelsmustern, meist älteren Datums, welche Hr. Richard Barnes im hiesigen Labo- ratorium nach dem oben beschriebenen Verfahren auf ihren Ge- halt an Monomethylanilin untersucht hat. In allen Fällen gab sich dieser Gehalt alsbald durch eine Temperaturerhöhung beim Zu- satz des Anhydrids zu erkennen. Es wurden folgende Rrocente gefunden :

Holliday, Huddersfield Ü.7 pCt.

Clavel, Basel 2.5 -

Vedles, Paris 5.1

Bindschedler und Busch 5.3

Aber auch das im Augenblick fabricirte „Methylanilin“ ent- hält Monomethylanilin, obwohl in ganz unwesentlicher Menge.

Das gewöhnliche Handelsproduct der Firma Tillmanns & Co. in Crefeld enthält nach meinen Versuchen 1.5 pCt. Monomethyl- anilin, das Product, welches in den Werkstätten der Berliner Actien- gesellschaft für Anilinfabrikation bei der Darstellung des Methyl- violets zur Anwendung kommt, nach Versuclien, welche Hr. Dr. Gcyger, der Dirigent dieser Abtheilung, nach demselben Ver- fahren angestellt und mir freundlichst mitgetheilt hat, zwischen 1

’) Kern, Beridite der Deutsdien Clieniischen Gesellschaft VIII, 771.

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ur.d 2 pCt. Monomethylanilin 1). Keine dieser Proben lieferte mit Chloracetyl behandelt alsbald Krystalle der Acetverbindung, allein auch in keiner derselben entstand auf Zusatz von verdünnter Scbwelsäure ein Niederschlag von Anilinsulfat wie in dem Pro- ducte, welches mir vor einigen Jahren als Rohmaterial für die Darstellung des Monomethylanilins gedient hatte. Hieraus geht hervor, dass das „Methylanilin“ des Handels im Augenblick ein anderes ist, als vor 3 Jahren, was nicht autfallen kann, wenn man bedenkt, dass man in den ersten Jahren der Methylviolet- fabrikation nicht wusste, was man heute weiss, das nämlich das Dimethylanilin das eigentliche farbgebende Product ist. Auch die viel geringere Reinheit des Methylalkohols mag, wie dies von Hrn. Krämer betont worden ist, dazu beigetragen haben, das früher vielfach anilin- und monomethylanilinhaltige Producte in den Handel gekommen sind.

Das „Methylanilin“, aus welchem ich vor mehreren Jahren das Monomethylanilin zuerst im reinen Zustande dargestellt hatte, stammte aus der Fabrik von PIrn. Tillmanns zu Crefeld, in welcher damals Hr. Friedrich Hobrecker die Fabrikation des „Methylanilins“ eben begonnen hatte. Ich frug daher bei Hrn. Hobrecker an, ob sich noch über die Abkunft des Products, mit dem ich gearbeitet hatte, etwas feststellen lasse, und habe um-

D Hr. John Spüler (Loncl. R. Soc. Proc. XXI, 204) hat vor einiger Zeit gezeigt, dass die harzigen Substanzen , welche bei der Einwirkung des Jodmethyls und Jodäthyl auf das Rosanilin in der Fabrikation der methy- lirten und äthylirten Violette als Nebenproducte entstehen, bei der Destillation reichliche Menge von öligen Basen liefern. Den Siedepunkten nach zu ur- theilen, liegen hier coinplexe Gemenge vor, die noch einer eingehenden Unter- suchung bedürfen. Olfenbar aber enthalten sie erhebliche Mengen beziehungs- weise von Dimethylanilin und Diäthylanilin. Ich war begierig zu erfahren, ob das auf die angegebene Weise aus den Nebenproducten des methylirten Rosanilins entstehende Basengemenge Monomethylanilin enthalten möchte. Hr. Spiller hat die Güte gehabt, mir eine Probe dieser Producte zu über- senden; sie siedeten zwischen 190° und 218°. Durch mehrfache Destillation hat Hr. Barnes das unter 200° siedende getrennt. Bei der Behandlung der niedrig siedenden Fraction mit Acetanhydrid wurden schliesslich Krystalle erhalten, die aber mit Methylacetanilid nichts gemein hatten. Der bei 145° liegende Schmelzpunkt charakterisirt diese Substanz als Acettoluidid. Mit Salzsäure zerlegt, lieferte sie in der That reines Puratoluidin vom Schmelz- punkt 45°. Monomethylanilin scheinen also diese Producte nicht zu enthalten.

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Gesammtsitzung

gehend die erwünschte Auskunft erhalten. Obwohl gegenwärtig in einem ganz anderen Zweige der chemischen Industrie arbeitend, war Hr. Hobrecker, indem er sein Arbeitsjournal nachschlug, gleichwohl noch im Stand, mir genau die Details der Operation anzugeben, aus welcher das zu meinen Versuchen verwendete „Me- thylanilin“ hervorgegangen war. Nach seiner freundlichen Mit- theilung bestand die Beschickung des Autoclaven aus

40 Thln. Anilinchlorhydrat,

60 Thln. Anilin und 35 Thln. Methylalkohol.

Die Mischung wurde zunächst zwei Stunden lang auf 200^^ erhitzt und alsdann noch weitere 10 Stunden lang zwischen 235 und 240° erhalten. Diese Verhältnisse haben sich denn auch in einem neuen Versuche auf das Gländzendste bewährt. Ilr. Dr. Heinrich Buff von der Firma II. Tillmanns in Crefeld hat mit der liebenswür- digsten Bereitwilligkeit, für welche ich ihm sehr dankbar bin, in den Werkstätten der Crefelder Fabrik einen Versuch im Grossen nach den oben angegebenen Verhältni^isen ausführen lassen. Bei dieser Operation wurden 80 Kilogramm rnethylirten Products von genau den Eigenschaften erhalten, welche ich früher beobachtet hatte. Bei der Untersuchung erwies sich dasselbe aus

25 Thln. Anilin

30 Thln. Monomethylanilin und

45 Thln. Dimethylanilin

zusammengesetzt. Die Analyse wurde in diesem Falle, nach Ab- scheidung des Anilins als Sulfat, mit Acetylchlorid ausgeführt, in- dem man überdies Sorge trug, die wässerige Mutterlauge der Kry- stalle von Methylacetanilid nach dem Eindampfen mehrmals mit Äther anszuschütteln. Man erhielt auf diese Weise noch erheb- liche Mengen der Verbindung. Aus 100 Gr. des mir von Ilrn. Buff übersendeten Productes wurden nach Entfernung des Anilins als Sulfat, theilweise direct krystallisirt, theil weise durcli Aus- schütteln mit Äther 41.7 Gr. der Acetverbindung erhalten, welche 30 Gr. Monothylanilin entsprechen t).

*) Ich habe bei dieser Gelegenheit wieder grosse Mengen des frfiher von mir beschriebenen praehtvullen Methylacetanilids in ilüuden geliabt, welche ich des Oeftereu in Krystallen von 1 Becimeter Länge habe anschiessen sehen. In

voyn 28. Juni 1877.

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Diese Versuche zeigen, dass auch die Ansicht, welche Hr. Kern über die fabrikmässige Darstellung des -Methylanilins“ aus- gesprochen hat, nicht stichhaltig ist.

Nach allen diesen Ergebnissen scheint mir wohl die einfache Annahme gerechtfertigt, es erfolge die Bildung der Methylsubstitute des Anilins wie die der Substitutionsproducte im Allgemeinen, d. h. es wird zunächst das erste Substitut gebildet, aus dem alsdann die anderen durch progressive Substitution entstehen.

Ist dem aber so, so wird auch, wenn man in den methylirten Anilineu wieder Wasserstoff an die Stelle der Methylgruppen treten lässt, der Abbau, wie vordem der Aufbau, stufenweise stattfinden. Schon vor vielen Jahren habe ich^) gezeigt, dass sich das Chlorid des Teträthylammoniums bei der Destillation in Chloräthyl und Triäthylamin, das Chlorhydrat des Triäthylamins in Chloräthyl und Diäthylamin, das Chlorhydrat des Diäthylamins in Chloräthyl und Äthylamin, das Chloihydrat des Äthylamins schliesslich in Chloräthyl und Ammoniak spaltet. Es gelingt aber nur schwierig, die verschiedenen Reactionen auseinander zu halten. In der Regel bilden sich mehrere Producte dieser umgekehrten Substitution neben einander.

Am Schlüsse seiner Arbeit citirt Hr. Kern Versuche, welche Hr. Ad. Weber in ähnlicher Richtung über die Einwirkung der Wärme auf das salzsaure Dimethylanilin angestellt hat. Diese Versuche sind in einer Inaugural-Dissertation (Zürich 1876) be- schrieben, die mir leider nicht vorliegt.

„Zu Gunsten meiner oben ausgeführten Ansicht", sagt Hr. Kern, „muss ich auch von Hrn. Ad. Weber ausgeführte Versuche

meiner früheren Abhandlung ist der Schmelzpunkt zu 104° angegeben, diese An- gabe ist fehlerhaft; ich vermuthe es sollte 100.4 heissen. Hr. Hepp (Berichte der Deutschen Chem. Gesellschaft X, 327) hat den Schmelzpunkt bei 101 bis 102° gefunden. X'ach sehr sorgfältigen Beobachtungen mit den verschiedensten Präparaten, die 6 oder 8 Mal umkrvstallisirt und überdies noch destillirt worden waren, liegt des Schmelzpunkt bei 99.5°. Hängt man ein Glasrohr mit mehreren Grammen der Acetverbindung im Dampfe siedenden Wassers auf, so ist die ganze Masse nach wenigen Minuten vollständig geschmolzen. Der Siedepunkt der Verbindung liegt bei 248°. Beim Erwärmen entwickelt die Acetverbindung einen Geruch, der an den des Himbeeressigs erinnert.

') Hof mann, Lond. R. S. Proc. X, 594.

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Gesammtsitzung

in anderer Richtung anfüliren. Reim Erhitzen von reinem salz- saurem Dimethylanilin erhielt er nämlich nicht, wie man der For- mel nach

II5 . N (CII3), . II CI = Co II3 . NII CII3 + CH3 CI.

erwarten sollte, Monomethylanilin , sondern er behielt stets unver- ändertes Dimethylanilin und Anilin zurück, also der Formel ent- sprechend

2Co II5 N (CIl3)2 . HCl = Co II5 N (CIl3)3 -f- Co II5 NIL, -f- 2CH3 CI.«

Im Sinne der oben entwickelten Ansicht über den Mechanismus der Methylirung und Entmethylirung liess sich kaum bezweifeln, dass grade wie in auf'steigender Linie der Bildung des Dimethyl- anilins die des Monomethylanilins vorausgeht so auch iti abstei- gender Linie, das Anilin erst aus dem zunächst erzeugten Mono- methylanilin entstehe

Co II3 N (CII3),, . IICl = Co II3 NII CII3 + CII3 CI

Co II5 NII CH3 . HCl = Co II3 NIL + CII3 CI

und es war zu erwarten, dass man bei der Entmethylirung das Zwischenglied ebensogut würde nachweisen können, wie dies bei der Methylirung gelungen war. Wenn Hrn. Ad. Weber bei seinen Untersuchungen das Auftreten des Monomethylanilins entgangen ist, so erklärt sich dies auf dieselbe Weise wie die erfolglose Be- mühung des Hrn Kern bei den seinigen.

Die Frage liess sich indessen durch einen einfachen Versuch entscheiden. Zu dem Ende wurden 100 Cr. trockenen Dimethyl- anilins in wasserfreiem Äther gelöst und mit Salzsäuregas behan- delt. Das als krystallinische Masse ausgeschiedene Chlorhydrat wog 129.5 Cr. Der Theorie nach hätten 130.1 Cr. erhalten wer- den sollen. Als dieses Salz der Destillation unterworfen wurde, entwickelten sich alsbald Ströme von reinem Chlormethyl, dem keine Salzsäure beigemischt war. Cleichzeitig ging ein flüssiges Product über. Als die Destillation erlahmte, wurde die Operation unterbrochen. Der Rückstand in der Retorte erstarrte zu einer Krystallmasse , welche fast nur aus salzsaurem Anilin bestand. Das Destillat, in welchen» sich ebenfalls Krystalle von salzsaurem Anilin abgesetzt hatten, wurde mit Alkali versetzt um die Basen abzuscheiden, und in ätherischer Lösung mit verdünnter Schwefel- säure behandelt. Das ausgeschiedene Anilinsulfat wog 15 Gr.,

vom 28. Juni 1877.

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entsprechend 9.8 Anilin. Das rückständige Öl lieferte bei der Destillation mit Essigsäiireanhydrid 13 Gr. Methylacetanilid , d. li. 9.3 Gr. Monomethylanilin.

Es ist gar nicht einmal nöthig, das salzsaure Salz des Dime- thylanilins besonders darzustellen. In einem zweiten Versuche wurden 60 Gr. Dimethylanilin in einer Retorte mit trockenem Salz- säuregas (entwickelt aus 30 Gr. Kochsalz) behandelt und das Pro- duct so lange destillirt, als sich noch erhebliche Mengen von Chlor- methyl entwickelten. Nach Abscheidung des Anilins als Sulfat lieferten die räckständigen Basen durch Behandlung mit Acetanhy- drid 9.7 Gr. Acetverbindung. Das Resultat war also ein noch günstigereres , denn es Avaren in diesem Falle nicht weniger als 11.5 pCt. des angewendeten Dimethylanilins in Monomethylanilin vei’Avandelt worden.

Wendet man bei diesen Versuchen einen Überschuss von Salz- säure an, lässt man z. B. das Dimethylanilin auf einen Überschuss von feurig geschmolzenem Anilinchlorhydrat tröpfeln, so wird be- greiflich zuletzt alles Dimethylanilin in Anilin zurückverwandelt.

Die Versuche verlaufen also grade so, wie es sich der Theorie nach erwarten lässt.

Schliesslich ist es mir eine angenehme Pflicht Ilrn. Dr. Georg Körner für die Sorgfallt, Sachkenntniss und Ausdauer zu danken, mit welcher er mich bei Anstellung der beschriebenen Versuche hat unterstützen wollen.

Hr. A. W. Hofmann las ferner: Über die Einwirkung des Schwefelwasserstoffs auf die Isonitrile.

Seit ich vor etAva zehn Jahren in der Einwirkung von Chloro- form oder chloroformbildenden Körpern auf Monamine eine allge- meine Reaction auft'and, in Avelcher die Isanitrile sowohl der Fett- ais auch der aromatischen Reihe gebildet Averden, habe ich mich zu Aviederholten Malen mit diesen Substanzen beschäftigt, bin aber stets bald Avieder von dieser Beschäftigung abgekommen, weil ich meine Arbeitsgenossen nicht allzulange mit dem auf die Dauer nahe- zu unerträglichen Gerüche dieser Körpergruppe belästigen Avollte.

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Gesammtsitzunri

In den letzten "Wochen sind einige Versuche, die Thioameisen- säure darzustellen, Veranlassung gewesen, das Studium der Isoni- trile wieder aufzunehmen. Indem ich der Gesellschaft einige Er- gebnisse mittheile, zu welchen diese Studien bereits geführt haben, ist es mir eine angenehme Pflicht, Tlrn. Dr. Richard Kirchner und lirn. Wiliam Simpson für den wahrhaft opfermuthigen Bei- stand zu danken, welchen die Genannten mir bei dieser Unter- suchung haben leisten wollen.

Die Thioformylsäure konnte sich möglicher Weise aus den geschwefelten Formamiden gewinnen lassen, deren Darstellung bis jetzt nicht versucht worden ist, aber keine allzugrossen Schwierig- keiten zu bieten schien. Man weiss aus den schönen Untersuchungen Cahours’^), dass die Nitrile 1 Mol. Sclnvefelwasserstofl' zu flxiren im Stande sind und es war kaum zu bezweifeln, dass die Isonitrile unter geeigneten Bedingungen ein ähnliches Verhalten zeigen wür- den. Der Versuch hat diese Voraussetzung bestätigt.

Ich habe zunächst in der aromatischen Reihe gearbeitet und zwar im directen Anschluss an die Versuche von Cahours, wel- cher bekanntlich das Benzonitril durch Behandlung mit Schwefel- wasserstoff in Thiobenzamid übergeführt hat.

Giesst man reines Isocyanphenyl in einen mit trockenem Schwe- felwasserstoff gefüllten Ballon, so beobachtet man zunächst keine Veränderung, allein nach und nach verliert die Flüssigkeit die LeichtbeAveglichkeit und hat sich nach Verlauf einiger Tage in eine gefärbte krystallinische Masse verwandelt, Avelche an der Glaswand des Gefässes fest anhaftet. Man nimmt sie in Äther auf, der sie leicht löst, und krystallisirt die nach dem Verdampfen des Äthers zurückbleibende noch unreine Substanz aus siedendem Wasser um. Beim Erkalten scheiden sich zarte weiche Blätter aus, welche alle Merkmale eines chemischen Individuums tragen. Sie stellen in der That das gesuchte T h io form auilid oder P h e ny 1 1 h io fo r m a- mid dar.

Die Gewinnung des Isocyanphenyls im Zustande der Reinheit ist eine umständliche und zeitraubende Operation. Der Gedanke lag daher nahe, zu versuchen, ob man nicht statt des reinen Iso- cyanphenyls das noch anilinhaltige Rohproduct anwenden könne, welches man bei der Einwirkung von Chloroform auf Anilin in

') Cahours’, Compt. rend. XXVII, 29d.

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391

Gegenwart von alkoholischer Kalilösung so leicht erhält. Dahin abzielende Versuche sind denn auch nicht ohne Erfolg geblieben.

Versetzt man eine möglichst concentrirte alkoholische Lösung von Kalihydrat mit Anilin und giesst alsdann langsam Chloroform zu, so erfolgt bekanntlich eine stürmische Reaction, in welcher sich reichliche Mengen von Isocyanphenyl bilden. Ich habe bisher aequivalente Mengen der aufeinander reagirenden Körper 1 Mol. Anilin, 1 Mol. Chloroform und 3 Mol. Kalihydrat angewendet, ohne jedoch behaupten zu wollen, dass man auf diese Weise die vortheilhafteste Ausbeute erlange; zur Ermittelung der besten Ver- hältnisse sind weitere Versuche im Gange. Wird dem auf die angegebene Weise erhaltenen Rohproduct nach dem Erkalten noch eine stark gesättigte alkoholische Lösung von Kaliumsulfhydrat zugefügt, so ist bereits nach einigen Stunden eine erhebliche Menge der gesuchten Substanz entstanden. Leider bilden sich gleichzeitig andere Körper in beträchtlicher Qualität, ausserdem sind stets viel Anilin und Chloroform unverändert in der Flüssigkeit enthalten, so dass die experimentale Ausbeute an der neuen Thioverbindung sehr wesentlich hinter der theoretischen zurückbleibt. Ich habe schon früher gezeigt, dass 1 Mol. Chloroform je nach den Um- ständen auf 1 oder 2 Mol. Anilin einwirken kann, entweder Iso- cyanphenyU) oder Methenyldiphenyldiamin^) bildend:

Cfi N -f- CH CI3 = C, H5 N -f- 3HC1 2Ce H, N -t- CH CI3 = Ci3 Hio No + 3HC1.

Es ist nun gerade die letztgenannte Base, welche stets in reichlicher Quantität neben der Thioverbindung erzeugt wird.

Versetzt man die Alkohollösung, wie sie in dem eben be- schriebenen Versuche erhalten wii-d, in der Kälte mit Wasser, so schlägt sich ein goldgelb gefärbtes 01 nieder, welches Neigung zum Krystallisiren zeigt. Dieses 01 ist ein Gemenge von Thioforma- nilid mit Isocyanphenyl, Methenyldiphenyldiamin, unverändertem Anilin und Chloroform. Durch Behandlung mit Chlorwasserstotf- säure, welche das Isocyanphenyl je nach den Umständen in Methe- nyldiphenyldiamin oder Anilin und Ameisensäure umsetzt, das Methenyldiphenyldiamin in schwerlösliches Chlorhydrat überführt

') Hofmann, Monatsber. 1877, 655 *) Hofuiann, H. Soc. Lond. Proc. IX, 229.

392

GesammUitzung

und endlich das unangegriffehe Anilin in der P'onn von salzsaurem Salz aoflöst, verwandelt sich dieses Öl in einen Krystallbrei, der nach dem Verdampfen des Chloroforms an der Luft zu einer röth- lich gefärbten krvstallinischen Masse erstarrt. Die Mutterlauge des Öles liefert nach der L'bersättigung mit Salzsäure beim Stehen noch einen gelblichen krvstallinischen Absatz, welcher neben wenig Tbioformanilid vorzugsweise das Chlorhydrat der Methenylba.se enthält. In der von diesen Kry stallen ablaufenden Flüssigkeit ist nur noch salzsaures Anilin gelöst.

Die Reinigung der neuen Substanz bietet keine Schwierigkeit. Die rothe kry stallini sehe Masse mit den später abgesetzten Kry- stallen wird in siedendem Wasser gelöst. Da sich hierbei stets eine kleine Menge der Substanz zersetzt, so ist es wQnschenswerth diese Operation möglichst schnell auszuführen. Zweckmässig trägt man den Krystallbrei in bereits siedendes Wasser ein. Es bleibt eine kleine Menge färbender Substanzen auf dem Filter und aus der Flüssigkeit scheiden sich beim Erkalten in reichlicher Menge zarte Blättchen von Thioformanilid ab, während die Mutterlauge das salzsaure Methenyldiphenyldiamin enthält. Sie Avird , wenn man letzteres gewinnen will, alsbald mit Natronlauge versetzt, da sich die Methenylbase, wie ich bereits früher gezeigt habe, in saurer Lösung schnell in Ameisensäure und Anilin zerlegt.

Die mit kaltem Wasser gewaschenen KrA Stalle des Thioform- anilids werden nunmehr in siedendem Alkohol gelöst, wobei noch eine kleine Menge färbender Substanzen zurückbleibt. Versetzt man die heiss filtrirte Lösung mit heissem Wasser bis sich die Flüssigkeit anfängt zu trüben, so erhält man beim Erkalten eine prachtvolle, aus verfilzten, nahezu weissen Nadeln bestehende Kry- stallisation der reinen Thioverbindung. Durch nochmalige Kry- stallisation aus reinem Wasser werden lange vollkommen weisse Nadeln gewonnen.

Das Thioformanilid schmilzt bei 137.5*^; allein es erleidet beim Schmelzen bereits eine partiale Zersetzung: die nahezu geruchlose Substanz entwickelt deutlich den Geruch des Isocyanphenyls , und gleichzeitig wird Schwefelwasserstoff in Freiheit gesetzt. Das Thioformanilid spaltet sich also in die Verbindungen, aus denen es entstanden ist. Sein Verhalten zu Lösungsmitteln ergiebt sich aus der Beschreibung seiner Darstellungsweise. Bemerkenswerth ist die intensive und haftende Bitterkeit aller Lösungen. Noch

vorn 28. Juni 1877.

393

verdient die Löslichkeit des Thiokörpers in kalter und selbst ver- dünnter Kalilauge und die unveränderte Ausfkllung desselben aus dieser Lösung durch Säuren erwähnt zu werden; ein Verhalten, welches Stoff zum Nachdenken giebt. Löst man das Thioform- anilid in heisser Kalilauge, so entsteht durch Säuren kein Nieder- schlag von unverändertem Thiokörper mehr. Die Lösung enthält nunmehr Schwefelwasserstoff’ und Ameisensäure in der Form von Kaliumsalzen neben freiem Anilin. Dieses Verhalten darf man bei der Darstellung des Thioformanilids nicht unberücksichtigt lassen. So lange freies Alkali vorhanden ist, können die Lösungen nicht ohne sehr erheblichen Verlost zum Sieden erhitzt werden.

Die Zusammensetzung der Thioverbindung ist durch Bildungs- und Zersetzungsweise des Körpers zur Genüge gegeben. Die Formel

C; H; NS = C HS N H J

ist aber auch durch die Analyse der bei 100° getrockneten Sub- stanz festgestellt worden.

Theorie.

Versuch.

I>)

n.

in.

IV.

C;

84 61.31

61.91

60.96

61.23

Hz

7 5.11

5.45

5.46

5.46

N

14 10.22

S

32 23.36

23.70

137 100.00

V'as die Beziehung des Thioformanilids zu dem isomeren Thiobenzamid anlangt, so braucht kaum darauf hingewiesen zu werden, dass sie dieselbe ist, wie die zwischen den beiden Nitrilen, aus denen sie entstehen. Wenn man die beidrn letzteren durch die Formeln

Nitril. Isonitril.

Cs Hi C, Hi

{ I

i i

C N N EE C

darstellt, so ist die Construction der denselben entsprechenden Thio- verbindungen:

’) Nur einmal umkrystalisirt.

394

Gesammtsitzung

Thiobenzamid.

C«Il5

I

HSC NH,

Thioformanilid.

c,lh

j

IINe:eCSH.

Diese Formeln deuten denn auch die Spaltungen der beiden Körper an. Während das Thiobenzamid durch Kochen mit den Alkalien in Sclnvefelwasserstolf, Benzoesäure (Bhenylameisensäure) und Ammoniak zerlegt wird, liefert das Thioformanilid, wie bereit* bemerkt wurde, Schwefelwasserstoff, Ameisensäure und Anilin (Phenylammoniak).

Ich beabsichtige, diese Untersuchung weiter fortzusetzen und hoffe demnächst im Stande zu sein, einerseits Mittheilungen über die Umbildungen des Thioformanilids zu machen, andererseits einige Thioformamide der übrigen Reihen zu beschreiben.

Ilr. A. W. Ilofmann las ferner: Über das Polysulfhy- drat des Strychnins.

Vor nahezu zehn Jahren habe ich eine eigenthümliche Ver- bindung des Strychnins mit dem Wasserstoffhypersulfid entdeckt*), welche man leicht durch Vermischen einer kalt gesättigten Lösung von Strychnin in starkem Alkohol mit einer alkoholischen Lösung von gelbem Schwefelammonium erhält. Die Krystalle grosse Nadeln von der Farbe des Kaliumbichromats erwiesen sich im Wasser, Alkohol und Schwefelkohlenstoff’ vollkommen unlöslich, so dass sie für die Analyse nur mit kaltem Alkohol abgewaschen zu werden brauchten. Die Möglichkeit, dass sich freier Schwefel ausgeschieden habe, hatte mich indessen veranlasst, sie in der Re- gel auch noch mit Schwefelkohlenstoff auszukochen.

Kohlenstoff-, Wasserstofl- und Schwcfelbestimmungen in den Krystallen hatten zu Werthen geführt, aus denen sich die Formel

C„ 11,4 N, O, Sa = C„ H„ N, O, . H, Sa

) Hofmann, Monatsbericht. 1868, 189.

vom 28. Juni 1877.

395

ableiten liess und ich hatte in diesem Sinne die Krystalle als eine Verbindung von 1 Mol. Strychnin mit 1 Mol. eines WasserstofF- hypersulfids von der Formel Hg S3 aufgefasst. Dieser Auffassung schien das Verhalten der rothen Krystalle zu den Säuren zu ent- sprechen. In Berührung mit denselben mit concentrirter Schwe- felsäure z. B. entfärbten sie sich, und auf Zusatz von wenig Wasser schieden sich farblose durchsichtige Öltröpfchen aus, welche sich längere Zeit unzersetzt erhielten, aber schliesslich in Schwefel- wassei’stoff und Schwefel zerfielen.

Die Existenz einer so merkwürdigen Strychninverbindung vei-- anlasste mich natürlich zu dem Versuche, ähnliche Verbindungen mit anderen Alkaloiden hervorzubringen ; es wurden zumal Brucin, Chinin und Cinchonin in ganz gleicher Weise mit alkoholischer Schwefelammoniumlösuug behandelt, ohne dass indessen ähnliche Erscheinungen wie bei dem Strychnin beobachtet worden wären.

Diese Untersuchung ist später von Hrn. Wichel haus und von Hrn. E. Schmidt^) wieder aufgenommen worden. Dieselben und namentlich der letztere haben, allerdings nicht durch alkoho- lisches Schwefelammonium, wohl aber durch Einleitung von Schwe- felwasserstoff in die alkoholische Lösung verschiedener Alkaloide, zumal des Brucins, unter Mitwirkung der Luft, Schwefelsalze er- halten. Die so dargestellte Strychninverbindung soll aber nach Hrn. Schmidt von derjenigen, die ich beschrieb, in mancher Be- ziehung abweichen. Während sich letztere (mit Hülfe von Schwe- felammonium erhalten) durch eine ganz bemerkenswerthe Stabilität auszeichnet es befinden sich in der That unveränderte Krystalle derselben seit nahezu 10 Jahren in meiner Sammlung soll die durch Schwefelwasserstoff gebildete Verbindung viel leichter zer- setzbar sein. Auch in der Farbe sei ein Unterschied vorhanden. Mit Schwefelammonium dargestellt hat das Strychninsalz, wie be- reits bemerkt, die Farbe des Kaliumbichromats; die mit Hülfe des Schwefelwasserstoffs gewonnene Verbindung soll dagegen eine Aveit hellere Farbe besitzen. Die Analyse der beiden Substanzen hat im Übrigen zu denselben Werthen geführt.

Ist man nun in der That berechtigt anzunehmen, dass hier wirklich zwei verschiedene Substanzen vorliegen? Ich habe nach beiden Methoden arbeitend Präparate erhalten, welche sich, was

’) Schmidt, Berichte der Deutschen Cheiu. Gesellschaft VIII, 1267. [1877] . 30

396

Gesammtsitzung

Farbe und allgemeinen Habitus angeht, nicht von einander unter- sclieiden Hessen. Auch in ihrer Beständigkeit zeigten beide keine auft’allende Verschiedenheit; allerdings habe ich die mit Schwefel- "wasserstoff gewonnene Verbindung nur erst eine kurze Zeit lang beobachtet, indessen entwickelt auch das mit Schwefelammonium dargestellte Froduct in feuchter Luft langsam Schwefelwasserstoft’. Endlich gehört ein weiter unten zu erwähnendes sehr charakte- ristisches Verhalten beiden Präparaten an.

Die nächste Veranlassung, diesem Gegenstände von Neuem im Versuche näher zu treten, lag für mich in der abweichenden Interpretation, welche Hr. Schmidt den bei der Analyse der Strychnin Verbindung gefundenen AVerthen angedeihen lässt. Wäh- rend ich die bereits erwähnte Formel

aus denselben abgeleitet hatte, führten dieselben Ilrn. Schmidt zu dem Ausdruck :

und es warf sich die Frage auf, welche von beiden Formeln der Wahrheit am nächsten komme?

In dem Ausdruck, welchen Hr. Schmidt für den Strychnin- Körper vorgeschlagen hat, figurirt das WasserstoflFhypersulfid mit der Formel, welche ihm gewöhnlich, zumal von den Lehrbüchern, zugeschrieben wird. Allein ich habe bereits früher darauf auf- merksam gemacht, dass diese Formel jeder experimentalen Begrün- dung entbehrt und lediglich in der Voraussetzung gewühlt worden ist, es müsse das Wasserstoffhypersullid dem Wasserstoff hyperoxyd entsprechend zusammengesetzt sein. Wenn man aber auch für einen Augenblick von dem Umstande, dass die Formel ILS2 auf schwachen Füssen steht, absehen will, so hat auch eine Verbindung von 2 Mol. Strychnin mit 3 Mol. dieses problematischen Wasserstoffhypersul- fids an und für sich nur eine geringe Wahrscheinlichkeit. Sie fin- det weder in der Zusammensetzung der Strychninsalze noch auch in den Verbindungsweisen des Schwefelwasserstoffs, welche man hier doch in erster Linie ansprechen müsste, eine Stütze. Die

') Loc. cit. siipra.

Coi II, ,2 N2 O2 . II2 S3

vom 28. Juni 1877.

397

einfache Elenientaranalyse lässt die Frage ganz unentschieden. Weiter unten habe ich die Werthe beider Formeln neben einander gestellt, allein man braucht sich nur daran zu erinnern, dass die beiden concurrirenden Ausdrücke für diesen hochgegliederten Kör- per, bei gleicher Anzahl von Kohlenstofiatomen, nur durch 1 At. Wasserstoff, welches die neue Formel mehr enthält, von einander abweichen, um einzusehen, dass die Unterschiede in der beiden Formeln entsprechenden Zusammensetzung innerhalb der Gränzen der Versuchsfehler liegen.

Es schien klar, dass die Lösung auf einem andern Wege zu suchen war. Man durfte in der That hoffen, durch eine gesonderte Bestimmung des ausserhalb des Strychninmoleculs befindlichen Wasserstoffs der Entscheidung der Frage näher zu kommen. Diese Bestimmung konnte auf verschiedene Weise bewerkstelligt werden. Am einfachsten schien es, den mit Schwefel gesellten Wasserstoff in Jodwasserstoff überzuführen und die Menge des verbrauchten Jods volumetrisch zu ermitteln.

%

Der Anwendung dieser Methode stellt sich aber die Neigung des Strychnins sogenannte Superjodide zu bilden, erschwerend in den Weg, denn obwohl eine solche schon vor vielen Jahren ent- deckte Verbindung neuerdings analysirt worden ist, also in Rech- nung genommen werden konnte, so war doch die Möglichkeit vor- handen, dass sich mehr als eine Verbindung bilde, der Erfolg also immerhin zweifelhaft.

Unter diesen Umständen habe ich meine Zuflucht zu einer Lö- sung von arseniger Säure genommen, mit deren Hülfe man das an- gestrebte Ziel ebenfalls zu erreichen hoffen durfte.

Enthielt die Strychninverbindung ein Wasserstoff hypersullid von der Formel JL So, so musste, vorausgesetzt, dass keine secun- dären Reactionen eintraten, der durch arsenige Säure hervorge- brachte Niederschlag ASo Sg enthalten,

m, Ss -+- Aso Oo = 3H3 O + As2 Sc:

hatte andrerseits das in der Strychninverbindung vorhandene Ily- persulfid die Zusammensetzung Hj S3, so musste ein Niederschlag von der Formel As^ Sy entstehen,

3II3 S3 -k Aso O3 = 3Ho O -k Aso S9.

Der Versuch hat nun das bemerkenswerthe Ergebniss geliefert, dass der durch arsenige Säure gebildete Niederschlag weder As^ Sc

30'

398

Gesammisitzung

noch As2 Sa ist, sondern constant die Zusammensetzung Aso Sig zeigt, so dass man zu dem Schluss geführt wird, es seien in der Verbindung neben dem Strychnin auf 2 At. Wasserstoff G At, Scliwefel, also H2S6, enthalten,

3IT2 Sa H- As2 O3 = 3II2 O + As. S,g.

Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass man ab- gewogene Mengen der Kiy stalle mit einer Lösung von arsenigor Säure in Salzsäure übergoss. Wird die Flüssigkeit eine Stunde lang gekocht, so ist die Zersetzung vollständig und mau hat nun- mehr einen hellgelben Niederschlag, welcher nach dem Auswaschen bei 100° getrocknet wird. Da das durch Säuren in Freiheit ge- setzte Wasserstoft’hypersulfid schnell Schwefelwasserstoff entwickelt, so konnte man befürchten, es möge trotz der Gegenwart der arse- nigen Säure eine kleine Menge Schwefel verloren gehen. Die Operation wurde daher in geschlossenen Röhren ausgeführt und zwar in der Art, dass die in einem kleinen Röhrchen befindlichen Krystalle erst nach dem Zuschmelzen der Digestionsröhre mit der Säure in Berührung kamen. Die Röhren wurden dann einige Zeit im Wasserbade erhitzt. Diese Vorsicht ist indessen nicht einmal nöthig. Auch beim directen Ubergiessen wird der Schwefelwasser- stoff von der arsenigen Säure vollständig fixirt.

Je nach dem Atomverhältnisse, in welchem der ausserhalb des Strychnins befindliche Wasserstoff zu dem Schwefel stand, je nach- dem sich also durch die Einwirkung der arsenigen Säure As. S3 -+- S3 = As2 Sc oder AS2 S3 -H Sc = AS2 S9 oder endlich ASa S9 Sjs = As. S18 bildete, mussten sehr ungleiche Mengen von Niederschlag erhalten werden ; nämlich für

AS2 Sc AS2 Sg ASj S18

Theoretische Procente 39.49 33.79 28.07.

Für die Versuche wurden Präparate verschiedener Darstellung angewendet und zwar beziehen sich die Versuche 1 bis VI auf Salze, welche mit Schwefelammonium gewonnen wurden, während zu Versuch VII ein mit Schwefelwasserstoff bereitetes Salz diente.

I. II. III. IV. V. VI. VII. Theorie.

Versuchs-

Procente 28.23 28.33 27.97 28.12 28.38 28.G7 28.G2 28.07.

Der Schwefelgehalt dieser Niederschläge konnte, da ja die Schwefelprocente der Strychninverbindung bekannt sind, nicht zwei-

vom 28. Juni 1877.

399

felhaft sein; er wurde gleichwohl in der Mehrzahl von Fällen noch- mals experimental festgestellt und zwar mittelst Salpetersäure in zugeschmolzener Röhre.

Den drei Niederschlägen entsprechen die folgenden Schwefel- gehalte :

Aso Asa Sg Asa Si8 Theoretische Schwefelprocente 56.14 65.75 79.34

Die im Versuche gefundenen Schwefelmengen zeigen unzwei- deutig, dass dem gebildeten Niederschlage die Zusammensetzung Asa Si8 angehört.

I. II. III. IV. Theorie. Experimentale Schwefelprocente 78.66 79.88 79.65 78.50 79.34.

Die mit Hülfe der arsenigen Säure erhaltenen Zahlen bieten eine Übereinstimmung, wie sie bei derartigen Versuchen kaum be- friedigender erwartet werden kann.

Es schien gleichwohl wünschenswerth, auch noch auf anderem Wege Anhaltspunkte für die Beurtheilung der zur Entscheidung vorliegenden Frage zu gewinnen.

Erhitzt man die rothen Ki’ystalle der Strychninverbindung mit einer Lösung von Bleiacetat in Eisessig, so tritt vollständige Zer- setzung ein, indem Bleisullid entsteht. Ehe man den Niederschlag abfiltrirt, muss die Flüssigkeit stark mit Wasser verdünnt werden, da sich erhebliche Mengen von Schwefel in Eisessig lösen. Der Vorsicht halber wurde auch in diesem Falle zunächst in geschlossener Röhre operirt. Es genügt aber, die Krystalle mit einer Lösung von Bleiacetat, die mit Essigsäure versetzt ist, zu erhitzen. Der sclnvarze Fiederschlag behält in diesem Falle die Form der Kry- stalle, die Umsetzung ist aber eine vollständige. Die weiter unten verzeichneten Analysen II und III sind auf diese Weise ausge- führt worden.

Je nachdem entweder Hg Sg oder Hg S3 oder Hg Se in der Strychninverbindung vorhanden war, musste der Niederschlag die Zusammensetzung PbSg oder PhSg oder PbSe besitzen und in fol- gender Menge erhalten werden :

PbSg PbSs PbSß

Theoretische Procente 93.87 70.13 46.28

Gefunden wurden:

I.

Versuchs-Procente 45.60

II.

46.47

III.

46.64

Theorie.

46.28

400

Gesammtsitzung

r

Die für Versucli 1 und II verwendete Präparate waren mit Hülfe von Schwefelammonium, das für III mit Schwefelwasserstoff gewonnen worden.

Versuche, der Bleilösung eine Silberlösung zu substituiren, misslangen. Die Menge des in verschiedenen Operationen gebilde- ten Niederschlags war eine wechselnde; stets aber wurden grössere Quantitäten erhalten, als der theoretischen Voraussetzung ent- sprachen Die Ursache war bald gefunden. Es hatten sich nicht unerhebliche Mengen von Schwefelsäure gebildet, welche nur durch gleichzeitige Silberreduction entstanden sein konnten.

Nach den Ergebnissen der oben angeführten Versuche ist der Strychninkörper eine Verbindung von 2 Mol. Strychnin mit einem aus 2 At. Wasserstoff und 6 At. Schwefel bestehenden Atomcom- plexe, mithin als

2C,i Ho2 N2 O2 . II, S . S5

zu betrachten. Es braucht kaum besonders darauf hingewiesen zu werden, dass sich diese Formel von der ursprünglich von mir vor- geschlagenen für dieselbe Zahl von Kohlenstoffatomen nur um 1 At. M’asserstoft' unterscheidet, welches erstere Formel weniger enthält. Die Eleraentar-Analzse allein hätte mithin in diesem Falle zu einer bestimmten Auffassung der Verbindung nicht führen können, wie sich bei der Vergleichung der den verschiedenen Annahmen ent- sprechenden Werthe alsbald ergiebt.

H, S,

II, S3

II, Se

Verb.

Verb.

Verb.

Kohlenstoff

. . 58.20

58.33

58.47

Wasserstoff

. . 5.77

5.5G

5.33

Stickstoff

. . 6.47

6.46

6.49

Sauerstoff

. . 7.39

7.43

7.42

Schwefel .

. . 22.17

22.22

22.29

100.00

100.00

100.00

Die Versuche haben folgende Zahlen ergeben:

I.

II. III.

IV.

V. VI. VII.

Kohlenstoff . 58.09

58.79

Wasserstoff . 5.41

5.4G

Schwefel . .

22.53

22.55

22.54 22.18 22.03

vom 28. Juni 1877.

401

Der gefiintleiie Wasserstoffgehalt spricht indessen ebenfalls un- zweideutig für die oben aufgestellte Formel.

- Wie hat man nun aber die Constitution dieses seltsamen Stiych- ninkörpers zu deuten? Ist man berechtigt, denselben als eine Ver- bindung von 2 Mol. Strychnin mit einem Wasserstoff bypersulfid von der Formel H2 Se aufzufassen? Oder soll man denselben der von Boucbardat entdeckten Gruppe der Superjodide an die Seite stellen, welche neuerdings mit so schönem Erfolge von Hrn. Jör- gensen studirt worden sind?

Dafür, dass hier die Strychninverbindung einer eigenthümlichen Säure, eines Wasserstoffhexsulfids II2 Se , vorliege, scheint der Um- stand zu sprechen, dass Mineralsäuren concentrirte Salzsäure eignet sich am besten zu dem Versuche ein klares eigenthüm- lieh riechendes Ol aus den Kry stallen ausscheiden, welches man wohl für einen definirten Körper zu halten geneigt ist. Das Ol hat den Geruch des aus den Alkalipolysulfiden ausgeschiedenen Wasserstoffsschwefels, und besitzt, wie dieses, die Fähigkeit, Pflan- zenfarben zu bleichen. Auch zerlegt es sich, wie letzteres, nur langsam in Schwefelwasserstoff und Schwefel. Nun schreibt man dem Wasserstoffschwefel, wie bereits erwähnt, gewöhnlich die For- mel H2 S> zu, allein es wurde auch schon darauf hingewdesen, dass dieser Formel jede experimentale Grundlage abgeht, und es ist ge- wiss bemerkenswerth, dass Thenard^), welcher nach Feststellung der Zusammensetzung des Wasserstoffhyperoxyds offenbar eine analoge Zusammensetzung des Wasserstoffschwefels erwmrtete, in seiner grösseren Arbeit über diesen Gegenstand ausdrücklich her- vorhebt, dass er in den von ihm untersuchten Präparaten Avech- selnde Mengen von Schwöfel aufgefunden habe, dass aber alle seine Analysen mehr als 4 At. SchAvefel auf 1 Mol. Schwöfehvasserstoff ergeben hätten.

Gegen die Annahme der Existenz einer Säure Sc lassen sich indessen gleichfalls ins Gewdeht fallende Gründe geltend machen. Zunächst muss ich anführen, dass es mir trotz mancher Versuche nicht gelungen ist, eine solche Säure unzersetzt aus dem Strychnin- körper in andere Verbindungen überzuführen. Die durch arsenige Säure oder Bleisalz hervorgebrachten Niederschläge sind offenbar keine Salze der Säure H2 Sc sondern mechanische Gemenge der

0 Theiiard, Ann. Chini. Phys. XLYIII, 79.

402

Gesammtsitzung

gewöhnlichen Sulfide mit Schwefel, wenigstens lassen sich reich- liche Mengen von Schwefel mittelst Schwefelkohlenstoff aus den- selben ausziehen. Ebensowenig ist es geglückt, sei’s durch Säuren, sei’s durch Alkalien, die schwefelreiche Substanz unverändert dar- zustellen oder neu zu binden. Versetzt man die Krystalle mit Salzsäure, ixnd nimmt alsdann die ausgeschiedenen Tröpfchen in Äther auf, so giebt diese Lösung mit arseniger Säure behandelt nicht mehr einen Niederschlag von derselben Zusammensetzung, wie derjenige, welcher durch directe Behandlung der Krystalle mit arseniger Säure erhalten wurde. Dasselbe gilt von den alkalischen Lösungen, welche beim Kochen der Krystalle mit Ammoniak oder Natronlauge entstehen. Die von dem ausgeschiedenen Strychnin abfiltrirten Flüssigkeiten lieferten, mit arsenige Säure geprüft, nicht mehr den früheren Niederschlag, sie enthielten also kein der hypo- thetischen Säure H.^Ss entsprechendes Ammonium- oder Natriumsalz.

Dieses Verhalten würde eine einigermassen befriedigende Er- klärung finden, wenn man für den Strychninkörper eine ähnliche Constitution annähme, wie sie den durch die Einwirkung des Jods auf Alkaloide entstehenden Substanzen zugeschrieben wird. Man betrachtet diese Substanzen als Verbindungen der jodwasserstoff- sauren Salze mit Jod, und denkt nicht daran, allen den in zahl- reichen Verbindungs -Verhältnissen auftretenden Jodkörpern ent- sprechende Jodwasserstoffsäuren anzunehnien. Ein derartiger von Jörgensen analysirter, charakteristischer Jodstrychninkörper hat die Zusammensetzung

C,i H,, N2 O2 . III . L.

Nun kann es allerdings wohl Niemanden einfallen, dem Schwe- felkörper die analoge Formel

2C,j ID, Nj, O, . II2 S . S5

zuzuschreiben, denn als geschwefeltes Sulfhydrat aufgefasst, müsste dasselbe mit Säuren übergossen jedenfalls alsbald Schwefelwasser- stoff entwickeln. Wohl aber Hesse es sich als die Strychninver- bindung eines schwefelreicheren Schwefelwasserstofl's betrachten, vielleicht gerade des dem Hyperoxyde entsprechenden Ilypersulfids, dem sich noch Schwefel zugesellt hätte, also etwa als

2C„ II22 N2 O2 . S, S4,

und die Ölfropfen, welche sich bei der Behandlung der Verbindung

vom 28. Juni 1877.

403

mit Säuren ausscheiden, müssten dann als eine Lösung dieser addi- tioneilen Scbwefelmenge in dem Wasserstoffsulfide angesehen Averden.

Weitere Versuche sind nöthig, um zu entscheiden, ob der einen oder der anderen Aulfassung der Vorzug gebührt.

Hin. Dr. Oscar Döbner bin ich zu besonderem Dank für die Umsicht und Ausdauer, mit AA^elcher er mich bei den beschrie- benen Versuchen hat unterstützen Avollen, verpflichtet.

Hr. A. W. Hofmann las fernen

Über Tetraphenylmelamin.

In einer vor mehr als zwanzig Jahren erschienenen Abhand- lung^) habe ich einige Versuche über die Eimvirkung der Wärme auf das mit Hülfe des Chlorcyans aus dem Anilin dargestellte Melanilin mitgetheilt. Dieser Körper, den ich heute Diphenyl- guanidin nenne, liefert beim Erwärmen auf 170°, unter Anilin- und Ammoniakentwicklung, eine durchsichtige, schwach gefärbte, spröde Harzmasse, welche unlöslich in Wasser ist, sich aber in Alkohol auflöst. Aus der Analyse dieses Harzes, welches nicht weiter gereinigt wurde, soAvie der Bestimmung des Verlustes, Avelchen das Melanilin beim Erhitzen erleidet, folgerte ich für diese Verbindung die Zusammensetzung

C,;IÜ5N;,

Avelche Formel 3 Mol. Melanilin 2 Mol. Anilin

3C:3H,3N3 2C6H,N = a^HoaN,

darstellte, indem ich die Ammoniakentwicklung einer secundären Zersetzung zuschrieb. Später (1869) fand ich^), dass sich eine Base von derselben Zusammensetzung aber etAvas niedrigerem

*) Hüfmann, Ann. Cheni. Pliarm. LXXIV, 19. ‘^) Hofiuani), Monatsbericht. 1869, 589.

404

Gesammtsüzung

Schmelzpunkt bei der Entschwefelung des Diphenylharnstoffs in Gegenwart von Ammoniak erzeugte; und vor einigen Monaten haben die Ilrn. Weith und Schroeder^) gezeigt, dass man auf dem letzt genannten Wege auch eine Base erhielt, welche genau den Schmelzpunkt des aus Chlorcyan gewonnenen Melanilins zeigt. Bei Wiederholung der Versuche habe ich die Richtigkeit der er- wähnten Angabe bestätigt.

Bei den wiederholten Schmelzpunktbestimmungen, welche zu diesem Behufe gemacht wurden, traf es sich einige Mal, dass mau das Melanilin über den Schmelzpunkt hinaus erhitzte, wodurch die oben erwähnte durchsichtige, harzartige Masse gebildet wurde. Einige Röhrchen, mit dieser Masse gefüllt, waren mehrere Woclien liegen geblieben; als man sie nach Verlauf dieser Zeit von Neuem beobachtete, hatte sich das Harz in eine krystallinische Materie umgesetzt. Diese Erscheinung, welche ich früher niemals beob- achtet hatte, gab Veranlassung, die Einwirkung der Wärme auf das Diphenylguanidiu von Neuem zu untersuchen.

Löst man den durch mehrstündiges lürhitzen des CJuanidins auf 170 bis 180° erhaltenen llarzkuchen in Alkoliol auf, so können Tage verstreichen, ehe sich der beim Verdampfen des Alkohols bleibende Rückstand oder die mit Wasser gefällte Substanz ver- ändert erweist. Endlich aber ist ein Zeitpunkt gekommen dessen Eintritt durch Wärme beschleunigt werden kann bei welchem das ausgeschiedene Harz nach kurzer Frist krystallinisch erstarrt. Durch öfteres Lösen des Harzes in Alkohol und Fällen mit Wasser, oder durch Lösen in Salzsäure und Fällen mit Alkali kann die Umwandlung wesentlich beschleunigt werden.

Durch mehrfaches Umkrvstallisiren der Krystallmasse aus sie- dendem Alkohol erhält man meist radial vereinigte und schliesslich verlilzte Nadeln, welche in Aether schwer, in Wasser unlöslich sind. Sie schmelzen bei 217°. Die Analyse der bei 100° ge- trockneteten Substanz führte zu der Formel:

a,iL,N«,

welche in der Untersuchung eines schönen Chlorhydrats sowie eine.s Rlatinsalzes Bestätigung fand.

Weith und Schroeder, Berichte der Deutschen Chemischen Ge- sellschaft VII, 0.37.

vom 28. Juni 1877.

405

Seiner Zusammensetzung nach lässt sich dieser Körper als ein vierfach phenylirtes Melamin auffassen:

C,,H,2N6=C3Ho(CJ45)iN6,

welches durch Abspaltung von 2 Mol. Anilin und 1 Mol. Ammoniak aus 3 Mol. Diphenylguanidin entstehen würde:

3C13H13N3 = 2C6H7N + H3N +

Chlorhydrat. Man erhält es beim Kochen der Base mit concentrirter Salzsäure; die Krystalle derselben verändern sich, ohne sich zu lösen. Setzt man nunmehr Alkohol zu der sieden- den Flüssigkeit, bis die Krystalle gelöst sind, so scheiden sich beim Erkalten schöne, weisse, längliche, rhombische Prismen aus, welche häufig die Figur einer durchschnittenen Linse zeigen. Das Salz, welches im Wasser nur wenig löslich ist, enthält:

C27H22N6 . HCl.

Durch Vermischen der kochenden Lösung dieses Salzes mit Platinchlorid fällt das Platins älz zunächst als hellgelber, amor- pher Niederschlag, welcher sich aber schnell in ein Flaufwerk rhom- bischer Nadeln verwandelt. Die Platinbestimmung dieser schönen Verbindung, welche in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich ist, führt zu der Formel:

2[C27H22N6.HC1], PtCk.

Noch will ich bemerken, dass das Tetraphenylmelamin ein sehr schwer lösliches Nitrat bildet, welches sich aus heisser, wäss- riger Lösung von feinen Nadeln absetzt.

In seinen physikalischen wie chemischen Eigenschaften steht das Tetraphenylmelamin dem Triphenylmelamin sehr nahe, welches ich früher beschrieben habe^). In einer Beziehung unterscheiden sich indessen beide Körper. Die triphenylirte Base zersetzt sich beim einfachen Aufsieden mit Salzsäure in Ammoniak und cyanur- saures Phenyl:

C3H3(C6ll5)3N« -4- 3ILO = C3(HeH3)3N3 03 4- 3H3N.

Ich erwartete, dass die neue Substanz analog dieselben Pro- ducte und ausserdem noch Anilin liefern würde.

) Ilofinann, Monatsbericht. 1870, 196.

406 Gesamyntsitzung

+ 3H,0 = C3(CeHc)3N303 + 2H3N -f- CeH;N.

Allein siedende Salzsäure lässt das Tetraphenylinelaniin voll- konmieu unverändert; selbst nach mehrstündigem Erhitzen mit Salz- säure und Alkohol in zugeschmolzenem Rohr auf 100° hatte sich kein cyanursaures Phenyl gebildet. Es ^Yar indessen eine Ver- änderung eingetreten, welche noch näher erforscht zu werden verdient.

Ich habe bei dieser Gelegenheit auch das Ditolylguanidin durch Entschwefelung des Ditolylsulfobarnstoft's (Schmelzpunki 176°) in Gegenwart von Ammoniak dargestellt. Diese Substanz, eine schöne, in feinen Nadeln krystallisirende, bei 168° schmelzende Base ist offenbar identisch mit dem von W. Wilson^) durch Einwirkung des Chlorcyans auf (starres) Toluidin erhaltenen Körper. Das Dito- lylguanidin verhält sich unter dem Einflüsse der Wärme genau wie das Diphenylguanidin. Es entwickelt sich Toluidin und Ammoniak, lind es bleibt ein Harz, welches allmählich, aber sehr langsam krystallinische Structur annimmt. Der Körper ist nicht analysirt worden, wird sich aber wohl als tetratoluylirtes Melamin

C3,lI„N8=C3lI,(C,l(,),N,

ausweisen. Die Base bildet ein in Wasser fast unlösliches, auch in Alkohol schwer lösliches Chlorhydrat, welches in feinen con- centrisch vereinigten Nadeln krystallisirt.

Für freundliche Unterstützung bei diesen Versuchen bin ich Ilrn. Römer zu bestem Dank verpflichtet.

') AV. Wilson. Chem. Soc. Ann. ,J. III. 134.

vom 28. Juni 1877.

407

Hr. W. Peters legte vor: Her petologische Notizen.

I. Über die von Spix in Brasilien gesammelten Eidechsen

des Königlichen Naturalien-Kabinets zu München.

Unter den von Spix in Brasilien gesammelten und von ihm 1825 {Animalia nova sive Species novae Lacertarum) beschriebenen und abgebildeten Arten befanden sich noch immer einige, die einer erneuerten Untersuchung bedürftig waren, um sie mit den später beschriebenen vergleichen und die Synonymie derselben feststellen zu können. Unser Mitglied, Hr. von Siebold, ist nun so gütig gewesen, mir die zweifelhaften Arten zu übersenden und erlaube ich mir die Resultate meiner Untersuchungen vorzulegen. Ich folge hierbei, wie bei meinen frühei’en Mittheilungen über die Spix’schen Flederthiere und Batrachier der Reihenfolge, in welcher sie in dem oben angeführten Werke besclu’ieben sind.

1. Iguana squamosa Spix, 1. c. p. 5. Taf. 5. Bahia, Para.

2. Iguana viridis Spix, 1. c. p. 6. Taf. 6. Rio San Fran- cisco und Itapicuru.

3. Iguana coerulea Spix, 1. c. p. 7. Taf. 7. Rio San F rancisco.

4. Iguana emarginata Spix, 1. c. p. 7. Taf. 8. Rio San Francisco.

5. Iguana loghyroides Spix, 1. c. p. 8. Taf. 9. In Wäldern von Rio de Janeiro und Bahia.

Alle diese Nominalarten gehören, wie Wagler (Natürl. Sgst. p. 147) schon richtig bemerkt hat, zu Iguana tulerculata Laurenti.

G. Lophyrus xiphosurus Spix, 1. c. p. 9. Taf. 10.

Vom Solimoens. Auch diese Art, welche schon von Seba I. Taf. 109. Fig. 4 kenntlich dargestellt ist, wurde von Wagler mit Grund zu Lacerta superciliosa Lin ne gezogen, nach welcher H. Boie die Gattung Opliryoessa aufstellte.

7. Lophyrus rhomhifer Spix, 1. c. p. 9. Taf. 11.

Vom Solimoens. Wagler hat schon darauf hingewiesen, dass diese Art mit der Agama catenata des Prinzen Maximilian zu Wied identisch ist und da dieser letztere sie bereits im Jahre

408

Genammtsitz

ung

1821 {Heise nach Brasilien. II. 247) beschrieben und benannt liat, ist sein älterer Name dem von Spix unbedingt vorzuzielien. Aus dieser Art bildet Wagler (1. c. p. 150) seine Gattung Entjalius.) wobei zu bemerken ist, dass er dieselbe durch die Anwesenheit einer Querfalte an der Kehle von der Gattung Ophrijoessa unter- scheidet, bei der sie fehlen soll, während 0. superciliosa dieselbe in der That sehr entwickelt hat. Letztere unterscheidet sich von den zu Eiujalius gezogenen Arten nur durch den mehr zusammen- gedrückten und nicht allein auf der Basis, sondern bis zum Ende mit einem Schuppenkamm versehenen Schwanz. Enyalius ist da- her mit Ophnjoessa zu vereinigen, wie dieses auch bereits von AViegmann {Herpet. Mexic. p. 15) geschehen ist.

8. Lophyrus margaritaceus Spix, 1. c. p. 10. Taf. 12. Fig. 1. Von Bahia und Solimoens. Ich kann diese Art nur als

eine einfarbige Varietät der vorhergehenden betrachten, da ich in dem Bau und in der Pholidosis nicht den geringsten Unterschied zwischen beiden finden kann. Auch die Berliner Sammlung hat in neuerer Zeit ein paar solcher einfarbiger Exemplare aus Bra- silien erhalten.

9. Lophyrus ochrocollaris Spix, 1. c. p. 10. Taf. 12. Fig. 2. Vom Amazonenstrom. Ebenfalls von Wagler (1. c. p. 150)

schon richtig mit Linnes Lacerta umhra vereinigt, welche Du- meril et Bibron mit Recht von Wagler’s Gattung Ilypsihatus als llyperanodon (Uperanodon) getrennt haben

10. Lophyrus panthera Spix, 1. c. p. 11. Taf. 13. Fig. 1.

Ich würde das bei Ecgä gefangene Exemplar unbedingt als ein junges Exemplar von Ilypsihatus punctatus Dum. Bibr. {Erp. gen. IV. p. 258) betrachten, wenn ich nicht wegen der geringen Zahl der Lippenschilder, unten und oben Jederseits nur vier, zweifelhaft wäre. Es stimmt mit dieser Art durch die feinere Be- schuppung und den auf den Schwanz ausgedehnten Rückenkamin überein und weicht eben dadurch von II. plica Lin ne ab. Es kann nicht mit Agama picta Wied, wie es geschehen ist, vereinigt werden, da diese letztere weder Büschel von Stachelschuppen in der Nähe des Trommelfells, noch nach der Beschreibung des Prin- zen zu Wied zu urtheilen, ein grosses Occipitalschild hat. Leider ist mir eine Vergleichung mit dem Exemplar des Prinzen nicht

vom 28. Juni 1877.

409

mehr möglich, da die Sammlung des letzteren nach Amerika (New-York) verkauft worden ist.

11. Loplnjrus albomaxillaris Spix, 1. c. p. 11. Taf. 13. Fig. 2.

Von Rio de Janeiro und Para. Ist schon von Wagler

(1. c. p. 150) mit Recht als das Junge von Againa catenata ^ iqCl bestimmt.

12. Lophyrus aureonitens Spix, 1. c. p. 12. Taf. IS”.

Vom Amazonenstrom; ist, wie Wagler (1. c. p. 149) be- reits erkannt, ein jüngeres Exemplar von Ophryoessa superciUosa L i n n e.

13. Ayama hispida sive tuberculata Spix, 1. c. p. 12. Taf. 15. Fig. 1 (Foemina) tubercidata, Fig. 2 (Mas) hispida.

Aus Rio de Janeiro und Bahia. Das feinschuppigere, als Weibchen bezeichnete Exemplar ist übereinstimmend mit Tropi- durus torquaius Wied, die mit grösseren Schuppen versehenen, auf der Tafel als hispida bezeichneten und als Männchen betrachteten Exemplare gehören dagegen einer anderen Art an, welche neuer- dings von Reinhardt und Lütken als Tropidurus macrolepis {Vi- densk. Meddel. nat. Foreniny. 1861. p. 227) beschrieben worden ist.

14. Ayama semitaeniata Spix, 1. c. p. 13. Taf. 16. Fig. 1.

Aus den bergigen Gegenden von Sincura in der Provinz

B ahia.

Diese eigenthümliche, später nicht weiter beachtete Art gab Wagler (1. c. p. 146) Veranlassung zur Aufstellung der Gattung Platynotus.

Bei genauer Vergleichung mit Tropidurus torquatus Wied finde ich kein einziges wesentliches Merkmal, um sie von diesem gene- risch zu unterscheiden. Die Stellung der Nasenlöcher ist ganz die- selbe, erscheint aber auf den ersten Anblick etwas verschieden, weil das ganze Thier sehr abgeplattet erscheint. Die Supraorbital- schilder bilden fünf Längsreihen, von denen die der zweitinneren Reihe, wie gewöhnlich sehr breit sind. Eigenthümlich für diese Art ist auch die glatte Beschaffenheit der Rücken- und Bauch- schuppen. Ich kann Platynotus kaum als eine Untergattung von Tropidurus betrachten. Es befinden sich drei Exemplare in dem Münchener Cabinet.

410

Gesammtsitzung

15. Agama nigrocollaris Spix, 1. c. p. 13. Taf. 16. Fig. 2. Aus dem Innern von Bahia.

Die beiden Exemplare sind etwas kleiner, stimmen sonst aber ganz mit der p. 12 als hispida bezeichneten und auf Taf. 15 Fig. 2 abgebildeten Art überein.

16. Agama cyclurus Spix, 1. c. p. 14. Taf, 17. Fig. 1.

Aus der Umgebung von Bahia. Ist ein noch jüngeres Exem- plar derselben, wie erwähnt, neuerdings als Tropidurus macrolepis Rhdt.-Ltkn. beschriebenen Art.

17. Pohjchrus marmoratus Spix, p. 14. Taf. 14.

Aus den Wäldern bei Rio de Janeiro. Uber die Überein- stimmung dieser Art mit Lacerta marmorala \j\ni\it hat kein Zwei- fel geherrscht.

18. Pohjchrus acuilrosiris Spix, 1. c, p. 15. Taf. 14*.

In Wäldern von Bahia. Wiegmann {Ilerp. mex. p. 46. Anm.) stellte diese Art, freilich ohne sie gesehen zu haben, in die zweite Abtheilung seiner (iattung Laemanctus, Ilr. Cope (Proc. Ac. Nat. Sc, Philadelphia. 1864. p. 176) bemerkte dagegen, dass sie ein wahrer Pohjchrus sei. Das interessanteste Resultat meiner Unter- suchung ist die vollständige Übereinstimmung derselben mit Pohj- chrus anoinalus Wiegmann (1. c. p, 16.). Übrigens stimme ich Um. Cope bei, dass Laemanctus Fitzingeri, undulatus {ei obtusi- rostris) Wieg mann besser mit Urostrophus Vautieri Dum. Bibr. in eine Gattung zu vereinigen sind, obgleich die beiden ^) ersteren gekielte, der letztere glatte Schuppen hat.

19. Anolis violaceus Spix, 1. c. p. 15. Taf. 17. Fig. 2,

Aus der Umgegend von Para. Ist schon früher richtig mit

Anolis punctatus Daudin vereinigt worden.

20. Gecko aculeatus Spix, 1. c. p. 16. Taf. 18. Fig. 3.

In den Wohnungen bei Rio de Janeiro. Dieser Gecko ist

identisch mit dem in demselben Jahre von dem Prinzen zu Wied

') L. obtusirostris halte ich nur für ein älteres Exemplar von L. undu latus, mit dem es auch zusammen gefumlen wurde.

vom 28. Juni 1877.

411

(Beitr. Naiurg. Bras. I. p. 102 u. 104) als G. incanescens et anna- tu,<i untl später von Cu vier 1829 (Regne, an. 2. ed. II. p. 54) als Hemidactyhis niabuia beschriebenen Art. Schon zwei Jahre früher beschrieb sie Rad de als Gecko inherculoms {Mein. Soc. Itcd. Modena. 1823. XIX. 2. p. 63).

21. Gecko cruciger Spix, 1. c. p. 16. Taf. 18. Fig. 3.

Ans der Provinz Bahia. Das Exemplar ist verloren ge- gangen; nach der Beschreibung ist der Rücken mit Tuberkeln ver- sehen und darnach kann man nur vermuthen, dass es zu der vor- hergehenden Art gehörte.

22. Thecadactijlus 2^oUicaris Spix, 1. c. p. 17. Taf. 18. Fig. 2.

Unter Baumrinde in Bahia. Ist ein Exemplar mit regenerir- tem Schwänze von Gecko aeidecdua Spix.

23. Gymnodactylus geckoides Spix, 1. c. p. 17. Taf. 18. b'ig. 1.

Aus der Umgebung von Bahia. In den mediterranen Gegen- den zu Hause, kann wohl durch Schiffe nach Amerika gebracht sein.

24. Tupinambi.<f nigrojmnctatus Spix, 1. c. p. 18. Taf. 20.

Brasilien. Eigenthümliche durch Spix zuerst bekannt gewor- dene Art, aus welcher Wagler (1. c. p. 153) die Gattung Ctenodon bildete.

25. Twpinamhia moniior s. nigropunctatus Foein. Spix, 1. c. p. 19. Taf. 19.

Rio de Janeiro. Stimmt mit Lacerta teguixin Linne über- ein, welche in die Gattung Podinema Wagler gehört.

26. Crocodiliirus amazonicus Spix, 1. c. p. 19. Taf. 21.

Vom Ufer des Solimoens bei S; Paulo. Ist bereits von Du- meril und Bibron als übereinstimmend mit T. D au d i n

erkannt.

27. Crocodilunif! ocellatus Spix, 1. c. p. 20. Taf. 22. Fig. 1. Vom Solimoens bei Ecgä. Schon früher richtig als junges

Individuum der vorhergehenden Art gedeutet.

[1877]

31

412 Gesammtsitzung

28. Ceniro'pyx calcaratus Spix, I. c. p. 21. Taf. 22. Fig. 2.

Vom Itapicurii in dei’ Provinz Maranhao. Zu dieser zu- erst von Spix beschriebenen Art gehört auch die Lacerta striata \V i e d.

29. 2'ejus ameiva Spix, 1. c. p. 21. Taf. 23. Baliia und Rio de Janeiro.

30. Tejus lateristriga Spix, 1. c. p. 22. Taf. 24. Fig. 1. Ohne Angabe des Fundorts.

31. 2'ejus tritaeniatus Spix, 1. c. p. 22. Fig. 24. Fig. 2. Bahia.

Alle drei gehören, wie dieses auch von Anderen bereits an- gegeben ist, zu derselben Art, welche in dem Doublettenverzeich- niss des Berliner Museums 1 823 als Ameiva vulgaris beschrieben wurde. T. ameiva ist ein ausgewachsenes Männchen, T. lateristriga ein jüngeres Weibchen und 2\ tritaeniatus das junge Tliier.

32. Tejus ocellifer Spix, 1. c. p. 23. Taf. 25. Bahia.

Es befinden sich zwei so bezeichnete Exemplare in der Spix- schen Sammlung. Das eine grössere, weiches offenbar der Abbil- dung zu Grunde gelegen hat und dem auch noch das Original- etiquet von Wagler beigefügt ist, stimmt überein mit der neuer- dings als Cnemidophorus Ilggomi (Reinhardt et Lütken, Meddel. Nat. Foren. 1861. p. 231) beschriebenen Art, während das andere zu Cnemidophorus lemniscatus Daudin gehört. Wagler (1. c. p. 154) zog sie fälschlich zu Cnemidophorus murinus (Laurenti).

33. Scincus histriatus Spix, 1. c. p. 23. Taf. 26. Fig. 1. Para.

Schleus agilis Raddi {Mein. Soc. Jial. Modena. 1823. XIX. 2. p. 62). Die beiden in der Sammlung befindlichen E.xemplare stimmen im allgemeinen mit einander überein. Sie haben beide die Körperschuppen in 32 Längsreihen, und vier Supraorbitalia. Das eine hat aber das Auge über dem 7., das andere über dem 6. Supralabiale. Es stimmt überein mit Euprepes (Mabuia) auratm (Schneider) Gravenhorst.

34. Scincus nigropunctatus Spix, 1. c. p. 24. Taf. 26. Fig. 2. Ecgä.

vovi 28. Jtitii 1877.

413

Das mit der Abbildung übereinstimmende Exemplar bat 30 Längsreiben von Körperscbuppen, nur drei Supraorbitalia und das Auge über dem fünften Supralabiale liegend, gebürt daher zu der Eupr. (Mabuia) Cepedii genannten Varietät.

35. Leposoma scincoides Spix, 1. c. p. 24. Taf. 27. Fig. 2.

Vom Ufer des Amazonenstroms. Diese merkwürdige neue Gattung und Art babe ich ausfübrlicb besprochen in meiner Ab- handlung über Cercosaura {Ahh. Berl. Ak. Wissensch. 1862. p. 190. Taf. 2. Fig. 1.).

36. Heterodactijlus mbricatus Spix, 1. c. p. 25 Taf. 27. Fig 1.

Im Innern der Provinz Rio de Janeiro. Auch diese in- teressante Eidechse habe ich bereits früher besprochen (1. c. p. 172).

37. Pijgopms striatus Spix, 1. c. p. 25. Taf. 28. Fig. 1.

Am Ufer des Meeres und der Flüsse von Rio de Janeiro. Ist, wie Wagler (1. c. p. 159) bereits bemerkte, identisch mit Seps fragilis Rad di (Mem. fis. Soc. Ital. Modena. XVIII. 1820. p. 341.) und muss daher den Speciesnamen desselben behalten.

38. Pygopus cariococca Spix, 1. c. p. 26. Taf. 28. Fig. 2.

Von dem Corcovado bei Rio de Janeiro; ist nur das Junge der vorhergehenden Art.

Es ist also:

Iguana squamosa Spix viridis Spix coerulea Spix emarginata Spix lophyroides Spix

Layhjjrus xiphosiirus Spix

rhombifer Spix margaritaceus Spix ochrocollaris Spix panthera Spix albomaxillaris Spix aureonitens Spix Agama hispida Spix

= Iguana tuhercidata (Laurenti).

= Iguana tuhercidata (Laurenti).

= Iguana tuhercidata (Laurenti).

= Iguana tuhercidata (Laurenti).

= Iguana tuhercidata (Laurenti).

= Ophryuiissa superciliosa (Lin ne).

= Ophryoessa catenata (Wied).

= Ophryoessa catenata var. (Wied).

= Hyperanodon umhra (Lin ne).

= Hypsihatus panthera (Spix).

= Ophryoessa catenata (Wied).

= Ophryoessa superciliosa (L i n n e).

= Trigiidurus hispidus (Spix).

31*

414

Ge Rammt Kitzuvrj

Agama semitaeniata Spix

nigricollctris Spix ciycliinis Spix Polgchrus marmoratiis Spix acutirostris Spix Anctlis violaceus Spix Gecko acitleafiis Spix cruciger Spix Thecadactijlus pollicaris Spix Ggmnodaetglus geckoides Spix Titpinambis nigropunclaftis Spix monitor Spix Crocodilurits amazonicus Spix ocellatus Spix Centropyx calcaratus Spix Tejiis ameiva Spix lateristriga Spix tritaeniatus Spix Tejus ocellij'er Spix Sciucus histriatus Spix 7tigrnpit>irfafus Spix

Leposnma sctiicoides Spix Heterodacti/lns iiidji-icaiiis Spix Pygopus strintus Spix cnriococca Spix

= Tropidurus (Plafynofiis) semitaeniatus

(Spix).

= Trnpidin'us hiftpidus (Spix).

= Tropidnrus hispidus (Spix).

= Potychrus marmoratus (Liniie).

= Potychrus acutirostrhs Spix.

= Aiiotis puuctatiis Daiidin.

= Heuiidacfylus tuherciitosus (Rad di).

= Hemidactylus tuherculosus (Rad di).

= Hemidactylus tuherculosus (Rad di).

= Gymnodactylus geckoides S p i x.

= Podiuema uigropuuctatum (Spix).^

= Podiuema teguixin (Linne).

= Crocodilurus lacertiuus (D a u d i n).

= Crocodilurus lacertiuus (D a ii d i n).

= Ceufropyx calcaratus Spix.

= Ameiva vulgaris Li c Ii te n s tei n.

= Atneiva vulgaris L i c li t e n s t e i ii.

= Ameiva vulgaris L i c li t e n s t e i n.

= Cuemidophorus ocelli/er (Spix^.

= Puprepes (Mahuia) auratus (S c li n e i d.) = Euprepes (Mahuia) auratus (Scli nei- de r) var. Cepedii.

= Lepidosoma sciucoides Spix.

= Iletei'odactylus imhricatus Spix.

= Ophiodes fragitis (Rad di).

= Ophiodes fragitis (Rad di)').

Unter den von Spix gesammelten Eiileclisen befinden sicdi da- her folgende neue, z. Th. höchst hemerkenswerthe, zuerst von ihm heschriehene zehn Arten:

/Iij2^sihattis ]7a7ithera, Trojyidurus hispidus, Trojiidurus (Plahjuolus) semitaeniatus, Pnhjchrus acutirostris, Oijvimodactiflus fieckoides, Podiuema nigropunctatum, Centroj>y.v calcaratus, Cuemidophorus ocelli/er, Lejti- dosoma sciucoides, Iletei’odactylus imhricatus.

') MonaLbericlite Beil. Akad. 1872. p. 22G ist zu lesen Z. 15 bis 17; Hyla uehulosa Spix = Hyla uehulusa Spix; Hyla geographica Spix = maxima Laurenti; Hyla geographica var. semiliueatu Spix = Hyla /aber Mied.

vom 28. Ju7vi 1877.

415

II. Bemerkungen über neue oder weniger bekannte Amphibien.

Phyllopezus nov. gen.^)

Unter der Basis der Finger und Zehen eine einfache Reihe von Querlamellen, die letzten beiden Glieder aller fünf Finger und Zehen verschmälert und mit einer Kralle versehen.

Von Gehyra verschieden dadurch, dafs auch der erste Finger und die erste Zehe mit verschmälerten Endgliedern und einer Kralle versehen sind.

1. Phyllopezus goyazensis n. sp. (Taf. Fig. 1).

Hemidactylus goyazensis Beim i. 1.

Kopf länglich, mit ziemlich platter Schnauze, welche letztere mit ovalen Schüppchen bis zwischen die Augen bekleidet ist, von wo an sie allmählig in die feine körnige Beschuppung des Ober- kopfes übergehen. Oberlippenschilder neun, von denen die beiden hintersten klein sind; Unterlippenschilder ebenfalls neun, die drei letzten die kleinsten. Mentale sehr gross; dahinter zwei grössere hexagonale Submentalia und hinter diesen eine zweite Querreihe von drei Submentalia, von denen das mittelste fast eben so gross ist, wie die der vorderen Reihe. Hinterkopf, Nacken und Schwanz- basis fein granulirt mit eingestreuten rundlichen Tuberkeln, welche nicht grösser sind als die Schnauzenschuppen. Die schräg von oben nach unten und vorn gerichtete Ohrspalte ist am vordem und hintern Rande mit kurzen dornförmigen Schuppen besetzt. Der regenerirte Schwanz mit glatten Schuppen, welche denen des Bauches an Grösse kaum nachstehen ; an der Unterseite des Schwanzes eine Reihe breiter bandförmiger Schilder. Jederseits neben dem After eine schiefe Reihe von drei dornförmig hervorragenden Schuppen. Weder Fräanal- noch Schenkelporen.

Das Exemplar, welches schon längere Jahre in Weingeist ge- legen hat, erscheint braungrau mit braunen queren Fleckenlnnden.

Es ist mir von Hrn. Professor Dr. K. Möbius in Kiel gütigst zugesandt worden, mit der Bemerkung, dass es von Hrn. Professor

) (jjuXXoi/, TTE^o'C-

416

GesammtsHzung

Dr, Beim in Goyaz (Brasilien) gefangen und als ^Ilemidactylus goijazensis , einer neuen Gruppe von Ilemidactglus angehörig“ be- zeichnet worden sei.

2. Euprepes (Eup)repes) resplendens n. sp.

Schuppen in 30 Längsreihen, die des Rückens dreikielig und etwas breiter als die der Körperseiten. Schnauze abgeplattet, zn- gespitzt. Nasenloch in der Mitte des seitlichen Nasale. Supranasalia länglich durch ein grofses pentagonales , hinten zugespitztes Inter- nasale getrennt. Fräfrontalia nur mit ihren innern Winkeln an- einander stossend. Frontale hinten abgestutzt, kürzer als das grosse einfache Frontoparietale. Interparietale rhomboidal, ziemlich gross. Zwei lange Frenalia. Acht Supralabialia ; die drei hinteren viel höher als die vorderen; die grössten, das 6. und 7., unter dem Auge liegend. Acht schmale Infralabialia. Scheibe des unteren Augenlides gross. Ohrötl'nung rundlich, am voi deren Rande mit grösseren Schuppen. Die vordere Extremität reicht bis zur Mitte der Fi’enalgegend, die hintere bis zur Achsel.

Metallisch goldglänzend, mit zahlreichen dunkelbraunen queren Fleckenlinien.

Totallänge 0,073; bis After 0,026; Kopf 0,008; vord. Extr. 0,010; hiut. Extr. 0,013.

Ein Exemplar von der Fidji-Insel Oval au, aus dem Museum G o d e f f r o y.

3. Herpetosaura occidenialis n. sp.

Verschieden von II. arenicola durch die abgerundete stumpfe Beschafi'enheit des Rostrale und durch 22 Körper-Schuppenreihen.

Jede Schuppe in der Mitte schwarz, wodurch oben zusammen- hängende und unten punktirte Längslinien entstehen. Aus Ca- m er uns (W.-Africa).

4. Tgphlops (Typ/dops) acuticaudus n. sp. (Fig. 2 2c).

Breite des Rostrale oben gleich einem Drittel des Kopfes, am abgerundeten Schnauzenende etwas versclimälert und an der untern Seite sich biseuitförmig verbreiternd. Nasale unten fast eben so breit werdend wie das Rostrale. Nasale vollständig getrennt, an das 1; und 2. Supralabiale stossend. Die mittleren Oberkopfscbilder schmäler als die seitlichen. Fräoculare zur Aufnahme des grossen

vom 28. Juni 1877.

417

OcLilare hinten flach eingebuchtet. Die blauen Augen sehr deutlich durchscheinend; Körper allenthalben gleich dick; Schwanz ziemlich lang, kegelförmig zugespitzt. Schuppen in 24 Längsreihen.

Die oberen neun Schuppenreihen braun, an der Basis mit hellerem Querstrich; die Ränder der Kopfschilder und die ganze Unterseite schön gelb.

Totallänge 0,123; Kopf 0,0045; Schwanz 0,004; Körperdicke 0,0025.

Ein Exemplar vonPalaos, gesammelt vonKubary, aus dem Museum Godeffroy. Mit T. Müller i Schlegel sehr nahe ver- wandt , aber mit viel längerem Schwänze und auch durch die Zeichnung verschieden.

5. TypJiloys (Onychocephaluf^) anyusticeps n. sp. (Taf. Fig. 3 3c).

Obere Seite des Rostrale oval, halb so breit wie der Kopf, vorn mit einer scharfrandigen schmäleren Spitze nach unten ge- krümmt. Nasale klein und an das erste Supralabiale stossend, oben in gleicher Höhe mit dem obern Rande des Nasenlochs, von dem Nasofrontale getrennt, welches an das 1. und 2. Supralabiale stösst. Rräoculare dreieckig, oben zugespitzt. Oculare gross, mit der unteren Spitze sich zwischen 4. und 3. Supralabiale einschiebend; vor dem letzteren hat sich auf der linken Seite eine besondere Schuppe ab- gelöst , welche unten das Oculare und Rräoculare trennt. Die mittleren Oberkopfschilder nicht grösser als die Körperschuppen, die seitlichen, namentlich das Rostoculare breiter. Die Augen mit blauer Rupille sehr deutlich.

Körper von vorn nach hinten allmählig vei’dickt, überall mit Schuppen in 20 Längsreihen; der Schwanz ist kegelförmig, all- mählig zugespitzt und länger als der Kopf.

Oben braun, unten bräunlich gelb, der vordere Rand der Schuppen dunkler durchscheinend.

Totallänge 0,455; Kopf 0,0075; Schwanz 0,013; Körperdicke in der Mitte 0,007.

Ein Exemplar aus Ne u - C ale don ien, gesammelt von Dr. Cox; von dem Museum Godeffroy.

6. Platurus laticaudatus.

a. Platurus laticaudatus.

Colubcr laticaudatus Linne, Mus. Rey. Ad. Frid. 1754. p. ol. Tl‘. 10. Fg. l.

418

Gtsammtsitzung

Das Originalexemplar, welches der Linneischen Abbildung zu Grunde gelegen hat, befindet sich noch jetzt in dem zoologischen Museum der K. Akademie der Wissenschaften zu Stockholm. Es hat nach der gütigen Mittheilung des Ilrn. Professor Dr. Smitt nur 19 Längsreihen von Schuppen und kein mittleres Präfrontal- schild, stimmt also mit der Art überein, welche Jan PL P'ischeri genannt hat.

b. Platuriis colubritms.

Hydrus colubriiius Schneider, Hist. Amphib. 1700. I. p. 238.

Das Originalexemplar zu der Sch neide r’schen Beschreibung aus der La mpe’schen Sammlung, welches Ilr. Staatsrath Professor Dr. Grube gütigst im Austausch dem Berliner Museum übersandt hat und welches ganz zu derselben passt, hat, wie auch aus dieser Beschreibung hervorgeht, drei Präfrontalia und ausserdem 23 Längs- reihen von Körperschuppen. Das Exemplar ist verblasst und da- her erscheinen die, im frischen Zustande schwarzen, Ringe braun, wie es von Schneider angegeben wird.

So gut nun diese beiden Exemplare sich von einander unter- scheiden lassen, ist es mir doch nach L^ntersuchung einer grosseren Anzahl von Exemplaren, welche z. Tli. in unserer Sammlung be- reits vorhanden waren, z. Th, durch das Museum Godeffroy mir zugänglich wurden, zweifelhaft geworden, ob diese beiden Arten als solche und nicht vielmehr als Varietäten derselben Art zu be- trachten seien.

Wie mir Hr. Smitt mittheilt, weicht das eine niclit abgebildete, aber von Lin ne erwähnte Exemplar durch drei l^räfrontalia und dreiundzwanzig Körperschuppenreilien ab, woraus hervor geht, dass Linne selbst bereits beide für dieselbe Art hielt.

Ich stelle die mir vorliegenden Varietäten zuerst nach den Präfrontalschildern zusammen.

A. Mit zwei P räf ron tal s ch ild e r n.

a. An dem abgebildeten Exemplar von Linne’s C. loti- caudatus sieht man 45 schwarze Ringe, von denen fünf auf den Schwanz fallen. Diese Ringe sind wenig schmäler oder eben so breit wie die Zwischenräume. Schuppen- reihen 19, am Schwänze 4 bis 5; Abdominalia: 221 ein- fache, 2 getheilte; Subcaudalia ß) 2l-f-3 Ringe; Abbildung von Daudin’s Platurm fasciatus.

vom 28. Juni 1877.

419

b. Dunkle Ringe am Rücken doppelt so breit wie die Zwischenräume.

«) Exemplar aus Tonga (No. 8904 M. B.). 40 Körper-, 4 Scliwanzringe, Schuppenreilien 19, an der Seite des Schwanzes 5 Längsreihen. Abdominalia: zuerst 56 drei- theilige, dann 1 getheiltes, 156 ungetheilte, 3 dreitheilige, 18 einfache und zwei getheilte; Subcaudalia 28 Paar.

/ö) Exemplar von den Fidji-Inseln (No. 7202 M. B.). 36

Körper-, 5 Schwanzringe. Schuppenreihen 19, am Schwänze 5 oder 4; Abdominalia: 237 einfache, jederseits

2 getheilte; Subcaudalia 41 Paar.

c. Dunkle Ringe 2 3mal breiter am Rücken als die bläulichen Zwischenräume.

Ci) Exemplar von den Philippinen (No. 2322 M. B.). 56

Körper-, 4 Schwanzringe. Körperschuppen in 19 Reihen, am Schwänze jederseits vier. Abdominalia: 216 ein- fache, dann 3 dreigetheilte, 17 einfache und 2 getheilte; Subcaudalia 30 Paar.

ß) Exemplar von den Tonga-Inseln. 24 Körper-, 4 Schwanz- ringe. Schuppen am Körper 19, am Schwänze jederseits 4 Reihen. Abdominalia: 240 einfache und 2 getheilte; Subcaudalia 43 Paar.

7) Exemplare ebendaher. 36 -f- 5 Ringe. Körperschuppen in 19 Längsreihen; Schwanzschuppen jederseits vier bis fünf.

d. D unk 1 e Ri n g e sch m al, so breit oder kaum breiter als die Zwischenräume.

u) Exemplar von den Fidji-Inseln (No. 7340 M. B.). 50 + 5 dunkle Ringe. Schuppenreihen 19, am Schwänze jeder- seits 5. Abdominalia 227, Subcaudalia 41 Paar.

e. Dunkle Ringe ein wenig breiter als die hellen.

Ci) Exemplar aus dem indischen Ocean (No. 2813 M. B.). 27 + 3 dunkle Ringe. Körperschuppen 19, am Schwanz jederseits an der Basis 5, sonst 4 Schuppen. Abdo- minalia: 240 einfache, 2 getheilte; Subcaudalia 31 Paar.

f. Dunkle Ringe eben so breit wie die Zwischenräume. Ci) Exemplar von den Tonga-Inseln (No. 9065 M. B.). 27+

3 dunkle Ringe. Körperschuppen in 23 25 Längs- reihen, jederseits am Schwänze fünf Reihen.

420

Gesainmlöitzung

B. Mit di'ei Präfrontalia.

a. Dunkle Ringe etwa halb (2 bis 3 Schuppen), so breit wie die Zwischenräume (4 bis .3 Schuppen reihen).

«) Originalexemplar von 11. colubrinus Schneider (No. 9078 M. B.). 3G dunkle Körper-, 5 Schwanzringe. Kürperschuppcn in 23, Schwanzschuppen jederseits in b Reihen. Abdorninalia: 2lö einfache, 3 dreitheilige ; Subcaudalia 44 Paar.

ß) Exemplar von den Philippinen (Mus. Berol. C. 1473). 38 G dunkle Ringe. Körperschuppen in 23 Reihen, am Schwanz jederseits b Reihen. Abdorninalia 224; Subcaudalia 45 Paar.

7) Plxemplar von Samar, Philippinen (M. B. No. 2983). 44 4- 4 Körperringe. Körperschuppen 23 Reihen; Jeder- seits am Schwänze 5 Reihen. Abdorninalia: 237 ein- fache, 2 getheilte; 33 Paar Subcaudalia. h) Exemplar von Amboina (.M. B. No. 75G7). 38 + 3 Ringe. Körperschuppen 25, am Schwänze jederseits 5 Reihen. Abdorninalia: 224 einfache, 2 getheilte; Subcaudalia 32 Paar.

f) Exemplar aus Amboina (M. B. No. 8905). 41 + 4 Kör- perringe. Körperschuppen 25; am Schwänze jederseits 5 bis G Längs reihen.

b. Dunkle Ringe eben so breit wie die Zwischen- r ä u m e.

«) Exemplar von den P'idji-Inseln (M. B. No. 4038). 25 +

4 dunkle Ringe. Körperschuppen 23, Schwanzschuppen jederseits 5 Längsreihen. Abdorninalia: 21 G einfache, 2 getheilte; Subcaudalia 41 Paar.

ß) Exemplar von den Fidji-Inseln (M. B. 8899). 27 + 4

dunkle Ringe. Körperschuppen 28, Schwanzschuppen jederseits 5 Längsreihen. Abdorninalia 230; Subcaudalia 30 Paar.

7) Exemplar von Neu-Hannover (.M. B. No. 890G). 29 + 3 Ringe. Körperschuppen 23, Schwanzschuppen jederseits

5 Längsreihen. Abdonjinalia: 221 einfache, 3 dreitheilige; Subcaudalia 32 Paar.

vom 28. Juni 1877.

421

c. Dunkle Ringe fast doppelt so breit wie die Zwischenräume.

«) Exemplar von Sydney (No, 5335). 25 + 3 dunkle

Ringe. Neunzehn bis zwanzig Schuppenreihen am Körper, 5 jederseits am Schwänze. Abdominalia 216; Subcaudalia 39.

d) Dunkle Ringe mehr als doppelt so breit wie die Zwischenräume. PI. schistorhynchus Günther.

No. 9063 M. B. von den Tonga-Inseln, No. 9071 von den Samoa-Inseln.

Diese Exemplare haben eine kleine besondere Schuppe über dem Rostrale, wie dieses auch bei anderen Varietäten vorkommt. (Cf. Monatsber. 1876 p. 534.)

7. Hyla thesaurensis n. sp.

Vomerzähne in zwei kleinen queren Gruppen in der Mitte zwischen den Choanen. Schnauze lo lang wie das Auge, abge- rundet, mit abgerundetem Canthus rostralis und vertiefter Frenal- gegend. Zunge klein, herzförmig. Trommelfell im Durchmesser halb so gross wie das Auge. Finger frei, Zehen bis über die Hälfte durch Schwimmhäute verbunden, nur bis zur Mitte des dritt- letzten Gliedes der vierten Zehe reichend. Bauch und Unterseite der Schenkel grob granulirt.

Olivenbraun. Eine mittlere Längslinie von der Schnauzen- spitze bis zum After, eine ähnliche jederseits von dem oberen Augen- lide über dem Trommelfell und an der Körperseite verlaufend, eine Querbinde zwischen dem vorderen Theile der Augen und ein von der Frenalgegend nach dem Auge und unter dem Trommelfell hingehender Längsstreif von weisser Farbe. Bauchseite und Schenkel gelblich. Aussenseite der Yorderextremität, der Unter- schenkel und der Fusswurzel bräunlich gelb,

Totallänge 0,028; Kopf 0,010; Kopfbreite 0,011; Vorderextr. 0,019; Hand mit 3. Finger 0,008; Hinterextr. 0,048; Fass mit 4. Zehe 0,020.

Zwei Exemplare von Treas ury I sl a n d (Salomons Gruppe); aus dem Museum Godeffroy.

Microdiscopihs n. gen. ^)

) ptxpos, ^laxog, növQ.

422

Gesammtsitzung

Habitus wie Calohy la. Zähne am Ober- und Zwisclien- kiefer, keine am Gaumen. Zunge oval, ganzrandig, an den Seiten und im hintern Drittel frei. Gehörtuben deut- lich. Ein knöchernes, an der Basis dreithei liges, griffel- förmiges, vorn in eine knorplige Platte verbreitertes Ma- il ubri um sterni, Coracoideum schmal, dem sich nach der Mittellinie sehr verbreiternden h>pi coracoideum paral- lel; ein breites knorpeliges h^pisternurn. Sacralfortsätze schmal, nicht verbreitert. Finger an den Enden abge- rundet; Zehen durch Schwimmhäute verbunden, mit kleinen, aber deutlichen Haftscheiben.

Verschieden äusserlich von Ixalus durch die hinten nicht ein geschnittene Zunge. Auch die Haftscheiben d e r Z e h e n scheinen zu klein, als dass sie zum Klet- tern nützen könnten, so dass diese Gattung nicht als Laubfrosch zu betrachten sein dürfte.

8. M. Sumatranus n. sp. (Taf. Fig. 4, 4a.)

Schnauze abgerundet, so lang wie das Auge, ohne Caiithi rostrales. Trommelfell versteckt, Tuben ein wenig kleiner als die Choanen. Oben glatt, auf den Seiten und den hinteren Extremitäten einzelne kleine Wärzchen.

Die vordere Extremität reicht bis zur Schnauzenspitze ; der 1. und 2. Finger fast gleich lang, der 4. wenig länger als der längste dritte. Die Hinterextreniität überragt das Auge mit dem Metatarsus; die Zehen sind bis zu den Haftscheiben durch Schwimmhäute ver- bunden. Subarticularhöcker klein, aber deutlich; ein Metatarsal- höcker an der innern Seite; äusserer Rand des Metatarsus mit einem schmalen Saume.

Oben braun, mit einer gelben Linie von der Schnauzenspitze bis zum After; unten gelb mit zerstreuten braunen Punkten, auch unter den Schenkeln; Fufssohlen schwärzlich.

Totallänge 0,028; Kopf 0,009; Kopfbreite 0,009; vord. Extr. 0,012; Hand mit 3. Finger 0,007; hint. Extr. 0, 0-3.5; Fuss mit 4. Zehe 0,018.

Ein Exemplar aus Lahat auf Sumatra; gekauft.

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1 IMiylluix'Zus (joyazcnsis 2 lyphlups aniliraiidiis. 3.()i\\Thoci'phalus aiupi.sliccps 4 Mirroilisropii.s suinali'nmis

i‘. - : iirh C

vom 28. Juni 1877.

423

Erklärung der Abbildungen.

Taf. Fig. 1. Fig. 2.

Fig. 3. Fig. 4.

Rechter Vorderfuss von Phyllopeziis goyazensis (Beim). Typhlops (Typhlops) acuticaudiis Peters. 2 Kopf im Profil, 2a derselbe von oben, 2b derselbe von unten, 2c Schwanz von unten. Vergrössert.

Typhlops (Onychoeep)halus) angusticeps Peters. Wie von Fig. 2. Microdiscopxis sumatramts Peters, 4a Mundöflnung, 4b Sternal- apparat desselben.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

A. Köl liker, Uber die Jacobson sehen Organe des Menschen. Leipzig 1877. 4. Vom Verf.

Verhandlungen und Mitfheilungen des Siebenbürgischen Vereins für Nafuricis- senscha/ten in Hermannstadt. Jahrg. XXVII. Hermannstadt 1877. 8.

M. J. Oppert, L' inscriptinn d’ Emunazar. Paris 1877. 8. Extr.

Revue scientißque de la France et de T etranger. N. 52. Paris 1877. 4.

Bulletin de V Academie R. des Sciences etc. 46. Annee. 2. Serie. T. 43. N. 4. Bruxelles 1877. 8.

D. E. D. Europaeus, Die Stammvenvandtschaft der meisten Sprachen der alten und australischen Welt. fol. Vom Verf.

Polybiblion. Part. litt. 2. Ser. T. V. Livr. 6. Part, techn. 2. Ser. T. V. Livr. 6. Paris 1877. 8.

Societe entomologique de Belgäpte. Ser. II. N. 39. Bruxelles 1877. 8. -

Sitzungsberichte der mathem. -naturwiss. Classe der K. Akademie der Wissen- schaften in JVien. Jahrg. 1877. N. XIV. Wien. 8.

B. Boncom pagn i , Bullettinn. T. X. Marzo 1877. Roma. 4.

E. Plantamour et R. Wolf, Determination telvgraphique de la difference de

longitude entre T Observatnire de Zürich et les stations astronomiques du Pfänder et du Gäbrisi. Geneve 1877. 4.

F. Freiherr von Richthofen, China. 1. Bd.: Einleitender Theil. Berlin

1877. 4. Vom vorg. K. Ministerium.

* Geologische Karte des restlichen Süd-Tirols, nach eigenen Aufnahmen entwor- fen von Dr. G. R. Lepsius 1875[7G. Berlin, fol. 2 Ex.

2;

9

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^ -

Tn Ferd. Diimmler’s Verlag.slnicliliandliin«;; sind folgende akadeniisclie Abliandlnngen at)S den Jahrgängen 1874 bis 1877 er- schienen :

IIaoen, Messung des AViderstandes, den rianscdieiben erfaliren, wenn sie in normaler Ividitnng geg(*n ilire Ebenen dnreli <lie Luft liewegt werden. 1874. Preis: I M. 50 Pf.

F. Harms, Über den Begrift’ der Psyeliologie. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

A. IviRcmiOFF, Ülier die Sclirift vom Staate der Alliener. 1874.

1‘reis: 2 M. 50 Pf.

F. Harms, Zur Reform der Logik. 1874. Preis: 2 M.

Häuft, Marci Diaeoni vita Porpbyrii Episeopi fiazensis. 1874. Preis: 1 M.

Kummer, Über die AA’irkung des Luftwiflerstandes auf Körper von verseliie- dener Gestalt, insbesondere auch auf die Geschosse. 1875. l^reis: 4 M.

A. Kirchhoff, Gedächtnissrede auf Moriz Haupt. 1875. Preis: 75 l’f.

A. Kirchhoff, Über die Redaction der Demostlienischen Kranzrede. 1875.

Preis: 2 M.

Schott, Zur Uigurenfrage. 1875. Preis: IM.

E. Rüdiger, Über zwei Pergamentblätter mit altaraliischer Schrift. 1875.

Preis: 1 M.

R. Hercher, Über die Homerische El)ene von Troja. 1875. 2. Aull.

1‘reis: 1 M.

Reichert, Zur Anatomie des Schwanzes der Ascidien-Larven. 1875. 1‘reis: 5M.

Bruns, Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 187C. Preis: 4M.

CuRTius, Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 1870. Preis: 2 M.

Dove, Die W'itterung des .Jahres 1875 und Anfang 1870. Preis: 2 M. 50 Pf.

Zeller, Über teleologische und mechanische Naturerklärnng in ihrer Anwen- dung auf das AA'^eltganze. 1870. Preis: 1 M.

Harms, Über den Begriff der AA’ahrheit. 1870. Preis: 1 .M. 50 Pf.

A'irchow, Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit beson- derer Berücksichtigung der Friesen. 1870. Preis: 20 M.

Schott, Über einige Thiernamen. 1870. Preis: 1 M.

G. Rose & A. Sadebehk, Über die Krystallisation des Diamanten. 1870.

Preis : 4 M.

Bernays, Die unter Philon’s AVerken stehende Schrift über die Unzerstör- barkeit des AA'^eltalls nach ihrer ursprünglichen Anordnung wiederherge- stellt und ins Deutsihe übertragen. 1870. Preis: 4 AL

A. Kirchhoff, Zur Geschichte des Athenischen Staatsschatzes im fünften .Jahrhundert. 1870. Preis: 2 M. 20 Pf.

A\’ EI ER STR ASS, Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 1870.

Preis: 3 M.

AVebf.r, Pancadandachattraprahandha. 1877.

Ein Märchen von König A’ikramäditya.

l’reis: 5 M.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

Juli 18T7.

Mil 2 Tafeln.

BERLIN 1877.

BUCHDRÜCKEREI DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. UNIVERSITÄTS8TR. 8.

IN COMMIS.SION IN FERD. DÜMMLER’s VERLA GS-B rQHIIANDLUNG . HARRWITZ UND 008SMANN.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

Juli 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Curtius.

2. Juli. Sitzung der philosophisch- historischen Klasse.

Hr. Buscbmann las den dritten Theil seiner Abhandlung über die Ordinal-Zalilen der mexicanischen Sprache.

5. Juli. Öfientliche Sitzung der Akademie zur Feier des Leibnizischen Jahrestages.

Der an diesem Tage versitzende Sekretär der Akademie, Hr. Curtius, eröffnete die Sitzung mit folgender Rede über Bo- den und Klima von Athen.

Leibnizens Name ist uns das Symbol einer alle Zweige der Wissenschaft umfassenden Gemeinschaft, welche wir als ein un- schätzbares Vermächtniss um so fester halten, je mehr sich das Bewusstsein dieser Gemeinschaft verdunkelt. Denn wie die Forschung in die Weite und Tiefe fortschreitet, wird ihr Gesammtgebiet einem orientalischen Weltreich immer ähnlicher, welches in Satrapien aus einander geht, die von keinem Mittelpunkte mehr übersehen, ge- schweige denn geleitet werden können.

[1877]

32

42G

Öffentliche Sitzung

Unter diesen Umständen ist nichts erwünschter, als wenn es gelingt die aus einander gehenden Richtungen an einzelnen Punkten zu vereinigen, wo sie einander unentbehrlich sind, und wo bietet sich dies ungesuchter dar, als da, wo die geistige Entwickelung eines Volks im Zusammenhänge mit der Natur seines Landes und Klimas Gegenstand der Untersuchung ist?

In diesem Sinne hat Karl Ritter als Mitglied dieser Ge- nossenschaft die Wissenschaft der Erdkunde neu begründet. Von historischer Forschung ausgehend hat er in echt philosophischem Sinn an dem Thatsächlichen sich nicht genügen lassen können, sondern ist nach allen Seiten den Ursachen nachgegangen, unter deren Einfluss Stämme und Völker ihren geschichtlichen Charakter ausgebildet haben. Je deutlicher ihm aber dabei die von der körperlichen Beschaffenheit der verschiedenen Racen, von Klima und Atmosphäre, vom Relief des Erdbodens, von der Vertheilung des Wassers, vom Vulcanismus, von den Seeströmungen u. s. w. ausgehenden Einwirkungen wurden, um so weniger konnte er physicalische Unfersuchungen von dem Kreise seiner Studien aus- schliessen. So wurde die philosophisch-historische Betrachtung mit der Methode exakter Naturforschung in Verbindung gesetzt und diese Verschmelzung bezeugt sich auch in der persönlichen Ge- meinschaft, welche Ritter mit Sömmering, mit Alexander v. Humboldt und Leopold v. Buch zu gemeinsamer Forschung verband.

Wissenschaften , welche auf der Gränze verschiedener F or- schungsgebiete gegründet werden, sind, so anregend sie wirken, als besondere Fächer schwer zu erhalten. Was in ihnen geleistet wird, muss der einen oder der andern Seite zufallen. Auch war Ritters ganze Wissenschaft zu sehr mit seiner Persönlichkeit verwachsen. Mit jener inneren Sammlung und Ruhe des Gemüths, die Allen unvergesslich ist, die ihm näher treten durften, ging er, wie ein Weiser des Alterthums, dem stillen Wirken der Natur nach und belauschte den Zusammenhang zwischen ihr und der Geisterwelt. Sein Leben und Forschen war in seltener Weise aus einem Gusse, und wenn bei seiiftm reich gesegneten Wirken Eins zu beklagen ist, so scheint es 'mir dies zu sein, dass er nach deutscher Gelehrten Art seinen geographischen Weltgang zu syste- matisch angelegt hat. Statt diejenigen Länder vor allen andern in Angriff zu nehmen, wo die Wahrheit seiner Anschauungen am

vom 5. Jtili 1877.

427

hellsten einleuchten musste, hat er an verhältnissmässig undank- bare Stoffe, an die Länder geschichtsloser Völker, deren Be- trachtung ganz dem Naturforscher anheimfällt, seine besten Kräfte gewendet und sein Lebenswerk ist unvollendet, wie der Torso eines idealen Marmorbildes, der im Steinbruch liegen geblieben ist.

Nachdem ich zum zweiten Male längere Zeit auf griechischem Boden gelebt habe, ist mir das, was Ritter uns zuerst wieder deutlich gemacht hat, lebendiger als je vor die Seele getreten; denn Griechenland und in Griechenland Attica das sind die- jenigen Plätze der bekannten Erde, welche für Ritters Gedanken der dankbarste Boden sind. Hier liegt die grösste Fülle geschicht- licher Entwickelung vor, hier die schärfste Charakteristik aller natürlichen Verhältnisse. Wenn irgendwo, so mufs hier sich zeigen lassen, dass das Land nicht bloss der zufällige Schauplatz ist, auf dem sich eine Völkergeschichte abspielt, sondern dass ein tieferer Zusammenhang vorhanden ist und wie die beiden Faktoren, der geistige und der materielle, auf einander wirken.

Was Athen gewesen ist, haben wir von Kindheit auf ermessen gelernt, und doch staunen wir nicht immer von neuem, wenn wir uns einmal zu vergegenwärtigen suchen , wie alle Zweige des menschlichen Könnens und Wissens hier zum ersten Male zur vollen Entfaltung gediehen sind? Hier herrschte die grösste Energie in Gestaltung des äussern Lebens, wo es galt die praktischen Auf- gaben des Gemeinwesens, wie Wasserbau, Wegebau u. s. w. zweck- mässig und würdig zu erledigen, und ungehemmt daneben jener mächtige Zug zum Idealen, der jedem Erzeugnisse des Handwerks den Stempel einer höheren Würde gab. Hier das rührigste Ge- schäftsleben im Gedränge des Markts und des Hafens und dabei der tiefste Zug zur Sammlung des Gemüths, ein Zug zum Denken und Dichten, der keine Ruhe hatte, bis er im Wort wie in Stein und Erz das Innerlichste, was ein Menschenherz bewegen kann, zum Ausdruck gebracht hatte, so dass eine nationale Kunst erwachsen ist, wie sie in dieser Vielseitigkeit weder vorher noch nachher sich irgendwo entfaltet hat. In Athen sind die Bedingungen, unter denen ein geordnetes Gemeinwesen bestehen kann, zuerst mit vollem Ernst erwogen und erprobt; alle Formen antiker Gemeindeverfassung mit ihren feinsten Uebergängen sind hier zuerst ausgebildet. Für Rechtsordnung und Finanzwesen sind Athens Einrichtungen mass- gebend geworden; die gerichtliche wie politische Beredsamkeit ist

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428

Öffentliche Sitzung

hier einheimisch, wie überhaupt die kunstmässige Ausbildung der Prosa; der philosophische Gedanke ist hier zuerst auf die nächsten und höchsten Probleme des menschlichen Bewusstseins gelenkt. Nach Zeit und Raum, wie nahe bei einander haben auf attischem Boden die Männer gelehrt, an welche noch heute alle Philosophen anknüpfen! Welche ethischen Kräfte, die noch das sinkende Römer- thum zu halten vermochten, sind von der attischen Stoa ausgegangen und welche Anregung für die gesammte Naturkunde hat sich an die Forschungen des Mannes angeschlossen, welcher auf den Terrassen am Ilissos auf und nieder wandelnd seinen Schülern den Begriff des organischen Lebens enthüllte! Weil hier Alles zn Hause war, wodurch sich ein höher geartetes Menschenleben von dem einer gedankenlosen Masse unterscheidet, ist Athen die geistige Mutterstadt aller Grofsstädte des hellentstischen Orients geworden, die zweite Heimath aller gebildeten Römer, deren Stadt Juvenal unmuthig eine Griechenstadt nannte. Durch Athen ist das Griechi- sche die Verkehrsprache der gebildeten Welt geworden und da- durch auch das Organ der neuen weltbewegenden Macht, welche nach Athens Untergang in die Menschengeschichte eingetreten ist. Trotzdem giebt es bis auf den heutigen Tag in der alten und neuen Welt für den Bildungsstand eines Menschen keine wichtigere Frage, als die, ob er seinen Entwickelungsgang über Athen genommen habe, und in unserem Vaterlande betrachten wir es ja vorzugsweise als den besten Bestandtheil unserer wissenschaftlichen Vorbildung, dass wir bei voller Empfänglichkeit des jugendlichen Sinnes in Athen einheimisch geworden sind.

Wie Avunderbar diese raum- und zeitlose Weltmacht einer kleinen Griechenstadt! Hat es nicht den Anschein, als wenn der Mensch nur hier die Bedingungen gefunden habe, unter denen es ibm möglich Avar sich nach allen Richtungen voll und frei zu ent- falten, und forschen Avir nicht unAvillkürlich nach der Beschaffen- heit des Landes, avo diese Entwickelung sich vollzogen hat?

MerkAvürdig ist, Avie schon die Alten dem attischen Ländchen eine besondere Aufmerksamkeit zuAvendeten und ihr Nachdenken darauf richteten, die Natur desselben mit seiner Geschichte in Zu- sammenhang zu bringen. Wie fein und einsichtsvoll urteilt Thuky- dides, Avenn er in der mässigen Begabung des Bodens von Attica eine segensreiche Mitgift der Natur erkennt, indem das Land da- durch vor den gewaltsamen Katastrophen bewahrt Avurde, AA'elchen

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die üppigeren Umlande unterlagen und dadurch der friedlich stätigen Entwickelung von innen heraus verlustig gingen.

Das erste Werk antiker Litteratur, in welchem der Versuch gemacht worden ist, die Natur eines Landes wissenschaftlich zu behandeln, ist die dem Xenophon zugeschriebene Schrift Von den Einkünften’, eine Schrift, in welcher das Klima von Athen, die Tragfähigkeit des Bodens , die Schätze des Meers und des Landes, die Lage Attikas in Bezug auf Krieg und Frieden, die mögliche Erhöhung der einheimischen Wohlstandsquellen eingehend erörtert werden. Platon schildert ein ideales Ur- Athen in phanta- stischen Umrissen; man sieht aber, wie sorgfältig er die gegebenen Lokalitäten betrachtete und stets vor Augen hatte. Das ist bei einem eingeborenen Patrioten nicht zu verwundern. Aber Aristoteles, der Fremde, der halbbarbarische Nordländer und ein Mann, der mit dem Gange, den die Geschichte Athens genommen hat, nichts weniger als einverstanden war, auch Aristoteles kann nicht um- hin, dem Lokal von Athen eine gewisse normale Bedeutung ein- zuräumen. Denn wenn er von den räumlichen Voraussetzungen eines in wünschenswerther Vollkommenheit sich entwickelnden Staates spricht, entlehnt er die Züge des Landschaftsbildes, die er giebt, unverkennbar von Athen. Beide Philosophen waren also, wenn sie diese Ansicht auch nicht theoretisch durchgebildet haben, im Grunde davon überzeugt, dass die ausserordentliche Geschichte Athens mit der Lage und Gestalt von Attica nahe Zusammenhänge, ja sie konnten sich gar keine recht gedeihliche Normalentwicke- lung denken, ohne ähnliche Bodenverhältnisse vorauszusetzen. Die Peripatetiker gingen in der Avissenschaftlichen Betrachtung und VerAverthung der attischen Landschaft noch weiter und Theophrast Avies darauf hin, dass bedeutende Entdeckungen, die in Attica ge- macht seien, durch die Formen seiner Berge A’eranlasst Avorden Avären. Denn wenn nicht der Horizont im Nordosten der Stadt durch so scharfe Formen, Avie die des Lykabettos und Pentelikon geschnitten Avären, Avürde man nicht so leicht auf die Bestimmung der SonnenAvende gekommen sein und Athen dadurch zu einem be- rühmten Sitze der Astronomie und der Jahresberechnung ge- macht haben.

Wer heute nach Athen kommt, ohne etwas von der Vergan- genheit zu wissen und nur mit einem gebildeten Auge die Gegend mustert, der muss den Eindruck haben, dass dies Land zu etAvas

430

Öffentliche Sitzung

ganz Besonderem von der Natur berufen sei. Es ist kein reicher Natursegen, der ihn bezaubert ; es sind keine ausserordentlichen Gegensätze von Höhe und Tiefe, welche ihn erschüttern; er empfängt vielmehr den wohlthuenden Eindruck einer wunderbar mannigfaltigen und doch harmonisch gestalteten, von Berg und Meer mild um- fassten, für geordnete Wohnsitze vorzüglich eingerichteten, menschen- freundlichen Landschaft. Er überblickt eine Ebene, die gross ge- nug ist eine ansehnliche Stadt zu ernähren, aber doch so mässig, dass sie von jedem höheren Punkt klar überblickt werden kann. An drei Seiten ist sie von Bergen umgürtet, welche zum Schutz der Einwohner und zur Nährung der Quellen hoch genug sind, am höchsten im Norden, wo gegen das böotische Nebelland eine Wetterscheide wünschenswerth war. Hier am Farnes liegen die höchsten und engsten Pässe; hier war eine feste Grenze, die dem ziellosen Weiterdringen eine heilsame Schranke setzte und anderer- seits die cantonale Selbständigkeit Atticas verbürgte.

Die anderen Berge im Osten und im Westen sind niedriger, milder, wegsamer; sie dienen nur als Gliederungen des zu gemein- samer Geschichte berufenen Halbinsellandes. Südwärts folgt das Auge der gemächlichen Abdachung zum offenen Strande. Hier ist kein Abschluss, keine Schranke; hier liegt der inselreiche Golf mit dem jenseitigen Festlande frei vor dem Auge ausgebreitet.

Das sind die Grundformen, welche das attische Ländchen als ein besonderes Glied des griechischen Continents absondern und innerhalb desselben der Hauptebene ihre festen Umrisse geben. Im Innern aber ist diese Ebene wiederum so reich gestaltet, dass man sie wie ein wohl gegliedertes Kunstwerk überschaut. Von NO nach SW wird sie durch einen Höhenzug durchsetzt, das Felsgebirge der Turkobüni, das die obere Ebene in zwei Fluss- thäler scheidet. Das Ilissosbett zieht sich schluchtartig zwischen den Vorbergen des Hymettos hin ; der Kephisos, der am Farnes und Pentelikon seine weitzerstreuten Quellen sammelt, senkt sich mit nie versiegender Wasserfülle in das breite Saatland hinunter, den schönen Fruchtgarten des Olivenwalds, auf welchem zu allen Zeiten der Wohlstand von Athen beruhte.

Jedes der Flussthäler hat wieder seine besondere Gliederung, seine ausgebildeten .Stufen. Oberhalb der Stadt konnte man das Wasser auffangen, um es den Gegenden zuzuführen, die den Thal- sohlen ferner lagen, und so die ganze Ebene mit einem Bewässerungs-

}

vom 5. Juli 1877.

431

netze zu überziehen. Dort aber, na'O die Zwillingsbäche einander nahe kommen, springt mitten in die Ebene der über Land und. Meer Aveit sichtbare, kühn geformte Felskegel des Lykabettos vor, mit dem Aviederum eine neue Höheugruppe beginnt, ein kleines Gebirge für sich, das auf seinen Felsstirnen die Altäre und Tempel der x\thener trug und auf seinen Abhängen die ältesten Ansiedelun- gen; vorne Areopag und Akropolis, dahinter das breitgelagerte Fnyxgabirge, das der Ilissos Avie ein Stadtgraben im Süden um- zieht.

So gering die Erhebung ist, haben die Höhen dennoch den Charakter der Grossartigkeit. Durch AYassergeAvalt und Erdbeben zerklüftet, A’oller Spalten, Grotten und Höhlen, haben sie einerseits abgeAvaschene Felskanten und jähen Absturz, andererseits nach SW abgelagerte Erdmassen, die den Fuss bedecken und einen rampenartigen Zugang bilden. SeeAA^ärts beginnt das AnscliAA'em- mungsland, das einförmige Halipedon, AA^elches aber den unschätz- baren Dienst leistet, die Piräusinsel als Halbinsel mit dem Fest- lande zu verbinden und den Blick frei über den Golf zu öffnen.

Wohin man sieht, da ist auf engem Raum die reichste Gliede- rung und Formenfülle. Jeder Schritt verändert die Aussicht, jeder neue Gesichtspunkt bietet ein neues Bild. Was AA'ir in Tanz und Musik den Rhythmus nennen, den gleichmässigen Fluss einer an- muthig geordneten AbAvechslung, dieselbe Verbindung A'on Stetig- keit und BeAA’egung ist auch in den Berglinien von Attika. Alles beAA^egt sich und bildet doch zusammen eine ruhige Harmonie.

Für die Einrichtung der Wohnsitze Avar aber so gesorgt, dass keine Unsicherheit, kein Missgritf möglich Avar. Die städtische Ansiedelung Avar auf der centralen Höhengruppe inmitten der bei- den Flüsse vorgezeichnet, und in ganz Hellas giebt es keine Stadt- burg, die zAvi sehen den überhohen Felskuppen, Avie Akrokorinth und Ithome, einerseits und den unscheinbaren Erdhügeln in .Sparta und Theben andererseits so ganz das richtige Mafs hält, Avie die Akropolis von Athen. Man Avohnte auf den zum Feldbau unbrauch- baren, trocken und gesund gelegenen Felshöhen, oberhalb der besten Ackerfluren, angesichts des nahen Meers. Man hatte das Gefühl einer normalen Zusammengehörigkeit von Land und Volk; jeder Winkel AA'ar ZAveckmässig benutzt und in den eng begränzten Räumen erAvuehs eine starke Heimathsliebe, eine volle Zufrieden-

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heit mit dem Gegebenen, eine treue Anhänglichkeit an das Alt- gewohnte und Hergebrachte.

Andrerseits hatte man eine Mannigfaltigkeit von Anregung, welche jedes Erstarren und Zurückbleiben unmöglich machte; man hatte einen See-Horizont, der von den nordarkadischen Bergen bis Poros und Hydra reiclit. Akrokorinth wird an jedem klaren Abend- himmel sichtbar; die nächsten Höhen öffnen den Blick auf die Cykladen. Man fühlte sich im Mittelpunkte von Hellas. Jede Einseitigkeit, die sich in abgeschlossenen I3ergkantonen ausbildet, oder auch in breiten Uferländern, wie lonien , wo die Menschen nur Küstenleute sind, war hier unmöglich. Der Farnes nähert sich schon dem Alpencharakter griechischer Gebirge und auch die niedrigsten der attischen Höhenzüge sind rauh genug, um Muskeln und Lungen ernsthaft in Anspruch zu nehmen. Zu allen Zweigen menschlicher Arbeit war nicht blofs Gelegenheit, sondern Nöthignng vorhanden. Man musste, um behaglich wohnen zu können, die Erfindungen machen, welche nöthig waren, um in dem spröden Kalk- felsen den Baugrund zu ebnen, Brunnen, zu graben und Wege zu bahnen. Man musste alle Erwerbzweige pflegen, welche der insel- reiche Golf, der das ganze Jahr hindurch leicht zu befahrende, mit seinem Fisch- und Salzreichthum, die kräuterreichen 15erge, die frucht- tragenden Niederungen verlangten. Die ganze Ebene ist wenig über 2 deutsche Meilen tief und doch finden wir an den Dünen des Stran- des, auf dem alten Seeboden des Halipedon, in den Thalsohlen der Flüsse, an den Hügeln, Vorbergen und Gebirgen lauter verschiedene Vegetationssphären, die ihre besondere Bewirthschaftung verlangen. Kommt man aus dem Schatten des Oelwalds, wo die Bäume, die noch heute die ältesten Monumente von Attica sind, als die ehr- würdigsten Schätze des Landes von einer Generation der andern übergeben werden, wo emsiger Fleiss auf das Nächste beschränkt nach altem Herkommen still und ununterbrochen fortarbeitet, nach dem eine halbe Stunde entfernten Hafen, wo eben so aus natür- lichen Voraussetzungen das ruheloseste Verkehrsleben wogt, so glaubt man in ein anderes Land gekommen zu sein. Diese Gegen- sätze erklären aber, wie neben der Anhänglichkeit an das Herge- brachte, neben der Stätigkeit und Heimathstreue, die ein Grnnd- zug im Charakter der autochthonen Athener ist, sich der rastlose Unternehmungssinn und der Trieb in die Weite entwickelt hat, wie er mit der Lage des Halbinsellandes eng zusammenhängt.

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Attica ist in allen Beziehungen ein von der Natur scharf charakterisirtes Land ; so auch in seinen atmosphärischen Verhält- nissen, und da klimatische Extreme in ihren nachtheiligen Folgen am unmittelbarsten empfunden werden , so ist von den Athenern nichts so dankbar anerkannt worden, als dass ihnen ein besonders glückliches Mafs zu Theil geworden sei, eine Mischung der Tem- peratur, welche von erschlaffender Gluth ebenso entfernt war, wie von einer abstumpfenden Rauhheit des Klimas. Dazu kommt die Regelmässigkeit des Kalenderjahrs, die Sicherheit im Wandel der Jahreszeiten. Mit guter Zuversicht konnte der Athener sein Ge- schäftsleben ordnen, sein Land bestellen und sein Schiff zur ersten Ausfahrt rüsten. Auch in den Winden und Gegenwinden herrscht ein Rythmus, auf dem der ganze Golfverkehr beruht. Von dem Zuge vulkanischer Herde, der Griechenland quer durchschneidet, abgelegen, ist Attica vor gewaltsamen Heimsuchungen gesichert und in gesetzmässigem Gange sorgt mit mütterlicher Treue die Natur für Alles, was dem Lande Noth thut. Ist die Regenzeit ge- schlossen, beginnen die thaureichen Nächte und nirgends ist diese unsichtbare Segenspende in Cultus und Poesie dankbarer anerkannt worden, als bei den Athenern, die ihre Stadt- und Staatsgottheit als Thaugöttin (Pandrosos) feierten.

Attica ist auch im sonnigen Süden ein vorzugsweise sonniges Land. Nach den genausten Berechnungen zählt man durchschnitt- lich 339 helle Jahrestage und nur etwa anderthalb Prozent sind völlig sonnenlos. Die Helligkeit der Luft ist namentlich für Athen charakteristisch. Wenn man von Korinth kommt oder von Theben her über den Kamm der Berge steigt, empfindet man immer mit neuer Freude die durchsichtige Klarheit, den Glanz des Himmels, der diese Ebene wie ein Festkleid schmückt. Dieses Vorzugs waren sich die Athener am meisten bewusst und Hessen sich gern von ihren Dichtern als die 'im Aether wandelnden Erechtheus- söhne’ preisen.

Athen ist durch sein Klima sehr ausgezeichnet, aber es ist nicht verwöhnt und verzärtelt. Es hat im Sommer mehr Hitze zu erti’agen als ihm seinem Breitengrade nach zukommt und hat weniger Gunst vom Meer, als man bei einer Golfstadt erwarten sollte. Das kommt daher, dass Attica als südlicher Ausläufer eines breitgelagerten Gebirgslandes unter dem vorwiegenden Einfluss des continentalen Klimas steht, obgleich die Berge von Attica ange-

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schwemmte Inseln sind und die ganze Halbinsel schon als ein Stück vom Arcbipelagus anzuselien ist.

Attica ist also auch klimatisch ein Uebergangsland und sein Nordrand, der Farnes, an welchem die Wolken Böotieus hangen, ist eine Scheidewand zwischen zwei ganz verschiedenartigen Atmo- sphären. Daher die unaufhörliche Aufregung in der Luft, die Luft- strömungen, welche unausgesetzt über den Boden des schmalen Halbinsellandes binzieben und bei vollkommen wolkenlosem Himmel zu Stürmen anschwellen. Attica ist ein Kampfplatz der Winde. In diesem Kampfe ist aber der im Winter schneidig kalte, im Sommer heisse, trockene Nordwind der unbedingt überlegene. Ihm gehören 178 Tage des Jahrs und der milde, feuchte Seewind kann nur wie ein schwacher Gegenhauch aufkommen. An allen Höhen der Stadt erkennt man die Nordseite als Wetterseite; man siebt den ältesten Ansiedlungsspuren an, wie die Bewohner sich von den ausgesetzten .Stellen zurück gezogen haben. Das alte Friesterge- schlecht der Heudancmoi hatte seinen Namen davon , dass seinen Ceremonien die Macht zugeschrieben wurde die Atmosphäre zu“ beruhigen und es ist gewiss nicht unwahrscheinlich , dass in dem wüsten Bergvolk der Kentauren, welche die Athener so gern dar- stellen, die dämonische Gewalt der Winde veranschaulicht ist. Boreas ist ein lästiger Hausgenosse der Athener, ein Friedenstörer in dem sonst so behaglich und harmonisch eingerichteten Ländchen. Nach dem weichen Anhauch der Seeluft wird seine jähe Gewalt, welche schon die Alten mit einem Mark und Bein durchViohrenden Geschoss verglichen, doppelt peinlich und dass sie aller Ehren un- geachtet, di« dem gestrengen Herrn wie billig erwiesen wurden, seine Anhänglichkeit an Attica übel empfanden, geht schon daraus hervor, dass, wenn sie sich ein Land ungestörter Festlust und Seligkeit ausmalten, dasselbe dahin verlegten, wo kein Boreas wehe, in das Hyperboreerland, dessen Auffindung freilich erst das Re- sultat einer an das Ziel gelangenden Nordpolfahrt sein könnte.

Die attische Windplage hat aber auch ihr Gutes. Sie hängt ja mit der Klarheit des Himmels, mit der reinen Beschaffenheit der Luft eng zusammen; sie fegt alle schädlichen Dünste aus. Wenn das alte Athen einmal einer furchtbaren Epidemie unterlag, so erfolgte dies in einer Zeit, wo die Bevölkerung zum ersten Male in die engen Quartiere zweier geschlossener Grofsstädte ein- gezwängt waren, und Ferikles’ Gegner haben es gewiss nicht unter-

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lassen, das aas polirischeu Gründen von ihnen verwünschte Mauer- svstem, das den freien Windzng hemme, als eine der Hanptarsachen des entsetzlichen Unglücks darzustellen. Die Tage der Tramon- tana gelten ja auch heute noch immer als die gesünderen, als die nervenstärkenden, welche zu körperlicher und geistiger Thätigkeit die Lust wecken. Die besondere Rauheit der attischen Luft hatte aber in ähnlicher Weise wie die des Bodens den Tortheil, dass sie das Volk durch den Wechsel der Temperatur abhärtete und ihm diejenige Stählung gab, welche man im Gegensatz zu den weich- lichen Ioniern an den derberen und freiheitsmuthigen Nordländern bewunderte.

Daneben genossen ja die Athener den ganzen Segen ihres in vorzüglichem Grade südlichen Himmels. Die Natur war ihnen keine feindliche, missgünstige Macht, welcher die Bedingungen eines leidlichen Daseins abgerungen werden müssen, sondern leicht ge- währt und reichlich spendet sie, was zum Leben gehört. Sie macht auch dem Unbemittelten das Dasein sorgenfrei und erzieht den Menschen, weil das Leben und Athmen unter diesem Himmel an sich eine Freude ist, zur Mässigkeit und Bedürfnis slosigkeit. Er ist von den kleinen Beschwerden, die das Leben des Nordländers am meisten verkümmern und hemmen, ungleich freier; ein Himmel wie der von Athen macht das Auge hell , weckt und schärft die Beobachtung, stimmt das Gemüth heiter und reizt zu einem thätigeu Gebranch aller Kräfte. Er stärkt die leibliche und geistige Ge- sundheit, indem er es das ganze Jahr hindurch den Menschen mög- lich machte, in Luft und Licht thätig zu sein. Unter freiem Himmel arbeiteten die Handwerker, lehrten die Philosophen, sangen die Chore, wirkten die Staatsmänner. Dies Leben im Freien war Grundlage eines wahren Gemeindelebens in der Arbeit für den

Staat wie in der Feier der Feste. Auch dem Aermsten war die

Mufse nicht versagt; das Beste war Allen gemeinsam: darum war ihnen auch eine das Gemeiudeltbeu störende FTberschätzuug des häuslichen Behagens fremd, und auch in dieser Beziehung kannte man keine solche Sonderung der Stände, wie sie da eintritt. wo Alles davon abhängig ist. wie weit Jemand zufällig die Mittel in Händen hat, um alle Schwierigkeiten des Lebens für sich und die

Seinen glücklich zu überwinden. Nichts aber ist. wenn wir die

Geschichte des Landes im Zusammenhang mit seiner Natur in's Auge fassen, von grösserem Interesse als die Wahrnehmung, wie

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auch die vorhandenen Mängel den Athenern zu Vortheil und Segen gediehen.

Der Mangel an solchen Fruchtebenen, wie sich Thessalien, Böotion, Lekonien, Elis, Messanien derselben rühmen konnten, machte Attica zu einem verachteten Ländchen, das die nach fettem Landbesitz gierigen Stämme des Nordens ganz bei Seite liessen. Die Folge war, dass Attica unter allen Küstenlandschaften allein aus pelasgischer Urzeit sich ohne gewaltsame Unterbrechung har- monisch hat gestalten können und in friedlicher Entwickelung allen griechischen Ländern vorangegangen ist. Die dünne Humusdecke aber war Veranlassung, dass der Boden um so sorgfältiger bestellt wurde und der Erfolg war, dass die attischen Baum- und Garten- früchte schmackhafter waren als die aller anderen Länder. Damit stimmt, dass die auf trockenem Boden gezogenen Feldfrüchte auch heute noch zarter, feiner, aromatischer gefunden -werden; sie wer- den unter den Namen 'Xerikä’ feilgeboten. Kein griechisches Ge- birge liefert duftigere Kräuter als der llymettos, die altberühmte Bienenweide, und selbst die Ziegen und Schafe, die auf solchen Höhen geweidet haben, w’erden, wenn zum Osterfest die Heerden gemustert werden, von den Kennern besonders gewürdigt.

Von dem sorgfältigen Fleisse, zu welchem die dünne Humus- decke den Athener nöthigte, zeugen an allen Abhängen die müh- sam abgestuften Terrassirungen; davon zeugen auch die Urkunden alter Fachtkontrakte, in denen ausdrücklich vorgesehen wird, dass die Erdlagen der Grundstücke nicht vermindert werden sollen.

Ebenso gab die Trockenheit des Bodens, die mit dem regen- armen Klima und der frühen Entwaldung des Gebirges zusammen- hängt, den Athenern die Nöthigung, alle Wasseradern an und in den Berghängen sorgfältig aufzusuchen, um sie in unterirdischen Felsgängen nach dem Mittelpunkt des Landes zu führen und gleich- zeitig den Wasservorrath in den Flussbetten oberhalb der Stadt nach beiden Seiten so zu vertheilen, dass kein Strich des bestell- baren Landes leer ausging. Mit wahrer Bewunderung folgt man allen Vorkehrungen, auf denen das w'eise System des attischen Wasserhaushalts beruht, diese bescheidenen, aber unvergänglichen Anlagen der arbeitstreuen Athener, deren unterirdische und über- irdische Canäle noch heute ihre heilsamen und treuen Dienste leisten.

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Durch keinen Fleiss konnten die Athener ihr Land zu einem reichen Lande machen, und wenn die Vegetation auch eine grosse Mannigfaltigkeit zeigt, so waren die einheimischen Erzeugnisse für eine in zwei Grofsstädten neben einander sich ansammelnde Be- völkerung auf die Dauer doch völlig ungenügend. Darin lag der unabweisbare Antrieb für Athen, aus seiner cantonalen Beschrän- kung herauszugehen, das Meer mit zu Attica zu rechnen, erst see- tüchtig und dann seemächtig zu werden. Wenn nun die ausge- wählteste Hafengelegenheit am Strande, wie sie keine Phantasie günstiger sich ausmalen könnte, dazu kam mit einem inselreichen Golfe, wo die Schiffe Schritt für Schritt sich von dem heimischen Strande weiter hinaus wagen konnten, wenn endlich die zum Flottenbau unentbehrlichen Mittel den Athenern durch die Silber- minen von Laurion dargeboten waren, so erkennt man, in welchem Grade ihnen ihr geschichtlicher Beruf durch die natürliche Begabung des Bodens vorgezeichnet war, ebenso wie der plastische Thon vom Kerameikos und Cap Kolias und die Fülle des edelsten Marmors im Hymettos und Pentelikon den attischen Boden zu einem aus- gewählten Sitze der bildenden Künste gestempelt haben.

So war Attica durch das, was es hatte und was es nicht hatte, ein Land einzig in seiner Art. Jede Gabe wollte verwerthet sein, jeder Mangel weckte die Erfindungskraft. Die Anhänglich- keit an den heimathlichen Boden, welche die Grundbedingung einer glorreichen Geschichte ist, beruht aber nicht darauf, dass ein Volk mit mühelosem Behagen dem Ueberflusse im Schofse sitzt, sondern das verbindet Volk und Land, dass lange Reihen von Geschlechtern ununterbrochen daran gearbeitet haben, alle Unbequemlichkeiten ihrer Wohnsitze zu überwinden, alle Schätze zu verwerthen, alle Mängel zu ersetzen. Je eifriger man den Spuren der Geschichte auf dem Boden und im Boden nachgeht, um so deutlicher erkennt man, dass wohl nie ein Volk in seiner Heimath so zu Hause ge- wesen ist, wie die xithener in Attica, und wir fühlen Alle, wie unmöglich es ist, sich die Athener anderswo ansässig zu denken. Ein Volk, das so mit seinem Lande verwachsen ist und sich das- selbe so angeeignet hat, ist auch entschlossen, sein volles Eigen- thumsrecht in Anspruch zu nehmen und keinerlei fremde Hoheits- rechte anzuerkennen. Das gab ihnen den Muth, den Massen über- seeischer Barbaren, denen noch keine Griechenschaar Trotz ge-

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boten hatte, am Strande von Maratlion entgegenzutreten und noch bei Chaironeia für die Unabhängigkeit ihres Bodens zu bluten.

Der Besitz eines solchen Landes flöfst dem Volk endlich auch ein stolzes Selbstgefühl ein, und so viel reichere Nachbarländer auch die Athener um sich sahen , so betrachteten sie ihr Ländchen mit seinen Bergen, seinem Meer und Himmel doch als ein Jinvel unter allen Ländern der Erde, um das auch die Götter gehadert hätten, als einen Edelsitz, den die Göttin Athena selbst für ihre Kinder ausgesucht habe, und dieser Heimathstolz erfüllte sie mit einer zweifellosen Zuversicht und mit einem unerschütterlichen Glauben an ihren hohen Beruf. Ohne diesen Glauben wäre Athen nimmer zu dem geworden, was es uns heute noch ist.

Man bildet sich wohl ein, dass an hervorragenden Plätzen der Geschichte ein gewisser Segen hafte, dessen Wirkung nicht aus- bleiben könne, und deshalb hat man es bei Errichtung des neuen Griechenlands für eine Art Pflicht gehalten, die alten Städte wie- derum zu Mittelpunkten der Geschichte zu machen, wie wenn man versprengte Truppen um alte Fahnen sammelt.

Ein solcher Cultus geweihter Stätten beruht auf Täuschung und kann leicht zu dem gefährlichen Irrthum verleiten, als wenn man geschichichtlichen Ruhm durch Tradition des Namens erhalten könne, demselben Irrthum, durch welchen so viele Enkel erlauchter Geschlechter hinter den Wappenthoren ihrer Ahnen verkommen sind.

Der Boden macht die Geschichte nicht, so wenig wie er im Stande ist, den Verfall eines Volkslebens zu verhindern. Der Keim, dem das Leben entspriesst, ist die sittliche Kraft, der Sinn für die höchsten Lebensziele, der Muth sie entschlossen zu ver- folgen.

Nur die rastlose Energie eines reich begabten Menschenge- schlechts hat Attica zum Schauplatz einer solchen Geschichte ge- macht. Ist diese Kraft lebendig, so tritt jede Gunst der Oertlich- keit in volle Wirksamkeit und auch die Mängel werden zum Segen; fehlt sie, so werden auch die Vorzüge ins Gegentheil verkehrt. Unter dem Sonnenhimmel von Athen hat Jahrhunderte lang die wüsteste Barbarei geherrscht und ein träges Dahinlebcn, wie cs sich dort entwickelt, wo dem Einflüsse eines levantinischen Klima’s keine selbstständige Kraft entgegentritt.

Athen zeigt uns also an einem hervorragenden Beispiel, wie Alles davon abhängt, dass das rechte Volk an die rechte Stelle

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komme, damit die normale Entwickelung voll und glücklich ge- deihe, wie jede Pflanze eine besondere Beschaffenheit von Luft und Erde verlangt, damit das, was sie sein soll, zu voller Wahr- heit werde.

Das ist das geheimniss volle Verhältniss zwischen dem Mate- riellen und dem Geistigen in der Geschichte; ein Verhältniss, das allerdings nicht nach unabänderlichen Gesetzen geordnet ist. Es hat auch seine Geschichte. Rohe Naturvölker leben ganz unter dem Bann der natürlichen Bestimmungen. Mit dem Fortschritt menschlicher Erfindung und Erfahrung werden sie mehr und mehr zurflckgedrängt. Die Geschichte des Alterthums hat nun den eigen- thümlichen Reiz, dass sie uns eine voll, frei und reich entwickelte Cnltur vor Augen stellt, welche die Bande nicht abgestreift hat, die sie mit der Anssenwelt verbindet. Hier hat sich bei aller Selbstständigkeit des geistigen Lebens eine wirkungsvolle Wechsel- beziehung erhalten, so dass das Geistige und das Körperliche gleich- sam organisch verbunden wie Leib und Seele zu einander gehören. Suchen wir für diese harmonische Wechselwirkung, wie ich sie an den Athenern und Attica nachzuweisen versucht habe, nach einem bezeichnenden Ausdruck, so möchte ich am Leibniziage wagen, sie eine prästabilirte Harmonie zu nennen, ein Verhältniss, dessen Erforschung den Naturforscher wie den Historiker in gleichem Mafse in Anspruch nimmt.

Hierauf hielt Hr. Dillmann, als seit dem letzten Leibniztage neu eingetretenes Mitglied, folgende Antrittsrede:

Fast 150 Jahre war das Feld brach gelegen, in welches ich vor 3 Decennien zu selbständiger Arbeit eintrat. Dass Hebräisch, Arabisch, Aramäisch immer wieder neue Gelehrtenkräfte an sich zieht, dafür ist durch die Bedeutung der Literaturen dieser Sprachen hinlänglich gesorgt. Die vierte der Schwestern stand unbeachtet bei Seite; was man von ihr wusste, war nicht viel mehr als was der trefl'liche Hiob Ludolf gelehrt hatte. Erst der L’mschwung der gesammten Sprachlehre von der blos beschreibenden und philo-

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sophirenden zu der vergleiclienden und gescliichtlichen Behandlung der Spi’achen, ^vie er in diesem Jahrhundert vor sich ging, brachte auch dem Geez (oder Äthiopischen, wie man es seit der Mitte des XVI Jahrhunderts zu benennen sich gewölinte) und den verwandten Dialecten wieder erneute Aufmerksamkeit ein, indem man darin ein wichtiges Mittelglied in der Entwicklungskette der semitischen Sprachenfamilie erkannte; und das viele neue Ilandschriftenmaterial, das zur selben Zeit bei dem reger werdenden Verkehr zwischen Morgen- und Abendland aus Abyssinien nach Europa kam, bew'ies zugleich, dass auch die in dieser Sprache erhaltene Literatur um- fangreicher und wuchtiger sei als man geglaubt hatte. Hier gab’s auf einmal viel zu thun. Dass ich gerade in diese Arbeit eintrat, würde ich einen Zufall nennen, w'enn es vernünftig wäre von Zu- fall zu reden. Ich hatte mich durch Studium der Philosophie, Theologie und der orientalischen Philologie in H. Ewald’s Schule für das Bibelfach ausgebildet und w'ollte zunächst zum Zw'eck einer neuen Bearbeitung des Henochbuches die betreffenden Geez-Hand- schriften in Frankreich und England vergleichen. Da W'urde ich durch Aufträge von den Veiwvaltungen des britischen .Museums und der Bodleiana zur Katalogisirung ihrer alten und neuen abyssini- schen Ilandschriftensammlungen veranlasst und damit war mein Schicksal entschieden. Wer mit unzulänglichem grammatisch- lexikalischem Apparat Handschriften einer ausgestorbenen Sprache liest, ist auf eigenes Beobachten und Suchen angewiesen; jeder Fund, den er da macht (und wie viel solche giebt es in einem neuerschlossenen Gebiet!) fesselt ihn noch fester an seinen Gegen- stand; aus der Masse des Gefundenen erheben sich neue Gesichts- punkte und Fragen, die w'ieder in anderer Richtung zu suchen treiben. Ruhe lässt’s einem nicht mehr, bis das ganze Gebiet durch- laufen und durch Verarbeitung des Gefundenen dem innew'ohnenden Gestaltungstrieb Genüge geschehen ist. So habe ich während 20 meiner besten Lebensjahre die Hälfte meiner Arbeitszeit und Kraft aufgew'endet, bis ich durch Ausgaben der wichtigsten Texte und durch eine den Anforderungen der heutigen Sprachwissenschaft entsprechende Neubearbeitung der Grammatik und des Lexikons, dieser Sprache und Literatur den ilir gebührenden Rang im Ge- biet des Semitismus verschafft hatte. So mühselig diese Arbeit mit fast nur handschriftlichem .Material war, so still und einsam w'ar sie; der Gelehrten, die ihr mit Verstäudniss folgen konnten,

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waren wenige, und von Seiten eines grösseren Publicums war an Tbeilnahnie nicht zu denken. Abyssinien, so interessant Land und Leute in vieler Hinsicht sind, hat niemals in die grosse Geschichte eingegriffen; nicht einmal für die Geschichte der Kirche ist es von Wichtigkeit geworden; dass eine Anzahl sonst ganz oder theilweise vei'lorner jüdischer oder altchristlicher Bücher und allerlei alte und absonderliche Sitten und Bräuche sich dort erhalten haben, ist nahe- zu Alles, was die Theologen daran interessirt. Wer also dort sich vertiefte , begab sich wie auf einen verlorenen Posten. Ich kann Sie versichern, dass bei solchen langen dürren Arbeiten, ohne un- mittelbaren Nutzen für das Leben, ohne merklichen Einfluss auf die dominirenden Wissenschaften, auch den Entsagungsvollsten oft das Gefühl der Öde, die Furcht vergeudeter Kraft und Mühe über- kommt, ganz zu geschweigen davon, dass aus Mangel der nöthigen Geldmittel auch manche wünschenswerthe Aufgabe ganz oder halb unausgeführt bleiben muss. Aber die Zugkraft der wissenschaft- lichen Befriedigung, zumal in der Jugend, überwindet auch diese Schwierigkeit, und Arbeiten, die nicht sofort in der grossen Welt angestaunt oder ausgebeutet werden , laufen auch nicht Gefahr, übereilt oder in schiefe Bahnen geleitet zu werden. Was ich aber während jener Arbeitsjahre oft vermisste, ist mir später in reichem Maafse zu Theil geworden; die Ergebnisse der Arbeit sind nun viel- gebrauchtes Gemeingut, und eine ziemliche Zahl mittelbarer oder unmittelbarer Schüler aller Orten greift jetzt unterstützend ein. Dass auch Sie durch meine Aufnahme in Ihre Mitte meinen Leistungen Ihre Anerkennung hinzufügen wollten, empfinde ich als eine hohe Auszeichnung. Gestatten sie mir, dass ich heute öffent- lich Ihnen meinen Dank dafür ausspreche!

Aber in die Akademie tritt man nicht ein, um auszuruhen, sondern um die Wissenschaft in seinem Theile nach Kräften zu fördern, eine Aufgabe, erfreulich an sich und doppelt erhebend für den, der berufsmässig viel mit Kreisen zu verkehren hat, welchen Stillstand der Wissenschaft oft erwünschter wäre als Fortschritt. Selbst auf dem abyssinischen Gebiet habe ich die Arbeiten , die ich mir einst vorgenommen, noch keineswegs abgeschlossen. Der Druck des ältesten Sprachdenkmals, des Bibeltextes, wartet seit lange auf günstigere Zeiten zu seiner Vollendung. Eine Bearbeitung der Geschichte dieses Reichs und seiner Beziehungen zu den an- grenzenden afrikanischen Völkern, genauer und zuverlässiger als

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J. Bruce sie gegeben, auf Grund der fortlaufenden einheimischen Königsannalen seit dem XIII. Jahrhundert liegt noch immer in meinem Plan. Für die Entwirrung des Sprachengewirres der abyssinischen Völker und ihre linguistische wie ethnographische Eingliederung ist noch viel zu thun, obwohl von mehreren Seiten schon schöne Anfänge darin gemacht sind. Auch die Rechts- bücher mit ihrem Gemisch von jüdischen, kanonischen und byzan- tinischen Elementen verdienten eine genauere Untersuchung, nicht zu gedenken anderer, mehr kirchlicher oder theologischer Bücher. Aber wie keiner auf einem speciellen Gebiet semitischer Zunge fördernd eingreifen kann, ohne zugleich fortwährend seinen Blick auf die andern zu richten und aus ihnen zu schöpfen, so habe auch ich mich niemals auf den Vorpostendienst im tiefen Süden be- schränkt oder zu beschränken gedacht. Schon durch Amt und Beruf gehört längst meine Hauptthätigkeit einem örtlich und zeit- lich weit davon entlegenen Gebiete an. Die israelitischen Bibel- bücher, wenn man sie auch nach Eröffnung der assyrisch-baby- lonischen Quellen nicht mehr unbedingt die ältesten schriftlichen Denkmale der semitischen Völker nennen kann, behaupten doch immer ihren Rang als die edelsten und wichtigsten Geisteserzeug- nisse des semitischen Alterthums, als ein unversiegbarer Born, aus welchem religiöses Leben und Denken der .Menschheit sich fortwährend erneuert, darum in ihrer Art eben so würdig, immer genauer wiedererkannt und verstanden zu werden, wie aus andern Gründen die classische Literatur. Die Zeiten, wo sie, vor Be- rührung mit profaner Wissenschaft ängstlich gehütet, ganz als ein Ding für sich behandelt zu werden beanspruchten, sind nun doch vorüber. In den Fluss allgemeiner geschichlicher Betrachtung ge- stellt, sind sie auch Gegenstand allgemeiner Wissenschaft, und ziehen aus dieser Licht, wie sie selbst hinwiederum ihr Mittet der Forschung reichen. Je jünger aber diese allgemein-geschichtliche Betrachtungs- und P>klärungsweise der althebräischen Literatur ist, desto mehr gibts noch darin zu thun und umzugestalten; die sich häufenden epigraphischen Entdeckungen, der Fortschritt der Ägyp- tologie und Assyriologie haben ihr neue Probleme gebracht; eine ganze Reihe religionsgeschichtlicher, archäologischer, chronologi- scher, ethnographischer und geographischer Fragen knüpft sich daran an. Ich glaube nicht, m. II., dass Sie derlei Untersuchungen nur darum, weil sie mit der Bibel Zusammenhängen, aus dem Kreise

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der akademischen Wissenschaften ausgeschlossen betrachten. Viele dieser Untersuchungen können aber gar nicht geführt werden, ohne die jüngeren Quellen und Hilfsmittel nicht blos bei den Classikern und Byzantinern, sondern noch mehr bei den Orientalen selbst, zu- meist der immer reicher zu Tag geförderten syrischen und arabi- schen Literatur zu Rathe zu ziehen. So wird, wer in den ge- nannten Zweigen tiefer dringend arbeiten will, auch mit dem übrigen semitischen Schriftenkreise im Zusammenhang bleiben müssen, und findet auch hier wieder Stücke genug, die in selbständiger Weise seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit in Anspruch zu nehmen ver- mögen. — Und endlich die Sprachen selbst, diese wunderbar kunst- vollen Gebilde des denkenden Geistes der Völker und Völkerfamilien, sie werden keinen, der auch nur von einer oder zweien den Orga- nismus bis in seine kleinsten Glieder, Gefässe und Fasern selb- ständig durchforscht und begriften hat, aus dem Zauberkreis ihrer Anziehungskraft wieder gänzlich entlassen. Jeder neue Text, und wärens auch nur einige Inschriftenzeilen, wirft ihm sprachliche Ausbeute ab. Nach der grammatischen Seite ist hier freilich für die Hauptsprachen (mit Ausnahme des Syrischen), selbst für einige ältere oder neuere Nebensprachen, der erheblichste Theil der Arbeit vorerst gethan, aber naclizuholen, zumal an der Hand neuer Funde, gibts immer noch Vieles, und noch manche feinere, und schwierigere Fragen harren einer befriedigenderen Lösung. Viel weiter zurück sind wir in der Behandlung des Wortschatzes. Nicht blos dass hierin zu jeder der semitischen Literatursprachen (mit Ausnahme des ein für allemal abgeschlossenen Hebräischen) fast jeder neu bekannt gemachte Text auch einigen Zuwachs bringt; noch viel mehr ist zu thun in der Sonderung des Sprachgutes und Sprach- gebrauchs nach seinen örtlichen und zeitlichen Nüancirungen , in der Unterscheidung des in jeder Sprache individuell Entwickelten und des allgemein Semitischen, des Eigenen und des aus der Fremde Eingebürgerten, und halte ich derlei Beobachtungen zu machen für wichtiger und richtiger, als nach vorgefasste oder doch nicht allge- mein gültigen Theorien, wie z. B. von der ursprünglichen Zweilautig- keit aller semitischen Wurzeln logische Schemata der Bedeutungs- entwicklung der einzelnen Wurzeln und Wurzelgruppen zu ent- werfen. Der Weg der empirischen Beobachtung ist der langsamere aber sicherere. Erst wenn ein besserer empirischer Unterbau da ist, lassen sich auch die Wechsel, welche die einzelnen Wurzel-

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Stoffe bei den einzelnen Völkern durchlaufen haben, vollständiger übersehen und die Gesetze derselben, so weit sie da sind, erkennen. Vollständiger, sage ich, denn ganz fehlt ihre Erkenntniss auch jetzt schon nicht. Die Gesetze werden aber ziiin Theil sehr viel andere sein als in dem arisch-europäischen Sprachenkreis, und nichts kann verkehrter sein als mit den dort gefundenen Gesetzen unmittelbar auch auf semitischem Gebiet operiren zu wollen. Nicht jedes taugt für jeden. Dass die Semitisten keine Sprachvergleichungs-Wissen- schaft erzeugten oder auch nur besonders anstreben, hat seinen guten Grund. Die grammatischen Formen und Bildungsmittel sind in den semitischen Sprachen theils einfacher theils ihrem Ursprung und Sinn nach durchsichtiger, als in den indogermanischen Sprachen, wo sie grösstentheils bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen sind. Entdeckungen, wie sie Bopp und seine Nachfolger für diese machten, waren für jene nicht erst zu machen. Auch die Gesetze der all- mähligen Decomposition der Bildungsformen in den jüngeren und entarteteren Sprachen sind schon reichlich erkannt und brauchen nur übersichtlich zusammengestellt zu werden. Bezüglich der Wech- sel der Wurzelstoffe aber von Volk zu Volk liegen die Verhält- nisse hier sehr viel anders, theils einfacher, theils regelloser. Die noch weiter zurückliegenden Fragen über Ursprung und Verbreitungs- geschichte der semitischen Sprachen und Völker und ihren Zu- sammenhang mit andern Völker- und Sprachfamilien müssen wir zwar meines Erachtens im Auge behalten, aber auf rein linguistischem Wege werden sie dermalen nicht zu lösen sein.

Ich habe mich, da Sie mir das Wort gegeben, über Fächer und Richtungen meiner bisherigen und fernerhin beabsichtigten wissenschaftlichen Thätigkeit genügend ausgesprochen. Wie viel ich noch werde arbeiten und ausführen können, hängt nicht von mir allein ab, sondern von dem, der dem Menschen Leben und Kraft gibt.

Hr. Curtius, als Sekretär der philosophisch - historischen Klasse, beantwortete diese Rede folgendermafsen :

Mit besonderer Freude erfülle ich den mir heute gewordenen Auftrag, Ihre inhaltreiche Ansprache zu erwidern und Sie damit

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in den Kreis der Akademie einzuführen. Mehr als drei Decennien einsamer Arbeit haben Sie einem Sprachstamm gewidmet, der mit seinem ganzen Sprachschätze vergessen und verschollen war. Während auf dem Boden klassischer Alterthumskunde nur in Stein und Erz neue Quellen der Sprache und Geschichte an das Tages- licht zu treten pflegen, ist es, wie Ihr Beispiel zeigt, auf orienta- lischem Gebiet noch möglich, ganze Litteraturen aus dem Staube der Bibliotheken an das Licht zu ziehen und unerwartete Erndten heimzubringen.

Sie haben, wie alle Entdecker, von der grossen Heerstrasse fern, ganz auf Sich angewiesen, ein entlegenes Gebiet menschlicher Cultur, von dem Sie nicht wissen konnten, wie viel Ertrag es Ihnen liefern würde, um äusseren Erfolg unbekümmert, nur der Sache zugewendet, mit jugendlichem Muth und eiserner Beharr- lichkeit durchforscht. Sie hatten dabei das Glück, dass die lingui- stische Forschung genügend herangereift war, um Sie mit einer sichern Methode auszurüsten. So konnte cs Ihnen gelingen, in Ihrer Grammatik und dem Wörterbuche Werke hervorzubringen, welche in seltner Weise zugleich bahnbrechend und abschliessend waren. Das sind Monumente deutscher Geisteskraft, und die An erkennung, die Sie nicht gesucht haben, ist Ihnen um so sicherer zu Theil geworden.

Sie haben die volle Mühe des Urbarmachens gehabt, aber auch die eigenthümlichen Vorzüge, die damit verbunden sind, den Vor- zug, aus dem Vollen arbeiten, mit dem Gegenstände allein Sich beschäftigen und Bleibendes schaffen zu können, das nicht in Frage gestellt werden kann. Das Fach, das Sie eingerichtet haben, ist Ihr geistiges Eigenthum.

Doch der enge Kreis eines Arbeitsfeldes hat Sie nicht ge- halten. Indem Sie der semitischen Sprachenfamilie eine verlorene Tochter wieder zuführten, haben Sie zugleich das Verhältniss der verschiedenen Sprachstämme zu einander, die heiligen Urkunden der Semiten nach ihrem geschichtlichen Charakter und die Bedeu- tung des ganzen Völkergeschlechts für die alte Culturgeschichte nie aus dem Auge verloren.

Lange Zeit hat man sich die semitische Bildung nur als eine der Grundlagen gedacht, auf welchen die Cultur der christlichen Menschheit beruht. Jetzt erst hat man angefangen zu begreifen, wie tief die Semiten in die Culturwelt der klassischen Völker ein-

44G

Öffentliche Sitzung.

gegriffen haben, nicht nur in Handels- und Verkehrsverhältnissen, sondern auch in Sitte und Gottesanschauung; man Avird immer mehr einsehen müssen, wie einseitig es sei, der Hellenen religiöse Anschauungen sämmtlich aus arischen Keinen herleiten zu wollen.

Sie Selbst erkennen in dem regeren Verkehr zwischen Abend- und Morgenland ein Zeichen der Zeit. Den uralten Gedankenaus- tausch zwischen Ariern und Semiten umfassender zu erkennen, die belebenden Einwirkungen ihrer gegenseitigen Berührungen bestimm- ter nachzuweisen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Culturge- scliichte und nichts wird uns willkommener sein, als wenn Sie neben den eigentlichen Fachstudien, die Sie als orientalischer Phi- lologe und Bibelforscher betreiben, auch auf diesem weiteren Ge- biete geschichtlicher Betrachtung uns die Ergebnisse Ihrer For- schungen kennen zu lernen Gelegenheit geben.

Mit dem herzlichen Wunsche, dass den hohen Arbeitszielen gegenüber die volle Kraft Ihnen nicht versage, heisse ich Sie, hochverehrter Herr College, Namens der Akademie in unserer Mitte Avillkommen!

Hr. Waitz, als Vorsitzender der Central-Direction derMonu- rnenta Germaniae historica, erstattete folgenden Bericht:

Wenn es mir obliegt, an dem heutigen Tage einen kurzen Be- richt über den Fortgang der Monumenta Germaniae historica zu erstatten, so habe ich vor allem des Verlustes zu gedenken, den sie durch den Tod des Mitgliedes der Centraldirection, des langjährigen Herausgebers der Monumenta G. II. Pertz erlitten. Ich habe an anderer Stelle versucht, die grossen, für alle Zeiten unvergesslichen Verdienste zu würdigen, welche Pertz sich um das von dem Frei- herrn vom Stein begründete Unternehmen erworben, Avelches er 50 Jahre hindurch mit kräftiger und einsichtiger Hand geleitet, und erst dann abgegeben hat, als das Alter auch von ihm seinen Tribut forderte und er überzeugt sein konnte, dass durch das Ueichskanzleramt und die von diesem hcrangezogene Akademie eine Fortführung in dem ursprünglichen Geist des Unternehmens,

vom 5. Juli 1877.

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und mit erweiterten Mitteln und Kräften gesichert sei. Pertz hat besonders die Abtheilung Scriptores gefordert und in den 20 P'olio- bänden die er publiciert, der Geschichtsforschung des Mittelalters, nicht blos Deutschlands, auch Italiens, Frankreichs und aller der Lande, die mit dem Römischen Reich in Verbindung kamen, eine ganz neue Grundlage gegeben. Daran reihen sich 4-|- Bände Leges, von denen zwei von ihm bearbeitet sind, die dem Studium der Deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte die wesentlichste För- derung gebracht. Und auch für alle anderen Abtheilungen sind um- fassende Sammlungen angelegt, die zu ergänzen und zu veröffent- lichen jetzt die Aufgabe derer ist, die bei der eingetretenen Thei- lung die Leitung der einzelnen Abtheilungen übernommen haben.

Von denAuctores antiq uis simi, die unter Hrn. Mommsens Leitung stehen, ist der Druck des Bandes welcher den Eutrop mit den Zusätzen des Paulus Diaconus und der griechischen Übersetzung des Paianios enthält, bearbeitet von Dr. H. Droysen, und des Salvian, herausgegeben von Prof. Halm in München, begonnen. Andere Theile sind in Vorbereitung, einige dem Abschluss nahe.

In der Abtheilung Scriptores ist die zweite Hälfte des zweiten Bandes Deutscher Chroniken bearbeitet von Prof. Weiland in Gies- sen, erschienen. Von der Scriptores rerum Langobardicarum et Itali- carum s. VH-IX sind 50 Bogen gesetzt, welche die sogenannte Origo gentis Langob., das Chronicon Gothanum, des Paulus Historia Lan- gobardorum mit den späteren Fortsetzungen, zu denen im weiteren Sinne auch die Weise des Andreas und Erchempert gerechnet werden können, und des Agnellus Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis, diesen bearbeitet von Dr. Holder-Egger, enthalten. Das Ma- nuscript für den weiteren Inhalt des Bandes ist druckfertig. Von Paulus ward gleichzeitig eine Octavausgabe veranstaltet. Neue solche Handausgaben sind im Lauf des letzten Jahres erschienen von der Vita Pleinrici IV, besorgt von Prof. Wattenbach, den Opera Liudprandi von Prof. Dümmler in Halle; die des Richer ist eben vollendet. Bei Liudprand und Richer ist auf die Plandschriften, welche als Autographa der Verfasser zu gelten haben, in München und Bamberg, zurückgegangeu, mit ihrer Elülfe der Text an ein- zelnen Stellen verbessert, heim Richer vollständiger als es früher geschehen, die Lesart erster Hand angegeben. So eben hat auch der Druck des 24. Bandes der SS. begonnen, an dessen Spitze eine bisher unbekannte, für die Geschichte des beginnenden 13. Jahr-

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Öffentliche Sitzung

hunderts wichtige Fortsetzung der Chronica regia Coloniensis, oder wie sie neuerdings genannt ist, der Annales maxirai Colon., er- scheint. Für die Fortsetzung dieses und der folgenden Bände so wie für die zu Nachträgen der 12 ersten bestimmten Voll. 13 15 ist nach Kräften gearbeitet worden, und hoffentlich wird auch der Druck von Vol. 13 im Lauf des nächsten Jahres beginnen kön- nen. Ebenso steht für die Sammlung der Deutschen Chroniken die Fortsetzung in naher Aussicht. Grössere Reisen waren hier dies Jahr nicht erforderlich; ich habe nur einige Tage in Sangal- len, Zürich und München gearbeitet, anderes besorgten die Mit- arbeiter anderer Abtheilungen, Dr. Ewald, Dr. Meyer, Dr. Partsch, ausserdem A. Molinier in Paris und Prof. Pauli in Güttingen während eines längeren Aufenthalts in England.

In der Abtheilung Leges hat Prof. Boretius in Hidle die Handschriften der Capitularia in der Vaticana ausgebeutet. Für die Lex Wisigothorum ist manches neue Material durch Dr. Bai st in Madrid gewonnen. Prof. So hm in Strassburg hat die Lex Ribuaria in Angriff genommen. Prof. Loersch in Bonn und Prof. Frensdorff in Güttingen sind mit der von ihnen über- nommenen Sammlung und Bearbeitung der älteren Reichsgesetze und Stadtrechte beschäftigt.

Längere Vorbereitungen erfordert die Herausgabe der Urkun- den, zunächst der Sächsischen Kaiser, in der Abtheilung Diplo- mata. Der Leiter derselben, Prof. Sickel in Wien, und seine Mitarbeiter sind dafür auf Reisen in der Schweiz, Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland fortwährend und mit bedeuten- dem Erfolg thätig gewesen; über die Ergebnisse der Schweizer Reise hat Sickel in einer eigenen Schrift Nachricht gegeben.

Für die Abtheilung der Epistolae unter Prof. Wattenbachs Leitung hat Dr. Ewald eine Reise nach Italien ausgeführt, die hauptsächlich den Handschriften der Briefe Gregor d. Gr. in Monte Cassino und Rom gewidmet war, aber auch manche andere Arbeit erledigte, vor allem die Vergleichung der wichtigen Luccheser Handschrift der Gesta pontificum Romanorum, der neuerdings, wenn auch wohl mit Unrecht, der erste Platz unter allen vindi- ciert worden ist.

Prof. Dümmler hat in der Abtheilung Antiquitates die Sammlung der Karolingischen Gedichte fortgesetzt, auch einzelnes vorläufig im Neuen Archiv veröfl'entlicht, von dem der 2. Band un-

vom 5. Juli 1877.

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ter Prof. Wattenbachs Redaction erschienen ist, und das fortfährt über Reisen und andere Arbeiten der Mitglieder der Central- direction und ihrer Mitarbeiter Nachricht zu geben, kleinere Stücke aus den Sammlungen der Monumenta so namentlich manches aus den Arbeiten ihres langjährigen eifrigen Mitai’beiters Beth- mann sowie kritische Untersuchungen über Geschichtsquellen des Mittelalters zu veröffentlichen.

Ich kann diesen Bericht nicht schliessen, ohne mit besonde- rem Dank der Förderung zu gedenken, welche die Arbeiten sowohl hier wie in Wien und anderswo durch die Übersendung von Hand- schriften, Chartularien, einzeln auch Urkunden, erfahren haben. Öffentliche und Privat-Bibliotheken ich nenne die der Stifter Melk und Voraue in Österreich, des Fürstlichen Hauses Thurn- und Taxis zu Regensburg, des Fürsten Lobkowitz in Prag haben mit gleicher Liberalität ihre Schätze dargeliehen, und wo es erforderlich war, haben das Auswärtige und das Reichskanzler- Amt jederzeit auf das bereitwilligste ihre gewogentliche Vermittelung eintreten lassen.

Hierauf verlas Hr. Curtius, als Sekretär der philosophisch- historischen Klasse, den Bericht über die von der philosophisch- historischen Klasse gestellten Preisaufgaben:

Gemäss §. 63 ihrer Statuten hatte die Akademie d. 2. Juli des Jahres 1874 die folgende Preisaufgabe gestellt:

„Der Ursprung und die Abfassungszeit der uns unter Plu- tarchos’ Namen überlieferten Schrift t7v u^sTy.ovrwv Totg (pi}.oro(poig, ihr Verhältniss zu den uns bekannten verwandten Darstellungen, die für sie benützten Quellen und die Art ihrer Benützung sollen untersucht werden.“ Der Lösung dieser Aufgabe ist eine Arbeit mit dem Motto: Tardi ingenii est rivulos consectari fontes rerum non videre gewidmet. Diese Arbeit überschreitet nun zwar die Grenzen der Aufgabe, welche die Akademie gestellt hatte, indem sie eine vollständige Zusammenstellung und kritische Textesausgabc

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Öffentliche Sitzung

der aus dem Altertlium überlieferten Leliren der Philosophen mul der auf solche Sammlungen zurückzuführenden Bruchstücke, ein vollständiges Corpus Placitorum geben will. Allein in den ausführlichen, dieser Zusammenstellung vorangeschickten Prole- gomenen werden die (Quellen, der Ursprung, die Abfassungszeit und das Verhältniss ihrer verschiedenen Bestandtheile so eingehend untersucht, und in dieser umfassenderen Untersuchung ist die von der Akademie verlangte speciellere so vollständig enthalten, dass die Akademie keinen Anstand nehmen kann, die ihr überreichte Arbeit als eine Lösung der von ihr gestellten Aufgabe anzunehmen. Ebenso muss die Akademie aber auch den wissenschaftlichen Werth dieser Arbeit anerkennen. Die verwickelten Fragen, mit denen sie sich beschäftigt, werden in derselben mit umfassender Gelehrsam- keit, musterhaftem Fleisse, methodischer Sicherheit und kritischer Besonnenheit, gründlich, sorgfältig und scharfsinnig untersucht; und sind auch nicht alle Ergebnisse des Verfassers unanfechtbar, so ist es ihm doch gelungen, für die Benützung wichtiger Quellenschriften zum erstenmal eine wissenschaftlich gesicherte Grundlage zu schaf- fen, und einen kritisch gesichteten Text derselben herzustellen. Die Akademie erkennt daher in dieser Arbeit eine wesentliche Bereiche- rung der auf die griechische Philosophie bezüglichen Forschung, und eine sehr befriedigende Beantwortung der von ihr gestellten Aufgabe und ertheilt derselben in Anerkennung dieser Vorzüge den Preis.

Der Verfasser ist Herr Hermann Diels in Hamburg.

Aus dem vom Herrn von Miloszewsky gestifteten Legate für philosophische Preisfragen wurde am 2. Juli des Jahres 1874 die folgende Preisaufgabe gestellt:

„Unter den Eiinvirkungen, welche die deutsche Philos»)phie seit Leibniz von der ausserdeutschen Philosophie erfahren hat, ist die der englischen Philosophen Locke’s, Berkeleys, D. Hu- me’s, Shaftesbury’s und der übrigen englischen Moralisten, Reid’s und seiner Nachfolger in der schottischen Schule von besonde- rer Bedeutung. Die neueren Werke über die Geschichte der deut- schen Philosophie haben auch diese Thatsache nicht übersehen; aber keines derselben war bis jetzt in der Lage, sie so vollständig an’s Licht zu stellen, wie dies durch eine monographische Unter- suchung über den Einfluss, welchen die einzelnen deutschen Phi-

vom 5. Juli 1877.

451

losophen von englischen Vorgängern erfuhren, über die Verbreitung, welche die Schriften der letzteren in Deutschland fanden, und über die Spuren, die sie in der deutschen Philosophie zurückliessen, geschehen kann. Um diese Lücke auszufüllen, bestimmt die Kgl. Preussische Akademie der Wissenschaften aus den Mitteln der Mi- loszewsky’schen Stiftung einen Preis für die Lösung der folgenden Aufgabe:

Die Akademie verlangt eine ins Einzelne eingehende Un- tersuchung über den Einfluss, welchen die englische Phi- losophie auf die deutsche Philosophie des ISten Jahrhun- derts geübt hat, und über die Benützung der Werke eng- lischer Philosophen durch die deutschen Philosophen dieses Zeitraums.“

Es wurde auf die Lösung dieser Aufgabe damals, da die in den Jahren 1865, 1868 und 1871 gestellte Preisaufgabe unbeantwortet geblieben war, der verdoppelte Preis von 200 Ducaten gesetzt.

Es ist keine Bearbeitung dieser Aufgabe eingegangen. Die Akademie wiederholt dieselbe und bestimmt für deren Lösung Avei- ter die in diesem Jahr aus dem Miloszewsky’schen Legat neu ver- fügbar gewordene Summe von 100 Ducaten.

Die ausschliessende Frist für die Einsendung der dieser Auf- gabe gewidmeten Schriften, welche nach Wahl des Verfassers in deutscher, lateinischer, französischer oder englischer Sprache ab- gefasst sein können, ist der 1. März 1880. Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Motto zu versehen und dieses auf dem Äusseren eines versiegelten Zettels, welcher den Namen des Verfassers enthält, zu wiederholen. Die Ertheilung des Preises von 300 Ducaten = 2775 Mark geschieht in der ötfentlichen Sitzung am Leibnizischen Jahrestage im Monat Juli des Jahres 1880.

Derselbe verlas darauf den von der vorberathenden Com- mission der Bopp -Stiftung, bestehend aus den IIII. Lepsius, A. Kuhn, Steinthal, Schmidt, Weber, abgestatteten Bericht: Die Unterzeichnete Commission beehrt sich hiermit, gemäss § 11 des Statuts der Bopp-Stiftung, für die bevorstehende Feier

452

Gesammtsitzuno

des Leibnizisclien Jahrestages folgenden kurzen Bericht über die Wirksamkeit der Stiftung im verflossenen Jahre und den Vermö- gensbestand derselben zu erstatten.

Für den 16. Mai ist die Verwendung des Jahresertrages der Stiftung als Unterstützung wissenschaftlicher Unterneh- mungen beschlossen, und die erste Rate desselben (900 Mark) dem Professor Cajipeller in Jena, die zweite dem Dr. Verner in Halle a. S. zuerkannt worden.

Der Jahresertrag der Stiftung hat im vergangenen Jahre durch Ankauf einer 5^ Hypothek zu 36,000 Mark eine sehr erhebliche Steigerung erfahren und beträgt fortab jährlich 1851 Mark, indem zu den Zinsen der Hypothek noch die von 900 Mark in Consols und von 300 Mark in 3^-g- preussischer Prämien-Anleihe hinzutreten. Es stehen somit zunächst jährlich 1800 Mark zur Disposition.

12. Juli. Gesanimtsitzuiig der Akademie.

Hr. Waitz las über das Heerwesen des Deutschen Reichs im X. bis XII. Jahrhundert.

Hr. du Bois-Reymond machte eine .Mittheilung über die Rückkehr des Hrn. Dr. Sachs aus Venezuela.

vom 12. Juli 1877.

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An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

E. Narducci, Intorno ad un manoscritto della Bihlioteca Alessandrma con- tente gli apici di Boezio. Roma 1877. 4. Extr. Vom Verf.

Schmidt, Unser Sonnenkörper. Heidelberg 1877. 4. Vom Verf.

Chr. Nehls, Über graphische Integration. Hannover 1877. 8. Vom Ver-

fasser.

Proceedings of the scientific meetings of the zoological Society of London for the year 1877. Part. 1. Jan. & Febr. London. 8.

J. Lawrence Smith, Examination of American Minerals. 8. Vom Verf.

Transactions of the zoological Society of London. Vol. X. Part. 1. London 1877. 4.

B. Bo ncompagni, Bullettino di bibliografia e di storia delle scienze mate- matiche. Tomo X. Aprile 1877. Roma. 4.

Actes de la Societe d’ ethnographie puhl. par E. Malier de Montgau. Session de 1876. Paris 1877. 8.

Max Braun, Lacerta Lilfordi und Lacerta Muralis. Würzburg 1877. 8.

Tenth annual report of the Peabody Institute of the city of Baltimore. June 1 1877. Baltimore 1877. 8.

Joh. Böckh, Bemerkungen zu der „neue Daten zur geologischen und palae- ontologischen Kenntniss des südlichen Bakony“ betitelten Arbeit. Buda- pest 1877. 8.

Boletin de la Institucion Libre de Ensefianza. Ao. I. N. 1 5. Madrid 1877.

Revue scientifique de la France et de l'Etranger. No. 53. 30 juin 1877. Pa- ris. 4.

Bulletin de la Societe de geographie. Avil 1877. Paris. 8.

Proceedings of the philosophical Society of Glasgow. 1876 77. Vol. X. N. 2. Glasgow 1877. 8.

Journal of the Chemical Society. N. CLXXIV. June 1877. London. 8.

Termeszettudomdnyi Közlöny. VI. Kötet 1874. VII. Kötet 1875. VIII. Kötet 1876. Budapest 1874—76. 8.

Schriften des Vereines zur V erbreitumg naturwissenschaftlicher Kenntnisse in U-ien. Bd. XVI. 1875/76. XVII. 1876/77. Wien 1876/77. 8. Mit

Begleitschreiben.

J. Zenti, Elenco dei doni pervenuti alla biblioteca comuncde di Verona dal 1864 al 1875. Premessa tina relazione intorno alla bibliokca stessa dal 1858 al 1875. Verona 1875. 8.

Bullettino delT Instituto di Corrispondenza archeologica per l anno 1876. Roma 1876. 8.

Annali dell' Instituto di Corrispondenza archeologica. Vol. XLVIII. Roma 1876. 8.

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Gesammtsitzunfj vom 12. Juli 1877.

Atti dellu Reale Accademia dei Liiicei. Anno CCLXIII. 1875/7G. Parte terza. Memorie dellu classe di scienze moruli, storiche e filoloyiche. Roma 187G. 4. Mit Begleitschreiben.

Atti della Societu Italiana di scienze nuturali. Vol. XIX, Fase. 1. 2. G. Mi- lano 187G/77. 8.

C. Hermann, Umjarns Spinnen -Fauna. I. Band. Budapest 187G. 4.

Horvath, Monoyraphia Lyyaeidaruni Ilunyariae. ih. 1875. 4.

K. L. Kerpely, Unyarns Eisenerze. (Ungarisch.) ib. 1877. 4.

Bartsch, Rotatoria Ilunyariae. ib. 1877. 4.

W. S. Johnson, Hoyy a Vetes forditta etc. M. Duka. ib. 187G.

A. Greguss, Gyula Greyuss összeyyüjtött Ertekezsei. il). eod.

H. Helm hol tz, Nepszerä Tudonuinyos Elöadusok. Eordittuk L. Eiitvös es J. Jendrassik. il). 1874. 8.

R. Prortor, Hlds vildyok mint a mienk: forditta Csdszdr. il). 1875. 8.

John Lubbück, A Törteneleni Elütti Idök forditta J. Örey. T. 1. 2. ib. 187G. 8.

John Tyndall, A HC mint a mozyds Eyyik neme forditta K. Jeszovies. ib. 1874. 8.

Termeszethudomanyi Ertekezesek. ib. 1875. 8.

Memoires de la Suciete des Sciences pkysiques et naturelles de Bordeaux. Tome IX. Paris 1873. T. X. Fase, complementaire. 1875. Tome XI. (2me. Serie). Fase. 1. ib. 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Abhandlunyen für die Kunde des Moryenlandes. Bd. VI. N. 3: M. Stein- schneider, Polemische und apoloyetische Literatur in arah. Sprache, zwischen Muslimen, Christen und Juden. Leipzig 1877. 8.

Sitzung der phys.-math. Klasse vom 16. Juli 1877 .

455

16. Juli. Sitzung der physikalisch -mathemati- schen Klasse.

Hl’. Auwers las über Resultate aus den Durchgangs -Beob- achtungeu von Bradley’s Quadranten.

Hr. W. Peters las über die von Hrn. Prof. Dr. K. Möbius 1874 auf den Maskarenen und Seychellen, sowie über die von Hrn. Dr. Sachs im vorigen Jahr in Venezuela gesammelten Am- phibien.

I. Sammlung des Hrn. Prof. Dr. K. Möbius auf den Maskarenen und Seychellen.

I. Sabel. Pholidota.

ClIELONII.

1. Sternotliaerus nigricans (Donndorf). Ein Exemplar; auf der Seychellen-Insel Mähe von einem Neger gebracht.

Lacertilia.

2. Chamaeleo tigris Cuv. Ein Exemplar auf der Insel Mähe am 5. Febr. 1875 gefangen. Überall braunschwarz oder braun und graufleckig, an den Körperseiten mit schwarzen Querstreifen, am Bauche grau, an der Brust roth marmorirt. Im Schlaf hatte es den Kopf nach oben gerichtet, die Augenlider bis auf einen feinen Querspalt geschlossen und eine graue Grundfarbe mit brau- nen runden Flecken an den Seiten.

3. Pachydactylus cepedianus (Peron).

Auf Mauritius und den Seychellen in Wäldern und Gärten häufig, läuft sehr schnell an den Bäumen auf und abwärts. Am Abend und in der Nacht lässt es helle wohlklingende fast gleich hohe Töne hören. Die hartschaligen Eier findet man an Blättern festgeklebt.

45G Sitzung der idnjsikalisch-mathematisclien Klasse

4. IlemidacUjlus maculatus Dum. Bibr. Insel Ron da.

5. frenaius Schlegel. Gross Baie.

6. Peronii Dum. Bibr. Gr. Baie.

7. Gonrjylus Bojeri Desjardins. Fouquet; Black River.

8. Euprepes cijanogasier (Lesson).

Ein behendes tombakglänzendes Tbier, welches auf der klei- nen I e longue (Seychellen) häufig unter Cocospalmen war.

9. Liolepisma Bellii Gray. InS; Ronda.

10. Ahlepharus Boutonii Desjardins.

Serpente.s.

1 1 . Leptohoa Dussuinieri (Schlegel).

Ein Exemplar mit zugenähtem Maule, auf Mähe von einem Apotheker geschenkt. I2s hatte bei ihm schon längere Zeit ge- standen und wusste er nichts über den Fundort anzugeben. Es hat die Nasofrontalia mit den Praefrontalia vereinigt, wie es die Abbildung von Schlegel, nicht aber die von Jan und die Beschreibung von Dumeril et Bibron zeigt.

12. Tropidonotus seijchellensis Dum. Bibr.

Lebend auf Mähe durch Neger erhalten.

II. Subcl. Batrachia.

Caeciliae.

1 3. Caecilia rostrata C u v i e r.

Auf Mähe nahe Port Victoria (30. Jan. 1875) am Fuss des Gebirges aus nasser Erde ausgegraben, die hauptsächlich aus dungartig riechenden Pflanzenmassen bestand, auf welcher Bananen und Aroideen gepflanzt waren. Sie waren den Leuten wohl bekannt. Wenn man tief grub, quoll Wasser hervor. In klares Wasser ge- setzt, bewegen sie sich lebhaft schlängelnd. Beim Athmen ging die Kehlhaut auf und nieder. Die Farbe war dunkelviolet, der Kopf etwas heller. Durch starken Weingeist wurde hellgrüner

vom 16. Juli 1877.

457

Farbstolf ausgezogen. Die Augen erschienen wie sclnvarze Punkte, umgeben von einem hellvioleten Ringe.

Anura.

14. Bana mascareniensis Dum. Bibr.

Sehr häufig in der Nähe von Port Victoria auf Mähe auf einem nassen quellenreichen Bergabhange. Sie quacken in der Nacht und hören beim Aufgang der Sonne auf. Tu einer Nacht (29. bis 30. Januar) fiel starker Regen und da schwiegen sie, fin- gen aber nach Aufgang der Sonne bei fortdauerndem Regeu an zu quacken bis gegen 10 Uhr. Ihr Ton ist höher und schärfer und dauert länger an als der von Ba7ia esculenta.

15. Megalixalus infrarufus Günther.

Auf Mähe von einem Neger gebracht.

II. Sammlung des Hrn. Dr. Carl Sachs in Venezuela.

Pholidota.

Chelonii.

1. Testudo tahulata Walbaum, Nom. ind. „Morrocoi“. Ca- labozo.

2. Cinosternon scorpioides Linne. „Galapago“. Calabozo.

3. Podocnemis e.vpansa Schweigger. Calabozo.

4. Chelys fimbriata Schneider. „Jicotea“. Calabozo.

Lacertilia.

5. Phyllodactylus tuberculosus Wiegmann.

Ein Exemplar aus Calabozo zeigt durchaus keine Verschie- denheit von den aus Californien stammenden Originalexemplaren.

6. Tropidurus hispidus Spix. Calabozo.

7. Ameiva vulgaris Lichtenstein. Calabozo.

8. CnemidopTiorus lemniscatus Daudin. Calabozo.

9. Amphishaena alba Linne. Calabozo,

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458 Sitzung der physilcalisch-iuathematischen Klasse

Serpentes.

10. Cephalolepis squamosa (Schlegel). S. Fernando de Apur e.

11. Spilotes corais Cuv. Calabozo.

12. Liophis (Opheomorphus) Merremii Wied. Calabozo.

13. Lioplns melanotus Shaw. Calabozo und S. Fernando de Apur e.

14. Lygophis Imeatus Lin ne. Calabozo.

15. Dromicus (Alsophis) maculivittis n. sp.

Im Habitus sehr ähnlich dem A. angulifer von Cuba. Fron- tale und Frenale doppelt so lang wie breit; Parietalia sehr lang, hinten schräg abgestutzt, Temporalia 1+2, das erste lang, über demselben zwei kleine sich nicht berührende. 9 Supralabialia, von denen die ersten fünf klein, das 8. das grösste ist, das 4., 5. und 6. aus Auge stossen. 10 Paar Infralabialia, das erste Paar hin- ter dem Mentale zusammenstossend, das 6. und 7. die grössten; 7 Paar stossen an die Submentalia, von denen die hinteren dop- pelt so lang sind als die vorderen.

Körperschuppen in 17 Längsreihen, rhomboidal, gestreckter als bei A. augulifer und merklich schmäler als bei A. antillensis, mit zwei deutlichen Endgrübchen. 180 Ventralia, ein getheiltes Anale und 93 Paar Subcaudalia.

Auf dem Rücken drei durch zwei gelbliche Linien getrennte olivenbraune schwarzgefleckte Längsstreifen, welche auf dem Hin- terrücken zu einer einzigen breiten sich auf den Schwanz fort- setzenden Binde zusammenfliessen ; auf jeder Seite auf der dritt- letzten Schuppenreihe eine olivenbraune Längsbinde, welche auf den Schwanz übergehend hier sich auf der untersten Schuppenreihe hinzieht. Kopf oben olivenbraun, unregelmässig dunkler und hel- ler gefleckt. Oberlippenschilder hellgelb und Lippenrand schwarz. Submental- und Kehlgegend mit grossen zusammenfliessenden schwar- zen Flecken, am Vorderhalse eine breite Binde bildend, welche sich in zwei auf den Bauchschildern verlaufende seitliche Flecken- linien auflöst. Viele Bauchschilder am vorderen Theile ihres Sei- tenrandes so wie die Spitze der Seitenschuppen mit einem schwar- zen Fleck. Der übrige Theil der Unterseite des Körpers und des Schwanzes gelbweiss.

vom 16. Juli 1877.

459

Totallänge 0,820; Kopf 0,023; Kopfbreite 0,012; Schwanz 0,225.

Ein Exemplar aus Calabozo.

16. Scytale coronata Schneider. Calabozo u. S. Fernando de Apure.

17. Scytale Neimiedii Dum. Bibr. Calabozo.

18. Bhinostoma nasuum Wagler. Calabozo.

19. Ahaetulla liocercus (Wad.). Calabozo.

20. Herpetodryas fusca (Linne). Calabozo.

21. Dipsas annulata (Linne). Calabozo.

22. Crotalus durisms Linne. Calabozo.

Batrachia.

Caeciliae*

23. Caecilia dorsalis n. sp. (Taf.)

Kopf abgeplattet, mit vorspringender abgerundeter Schnauze; Tentakelgrube hinter und unter dem Nasenloch, doppelt so weit von dem Auge wie von jenem gelegen. Körperringe 99 (neun und neunzig) sehr deutlich, vollständig, nur im ersten Drittel fin- den sich zwischen ihnen Spuren einiger unvollständiger Ringe. Auf dem Hinterrücken beginnt eine niedrige Längswulst, welche sich in das zusammengedrückte Schwanzrudiment fortsetzt, welches die Afterotfnung um 2 Mm. überragt. Der After liegt in dem hinteren Theile einer länglichen 5^} Millimeter langen Haftscheibe, von wel- cher sich auch bei C. compressicauda eine Spur findet.

Gelbbraun olivenfarbig, die Ringfurchen schwarz.

Totallänge 0,265; Kopf 0,008; Körperhöhe 0,007.

Ein einziges Exemplar dieser ausgezeichneten Art fand Hr. Dr. Sachs in Angostura (Ciudad Dolivar) am Orinoco.

Nur C. compressicauda lässt sich mit ihr vergleichen, ist aber durch die viel zahlreicheren und unvollständigen Körperringe, eine robustere Gestalt, kürzere Schnauze und verschiedene Färbung leicht von ihr zu unterscheiden.

34

4G0 Sitzung der iihys.-niath. Klasse r<om 16. Juli 1877.

Anura.

24. Pleurodema Sachsi n. sp.

? Pleurodema Bibroni var. B., Günther Catal. Batr. Sal. p. 32.

Ein von Hrn. Dr. Sachs in San Fernando de Apure gesam- meltes ausgewachsenes Exemplar stimmt hinsichtlich der Färbung überein mit dem, was Ilr. Dr. Günther von einem Pleurodema aus Venezuela angiebt, welches er für eine Farben Varietät \on PI. Bibroni betrachtet. Die vorliegende Art unterscheidet sich aber sowohl von PI. Darwini als PI. Bibroni auffallend durch eine kürzere Schnauze, viel kürzere Extremitäten (bei einem PI. Bibronii von gleicher Grösse ist die 4. Zehe 15 Mm., bei der vorstehenden Art nur 9 Mm. lang) und die merklich grösseren Höcker unter der Basis des Mittelfusses. Die weisse Färbung der Seitendrüsen und der in- neren Seite der Oberschenkel ist nach Hrn. Dr. Sachs im Leben roth.

25. Bnfo marinus Lin ne. Calabozo.

Von diesem Thiere wurden die Schenkel zu physiologischen Untersuchungen verwandt.

2G. Hyla crepitans Wied. Calabozo.

Erklärung der A b b i 1 d u ng e n.

Fig. 1. Caecilia dorsalis V tr s. in natürlicher Grösse.

2. Kopf derselben von der Seite; zweimal vergrössert.

3. Analgegend ; zweimal vergrössert.

Monatsbr ßerl Ak.Wissensch.lST? p. 460.

I - : f. .

Gesammtsiizuruj vom 10. Juli 1877.

461

19. Juli. Gesammtsitzmig der Akademie.

Hr. Websky las:

Über Hornquecksilber von el Doctor in Mexico.

Unter den nicht zahlreichen Fundorten der seltenen Mineral- Gattung Hornquecksilber (Quecksilberhornerz, Kalomel = Hg CI) wird, wie aus einer Mittheilung von Burkart (Leonhards Jahrb. 1866. p. 411) hervorgeht, von den mexicanischen Mineralogen die Gegend des Bergwerksortes el Doctor im Staate Queretaro, ohn- weit Zimapan, in Mexico genannt. Burkart berichtet nämlich, dass Don Antonio del Castillo, Professor der Mineralogie au der Bergwerksschule in Mexico, dieses Flornquecksilber von el Doctor mit dem von Del Eio als Jodquecksilber unter dem Namen Coc- cinit in Anspruch genommenen, derben Mineral von Casas viejas in Mexico vereinigt, darin eine Verbindung von Quecksilberchlorür mit einem Selen-Quecksilber-Sauerstoff- Körper angenommen und sie als Chlorselenquecksilber bezeichnet habe. Castillo gründet diese Ansicht auf einen chemischen Reactions -Versuch, wonach eine Probe des bezogenen Körpers , im Kölbchen erhitzt, in nie- derer Temperatur ein Sublimat von Kalomel giebt und einen Rück- stand lässt der selenigsaures Quecksilber sein kann, weil derselbe sich vor dem Löthrohr, ob auf Kohle ist nicht gesagt, mit einem selenartigen Geruch verflüchtet. Burkart theilt auch die sehr unbestimmt gehaltene krystallographische Diagnose Castil- lo’s mit, welche auf rhombische Auffassung hinausläuft.

Seitdem erscheint in den mineralogischen Compendien Chlor- selenquecksilber, wohl auch neben Coccinit als Gattung aufgeführt ist aber sicher nichts weiter als ein verunreinigtes Hornquecksilber anzusehen.

Es hat Köhler (Poggend. Annal. LXXXIX. p. 146.) ein gelbes erdiges Mineral von S. Onofre in Mexico beschrieben, wel- ches in der That als selenigsaures Quecksilber- Oxydul auf dem Wege der qualitativen Analyse von ihm bestimmt worden ist; ein Original -Exemplar dieses Vox-kommens wird in dem hiesigen mi- neraligischen Museum auf bewahrt und lässt die Identität mit einer Anzahl ähnlicher Stufen, die auf einem anderen Wege in die Vor- räthe des Museums gelaugt sind, zweifellos erkennen.

462

Gesammtsitzung

Auf der anderen Seite passen alle Angaben Burkart’s über die Aggregation der Krystalle, das Mitvorkommen von regulini- schen Quecksilber, welches reichlich in den Z\vischenräumen der Krystalle vorhanden ist, im Besonderen aber der Umstand, dass das derbe Mineral auf dem frischen Bruch zeisiggrün sei, durch den Einfluss des Lichtes aber grünlichgrau werde, so wie schliess- lich die Angabe, dass das Mineral bei el Doctor auf Gängen von Kalkspath breche.

Beinerkenswerth ist folgender Umstand, dass Burkart noch als weiteren Fundort, „eingesprengt in dichten Kalkstein von Cu- lebras“ angiebt, eine Localität die vielfach in den Lehrbüchern citirt wird, über die ich aber vergeblich den mit den Local -Ver- hältnissen von Zimapan durch mehrjährigen Aufenthalt bekannten verstorbenen Oberbergrath Erbreich interpellirt habe.

Nun erkennt man an dem einem Exemplar der oben erwähn- ten Stufen, dass das darauf befindliche sehr ansehnliche Nest der grünlichgrauen Quecksilber -Verbindung sich unmittelbar an eine sehr verzweigte Einlagerung des unter dem Namen Onofrit be- kannten selenhaltenden Zinnobers anschliesst, so zwar, dass man, vom Standpunkte der genetischen Geologie, das letztere, den selen- haltigen Zinnober, als die primäre Bildung, das grünlichgraue Mi- neral als ein Umwandlungs-Product des letzteren annehmen muss, eine Erscheinung, deren Analogie auf vielen anderen Zinnober- Lagerstätten beobachtet ist.

Der vorhin genannte Onofrit ist als ein Vorkommen von San Onofre in Mexico (Karsten, 1828. Karstner’s Arch. XIV. p. 1 27. H. Rose, Loggend. Ann. XL^'I. p. .315.) beschrieben worden; anderseits berichtet Dana (Mineralogie, IV. ed. p. 502.) dass be- reits Brooke von einem selenhaltigen Schwefelquecksilber von Culebras in Mexico unter dem Namen Riolit spricht, welche Be- zeichnung später von Fröbel einem Selensilber von Tasco, süd- lich von Mexico, beigelegt worden ist.

Aus alledem ist wohl anzunehmen, dass alle hier berührten Fundorte, mit Ausnahme des zuletzt genannten südlich von Mexico gelegenen Tasco, locale Bezeichnungen mehrerer geologisch ver- wandter und darum walirscheinlich nicht weit von einander liegen- den Localitäten sind, die man sich nordwestlich von Mexico, zwi- schen Zimapan und Queretaro denken kann ; in der That ist der Habitus der in den grösseren Sammlungen fast immer anzutretfen-

vom 19. Juli 1877.

463

den Exemplare des Onofrit so auffallend gleicbmässig, wie etwa das Vorkommen der Selenerze vom Harz.

Seltener sind Exemplare, an denen die Umwandlungs-Producte desselben mit vertreten sind; diese letzteren bilden nach der in dem hiesigen mineralogischen Museum vorhandenen Reihe unregel- mässig verzweigte Anhäufungen in einem grobkörnig individuali- sirten stellenweis durch Eisenoxyd kirschroth gefärbten Kalkstein, in ihren letzten Verzweigungen gelegentlich noch unveränderten Onofrit zeigend.

Ais unterste, zuweilen allein vorhandene Umwandlungsbildutig treten 1 2 Millimeter grosse Krystalle von liaarbrauner Farbe auf, welche nach der unten besprochenen krystallographischen Unter- suchung sich vollkommen mit bekannten Formen des Hornqueck- silber’s identificiren lassen. Darüber sind jene derben, frisch zei- siggrünen, stellenweis bis orangeroth gefärbten, in kurzer Zeit grünlichgrau werdenden Partien abgelagert, die theils in ein un- entwirrbares Flaufwerk undeutlicher Krystalle ausgehen, theils mit einem Filz dünner Nadeln bedeckt sind; nichts destoweniger will es scheinen, dass auch diese Partien nichts anderes als krystalli- nische Massen von Hornquecksilber sind, aus denen sich die rei- neren, grösseren Krystalle auf dem Wege der Umbildung ausge- schieden, während die umgebende Matrix die ganze Menge eines mitgebildeten, relativ unbedeutenden Quecksilber-Sauerstoff-Körpers in sich aufgenommen hat.

Auch dem als reines Quecksilber-Chlorür betrachteten Horn- quecksilber aus den Zinnober-Gängen der Rheinpfalz sind gelb- liche Veruni'einigungen nicht fremd und mögen an diesem Fund- orte dieselben aus basisch schwefelsauren Quecksilber bestehen; Klaproth’s alte Analyse (Beiträge IV. p. 12) giebt 7,6 Schwefel- säure; an dem letzten Fundorte hat die Umwandlung zu Horn- quecksilber aus selenfreien Zinnober oder quecksilberreichen Fahl- erz stattgefunden.

Dass die krystallographische Bestimmung der Krystalle aus Mexico genügt, um in den ermittelten Gestaltungen Hornqueck- silber zu erkennen, beruht auf der dieser Gattung eigenthiimlichen Formen-Association, welche auch au den vorliegenden Krystallen der Träger der Combinationen ist.

Die Litteratur über die Morphologie des Hornquecksilbers ist beschränkt; übergehen wir die zu unbestimmt gehaltene, von Levy

464 Gesammtsitzung

reprodiicirte Beschreibung Brooke’s der Krystalle von Almaden in Spanien (Annal. of. Philos., new Series. Vol. VI. p. 285), so bleibt uns die Beschreibung der auf einer Kupferliütte zu Schinöllnitz zufällig entstandenen durch Schabus (Verb. d. Wiener Akad. IX. 1852. p. 394, Taf. 35. Fig. 7.), die Untersuchung eines Krystall- Fragmentes von Moscheilandsberg durch Ilessenberg (Abh. d. Senckenberg. naturf. Ges. I. 1854. 1855. pag. 24. Taf. I. Fig. 22 bis 24.) und die ausführlichen Arbeiten von Sch rauf über Kry- stalle von Moscheilandsberg (Mineral. Beob. Vll. 1873. in d. Verb, d. Wiener Akad. vergl. Atlas, Lief. IV. Taf. XL, Fig. 1 8.) übrig.

Von der Mehrzahl der Autoren werden die dem quadratischen System angehörenden Krystalle des Ilornquecksilbcrs so aufge- stellt, dass das quadratische Spaltungs-Prisma das Hexaid-Symbol erhält, und ein Haupt -Octaeder von 135° 40' 13G°0' Seitenkante als Ausgangspunct genommen; nur Ilessenberg hat sich veran- lasst gefunden, ein nicht beobachtetes Octaeder, das nach der ersteren Aulfassung das Symbol = (3a:oob:c) erhalten würde, als Plauptform zu wählen. Ich werde nach der erst genannten Auffassung gehen und die von Schrauf adoptirten Elemente

a : c = 1 : 1,72291 = 0,580413 : 1

benützen, da die von mir erhaltenen Abmessungen mit ihnen genug- sam übereinstimmen, zu einer etwaigen Verbesserung derselben aber nicht geeignet sind; wegen der Schwäche der Reflexe musste eine Verkleinerung des Bildes im Beobachtungs-Fernrohr zu Hülfe ge- nommen und in demselben Maasse die Einstellungs -Präcision ge- schwächt, auch der aus nicht ganz parallelen Individuen erfolgte Aufbau der Krystalle vielfach in Rechnung gestellt werden.

Unter den älteren Krystallen findet man flache, tafelartige Formen, Fig. 1. Taf., an denen die Hexaldflächen A = (a:ooa:ooc) als schmale Streifen die Seitenkanten des Octaeders zweiter Ordnung <y = (4 a : oo a : c) abstumpfen, begleitet von einer noch beschränkteren Abstumpfung der horizontalen Combinations- kanten A | 7 durch e = (a : 00 a : c). An den Ecken treten unter- geordnet die Flächen des Octaeders « = (3a : 3a : c) und die des von Hessenberg und Schrauf beobachteten Uioctaeders ^ = (^ f ■?) Hiese Krystalle sind meistentheils rauh und mit

einer der schmalen Ilexaidflächen aufgewachsen, häufig ausgedehnt

vom 19. Juli 1877.

465

in der Richtung der einen Nebenaxe und scheinbar von rhombi- schen Habitus; sie mögen zu der irrthümlichen Autfassung Ca- stillo’s Veranlassung gegeben haben.

An der Mehrzahl der Krystalle und wie es scheint einer etwas späteren Bildungsperiode angehörend herrscht neben den in der Richtung der Hauptaxe sich ausdehnenden Hexaidflächen A = (a:ooa:ooc) das Octaeder « = (oa : 3a : c), Fig. 2. Taf. unter dem dann in abfallender Ausdehnung die Octaeder i = (2a : 2a : c), r = (a : a : c) und das Prisma m = (a : a : ooc) hin- zutreten; die Flächen von 7 = (4 a : 00 a : c) und e = (a : 00 a : c) nehmen nur untergeordnet Theil an der Oberflächbegrenzung. Diese Krystalle sind durchschnittlich glatt und glänzend und allein zu Re- flexions-Messungen geeignet. Es zeigen aber alle Combinations- kanten zwischen A, 7 und e eine Abrundung, welche Reflexions- erscheinungen hervorruft, die in gewissen auf Flächen-Symbole zu- rückführbareii Positionen culminiren. In Fig. 3 Taf. sind die Resultate der hierher gehörenden Beobachtungen in eine ideale Gestalt zusammengetragen, auf welche bezogen ich die Abmessungs- Resultate nach ihren Mittelwerthen auffiihre.

In der Vertical-Zone von « ist ausser den genannten Flächen noch die Basis c = (cx> a : 00 a : c), ein neues Octaeder z = (9a:9a:c) und das schon von Schrauf gefundene Octaeder p = (a : a : 3c) beobachtet worden.

Normalenbögen

c

1 z

gerechnet = 15°

9' gemessen

=

15°

15'

Z

1 «

93^

56'

--

23°

50'

CC

1 i

= 11°

32'

=

11°

29'

i 1

r

= 17°

4'

=

17°

11'

r 1

P

1

11

0

1

CO

=

14°

34'

P

1 m

=7°

47,5'

=

43'

90°

0'

In der Vertical-Zone von 7 ist ausser der Basis noch als ziemlich breite in die Ilexaidfläche A sich verlaufende Fläche s = (a: 00a: 2c) gefunden worden.

466

Gesammtsitzung

Normalenbögen

c 1

7

gerechnet = 23°

18'

gemessen = 23°

8'

7

1 e

= 36°

34'

= 36°

35'

e 1

s

= 13°

57'

- = 14°

5'

s 1

A

= 16°

11'

90°

0'

Die übrigen Reflexe gebenden Oberfläclien-Eleinente gliedern sich nacli drei Zonen; in zwei derselben tritt die Fläche 2 = (a : : -j) ein, welche zunächst die Kante e j a abstunipft; zwischen ^ und u liegt noch die Fläche 3, = ? über « hin-

weg dehnt sich der reflectirte Lichtbogen nach einem glänzenden Saum auf der Kante ^ | 7 der gegenüberliegenden Seite aus, für welchen man dieserhalb ein Symbol ^3 = (a:|-:^) deduciren kann.

Normalenbügen

e I a berechnet = 19° 17' gemessen

^ 1 fl, = 10° 10'

I « =9° 43,5"

« 1 ^3 = 13,5"

18° 41' 10° 21' 20'

Zwischen A und den Octaedern r, i, «, so wie zwischen 7 und u zieht sich ein glänzender Saum hin, der auf der Kante r I A sich zuweilen als anderweitig bestimmbare Fläche = (a:|-:c) ausdehnt; in dem Reflexbogen dieses Saumes liegt ferner die Fläche 0 und kann man aus dem Umstande, dass \// und ^ eine Vertical-Zone bestimmen, für die Oberflächen-Elemente dieses glänzenden Saumes folgende Symbole ableiten :

auf Kante r | A i 1 A « 1 A e I a u I 7

= (a : -j : c) \I/j = (a:^:-0 = (ii : 7 : y)

? = (a : -j)

4^3 = (‘I ^ = Tf)

Die Restinimung von \|/ = (a : : c) geschah in der Zone

r 1 A in welcher A | 4/ | r 1 4^., belegen sind.

MonatslDer. d.KAkai d.Wiss. Berlin 18T7

HORNÜUECKSILBER

MEXICO

>.

I

vom 19. Juli 1877.

467

Normalenbögen A I \|/ berechnet = 21° 4,5' ger

gemessen = 21° 24' = 28° 25'

I r

1’ 1 4^2

= 28° 4'

= 24° 46,5'

Was schliesslich die nadelartigen Formen anbelangt, welche sich aus den frisch zeisiggriinen, an der Luft grau werdenden Par- tien erheben, so macht ihre Kleinheit und unbestimmte Endigung Schwierigkeiten; es scheint aber, dass die allein klar hervortreten- den Säulenflächen nichts anderes sind, als die in der Richtung der Vertical-Axe abnorm verlängerten Hexai'dflächen.

Dass derartige Formgestaltungen dem Hornquec.ksilber nicht fremd sind, beweist ein gleichfalls im mineralogischen Museum der Universität befindliches Exemplar des Vorkommens von Moschel- landsberg, an welchem ein nach den Kantenrichtungen bestimmter Krystall von lang-säulenförmiger Gestaltung aufgewachsen ist, den ich in Fig. 4 Taf. wiedergebe. Es herrschen an demselben die Flächen A = (a:ooa:ooc) und p = (a : ä : 3c), untergeordnet erscheinen « = (3a : 3a : c), r = (a : a : c) und m = (a : a : oo c).

An eingegangenen Schrifteii wurden vorgelegt:

J. Swiecianowski, Die musikalische Skala in der Welt. 2. Aiifl. Berlin 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Records of the geologiccd surveg of India. Vol. IX. Part. 2. 3. 4. 1876.

Mit Begleitschreiben.

Revue scientifigue de la France et de l' etranger. II. Ser. 7. Annee. N. 2. Paris 1877. 4.

Constantinesco, Apogee des choses. Paris 1877. Exemplare.) Mit Begleits.chreiben.

Revue archeologigue. 18. Annee. G. Jiiin 1877. Paris. 8.

Mittheilungen des Deutschen Archäologischoi Instituts in Athen. Jahrg. II.

Heft 2. Athen 1877. 8

468

. Gesanimlsitzung

Archiv des Vereins für Sichenhüryische Landeskunde. Neue Folge. Bd. XIII.

Heft 1 3. Hermaniistadt 1876/77. 8. Mit Begleitschreiben.

Jahresbericht des Vereins für Siehenhüry. Landeskunde für JS75I7G. ib. 8. Mor. Guist, Einiye Beinerkunyen zu den Homer idischen Hymnus auf Hermes, ib. 1876. 8.

Memoirs of the yeoloyical survey of India. Vol. XII. Part. 1. 2. Calcutta 1876. 8.

Palaeontoluyia Indica. Ser. X. 2. Molar teeth and other remains of mamma- lia by R. Lydekker. Calcutta 1876. fol. Ser. XI. 1. Jurassic (Oolitic) ßora of Kach, by 0. Feistmantel, ib. eod. 4.

J. lioulez, 7'rois medaillons de poteries romuines. Paris 1877. 4.

Franc, liossetti, Sulla temperatura delle fiammc. Padova 1877. 8.

Abhandlunyen der historischen Clusse der Köniyl. Bayerischen Akademie der IV issenschaften. Bd. XIII. Abth. 2. München 1877. 4. fin 2 Exenipl.)

Mit Begleitschreiben.

C’ompte rendu de la Commission imperiale archeoloyitjue pour rannee 1872. St. Petersb. 1875. 4. avec Atlas in fol. pour l’annee 1873. ib. 1876. 4. avec Atlas in ful. pour l’annee 1874. ib. 1877. 4. avec Atlas in fol. Mit Begleitschreiben.

Zeitschrift des histor. Vereins für das württemberyische Franken. Bd. 10. Heft 2. Heilbronn 1877. 4.

Report of the Commissioner of Ayriculture for the ycar 1875. Washington 1876. 8.

Monthly reports of the dcpartment of ayriculture for the year 1875. ib. 1876. 8. for the year 1870. ib. 1877. 8.

Bulletin of the United States Entomoloyical Commission. N. 1. 2. ib. 1877. 8. Proceedinys of the American philosophical Society. Vol. XV. Deceinb. 1876. N. 96. Philadelphia 1876. 8. Vol. XVI. June to Deceinber 1876. N. 98. ib. 8.

Astronumical and meteoroloyical observations madc duriny the year 1874 at United States naval obsercatory. Washington 1877. 4.

Kaiserl. Akad. der Wissenschaften in Wien. Sitzunysberichte.

N. XVII. 8.

Jahrg. 1877.

vom 26. Juli 1877.

4G9

26. Juli. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Schräder las über die Namen des Mem in den assyri- schen Inschriften.

Hr. W. Peters las über die von Hrn. Dr. C. Sachs in Venezuela gesammelten Fische.

Acanthoptert.

SCIAENIFORMES.

1. Sciaena amazonica Castelnau. Nom. ind. „Curbina“. Calabozo.

Labriformes. eil romides.

2. Creniciclila macroplitlialma Heckei?

Drei ganz junge Exemplare, von denen das grösste nur 68 Millimeter lang ist, stimmen mit der vorstehenden Art durch die Flossenstrahlen, D. 22, 1 1; A. 3, 7, überein, haben aber in der Sei- tenlinie nicht 68, sondern nur 56 Schuppen. Calabozo.

Malocopterygii abdominales.

SiLUROIDAE.

3. Soruhim lima Bloch-Schneider. Nom. ind. „Paleta“. Calabozo.

4. Platystoma p>laniceps Agassiz. „Bagre“ genannt. Calabozo.

5. Platystoma fasciatum Linne. „Bagre rayado“. Ca- labozo.

6. Platystoma Vaillantii Cuv. Val. Calabozo.

470

Gesammtsitzimg

7. Ilemisoruhim ‘platyrhynchus Cuv. Val. „Dormilon“.

Calabozo.

8. Pmelodus maculatus Lacepecle. „Bocconi“. Cala- bozo.

9. Phnelodus ornatus Kner. y,Guacamaj a“. Calabozo.

10. (Pseudopiinelodwi) raninus Cuv. Val.

Das einzige Exemplar, 31 Centimeter lang, stimmt durch die Flossenstrachlen, D. 1, 6, A. 12, mit P. raninus C. V. überein, hat aber den Occipitalfortsatz bis zum Dorsalschild verlängert, was nur eine Folge des Alterszustandes ist. Der Kopf ist mit kleinen Gra- nulationen bedeckt, welche bei jungen Exemplaren nicht auffallen. „Pez sapo“. Apure.

11. Callophysus macropterus (Lichtenstein).

D. 1,6; A. 11; P. 1, 11 ad 1, 12; V. 1, 5.

„Zamurito“. xipure.

12. Anchenipterus galeatus (Linne). Calabozo.

13. Doras armatulus C. V. „Sierra“. Calabozo.

D. 1,6; A. 11. Zwei Junge Exemplare von 70 bis 85 .Mm. Länge, mit 29 bis 30 Seitenschildern.

14. Doras alhomacidalus n. sp.

D. 1, 6; A. 11 ad 12; V. 6. L. 1. 29.

Seitenschilder sehr hoch, in der Mitte mit einem längeren, oben mit drei und unten mit zwei kürzeren nach hinten gekrümm- ten Dornen bewaffnet. Der Schwanz ist oben und unten hinter der Fettflosse und Analflosse mit dornigen Schildern bewehrt. Der Ilumeralstachel reicht bis zum vierten Seitenschild und hat aussen wenigstens zwei Reihen von Dornen. Die Maxillarfäden reichen auf die Basis der Brustflossen.

Schwanz braun, eine Reihe grosser weisser Flecke ober- und unterhalb der Seitenlinie, kleinere weisse Flecke am Bauche und auf der Schwanzflosse. Erste Rückenflosse schwarz mit eini- gen grossen weissen Flecken. Bartfäden schwarz und weiss be- ringt.

Zwei Exemplare, das grösste 7 Cent, (ohne Schwanzflosse) lang. Aus Calabozo. Heisst ebenfalls „Sierra“.

vom 26. Juli 1877.

47 1

15. Bhmodoras niger Valenciennes. „Sierra“. Cala- bozo.

16. Callichtkys thoracatus Cuv. Val. „Curito“. San Fer- nando de Apure,

17. Hypoptopoma thoracatwn Günther. Calabozo.

18. Plecostomiis horridus Kn er. „Pa na q ne“. Calabozo.

19. Plecostomus (Liposarcus) pardalis Castelnau?

D. 1, 13; A. 1, 4; V. 1, 5. L. lat. 27.

„Coroncho“. Calabozo.

20. Chaetostomus nigrolineatus n. sp.

D. 2,7; A. 1, 4; P. 1, 6; V. 1, 5; C. 1/14/1. L. lat. 25.

Kopf etwas länger als breit, mehr als ein Drittel der Total- länge (ohne Schwanzflosse); Interorbitalgegend convex, Schnauze convex, etwas breiter als lang. Auge klein, zwei bis 2|- Durch- messer von den Nasenlöchern entfernt. Schnauze und Oberlippe mit rauhen dornigen Platten bekleidet. Interoperkel mit 40 bis 50 Stacheln, von denen die längsten bei dem erwachsenen Thier an Länge der Breite der Interorbitalgegend gleich kommen. Brust und Bauch ganz mit rauhen Platten bedeckt. Pectoral- stachel so lang wie der Kopf. Rückenflosse etwas länger als hoch. Caudalflosse eingebuchtet, die untere Spitze etwas länger als die obere. Fünf Schilder zwischen der 1. und 2. Rückenflosse. Sei- tenschilder sehr dornig, undeutlich, die posthumerale Reihe und die darunter liegende deutlicher gekielt.

Grau mit schwarzen, etwas wellenförmigen Längslinien \’on der Schnauze ausgehend, z. Th. sich auf den Körper fortsetzend und an Zahl variabel. Bei den jüngeren Exemplaren finden sich neun, bei den alten fünfzehn solcher Linien zwischen der Bauch- und Rückenflosse.

Zwei Exemplare, ein altes 39 Cent, und ein junges 20-^- Cent, langes, von Calabozo. Heisst Panaque.

21. Loricar ia cataphracta Lin ne. „Agujeta“. Cala- bozo,

22. Loricaria rostrata Ebenfalls agujeta genannt.

Calabozo.

472

/

Gesammtsitzung CriARAClNI.

23. Erythrinus Gronovii Cuv, Val. „Guavina“. Cala- bozo.

24. Prochilodus hrama Val. 1). 1, 10; A. 3, 8 ad 3, 11. L. lat. 11/60/9. Calabozü.

25. Änosiomus isoynathus E-weY. San Fernando de Apure.

26. Leporinus Leschenaultii Cuv. Val. Soll nach Ilrn. l)r. Sachs „agiia dulce“ (S üsswasser) heissen.

27. Leporinus fasciatus Bloch. Calabozo.

28. Tetragon02y(ems macnlatuH Lin ne. Calabozo.

29. Anacyrius afjlnis Günther. Calabozo.

30. Cynodon scombroides Cu vier.

31. Cynodon vulpinus Agassiz. Beide aus Calabozo, „pa- yara“ genannt.

32. Serrasalmo Nattereri Kner. San Fernando de Apure.

Ist der gefürchtete Caribe- Fisch „caribe Colorado“, welcher

Menschen anfällt.

33. Serrasahno irritans n. sp.

D. 15; A. 33. Acul. abdom. 32.

Eine Reihe von Zähnen am Gaumen. Körper halb so hoch wie lang (ohne Schwanzflosse), Kopflänge der letztem Schnauze convex, kurz, so lang wie ein Augendurchmesser. Das zweite In- fraorbitale ist länger als hoch; in der Bauchsäge 32 Zähne. Innere Fortsätze des ersten Kiemenbogens sehr kurz, knotig. 80 90 Schuppenquerreihen; Seitenlinie anfangs in einem concaven Bogen absteigend, dem Ende der Rückenflosse gegenüber einen schwachen convexen Bogen bildend.

Die Gegend über der Seitenlinie schwarzblau gefleckt. Diy Schwanzflosse mit einer die Mitte der Basis einschliessenden brei- ten schwarzblauen Binde, der breite Rand gelbweiss; die Analflosse roth, am Rande schwarz.

Ein Exemplar, 17 Centimeter lang, von Fernando de Apure. Heisst „caribe pinche“ und ist nicht so angriffsluslig wie der vorige.

vom 26. Juli 1877.

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34. Myletes duriveniris Cu vier. Calabozo.

35. Myletes macropomus Ciivier. Apure.

Apodes.

Gymnotini.

3G. Sternarclius albifrons Liniie. Wird, wie die folgenden „cuchilla“ (Messer) genannt. Apure.

37. Sternarclius Sadist n. sp.

P. 12; A. 168; 0. 17.

Die Oberschnauze ist zugespitzt, drei mal so lang wie das Auge und wird von der dicken convexen Unterlippe überragt, wel- che letztere in der Mitte eine Vertiefung zur Aufnahme ihrer Spitze bildet. Zähne sind nicht bemerkbar. Die vordere Nasenöffnung liegt in der Mitte der Länge der Schnauze, die hintere dicht vor und über dem Auge.

Die Schuppen der Seitenlinie sind grösser als die der Bauch- seite.

Die Grundfarbe ist bräunlichgrau, allenthalben, namentlich aber auf dem Rücken, mit dunklem Pigment dicht bestreut.

Totallänge 0,187; Kopf 0,018; Schwanzflosse 0,005; Körper- höhe 0,014.

S. Fernando de Apure.

38. Rhampkicliiliys pantherinus Castein au. S. Fernando de Apure.

39. Sternopygus carapus S. Fernando de Apure.

40. Sternopygus virescens Val. S. Fernando de Apure.

41. Gymnotus electricus\Ani\Q. „Temblador“. Calabozo.

SVMBKANCIIII.

42. Symhranclius marmoratus Bloch. Calabozo.

Rajidäe.

43. Trygon hystrix Müll. He nie. Apure.

[1877]

35

474

Gefui mmls i tz ung

Hr. Curtiiis legte zwei griechische Inschriften vor, welche in einem anonymen Brief aus Constantinopel vom 10. Julius an die Akademie eingesendet sind.

1.

Die erste steht auf einem abgestumpften Steinkegel von 0,75 Höhe. Der Stein ist im Besitz des Armeniers Kupidgi üglu in Kadi keui (Chalkedon); ein Grabstein, der seiner Namen wegen merkwürdig ist.

EP lANOZEPMOAIl POY<ZH<rYNHETPA’RriA HKAIEAniZ<ZH<YIOZONH ZIMOZEPMIANOY<ZH<YIOZ 5 nf2Z(|)OPOZ<ZH<YIOZ EPMIANOZxZH<

'EoucSm^ov, X~^^tZYjyuc ^ ’'E/.7rtc, uio?

Oi'vjTifxog vtcg llwTgio^og, vtog 'Ejuiceuog,

2.

Ungleich wichtiger ist die zweite Inschrift auf einem Marmor- stein mit Giebel, 0,23 breit, 0,17 hocb, 0,45 dick; bei dem Ka- sernenbau in Anadoli-Kavak von General v. Wendt (Nadir Pascha) neuerdings gefunden.

vom 26, Juli 1877,

475

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Der Stein ist ein Denkmal des Zwölfgöttercultns bei dem Hieron des Zeus Urios am Bosporos; er war an dem Nikoma- cheion angebracht, einem Gebäude, das eine ähnliche Bestimmung gehabt zu haben scheint, wie das y.^aoLp-jXäy.tov des Apollophanes in Philippoi (Heuzey Mission de Macedoine p. 21). Der Stein ist neben der bekannten halikarnassischen Inschrift (C. I. Gr. II. n; 2656) und der neuerdings vom Museum der evang. Schule in

35

47G

Gesammtdlzuwj

Sinyriiii Heft 1 p. 106 tf. veiülTentlichten liiselirift aus Erytlirai ein drittes Zeuguiss der bei gewissen Ileiligtliüniern üblichen Sitte des Verkaufs der Priesterstellen; endlich ist der Stein auch eines der seltenen Denkmäler des Dorismus am Bosporos.

Ich versuche das Fragment so zu ergänzen:

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al hi y.a [utj] irord[ywvri

Die letzte Zeile nach Kirclilioff, der im Anfang dy]a^u vermuthet.

An eingegaugenen Schriften wurden vorgelegt:

Acadeniie lioyale de Belgique. Bulletin de l' Academie Uoyale den Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique. 46. Annee. 2. Serie. T. 43. N. 5. Bruxelles 1877. 8.

Verhandlungen der physikal.-medicin. (desellscha/t in W’ürsburg. Nene Folge.

XI. Bd. 1 & 2 Heft. Würzbiirg 187 7. 8.

Itecue scientifique de la France et de l'etranger. VII. Annee. 2. Serie. N. 3. 21 Juillet 1877. Baris. 4.

Nicolas Nicolai'ges, Analectes ou Memo i res et notes sur les diverses parties des muthematlques. Livraison 18. 19. Athenes. 8.

vom 26. Juli 1877.

477

Verhandlungen der vom 5. bis 10. October 1876 in Brüssel vereinigten imr- manenten Commission der Europäischen Gradmessung. Berlin 1877. 4.

Mittheilungen der K. K. Central -Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. Bd. 3. Heft 2. Wien 1877. 4.

John Ericsson, Contributions to the centennial exhibition. New York 1876. 4. Vom Verfasser.

Bas. Skordeles, Meditationes Tracicae. Lips. 1877. 8.

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iJi:

In Ferd. Dümniler’s Vcrlagsbiicliliandlnng sind folgende akadeinisclie Abhandlungen aus den Jahrgängen 1874 bis 1877 er- schienen :

Hagen, Messung des Widerstandes, den Plansclieiben erfahren, wenn sie in normaler Richtung gegen ihre Ebenen durch die Luft bewegt werden. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

F. Harms, Über den Begriff der Psychologie. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

F. Harms, Zur Reform der Logik. 1874. Preis: 2 M.

Haupt, Marci Diaconi vita Porpliyrii Episcopi Gazensis. 1874. Preis: 1 M.

Kummer, Über die Wirkung des Luftwiderstandes auf Körper von verschie- dener Gestalt, insbesondere auch auf die Geschosse. 1875. Preis: 4 M.

A. Kirchhoff, Gedäclitnissrede auf Moriz Haupt. 1875. Preis: 75 Pf.

A. Kirchhoff, Über die Redaction der Demosthenischen Kranzrede. 1875.

Preis: 2 M.

Schott, Zur Uigureufrage. 1875. Preis: 1 M.

E. Rüdiger, Über zwei Pergamentblätter mit altarabischer Schrift. 1875.

Preis : 1 M.

R. Hercher, Über die Homerische Ebene von Troja. 1875. 2. Aufl.

Preis : 1 M.

Reichert, Zur Anatomie des Schwanzes der Ascidien-Larven. 1875. Preis: 5M.

Bruns, Die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden. 1876. Preis: 4 M.

CuRTius, Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 1876. Preis: 2 M.

Dove, Die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876. Preis: 2 M. 50 Pf.

Zeller, Über teleologische und mechanische Naturerklärung in ihrer Anwen- dung auf das W^eltganze. 1876. Preis: 1 M.

Harms, Über den Begriff der Wahrheit. 1876. Preis: 1 M. 50 Pf.

ViRCHOW, Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit beson- derer Berücksichtigung der Friesen. 1876. Preis: 20 M.

Schott, Über einige Thiernamen. 1876. Preis: 1 M.

G. Rose & A. Sadebebk, Über die Krystallisation des Diamanten. 1876.

Preis: 4 M.

Bernays, Die unter Philon’s Werken stehende Schrift über die Unzerstör- barkeit des Weltalls nach ihrer ursprünglichen Anordnung wiederherge- stellt und ins Deutsche übertragen. 1876. Preis: 4 M.

A. Kirchhoff, Zur Geschichte des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 1876. Preis: 2 M. 20 Pf.

Weierstrass, Zur Theorie der eindeutigen analytischen Functionen. 1876.

Preis: 3 M.‘

Weber, Pancadandachattraprabandha. Ein Märchen von König Vikramädilya 1877. Preis: 5 M.

Lei'Sius, Die babylonisch-assyrischen Längenmaafse na*li der Tafel von .Sen- kereh. 1877. Preis: 4M.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

August 18TT.

Mit 1 Tafel.

BERLIN 1877.

BUCH DRUCKEREI DER KOL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN (O. VOOT) NW. L’NIVERSITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’s VERL A OS-B nCIIIIA NDLHNG .

IIARRWITZ UND OOS8MANN.

MONATSBERfCHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN

, AKADEMfE DER WISSENSCHAFTEN

/

zu BERLIN. August 1877.

Vorsitzender Sekretär: tir. Curtius.

2. August. Gesammtsitzuug der Akademie.

Hr. Vahle|n las: Uber das Prooemiurn des Lucretius.

Die Dichtung des Lucretius ist ein Werk so wunderbarer Eigen- art, dass ihm auch nur an einem kleinen Theile aufzuhelfen, wenn’s gelingt, nicht werthlos scheinen wird.

Lachmann’s letzte und meisterlichste Arbeit hat der Kritik dieses Werkes die Wege geebnet, indem sie die Quellen aufwies, deren folgerichtige Ausschöpfung die Wiederherstellung des einzi- gen Exemplars ergiebt, welches, im vierten oder fünften Jahr- hundert geschrieben, die Forterhaltung des Lucretianischen Dicht- werks vermittelt hat; und hat die manchfaltigen Schreiberirrungen, welche die Überlieferung dieses Textes in den seit dem neunten Jahrhundert aus jenem Exemplar gezogenen Abschriften erfahren hat, zu einem grossen Theile mit neiden swerthem Erfolge berich- tigt. Läge uns das Archetypon selbst vor oder besässen wir von ihm statt mit grösserer oder geringerer Sorgfalt und Kenntniss gemachter Apographa ein Facsimile, wie dergleichen die fortge- schrittene Technik unserer Tage herzustellen vermag, so würden Abschreiberfehler nur in massiger Zahl zu beseitigen bleiben, da- gegen Mängel in schärferem Umriss hervortreten, welche in des Dichters eigene Werkstatt zurückleiten. Lachmann hat anknüpfend an die bekannte Tradition, dass Lucretius per intervalla insaniae

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Gesammtsitzung

einige Bücher seines Werkes vollendet, die nach seinem Tode Cicero*) emendiert und herausgegeben habe, aus der Prüfung des Werkes selbst das Ergebniss geschöpft, dass Lucretius nur das erste seiner sechs Bücher de rerum natura abgeschlossen, die übri- gen fünf hingegen in einem theilweise unfertigen Zustande hinter- lassen habe, er hat die Abschnitte bezeichnet, die, wenn auch vom Dichter selbst ausgeführt, doch als später aufgesetzte und nicht mehr fest in den Zusammenhang des Ganzen eingefügte Bestand- theile sich kund gäben. Diese Ansicht von dem gegenwärtigen Bestände des Lucretianischen Dichtwerkes hat sich in der Haupt- sache bewährt, und die spätere Kritik hat ihr eine Ausdehnung zu geben gesucht durch den Nachweis, dass das von Lachmann ausgenommene erste Buch nicht minder als alle übrigen sichere Spuren unfertiger Arbeit erkennen lasse. Zu den unter diesen Ge- sichtspunkt fallenden Theilen desselben ist neuester Zeit auch das Prooemium des Werkes gerechnet worden, dessen kritische Behand- lung seit Lachmann einen eigenthümlichen Gang genommen hat. Lachmann selbst hatte gegen bessere Überzeugung in Nachgie- bigkeit gegen eine fremde .Meinung eine Lücke in dem Text des- selben orten gelassen. Das gab im Verein mit Anstössen, die man an dem Zusammenhang desselben nahm, den Anlass zu unter- suchen, ob der Defect vielleicht nur ein scheinbarer sei und durch Umordnung der Theile lückenloser und auch im Übrigen befriedi- gender Gedankenzusammenschluss sich hersteilen lasse. Allein die in dieser Richtung gemachten, im Einzelnen weit auseinander gehen- den Versuche haben keinen Erfolg gehabt, und so hat zuletzt in

*) Ob Marcus oder Qiiintus, diese leidige Frage will ich nicht weiter aufstüren, aber dass für Marcus auch Flinius zeuge, ist mir nicht glaublich. Denn wenn er schreibt Ep. III 15 Petis ut liieflos (uos in secesm leyam, examinem an editione sint diyni , adhibes preces, adlegaa exemplum: royas enini ut aliquid suhsiciri temporis stiidüs nieis aubtraham, impertiam tuis, udit- cis M. Tullium mira beniynitate poetaruin inyenia foviaae, so ist Cicero’s Er- wähnung nur mit dem letzten in Beziehung gesetzt und die Meinung die, dass wie Cicero seinem Sachwaltergeschäft so viel Zeit abgewonnen, um sei- ner Neigung für die Dichter nachzuhängen (pro Sestio 58, 123 neque poetae, quorum eyo aemper inyenia dilexi, tempori meo defuerunt), ebenso der Sach- walter Plinius etwas aubaicivi temporia für des Freundes dichterische Versuche erübrigen möge.

vom 2. August 1877.

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einei’ unter Ritschl’s Aegide scharfsinnig geführten Untersuchung Hr. Stuerenburg*) die vielen aus dem Prooemium geschöpften Be- denken zu erledigen geglaubt in der Hypothese, dass die Bausteine desselben zwar säinmtlich von des Dichters eigener Hand geformt und geglättet, aber unverkittet von ihm hinterlassen, in Unordnung gerathen und mit Verlust eines grösseren Stückes uns überliefert seien. Mir hat wiederholte und Avie ich hoffe unbefangene Prü- fung die entgegengesetzte Überzeugung befestigt, indem ich nicht nur, zu Lachmanns ursprünglicher Meinung zurückkehrend, keine Lücke in dem Text des Prooemium anerkenne, sondern auch im Übrigen keinen Anlass zu entdecken vermag zu der Annahme, dass nicht alle Theile desselben in wohlüberlegter Ordnung und befrie- digender Verknüpfung, wie sie vom Dichter selbst zum Ganzen ge- fügt Avorden, sich erhalten hätten^ Ein Prachtstück Lucretianischer Dichtung, Avie dieses Prooemium nach meiner Meinung ist und Avofür es bisher auch allgemein gegolten hat, ist es Avohl Averth, dass man es, Avenn thunlich, gegen unberechtigte Anfechtungen zer- störender Kritik zu schützen trachtet, und so versuche ich Plan und Gliederung desselben, Avie ich sie zu erkennen meine, in einer der Abfolge des Textes sich anschmiegenden hermeneutischen Be- trachtung, mit nur soviel polemischer Zugabe als unvermeidlich schien, darzulegen.

Lucretius hat allen Büchern seiner Dichtung**) mit besonderer

*) De carminis Lucretiani libro primo. Scr. Henricus Stuerenburg in Acta societatis philologae Lipsiensis Ed. E'r. Ritschelius. Tom. II. Fase. 1. 1872. S. 367 ff.

**) Ich nehme auch das vierte nicht aus, dessen Prooemium Y. 1 25 den Versen des ersten Buches 926 950 mit geringen AbAveichungen ent- sprechend ist. Lachmann hat zwar angenommen, und nach ihm die späte- ren, Lucretius selbst habe das vierte Buch ohne Prooemium hinterlassen, und der Herausgeber des Werkes, damit dies einzige Buch eines Eingangs nicht entbehre, jene Verse des ersten Buches aus ihrem Zusammenhänge heraus- gehoben und p>rooemii loco an die Spitze des vierten Buches gestellt. Müssen Avir ein so weitreichendes selbständiges Verfahren des Herausgebers anneh- men, so ist klar, welche Consequenzen daraus für die Beurtheilung und kri- tische Behandlung dieses Textes sich ergeben und Avir dürfen uns ihnen nicht entziehen. Allein eine irgend zutreffende Analogie dieses Verfahrens ist mei- nes Wissens nicht aufgewiesen, und Avas Avichtiger scheint, wer die zahlreichen

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Gesammtsitzung

Kunst gearbeitete Prooemien vorangeschickt, reichere Ausführung hat er dem des ersten Buches gegeben, das zugleich dem ganzen Werk als Eingang zu dienen bestimmt ist. Es umfasst die Wid- mung an C. Memmius, des Dichters Freund, und die seit Homer und Ennius den Dichtern geläuüge Anrufung der Gottheit, beides sinnreich in Eins verschlungen. Denn nicht an die Muse wendet sich der Dichter (wie G, 92 ff.) sondern an Venus, die in ihrer Doppeleigenschaft als Repraesentantin der schöpferischen Kraft in der Natur und als Schutzgöttin des Memmius, der ihr Bild auf seinen Münzen trug, einer ihm gewidmeten Dichtung, welche die Natur der Dinge zum Gegenstände hat, Liebreiz zu verleihen ge- neigt sein werde.

Diesem doppelseitigen Gedanken einen entsprechenden Aus- druck zu geben, hat Lucretius an die Spitze seines AVerkes, als ein Tv^cTMTzcv, eine reich und schön gegliederte Periode

gestellt, welche nach der Aiu’ede Aeneadum genetrix, hominum di- vomque voluptas, Alma Venus usw. (V. 1 4) mit dem Vordersatz 2^er te quoniam genus omne animanhim Concipitur visitque exortum lumina solis, Te, dea, te fugiunt venti, te nuhila caeli usw. (V. 4 9) beginnt, sodann nach einem begründenden Zwischensatz nain si- mulac species p>atefactast venia diei usw. (V. 10 20) den Vorder- satz mit den Worten quae quoniam verum naiuram sola guhernas usw. (V. 21 23) wiederaufnimmt und endlich mit den Versen te sociam studeo scrihendis versihus esse usw. (V. 24 28) den Abschluss ge- winnt. Hienach hebt der Dichter, wenn ich den Gedankenzug in den äussersten Spitzen zu bezeichnen versuche, ungefähr mit folgender Anrufung der Gottheit an: 'Mutter der Aeneaden, Venus, die Du durch Erd’ und Himmel wandelst, da durch Dich alle lebenden Wesen hervorgebracht werden und bei Deinem Nahen

■Wiederholungen von Versen und Versgruppen in Lucretius’ Dichtwerk, die noch manches bis jetzt kaum berührte Käthsel aufgeben, alle von den klei- neren aufsteigend bis zu den umfangreicheren übersieht, wird, wenn ich nicht irre, aus dieser durch so viele Thatsachen erwiesenen Neigung und Manier des Dichters ein Bedenken schöpfen gegen die Annahme, welche diese aller- dings umfangreichste (25 V.) aber dennoch die längste unter den übrigen (14 V.) in nicht so beträchtlichem Grade übersteigende Wiederholung dem Dichter selbst abspricht, zumal sie im Übrigen nichts von dem Charakter der sonstigen Wiederholungen Abstechendes aufweist.

vom 2. August 1877.

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die Natur in friedlichem Glanze strahlt denn so ist es,' sobald die Natur ihren Frühlingsschmuck angelegt, kündigt sich allent- halben die Wirkung Deiner Macht und Deines Liebreizes an da also durch Dich allein die ganze Natur beherrscht und ohne Dich nichts Frohes und Liebliches erzeugt wird, so wünsche ich Dich zur Genossin bei einer Dichtung über die Natur der Dinge zu haben, welche ich dem Memmius schaffe, den Du jederzeit mit allen Gaben zu zieren wünschest: um so mehr verleihe Anmuth meinen Worten.’ Doch dieses 28 Verse umfassende Satzgefüge, das einen zwar reich ausgefülirten aber im Grunde einfachen und übersichtlichen Gedanken ergiebt, ist in den Ausgaben und Avunderbar genug selbst bei Lachmann durch eine ungehörige Interpunction hinter solis V. 5, welche den ersten der beiden Vor- dersätze spaltet und die enge Zusammengehörigkeit der beiden mit quoniam eingeführten Vordersätze (V. 4 und V. 21) auf hebt, auf das empfindlichste zerschnitten; und da man auf diese Weise den Zusammenhang verloren hatte, haben neuere Kritiker und Exegeten viel fruchtlose Mühe aufgewendet, durch Erklärung, ja selbst durch Umstellung von Versgruppen, einen angemessenen Gedankenfort- schritt zu gewinnen, den richtige Interpungierung ohne Schwierig- keit erkennen lässt. Obwohl die Gliederung dieser Periode, die ich zu restituieren versuche, ihre überzeugende Kraft aus der Ein- fachheit und Klarheit des gewonnenen Gedankens zieht, so ist es doch nicht unerwünscht auf die bestätigende Parallele einer analog geformten Periode hinweisen zu können. Denn wenn Lucretiiis schreibt 4, 54

Principio quoniam mittunt in rehus apertis 55 Corpora res multae, p>artim diffusa solute,

Rohora ceu fumum mittunt ignesque vaporem.,

Et partim contexta magis condensaque, ut olim Cum teretis ponunt tunicas aestate cicadae.,

Et vituli cum memhranas de coipore summo 60 Nascentes mittunt, et item cum lubrica serpens Exuit in spinis festem nam saepe videmus lllorum spoliis vepres volitantibus auctas

Quae quoniam Jiunt, tenuis quoque debet imago Ab rebus mitti summo de corpore rerum, so leuchtet auch ohne mein Zuthun ein, dass dieser Satzbau in all Seinen Gliedern mit der Periode des Prooemiums sich deckt, mit

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Gesammtsitzung

welcher jenen zusammenzustellen nur die grössere Ausführlichkeit derselben verhindert haben kann*).

Nach diesem Eingang fährt der Dichter in seiner Anrede an die Venus fort V. 29: 'Bewirke, dass inzwischen der Krieg allent- halben ruhe: denn Du kannst es: wenn Mars, der Lenker des Kriegs, auf Deinem Schoosse ruhend, liebetrunkenen Blicks an Deinem Ant- litz liängt, dann bitte ihn mit schmeichelnder Rede, dass er Friede gewähre den Römern: denn in der Gefahr des Vaterlandes vermag

*) Obwohl nicht ganz gleiclier Art, wird doch nicht ohne Nutzen ver- glichen werden der Satzbau 3, 425

Principio quo}iiain tenuem conatare minutia Corporihua docui miiltoque minorihua eaae Principiia factam fpiam lifjuidiia umor aquai Aut nehula aut fumua nam lange mobilitate Praeatat et a tenui cauaa magia icta movetur,

430 Quippe uhi imaginihua /und nebulaeque movetur,

Quod geniia in ao/nnia aopiti ubi eernimua alte Exhalare vaporem altaria ferreque Jumum;

Nam procul haec dubio nobia aimulacra geruntur

Nunc igitur quoniam quaaautia undique vaaia 435 Dijßuere umorem et laticem diacedere cernia.

Kt nehula ac fumua quoniam diacedit in auraa,

Crede anirnam quoque dij/undi multoque 2>crire Ociua et citiua diaaolvi in corpora j)rima,

Cum aemel ex hominia membria ablata receaait.

Denn um andere mit unserer Frage in keiner Beziehung stehende Schwierig- keiten, an welchen die Stelle leidet, zu üljergehen, wenn Lachmann V. 428 nam in iam verwandelt, um hier den Nachsatz zu gewinnen, so hat er so- wohl hier des Dichters Argumentation verfehlt, der aus der grosseren Beweg- lichkeit die grössere Kleinheit der Urstoflfe folgert, hier, wie 3, 203 fl'., als aucli den nothwendigen Zusammenhang der ganzen Gedankenkefte zerschnit- ten ; denn nimmt auch der zweite Vordersatz {nunc igitur quoniam V. 434) den Gedanken des ersten {principio quoniam V. 425) nicht wieder auf, so dient doch letzterer jenem zur nothwendigen Voraussetzung und bildet mit ihm zusammen die erforderliche Prämisse für den Schlusssatz: 'da die Seele aus kleineren Körperchen als Wasser und als Rauch und Nebel besteht denn das ist der Fall, da sie eine viel grössere Beweglichkeit hat und da nun Wasser aus dem zerbrochenen Gefäss zerfliesst und Rauch und Nebel zerstiebt, so muss die Seele um so schneller zerstieben.’

vom 2. August 1877.

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weder ich dieses Werk zu fördern noch Memmius dem gemeinen Wohle sich zu entziehen/ Und an diese geschlossene Gedanken- kette reihen sich sodann in der Überlieferung die Verse 44 ff. Omnis enim per se divom natura necessest 45 Immort all aevo summa cum jiace fruatur Semota ab nostris rehus seiunciaque longe:

Nam }orivata dolore omni, qyrivata ‘periclis,

Ipsa suis pollens opibus, nil indiga nostri,

Xec bene promeritis capitur neque tangitur ira, welche, wie niemals verkannt worden, aus dem zweiten Buche (V. 646 651) hierher übertragen, nichts sind als die in den Text gedrungene Randbemerkung eines müssigen Lesers, der den Wider- spruch bemerklich machen Avollte, in welchen der Dichter durch dieses sein Anliegen an die Gottheit mit seiner eigenen Lehre sich setze. Weisen wir daher den Eindringling dahin, wohin er gehört, auf den Rand, und folgen dem Dichter, der nun von Venus ab an Memmius selbst sich wendet mit den Worten 50 Quod superest vacuas auris

Semotum a caris adhibe veram ad rationem,

Xe mea dona tibi Studio disposta fideli Intellecta prius quam sint contempta relinquas.

Der erste dieser Verse ist in der handschriftlichen Tradition am Ende verstümmelt* Ein alter Corrector, von der richtigen Empfin- dung geleitet, dass hier in der Fuge des Übergangs eine nament- liche Anrede des Memmius nicht fehlen dürfe, ergänzte auris [^nilti Memmius et te] Semotum , im Ausdruck wenig geschickt und in der Anredeform Memmms (statt Memmi) gegen den Gebrauch des Euere tius verstossend. Diese Fehler vermied die im Übrigen auf dasselbe Ziel gehende Ergänzung Lachmann’s vacuas auris [ani- mumque, age, Memmi,] Semotum a curis, die im Gedanken so an- sprechend ist und in der Form dem Erhaltenen so treffend sich anschmiegt, dass schwerlich je ein Zweifel an ihrer Verlässlichkeit laut geworden wäre, wenn nicht ein Grammatikerzeugniss sich ein- gestellt und die Betrachtung nach einer ganz anderen Seite ge- drängt hätte. Der Veroneser Interpret des Virgil macht zu Georg, o, 3 'cetera quae vacuas tenuissent carmina mentes' die Anmerkung vacuas mentes scrihentium intellegendum : sic Lucretius 'vacuas aures animumque sagacem! Der Grammatiker nennt nicht das Buch des Lucretius aus dem er schöpft, aber den ähnlich klingenden Vei’S

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Gesannntsitzung

4, 912 tu mihi da temiis aures animumqne sagacem kann er nicht meinen, da hier das AVort (vacuas), um des willen er citiert, nicht steht. Die Anführung geht also auf unsere Stelle, und der Scho- liast gieht den in den Handschriften abgebrochenen Versschluss vollständig. Daher schon II. Keil in seiner Ausgabe der Vero- neser Scholien das Citat auf den Vers des ersten Buches bezog und Bernays urtheilte, dass statt nach einer eigenen Ausfüllung des lückenhaften Verses zu suchen, man die von dem Grammatiker dargebotene vollständige Form zu restituieren habe. Und wer wollte leugnen, dass diese Combination viel gewinnenden Schein hat? Lachmann selbst fügte sich ihr mit Preisgebung seiner eigenen früheren Meinung, indem er sie zugleich dahin ergänzte, dass, wenn Lucretius den Vers so geschrieben, wie ihn der Grammatiker ci- tiere, und also in diesem Memmins’ Name nicht gestanden habe, vor demselben nothwendig einige Verse ausgefallen sein müssten, da ohne namentliche Anrede des Memmius der Übergang ein un- erträglich schroffer sein würde. So hätte uns also der Gramma- tiker eine Lücke zugedeckt, um uns zugleich eine andere grössere aufzudecken, und wir wären ihm zu doppeltem Danke verpflichtet. Überdies könnte man in der Thatsache, dass an derselben Stelle einige Verse fälschlich eingedrungen, den Anlass erkennen, der die echten Verse verdrängt habe. Doch wie dem sei, alles kommt dar- auf an, dass die aus dem Scholiasten gezogene Fassung des Verses in jedem Punkte probehaltig sei; denn lässt sie zu wünschen, so "erhebt sich, allen Schein zerstörend, von Neuem der Zweifel, ob das Citat mit Recht auf unsern Vers bezogen worden. Und in der That, wenn Lucretius nach der getroffenen Ergänzung mit den Worten quod superest vacuas auris [animumque sagaceiii] Semotum a curis adkihe veram ad rationem, Ne mea dona tihi Studio disjwsta jideli Intellecta quam sint contempta relinquas den Älemmius

eiidadet, ihm ein aufmerksames Ohr zu leihen, so trifft in der im Übrigen fein geformten Wendung das P^pitheton sagacem meine Em- pfindung als eine ungehörige und störende Zuthat: denn in einer Aufforderung, wie diese, der vielleicht ein Ausdruck genügen konnte, wie 2, 1023 nunc animum nohis adhibe veram ad rationem, Nam tibi vementer nova res molitur ad auris Accidere, oder 6, 920 nimium longis ambagibus est adeundum ; Quo magis attentas auris animumq^ie reposco, erfüllt der Begriff der sagacitas keinen greifbaren Zweck: ein Wort, das Lucretius, an dem keine stilistische Tugend mehr

vom 2. August 1877.

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zu rühmen ist als die Wahrung der Proprietät des Ausdrucks, in dem Sinne zu gebrauchen pflegt, dass es, wie beim Hunde so beim Menschengeiste, die nachgehende Spürkraft bezeichne, nirgend deut- licher als an der schönen Stelle 1, 402 multaque graeterea tibi pos- sum commemorando Argumenta fidem dictis conradere nostris. Verum animo satis haec vestigia parva sagaci Sunt per quae possis cog- noscere cetera tute. Namque canes ut monüvagae persaepe ferai Ka- ribus inveniunt intectas fronde quietes, Cum semel insüterunt vestigia certa viai, Sic alid ex alio p)er te tute ipse videre Talibus in rebus poteris caecasque latebras Insinuare omnis et verum protraliere inde. Und so überall, wo das Wort begegnet (1, 130; 368 ; 2, 810; 1, 1022 = 5, 420), ist es mit dem Begriff des Spürens und Su- chens und Forschens in Beziehung gesetzt. Betrachtet man vollends 4, 907 nunc quibus Ule modis somnus per membra quietem Inriget at- que animi curas e pectore solvat, Suavidicis piotius quam multis ver- sibtis edam, Parvus ut est cycni melior canor, Ule gruum quam Cla- nior in aetheriis dispiersus nubibus austri. Tu mihi da tenuis aures animumque sagace7n, Ne fieri negites quae dicam posse., so zeigt sich nicht bloss in scharfer Bestimmtheit dieselbe Wortbedeutung von sagax, sondern man gewahrt zugleich, Avie angemessen animus sa- gax und temiis aures zusammentreten, ebenso angemessen wie un- geschickt an unserer Stelle animus sagax und vacuae aures, Aväh- rend hingegen, wie dort zwischen temUs aures und animus sagax, so hier dasselbe fein abgew'ogene Gleichgewicht der Concinnität sich ergäbe, Avenn mit Beseitigung von sagacem zusammenstünden vacuas aures und animum semoüwi a curis, zAvei Epitheta, deren analoge Bedeutung, Avie sie in der Natur der Sache liegt, so über- dies durch ein Beispiel Avie 2, 46 vacuum pectus lincunt curaque solutum ins Licht gestellt Avird. Gerade an das Wort also, das allein dem Grammatiker verdankt Avird und an das ohne den Grammatiker Niemand gedacht haben Avürde denn animumque steht auch ohne des Grammatikers Zeugniss fest gerade an das Wort, Avelches uns den Platz für die unentbehrliche Anrede des Mcm- mius A'erstellt, heften sich aus der Natur des Gedankens und der Wortbedeutung geschöpfte Bedenken, die, alles Avohl erAVOgen, es scliAver glaublich erscheinen lassen, Lucretius habe durch Einfügung dieses vom Gedanken nicht geforderten sondern verschmähten Epi- thetons seinen eigenen Ausdruck schädigen und beeinträchtigen AVüllen. Denn selbst zugegeben, avus mit Nichten einzuräunien,

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Gesammtsitzung

dass sagacem dem Gedanken nicht hinderlicli sei, so würde das Wort doch hier durch das Gewicht des anderen Epithetons semo- tum a curis, das durch das entsprechende vacuas noch gesteigert wird, in seiner Bedeutung entkräftet und zn nutzlosem Ballast her- abgedrückt. Und um dieses schlechtgewählten Epitheton willen sollen wir überdies eine Lücke anzunehmen genöthigt sein, für die sonst kein Indicium spricht?

Freilich hat man gemeint, auch abgesehen von der vermissten Anrede des Memmius, könne die mit quod sui)erest anhebende Ge- dankenreihe nicht unmittelbar an das Vorangegangene sich an- schliessen, sondern werde unter allen Umständen eine Anzahl Verse vermisst, an welche Quod superest, die Reihe beschliessend, sich anfüge. Denn dies, dass quod supereat nur den Abschluss einer Reihe bezeichnen könne, ist das Ergebniss, welches Ilr. Stuerenburg aus seiner Untersuchung des Gebrauchs dieser formelhaften Wendung bei Lucretius gezogen hat. Ich gestehe, dass mich seine Darlegung nicht überzeugt hat und dass ich nach wie vor die Meinung hege, q\iod sup>erest, einem porro vergleich- barer als einem denique oder jwstremo, diene dem Dichter als be- queme Ubergangsformel zu Weiterem, das darum nicht nothwendig das Letzte zu sein braucht oder als solches markiert werden soll*). Aber für unseren Zweck ist die Entscheidung dieser Frage unter- geordnet: denn welche Bedeutung man statuiert, was könnte hier zur Stützung eines qtiod superest vermisst, oder was nur, das zweckmässig eingeschoben würde, ersonnen werden? Der Dichter hat an Venus das Gebet gerichtet, dass sie Ruhe und Frieden schafl’e im Vaterland, auf dass er selbst seinem Werke obliegen und Memmius nicht durch Sorgen um das öffentliche Wohl abge- zogen werde. Und indem er die Gewährung der Bitte nach Dich- terart stillschweigend voraussetzt, fährt er fort 'was noch erübrigt, mein Memmius, wende Dein aufmerksames Ohr meiner Lehre zu.’ Wie wäre das kein richtiger Fortschritt, kein angemessener Ab-

*) Hrn. Stuereiiburgs ImUictioii, die das Material nicht erschöpft und iin Einzelnen nicht unbefangen prüft, scheitert vollends an 5, 247 lY., einer Keihenfolge von Argumenten, deren zweites, mit quod mjicreat cingeführt, je- nes Vorurtheil zu berichtigen geeignet war, während Hr. Stuerenburg sich vergeblich bemüht, die Stelle zu verdächtigen.

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Schluss der vorangegangenen Gedankenreihe? Und wie sollte nicht vielmehr des Dichters Absicht zerstört werden, wenn hier anderes gewaltsam zwischen Engzusammengehöriges eingedrängt würde?

Und noch von anderer Seite lässt sich der feste Zusammen- schluss der Gedanken an diesem Punkte aufweisen. Denn wenn Lucretius sagt vacuas aures animumque semoium a curis adhibe veram ad rationem, so begreifen wir leicht, von welchen Sorgen abgelenkt er des Freundes Gemüth zur Betrachtung seiner Lehre herüber- zuziehen wünscht: hat er es ja eben bekannt, dass nur wenn Friede walte und das Vaterland nicht von Kriegsgefahr bedroht sei, Mem- mius der Sorge um das Gemeinwohl sich entschlagen könne. Aber auch hier hält uns Hr. Stuerenburg den Sprachgebrauch des Lu- cretius entgegen, der cura nicht in dem einfachen und natürlichen Sinne, den es überall hat, sondern nur zur Bezeichnung der aus der Götterfurcht entspringenden Besorgnisse {superstitiones und re- ligiones) anwenden soll. Er schalft sich mit dieser Annahme selbst eine Schwierigkeit, auf die an anderer Stelle zurückzukommen sein wird. Was aber den Sprachgebrauch anlangt, so hätte ihn die von ihm selbst entworfene Liste der Beispiele von der Grundlosigkeit seiner Behauptung überzeugen können. Denn wenn cwrae, wo die Umgebung des Wortes es nahe legt, auch von superstitiöser Be- sorgniss verstanden werden kann, so sind doch z. B. die cuppedi- 7iis acres curae (5, 45; o, 994) nicht etwa auch unter diesen Be- griff zu ordnen, und wer Stellen wie 5, 1423. 1431; 2, 363. 365 vergleicht, überzeugt sich bald, dass Lucretius keinerlei Besonder- heit der Bedeutung in dieses Wort gelegt hat, sondern den allge- meinen Begriff der Sorge seine spezielle Färbung aus dem Zu- sammenhang entnehmen lässt, in den er gestellt ist; und hier an unserer Stelle ist diese besondere Beziehung des Wortes so deut- lich und greifbar, dass nur wer aus anderen Gründen über man- gelnden Zusammenhang bereits entschieden hat, sie verkennen oder ableugnen kann. Wir entnehmen vielmehr aus der erkannten Ge- dankenverbindung an dieser Stelle ein neues Argument dafür, dass die dem Virgilinterpreten entlehnte Form des V. 50 quod supe^-est vacuas auris [cinimumque sagaceui] Semotiüii a curis adhibe veram ad rationell die ursprüngliche nicht sein könne, weil sie nicht bloss in dem Epitheton sagacem Ungcdiöriges enthält sondern wegen der fehlenden Anrede des Mernmius zur Annahme einer Lücke drängt, wo nichts vermisst wird und jeder Zusatz vom Übel ist. Denn

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dass die unmittelbar vorher fälschlich eingedrungenen Verse nicht notlnvendig den Ausfall anderer herheigefiihrt haben müssen, ver- steht sich und liesse sich aus Lucretius seihst belegen. Sind wir aber berechtigt, den in den Handschriften abgebrochenen Vers aus Eigenem zu vervollständigen, so kann eine einfachere und ange- messenere Ergänzung nicht gefunden werden, als die von Lach- mann vorgeschlagene und wieder verlassene, die nichts Fremd- artiges einmischt und nur giebt, was nicht entbehrt werden kann: quod supej’est vacitas anris [animumque, age, Memmi,] Semotum a curis adhibe veram ad rationem.

Und dieses Resultat, auf dem Boden des Dichters geschöpft, kann durch das widersprechende Grammatikerzeugniss nicht er- schüttert werden, so wünschenswerth es auch ist, dass die Ent- stehung dieses in probabeler Weise aufgeklärt werde. Denn in diesem Falle, wo der Grammatiker vollen Versschluss, die Hand- schriften verstümmelten bieten, reicht es nicht aus, daran zu er- innern, dass auch sonst Grammatiker Verse des Lucretius in einer von den Handschriften abweichenden Form anführen, von der doch Niemand für den Text des Dichters Gebrauch zu machen sich ge- neigt findet (vgl. Lachmann z. 2, 15. 559. 586 u. s.). Dahin- gegen könnte, wer Lachmanns Ansicht beipflichtete, dass der in den Handschriften abgebrochene Vers 6, 1138 haec ratio quondam morhorum et mortiferae, den Macrobius Sat. 6, 2 vollständig giebt, haec ratio quondam morhorum et mortifer aestiis, so von Macrobius selbst oder sonst einem im Lucretius bewanderten Leser ergänzt worden sei, ein ähnliches Verfahren an unserer Stelle voraussetzend annehmen, dass der Vers 1, 50 schon vor dem V^irgilinterpreten verstümmelt, von diesem oder wem sonst mit Hülfe des ähidichen 4, 912 nach eigenem Ermessen ausgefüllt Sei*). Doch Lachmanns Kritik jenes Verses (6, 1138) erreicht nicht den wünschenswerthen Grad von Sicherheit, um auf dieser Analogie zu bauen, und ich be- kenne, dass ich es für wahrscheinlicher halte, Macrobius habe wirk- lich die echte Form des Verses gewahrt, die in der handschrift- lichen Überlieferung unerheblich und in leicht erklärlicher Weise

*) Wie Grammatiker mitunter verfahren, dafür giebt 4, 368 iiam nil esse potest aliud fiisi lumine cassus Aer id quod uos umbram perhibere suemus, (vgl. 377 spoliafur lumine terra) ein instnutives Beispiel, welche Stelle Servius Aen. 4, 654 so anführt, umbra, quam Lucretius deßnivit, spoliatus lumine aer.

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gelitten habe*). Dienlicher vielleicht für jenen Zweck könnte fol- gendes scheinen. 1, 66 lautet in den Handschriften Graius

liomo mortalis tollere contra Est oculos ausus. Nur Nonius p. 411, 2, unter Belegen für den Gebrauch von tendere, führt an mortalis fendere contra Est oculos ausus. Lachinann, obwohl er beides für gleich richtig erklärt, folgt dem Nonius als dem älteren Zeugen. Ich trage kein Bedenken, das in dem hiesigen Zusammenhang be- zeichnendere tollere vorzuziehen. Nonius aber oder sein Gewährs- mann fand an derselben Stelle tendere in seinem Lucretiustexte und woher dies entstanden, kann Niemand zweifeln, der 4, 300 ver- gleicht sol etiam caecat (oculos) contra si tendere j)ergas. Derselbe Nonius citiert p. 175, 6 aus Lucretius denique ßuctivago suspensae in litore vestes Uvescunt: eaedem candenti sole serescunt., während die Lucretiushandschriften 1, 306 eaedem dispansae in sole serescunt über- liefern. Lachmann hat die handschriftliche Lesung dispansae im Texte beibehalten, ist aber nach 3, 988; 6, 126 (vgl. zu 5, 559) geneigter, Nonius’ candenti sole für das richtige zu halten. Allein das durchaus angemessene dispansae zu verwerfen, scheint um so weniger gerathen, je mehr auch hier der Verdacht nahe gelegt ist, candenti in dem Lucretiustexte des Nonius sei aus 6, 1197 candenti lumine solis entnommen**). Dürfte man annehmen, dass in ähn-

*) Es war wohl mortiferaest. für mortifer aestus geschrieben, wie V. 144 uest. für aestus am Ende des Verses steht. Zu verbinden ist aber nicht, wie Lachmann meinte, haec ratio et mortifer aestus morhorum, was freilich un- geschickt wäre, sondern haec ratio morhorum et mortifer aestus; vgl. 1090 fg. AVas aber 1141 nam i^cnitus veniens Aegypti finihus ortus betrifft, so wird eine im Zusammenhang vorzulegende Untersuchung über Lucretius’ Participial- gebrauch Lachmann’s Anstoss, der übrigens in der Häufung der Participia nicht liegt und von ihm darein nicht gelegt wird, als unbegründet darthun.

**) Auch die Differenz G, 868 quae calidum faciunt lativis tactum atque saporem, wie die Handschriften, oder aquae tactum, wie Beda giebt, berulit, welches von beiden man auch als das ursprüngliche nimmt, sicher auf beige- schriebener Glosse (vgl. Lachmann zu G, 552). Weniger wollen für unsern Zweck Grammatikerdiscrepanzen bedeuten, wie die von Lachmann zu 2, 476 berührten. Dagegen erscheint in diesem Zusammenhang nicht unerwähnens- werth, dass 3, 747 die eine der beiden Leidener Handschriften cum corpore toto, die andere cum corpore qiioque überliefert, letzteres, wie kaum zu be- zweifeln, aus 769 pariter cum corpore quoque genommen.

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Gesammtsitzung

liclier Art zu dem Verse 4, 912 iemiis anres animumque sagacem aus 1, 50 das Epitheton vaciuis beigeschrieben worden, so würde begreiflich werden, wie der Scboliast des Virgil, der das Buch nicht nennt, aus dem er scliöpft, den Vers des vierten (nicht des ersten) Buches in der Form vaciias aures animumque sagacem habe citieren können. Doch wird die einfachste Erklärung wohl auch die wahr- scheinlichste sein. Und was wäre Erhebliches oinzuwenden gegen die Annahme, dass bei zwei so äbnlich lautenden Versen wie (nach unserer Ergänzung)

1, 50 vacuas auris animumque age Memmi und 4, 912 tenuis awis animumque sagacem die dritte vom Interpreten des Virgil dargebotene Form vacuas auris animumque sagacem

nichts sei als beim Citieren aus dem Gedächtniss entstandene irr- thümliche Vermischung beider. Aber sei nun das Citat so oder anders entstanden, zwingende Beweiskraft wird ihm nicht ein- räumen, wer sich überzeugt hält, dass auf diesem Wege der Scha- den der Überlieferung nicht geheilt sondern verschlimmert wird.

Sonach halten wir daran fest, dass dieser erste Theil des Brooemium (1 61) ohne Unterbrechung durch eine Lücke von Anfang bis zu Ende in festgefügter Gedankenverbindung sich ent- wickele. Wenn Lucretius zum Schluss desselben die Auft’orderung an Memmius, ihm Gehör zu schenken, damit er nicht des Dichters Gaben, bevor er sie verstanden, verächtlich zurückschiebe, mit den Worten bekräftigt,

Nam tibi de summa caeli ratione deumque 55 Disserere incipiam et rerum 2>rimordia pandain,

Unde omnis natura creet res auctet alatque,

Quove eadem rursum natura perempta resolvat,

Quae 710S materiem et genitalia corpora rehus Beddunda in ratione vocare et semina rerum 60 Appellare suemus et haec eadem usurpare

Corpora j^rima, quod ex Ulis sunt omnia primis, so ist es seine Absicht nicht, den ganzen Inhalt seines Werkes im Voraus anzugeben, sondern ein und das andere gewichtige Moment seiner Doctrin hebt er hervor, um von ihrer Bedeutung und ihren Zielen eine Vorstellung zu geben und Memmius’ Interesse zu er- regen; und dass er insbesondere die jirimordia rerum, von denen er zu handeln gedenkt, auch daduixh in das Licht setzt, dass er

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die verscliiedenen Bezeichnungen ei-wähnt, deren er sich in seiner Darstellung selbst bediene, war zwar nicht erforderlich, ist aber nicht unnützlich, um den Charakter einer Lehre, die alles ohne Dazwischenkunft göttlicher Kraft aus den semina rerum erspriessen lässt, gleich an der Schwelle kundzugeben.

Gewiss hätte Lucretius nach dieser Vorbereitung sofort in die Darlegung seines Systems eintreten können; dass er diese xVbsicht gehabt und erst nachträglich sich eines andern besonnen habe, be- weist V. 55 de summa caeli ratione Disserere incipiam et rerum j)rimordia pandam keineswegs, da der auch sonst erkennbare rein periphrasierende Gebrauch des incipiam (vgl. V. 12G; 6, 906) die spezielle Bedeutung des Wortes nicht empfinden lässt. Genug, Lucretius gewinnt, bevor er seine philosophischen Principien zu entwickeln anhebt, vorerst noch eine Erweiterung des Prooemium. Ohne ein verbindendes Wort beginnt er wie von Neuem V. 62 Hu- mana ante oculos foede cum vita iaceret usw. Verstehe ich diesen Abschnitt (62 79) recht, so ist es des Dichters Zweck, den Ge- währsmann seiner Philosophie, auf dessen Spuren er wandelt, nicht sowohl zu bezeichnen als sein Verdienst zu verherrlichen. 'Ein Grieche war es, der als die Götterfurcht (religio) die Menschen darniedergeworfen, sein Haupt ihr entgegen emporzuheben wagte und das Weltall forschenden Blickes durchwandernd das Werden der Dinge erkundete und mit der gewonnenen Erkenntniss die Götterfurcht bezwang.’ Ist dies der Sinn dieses Abschnittes, so bedurfte es dafür meines Erachtens keiner Anknüpfung im Worte, sondei’n, nachdem der Dichter eben erst (V. 54 ff.) Inhalt und Qua- lität dieses Lehrgebäudes in wenigen Grundstrichen bezeichnet hatte, Avar von da der Fortschritt zu dem Urheber desselben ein natur- gemässer und iiA der Sache gegebener; und kein Grund ist abzu- sehen, Avarum das Avas das Natürliche und Einfache ist, niclit gleich Anfangs im Plane des Dichters gelegen sondern ihm erst hintei-her in den Sinn gekommen sein soll, zumal Lucretius Aviederholt in den Prooemien anderer Bücher in analoger Art den grossen Ungenann- ten (denn Epicurs Namen nennt er bei solcher Gelegenheit nie, nur einmal beiläufig in anderem Zusammenhang 3, 1042) gepriesen hat. Und knüpft er im fünften Buche an eine ähnliche Apotheose (V. 55) die Worte Cuius ego ingressus vestigia dum doceo, so kann die Vergleichung des dritten Buches (V. 31) lehren, mit Avie Avenig Recht man an unserer Stelle Entsprechendes vermisst hat. Aus

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Gesammtsüzung

der besonderen Form aber, in welcher er hier seines Meisters Ver- dienst erhoben, wächst ihm ein neuer Gedanke liervor: lUud in his rehus vereor, ne forte rearis Imjna te rationis büre elementa viamque (80 101). "Da ich jenen Griechen preise, dass er mit der Fackel der Erkenntniss die Götterfurcht bezwungen, so besorge ich. Du wähnst auf gottlose Lehren Dich einzulassen und den Weg des Frevels zu betreten, während gerade im Gegentheil die nunmehr niedergeworfene religio die Menschen oft zu frevelhaften Thaten getrieben hat’, wie dies die in wenigen plastischen Zügen gezeich- nete Opferung der Iphigenia darthun soll. Wie innerlich dieser Gedankenzug dem früheren sich anfügt, bedarf keines Wortes, aber hier fehlt es auch nicht an sichtlicher Verbindung, nicht bloss in dem fast formelhaften in his rehus, sondern deutlicher noch weist illa religio (V. 82) zurück auf die religio, welche Epicur in den Staub getreten. Die Folgerung aber überlässt Lucrelius dem Le- ser zu ziehen, dass es demnach nicht gottlos sein könne, einer Philosophie sich anzuschliessen, welche von eben dieser Götter- furcht freimacht und sie bekämpft. Dann fährt er fort: Tutemei a nohis iam quovis tempore vatum Terriloquis victus dictis desciscere quaeres usw. (V. 102 135). 'Du wirst trachten, schon bei erster Gelegenheit (iam quovis tempore) von uns abzufallen, ge- scheucht durch die Schreckbilder der Dichter (vatum) und ihre Träume von ewigen Strafen, denen zu widerstehen nicht möglich, wenn unerkannt ist die Natur der Seele, ob sie geboren oder bei der Geburt eingepflanzt wird, und ob sie im Tode zerstiebt oder in den Hades hinabgelangt oder in andere Wesen wandert, wie einst Ennius gedichtet, Eniiius, der zugleich auch in unvergäng- lichen Versen vom Acheron gesungen, wohin nicht Seele noch Körper sondern bleiche Schattenbilder gelangen, von wo Homer ihm erschienen und die Natur der Dinge verkündigt habe. Darum muss man nicht bloss die himmlischen Dinge, des Mondes und der Sonne Lauf, und was auf Erden geschieht, sondern vor allem die Natur der Seele und des Geistes erforschen und wie es komme, dass Ililder Verstorbener uns im Traume erschrecken.’ Kein äusse- res Band knüpft diesen Abschnitt an den vorigen, mit dem er ge- meinsames Ziel verfolgt: Lucretius bemüht, den Memmius seiner philosophischen Betrachtung nicht bloss zu gewinnen sondern auch zu erhalten, sucht Jetzt anderen als den aus der Bekämpfung der religio geschöpften Befürchtungen, die ihn abwendig machen könnten,

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im Voraus zu begegnen, und hatte er früher die Berechtigung die- ser Doctrin aus den Wirkungen der religio dargethan, so zeigt er jetzt, wie erspriesslich für die Ruhe des eigenen Lebens es sei, über Fragen der bezeichneten Art sich Klarheit zu schaffen. Liegt in diesen inneren Beziehungen der beiden parallelen Abschnitte die Gewähr dafür, dass sie in Einem Zuge gedacht und ausgeführt sind, so gewahrt man bei näherer Betrachtung selbst in der ge- wählten Form im letzteren Rücksichtnahme auf den ersteren. Vereor ne forte rearis, hatte Lucretius V. 80 gesagt, hwpia te rationis inire elementa viamque Inclugr ecli sceleris., hier dagegen, gleichsam einen fortgeschrittenen Standpunkt einnehmend, V. 102, a nohis iam quovis tempore vatum Terriloquis victus cliciis desciscere quaeres; denn desciscere kann nur, wer bereits gewonnen, sich wieder ab- wendet. Wenn hiernach von der Verherrlichung Epicurs herab bis zum Abschluss dieses letzten Abschnittes (V. 62 1.35) wohl- überlegter Plan erkennbar ist, so zeigt dieser Abschluss selbst, dass dieser ganze umfangreiche zweite Theil von dem ersten nicht losgelöst werden kann. Denn indem Lucretius V. 127 abschliesst quaproptter hene cum superis de rebus (vgl. 5, 85) habenda Nohis est ratio, solis lunaeque meatus (vgl. 5, 76 ff.) Qua fiant ratione, et cqua vi quaeque gerantur ln terris (vgl. 5, 69 ff.), tum cum primis ratione sagaci Uncle anima atque animi constet natura videndum (vgl. 3, 35 ff.) usw., hat er in die Schlussfolgerung mehr aufgenommen, als wozu der Anfang zu berechtigen schien. Denn der Unkenntniss der Na- tur der Seele hatte er es im Eingang (V. 112 ff.) zugeschrieben, dass die Menschen sich von der Furcht vor dem Acheron mit sei- nen ewigen Strafen beunruhigen lassen. Wenn er nun den Schluss nicht so formuliert 'Daher muss man die Natur der Seele erfor- schen, sondern die gestellte Aufgabe in umfassenderer Weise so bezeichnet ' Daher muss man nicht bloss die himmlischen Dinge und was auf Erden geschieht sondern insbesondere das Wesen der Seele ergründen’, so gewinnt dies seine Berechtigung daraus, dass er sich mitbeziehen kann auf das, was er bereits am Schluss des ersten Theiles (V. 54 ff.) über den Inhalt seines Lehrgedichts in den Worten nam tibi de summa caeli ratione deumque Disserere incipiam angekündigt hatte. Auf diese Weise ist es dem Dichter zugleich gelungen, nicht auf Einem Punkte und nicht in registrie- render Vollständigkeit, aber um so eindringlicher im Zusammen- [1877] 37

49G

Gesammtsitzung

liang der Erörterung, eine Vorstellung zu geben von dem Umfang und den Hauptllieilen seines Lehrgebäudes.

Doch ich mühe mich wohl vergeblich da Ordnung und Zu- sammenhang aufzuweisen, wo andere nichts als ein seltsames Durch- einander erkennen. Nicht bloss dass Lucretius, der V. 54 ff. be- reits Miene gemacht, in die Darlegung seiner Lehre selbst einzu- treten, dann ohne Noth und rechtes Motiv wieder ahlenke, um erst nach beiläufig hundert Versen (149) auf dem Punkte wieder anzu- kommen, auf dem er bereits V. 54 ff. sich befunden, sei es auch ganz unerklärlich, dass der Dichter, nachdem er V. 51 (semotum a curis) die Freiheit des Memniius von superstitiüser Besorgniss, die ihn zurückscbrecken könne, nur mit Einem Worte berührt und vorausgesetzt habe, hinterher (V'. 80 135) ausführlich und ge- flissentlich die Bedenken, die ihn von dieser Betrachtung der Dinge fern halten oder abwendig machen könnten, zu zerstreuen unter- nehme. Da nun die Verse 50 61 vor 80 135 ihren Platz un- möglich haben, hinter 135 aber nicht ohne andere Nachtheile ge- stellt werden könnten, so sei in diesem Thatbestande der Beweis enthalten, dass diese Theile des Prooemium nicht in Einem Guss geformt, sondern aus wechselndem Plan hervorgegangen, ohne rechte Verknüpfung und zweckmässige Ordnung von dem Herausgeber des Werke.s, wie sie Vorlagen, an einander gereiht worden. Allein zu geschweigen, dass, wie ich darzuthun versuchte, die Verse 50 Gl fest und ohne Lücke an das Vorangegangene sich anschliessen, der Tadel, dass Vorweggenommenes nachträglich in umständlicher Erörterung ausgeführt werde, beruht lediglich auf der bereits ab- gewiesenen Deutung von curae in den Worten V. 51 semotum a curis. Denn nimmt man das Wort in dem Sinne, in w'elchem der Zusammenhang allein es zu nehmen gestattet, so zeigt sich ein wohlbegründeter Fortschritt in der Gedankenentwickelung von V. G2 ab und ist dem Vorwurf, es werde auf Abgethanes zweckwidrig zurückgegriffen, der Anlass entzogen. Denn auch contempla relin- (juas V. 53 kann jener Erklärung der curae keine Stütze gewäh- ren, da die Worte animum Semotum a curis adhibe veram ad ra- tionem (vgl. 2, 1023), Ne mea dona tibi Studio disposta fideli, Tntel- lecta prius quam sint contempta relinquas, ohne Jede Ilindeutung auf superstitiöse Beängstigung, den klarem und einfachen Gedanken ausspreeben, dass nur wenn der Geist frei von ablenkender Sorge sich bingebe, Verständniss und damit richtige Würdigung des Dar-

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gebotenen erzielt werden könne (vgl. 4, 912 if.). Dass aber Lu- cretius statt bei V. 61 sofort in die Entwickelung seiner Theorie einzulenken, vorab von der Lobpreisung Epicurs (62) eine neue Gedankenreibe anhebt, um erst bei V. 149 mit der Darlegung des ersten Grundsatzes sein System selbst zu eröffnen, dieses Verfahren, wie es hier durch die Natur der Sache und den Zweck des Pro- oemium nahe gelegt war, hat auch im übrigen Werke so spre- chende Analogien (man vergleiche, um weniges beispielsweise an- zuführen, Abschnitte wie 6, 43 95 oder 3, 31 93), dass man darin, statt ein Merkmal der Unfertigkeit, vielmehr die echte und ursprüngliche, im Grossen wie im Kleinen sich kundgebende Ma- nier des Dichters hätte anerkennen sollen.

Doch wir haben das Prooemium noch nicht bis zu Ende durch- messen. Lucretius fährt fort: Nec me animi fallit Graiorum usw. (136 145). 'Aber es entgeht mir nicht, dass es schwer ist, die dunkeln Erforschungen der Griechen in lateinischen Versen ins Licht zu setzen, zumal die Neuheit der Dinge bei der Armuth der Sprache viel Neues in neue Worte zu giessen nöthigt. Aber Dein Verdienst und der Genuss Deiner Freundschaft spornt mich, keine Mühe zu scheuen, auf dass meine Dichtung mit hellem Licht Deinem Geiste das Dunkel der Dinge erleuchte.’ Dieser kleine Abschnitt ist wohl am meisten den Kritikern ein Stein des Anstosses gewesen, die in manchfaltiger Weise dem hier vorliegenden Ungeschick der Anord- nung zu steuern beflissen, nur darin übereinstimmen, dass die Verse an diesen Platz von Lucretius selbst nicht gestellt sein könnten. Das sei ein Gedanke, urtheilte man, wie er in der vermeintlichen Lücke vor V. 50 Quod superest angebracht gewesen, dort wo nichts fehlt, nichts zugesetzt werden kann, und selbst wenn die Lücke eingeräumt würde, dennoch eine Äusserung wie diese mit ihrer Umgebung völlig unvereinbar sein würde. Oder es seien die Verse zwischen 61 und 62, oder aber hinter V. 79 einzu- schalten. Aber von den Graiorum obscura reperta (V. 136) konnte nicht wohl geredet werden, bevor in dem Graius Jiomo (V. 62 ff.) der Auctor der Doctrin gekennzeichnet worden, von da herab aber entwickelt sich eine Gedankenreihe, die durch Aufnahme jener Verse, an welchem Punkte es sei, nur zerrissen und geschädigt würde. Daher Hr. Stuerenburg, der die Unmöglichkeit durch Um- stellung zu helfen nicht verkannte, doch dabei beharrte, dass diese, wie er meinte, parenthesis loco zwischen zusammengehörige Theile

37»

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Gesammtsitzung

eingekeilten Verse (136 145) für diese Stelle von Lucretius selbst nicht bestimmt sein könnten. Und doch, wenn Lucretius, wie wir zu erkennen glaubten, in den Versen Quapropter hene cum superis de rebus hahenda Nohis est raüo usw. (127 ff.), zugleich zurück- greifend auf früheres (V. 54 ff.), Aufgabe und Ilaupttheile seiner Darstellung in volleren Zügen bezeichnet hat, wie sollte nicht gerade hier in natürlichem Fortgang der Gedanken die Klage sich ein- stellen über die aus der Armuth der Sprache erwachsende Schwie- rigkeit des Unternehmens. Ist etwa dieser Zusammenhang zwi- schen Ankündigung und Klage ein wesentlich anderer oder minder angemessener als z. B. 1, 921 oder 5, 91 97 ff., oder, nach anderer Seite vergleichbar, 3, 260 ff. Und anderseits die im Gegensatz gegen die betonte Schwierigkeit nachdrücklich gegebene Versiche- rung, dem Freunde zu Liebe keine Mühe zu scheuen (vgl. 1, 410 ff.), wo stünde sie wirksamer als hier am Ende des Prooemium, wo der Dichter nach allen Vorbereitungen endlich zur Sache kommt, oder an welchem Platze in allem früheren wäre sie auch nur er- träglich?

Den Übergang vom Prooemium zur Darlegung des ersten Grundsatzes vermitteln die Verse 146 ff.

Hunc igitur terrorem animi tenebrasqiie necessest

Non radii solis neque lucida tela diei

Discutiant sed naturae species raüoque.

Principium cuius hinc nohis exordia suinet.

Die Verse 146 148 kehren in anderem Zusammenhang und mit anderer Beziehung des igitur 2, 59; 3, 91; 6, 39 wieder, doch hin- dert dies ihre Benutzung an unserer Stelle nicht, und dient die Partikel hier, wie ähnlich 1, 419, dem Rück weis auf die voran- gegangene Erklärung, dass man, um die auf Unkenntniss der Natur der Dinge beruhenden (112) terrores animi (103, 106, 111) zu zer- streuen, die himmlischen Dinge wie das Wesen der Seele erforschen (127 ff.) und so das Dunkel erhellen (144 ff.) müsse: aber dieses Zurückgreifen berechtigt nicht, die Verse 136 145 zu einer Paren- these herabzudrücken, die, wie sie selbst aus natürlichem Fortschritt der Gedanken sich ergaben , so dem Anschluss der Worte Hunc igitur terrorem animi usw. 'diesen Schrecken der Seele also, wie gesagt, und das Dunkel muss die Erkenntniss der Natur zer- streuen’ — erst die rechte Unterlage geben.

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Wii’ sind am Ende und haben keinen Anlass entdeckt, in die- sem Prooemium ein unfertiges und übel geordnetes Conglomerat von Einzelstücken zu erkennen. Wir sahen vielmehr, dass das Ganze, von einem wohldurchdachten Plane beherrscht, eine zweck- mässige Glieder nng aufweist der Art, dass zwei Haupttheile, V. 1 61 und V. 62 145, sich sondern, die in sich ein jeder wohl ange- legt und durchgeführt, auch der beide mit einander verknüpfenden Beziehungen nicht ermangeln. Wollte man aber dennoch hierin Ursprüngliches und Nacharbeit unterscheiden, so könnte der Ver- dacht nachträglicher Ausführung nicht ein einzelnes Stück sondern nur den zweiten Theil in seinem ganzen Umfang und Zusammen- hang treffen, und wäre demnach der Ausschnitt nur so anzusetzen, dass nach Ausscheidung der Verse 62 148 an einander schössen die Verse

54 Nam tibi de summa caeli ratione deumque

55 Disserere incipiam et rerum iirimordia ptandam,

Unde omnis natura creet res auctet alatque,

Quove eadem rursum natura perempta resolvat,

Quae nos materiem et genitalia corpora rebus Reddunda in ratione vocare et semina rerum

60 Appellare suemus et haec eadem usurqoare

61 Corpora prima quod ex Ulis sunt omnia primis.

149 Principium cuius Mnc nobis exordia sumet,

und principium cuius (149) seinen grammatischen Anschluss ge- wönne an reddunda in ratione (59). Aber des stilistischen Un- geschicks dieser Anknüpfung nicht zu gedenken, dieses immerhin organischere Verfahren würde dem, der es sich aneignen wollte, den Beweis auferlegen, dass alle die analogen Ausführungen, deren einige S. 497 bezeichnet sind, einer Überarbeitung des Gedichtes ihren Ursprung verdanken. Bis dieser erbracht sein wird, beharre ich meinerseits bei der Überzeugung, dass das ganze Prooemium in all seinen Theilen aus Einem Gedanken des Dichters geschöpft, nur Grundziige echt Lucretianischer Dichtweise in scharfer Aus- prägung vor Augen stelle.

500

Gesammtsitzung

Hr. Helmhol tz legte folgenden Aufsatz des Hin. Dr. Theo- dor Gross vor :

Über electrolytische Ströme durch feste Salze.

Der Verfasser der vorliegenden Mittheilung fand, dass feste trockne Salze schon bei gewöhnlicher Temperatur elektrolytisch leiten können. Die Untersuchung dieses Vorgangs, die weiter fort- gesetzt wird, ist umständlich und langwierig; daher werden zunächst einige Experimente kurz beschrieben.

Die Salze wurden theils 'als Krystalle, theils als compacte durch Schmelzen hergestellte Massen verwendet; sie waren scharf getrocknet, und befanden sich während der Versuche unter einer gut abgeschlossenen Glasglocke neben Phosphorsäure- Anhydrid. Der Strom wurde zu ihnen gewöhnlich mittelst Quecksilber-Elek- troden geleitet, indem sie mit einer Fläche in Quecksilber tauch- ten, und eine gegenüberliegende, mit isolirender Fassung versehene Fläche mit demselben bedeckt war.

Die Batterie bestand aus c. 20 Meidingern. Die schwächsten Ströme wurden an einem Multiplicator mit 20,000 Windungen nach- gewiesen.

Kupfervitriol-Krystalle von c. 2. ctmr. Höhe leiten mit Queck- silber-Elektroden unter Polarisation. An der pos. Elektrode bildet sich allmählig eine Kruste von schwefelsaurem Quecksilber, die den Strom unterbricht. In einem Falle wurde das graue und das gelbe Salz erhalten, in einem anderen nur das erstere. Der Wider- stand des Kupfervitriols scheint nicht nach allen Richtungen gleich zu sein. Ob dies mit den physikal. Constanten der Krystalle zu- sammenhängt, Hess sich, schon wegen Mangel an geeignetem Ma- terial, noch nicht feststellen.

Schwefelsaures Manganoxydul in Platten von c. 5"*"' Dicke leitet ebenfalls mittelst Quecksilber-Elektroden, und giebt starke depolarisirende Ströme. Sind die Oberflächen des Salzes sehr ver- v.ittert, so wächst der Widerstand bedeutend; so dass man nicht im Stande sein wird, den depolarisirenden Strom nachzuweisen, und irrthümlich rein metallische Leitung annehnien könnte. Aber ob nicht in diesen und den folgenden Beispielen ein Theil des Stromes metallisch geleitet wird, lässt sich erst durch quantitative Versuche entscheiden.

Chlorblei, im Platin-Tiegel geschmolzen und schnell abgekühlt, gab feste Scheiben von c. 4""" Dicke und 4 ctmr. Durchuresser,

vom 2. August 1877.

501

deren ursprünglich gute Leitung nach einigen Stunden, als die Menge der abgeschiedenen Jonen erst sehr gering sein konnte, stark abnahni. Also kann der Widerstand der festen Körper schon durch äusserst dünne schlecht -leitende Schichten an ihren Ober- flächen sehr vergrössert werden. Reibt man die Eintrittsfläche des Stromes trocken ab, so gewinnt derselbe fast seine frühere Stärke wieder. Durch Wiederholung dieses Verfahrens kann man bewir- ken, dass die negat. Quecksilber-Elektrode, wenn sie auch m*- sprünglich ganz rein war, das schmutzig graue Ansehen des blei- haltigen Quecksilbers erhält. Der depolarisirende Strom ist, beson- ders wenn das Quecksilber gut anliegt, nachweisbar. Durch Er- wärmen des Chlorbleis auf c. 50° wächst der Strom um mehr als das Doppelte. Das geschmolzene Chlorblei zieht sich bei dem Er- kalten stark zusammen, und legt sich um eingeschmolzene Metalle mit glatten nicht haftenden Flächen. Daher können Elektroden in Form von eingeschmolzenen Drähten, die bei früheren Experimen- ten angewendet wurden, unsicheren Anschluss und grossen Wider- stand gegeben haben, so dass sich der depolarisirende Strom nicht nachweisen liess, und man rein metallische Leitung annahm.

Eine Scheibe Jodsilber leitete besonders gut und mit starkem depolarisirenden Strome. Der Platin-Tiegel in dem das Jodsilber geschmolzen war bildete die positive, Quecksilber die negative Elektrode.

Es wäre nicht schwer noch andre Salze anzuführen, die in derselben Weise wie die genannten ohne weiteres leiten; doch fin- den sich auch solche, die nicht so unmittelbar als Electroljte er- kennbar sind.

Krystalle von weinsaurem Kali-Natron (Seignette-Salz) leiten mit Quecksilber von gewöhnlicher Temperatur gar nicht oder un- sicher. Sind dagegen die Elektroden auf c. 40° erwärmt, so er- hält man starke polarisirende und depolarisirende Ströme.

So leitete u. A. ein prismatischer Seignette-Salz Krystall der eine Höhe von c. 3 ctmr. und Horizontalflächen von c. 3,5 ctmr. hatte. Er selbst wurde nicht erwärmt, sondern nur mit dem war- men Quecksilber verbunden, und es ist gewiss nicht anzunehmen, dass die Wärme sofort durch seine ganze Masse verbreitet wurde; auch bleiben die Ströme, einmal eingeleitet, bestehen, wenn die Elektroden wieder Luft-Temperatur angenommen haben.

502

Gesammlsitzung

Vielleicht wird durch die Wärme eine verdichtete Luftschicht von der Oberfläche des Krystalls abgelöst; doch könnte auch an den Oberflächen fester Körper ein specifischcr Übergangs -AVider- stand bestehen, wofür der Umstand zu sprechen scheint, dass ge- rade Körper mit stark verwitternden also leicht zersetzbaren Ober- flächen wie Kupfer- und Mangan -A'itriol, besonders gut leiten.

Aus möglichst klarem Kali-Alaun wurde ein Parallelepipedon von c. 2 ctmr. Höhe und 2 Q ctmr. Grundfläche geschnitten, und mit einem hohen Rand von .Siegellack versehen. Seine beiden llorizontalflächen wurden dann, um den Übergang des Stromes zu vermitteln, schwach befeuchtet und mit Quecksilber bedeckt, und so wurde es unter die Glocke neben Rhosphorsäure-Anhydrid ge- stellt und der Strom geschlossen. Noch über 48 Stunden später Hess sich selbst der depolarisireiide Strom nachweisen. Die Lack- Fassung war sorgfältig und auf breiter Fläche befestigt, und der Krystall M-ar ohne durchgehende Sprünge, und überdies ragte ein breiter Streifen desselben frei aus dem Quecksilber hervor, und war durch das Phosphorsäure-Anhydrid bis zur Verwitterung ge- trocknet; so dass wohl anzunehmen ist, dass nicht freie Feuch- tigkeit, sondern der Alaun-Krystall leitete.

Es wurden ferner A^ersuche mit gefrorenen Substanzen ange- stellt. AA'^as zunächst das Eis aus destill. AVasser betrifft, so zeigte es sich bald als ein sehr schlechter, bald als ein besserer Leiter. Dies darf nicht befremden, da ich genöthigt war, kleine Quanti- täten AVasser schnell gefrieren zu lassen, und daher das Eis mei- stens sehr unregelmässig gebildet war. Sichre Resultate dürfte man am ersten erwarten, wenn man zwei Bleche ganz langsam in eine grössere AVassermenge einfrieren liesse. Dient ein Metallgefäss, in dem das Eis hergestellt ist, als die eine Pllcktrode, so kann man leicht grosse AViderstände erhalten, da es vorkommt, dass zwischen der AVand des Gefässes und dem Eise trennende Räume entstehen.

Da destill. Wasser eine sehr schwache Salz-Lösung von un- bestimmter Zusammensetzung ist, wurden auch A'ersuche mit stär- keren Lösungen von bestimmtem Charakter unternommen. U. a. gab eine gefrorene sehr verdünnte Lösung von neut. Schwefels. Kali keine Leitung. Das Eis sah ungleichmässig aus, wie ein Ge- menge von reinem Eise und Salz. Sichre Leitung dagegen gaben gefrorene Lösungen von Chlorblei, Barythydrat und Kalkhydrat in destill. AVasser. Die beiden letzteren waren frei von Chlor. Be-

vom 2. August 1877 .

503

sonders das Clilorblei-Eis leitet gut und hat ein eigenthümliches gleichmässiges Aussehen; doch war bei allen dreien der depolari- sirende Strom deutlich nachweisbar. Der Gefrierpunkt dieser drei gesättigten Lösungen liegt oberhalb und die Temperatur des Eises war 10° bis 15°. Das Eis wurde in Glascylindern ge- bildet die luftdicht verschlossen wurden, und die Elektroden, zwei eingefrorene Platinbleche, waren 1 2 ctmr. von einander entfernt.

AVollte man annehmen, dass nicht das Eis, sondern eine Spur ungefrorener Salzlösung von sehr niedrigem Gefrierpunkt geleitet hat, so würde sich die Abhängigkeit des Widerstandes von den erwähnten Beimischungen nicht wahrscheinlich erklären lassen. Hätte bei dem Gefrieren eine vollständige Trennung der gelösten Substanz von dem Wasser stattgefunden, so hätte man Theil- chen derselben, eingeschlossen von reinem Eise, und dieses müsste dann die gute Leitung vermitteln, was nicht anzunehmen ist. Es ist also wahrscheinlich, dass in den leitenden gefrorenen Lö- sungen, bestimmte feste Hydrate leiten. So könnte vielleicht mit Hilfe galvanischer A^ersuche entschieden werden, ob bei dem Ge- frieren ein Salz vollständig ausgeschieden wird oder nicht.

Für die Bildung solcher Hydrate bei dem Gefrieren spricht auch das Verhalten des Kupfervitriols: Concentrirte Lösung von Kupfervitriol, in einem Reagenz-Glase gefroren, giebt zunächst ein blaues Eis in dem sich einzelne Büschel weisser Krystall- Nadeln finden. Allmählig überziehen diese die ganze Oberfläche des Eises; dasselbe wird dann auch im Innern entfärbt, und bildet schliess- lich eine weisse Porzellan-ähnliche Masse.

Erwärmt man das Eis, so wird es sich ausdehnen, und fester an die Elektroden drücken, und kann dann besser leiten, ohne dass sich sein specifischer Widerstand zu ändern braucht. Ähnliches könnte auch bei den andern festen Körpern stattfinden, so dass solche Versuche an sich keine sichere Einsicht gewähren.

Exacte Widerstands -Bestimmungen lassen sich bei der be- schriebenen Anordnung der Versuche schwei’lich ausführen, da mau niemals weis, durch welchen Bruchtheil der Elektroden-Fläche der Strom wirklich übergeht. Besonders bei dem Eise sind die Ver- hältnisse ungünstig: Ein Theil der Elektroden wird fester ein- frieren als ein andrer, und wird dann hauptsächlich die Leitung vermitteln: In einigen Fällen war der Strom stundenlang durch Eis gegangen, so dass an der pos. kupfernen Elektrode eine ge-

504

Gesammtsitzung

ringe Oxydation sichtbar war; aber nicht regelmässig vertheilt, sondern irgend eine Stelle war allein oxydirt.

Doch selbst bei einem vollständig gleichmässigen nur mecha- nischen Anschluss der Elektroden an die festen Elektrolyte dürfte man die für den AViderstand derselben erhaltenen Zahlen nicht

unmittelbar mit denen der Flüssigkeiten vergleichen: Flüssigkeiten benetzen die Elektroden und adhäriren an ihnen, während ein

Haften der Elektroden an den festen Körpern nur in einzelnen Fällen zu erreichen sein wird. Es wäre aber unberechtigt die Adhäsion des Elektrolyten an die Elektroden ohne weiteres als

unwesentlich für die Elektrolyse an zu sehen; vielmehr könnten dieser gerade Flächen zwischen denen keine oder sehr geringe

Molekularkräfte wirksam sind, einen besonders grossen Übergangs- Widerstand leisten. Um daher für den Widerstand der festen Körper vergleichbare Zahlen zu erhalten, müsste man vielleicht den Strom zu ihnen durch Flüssigkeiten leiten, in denen sie un- löslich sind. Auf solche Versuche wurde hier nicht eingegangen, weil zunächt die elektrolytische Leitung durch feste Salze mög- lichst einfach und vor Einwänden gesichert fest zu stellen war.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Abhandlungen herausyegeben von der Senekenber gischen natur/orschenden Ge- sellschaft. Bd. XI. Heft 1. Frankfurt a. M. 1877. 4.

Bericht über die Senekenber gische naturforschende Gesellschaft. 1875 7G. Frankfurt a. M. 1877. 8.

Bulletin de Ja Societe mathänatique de France. Turne V. X. 5. Baris 1877. 8. Bnllettino della Societd di Scienze nuturali ed econoiniche di Palermo. X. 2.

Seduta degli 8 liiglio 1877. Balerino. 8.

Societe entomulogique de Beigigue. Ser. II. X. 40. Bruxelles 1877. 8.

Revue scientifique de la France et de Vetranaer. VH. Annee. 2. Serie. 28.iuill. 1877. Baris. 4.

H. J. Bid ermann. Die Romanen und ihre Verbreitung in Österreich. Graz 1877. 8.

C. Marignac, Sur les cquivalents chiinigues et les puids atonnigues. Geiieve 1877. 8.

G. vom Rath, Mineralogische Beiträge. Vom Verfasser.

Instruments and publications of the United States Naval Observatorg. Wa- shington 1845 76. 4.

Bulletin de l' Acadönie Imperiale des Sciences de St. Petersbourg. T. XXIII. X. 4 et dernier. 4.

B. Boncompagni, Bullettino. Tomo IX. Index. Tomo X. Maggiu 1877. Koma. 4.

vom 9. August 1877.

505

6. Juli. Sitzung der philosophisch - historischen Klasse.

Hr. Kiepei't las über die geographische Lage des Schlacht- feldes am Granikus.

9. August. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. W. P eters las über die Ohrenrobben, Otariae, als Nachtrag zu seiner im vorigen Jahre über diese Thiere gelesenen Abhandlung.

Durch die Materialien, Nvelche dem Verf. seit dem Juni v. Js. zugegangen waren, hatte er sowohl seine Untersuchungen über die Seebären oder Pelzrobben als über die Seelöwen oder Haarrobben weiter ausdehnen können. Neues Material verdankte er theils dem Hrn. Dr. Hilgendorf, welcher aus Japan zwei Arten von Ota- rien mitbrachte, Hrn. Capitän Hutton in Otago (Neuseeland) und Hrn. A. trYichura in Südafrika, theils der Zuvorkommenheit und Liberalität der Hrn. Milne Edwards und Gervais zu Paris und des Hrn. Clark zu Cambridge. Die Materialien des British Museums konnte er dagegen nicht zur nothwendigeu Vergleichung benutzen, da nach der ihm gewordenen Mittheilung die Beamten des British Museums zwar eine ausgiebige Benutzung auswärtiger Museen beanspruchen können, aber keine Gegenseitigkeit in dieser Beziehung gestattet ist.

Die Zahl der Arten der Otarien, welche wissenschaftlich fest- gestellt sind, wurde auf 13 beschränkt, welche in drei Gattungen vertheilt wurden.

1. Gen. Otaria Peron s. s.

Ohren kurz (15 20 Millim. lang); Behaarung straft’ und ohne Unterwolle. Knöcherner Gaumen des Schädels bis oder fast bis zu den llarnuli pterygoidei veiläugert.

506

Gesammlsitzung

1. 0. juhata (Förster).

Um die Südhälfte Südamerikas herum von dem Laplata-Strom au der üstküste bis zu der Hai von Callao und den Chiucha- liiseln an der Westküste verbreitet. Localrassen: 0. leonina Fr. Cuv. und 0. Z7//oae Tschu di.

2. Gen. Eumetopias Gill.

Ohren länger; Behaarung wie bei Otaria. Hinterer Kand des knöchernen Gaumens weit von den Ilamuli pterygoidei entfernt.

1. E. S teil er i (Lesson).

Im nördlichen Theil des stillen Oceans, von der Behrings- strasse einerseits nach Californien, andrerseits nach Kamtschatka herabsteigend.

2. E. Gil liespii (Mc Bain).

Bis jetzt an der Küste von Californien und in Japan ge- funden, scheint nicht so weit nördlich hinaufzugehen, wie die vo- rige Art. Hierzu gehört ohne Zweifel Phocarctos elongatus Gray.

3. E. cinerea (Peron).

Diese Art, welche mit 0. albicoUis Peron, 0. australis Quoy etGaimard und 0. lobataGruy identisch ist, gehört dem austra- lischen Meere an, wo sie in der Bass-Strasse, auf den Klippen an der südlichen Küste von Australien angetroffen worden ist.

4. E. Ilookeri (Gray).

Antarktisches Meer. A uck 1 and -Inseln.

3. Gen. Akctocepiialu.s Fr. Cu vier.

Mit längeren Ohren. Unter den Contourhaaren lindet sich eine dichte Unterwolle, welche indess bei ganz jungen und ganz alten Thieren sehr sparsam ist. Schädelbau und knöcherner Gaumen ähnlich wie bei der vorigen Gattung.

1. A. j)usillus (Schrcber).

Um die Südspitze von Africa herum und auf den Crozetinseln.

vom 9. August 1877.

507

2. A. falklandicus Shaw.

xiii der Küste der Laplata-Staaten, bei den Falklands -Inseln und an der Südspitze von America. Früher vielleicht an der West- küste Südamericas bis nach Chile (P/n porcina Molina?) und Fern (0. aurita Humboldt?) verbreitet.

3. A. hrevipes Ptrs.

Otaria cinerea Quoy et Gaimard, Voy. Astrolahe. Zoolog. I. p. 89 (non Pero n).

Früher sehr häufig in der Bass-Strasse, scheint diese Pelzrobbe ebenso wie die in derselben Gegend vorkommende Haarrobbe, 0. cinerea Peron, fast ganz ausgerottet zu sein.

4. A. elegans Ptrs.

Antarktisches Meer: St. Paul und Amsterdam. Vielleicht ge- hört hierher A. tropicalis (Gray), Avelcher von Hrn. Clark mit A. Forsteri vereinigt wurde. In diesem Falle würde der Verbrei- tungsbezirk sich bis nach Nordwest-Australien ausdehnen, wenn man sich auf die Angabe des Fundorts des A. tropicalis verlassen kann.

5. A. Forsteri Lesson.

Neu-Seeland und antarktisches Meer südlich von Neu-Seeland.

6. A. gazella Ptrs.

Kergueleu-Inseln.

7. A. Philippii Ptrs.

Juan Fernandez und Masafuera.

8. A. ursinus (Lin ne).

Von der Behringsstrasse an der ameiicanischen Küste bis nach Californien, an der asiatischen bis nach Japan verbreitet.

508 Gesammtsitzung vom 9. August 1877.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

*R. Kossmann, Zoologische Ergebnisse einer im Aufträge der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin ausgeführten Reise in die Küstengebiete des rothen Meeres. 1. Hälfte. Leipzig 1877. 4. 2 Ex. Mit Begleitschrei-

ben.

The proceedings of the Linnean Societg of Neiv Sotith IVales. Yol. I. P. 4. Sydney 1877. 8.

Bidrag tili kännedom af Einlands Natur och Eulk. Haftet 20. 25. 2G. Hel- singfors 187C/77. 8.

Ofrersigt af Finska Vetenskaps-Societetens Förhandlingar. XVIII. 1875/7G. ib. 187G. 8.

Observatiuns meteorologitjues publ. par la Societe des Sciences de Einlande. Annee 1874. ib. eod. 8.

Programm des evang. Ggmnasiums in Schässburg. Scliässburg 1877. 4.

Revue scientifique de la France et de l' etranger. N. 5. Paris 1877. 4.

G. B. Rossi Scotti, Alla memoria del Conte Conestabile della Stajj'a. l*eru- gia 1877. 8. Vom Verf.

K. Akademie der Wissenschaften in U ien. Jahrg. 1877. N. XVIII. Sitzung der muth.-naturw. Classe twm 12. Juli. 8.

Sitzungsberichte der qjhilos.-philol. und hist. Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1877. Heft 2. München 1877. 8.

Rad Jugoslacenske Akademtje znanosti i umjetnosti. Knjiga XL. Zagrebu 1877. 8.

LandicirthschaftUche Jahrbücher. Bd. VI (1877). Supplementheft 2. Berlin 1877. 8.

IG. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Gies- sen 1877. 8.

V. F. G. Beim, Leopoldina. Heft XIII. N. 13. 14. Dresden 1877. 4.

Sitzung der ‘pliys.-matlu Klasse vom 13. August 1877.

509

13. August. Sitzung der physikalisch -mathemati- schen Klasse.

Hr. W. Peters legte vor:

Anneliden -Ausbeute S. M. S. Gazelle von Dr. Ed. Grube,

Die von der Gazelle (Capitain von Schleinitz) mitgebrach- ten Anneliden, zu denen noch 2 von Dr. Buch holz gesammelte kommen, sind folgende:

Chloeia flava (Pall). Salavatti (Corallenriflf); Amboina, var. ; Cap verde.

Amplnnome vagans Le ach an einem treibenden Baumstamm.

A. (Eurythoe) incarunculata Pet. Neu-Guinea.

A. (Eurythot) pacificaKhg. Tonga-Inseln, Hapai (Corallenriff).

15° 40p N.

Hermione Injstrix Sav. Soleton-Bank ^ (50 Faden).

, , ^ 49° 1' S. Br. 47° 55p O.

Laetmonice producta Gr. ^ , ; Kerguelen

70° 47'O.L. 66° 4l!2 O.

Mount Campbell.

Pohynoe (Lejridonotus) trissochaetus Gr. Tonga - Inseln, Hapai (Corallenriff).

P. (L.) striata Kbg. Nordwest-Australien, Meermaidstrasse.

P. (Laenilla) mollis M^Intosh. Kerguelen, Whale Bay (15 Fa- den), Successfull-Bay ; Atlantischer Ocean.

P. (L.) vesiculosa Gr, d. 14. Februar 1876, Maghalaensstrasse (.30 Fad.).

P. (Ilarmothoe) fullo Gr. d. 12. Februar 1876, 60 Faden; Ma- ghalaensstrasse Tuesday Harbour; Kerguelen Successfull- Bay.

P. (Ilermadion) magalhaense Kbg. Kerguelen Successfull-Bay (14 Faden), Betsy Cove; Maghalaensstrasse Puntarenas (1 2 Fad.), Tuesday Harbour.

P. pyc7iolepis Gr. Neu-Britanien, Great Harbour (10 Fad.).

Panthalis hicolor Gr. Congo.

10

Sitzung der 2'>Jiysikalisch-7nathematischen JClaase

Sthenelais incisa Gr. Congo.

Sigalion Edicardsi Kbg. Madeira.

S. amhoinensis Gr. Aniboiiia.

Psa)mnoh/ce umbonifera Gr. Atlantischer Ocean.

Leanira festiva Gr. Madeira (50 Faden).

Nereis (Platynereis) Eatoni M‘‘ Intosli. Kerguelen; Maghalaens- strasse, Puntarenas (1 2 Faden), Tuesday Ilarbour (2,5 4 Faden).

N. (Ceratonereis) divaricata Gr. Neu-Britanicn, Great Harbour.

Vanadis Greeffiana Gr. v. d. Oberfläche des Meeres, d. 28. März zwischen den Kerguelen und Australien, d. 21. April NW.- Australien, d. 14. Nov. 1875 Moretonbay.

Laniproderma longicirre Gr. Neu-Britanien, Great Ilarbour.

SijUis Buchholziana G r. West-Africa.

10° 12!9 N.

ITgaUnoecia jdatgbranckis Gr. ' (SW. von den Cap-

verdischen Inseln).

17° 15^5 W.

II. hrevicirris Gr. d. 27. October 1875, Ostaustralien, Moreton- bay (45 Faden).

Eunice antennata Sav. Salewatti (CorallenrifF).

E. Frauenfeldi Gr. ? d. 14. Februar 1876, Maghalaensstrasse (30 Faden).

E. complanata Gr. Timor, Atapupa (Corallenrifi’).

E. dilatata Gr. Timor, Atapupa (Corallenrili’).

E. siciliensis Gr.? Fidschi-Inseln, Matuka.

Ltimhriconereis magalhäensis Kbg.? Ascension.

L. amhoinensis Gr. Amboina.

Aglaurides fulgida Sav. Timor; Neu-Britanien, Great Ilar- bour.

Ghjcera convoluta Kfst. Tatelbay (50 Faden).

Goniada congoensis G r. Congomiindung.

Eejdithys trissophyllus Gr. Kerguelen Betsybay (10 Fad.); Bet-

vom 13, August 1877.

511

sy Cove, Rodes Bay, Foundrv brancb (9 Fad.), Success-

45° S.

full Bay; Südindischer Ocean -

N. modesia Gr, d. 20. Februar 1876, Maghalaensstrasse.

N. dibranckis Gr. Neu-Guinea, Mac Clure Bay.

Cirratulus atrocollaris Gr. hab. ?

Chaetopterus variopedatus Ren. Maghalaensstrasse.

27’8 N

Spiochaetopterus iropicus Gr. (SW. von den Cap-

1 I \y

verdischen Inseln).

Maldane decorata Gr. Congo.

Arenicola piscatorum Cuv. var. Kerguelen.

Trophonia kerguelarum Gr. Kerguelen, Successfull-Bay. Pgcnoderma congoense Gr. Congo.

Brada mammillata Gr. Kerguelen.

Sabellaria laevispinis Gr. Ascension.

Phyllocomus crocea Gr. 47°']^^' q (zwischen den Crozets und Kerguelen).

Thelepus IntosM Gr. Kerguelen, Betsy Cove, Successfullbay ; Neu-Britanien, Great Haibour.

Terehella (AmpMtrite) kerguelensis M*^ Intosh. Kerguelen, Suc- cessfull-Bay (14 Faden), Irish Bay (20 Faden), Whale

Bay (15 Faden);

49° 1' S. 70° 47' O.

T. (Loimia) ochracea Gr. Nordwest- Australien, Meerraaidstrasse.

T. (Phyzelia) quadrilobata Gr. d. 12. Febr. 1876, Maghalaens- strasse,

T. (Pista) cristata Müll, var.? Congo.

Artacama proboscidea Mgn. Kerguelen.

Terebellides Stroemii Sars. d. 20. Februar 1876, Maghalaens- strasse; Atlantischer Ocean.

Subelia costulata Gr. Kerguelen, Great Whale Bay (15 Faden). [1877] 38

512

Sitzimg der physikaUsch-mathematischen Klasse

S. torquata Gr. Westafrica; tl. 27. Sept. 1375 Ostküste von Australien.

S. spectahilis Gr. Salawatti (Coralleiirift').

S. (Dasychone) Argus Sars. Im Sargassum an der Oberfläche des Meeres.

Serpula (s-str.) patagonica Gr. Patagonien; Kerguelen.

S. (Pomatocerös) corniculata Gr. Fidschi-Inseln, Matukui Perichaeta spec. ? Tonga-Inseln, Wawau.

P. subquadrangula Gr. Viti Lewu Revafl.

P. spec.? hah.?

Lumbricus Kerguelarum Gr. Kerguelen, Betsy Cove.

L. tongaensis Tonga-Inseln, Wawau.

Laetmonice K h g.

Kinherg Öfversigt af Kong. Vetensk.-Akad. Förhandl. 1855.

Laetmonice j)roducta Gr.

Ohlonga, pallide carnea, tela tomentosa nulla tecta, elytris al- bidis, segmentis 45 ad 47, usque ad 15-tum fere latitudine cres- centibus, a 22-do decrescentibus, anterioribus inediorum 5-plo, ceteris 6-plo vel 7-plo latioribus quam longis, cute laevi. Lo- hns capitalis triangulus, retrorsum angustior, subtus in lobum crasciusculum trigonum, acuminatum papillosum (tuberculum faciale Kbg.) productus. Styli oculiferi brevissimi, oculis nigris mimi- tis 2-nis. Tentaculum dimidia subtentaculorum longitudine multo brevius, ut cirri laeve. Subtentacula papillis subtilissimis rigi- dulis dense obsita, segmentum 11-mum attingentia. Cirri ten- taculares tentaculo paulo longiores. Cirri dorsuales longiori- bus spinarum ventralium plerumque minus prominentes, articulo basali brevissimo, ventrales a media pbaretra Orientes, apicem ejus attingentes. Pbaretra dorsualis segmentorum cirrige- rorum Simplex, flabello setarum fortiorum dorsualium et fasciculo inferiore tenuiorum pallidiorum lateralium munifa, segmentorum

vom 13. August 1377.

513

ely tropliororum duplex, altera interior, flabello setarum fulva- rura fortium, elytra tegente, altera exterior, spinis dorsualibus for- tissimis longissimis fuscis 4 ad 7 fasciculoque setarum tenuiorum lateral! muuita. Pharetra ventralis dimidia ventris latitudine longior, spinis 3 longissimis fuscis armata. Setae elytra te- gentes levissime curvatae, spinae dorsuales dentibus utrinque 4 recurns glocbinoideae, spinae ventrales apice scopaeformes.

Elytra totum dorsum tegentia, marginem oppositum ejus paene attingentia, magnitudine anteriora et posteriora versus valde decrescentia, utrinque 20, transversa rotundato-quadrangula, mar- gine posteriore maxime curvato, tenera albida, vix paulo pellucen- tia, mollissima, cellulis microscopicis repleta, margine exteriora versus satis late tenerrime striato.

Orificium pharyngis exsertilis corona densissima papillarum fiiliformium bifurcarum, apice truucatarum, fasciculatim conjuncta- rum coronatum, maxillarum loco cartilaginibus 4 semiovalibus, latioribus quam altis, munitum, 2 superioribus, 2 inferioribus.

Das grösste Exemplar 73 Mm. lang; grösste Breite am Bauch 16 Mm., mit Rudern 28 Mm., mit Borsten 41,5 Mm. Die ünter- fühler 13 Mm. lang, verhältnissmässig viel länger als bei den an- dern Exemplaren, aber auch viel dünner.

Kerguelen.

Pohjnoe Sav.

vgl. Grube Jahresber. d. Schles. Gesellsch. für 1875 p. 60. Pohjnoe molUs M*^ Intosh.

Eupohjnoe mollis M*^ Intosh, Ann. nat. hist. 4 Ser. XYII. 1876. p. 319.

Oblonga, posteriora versus attenuata, albicans elytris albidis, segmentis 37, anterioribus 3-plo, ceteris plerumque 2-plo latioribus C|uam longis, supra interdum areis 2 ochraceis ornatis, anteriore majore utrinque attenuata, posteriore minore multo minus lata. Lobus capitalis suborbicularis fronte angustiore, processi- bus lateralibus acutis nullis. Oculi anteriores plus minus mar- ginales prope tentacula paria, posteriores minores pone medium positi, a margine remoti. Tentacula ut subtentacula cirri-

38*

514

Sitzung der j)lujsikalisch-mathemaiischen Klasse

que laevia, snb apice, colore cretaceo, haud tumida. T. impar usqiie ad segmeiitum 7-inuni pertinens, articulo basali brevi, sub- tentaculis cirrisque tentacularibus superioribus, aeque longis, paulo minus, interdum magis prominens, paria longitudinis ejus, lobo capitali paulo longiora. Cirri dorsuales setas ventrales plerum- que superantes, c. ventrales apicem pharetrae suae haud attin- gentes. Finnae mediae |- latitudinis ventris, posteriores to- tani latitudinem ejus aequantes, pharetrae in processum longuin acutum, apicem aciculae continentem, productae, superior multo brevior. Setae flavescentes, superior es plus 8-nae, basin infe- riorum non attingentes, utrinque attenuatae, dense annulatae, cre- natae apice simplici, ventrales pallidiores multo longiores apice bidentulo, alterae paene ^ crassitudine illarum, apice breviore an- guste lanceolato, utrinque spinulis l’ere 25 arrnato, alterae etiam tenuiores apice longissimo lineari spinulis magis numerosis.

Elytra utrinque 15, magna, totum dorsum et ex parte setas tegentia, oblique latissirne ovalia quasi suborbicularia, incisura mar- ginis anterioris brevi acutangula, menibranacea albido-pellucentia glabra, haud fimbriata, venis irregularibus ramosis impleta, papillis microscopiois punctiformibus confertis obsita, quaque cellulae uni insidente.

Papillae orificium pharyngis exsertilis cingentes 18, inter se paulo distantes.

Das grösste Exemplar hatte eine Länge von 65 Mm., Bauch- breite am 15ten Segment, bis zu welchem hin dieselbe wächst, 5 Mm., mit Rudern 12,5 Mm., mit Borsten 14,5 Mm.

2 Exemplare von den Kerguelen; die meisten und grössten trugen nur die Bezeichnung Atlantischer Ocean.

Polynoe vesiculosa Gr.

Oblonga, a segrnento 14 -to sensini attenuata, pallidc cinerea, subtus albicans, elytris albidis, segmentis 42, anterioribus fere 5-plo, posterioribus 3-plo et 2-plo latioribus quam lon- gis. Lobus capitalis rotundatus, aeque longus ac latus, biparti- tus fronte bidente. Oculi marginales: anteriores ante medium marginem exteriorem siti, a posterioribus diametros fere 3 distantes. Tentacula paria longitudine lobi capitalis, (impar, cirri tentacu- lares, subtentacula haud confervata). Cirri dorsuales albi, sen-

vom 13. August 1877.

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sim acuminati, sab apice nigricaiite annulo linear! nigro ornati, pa- pillis setiformibus sparsis muniti, setas superautes, c. ventrales setas inferiores vix attingentes. Setae dorsuales ventralibus paulo latiores, flabelli instar expansae ad 20-ijas, leviler curvatae, dimidio apicali dense transverse striato, utrinque denticnlis brevis- siniis fere 50 serrulato, s. ventrales rectae, illis tenuiores, lon- gius prominentes, sub apice vix bidentnlo transverse striatae, den- ticulis teneris acatis fere 30 utrinque serratae, ad infirnos sensim dilatatae.

Elytra utrinque 15, dorsum et pbaretras omnino tegentia, anteriora plus minus reniformia, cetera ovalia, tenera, omnia membranacea, papillulis microscopicis conoideis humillimis dense obsita, margine exteriore et posteriore vesiculis multo majoribus, parte vicina paulo minoribus ornata, papillulae quasi radiatim versus marginem dispositae, vesiculae pellucentes globosae, punctis griseis microscopicis ornatae. Margo exterior elytrorum parce fim- briatus. Elytron 1-mum orbiculare , vesiculis paucis munitum, marginalibus nullis.

Es lag nur 1 Exemplar vor, dasselbe war 21 Mm. lang, grösste Bauchbreite 4,5 Mm., mit Rudern 6,1, mit Borsten 9,5 Mm.

Maghalaensstrasse.

Pohjnoe fullo Gr.

Oblonga, a segmento 11-rno posteriora versus maxime atte- nuata, ex carneo flavescens vel lucidius brunnea, supra badio va- riegata, elytris badio adspersis, segmentis 37 ad 39, elytro- phoris fascia badia anteriore, omnibus utrinque maculis liujus coloris marginalibus 2 ornatis, 5-plo fere latioribus quam longis. Lobus capitalis albus i-otundato - quadratus, fronte bidente. Oculi anteriores ad medium marginem lateralem positi, inter se paulo magis quam posteriores, ab bis diametrum 1 distantes. Tentacula ut cirri tentaculares et dorsuales alba, sub apice filiformi tumidula, papillis teneris clavaeformibus obsita, ten- taculum impar lobo capitali alterum tantum longius, articulo basali minimo, penitus in frontem intrante, paria lobo capitali paene bre- viora. Subtentacula fusca, papillulis brevissimis microscopicis obsita baud ita crassa, cirris tentacularibus teiitaculoque impari satis longius proniini’ntia, Margo oris Superior et pars subtentaculis

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Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

interjecta fusca. Cirri dorsuales annulis badiis 3 vel 2 ornati, superiore saepius evanido, setas superantes, posteriores longitu- dine maxime crescentes, analibus perlongis similes, c, ventrales apicem pharetrae Ij^ud attingentes. Setae dorsuales ventralibus vix minus prominentes, divaricatae, leniter curvatae, dense trans- verse striatae et crenatae, ventrales illis paulo tantum tenuiores, sub apice non dilatatae, utrinque denticulis distantibus fere 12 ar- matae, apice breviter bidente.

Elytra utrinqua 15 totum dorsum tegentia, ex reniformi ova- lia, tenerrima, subpellucentia, posteriora quasi suborbiculata, verruculis microscopicis confertis, interdum prope marginem poste- riorem papillis multo crassioribus longioribus conoideis distantibus 3 munita, margine exteriore parce fimbriata. Elytron 1-mum or- biculare.

Ein 13,5 Mm. langes Exemplar hatte eine grösste Breite am Bauch von 2,7, mit Rudern 4,1, mit Borsten 6 Mm. Die hinter- sten Rückencirren mafsen 3,5, der unpaare Fühler 2,3 Mm.

Maghalaensstrasse.

Tfoy.viq gedrängt, ‘/kTug Schuppe.

Brevius vermiformis^ au^sta, pesteriora versus sensim attenu-

raarginales, pone medium siti, a posterioribus diametros fere 3 di- stantes. Tentacula ut cirri et subtentacula laevia: paria minima, apici loborum frontalium affixa, impar 10-plo fere iis longius, 3-plo crassius, sensim acuminatum, cum subtentaculis cir- roque superiore tentaculari fere aeque prominens, articulo busali brevi insidens. Subtentacula repente acuminata. Cirri dor- suales usque ad segmentum 31-mum lege solita dispositi, inde in altero quoque apparentes, sub apice haud tuniidi, setis longius prominentes, ventrales setas inferiores vix attingentes. Setae decolores, haud transverse striatae, dorsuales paucae ad 7-nas, flabellum componentes, laeves quasi aciculares. Pharetra infe- rior labio digitiformi, iis haud minus prominente instructa, setae

Pohjnoe pymolepis Gr.

ata, elytris lucidius l s fusco marginatis omnino tecta, seg-

mentis 100, pallidis badiis, subtus plerumque 2-plo latio-

ribus quam longis. Eol^^|^api tali s hexagono-rotundatus, in lo- bos frontales 2 breveF triangulos productus. Oculi anteriores

vom 13. August 1877.

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numerosae ad 30-uas, sub apice simplici, leviter incurvo, denticulis utrinque 7 minimis distantibus armatae, sub iis vix dilatatae.

Elytra utrinque 39, 1 - nio suborbiculari excepto, oblique ova- lia subreniformia transversa, tenera, laevia, cellulis microscopicis impleta, nervis nonnullis parce rainosis muivta, margine haud fim- briato, setas maximam partem tegentia, usqVe ad segmentum 32- dum lege solita disposita, inde in altero quoque apparentia.

Länge 26,3 Mm., mittlere Breite am Bauch 1,3 Mm., mit den Lippen des Borstenköchers 3,5, mit den Borsten 4 Mm. Die Kör- perbreite wächst etwa bis zum 13ten Ssgment.

Xeu-Britanien.

Panthalis Kbg.

Kinberg Öfvers. af K. Vet. Akad. Förhandl. 1855 p. 386.

Panthalis hicolor Gr.

Brevius vermiformis, depressa, supra subtiliter densissime trans- verse striata, colore cinnamomeo, linea media fusca, pinnis albis, subtus fusco adspersis, parte corporis ventrali alba, elytris cinna- momeis, subtilissime fusco adspersis, exteriora v'ersus albescentibus; segmenta speciminis mutilati 40, nsque ad 19-mum latitudine repente cresccntia, a 22do sensim dccrescentia. Lobus capitalis rotundato- trapezoideus, fronte angustiore biloba, stylos oculileros emittente, longitudinem segmentorum proximorum 2 aequans. Styli longitudine lobi capitalis, basi supra puncto oculiformi nigro muniti, apice subgloboso, pupilla oculi prorsus spectante. Tentacula siibulata, impar pone eos oriens, cum iis paene aeque prominens; paria sub iis affixa. Subtentacula longa, alba nigro adspersa, segmenta 8 adaequantia. Segmentum buccale album pinnis prorsus spectantibus, longitudine lobi capitalis, setis nullis, cirri teil ta ciliares brevissimi, subulati, superiores oculis paulo ma- gis prominentes. Cirri dorsuales iis sim les, apicem pinnae vix attiiigentes, punctis nigris nonnullis ornati, articulo basali brevi crasso; c. ventrales apicem pinnae baud attiiigentes, anteriores prope basin, ceteri sub medio pinnae Orientes. Pinnae usque ad 23-iam longitudine erescente.s, tum aeque longae ventrisque la- titudinem aequantes, altae, obtusae, subtus ad basin laniella retrac-

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Sitzung der j)hysikalisch~mathematischen Klasse

tili papillaque miniita rotundata ventreni propiore instructae, plia- retris 2 comprcssis rotuudato-truncatis, superiore anteriore, bre- viore liumiliore. Setae superioris pancae ad 10-nas, breves, te- nerrimae, laeves apice lineari vix curvato. S. pharctrae inferio- ris triplicis seu quadraplicis generis: superiores illis siniiles, niagis numerosae, inferiores fortiores nmlto longiores, pallide fla- vae apice albido opaco, microscopio adhibito aristis brevissiniis pinnato, sub apice dentibus utrinque 8 acutis serratae, plerurnque siniiatae, plus 60-nae, mediae fortissiinac, 4-pla crassitudine ea- riim, flavae ad 9-nas apice brevi sinuato, scopani fibrarum brevis- simarum emittente, setis tenuibus aristatis nec vero dentatis inter- niixtis. In pinnis canalis crassiis longissiinus firmus, conglomera- tus contentus, mirifice splendens, iricolor, inter pharetras pinnae exiens, extreinitate altera acuminata.

Elytra initio late ovalia transversa, usque ad 8-vum niagni- tudine crescentia, tum orbicularia, qaoad observare licuit, partem dorsi rnediam angustissiniani liberani linquentia, inverse imbricata, laevia, pellucentia membranacea tenerrima inargine liaud fimbriato, parte libera punctis albidis i. e. papillis liumilibus subconoideis ob- sita.

Pharynx exsertilis albida, hic illic tenerrime fusco adspersa, tenere transverse striata, papillis marginis anterioris 26, inedia Superior et inferior ceteris longior latior, Superior dupla lon- gitudine ceterarum, triangula, ceterae conicae, exteriora versus magnitudine decrescentes, prima (interiore) excepta, puncto nigro basali ornatae. Maxillae uncinatae longitudine papillae mediae superioris, fuscae, margine laminae basalis in dentes 4-nos pro- ducto.

Länge des allein erhaltenen Vordertheils mit 40 Segmenten 30 Mm., Breite des Bauches am 2ten Ruder 4,3, mit den Rudern 6,5, mit den Borsten 8,3 Mm., am 20sten Ruder finde ich die be- treffenden Breiten 4,2, 10 und 13,5 Mm., Elytren bis 4,6 Mm. im grösseren Durchmesser.

Specimen alterum cum descripto forma corporis, colore, sub- tentaculis, cirris, pinnis omnino congruens, natura oculorum lobique capitalis fronte latiore et magnitudine elytrorum inferiore dilferens. Oculi sessiles 4, anteriores ad marginem anteriorem, posterio- res ad lateralem siti, pupilla instructi, diametro minus ab iis distan- tcs, illis paulo niinores. Tentacula 3, impar pone medium iobi

vom 13 ÄtKjust 1877.

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capitalis, paria ex medio margine frontali orieatia, illo longius promiaentia, sabteatacala amlto breviora. Elytra miaora, pal- licla fiisco aclspersa, dorsuai totuai nuduai liaqueatia. Piaaae sub- tas haad aigro adspersae.

Eia uavollstäadiges Exeaiplar aiit 80 Segaieatea mass 65 Mm.

Hieraach mass maa wohl veraiuthea, dass diese beidea Thiere zweierlei Foraien derselbea Art siad, zaaial da sie aach ia deai- selbea Glase aafbewahrt warea, doch ist eiae ähnliche Verschie- denheit noch von keiner anderen Annelide bekannt.

Congo.

S thenel a is K b g.

Sthenelais incisa Gr.

Vermiformis tetragona, dorso teaaissime traasverse striato, anteriore carinato, ex caraeo flavescens, vitta ventrali violascente: segmenta speciminis mutilati 46, usque ad 7-mam latitudine cre- sceatia, sabtus 2-plo latiora quam longa. Lohns capitalis sub- orbicularis, oculis 4 aegre distinguendis. Tentaculum illo bre- vius, acutum, lobis basalibus similis speciei, radice haud coarctatis. Subtentacula haud articulata, longitudine segmentorum proximo- rum 10. Pinna 1 -ma prorsus spectans, lobo capitali paulo loa- gius prominens, branchia minuta, cirro ventrali ea longiore, fasciculo setarum capillarium et appendicibus cirriformibus pharetrae brevi- bus 3 munita, basin subtentaculi lobis 2 ambiens. Pinnae cete- rae biremes, 2-da prorsus spectans, 1-mam superans. Rami pinnarum aeque prominentes, appendicibus cirriformibus ad inar- ginem exteriorem ornati : appendices r. dorsualis humilioris fere 3-nae, ventralis, alterum tantum altioris, variantes usque ad 11-nas, Superior es earum 2 ceteris paulo longiores, alterutra saepius lanceolata. Lobulus (animalis vivi fortasse ciliatus) minimus pe- dunculatus, posterior, radici pinnae affixus. Papilla ventralis piaaae brevis. Cirrus ventralis apicem rami sai haud attingeas. Setae pharetrae dorsualis numerosae, capillares, teaerae, alte- rae utriaque deaticulis multis minimis armatae, alterae etiam te- auiores laeves, ph. ventralis minus numerosae, breviores multo crassiores, couipositae, appendice ensiformi leniter curvata, dease creaata.

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.Sitzung der physiJcaUsch-mathematiichen Klasse

Elytra prioribus 5 exceptis dorsum pinnasque usque ad se- tas omnino tegentia, albida,. subpellucida, tenuissima, mollia. plus luiuus plicata, satis latiora quam longa, rotundato-subtriangula vel irapezoidea, parte interiore angustiore, laevia, margine exteriore non fimbriato, incisura media angusta bilobo. Branchia bre\ns, crassius lobiformis, pinnarum posteriorum longior, digitiforrais, a latere protenta, haud dependens.

Länge eines unvollständigen Exemplars mit 46 Segmenten 42 Mm., Breite am 7ten Segment (Maximum) am Bauch 5. mit Rudern 6,5, mit Borsten 9 Mm., an den mittleren Segmenten 3,5, fast 7 u. 8,2 Mm., Kopflappen 1, L'nterfübler 10 Mm. lang, Banch- cirrus des 1 ten Ruders 2,3 Mm. Elytren bis 2,9 Mm. lang und 4,1 Mm. breit.

Congo.

Sigalion Aud. & Edw. s. str. Kbg.

Sigalion amhoinensis Gr.

Brevius vermiformis tetragona aeque alta ac lata, pallide car- nea. Segmenta speciminis mutilati 95, 2-plo latiora quam alta. Lobus capitalis rotundato trapezoideus fronte latiore. Oculi 4, punctiformes nigri, rectangulo latissimo collocati, anteriores cum posterioribus paene conöuentes. Tentacula 2, papillas brevissi- mas rotundatas mentientia, ante oculos posita. Subtentacula usque ad segmentum 8-vum vcl 9-num pertinentia, appendice pin- nae 1-mae cirriformi majore 3-plo fere longiora: Segmentum buccale supra haud distinguendum. Binnae parium anteriorum 4 prorsus spectantes, p. 1-mi lobo capitali plus dimidio brevior, cum pinna paris 2 -di aeque prominens. Ramus pinnarum dor- sualis ventrali longior, ut hic extremitatem versus dilatatus laci- nia cirriformi acnminata, supra flabellum setarum posita, id tan- gente, ramus ventralis papilla rotnndata similiter collocata or- natus. Lobuli ciliati nulli. Cirrus ventralis apicem rami ven- tralis vix attingens. Setae rami dorsualis maxime numerusae simplices capillares, denticulis tenuissimis ciliatae, perlongae cur- vatae. r. ventralis superiores rectae, acuminatae, breves, cete- rum simile«, ad 4-nas, inferiores compositae, numerosae, appen- dice plus minus longa, articulis longis flagelliformi.

roin 13. August 1%77.

5^1

Elvtra albida, totum dorsum tegentia, rotundato-quadrangula. paalo latiora qaam longa, margine anteriore recto vel cavato. ex- teriore leviter convexo, serie papillarum pinnataram plernmqne or- nato. srirps papillarum jam a basi pinnata radiis utrinque 5 ad S, tenuissimis. inferioribu? Stirpe vix brevioribus.

Länge des vorliegenden nicht vollständigen Exemplars 34 Mm. Breite am Baucb 1, mit Rudern 2, mit Borsten 3 Mm.. Elytren bis 1,4 Mm. breit.

Amboioa.

PsammoJgce Kbg.

Psammolyce umboni/era Gr.

Semiteres transverse subtiliter rugulo so- striata- pallide carnea splendore sericeo, elyiris albis; segmeuta speciminis mutUati con- servata 31, subtus 3-plo latiora quam longa, anteriora dorso al- tiore quasi carinato. Lobus capitalis parvus orbicularis, pinnis paris 1-mi interjectus. Tentaculnm filiforme, articulo basali longitudinem lobi capitalis superanti subcouoideo insidens, setis piu- nae 1-mae protentae tix longius prominens. Oculi haud observati. Pinna 1-ma lobo membranaceo extrorsum decarrente circumdata, cirris tentacularibus 2. (superiore cum tentaculo aeque prominente) fascicoloqne setarum simplicium munita. Subteutacula filifor- mia complauara. supra quasi sulco exavata, tentaculo multo longiora, margiuem elyrri 1-mi anteriorem superantia. Bases elytrorum pa- ris 1-mi plica transversa in processum medium producta conjunctae. Segmentum 2 -dum utrinque cirro dorsuali longo iustructum. Pinnae (setis neglectis) longitudine dimidiam ventris latitudinem aequantes: pharetra dorsualis humillima quasi nulla. labio su- periore lato rotundato munita, flabello setarum lato, poue pharetram ventralem quoque decurreute munita. ph. ventralis verticalis apice obtuse triangulo. cirrus ventralis eam vix attingeus. Brau- ch iae brevissimae, obtusae. papilhun mentientes.

Elytra subcoriacea. transversa rotundato quadraugula. setas usque paene ad apices tegentia, anterioribus 3 exceptis dorsum me- dium liberum linquentia, margine exteriore undulato et posteriore curvato fimbriatis, superlicie papillis microscopicis. haud ita parvis. obsita. parte ceutrali granulis calcarcis minimis iucrustata. quasi um-

522 Sitzung der physikaliseh-mathemalifehen Klasse

boQem refereote. Fimbriae filiformes longissimae, in margioe ao' dolako calmiQa oodarom tenentes, 6-nae. ceterae Serie coDtiona procarrentes. Elytron 1-mom permagnam, prorsas prodoctam, margioe anteriore plica profonda bilobam. lobom capitalem partes- qne vicinas omnino tegens. paene tota saperficie incrastatum.

Länge des unToIlständigen Exemplars von S2 Segmenten 5S Mm^ grösste Breite (am 7 ten Segment) 7, grösste Dicke 4.75 Mm., der Fühler 3, die Unterfahler 4 Mm. lang, der Rückencirras, der am 2 ten Segment vorkommt, 2 Mm., die Elytren bis 5 Mm. breit.

Atlantischer Ocean.

Ke reis L. s. sir. Cav.

vgl. Grube im Jahresber. <L Schles. Gesellsch. für 1874.

Sereis (Platynereis) Eatf/ni M'' Int.

Xereis Eatoni M* Intosh Ann. nat. hist. 4. Ser. XVII. 1876. p. 320.

Brevins vermiformis, pallide camea, solida. segmectis fere 85, anterioribus brevioribns, sopra 4-plo vel 5-plo latioribas, posterioribns angasrioribos 2-plo latioribas quam longis. Lo- hns capitalis segmento baccali paalo longior, ladtadine \ ejas aeqaante, paalo longior quam latas. parte frontali leviter attenaata brevi. Ocali satis magni, anteriores inter se paalo lalios quam posteriores, ab bis diametram 1 distantes. Tentacala frontalia lobo capitali paalo breviora. cam sabtentacalis aeqae prominentia, basi inter se distantia. Segmentam baccale proximo longias, processa marginis anterioris medio rotandato. Cirrornm tenta- colariam saperiores satis longi, articulis crassis, anteriores eoram asqae ad segmentam 11 -morn pertinenUrs, interdam Ion- giores. anteriores inferioram dimidia fere longitadine. Cirri do rsaales lingolis paalo longias prominentes, ventrales I. inferio- rem paene aeqaantes. Finnae a 1.5ta fere sensim mataiae: an- teriores breviores, lingolis obiosis crassis brevibas sab aeqaalibus, sese tangentibos, labiam inferios haad saperantibas ; pinnae po- steriores lon^ores, ramis distinctias separatis, lingolis sape- rioribas at eirro dorsaali prr>daclis, complanatis, inter se di- sUmtibos, dorsaali magis prominente, basi maculis fuscis 2 picta.

vom 13. August 1877.

bn

labio lingulaque inferiore brevibus, hac illo paulo longiore. Setae spinigerae pharetrae superioris flavae ad 8-nas, in- ferioris fere 4-nae et 2-nae, falcigerae 2 et 5, fuscae dupla crassitiidine, falcis apice bidente. Cirri anales longi, segmenta postrema fere 11 aeqiiantes.

Pharynx exsertilis brevis. Paragnathi minutissimi nu- merosi, striolas mentientes, Seriebus transversis dispositi, ordinis 3 -ii (i. e. niedii inferioris annuli maxillaris) seriebus quasi lineis 4, ordinis 4-ti (i. e. inferioris lateralis) 6, interdum 10 trian- guluni retrorsum acutum componentes, p. annuli buccalis ordinis 7-mi et 8'* (i. e. inferiores annuli buccalis) etiam subtiliores, li- neas transversas 4 juxta positas componentes, Serie paragnathorum duplici constantes, anteriore leniter curvata, ceterum nulli.

Maxillae nigricantes, dentibus 6 armatae, apice brevi.

Länge 85 Mm., Breite am Mundsegment 2,8 Mm., bis zum 6. und 7 ten am Bauche auf 3 Mm. steigend, mit Rudern 4,5 Mm., Kopflappen 1 Mm. lang, die längeren Fiihlercirren 4,6 Mm., viel- leicht nicht vollständig erhalten.

Kerguelen, Maghalaensstrasse.

Nereis (Ceratonereis) divaricata Gr.

Supra pallide carnea, sulcis transversis linearibus aegre distin- guendis munita, punctis uigris microscopicis sparsa, subtus albida; segmenta speciminis mutilati 26, anteriora (pharynge exserta) arcta, 5-plo et 4-plo latiora quam longa, cetera longitudine cre- scentia, pinnis setisque valde dilatata. Lohns capitalis subqua- dratus paulo latior quam longus, segmentis proximis 2 longior, parte frontal! brevissima bifida, in tentacula transeunte. Oculi magni, rectanguli instar collocati, anteriores a posterioribus diameti-o 1 minus distantes. Tentacula longitudine lobi capitalis, cum arti- culo subtentaculorum basali aeque prominentia. Subtentacula annulum pharyngis exsertae maxillarem paene attingentes. Seg- mentum buccale proximo haud longius. Cirrorum teniacu- larium superiores anteriores perlongi, segmentum 15-tum paene attingentes. Pinnae usque ad 9-nam magnitudine crescen- tes, majores setis additis fere dimidium latitudinis corporis aequan- tes, lingulae longae angustae acutae divaricatae, superior cum parte pinnae dorsuali cirroque sursum spectans, neo vero vexillum

524

Sitzung der physikalisch-tnathematischen Klasse

lougius efticiens, iioii longius quam media prominens, inferior deorsum vergens, brevior, angustior, pharetra inferior lata (sive alta) truncata, in labium anguste-triangulum sepositum, lingulaä mediaa vix minus prominens, producta. Setae spinigerae et falci- gerae aeque tenerae, appendix falciformis oblonga angusta, vel ^ longitudinis spinae aequans. Cirrus dorsualis perlongus, dupla lingulae superioris longitudine, c. ventralis apicem suae attingens.

Faragnathi acuti, satis validi, acervulis collocati, ordinis 2-di, 10 -ni, acervulo semicirculari, 4ti subquadrato 12 -mi, 3-tii oblonge- ovali 10- ni, ceterum nulli. Maxillae flavae, quoad observare li- cuit, dentibus 3 tantum armatae.

Es war nur 1 Exemplar vorhauden und dieses nur unvoll- ständig. Die Länge des erhaltenen Stückes betrug 7,4, die grösste Breite am Rücken 1,5, mit Rudern 3,3 und mit Borsten 3,7 Mm.

Nen-Britanien.

Van a dis Clap.

Vanadis Gree/fiana Gr.

Pallida, marginibus corporis basique pharetrarum interdum miniacco-sanguineo imbutis; segmenta speciminis rnutilati 83, ple- rumque 2-plo vel 3-plo latiora quam longa. Lobus capitalis 2-pla fere segmcntorum cirros tentaculares gerentium longitudine; oculi maximi globosi miniacei, spatio supra iis interjecto ^ fere diame- tri eorum aequante. Tentacula paria latitudine frontis breviora, impar iis vix longius, frontem haud attingens, medium lobi capi- talis tenens. Cirri tentaculares utrinque 3, confertissimi, an- terior longior, oculis paulo minus prominens. Pinnae latitudine corporis breviores, anteriores 5 ceteris minores appendice phare- trae setisque nullis, ceterae ad basin glandula fusce miniacca posteriore munitae, setigerae, pharetra in appendicem brevem lili- formem exeunte, lamina dorsuali oblique lateque lanceolata, ven- trali cum ea fere aeque prominente angustiore, breviore quam pharetra. Setae compositae tenerrimae, lineares, longitudine pha- retrae, appendice lineari.

Länge des besterhaltenen rothgefärbten, aber unvollständigen Exemplars von 83 Segmenten 100 Mm., Breite der mittleren Seg- mente ohne die Ruder 4 Mm. Von andern Exemplaren sind nur

vom 13. Anglist 1877.

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kürzere Vorderstücke vorhanden; sie sind nicht roth gefärbt und im A^erhältniss schmäler, ihr-e Segmente meist gestreckter, alle aber stimmten in der Zahl und gedrängten Stellung der Fühlercirren und in der Zahl der borstenlosen Ruder überein.

Zwischen den Kerguelen und Australien; Moreton-Bay. Bei einigen Exemplaren ist bemerkt „von der Oberfläche des Meeres‘‘.

Lampr 0 derma Gr. Gen. nov. Hesionearum familiae.

Corpus brevius vermiforme, segmentis paucis. Tentacula 2 frontalia, subtentacula 2 biarticulata. Pharynx exsertilis spinis brevissimis 2, una superiore, altera inferiore armata, papil- lis nullis. Cirrorum ten taculari um utrinque paria 3. Pin- nae pbaretris setarum 2-nis, aciculis 2-nis, cirro dorsuali filiformi ventralique munitae. Setae supei'ioris simplices, inferioris falci- gerae.

Lamproderma longicirre Gr.

Brevissime vermiforme, parte postrema repente acuminata, ex carneo margaritaceum, cute subtiliter dense striata, splendente iri- colore, parte dorsi media a lateralibus baud seposita, segmentis 19, praeter buccale, ex 3 compositum, et postrema 2 setigeris, per se longitudine utrinque decrescentibus, mediis 3-plo, anteriori- bus 4-plo latioribus quam longis. Lobus capitalis rotundato- rectangulus paulo latior quam longus, segmento buccali penitus im- pressus; oculi rectangulum latissimum componentes, anteriores a posterioribus multo minoribus paululum tantum distantes. Ten- tacula tenuia acuminata, lobo capitali paulo longiora. Subten- tacula biarticulata, articulis subaequalibus, longitudine ejus, vix dupla illoriim crassitudiui. Segmentum buccale lobo capitali brevius, longitudine proxima 2 aequans, pinnae ejus brevissimae, utrinque 3, aciculam 1 tantum, setas nullas eontinentes, cirris ten- tacularibus 2-nis munitae. Cirri tentaculares paris 2-di su- periores longissimi, 2-plam segmenti sui latitudinem superantes, usque ad segmentum 8-vum fere pertinentes. Pinnae setige- rae a medio corpore utrinque magnitudine decrescentes, media e dimidiam ejus latitudinem adaequantes, pbaretra superior brevis- sima, cum articulo cirrorum dorsualium basali aeque prominens.

52G

Sitzung der 2>hysikalisch-mathematischen Klasse

inferior alteriim tantum longior et crassior. Setae transverse striatae, Superior es siniplices, ne appendicem quidein inferiorum attingentes, iis non minus nuinerosae sed inulto tenuiores, fasciculo angustissimo collectae, striis transversis subtilissiinis, inferiores 2-plo fortiores appendice quasi -falciformi sive cultriformi, satis longa angusta, acie recta, apice solo uncinato bidente liinbato. Cirri dorsuales ut tentaculares articulo basali brevissimo haud ita crassiore insidentes, ceterum haud articulati, singuli anteriorura longissimi, pinnae 4-tae usque ad seginentuin 13-ium pertinentes. Cirri ventrales a pinua media Orientes, extreinitatem ejus superan- tes, dorsualibus multo breviores. Cirri anales dorsualibus proxi- mis longiores, cirros tentacularium longiores adaequantes; styli bre- vissimi 2 acuti vix distiuguendi supra eos positi.

Pharynx exsertilis spina brevissima superiore et inferiore interna armata.

Länge des einzigen vorliegenden Exemplars 9,5, mit dem Rüs- sel 10,6 Mm., grösste Rückenbreite fast 2, Bauchbreite 1, mit Ru- dern 2,6, mit Borsten 4 Mm. Längste Fühlercirren 3,5, längste Rückencirren 8, die Aftercirren 4 Mm.

Neu-Britanien.

Syllis S u V.

Syllis Buchholziana Gr.

Perlonga, angustissima, pallide carnea, parte anteriore minus pellucente. Segmenta specimiuis mutilati fere 304, anteriora 3-plo, cetera 2-plo. postrema plerumque alterum tantum latiora quam longa. Lobus capitalis subovalis, 2-plo latior quam lon- gus. Subtentacula late ovalia, sibi adjacentia, paeue 2-pla lon- gitudine ejus. Oculi nigri, arcu plano collocati, posteriores minores, inter se diametros 5, ab anterioribus 1 distantes. Ten- tacula ut cirri tentaculares et dorsuales distincte articulata, parte superiore moniliforraia, articulis nucleum haud pellucidum continentibus, t. impar subtentaculis paulo magis, cirris tentacu- laribus minus prominens, 3-plo fere lobi capitalis longitudine, ar- ticulis 17, paria impari paulo breviora. Segmentum buccale supra proximo satis brevius. Cirri dorsuales pinnarum an- teriorum fere 27 filiformes, tenuissimi, latitudinem corporis

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aequantes vel, ut 1-nius, superantes cirrisque tentacularibus loiigio- res, articulis 30 ad 40, inde longitudine decrescentes, producto-fusi- formes vel subfusiformes, iatitudinis corporis superantes vel ad- aequantes, articulis fere 12 ad 17, c. postremi iteruni tenuissimi filiformes, anterioribus satis breviores. Cirri ventrales cum pharetra aeque prominentes. Pliaretrae satis breves. Setae an- teriorum compositae, breves, tenerae ad 6-nas, appendice brevi acie recta, ceterae simplices flavae, 2-plo fortiores, 2-nae vel 3- nae, apice bidente dentibus rectis.

Pharynx exsertilis longitudine segmentorum fere 5, mar- gine anteriore papillis 16 subovalibus coronato.

Länge eines Exemplars, dem die hintersten Segmente fehlten, etwa 110 Mm. bei einer grössten Breite von etwas über 1 Mm., die längsten Rückencirren massen 1,4, die kürzesten 0,4 Mm., der Rüssel 0,7 Mm.

Von Professor Buchholz an der Westküste Africas gefunden.

Hijalinoecia Mgn.

Hyalinoecia plalyhranchis Gr.

Vermiformis jam paene ab initio latitudine sensim decrescens, complanata, lurida, haud splendens, nihil iricolor; segmenta spe- ciminis mutilati 70, supra 6-plo, infra 5-plo latiora quam longa, a segmento 20 -mo etiam breviora, 2 -dum, dupla fere s. buccalis longitudine, 3-ium 2-do paulo brevius, proxima repente longitu- dined ecrescentia. Lobus capitalis suborbiculatus, frontem versus paulo angustior. Oculi haud observati. Tentacula frontalia brevissima, apice subgloboso semiannulo nigro ornata, longitudinis lobi capitalis adaequantia, latitudine sua inter se distantia. Ten- tacula posteriora articulis basalibus brevissimis 3-annulatis munita, media longitudine segmentorum 11, exteriora multo bre- viora (impar haud conservatum). Subtentacula sublobiformia ro- tundato-quadrata, crassa, ad basin nigra. Segmentum buccale nudum dimidia lobi capitalis longitudine, eo vix latius. Pinnae segmenti 2 -di omnino prorsus spectantes, lobo capitali longius, cum tentaculis frontalibus aeque prominentes, teretes, apicem versus at- tenuatae, setis fortibus paucis, appendice cirriformi prope apicem, [1877]

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Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

cirro dorsuali et ventrali pinna ipsa brevioribus ad basin instruc- tae. Finnae ceterae extrorsum spectaiites, in labium acumina- tum exeuntes, longitudine ^ fere corporis latitudinem aequante. Cirri dorsuales initio apicem pinnae superantes, sensim decres- centes, inde a branchia 2-da brevdssinii, ventrales solis in pinnis anterioribus 4 visi, brevissimi, postea in toros ventrales ovales inu- tati. Setae capillares flavae, splendidissimae, ad 12-nas, tum tenuiores apice oblique anguste limbato, tum multo fortiores rectae, setae uncinatae a pinna 28 -va fere incipientes, capillaribus for- tioribus vix tenuiores.

Branchiae segmentorum conservatorum simplices, cirriformes complanatae, a pinna 18- va incipientes, mox lineam dorsi mediam attingentes, 30-ia et ceterae totam dorsi (hic jam angustioris) latitudinem aequantes, postremae jam ultra radicem pinnae in pinna ipsa Orientes.

Länge des allein vorhandenen Exemplars 33 Mm., grösste Bauclibreite 3,3 Mm. Die mittleren Fühler massen 5,7, die läng- sten Rückencirren 1,2, die längsten Kiemen 2,8 Mm.

SW. von den Capverdischen Inseln.

Hyalinoecia hrevicirris Gr.

Albida, minus iricolor; segmenta speciminis mutilati 39, an- teriora branchiis nuda, 2-plo fere, cetera 3-plo latiora quam longa, per se paulo breviora. Lobus capitalis suborbiculatus, segmento buccali paulo longior. Tentacula frontalia subovata, tentaculorum posteriorum impar segmentum 8-vum attingens vel longius, media illo paulo breviora, exteriora dimidio eorum paulo longiora, subtentacula transversa ex orbiculato -ovata, oculi pallide brunnei. Segmentum buccale ^ longitudinis 2-di aequans, 2-dum 3-io paulo longius. Finna segmenti 2-di pror- sus spectans pharetra obtusa, usque ad subtentacula pertinente, se- tis paucissimis labioque posteriore et cirris 2 munita, c. ventrali paulo longiore. Cirri et labium pinnarum omnium obtusa, brevissima, c. dorsuales initio ^ tentaculorum exteriorum brevio- res, sensim etiam decrescentes, posteriores brevissimi, c. ven- trales a pinna 5ta evanescentes, in toros ovales mutati; labium anterius vix distinguendum, posterius a pinna 21 -ma deside- ratum. Setae flavae splendentes, capillares; limbatae; aciculae

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unciniformes 2-nae apice bidente limbato in pinnis posterioribus observatae.

Brancbiae, quoad observare licuit, simplices filiformes, a pinna 23 -ia incipientes, 1-ma 2-pla fere cirri dorsualis (hic jam anterioribus brevioris) longitudine, proximae repente crescentes, cirrum dorsualem brevissimum 6-plo superantes, posteriores li- neam dorsi mediam attingentes.

Maxilla paris 2-di dextra denticulis 11, sinistra 10 ar- mata, paris 3-ii dextra denticulis 7, sinistrarum anterior plana d. 10, posterior curvata 5 fere munita. Laminarum ventralium angulus aciei exterior acutus.

Tubus corneus, byalinus; fragmeiita tantum observata, striis annularibus nulle s.

Länge des hier beschriebenen Exemplars von 39 Segmenten 23 Mm., bei einer vorderen Breite von 1,8 Mm. und einer hinteren von 2,2 Mm. ohne die Ruder.

Moreton-Bay (Ost- Australien).

Eunice Cu v.

Eunice coniplanata Gr.

Valde coniplanata, lata, initio tantum cylindrata, lucide brun- nea albopunctata; segmenta speciminis mutilati 100, usque ad 10-mum latitudine crescentia, cetera subaequalia, illa fere 5-plo, haec 7-plo latiora quam longa. Lobus capitalis longitudine segmenti buccalis, fronte satis profunde biloba. Tentacula quasi longius articulata, alba, impar usque ad segmeutum 8-vum, me- dia ad 4 -tum pertinentia. Oculi pupilla muniti. Segmeutum buccale longitudinem proximorum 3 aequans, annulo posteriore -1 longitudinis totius segmenti aequante. Cirri tentaculares marginem illius anteriorem superantes. Cirri dorsuales brevio- res, a medio corpore longitudine decrescentes, c. ventrales bre- vissimi, inde a pinna 5-ta toro ovali affixi. Setae capillares tenerae albidae, anguste limbatae, ad 6-nas, spatul atae teuerri- mae ad 6-nas, falcigerae paulo fortiores 8-nae, appendice brevi apice bidente limbato. Aciculae nigrae, initio 1 -na, a segmento 28 -vo 2-nae, inferior hamata.

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Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

Branchiae breves, suuinmm ^ latitudinis dorsi attingentes, a pinna 19-nia usque ad postremain observatae, prioribus sinipli- cioribus G exceptis plerunique radiis 6 munitae, initio cirro dor- suali breviores, tum longitudine ei aequales, ceterae inde a 25 -tu eo longiores; radli apicem versus minus decrescentes, inümi loiigi- tudiiie rliachis vel longiores.

Das allein vorliegende unvollständige Exemplar hatte 100 Seg- mente und eine Länge von 72 Mm. und am Mundsegment eine Breite von 5, am 22sten Segment von 5,2, um GOsten von 7,5 Mm. Der unpaare Fühler ist 5 Mm., die Rückencirren höchstens 2, die Kiemen höchstens 3 Mm. lang.

Timor.

Eunice dilatata Gr.

Pallide carnea, leviter iricolor, posteriora versus valde com- planata; segmenta animalis mutilati 100, anteriora longiora angustiora, 3-plo et 4-plo latiora- quam longa, sensim latitudine crescentia, posteriora inde a 52-do brevissima, latissima, 17-plo latiora quam longa. Lobus capitalis segmento buccali paulo brevius, fronte profunde biloba. Tentacula omnino laevia, iin- par usque ad segmentum 4 -tum, media usque ad 3-ium perti- nentia. Oculi nigri. Segmentum buccale longitudine proxima 3 aequans, latius quam longum. Cirri teutaculares obtusi, mar- ginem anteriorem ejus haud attingentes. Cirri dorsuales acu- minati, sensim longitudine decrescentes, anteriores illis paulo longiores, ventrales perbreves toris late ovalibus. Setae capil- lares flavae anguste limbatae, ad 5-nas, falcigerae 8-nae falce brevi lirnbata bidente, scalpratae tenerrimae ad G-nas, aciculae nigrae pinnarum anteriorum 1, a pinna 28 -va 2-nae, inferior hamata.

Branchiae a pinna 19-ma usque ad postremain conser- vatarum patentes, breves, lineam dorsi mediam minime attingentes, priores simpliciores, 7-ma et ceterae pectiniformes radiis G, plerumque rhachi brevi longioribus, a 9 -na cirris dorsualibus lon- giores.

Maxilla paris 2 -di dextra dentibus 4, sinistra 3 armata, maxi 11a paris 3-ii dextra denticulis G, sinistrarum altera 4 cre- nata, altera simplex.

Länge des vorliegenden unvollständigen Exemplars 72 Mm.,

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Breite anfangs 5, am 22 sten Segment am Bauch nocli 5,2, mit Rudern 7,5 Mm., am 60 sten Segment 8 und 10 Mm., der unpaare Fühler 6, die längsten Kiemen 3 Mm. lang.

Timor.

Lumhriconereis Blv. Ehl.

Lumbriconereis magalhaensis Kbg.?

Longius vermiformis semiteres, minime splendens et iricolor, segmentis fere 170, usque ad 10-mum citius, inde usque ad tri- entem corporis medium sensim tantum latitudine crescentibus, tri- entis posterioris decrescentibus, anterioribus fere 4-plo vel 3- plo, posterioribus 2-plo latioribus quam longis. Lobus ca- pitalis paulo latior quam longus, crassus semiovalis, ad basin le- viter coarctatus, fronte non acuminata. Segment um buccale eo paulo brevius, 2-pla 2 -di longitudine, annulis 2 aequalibus compo- situm. Pharetrae setarum per se brevissimae y fere, anterio- res latitudinis corporis aequantes, paene aeque longae ac latae, labio anteriore paene nullo, posteriore brevissime digitiformi. Se- tae tenerae simplices et falcigerae, falcigerae summum 5-nae, solis in pharetris anterioribus 17, capillares in anterioribus 80 observatae, initio 4-nae (raro 7-nae) sensim pauciores, leviter cur- vatae, sub apice perlongo anguste limbatae, inde a segmento 18-vo longissimae 2-pla fere falcigerarum longitudine, dimidiam corporis latitudinem attingentes, uncinatae a pinna 18-ma usque ad po- stremam patentes, nt falces bidentes limbatae.

Maxillae paris 2-di (seu principales), quoad videre licuit, dentibus 4 armatae, paris 3-ii et 4-ti in apicem simplicem ex- euntes.

Länge an 63 Mm., grösste Breite (im mittleren Drittheil) 2,3, mit den Köcheru fast 3 Mm., Breite am Mundsegment 1,1 Mm.

Kerguelen.

Die Beschreibung von Lumhriconereis magalhaensis (Kinberg Öfvers. af K. Vetensk. Akad. Förhandl. 1864 p. 168) und die Ab- bildung (Fregatt. Eugen. Resa Annul. Tab. XVIII. Fg. 35) stim- men ziemlich mit unserem Tbier überein, nur kann ich den Kopf- lappen nicht kuglig nennen, an einem zweiten zerstückelten Exem- plar ist er es noch weniger und länger als breit, die Sichelanbänge

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Sitzunr/ der idujsilcaliscli-inathematischen Klasse

finde ich sclimäler, und es ist mir auffallend, dass K inberg nicht der Glanzlosigkeit der Haut und der sehr langen Maarborsten ge- denkt.

Lumhriconereis amboinensis G r.

Linearis, anteriora versus pauIo crassior, pallide carnea, levi- ter iricolor; seginenta speciininis mutilati 130, anteriora fere 15

3- plo, proxima 2-plo, rnedia et posteriora alterum tantuni latiora quam longa vel breviora. Lobus capitalis triangulus acutus, minus tumidus, aequilaterus, segmentis proximis 2 paulo longior. Segmentum buccale 2-do paulo longius annidis aequalibus, po- steriore latitudinem lobi capitalis superante. Pinnae, anterioribus 2 exceptis, satis prominentes, longitudino (labiis neglectis) -I ad -j latitudinis ventris aequantes, labiis 2 satis discedentibus; labia pin- narum anteriorum longiora, anterius modo brevius, subovale, mo- do eadem longitudine cum posteriore digitiformi, posterius, si produc- tum, pharetra longius. Pinnae setas solas nnciniformes gereu- tes labio anteriore paene nullo, posteriore brevi rnunitae. Setae pinnarum anteriorum 20 capillares et falcigerae: capillares ad 4-nas longissimae lirnbatae, leviter curvatae, interdum 3-plici labii posterioris digitiformis longitudine, una sinnata, falcigerae

4- nae vel 3-nae falce bidente longiuscula lirnbata, setae pinna- rum proximarum 20 capillares (una brevior) et uncinifi)rmcs 3-nae, unco bidente limbato, s. ceterarum nnciniformes 3-nae.

Maxillae paris 2-di, quoad videre licuit. dentibus 4 armatae, paris 3-ii et 4-ti simplices.

Länge des vorliegenden unvollständigen Exemplars 50 Mm., Breite vorn fast 1, liinten nur 0,6 Mm.

Amboina.

Goniada A u d. & Ed w.

Goniada congoensls Gr.

Ex pallide carneo margaritacea splendidiila, leviter iricolor, parte dorsi media a lateralibus seposila; seginenta apecirninis mutilati 151, initio angustissima, usque ad 80-mum fere latitudine crescentia, anteriora subtus 2-plo, media et posteriora 3-

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plo latiora quam longa, anteriorum 79 fere longitudine ipsa ma- jore quam sequentium; in postremis ea iterum aucta. Lobus capi- talis anguste triangulus complanatus, longitudinem segmento- rum proximorum 6, sive sequentium 4 aequans, parte media a la- teralibus angustissimis sulco seposita, ad basin sulci foramine punc- tiformi distinctus. Tentacula et subtentacula 2 minutissima. Pinnae anteriores 30 uniremes, ceterae biremes plus 2-pla altitudine illarum, inde ab 80-ma fere multo longiores. Pharetra anteriorum lanceolata, cirro ventrali vix longius, dorsuali longius prominens, pharetra superior et inferior pinnarum poste- riorum aeque prominentes, spatio perangusto separatae , labio anteriore et posteriore lanceolato, usque basin versus procur- rente dilatatae, labia pharetrae superioris simplicia, subtus latiora, inferioris aequalia apice fisso. Cirri foliacei, dorsua- lis oblique lateque lanceolatus, ventralis sectionis anterioris anguste lanceolatus, basi angusta affixus, posterioris lanceolatus margine superiore pinnae affixus.

Pharynx exsertilis clavaeformis longitudine segmentorum fere 35 papillis paene microscopicis conicis dense obsita, ad basin subtus utrinque Serie brevissima paragnatborum 12 ad 13 armata, paragnatlii normiformes, Orificium pliaryngis papillis rotundatis 16 circuloque interiore paragnatborum minutorum coronatum, pa- ragnathi 2 tantum paulo majores, transversi, Serie denticulorum 4 armati, ceteri iis interjecti supra fere 20, infra 26 ad 30 minores bicuspides, magnitudine duplicis generis.

Länge eines unvollständigen Exemplars von 151 Segmenten an 72 Mm. ausser dem 22 Mm. langen Rüssel, am Anfang beträgt die Breite des Leibes oben 1,6, mit Rudern 2,5 Mm., an den brei- testen Stellen (vor und hinter dem OOsten Segment) 4, mit Rudern ohne Borsten 4,9 Mm. Länge des Kopflappens 1,3 Mm.

Congomündung.

Neg) hthy s C u v.

ISephthys trissoghyllus G r.

Valida, brevius vermiformis, rotundato-tetragona, paene jam ab initio seiisiin atteiiuata, in cirrum analem satis longuni exiens; supra ex carneo fusca, viulascens leviter iricolor, dorso medio lu-

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Silzung ehr physikalisch-mathematischen Klasse

cidius siibbrunneo, subtus pallldior sulco ventrali medio splendente, segmeiitis 87 ad 93, plenimque 4-plo latioribus quam longis. Lob US capitalis parvus, quadratus, segmento buccali penitus im- pressus, ad angulos posteriores foveola munitus. Tentacula 2, cum subtentaculis aeque prominentia, minima, anguste triangula. Pinnae anteriores 7 minimae, proximae usque ad 32-dam magnitudine crescentes, longitudine ^ fere mediae latitudinis corpo- ris aequantes, postremae multo minores, paene totam ejus lati- tudinem aequantes. Rami pinnarum satis longi, aequales, alti- tudine 4- latitudinis sive spatium iis interjectum aequante, dorsua- lis lamellis 2 magnis instructus, altera superior, dimidio basali rami affixa, eo altior, subovalis lata margine superiore rotundato, exteriore truncato, altera extremitati suspensa, paulo minor ovalis, protenta, apice leviter acuminato, ramus ventralis ad extremita- tem lacinia minuta acuta superiore et lamella 1 magna transversa rotundato -quadrangula munitus, paulo minus quam exteriore rami superioris prominente. Lamellae piunarum posteriorum, superiore excepta, postremo paene omnino evanescentes. Setae fuscae serie- bus 2 transversis, labio humili separatis, dispositae, anterioris rec- tae breviores subparallelae, dense annulatae, ' alterae magis nume- rosae, flabelli instar extensae, rectae vel paulo curvatae, laeves, longitudine lamellas superantes; cirrus ventralis brevissimus, a basi lamellae paulo remotus.

Branchiae cirriformes satis validae, introrsum convolutae, spatium ramis pinnae interjectum explentes; appendix angusta ad basin exteriorem branchiae oriens nulla, lamelhr rami superio- ris exteriore compensata.

Pharynx exsertilis dimidio anteriore seriebus papillarum longitudinalibus 14 ad 16 simplicibus retrorsum bipartitis instruc- ta; papillae acutae, seriei simplicis majores, sensim decrescen- tes fere 7, ceterae multo minores ad 12-nas. Papillae oriticium pharyngis cingentes utrinque 10 longae bifurcae, et 1 media supe- rior et inferior brevis, Simplex.

Ein ziemlich grosses Exemplar mit 92 Segmenten hatte eine Länge von 125 Mm., die grösste Bauchbreite zwischen den Kudern war G, mit denselben 10, die grösste Dicke 4,9 Mm. Der Rüssel ohne die Randpapillen 10 Mm. iang, die längsten Kandpa- pillen 3 Mm., die längsten Ruder (nicht die vorderen sondern die mittleren) mit ihren Anhängen 3 bis 3,5 Mm., die grössten La-

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mellen 2 Mm. Diesem Exemplar fehlte der Endcirrus. An einem sehr grossen Exemplar von 195 Mm. Länge war derselbe erhalten und mass 6 Mm. Das grösste Exemplar hatte eine Länge von 205 und eine grösste Breite von 20 Mm., und 90 Ruderpaare.

Kerguelen.

Nephthjs modesta Gr.

Albida margaritacea, stria ventris longitudinal! aurea; seg- menta speciminis mutilati 56, anteriora brevissima, 5-plo la- tiora, posteriora longiora angustiora, minus alterum tantum latiora quam longa. Lohns capitalis transversus subellipticus, seg- mento buccali impressus, longitudine paene ^ latitudinis aequante, paulo minore quam longitudine segmentorum proximorum 3. Ten- tacula brevissima anguste triangula, late distantia, subtentacula similia. Segmentum buccale brevissimum. Pinnae breves; rami earum breves, altitudine plerumque longitudinem aequante, multo minore quam spatio ramis interjecto, extremitatem versus attenuati, apice breviter acuminato, lamellis nullis dilatati, ramus ventralis dorsuali paulo longior. Setae paucae, anteriores rectae tenerrimae dense annulatae, utriusque rami ad 9-nas, po- steriores alterum tantum latiores laeves, longiores, plus minus curvatae, fragilissimae, ad 18-nas, ex parte subfuscae, labio humil- limo ab illis separatae. Cirrus ventralis brevissimus triangulus.

Branchiae pinnarum anteriorum longiores cirriformes, extrorsum convolutae, spatium ramis interjectum explentes, limbo latissimo membranaceo, apicem ipsum haud attingente munitae, lamellam rotundato triangulam mentientes, ramo pinnae superiore supra basin branchiae in stylum brevem exeunte, branchiae pin- narum posteriorum brevissimae triaagulae, apice tantum extror- sum curvato, spatium ramis interjectum minime explentes.

Pharynx exsertilis seriebus papillarum 12 brevibus per partem anteriorem decurrentibus munita, papillae acutae, cujusque Serie! 5, papillae orificium oris cingentes more solito majores bi- furcae.

Das einzig vorhandene unvollständige Exemplar von 56 Seg- menten hatte eine Länge von 45 und eine Breite von 1,6 und mit Rudern 3,2 Mm. am 19ten, und eine Breite von 2,6 nnd mit Ru- dern 4 Mm. am 40sten Ruder.

Kerguelen. '

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Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse Nephthys dibranchis Gr.

Brevius vermiformis, pallide carnea, segmentis 77. Lohns capitalis rectangulus, margine posteriore rotundato, paulo longior quam latus, segmenta proxima 3 adaequans, oculis punctiformibus nigris 2. Teiitacula et subtentacula aeque brevia. Rami piiiiiarum trianguli, paulo longiores quam alti, basi sese taiigen- tes, angulo recto discedentcs, apice extremo membranaceo: r. dor- sualis lamella semiovali oblique erecta, medium marginis superio- ris tenente, subtus brancbia et appendice cirriformi acuto, a basi ejus Oriente, ornatus, r. ventralis branchiam alteram erectam e margine superiore emittens, subtus cirro ventrali acuto prope ba- sin rnunitus. Setae rami dorsualis extra lamellam, maximam partem margine superiore, paucae infra apicem progerminantes, s. rami ventralis maximam partem margine inferiore, paucae su- pra apicem progerminantes. Setae anteriores annulatae rectae paucae, posteriores laeves, illis paulo angustiores, curvatae, ad cur- vaturam leviter dilatatae, numerosae, flabellum rnagnum nec vero densissimum componentes, multo longiores, pinnarum mediaruni longissimae, interdum 2-pla pinnarum longitudine.

Brauch iae filiformes obtusae (marginibus leviter crenulatis), br. rami superioris dependens, nnci instar introrsum curvata, basi dilatata, rami inferioris adscendens leviter curvata, dimidia fere la- titudine illius.

Länge 22,5 Mm., Breite 0,9, mit Rudern 1,6, an der breite- sten Stelle (Rud. 11 13) 2 Mm., die längsten Borsten 1,6 Mm., der Aftercirrus 1,9 Mm. lang. Der Rüssel war in einer Länge vor 1,7 Mm. ausgestülpt, zeigte hier aber necli keine Rapillen.

Neu-Guinea.

Cirratulus Lam.

Cirratulus atrocollaris Gr.

Brevius vermiformis, subteres, pallide carneus, segmentis fere 140, summum 8-plo latioribus quam longis, latitudine usque ad 20-mum crescentibus, 4-to et 5-to setigerorum supra prope lineam mediam macula longitudinali, 3-io nudorum subtus Stria media transversa nigra ornatis. Lobus capitalis nigricans, ub- tuse triangulus, paene aequilaterus, crassus, sul)tus suico longitu- dinali bipartitus. Segrnentum buccale et proxima 2 setis nu-

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da, proximis hand longiora. Fasciculi setarum superiorum ab inferioribus ubicpie fere aeque longe distantes, utrique inter se consentientes, Setae fusciculorum anteriorum fere 22 omnes ca- pillares, tenerrimae lineares, ad 8-nas, ceterorum et capillares et fortiores breves, leviter uncinatae, utraequs 5-nae, posteriora ver- sus 2-nae, capillares fasciculorum inferiorum superioribus baud fortiores.

Branchiae filiformes haud ita longae, aeque crassae, crassi- tudine dimidiam fere segmentorum longitudinem aequante, in quo- que segmentorum setigerorum 22 anteriorum 2-nae observatae, posteriores plerumque 1-num, 2 -na vel 3 -na segmenta prae- tereuntes, branchiae segmenti 4-ti Seriem transversam simpli- cem, medio interruptam componentes, utrinque ad 4-nas vel 5-nas. Branchiarum parium anteriores utrinque 4, lineam dorsi me- diam appropinquantes, proximae discedentes ad fasciculos setarum positae, posteriores fere a 40- ma a margine laterali remotae.

Länge 49 Mm., Breite am Mundsegment 1,5, am 5ten 2,5, an den mittleren 3 Mm. (zwischen den unteren Borstenbündeln ge- messen nur 1,7 Mm.), die längsten Kiemen 11 Mm. lang.

Der Fundort war nicht angegeben.

Sjjiochaetopterus M. Sars.

Spiochaetopterus tropicus Gr.

Longius vermiformis teuer tenuis, pallide viridis, segmenta speciminis maxime mutilati 22, sectionis anterioris fasciculis seta- rum munitae 12, priora 3 fere 4-plo, proxima 6 2-plo, cetera plerumque aeque lata ac longa, 12-mum paulo longius. Lobus Capital is quasi suborbiculatus, parvus, segmento buccali multo angustior. Segmentum buccale prorsus in annulum bilobum productum, lobis lateralibus, margine superiore seta albida, apice curvata sustento. Tentacula 2 alba fusco maculata, ni fallor, in- tra lobos orientia, crassa, sensim acuminata, perlonga, longitudine segmentorum 10, organa 2 brevia foliacea juxta ea collocata, quasi malleiformia, basi processura angustum emittentia. Pharetrae se- tarum segmentorum priorum 3 dorsuales, niinores quam ceterae laterales, pone segmentum 4 -tum sitae. Setae aureae, flabelli in-

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Sitzung der fliysikaUsch-mathematischen Klasse

Star collocatae, summum ad l2-nas, alterae capillares anguste lim- batae, alterae apice lanceolato, paulo incnrvo. Segment um 4- tum seta peculiari singula fortissima brevi obtusa, fortasse mutic.a, dorsuali distinctum. Segmenta scctionis posterior is toris transversis 2 ventralibus, glandulam fuscam continentibus, taenia media conjunctis munita.

Tubus ab animali confectus perlongus gracilis, corneus, teres aequalis, brunneus, quasi annulatus.

Länge des einzigen sehr verstümmelten Exemplars 20 Mrn., -wovon etwa 8,5 auf die vordere Section kommen, Breite 1,5, mit den Borsten 2,5 Mm. Fühler G Mm., Röhre etwa 12G Mm. lang.

Südwestlich von den Capverdischen Inseln.

Das aus seiner Röhre nur mit Mühe herauszuziehende Exem- plar war wegen seiner Zartheit und Brüchigkeit schwer zu behan- deln, und die Beschreibung bedarf daher vielleicht mancher Ver- besserung. Die Fühler waren abgerissen, das neben ihnen sitzende blattförmige Organ nur auf einer Seite erhalten, wahrscheinlich aber doppelt, da ich auf der anderen ein verstümmeltes ähnliches Gebilde erkannt zu haben glaube. Auch dies erhaltene brach bei der Untersuchung sogleich ab. Ich habe das Thier vorläufig als Sinochaetopterus aufgeführt, da es mit dieser Gattung die meiste Ähnlichkeit hat, vermuthlich muss es aber eine eigene Gattung bilden, welche dann den Namen Psapharus bekommen könnte.

Maldane Gr. Mgn.

M. decorata Gr.

Brevius veemiformis, segmentis 23, (setigeris 19), usque ad 10-mum longitudine valde crescentibus, a 12-do decrescentibus. Anteriora firma, biannulata pallida, alterum tantum latiora quam longa, a segmento 4‘® usque ad 7-mum supra areis incrassatis 2-nis, priore triangula, posteriore transversa Integra seu bipartita distinctä, media ab 8-vo usque ad 13-ium pariete tenuiore munita, confiniis evanescentibus, intestino fusco perlucente, cetera fascia laterali lon- gitudinali, incrassata, toros uncinigeros conjungente ornata, pallida, posteriora anterioribus breviora, postrema3 brevissima, setis nu- da. Seg me n tem 1 0- m um , 11-murn, 12-mum longitudine prae- stantia, duplo fere longiora quam lata. Lamina capitalis ovalis

vom 13. August 1877.

539

Carina longitudinali tectiformis, pone medium coarctata, limbo an- gusto integro marginata. Segmentum buccale, setis nudum, cum lamina capitali lohgitudinem proximorum 2 aequans. Seg- mentum anale penultimo longius, lamina orbiculari terminatum, ano dorsuali; s. 2 -dum utrinque sola pbaretra superiore, cetera pbaretra verruciformi setigera toroque uneinigere inferiore plus minus tumido instructa. Setae capillares longae, ad 8-nas, subtilissimae, e longitiidine limbo angustissino, spiraliter adscendente redimitae; uncini ordine simplici collocati.

Länge etwa 90 Mm., grösste Breite 4,1 Mm.

Congo.

Ob das 2te Segment ein kleines Borstenbündel oder etwa eine kurze stärkere nadelförmige Borste getragen hat, war, da man bloss die Öffnung einer kleinen Pupille sab, nicht zu entscheiden, der Analogie nach ist das erstere zu vermuthen.

Trophonia Aud. & Edw. Clap.

Trophonia Kerguelarum.

Brevius vermiformis, pallida ex griseo-subfusca, setis hispida, segmentis 31, usque ad 5 -tum latitudine i-epente crescentibus, a 9-no sensim decrescentibus, latissimis 3-plo, p os terioribus

2- plo latioribus quam longis, anterioribus 4 papillis brevibus ex parte subglobosis densius obsitis, ceteris pauciores conicas ferentibus. Tentacula et fila branchialia retracta, illa 2, haec, quoad videre lieuit, utrinque 3, cum illis eadem longitudine, diniidia crassitudine. Flabella setarum utrinque disticha, su- periora ab inferioribus dimidia fere ventris latitudine distantia. Setae superiorum capillares, tenerae decolores, leviter curvatae, usque ad apicem articulatae, ad 8-nas, longiores latitudinem cor- poris superantes, setae flabellorum inferiorum aureae satis erassiores, breviores, vix sinuatae, apice valde producto lineari de- colore nihil articulato, ad 5-nas, flabello latissimo. Setae supe- riores segmentorum anteriorum 4 protentae, segmenti 1-mi 9-nae, 2 -di 7-nae, setis ventralibus paulo fortiores, 5-ti et G-ti quasi protentae, setae inferiores segmentorum 2 tantum an- teriorum protentae, 7-nae et 5-nae, superioribus similes, segmenti

3- ii quasi protentae, 4-ti ut ceterorum extrorsum vergentes.

540

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

Länge 17,5 Mm., grösste Breite 3 Mm., die längsten nach vorn gestreckten Borsten der vorderen Segmente 6,5 Mm., die seitwärts gerichteten Haarborsten bis gegen 3 Mm., die Borsten der unteren Zeile nicht ganz halb so lang, nach der Bauchseite hin an Länge merklich abnehmend, die Kiemen gerade gestreckt sind 2 Mm. lang, die Fühler etwa eben so lang, aber sehr contrahirt.

Pycnoderma Gr. gen. nov. Chlorhaeminorum familiae.

Corpus vermiforme, gracile, cutc densa, hyalina, papillis mini- inis obsita, segmentis satis numerosis. Fasciculi setaruin utrin- que distichi, setae superiores ut inferiores capillares, dense annulatae, segmentorum auteriorum aliquot protentae, ceteris lon- giores. Branchiae filiformes, segmento buccali affixae, lobus capitalis, tentacula retraheuda.

Pycnoderma congoense Gr.

Vermiforme gracile triente corporis anteriore subtumido, pal- lidum, rotundato-tetragonum leviter complanatum, cute crassa sub- rigida, hyalina, papillulis brevissimis microscopicis clavaeformibus sparsis obsita, ad fasciculos setarurn ventrales paulo majoribus, segmentis plus 92, usque ad 16-murn citius latitudine crescen- tibus, a 33 -io fere sensim decrescentibus, plerumque alterum tan- tum, latissimis 3-plo latioribus quam longis, primo setigero ad marginern anteriorem papillis paulo majoribus longiusculis mu- nito. Tentacula 2 crassiora et branchiae numerosae filiformes ex parte nigricantes retracta. Fasciculi setarurn tenues flabel- liformes, utrinque distichi, superiores ab inferioribus dimidia ven- tris latitudine distantes. Setae omnes capillares laeves, breviter articulatae, fragiles, flavae, apice lineari, ad 7-nas, inferiores 2-pIa superiorum crassitudine, superiorum nonnullae ceteris multo longiores curvatae. Setae segmenti 1-mi et proximorum 3 protentae, 1-mi longitudine segmentorum 5, ceteris longiores, vix crassiores, superiores G-nae, inferiores 4-nae.

Das längste Exemplar mass an 120 Mm. und hatte eine Breite von 2 Mm. am 1 ton borstentragenden, 5 Mm. au dem 20sten und

vom 13. August 1877.

541

den benachbarten und 2,5 Mm. an den letzterhaltenen Segmenten. Nach der beim Aufschneiden vom Vordertheil des Leibes gewon- nenen Ansicht der Fühler und leicht abreissenden Kiemen schätze ich die Zahl der letzteren jederseits auf 20 oder mehr.

Congo.

Brada Stimpson (Siplwnostomum Rathke e. p.).

Brada mammillata Gr.

Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für 1876, Bericht der naturwiss. Sect. p. 40.

Ex fusiformi producta, posteriora versus lentius attenuata, pal- lide grisea plus minus ochraceo imbuta, pariete corporis denso, segmentis 30 vel 31, latioribus 3-plo fere latioribus quam longis, Omnibus papillas rotundatas ferentibus. Papillarum dorsualium alterae permagnae subglobosae vel mammilliformes subdurae, Serie transversa dispositae, 6-nae vel 4-nae, alterae mi- nores (nec tarnen minutae) ante et pone eas collocatae, haud ita numerosae, plus minus sparsae. Papillae ventrales parvis dor- sualium minores, seriebus longitudinalibus 4 vel 6 dispositae, ex- teriorum 1-na, interiorum 2-nae. Segmenta 15 fere postrema mammillis arctis magnis, longiusculis circumcirca obsita, minutis iis interjectis. Tentacula et branchiae omnino retracta, illa 2, hae fere 24, illis multo teniuores filiformes.

Pharetrae setarum utrinque distichae mammilliformes, Su- perior minor setas capillares 5 gerens, inferior multo major mammillas dorsuales superans, semiglobosa, diametro sua ab illa remota, setis fortibus subfuscis brevioribus, fragilissimis, quoad suspicari licuit, leviter curvatis, semiorbe dispositis armata.

Setae segmenti 1-mi, interdum 2-di quoque omnes capil- lares, prorsus spectantes, ceteris longiores, paulo numerosiores, fortiores quoque nec vero rigidae, neque splendore eximiae neve iricolores.

Länge an 70 Mm., grösste Breite in der Mitte des Leibes 10, mit den unteren Borstenköchern 1 1 Mm.

Kerguelen.

542 Sitzwtg der physikalisch-mathematischen Klasse

Sabellar ia laevi spinis Gr.

Jahresbericlit der Schlesischen Gesellschaft für 18G9 p. 70.

Subbrunnea, segnientis fere 27, posteriora versus seiisiin an- gustioribus, anterioribus fere 5-plo latioribus quam longis. Lamina coronaria longitudiue segmentorum proximorum 6, ad la- tera seriebus cirrorum filiformium transversis, sub margine ante- riore laciniis acutis utrinque 16 ornata, margine ipso dilatato, utrin- quc aream oblongam paleis cinctam exbibente. Paleae spiniformes laeves, ordinis exterioris ad 28 tenues flavae, apice vix Meviter curvato, ordinis interioris fere 10 dupla crassitudine illarum, lon- giores, apicem versus infuscatae, apice ipso recto breviter acumi- nato. Hami 2, utrinque 1, fortissimi, adunci, basi laminae coro- nariae dorsuali inserti; iuter eos organum styliforme rigidum cum paleis interioribus aeque prominens, apice truncato. Tentacula a lamina coronaria circumdata, paulo breviora acuminata 2. Seg- ln ent um buccale brevissimum, subtus utrinque lacinia 1 triangula, 2 -dum utrinque laciniis similibas 2 et brancbia brevissima supe- riore munitum. Segmenta proxima 4 pinna lata superiore, pa- leas fere 9 et setas gereute, fasciculoque setarum inferiore instructa ; cetera crista transversa pinniformi superiore uncinigera fasciculoque setarum inferiore munita. Setae utrinque serrulatae, uncini pec- tiniformes, dentibus tenuibus rectis appressis 6 armatae, tendines 2 liliformes longissimos emittentes.

Brancbiae utrinque 18 observatae, versus 11-mam longitu- dine crescentes, a 14- ta decrescentes, fuscae, cirriformes.

Tubus ab animali constructus, pariete crasso, stratis 2, in- teriore granulis sabuli minutis aequalibus, exteriore lapillis multo majoribus longiusculis albis confecto,

Länge eines unvollständigen Tbieres, dem das dünne borsten- lose Hinterende fehlte, 25 Mm. bei einer grössten Breite von 4,5 Mm. Das Blatt, das die Paleenkrone trägt, ist 5 Mm. hoch, die längsten Cirren desselben G, die inneren starken Paleen 7 Mm. lang, 4 Mm. vorragend, die äusseren 4 Mm. lang. 2 Mm. vorragend, die Fühler

3.5 Mm., die längsten Kiemen 3,3 Mm., die beiden sebnenartigen Fäden, die von der Uncini ausgeben, bis 3 Mm, lang.

Das vorhandene Bruchstück einer Röhre, 37 Mm. lang, ist von überall gleichem Umfange, 12 Mm. im äusseren Durchmesser, mit

4.5 Mm. dicker Wandung.

vom 13. August 1877.

543

Ascension. Das betreffende Exemplar weicht von dem im Jalu’esbericht der Schlesischen Gesellschaft beschriebenen, von Upolu herstammenden in der Zahl der Kroupaleen und Kiemen ab, ist aber nicht im besten Zustande.

Phyllocomus Gr. noA^ gen, Amphai’eteorum familiae.

Corpus vermifonne, sectione anteriore fasciculis setarum torisque uncinigeris munita, posteriore pinnulas uncinigeras fe- rente. Lohns capitalis simplex, latus. Tentacula haud obsei’- A'ata. Segmenta anteriora 2 nuda, 3-iura et 4-tum branchi- fera, ut 5- tum utrinque solo fasciculo setarum instructa. B rau- ch iae foliaceae apice longo attenuato.

Phyllocomus crocea Gr.

Crocea, producta, sectione anteriore, segmentis 17 com- posita, breviore quam posteriore, segmentis 45, longitudine et lati- tudine valde decrescentibus, constante. Lobus capitalis trans- versus rotundato quadrangulus, latitudinem segmenti buccalis paene adaequans, simplex, satis firmus, supra C|uasi cavatus ; tentacula nulla. Segment um buccale supra brevius subtus semiellipticum longitudine illius, areola ovali ad marginem anteriorem, fortasse ori- ficio quoque organi secretorii munitum, 2-dum supra buccali longius, subtus brevius. Segmenta proxima 3 ceteris paulo breviora, utrin- que fasciculo setarum 1, 4-tum et 5-tum sub eo toro adumbrato mu- nita, 3-iumet4-tum branchifera. Fasciculi setarum utrinque 15, pharetra depressa, anteriores 3 minores , tori un einiger! transversi, angusti, haud ita tumidi, pharetras paene attingentes, utrinque 12, a segmento G-to incipientes. Pinnulae sectionis posterioris appressae truncatae, margine superiore lobulum minu- tum ferentes. Setae capillares apicem versus vix curvatae, an- guste limbatae, flavae splendentes, plus 12-nae. Uncini pectini- formes dentibus 5.

Branchiae utrinque 4 dorsuales, permagnae, prorsus spec- tantes, foliaceae quasi lanceolatae stria media longitudinali lineari splendente, basi lata, anterior segmento 3 - io, posteriores in

[1877]

•lü

544

Sitzung der phynikaUsch-mathematischen Klasse

apicem longiorem productae, marginem fröntis multo superantes,

4- to affixae, areola dorsuali, cuique propria, Orientes, areolae posteriora vei*sus magnitudine crescentes, postrema segmentnm

5- tuni attingens. Branchiae posteriorum interiores cete- ris latiores, sese paene tangentes, area dorsi triangula interjecta, branchiae anteriores breviores, minus acuminatae, latius in- ter se distantes.

Länge 83 Mm., grösste Breite 7 Mm., Dicke G,3 Mm., die vor- dere Leibesabtheilung bis zum letzten l^orstenbündel 32 Mm., die hintere 31 Mm , die längste Kieme 7 .Mm. lang und 2,5 Mm. breit.

Zwischen den Crozets und den Kerguelen, 47° 15,5' S. Br. 70° 47' O. L.

Th elejius Leuck. Mgn. (s. amjil. Gr.)

Terebella auct. c. p., Neottis Mgn., Phenacia Qfg*

Branchiae utrinque 2 vel 3, filis simplicibus compositae, dorso segmenti 2 -di et 3-ii vel 4-ti quoque affixae. Fasciculi setarum a segrnento 3 -io incipientes utrinque 17 vel plus 17, series unci- norum transversi ubique simplices. Cetera cum Terebella genere consentientia.

Thelepus Intoshi Gr.

Neottis antarctica M*= Intos h. Ann. nat. hist. 4. Ser. XVII. 1876 p. 321.

Vermiformis, anteriora versus minus tumida, rotundato-tetrago- na, ex griseo subfusca, altitudine initio latitudinem paene aequante.

’) Da die Gattungen Thelepus Leuck (char. emend. Mgn.) und Neot- tis Mgn. sich bloss dadurch unterscheiden, dass jene 2, diese 3 kieiuen- tragende Segmente besitzt, so erachte ich dieses Kennzeichen nicht für hinreichend zwei Gattungen aufzustellen. " Wohl aber halte ich es für er- forderlich, beide zusammengezogen als Gattung Thelepus (welches der ältere Name ist) den eigentlichen Terebellen gegenüber zu stellen, weil dort die Haarborsten nicht wie bei letzteren am 4 ten, sondern schon am 3ten Seg- ment beginnen, die Querreihen der Hakenborsten auch schon an den 6 auf

vom 13. AiLgmt 1877.

545

sensim decrescente ; segmenta fere 79, anteriora (fere 20 vel plura) subtus plerumque 3-plo latiora quam longa, pariete lateral! incrassato niunita, saepe ai-eolato vel tumido, dorsum aequum mar- ginante, toros uncinigeros huiniliores amplectente, pai’iete ventral! s!m!l!ter areolato !n lateralem trauseunte vel transverse minus dense sulcato, segmenta posterlora angustlora, sensim alterum tan- tum, postremo paulo tantum latiora quam longa, supra et Infra trans- verse sulcata, Interdum longlora quam lata. Lobus capltalls semlclrcularls. Segment um buccale pone tentacula utrlnque punctls ocularlbus numerosls munltum. Tentacula maxlme nu- merosa plus 80, sulco minus expresso, longlora segmenta fere 29 aequantla. Pharetrae setlgerae utrlnque 31 ad 39, a segmento 3-lo Inclplentes, obtuse trlangulae marglne Inferiore rotundato, torl uneiniger! a segmento 5-to Inclplentes, bumllllml, Inltlo a pharetrls satis dlstantes, aeque latl vel latltudlne paulo crescentes, Inde a t. 13 -lo fere decrescentes, pbaretras approplnquantes, a to- ro 24- to fere eas attlngentes, valde Immlnutl, postremo pbareti'ls paulo tantum latiores, semper laterales. Setae caplllares fla- vae haud llmbatae, ad 20-nas, dlstlchae, alterae brevlores tenulores curvatae, alterae fortlores longlores, leviter slnuatae. Unclnl mo- nostlchl, maxlme numerosl, avlculares.

Branchlae segmento 2-do, 3-lo, 4-to affixae, ex Serie filo- rum transversa constantes, anteriore dupllcl, cum opposlta Inter- dum confluente, ultra pbaretras descendente, ceterls serlebus slmpllclbus minus latls, utrlnque paulo Inter se dlstantlbus; flla branchlalla slmpllcla, longltudlnem segmentorum 3 aequantla, raro superantla, lenlter undulata, Interdum clnclnnata, raro ln spl- rae modum contorta, dlmldla fere tentaculorum crassitudlne, serle- rum posterlorum ad 12 -na.

Das einzige vollständige Exemplar vrar ein kleineres stark contralilrtes von etwa 50 Mm. Länge und einer grössten Breite von 4 Mm., die Kiemenfäden waren ungefähr 2 Mm. lang. Allen

das 4te folgenden Segmenten einfach und die Kiemen nicht verästelt sind, sondern ans einfachen neben einander sitzenden Fäden bestehen. Da nun aber Kinberg bereits einen Thelepiis antarcticus aufgestellt hat, der mit Neottis antarcticus Int. nicht zusammenfällt, so dürfte es sich empfehlen, letztere Art um zu taufen und nach ihrem Beschreiber zu nennen.

40-

54G

Sitzung der physikalisch-mathemathischcn Klasse

undem fehlte die hintere Partie, meist auch fast alle Fühler. Ein auffallend langes gestrecktes in einer dünn- aber festwandigen Röhre enthaltenes inass nicht weniger als 293 Mm., hatte aber nur etwa GO Segmente. Einzelne Exemplare, denen die wulstigen Fel- derchen der Seiten- oder auch der Rauchwand fehlten, hielt ich anfangs für eine andere Art, doch konnte ich sonst keine durch- greifende Unterschiede wahrnehmen.

Kerguelen.

T er eh eil a L. S a v.

Terehella (Amphitrite) kerguelensis Int.

Amphitrite kerguelensis M‘’Intosh. Ann. nat. hist. 187G. p. 321.

Vermiformis, rotundato tetragona, anteriora versus incrassata, minime tumida, dorso transverse striato utrinque vitta incrassata, nsque ad segmentum IG-tum procurrente, marginato, colore pallido; Segment a plus 50, anteriora brevia arcta 4-plo, tum 3-plo latiora quam longa, inde a 14-to latitudine decrescentia, longitudine crescentia, fere alterum tantum latiora quam longa, 29-mum et proxima 2 longiora quam lata, cetera sensim breviora, angustiora, a 27- mo dimidio fere latiora quam longa. Segmentum 2 -dum, 3-ium, 4-tum branchifera, utrinque lobo magno dilatata, postre- mo maximo jam a fasciculo setarum incipiente, supra latiore, ce- teris dimidia ejus altitudine, semicircularibus, humilius insertis. Lobus capitalis semiovalis margine infero rellexo in plicam ten- tacula ferentem transeunte. Tentacula nonnulla tantum conserva- ta, brevia crassa, sulco minus profunde exarata. Scuta ventral ia distincta 10, a segmento 4-to incipientia quadrangula, priora al- terum tantum, posteriora dimidio latiora quam longa, postremum perangustum. Pharetrae setarum utrinque 17, latae, subtrun- catae, a segmento 4-to incipientes. Setae flavae, Serie duplici dis- positae, rectae vel leviter curvatae, alterae fortiores, longiorcs, alterae minores. Tori uncinigeri a segmento 5- to incipientes, latissi- mi, scutis ventralibus dimidio latiores, sensim magnitudine decrescen- tes, spatiis interjectis majoribus. Uncini tororum anteriorum 6 Serie simplici, ceterorum duplici collocati, aviculares.

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Branchiae utrinque 3 fasciciilosae quasi semipinnatae, trun- co brevissimo crasso, secunclum marginem interiorem seriem filorum simpliciuni densam mittente: fila trunco multo longiora, longitu- dinem segmentorum 4 attingentia.

Ein beinahe vollständiges Exemplar von 198 Mm. Länge und einer grössten Breite und zwar an den vordersten Segmenten von 10 Mm. hatte 49 Segmente, von denen die längsten mittleren 7 Mm., die hintersten 4 Mm. massen,

Kerguelen.

Terehella {Loimia Mgn.) ochracea Gr.

Brevius vermiformis parte anteriore tumida, rotundato-tetra- gona, posteriore, inde a segmento 16 -mo, valde attenuata semite- reti; segmenta speciminis mutilati 43, subtilissime dense trans- verse striata ochracea, a lateribus circa toros nncinigeros ochra- ceos pallide olivacea, latissima (10-muni et proxima), subtus 3- plo, anterior a perbrevia 6 -plo, posteriora 2-plo fere latiora quam longa, omnino ochracea. Segmenta 3 anterior a lobis laterali- bus dilatata; lobi oblique semicirculares, utrinque 2, anterior sub- tus cum opposito taenia angusta conjunctus, soli segmento 1-rao ad- dictus, posterior, paulo major, segmento 2-doet3-io communis, basi oblique decurrente. Senta ventralia lata rectangula, 2-plo fere latiora quam longa, a segmento 16-mo desinentia, postrema 2 longiora quam lata. Pharetrae setarum utrinque 17, a seg- mento 4-to incipientes, breves, conicae, tori uneiniger! ante- riores, a segmento 5-to incipientes, tumidi, scutis ventralibus paulo minus lati, postremi 4 utrinque sese paene tangentes, posterio- res a segmento 20- mo omnino ventrales, multo minores, 3-pla latitudine inter se utrinque distantes. Setae splendidissimae plus 12-nae, et tenuiores, apice oblique, anguste limbato, et multo for- tiores rectae, fragilissimae. Uncini pectiniformes dentibus 5.

Branchiae utrinque 3, segmento 2-do, 3 -io, 4-to affixae, magnae ochraceae, ramosae ramis longis sutfruticosis, ramulis ter- minalibus brevissimis, 1-ma ceteris paulo major.

Länge des vorliegenden unvollständigen Exemplars 43 Mm., grösste Breite 8,5; am Bauch 4,3 Mm., grösste Dicke 6 Mm., die

I

548 Sitzung der pJnjsikalisch-mathematiscJien Klasse

längste Kieme 4,5 Mm, lang, die breitesten Rancliscliilder 5,8, die breitesten Tori 3,4 Mm, breit,

Nordwest- A ustralien (Meermaidstrasse),

Terehella (Phyzelia) hilohata Gr,

Hrevius vermiformis, pallida, parte anteriore rotundato- tetra- gona tumida, posteriore a segmento IG-mo siibtereti attenuata, segmentis 61, anterioribus subtiis 5-plo fere vel 4-plo, me- diis (per sc longioribus) alteriim tantum latioribns quam longis, posterior ibus similibus, sed per se brevioribus, Tentaciila fere 40, longiora segmentnm 17-mum attingentia vel superantia. Lobus capitalis semicirculatus, Segmentnm buccale utrinqne Serie punctorum ocularium brevi munitum, Segmentnm 2-dnm et 3-ium branchifera, 3-ium lobo laterali rotundato, haud ita lato, prope pharetram 4-ti incipiente, ad ventrem descendente instruc- tum; lobus rnembranaceus pellucens, striis albis a basi ad marginem exteriorem vergentibua ornatus, Senta ventralia ad segmentnm 16 -tum desinentia, longitndine crescentia, latitndine decrescentia, anteriora 3-plo latiora quam longa, 10-mum jam qnadratura, Fharetrae setarum 17 a segmento 4-to, tori uncinigeri a 5-to incipientes, Setae capillares apice leviter curvato, anguste limbato, Tori uncinigeri latitudinem scutornm ventralinm paene attingen- tes vel adaeqnantes, sectionis posterioris laterales tumidi, band in pinnulas mutati, Uncini avicnlares,

Branchiae ntrinque 2 fruticosae, Stirpe brevi 3-partita, rami breves ramulos breviores paucos mittentes, ramuli minus compositi, in apicem saepe iricuspidem exeuntes,

Länge 23 Mm, (die vordere Abilieilung des Leibes 9, die hin- tere 14 Mm,), Breite und Dicke am 7 ten Segment 2,3 Mm,, die vordere Kieme 1,2 Mm, hoch,

Maghalaensstrasse, den 12 ten Februar 1877 auf 60 Faden Tiefe gefunden.

Sah eil a L, Snv,

Sahella costulata Gr.

Paulo complanata, pallida; segmenta speciminis mntilati 15 tantum conservata, sections anterioris 8, siq)ra sulco longitu-

vom 13. August 1877.

549

dinali muiiita, subtus biannulata, fascia transversa vix incrassata, quasi costula, minus pallida ornata, subtus paene 3-plo, s. poste- rioris 2-plo latiora quam longa, longitudine per se majore subtus sulco longitudinali bipartita. Sectio corporis anterior alterum tantum longior quam lata. Collare satis altum, parte basali supra paene usque ad segmentuni 3-ium expansa, cum pa- riete dorsuali connata, subtus aream triangulam marginante, utrin- que bilobura, incisuris minime profundis, lobis ventralibus angustis- simis. Scuta ventralia minime expressa. Pharetrae setarum sectionis anterioris in lobulum exeuntes; setae flavae, hand ita tenerae, leniter curvatae, anguste limbatae, fragiles. Tori un- cinigeri sectionis anterioris minime tumidi tenues, aeque lati, posterioris tumidi, eadem latitudiue, omnino laterales, üncini monostichi aviculares ad 50-nos.

Brancliiae aequales albae, utrinque orbem efficientes, longi- tudine segmentorum 12, lamina basali liumillima, collari omnino tecta, fila branchialia longe barbata quasi lanosa, utrinque 17, parte infima tantum membrana conjuncta, basi rhachis satis ci’assa, apice nudo brevissimo, radioli rhacliis mollissimi, flexiles, maxime infra partem extremam longissimi. Praeterea fila nuda breviora tenuiora utrinque fere 9 observata. Laciniae tentaculares brancbia- rum band observatae.

Länge des einzigen sehr unvollständigen Exemplars ohne die Kiemen 22 Mm., des vorderen Leibesabschnittes 10 Mm., grösste Breite 4, Dicke 3 Mm., Halskragen 2 Mm. hoch, Polster der Un- cini der hinteren Leibesabtheilung 1,5 Mm. breit, Länge der Kie- men 19, der nackten Endspitze 1, der längsten Bärteichen 3 bis 4 Mm. Die oben beschriebenen Querbinden an der Bauchseite der vorderen Segmente könnten im Leben braun oder violett gewesen sein.

Kerguelen.

Sahella torquata Gr.

Brevius vermiformis paulo complanata, ex luteo carnea vitta lata ventral! fusco- sanguinea ab initio sectionis posterioris usque ad postremum decurrente, collari violaeco, brancbiis violaceo et cretaceo - albo fasciatis, segmentis fere 144, sectionis anterioris 8, subtus 5-plo fere latioribus quam longis, posterioris arctioribus,

550

Si(:u7ig de)' pli)jsikalisch-))iathematische)) Klasse

latitudine et longitudine sensim decrescentibus, initio G-plo, postre- niis fere 11-plo latioribus quam longis. Sectio corporis an- terior pacne longior quam lata. Collare humillimum inte- grum, annulum meuticns, vix basin laminae branchialis infimam tegens. Senta ventralia 2-plo tore latiora quam longa, sectio- nis posterioris sulco longitndinali bipartita. Pharctrae setarum brevissimae. Setae fragiles, sectionis anterioris llavae fortio- res, cujusque pbaretrae duplicis generis, alterae apice panlo sinuato angustius limbato, alterae recto tenuissimo brevi, ex disco orbicu- lari prodeunte, s. sectionis posterioris alterae paleis similes, alterae longissimae, tenerrimae lineares decolores 2-nae. Tori uncinigeri sectionis anterioris tumidi, toris posterioris alterum tantum latiores. Uncini monostichi, avicnlares, parte basali pro- ducta.

Branchiae aequales, utrinque semiorbem efficientes, longitu- dine segmentorum fere 25, ^ fere corporis aequantes, lamina basali satis alta, longitudinis branchiae aequante, violacea, fila branchia- lia utrinque 10, paene aeque longa, dimidio inferiore membrana conjunctä, violacea, fasciis albis 5, apicem versus angustioribus, ornata, barbata, rhaclii rigida, apice niulo brevissimo, barbulis subrigidis, longitudine crassitudinem rhachis 5-plo fere superan- tibus.

Länge 22 bis 24 Mm. olme die 6 Mm. langen Kiemen, grösste Breite mit den Köchern ohne die Borsten 2 .Mm.

AVestafricaj der Fundort ist nicht nälier angegeben.

Serpula L. Sav.

Serpula (s. str. Phil.) j)atagonica G r.

Brevius vermiformis gracilis, aequalis parte brevi postrema tantum repente attenuata, complanata, setis barbata, segmentis fere 90, sectionis anterioris 7, fere 3-plo, proximis 2-plo tantum vel 3-plo latioribus quam longis, postremis brevissimis rugiformi- bus. Sectio corporis anterior dimidio longior quam lata, lo- bis membranae pallialis angustis, parte collari ^ longitudinis sectionis superante, margine anteriore trilobo, laminam branchiarum basalem tegente, lobo ventrali ceteris latiore. Setae sectionis

vom 13. August 1877.

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anterioris capillares, haud limbatae, levitei* curvatae ad 20-nas, s. fasciculi 1-mi differentes dorso insertae, leviter lineam dorsi mediam versus vergentes, ceteris multo fortiores, geniculatae apice longo, ad genu dentibus validis 2 armatae, 9-nae. Setae sectio- nis posterioris oblique scalpratae, vix prominentes ad 7-nas, segmentoruin postremorum fere 20 longae, lineares, 3-nae. Un- cini aviculares.

Brauch iae aequales utrinque orbem efficientes, fere longi- tudinis corporis aequantes, lamina basali paulo adscendente. Fila branchialia utrinque 26, longitudine paulo decrescentia, parte infima tantum membrana conjuncta. Stylus opei’culifer dexter, muticus sinister. Operculum a stylo sepositum infundibülifornie, eo brevius, haud ita expansum, extus et intus sulcatum, denticu- lis fere 30 ad 50 brevibus obtusis crenatum.

Tubus erectus leniter flexaosus, albus, teres, plus minus distincte annulatim striatus, varicibus annularibus crassis laevibus, ter vel quater repetitis, longius inter se distantibus ornatus, soli- tarius vel plures conjuncti.

Mir lagen nur ein paar jüngere 20 bis 24 Mm., mit den Kie- men 25 bis 30 Mm. lange und 2 Mm. breite Thiere mit ihren Röhren, aber leere Röhren von viel grösseren in ansehnlicher Zahl vor. Die längsten derselben massen 4,4 Mm. in der Dicke, an den Anwachsringen 7,5 Mm. im Durchmesser und 86 Mm. in der Länge, ohne ganz vollständig zu sein. Die Anwachsringe standen zuweilen 19 Mm., meistens aber nur 9 oder weniger aus- einander.

Patagonien, 60 Faden; Kerguelen.

Serpula (Pomatoceros) corniculata Gr.?

Jahresber. d. Schles. Gesellsch. für 1861 p. 66.

Colore carneo; segmenta speciminis inutilati fere 31, sectionis anterioris (paulo latioris quam longioris) 7-^--plo fere, posterioris brevissima, 10-plo latiora quam longa. Collare huinile bilobum, utrinque plica lata iterum divisum, striis albis longitudinalibus or- natum. Lobi membranae pallialis anteriora versus lineam dorsi mediam attingentes. Seg mentu m corporis primum subtus

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Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

papillis minimis albidis obsitum. Fasciculi setarum sectionis anterioris lati aurei, utrinque G observati, setae fortes capillares, supra leviter curvatae, angiistissinie limbatae, ad 4Ü-nas. Segnienta sectionis posterioris anteriora nonnulla setis luida, setae s. cete- roruin tenerrimae decolores oblique scalpratae, ad 7-nas. Üncini pectinifornies, dentibus 6.

IJrancliiae aequales, spira gyroruin 5 adscendentes, laniina basalis liumilis, gyri 1-nii et 2 - di taeniä torosä separate; fila brancliialia maxinie nunierosa, breviter barbata, apice nudo bre- vi, gyri 1 - mi plus 30, paene -}■ longitudinis nienibrana conjuncta. Stylus operculifer sinister, supra branchiam oriens, latus sub- tus carinatus, parte superiore (plus ^ totius longitudinis aequante) membranä ejusdem latitudinis, supra rotundata alatä, striis longi- tudinalibus albis ornata. Discus operculi leviter cavatus ambitu ovato, umbone centrali lato humillimo, in laininas 2 breves, poste- riora versus spectantes, 3 - dentes producto,

Länge des hier beschriebenen sehr unvollständigen Exemplars ohne die Kiemen 16 Mm., der vorderen Körperabtheilung bis zum Ende der Mantelhaut 5,5 Mm., bei einer Breite von 4 Mm., mit der Mantelhaut 5,5 Mm., Länge der Kiemen IG Mm.

Das früher von mir beschriebene P^xemplar von Serpxdu cor- niculata unterscheidet sich dadurch, dass der Deckel im Verhält- niss kleiner ist, die obere geflügelte Partie des Deckelstiels etwas weniger als die Hälfte der ganzen Länge beträgt, die getüpfelte und gestreifte Zeichnung der oben erwähnten Theile nicht bemerkbar ist und die Spira der Kiemen nur vier Umgänge macht. Die Röhre ist von keinem der beiden Exemplare bekannt, die Identität beider also noch nicht entschieden.

Lumbricus L. (s. str. II offmann).

Lumhricus Kerguelarum Gr.

Brevius vermiformis, teres, flavido-carneus segmentis 92 simplicibus, sectionis anterioris (i. e. ante clitellas sitae) 6-pIo, posterioris initio 8-pIo, tum 4-plo latioribus quam longis, po- stremis repente attenuatis, linea alba vix elata bipartitis. Lo- hns capitalis brevis, angulo obtuso e quadrante segmenti buccalis

vom 13. August 1877.

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anteriore ortus, fronte latius rotnndata. Clitellae tumidae, seg- mentis 4 snpra oinnino coalitis compositae, a 13 -mo incipientes. Segmentum 17-muin et 19-num subtus utrinque papilla 1 pe- cnliari fort! conica dura munita. Setae tenues hyalinae apice vix curvato, singulae, utrinque seriebus 4 aeque distantibus dispositae.

Länge 47 Mm., grösste Breite arn 16ten Segment 3,5, am Mundsegment 1,8, kurz vor dem Körperende 2 Mm.

Kerguelen; auffallend durch den weit nach vorn gelegenen Gürtel und die beiden harten Papillen unter dem 17ten und lOten Segment.

Limbricus iongaensis Gr.

Brevis, parte anteriore, segmentis 11 constante, tereti carnea rohustiore, posteriore flavescente subpellucente subtus plana, ex- tremitate rotundata, clitellis jam a segmento 12 do incipientibus, a 18 -mo desinentibus, pallide ochraceis, segmentis 111, partis anterioris 5-plo fere, posterioris 6-plo vel 7-plo latioribus quam longis, per se brevioribus quam illis, manifestius biannulatis. Lobus capitalis parvus, transversus quasi semiovalis, margine posteriore obtusangulo in segmentum buccale intrante, 4- latitudi- nis, ^ longitudinis ejus adaequans. Segmentum buccale 2-pla 2 -di longitudine. Setae geminae, utrinque distichae, decolores, apice vix incurvo, aegre distinguendae, ordinibus 4 aeque inter se distantibus. Clitellae segmentis 7, subtus tantum di- stinguendis compositae, sub 16 -to et 17 -mo papillis 2-nis brevis- simis munitae, pari utroque area minuta transverse ovali circum- dato.

Länge 26,5 Mm., Breite am 6ten Segment (Maximum) 2,5 Mm., am Gürtel fast eben so gross, Gürtel etwas länger als breit.

Von den Tonga-Inseln; auffallend durch den so weit nach vorn gelegenen Gürtel, nur in 1 Exemplar vorliegend.

PericJiaeta Sch mar da.

Perichaeta subquadrangula Gr.

Longius vermiformis, a medio posteriora versus rotundato quadrangula, postremo teres, fusca, minime pellucens, splendore violaceo et viridi excellens, ciugulis setigeris albidis, segmentorum

554

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

anteriorum 12 et postremorum 9 crassioribus elatis, ceterorum lae- vissinioruni linearibus, nitentibus; segmentis 111, anterioribus 6 costiilas longitudinales nunierosas ferentibus 3-plo et 2-plo, proxiniis per se longioribus alterum tantum, pone clitcllas si- tis 3-plo latioribus quam longis. Clitellae (haud tuniidae) pal- lidins unibrinae segmentis 2 coalitis (14-to et 15-ito) constantes. Apertnrae genitalium porique dorsuales band observata. Setae segmentorum sectionis anterioris et postremoriun 36-nae ad 40-nas, ceterorum fere 40 - nae ad 60 - nas.

Länge 110 Mm., Breite 5 Mm., am Mundsegment 2 Mm.

Viti Lewu Revafl.

In dem Verzeichniss der von der Gazelle mitgebracbten An- neliden, welches diesen Beschreibungen neuer oder w'enig bekann- ter Arten vorausgeschickt ist, befinden sich einige, die ich bei meinem jetzigen Material zur Vergleichung von europäischen nicht zu unterscheiden vermag und statt deren ich vielmehr solche er- wartet hatte, die jenen namentlich den nordischen correspondiren. Diese Arten, auf die ich deshalb besonders aufmerksam macbe, sind folgende: Hermione hystrix Sav. von der Soletonbank, Chae- topterus variopedatus Ren. und Terehellides Stroemii Sars von der Maghalaensstrasse, Artacama proboscidea Mgn. und Arenicola pis- catorum Cuv. von den Kerguelen. Letztere habe ich als Varietät bezeichnet, weil ich an den meisten kiementr.agenden Segmenten nicht 5, sondern nur 4 Ringel erkennen kann, das untersuchte Exemplar ist übrigens schlecht erhalten und wie bei vielen der vorliegenden Arten nur ein einziges.

Verbesserung. S. 511 Z. 1 1 von oben lies Kerguelarnm statt kerguelarnm', Z. 7 vt»n unten lies hilobata statt guadrilobata.

vom 13. August 1877.

Ö55

Hr. W. Peters legte ferner eine neue merkwürdige Art von fliegenden Fischen, Exocoetus cirriger, aus China und einen neuen Muraeniden, Ophichthy s biiaeiiiatics, aus Moinbas, vor.

Unter einer Sammlung von Gegenständen, welche ich der Güte des Hrn. Dr. Schetelig verdanke, befindet sich eine merkwürdige Form der fliegenden Fische, welche bisher noch unbeschrieben zu sein scheint und welche ich mir daher erlaube vorzulegen. Sie gehört zu denjenigen Arten, bei welchen nicht allein die Brust-, sondern auch die Bauchflossen verlängert sind, der zweite Strahl der Brustflossen zweispaltig und der dritte Strahl derselben Flosse etwas länger als der vierte ist. Sie schliesst sich daher in der vortretflichen Übersicht der Arten der Gattung Exocoetus., welche Hr. Dr. Lütken neuerdings {Viclensk. Meddel. naturh. For. 1876. p. 389 fgg.) gegeben hat, durch die meisten Merkmale dem E. fur- catus und comatus zunächst an, unterscheidet sich aber von allen durch viele Bartfäden. Da das vorliegende Exemplar schon ziem- lich gross ist, dürfte es zugleich den Beweis liefern, dass das Vor- kommen von Bartfäden nicht als Zeichen des Jugendzustandes zu betrachten sei, wie angenommen wurde (cf. Cat. Fishes Brit. Mus. Günther. VI. p. 278).

1. Exocoetus cirriger n. sp. (Taf. Fig. 1.)

D. 13; A. 12; P. 13; V. 1, 5; C. 7/13/7. L. lat. 53.

Höhe zur Länge wie 1:10, Kopflänge zu derselben wie 1 : G. Der Unterkiefer überragt conisch die Zwischenkiefer und ist von einer herahhängenden Haut umfasst, welche in 16 bis 18 Tentakel- fäden ausgeht. Die Brustflossen reichen bis ans Ende der Basis der Rückenflosse; ihr erster Strahl ist mehr als halb so lang wie der zweite, welcher sich dichotomisch theilt. Die Bauchflossen, welche hinter der Körpermitte entspringen, erreichen die Basis der Schwanz- flosse. Die Analflosse ist ein wenig kürzer als die Rückenflosse, beginnt dem dritten Strahl der letzteren gegenüber und reicht nach hinten ein wenig über dieselbe hinaus. Die Schuppen sind gross und bilden nur vier Längsreihen zwischen der Rückenflosse und der Seitenlinie.

Brustflossen am Ende, die Endhälfte der Rücken- und After- flosse so wie die Mitte der Bauchflossen schwarz.

Sitzu7)g der phijs.-mofJi. Klause vom 13. A^igust 1877.

Totallänge 0,180, olmo Sclnvanztlosse 0,155; Kopf (mit Un- terkiefer) 0,030; 1ms zur Hasis der Baucliflossen 0,084; von den Ilauclillossen bis zur Mitte der llasis der Seliwanzllosse 0,002; von der Sclinauzenspitze bis zur liasis der Hückenllosse 0,103; K<»r- perbölie 0,018.

Ein P^xemplar aus China, von Um. Dr. Sclietelig.

2. Ophichthys hilaeniatus n. sp. (Taf. Fig. 2.)

Spitz gekrümmte Zähne in einfacher Reihe auf den Kiefern, in doppelter auf dem Zwisclienkiefer und Vomer. Die Schnauze ist fast doppelt so lang wie das Auge, welches fast in der Milte zwischen der Schnauzenspitze und dem Mundwinkel steht. Der Schwanz bildet | der Totallänge. Keine Brustllossen. Die Rücken- flosse beginnt nahe hinter dem Mundwinkel, weit vor der Kiemen- öft'nung.

Grünlich; jcderseits an der oberen Körperseite eine breite Längsbinde und der Rand der Rückenflosse von schwarzer Farbe. Der Kopf schwarz punctirt.

Totallänge 0,30; bis Mundwinkel 0,0055; bis Kiemenöftnung 0,019; bis After 0,185; Körperhöhe 0,005.

Ein Exemplar von Mombas, gesammelt von TIrn. llilde- br andt.

Diese Art hat auf den ersten Anblick wegen der Zeichnung und der weit vorgerückten Rückenflosse eine grosse Ähnlichkeit mit dem 0. melanotaenia Bleek er, unterscheidet sich aber von diesem durch die viel grössere Länge des Schwanzes, die zweireihigen Vomerzähne und weiteren Kieinenspalten.

Erklärung der A Ij h i 1 d u n g e n.

Fig. 1. Exocoetus cirriger Vtrs.

2. Ophichthys bitaeniettns Ptrs.

3. Chaetostomus niyrolineatus Ptrs. (Monatsber. d. Js. p. 471.)

4. Stermirchus Sachsi V irs. (ib. p. 473.)

Monatsbr.BerlAkWissensch 1877 p,556.

£ - ' ,

Gesammtsitznng vom 16. August 1877.

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16. August. Gesammtsitzuug dev Akademie.

Hr. Schott las über japanische Poesie und Metrik.

Hr. Curtins legte die zweite Serie der Photographien nach olympischen Sculpturen vor.

An eingegangenen Schriften wurden A'orgelegt:

Journal of the Chemical Society. N. CLXXV. July 1877. (Vol. II.) London 1877. 8.

The quarterly Journal of the geoloyical Society. Vol. XXXIII. S. 2. N. 130. ib. 1877. 8.

G. vom Rath, Vorträge und Mittheilungen. Sep.-Abr. Vom Verf.

O. Lotli, A Catalogue of the arabie Manuscripts in the lihrary of the India Office. London 1877. 4. Presented by order of the Secretary of State

for India.

E. Trum pp, llie Adi Granth or the holy scriptures of the Sikhs, ib. eod. Desgl.

J. Koren og D. C. Danielssen, Fauna litteralis Nort'egiae. 3e. Hefte.

Bergen 1877. 4. Mit Begleitschreiben.

Memorie delV R. Accademia di scienze, lettere ed arti di Modena. T. I, 1-4. T. II XII. T. XIII, 1. 2. T. XIV— XVI. Modena 1833 1875. 4.

Mit Begleitschreiben.

'31 Schriften derselben Akademie. 8.

Revue scientifique de la France et de V etranger. N. 6. 1877. Paris. 5. Bulletin de la Societe de geographie. Juillet 1877. Paris. 8. Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. N. 8 10. 1877.

Wien. 8.

Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. N. 8 10. 1877. Wien. 8.

55S Gesanmtsiizting vom 16. August 1877.

Mittheihingen der anthropologischen Gesellschaft in Wien. Bd, YII. N. 4. 5. G. ib. 1877. 8.

The American Journal of Science and arts. N. 80. Vol. XIV. 3. Series. August 1877. Neu Haven 1877. 8.

Bulletin de la Societe geologique de France. Serie III. T. IV. N. 11. Serie III. T. V. N. 8. Baris 1877. 8.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

September & October 1877.

Mit 1 Tafel.

BERLIN 1877.

nUCHDUUCKRRKI D15R KGL. AKADEMIE^ DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. UNIVERSITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLEr’s VERLAGS-BüCIIIIANDLUNG.

HARRWITZ ÜND G088MANN.

M O N A T S B E R I C H T

DER

KÖNIGLICH FREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

September A October 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Kummer.

Sommerferien.

Hr. Le Verrier, correspondirendes Mitglied der physikalisch- matbematiscben Klasse der Akademie, starb am 23. Sept. in Paris.

15. October. Sitzung der philosophisch-histori.schen Klasse.

Hr. Weber las über die Sinhäsanadrätrincikä.

18. October. Gesammtsitzimg der Akademie.

Hr. Hagen las: Vergleichung der von 1S46 bis 1875 an der Ostsee beobachteten Wasserstände.

[1877]

41

5G0

Gesammtsitzung

Auf die ältern Beobaclitungen, die zum Tlieil bis in die Mitte des vorigen Jalu’bunderts zurückreicben , konnte nicht Rücksicht genommen werden, weil sie nicht mit der nötbigen Sorgfalt ange- stellt wurden, und namentlich die Höhenlage der Nullpunkte der Maafsstäbe nicht genügend gesichert war.

Für die grosse Mehrzahl der Stationen ergiebt sich aus diesen neuern Beobachtungen keine dauernde Hebung oder Senkung des AVasserstandes. Ausnahmen hiervon machen nur die beiden Sta- tionen Wittower Posthaus (auf der Westküste von Rügen) und Swinemünde. Dort zeigt sich mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit eine dauernde Hebung und hier eine dauernde Senkung des Was- serstandes. Beide Erscheinungen erklären sich aber durch die in demselben Zeitraum eingetretenen Änderungen der Stromläufe ober- halb der Beobachtungs- Punkte, die nicht unmittelbar an der See liegen, sondern etwa eine Viertclmeile davon entfernt sind. Man darf daher eine Hebung oder Senkung des Bodens nicht voraus- setzen, die nach der Höhenlage der Umgebungen auch durchaus unwahrscheinlich ist.

Die mittleren Wasserstände einiger Jahre stellen sich auf al- len Stationen merklich höher, als in andern Jahren. So geschah dieses beispielsweise 1874, wo der Unterschied gegen das folgende Jahr auf den verschiedenen Punkten 4 bis 8 Zoll, durchschnittlich 6, .54 Zoll betrug. Die herrschenden Winde konnten hierzu nicht Veranlassung gegeben haben, da vor unsern westlichen Häfen das Wasser bei Nord -Ost -Winden, vor den östlichen aber bei West- Winden, am höchsten anschwillt. Man muss daher annehmen, dass die ganze Ostsee nicht immer dieselbe Höhe hat.

In dieser Weise sinkt auch periodisch während des Jahres das Wasser im April und .Mai durchschnittlich 2,8 Zoll unter den mittleren Stand, und hebt sich über denselben wieder im August und September um 2,5 Zoll. Da diese Erscheinung ohne Aus- nahme an allen an der Ostsee belegenen Stationen sich zu erken- nen giebt, so kann sie nicht durch Winde veranlasst sein, wohl aber erklärt sie sich durch die verschiedene Dichtigkeit des Was- sers, wenn dasselbe einen constanten Gegendruck in der Nordsee erfährt.

Das Ostsee-Wasser hat sehr geringen Salzgehalt, der noch nicht 1 Procent (nach meiner Messung 0,78 Procent) beträgt. Das specifische Gewicht ist im Gefrierpunkte 1,U0G2. Bei .3,34 Gra-

vom 18. Octoher 1877.

561

den C. nimmt es die stärkste Verdichtung an und bei 0 Grad fängt es schon an, zu gefrieren. Die nähere Üntersuchung seiner Dichtigkeit bei verschiedenen Temperaturen zeigte, dass es bei der mittleren Tiefe der Ostsee von 50 Faden in der Erwärmung von ungefähr +4 Graden bis zu 4-19 Graden C. sich um jene 6,3 Zoll ausdehnt, welche die Beobachtungen ergaben. Die Verbindung mit der Nordsee ist aber im Vergleich zur Grösse der Ostsee so beschränkt, dass die Ausgleichung nur sehr langsam von statten geht, und daher wohl nie vollständig eintritt.

Hr. Virchow berichtet über die Untersuchungen des Prof. Paul Langerlians über die Bay von Funchal und legte folgende Mittheilung desselben vor:

Zur Anatomie der Appendicularien.

Von den vier Gattungen der Appendicularien, die Fol unter- scheidet, habe ich im Laufe dieses Sommers, vom Mai bis Sep- tember 1877, nur die beiden Genera Oikopleura nnd F7’itillaria bei Funchal vertreten gefunden. Ich fing im Ganzen 7 Arten davon, 5 Oikopleura; drei davon sind von Fol aus Messina beschrieben: 0. rufescens, fusiformis und dioica; eine vierte grössere Form steht der 0. cophocerca nahe, unterscheidet sich aber durch die Einfach- heit des Darmtractus und die Grösse von ihr; eine fünfte stimmt fast vollkommen mit 0. spissa überein, nur besitzt sie auf der vorderen Körperfläche eine segelartige Hautduplikatur , die unter- halb der Geschlechtsdrüsen sich anheftet. Ich will sie einstwei- len 0. veUfera nennen; eine genauere Beschreibung dieser Arten verschiebe ich für später. Dem Genus Fritillaria gehören 2 Arten an: Fr. furcata C. Vogt und eine Form, die sich von Fr. formica Fol nur durch eine unbedeutende Abweichung in der Form des dorsalen mittleren Mundlappens unterscheidet und wohl als Varie- tät derselben aufgefasst werden kann.

Alle diese Arten waren gelegentlich und in einzelnen Exem- plaren vorhanden: nur 0. velifera war fast ohne Ausnahme häufig und füllte einmal, am 3. September, soweit ich tischen konnte,

41»

562 Gesammtsitzung

über Stunde weit in die See hinaus in zahllosen Individuen die Bay von Fnnchal.

Der Schwanz der Appendicularien ist, wie Fol richtig be- merkt, aus der natürlichen Lage um 90° gegen den Körper gedreht, so dass seine untere Kante rechts, seine obere Kante links liegt. Ich bitte den Leser, sich für die Lagebezeichnungen den Schwanz um 90° nach rechts um seine Längsachse zurückgedreht zu den- ken. Wir bekommen dann die genetisch richtige Lage: in der Mitte des Schwanzes verläuft der Achsenstrang, darüber der Cau- dalnerv, zu den Seiten die beiden Muskelbänder und Alles als continuirliche Sagittal flösse umgebend die Haut.

Die Muskelbänder sind quergestreift; es gelang bisher nur, sie in einzelne Fibrillen zu zerlegen, und bei einigen Arten Kerne in ihnen wahrzunehmen. Behandelt man nun eine frische Appendi- cularie mit 30-[}iger Kalilauge, so sieht man rasch jedes Muskel- band in zehn von vorn nach hinten, von der Wurzel des Schwan- zes nach der Spitze hin, auf einander folgende Platten zerfallen. Die Grenzen der Platten sind zackig, Avie bei den einzelnen Zel- len des Säugethier-IIerzmuskels. Die 10 Platten des rechten Mus- kelbandes entsprechen genau denen des linken; die erste ist ein wenig kürzer als die darauf folgenden; die letzten beiden sind wie- der kürzer als die mittleren Platten. Die Kalilauge ist zwar das bequemste, aber nicht das einzige Mittel, die Platten hervortreten zu lassen; Kali bichrom., Salpetersäure von 20-}} u. a. haben den- selben Effect, und oft werden die Grenzen der Platten nach dem Absterben des Thieres ohne irgend welche Agentien deutlich er- kennbar.

Ich fand diese Zusammensetzung der Muskelbänder aus je 10 sarkolemmlosen Platten bei allen darauf untersuchten Arten: näm- lich 0. velifera und fiisi/ormis, Fr. formica und furcata.

Genauer als die Muskeln ist das Nervensystem bearbeitet wor- den. Es würde mir hier auf Madeira, fern von allen Bibliotheken, nicht möglich gewesen sein, eine Übersicht über die betr. Littera- tur zu erlangen, Avenn nicht Ilr. Prof. K upffer die Freiindlichkeit gehabt hätte, mir die bezüglichen Angaben mitzutheilon. Der Cau- dalnerv, der über dem Achsenstrang der Chorda liegt, ist zuerst von Mertens^) gesehen Avorden; er beschreibt ihn als „schmalen,

') H. Mertens, Mein. Acacl. St. Petersbonrg, G. Serie. T. I. 1831. p. 205.

vom 18. October 1877.

563

zellig - bläschenfüi’migen Canal“. Huxley^) hat an dem Cau- dalnei’ven zuerst Anschwellungen beebachtet, von denen feine Fä- den entspringen. Dasselbe giebt Leuckart^) an: „Der Hauptnerv tritt in die Wurzel des Ruderschwanzes und lässt sich fast bis an das Ende des Achsencylinders verfolgen. Eigentliche Nervenfasern fehlen in diesem Stamme; man unterscheidet nur eine streifige Masse, die von einer ziemlich dicken, doppelt conturirten Scheide umhüllt wird. Von Zeit zu Zeit kommen aus dem Nerven ein- zelne zarte und blasse Ausläufer hervor, die unter rechtem Win- kel abgehen und ZAvischen die Muskelfasern hineintreten; Sie entspringen bald isolirt, bald auch paarweise, in dem letzteren Falle gewöhnlich aus einer kleinen Verdickung, die einer Ganglien- Anschwellung nicht unähnlich sieht, obwohl sie in histiologischer Beziehung sich von den übrigen Nerven nicht unterscheidet.“ Diese von Huxley und Leuckart, sowie später von Gegenbaur^) gesehenen Anschwellungen hat nun Kowalewsky^) nach einer Beobachtung seines Freundes Nogine, die er selbst bestätigt, für eine „Reihe von paarigen“ Ganglien erklärt, aber ohne den von Leuckart so genau beschriebenen Nerven zu erwähnen, dem sie aufsitzen. FoP) dagegen giebt die gangliöse Struktur nur für das grosse, in der Schwanzwurzel gelegene Caudalganglion zu; die kleinen Anschwellungen des Caudalnerven, 20 bis 40 an Zahl, ha- ben nach ihm weder Kerne noch körniges Protoplasma und er- reichen nicht den Werth von Zellen. Sie sind übrigens bald iso- lirt, bald zu zwei oder vier symmetrisch angeordnet, selten zu dreien. Bei Oikopleura cophocerca und cUoica zeichnen sich einzelne der zu den Muskeln gehenden Nerven dadurch aus, dass sie paar- weise in gleichen Abständen von einander vom Caudalnerv ent- springen, das erste Paar vor dem Caudalganglion, die anderen da-

T. Huxley, Philosophical Trans. II. 1851.

-) R. Leuckart, Zool. Untersuchungen. Heft II. Giessen 185-1. p. 85. Gegenbaur, Zur Organisation der Appendicularien. Z. f. Zoologie VI, 406. 1855. '

■*) A. Kowalewsky, Entwickelungsgang der einf. Ascidien. Meni. Acad. St. Petersburg VII. Serie, X, N. 15 p. 13. 1806.

H. Eoi, Etudcs sur les Append. du Detroit de Messine. Bäle et Geuevc 1872. p. 15 u. 23 fi’.

564

Gesammtsitzung

hinter. Diese Nerven enden mit hellen Ansclnvelliingen in den Muskeln. Es sind solcher Paare bei 0. cUoica drei, bei 0. copho- cerca sieben vorhanden.

Meine Beobachtungen haben mich zunächst in Betreff der An- schwellungen des Caudalnerven dahin geführt, dass dieselben ge- nau wie das grosse Caudalganglion an der Wurzel des Schwanzes als echte Ganglien zu betrachten sind. Sie bestehen meist aus 2, selten nur aus einer, gelegentlich aus 3 bis 6 deutlichen Zellen, an denen man körniges Protoplasma, hellen Kern mit Nucleolus, bindegewebige Hülle sowie den ein- und austretenden Nerven un- terscheiden kann. Ich muss mich also in dieser Beziehung an Kowalewsky’s Angabe anschliessen.

Die Vertheilung dieser Ganglien auf die den einzelnen Mus- kelplatten entsprechenden Abschnitte des Caudalnerven ist bei 0. veli/era eine sehr ungleich massige. Dei' ersten Platte entspricht das grosse Caudalganglion, der zweiten kommt meist kein Ganglion zu, nur selten ■wurden hier 3 kleine Ganglien beobachtet. Der dritten Platte entspricht meist 1 Ganglion, der vierten 3, der fünf- ten 1 bis 3, der sechsten 3 bis 4, der siebenten 3, der achten 2 oder 4, den beiden letzten je 1. Die Totalsumme der kleinen Ganglien Sst 12 bis 16. Alle entsenden peripheiische Nerven, von denen ich vermuthe, dass sie meist zur Haut ihren Weg finden. Von dem stärksten der von Ganglien entspringenden Nerven, einem vom Caudalganglion aus rückwärts laufenden, ziemlich starken Ast ist das schon von Fol angegeben; ich konnte diesen Ramus recur- rens bei jungen Individuen der 0. veli/era zu einem neben der Wurzel des Schwanzes an der Hinterfläche des Körpers liegenden Sinnesorgan verfolgen, das mit einem langen starren Haare ver- sehen war und wohl aus einer grossen Zelle bestand. Bei er- wachsenen Individuen derselben Art fand ich dies Organ bis jetzt nicht.

Im Gegensatz zu diesen unregelmässig entspringenden Ner- ven der Ganglien zeigen die Nerven der Muskelplatten eine regelmässige Anordnung und entspringen paarweise in fast gleichen Abständen von dem Stamm des .Caudalnerven, oft dicht neben den Ganglien, aber nicht von ihnen. Der erste dieser Ner- ven entspringt kurz vor dem grossen Ganglion und wendet sich nach vorn; alle anderen ziehen nach hinten, entspringen an der vorderen Grenze einer Muskelplatte vom Stamm des Nerven und

vom 18. Ocloher 1877.

565

reichen bis etwa zur Mitte der Platte hach hinten. Diese Nerven sind stets paarig und der rechte liegt dem linken in den vorderen Abschnitten genau gegenüber. Selten vom 5., meist erst vom 6. Paar an liegt der Nerv der einen Seite etwas vor dem der ande- ren. An der 9. und 10. Muskelplatte habe ich bei 0. velifera bis jetzt diese Nerven noch nicht auffinden können. Bei FriüUaria formica konnte ich den Nerven der 10. Muskelplatte gut erkennen; bei dieser Art reichen die Nerven in den Muskelplatten fast bis zu dem hinteren Ende. Andere Arten habe ich noch nicht genü- gend untersuchen können. Es ist indess wohl zweifellos, dass auch die von Fol bei 0. cophoceria und dioica beobachteten Ner- venpaare diesen Muskelnerven zuzuzählen sind.

Im Ganzen sind diese Muskelnerven stärker als die anderen von Ganglien entspringenden. Sie treten unter ziemlich rechtem 'Winkel nach beiden Seiten vom Caudalnerven ab, erreichen nach kur- zem Verlauf die Muskelplatten, treten in sie ein und biegen Avieder ziemlich unter rechtem Winkel nach hinten, um dann, etwas ver- breitert und von Stelle zu Stelle leicht varicös anschwellend, in der Mitte der Platte stumpf zu enden. Aste scheinen nicht von ihnen auszugehen. Diese ganze Nervenendigung erinnert an das, was wir von den niederen Vertebraten wissen; dass die Kerne hier vollständig fehlen, ist um so Aveniger merlcAVÜrdig, als ja auch bei jenen durch vergleichende Studien naebgeAviesen ist, dass dieselben kein nothwendiger Bestandtheil der Nervenendigung sind. Von einer Zwischensubstanz, die zu einer Anschauung führen könnte, Avie sie J. Gerlach aufgestellt hat, ist bei diesen Platten nichts zu sehen.

Die Deutung der hier mitgetheilten Beobachtungen scheint mir nach dem, Avas uns die Arbeiten A’on KoAvaleAVSky und Kupf- fer über die Stellung der Tunikaten gelehrt haben, eine sehr nahe liegende zu sein. Die Muskelplatten zeigen uns, dass der Appendi- cularienschwanz aus 10 Segmenten besteht. Die Nervenpaare, Avelche diese Muskeln A'ersorgen, sind eben so viele Paare von Spinalnerven, Avie sie von Kupffer^) schon bei der Larve von Ascidia meniula beobachtet Avorden sind, und meine ganze Mitthei-

*) C. Kupffer, Zur EiitAvickeliing der einfachen Ascidien. M. Seliul- ze s Archiv VIII, o93.

566

Gesammtsitzung

lang ist somit nur eine Bestätigung und Erweiterung dieser Beob- achtuug von Kupffer, von der ich 1871 in Arendal Augenzeuge war. Eine auffallende Abweichung vom Vertebratentypus zeigt sich allerdings bei den Appendicularien darin, dass die Ganglien des caudalen Rückenmarkes und die von ihnen entspringenden Ner- ven der Segmentaltheilun" nicht folsjen wenigstens nicht beim erwachsenen Thiere. Dagegen ist in der Platten -Struktur der Muskeln eine grosse und sicher bedeutsame Übereinstimmung mit Amphioxus und den Cyclostomen gegeben. Bei allen gemeinsam besteht die Stammesmuskulatur aus solchen Platten, die stets vom vorderen Ende eines Segmentes bis zum hinteren reichen. Bei Amphioxus und den Cyclostomen liegen in jedem Segment viele solche Platten neben einander, die Appendicularien haben Jederseits nur eine. Dass die beiden Nerven eines Spinalnervenpaares in den hinteren Segmenten einander nicht genau gegenuberstehen, erin- nert ebenfalls an Amphioxus und die Cyclostomen. Ich denke so- mit in diesen Beobachtungen eine neue Stütze für die nahe Ver- wandtschaft zwischen den Tunikaten und den niederen M’irbelthier- formen gegeben zu haben.

Funchal, am 30. September 1877.

Hr. Virchow berichtet über die am 13. .Vugust erfolgte Rückkehr des Hrn. J. M. Hildebrandt nach Mombassa. Es gelang dem Reisenden nicht, das Ziel seiner Reise, den Kenia, zu erreichen, obwohl er ihm bis auf 6 Tagereisen nahe kam. Die feindliche Haltung der Wakwafi nöthigte ihn, 3 Monate in Kitui in Ukamba zu verweilen und endlich von da umzukehren. Indess ist es ihm gelungen, reiche botanische, zoologische, ethnographische etc. Sammlungen zu veranstalten und zurückzubringen. Ausführ- lichere Berichte werden vorbereitet.

vom 18. Octoher 1877.

567

Au eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

B. Boncompagni, Bulleftino di hihliografia e di storia delie scien:e mate- matiche e fisiche. T. X. Giugno Luglia 1877. Koma. 4.

J. Ritter von Puscariu, Das Stereometer. Budapest 1877. 8.

D. C. Berg, 5 botanische Schriften. Buenos Aires 1S7G. 1877. 8. Sep.-

Abdr. Vom Yerf.

La Bibliotheqiie Nationale en 1876. Paris 1877. 8.

The American Journal of Science and arts. Ser. 3. Vol. XIV. N. 81. New Haven 1877. 8.

Societe entomologique de Belgique. Ser. I. N. 42. Bruxelles 1877. 8.

L. Delisle, Notice sur 5 manuscrits de la Bibliothcque Nationale etc. Pa- ris 1877. 4. Extr.

, Fragment du dernier registre d' Ale.xandre IV. ib. 8. Extr.

St. Mariani, Memorie di fisica sperimentale. Vol. I. II. III. Bologna 1874—77. 8.

Almanaque Nautico para 1878. Madrid 1877. 8.

Nova Acta Academiae Caes. Leop. Carol. Germanicue nat. cur. T. 38. Dresdae 1876. 4. Mit Begleitschreiben.

K. Svenslca Vetenskaps- Akademiens Handlingar. Ny Füldg. Bd. 13. 14. 1.

Stockholm 1874/75. 4. Mit Begleitschreiben.

Bihang. Bd. III. 2. ib. 1876. 8.

Ö/versigt. Arg. 33. ib. 1876. 8.

C. F. "Waern, Augustin Ehrensvard. ib. eod. 8.

Meteorologiska Jakttagelser. Bd. 16. ib. 1876. 4.

Catalogue van de Boeken etc. in de Bibliotheek der Sterrenwacht te Leiden. Uitg. door H. G. v. d. Sande Bakhitgzen. ’S Gravenhage 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Verslag van de/j Staat der Sterremvacht te Leiden etc. ib. 1876.* 8.

Annuario della Societa dei Naturalisti in Modena. Ser. II. Anno X. Faso. 4.

Ser. II. Anno XI. Fase. 1. 2. Modena 1877. 8.

Schriften der Universität zu Kiel a. d. Jahre 1876. Bd. XXIII. Kiel 1877. 4. Mit Begleitschreiben.

öf entliehe Vorlesungen an der K. K. Universität zu Wien im W inter- Semester 1877178. Wien 1877. 4. 2 Ex.

Programm der K. K. Technischen Hochschule in U’ien für das Studienjahr 1877176. ib. eod. 4.

Fr. Vol beb r, Die Einiceihungs/eier des neuen Universitäts-Gebäudes zu Kiel. Kiel 1876. 8.

Bericht der Budapester Handels- und Geiverbekammer über Gewerbe und In- dustrie des Budapester Kammerdistrictes für die Jahre 1S70 1875. Bu- dapest 1877. 8.

568

Gesammlsitzunej

Das fuufziyjähruje Doctorjubiläum des Akademikers Geheimrath Johann Frie- drich Brandt am 12. (2i.) Januar 1876. St. Petersburg 1877. 8.

Bernte scientifique de la France et de l'ctranyer. N. 11. 12. 13. 14. 15. Pa- ris 1877. 4.

Mittheiluntjen des Vereins für Erdkunde zu Halle ufS. 1877. Halle 1877. 8. Benie archeoloyitqiie. Extr. C. Carapanos, Dodone et ses ruines. Paris 1877. 8.

J. de Witte, Satyre Bronze trouve a Dodone. ib. 1877. 4.

Atinales des Mines. VIlc. Serie. T. XI. Livr. 1 de 1877. Paris 1877. 8.

Vom vorg. K. Ministerium.

Transactions of the zoological Society of London. Vul. X. P. 2. Londuu 1877. 4.

Prcussische Statistik. XXXIX (1. Hälfte). XLIII. XXXXI\\ Herliii 1877. 4. Mit Eogleitsclireiben.

Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. 83. Heft 1. 2. 3. ib. 1877. 4.

A. Mühry, Uber die exacte Natur - Philosophie. Göttingen 1877. 8. Mit

Begleitschreiben.

Jahresbericht des Naturhistorischen Vereins i'on Wisconsin für das Jahr 1876 77. Milwaukee 1877. 8.

G. Francliini, Aqtpendice al bozzetto La Terra non gira intorno al Sole.

Napoli 1877. 8. Vom Verf. Mit Begleitschreiben.

Journal of the Chemical Society. N. CLXXVI. (1877. Vol. II.) London. 8. Bollettino della Societa Adriatica di scienze naturali in Trieste. Bed. dal Prof. A. Vierihaler. N. I. Vol. III. Trieste 1877. 8.

Atti della B. Accademia dei Lincei. Anno CCLXXIV. 1870/77. Serie terza.

Trnnsunti. Vol. I. Fase. 7. Giugno 1877. Koma 1877. 4.

A. Hirsch & E. Planta mour, Nivellement de precision de la Suisse. Livr. 0. Geiieve 1877. 4.

Abhandlungen der K. K. geologischen Beichsanstalt. Bd. VII. Heft N. 4.

(M. Vacek, Über Österreichische Mastodonten.) Wien 1877. 4.

Mineral statistics of Victoria for the year 1876. Melbourne 1877. fol. Beport of the chief Inspector of Mines etc. for the year 1876. ib. eod. ful. Mathematische Annalen. Separ.- Abdruck aus dem 12. Bande. Leipzig. 8.

(U. Sturm, Über correlative oder reciproke Bündel.)

Annedes de la Societe entomologique de Bruxelles. T. 20. Fase. 1. Sign. 1 ä 3. Bruxelles 1877. 8.

Concours quinquennul des Sciences naturelles. Periode de 1872 1870. Bru- xelles 1877. 8. Extr.

AcadOnie B. de Belgique. Bulletin. 40. aniiee. 2. Serie. T. 44. N. 7. ib. eod. 8.

vom 18. October 1877.

5G9

Association fran^. pour V avancement des Sciences. Congres de Cleinnont- Ferrand. 1876. Paris. 8.

E. Czyriiianski, Mechanisch- chemische Theorie der sinnlichen Welt. Kra- kau 1876. 8.

Proceedings of the scientific meetings of the zoological Society of London for the year 1877. Part II (March & April) 1877. London. 8.

Bulletin de la Societe Imp. des naturalistes de Moscou. Anne 1877. N. 1. Moscou 1877. 8.

Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg. Jahrg. 18. Berlin 1876. 8.

Preussische Staatsschriften aus der Regierungszeit König Friedrichs II. Her- ausgegeben von J. G. Droysen und M. D iincke r. Bd. 1. Berlin 1877. 8. Überreicht von Hrn. Droysen.

Würtembergische naturivissenschcftliche Jahreshe/te. Jahrg. 33. 1. 2. Stutt- gart 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Festschrift zur Feier des vierhundertjährigen Jubiläums der Eberhard -Kurls- Universität zu Tübingen am 9. Aug. 1877. Stuttgart 1877. ful. Sep.- Abdruck.

Berichte über die Verhandlungen der naturforschenden Gesellschcft zu Freiburg i. B. Bd. VII. Heft 1. Freiburg i. B. 1877. 8.

C. A. F. Peters, Bestimmungen des Längenunterschiedes zivischen den Stern- warten von Kopenhagen und Altona. Kjobenhavn 1877. 4. Sep.-Abdr.

Vom Yerf.

Polybiblion. Part. litt. Ser. II. T. VI. Livr. 3. Sept. Part, techn. Ser. II.

T. III. Livr. 9. Sept. Paris 1877. 8.

C. Seil, Die Actio de Rupitiis sareiendis der XII Tafeln. Bonn 1877. 4.

Commission de Meteorologie de Lyon. 1875. Annee 32. Lyon 1876. 8.

E. Heis, Resultate der in den 43 Jahren 1833 1875 angestellten Stern- schnuppen-Beobachtungen. Münster 1877. 4.

Annales de Chimie et de Physique. Serie V. Sept. 1877. T. XII. Paris 1877. 8.

Revue archeologi(pie. N. Ser. Annee 18. VIII. Aout 1877. ib. eod. 8.

E. Regel, Descriptiones plantarum novarum et minus cognitarum. Fase. V.

St. Petersburg 1877. 8.

A Catalogue of Sanskrit Mss. existing in Oudh, for the quarter ending 30 th. Seqitember 1875. 8.

F. W. C. Trafford, Amphioruma ou la vue du Monde. Lausanne 1877. 8. E. Sang, On the construction of the canon of Sines etc. Edinburgh 1877.

8. E.xtr. Mit Begleitschreiben.

, Table <f Sines etc. ib. 8.

50 Dissertationen der K. Universität Strafsburg. 1876 & 1877.

570 Gesanwitsitzu7ig

jlimales des Miiies. Serie VII. T. XI. Livr. 2 de 1877. 8. Von dem vorg.

K. Ministerium.

Bulletin de la Societe de Geographie. Aout 1877. Paris 1877. 8.

A. deLul)avsky, Juristische Monographien und Aufsätze. Tli. IV. St. Pe- tersburg 1878. 8. russ. Vom Verf. mit Ilegleitsclireibeu.

Mittheilungen der Kais, und Königl. geographischen Gesellschaft in Wien. 187(). Bd. XIX. Wien 187G. 8.

O. Blau, Die Herren von Sophene und deren Münzen. Wien 1877. 8.

Sep.-Abdr.

, Die Elginarischen Pyraethen und ihre Münzen, ib. eod. 8. Sep.-Abdr. Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. XXIX. Bd. 2. Heft. April Juni 1877. Berlin 1877. 8.

Ofversigt af Kongl. Vetenskaps Akademiens Förhandlingar. Arg. 34. 1877.

X. 1. 2. 3. 4. Stockholm 1877. 8.

Verhandlungen des naturhistorisch-niedicinischen Vereins zu Heidelberg. Neue Folge. Bd. 2. Heft 1. Heidelberg 1877. 8.

A. Todaro, Hortus hotanicus Panormitanus. T. I. Faso. VII. VIII. Pauor- mi 1877. fol. Überreiclit durch lirn. Pringsheim mit Begleitschreib. M. Vivien de S a i n t- M ar t i n , Nouveau Dictionnaire de Geographie uni- verseile. Fase. 4. Paris 1877. 4.

Verhandlungen der archäologischen Gesellschaft zu Athen vom Januar 1376 bis Januar 1877. Athen 1877. 8. Vom vorg. K. Ministerium.

J. G. Grillo, Description de quebpies especes nouv. etc. Naples 1877. 8. Vom Verf.

Journal of the chcmical Society. N. CLXXVII. 1877. Vol. II. Sept. Lon- don. 8.

A Bist of the Officers and Fclloxvs of the cheniicul Society, ib. eod. 8. Sitzungsberichte der niath.-phys. Classe der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München. 1877. Heft II. Münclien 1877. 8.

Memoires de l'Acadcmie de Stanislas 187(1. Serie IV. T. IX. Nancy 1877. 8. The Journal of the Bombay Brandt of the H. Asiatic Society. 187G. Bom- bay 1877. 8.

G. vomllath, Mineralogische Mittheilungen. (Neue Folge.) Sep.- Abdruck. Leipzig 1877. 8.

Schriften des naturivissenschaftlichcn Vereins für Schlesicig-Holstein. Bd. II.

2. (.Schluss-) Heft. Kiel 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

W. F. G. Beim, Leopoldina. Heft XIII. N. 17. 18. Dresden 1877. 4.

Journal of the Asiatic Society of Bengal. Wd. XLV. P. 1. 2. Calcutta 1876. 1877. 8.

Proceedings of the Asiatic Society of Bengal. 187G. N. IX. X. 1877. N. I-V. ib. 187G. 1877. 8.

vom 18. October 1877.

571

Bibliotheca Indica. Old Series. N. 368. New Series. N. 355 357. 360. 361. 36-4— 367. 369. 371— 373. ib. 1876/77. 8.

. New Series. N. 349 350. 352. 353. 362. 363. 370. ib. 1876.

1877. 4.

G. Lorenzoni, Giovanni Santini. Padova 1877. 8.

St. Vacca da Mondovi’, La Pedagogia. Osimo 1877. 8. Vom Verf.

Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. Heft 59. 60. Bonn 1876/77. 8.

Mittheilungen der K. K. Central -Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und histor. Denkmale. Bd. III. Heft 3. "Wien 1877. 4.

Bulletin of the United States geological and geographical Survey of the Ter- ritories. N. 2. 4. 5. 6. Sec. Series. lYashington 1875/76. 8. N. 2.

ib. 1874. Vol. II. N. 2. 3. Vol. III. N. 1. 2. 3. ib. 1876/77. 8. Catalogue of the publications of the U. States geol. etc. Survey. 2. Ed. ib. 1877. 8.

Bulletin of the U. States entomological Commission. N. 1. 2. ib. 1877. 8.

Miscellaneous Publications. N. 1. 4. 5. 7. ib. 1874. 1875. 1877. 8.

F. V. Hayden, Preliminary Report of the U. States geol. Survey of H’^o- ming. ib. 1877. 8.

Proceedings of the American philosophical Society. Vol. XVI. Philadelphia 1877. 8.

Proceedings of the Academy of natural Sciences of Philadelphia. P. I. II. III.

ib. isiem. 8.

Journal of the Academy of natural Sciences of Philadelphia. New Series. Vol. VIII. P. II. ib. 1876. 4.

Memoirs of the Boston Society of natural history. Vol. II. P. IV. N. V. Bo- ston 1877. 4,

Annals of the astronomical Observatory of Harvard College. Vol. X. Cam- bridge 1877. 4.

A. Hyatt, Sponges etc. Extr. 1876. 8. Vom Verf.

, Stephanoceras etc. Extr. Boston 1876. 8. Desgl.

Bulletin of the Buffalo Society of natural Sciences. Vol. III. N. 4. Bnflalo 1877. 8.

Proceedings of the Boston Society of natural history. Vol. XVIII. P. HI. IV. (Jan. .July 1876. 1877. 8.

The Canadian Journal of Science, litterature and histoiy. Vol. XV. N. V.

April 1877. Toronto 1877. 8.

F. X. Kraus, Sur les florae Belgicae. Extr. Liege 1872. 8.

H. Scliürmans, Inscriptions romaines d' Arlun. Extr. ib. 1876. 8.

, Inscriptions Beiges a l' etranger. (Suite.) Extr. ib. 1871. 8.

Miltheilungen des hist. Vereines der Pfalz. VI. Leipzig 1877. 8.

572 Gesammtsitzung

H. »Sclieffler, Die Naturgesetze. Th. I. 1. 2. II. 1. 2. Leipzig 187G/77. 8. Mit Begleitschreiljeii.

A. Agassiz, North American Starjishes. Cambridge 1877. 4 Sep.-Ahdr.

Vom Verf.

Klon Steplianos, Inschriften der Insel Sy ros etc. Athen 1875. 8. (grie-

chisch.)

Annales des Mines. Ser. VII. T. XI. Livr. 3 de 1877. Paris 1877. 8.

Vom vorg. K. Minist.

liecue archeologiqne. Nonv. Serie. 18. Annee. 9. Sept. 1877. Paris 1877. 8. Mcmoires de la Societe de physique et d' hist. nat. de Geneve. T. XXV. Part. I. Geneve 1876/77. 4.

B. B onco ni p agn i , Bullettino. T. X. Agosto 1877. Roma 1878. 4.

J. Kör ÖS i, Die Sterblichkeit der Stadt Budapest in den Jahren 1S74 und 1875 xtnd deren Ursachen. Berlin 1877. 8.

, Untersuchungen über die Einkommen- und Ilauszinssteuer für Budapest. ib. 1877. 8.

Jan Kops & F. W. van Eden, Flora Bataca. Atl. 237. 238. Le)'-

den. 4.

S. C. Snellen v a n Vo 1 1 en h o v en , Pinacograqdiia. Part. 5. All. 5. ’S Gra- venhagc 1877. 4.

L. Smith, A descriptio)t of the Bachester etc. meteoric stones. 1877. 8.

Extr.

Die Fortschritte der Physik im Jahre 187-3. Jahrg. XXIX. 1. Berlin 1877. 8.

18 te Plenar-Versamndung der historischen Commission bei der k. bayerischen Akademie der ]Vissenschaften. Bericht des Secretariats. 4. Mit Begleit- schreiben.

vom 25. Octoher 1877.

573

25. October. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Rammeisberg las über das Atomgewicht des Mo- lybdäns und über die p ho spb orm o ly b d än s a uren Salze.

I. Das Atomgewicht des Molybdäns.

Berzelius verwandelte (1818) eine gewogene Menge salpeter- saures Blei in molybdänsaures Blei^). Legt man bei Berechnung seiner Versuche die jetzigen Atg. von Stickstoff und Blei zum Grunde, so erhält man Mo = 95,36. Diese der Wahrheit nahe kommende Zahl erschien jedoch Berzelius nicht sicher, und er deutete die Reduction der Säure durch Wasserstoff als einen ge- eigneteren Weg an.

Svanberg und Struve versuchten 2) denselben im J. 1848, allein sie bemerkten, dass in Glasgefässen die Wasserbildung sein- lange fortdauert, und es betrug in den beiden Versuchen, die sie anstellten, der Gewichtsverlust der Säure höchstens 17,3 p. C., d. h. es hatte sich ein Gemenge von Metall und Bioxyd gebildet. Nach anderweitigen Versuchen blieben sie bei der Umwandlung von künstlichem und natürlichem Schwefelmolybdän (MoS^) in Molybdänsäure stehen. Zieht man nur die 10 Versuche mit dem künstlichen Schwefelmolybdän in Betracht, so sind die Maxima und Minima von Molybdänsäure, welche sie aus 100 Th. desselben erhielten, 90,0712 und 89,6436 p. C. Hieraus folgt Mo == 97,15 und 90,5, von welchen Zahlen wegen der Flüchtigkeit der Säure die erste wahrscheinlich richtiger ist. Trotz dieser grossen Diffe- renzen nahmen Svanberg und Struve aus 7 jener Versuche das Mittel, welches Mo = 92,14 ergeben würde. Mit allem Recht hat Strecker hervorgehoben, dass diese Zahl kein grosses Vertrauen verdiene.®)

Zu derselben Zeit bestimmte B erli n“*^), wieviel Molybdänsäure das krystallisirte Ammoniaksalz beim Erhitzen liefert, und fand im

B Schweig". .J. 2‘2, 51. 23,18G.

2) .J. f. pr. Ch. 44,257.

2) Tlieorieen tnid E.xperimcnte zur Bestiiuiniing der Atg. S. 8G. B J. f. pr. Ch. 40, 444.

574 Gesammtsitziuig

Mittel 81,58 p. C. (81,G12 l>is 81,555), ■woraus (N = 14) für Mo 91,72 und 92,25 folgt. Hierbei war vorausgesetzt, dass das Salz Am^Mo^O'^ + 3aq sei. Allein es ist Ani®Mo’0‘^+ 4aq ^) und hieraus berechnet sich mit 81,58 p. C. Säure Mo = 9G,2G.

Später kündigte Dumas an^), seine Versuche hätten zu der Zahl 96 geführt.

In seiner hauptsächlich die l^hosphomolybdate betreft’enden Arbeit vom J. 1868^) bestimmte Debray das Atg. des Molyb- däns theils durch Reduction der Säure in Wasserstoff zu Metall, theils durch Analyse des Silbersalzes, und erhielt ebenfalls die Zahl 96.

Später hat auch .Meyer'* *) die Zahl 95,8 erhalten.

Wenn hiernach die Zahl 96 den Vorzug verdient, so hielt ich es doch zum Zweck der Analyse von Phosphomolybdaten für noth- wendig, mich von ihrer Richtigkeit zu überzeugen. Bei Befolgung der einfachsten Methode Reduction der Säure in Wasserstoff, am besten im Platinschiffchen im Platinrohr bedarf es nur der Vorsicht, die Temperatur erst dann möglichst zu steigern, wenn die Reduction zu Bioxyd erfolgt ist, damit nicht etwas .Molybdän- säure verflüchtigt werde.

Aus 3,22.3 MoO^ erhielt ich 2,15 Mo = CG, 708 p. C. Hier- nach ist Mo = 96,18.

Also ist das Atg. des Molybdäns = 96.

H. Rose empfahl die Reduction der Molybdänsäure in Was- serstoff zu Bioxyd zur quantitativen Bestimmung, indem er angab, dass bei nicht zu starker Hitze die Reduction nicht weitergehe. Ist Mo = 96, so müssen 9 Th. MoO^ = 8 Th. .MoO' = 88,89 MoO^ der Verlust muss also = 11,11 p. C. sein. In einem Ver- suche wurden 88,28 p. C. erhalten, während Svanberg und Stru ve 88,344 p. C. gefunden hatten*

Schon bei früheren Versuchen^) hat es mir scheinen wollen, dass es doch sehr schwer ist, den richtigen Punkt zu treffen, und

') Pogg. Ann. 127, 20G.

Institut 1857, 281.

C. rend. GG, 702.

*) Ann. von Liebig und Wühler ICO, .3C0. 5) Pogg. Ann. 127, 281.

i

vom 25. Octoher 1877.

575

dass selbst bei zufällig gut stimmenden Zahlen die reducirte Masse leicht etwas Metall enthält, da zur vollen Reduction Weissglüli- hitze durchaus nicht erforderlich ist.

II. Zur Kenniniss der 2^Jiosphormolybdä7isauren Sähe.

Berzelius fand, dass Molybdänsäure und Phosphorsäure eine Verbindung eingehen, dass bei mehr Phosphorsäure eine lös- liche amorphe farblose, bei überschüssiger Molybdänsäure eine gelbe unlösliche Verbindung entsteht.

L. Gmelin zeigte, dass wenn zu einer freie Säure enthalten- den Lösung von molybdänsaurem Ammoniak etwas Phosphorsäure gesetzt wird, ein gelber Niederschlag entsteht, der sich in Kali farblos löst, und etwas Ammoniak, aber keine oder höchst wenig Phosphorsäui'e enthält.

Svanberg und Struve verfolgten diese Erscheinungen wei- ter; sie entdeckten die Löslichkeit des gelben Körpers auch in Ammoniak, und sie sahen, dass die alkalische Auflösung durch Säuren wieder gelb gefällt wird.

Die Analysen des bei 100° getrockneten gelben Salzes gaben ihnen

Ammoniak und Wasser 9,49 u. 10,12 Phosphorsäure 3,63

Sie hielten die Phosporsäure für nicht wesentlich, das Salz für ein saures molybdänsaures Ammoniak.

Als sie die Auflösung des Salzes in Kali bis zur Verflüchti- gung des Ammoniaks erhitzt hatten, entstand durch Salpetersäure wieder ein gelber Niederschlag, in welchem 4,89 p. C. AVasser, 11,23 Kali und Spuren (!) von Phosphorsäure gefunden wurden.

Ohne zu erklären, welche Rolle die Phosphorsäure in diesen Verbindungen spielt, haben Svanberg und Struve erkannt, dass eine saure Lösung von molybdänsaurem Ammoniak das empfind- lichste Reagens für Phosphorsäure ist.

Die Molybdänsäure ist seitdem ein viel gebrauchtes Reagens geworden und man hat die Natur des gelben Ammoniaksalzes zu verschiedenen Zeiten näher zu erforschen gesucht.

[1877]

42

57G

Gesammtsitzung

Sonnenschein bewies im J. 1851^), dass die Phospliorsäure ein wesentlicher Bestandtlieil des Salzes sei, welches, bei 120° ge- trocknet, enthält:

1.

2.

3.

Molybdänsäure

86,70

86,11

85,42

Phosphorsäure

3,2

2,93

3,12

Ammoniak |

11,23

10,91

11,40

Wasser I

100,95 99,95 99,94

Er wandte das Salz zur quantitativen Bestimmung der Phosphor- säure an, und fand, dass auch die Arsensäure, jedoch erst bei 100°, einen gelben Niederschlag bildet.

Im J. 1856 wiederholte Seligsohn diese Versuche^), indem er auch das Ammoniak bestimmte. Als Mittel der Analysen ergab das bei 100° getrocknete Salz

Molybdänsäure 90,74

Phosphorsäure 3,14

Ammoniumoxyd 3,57

Wasser 2,55

100

Er stellte überdies durch Einwirkung von essigsaurem Kali, Na- tron, Baryt und Blei Salze dar, welche Ammoniak und diese Oxyde enthalten, und analysirte auch das gelbe Arscniat.

Von späteren Analysen des Ammoniaksalzes sind folgende bekannt geworden :

0 J. f. pr. Ch. 53, 339. 2) J. f. pr. Ch. C7, 470.

vom 25. Octoher 1877.

577

Nutzinge

r^) Spiess^)

Eggertz®)

Sopp

Molybdänsäure

92,70

92G0

91,28

86,0

Phosphorsäure

3,82

4,13

3,74

3,2

Ammoniumoxyd

3,48

3,77

3,31

5,9

Wasser

1,32

4,9

100

100

99,65

100

bei 100°

bei 100°

bei 95°

getr.

getr.

getr.

(Lufttr. = 3,4 pCt.

Wasser.)

Ausserdem hat man mehrfach bestimmt, wieviel des Salzes aus einer gegebenen Menge Phosphorsäure entsteht. Hiernach wäre der Gehalt an Phosphorsäure (P^O“) in dem getrockneten Salz

nach Ülsmann = 3,73 p. C. (bei 120° getr.), nach Lipowitz^) = 3,607 p. C. (über Schwefelsäure getr.).

Eggertz führt an, das Salz enthalte bei 140° nur noch 0,6 p. C. Wasser, fange später an sich zu zersetzen, sei aber bei 325° noch gelb. Es sei nicht krystallinisch, löste sich in 10000 Th. Wasser von 16°, in 6600 Th. Wasser, welches 1 p. C. Salpeter- säure enthält, und in 620 Th. Alkohol von 0,8.

Nach Demselben verhindert Weinsäure seine Fällung, nach Lipowitz hat man gerade diese Säure der Molybdänlösung zuzu- setzen, um eine Abscheidung von Molybdänsäure zu verhindern.

Inwieweit diese Analysen Aufschluss über die Natur des Sal- zes geben, lehrt die Berechnung der Mol. -Verhältnisse:

P'O®: AnrO

:MoO'

Sonnenschein 1 : :

;27 29,2

Seligsohn

1 : 3,1

:29

Nutzinger

1: 2,5

:24

Spiess

1: 2,5 ;

:22,1

Eggertz

1 : 2,4

:24,1

Sopp

1 : 5

:26

B Viertelj. f. pr. Pharm. 4, 549. 2) Eb. 9, 257.

2) J. f. pr. Ch. 79, 496.

'*) Pogg. Aun. 109, 135.

42»

578

Gesammtsitzung

Abweichend von allen diesen Angaben behauptet Debray^), dass das Ammoniak- und das Kalisalz der gelben Pbospliormolyb- dänsänre das Mol. -Verb. = 1:3:20 haben. Belege bat er nicht mitgetheilt, wohl aber die freie Säure und andere später zu er- wähnende Salze dargestellt.

Nach dem hier Mitgetheilten ist es klar, dass die Zusammen- setzung des Salzes noch keinesweges feststellt.

Zu seiner Darslelluiig wurde eine mit Salpetersäure versetzte Auflösung von molybdänsaurem Ammoniak mit reiner Pbospbor- säure vermischt und im Wasserbade erhitzt. Der Niederschlag wurde kalt ausgewaschen.

Das lufttrockene Salz verliert bei längerem Stehen über Schwefelsäure seinen ganzen nahe G p. C. betragenden Wasserge- halt. Wenn es alsdann auf 100° erwärmt wird, so erleidet es keinen Verlust, bei etwas höherer T. (120°) jedoch tritt ein sol- cher ein, weil Ammoniak frei wird, daher das Trocknen des Sal- zes für analytische Zwecke nicht über 100° geschehen darf.

I. a) 1,439 verloren über Schwefelsäure 0,081. In Ammo- niak gelöst, gaben sie mit Magnesiamischung 0,088 Mg‘'P^O' = P'O' 0,056288.

b) 2,07 wurden mit Ammoniumbydrosulfür digerirt; die dunkelrothe Auflösung gab mit II Cl einen Nieder- schlag von MoS^, der in II erhitzt 1,994 MoS" = MoO' 1,794G lieferte.

II. a) 1,353 verloren 0,08 Wasser und gaben 0,082 Mg‘P‘‘0^ = PHP 0,05245, und 1,29G MoS' = MoO=' 1,GG4.

b) 3,57 wurden mit MNaü destillirt. Aus der verdünn- ten HCl der Vorlage wurden 1,305 AnPPtCl® und

') C. rcnd. 6C, 702.

vom 25. Octoher 1877.

579

aus diesem 0,576 Pt erhalten. Jene entsprechen 0,15181, diese 0,15127 AnrO.

III. Aus 5,681 des bei 120° getrockneten Salzes wurden 5,815 MoS'= 5,2335 MoO', sowie 0,348 Mg'P^O' = 0,2226 P'O^ erhalten. Es ist auf den Wassergehalt von II. berechnet.

I.

II.

III.

Mittel

Molybdänsäure

86,70

86,21

86,68

86,53

Phosphorsäure

3,91

3,88

3,92

3,90

Ammoniumoxyd

4,25

4,25

Wasser

5,63

5,91

5,77

100,25

100,45

P'O'

; Am^O

:MoO':

H'O

in I. 1

: 21,9

11,4

in II. 1

: 3,0

: 21,9

12,0

in III. 1

: 21,8

im Mittel 1

2,98

: 21,9

11,7

Wir kommen weiterhin auf die Formel des Salzes zurück.

Pho sphorm o 1 yb dänsau r es Kali.

Das Kalisalz gleicht dem Ammoniaksalz vollkommen. Be- dient man sich zu seiner Darstellung einer Molybdänsäure, welche ein wenig Ammoniak enthält, so geht dies in den Niederschlag über. Deshalb wurde 1 Mol. der Säure mit 1 Mol. kolilensaurem Kali zusammengeschmolzen, die Auflösung mit Chlorwasserstoft- säure stark sauer gemacht und mit Phosphorsäure erhitzt.

Im lufttrockenen Zustande verliert das Salz über Schwefelsäure nicht den ganzen Wassergehalt; dies geschieht erst bei 120 140°. Dann erleidet es keinen weiteren Gewichtsverlust bis zu einer ziemlich hohen Temperatur.

580

Gesamintsitzung

Seine Analyse bietet mehr Schwierigkeiten dar als die des Ammoniaksalzes. Von Barytwasser und von Silberauflösungen wird es beim Kochen nur wenig zersetzt. Fällt man das Molyb- dän zuerst als Schwefelmetall, und kocht dann mit Barytwasser, so fällt die Bestimmung der Phosphorsäure und des Kalis nicht befriedigend aus. Debray kocht die Lösung in Ammoniak mit salpetersaurem Silber, bis beide Säuren gefällt sind. Ich habe ne- ben dieser Methode vorzugsweise eine andere benutzt, nämlich die schwach ammoniakalische Lösung mit salpetersaurem Quecksilber- oxydul gefällt, und im Filtrat nach Entfernung des Quecksilbers durch Schwefelwasserstoff, das Kali als Sulfat bestimmt. Das mnlybdän- und phosphorsaure Quecksilber wurde mit kohlensaurem Natron geschmolzen, die Auflösung mit Schwefelwasserstoff und Chlorwasserstoff’säure behandelt, und die Phosphorsäure im Filtrat vom MoS* durch Magnesiamischung bestimmt.

Zunächst mag eine Reihe von Analysen, berechnet auf was-

serfreie Substanz, hier folgen.

1. 2. 3.

4. 5.

6.

7.

Molybdän- säure 90,30 90,86 88,92

90,25 89,23

(88,35)

(87,92)

Phosphor- säure 3,86 4,11 3,89

4,17 3,97

3,90

4,12

Kali 6,86

6,50

7,75

7,96

99,67

99,70

100

100

Das Mol.-Verhältniss ist:

P'OMvO

: MoO^

1. 1 :

: 23,0

2. 1 :

: 22,0

3. 1 : 2,7

: 22,5

4. 1 :

: 21,3

5. 1 : 2,5

: 22,1

6. 1 : 3,0

: 22,4

7. 1 : 2,9

: 21.0

vom 25. Ocioher 1877.

581

Der durch Erhitzen auf 140 200° entweichende Gehalt an Wasser fand sich = 5,92 5,48 5,89 4,92 ~ 4,40 p. C. Wie es scheint, verliert das Salz schon bei längerem Liegen an der Luft etwas Wasser. War es kurze Zeit über Schwefelsäure aufbewahrt, so verlor es nur noch 1,69 2,07 p. C. in der Wärme.

Isomorphe Mischung des Kali- und Ammoniaksalzes.

Als eine Auflösung von Molybdänsäure, welche etwas Ammo- niaksalz enthielt, mit Kali und mit Salpetersäure versetzt wurde, gab Phosphorsäure einen gelben Niederschlag, enthaltend

Molybdänsäure

(84,68)

Phosphorsäure

3,88

Kali

3,66

Ammoniumoxyd

1,86

Wasser

5,92

100

Zur Kallbestimmung wurde das Salz mit Silbernitrat analysirt. Die Phosphorsäure war zweimal genau gleich gefunden.

Mol.-Verhältniss

R'O : P'^O' : MoO* : aq = 2,7 : 1 : 21,6 : 12 und

K : Am = 1,09 : 1.

Aus meinen Versuchen folgt, dass in den beiden gelben Sal- zen nothwendig mehr als 20 Mol. Molybdänsäui’e, welche Debray angenommen hat, enthalten sein müssen. Die Analysen sprechen in ihrer grossen Mehrzahl für 22 Mol.

Die Frage ist an und für sich durch Analysen nicht leicht zu entscheiden, denn bei Annahme von 20 Mo kommen 0,0493 P'O', bei 22MoO' 0,0448 P'O' auf 1 Th. MoOl

582

Gesammtsiizung

Wohl aber führt eine Discussion der Analysen znm Ziel, wo- bei wir hier sogleich auch die Möglichkeit von 24 Mol. MoO^ in den Salzen berücksichtigen wollen.

A. Berechnung der Molybdänsäure aus der gefundenen Phosphorsäure.

(Die gefundene MoO^ ist eingeklammcrt.)

1) Ammoniaksalz.

20MoO

3

24MoO'

1.

79,3

(86,7)

95,16

2.

78,7

(86,21)

94,43

2)

Kalisalz.

1.

78,3

(90,3)

94,0

2,

83,3

(90,86)

100

3.

78,7

(88,92)

94,7

4.

84,6

(90,25)

101,5

5.

80,5

(89,23)

96,6

6.

79,1

(88,35)

94,9

7.

83,5

(87,92)

100,3

Hieraus geht doch deutlich hervor, dass weder 20 noch 24 Mol. vorhanden sein können.

Allein es Hesse sich einwenden, dass kleine Differenzen im Phosphorsäuregehalt relativ grosse im Molybdängehalt mit sich führen. Gehen wir deshalb von der Molybdänsäure der Analysen aus, und sehen zu, wieviel Phosphorsäure unter beiderlei Annah- men vorhanden sein müsste.

1) Ammoniaksalz.

1. 4,28 (.3,91) 3,56

2. 4,25 (3,88) 3,54

vom 25. Octoier 1877.

583

2) Kalisalz.

1.

4,45

(3,86)

3,67

2.

4,48

(4,11)

3,73

3.

4,39

(3,89)

3,65

4.

4,45

(4,17)

3,42

5.

4,40

(3,97)

3,66

6.

4,36

(3,90)

3,63

7.

4,34

(4,12)

3,61

Der höchste gefundene Gehalt (4,11) ist immer noch kleiner als der kleinste mit 20MoO^ berechnete, nnd der kleinste gefun- dene (3,86) ist immer noch grösser als der grösste mit 24MoO® berechnete Gehalt. Deshalb müssen diese Salze mehr als 20 und weniger als 24 Mo 0^ enthalten.

Zu demselben Resultat hat eine Reihe von Versuchen geführt, bei welchen eine Lösung von phosphorsaurem Natron, deren Ge- halt an Säure vorher genau ermittelt war, mit Molybdänlösung ge- fällt wurde, welche nur Kali enthielt. Durch Wägung des Nie- derschlags ei-gab sich in 8 Versuchen, dass 142 Th. zwischen

3334 und 3660 Th. des gelben Kalisalzes geben. Enthielte dieses nun 20MoO^, so mussten 3300 Th., enthielt es 24MoO^, so muss- ten 3880 Th. resultiren. Die Resultate liegen aber in der Mitte.

Deshalb halte ich 22 Mol. Molybdänsäure für richtig.

Berechnete Zusammensetzung des

Ammoniaksalzes

3 AnPO + P-0' = 22MoO''

P 1 2 a

Molybdänsäure 91,40

86,04

Phosphorsäure 4,10

3,86

Ammoniumoxyd 4,50

4,24

Wasser

5,86

100

100

Gesammtsitzung

des Kalisalzes :

3K*0 + H- 22MoO*

4- 12 aq

Molybdänsäure 88,19

83,19

Phospborsäure 3,96

3,73

Kali 7,85

7,40

Wasser

5,68

100

100

der isomorphen Mischung beider: j 3 K- O + P-0" 4- 22MoO" + 12aq 1 I 3 AnrO -h P'O' + 22MoO' + I2aq J Molybdänsäiire 84,60

Phosphorsäure 3,79

Kali 3,76

Ammoniunioxyd 2,08

Wasser 5,77

100

Verhalten des gelben phosphorrnolybdänsaureii Ammoniaks zu Ammoniak.

Das gelbe Salz ist in Ammoniak leicht löslich. Aus dieser Auflösung krystalllsirt ein farbloses oder meist ganz schwach bläu- lich gefärbtes phosphormolybdänsaures Ammoniak, welches Zen- ker bereits 1853 dargestellt und untersucht hat^).

Dasselbe Salz erhält man weit einfacher, indem man das ge- wöhnliche krystallisirte molybdänsaure Ammoniak Am®Mo^O'* -t- 4aq mit einer Auflösung von Phosphorsäure versetzt, so dass P*0*: 5 Mo 0'^ vorhanden sind, und nach Zusatz eines Ammoniaküber- schusses eindampft. Die vielfach gruppirten langprismatischen sehr dünnen Krystalle sind in Wasser klar löslich, und diese Lösung lässt auf Zusatz einer Säure das gelbe Salz fallen.

») J. f. pr. Ch. 58, 257.

vom 25. Octoher 1877.

585

Die Analyse dieses gut charakterisirten Salzes gab die schon von Zenker erhaltene Resultate:

Es ist also

Zenker

Molybdänsäure 62,54 (62,64)

Phosphorsäure 12,91 12,58

Ammoniumoxyd 13,00 13,50

Wasser (11,55) 11,28

100 100

3 Anr O + P' O' + 5 Mo 0* -4- 7 aq

5 Mo O' = 720 = 62,94

P^O' 142 12,41

3Am-0 156 13,64

7 aq 126 11,01

1144 100

Frisch gefälltes gelbes phosphormolybdänsaures Ammoniak löst sich in wässeriger Phosphorsäure nicht auf. Dampft man ab und erhitzt den Rückstand, so schmilzt er zu einer braunen Flüs- sigkeit, welche sich in Wasser grossentheils mit blauer Farbe löst. Durch Erhitzen mit Ammoniak wird sie entfärbt und giebt beim Verdunsten Kry stallrinden, welche dem erwähnten Salz angehören, denn sie enthalten

Molybdänsäure 62,33 62,12

Phosphorsäure 12,57 12,34

Ammoniumoxyd

Wasser

nicht bestimmt.

Es wurden gewogen Mengen des krystallisirten Salzes durch Chlorwasserstoff- oder Salpetersäure zersetzt. Man bestimmte das Gewicht des gelben Salzes (bei 120° getrocknet) und andererseits Molybdän, Phosphor und Ammonium im Filtrat. Die Absicht war, auf diesem Wege zu entscheiden, in welchem Verhältniss Phosphor und Molybdän im gelben Salze stehen.

58G

Gesammtsitzung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

Gelbes Salz

G5,20

GO, 70

60,55

62,61

62,95

64,31

Molybdänsäure

2,95

7,34

8,07

4,82

3,03

4,38

Phosphorsäure

10,24

10,86

11,77

10,17

10,22

Ammoniumoxyd

10, OG

10,39

13,39

12,81

10,74

Die mangelnde Übereinstimmung der Resultate macht jeden Schluss auf das Atomverhältniss im gelben Salze höchst unsicher. Die relativen Mengen Mo im gelben Salz und in der Flüssigkeit liegen zwischen 20:1 und 7:1, die des Phosphors zwischen 1:7 und 1:4,5. die des Ammoniums sind mehrfach = 1:3.

Verhalten des gelben phosphormolybdänsauren Kalis zu Kali.

Erwärmt man das Salz mit einer Auflösung von Kaliumhy- droxyd, und fügt dieselbe vorsichtig und allmälig hinzu, so ver- schwindet die gelbe Farbe und es entsteht ein weisses unlös- liches Salz. Eine grössere Menge Kali löst es leicht auf. Von Säuren wird es zersetzt indem das gelbe Salz wieder entsteht. Beim Trocknen verliert es Wasser. Die Analysen des wasser- freien haben gegeben:

1.

2.

3.

4.

Molybdänsäure

79,41

78,87

78,03

77,63

Phosphorsäure

5,07

4,99

4,90

5,33

Kali

15,52

16,14

(17,07) (17,04)

100

100

100

100

Hier ist das Mol.-Verhältniss:

O

o

MoO

= 4,6 : 1

15,5

= 4,9 : 1

15,6

=5,2: 1

15,7

= 4,8 : 1

14,4

vom 25. Octoher 1877.

587

Hiernach ist das Salz

5K^0 + P'O' + 15MoO'

löMoO' = 2160 = 77,92

F'O' 142 5,12

5K^O 470 16,96

2772 100

Es wurde versucht, die Menge des gelben Salzes und die in der sauren Flüssigkeit enthaltenen Bestandtheile zu bestimmen.

1.

2.

Gelbes Salz 44,06

37,25

Molybdänsäure 38,64

43,01

Phosphorsäure 3,04

3,11

Kali (14,26)

(16,63)

100

100

Auch hier sind die Mengen des gelben Salzes niclit immer

die gleichen. Geht man von der oben angenommenen Setzung des weissen Salzes aus, so enthält das gelbe

Zusammen-

1.

2.

Molybdänsäure 39,28

34,91

Phosphorsäure 2,08

2,01

Kali 2,70

0,33

44,06

37,25

Hieraus folgt von selbst, dass auf diesem Wege

die genaue

Zusammensetzung des gelben Salzes nicht zu bestimmen ist.

Dagegen scheint das Yerhältniss der drei Bestandtheile im

Filtrat nahezu constant zu sein, insofern

K'O : P-0’ : MoO

3

in 1 = 6,7 : 0,96 :

12

2 = 7,0 : 0,9 :

12

vielleicht 6:1:12 ist.

588

GesammtsHzmg

Der Wassergehalt des weissen Salzes ergab sich, nachdem es eben lufttrocken erschien, bei 200° = 8,03 p. C.

12 Mol. würden 7,23 voraussetzen. Hat es aber längere Zeit an der Luft gelegen, oder wurde es über Schwefelsäure getrocknet, so gab es nur noch 2,03 1,28 0,43 p. C. Wasser.

Erhitzt man die Flüssigkeit, welche von dem amorphen weis- sen Salze abfiltrirt war, so entsteht eine starke Abscheidung von einem Salz in Gestalt weisser käsiger Massen. Dies ist dreifach molybdänsaures Kali, welches seinen geringen Phosphorgehalt ge- wiss nur einer Beimengung von etwas des vorigen verdankt. Zwei Proben lieferten nämlich 0,95 und 1,15 p. C., im Mitei 1,05 Phosphorsäure, und überhaupt

Phüsphorsäure 1,05

Molybdänsäure 75,50 Kali (15,88)

Wasser 7,52

100

während K'O + 3 Mo 0=^ 4- 2,5 aq = K'Mo^’O'“ -t- 2,5 aq hätte ge- ben müssen

Molybdänsäure

75,GG

Kali

1G,4G

Wasser

7,88

100

Das weisse Salz löst sich in Kalilauge leicht auf; lässt man die möglichst wenig des letzteren enthaltende Flüssigkeit verdun- sten, so scheiden sich schliesslich kleine undeutliche Krystalle ab, welche auch nur sehr wenig Phosphorsäure enthalten und aus normalem molybdänsaurem Kali bestehen.

gefunden

1.

2.

Phosphorsäure

0,95

0,85

Molybdänsäure

59,03

59,95

Kali

(39,12)

Wasser

0,90

100

vom 25. Octoher 1877.

589

K-O + MoO* = K'MoO" ist Molybdänsäure 61,77 Kali 38,23

100

Ich habe aus dem gelben Salze auf diese Art kein phosplior- säurereicberes erhalten können.

Während aus dem gelben Ammoniaksalz 3Am®0 + P“0^ + 22MoO^ durch Ammoniak das fai-blose krystallisirte 3Am^O + P^O^ + 5MoO^ entstellt, sahen wir aus dem gelben Kalisalz 3K'0 + P'O^ H- 22Mo ein weisses unlösliches 5K"0+P'0^ + 15MoO® sich bilden. Indessen hat Debray angegeben, dass er aus dem gelben Kalisalz und auch aus der freien Phosphormo- lybdänsäure ein Kalisalz = 3K^ 0 4- P‘ -}- 5 Mo erhalten habe, ohne dasselbe jedoch näher zu beschreiben.

Da es mir nicht gelang, durch Einwirkung von Kali auf das gelbe Salz eine gut krystallisirte Verbindung zu gewinnen, so schmolz ich 1 Mol. kohlensaures Kali mit etwa 2 Mol. Molybdän- säure, versetzte die Lösung mit Phosphorsäure und erhielt durch Verdampfen Kry stalle, welche durch Umkrystallisiren von ansehn- licher Grösse erlangt wurden.

Sie sind luftbeständig, verlieren aber bei 190° 8,9 p. C., beim Schmelzen 10,62 p. C. Wasser. Die braunrothe Masse bleibt beim Abkühlen klar, und löst sich in Wasser zu einer schwach blauen Flüssigkeit.

Die Analysen ergaben :

1.

2. 3.

Molybdänsäure

55,21

56,00

Phosphorsäure

11,97

11,60 11,75

Kali

21,09

590

Gesummtnilzavri

IVT-

l)ie zuverlässigsten Zalilen sind:

5G,00 11, GO (21,78) 10,G2 100

sind = 5:1:

3:7; das

Salz ist

(3KH) + P

-ü^ -t- 5 M(

)O0 + 7

berechnet

5MoO‘

= 720 =

5G,70

P-CP

142

1 1,18

3K-0

282

22,20

12G

9, ‘>2

1270

100

Molybdünsäure

Pliospborsäure

Kali

Wasser

Es ist in Wasser /.iemlieh leicht löslich, die Lösung reagirt sauer, Zusatz einer Säure bewirkt, besonders beim Erwärmen, eine Fällung des gelben Salzes.

Die Form der Krystalle ist eine zweigliedrige. Es sind Com- binationen eines rbombisclien Prismas p von 108° 30' mit starker Abstumpfung der scharfen Kanten, einem auf p gerade aufgesetz- ten Rbombenoktaeder o, nebst dessen zweitem und drittem Paar, von w'elchen besonders letzteres stark liervortritt. Also

o = a : b ; c p = a : b : oo c b = b : oo a : oo c q = b : c : oo a r = a : c : oo b

berechnet

beobachtet

(2A = 12G°

12'

127° 15'

o! 2H = 102

1

8

101 55

12C = 101

30

vom 25. Octoher 1877.

591

berechnet

beobachtet

p:p =

b = 125° 45'

*108° 30'

125 45

q:q = 108 52

b = 125 34 126 40

r : r

90 24

91 0

o:b = 116 54 116 40

P

*140 45

q = 141 4 141 0

r = 153 6 153 20

-Hieraus folgt

a:b:c = 0,7199:1:0,71505.

Die nahe Gleichheit von a und c nähern das System dem vierglied- rigen.

Keine Zone ist vorherrschend ausgebildet; überhaupt sind die Krystalle mit einander stark verwachsen, und für scharfe Messun- gen nicht glänzend genug.

Dieses Salz hat mithin ganz dieselbe Zusammensetzung wie das von Zenker entdeckte Ammoniaksalz.

Ein anderes Kalisalz entsteht, wenn man das dreifach molyb- dänsaure Kali, dessen Abscheidung vorher erwähnt wurde, in mög- lichst wenig Kalilauge löst und hierzu etwas Phosphorsäure fügt. Aus dieser Lösung schiessen lange weisse glänzenden Prismen an- deren Reaktionen ähnliche sind wie die des vorhergehenden. Al- lein ihre Zusammensetzung ist eine andere.

Bei 120° betrug der Gewichtsverlust 13,49 p. C. und nahm in höherer Temperatur nicht zu. Eine Probe verlor beim Schmel- zen 14,3 p. C. und hatte dann gleichfalls eine braune Farbe.

[1877]

43

592

Gesammtsiizung

Die Analysen gaben

Molybdänsäare Phosphorsäure Kali W asser

Hier ist das Mol.-Verhältniss

1.

2.

Mittel

5G,44

56,37

56,40

11,09

11,58

11,33

(17,97)

14,30

14,30

100

nahezu

= 4,9:1:2,4:10, = 5:1:2,5:10 (5K-0 + 2P-0' + lOMoO*) 4- 20aq.

lOMoO' =

= 1440

= 56,38

2P^O^

284

11,12

5K-0

470

18,40

20H-O

360

14,10

2554

100

Die Krystalle sind rechtwinklige Prismen ab, begrenzt einem Rhombenoktai'der o und der geraden Endfläche c.

o = a:b:c a = a:oob:ooc b = b: ooa: oo c c = c : oo a : oo b

berechnet beobachtet

2A = 115°

34'

116°

20'

2B = 114

20

114

10

2C = 99

0

> : a =

*122

50

b = 122

13

122

15

c =

*130

30

Also

a:b:c = 0,98327:1:0,82092.

von

vom 25. Octoher 1877.

593

Zenker erhielt aus einer Aiiflösung von Molybdänsäure in Chlorwasserstolfsäure, welche er nach Zusatz von wenig Phosphor- säure concentrirte und mit Kali sättigte, grosse messbare Krystalle, der Beschreibung nach den von mir gemessenen ähnlich, von glei- chen Reaktionen, worin er

Phosphorsäure

7,24

Kali

17,77

Wasser

14,50

fand. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Phosphorsäurebe- stimmung unrichtig, und das Salz ident mit dem zuvor beschrie- benen ist,

Debray führt an, er habe aus den Salzen 3 O -t- P' -h 5MoO^ durch mässige Wirkung einer Säure krystallisirte Salze von der Formel

5R'O-f-2P-O'-|-10Mo O'

erhalten, ohne sie jedoch zu beschreiben. Wie man sieht, gehört das oben beschriebene Kalisalz hierher.

Die Auflösung dieses Salzes färbt sich auf Zusatz von Sal- petersäure intensiv gelb und setzt beim Erwärmen einen gelben Niederschlag ab, allein die Flüssigkeit bleibt gelb.

Ein Versuch gab

Gelbes Salz

24,36

Molybdänsäure

34,23

Phosphorsäure

10,86

Kali

(16,45)

Wasser

14,10

100

Geht man von der Zusammensetzung des gelben Salzes

so hat man

im Niederschlag

in der Flüssigkeit

Molybdänsäure 21,38

34,23 = 55,61

Phosphorsäure 0,96

10,86 11,82

Kali 2,02

(16,45) 18,47

(14,10)

100

43’

594

Gemmmtsitzung

Es würden dann die Bestandtheile sich verhalten wie

1 : 1,G

1 : 11,3

1 : 8,1

Es scheint also, als ob 5 Mol. das des krystallisirten Salzes 1 Mol. des gelben bilden, während eine Verbindung aufgelöst bleibt, welche reicher an Phosphorsäure, und Kali ist als die ursprüng- liche. Aber auch dieses Verhaltea ist nicht geeignet, die Zusam- mensetzung des gelben Salzes sicher zu stellen.

Hr. Weierstrafs trug die folgende Mittheilung des Ilrn. H. Schroeter zu Breslau vor:

Über eine den Brennpunkts-Eigenschaften der Kegel- schnitte analoge Eigenschaft gewisser Oberflächen zweiter Ordnung.

Bekanntlich ist der Ort eines Punktes in der Ebene, dessen Abstände von einem festen Punkte und einer festen Geraden in unverändertem Verhältnisse stehen, ein Kegelschnitt, für welchen der feste Punkt und die feste Gerade Pol und Polare sind, und zwar der Pol ein solcher ausgezeichneter Punkt (Brennpunkt des Kegelschnitts), dass die ihm zugehörige Strahleninvolution in Be- zug auf den Kegelschnitt eine circulare ist, d. h. alle Paare con- jugirter Stra^llen durch den Punkt rechtwinklige Strahlenpaare sind.

Es existirt eine dieser Eigenschaft durchaus analoge für die Oberflächen zweiter Ordnung, w'elche bisher nicht in ihrer Voll- ständigkeit ausgesprochen zu sein scheint. Chasles*) hat gezeigt, dass der Ort eines Punktes, dessen Abstände von zwei festen

Journal de mathematiques, publie par J. Liouville t. I. p. 330.

vom 25. Octoher 1877.

595

windschiefen (im Raume sich nicht treffenden) Geraden in einem unveränderten Verhältnisse stehen, ein gewisses einschaliges Hy- perboloid ist von der besonderen Eigenschaft, dass seine Kreis- schnitte rechtwinklig stehen auf zwei erzeugenden Geraden dessel- ben. Auch lässt er a. a. 0. erkennen, dass die beiden gegebenen Geraden conjugirte Strahlen (reciproke Polaren) in Bezug auf dies Hyperboloid sind. Es muss aber noch die characteristische Eigen- schaft desselben hinzugefügt werden, dass die diesen beiden conjugirten Strahlen zugehörigen Ebeneninvolutionen (d. h. die Paare conjugirter Ebenen in Bezug auf das Hyperboloid, welche durch jeden der beiden Strahlen gehen) circulare sind oder aus Paaren rechtwinkliger Ebenen bestehen. Diese Eigenschaft lässt erst die vollständige Analogie mit der ebenen Figur hervortreten.

Nennen wir ein solches einschaliges Hyperboloid, dessen Kreis- schnitte zu zwei Erzeugenden desselben rechtwinklig sind (ein Hy- perboloid, welches erzeugt werden kann durch zwei j^rojectivische Ebenenbüschel, deren Axen sich nicht treffen und deren entspre- chende Ebenen zu einander rechtwinklig sind) der Kürze wegen ein „kreisverwandtes Hyperboloid“, so lässt sich folgender Satz aussprechen :

Eine Oberfläche zweiter Ordnung, für welche zwei conjugirte Strahlen circulare Ebeneninvolutionen zu zu- gehörigen haben, ist ein kr eis verwandtes Hyperboloid und hat unendlich viele solcher Paare conj ugirter Strah- len mit zugehörigen circularen Ebeneninvolutionen. Ir- gend eines derselben besitzt die Eigenschaft, dass das Yerhältniss der Abstände eines jeden Hyperboloidpunk- tes von den beiden Strahlen einen unveränderlichen Werth hat. (Dieser Werth ist für jedes solche Strahlenpaar ein anderer.)

Ein besonderer Fall des kreisverwandten Hyperboloids ist das gleichseitig-hyperbolische Paraboloid, d. h. ein solches hyperboli- sches Paraboloid, dessen beide in der unendlich- entfernten Ebene enthaltenen Erzeugenden zu einander rechtwinklige Richtungen ha- ben. In diese Fläche geht jene über für den constanteii Werth des Abstandsverhältnisses = 1. Auch bei dem gleichseitig-hyper- bolischen Paraboloid giebt es unendlich viele Paare conjugirter Strahlen mit zugehörigen circularen Ebeneninvolulionen, und jedes

596

Gesammtsitziing

solche Strahlenpaar besitzt die Eigenschaft, dass alle Punkte des Paraboloids von beiden Strahlen gleich weit abstehen. Ein beson- deres Strahlenpaar dieser Art sind die Leitlinien der beiden Pa- rabeln in den Hauptschnitten.

Der Unterschied zwischen den analogen Eigenschaften der ebenen und der räumlichen Figur bietet eine bei geometrischen Untersuchungen mitunter auftretende Erscheinung dar: Während

in der Ebene bei jedem Kegelschnitt (und zwar zweimal) ein Paar von Pol und Polare vorhanden ist, bei dem die dem Pol zugehö- rige Strahleninvolution eine circulare ist, giebt es im Raume nicht bei jeder Oberfläche zweiter Ordnung conjugirte Strahlen mit zu- gehörigen circularen Ebeneninvolutionen. Damit solche vorhanden seien, muss die Oberfläche eine gewisse Bedingung erfüllen, näm- lich ihre Kreisschnitte müssen rechtwinklig stehen auf zweien ihrer Erzeugenden. Ist aber diese Bedingung erfüllt, dann giebt es un- endlich viele Paare solcher conjugirter Strahlen.

Die a. a. O. von Chasles gegebene Herleitung des oben aus- gesprochenen Resultates entspricht nicht vollständig rein-geometri- schen Ansprüchen, weil sie schliesslich auf die analytische Glei- chungsform der Oberfläche zweiter Ordnung recurrirt. Auch eine neuerdings von Hrn. A. Schön flies gegebene Darstellung lässt weder die characteristische Eigenschaft der Oberfläche zweiter Ord- nung erkennen, noch besitzt sie denjenigen Grad von Einfachheit, dessen die Herleitung dieser Eigenschaften fähig ist. Die vollstän- dige, auf rein geometrischen und durchaus elementaren Construc- tionen beruhende Ableitung des mitgetlieilten Resultates behalte ich mir vor an einem andern Orte zu veröffentlichen.

0 Synthetisch-geometrische Untersuchungen über Flächen zweiten Gra- des, Inaugural-Dissertation von A. Schönflies. Berlin 1877.

vom 26. October 1877.

b^7

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

D. T ommasi, Ricerche fisico-chimiche etc. Extr. 1877. 8.

Centralhlatt für praktische Augenheilkunde. Herausgegebeii voji Dr. J. Hirsch- berg. Jalirg. I. Juli 1877. Leipzig 1877. 8.

A. Eicco, Relazione fra il minimo Angola visuale etc. Extr. 8.

K. Akademie der Wissenschaften in Wien. Jahrg. 1877. N. XX. Sitzung der math.-naturw. Classe. 8.

R. Istituto Lombardo di scienze e lettere. Rendiconti. Serie II. Vol. IX. Milano 1877. 8.

Memorie del R. Istituto Lotnbardo di scienze e lettere. Classe di scienze ma- tematiche e naturali. Vol. XIII. IV. della Serie III. Fase. III e ult. Classe di lettere etc. Vol. XIII. IV. della Serie III. Fase. III. ib. eod. 4.

Reports of the Mining Surveyors and Registrars. Quarter Ended 30*^. June 1877. Melbourne 1877. fol.

A. Favre, Rapport du President de la Societe de phgsique de Geneve. 1877. 4. Vom Verf.

Rivista Europea. Vol. IV. Fase. If. 16. Ottobre. N. Serie. Anno VII. Fi- renze 1877. 8.

Memorie dell' Accademia delle scienze dell' Istituto di Bologna. Serie III. T. VII. Fase. 1. 2. 3. 4. Bologna 1876 77. 4.

Rendiconto delle Sessioni dell’ Accademia delle scienze dell’ Istituto di Bo- logna. Anno Aeead. 1878 77. ib. 1877. 8.

598

Sitzung der 2digsikalisc/i-inathematisc/ien Klasse

29. November. Sitzung der physikalisch -mcithema- tischeii Klasse.

rir. G. Kirchhoff las folgende Abhandlung:

Zur Theorie der Bewegung der Elektricität in unterseeischen oder unterirdischen Telegraphendrähten,

Sir William Thomson hat schon im Jahre 1855, von der Hypothese ausgehend, dass bei einem unterseeischen oder unter- irdischen Telegraphendrahte der Einfluss der Induktion, die eine Folge der Änderungen der Stromintensitäten ist, gegen den Ein- fluss der Ladungen vernachlässigt werden kann, den Satz abgelei- tet, dass die Elektricität in einem solchen Drahte sich nach den- selben Gesetzen fortpflanzt, wie die geleitete Wärme. Ich erlaube mir der Akademie eine Ableitung dieses Satzes vorzulegen, die auf derselben Hypothese beruht, aber von allgemeineren Principien ausgeht, als die von Hrn, Thomson gegebene, und einige For- meln anzuknüpfen die, soviel ich weiss, noch nicht veröftentlicht sind.

Die Grundlage der Rechnung sollen die Annahmen bilden, die Hr. Helmholtz in seiner Abhandlung im 72ten Bande von Bor- chardt’s Journal ausgesprochen hat. Es handle sich um ein Sy- stem von sich berührenden, ruhenden Leitern, von denen jeder ein- zelne homogen ist, und die von einander sich unterscheiden durch ihre Leitungsfähigkeit und dielektrische Polarisirbarkeit; an ihren Berührungsflächen mögen constante elektrische Ditt'erenzen stattfin- den. Es seien .r, y, z die rechtwinkligen Coordinaten eines Punk- tes in einem der Leiter, u, v, w die Componenten der Stromdich- tigkeit, «,yö,7 die Componenten des auf die Volumeneinheit be- zogenen elektrischen Moments in ihm zur Zeit t, /. die Leitungs- fähigkeit, k eine, die dielektrische Polarisirbarkeit des Leiters be- stimmende Constante; man hat dann

vom 29. Octoher 1877.

599

^

dw

a

dx

9 X

dep

ß =

/^,

dy

tu 1

3z

7 •—

3z

wo 9, das elektrostatische Potential, eine Funktion von x, y, z und t bedeutet. Diese lässt sich als aus 3 Theilen zusammengesetzt betrachten; der erste rührt her von der freien Elektricität, die theils im Innern, theils auf den Oberflächen der Leiter sich befindet, der zweite von der dielektrischen Polarisation, der dritte endlich von den elektrischen Doppelschichten, die in den Berührungsflächen heterogener Leiter, zwischen denen elektrische Diflerenzen stattfin- den, liegen. Es mögen diese Theile der Reihe nach ü, F, IF ge- nannt werden. Um Ausdrücke für sie bilden zu können, bezeichne man durch s die Dichtigkeit der freien Elektricität im Innern, durch e diejenige an der Obei’fläche für den Punkt (,r, i/, z~) zur Zeit t, durch s' und e' die entsprechenden Grössen für einen an- dern Punkt (x\ y', z'), durch dr' ein Volumenelement, durch ds' ein Flächenelement, in dem der Punkt (F, y', z') liegt, durch ?’ die Entfernung der Punkte (x, y, z) und (F, y', z')’, man hat dann

wo die Integrationen über den ganzen Raum und alle die Flächen auszudehnen sind, wo freie Elektricität sich befindet. Bei entspre- chender Bezeichnung ist ferner

und endlich ist

wo ds' ein Element der Flächen bedeutet, an denen elektrische Differenzen ihren Sitz haben, n' eine Normale dieses Elementes und Inh' die entsprechende elektrische Differenz.

600 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

Aus der Bedeutung der Zeichen u, ü, w, e folgt

9 M dv dw

¥t

und, wenn man die Indices 1 und 2 auf zwei sich berührende Leiter bezieht und die nach dem Innern des ersten, n.^ die nach

dem Innern des zweiten gerichtete Normale eines Elementes der Berührungsfläche nennt.

Substituirt man in diese beiden Gleichungen dieWerthe von u, r, w aus 1 ), so werden dieselben

Es ist leicht aus den aufgestellten Relationen eine partielle Difterentialgleichung und Grenzbedingungen zu bilden, welche nur die eine unbekannte Funktion cp enthalten. Zu diesem Zwecke sollen zunächst die 3 Theile von cp einzeln betrachtet werden. Aus dem Ausdrucke von U folgt, dass

und ferner, dass U selbst überall stetig ist, seine Difterentialquo- tienten nach x, y, z aber an der Berührungsfläche zweier verschie- denen Leiter so unstetig sind, dass

und

A U =■ 4 7T£

9 Tij 9 n-2

47re.

Der für V aufgestellte Ausdruck lässt sich durch partielle Inte- gration so umgestalten, dass man erhält

vom 29. Octoher 1877.

601

rdj' d ß' 07^^

/ds'

^«'cos(n'^) + ß' cos (n'y) -+- y'cos(n'z)^ ,

wo ds' ein Element der Oberfläche irgend eines der Leiter, n' die nach dem Innern dieses gerichtete Normale von ds' bedeutet. Hieraus folgt, dass

AV =

/3« 3/3 97\

\3o; 3 ?/ dz )’

dass V selbst überall stetig ist, seine Differentialquotienten aber an der Berührungsfläche zweier Leiter so unstetig sind, dass

3F ^

dui dn-i

+

47t^«iCOS (ni.r) + ßicos (n^y) + 7iC0s(WiZ)

cr3cos(?io,r) + ß^cos (rioy) + 73cos(n2 0)j.

Bei Rücksicht auf 1) werden diese beiden Gleichungen A V =■ 4 TT A qo

und

d_V. dV

3«! 3r?2

47T

dcp 3 71

;)

Der Ausdruck von TF endlich zeigt, dass

ATFi::^ 0 ,

und dass an der Grenzfläche zweier Leiter TF so unstetig ist, dass TFi -TFs 47tA ,

die Differentialquotienten von TF aber stetig sind, dass also

3TF 3TF

dUi 3^2

Nun war

cp = f7 + F+TF

gesetzt; es ergiebt sich also für cp, dass

* A cp z=. 47T£ 4: rrkA cp ,

also, wenn man nach t diflferentiirt und 2) benutzt,

602

Sitzung der liJnjsikalisch- mathematischen Klasse

dAcp

(l + f-4 7r?.^(p 0 ,

at

dass ferner an der Berührungsfläche zweier Leiter (p^ (p-2 = 4 7T A

4)

5)

und

h = 4 7T£ 4 TT

0 7li 0 712

( /.. I h

ist. Die letzte dieser Gleichinigen Avird durch Diflerentiation nach t und bei Rücksicht auf 3)

d d cp ^ d d cp dcp

(l + 4 - Ä’i) H- (l + 4 7T Ä-j) f- 4 7T -

a ^ a^i 0 1 on2 anx

■in>.

dcp

' dn.,

6)

= 0,

Man hat also für cp die partielle Differentialgleichung 4) und die beiden Grenzbedingungen 5) und 6) gefunden. Durch besondere Annahmen sollen diese nun vereinfacht werden.

Bezeichnet man durch cpo den Werth von cp für f = 0, so folgt aus 4)

4tt X

. ~ 1 +47tA: *

Aq> = ilcpoe ,

Avo e die Basis der natürlichen Logarithmen bedeutet. Es ver- schwindet also Aq) immer, Avenn es für i = 0, d. h. für einen Werth von t, verscliAvindet. Die Gleichung Acp =: o ist gleichbe- deutend mit der Gleichung g = o Avegen der Relation zAvischen Acp und £, aus der eben 4) abgeleitet ist. Es Averde angenommen, dass in einem Augenblick keine freie Elektricität im Innern der betrachteten Leiter vorhanden ist, dann befindet sich hier nie freie Elektricität und an Stelle von 4) tritt die partielle Differentialglei- chung

Aq> = 0.

Ferner möge A'orausgesetzt Averden, dass elektrische Differenzen in dem betrachteten Systeme nicht Avirksam sind, die Grössen h also verschwinden; dann lässt sich die Gleichung 5) durch die Bödin- gung ersetzen, dass cp überall stetig ist. Hierzu kommt die Glei- chung 6), die, Avenn man

vom 29. Octoher 1877.

603

1 H“ ^7T k 47T

setzt, also durch 47t/x die sogenannte Dielektricitätsconstante be- zeichnet,

3 / 3 qD 9<jP \

37

3 cp 3 tii

0

wird. Durch die Annahme, dass cp in der Art von t abhängt, dass es den Faktor

enthält, wo t> eine Constante bedeutet, verwandelt dieselbe sich in

(Aj H- u

3qo

3wj

(?-2 -f- rf/2)

dcp

3%

0 .

Es soll diese Annahme gemacht und v imaginär gewählt Aver- den; es wird dann cp complex; aber in dem reellen Theile dessel- ben hat man eine reelle Lösung der Gleichungen 4), 5), 6), da diese Gleichungen linear und homogen sind und nur reelle Coeffi- cienten enthalten. Das Leitersystem sei so gestaltet, dass alle Be- rührungsflächen verschiedener Leiter kreisförmige Cylinder sind, die die 0-Achse zur gemeinschaftlichen Achse haben, und es sei, wenn

V -h =■ ^

gesetzt wird, q) nur eine Funktion von t, z und Die partielle Differentialgleichung für cp ist dann

3^qd 3^cp 1 dcp

- H H = 0

dz^ 3^"* ?

und die Grenzbedingungen sagen aus, dass an den Berührungs-

flächen

1 /

cp und (A + i^//) d D

Stetig sind. Eine Lösung der partiellen Differentialgleichung, die diesen Grenzbedingungen sich anpassen lässt, erhält man, wenn man annimmt, dass p gleich dem Produkt aus

i m z

G04

Sitzung der physilcalisch-mathematischen Klasse

in eine von z unabhängige Grösse ist, wo i =. V 1 und m eine Constante sein soll, deren reeller Theil positiv ist. Es muss dann

d^q) 1 d cp

e 9?

sein und man genügt der partiellen Differentialgleichung, indem

H X = 0

0 j f

cp = 4- 7)

setzt, wo A und D willkührliche Constanten bedeuten, die für die verschiedenen Leiter verschiedene Werthe haben können, und P und Q durch die Gleichungen definirt sind

r

P{x) == 1 + '-T, 4- +

2^ (2-4)^

Q (X) = - P(,r) (]g i + 0,577.) + H-

Zur Vervollständigung der Definition von Q(x) muss noch hinzu- gefügt werden, dass der darin vorkommende lg;| reell sein soll, wenn x reell und positiv ist, und sich stetig ändern soll, wenn x sich ändert. Da der reelle Theil von m positiv bleibt, so ist hier- durch Q{x) eindeutig bestimmt für alle Werthe, die sein Argument in der Gleichung 7) erhält. Es hat dabei Q(in^) die Eigenschaft für ^ oo zu verschwinden; für ^ = 0 ist Q(in^) unendlich; P(jn§) dagegen bleibt für ^ ■=. 0 endlich und wird unendlich für

^ = OO,

Der betrachtete Fall soll nun dahin specialisirt werden, dass nur drei Leiter vorhanden sind, ein Kupferdraht vom Radius eine Hülle von Guttapercha, deren äusserer Radius ^2 ist, und aus- serhalb dieser eine, sich ins Unendliche erstreckende Wasserniasse. Auf den Kupferdraht möge der Index 1, auf das Wasser der In- dex 2 bezogen werden, während die auf die Guttapercha bezüg- lichen Grössen ohne Index bleiben sollen. Wegen der erwähnten Eigenschaften der Funktionen P und Q muss dann

Pi = 0 und A., = 0

sein und die Stetigkeitsbedingungen sind, wenn man

vom 29. Ocioher 1877.

605

£f|> = , ‘jm =

setzt,

ÄP{mDo) BQ(in^^ =. B^Q(m^<^

(>. + i'iu.) {AP'(mo^) 4- B Q'(m^i)) = (Aj 4- vij.^) A^P'

(X-h i'!J.){AP'(m^2) A- B Q'{m§2)) = (X2-h vfx^) B.^Q' (m^2)‘

Daraus folgt, dass die Determinante

A 4- i4-t Aj u IA.I

(A 4" t'M’)

(Aj 4- i'/4)

Q0»^i)

P(Wfli)

(A 4- 17-i)

Q'(m^2)

(?.2 4- M //2)

P^^

Q(m§2)

A 4- Aj

verschwindet. Der Modul von i> soll so klein sein, dass u gegen Aj und A2 vernachlässigt werden kann; da //, //j und 1J.2 nichtsehr grosse Zahlen sind und A sich als unendlich klein gegen Ai und A2 betrachten lässt, so wird dann diese Gleichung

Al , (A

^ Q'On^i) ^ Q0«oi) "'"^P'On^O ^P(mo,)

(A 4- i> fP) r A2 r , A2

Q\m^2) Q(m§2)

Nun werde die Hypothese gemacht, dass der Modul von mo^, also auch der von 7«^2j unendlich klein angesehen werden kann; die Rechnung wird zeigen, dass es einen solchen Werth von vi giebt. Setzt man der Kürze wegen

== 7 ,

so hat man unter der genannten Hypothese

COG

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

P(wipi) =

1

Q(7W^i) =

lg 7 »«fl

1

jP' (777^2)

Q (777^2) =

lg 7 777^2

Q' (777^2)

moi

2

1

2

1

Daher wird die Gleichung zwischen v und m

oder, da

Xi , (X H- uix) - X, m

2 2 *\

^ ^ ??rp2 Xo

(X + i//x)— , Xa

2 lg7«*^2

, X2

(X + .<^/)— - gegen

= 0

g7W^2

unendlich klein ist,

X -i- i’fx-h ?-i lg = 0

2

8)

Diese Gleichung ist von derselben Form, wie eine, auf die man hei der Theorie der Wärmeleitung in einem Stabe geführt wird, woraus der Eingangs erwähnte, zuerst von Hrn. Thomson aus- gesprochene Satz folgt.

Für das Innere des Drahtes ist bis auf unendlich Kleines P{mo) ■=. 1

und daher nach 7)

cp =

wo A die oben mit bezeichnete Constante bedeutet, oder auch, wenn B eine neue Constante ist,

cp = + 4-

Nun mache man

vom 29. October 1877.

607

wo n eine reelle, positive Grösse bedeuten soll; dann wird cp rz:; ^ gi(w<+ wi) _j_ ß ^i [nt mz)^

Um aus dieser complexen Lösung der für p aufgestellten Bedin- gungen eine reelle zu finden, mache man

m a , A = G iC' , B z=z D iD' ,

wo n positiv sein muss, da der reelle Theil von m positiv sein sollte, und setze p =z dem reellen Theile des in 9) gegebenen Ausdrucks. So erhält man

p ~ (Gcos (?i t -h «2:) -f- L'sin (?z t

10)

-H e~^~(D cos (nt uz) D’sm(nt os2:)).

Diese Gleichung stellt zwei Wellenzüge dar, von denen der eine in der Richtung der 2 -Achse, der andere in der entgegengesetzten Richtung mit der Geschwindigkeit

n

u

fortschreitet, und bei denen die Höhe einer jeden Welle bei ihrem Fortschreiten in einem Verhältniss abnimmt, das durch den Werth von ß bestimmt ist. Die Dauer der Periode, die p in Bezug auf die Zeit hat, ist

27T

n

Zur Bestimmung von u und ß hat man der Gleichung 8) zufolge

ß- - =

ß a =

^ *

UfX

A.^Gog-

D

die zweite von diesen Gleichungen zeigt, dass ß positiv ist, da u es ist. Ist A, die Leitungsfähigkeit der Guttapcreha, m o, so wird

[1 877]

4-1

608

Sitzung der jyhysiknli/fcJi-mofheuiofischen Klanae

Nimmt >. von Null an zu, so muss von den Grössen « und ß zu- folge der zweiten der für sie aufgestellten Gleicliungen die eine zu-, die andere abnelimen; zufolge der ersten nimmt ß zu und « al). Je grösser die Leitungsfäliigkeit der Guttapercha ist, um so grösser ist also die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellen, um so schneller nehmen diese aber auch an Höhe hei ihrem Fortschrei- ten ah. Ist ?. sehr klein gegen so wird

ß =

n\ji

(■

\nixj

Wenn der Draht in der Richtung der positiven 2- Achse als unbegrenzt anzusehen ist, so müssen die Constanten C und C in der Gleichung 10) gleich Null gesetzt werden, damit innerhalb des Drahtes q> nicht unendlich werde. Ist überdies

für z = 0 9 = cosnt , 11)

so folgt aus 10)

cp = cos (n< az) .

Es soll nun noch der Fall behandelt werden, dass die Bedin- gung 11) besteht, der Draht aber bei z =. l begrenzt und hiermit der einen Belegung eines Condensators verbunden ist, dessen an- dere Belegung mit der Erde in gut leitender Verbindung steht. Ist c die Capacität des Condensators, so muss dann

für z = l

dep

^a7

12)

sein, da, wenn J die Intensität des Stromes in irgend einem Quer- schnitt des Drahtes bezeichnet,

vom 29. Octoher 1877.

G09

Zunächst werde der in 9) für q> gegebene coniplexe Ausdruck der Bedingung 12) und der Bedingung angepasst,, dass

für z =. 0 (p ■=. e”®* 14)

ist; der reelle Theil davon genügt dann den Gleichungen 10), 11), 12). Setzt man

G n

so geben die Gleichungen 12) und 14) zwischen den in 9) vor- kommenden Constanten A und B die Relationen

vi) B {y 0

A B = 1 ;

berechnet man aus diesen A und B und substituirt ihre Werthe in 9), so erhält man

int (7 + ^^) (7 ??i)

^ (7 +• (7 ™)

Von besonderem Interesse ist die Kenntniss der Stromintensität /; aus 13) folgt, dass diese gleich dem reellen Theile von

(7 + m)

im [l z) oinil

+ (7 ^^0

im [l z)

(7 + m) (7 m) e

ist. Diesen Ausdruck setze man

= a (cos§ + ^sin S) , wo a positiv sein soll; dann ist also

J a cos (m t + 6) .

Die beiden Grössen a und S, die Amplitude und die Phase der Stromintensität, findet man auf die folgende Weise. Man mache

(7 -f- ?ft) ‘^ + (7 ^ ^^(cos.S- 4- isin.S)

(7 + nn) (7 m) e“ ""' = W(cosv5 + «sin»^) ,

d. h.

4 t

GIO

Sitzung der phgsikaUsch-mathematischen Klasse

J/cos-S" = ((7 + «) cos« (/ r) 4- /3sin«(/ 2))

+ cos«(/ z) 4- /3sin«(Z r)),

J/sin -S" =: ((7 4- «) sin « (/ r) ß cos« (l r) )

g-3(i + i)^'^7 «)sin«(/ z) /3cos«(/ r)),

iVcosjj = ((74- «) cos «Z 4- /3sin«/)

e~‘^^{(^y «)cos«/ 4- .ßsin«/),

^Ysin Yj e^‘ ((7 4- «) sin « / ß cos cd)

+ e~ ((7 «) sin « / ß cos « /) ,

mit der Bestimmung, dass M und N positiv sind; dann ist a = TT fi 1^«^ 4- ß- b = arctg ^ 4- '3- >5 ,

wo der arctg im ersten Quadranten zu wählen ist.

M und c- sind von r abhängig, während alle übrigen in den Ausdrücken von a und b vorkommenden Grössen davon unabhän- gig sind. Für z = l hat man

M = 2y , S- = 0 ,

für z =z 0

il/cos-3' zrr: ((7 -|- «) COS« Z 4~ /3 sin « /j

e~^‘ ((7 «) cos cd 4- /3 sin « / )

J/sinS' = ((7 4- «) sin « Z ß cos cd)

( (7 «) si n « Z ß cos « Z).

Nimmt man die Capacität des Condensators, also auch 7, als unendlich gross an, so hat man denselben Fall, wie wenn das Ende des Drahtes z l unmittelbar mit der Erde in gut leitende

vom 29. Octoher 1877.

611

Verbindung gesetzt ist. M und N erhalten dann den Faktor 7; unterdrückt man diesen, was geschehen kann, ohne die Richtigkeit der Gleichungen für a und § zu beeinträchtigen, da in diesen nnr das Verhältniss von M und N vorkommt, so erhält man

d/cos3 = cos« z)

il/sin-S" = sin« (/ 2:)

iVcosv; =: e“'®^)cos«Z

iV sin ri =z sin « l .

Hr. W. Peters legte vor; Übersicht der Amphibien aus Chinchoxo (Westafrika), welche von der Africanischen Gesellschaft dem Berliner zoologischen Museum über- geben sind.

A. Reptilia.

Crocodilini.

1. Crocodilics vulgaris Cuvier.

2. catapliractus Cuvier.

3. frontatus Murray.

ClIELONII.

4. Cinixijs erosa Schweigger.

5. Sternothoirus derbianus Gray.

G. Triongx triunguis Forskäl? Die westafricanisclie Art ist vielleicht von der des Nils verschieden, was sich aber leider nicht entscheiden lässt, da dem einzigen Exemplar der Schädel fehlt.

7. C gcloderma Auhrgi Diimeril. Schild.

G12 Siizuiiy der idiijsikalisch-matheniathischen Klasse

Laceutilia.

8. C hamaeleo senegalensis Daiulin var. gracilis Ilallüw.

9. dilepis Leach.

10. Ileinidactglus mabotiia Moreau de Joannes.

11. Agama colonorum Daudin var. nov. congica.

Die in Chinchoxo vorkoniniende Art oder Abart stimmt mit A. colonorum in der Zahl der Schuppenreihen (G8 bis 70 Längs- reihen), sowie iiberliaupt im Bau und in der Pholidosis des Kopfes und der Gliedmafsen überein, die Zeichnung der jungen Exem- plare (bei den ausgewachsenen verschwindet sie) ist aber sehr verschieden und besteht in zwei Reihen schwarzer Ringe jeder- seits und in schwachen Strichen und Fleckchen längs der Mitte des Rückens auf olivenfarbigem Grunde.^)

') Zwei andere Agamen, welche eigentliüiuliche Lucalarten oder Rassen repräseutiren, sind:

1. Agama jn'cticaiula n. sp.

In der Mitte zwischen A. colonorum und A. planiceps stehend, von der ersteren verschieden und dadurch melir mit der letzteren fihereinstimmend durch den ganzen Habitus, die beiden grösseren glatten Scliuppen neben dem Occipitalschilde, die längere Schnauze und den mehr abgeplatteten und heller gefärbten Kopf. Ich hatte dieselbe daher auch früher {Monatab. 1875. p. 197) zu derselben gestellt.

Der Kopf ist um ein Drittel länger als breit und ungefähr um eben so viel breiter als hoch, daher höher als bei A. planiceps. Die Schnauze ist doppelt so lang wie der Augendurchmesser und das Schnauzenende eben so weit, wie der hintere Ohrrand von dem Auge entfernt. Auf der Mitte der S^chnauze eine sehr lange Mittelschuppe. Hinten neben dem Occipitalschilde zwei grössere durch einen gelben Fleck ausgezeichnete Schuppen. Trommel- fell so gross wie das Auge. Beschuppung und Büschel vön Stachelschuppen, Kackenkamm wie bei A. colonorum. Körperschuppeu in 70 Längsreihen, wie bei A. colonorum, am Bauche ungekiclt.

Körper der ausgewachsenen Exemplare olivengrün, mit eiugestreuten gelblichen Flecken, der Kopf mehr grüngelb; Schwanz im ersten Drittel oder über dasselbe hinaus olivengrün, dann gelb oder roth und an dem Eiiddrittel

vom 29. October 1877.

613

12. Gerrhosaurus nig r olineatus Hallowell.

13. Monitor saurus Laurenti.

oder der Endhälfte schwarz. Junge Exemplare haben den Oberkopf braun mit gelben oder hellgrünen Flecken und Binden geziert, die Subiuentalgegend gelbweiss mit schwärzlicher Marmoririing. Auf dem Vorderriicken eine un- deutliche mittlere hellere Längsbinde; an den Kückenseiten schwarze Flecke, welche mit denen der anderen Seite etwa fünf unregelmässige Ocellen bil- den, ausserdem vorn zwei kurze Reihen von (3 bis 4) gelben Flecken. Auf dem Schwanz eine Reihe von schwarzen Flecken, das Enddrittel einfarbig schwarzbraun.

Totallänge eines Männchens 0,330; bis After 0,120; Kopf 0,031; Kopf- breite 0,023; Kopfhöhe 0,015; Schnauze 0,0125; Yorderextremität 0,062; Hand mit 4. Finger 0,022; Hinterextremität 0,093; Fass mit 4. Zehe 0,034.

Wir besitzen Exemplare aus Ada Foah, Accra und Cameruns.

2. Agama infralimata n. sp.

Diese Art gehört zu denjenigen, welche, wie A. hisgnda, eine hetero- gene Pholidosis, einen niedrigen Rückenkamm und die Bauchschuppen gekielt haben. Es gehören dahin diejenigen Exemplare, welche ich durch Hrn. Hahn aus Otjimbingue im Hererolande erhalten und früher (Monatsber. 1862. p. 17.) zu A. annata gezogen hatte.

Sie stimmt auch im ganzen Bau mit derselben so vollkommen überein, dass ich in der Beziehung kein einziges constantes unterscheidendes Mei’kmal, bei der Untersuchung zahlreicher mir vorliegender Exemplare, finden kann. Dagegen weicht sie beständig in der Zeichnung von ihr ab. Die jungen Exemplare zeigen die obere Seite des Kopfes gelbbraun mit zwei gelben Quer- biiiden, einer vor, und einer winklig gebogenen in der Mitte zwischen den Augen. Auf dem Nacken eine vor der Basis des Nackenkammes beginnende breite gelbe Längsbinde, welche sich unterbrochen bis auf den Schwanz fort- setzt und auf jeder Seite von dunkeln rostbraunen oder schwarzen Flecken eingeengt wird, von denen sich ein Paar auf dem Nacken, vier Paar auf dem Körper und mehrere darauf folgende einfache Querbinden auf dem Schwänze befinden. Die Submentalgegend und die ganze Unterseite der Brust und des Bauches sind auf gelblichem Grunde mit schwarzen oder blauen Längslinien gezeichnet, von denen bei den ausgewachsenen Exemplaren nur die der Sub- meiitalgegend bestehen bleiben. Ebenso wird bei den ältern Exemplaren, wie überhaupt bei allen von mir in verschiedenen Lebensaltern beobachteten Agamen, die Zeichnung der Rückeuseite immer mehr verwischt oder ver-

G14 Sitzimg de?’ physikalisch-mathematischeyi Klasse

14. Eupr epes (Eupr.) Perrotetii Dum. Bibr.

15.

n

n

Illandingii Ilallowe

17.

n

n

acut Hab r is Ptrs.

16. S cincodipus coiujicus Ptrs.

Über diese neue Gattung habe ich bei’eits früher (Monatsber. 1875 p. 561) ausführlich berichtet.

18. Ahlepharus C ahindae Bocage.

19. Eeylinia Currori Gray.

Sekpentes.

Innocui.

20. Typhlops (Ophthalmidion) Eschrich tii Schlegel var. intermedia Jan. 24 bis 25 Schuppenreihen.

21. Typhlops (Ophthalmidiov) Eschrichtii Schlegel var. lineolata Jan. 26 bis 27 Schuppenreihen.

22. Ty phlops (Ony chocephalus) Darroivii Gray. Ein Exem- plar mit 34 Schuppenreihen.

23. Python Sehae Gmelin.

24. Coronella (Mizo don) olivacea Ptrs.

25. Glaniolestes ornattis Bocage.

26. Neusterophis atratus n. sp. (Taf. Fig. 1.)

Im Habitus dem Lirnnophis bicolor ähnlich. Zwei vorn spitze Internasalia, Präfrontalia kaum länger als jene; Frontale nicht dop- pelt so lang wie breit, mit fast parallelen Seitenrändern; Parietalia

schwindet ganz, wodurch die schnelle Unterscheidung der verschiedenen Ar- ten zuweilen sehr erschwert wird. So habe ich frfiher ein ausnehmend grosses h^xeinplar vom Oiangerivier von A. hispida ebenfalls für nicht ver- schieden von der vorstehenden Art gehalten (cf. Munatubcr. 187ü. p. 118).

vom 29. October 1877.

615

hinten mit abgerundeter Spitze, nur um die Hälfte länger als breit; Frenale pentagonal, so hoch wie breit; zwei Ante- und drei Post- orbitalia; Temporalia 1 + 3, das erste lang; acht Supralabialia, das 4. und 5. unter dem Auge, das 6. und 7. fast so hoch wie lang. Zehn Infralabialia, das erste Paar aneinander stossend; zwei Paar Submentalia, die hinteren kürzer. Körperschuppen in 19 Längs- reiben, glatt, ohne Endgrübchen.

140 Abdominalia, 1 getheiltes Anale, 37 Paar Subcaudalia.

Einfarbig blauschwarz bis auf die Submentalgegend, Kehle, den mittleren Theil der Bauchschilder und die untere Mittellinie des Schwanzes, welche gelblichweiss, aber ziemlich dicht mit Schwarz besprengt sind. Lippenschilder am Rande schwarz ge- säumt.

Totallänge 0,520; Kopf 0,017; Schwanz 0,065.

27. Dasypeltis palmarum Leach.

28. fasciolata Ptrs.

29. IIapsido2)hrijs smaracjdina Schlegel.

30. Thrasopsflavigularis Hallowell.

31. Philothamnus irr egularis Leach.

32. Psammo phis sibilans Lin ne.

33; Leptodira ru/escens Gmelin.

34. Dij^sas Blandingii Hallo well.

35. Dipsas pulverulenta Fischer.

36. Lijcopliidion capense Smith.

37. irroratum Leach.

38. Boodon g eometr i cuv Schlegel.

39. llolurophoUs olivaceus A. Dunieril.

40. Ileterolepis capensis Smith.

CIG Sitzung der i:>liijsikalisGh- mathematischen Klasse

Veneno si.

41, Atractaspis irregularis Reinhardt.

Ein Exemplar (No. 8703 M. B.) bat anfangs 23, dann 25 und in der Körperinitte 27 Schuppenreihen , 243 Sciita abdominalia, 1 getheiltes Anale und 23 Paar Subcaudalschuppen, ein zweites (No. 9151 M. B.) anfangs 25 und dann 27 Schuppenreihen, 230 Scuta abdorninalia, 1 getheiltes Anale und 26 Paar Subcaudal- schiippen.

42. Atractaspis congica n. sp. (Fig; 2.)

Ein drittes Exemplar (No. 8644) hat nur 19 bis 21 Schuppen- reihen, 206 Scuta abdorninalia, 1 getheiltes Anale, anfangs 6 Scu- tella SLibcaudalia und dahinter 16 Paar Subcaudalschuppen. Es ist ferner ausgezeichnet durch das auch in die Breite sehr ent- wickelte lange dritte Infralabiale, hat aber dieselbe Zahl der Su- pralabialia (5) und dieselbe Färbung wie die beiden anderen Exem- plare und ist daher vielleicht nur als eine Varietät zu betrach- ten. 1)

B Das Berliner zoologische Museum besitzt noch zwei andere Exem- plare dieser Gattung, welche noch eher zur Aufstelh^ng neuer Arten berech- tigen dürften.

1. A. Hildehrandtii n. sp. (Fig. 3.)

Sechs Supralabialia, sieben Infralabialia; kein langes drittes Infralabiale, statt dessen drei breite, von denen das mittelste der grösste ist; nur ein Paar Submentalia, welches vorn mit dem ersten und zweiten, seitlich mit dem 3. und 4. Infralabialc in Verbindung steht.

Körperschuppen überall vorn, in der Mitte und hinten in siebzehn Längsreihen. 174 Scuta abdorninalia, 1 getheiltes Anale und 22 Paar Sub- caudalschuppeii.

Überall schwarzbraun, mit violetem Schimmer. Von der Zanzibar- küste; eingesandt von Hrn. Hildebrandt (N. 8595).

2. A. natalensis n. sp. (Fig. 4.)

Sieben Supralabialia, das 3. und 4. ans Auge stossend, Temporalia 1-+-1 oder 1 + 2; acht Infralabialia, kein langes drittes, sondern statt dessen drei breite quere, von denen das mittelste das grösste ist; zwei Paar Sub- mentalia, mit den vier ersten Infralabialia in Verbindung stehend.

vom 29, October 1877,

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43. Dendraspis angusticeps Smith.

Ein junges und ein älteres Exemplar, mit 17 Längsreilien von Schuppen und von den Exemplaren aus Port Natal durch die dunklere Färbung ausgezeichnet.

Körperschuppen vorn in 25, in der Mitte in 27 und am Ende in 21 Längsreihen. 166 Scuta ventralia, 1 einfaches Anale und 40 (vierzig) Senta (Scutella Illiger) subcaudalia.

Schwarzbraun mit violetem Schimmer. Aus Port Natal, gesammelt von dem dort verstorbenen Gueinzius (No. 7883).

Es sind jetzt ausser den hier beschriebenen folgende Arten von Atrac- taspis aufgestellt: Ä. iri'egularis Reinhardt, A. Bihronii Smith, A. cor- pulenta Hai low eil, A. aterrima Günther, A, rostrata Gthr. , A. }ni~ crolepidota et microphoUs Gthr., A. fallax Ptrs.

17 Schuppenreihen finden sich bei A, HUdehrandtii, 17 21 bei A. atendma, 19 21 bei A. aterrima und congica, 21 23 bei A. Bihronii und rostrata, 23 25 bei corpulenta, 25 (nach Günther) bei A. ynicrophoHs, 23

25 27 bei A. irregularis, 25 27 bei irregularis und A. natalensis, 27

29 bei A. irregularis, 29 (nach Günther) bei A. microlepidota, 29 31 bei A. fallax.

5 Supralab ialia und ein langes drittes Infralabiale finden sich bei A. Bihronii, rostrata, irregularis, congica, aterrima ; 5 Supralabialia und kein langes drittes Infralabiale bei corpuleni'a (nach Günther); 6 Supralabialia und kein langes drittes Infralabiale bei microlepidota et microphoUs, Hilde- hrandtii und ftdlax-, endlich 7 Supralabialia und kein langes drittes Infrala- biale bei natalensis.

Scuta abdominalia finden sich 166 bei natalensis, 174 bei Hilde- hrandtii, 179 182 bei corpulenta, 206 bei congica, 210 212 bei micropho- lis et microlepidota, 225 255 bei Bihronii, 227 245 bei rostrata, 228 243 bei irregularis, 235 bei fallax, 274 280 bei aterrima.

Ein einfaches Anale kommt vor hei A. Bihronii, rostrata, natalen- sis, corpulenta, microphoUs et microlepidota, irregularis (z. Th.), natalensis und fallax, ein getheiltes bei irregularis (z. Th.), congica und Hildehrandtii.

Einfache Scuta oder Scutella subcaudalia hat man beobachtet bei A. Bihronii, rostrata, aterrima, natalensis, corpulenta, microlepidota et micro- phoUs, fallax, Scutella et squamae subcaudalia bei fallax, congica und irre- gularis (z. Th.), nur squamae subcaudales bei irregularis (z. Th.) und Hilde- hrandtii.

Mit Ausnahme eines von Hallowell beobachteten Exemplars, bei web

G18

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

44. Naja haje Lin ne.

45. Causus rhomb eatus Lieh ten .stein.

Schuppen in 19 Langsreihen.

46. Vipera (Bitis) rhinoceros Schlegel.

B. Batrachia.

A.nuka.

47. Xenopus calcaratus Ftrs.

48. Eana hydraletis Boie (R. occipitalis Gthr.).

49. Anchietae Bocage.

40. Bufo guineensis Schlegel.

51. II ylamh ates Auhryi Dumeril.

52. Limnodytes albolahris Ilallowell.

53. Arthroleptis plicatus (Gthr.).

54. dispar Vim.

ob. Hyper olius parallelus Gthr.

chem die Interiia-salscliilder mit den Praefrontalia vereinigt sind (Gen. lira- chyeranium Hai low eil), haben alle diese .Schilder von einander getrennt.

Es «lürften, da die Atractaspis zu den .Seltenheiten gehören, wenig über 20 Exemplare in den Sammlungen vorhanden sein, welche nach den von der Verschiedenheit der Pholidosis hergenommenen Merkmalen, die man bis- her bei anderen Schlangen zur Unterscheidung von Arten und Gattungen für hinreichend gehalten, sich in elf Arten und drei bis vier Gattungen vertheilen lassen. .Schon früher habe ich meine Zweifel über die Validität dieser „Arten“ geäussert (cf. Munntsbericht. 186G. p. 890) und ich hin nur ungewiss, ob diese Merkmale überhaupt nicht hinreichend oder anwendbar sind für die Unterscheidung fler .Schlangenspecies, sf>ndern nur der Varietä- ten, oder ob die AfructasyU eine ganz besondere Tendenz zu Variationen in dieser Beziehung zeigen.

vom 29. October 1877.

619

56. Hyper olius nitiduliis Ptrs.

Die vorliegenden Exemplare stimmen im Bau ganz mit dem Originalexemplar überein, von der zierlichen Zeichnung an den Seiten des Kopfes, des Körpers und der Extremitäten sind aber nur Spuren vorhanden.

57. Hyperolius leptosomus n. sp. (Fig. 5.).

Braun, die Oberseite der Schnauze und drei mit ihr zusam- menhängende Längsbinden silberweiss; jede seitliche breitere Binde bedeckt das obere Augenlid und erstreckt sich bis zum Kreuzbein, die mittlere schmälere dagegen fast bis an den After. An der Seite des Körpers und Kopfes, auf dem Vorderarm und der Aus- senseite der Finger, den Unterchenkeln und der Aussenseite des Tarsus weisse Punkte auf braunem Grunde. Vorder- und Hinter- seite der Oberschenkel sowie die Unterseite des Körpers braun- gelb.

Körperform schlank, Schnauze kurz, abgerundet, nicht länger als das Auge, Pupille senkrecht, Trommelfell versteckt. Bauch und üntei’seite der Oberschenkel granulirt. Dritter und vierter Finger an der Basis durch eine Bindehaut vereinigt. Die Schwimm- häute der hinteren Extremität lassen die beiden letzten Glieder der vierten Zehe und ein Glied der übrigen Zehen frei.

Totallänge 0,023; Kopf 0,005; Kopfbreite 0,007; voi-d. Extr. 0,014; Hand mit 3. Finger 0,007; hint. Extr. 0,033; Fuss mit 4. Zehe 0,013.

58. Hyperolius adspersus n. sp. (Fig. 6.).

Oben gelblich, metallisch glänzend, mit schwarzen Pünktchen, welche auf dem Kopf und auf der Mitte der Körperseiten mehr und grösser hervortreten; die Aussenseite des Vorderarms und Un- terschenkels ebenfalls schwarz punctirt; Oberarm, Oberschenkel und Unterseite gelblich.

Vom Habitus einer kleinen Hyla arhorea. Schnauze abgeplat- tet, zugespitzt, ein wenig länger als das Auge; Pupille horizontal, Trommelfell versteckt. Bauchgegend granulirt, Entwickelung der Schwimmhäute wie bei der vorhergehenden Art.

G20

Sitzung der jihysikaliscli-inatliemati sehen Klasse

Totallänge 0,020; Kopf 0,0065; Kopfbreite 0,0075; vord. Ex- tremität 0,013; Hand mit 3. Finger 0,006; hint. Extr. 0,030; Fuss mit 4. Zehe 0,014.

Erklärung der Abbildungen.

Fig. 1. Neuster oghis atratiis Ptrs.

2. Atractaspis congica Ptrs.

3. Atractaspis HUdehrandtii Ptrs.

4. Atractaspis natalensis Ptrs.

5. Hijperolius leptosomus Ptrs.

6. Hyperolius adspersus Ptrs.

Nachtrag.

Während des Druckes dieses Aufsatzes geht mir noch eine kleine Sammlung von Amphibien zu, welche von Hrn. Major von Homeyer in Pungo Andongo gesammelt sind. Sie enthält fol- gende bekannte Arten: Chamaeleo senegalensis Cuv. var. gracilis

Hall., Agania picticauda Ptrs., Euprepes (Eupr.) Per'rotetii Dum. Bibr. , Euprepes (Eup>r.) Peter Bocage, Philothamnus irregularis L e a c h , Philothamnus dorsalis Bocage, Leptodira rufescens G m e - lin, Boodon geometrieus Schlegel, Rana angolensis Bufo

guineensis Schlegel und eine neue Schlange, der Gattung Ablabes angehörig.

Ablabes Homeyeri n. sp.

Körperschuppen in nur elf Längsreihen. Kopf doppelt so lang wie breit. Acht Supralabialia, das 4. und 5. ans Auge stos- send; acht Infralabialia, die drei letzten klein, das 1. mit dem der andern Seite zusammenstossend; zwei Paar ziemlich lange Submen- talia. Nasenloch zwischen zwei Nasalia, welche viel höher sind als das lange Frenale. Frontale und Parietalia sehr lang gestreckt. Ein Anti-, zwei Postorbitalia. Abdominalschilder 149, 1 getheil-

i

4

4. A.naialensisPirs, PIIjpeToluisleplosomus Pirs, 6:lLadspersi[s Ptrs

Gez.u,Iith.y.J,D.L.&anzWagner, Berlin, 'Ki,!nstmstaltY.C.Böhm

vom 29. Octoher 1877.

621

tes Anale. Der Schwanz ist abgebrochen bis auf einen kurzen Stummel, der an der untern Seite paarige Schuppen zeigt.

Der Kopf ist oben dunkel olivenbraun mit drei gelben Quer- binden oder Linien: die erste unmittelbar hinter den Augen, die zweite über der Mitte der Parietalschilder, die dritte am Hinter- haupt. Hinter der letzteren zwei breite dunkle, durch eine schmä- lere gelbe Binde getrennte Querbänder. Darauf folgt auf dem Rücken eine mittlere olivenbraune Längsbinde, welche anfangs eine, dann drei Schuppenreihen und auf der Schwanzbasis zwei Schup- penreihen einnimmt und gegen die grünlichgelben Seiten durch eine unterbrochene schwarze Randlinie scharf abgesetzt ist. Längs der Mitte der letzten und vorletzten Schuppenreihe eine braune Längs - linie, welche sich auf den Schwanz fortsetzen. Unterseite mit Ein- schluss des Oberlippeurandes gelb, die Bauchschilder jederseits an der Stelle, wo sie sich nach oben krümmen, mit einer rothen Längs- linie.

Kopflänge 0,0105; Kopfbreite 0,005; von der Schnauzenspitze bis zum After 0,325.

Derselbe legte ferner vor: Übersicht der Fische aus

Chinchoxo und anderen Gegenden Westafrikas, welche die Afrikanische Gesellschaft dem Berliner zoologischen Museum übersandt hat, bearbeitet von Hrn. Dr. A. Reichenow.

1. Mesoprion griseus C. V.

2. Pristipoma Perroteti C. V.

3. Ilapalogenys atlanücus Rchw. n. sp.

D. 10/21, A. 3/15, L. 1. 55, L. tr. 10/20.

Körperhöhe einhalb der Körperlänge (ohne Schwanzflosse). Augendurchmesser grösser als der Augenabstand, vier mal in der Kopflänge enthalten. Kopflänge ein Drittel der Körperlänge (ohne

') Die Arten ohne Angabe der Fundorte stammen aus Chinclio.xo.

622

Sitzung der i)liysikaliscli-matliematischen Klasse

Schwanzflosse). Oberes Profil des Kopfes über dem Auge schwach concav. Kinn mit dicht gestellten kurzen Papillen besetzt.

Gelbbraun (in Alkohol) mit fünf dunklen Querbinden über die Körperseiten. Die erste vom Nacken vor ' der Rückenflosse aus- gehend, die beiden folgenden vom Anfang und Ende der stachligen Rückenflosse, die vierte von der weichstrahligen Rückenflosse. Die fünfte läuft quer über den Schwanz. Der weichstrahlige Theil der Rückenflosse, Bauch- und Analflossen schwärzlich, die übrigen hellfarbig.

Das vorliegende Exemplar ist 28 Ctm. lang. Es wurde in Chinchoxo gefangen.

Diese neue Art ist dem Hapalogenys nigripinnis Temrn. & Schl, sehr ähnlich, unterscheidet sich aber von diesem sofort durch die grössere Zahl der Rücken- und Anal-Strahlen, sowie durch grös- sere Schuppen.

4. Drepane punctata C. V.

5. Pentanemus quinquarius Lin.

Gi Sq)hyraena afra Ptrs.

7. Pseudotolithus typus Bl kr.

8. Argyreiosus setip>innis Mitch.

9. Micropteryx chrysurus Lin.

10. Porthmeus argenteus C. V.

11. Licliia amia Lin.

12. Trachynotus angustus Rchw.

Sitzungsb. d. Ges. Naturforsch. Freunde, Berlin d. 21. Dec. 1875 S. 147.

13. Psettus sehae C. V.

14. Batraclius congicus Rchw. n. sp.

D. 3/17, A. 14.

Körper mit kleinen Schuppen bedeckt. Kopf wenig länger als breit, länger als einhalb des Körpers (ohne Schwanzflosse). Kiemendeckel mit vier nach hinten gerichteten Stacheln, wovon zwei dem Operculum, zwei dem Suboperculum angehören. Ober- kiefer bis über den hinteren Augenrand hinausreichend. Auge

vom 29. Octoher 1877.

623

kürzer als die Schnauze. Kurze conische Gaumen- und Yomer- Zähne, welche in zwei bis drei unregelmässige Reihen geordnet sind. Zähne der Kiefer ebenfalls kurz und conisch ohne grössere Eckzähne, die des Unterkiefers vorn in drei bis vier unregelmäs- sige Reihen geordnet, seitlich in zwei Reihen. Maul mit Tenta- keln umgeben, von welchen die zwischen den Nasenlöchern ste- henden am grössten sind. Achselgrube vorhanden.

Oberseite braun mit dunkler Marmorirung. Unterseite weiss- lich, auf der Kehle mit netzartiger brauner Zeichnung. Rücken-, Brust- und Schwanzflossen wie die Oberseite gefärbt, erstere mit schräg über die Flosse laufenden dunklen Binden, Brustflossen mit Querbinden, letztere mit rundlichen Flecken. Analflosse weisslich mit schrägen braunen Binden.

Das vorliegende Exemplar hat eine Länge von 28 Ctm. Chinchoxo.

Characteristisch für diese neue Art sind insbesondere die ge- ringe Zahl der Weichstrahlen in der Rückenflosse und Analflosse und die Färbung.

15. Gobius Schlegeli Gthr. Quill u.

16. Perioplitlialmus papilio Bl. Schn.

17. Ctenopoma 7iigropannosum Rchw.

Sitzungsb. d. Ges. Naturf. Freunde, Berlin d. 21. Dec. 1875 S. 147.

18. OpMocepbalus obscurus Gthr.

19. Chromis niloticus Hasselqu.

20. Citharickthys spilopterus Gthr. Quillu.

21. Clarias gabonensis Gthr.

22. Chrysiehthys furcatus Gthr.

23. Exocoetus acutus C. V.

24. Exocoetus evolans Lin. Sierra Leone.

25. Haplochilus spilauchen Dum. Quillu.

26. Pellona africana Bl.

27. Op>JiichtJiys semicinctus Rieh.

[1877]

45

624 Sitzung der jyfiys.-math. Klasse votn 29. Xovemher 1877.

28. Muraena melanotis Kaup,

29. BaUstes maculatus Gmel.

30. Tetrodon guttifer Benn.

31. Tetrodon laevigatus Lin.

32. Leptocarcharias Sinithii M. & H.

33. Acanthias vulgaris Risso.

34. Sphyrna zygaena Lin.

35. Ehinobatus Halavi Forsk.

36. Xarcine brasiliensis v. Olf.

37. Trygon margarita Gthr.

38. Pteroplatea hirundo Lowe.

39. Aetobatis narinari Euphr.

In Ferd. Dümmler’s Verlagsbachhandlang sind folgende

akademische Abhandlungen aus den Jahrgängen 1874 bis 1877 er- schienen ;

Hage5, Messung des Widerstandes, den Planscheiben erfahren, wenn sie in normaler Kichtnng gegen ihre Ebenen durch die Luft bewegt werden. 1874. Preis: I M. 50 Pf.

F. Haems, Über den Begriff der Psychologie. 1874. Preis: 1 M. 50 Pf.

Hacpt, Marci Diaconi rira Porphyrii Episcopi Gazensis. 1874. Preis: 1 M.

KüiniER, Über die Wirkung des Luftwiderstandes auf Körper von verschie- dener Gestalt, insbesondere auch auf die Geschosse. 1875. Preis: 4 M.

A. Kirchhoff, Gedächtnissrede auf Moriz Haupt. 1875. Preis: 75 Pf.

A. Kirchhoff, Über die Redaction der Demosthenischen Kranzrede. 1875.

Preis: 2 M.

Schott, Zur Uigurenfrage. 1875. Preis: IM.

E. Rödigee, Über zwei Pergamentblätter mit altarabischer Schrift. 1875.

Preis: 1 M.

R. Herchee, Über die Homerische Ebene von Troja. 1875. 2. Aufl.

Preis: 1 M.

Reichert, Zur Anatomie des Schwanzes der Ascidien-Larven. 1875. Preis: 5M.

Brcss, Die L'nterschriften in den römischen Reehtsurkunden. 1876. Preis: 4M.

CcRTics, Die Plastik der Hellenen an Quellen und Brunnen. 1876. Preis: 2 M.

Dove, Die Witterung des Jahres 1875 und Anfang 1876. Preis: 2 M. 50 Pf.

Zeller, Über teleologische und mechanische Naturerklämng in ihrer Anwen- dung auf das Weltganze. l876. Preis: 1 M.

Harms, Über den Begriff der Wahrheit. 1876. Preis: 1 M. 50 Pf.

Virchow, Beiträge zur physischen Anthropologie der Deutschen, mit beson- derer Berücksichtigung der Friesen. 1876. Preis: 20 M.

Schott, Über einige Thiemamen. 1876. Preis: 1 M.

G. Rose & A. Sadebebk, Über die Krystallisation des Diamanten. 1876.

Preis: 4 M.

Bersats, Die unter Philon’s Werken stehende Schrift über die Unzerstör- barkeit des Weltalls nach ihrer ursprünglichen Anordnung wiederherge- stellt und ins Deutsche übertragen. 1876. Preis: 4 M.

A. Kirchhoff, Zur Geschichte des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 1876. Preis: 2 M. 20 Pf.

Weierstrass, Zur Theorie der eindeutigen analvtischen Functionen. 1876.

Preis: 3 M.

Weber, Pancadandachattraprabandha. Ein Märchen von König Vikramäditya. 1877. Preis: 5 M.

Lepsics, Die babylonisch-assyrischen Längenmaafse nach der Tafel von Sen- kereh. 187 7. Preis: 4 M.

Hage5, Vergleichung der Wasserstände der Ostsee an der Preussischen Küste. 1877. Preis: 1 M.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN.

November 18TT.

Mit 5 Tafeln.

BERLIN 1878.

BUCHDKUCKKKEI DER KGL. AKADEM1E_ DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. CNIVERSITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’s VERLAGS-BUCHHANDH'NG.

HARRWITZ CND G08SMANS.

M O N A T S E R I C H T

DER

KÖNIGLICH FREUSSISCHEN

AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN

zu BERLIN.

November 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Kummer.

1. November. Gesammtsitzimg der Akademie.

Hr, W. Peters legte vor:

Übersicht der Steinkorallen aus der Familie der Madre- poraria aporosa, Eupsammina und Turhinarina , welche auf der Reise S. M. S. Gazelle um die Erde gesammelt wurden; bearbeitet von Prof. Dr. Th. Studer in Bern.

Die auf der Reise S. M. S. Corvette Gazelle gesammelten Steinkorallen worden theils mit dem Schleppnetz aus grossem Tiefen gefischt, theils auf den Korallenriffen erlangt. Von Riö'- korallen lieferten das Material hauptsächlich die Galewostrasse zwischen der Insel Salwatti und Neu Guinea, in deren wenig be- wegtem Wasser namentlich blattartige Formen aus der Klasse der Fungidea gedeihen, die Inseln Neu Hannover, Neu Irland und Neu Britannien mit ihren mächtigen Saomriffen, welche die ganze Gruppe umgürten, die Insel Bougainville, die westlichste des Salomonar- chipel, und die Insel Matuku in der Fidjigruppe. Da die geogra- phische Verbreitung der RifiTiorallen bis jetzt noch wenig ver- folgt ist, so habe ich für nöthig gehalten, die sämmtlichen gesam- melten Arten mit ihren Fundorten aufzuführen. Dieselben sind alle am Orte ihres Vorkommens gefischt worden und daher der jeweilige Fundort zuverlässig.

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Ge*ammUU:nng

Die Bestimmung der Korallen gehört zu den schwierigeren Aufgaben, da viele Arten nur mangelhaft charakterisirt sind ond wir ausser den in Dana 's Prachtwerke abgebildeten Korallen nur wenig gute Darstellungen dieser Thierformen besitzen. Es war mir daher von grossem Nutzen, die reichen Sammlungen der kö- niglichen Museen in Berlin vei^leichen zu dürfen, welche mir zu diesem Zwecke Herr Professor Peters in liberaler Weise zur Verfügung stellte, wofür ich hier sowohl Herrn Prof. Peters als Herrn Professor v. Martens für ihre liebenswürdige Unterstützung meiner Arbeiten meinen Dank ausspreche.

Zu der Aufzählong der Arten ist das Mil ne Ed ward’ sehe System zu Grunde gelegt worden.

A. Aporosa.

1- TurhinoUda.

Caryophyllia elarus Scacebi. Für die Bestimmung dieser Art. zu welcher Duncan noch C. Smithii, C. borealU^ elcngata. ex*erta u. epiihecata zieht, scheint ein von Mi Ine Edw. u. Hai me erwähntes Kennzeichen am meisten charakteristisch zu sein, näm- lich die reihenweise Anordnung der gewundenen Lamellen, welche die Columella darstellen. Man findet dieses Kennzeichen bei allen

1

von Duncan dazu gezogenen Varietäten ausser bei C. rar. e. epi- i thecata Dune, welche wohl als eigene Art zu betrachten ist- Das Originalexemplar von Philipp! in der Berliner Sammlung, das eine | seitliche Knospe trägt, weicht von den vorliegenden ab dadurch, dass der Kelch gerade ist. während der der Knospe eine Krüm- ] mung zeigt. Die Septa sind dünner und schwächer granulirt als bei meinen vorliegenden. Besser stimmen meine Exemplare mit der AbbUdnog von Duncan Tf. 48 Fig. 9 u. 10, nur sind die Rip- pen. welche den Septen 1 u. 2. Cycl. entsprechen, weniger mar- kirt. Die zahlreichen Exemplare welche an der Westseite Afrikas * gedredscht wurden, sind tbeils aufgewaebsen auf abgestorbenen Kel- chen derselben Art, .Muschelschalen, .Steineben, viele sind frei. Die Höhe des Kelches schwankt zwischen 20 u. 15 mm., die Öffhg. , meist ^elliptisch, Breite zu Länge 1 : 2. Die meisten Kelche sind gekrümmt bald nach dem langen, bald nach dem kurzen Durch- /

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messer. selten gerade, in diesem Falle war die Kelchoö'nung mehr circülaer. Die Farbe der Treichtheile weiss.

Vorkommen: Fand sich bei Drag. IX in B. 27'.8 X. n. L.

11° 20', 2 W. in 37 Faden in grosser Menge, alle Exemplare waren abgestorben. Der Grund war ein schwarzer Schlick. Die mit ihnen an die Oberfläche gebrachten zahlreichen Muscheln und Schnecken waren ebenfalls abgestorben, lebend fanden sich nur M*ürmer und Dentalien.

Die gleiche Art fand sich in B. 40' X. u. L. 9” 10,6' W. in 59 'Faden. Der Boden bestand hier ans Sand und Muscheln und der Abscheuerung, welche die Drague zeigte, nach, aus Felsgrund. Die meisten Exemplare waren hier lebend mit weissen MTeichthei- len, theils festgewachsen, theils frei, mit ihnen fanden sich zahl- reiche Echinodermen, Bryozoen, decapode Krebse und Muscheln, namentlich häufig Nenophora cri-spa. Ich schloss, dass das mas- senhafte Vorkommen Ton todten Exemplaren bei IX eine nachträg- liche Veränderung der Meeresbodenbeschaffenheit anzeige, die ent- weder auf einer Hebung beruhe oder darauf, dass ursprünglicher Saud- oder Felsbodeu mit Schlamm überzogen wurde und dadurch die Existenzbedingungen für die Caryophyllien aufhörren.

Sonstiges Vorkommen: Fossil im älteren Pliocaen von

Sicilien im Mittelmeer, norwegische Küste und MTestküste Irlands. In der Cartagena Bay, am Telegraphenkabel v. Malta, Hebriden, Florida in 100 Faden, Irland 705 Faden, Küste von Valentin 110 Faden.

Die Verbreitung der Art würde sich demnach über das ganze Gebiet des atlantischen Oceans n. v. Äquator erstrecken.

Caryophyllia arcuata M. E. u. H. Das einzige vorliegende Exemplar stimmt mit der Beschreibung von M. Edw. überein und kommt auch der .\bbildung welche Duncan pl. 43 Fig. 1-4 davon giebt, sehr nahe. Der Kelch ist lang gestielt, die Basis leider ab- gebrochen, der Stiel vollkommen glatt bis der Länge, Duncan giebt 8 gewundene Blätter an, welche die Columella bilden, in die- sem Falle sind nur 4 vorhanden. Höhe des Kelchs 23 mm., Durch- messer 8 mm.

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Gesammtsitzung

Vorkommen: Nur 1 todtes Exemplar fand sich in 50 Faden

westl. von Madeira 2 M. von der Küste, der Grund bestand aus Sand, Gesteinsgeröllen und Muschelschalen.

Sonstiges Vorkommen: Tertiär in Castel Arquato uud

Messina. Am französ. Mittelmeerkabel in 2000 Meter, in 228 Faden Hebriden und 304 Faden w. v. Portugal.

Paracyathus con/erius Pourt. Dahin rechne ich eine Art Paracyathus, welche sich in B. 15. 52 N. u. L. 23. 8 W. Drag. IV in 115 Faden lebend fand.

Von Paracyathus dessen meiste Vertreter tertiär sind, hat Philippi zwei Arten, P. pulchellus u. strialus aus dem Mittelmeer beschrieben, Arch. f. Nat. 1842. Beide befinden sich im Berliner Museum. Sie unterscheiden sich beide von der vorliegenden Art einerseits durch die Form und Grösse, anderseits dadurch, da.ss die Pali einfach sind. Gelappt sind die Pali bei Dun ca ns P. Agassizii, welche aber nur 4 vollständige Cyclen und einen 5. un- vollständigen besitzt.

Mit P. confertus Pourt. stimmt unser Exemplar durch den Be- sitz von 5 C}'clen überein, Pourt ales giebt nicht an, ob bei seiner Art die Pali gelappt sind, nur dass die zahlreichen Pali schwer von den Papillen der Columella zu unterscheiden sind, während bei unsrem Exemplar die Pali durch die weisse Farbe und ihr dichtes Gefüge sich leicht erkennen lassen. Vorläufig mochte ich P. con- fertus, Agassizii und die vorliegenden 2 Exemplare für identisch halten. Die Kelchhöhe ist 15 19 mm., die Kelchöffnung 10:7 mm.

Sonstiges Vorkommen nach Pourtales: Florida 36 125 Faden, 315 Faden todt. Azoren.

Nach Duncan in 248 Faden Drg. 19.

13 athy cy athus elegans n. sp. (Fig. 1 a. b. c. d.) Von den drei bis jetzt lebend bekannten Arten, welche sämmtlich aus tieferen Wasser stammen, hat unsre Form mit D. chilensis u. indicus ge- mein, dass 5 Leistencyclen entwickelt sind, während bei B. atlan- ticus Dune, nur 4 und nur in einigen Systemen 5 vorhanden sind, eigenthümlich für ihn ist besonders die starke Entwicklung der Rippen, die durch tiefe Furchen von einander getrennt sind, welche

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letztere die Wand des Kelches so sehr verdünnen, dass derselbe sehr leicht in den Furchen durchbricht. Der Kelch ist umgekehrt kegelförmig, stark ausgebreitet, in der Jugend von kreisrundem Um- fang, später mehr oval, entweder mit breiter Basis aufgewachsen oder frei, im letzterem Falle verdünnt sich die Basis stielartig, um sich schliesslich zu einer platten senkrechten Lamelle auszubreiten, deren unterer Rand abgerundet ist. Die Septa ragen stark über die Kelchwand empor und kennzeichnen sich von aussen als starke Rippen, die bis zur Basis reichen und stark gekörnelt sind. Jedes Septum ist mit radiär angeordneten Linien geziert auf denen stark vorragende Wärzchen sitzen. Die Septen des 1 und 2. Cyclus ra- gen am meisten hervor, dann folgen an Höhe die des 5. Cyclus, ein Charakter, den Milne Edwards als Gattungsmerkmal verwendet. Die Columella ist sehr tief und schwach entwickelt, ebenso die Pali, Die Höhe des Kelchs beträgt 23 mm., der Durchmesser 18 mm. Einen sehr hübschen Anblick gewährt der Polyp dadurch, dass die Septen und die ihnen entsprechenden Rippen 1. und 2. Ordnung intensiv braun gefärbt sind, während die andern weiss sind, ebenso sind die Weichtheile pigraentirt.

Bei Drag. IV. wurden mit dem vorigen 5 Stück lebend herauf- gebracht, zwei frei und 3, worunter ein junges Exemplar mit nur 4 entwickelten Leistencyclen, mit breiter Basis aufgewachsen auf Bruchstücken abgestorbener Individuen. Die grösseren brachen lei- der schon beim Aufholen in Stücke gewöhnlich längs den Kam- mern des 4. Cyclus spaltend.

D esmoplujlUim gracile n. sp. (Fig.2a.b.). An dem einzigen Exemplar, welches in B. 34° 9,9 S. u. L. 172° 35,8 aus 90 Faden lebend gefischt wurde, lässt sich das Vorhandensein von Trabekeln nicht constatiren, vorläufig stelle ich das Thier zu Desmophgllim.

Das Polypar umgekehrt kegelförmig, langgestielt, der dünne Stiel mit blattartiger Basis aufgewachsen. Der Kelch ist aufrecht im obern Drittheil etwas winklig gebogen, an der convexen Seite der Krümmung ist eine Narbe zu erkennen, die das frühere Vorhan- deusein einer Knospe andeutet, welche ungestielt gewesen sein muss. Die Wand ist unten glatt, nach oben erscheinen feine flache Längsstreifen. Der Kelch ist wenig oval, die Septen sehr dünn, wenig die Kelchwand überragend, mit geraden scharfen Rändeiai, glatt. Drei Cyclen, von denen der erste und zweite gleich gross.

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Gesammtsitzung

der vierte in einigen Systemen nur angedeutet ist. Der Kelch sehr tief. Das Thier hat eine langgestreckte Mundspalte und cylindri- sche Tentakel. Milchweiss. Höhe 29 mm., Kelchdurchmesser 11, Querdurchmesser 8 mm.

Flabellum Thouar sii M. E. u. H. Derselbe wurde an der Ostküste Patagoniens aus 63 Faden, in B, 47° 116" S. u. L. 63°

29.5 W. lebend gefischt. Die Exemplare stimmen mit der Be- schreibung und Abbildung M. E,, w'elcher sie von den Falklands- inseln kannte. Die Höhe der vorliegenden Kelche beträgt 22 mm. Der Längsdurchmesser 23 mm. Querdurchm. 14 mm. Die Wand zeigt zarte concentrische Anwachsstreifen, bei einem Exemplar ist eine feine Narbe vorhanden. Die Kelchwinkel sind verschieden in der obern und der untern Hälfte, unten 63°, oben 18°. Die Ten- takel sind kegelförmig, die Weichtheile milchweiss.

Flabellum latum n. sp. (Fig. 3 a. b.). Ein eigenthümliches gestieltes Flabellum fand sich lebend in B. 34° 16,8 S. u. L. 172°

59.6 O. in 45 Faden Tiefe. Der Becher ist stark comprimirt sehr breit und schmal, mit dünnem cylindrischen Stiel, der wahrschein- lich aufgew'achsen w'ar, er ist unten abgebrochen. Die Kelchwand ist glatt, nur mit concentrischen Anwachsstreifen, die Seitenkanten abgerundet, nur im untern Drittheil stumpf gekielt. Der Kelch- rand ist stark convex, die Differenz der Ebenen beider Durch- messer beirägt 16 mm. 6 Cyclen, wovon 3 gleich gross, daher scheinbar 24 Systeme. Die Septen glatt, scharf mit senkrechten Rändern. Die Höhe des Kelchs beträgt 39 mm. Der grosse Durch- messer 56 mm., der kleine 15 mm., der Öffriungswinkel des Kelchs 112°.

Die Weichtheile zeigen die Tentakel kegelförmig, am Ende geknöpft, alle Weichtheile milchweiss.

Flabellum Marteneii n. sp. An der Ostküste Australiens kam aus 76 Faden in B. 26° 51,1 S. u. L. 153° 29,6 O. ein Fla- bellum todt herauf.

Dasselbe ist ungestielt, frei, mit breiter Basalnarbe. Mässig comprimirt mit seitlichen Cristen, die Wand ist glatt mit feinen concentrischen Amvachsstreifen, nur gegen den Rand zu sind feine Rippen zu erkennen. Der Offuungswinkel beträgt 50°, die Breite

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der Narbe 8 min. Die Cristen sind wellig, sie bilden eine scharfe Hervorragung an der Basis und eine an der Spitze, dazwischen in der Mitte eine kammartige. 5 Cjclen, wovon 3 gleich gross, die Septen scharf, glatt, senkrecht abfallend, nach der Tiefe des Kelchs wellig gebogen. Der Kelchrand ist stark gewölbt, grosser Durchmesser des Kelchs 22 mm., kleiner Durchm. 10 mm., Höhe 19 mm.

2. OcuUnida.

Lophohelia tubulosa n.sp. (Fig. 8 a. b. c. d. e.). Eine äusserst zarte Lophohelia wurde in zahlreichen Exemplaren aus 150 Faden in B. 10° 6,9 N. u. 17° 16,5 0. 8 mm. westlich von Biijoga islands gefischt. Drg. VIII. Die niedrigen Stöckchen bestehn aus sehr dünnwandigen füllhornförmigen Kelchen von 10 11 mm. Höhe. Ihre Öffnung ist oval, der grössere Durchmesser 5 mm. der klei- nere 3 4 mm. Die altern Knospen entspringen von der Seiten- wand des Kelches, die Jüngern vom Kelchrand, oft drei von einem Kelche, wodurch die Stöckchen eine sehr unregelmässige Form er- halten. Die Wand der Kelche ist dünn und durchscheinend, ge- gen den Rand zu fein gestreift, nach unten glatt. Die Septen sind dünn und springen- sehr wenig weit vor. Es lassen sich 24 unterscheiden in 4 Cyclen, doch sind die Septen sehr ungleich, die grössern überragen den Kelchrand und sind schneidend. Die Kelche sind sehr tief, ihre Wand verdickt sich nach der Basis zu wenig, erst in der Tiefe treten Dissepimente zwischen den Septen auf, doch ist meist der Kelch bis zum Grunde hohl. Jüngere Knospen communiciren direckt mit der Leibeshöhle der Mutter. Die Farbe der Weichtheile ist zart rosaroth, welche Farbe durch den Kelch durchscheint, so dass der weisse Stiel einen ro- safarbenen Becher trägt. Schön ist die Bildung der Knospen zu verfolgen. Diese geht immer vom Kelchrande aus. Der Kelch- rand beginnt an einer oder mehreren Stellen tüllenartige Ausbuch- tungen zu bilden, dieselbe ist begrenzt von zwei scharfen, hohen Septen 1. und 2. Ordnung, die sich auf den Rand der Tülle fort- setzen. Auf diese setzen sich noch ein Septum 3. und zwei Septen 4. Ordnung fort. Mit dem Höhenwachsthum des Kelchrandes krümmen sich nun die Ränder der ausgebuchteten Kalklamelle immer mehr nach oben, bis sie zusammen zu einer nach der

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Gesammtsitzung

Kelchhöhle und aussen zu offnen Röhre verwachsen. Dabei setzen sich die Falten des Kelches in die gebildete Röhre fort, während sich gegenüber drei neue Falten bilden; wir haben nun eine seit- liche an der Wand entspringende Knospe mit 6 Systemen, deren Leibeshöhle direkt mit der des Mutterkelches communicirt. Die Knospe wächst rasch in die Länge und vermehrt durch neue Fal- tenbildung ihre Systeme. Erst mit zunehmendem Wachsthum bil- det sich an der Basis der Knospe eine feine Kalklamelle, welche dieselbe vom Mutterthiere abschliesst. 6 Septen fanden sich noch bei Knospen von 3 mm. Länge und 2 mm. Durchm., 12 Septen bei Knospen von 6 mm., Durchm. 3 mm. Die Knospe communicirte noch mit dem Mutterkelch. Bei Knospen von G mm. Länge, Kelch- weite 3,5""“ und vollständiger Septenzahl ist der Kelch unten geschlos- sen. Neue Knospen e^sprangen an Kelchen von 7 mm. Die Stellung der Lophohelien bei "äeui Oculiniden ist von Duncan angegriffen worden. Da sich die Becher nicht von unten her ausfüllen, son- dern nur unregelmässige Dissepimente zwischen den Septen bilden, will er sie den Astraeiden mit ungezähnten Septen, speciell den Sty- linacees independentes beigesellen. Die Beobachtung der mit dem Mutterthier communicirenden Knospen und die geringe Entwick- lung der Septen ergiebt bei unsrer Form noch einen andern Ver- wandtschaftsgrad, nämlich mit den fossilen Formen der Tubulosa, speciell den Auloporen. Bei diesen bildet das Sklerenchym einen geschlossenen Kelch, die Stücke sind knospend, die Bauchhöhle leer, die Septen kaum entwickelt, die Knospen gegenseitig commu- nicirend, alles Charaktere, welchen die Jugendformen unsrer Lophoh. entsprechen.

Auch bei L. proUfera finde ich bei Jüngern Individuen die Leibeshöhlen der Knospen mit denen des Mutterthiers communici- rend, bei der Abbildung von L. proWfera von Pourtales, Deep Sea Corals PI. 1 Fig. 4-5 sind ganz analoge Stadien der Knospen- bildung dargestellt.

Stylasteridae Gray. Die Familie der Oculinidae hat seit Milne Edwards u. Haime mannigfache Umwandlungen erfahren. Duncan scheidet daraus die Gattung Amphihelia, die er zu den TurbinoUdae als Division Gemmantes der Trochocyathaceae rechnet, weil die Visceralhöhle offen bleibt und keine Dissepimente sich entwickeln, andrerseits entfernt er Lophohelia von den Oculiniden

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lind rechnet sie zu den Astraeidae., in die Unterfamilie der Eusmi- linae, Division StiUnaceae als Stylin, independentes. Bei Lopho- helia füllt sich nämlich nicht die Kammer von unten auf, wie bei den Oculiniden und es entwickelt sich kein äusseres Coenenchym. Danach sollen sie mit Dendrosmilia, Stylosmilia u. Placophyllia zusammenfallen. Zu den eigentlichen Oculiniden rechnet er dann die Genera Milne E. u. Hai me s und die Stylasteridae Gr.

Andrerseits scheidet Fourtales aus der Familie der Oculini- dae bloss die Stylasteridae und bringt sie in eine besondere Fa- milie, die den Eupsammidae und Ecliinoporidae nahe stehn soll, in- dem auch bei den Stylasteridae das Coenenchym mit Poren durch- bohrt ist, mit ihnen vereinigt er wie Gray die Gattungen Disticlio- pora, Lepidopora und Errina, Axohelia vereinigt er mit Madracis.

Allopora madeirensis Johnst. Zwei Zweigstückchen von 2 cm. Hohe dieser zierlichen Form kamen mit dem Schleppnetz westl. von Madeira aus 50 70 Faden. Dieselben stimmen genau mit der Beschreibung und Abbildung von Johnst. in Proceedings of the Zoological soc. of London. Juni 1862 überein. Johnston rechnet die Form zu Allopora, weil die für Stylaster charakteristi- schen Poren und Ampullen fehlen, andrerseits würde für Stylaster die regelmässige Anordnung der Kelche an den Zweigen sprechen. Die Anordnung der Kelche weicht übrigens ebenso von Allopora wie von Stylaster ab, die Öffnungen derselben sind nämlich an dem fächerartig ausgebreiteten Stock alle nach einer Fläche hin gerich- tet, wie dies bei Cryiitolielia u. Endohelia der Fall ist. Auch sehn wir am Stamm nur eine Reihe querverzogener Kelche nach der- selben Richtung hin angeordnet. Eigenthümlichkeiten die mit dem compakten Coenenchym vielleicht ein neues Genus berechtigen würden.

Cryptohelia pyudica M. E. u. Haime. Drag. 60 aus 597 Faden in Br. 35° 21' S. u. L. 175° 40' O., lebend 3 Exemplare, in Drag. 62: Aus B. 14° 52,4 S. u. L. 175° 32'7 W. in 904 Faden

todt. Die vorliegenden Exemplare halte ich nach der Beschreibung von Milne Edwards und den Abbildungen mit dieser Art für iden- tisch. Das am meisten erhaltene Stückchen, fächerförmig ausge- breitet, ist 18 mm. hoch, der Stamm dick, die Zweige schlank, cy- lindrisch, die Kelche im Durchmesser zwei Millim., breiter als die

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Gesammtsitzung

Äste. Die Lippe, ^Yelche den Kelch bedeckt, überragt die Fossa, Avelche sie vollständig bedeckt. Sie bricht sehr leicht ab. Septen sind 24. Die Weichtheile sind weiss.

Der Stamm zeigt eine eigenthümliche Wucherung. Er ent- hält nämlich eine Höhlung, die nach aussen von einer dünnen Kalklamelle gebildet wird, nach oben und unten ist eine Öffnung. In der Höhlung wohnt eine kleine Eunicide. Die Höhlung ist wahrscheinlich dadurch entstanden, dass der Wurm sich an den Stamm festgesetzt hat, dadurch einen Reiz auf das Coenenchym ausgeübt hat, das nun lamellenförmig überwucherte. Das Exem- plar von Milne Edwards stammte ursprünglich von Neu Guinea. Nach den Briefen von Willamoes Suhms vom Challenger in der Z. Z. Bd. 1S75 wurde Crgptohelia bei Fidji und Tonga in 100 300 Faden und a. a. Orten zahlreich gedredscht, Fourtales fand eine ähnliche Form, Crgptohelia Peircei, die sich wenig unter- scheidet, sie hat weniger und geringer entwickelte Septa auch eine etwas schwächer entwickelte Lippe, in der Floridastrasse in 270, 262, 324 und 600 Faden, dort todt. Deninach scheint in beiden Oceanen Crgptohelia eine verbreitete Form in mittleren Tiefen zu sein.

S t gl ast er. Die Gattung Stglaster ist von Allopora nur da- durch unterschieden, dass die Kelche an den Zweigen bei Stglaster in alternirendeu Reihen stehen, während sie bei Allopora unregel- mässig zerstreut sind, mit andern Worten, bei Allopora wird auch an den Ästen, wie am Stamm ein Coenenchym entwickelt, während dieses an den Ästen bei Stglaster fehlt, ausserdem besitzt Allopora nach Milne Edw. ein ganz glattes Coenenchym, während dasselbe bei Stglaster Höcker und Warzen trägt; einen direkten Übergang zu Allopora bildet der Stglaster granulosus M. E. u. II., wo die Kelche an den Zweigen zerstreut stehn, das Coenenchym noch warzig ist. Nach M, E. u. H. zerfallen die Stglaster in drei Grup- pen, erstens solche, bei denen die Kelche an dem fächerförmig aus- gebreiteten Stock nur gegenständig in Reihen stehn, dahin St. Jla- helliformis Lam., gracilis M. E. u. II., ßlogranus Pourt., punctatus Pourt. u. Duchassaingii V ou rt., zweitens solche, bei denen ausser den gegenständigen Kelchen noch auf Stamm und Ästen Kelche zer- streut stehn. Dahiu Stglaster roseus Pall., sanguineus Vac., gein- mascens Esp., erubescens Pourt. u. complanatus Pourt., endlich

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solche, bei denen die Kelche zerstreut auf den Ästen stehn. St. granulosus M. E. u. H.

Zur ersten Gruppe gehört ein Stylaster, der in Br. 34. 9 S. u. L. 172° 35,8 0. aus 90 Faden, nördlich von Three King islands gedredschgt Avurde. Drg. 58.

St. laevis n. sp. (Fig.5a.b.). Glattes Stänimchen, mit brei- ter Basis aufgewachsen die ZAA’eige in einer Ebene ausgebreitet. Das Stämmchen ist schwach gebogen und spaltet sich in 30 mm. Höhe in zwei glatte Äste, die unter spitzen ^A"inkeln von einander abstehn. Stamm und Äste tragen kurz gestielte Kelche gegen- ständig an den schmalen Kanten, einzelne Kelche an den Ästen tragen kleine Seitenknospen. Die Kelche haben einen Durch- messer von 1 mm., Septa 12, welche nicht die Kelchwand über- ragen. Das Coenenchym zeigt unter Loupenvergrösserung eine etwas rauhe Oberfläche, rein weiss.

Styl aster /lab elli/o rmis M. E. u. H. Feine Ästchen dieser zierlichen Art wurden in Bougainville, Salomonsinseln, erlangt.

Stylaster verrucosus n. sp. (Fig. 6 a. b.). Mit Cryptohelia pudica aus 597 Faden. Kurzes breites Stämmchen von 4 mm. Breite, aus dem in stumpfen Winkeln fächerförmig dünne, nicht coalescirende Zweige entspringen. Das ganze Stückchen 15 mm. hoch. Die Zweige sind dünn und bestehen aus alternirend aus- einander entspringenden Kelchen, deren ÖlTnungen nach der Seite des Fächers zu gerichtet sind, jeder Kelch ist kurz gestielt. Die Kelchöffnung ist kreisrund mit 12 gleich grossen Septen, Durch- messer 1 mm. Das Coenenchym des Stammes, der keine Kelche trägt, ist fein gestreift und bedeckt mit kleinen, dicht stehenden Wärzchen, deren Spitze von einem Forus durchbohrt ist. Weiss. Auch hier besitzt der Stamm eine Höhlung die durch ein dünnes, sich über den Stamm erhebendes Kalkblatt gebildet wird und eine untere und zwei obere Öffnungen trägt. Auch in dieser hielt sich eine Eunicide auf.

Zur zweiten Gruppe.

Styl aster obliquus n. sp. (Fig. 7 a. b. c. d.) mit St. laevis in 90 Faden Drg. 58. Ein dicker, glatter Stamm von 6 mm. Dicke spaltet sich in 36 mm. Höhe in zwei dicke glatte Äste von je 5 mm. Durchmesser, beide sind oben abgebrochen. Seltener

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Gesammtfitzung

vom Haoptftamm ah von den Ästen entspringen nach zwei Seiten hin eine Anzahl rasch sich dichotom verästelnder Zweige unter stampfen oder rechten Winkeln, die gegenseitig nicht coalesciren. Die Zweige trogen altemirende, kurz gestielte Becher, deren Öffnung schief auf die Ausbreitongsebene der Aste und Zweige gerichtet ist. Auch am Stamm entspringen kurz gestielte Becher. Die Becher sind am Stamm mehr kreisrund an den Zweigen queroval. Durchmesser 1 1,5 mm., 12 18 Septa, die nicht über den Rund des Kelches vorspringen und nach innen sich bedeutend verschmä- lern. Das Coenenchym ist fein gesUeift und zeigt hier und da zerstreute Poren.

Allopora oculina Ehrb. Die 5 Exemplare, welche lebend in B. 33® 59 S. u. L. 17® 52 O. aus 50 Faden gedredscht wurden, stimmen mit dem Original«- semplar Ehren bergs in der Berliner Sammlung überein, nur sind sie etwas graciler und die Aste we- niger abgeplattet, als cylindrisch. Ein .Slöckchen von 20 mm. Höbe hat fächerförmig aasgebreitete Aste, ein anderes ist mehr baumfor- mig. Die Farbe des Stammes, sowie der Weichtheile war ein zartes Rosenroth, das aber in Alkohol rasch verschwand. Die- selbe Art sah ich im Capstadt museum, aus der Tafelbay stam- mend. A. miniata Pourt scheint nach Beschreibung und Abbil- dung wenig abzuweichen.

Stglopboridae. Zwei .Stylophoriden, zu Madracis gehörend, wurden bei Madeira in 50 Faden gefischt, eine zu derselljen Gat- tung g'.'hörende Art bei Bougainville, Salomonsinseln, in 40 Faden.

Madracis asperula M. E. u. Haime. Nur ein kleines Zweigstück von Madeira, das mit der Beschreibung .Mi Ine Edw. und einem Exemplar der Berliner Sammlung, ohne nähere Fund- ortsangabe, übereinstimmt.

Madracis Hellana Milne Edw. u. Haime. Nach .Mil ne Edw. unterscheidet sich J/. Hellana von asperula dadurch, dass der Stock incrustirend ist. und weniger verzweigt als M. asperula. Das Coenenchym schwach bedomt, die Kelche rund, wenig ge- drängt. Kelche 2 mm. Durchmesser. Damit stimmt eine Madra- ci«. welche in 48 Faden bei der Insel Bougainville gefischt w'urde.

vom 1. Xovemher 1877.

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Der Stock überzieht das Stammstuck einer Antipathes , von ihm erheben sich fingerförmige stumpfe, wenig verzweigte Aste. An der Spitze der Aste sind die 2 mm. im Durchmesser haltenden Zweige dichter gedrängt als an der Basis, wo das Coenenchym stark entwickelt, kaum porös und mit kleinen spitzen Dornen be- setzt ist. Die Farbe ist weiss.

Astrae ID AE.

1. Eusmüinae.

EuphylUa rugosa Dana. Ein Exemplar aus der Meer- maidstrasse, Xordwest- Australien, stimmt mit Abbildung und Be- schreibung Danas überein, nur sind die Rippen an der Kelch- wand weniger ausgeprägt. Dana fand sie an den Fidji.

2. Stylinaceae.

Galaxea fascicularis L. Fand sich sehr reichlich auf einem Riff in der Kaiserin - Augnstabay, Bougainvilleinsel. Sie bildete Stöcke an der Basis von Milleporen und Madreporen oder auf abgestorbenen Flächen von Astraeeu, oft bis an das Ebbe- niveau reichend. Die Tentakel sind lans und grün.

O O

Gala.xea cespitosa Dana, Verrill, non G. EUisii Miln. Edw. u. Hai me. Sie bildet flache oder schwach gerundete Massen, aus denen sich einzelne säulenförmige Parthieen erheben. Die Kelche haben einen Durchmesser von 6 7 mm., stehen dicht nebeneinander und sind häufig von ovalem Querschnitt. Milne Edwards u. Haime ziehen das Dana’sche Anthophyllum cae- pitosum zu ihrer Gala.rea Ellisii, welche aber viel kleinere Kelche von nur 4 mm. Durchmesser hat und keulenförmige Polypen.

Dana citirt die Art von den Fidjiinseln. Verrill von Sing- apore, von welchem Fundort sich auch Exemplare im Berliner Museum befinden. Die vorliegenden Stücke wurden bei Matuku, Fidjiinseln gefischt.

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Gesammtnitzung

LithophyUiacene.

Mussa tenuidentala Milne Edw. Dahin gehört ein baum- förmig verzweigter Stock aus der Galewostrasse. Der Charakter, dass die untersten Zähne der Septcn so gross wie die obersten sind, passt nicht auf alle Septen. Milne Edwards giebt als Fundort Singapore.

Mussa cosiata Dana.? Das Exemplar von Neu Irland lässt sich nicht mehr genau bestimmen, da überall der Rand der Septen abgebrochen ist, doch stimmt der allgemeine Charakter und die starke Entwicklung der scharfen Kelchrippen mit der Abbildung in Dana überein.

Mussa cactus Dana. Zu dieser Art gehört ein Zweigstück aus dem Cluergolf in Neu Guinea.

Symplnjllia sinuosa Quoy-Gaym. Dieselbe bildet hohe, schmale, oben flache Stöcke von 1 1 cm. Breite, 2.ö cm. Höhe, und .39 cm. Breite. Die Thäler erscheinen tiefer als bei Milne Edw. und Dana angegeben. Fand sich in Neu Irland.

Coeloria. Die Coelorien aus der Galewopassagr zeigen im* Allgemeinen die Charaktere bekannter ostindischer Formen, zeich- nen sich aber alle aus durch die schwächere Entwicklung der Hügel und die Schmalheit und geringere Tiefe der Thäler. Trotz- dem mögen dieselben bloss als Varietäten zu betrachten sein.

Coeloria lahyrinlhiformis L. var. tenera. Der Habitus, so- wie die Form der Thäler stimmt mit der als C. lahyrinthiformis bekannten Art, dagegen sind die Thäler nur 4 G mm. breit und 5 mm. tief. Die Hügel haben an der Basis eine Dicke von 2,5 3 mm.

Coeloria stricta Milne Edw*. u. Hai me. Hier sind die kurzen Thäler abweichend von der typischen Art, nur 4 mm. breit und 2 2^ mm. tief, während die Zahl der Septen auf 1 cm. über- einstimmt.

Coeloria sinensis var. ebendaher.

vom 1. Novemher 1877.

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Hydnopliora 2^olygonata Lam, Aus der Galewostrasse. Der Stock ist 30 cm. hocli, die polygonalen coalescirenden Aste sind relativ schlank bis 12 mm. Dicke. Auf 1 cm. kommen 12 der dünnen Septen.

Astraeaceae.

Cypliastraea microj)hth ahn a Lam. u. Milne Edw. non Ehrenb. Aus der Meermaidsstrasse, eine unregelmässig knollige Masse, in der die Zellen häufig etwas bervortreten.

Cyj>hastraea capitata n. sp. Der Polypenstock bildet eine gleichmässig abgerundete, kopfförmige Masse, 15 cm. hoch und 9 cm. im Durchmesser, mit breiter Basis aufgewacbsen. Das Coe- nenchym mit feinen verzweigten Dörnchen besetzt. Die Kelche sind annähernd kreisrund und ragen höchstens 1 mm. über das Plateau hervor. Ihr Durchmesser beträgt 2 mm. und der Abstand der einzelnen Kelche von einander 4- 2 mm. An der Basis treten sie weniger vor und stehn bis 3 mm. von einander entfernt. 3 Cyclen, die Septen des 1. u. 2. gleich gross, den Kelchrand überragend, schwach gezähnt am Rande und seitlich mit kleinen Dörnchen. Die Septen des dritten Cyclus sehr niedrig und schwach entwickelt. Die Columella ist ganz rudimentär.

Steht der C. Savignyi M. E. u. H. nahe, doch hat diese eine höckrige Oberfläche, die Kelche sind grösser und die Septen gröber. Fand sich in Neu Hannover im Nordhafen.

Astraea senegalensis M. Edw. u. Haime. Dieselbe steht der A. siderea Blainv. nahe, mit der sie die Eigenschaft theilt, fremde Körper, namentlich Muschelschalen zu überziehen, doch sind bei unsrem Exemplar die Kelche kleiner und weniger scharf begrenzt. Die Kelche sind nur 4 5 mm. im Durchmesser. Über- zieht Strombus huhonius Lam. Aus 5 6 Faden an der Küste von San Jago, Cap Verden.

Prionastraea sulfurea Val. Der Polypenstock ist kopf- förmig, oben abgeplattet, die Zellen an dieser Stelle abgestorben, ebenso an der Basis. Es cxistirt so nur ein Ring von lebenden Zellen, der den flachen übertheil des Stockes etwas überragt.

G40

Gesammtsitzung

Die Zellen der grössten Peripherie sind am grössten. Die Höbe des Stockes beträgt 14 cm., der grösste Durchmesser 17 cm. Die Höhe des Ringes lebender Zellen G,5 cm.

Das Absterben des obern Theils des Stockes kommt daher, dass derselbe bis nahe an das Ebbeniveau gewachsen war, in die- sem Falle sterben die höchsten Polypen ab und nur in der Peri- pherie wachsen die Stöcke noch fort.

Auf diese Weise entstehn zuletzt förmliche Plateaux, deren Rand aus lebenden Korallenkelchen besteht und deren Oberfläche sich vorwiegend mit Alcyoniden, namentlich Xenien, Spoggoden, Nephthyen und wohl auch kriechenden Madreporen bedeckt. Ähn- liche Fälle werden auch bei Labyrinth - Korallen, Goniastraeen, Favien etc. beobachtet, besonders solchen, die innerhalb der seich- ten Rifi’lagune wachsen. Neu Irland, Dorfhafen.

Mil ne Edwards vermuthet, dass mit dieser Art die Favia comi^Ianata PHirenbergs synonym sei. Das Exemplar im Berliner Museum, das nach der Bestimmung Ehrenbergs niit dem Namen Favia complanata bezeichnet ist, gehört aber zu Acanthastraea Mi Ine Edw. u. Hai me.

Prionastraea sey chellensis Mi Ine Edw. u. Haime. Der kopfförmige Stock aus der Galewostrasse stimmt mit den im Ber- liner Museum befindlichen Exemplaren von Ehrenbergs Astraea deformis überein in Grösse der Zellen und Tiefe derselben, weicht aber ab durch die grössere Zartheit der Septa, deren Rand mit fein hedornten Zähnchen besetzt ist und deren Fläche feine Dörnchen trägt.

Prionastraea prof undicella Mi Ine Ed w. u. Hai me. Die Zellen sind sehr tief, die Septen steil abfallend, die Kelche etwas ungleich polygonal. Von Neu Irland.

Prionastraea robusta Dana. Aus der Galewostrasse. Dana^ unterscheidet diese Art von den nächstverwandten P. tesseri/era u. abdita nach dem Vorhandensein von Palis, der grösseren Solidität des Coenenchyms, den Sternleisten, welche gezähnte Dornen tragen, und den kleineren Zellen. In diesen Charakteren stimmt die vor- liegende Art mit P. robusta überein. Es sind unregelmässig ver- zweigte Stöcke, deren Zweigspitzen allein noch lebende Zellen

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tragen und die namentlich an der Basis eine Tendenz zu mehr flächenhafter Ausbreitung zeigen. Die Wände der Kelchsepten sind gekörnelt, die Ränder tragen Dornen mit zahlreichen Zähn- chen. Die Kelchränder sind sehr stumpf, was schon allein die Art von P. abdita unterscheidet.

Cladocoraceae.

Anomocota fecunda Pourt. (Fig. 9. a. b. c. d. e. f.). Pourta- les beschreibt unter dem Namen Coelosmilia fecunda eine eigen- thümliche Koralle, welche er in 68 315 Faden in der Florida- strasse fand. Corallum elongated, conical, irregularly bent, showing sometimes a succession of slight swellings and contractions atta- ched by a slightly thickened base. Costae finely granulated, ra- ther obsolete near the base. Calicle circular or subelliptical with deep fossa. Septa entire, granulated finely, not exserted, in six Sy- stems and four cycles, the fourth developed in part of the Systems only. The inner edge of the septa sends out trabecules uniting together to form the rudimentary columella wich is howewer fre- quently absent. Dissepiments thin but complete, moderatly abundant. Gemmation external at all heights but generally near the calicle; abundant. Die Beschreibung passt gut auf einzelne Exemplare einer Koralle, die in grosser Anzahl westlich von Madeira aus 60 70 Faden todt mit dem Schleppnetz heraufkam, andere Exem- plare unterscheiden sich aber auf den ersten Blick durch den Be- sitz einer wohl entwickelten schwammigen Columella.

Der Kelch ist konisch, lang gezogen, oft mannigfach gebogen, und zeigt häufig ringförmige Einschnürungen und darauf folgende kleine Anschwellungen. Die Rippen sind wohl entwickelt, granu- lirt und verschwinden gegen die Basis des Kelches zu. Die Öff- nung ist mehr oder weniger kreisrund. Die Septen in 6 Systemen und 4 Cyclen, der 4. nur in einigen Systemen entwickelt. Die Septen 1. und 2. Cyclus überragen den Kelchrand wenig. Alle sind stark granulirt und häufig die des 3. Cyclus fein gezähnelt oder ihr Rand wellenförmig gebogen. Die Trabecula sind wohl entwickelt und vereinigen sich in einigen Kelchen in der Mitte zu einer schwammigen Columella, in andern ist die Columella schwach entwickelt und bei einzelnen fehlt sie ganz.

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47

G42

Gemmmtsitzunr]

Bei genauer Betrachtung der Einschnürungen und Anschwel- lungen der einzelnen Kelche sieht man, dass dieselben darauf be- ruhen, dass successive terminale Kelchknospen entstanden. Der Wulst zeigt nämlich die Rippen des Kelchrandes, welche nach un- ten verstreichen, darüber ist die Verengerung glatt, erst nach oben zeigen sich wieder die Rippen. In der Nähe des Kelchrandes fin- den sich auch die Knospen in der Zahl von zwei oder noch häu- figer drei, andere sitzen an der Mauer des Kelches, immer aber sieht man, dass sie dann in der Nähe einer Aufwulstung, also einem alten Kelchrande aufsitzen. Mehrere Knospen am Kelchrand verengern die KelchöfFnung so, dass dieselbe obliterirt und dann ein Stamm mit Asten entsteht.

Die Länge der grössten Kelche beträgt 65 70 Mm., der grösste Durchmesser 9 Mm.

Pourtales rechnet seinen Polypen zu Coelosmiilia einzig aus dem Mangel einer Columella und dem Umstand, dass die Form mehr oder weniger einzeln vorkommt, hebt aber die Ähnlichkeit mit Cladocora hervor. Nun sehen wir, dass bei unserer Form eine Columella bald fehlt, bald vorhanden ist, die Septen zuweilen ge- zähnelt sind; rechnen wir dazu die Art der Knospung und den all- gemeinen Habitus, so würde der Polyp am besten unter den Cla- docoraceen untergebracht sein und eine Form darstellen, welche die einfachen Trochosmiliaceae mit den Astraeiden verbindet.

Astraiifjiaceae.

Phyllangia papuensis n. sp. Die Gattung Phyllangia M. E. 11. H. unterscheidet sich von der nahverwandten Gattung Aslrangia M. E. II. durch die ungleiche Grösse der Septen, von denen dieje- nigen der ersten Cyclen den Kelchrand überragen und ganzrandig sind und durch die nur rudimentäre Columella.

Während zahlreiche Arten von Astrangien fast aus allen mehr gemässigten Meeren, namentlich von den amerikanischen Küsten bekannt sind, hat die Gattung Phyllangia nur wenige Arten gelie- fert, von denen eine Westindien, eine andere der Küste von Pa- nama angehört, eine dritte Art fossil in dem Miocaen der Touraine vorkommt.

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Eine weitere lebende Art wurde von der Gazelle bei der Bou- gainvilleinsel, der westlichsten Salomoninsel, in 48 Faden gefischt, mit Madracis Hellana M. E. u. H., Gorgoniden und Antipatlies.

Aus einer dünnen basalen Ausbreitung, welche den Stock einer Antipatlies überzieht, erheben sich kurze, cylindrische oder krei- selförmige Polypen von 6 8 mm. Höhe mit einer Kelchöffnung von 4 bis 5 mm. Durchmesser. Dieselben entspringen zum Theil dicht nebeneinander oder sind 2 3 mm. von einander entfernt. Die Aussenseite zeigt eine grosse Anzahl niedriger platter Rippen, durch schmale Furchen von einander getrennt, die sich auf die basale Ausbreitung fortsetzen, die so fein gestreift erscheint. Die Becher haben 3 bis 4 Leistencyclen, die Septen des ersten Cyclus sind gleich gross und ragen mit etwas verdickten ungezähnten Rändern über die Kelchwand empor, die der andern Cyclen treten sehr zurück. Alle Septen sind an den Seiten fein granulirt und bilden nach dem Boden des Kelches zu einen schmalen pfählchen- artigen Zahn. Die Columella ist meist sehr schwach entwickelt, in einigen Kelchen bildet sie 1 3 kurze Säulchen.

Die Art steht der Phyllangia dispersa Verrill von Panama sehr nahe, unterscheidet sich aber durch die schwachen Kelchrip- pen, welche bei jener nach dem Kelchrande zu stark und dornig sind. *

Echinoporida.

Ecliinojjora rosularia Lmk. Fand sich sehr häufig in der Galewostrasse, sie bildet ein ausgedehntes Blattwerk, das aus einem Stiele entspringend, sich mehr oder weniger horizontal aus- breitet. Die Blätter sind am Ende gelappt und sehr zerbrechlich. Ein solches Blattwerk aus verschiedenen sich mit den Rändern über einander schiebenden Blättern bestehend, hat in Längenaus- dehnung 41 cm. und in Breite 30 cm.

Echinopora /lexuosaY. Verrill beschreibt in seinem citirten Catalogue unter diesem Namen eine Echinopora aus Singapore, die mit einer in der Galewostrasse gefundenen identisch zu sein scheint. Diescdbe gleicht im Habitus der E. rosularia Lmk., nur sind die Blätter mehr aufrecht sitzend, dünn und auf beiden Seiten mit Kel- chen besetzt. Dieselben sind grösser und im Allgemeinen die Dor-

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Gesammtsitzung

nen der gelappten Septen und der Septocostalstreifen stumper. Der Stock ist 10 cm. hoch und dehnt sich zu 26 cm. Länge aus.

E. Striatula n. sp. (Fig. 10. a. b.). Das Polypar stellt auf- recht stehende Blätter dar, die meist an den Rändern eingerollt und am Ende gelappt sind. Das Grösste ist 30 cm. lang. Der Rand ist abgerundet und das Blatt verdünnt sich gegen den Rand zu nur sehr wenig. Das Coenenchym ist auf dem Bruch sehr dicht, das Blatt spröde und klingend auf Klopfen. Die Kelche stehn auf beiden Seiten des Blattes in wechselnden Entfernungen. Dieselben haben 4 5 mm. im Durchmesser, sind wenig erhaben und sehr seicht, 2 mm., eine Columella ist nur schwach entwickelt. Die Leisten sind wohl entwickelt in drei Cyclen, ihr Rand mit schwachen Dornen besetzt, die Seiten mit spitzen Dornen. Im Ganzen ist die Bedornung auf der Innenseite des Blattes stärker als aussen. Die Septocostalstreifen sind sehr zahlreich und be- stehen aus Reihen von niederen gezähnten Dörnchen. Es gehen bis 20 Reihen auf 5 Mm.

Diese schöne Echinopore fand sich sowohl in der Galewo- strasse als in der Blanchebay in Neu-Britannien.

Merulinida. *

Merulina ampliata Sol. Eli. Diese weit verbreitete Art fand sich in der Kaiserin Augustabay in Bougainville als breite horizontal ausgebreitete Blätter vor. Die Art ist ausserdem aus dem ganzen indischen Ocean und dem stillen Meer bekannt

Fungida Edw.

Cycloseris cy clolites Lam. Diese Art fand sich zahlreich im Greetharbour in Neu-Britannien vor auf einer Bank von 1 2 Faden Tiefe mit Sandgrund.

Pachyseris involuta n. sp. (Fig. ll.a. b.). Das Polypar blattförmig, die Blätter breit, aus schmaler Basis entspringend, am Rande oft etwas gelappt, die Seitenränder dütenförmig eingerollt. Aus einer trichterförmigen Basis entspringen mehrere solcher Blät- ter, die sich mit den Rändern theilweise decken und so einen trichterförmigen Stock darstellen. Die Blätter gleichförmig dünn,

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3 mm. Die Unterseite fein gestreift, die Streifen dichotomisch, wellig, nach dem Rande zu stärker werdend und granulirt. Die Hügel sind niedrig, fast über die ganze Blattfläche parallel, nur selten zusammentretend, die Thäler sehr weit und offen. Die Hü- gel sind ohne scharfe Kante, nach beiden Seiten fast gleichmässig abfallend. Kelchcentren sind keine mehr zu erkennen, die Septen sind sehr dünn, fein granulirt, die Körner gehen nach unten in Sy- napticulae über. Es lassen sich abwechseld stärkere und schwä- chere Septen unterscheiden. Die Breite der Thäler beträgt 2 mm., die der Hügelbasis 2 mm., die Höhe der Hügel 1 mm. Auf 5 mm. kommen 25 30 Septen. Mauer sehr dicht. Das eine der Blät- ter ist 30 cm. hoch. Milne Edw. und Haime scheiden die Ar- ten der Gattung Pachijseris in zwei Gruppen, die erste derselben liat hohe Hügel mit scharfen Kämmen, dahin gehören P. rugosa Lam. aus den australischen Meeren, Yalenciennesi M. E. u. Haime aus Singapore und P. speciosa Dana aus dem indischen Oceau, endlich P. ßuctuosa Verrill von den Kingsmill-Inseln. Mit der P. speciosa Dan. stimmt sehr gut ein Exemplar aus der Königl. Sammlung in Berlin; es sind bei diesem stärkere und schwächere Septen zu unterscheiden, ich zähle 18 20 auf 5 mm. Dasselbe stammt aus Amboina. Ein zweites, grösseres mit dem allgemeinen Fundort „Ostindien“ ist derber, das Blatt dicker, es gehen 17 19 Septen auf 5 mm., specifisch möchte es sich aber kaum unterschei- den. Bei der zweiten Gruppe sind die Hügel weniger scharfkan- tig, sondern abgerundet, dahin gehört nach Verrill die Pachijseris rugosa Dana’s, für welche Verr. den Speciesnamen monticulosa vorschlägt, Pachyseris Murchisoni aus dem Eocen und P. levicollis Dana aus Ostindien, P. undata Dana aus Westindieu.

Am nächsten kommt unserer Art P. levicollis Dana, nach der Abbildung von Dana unterscheidet sich diese aber schon durch die Enge der Thäler und die grössere Steilheit der Hügel.

Phyllastraea explanata Ag. (S. Verrill, Mus. of com- parat. Zoology, List of the Polyps and Corals sent by the Mus. üf compar. Zool. in exchange.)

Die Beschreibung von Verrill passt auf die vorliegenden Exem- plare aus der Galewostrasse. Breadly explanate, thin semicircular or suhturbinate fronds, smooth helow with distant strong costae and many smaller iutermediate ones. The cells are smaller (als

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Gesainmtsitzumj

bei Ph. tubi/ex Dana) less remote with nmch tliickencd laterally toothed septa whicli become very tliin betweeii the cells. Sein Exemplar stammt aus Tahiti. Die Exemplare stellen blattartige dünne Ausbreitungen dar, wellig gebogen, die Unterseite mit star- ken gekörnten Rippen, zwischen die sich am Rande kleinere ein- schieben. Die Dicke der Blätter beträgt durchschnittlich 5 mm., am Rande 2 3 mm. Die Durchmesser der schwalbennestartig ansitzenden Kelche betragen 9 mm. Die meisten stehn in weiten Abständen von einander, selten sind zwei zusammen verschmolzen. Die Septen sind stark überragend und grob gezähnt, meist 12 gleich entwickelt, zuweilen schiebt sich noch ein dritter Cyclus mit dünnen Lamellen ein. Eine schwammige Columella ist wohl ent- wickelt. Die Kelche besitzen starke dornige Rippen, die auf das Blatt übergehn, dort rasch dünner werden aber gezähnt bleiben, es gehn 8 auf 1 cm.

Dana stellte zuerst die Gattung Phyllastraea für Phyllastraea tuhifex auf und stellte sie zu den Astraeiden, Mi Ine Edw. und Hai me rechneten sie in die Gattung Mycedium und stellten

sie zu den Fungiden, Verrill 1. c. hält die Dana’sche Gattung sowie die Stellung derselben aufrecht, gestützt auf die groben (coarse) stark stachligen Septae und die starken Rippen. Dieser Unterschied möchte kaum die Aufstellung einer besondern Gattung rechtfertigen. Zur Stellung bei den Fungiden berechtigen das Vor- handensein eines Centralkelchs, um den sich die andern Kelche grnppiren, das Fehlen eines wahren Coenenchyms, das Vorhanden- sein von Synapticulae, endlich das blattartige Wachsthum. Es scheint fast von Fungia zu IlerpethoUtha und Cnjptohacia, von da zu Ilalomitra, der von Verrill aufgestellten Gattung Trachypora und von da zu Mycedium einerseits und EcJihiopora andrerseits eine fortlaufende Entwicklungsreihe zu existiren, welche eine Zerstreuung dieser Gattungen in verschiedene Abtheilungen nicht erlaubt.

Lo phoseris cristata Lam. Vom Cluregolf an der West- küste Neu-Guineas. Die Exemplare weichen von denen aus Ost- indien nicht ab.

Ilalomitra fungia Dana.

Dana charakterisirt dieSpecies: Circular, convex, below con- cave, polyps scattered, Corallium rather stout 4 6 lines thick

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oririmes deep 1 U]- lin. broad, latnellae non radiate very promi- nent and thin, incisodenticulate 3 4 1. long, on margius 6 12 1. below echinulate radiating. Ein Exemplar von Bougainville stimmt mit dieser Beschreibung überein, der Umriss ist breit oval, 11 cm. lang, 9 cm. breit, dicke nahe dem Rand 1 cm. Die Septen sind nicht so vorragend, wie bei H. pileus Pall. Die ganze Form flacher.

Podobacia crustacea Pall. Ein Stock auf kurzem dicken Stiel tellerförmig ausgebreitet aus der Galewostrasse, Durchmesser 16,5 cm.

Fungia (^Ctenactis Agassiz) Ehrenbergi. Ein Exemplar von 30 cm. Länge, das sich nicht von den typischen ostindischen Exemplaren unterscheidet, wurde in der Galewostrasse zwischen Sahvatti und Neu -Guinea gefischt, ein anderes stammt A’on den Rillen Neu-Irlands. Dasselbe ist der Länge nach eigenthümlich S förmig gebogen und im Ganzen höher als die typischen Exem- plare.

Das Verbreitungsgebiet dieser Fungie ist sehr gross.. Ehren- berg und Hemprich fanden sie im rothen Meer. Dana citirt sie von Fidji, A*on ebendaher figurirt sie im Catalog des Museum Godeffroy.

Fungia Danai Milne Edw. (U. echinata Dana). Ein Exemplar aus dem Carteretharhour in Neu-Irland zeigt sehr schön die charakteristische Zähnelung der Septen. Der Durchmesser der Scheibe beträgt 13 cm. Der Mund hat nur die Länge von 24 mm. Dana citirt dieselbe von Fidji, Milne EdAvards von Manila, Verrill von Singapore.

Fungia discus Dana. Junge Exemplare von Carterethar- bour in Neu-Irland. Dana fand sie auf den Gesellschaftsinseln, Milne EdAvards auf Madagaskar, das Verzeichniss des Museum GodelTroy führt sie von Fidji an.

Fungia dentata Dana. Zahlreiche Exemplare aus der Ga- IcAVOstrasse. Die Grösse scliAvankt zAviscben 16 und 20 cm. Sin- gapore Verrill und Museum Berol., Ceylon und Cbina M. EdAv., Sulu Dana, Fidji, Samoa Museum Godeffroy.

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Gesammtsitzung

Fungia horrida Dana. Ein Exemplar von 11 cm. Durch- messer aus der Kaiserin-Augusta-Bay, Bougainville-Iusel im Salo- monarchipel, stimmt überein mit Dana’s Beschreibung und Abbil- dung. Dasselbe ist an einer Seite etwas gelappt. Dana hatte sein Exemplar von Fidji.

Ftingia echinata Pall. Das in der Galewostrasse gefischte Exemplar ist dreilappig, die Lappen lang gestreckt, in jeden setzt sich der Miindspalt fort, der so eine Y förmige Gestalt hat. Ähn- liche Formen finden sich schon bei Esper abgebildet. In unsrem Falle war ein Lappen abgestorben, während die beiden andern noch frisch waren.

Fungia actini/ormis Quoy u. Gaim. (Fig. 12. a. b. c.). Diese Fungie, welche sich durch die grobe einfache Bezahnung der Septen, sowie im Leben durch die langen cylindrischen am Ende geknöpften Tentakeln leicht charakterisirt, wurde in der Ga- lewostrasse in verschiedenen Altersstufen gefunden. Man findet zweierlei Formen; bei den einen ist die Scheibe ausgebreitet, flach, mit flachem Boden und grosser Narbe, bei andern mehr becher- förmig, seilich comprimirt und kurz gestielt. Die Beobachtung der gestielten Jugendform giebt die Erklärung dieses Dimorphismus. Die festsitzende Fungie zeigte eine annähernd kreisrunde Scheibe von 6 cm. Durchmesser, die Oberseite ist wenig convex, die die Unterseite schwach concav, etwas seitlich von der Mitte heftet sich ein dünner cylindrischer Stiel iin von 25 mm. Länge, der Scheibenboden geht durch eine trichterförmige Verlängerung in die- sen Stiel über. An der Übergangsstelle sitzen 2 kleine, gestielte Knospen neben einander, deren Wand mehr kelchförmig ist, ihr Durchmesser beträgt nur 15 mm., eine kleine, stielförmige Verlän- gerung daneben zeigt die Narbe einer schon abgelösten Knospe. Die Knospe besitzt 6 Systeme und drei vollständige Cyclen, ein- zelne Septen des 4. Cyclus sind schon gebildet. Die Tentakel sind verhältnissmässig gross. Sie entwickeln sich in den neugc- bildeten Kammern immer erst nach der Bildung der Septen, erst auf der die Kammern bedeckenden Haut, später schiebt sich das nächstfolgende Septum über den Ursprung des Tentakels hinaus, so dass dieser auf das Septum, das seine hohle Kammer-Mündung nun in zwei spaltet, zu reiten kommt. Die Knospe wird, wenn

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sie länger am Stiele sitzt, in ihrem cyclischen Wachsthiim gehin- dert, comprimirt sich und bildet nach der Ablösung die mehr tro- choide Form der Fungie, während die terminale Knospe die Schei- benform darseilt.

Die kleinste freie Fungie mit deutlicher Narbe mafs 8 cm. Durchmesser, sie enthielt noch keine Geschlechtsprodukte. Die Weichtheile zeigen im Leben eine grasgrüne Farbe, radial vom Munde aus zeichnen sich die Fächer durch eine hellgrüne Far- be aus. Der Mund ist 2 cm. lang und faltig, die wurmförmi- gen geknöpften Tentakel sind blaugrau, der Knopf weisslich. Der erste Tentakelki’anz, der den G ersten Mundtentakeln entspricht, ist am grössten. Bei ältern Individuen ist die radiäre Anordnung der Tentakel schwer zu erkennen, jüngere Individuen, bei denen erst 5 Cyclen entwickelt sind, zeigen dagegen diese noch sehr schön.

Fungia acut idens n. sp. Fig. 13. Koralle kreisrund, oben convex, unten wenig concav, besetzt mit cylindrischen Papillen von ziemlich gleicher Grösse 1 1,8 mm., die kleinen Dörnchen an der Spitze tragen. Auf dem Centrum der Scheibe zerstreut, dicht, ordnen sie sich am Rande zu radiären Reihen, die den Septen ent- sprechen. Oberseite stark convex, etwas ungleich, die Septen sind zahlreich, im Durchschnitt gehen 12 auf 1 cm., leicht wellig ge- bogen, dünn und von gleicher Höhe. Die Mundspalte erreichen 24 Septen, die senkrecht mit scharfen Rändern abfallen. Die Mund- spalte ist tief 18 mm. ohne Columella. Der Oberrand der Septen besitzt spitzige dreieckige Zähne, die scharf sind, nur selten trägt der Rand kleine Dörnchen, oft sind sie auch in zwei spitze Zähne gespalten. Ihre durchschnittliche Höhe beträgt 1 1,5 mm. Die Basis 1 3 mm., auf 1 cm. gehen durchschnittlich 8 10 Zähne. Die Fläche der Septen zeigt senkrechte Wärzchenreihen. Durch- messer der Scheibe 98 mm.

Ein Exemplar von Neu-Irland, Carteret harbour.

Fungia carcharias n. sp. (Fig. 14). Flach, unten schwach concav, etwas wellig, oben schwach convex, mehr oder weniger oval. Die Unterseite ist bedeckt mit stumpfen, gleich grossen, mitunter gezähnelten Wärzchen, die sich gegen den Aussenrand, ungefähr von der Mitte des Scheibenradius an zu Reihen ordnen,

GoO

Gesainmtsitzung

die den Septen entsprechen. Die Septen sehr zahlreich, derb, un- gleich, die grüssern vorragend. Die Mundspalten erreichen 24. Die Septen sind leicht wellig, seitlich dicht mit warzigen Körnern besetzt, so dass sie ein chagrinirtes Aussehn erhalten. Der Innen- rand fällt senkrecht nach der tiefen Mundspalte ab, der Oberrand ist mit feinen unregelmässigen Zähnchen besetzt, die stumpf sind und oft streckenweise fehlen, erst gegen den Aussenrand werden sie grösser und bilden am Rande der Scheibe eine Reihe spitzer dreieckiger Zähne.

Das eine Exemplar hat einen langen Durchmesser von 10 cm., einen kurzen von 8,5, das andere einen langen von 12 cm. und einen kurzen von 7,2, die Muudspalte, nach dem langen Durch- messer gerichtet, ist 2,2 2,9 cm. gross.

Zwei Exemplare aus der Kaiserin Augustabay, Bougainville- insel.

Fungia plana n. sp. (Fig. 15). Mehr oder weniger oval, die Unterseite flach oder leicht wellig, Oberseite flach oder im Centrum schwach erhaben. Unterseite mit zerstreuten verzweigten Dörn- chen, die in der Mitte spärlich zerstreut stehn, nach aussen aber an Zahl zunehmen und sich im äussern halben Radius in Reihen ordnen, die den Septen entsprechen. Die den Ilauptsepten ent- sprechenden ragen an Grösse und Bedornung vor den andern her- vor. Es sind deren 48. Die Septen sind ungleich, sehr dünn und zerbrechlich, wellig gebogen, die Mundspalte berühren 24, die nach innen senkrecht abfallen, die Septen höherer Ordnung sind sehr dünn und niedrig. Alle Septen auf der Fläche mit Dörnchen be- setzt, die spitzer sind und weniger dicht stehen als bei F. carcha- rias. Der Rand der Septen ist mit sehr feinen gleichgrossen, stumpfen Zähnchen besetzt. Auf 1 cm. kommen 5 grössere Septen. Länge 90 95 mm. Querdurchmesser 74 mm. Mundspalte tief, 15 mm.

Zu dieser Art gehört vielleicht auch eine langgestreckte Form von demselben Fundort, die 120 mm. lang und 80 mm. breit ist. Die Warzen der Unterseite verhalten sich ähnlich, nur treten die Ilauptreihen weniger hervor. Die Septen sind zahlreicher. Auf- fallend sind einige derselben dadurch, dass sie ganz niedrig sind und eine Anzahl hoher, säulenförmiger Zähne tragen, so dass das Septum wie aus hohen Säulchen zusammengesetzt erscheint, eine

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genauere Betrachtung zeigt, dass dieses Septen betrifft, welche während des Lebens des Thiers verletzt wurden.

Von Greet harbour, Neu-Britannien.

Fungia i^liculosa nov. sp. (Fig. 16). Annähernd kreisrund bis oval, die Unnterseite wellig gebogen, schwach concav. Ober- seite wenig convex, Narbe klein. Unterseite mit kräftigen, spitzen Dornen besetzt, die in der Mitte am kleinsten, nach aussen zu grösser werden und sich im äussern Viertheil des Radius in ra- diäre Reihen ordnen, die den Septen entsprechen. Die Dornen erreichen eine Länge von 2 mm. Die Leisten sind ungleich, sehr dünn und schwach wellig gebogen, alle gleich hoch, die Haupt- septen fallen mit scharfen Rändern senkrecht gegen die Mundspalte ab. Die Septen sind besetzt mit Reihen gleich grosser feiner stumpfer Zähnchen, die zuweilen fein gekörnelt sind; von jedem Zähnchen setzt sich ein senkrechter Kiel auf das Septum fort, das makroskopisch wie gefältelt erscheint. Die Fläche ist fein gekörnt. Längerer Durchmesser der einen 10 cm., kurzer 9,2, bei einer zweiten 12 und 9,5. Mundspalte 21 mm.

Auch hier zeigen einzelne Septen die hohen c}dindrisclien Zähne, wie vorige.

Aus der Kaiserin Augusta Bay. Bougainville, Salomonsar- chipel.

Fungia symmetrica Pourt. Von dieser kleinen Fungie, welche Pourtales hei Florida in 350 450 Faden Tiefe fand, brachte das Netz aus 905 Faden in B. 14° 52,4 S. und L. 175° 32,7 W. zwei Exemplaie von 15 mm. Durchmesser, beide waren todt und wie die begleitenden Stückchen von Cryplohelia schwarz, s. Draguebericht Nr. 62.

Madreporida E d w.

Turbinarina.

Txcrbinaria crater Pall.? Ein dünner blattartiger Stock, aus breiter Basis aufsteigeiid, erst trichterförmig, dann mehr schild- förmig sich ausbreitend. Auf der concaven Innenseite erheben sich einzelne scharfe kammartige Leisten. Die Kelche niedrig, mit 2

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Gesammlsitzang

bis 3 mm. Durclimesser und wenig vertieft, stehen namentlich ge- gen den Rand dicht, sind aber gegen die Basis zu mehr zerstreut.

Der Stock ist 22 cm. hoch, die grösste Breite des Blattes 30 cm.

ln der Moreton-Bay.

T. cinerascens Eli. Sol. Ein becherförmiger Stock von der Meermaidstrasse. NW. - Australien.

Eup sammln a.

Caeno}} sammia aurea Quoy u. Gaym. Dendro2)hijUia aurantiaca Dana. Quoy undGaimard beschreiben eine Enp- sammide von Fort Jackson und King Georges Ilarbour als „Z/O- hophijlUa aurea ramis brevibus ovatis aut compressis extrinsecus striatis, aureis stellis excoriatis. Folypis aurantiacis brevi tenta- culatis.“ Die Folypen t]- Zoll lang. Dana fügt hinzu, dass die Kelche 6 8 Linien Durchmesser haben.

Die Abbildung des lebenden Thiers in dem Atlas der Voyage de l’Astrolabe, Zoologie, und die ziemlich oberflächliche Beschrei- bung passen auf eine schöne Eupsammide, welche in der Meer- maidstrasse, NW.-Australien, in 3 Faden Tiefe erlangt wurde, wo sie auf der Schale einer Ferlenniuschel aufsass.

Aus breiter Basis erhebt sich ein dickes, horizontal ausgebrei- tetes Coenenchymlager, dessen Oberfläche porös und fein gestreift erscheint. Aus ihm erheben sich Kelche von 0,5 2 cm. Höhe und 12 mm. Durchmesser, ihre Öffnung ist entweder oval oder kreisrund. Drei Cyclen, wovon die Septen des ersten und zwei- ten Cyclus gleich gross, die des dritten nur schwach entwickelt sind. Die Septen überragen die Kelch wand nicht und fallen steil nach dem Boden des Kelches ab.

Die Columella ist wohl entwickelt, schwammig und füllt das Kelchlumen bis auf 5 mm. aus. Die Aussenwand der Kelche zeigt feine wellige Längsstreifen, die sich auf das Coenenchym fortsetzen. Die Knospen entspringen zu einer oder zweien von der dem Centrum abgekehrten Seite des Stockes, so dass die Kel- che radiär vom Centrum ausgehende einfache oder gegabelte Rei- hen bilden, die sich schliesslich isoliren und einen Kranz voti kur- zen Asten an der Feripherie des Stockes bilden.

vom 1. November 1877.

653

Durchmesser des Stockes 26 cm., Höhe 8 cm.

Die Farbe des todten Stockes braun, im Leben tief orange-

roth.

D endrophyllia granosa n. sp. Stock baumförmig, niedrig aus breiter fläcbenhaft ausgebreiteter Basis aufsteigend. Der 10 mm. im Durchmesser haltende Stamm theilt sich bald in unregelmässig abgehende Aeste, welche in Becher von 9 mm. Durchmesser aus- gehen. Die Septa sehr zahlreich, dünn. Die Wand der Becher zeigt feine glatte Rippen, die sich auf den Stamm fortsetzen und bis über die Basis erstrecken. Die Rippen tragen ein bis zwei Reihen feiner Körner. Es gehn am Kelche 1 1 Rippen auf 5 Mm., am Stamm 13. Die Weichtheile sind lebhaft karminroth. Höhe des Stocks 58 mm.

Fand sich in 50 Faden Tiefe westlich von Dirk Hartog in Westaustralien.

Erklärung der Tafeln.

Taf. I.

Fig. 1. Bathycyathus elegans n. sp.

a. Ein freier Kelch natürlicher Gi’össe. h. Kelch von oben.

c. Junger Kelch vou oben.

d. Ein Septum isolirt vergrössert.

Fig. 2. Desmophyllum gracile n. sp.

a. Kelch in natürlicher Grösse.

h. Kelch von oben, zweimalig vergrössert.

Fig. 3. Flahellum latum n. sp.

a. Ganzer Kelch, natürliche Grösse.

b. Kelch von oben.

G54

Gesammtaiiznng

Fig. 4. Flahelhm Martensn n. sp.

n. Kelch von der Seite.

b. Von oben, natürl. Grösse.

Fig. 8. Lophohelia tubulosa n. sp.

a. Zweig vergrossert.

b. Kelch mit Ausbuchtung.

c. Kelch mit Ausbuchtung, deren Künder sich zur Köhre empor- krümmen.

d. Kelch mit Knospe.

e. Kelch mit zwei seitlichen Knospen.

Fig. 9. /• Anomocora fecnnda Pourt. Kelch geöffnet von der Seite mit Co- lumella.

Taf. II.

Fig. 5. Sti/laster laevis n. sp.

n. Stock, natürliche Grösse. b. Kelch vergrössert.

Fig. G. Stylanter verrucosus n. sp.

a. Stock, natürliche Grösse.

b. Zweig, vergrössert.

Fig. 7. Stylaster ohliquus n. sp.

«. Stock, natürl. Grösse b. c. Zweige vergrössert. d. Kelch.

Fig. 9. Anomocora fecunda Pourt.

a. Kelch mit zahlreichen Knospen, von denen drei die Kelchöff- nung verschlies.sen.

b. .Seitliche Ansicht der Koralle natürl. Grösse.

c. Kelch mit terminalen successiven Knospen.

d. Kelch von oben ohne Columella.

e. Kelch mit Columella.

Taf. III.

Fig. 10. Echinopora striolata n. sp.

a. Blattförmiger Stock.

b. Kelch vergrössert.

Fig. 11. Pachyseris involuta n. sp.

rt. Stück eines Blattes von innen.

b. Blattförmiger Stock von innen.

c. Blattf. Stock von aussen.

Münatsbr-K Akad.Wissensch. Berlin 1877 q 654

Taf -T

W. A M.d Inti

A l'i'^nnud

1. Halliycyathiis ('Ic^aiis. S.DesniopIiyllum^ranlf’ B. i''l,il)ellmii l.iliiiii . h. FI, Marleiisii. 8. [joplii)helia tiibiilnsa. Anüiiioc.oi'a Icfainda

Moiiais'briill^ad Wlsoeriscl'L Berlin :377. p. B 54

A M'eyn ,u-i n.'t lith.

Cmc> V. A- Rena.ud.

5. Slyl;islcr laevis 6. St.vernirosiis 7. St. nbliqims. !) Aiiomocnm fecumla

Taf IK

10 Echinopora striolata. 11. Pachyseris involuta. 12 Funsia actiniformis

^ m

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1

W.A.Meyn ad.nat.lith.

Ilruck V A Renaud

MoaaTs’br.K'.Akad.Wisseiisch Berlml877 p 65d

Taf IV

12? Pungia actiniforims. 13 F. acutidens . 14. F. cardiarias. IS.F.pIana. 16. pliciilnsa

vom i. Novemher 1877.

G55

Fig. 12. Fungia actiniformis Quoy, et Gaim.

а. Gestielte Fungie mit Seitenknospe.

б. Seitenknospe von innen.

Taf. IV.

Fig. 12. c. Fungia actiniformis Q. G. Freie Fungie, früliere Seitenknospe. Fig. 13. Fungia amtidens n. sp.

Querschnitt.

Fig. 14. Fungia carcharias n. sp.

Im Querschnitt.

Fig. 15. Fungia plana n. sp.

Im Querschnitt.

Fig. 16. Fimgia pliculosa n. sp.

Im Querschnitt.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Revue scientifique de la France et de V etranger. N. 17. Paris 1877. 4.

Zeitschrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im Preussischen Staate.

Bd. XXV. Lief. 4. und Atlas. Taf. VI XII. Berlin 1877. fol. 4. Geschichte der Wissenschaften in Deutschland. Neuere Zeit. 16. Bd. Ge- schichte der Astronomie von R. Wolf. München 1877. 8. Mit Begleit-

schreiben.

The .quarterly Journal of the geological Society. Vol. XXXIII. P. 3. N. 131. London 1877. 8.

Bulletin de T Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. T. XXIV. (Feuilles 1 11.) St. Petersbourg 1877. 4.

G5G

Gesammtsitzung

8. November. Gesaimntsitzimg der Akademie.

Ilr. Ram inclsberg las folgende Abhandlung:

Über die Zusaininensetzung des Aescbynits und Sain ar skits.

Aeschynit.

Berzelius gab den Namen Aeschynit einem Mineral von Miask, welches riartwall in seinem L.aboratorio im J. 1828 einer Analyse unterwarf, die 5G p. C. Titansäure, 20 Zirkonsäure, 15 Ceroxyd u. s. w. ergab, jedoch nur als eine vorläufige betrachtet werden durftet)

Während die Ki-ystallform des Minerals durch G. Rose und später durch Kokscharow genauer erforscht wurde, war die Er- niittelnng seiner chemischen Natnr Gegenstand wiederholter Unter- suchungen Hermanns seit dem J. 1844; diese Untersuchungen führten zunächst zu der Entdeckung, dass in der Titansäure ein sehr bedeutender Gehalt an Tantalsäure steckte, welche sodann, nachdem H. Rose das Niob gefunden hatte, von Hermann als Niobsäure erkannt wurde.

In seinen späteren Analysen verwandelt sich die Niobsäure zuerst in niobige und Niobsäurc, dann in niobige und Ilmensäure, später in niobige, ilmenige und Ilmensäure.

Die Gesammtmenge der Metallsäuren, bei Hartwall = 5G p. C., schwankt bei Hermann zu den verschiedenen Zeiten zwischen 45 47 50 59 p. C.

Das Verhältniss der zur Gruppe des Tantals gehörigen Säu- ren und der Titansäure findet sich

1844

=33:12 =

*2,7 : 1

184G

35 : 10,5

3,3 : 1

1850

33 : 2G

1,3 : 1

185G

33 : 22

1,5 : 1

18G5

32 : 15

2 : 1

18GG

33 : IG

2 : 1

) Jahresb. 9, 195.

vom 8. November 1877.

657

Die Zirkonsäure (20 p. C. bei Hart wall) erscheint mit 17,5 p, C. in den beiden ersten Analysen Hermanns, in der zweiten jedoch als fraglich, da sie keine krystallisirende Verbindung mit ChlorwasserstofFsäure gab. In der dritten fehlt sie ganz, wäh- rend wir hier weit mehr Titan und Cermetalle finden. Im J. 1865 erscheinen statt ihrer 23 p. C. Thor säure, welche sich später bestätigte.

Die Menge der Oxyde der Cer- und Yttriummetalle (bei Hart- wall = 15 Ceroxyd) tritt in den Analysen der oben angeführten Jahre mit 16,5 31,3 34,8 21,2 18,6 p. C. auf, wobei Ytter- erde von 9,3 bis 1,3 variirt.

Während die erste Analyse 17,6 Eisenoxydul hat, sinkt des- sen Menge in den übrigen auf 4 6 p. C. herab.

Ganz abgesehen von der Natur der Niob- und Ilmensäuren, in welchen Kob eil eine besondere Diansäure annehmen zu müs- sen glaubte, konnten selbst Hermanns letzte Arbeiten keine Si- cherheit über die Natur des Aeschynits gewähren.

Marignac, dem wir eine Reihe wichtiger Arbeiten über die Tantalmetalle verdanken, unterzog sich im J. 1867 auch der Ana- lyse des Aeschynits. Er schloss das Mineral mit saurem Fluor- kalium auf, eine Methode, welche für die Scheidung von Tantal und Niob von Titan wesentliche Vorzüge besitzt.

Während er die Abwesenheit des Zirkoniums und die Gegen- wart des Thoriums constatirte, dessen Entdeckung im Aeschynit ein unbestrittenes Verdienst Her mann s bleibt, fand er 51,1 51,7 p. C. Metallsäuren und da 100 Th. dieser im Mittel aus 57 Niob- säure und 43 Titansäure bestanden, so berechnen sich im Mineral im Mittel 29,33 Niobsäure gegen 22,12 Titansäure.

Von Thor säure fand sich nahe so viel (15,75), wie von Zirkonsäure in Hermanns ersten Versuchen.

Die Oxyde der Cer- und Yttriummetalle = 25,2 entsprechen keiner der von H. angegebenen Zahlen, und die Menge der Ytter- erde ist unbedeutend.

Bei so grossen Verschiedenheiten der Resultate war eine wie- derholte Prüfung des Aeschynits wünschenswerth ; ich lege das Er- gebniss einer solchen vor, und bemerke nur, dass das Material aus lauter kleinen rauhflächigen Krystallen bestand, denen rother Orthoklas anhing.

[1877]

48

658 Gesammtsitzung

Das V. G. groben Pulvers fand ich = 5,168, während die älteren Angaben sind

5,14 Brooke,

5,188 5,21 Breitbau'pt,

5,08 5,1 Hermann,

5,118 Kokscbarow,

5,23 Marignac.

Der Gang der Untersuchung w'ar im Ganzen der von Ma- rignac vorgezeiclinete. Das Aufschliessen mit saurem Fluorkalium erfolgte leicht und vollständig.

Die Metallsäuren. Aus der Lösung der Doppelfluorüre schied sich beim Erkalten ein Gemenge von Titan- und Kieselfluor- kalium ab, dessen Titan- und Kaliumgehalt bestimmt wurde, und welches kein Tantal enthielt.^) Die relativen Mengen von Niob und Titan wurden erhalten, indem dieselben in Form von Doppel- fluorüren nach Marignac ’s Vorgang unter Zusatz von Chlorwas- serstoffsäure bei gewöhnlicher Temperatur mit Zink behandelt wur- den; die zu Sesquioxyd reducirte Titansäure wurde mittelst über- mangansauren Kalis bestimmt.

Ausser Si, Ti und Nb fand sich in der Lösung der Fluorüre nur etwas Eisen.

Die Abwesenheit des Zirkoniums Hess sich hierbei mit ziem- licher Sicherheit darthun, insofern die Bildung der charakteristi- schen schwer löslichen, aber gut krystallisirenden Doppelfluorüre desselben nicht bemerkt "wurde, welche mit denen des Titans und Niobs nicht isomorph sind.

Die unlöslichen Fluorüre, durch Schwefelsäure zersetzt, gaben eine Lösung, aus welcher Thorium, Cer und Yttrium als Oxalate gefällt wurden. Die daraus erhaltenen braunea Oxyde wurden mit saurem schwefelsaurem Kali geschmolzen. Beim Auslaugen blie- ben die Doppelsulfate von Cer (La, Di) und Thorium zurück. Durch Auflösen derselben, Fällen mit HKO, Auflösen in Chlor-

*) Mit saurem Kalisulfat p;ab die Säure eine in kaltem Wasser klar lösliche Masse.

vom 8. November 1877^

659

wasserstoffsäure, Abdampfen zur Trockne und Kochen der Lösung mit unterschwefligsaurem Natron wurde die Thorsäure abge- schieden.

Die vermuthliche Thorsäure wurde in krystallisirtes Sulfat verwandelt. 0,905 desselben, mit Ammoniak heiss gefällt, gaben 0,462 bräunliches Oxyd, sowie 0,804 Ba SO* = SO* 0,276. Hier- nach sind mit 160 Th. = 2SO* 267,8 Th. basischen Oxyds verbun- den, und da ThO* = 266 angenommen wird, so war das Salz normales Thoriumsulfat. Die untersuchte Probe würde einem Hy- drat ThS*0*+ 5aq entsprechen.

Th =

234 =

ThO* 51,55

Gefunden

51,05

2S

64

SO* 31,01

30,50

80

128

aq 17,44

5aq

90

100

516

Eine Trennung der Cermetalle wurde, nachdem die Gegen- wart des Cers durch die Bildung des gelben Sulfats von CeO* und die des Didyms durch sein Absorbtionsspectrum erwiesen war, durch Kochen der Lösung mit Magnesit versucht, führte indess ebensowenig zum Ziel wie andere Methoden. Auf die Berechnung ist die relative Menge der einzelnen kaum von Einfluss.

Im Nachfolgenden ist die zu 2,01 p. C. SiO* und 0,56 AlO* für Orthoklas erforderliche Menge = 0,52 K*0 in Form von 3,09 anhängendem O. in Abzug gebracht, und es ist meine Analyse mit derjenigen Marignac’s und der letzten von Hermann zu- sammengestellt.

48

Gesam m tsi t zun ff

fino

Marignac

Her man n

Niobsäure

32,51

29,33

33,59

Titansäure

21,20

22,30')

10,12

Thorsäure

17,55

15,75

22,57

Ceroxyd

Lanthan u. Didymoxyd

} 1S>.41

24,09

14,34

Ytter- u. ICrbinerde

3,10

1,12

4,30

Eisenoxyd

3,71

3,52

0,20

Kalk

2,50

2,73

2,10

99,98

98,80-)

99,29")

Es ist also die Menge der

Metallsäuren

53,71

51,03

49,71

Titan- u. Thorsäure

38,75

38,05

38,09

Cer- u. Yttriumoxyde

22,51

25,21

18,05

Die Ilauptdifferenz ist das unigekelirte Verhältniss von Ti und Tli bei Hermann bei gleicher Gesam mtinenge beider. Ein Zweifel an der Identität des Stoffs ist aber nicht wohl statthaft.

Die lierechimng der Elemente und Atornverhältnisse ergiebf :

Rg. Marignac

Atg.

At.

At.

94

Nb

22,80

0,242

20,58

0,219

48

Ti

12,72

0,205

13,38

0,279

234

Th

15,44

0,000

13,80

0,059

138

Ce

10,42

0,119

20,52

0,149

92

Y

2,40

0,027

0,89

0,010

50

Fe

2,00

0,047

2,40

0,044

40

Ca

1,80

0,045

1,96

0,049

’) Worin 0,18 Ziiuisüure. Und 1,07 Wasser.

vom 8. November 1877.

661

Also (3 Ca = 2 R gesetzt)

R: Nb: Ti, Th Rg. = 0,223:0,242:0,331 = 0,92 : 1 : 1,37

Mar. = 0,236:0,219:0,338 = 1,08 : 1 : 1,54

Beide Analysen stimmen also darin überein, dass sie R:Nb =1:1 At. ergeben; ebenso ist R : (Ti , Th) evident = 2:3 (gefunden = 1 : 1,49 und 1 : 1,43.

Untersucht man, in wie weit die Analysen dem einfachen Ver- hältniss R^Nb^ (Ti , Th)^) entsprechen, so zeigt sich

1) dass das Mittel beider ganz genau R^Nb^ ergiebt;

2) dass R^(Ti,Th)^ in meiner Analyse am besten hervor- tritt ;

3) dass die Abweichung vorzugsweise in dem gefundenen Verhältnisse Nb : Ti liegt.

Dies ist bei M. = 4 : 5,2 , bei mir = 4 : 4,4. Da auch hier das Mittel der Proportion 4 : 5 sehr nahe liegt, so lässt sich bei der indirekten Trennung beider Elemente recht wohl annehmen, dass diese Mittelzalil die richtige sei, und es dürfte, trotz aller Mängel der Methoden, aus Marignac’s und meiner Analyse doch als un- zweifelhaft sich ergeben, dass der Aeschynit die Verbindung

R^Nb'(Ti , Th)'0'* (I)

darstellt.

Berechnet man diesen Ausdruck mit Zugrundelegung der von Marignac gefundenen Verhältnisse der R, so erhält man:

6G2

GesaiiwitsUziauj

2 Nb =

188 =

Nb*0' 31,27

2,4 Ti

115,2

TiO' 22,39

0,6 Tb

140,4

ThO'' 18,62

0,96 Ce

132,5

Ce'O' 18,16

0,24 Y

22,1

Y'O*

3,24

0,4 Fe

22,4

Fe'O’ 3,72

0,4 Ca

16

CaO

2,60

140

224

100

860,6

Die von mir gefuiidenen Werthe l'iiliren zu dem wenig ab- weichenden Ausdruck

R*Nb^(Ti, ThyO"" (II)

der, Tb: 4 Ti, und die R gemäss der Analyse genommen, liefert:

3 Nb =

282 =

Nb-’O'

31,17

3,2 Ti

153,6

TiO'

19,82

0,8 Th

187,2

ThO'

16,46

1,4 Ce

248,4

Ce^O*

22,60

0,4 Y

36,8

Y'-'o*

3,61

0,6 Fe

33,6

Fc'O'

3,73

0,6 Ca

24

CaO

2,61

200

320

100

1285,6

Die Elemente R = Ce, La, Di, Y, Er, Ee sind zu je 2 At. secbs- ■werthig gteicb dem Aluminium, und die Verbindung R‘‘’Nb'()'' kommt als Fergusonit vor. Da nun 1 Mol. derselben äq. 4R(.)^ ist, so liegt es nabe, den Ascbynit als

I R-Nb-0» ]

i3(TiT10O"j

oder als

I 3R' Nb' ]

\8(Ti,Th)0'/

zu betrachten.

vovi 8. November 1877.

663

Das Niobat ist Drittel- Niob at, da R'Nb‘0®

n

R^Nb’O® äquivalent ist.

RNb'O® mit

Samars Je i t.

I. Samarskit vom Ural.

Im J. 1839 beschrieb G. Rose ein neues Mineral, welches, von Aeschynit begleitet, in Orthoklas eingewachsen, bei Miask im Ilmengebirge vorkommt, und nannte es Uranotantal, weil er da- rin beide Elemente gefunden hatteA) Es zeigt beim Erhitzen ein Verglimmen, wie Gadolinit u. s. w.

H. Rose erkannte nach der Entdeckung des Niobs die me- tallische Säure des Minerals als Niobsäure und gab ihm den Na- men Samarskit. Er hat es zu verschiedenen Zeiten unter seiner Aufsicht analysiren lassen, die Resultate boten jedoch solche Ver- schiedenheiten dar, dass er zuletzt das Mineral nicht mehr mit saurem schwefelsaurem Kali aufschliessen Hess, weil bei den Me- tallsäuren ausser Eisenoxyd leicht auch Zirkonsäure, Thorsäure und Ceroxyde bleiben können, indem sie als Sulfate oder Kali- Doppelsulfate schwer lösliche Verbindungen bilden. Aus diesem Grunde wurde bei den letzten Analysen, die H. Rose (1863) für definitive hielt, das Aufschliessen mit kohlensaurem Kali vorge- nommen.

Es ist nöthig, die Versuche in ihrer historischen Reihenfolge zusammenzustellen :

’) Pogg. Ann. 48) 555. -) Pogg. Ann. 118, 497.

6G4

Gtsammtsitzuiuj

o

t}T

o

o

o

CO

o

o

CM

CO

0

CO

0

lO

1—1

CO

0

0

0

0

0

CO

-f

CO

0^

c:^

CO

0^

c^

CO

00

<M^

't

o"

T

i>^

CC

cT

ecT

i-T

—T

0"

o"

CO

CO

CO

0

Ci

CO

lO

r-

CM^

1

1

L'-

1

0

0

0

0

0^

1

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0

1

1

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1

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1

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1

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t

O

CI

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crT

I I

Ci

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o

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o

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oc^

Ci

s: ^

0

0

CO

0

'p

5

5

c

33

c

.i

33

s:

H

!< C

c t, l, P = 2

>> r-, P Ci ~

'S?

) Enthalten das Mn. *) Worin 0,63 SnO*.

vom 8. November 1877.

6G5

No. 1. 2. 3 sind von Peretz, 4 und 5 von Cliandler, 6 von Finkener und 7 von Stephans ausgeführt. Bei 1. 2. 4. 5 wurde saures schwefelsaures Kali zum Aufschliessen benutzt.

Hiernach haben die letzten Analysen etwa 6 p. C. weniger Metallsäuren ergeben, als die früheren; sie liefern aber auch viel weniger Eisen und Uran, und dafür treten nicht blos die Oxyde der Yttrium- und Cermetalle (letztere früher übersehen) in erheb- lich grösserer Menge auf, sondern sie ergeben auch einen Gehalt von etwa 10 p. C. an den Oxyden des Zirkoniums und Thoriums.

Wenn man den complicirten Gang der beiden letzten Analy- sen näher ins Auge fasst, wird man zu der Einsicht geführt, dass die Resultate trotz aller angewandten Sorgfalt und Umsicht man- ches zu wünschen übrig lassen. In keinem Fall war es überflüs- sig, die Analysen des Samarskit zu wiederholen, und hierbei ins- besondere die Erfahrungen zu benutzen, welche wir Marignac bezüglich der Doppelfluorüre der seltneren Elemente verdanken.

Mein Material bestand aus Bruchstücken von schwarzer Farbe und stark glänzendem muschligem Bruch, hie und da mit rothem Orthoklas verwachsen.

Das Volumgewicht des Samarskits ist früher gefunden worden

von

G. Rose = 5,G25

H. Rose = 5,G17; 5,717 Wornum =: 5,G14 Peretz = 5,G80 Chandler = 5,739; 5,74G.

Ich habe die Zahl 5,G72 erhalten. H. Rose zeigte, dass das V.G. des S. nach dem Verglimmen geringer ist; er stellte viele Versuche in dieser Hinsicht an, suchte auch die spec. Wärme vor und nach dem Glühen zu ermitteln.

Die Analysen I und III sind mit saurem Kalisulfat gemacht; in II ist saures Fluorkalium zum Aufschliessen benutzt worden.

Bei Anwendung des ersteren wurden die abgeschiedenen Me- tallsäuren ebenfalls mit saurem Fluorkalium geschmolzen. Da sich

) Pogg. Aun. 74, 469. 103, 320.

G6G

Gesammlsitzung

die Schmelze bis auf einen ganz geringen Rückstand in Wasser löst, so folgt die Abwesenheit von Th, Ce, La, Di in den Metall- säuren, denen allenfalls nnr Zirkonsäure beigeniengt sein kann.

Die Kaliumdoppellluorüre wurden der fraktionirten Krystalli- sation unterworfen. Hierbei Hess sich die Abwesenheit des Tan- tals mit Sicherheit constatiren. Der erste Anschuss jedoch, des- sen Menge verhältnissmässig gering war, bestand grösstentheils aus Kalium-Titanllorid, dann, mit Schwefelsäure zersetzt, lieferte er Titansäure, welche die bisherigen Versuche nicht angeben»

Der Samarskit wird zwar direkt von saurem Fluorkaliura sehr leicht zersetzt. Jedoch ist diese Methode deshalb nicht sehr zu em- pfehlen, weil in die wässrige Auflösung des Kalium-Nioblluorids zwar alles Zirkonium, aber auch viel Eisen übergeht.

Der Gang der Analyse ist im Allgemeinen folgender:

Die Schmelze mit saurem schwefelsaurem Kali wird nach vollständiger Zersetzung des Minerals noch einmal mit Schwefel- säure erhitzt mit der Vorsicht, dass ein Theil derselben nicht ver- llüchtigt wird.

A. Die durch Kochen mit Wasser abgeschiedenen Metallsäu- ren werden zur Entfernung von Zinn und Wolfram mit Ammonium- hydrosulfür und dann mit verdünnter Chlorwasserstoffsäure behan- delt. Nach dem Wägen schmilzt man sie mit saurem Fluorkalium, löst in Wasser, lässt einen Theil der Doppellluorüre krystallisiren und zersetzt die Mutterlauge durch Schwefelsäure, um den Rest der Niobsäure zu gewinnen. Die Krystalle, bestehend aus Ka- lium-Niobfluorid (oder Oxyfluorid) und etwas Kalium-Titanlluorid, werden genau nach der von Marignac bei der Analyse des Aeschy- nits angegebenen Methode in saurer Lösung mit Zink behandelt, worauf man das zu Sesquioxyd reducirtc Titan volumetrisch be- stimmt.

B. Die saure Flüssigkeit wird mit Ammoniak fast neutrali- sirt und mit oxalsaurem Ammoniak gefällt. Der Niederschlag be- steht aus den Oxalaten der Cer- und Yttrium-Metalle, deren Tren- nung und Bestimmung in bekannter Art erfolgt.

C. Das Filtrat wird mit Ammoniak gefällt. Der Nieder- schlag ist wesentlich Eisen- und Uranoxyd, die man durch kohlen- saures Ammoniak und Ammoniuudiydrosulfür trennt.

Im Filtrat linden sich nur geringe Mengen Mangan etc.

vom 8. November 1877.

667

Bei diesem Gange musste sich das Zirkonium in A, das Tho- rium in B finden. Allein aus der Lösung der Doppelfluorüre schieden sich die leicht kenntlichen Krystalle des Zirkoniumsalzes nicht ab. Wurden die auskrystallisirten Doppelfluorüre mit Schwe- felsäure abgedampft, und der Rest mit Wasser behandelt, so gab die saure Flüssigkeit, nachdem durch Erhitzen die Niobsäure ab- geschieden war, keine durch Ammoniak fällbare Substanz, während doch die Zirkonsäure in dem Überschuss der freien Säure selbst beim Erhitzen hätte aufgelöst bleiben müssen.

Aber die Oxyde der Oxalate aus B konnten Zirkonsäure und Thorsäure enthalten. Nun wissen wir, dass die Oxalate beider sich in oxalsaurem Ammoniak lösen, dass sie, wie'Bunsen noch neuerlich vom Thoriumsalz gezeigt hat, beim Erkalten der kochen- den Lösung sich nicht abscheiden, während dies bezüglich der klei- nen Mengen aufgelöster Oxalate des Cers und Yttriums der Fall ist. Wiederholt habe ich diese Versuche angestellt, niemals löste oxalsaures Ammoniak wesentliche Mengen auf. Ich bin demnach vollkommen überzeugt, der Samarskit enthält kein Zirkonium und Thorium.

AVenn man erwägt, dass die letzten Analysen (No. 6 und 7) 15 16 p. C. Ceroxyde und Yttererde gegeben haben, und dass ich, wie wir sogleich sehen werden, fast dieselben Mengen finde, so ist klar, dass die 10 p. C. Zirkon- und Thorsäure nicht in dem Niederschlag der Oxalate enthalten sein können, dass sie aber auch in den Metallsäuren nicht verborgen sind, habe ich oben gezeigt, und folgt bezüglich des Thoriums schon aus der Unlöslichkeit des Kalium-Thoriumfluorids.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mir auch einige Bemerkun- gen über die von H. Rose^) vorgeschlagene Trennungsmethode der Niobsäure von der Titan- und Zirkonsäure erlauben. Schmilzt man die Metallsäuren des Samarskit mit kohlensaurem Kali, so bleibt beim Behandeln mit Wasser allerdings ein wesentlicher Bruch- theil ungelöst, der indessen fast nur aus Niobsäure besteht, und sich, wenn man das Schmelzen und Auslaugen noch einigemale wiederholt, auf eine geringe Menge reducirt. Aber auch diese enthält noch Niobsäure, denn sie löst sich beim Abdampfen mit

) Analyt. Chemie 2, 340.

GG8

Gesammisitzuiuj

Schwefelsäure nicht vollständig auf. Durch Kochen mit Wasser fällt titanhaltige Niobsäure nieder.

Bei den folgenden drei Analysen wurde in 1 und 111 saures Kiilisulfat, in II saures Fluorkalium zur Zersetzung benutzt.

I.

11.

III.

Mittel

Zinnsäure

0,26

0,18

0,22

Titansäure

2,20

1,08|

55,50

1,08

Niobsäure

54, IG

5G,53j

55,34

Y ttererde |

12,14

12,03

9,G8

8,80

Erbinerde J

4,08

3,82

Ceroxyd

3,38

4,92

4,68

4,33

Uranoxyd

13,08

10,81

11,94

Eisenoxyd "j

13,49

14,041

14,30

Vlanganoxydj

1,08)

98,5

100,0

99,83

Aus dem Mittel berechnen sich die Elemente und die Atome:

Atome

Sn

0,17

0,141

1,5t

Ti

0,G5

l,3Gj

42,8

Nb

38,81

41,3^

Y

6,99

7,55]

j

Er

3,57

2,11 1

13,GG

= 6,83 K

Ce

3,G9

4,00 ]

1

U

9,95

4,1 ]

9,0 Fe

Fe(M

n) 10,01

18,0 (

’) Einschliesslich Di und wohl auch La.

vom 8. November 1877.

G69

II. S a m a r s k i t aus Nordamerika.

Der Samarskit ist an mehreren Stellen, insbesondere in Mit- chell County, Nord-Carolina gefunden worden, und Edward Dana hat neuerlich Krystalle desselben beschrieben.^) Derselbe batte die Güte, mir das Material für die nachfolgende Untersuchung mitzu- theilen.

Das V. G. ist rr: 5,839, also etwas höher als das des urali- schen. Es wurde gefunden

= 5,72 L. Smith , rr: 5,45 5,G9 Dana^).

Der amerikanische Samarskit enthält eine nicht unbedeutende Menge Tantalsäure. Aus der heissen Lösung der Kaliumdop- pelfluoride scheidet sich das schwerlösliche Salz K^TaFfl sofort ab; nach partiellem Eindampfen der Mutterlauge blieb dieselbe klar. Ich habe die Fällung analysirt und darin gefunden:

Kalium 21, IG Tantal 41,01 Silicium 1,G5 Fluor (36,72)

101,54

Die Tantalsäure hat ein V.-G. 7,388 (7,6 nach Marignac) und färbte vor dem Löthrohr die Phosphorsalzperle im Reduktions- feuer nicht.

Die aus der Mutterlauge erhaltene Niobsäure hat ein V.-G. = 4,578 (453 Marignac). Sie giebt ein dunkelbraunes Glas.

Dagegen fehlt hier die kleine Menge Titansäure, welche im uralischen S. vorkommt.

Die Ceroxyde enthalten sehr wenig Didym , sie sind daher blassgelb und ihre Menge ist überhaupt gering.

Auch in diesem Samarskit habe ich vergeblich nach Thorium und Zirkonium gesucht.

1) Ann. f. of Sc. 187G. Vol. 11.

*) Textbook of Min. 1877. S. 339.

G70

Gesanuntsitznng

Kieselsäure

0,5G

Zinnsäure

0,1G

Tantalsäure

14,3G

Niobsäure

41,07

Erbinerde

10,80

Yttererde

G,10

Ceroxyd

2,37

Eisenoxyd(Mn) 14, Gl

Uranoxyd

10,90

100,93

Berechnung.

Si

0,2G

At. 0,9 '

Sn

0,13

0,1

38,2

Ta

11,77

6,5

Nb

28,81

30,7

Er

9,46

5,G

Y

4,84

5,2

12,2 = G,1 K

Ce

1,88

1,4

Fe

10,23

18,3

= 9,15 Fe

U

9,08

3,8

9

Für die stöchiometrische Berechnung der Samarskitanalysen ist es nöthig zu wissen, ob das Eisen als Fe oder als Fe vorhan- den sei.

Kocht man feinstes Pulver mit Chlorwasserstoffsäure, so er- hält man eine gelbe Flüssigkeit, welche kein Eisenoxydul ent- hält.

Der bedeutende Gehalt des S. an Uran lässt die Frage ent- stehen, ob U O* als Vertreter von FeO^ und der übrigen KO* oder als elektro-negativer Bestandtheil, analog der Wolframsäure man- cher Tantalite etc., zu denken sei. Faktisch ist dies nicht zu ent- scheiden, allein die einfachere Constitution des Minerals verleiht der letzten Ansicht grösseres Gewicht.

Dann sind die Atomverhältnisse im Samarskit:

mm 8. November 1877.

671

Ural

Amerika

R 42,8 1 ü 4,1 1

46,9

15,8

15,2

d, h. es ist

(R , U) : R =

2,97 : 1

11

"oo

o

oder nahe = 3:1.

Offenbar besteht das Ganze hauptsächlich aus Halb-Nioba- ten (Tantalaten) = 2 R O'^ + 3 Nb^ = R^Nb'^O“', welchen das Uranat

2R0='+5U0^ =

isomorph beigemischt ist.

V

Da in beiden Abänderungen U:R nahe 1 : 10, so ist die Formel des Samarskits

r8(R2Nb‘=O'0l

wo Nb im amerikanischen zugleich Ta einschliesst. .Ta: Nb =r= 1 : 5.

Beide Abänderungen unterscheiden sich ausserdem nur wenig, insofern im S.

vom

Ural

aus Amerika

R ;

; Fe

= 1 :

1,3

1 : 1,5

Ce;

: Y,

Er = 1 :

2,4

1 : 7,7

Y ;

; Er

= 3,6:

1

1 : 1

Der S. von Mitchell County ist bereits von amerikanischen Mineralogen analysirt worden, jedoch niemals vollständig, so dass dai’aus kein Schluss auf seine Zusammensetzung sich ziehen Hess.

072

Gesammtüitzung

Allen ’)

Swallow* *)

Smith

Zinnsäure Tantal säure Niobsänre Y ttererde 1

0,08 18,00 1 37,20 J

0,10 50,2 1

0,3 1 55,13

l

Erbinerde j

14,45

12,84

14,49

Ceroxyd

4,25

5,17

4,24

Eisenoxydul (Mn)

] 1,05

14,93

13,27

Uranoxyd

12,40

9,91

10,90

Kalk

0,55

Glühverlust

1,12

0,52

0,72

100,30

99,75

99,12

Es ist walirsclieinlicli, dass das Verliältniss Ta: Nb in vov- scbiedenen Stücken variirt; bei Allen ist es gleich 1 :3,3.

Die Krystallform des Sainarskits steht der des Tantalits und Niobits sehr nahe, wie schon Hermann und Kokscharow ge- funden haben. E. Dana’s MessungeiH) amerikanischer Krystalle bestätigen dies. Es wurde das Ilauptoktaeder a:b:c, ein anderes = ^a:-|-b:c, die ersten Paare a:b und 2a:b:ooc, das dritte Paar a:c:oob und die beiden Hexaidtlächen a und b beobachtet, und Dana leitet ans seinen Messungen

a:b:c = 0,545:1:0,518

ab. Er vergleicht den S. mit dem Tantalit (Niobit) und Yttro-

') Dana, Textbook 340.

*) Proc. Boot. Nat. Hist. Soc. 1875, 17. 3) Am. J. Sc. 1877, 13.

D Am. J. Sc. 187G, 11.

vom 8. November 1877.

G7 3

tantalit, und erinnert daran, dass der Sainarskit mit dem Niobit in regelmässiger Verwachsung gefunden werde.

Die Axenverliältnisse sind :

a : c

Samarskit 0,545 : 0,518

Tantalit I 0,817:0,821 Schranf Niobit J

Yttrotantalit 0,54 : 1,33 A. Nor denskiöld.

Die a sind = 1 : 1,5 : 1 , die c = 1 : 1,5 : 2.

Bei dieser Isomorphie ist es bemerkenswerth, dass der Zusam- mensetzung nach

Tantalit 1 Niobit J

R (Ta , Nb)^ O*'

Samarskit

h (Nb , Ta)'=

Yttrotantalit =

j R^ (Ta , Nb)'

I V-

t R' (Ta , Nb)'i 0"'

r R (Nb , Ta)® O’®

1 R

I R (Ta , Nb)'

1 SRO

/ R (Ta , Nb)® Ql®

l SRO®

also verschiedene Sättigungsstufen von Tantal- und Niobsäure sind auf deren Isomorphie ich schon früher hingewiesen habe.i)

1) Monatsb. der Beil. Akad. 1871, 602.

[1877]

40

G74 Gesammtsitzung

ITi-. Helmholtz legte folgende Mittlieihing des Hrn. James Moser vor :

Galvanische Ströme zwischen verschieden concentrirten Lösungen desselben Körpers und deren Spannungs-

rei h en.

Auf die elektromotorische Kraft der Flüssigkeitsketten ist die Concentration der Flüssigkeiten von Einfluss. Um die Art dieses Einflusses zu bestimmen, habe ich im Laboratorium des Ilrn, Pro- fessor Helmholtz Flüssigkeitsketten untersucht, bei denen es möglich ist, diesen Einfluss der Concentration zu isoliren. Alle chemischen Processe waren auszuschliessen ; es durften also nur Verschiedenheiten der Concentration bestehen oder Änderungen der- selben während des Stromes eintreten. Ebenso mussten zur Eli- minirung aller chemischen Wirkungen die Elektroden aus demjeni- gen Metall bestehen, welches sich in der Lösung befand.

Zwei Gläser mit verschieden concentrirten Lösungen desselben Salzes wurden durch einen Heber verbunden und durch eine me- tallische Leirung mit den eben erwähnten Elektroden der Kreis ge- schlossen.

Dann beobachtete ich in allen untersuchten Fällen, dass ein Strom entsteht, der in der Flüssigkeit von derverdünn- teren zur co n cen t r i r tere n Lösung geht.

Sein Schema ist:

Zn, verdünntes ZnSOi, concentrirtes ZnS04, Zn.

Dieser Strom zeigte sich gesetzmässig an einer Reihe von Lö- sungen von Zinksulfat, von Zinknitrat, von Zinkchlorid, Zinkacetat, Kupfersulfat, Kupfernitrat, Eisenchlorid, Silberacetat, Silber- nitrat u, a.

Die elektromotorischen Kräfte dieser Ketten beobachtete ich nach der von Hrn. du Bois-Reymond modificirten Poggen- dorff’schen Compensations -Methode von wenigen Tausendtcln bis zu \ Daniell, letztere Kraft zwischen sehr verdünnter und con- centrirter Zinkchlorid -Lösung.

In folgender Tabelle gebe ich die zehn elektromotorischen Kräfte zwischen je zwei von fünf Zinksulfat- Lösungen, wobei die Einheit nahe 0,001 Daniell ist:

vom 8. November 1877.

675

100 Th. Lösung enthalten ZnS04 + 7H2O

150/0

30 0/0

450/0

60 0/0

1

18

22

28

36

150/0

5

13

21

30 o/o

7

17

450/0

9

Diese Zahlen weisen auf eine S p ann u ngs rei h e ; denn es st z. B. die elektromotorische Kraft

zwischen 15 und 30 procentiger Lösung 5,

zwischen 30 und GO procentiger Lösung 17,

zwischen 15 und 60 procentiger Lösung 21.

Dass eine Spannungsreihe besteht, bestätigte ich dann dadurch, dass ich beispielsweise fünf Gläser, von denen das 1. 3. 5. gleich starke Lösung von 45 das 2. stärkere von 60 das 4. schwä- chere von 15 o/q enthielt, durch vier Heber hintereinander verband. Ich tauchte die eine Elektrode in Glas 1 , die zweite der Reihe nach in 2, 3, 4, 5. Beim Eintauchen der zweiten in 3 und 5 er- hielt ich keinen Strom, denn die Concentrationen der Endlösungen waren gleich. Beim Eintauchen dieser zweiten Elektrode in Glas 2 und 4 ergaben sich aber jedesmal Ablenkungen, von denen die eine durch die elektromotorische Kraft 9 zwischen 45 und 60 pro- centiger Lösung, die andere Ablenkung durch die Kraft 13 zvvi- schen 45 und 15 procentiger Lösung in entgegengesetzter Richtung liervorgerufen wurde.

Diese Versuche machte ich auch an einer Reihe anderer Salze. So bestimmte ich die 15 elektromotorischen Kräfte zwischen je zwei von sechs Kupfersulfat - Lösungen ;

G7G

GesammtsUzung

B C

I)

E

F

A

10

IG

21

25

27

B

G

11

15

17

c

5

9

1 1

])

4

G

E

2

F war eine Lösung, die in 100 Theilen 30 Tli. krystallisir- ten Salzes [CuSO^ 4- 5 H2O] entliielt. Von dieser Lösung waren 100 Voliiintlieile in F mit 33^|, in 7> mit 100, in C mit 300, in ]i mit 700, in A mit 2900 Volumtheilen Wassers versetzt.

Diu’ch diese von der verdünnten zur concentrirten Lösung ge- henden Ströme wird in der verdünnten Lösung Metall aufgelöst, in der concentrirten Metall ausgescliieden. Erst wenn eine gleich- mässige Conccntration liergestellt ist, hört der Strom auf.

Für die Arbeit, welche der Strom leistet, würde man das ent- sprechende Äquivalent in der Arbeit der Anziehungskraft zwischen dem Salz und dem Wasser zu suchen haben, welche sich auch in den Wärmewirkungen zu erkennen giebt , die beim Mischen von Lösungen desselben Salzes zu beobachten sind.

Demnach ist der von mir beobachtete Strom aufzufassen als Reactionssli-om gegen die Wanderung der Ionen, wie der Polarisa- tionsstrom Reactionsstrom gegen den Zersetzungsstrom ist. Denn wird irgend ein Salz elekfrolysirt, so wird immer die Lösung an der Anode concentrirter, an der Kathode verdünnter. Meine Ver- suche ergeben, dass dann eine elektromotorische Kraft auftrilt, welche der der elektrolysirenden Batterie entgegenwirkt.

vom 8. November 1877.

677

All eingegangeueii Schriften wurden vorgelegt:

B. Boncompagni, Bullettino. T. X Sett. 1877, Roma. 4.

Revue scientifique de la France et de V etrancjer. N. 13. Paris 1877. 4.

The Madras Universitjj. Calendar 1877 78. Madras 1877. 8.

Bulletin de la Suciete mathematique de France. T. V. N. 6. Paris 1877. 8. A. Bouvet, Etüde sur la dissociation etc. Paris 1877. 4. Mit Begleit-

schreiben.

Bulletin de la Suciete Ouralienne d' amateurs des Sciences naturelles. T. III. 2. Ekatlierinbourg 1876. 4. (russ.)

Societä Toscana di Science naturali. Adimanza del lo. Liiglio 1877. 4.

W. F. G. Belm, Leopoldina. Heft XIII. N. 19. 20. Dresden 1877. 4.

Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Jahrg. 1876. Berlin 1876. 8.

Atti della R. Accademia delle Science di Torino. Vol. XII. Disp. 1 5.

(Nov. 1876 Giugno 1877.) Turino. 8.

Bollettino delT Osservatorio della Regia Universitä di Torino. Anno XI. (1876.) ib. 1877. 4.

Proceedings of the Cambridge philosophical Society. Vol. III. P. 1. 2. Cam- bridge 1876. 1877. 8.

Transactions of the Cambridge philosophical Society. Vol. XI. P. 1. ib. 1871.

Vol. XII. P. 1. 2. ib. 1877. 4. Mit Begleitschreiben.

Schweizerische meteorologische Beobachtungen. Suppt.- Bd. ILief. 3. Jahrg. XII. 1875. Lief. 6. Jahrg. XIV. 1877. Lief. 1. 2. 4.

12. November. Sitzung der philosophisch-histori- schen Klasse.

Ilr. Waitz las über die verschiedenen Texte des Liber pon- lificalis.

678

Gesammlsitzung

15. November. Gesaimiitsitzung der Akademie.

lir. W. Poters hielt einen Vortrag über zwei fossile Wirbeltliiere, Prob atrachus vicetinus unil llemilrichas sch ist icola , aus den Tertiärhi Idnngcn von Ponte bei Laverda im Vi centin iscben.

Hr. Beyricb bat mir zwei ans den älteren vicentiniscben Tertiärbildungen berrübrende Versteinerungen von Wirbeltbieren zur Untersucbung übergeben, welche der Örtlichkeit wegen, von welcher sie stammen, von besonderem Interesse sind. Derselbe bemerkt über ihr Vorkommen Folgendes:

„Die beiden AVirbeltbierreste stammen aus einem koblenfüb- renden Lager, welches nach den an Ort und Stelle von dem Fin- der derselben gemachten Angaben, in den beiden Tbälern verläuft, die sieb am südlichen Abfall der Sette Comuni von dem nördlich von Salcedo gelegenen Dorfe Ponte ostwärts gegen Laverda und westwärts gegen Valle inferiore im Tbale des Cbiavone bianco berabzieben. Die Ablagerungen, in welchen diese beiden Tbäler eingesebnitten sind, gehören zu der Sebiebtengruppe, welche Suesz als Schichten von Laverda ausgezeichnet bat, und welche bedeckt wird von den durch ihren Concbylienreicbtbum berühmt gewordenen Tuffen von Salcedo und Lugo, Im Hangenden letzterer Tuffe zieht sich, mit Unterbrechungen, ein Kalklager bin, in welchem zahlreich Korallen und Mollusken der Fauna von Castelgomberto gefunden werden, und darüber folgen mächtige Tnffinassen, in denen die fisch- und ptlanzcnreicben Kalkscbiefer von Salcedo eingebettet sind. Das Lager von Ponte gehört demnach einem älteren, als unteroligoeän zu betrachtenden Horizont an als die Schiefer am Cbiavone bei Salcedo, welche mit Unrecht in einen andern Hori- zont versetzt wurden als die Kohlenlager von Monte Vialc und von Zovencedo.“

Die eine der Versteinerungen besteht in dem Abdruck eines ungeschwänzten Batrachiers, von welchem man die Wirbel, die Darmbeine, die hinteren Extremitäten und den mittleren und hin- teren Theil des Schädels deutlich erkennen kann.

vom 15. November 1877.

679

Die Wirbelsäule hat eine Totallänge von nur 15 Millimeter, ebenso viel wie die Länge des Schädels vom Hinterhaupt bis zum vorderen Ende des Stirnbeins beträgt. Es ist dieses ein Verhält- niss, wie es von keiner lebenden Art bekannt ist. Der Atlas ist so lang wie die beiden folgenden Wirbel zusammen; der zweite Wir- bel, welcher mit seinen Querfortsätzen eine Breite von 10 Milli- metern hat, zeichnet sich dadurch aus, dass seine Querfortsätze nach dem Ende hin etwas verbreitert sind und hier eine Neigung zu einer gabelförmigen Theihmg zeigen, während die des 3. bis 5. Wirbels mehr cylindrisch erscheinen und zugleich sich allmählig verkürzen und mehr nach vorn gerichtet sind. Der 6. und 8. Wir- bel zeigen einen sehr viel kürzeren, grade nach aussen gerichteten Querfortsatz, der 7. nur auf der rechten Seite die Spur eines sol- chen, während die Fortsätze dieser Wirbel bei den lebenden Ba- trachiern ebensowohl entwickelt zu sein pflegen , wie die der vor- hergehenden. Das Kreuzbein ist noch z. Th. in dem Schiefer stecken geblieben und die linke Seite zeigt den Abdruck eines cy- lindrischen, am äusseren Ende in keiner Weise verbreiterten Quer- fortsatzes, welchem sich das vordere Ende des in seiner natür- lichen Lage gebliebenen Darmbeins anschliesst, während das Darm- bein der anderen Seite aus seiner Lage verdrängt ist. Sehr auf- fallend ist die ausserordentliche Kürze der Darmbeine, deren Länge nicht mehr als 5 Millimeter beträgt und kaum die Breite des gan- zen Kreuzbeins erreicht. Das Steissbein gibt sich als eine längs der Mitte des Beckens verlaufende Crista zu erkennen.

Die hintere Extremität ist ebenfalls durch ihre Kürze ausge- zeichnet, indem der Oberschenkel 13|^, der Unterschenkel 6|-, der Tarsus eben so wie der längste Metatarsalknochen nur 2|- Milli- meter lang sind. Die Phalangen der Zehen sind nur theilweise erkennbar. An der rechten Seite schliesst sich an den nur theil- weise erkennbaren Metatarsus die Querreihe der ersten fünf Pha- langen an und auf die vierte von diesen folgen hinter einander drei Phalangen, von denen die letzte die Gestalt eines Endgliedes hat. Man darf daher nach der Zahl der Phalangen, vier, wohl anneh- men, dass dieses die vierte längste Zehe gewesen sei. Diese ist aber ebenfalls auffallend kurz gewesen, da diese vier Phalangen zusammen nicht mehr als drei Millimeter lang sind.

Von dem Schädel ist speciell wenig zu sagen; er ist, wie er- wähnt, im Verhältniss zum übrigen Körper auffallend gross und

680

Gesainmtsitzung

die Schläfengegend besonders entwickelt. An jeder Seite nach aussen von der letzteren belinden sich die Abdrücke von kleinen Skeletstücken, welche dem Suspensorium und dem hinteren Theile des Unterkiefers angehört haben dürften.

Vergleicht man diese Reste mit den lebenden Ratrachiern, so würden die kurzen hinteren Extremitäten mehr auf eine kröten- als froschähnliche Art deuten, während die schmale Form der t^uer- fortsätze des Kreuzbeinwirbels sie mehr den letzteren als den er- steren anschliessen. Die Kürze der Extremitäten deutet auf ein langsames, kriechendes, nicht springendes oder schwimmendes Thier. Der im Verhältniss zu dem übrigen Körper so auffallend grosse Kopf entspricht dem, was wir im allgemeinen bei den 'NVirbelthieren im Jugendzustande beobachten und was als permanenten Zustand bei Thieren früherer Erdperioden anzutreft'en uns nicht besonders in Erstaunen setzen dürfte. Denn dass das vorliegende Exemplar nicht etwa als ein Larvenzustand zu betrachten sein dürfte, geht hinreichend hervor aus der hohen Entwickelung des Skelets und aus dem Mangel irgend eines larvenartigen Anhanges. Ich möchte diesen fossilen Hatrachier, welcher den Erdschichten angehörte, in welchen die ersten Spuren schwanzloser Batrachier anftroten, als den Vorgänger der in miocenen und pliocenen Schichten so häuli- gen und unserer heutigen Gattung Bana sich viel näher anschliessen- den Arten betrachten. Die angeführten Eigenthümlichkeiten : über- wiegende Grösse und besondere Auftreibung der Schläfengegend des Kopfes, auffallende Kurze der hinteren Körperhälfte, des Beckens und der hinteren Extremitäten dürften es wohl rechtferti- gen, sie als eine besondere Gattung zu betrachten, für welche ich den Namen Prohatraclnis (jcicethma') vorzuschlagen mir erlaube.

Die zweite Versteinerung besteht in einem Fischchen von 47^ Millimeter Totallänge. Das Skelet ist fast vollständig von der rechten Seite zu sehen und wird nur undeutlich für die Beob- achtung durch eine Quetschung, welche unglücklicherweise gerade den Kopf und ausserdem den oberen Theil des Körpers getrof- fen hat.

Die Wirbel, Kippen und Flossen lassen keinen Zweifel über die Zugehörigkeit desselben zu den Teleostei. Oben und unten sind noch einige abgefallene Schuppen erhalten. Die cycloide Bildung derselben, mit zahlreichen feinen concentrischen Ringen, die ven-

vom 15. November 1877.

681

trale Lage einer noch ziemlich wohl erhaltenen Bauchflosse, die deutlich erkennbare Gliederung des ersten Strahls dieser Flosse und der vordersten einfachen Strahlen der Analflosse lassen die Art als zu den Malacopterygii abdominales gehörig erkennen.

In dem Theil, den ich für den Oberkiefer halte, lassen sich mit einer scharfen Lupe ein paar winzige Zähne erkennen; der Augendurchmesser übertrilft die Sclmauzenlänge; in der Brustflosse lassen sich 13 Strahlen erkennen, in der Baucliflosse ein gegliederter einfacher und acht verzweigte. Die Analflosse beginnt dem ersten der 20 Schwanzwirbel gegenüber und scheint ünter dem sechstletzten zu endigen. Auf dem Rücken, bald hinter der Brustflossenbasis sieht man einzelne verzweigte Strahlen, die man bis zu der Gegend, welche dem Anfänge der Analflosse gegenüber liegt, verfolgen kann und von denen einige mit den Dornfortsätzen im Zusammenhänge stehen. Dem 5. Schwanzwirbel gegenüber beginnt eine zweite Rückenflosse mit einem einfachen gegliederten Strahl, auf welchen zuerst etwa acht zusamraenliegende verzweigte Strahlen folgen, hin- ter denen sich bis zum sechstletzten Schwanzwirbel noch vereinzelte verzweigte Strahlen mehr oder weniger deutlich erkennen lassen. Die gabelige Schwanzflosse lässt ausser den unverzweigten 17 ver- zweigte Strahlen erkennen.

Die einzelnen Wirbel des Schwanzes sind sehr deutlich, wäh- rend die des Rumpfes nach vorn hin mehr oder weniger undeutlich zu erkennen sind. Es dürften in den Rumpftheil der Wirbelsäule etwa 18 Wirbelkörper eintreten.

Von allen Gruppen der lebenden Malacopterygii abdominales dürfte nach den angeführten Merkmalen die der Clupeini als die unserem Fisch am nächsten stehende bei der Vergleichung in Be- tracht zu ziehen sein. Es gibt zwar keine einzige Gattung der- selben mit zwei Rückenflossen und das dürfte ihn auf den ersten Blick weit von ihnen entfernen. Bis auf die letzte Zeit kannte man aber auch nur Clupeengattungen mit einer kurzen Rücken- flosse, so dass dieses sogar als ein Kennzeichen in die Charakte- ristik der Familie der Clupeini aufgenoramen worden ist. Ganz neuerdings hat nun dagegen Hr. Dr. Hilgendorf {Leopoldina. 1877. Heft XIII. p. 127) Cme My Albxda sehr nahe verwandte neue Gattung, Pterothrissus, mit einer sehr langen Rückenflosse aus Ja- pan kennen gelehrt, welche eben dadurch von allen anderen Gat- tungen dieser h amilie abweicht und die Kluft zwischen dieser fos-

G82

Gesammtsiiztitig

silen Gattung und den übrigen lebenden Clupeen enger iiiaeht. Iloffentiicli werden bald mein* und noch besser erhaltene Exemplare gefunden werden, welche die Bildung der Kopfknochen und die Flossen in einem vollkommener erhaltenen Zustande besser erken- nen lassen, als dieses bei dem vorliegenden einzigen Exemplare möglich ist. Ich habe die bisher noch nicht beschriebene Gattung und Art als Hemitrichas schisticola bezeichnet.

Erklärung der Abbildungen.

Fig. 1. Prohatrathus vkentinus Ptrs.

Fig. 2. Hemitrichas schisticola Ftrs.

Nach den in der Berliner paläontologischen Sanimlung befindlichen Exemplaren.

Corrigenduni.

Die von mir {Monatsber. d. Js. p. 422) aufgestellte neue Gat- tung Microdiscopus (sumatranus) beruht, wie ich mich neuerdings durch Vergleich mit Oxgglossns (Phrgnoglossus) laevis Gtlir. von den Philippinen überzeugt habe, auf einer mit diesem übereinstim- menden oder sehr nahe verwandten Art und muss daher wieder eincezo2en werden.

vom 15. November 1877.

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An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Bevue de la France et de V etranyer. N. 19. Paris 1877. 4.

Proceedings of the London mathematical Societg. N. 119. 120. 121. London 1877. 8.

Lettera del Prof. Pietro Riccardi all' Ul'"'. Signor Comm. Cesare Cor r ent i. Extr. Modena 1877. 8.

Jahrbücher der K. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt. Neue Folge. Heft VIII. IX. Erfurt 1877. 8.

P. Riccardi, Sülle Opere di Alessandro Volta. Modena 1877. i. Vom Verf.

Urkundenhuch der Stadt Lübeck. Th. 1. 2. 3. 4. Lübeck 1843 1873. 4.

Mittheilungen aus dem K. Zoologischen Museum zu Dresden. Herausgegeben von Dr. A. B. Meyer. Dresden 1877. 4. Vom Herausgeber.

Bollettino della Societa Adriatica di Scienze naturali in Trieste. Yol. III. N. 1. 2. Trieste 1877. 8.

Journal de Zoologie par P. Gervais. T. VI. N. 4. 5. Paris 1877. 8.

Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1876.

N. 906 922. Bern 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

Verhandlungen der Sclnceizerischen naturforschenden Gesellschaft in Basel. öVste Jahresversammlung. Jahresbericht 1875/76. Basel 1877. 8. Mit

Begleitschreiben.

22. November. Gesammtsitzimg der Akademie.

Hr. Buschmann las über die süd - indischen Sprachen : den I. Theil.

G84

Gesammtsiizung

Ilr. Websky legte eine Arbeit des l^rofessors Max Bauer in Königsberg vor:

Über das K ry s ta 1 1 sy s tem und die Ilauptbrecbungs- Coe ff i cie n te 11 des Kali gl i in niers.

Der Kaligliminer, dieses so weit verbreitete und wichtige und wegen mancher seiner Eigenschaften so interessante Mineral, das schon so oft die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen hat, setzt dem Studium nach manchen Richtungen hin so grosse Schwierigkeiten entgegen, dass er in mehr als einer Beziehung noch viel weniger bekannt ist, als eine grosse Anzahl von viel seltene- ren, weniger wichtigen und weniger interessanten Mineralien.

Bis vor Kurzem befand man sich sogar noch im Unklaren über die Krystallform unserer Substanz, die dem rhombischen System anzugehören schien, von dem sie allerdings nur wenig abweicht. Die optischen Untersuchungen Tschermak’s haben aber zuerst im Gegensatz zu früher angestellten den völlig ausreichenden Be- w'eis geliefert, dass die Form nicht rhombisch sein kann, sondern dass sie dem 2 -f- 1 gliederigen Systeme angehört, ein Resultat, das N. von Kokscharow in seiner kürzlich erschienenen ausge- zeichneten Arbeit auch vom krystallographischen Standpunkte aus bestätigte.

Ich habe im Folgenden ebenfalls den Winkel bestimmt, den die Ebene der optischen Axen mit der Basis, der Ebene der leich- testen Spaltbarkeit, macht, und dabei Werthe gefunden, die. mit den von Tschermak ermittelten nahe übereinstimmen. Dabei wurde eine Methode angewandt, welche eine sehr grosse Genauigkeit zu- lässt und die ich weiter unten beschreiben werde.

Ausserdem habe ich mich aber auch bemüht, Werthe zu er- mitteln, welche beim Glimmer bisher noch nicht bekannt waren, nämlich die drei Ilauptbrechungs-Coefücienten desselben und die Längen der Elasticitätsaxen , die mit jenen einfach Zusammen- hängen.

') Über (las Krystallsystem und die Winkel des Glimmers. Memoires de l’Academie impC'riale des Sciences de St. retersboiirg. VII. stir. lome XXIV. Nr. 9. (Gelesen den 17. Mai 1877.)

vom 22. November 1877.

G85

Hierzu sind die Methoden, wie sie in den Handbüchern, auch den neusten, zur Bestiinmnng dieser Werthe meist angegeben zu werden pflegen, ganz nnbranchbar. Diese setzen nämlich entweder die Herstellung eines Prisina’s oder mehrerer oder aber die Her- stellung von parallelflächig begrenzten Platten in verschiedenen Richtungen aus der zu untersuchenden Substanz voraus. Beim Glimmer ist dies beides nicht möglich. Es gelingt weder ein Prisma daraus herzustellen, noch auch eine parallelflächige be- grenzte Platte in anderer Richtung, als der Richtung der vollkom- menen Spaltbarkeit. Bei einem Versuche, eine Fläche anzuschleifen, würde auch der compacteste und spaltenloseste Glimmer sofort nach der Spaltungsfläche aufblättern und zerstört werden. Man kann einzig und allein Plättchen in Einer Richtung durch Abspalten her- stellen und bei der Bestimmung obiger Werthe ist man ausschliess- lich auf die Beobachtung derjenigen Erscheinungen angewiesen, welche ein solches Plättchen darbietet. Die Zahl der hierhergehö- rigen passenden Erscheinungen ist aber gross genug, um die Auf- stellung der zur Ermittelung der dabei vorkommenden Unbekannten nöthigen Gleichungen zu ermöglichen. Es kann sogar noch über- dies einer der Brechungs- Coefficienten dabei zweimal in ganz un- abhängiger Weise beötimmt werden, so dass eine wünschenswerthe Controle der Genauigkeit dadurch gegeben ist.

Die Untersuchungen wurden angestellt an einem nicht sehr dicken (0'*V“471) blonden in beliebigen Richtungen oblong zuge- schnittenen Kaliglimmerplättchen von unbekanntem Fundort ^), das dem Mineraliencabinet der hiesigen Universität gehört. Dieses Plättchen wurde trotz des fehlenden Fundorts und des dadurch nicht unwesentlich verringerten Interesses desselben gewählt, weil es sehr schön durchsichtig und sehr regelmässig abgespalten und eben war, so dass sowohl beim Hindurchsehen, als beim Spiegeln auf beiden Spaltungsflächen ganz scharfe Bilder der davor liegenden Gegenstände erhalten wurden, was beides zur Erzielung genauer Resultate unerlässlich ist. Die Spaltungsflächen waren ganz eben und ohne eine Spur von den in der Mehrzahl der Fälle durch

B Das vorliegende Plättchen gleicht so sehr dem bekannten in grossen Tafeln vorkommenden uralischen Glimmer, dass die Wahrscheinlichkeit für dieselbe Abstammung spricht. Der Axenwinkel von 64° würde dem nicht wider.sprechen.

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Gesammtsitzung

Druck hervorgebrachten Unregelmässigkeiten, welclie die meisten filimmer zu solchen Versuclien wenig brauchbar erscheinen lassen. Glimmer, welche in jeder Hinsicht brauchbar sind, sind unerwartet selten. Jedenfalls unter den mir zugänglichen und das mag die Wahl dieses Plättchens rechtfertigen, das sich im Lauf der Untersuchung auch als physikalisch in hohem Grade homogen erwies.

Alle Messungen wurden an einem Goniometer mit Einem Fern- rohr, aus der Fabrik von Pi stör und .Schick, angestellt, dessen Benützung ich der Güte des Ilrn. Geh. -Raths F. E. Neumann ver- danke, und sie besitzen daher im Allgemeinen die mit einem sol- chen Instrument erreichbare Genauigkeit. .Sie sind angestellt bei einer von 20° C. wenig abweichenden Temperatur und mit rothem Licht, das durch ein rothes, mit Kupfer g(!färbtes Uberfangglas gegangen war. Alle angegebenen Zahlen gelten also nur für sol- ches rothes Licht.

1. Bestimmung der JjCige der Ebene der optischen Axen gegen die Ilanptspaltungsjläche.

Dass die in der grossen Diagonale der Basis des Glieder- prisma’s liegende Ebene der optischen Axen l)ei diesem Mineral nicht auf dieser Basis, der Ebene der vollkommenen Spaltungs- fläche, senkrecht stehe, sondern mit ihr einen von 90° wenig ab- weichenden Winkel macht, hat, wie erwähnt, zuerst 'rsch er m a k * ) angegeben 2); er hat den Winkel der scheinbaren Axenebene mit der Basis für gelbes Licht zu 88° 15' (Glimmer vom untern Sulz- bachthal im Pinzgau) und 88° 20' (Glimmer von Bengalen) be- stimmt und zugleich mitgetheilt, dass bei der gewöhnlichen .Stel- lung des Glimmers sich diese Axenebene oben nach rückwärts neige. Andere Angaben liegen meines Wissens hierüber nicht vor. Aber auch diese vorliegenden sind insofern unvollständig, als nicht die wahre Abweichung der Ebene der optischen Axen von der Stellung

*) Mineralog. Mittlieiliingen 1875, p. 309.

2) Die ähnlichen Angaben von Hintze beziehen sich auf einen Olim- nierkrvstall vom Vesuv, also nicht auf einen Kaligliminer, von dem hier aus- schliesslich die Rede ist.

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senkrecht zur Basis angegeben ist, sondern die scheinbare. Erstere zu berechnen war aber bis jetzt deshalb unmöglich, weil der mitt- lere Brechungs-Coefficient des Glimmers unbekannt war.

Ich wende mich nun zunächst zur Angabe der Methode, die ich zur Bestimmung der sclieinbaren Abweichung der Axenebene angewendet habe.

Sie besteht dai'in, dass ich mafs:

1) den Winkel, den jede der beiden sclieinbaren optischen Axen des Glimmers mit der Hauptspaltungsfläche oder vielmehr mit ihrer Normalen macht;

2) den Winkel der scheinbaren optischen Axen.

Es seien in vorstehender Figur die Durchschnitte einer Kugel- oberfläche angegeben mit den Radien:

a) parallel mit einer Normale zur Hauptspaltungsfläche. Die- ser Durchschnitt sei A";

h) parallel mit den beiden scheinbaren optischen Axen, deren Lage vorläufig noch als ganz beliebig und unbestimmt in Beziehung zu N vorausgesetzt wird. Diese Schnitte seien w und Wj.

Dann wurde nach obiger Auseinandersetzung gemessen 1) Nw und N’j'i und 2) wwj, also die drei Seiten des sphärischen Drei- ecks, das man erhält, wenn man durch je zwei der genannten Pole grösste Kreise legt.

Wäre nun die optische Axenebene genau senkrecht zur Basis, so wäre noth wendig N ein Punkt des Bogens w und es wäre damit :

Dies wäre der Falt, wenn der Glimmer rhombisch wäre, wobei noch ausserdem Noi =. AV, sein müsste.

Ist aber dagegen :

a.

Nw H- Nu.'-

UJ Wj.

A"(

M -f- N tV j > W W

688

Gesammtnitzung

so kann N nicht ein Punkt des Bogens ww■^ sein und somit kann die Axenebene auf der Basis nicht senkreclit stehen. Der Glimmer kann dann nicht rliombisch sein, er muss mit Noihwendigkeit einem weniger symmetrischen, dem monoklinen oder triklinen System ange- hören und zwar muss er sein :

monoklin, 1 . ^ gleich

, \ je nachdem N 'j: ' , , A’^te, ist.

triklin, I •' ungleich

Die Bedingungen für ein monoklines System haben die Mes- sungen, wie ich gleich hier anführe, in der That ergeben; es fand sich:

N'j) H- A'w, > (ti'j.'x und N ’J) Ä'

In der Figur ist ferner noch angegeben der grösste Kreis jVrc, der den Winkel »A'c/'i und damit nach dem eben Angeführten auch den Bogen w t».', halbirt. Auf ihm giebt der Bogen iV« die schein- bare Abweichung der Ebene der optischen Axen von der Normale zur Basis oder, da « der Pol der scheinbaren optischen Mittellinie ist, so ist A’« der Winkel, den diese Mittellinie mit jener Normalen macht. jVr< lässt sich aus dem durch seine drei gemessenen Seiten vollkommen bestimmten Dreieck wA'z-i leicht berechnen.

Es folgt nun hier die Messung der drei Dreiecksseiten:

ö) Winkel A’’x und A’ i«, der scheinbaren optischen Axen mit der Normale zur Basis. Die zu dieser Messung angewandte Methode ist die von F. E. Neumann zuerst angege- bene, mit der er u. A. die Lage der optischen Axen im Gyps zu- erst richtig und genau bestimmt hat^).

Sie besteht darin, dass man am Goniometer statt des unverrück- bar feststehenden Fernrohrs ein solches anbringt, das an der Axe des Theilkreises festgeklemmt ist und sich mit diesem dreht. Dasselbe muss natürlich parallel zum Theilkreis und genau auf die Drehaxe ge- richtet sein. Die Glimmerplatte wurde auf dem Krystalltrüger befestigt und so eingestellt, dass beim Drehen derselben an der inneren Dreh- axe des Goniometers der Reihe nach sowohl die Normale der Spal- tungsfläche, als die eine der beiden scheinbaren optischen Axen durch den Schnittpunkt der Fernrohrkreuzfäden gingen. Das erstere wurde

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daran erkannt, dass bei der richtigen Stellung die Spaltungsfläche des Glimmers einen fernen Punkt, der in einer durch die Fernrohraxe gehenden und senkrecht zur Drehaxe des Goniometers stehenden Ebene lag, nach dem Schnittpunkt der Kreuzfäden reflectirte. Das Bild der optischen Axen wurde durch einen hinter dem Glimmer passend angebrachten Nicol und durch einen auf das Ocular des Fernrohrs aufgesetzten Turmalin sehr schön und schax'f zum Vor- schein gebracht. Der Nicol und der Turmalin waren natürlich unter 90° gekreuzt und unter 45° gegen die Theilkreisebene ge- stellt, mit welcher die Ebene der scheinbaren Axen des Glimmers nahezu parallel war. Die genaue Einstellung geschieht sehr leicht mittelst der zwei zum Justiren der Krystalle dienenden Schrauben, nachdem das Plättchen zuvor gehörig centrirt ist.

Hat man nun bei der angegebenen Anordnung des Instruments die Normale der Basis und die eine Axe genau auf die Mitte des Fernrohrs eingestellt, und bringt nun auch die zweite scheinbare Axe ungefähr in die Richtung des hierbei mit dem Theilkreis festge- klemmten Beobachtungs-Fernrohrs, (immer durch Drehen an der inne- ren Axe des Goniometers, mit der sich nur der Krystallträger, nicht aber der Theilkreis mit dem daran festgeklemmten Fernrohr dreht), so erscheint zwar im Gesichtsfeld auch ein Bild dieser zweiten Axe, aber dieses Bild geht beim Drehen nicht durch den Mittel- punkt des Fernrohrs, sondeim es geht seitwärts vorbei. Stellt man nun vermittelst der Justirschrauben den Glimmer so ein, dass beide optische Axen beim Drehen durch die Fernrohrmitte gehen, so geht das Spiegelbild des fernen Punkts auf den Spaltuugsflächen des Glimmers, mit andern Worten, die Normale dieser Flächen, nicht durch die Mitte, sondern im Gesichtsfeld seitlich an dem Schnitt- punkt der Kreuzfäden vorbei, beide Mal, sowohl vorhin die zweite Axe, als diesmal die Normale zur Spaltungsfläche, allerdings in der Nähe dieses Schnittpunktes.

Diese Erscheinungen zeigen allein schon, so zu sagen quali- tativ, aber mit völliger Sicherheit, dass bei diesem Glimmerplätt- chen von einem rhombischen System keine Rede sein kann, bei dem die Spaltungsfläche die Basis ^ a\ oo h •. c sein würde. Wäre dieser Glimmer rhombisch krystallisirt, so müsste die Mittellinie genau senkrecht zur Spaltungsfläche sein, parallel mit der dazu senkrechten Axe c und es müsste diese Normale mit den beiden scheinbaren und wahren Axen in einer Ebene liegen; die dritte

[1877]

50

C90

G esa mm t Sitzung

Riclitung müsste notlnvendig durch die Fernrolirmitte gehen, wenn die zwei anderen Richtungen hindurchgehen. Da der Versuch zeigt, dass dies nicht der Fall ist, so kann kein rhombischer Krystall vorliegen. Ob derselbe aber nun monoklin oder triklin ist, geht hieraus nicht hervor, sondern erst aus der Messung der Bögen Nu: und A' w,.

Diese Messung geschieht nun bei der angegebenen Einrichtung des Instruments nach F. E. Neu mann folgendermafsen ') :

Man stellt bei einer beliebigen Lage des Bcobachtungs- Fern- rohrs die Glimmerplatte so, dass die eine scheinbare optische Axe in der Mitte des Sehfelds erscheint, indem man den Schnittpunkt der Kreuzfäden mit der schwarzen Hyperbel der betreffenden Axe durch Drehung der Platte vermittelst der inneren Goniometerdreh- axe, so dass also das Fernrohr fest bleibt, zur Deckung bringt. Alsdann giebt die Fernrohraxe die Richtung der scheinbaren opti- schen Axe des Glimmers in der betreffenden Stellung der Platte gegen das Fernrohr an. Nun dreht man unter steter Beibehaltung dieser gegenseitigen Stellung von Fernrohr und Krystallplatte den Glimmer mit dem Fernrohr und mit dem Theilkreis so, dass man zuerst den fernen Punkt auf der Spaltungsfläche des Glimmers ge- spiegelt und dann so, dass man ihn im Fernrohr direct sieht. Der am Theilkreis abzulesende Winkel der dadurch gegebenen beiden Stellungen des Beobachtungs-Fernrohrs ist das Doppelte desjenigen Winkels, den die scheinbare optische Axe mit der Spaltungsebene macht, und das Complement dieses letzteren Winkels ist der Bogen Nuj (resp. A^tt>i), der Winkel der optischen Axe mit der Normale zu der Basis.

In dieser Weise wird zuerst der Bogen Nw, dann der Bogen Ww, bestimmt.

Diese Methode erfordert drei verschiedene Einzelbeobachtungen, die einer sehr ungleichen Genauigkeit fähig sind.

1) Einstellen der schwarzen Hyperbel der betreffenden opti- schen Axe auf den Schnittpunkt der Kreuzfäden.

2) Directes Anvisiren eines Punkts mittelst des Fernrohrs.

3) Anvisiren des Spiegelbilds desselben Punkts auf der Spal- tungsfläche, ebenfalls mittelst des Fernrohrs.

Die zweite und dritte Beobachtung kann mit aller nur irgend wünschenswerthen Genauigkeit vorgenommen werden. Das Plätt-

') Vergleiche die p. 704 citirte Arbeit von Müttrich.

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eben spiegelte so vorzüglich, dass bei wiederholten Einstellungen des Spiegelbilds fast stets dasselbe Resultat erhalten wurde und jedenfalls waren die Abweichungen immer höchst unbedeutend. Unter allen Umständen sind die dadurch erzeugten Beobachtungs- fehler sehr viel kleiner, sogar verschwindend im Verhältniss zu denen, die sich aus der ersten Beobachtung, der Einstellung des schwarzen Balkens, ergeben, auf welche die Abweichungen der durch die verschiedenen Einzelbeobachtungen ermittelten Werthe der Win- kel No: und iVüJi von einander wohl allein zurückzuführen sind. Es handelt sich liier um das Einstellen auf die Mitte einer ziem- lich breiten schwarzen Zone, w'obei, wenn auch die Ränder lebhaft roth und blau gefärbt sind, doch noch eine so grosse einheitlich schwarze Stelle übrig bleibt, dass erhebliche Unsicherheiten in der Einstellung nicht zu vermeiden sind. Vorläufige Versuche hatten ergeben, dass nach der fünften Einstellung des Axenbilds die arith- metischen Mittel der erhaltenen Werthe durch Hinzunahme vieler weiterer Ablesungen sich nur noch um Beträge ändern innerhalb der Grenzen von 2', was bei dieser Zahl der Ablesungen ungefähr den wahrscheinlichen Fehler des direct abgelesenen Winkels aus- machen würde. Da wir aber nur den halben Winkel brauchen, so ist auch der so bestimmte Werth von Noi und TVwi nur mit einem wahrscheinlichen Fehler von U behaftet, wenn mindestens fünfmal neu auf das Axenbild eingestellt worden war.

Ich habe diese Einstellung bei beiden Axen je sechsmal vor- genommen und dabei für das Licht des rothen Glases folgende Werthe ermittelt für Nm und Noo^'.

No:

No:, =

1.

32°16'45"

32°12'45"

2.

32°15'0"

32° 15' 25"

3.

32° 9' 45"

32°13'20"

4.

32°13'0"

32° IG' 45"

5.

32°13'45"

32° 13' 45"

G.

32° 10' 30"

32° 13'0"

Mittel

32° 14'7y'

32° 14' 10"

50»

G92

Gesammtsitzung

und daraus:

AS,, _ AS; = 0' 2.1”.

Die Differenz der durch die Mittel gegebenen wahrscheinlich- sten Endresultate ist also viel geringer als der wahrscheiidiche Fehler des Resultats, wir iniissen also annehmen, dass streng:

und dass:

Nw = Nw, = 32° 14'

ist, unter Weglassung der doch jedenfalls unsicheren Secunden.

Berechnet man nun noch zur Sicherheit aus den Einzelheoh- achtungen den wahrscheinlichen Fehler des Endresultats und der verschiedenen Einzelbeobachtungen nach den bekannten Formeln, so erhält man für ersteren in ungefährer Übereinstimmung mit dem Obigen für Nw und xYwi den wahrscheiidichen Fehler = 0'8b und jede Einzelbeobachtung ist mit einem solchen von 2^0 behaftet.

Durch dieses Ergebniss, Nw=. Nwi^ ist nun (unter Berücksich- tigung des sonstigen Verhaltens des Glimmers) bewiesen, dass in der That die scheinbaren optischen Axen ( und damit nothwendig auch die wahren) symmetrisch zu der durch den Bogen Nu gege- benen Ebene liegen, was unzweifelhaft auf ein 2 -+- 1 gliedriges Krystallsystem hinweist. Diese Symmetrie wird, wie wir unten sehen werden, noch weiter dargethan durch die gegenseitige Lage der schwarzen Lemniskaten in dem Axenbilde zwischen gekreuzten Nicols.

6) Winkel der scheinbaren optischen Axen. Auch dieser wurde am Goniometer bestimmt, an welchem aber zu die- sem Zweck das mit dem Theilkreis drehbare Fernrohr wieder durch ein feststehendes ersetzt war, wie es bei gewöhidichen Winkelmes- sungen angewandt wird. Die Polarisations -Vorrichtungen wurden wie oben angebracht. Die Ebene der scheinbaren Axen wurde pa- rallel zum Theilkreis eingestellt, jede Axe mit dem Schnittpunkt der Kreuzfäden zur Deckung gebracht und abgelesen.

Es ergeben sich dabei folgende Werthe:

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wwi 64° 13' 0"

13' 0"

30' 30"

8' 0"

2'0"

30' 30"

15' 30"

2' 30"

16' 0"

19' 0"

64° 5' 30"

im Mittel : = 64° 14' 8yV'-

Die Extreme liegen hier weiter auseinander als in obiger Win- keltabelle. Dies hat zwei Gründe. Einmal sind dort nur die hal- ben, hier die ganzen direct beobachteten Winkel angeführt, also sind dort die Extreme verhältnissmässig nur halb so gross, als hier. Dann wdrd hier zweimal auf den breiten schwarzen Balken eingestellt, dort nur einmal, die Quelle der Unsicherheit, die hier zweimal wirkt, hat dort nur einmal ihren Einfluss ausgeübt. Gleich- wohl beträgt der wahrscheinliche Fehler des Mittehverths nur 2^04, während der jeder Einzelbeobachtung 6^6 ausmacht.

Im Folgenden nehmen wir als wahrscheinlichsten Werth des scheinbaren Axen winkeis unter Fortlassung der unsicheren Se- cunden :

64° 14'.

c) Berechnung der scheinbaren und wirklichen Ab- weichung der Ebene (Mittellinie) der optischen Axen. Die obigen Beobachtungen haben uns als Grundlage für diese Be- rechnung ergeben:

y-ji =1 .Vo», = 32° 14' w Oüj 64° 14'.

Daraus folgt für den Bogen Nu’.

Nu =z 2 ° 55

694

Oesammtsitzung

und dies ist die scheinbare Abweichung der Ebene der optischen Axen oder der optischen Mittellinie von der Normale zur Spaltuugs- fläche. Diese letztere selbst macht also mit der Axenebene (Mittel- linie) einen Winkel von 87° 5', was mit den von Tsch e rm ak er- mittelten Werthen ziemlich übereinstimmt. Jedenfalls können die an verschiedenen Glimmersorten in diesen Werthen gefundenen Diffe- renzen nichts Überraschendes haben, wenn man die grossen Unter- schiede ins Auge fasst, die in optischer Beziehung auch sonst bei verschiedenen Glimmersorten vorhanden sind.

Um nun die wahre Abweichung der optischen Axenebene zu bestimmen, d. h. den Winkel den die Ebene der wahren optischen Axen 0 oder deren Mittellinie a mit der .Spaltungsfiäche oder deren Normalen W macht, hat man zu berücksichtigen, dass jede wahre Axe 0 nothwendig in der Ebene einer scheinbaren Axe w und der Normalen N der Spaltungsfläche liegen muss und dass sie mit die- ser Normale lY einen kleineren Winkel machen muss, als die schein- baren Axen w, und zwar muss dieser Winkel Xo und auf bei- den Seiten der Synimetrie-Pibene derselbe sein. Legt man in obiger Figur auch die wahren Axen o und Oj in den Mittelpunkt der Ku- gel, so kommen ihre Pole o und Oj auf die Bögen und N uji

zwischen N und w und N und a’i so zu liegen, dass X o =: A’^Oj ist.

Um die Lage von o und genau zu fixiren, hat man dann die Beziehung:

sin A’w = ß sin A'o oder

. sin Xm

sin A'o ?r~~

P

wo ß der mittlere Brechungs- Coefticient des Glimmers ist.

Bei einem später zu erwähnenden Versuch wurde gefunden:

ß 1,54136.

Daraus ergiebt sich :

Xo = Xo, 20° 15'

als Winkel, den die wahren optischen Axen mit der Normale zur Spaltungsfläche machen.

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Endlich findet man aus dem Dreieck oNa, in welchem der Winkel oNci— 85° 23' von frühei-en Rechnungen her bekannt ist:

Na= 1°42'

als Winkel der Ebene der wahren optischen Axen (oder der wah- ren Mittellinie) mit der Normalen der Spaltungsfläche; der Winkel mit der Spaltungsfläche selbst beträgt also: 88° 18'.

In welcher Richtung die optische Axenehene geneigt ist, konnte leider nicht bestimmt werden, da das Glimmerplättchen keine regel- mässige Begrenzung hatte. "

Alle diese Beobachtungen wurden auf einem höchstens unge- fähr zwei Quadratmillimeter grossen Theil der Oberfläche des Glim- merplättchens gemacht, indem der ganze übrige Theil der Ober- fläche mit Tusche geschwärzt und der Glimmer dadurch undurch- sichtig und nicht spiegelnd gemacht worden war. Es wurde hier- auf eine andere ebenso grosse Stelle mittelst eines nassen Pinsels von der Tusche befreit und das vorher untersuchte Stück ge- schwärzt. An der so hergestellten freien Stelle wurden dieselben PTntersuchuugen wiederholt, um zu erkennen, ob der Glimmer über- all dasselbe optische Verhalten zeige oder nicht. Es wurden dabei innerhalb der Beobachtungsfehler dieselben Werthe gefunden, wie vorhin. Es folgt daraus für das betreffende Glimmerplättchen eine grosse Homogeneität in physikalischer Beziehung, abweichend von andern Glimmerplättchen, die an verschiedenen Stellen schon auf nicht bedeutende Entfernungen sehr merkliche Differenzeir in ihrem optischen Verhalten erkennen lassen.

Wegen dieser Homogeneität wurde im Nachfolgenden auch nur noch eine Stelle des Glimmers untersucht, aber auch jetzt noch der grösste Theil desselben mit Tusche bedeckt gelassen, um Alles unnöthige und störende Seitenlicht auszuschliessen.

Resultate der vorstehenden Untersuchung:

1) Der Glimmer ist nach seinem optischen Verhalten mono- klin.

2) Die optische Axenehene ist senkrecht zur Symmetrie-Ebene, die Mittellinie liegt in dieser.

3) Es beträgt der Winkel :

a) der scheinbaren Mittellinie mit der Spaltungsfläche 87° 5', der scheinbaren Mittellinie mit der Normale der Spal-

tuugsfläche 55',

696

Gesammtsitzung

b) der wahren optischen Mittellinie mit der Spaltungsfläche

88® 18',

der wahren optischen Mittellinie mit der Normale der

Spaltungsfläche 1°4'2'.

Die Richtung der Neigung der Mittellinie konnte nicht bestimmt werden.

4) Es beträgt der Winkel :

der scheinbaren optischen Axen 64° 14', der wahren optischen Axen 40°21'^).

5) Es ist der Winkel der optischen Axen mit der Normale der Spaltungsfläche, und zwar:

der scheinbaren 32° 14', der wahren 20° 15'.

Zusatz. Unmittelbar vor der Drucklegung dieses schon seit August d. J. druckt’ertig vorliegenden Manuscripts kommt mir noch die briefliche Mittheilung N. v. Kokscharow’s an G. vom Rath zu 2), worin der erstgenannte verehrte Forscher seine frfihere .Mei- nung, dass der Glimmer monoklin mit einem Axenwinkel alc=. 90° 0' 0" sei, ändert und annimmt, der Glimmer sei rhombisch mit monoklinem Ansehen, welche letztere Annahme den hier geworde- nen optischen Verhältnissen widerspricht. Krvstallographische Er- örterungen liegen nicht im Plan gegenwärtiger Abhandlung, aber die Ansicht eines so verdienten und erfahrenen .Mineralogen, wie N. V. Kokscharow, legt die Frage nahe, ob nicht vielleicht die kleinen Winkel, welche wir als gegen rhombische Symmetrie spre- chend angeführt haben, nur zufällige und durch irgend welche äusseren Einflüsse im Glimmer hervorgerufene Erscheinungen, viel- leicht Druckwirkungen seien, wie man ja in der That solche ab- norme optischen Erscheinungen nicht selten in den Krystallen aller möglichen Substanzen zu beobachten Gelegenheit hat. Lägen hier solche abnormen Erscheinungen vor, so würden zum rhombischen System, wie es Kokscharow aus seinen Messungen folgern zu müssen glaubt, die optischen Erscheinungen nicht nothwendig mehr im Widerspruch stehen, wie es Jetzt der Fall ist.

D Die Bestimmung siehe unter II p. 703. Diese Zahl ist nur der Voll- ständigkeit wegen schon hier mit aufgezählt.

*) Neues Jahrbuch 1877 p. 798 fl'.

vom 22. November 1877.

697

Ich glaube nach Berücksichtigung aller Thatsachen nicht, dass ein Grund vorliegt, solche abnormen Erscheinungen hier anzuneh- men, sondern dass die Verhältnisse in optischer Beziehung mit Xoth- Avendigkeit die Annahme eines monoklinen Krvstallsvstems erfor- dern. Die Gründe, die mich zu dieser Annahme bestimmen, sind die folgenden : Zunächst das völlige Ubereinstimmeu der zwei ge- messenen Vinkel N'ji und Xo-’i an dem vorliegenden, im höchsten Maass physikalisch gleichartigen und daher sicher von grösseren Druckwirkungen verschont gebliebenen Glimmerplättchen, dessen verschiedene Stellen sich optisch ganz gleich verhalten, was wohl kaum der Fall wäre, Avenn durch äussere Einflüsse oder auch durch innere Spannungen oder durch irgend Avelche andere Zufälligkeit diese AbAA'eichungen A’on dem Verhalten rhombischer Systeme her- vorgebracht worden Avären. Sodann die durchgehende Übereinstim- mung sämmtlicher bis jetzt ausgeführter genauer Ermittelungen am Glimmer nach dieser Richtung hin, nicht nur am Kaliglimmer (a’ou Tschermak und mir), sondern auch an einem vesuvischen Magne- siaglimmer (von Hintze), Avobei zu bemerken ist, dass jeder der drei genannten Beobachter eine andere Bestimmungsmethode ange- Avandt hat. Diese Übereinstimmung der Resultate, erhalten von A’erschiedenen Beobachtern an verschiedenem, jedenfalls zum Theil vorzüglichem Material, vermittelst AiiAvendung ganz verschiedener Methoden, durch Zufälligkeiten erklären zu Avollen, dürfte jedenfalls sehr gewagt erscheinen. Die kleine Zahl genügend genauer opti- scher Bestimmungen reicht allerdings leider noch nicht hin, die Sache vom physikalischen Standpunkt aus als abgeschlossen be- trachten zu lassen , die Zeit Avird diese Bestimmungen vermehren und dann ein deflnitives Urtheil ermöglichen, bis dahin Avird aber der ZAviespalt zwischen den Resultaten optischer und krystallogra- phischer Forschung fortdauern müssen, AA'enn nicht A'ielleicht er- neute krystallographische Untersuchungen die Zulässigkeit und XothAvendigkeit der Annahme des monoklinen Systems auch A*on dieser Seite her erkennen lassen.

G98

Gesammtsitzuvg

II. BesÜmmung der llauptbreclnings-Co'efjicienten des Glimmers ^).

Es bedeuten «, ß, 7 bezieliiuigsweise den kleinsten, mittleren und grössten Brechungsindex; und a, h, c die diesen entsprechen- den Elasticitätsaxen, so dass man hat:

_ 1 «

_ 1

7 *

a) Der mittlere B rech un gs - Coe ff i eien t ß. Zu dessen Bestimmung NYurde, weil Prismenbeobachtungen ausgeschlossen waren, eine Methode benutzt, die diese Bestimmung auf einem Spaitu ngs- plättchen auszuführen gestattete. Sie ist nicht gerade der höchsten Genauigkeit fähig, giebt uns aber den mittleren Coefticienten ß und noch einen zweiten bis zur dritten Decimale genau, so dass immerhin durch weitere Verwerthung der für ß gefundenen Zahl sehr angenäherte Werthe für a und 7 erhalten werden.

Diese Methode besteht darin, dass man das Glinimerplättchen auf ein unter einem stark vergrössernden Mikroskop möglichst scharf eingestelltes Object legte. Dadurch wurde das Object un- sichtbar und es bedurfte einer gewissen vom Brechungs-Coefticien- ten und der Dicke des Plättchens abhängigen Verschiebung des Ob- jectivs, um dasselbe Object abermals möglichst scharf zu sehen.

0 Die hier angewandte hat vor der sonst sehr zweckmässigen Methode von Kohlrausch, durch Untersuchung der totalen Reflexion auf einer senkrecht zur optischen Mittellinie geschliffenen und in eine stärker brechende Flüssigkeit eingetauchten Krystallplatte die Hauptbrechungs-Coeflicienten zu bestimmen, den Vorzug, ganz allgemein anwendbar und von der Grösse der Brechungs-Coeffi- cienten unabhängig zu sein. Durch Kintauchen des Plättchens in .Schwefel- kohlenstoff kann die angedeutete Untersuchung beim Gltmmer allerdings sehr gut ausgeführt werden. Ich hofl'c, später Untersuchungen nach dieser Methode mittheilen zu können. Um hier noch mit benützt werden zu können, wurde mir die betrefiende Arbeit Ko hl rausch ’s zu spät bekannt.

vom 22. November 1877.

699

Der Brechiings-Coefficient lässt sich dann aus der Dicke des Plätt- chens und aus der Grösse der Verschiebung berechnen. Diese Me- thode hat u. A. Wildi) zur Bestimmung der Brechungs-Coefficien- ten von Glasplättchen verwendet, die er zu photometrischen Unter- suchungen brauchte.

Ist cl die Dicke einer Platte, v die nach ihrem Auflegen auf das Object nöthige Verschiebung des Mikroskop-Objectivs zur Her- stellung eines scharfen Bildes, endlich n der gesuchte Brechungs- Coefficient, so ist:

cl

Die Beobachtungen wurden mit einem H artn ak’schen Mikroskop angestellt und zwar in der Weise, dass man sowohl die Dicke der Platte, als auch die nöthige Verschiebung ausdrückte in den Win- keln, um die man die Mikrometerschraube des Instruments drehen musste, einerseits um nach dem Auflegen des Glimmers wieder scharf einzustellen, andererseits um von einem im Niveau der obe- ren Fläche des Glimmerplättchens liegenden scharf eingestellten Punkt auf einen im Niveau der unteren Fläche liegenden Punkt scharf einzustellen. Diese Drehungswinkel wurden mittelst einer an der Mikrometerschraube angebrachten Kreistheilung gemessen.

Zur Messung wurde, um eine starke Vergrösserung zu haben und zugleich einen möglichst grossen Spielraum zwischen dem Ob- jective und dem Object, ein schwaches Objectiv mit einem starken Ocular combinirt. Als Object diente eine Probeplatte mit Diato- meen, deren feine Gitter und scharfe Ränder jedesmal eine scharfe Einstellung gestatteten. Es wurde auf eine passende Diatomee scharf eingestellt, dann der Glimmer übergeschoben und wieder eingestellt, und zwar war dabei im Mikroskop ein Nicol so einge- schaltet, dass das eine Mal nur senkrecht, das andere Mal nur pa- rallel zur Ebene der optischen Axen schwingende Lichtstrahlen ins Auge gelangen konnten. Bei beiden Stellungen des Nicols, die ich als erste und zweite unterscheide, wurde die Verschiebung ge- messen. Als Mittel aus 10 verschiedenen Beobachtungen ergeben sich die folgenden Zahlen für diese Verschiebungen:

) Fogg. Arm. 99. 259. 1856.

700

Gemmmtsitzung

für die erste Stellung des Nicol: 128°3

für die zweite Stellung des Nicol: 133°4

mit einem berechneten wahrscheinlichen Fehler von

Um mm auch die Dicke des Plättchens im Drehungswinkel der Mikrometerschraube ausgedrückt zu erhalten, stellt man nacli Entfernung der Diatomeenplatte erst so ein, dass ein Punkt auf der oberen, dem Objectiv zugekehrten Seite des Glimmerplättchens möglichst scharf eingestellt ist. Alsdann bestimmt man die Ver- schiebung i'i, die nöthig ist, um einen Punkt an der Unterfläche des Glimmers durch diesen hindurch genau zu sehen. Diese Ver- schiebung ist offenbar nicht gleich der Dicke selbst, denn die durch den Glimmer gehenden Lichtstrahlen erleiden eine Brechung, die bewirkt, dass man um einen geringeren Betrag als die Dicke d das* Objectiv verschieben muss. Dieser Betrag sei fj. Dagegen ist leicht einzusehen, dass diese Dicke gleich der Summe der bei- den auf angedeutete Weise erhaltenen Verschiebungen sein muss:

und es werden bei dieser Dickebestimmung dann v und t'i ohne Einschaltung eines Nicols gemessen.

Als Mittel aus 10 Beobachtungen ergab sich mit einem wahr- scheinlichen Fehler von 4°:

Wollte man das absolute Maass der Dicke in Millimetern ausge- drückt haben, so müsste man noch bestimmen, um wieviel Milli- meter bei einer ganzen Umdrehung der Mikrometerschraube das Mikroskop verschoben wird. Dieses absolute Maass ist aber bei der Bestimmung der Brechungs -Coefficieuten unnothig. Hier ge- nügt es, d, V und fj in demselben aber ganz beliebigen Maass, hier in Graden der Drehung der Mikrometerschraube ausgedrückt zu haben. Aus den erhaltenen Zahlen für d, v und i'i ergiebt sich :

d=. V i’i

d = 36593.

365,3

365,3 128,3 365,3

365,3 133,4

vom 22. November 1877.

701

welche Werthe unter Berücksichtigung der eben angegebenen wahr- scheinlichen Fehler als in der zweiten Decimale noch richtig sich ergeben haben, von da ab sind sie unsicher.

Der Coefficient entspricht Lichtschwingungen senkrecht zur Ebene der optischen Axen ( wobei übrigens von der kleinen Ab- weichung der optischen Axenebene von der Stellung senkrecht zur Spaltungsfläche abgesehen ist), es ist der mittlere Brechungs-Coef- ficient ß. Der Coefficient entspricht Schwingungen parallel der Ebene der optischen Axen oder genauer parallel der zweiten Mittel- linie, die den stumpfen Winkel der optischen Axen halbirl. ist der grösste Brechungs-Coefficient 7, demnach die zweite Mittellinie die Richtung der kleinsten, die Richtung der ersten Mittellinie so- mit diejenige der grössten Elasticität. Der Glimmer ist also, was den Charakter der Doppelbrechung anbelangt, negativ, wie man das auch direct beobachten kann und wie es bei allen Kaliglim- mern der Fall ist.

Wir haben also nach unserer Eingangs gegebenen Bezeich- nungsweise :

ß = 1,54136, 7 1,57525.

Von diesen beiden , wie erwähnt bis zur dritten Decimale si- cheren, Coefficienten soll nun zunächst nur der mittlere ß weiter benutzt und derselbe zur Ermittelung von a und 7 in der sogleich anzugebenden Weise benutzt werden. Der hier gefundene Werth für 7 kann dann für den später zu bestimmenden Werth derselben Grösse als Controle dienen.

70*2

Gesammtsitzung

Wir haben oben die absolute Dicke des Plättchens unbestiiimii gelassen, weil sie zu dem unmittelbaren Zweck der Bestimmung der Brechungs - Coefficienten nicht nöthig war. Wir wollen aber diese Bestimmung nun hier doch noch ausführen, da wir zu an- deren Zwecken den absoluten Werth von d in Millimetern kennen müssen. Vermittelst eines mit Mikrometer versehenen horizontal- gestellten Mikroskops wurde ermittelt, dass eine zweimalige Um- drehung der Mikrometerschraube (also eine Drehung derselben um 720°) das Objectiv um 0'“'"93 verschob, daraus ergiebt sich dann für die der Dicke entsprechende Drehung von 3G5°3:

d = 0’“,'“472.

Um den Grad der Genauigkeit der hier angewandten Methode etwas eingehender zu prüfen, wurde die Dicke d auch direct mit- telst des Sphärometers gemessen. Diese .Messung ergab:

d— 0'“'“471,

also völlige Übereinstimmung der zwei ersten Decimalen, eine Ab- weichung von nur einer Einheit in der dritten. Die Messung der Verschiebung des Mikroskops, die zur Bestimmung der Brechungs- Coefficienten dient, kann natürlich ebenso genau ausgeführt werden, als die zur Bestimmung der Dicke dienende, also wird man auch die Endresultate für gleich genau halten müssen. Es folgt also auch hieraus, dass wir den mittleren Brechungs - Coefficienten für genau in den zwei ersten Decimalen halten dürfen. Im Folgenden soll der direct erhaltene Werth:

0™«>47i

als der muthmasslich genauere benutzt werden.

V) Der wahre Winkel der optischen .\xen. Aus dem oben angeführten Winkel der scheinbaren Axen und dem mittleren Brechungs-Coöfficienten ergiebt sich der Winkel der wirklichen opti- schen Axen ooj. Es ist:

vom 22. Xovemher 1877,

703

sin ooi);

sin ’ji u. i) sin 32° 7'

also

und

ß 1,54136’

\ 00, === 20° 10|'

00, = 40° 2lf,

oder unter Fortlassung der Brucbtheile der Minuten:

0 0, = 40° 21'.

Die Kenntniss dieses Winkels ist einmal an sieh wichtig und seine Ermittelung von Werth, dann führt er uns aber auch zu einer Beziehung zwisehen den drei Hauptbrechungs-Coefficienten, die wir weiterhin zur Ermittelung dieser Werthe benutzen werden.

Es ist nämlich:

sin

0 0,

und das für unsere Zahlen angewandt, giebt:

sin 20° 10|'

worin rechts bekannt ist:

h-=^ = 0,42092;

!2,-

unbekannt sind a~ und c~.

Weiter erhält man:

-

sin* 20° 104' == 0,1 1917 =

a- er

als erste Beziehung zwischen er und c* und einigen bekannten Grössen. Im nachfolgenden Paragraphen sub c) soll eine weitere Beziehung aufgestellt werden, welche mit der hier gefundenen die Werthe für ar und c' liefert.

704

Gesammtsitzung

c) Die Entfernungen der schwarzen Ringe in dem Axenbild, gemessen in der Axenebene. lüine Bezieliung zwischen diesen Entfernungen und den Elasticitätsaxen ist von F. E. Neumann aufgestellt und u. A. auch von A. Müttrich in seiner schönen Arbeit über die optischen Verhältnisse des Seignette- salzes zur Ermittelung der Brechungs-Coefücienten benützt wor- den. Ich verweise betreffs alles Details und besonders betreffs der Entwickelung der die Beziehung ausdrückenden Formel selbst auf diese Arbeit, da alles, was über die Andeutung des allgemeinen (längs der Bestimmung der angeführten Werthe hinausgeht, an die- ser Stelle nur eine unnöthige und zwecklose Wiederholung des dort Gesagten wäre.

Bestimmt man nämlich in einer beliebigen planparallelen Krv- stallplatte, deren BegrenzungsHächen senkrecht zur optischen Mittellinie stehen, in der Ebene der optischen Axen die Winkel derjenigen Richtungen mit einander, welche den beiden wahren optischen Axen und einem beliebigen dunkeln Ring iin Innern des Krystalls entsprechen, so hat man folgende Beziehung ^):

d {d~ c*) sin ?/, . sin r*i 2 ?. cos (/’i

Dabei haben a, b, c und d die von früher her bekannte Bedeu- tung, }. ist die Wellenlänge des angewandten homogenen, hier rotheii Lichts, ?/, und t'i sind die Winkel, welche im Innern des Krystalls die einem beliebigen dunkeln Ringe entsprechende Strahlenrichtung mit den beiden wahren optischen Axen einschliessen , und endlich ist (/), der Winkel derselben Richtung mit der optischen Mittellinie. n ist die Nummer des betreffenden schwarzen Rings an der jewei- ligen optischen Axe, von dieser aus gerechnet. Dabei müssen die Nummern der inneren Ringe (welche nach der anderen Axe hin- liegen) und der äusseren (welche von der anderen A*xe ab liegen) mit entgegengesetztem Vorzeichen eingeführt werden.

Ich bemerke noch, dass hier und in dem citirten Aufsatz von A. Müttrich dieselben Buchstaben benützt sind.

') Pogg. Ann. CXXI, 193 und 398. 18C4.

Eine für manche Reclmiing etwas bequemere Form dieser Gleicliung ist ganz am Sctiliiss unmittelbar vor der letzten Tabelle angegeben.

vom 22. November 1877.

705

Diese Formel setzt unter Anderem voraus, dass die Begren- zungsfläclien des Plättchens genau senkrecht auf der optischen Mittellinie stehen. Dies ist bei unserem Glimmer, wie oben ge- zeigt wurde, nicht ganz genau der Fall, aber die Abweichung ist so gering, dass bei Voraussetzung der genau senkrechten Stellung keine merklichen Fehler entstehen werden, so dass man also diese genau senkrechte Stellung im Folgenden voraussetzen kann.

Die Messung der Entfernungen der dunkeln Ringe ist mit grosser Genauigkeit möglich, im Allgemeinen mit derselben, mit der der Winkel der scheinbaren Axen gemessen werden kann, daher sind auch die auf diese Weise ermittelten Endresultate im Allge- meinen sehr genau. Die Messung geschah auch hier mit dem Go- niometer, auf dem die Platte so befestigt war,, dass die Axenebene dem Theilkreis parallel war und das dieselbe Einrichtung zur Er- zeugung des Axenbildes hatte, wie früher, bei der Bestimmung des scheinbaren Axenwinkels. Es wurde dann der Reihe nach auf die dunkelsten Stellen der schwarzen Lemniskaten und Hyperbeln ein- gestellt, die entsprechenden W^inkel abgelesen und so die Entfer- nung der Ringe bestimmt.

In der folgenden Tabelle sind die einzelnen unmittelbar ge- fundenen Winkelwerthe angegeben. Es sind Mittel aus je 7 Ab- lesungen jedes einzelnen Winkels, die sich zum Theil um 20' von einander entfernen und die einen wahrscheinlichen Fehler von 2' enthalten.

Die Tabelle giebt die Entfernung eines jeden dunkeln Rings (und jeder Hyperbel) von den beiden benachbarten an. Die beiden Verticalreihen A und B geben die auf die beiden optischen Axen A und B bezüglichen Werthe. In der letzten Reihe sind die Dif- ferenzen je der entsprechenden Werthe aus den Reihen A und B angegeben. Die Ringe sind von der Axe (Hyperbel) an gezählt, die von ihnen umschlossen wird.

[1877]

51

70G

Gesa m m ts it: ii ng

Nummer der Ringe.

Axe A.

Axe B.

Differenzen.

4. äusserer Ring

29' 49"

28' 17"

4- 1'32"

3. äusserer Ring

40' 4"

3G' 22"

4- 3' 42"

2. äusserer Ring

öS' 2C"

4®5G' 0"

0' 34"

1. äusserer Ring

25' 13"

25' 9"

1

o

Optische Axe

10' 3"

9' 3"

4- 1' 0"

1. innerer Ring

52' 22^-"

51' 0"

4- l'22f'

2. innerer Ring

Diese Tabelle zeigt zunächst, dass die Verhältnisse um die beiden Axen herum, rechts und links von der Symmetrie- Ebene, ganz gleich sind, wie auch schon die gleichen Entfernungen der optischen Axen von der Normalen zur Spaltungsfläche haben er- warten lassen. Die Entfernungen der schwarzen Ringe um die Axe A und die entsprechenden um die Axe B unterscheiden sich, wie die letzte Verticalreihe zeigt, nur um Grössen von einander, die kleiner sind als die Beobachtungsfehler. Nur die Differenz in den Entfernungen des zweiten und dritten äusseren Rings um die beiden Axen ist grosser als diese Fehler. Der Grund dieser grösse- ren Differenz ist unklar. Jedenfalls darf man aus dieser einzelnen Zahl heraus nicht auf einen wirklich vorhandenen Unterschied der Verhältnisse um die beiden Axen herum schliessen, im Gegentheil bestätigt die angeführte Tabelle in schönster Weise die schon aus früheren Beobachtungen gefolgerten Symmetrie -Verhältnisse, ver- möge deren der Glimmer dem monoklinen System zugetheilt wurde, da sie das trikline System ausschlossen.

In den folgenden Rechnungen wird man nun zunächst, weil um die beiden Axen theoretisch absolute Gleichheit herrschen muss.

vom 22. November 1877.

707

aus den Zahlen der Reihen und B die Mittehverthe nehmen und erhält dann, bei Vernachlässigung der unsicheren Secunden für die Entfernungen der einzelnen Ringe die folgenden VTerthe:

Nummer des Rings.

nungen.

4. äusserer Ring

29'

3. äusserer Ring

3S'

2. äusserer Ring

56'

1. äusserer Ring

25'

Optische Axe

10'

1 . innerer Ring

52'

2. innerer Ring

Diese direct beobachteten Winkel, wie sie die Tabelle giebt, sind die Winkel in der Luft, in unserer Formel sind aber die entspre- chenden Winkel im Innern des Krystalls enthalten. Um diese mit hinreichender Genauigkeit aus den beobachteten Winkeln zu berech- nen. kann man sich, wegen des geringen Abstandes von den opti- schen Axen, des niittleren Brechungs-Coeflicienten bedienen. Unter Berücksichtigung der Winkel der optischen Axen, wie sie oben ge- funden wurden, ergeben sich dann die in der Formel vorkommen- den Winkel für jeden einzelnen schwarzen Ring, und diese Winkel sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt:

äl

708

Gesammtsitzung

Nummer des Rings.

«1

4. äusserer Ring

10° 22.^'

50° 44.y

30°

3. äusserer Ring

12'

48° 39'

28° 23'

2. äusserer Ring

47'

4G° 9'

25° 58'

1. äusserer Ring

G'

00

o

23° 17'

1. innerer Ring

41'

3G° 41'

1G° 29'

2. innerer Ring

34'

31° 48'

11° 37'

Setzt man nun diese Werthe in die Formel ein, so erhält man eine Reihe von Gleichungen, deren jede sich auf einen bestimmten Ring bezieht und deren jede einen Ausdruck für K giebt, wobei man setzt:

d(a^ c^)

In diesen Gleichungen ist nur a“ und unbekannt und wir haben damit also, unter Berücksichtigung der Gleichung auf S. 703, die Möglichkeit, diese beiden Werthe zu berechnen.

Die Gleichungen, die sich in der angedeuteten Weise ergeben, sind nun die folgenden und sie bezielien sich in derselben Reihen- folge wie in der vorstehenden Tabelle auf die einzelnen Ringe:

4 = 0,1G1933 4. 0,040483 A',

3 = 0,121540 A"= 3. 0,040485 h\

2 = 0,080942 K= 2. 0,040471 A',

1 = 0,040745 A'= 1. 0,040745 K,

1 = 0,040025 A^= 1. 0,040025 A',

2 = 0,080135 K= 2. 0,040007 K.

Diese Gleichungen stimmen, wie man aus der letzten Reihe sieht, untereinander sehr gut. Fasst man sie zusammen, so er- hält man:

0,525320 7^=13 oder 0,040409 A'= 1.

vom 22. November 1877.

709

Die Coefficienten in der dritten Reihe des obigen Systems von Gleichungen weichen von dem Coefficienten von K in dieser letzten Gleichung sehr wenig ab und es beträgt der wahrscheinliche Fehler dieses Schlussresultats 0,0000895 , während jede Einzelzahl mit einem solchen von n . 0,000127 behaftet ist, wo n die Nummer des Rings bedeutet.

Aus der letzten Gleichung ergiebt sich nun:

somit:

_ cl{a-—c-) _ 1

2 ?. 5" 0,040409

24,7461,

2 7.h^ . 24,7461 d

Hier ist aber:

= 0,27309,

7. =: 0T000643 1),

d 0T471,

und dies giebt endlich:

a-—c- = 0,018451

als zweite Bedingungsgleichung zur Bestimmung von und c^.

d) Berechnung von a' und c' aus den gefundenen Be- dingun g Sgl eich ungen. Zur Bestimmung von a‘ und dienen uns nun die folgenden zwei Gleichungen:

a“ h“

1) r. = 0.11917,

a- c"

2) ar c' = 0,01845.

B Dieser Werth ist Pouillet - Müller s Lehrbuch, 1. Aull., 1843, II. 240 entnommen. Er ist von Sch wert! aus Beugungserscheinungen ab- geleitet, die er in dem Licht anstellte, welches durch ein rothes Glas gegan- gen war, das also dem hier angewandten Jedenfalls sehr ähnlich gewesen

sein muss.

710

GesammUUzung

In der ersten Gleichung ist die rechte Seite mit einer Unsicherheit von der vierten, in der zweiten von der fünften Stelle incl. an be- haftet. Aus Gleichung (1) folgt:

0,11917 (a-— c')

und unter Berücksichtigung von (2):

== 0,1 1917 . 0,018451 ==

= 0,002199.

Nach dem Früheren ist aber:

V' = 0,42092,

also:

= 0,42092 0,00220 zrz

=: 0,42312

und hieraus endlich :

c' == 0,42312 0,01845 =

= 0,40467.

Stellen wir nun die gefundenen Resultate zusammen mit den aus diesen Zahlen unmittelbar sich ergebenden, so ist :

0,42312, a = 0,65047, «= 1,53734,

b-= 0,42092, h = 0,64875, ß = 1,54136,

c- = 0,40467, c = 0,63481, 7 = 1,57204,

wobei der Werth von ß zu Grunde gelegt ist, der oben nur bis zur dritten Stelle excl. sicher ist.

Vergleichen wir nun zum Schluss den früher gefundenen Werth von 7 mit dem eben gefundenen, so ist jener:

7 = 1,57525

und dieser:

7 = 1,57204,

also die Differenz

= 0,00321,

vom 22. November 1877.

711

somit ist auch hier eine Übereinstimmung in den zwei ersten Stellen.

Um die erhaltenen Zahlen weiter auf ihre Richtigkeit zu prü- fen, kann man aus ihnen, sowie aus dem bekannten Axenwinkel ooi nach der oben angeführten Formel, welche die Entfernungen der schwarzen Ringe des Axenbilds zu einander in Beziehung bringt, für jede einzelne Lemniskate den Werth des Winkels (pi rück- wärts berechnen und mit den direct beobachteten Werthen verglei- chen, wie sie in einer früheren Tabelle dargestellt sind, und so ermitteln, wie die aus dem Mittel werth berechneten Zahlen für «, ß, 7 den Einzelbeobachtungen an den schwarzen Ringen ent- sprechen.

Zu diesem Zweck ist es vortheilhaft, die erwähnte Formel: d(a^ c‘) sin . sin Vj

—r~ 77,

2 Xb^ COS cpi

umzuändern, unter Berücksichtigung, dass

OOi

Ul ^Pi ^

OOi

^7l (p^ +

in die neue gleichwerthige Formel:

0 Oj

cos^ ^ cos- <Pi 2 >, b^

t

cos (pi C“)

Setzt man nun hier für a, b und c die ermittelten Werthe, ebenso die oben angegebenen Werthe für ooj, >. und d, so erhält man für die verschiedenen Werthe von d= n (für die verschiedenen inneren und äusseren Ringe) die in der nachfolgenden Tabelle zu- sammengestellten Werthe von (/7, neben denen die beobachteten Werthe von cp^ aus der früheren Tabelle angeführt sind. Endlich enthält die letzte Verticalreihe die Differenzen der beobachteten und berechneten Werthe von (pi, die wie man sieht nicht gross sind.

712

GesammtsUzung vom 22. November 1877.

Namiuer des Kings.

</>i be- rechnet.

</>i beob- achtet.

Diffe-

renz.

4. äusserer King

30° 31'

30° 331'

-4- 2.^'

3. äusserer King

28° 20'

28° 23'

3'

2. äusserer King

25° 57'

25° 58'

1'

1. äusserer King

23° 16'

23° 17'

1'

1. innerer King

00

o

16° 29'

1'

2. innerer King

11° 34'

11°37'

3'

An eingegangeneii Schriften wurden vorgelegt:

Beport qf ihn forty-sixth Meeting of the British Association for the adrance- ment q/ science etc. London 1877. 8, {Presented hg the British Asso-

ciation for the Advancement of Science.)

A. Renmont, Federigo Manfredini etc. Firenze 1877. 8. Vom V'^er-

fasser.

List of the Linnean Soeietg of London. 187G. 8.

The Journal of the Linnean Society. Zoology. V^ol. XIII. N. G5 71. ib.

187G/1877. 8. Botany. Vol. XVI. N. 89—92. ib. 1877. 8.

Schweizerisches TJrkundenreyister. Bd. II. Heft 5. Bern 1877. 8.

Proceedings of the London niath. Society. N. 48. 49. London 1877. 8.

L. Netto, Investigayoes historicas e scientificas sobre c Musen Imperial e

Faeional de Bio de Janeiro. Rio de Janeiro 1870. 8. Vom Ver-

fasser.

Atti della Accademia ßsico-medico-statistica di Milano. Anno Acad. 1877. 8. Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für jS'atur- und Völkerkunde Ostasiens.

Heft 11. November 187G. Yokohama, fol.

The Transactions of the Linnean Society of London. Ser. II. Zoology.

Vol. I. R. 4. Botany. Ser. II. Vol. I. P. 4. London 187G/77. 4. Isova Acta lieg. Soc. Scient. Upsaliensis. Vol. extra Ord. edit. Upsaliae 1877. 4. Mit Begleitschreiben.

Sitzung der phys.-math. Klasse vom 26. November 1877. 713

Bullettino di Archeologia christiana del Comm. G. B. de Rosst. 3. Serie, Anno X. N. 4. Anno II. N. 1. Roma 1876/77. 8,

Pühjhihlion. Part, techn. 2e. Serie. T. III. Livr. 11. Part. litt. 2e. Serie, T. VI. Livr. 5. Paris 1877. 8.

Revue scientifique de la France et de l'etranger. N. 20. Paris 1877. 4.

Temi di Premio q^roposti dal R. Istituto Veneto. 1877. 8.

K. Akademie der Wissenschaften in Wien. Sitzung der math.-naturio. Classe vom 18. Oct. N. XXX. 1877. Wien. 8.

Urkunden- Buch der Stadt Lübeck. Th. V. Lief, 1 10. Lübeck 1875 1877. 4.

26. November. Sitzung der physikalisch- mathe- matischen Klasse.

Hr. Helmholtz las:

Über galvanische Ströme, verursacht tion s -U n ter schi ed e ; Folgerungen aus Wärmetheorie.

Als elektrochemisches Äquivalent eines Ion 'wollen wir dieje- nige Menge desselben betrachten , die durch die gevvählte Strom- einheit in der Zeiteinheit an der entsprechenden Elektrode ausge- schieden wird.

Die Überführungszahl auf das Kation bezogen (Hittorf’s ), giebt, wie bei Wiede mann , denjenigen Bruchtlieil des Äqui- valents des betreffenden Kation, der von der Stromeinheit während der Zeiteinheit durch jeden Querschnitt der Strombahn in der be- treffenden Lösung nach der Kathode bingeführt wird. Andererseits wandert in entgegengesetzter Richtung das Quantum (l n) des Anion, vvodurch (l w) das Kation an der Kathode frei wird, was

durch Concentra- der mechanischen

714

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

mit der Menge n nach dieser Seite geführten Kations vereinigt, die an der Kathode frei werdende Menge 1 giebt. Ebenso ist auf der andern Seite das Quantum n des Kation weggeführt, dadurch n des Anion frei geworden. Dazu kommt (i «) des zugeführten Anion. Wenn nun das Kation ein Metall ist. welches sich an die Elektrode ablagern kann, so schwindet dort (i n) des Metalls aus der Lösung und (l n) des salzbildendeu sauren Körpers ist weggeführt worden, also wird ebenda (i n) des Salzes wegge- nommen. Andererseits verbindet sich das frei werdende Anion mit dem Metall der Elektrode und es tritt also 1 Äquivalent .Me- tall hier neu in die Lösung, während n des Metalls fortgeführt und (l n) des .Vnion zugeführt ist. Dies giebt hier eine Ver- mehrung der Salzmenge um (l n) des Äquivalents für Zeiteinheit und Stroineinheit. Ist das .Metall der Elektrode gleich demjenigen, welches in der Lösung enthalten ist, so ist das ganze Resultat der Elektrolyse dasselbe, als wenn ein Äquivalent Metall von der Anode an die Kathode, und (i n) .\quivalent Salz in der Lösung von der Kathode zur Anode geführt wäre.

Wenn nun die Salzlösung an der Kathode coucentrirter ist als an der -\node. so werden durch diese Überführung die L'nter- schiede der Concentration ausgeglichen. Die Flüssigkeit nähert sich dabei dem Gleichgewichtszustände, dem die Anziehungskräfte zwischen Wasser und Salz auch in den Vorgängen der Diffusion zustreben ; nämlich dem Zustande gleichiuässiger Vertheilung des Salzes. Also werden die in dieser Richtung wirkenden chemischen Kräfte ihrerseits auch wiederum den elektrischen Strom, der in ihrem Sinne wirkt, unterstützen können.

Dass nun die hierbei eintreteude -\rbeit der chemischen Kräfte in diesem Falle, nach demselben Gesetze, wie andere elektrolytische chemische Processe als elektromotorische Kraft wirkt, lässt sich aus der mechanischen Wärmetheorie herleiten.

Einen reversiblen Process ohne Temperatur-Anderungen, wie er zur Anwendung des Ca rnot 'sehen Gesetzes gefordert wird, können wir in folgender Weise herstellen.

1) Wir lassen in die -\node das Quantum positiver Elektri- ciiät K langsam in constantem Strome eintreten, nehmen aus der Kathode dagegen das Quantum -h£ weg, oder was zu demselben Resultat führt, wir lassen -f- 4 .K in die .\node ein-, aus- ireten, umgekehrt an der Kathode. Wenn und die Werthe der

vom 2ß. Xocember 1377.

715

elektrostatischen Potentialfonction für die beiden Elektroden sind, so ist

die Arbeit, welche geleistet werden muss, um diese Durch ström uns: zu bewerkstelligen. Ist die Dauer der Dnrehströmung gleich t. so ist die Stromintensität nach elektrostatischem Maass gegeben durch die Gleichung

Jt = E.

2) Unter Einfluss dieser Durchströmung kommt in der elektro- lytischen Zelle, die wir mit zwei gleichartigen Metallelektroden ver- sehen und mit einer Lösung desselben Metalls von ungleichmässi- ger Concentration gefüllt denken, eine Überführnng des Salzes im Elektrolyten zu Stande. Die Veränderung, die hierdurch im Zu- stande der Flüssigkeit entsteht, können wir aber dadurch beseiti- gen. dass wir aus allen Schichten der Flüssigkeit, wo der Strom die Flüssigkeit verdünnt, soviel Wasser als zugeführt wird, ver- dampfen lassen, umgekehrt, wo der Strom die Flüssigkeit concen- trirt, die entsprechende Menge Wasser durch ^Niederschlag von Dämpfen Zufuhren. Wenn man in dieser Weise den Zustand inner- halb der Flüssigkeit vollkommen constant erhält, so muss das Anion ganz an seiner Stelle bleiben, weil sich von diesem an kei- nem Ende etwas ausscheidet und nichts dazokommt. Vom Kation dagegen muss durch jeden Querschnitt der Strombahn eine der Stromstärke vollkommen äquivalente Menge gehen, da an der Anode ein volles Äquivalent aufgelöst an der Kathode niedergeschlagen wird. Da nun die Verschiebung des Anion gegen das Wasser, sich zu der des Kation gegen das Wasser, wie (l «) : n verhält, so muss das Wasser mit einer Geschwindigkeit vorwärts gehen, welche (l n) von der des Kation beträgt. Wenn also 1 elektrolytisches Äquivalent des Salzes verbunden ist mit q Gewichtstheilen Wasser, und durch ein Flächenstück d x der Strom von der Dichtigkeit i, die Quantität idx des Kation, in Äquivalenten ausgedrückt geführt werden soll, so müssen durch dasselbe q.{\ n)idx Gewichts- theile M'asser gehen, um die Theile der Anode an ihrer Stelle zu erhalten.

Diese ^ (l ti)i.dx betragende Menge Wasser führt mit sich als aufgelöste Bestandtheile (l n'ji.dx Äquivalente des Kation

716

Sitzung der phgsikalisch-mathematischen Klasse

sowohl als des Anion. Die Elektrolyse treibt durch denselben Querschnitt n.i.d-j) des Kation vorwärts und (l n^i.dx des Anion rückwärts, daher in Suiiuna ein Äquivalent des Kation vor- wärts geht und das Anion an seiner Stelle bleibt.

Wenn wir also mit u. v, w die Componenten der elektrischen Strömung parallel den ar, y, bezeichnen, berechnet nach der Menge Elektricität, die in der Zeiteinheit die Plinheit der Fläche passirt: so ist die Zunahme der Wassermenge in dem Volumen -Elemente dx, dy, dz nach bekannten hydrostatischen Ge.setzen für die Zeit- einheit

r 9 9 9 1

~ [(? (1 ”) n)tc]|c?j;.rfy.dz

r 9 9 9 1

li-

Da im stationären Strome

8 u 3 t' 3 10

3^ 3^ ^

0

An der Oberfläche der Elektroden dagegen würde durch das Elächen-Element dM die Einströmung des Wassers verlangt werden

y(l n) [wcosa -h c.cosi -t- «;cosc]f/'o . . . . jlj,,

wenn a, b, c die Winkel zwischen der gegen die Flüssigkeit ge- richteten Normale des Elements d'j) und den positiven Coordinat- axen bezeichnen.

Wenn wir den obigen mit </.r, dy, dz niultiplicirten Ausdruck über das ganze Volumen der Flüssigkeit integriren, so erhalten wir durch bekannte Methoden partieller Integration denselben Werth, den der letzte mit d-jj multiplicirte Ausdruck giebt, wenn wir ihn über die Oberfläche integriren.

Das Wasser also, welches sich im ganzen Innern sammelt, und nach unserer Voraussetzung durch Verdampfung entfernt wer- den soll, wird gerade genügen, um an den Elektrodenflächen wie- der niedergeschlagen die dort verlangte Zufuhr zu geben. Hierbei

vom 26. Novernher 1877.

717

kann natürlich, sowohl die Ansammlung des Wassers im Innern, wie das Niedergeschlagenwerden auf der Oberfläche stellenweise auch negative Werthe haben.

3) Die Verdampfung, beziehlich wo sie negativ ist, Nieder- schlag des Dampfes, kann so geführt werden, dass man durch Zu- leitung von Wärme zu jedem der Volumelemente die Temperatur während der Verdampfung constant erhält. So lange Wasser aus einem Volumen-Elemente der Flüssigkeit entfernt werden soll, lässt man den Dampf damit in Berührung. Schliesslich trennt man beide und lässt den Dampf unter weiterer Zuführung von Wärme bei constanter Temperatur sich so weit dehnen, bis er einen bestimm- ten constanten Druck erreicht hat. Wo die Verdampfung nega- tiv sein soll, wird der Dampf natürlich aus dem Druck pi entnom- men und unter Abgabe von Wärme bei constanter Temperatur zu- nächst ohne, nachher mit Berührung der Flüssigkeit comprimirt, bis er Wasser geworden ist. Da der Dampf, der mit den concen- trirteren Theilen der Flüssigkeit in Berührung ist, geringeren Druck hat, als der mit verdünnteren Theilen in Berührung stehende, so wird bei dieser Verdampfung Arbeit gewonnen, wenn das Wasser aus den verdünnten Theilen in die concentrirten übertragen wird; verloren, wenn umgekehrt.

4) Die elekti-ische Strömung kann so langsam gemacht werden, dass die dem Quadrat ihrer Intensität proportionale Wärmeent- wickelung wegen Widerstandes der Leitung verschwindend klein wird im Vergleich mit denjenigen Wirkungen, die wir bisher be- sprochen haben und die der ersten Potenz der Intensität propor- tional sind.

Ebenso könnte die Difl'usion, welche z\\flschen verschieden concentrirten Theilen der Lösung vor sich geht, dui’ch Einschal- tung enger Verbindungsröhren auf ein Minimum zurückgeführt wer- den, ohne dass die elektromotorische Kraft des Apparats, die wir berechnen wollen, dadurch geändert wird.

Wir können deshalb diese beiden irreversiblen Processe ver- nachlässigen und das Car not - Clausius’sche Gesetz auf die re- versiblen anwenden. Da alle an dem Processe theilnehmenden Körper dauernd gleiche Temperatur haben sollen und alle dieselbe, so kann keine Wärme in Arbeit und durch die reversiblen Processe auch keine Arbeit in Wärme verwandelt werden. Es muss also die Summe der gewonnenen und verlorenen Arbeit für sich ge-

718

Sitzuvg der 2diysikalisch-mathematiscJie7i Klasse

nomnicn gleich Null sein, und ebenso die Summe der ab- und zu- geführten Wärme. Daraus gehen zwei Gleichungen hervor.

Die eine, welche sich auf die Wärme bezieht, sagt nichts An- deres aus, als was schon ohne Betrachtung des elektrolytischen Vorgangs gewonnen werden kann, nämlich dass die gleiche Wärme- menge erzeugt wird, wenn das Metall der Elektroden in eine con- centrirte Salzlösung eintritt, die stufenweise verdünnt wird, wie wenn es direct in die verdünnte Lösung eintritt.

Die zweite Gleichung sagt aus, dass bei dem oben be- schriebenen reversiblen Processe die mechanische Arbeit gleich Null sein müsse. Arbeit ist theils

1) für Eintreibung der Elektricität verwendet. Wenn und die Werthe der Potentialfunction in der Anode und Kathode sind, und in der Zeit t die Elektricitätsmenge -4- K in P„ eingetrieben aus P); weggenommen wird, so ist die Arbeit für die Zeiteinheit, wie schon oben bemerkt

2) theils wird Arbeit durch den sich dehnenden Dampf gelei- stet. Dieser Dampf entwickelt sich zunächst unter dem Druck der dem Sättigungsgrade der Flüssigkeit mit Salz entspricht; dann dehnt er sich bei constanter Temperatur bis zum Druck Nennen wir die Arbeit für die Masseneinheit TF und das Volumen der Masseneinheit T’^ beide immer auf die gleichbleibend gegebene Temperatur bezogen, so ist

Die Gesammtgrösse dieser Arbeit Ül' ergiebt sich mittels der in 1 und 1,, aufgestellten Werthe der Strömung gleich

r

fdw.]V.g(i ??) jucosö -H t’cosi 4- tccoscj = . . . . } 2.

vom 26. November 1877 .

719

Durch partielle Integration dos dreifachen Integrals und mit Berücksichtigung der Gleichung l^ finden wir

X . dy .dz.q.^l

f ax

9ir

dy

Hierin sind n und TB Functionen von q. Wenn man also setzt

q{l ?j) f/ TF = f? 'h I 2|j

wo «h eine neue Function von q bedeutet, oder auch

worin 2h Jei’ Dampfdruck über der betreftenden Salzlösung, eben- falls Function von q ist, so erhält man

= / dw . 4> [mcosöt. H- vcos & -4- ?üCos c} . . , 2j.

Die Parenthese in diesem Ausdrucke bedeutet die zur Grenzfläche des Elektrolyten senkrechte Stroincomponente. Diese ist nur an den den Elektroden zugewendeten Theilen der Grenzfläche von Null verschieden. Ist die Concentration der Flüssigkeit, also q, ?<, 2h *1* längs jeder einzelnen Elektrode constant, so wird

as = /(*, - 1-„) I 3.

und die Gleichung der Arbeit

k

Pj^ P„ ist aber der Werth der elektromotorischen Kraft, den die elektrolytische Zelle in der Richtung von der Anode zur Kathode, also in Richtung des von uns angenommenen Stroms, hervor- bringt.

Diese Gleichung zeigt also die Existenz einer elektromotori- schen Kraft an, deren Grösse nur von der Concentration der Flüs- sigkeit an den beiden Elektroden abhängt, nicht von der Verthei- lung concentrirterer und verdünnterer Schichten im Innern der Flüs-

720

Sitzung der physikalüch-mathemathischen Klasse

sigkeit, ein Schluss, der in den neulich der Akademie mitgetheilten Versuchen von Hrn. Dr. J. Moser seine Bestätigung findet.

Bei Zimmertemperatur ist die Druckverminderung, welche der Dampf über der Lösung der meisten Metallsalze zeigt, sehr unbe-

91L,

deutend, und deshalb die Grösse innerhalb dieser engen Gren-

6p

zen des Druckes annähernd constant zu setzen. Sie kann dann vor das Integrationszeichen treten. Andererseits ist nachAVini- ner’s Versuchen die Verminderung des Dampfdrucks der in con- stant bleibender Wassermenge gelösten Salzmenge direct, also un- serem q umgekehrt proportional. Bezeichnen wir den Dampfdruck des reinen Wassers bei der Temperatur des Versuchs mit dem bis- her unbestimmt gelassenen so ist also zu setzen

h

P.-P = -

wo h eine von der Art des Salzes abhängige Constante bezeich- net. Also

= }.

J Po P J

Pt

In Intervallen, wo (l n) einen constanten Werth hat, wurde dies werden

dp Po

= K(1

«)• -T“' dj)

)

4c-

Die hierin vorkomraende Grösse -g hat jedenfalls einen positiven

Werth. Wenn man für die geringen Dichtigkeiten , w’elche die Wasserdämpfe bei Zimmertemperatur haben, das Mariotte’sche (besetz als gültig voraussetzt, und das Volumen der Masseneinheit des Dampfes unter dem Drucke i> mit V bezeichnet, so ist, wie oben in Gleichung bemerkt

vom 26. Xoreinber 1877.

721

Nach Mariotte's Gesetz ist

P

dV =

(■

3 Tr

9^)

Pi Gl P

als angenähert richtiger Werth.

Daraus ergiebt sich, dass die elektromotorische Kraft der Zelle positiv ist, wenn an der Kathode die Flüssigkeit concentrirter, und also < 5a und Pk<Pa ist? ebenfalls durch eine grosse An- zahl von Beobachtungen des Hrn. J. Moser bestätigt ist.

Für geringe Concentrationen und dem entsprechend geringe Verminderungen des Dampfdrucks über der Lösung geben die For- meln 4p und 4^ auch das Gesetz der Zunahme der elektro- motorischen Kraft mit steigender Goncen tra tion der Lö- sung, da auch der Werth von (l n) nach Hittorf’s Untersu- chungen für geringe Concentrationen nahe constant ist, für grössere dagegen steigt.

Das S der folgenden Tabellen ist die q proportionale Wasser- menge, die mit einem Gewichtstheil des wasserfreien Salzes ver- einigt in der Lösung vorkommt, A die elektromotorische Kraft nach den Beobachtungen von Hrn. J. Moser in Tausendtheilen eines Dani eil 'sehen Elementes (Cu, CuSO^, ZnSO^, Zn) ange- geben. Die Grösse

sollte constant sein nach Gleichung 4p.

Für eine Zelle mit Kupfervitriol-Lösung und Kupfer-Elektroden ergeben sich folgende Werthe :

[1877]

722

Sitzu7ig der 'physilalinch-mathematischen Klasse

Kiipfersulfot.

A

beob.

A

berech-

net

Werth von 1 n nach Hittorf

128,5

4,208

27

27

0,0550

0,724 für S = 6,35

6,352

25

23,75

0,0552

8,496

21

21,45

0,0562

17,07

16

15,94

0,0548

34,22

10

10,45

0,0575

0,644 für N> 39,67

Als berechnete Werthe von A sind diejenigen angegeben, Avelche man erhält, wenn man den Werth von q aus der ersten Heobachtung auch für die andern Beobachtungen beibehält.

Beim Zinksulfat und Zinkchlorid, welche auch in concenfrir- teren Lösungen angewendet werden können, treten für diese stär- kere Abweichungen ein,*) zugleich mit starkem Wachsen des (l n).

*) Nachträglicher Zusatz (Januar 1878). Neuere Ver- suche von Hrn. Moser zeigen in der That, dass beim Zinkchlorid 0

die Grösse 7^ = T' bei grösseren Concentrationen auf das andert-

op

halbfache wächst, und nicht mehr als nahehin constant angesehen werden kann.

vom ‘26. November 1877.

723

Zinksulfat.

*5,

A

beob.

A

berech-

net

W erth von 1 n nach Hittorf

163

1,972

36

29

0,0543

2,963

28

26,4

0,0635

0,778 für S = 2,524

4,944

22

23,1

0,0707

0,760 für S = 4,052

10,889

18

18,0

0,0673

0,636 für,S'= 267,16

Zinkchloi’id.

A

beob.

A

berech-

net

Werth A"on 1 n nach Hittorf

99

19

21,5

24,7

0,0333

0,70 für S = 332,87

9

40,4

36,0

0,0258

5,66

42,9

42,9

0,0290

2,33

67,1

56,2

0,0243

1,08 für S = 2,774

1,22

120,9

65,9

0,0158

0,67

200,0

0,0108

724

Sitzung der jiliysikalisch-mathematischen Klasse

Die starken Abweicluingen, die namentlich bei den liöhercn Concentrationen eintreten, erklären sich wohl thcils durch das Steigen des Werthes von (l n) für die dichteren Lösungen, theils durch die stärkere Verminderung des Dampfdrucks. Da die Ge- setze beider Änderungen für diese Salze noch nicht untersucht sind, konnte ich eine eingehendere Rechnung nicht anstellen.

Für die Berechnung des absoluten Werthes der elek- tromotorischen Kraft ist noch Folgendes zu bemerken. Die bisher gebrauchte Stromstärke J ist nach elektrostatischem Maass gemessen; ebenso ist die elektromotorische Kraft 7\. nach

elektrostatischen Einheiten bestimmt. Nach elektromagnetischem Maass gemessen wird die Stromstärke J übergehen iti

und die elektromotorische Kraft

wo (y die von Hrn. W. Weber bestimmte Geschwindigkeit ist. Nach den Bestimmungen von Hrn. Fried rieh Weber ist für ein Danieirschcs Element (Cu, CUSO4, ZnSOj, Zn) die elektro- motorische Kraft in elektromagnetischem Maass

X'(

D

Ctm.^ . Gr.““* 109540000- -

Seed.-*

Nun zersetzt die elektromagnetische Stromeinheit W. Weber’s, de- ren Einheit ist

l^Mgr. Mm. VGr. Ctm.

Secd.~ Secd.~

in der Secunde nach R. Bunsen

0,0092705 Mgr. Wasser

1 o9 o

und mal so viel Kupfersulphat CuSO«,

d. h.

0,082147 Mgr.

Wenn wir also, wie in den Zahlentabellen, mit S die Menge Wasser bezeichnen, die mit einem Gewichtstheil des wasserfreien

vom 26. November 1877.

l'2b

Salzes in der Auflösung enthalten ist, so ist für die Versuche mit Kupfervitriol

{\q:S = 0,0082147 Secd.

i

Grm.

Ctm.

1.

Ist nun die Verminderung des Dampfdrucks durch die angewendete Salzlösung bekannt, so ergiebt sich die Constante b aus der Glei- chung

(Sb

= w

worin der Druck auch nach absolutem Kraftmaass , als grm.

TT, zu berechnen ist.

ctm. secd.'

Unsere Gleichung 4^ wird

3( = (S(Pi-p„) = (e;.).F(i-n)iog4|5V

Der Werth der Constante (S braucht also nicht bekannt zu sein für die Berechnung des 51 nach elektromagnetischem Maass.

Da wir die Gültigkeit des Mari otte’schen Gesetzes für den Dampf vorausgesetzt haben, ist das Product

Q.b.V= (Sq.po.Vo-^^^^- P

Das Verhältniss - ist nach Wüllner’s Versuchen bei vielen P

Salzen fast constant bei geänderter Temperatur. Das Product Po Uo dagegen wächst annähernd proportional der absoluten Tem- peratur, was innerhalb der Grenzen der Zimmertemperatur nicht viel ausmacht. In der That zeigen die Versuche keinen erheblichen Einfluss der Temperatur auf die elektromotorische Kraft der be- sprochenen Zellen, wenigstens ändert sich dieselbe keineswegs in so starkem Verhältniss, wie der Druck der gesättigten Dämpfe.

Um die Übereinstimmung des absoluten Werthes der elektro- motorischen Kraft unserer Ketten mit der durch die Formel gege- benen zu prüfen , fehlen noch ausreichende Data über die Dampf- spannung der gebrauchten Salzlösungen. Benutzt man die Glei- chung 4j, um aus der von Um. J. Moser gefundenen elektromo-

72G Sitzung der phynikalinch-malhematischen Klasse

torischen Kraft der Zellen mit Kupfersulfat -Lösungen die Grösse

für die einprocentige Lösung bei 20° C. zu berechnen, so

Po

erhält man diese Grösse gleich 0,00082, während Ilr. Wüllner') dieselbe Grösse gefunden hat

für Rohrzucker = 0,00070,

für salpetersaures Kali , . . = 0,00229, für sclnvefelsanres Natron . . = 0,0023G.

Dass das Kupfervitriol sich in dieser Beziehung zwischen Rohr- zucker und den Alkalisalzen einreihe, ist nach seinen chemischen Eigenschaften wahrscheinlich.-) Um genauere Bestimmungen zu er- halten, sind Versuche im hiesigen Laboratorium in Vorbereitung. Immerhin zeigt diese Rechnung wenigstens schon soviel, dass die angestellte Betrachtung einen theoretischen Werth der elektromoto- rischen Kraft giebt, der von derselben Grössenordnung ist, wie der beobachtete.

Da sich hierbei auf beiden Seiten der Gleichung Factoren, die aus den verschiedenartigsten physikalischen Untersuchungen gewonnen sind und deren einer über hundert Millionen beträgt, wegheben müssen, so ist dies vorläufige Ergebniss immerhin von einiger Bedeutung.

') Püggen «lorff’s Annalen CIII S. 55G.

') Nachträglielie Anmerkung (.Jan. 1878). Hr. J. Moser hat seitdem Bestimmungen der fraglichen Grösse ausgefiihrt, wtdtei er statt Queck- silber Wasser und wässerige Lösungen anwendete. Er erhielt den Werth 0,00086 im Mittel aus drei Versuchen.

wm 26. jS'ovember 1677.

121

Hr. W. Peters legte vor:

Uber Acicular ia Virchowii , eine neue Annelidenforin von Prof. Dr. P. Langerbans.

Am 21. September d. J. fing ich in der Bai von Funchal mit dem pelagischen Netz sechs Exemplare eines vollkommen durchsichtigen und farblosen Thieres von der Gestalt einer Sagitta. Die Länge der Thiere beträgt 0.5 bis 1,0 cm., die Zahl der Seg- mente 24 bis 33. Das konische Kopfsegment, ohne alle Anhänge und Sinnesorgane, ist mit dem Mundsegment zu einem Kopf ver- einigt, der ein wenig dicker ist, als die darauf folgenden Segmente. Das Mundsegment und die beiden folgenden tragen jederseis einen grossen, oft am Rande umgeklappten Cirrus foliaceus, dessen An- heftung in Fig. 4 mit a. b und c bezeichnet ist. Vom 4ten Seg- ment an sind je zwei blattförmige Cirren vorhanden (Fig. 1 u. 2), deren Anheftungsstellen in Fig. 4 bei d und d’ sowie bei e und e' angegeben sind. Nach hinten nehmen die Cirri dorsales und ven- trales allmählig an Grösse ab (Fig. 3); das Analsegment trägt zwei grössere platte Cirren. Vom 4ten Segment an befinden sich zwischen dorsalem und ventralem Cirrus je 2 bis 3 kleine Acicu- lae (Fig. 4), welche im vorderen Körpertheil klein sind und ganz in der Haut liegen, die an dieser Stelle eine leichte Hervorragung zeigt. Nach hinten nimmt diese Prominenz sowie die Stütznadeln au Grösse zu, ungefähr vom 17. Segment an prominiren die letz- teren mit ihrer Spitze über die Haut des kleinen Höckers, in dem sie liegen (Fig. 4). Andere Borsten sind nicht vorhanden. Anal- segment und die drei ersten Segmente sind ganz borstenlos.

Der Darmkanal beginnt mit einem quergestellten Mund (Fg. 2o); er hat in den ersten drei Segmenten eine dicke Wand aus schma- len Cylinderzellen (Fig. 1 u. 4 wi); vom 4. Segment an werden die Epithelien gross und hell, so dass sie beim lebenden Thiere an Chorda-Zellen erinnern. Der Anus liegt genau hinten zwischen den breiten Analcirren (Fig. 3). Die Lippen (Fig. 4 I) sind vor- stülpbar; mit ihnen eine kegelförmige Zunge, die an der Rücken- wand des Munddarmes liegt (Fig. 1 u. 4 z). Auf der Obeifläche dieser offenbar aggressiven Zwecken dienenden Zunge mündet eine Gruppe von Stäbchendrüsen, welche in einem besonderen Sack im Mundsegment über dem Darm sich befinden (Fig. 1 u. 4 s).

728

Sitzung der phgsikalisch-mathematischen Klasse

Das Nervensystem bestellt aus einem Bauchmark und deutlich getrennten Strängen (Big- 2). In jedem Segment liegt ein Paar von Ganglien, die in den vorderen Segmenten näher aneinander rücken (Fig. 2 u. 4 /3, 7, £.). Vom Ganglion des 2. Segmentes

aus gehen die Schlundcommissuren zu dem zwischen Driisensack und Haut liegenden Hirn (Fig. 4 «.).

ln den Epithelzellen der Cirren, welche zum Theil mit Cilien besetzt sind, finden sich eigenthümliche Gruppen von Stähchenfol- likeln, welche wie zusammengesetzte Augen aussehen. Ich habe dieselben leider nicht genauer untersuchen können, da ich seitdem das Thier nicht wieder gelangen habe.

Obwohl von den sechs Exemplaren keins geschlechtsreif war, unsere Acicularia mithin vielleicht noch an Grösse zunehmen kann, so macht es dennoch ihre ganze Organisation unzweifelhaft, dass wir keine Larve eines anderen Thieres, sondern einen wohl aus- gebildeten eigenthümlichen Organismus vor uns haben, dessen Stel- lung bei den freilebenden chätopoden Anneliden ist. Die Acicularia stimmt mit Tomopteris darin überein, dass ihre Borstenbew'affnung auf einige Stütznadeln reducirt ist, und es schien mir bezeichnend, dieser Eigenthümlichkeit im Namen Ausdruck zu geben. Aber während bei Tomopteris die Nadeln in den Cirri tentaculares sitzen, zeigt Acicularia umgekehrt die ersten Segmente ganz borstenlos, und unterscheidet sich dadurch sowie durch den kleinen, aller An- hänge entbehrenden Kopf und die eigenartige Zunge von den Gyrn- nocopen. Die Gestalt der Cirren und die Form des Nervensyste- mes machen es trotzdem wahrscheinlich, dass wir für Acicularia wie für Tomopteris die nächsten Verwandten bei den Fhyllodoceen linden werden.

Erklärung der Figuren.

Kig. 1. Vorderende dorsal.

2. Vorderende ventral.

, 3. Hinterende.

4. Vorderende seitlich.

a, l>, c. .\nheftnngsstclle der Cirren des 1., 1

2., 3. Segmentes.

Vr^irLer

A C i C H I a n a \'i r’cl t ( A' i i I .niK; (>rhai\ a

Kunatanstaltv C Böhm.Berlm

Mcr.ais DT, B erl AkWi ss GTSch . 1 B7 p

L

vom 26. November 1877.

729

d, d‘, e, e. Anheftuiigsstelle der beiden Cirren der folgenden Segmente. u. Hirn.

ß, y, £. Ganglien der folgenden Segmente (2, 3 etc.).

0. Mund.

1. Unterlippe, s. Drüsensack.

m. Vorderer Abschnitt des Darmes.

n. Hinterer Abschnitt des Darmes.

Funchal, 28. October 1877.

29. November. Gesammtsitzmig der Akademie.

Hr. du Bois-Reymond legte folgende Mittheilung des Hrn. Prof. Sigmund Exner, Assistenten am physiologischen Institut in ien, vor.

In welcher Weise tritt die negative Schwankung durch das Spinalganglion?

Wenn es auch Pflicht ist, verneinende Ergebnisse von Unter- suchungen mitzutheilen, insbesondere wo sie einer früher oder spä- ter nothwendig in der Wissenschaft auftauchenden Frage gelten, so mag es doch gestattet sein, hei deren Yeröffentlichung so kurz wie möglich sich zu fassen.

Unter den Eindrücken der gangbaren Lehre, nach welcher das Nervensystem aus Nervenfasern und Nervenzellen besteht, legte ich mir schon vor einer Reihe von Jahren mit Rücksicht auf meine „Untersuchungen der einfachsten psychischen Processe**' die Frage vor: was geschieht mit der negativen Stromschwan-

kung, wenn sie bei einer Ganglien z eile ankommt? indem ich hiemit die materielle Grundlage des schematisch einfachsten psychischen Vorganges erfasst zu haben glaubte.

730

Gesammlsitzuiuj

Die Antwort auf iliesc Frage, soweit dieselbe mit den lieuti- gen Ilülfsmittelu zu liefern ist, lautet: die negative Schwan- kung gellt durch die Ganglienzelle hindurch wie sie durch eine eben so lange Ne rven strecke hindurchgeben w ürde.

Da ich erwarten muss, dass diese Antwort dem Leser ähidich unerwartet ist, wie sie mir war, so muss ich wenigstens andeulen, welche Maassregeln ich bei der Untersuchung anwendete, um mich selbst von der Richtigkeit derselben zu überzeugen.

Nach vielfachem Suchen nach einem passenden Objecte, an welchem man die aufgeworfene Frage experimentell in Angrift’ nehmen konnte, entschied ich mich für die Spinalganglien der Len- dennerven des Frosches. Legt man die siebente, achte und neunte sensible, an ihrem Ursprung abgesclinittene Rückenmarkswurzel auf der Kleinheit des Objectes angepasste Thonstiefelelektroden mit Längsschnitt und Q^ierschnitt auf, während die Ganglien in ihren Knochenverbindungen intact verbleiben, und reizt den N. ischiadicus durch Inductionsschläge, so muss dieser Reiz, soweit wir den anatomischen Bau der Spinalganglien kennen, durch die Ganglienzellen hindurchgehen. Es Meiden dabei nicht alle zur Ableitung aufgelegten Fasern in Erregung versetzt M’erden, M'eil ja ein Theil der durch die genannten Wurzeln austretenden Fasern schon weiter oben durch den N. cruralis u. s. m'. abgegangen ist.

Bei Anstellung dieses Versuches sieht man, M'ie zu eiMarten M’ur, an der Bussole eine negative Schwankung. Ob nun diese negative Sclnvankung unverändert und unverzögert durch das Gan- glion hindurchgegangen M'ar, musste mit Bernstein’s Dift'erential- Rheotom untersucht werden.

Es genügt zu sagen, dass ich die hierauf bezüglichen Versu- che M'esentlich ebenso wie es Bernstein^) für den peripberen Nervenstamm gethan hat, ausgeführt habe; eine VersuchsM'eise, die ich im Folgenden als bekannt voraussetze. Nur habe ich wegen der ausserordentlichen Kleinheit des abgeleiteten Nervenstückes, um überhaupt noch messbare Ausschläge zu bekommen, die Dauer des Eintauchens der Stahlspitzen in die (^uecksilbernäpfchen grös- ser machen müssen.

•) Untersuchungen über den Erregungsvorgang im Nerven- und Muskel- systeme. Heidelberg 1871.

vom 29. November 1877.

731

Wenn ich bei der ungedenteten Anordnung die Zeit inaass, welche zwischen dem Reiz und dem Eintritt der negativen Schwan- kung in die abgeleitete Wurzel vergeht, und wenn ich aus dieser Zeit die Nervenleitungsgeschwindigkeit wie für einen peripheren Nerven berechnete, so erhielt ich Zahlen, welche innerhalb der von Bernstein für diese Geschwindigkeit im peripheren Nerven ge- fundenen Werthe liegen. Es heisst dies, dass im Ganglion keine Verzögerung der Leitung statt findet.^)

Der erste Verdacht, der gegen mein Ergebniss aufsteigen musste, war der, dass möglicherweise nur ein Theil A der sensi- beln Fasern in Ganglienzellen übergehe, ein anderer Theil B ohne Weiteres durch das Ganglion hindurchtrete. Die negative Schwan- kung dieses letzteren Theiles wäre von mir beobachtet worden, die des Theiles A könnte verzögert und übersehen worden sein. Um die Schwankung des Theiles A, wenn sie überhaupt vorhan- den ist, aufzufinden, Avürde aber unter dieser Voraussetzung genü- gen, den den Reizstoss liefernden Schieber des Rheotomes unter steter Controle der Reizbarkeit des Präparates einmal seinen gan- zen Weg von 360 Graden beschreiben zu lassen. Ein Präparat reicht natürlich zu diesem Versuche nicht aus. Auf diese Weise überzeugt man sich, dass die geschilderte die einzige negative Schwankung ist, welche in der Wurzel bemerkbar wird.

Was weiter die Länge der negativen Schwankungswelle be- trifft, so fand ich sie an der Wurzel zwar länger als sie Bern- stein für den peripheren Nerven angiebt, doch ist der Unterschied nicht gross genug, um mit Rücksicht auf die Fehler, welche bei der Messung der Länge der negativen Schwankungswelle vorkom-

') Wundt (Untersuchungen zur Mechanik der Nerven und Nervencen- fren, 2. Abth. S. 45) hatte eine solche Verzögerung der Leitung durch die Spinalganglien gefunden, doch waren seine Versuche (indem er direct nur die Refle.xzeit bei Querleitung durch das Rückenmark, einerseits auf Erregung des N. ischiadii'us, andererseits auf Plrregung der sensibeln Wurzeln bestimmte) bei viel complicirteren Bedingungen angestellt. Pis würde mich hier zu weit führen, ausführlich zu untersuchen, welche Versuchsweise die verlässlichere ist; es genügt zu erwähnen, dass gar nicht einzuseheu wäre, wie mir bei meiner Art, die Versuche auszuführen, jene Verzögerung von 0,003 Sec. hätte entgehen können.

732

Gesamiutnitzuny

men können, zur Behauptung zu berechtigen, dass die Schwankung beim Durchtritt durch das Ganglion verlängert worden sei. Es kommt nämlich bei dieser Messung der Fehler, welcher bei der Zeitbestimmung des Eintauchens der Stahlspitze in das Quecksil- bernäpfchen gemacht wird, in seiner ganzen Grösse als Dauer der Schwankung in Rechnung. Nun bedenke man, dass der Augen- blick des Eintauchens bei möglichst behutsamer Drehung des Ra- des mit der Hand bestimmt wird, während beim Versuche die Spitze vielmals in der Secunde eintaucht und das Quecksilber in Bewegung setzt; ein Umstand der übrigens schon von Bernstein als Fehlerquelle erwähnt wird.

Dass auch die Höhe der durch das Ganglion getretenen Schwankungswelle nicht bedeutend von der im peripheren Nerven verschieden ist, kann man nun ohne Rheotom erkennen, indem man aut’ die gewöhnliche Weise tetanisirt, und den Ausschlag der Wur- zel mit dem Ausschlag eines merklich gleich grossen Nervenstäram- chens vergleicht. Wenn kein Unterschied in der Länge der Schwankungswellen ist, so muss eine etwaige Differenz des Bus- solenausschlages auf die Höhe bezogen werden. Jedermann weiss, wie ungemein ungleich diese Schwankungen ausfallen. Die Aus- schläge der Wurzel bewegten sich indess nicht innerhalb wesent- lich anderer Gränzen, als die des peripherischen Nerven.

Ich muss ausdrücklich hervorheben, dass die von mir erhalte- nen Ergebnisse wegen der Schwierigkeit auf diesem Gebiete über- haupt quantitative Bestimmungen auszuführen, und wegen der Klein- heit und Zartheit unseres Versuchsobjectes nur innerhalb sehr wei- ter Gränzen auf Genauigkeit Anspruch machen. Ich hatte für möglich gehalten, die negative Schwankung um eine wenigstens nach Tausendtheilen von Secunden zählende Zeitdauer verzögert zu finden, ferner dachte ich, sie könne ihre Dauer möglicherweise vervielfacht haben, oder sie könne auf einen Bruchtheil herabge- sunken sein; dass alles das nicht der Fall ist, erhellt aus dieser Notiz. j

Dass die negative Schwankung überhaupt das Spinalganglion ^ überschreitet, ist schon vor vielen Jahren von E. du Bois-Rey- | mond sogleich bei seinen ersten Versuchen über die von ihm ent- I deckte Erscheinung beobachtet worden. Q Doch erstreckten sich |

’) Untersuchungen über thicrische Elektricität. 1849. Bd. II. S. 601. •!

vom 29. November 1877 .

7 33

du Bois-Reymond’s Untersuchungen, dem damaligen Staiide un- serer Wissensshaft entsprechend, noch nicht auf den zeitlichen Ver- lauf und die Gestalt einer Schwankungswelle. Auch hatte du Bois- Reymond den Durchtritt der negativen Schwankung durch das Spinalganglion nur in der centrifugalen Richtung studirt. Ferner hatte er schon damals die Thatsache gefunden, dass sich auch der Elektrotonus in derselben Richtung durch das Ganglion fortsetzt, wozu ich als Ergänzung beifügen kann, dass er centripetal das Ganglion in gleicher Weise überschreitet.

Ich unterlasse es, an diesem Orte die Frage zu erörtern, wie die mitgetheilten Ergebnisse sich mit unseren Vorstellungen vom Bau der Spinalganglien vereinigen lassen, und welche Folgen dai’- aus für die Frage nach der Leitung eines Reizes durch Nerven- centren überhaupt zu fliessen scheinen.

Hr. du Bois-Reymond knüpfte an diese Mittheilung des Hrn. Prof. Exner Vermuthungen über eine denkbare Func- tion der Spinalganglien.

734

Gesammtsltziing

Mr. \V. Peters legte vor: eine Übersicht über die wäh- rend der sibirischen Expedition von 187G von lirn. Dr. (). Einsch gesain in e 1 1 e n Häugethiere, Ainiihibien und F i s c h e.

Mammalia.

1. Vesjyei'Uf/o nociula Sclireber.

Ein Exemplar. . Urdschar, 19. Mai.

2. Vespei’us NHssonii Keyserling et Blasius.

Ein Exemplar in Barn au 1.

3. Croasoinia fodieiift Pallas.

Ein Exemplar in der Passhöhe Burgatusai, Tarbagatai-Oebirge; russisch-chinesischer Grenzposten, ca. 5000' hoch. Lebte in einer sehr kleinen kalten Quelle, in der auch ein Gammarm in grosser Zahl vorkommt, von denen die Spitzmaus vcrniuthlich lebt.

4. Sorex inj(imaem Pallas.

Ein Exemplar von Lan gio r skaj a , Ob, 7. September.

5. Diplomesodon 2>ulehellus Licht.

Nur der hintere Körpertheil. Rest der Mahlzeit eines Bus- sards. Obere Schtsch utschj a, 28. Juli.

G. Mustela (Putorius) vulgaris L. Vom Ob.

7. Ca7iis lujms L. Maiterek.

8. Canis familiaris L. Zwei grosse Schädel von Obdorsk, ein kleiner von Luismoss am Ob, 4. Sept.

9. Felis irhis Ehrbg. Tarbagatai.

10. Schiris vulgaris L. Narimskaja, Ob.

11. Tamias striatus L. Tau -Teke- Gebirge, 11. Juni; ,Malo Atlim, Ob.

12. Arctoinys hobac Sehr eher.

Altaiskesche Stanitza (Nord - Altai) und Maiterek (Süd -Altai). 5000' hoch.

13. Spermojihilus Eversmanni Brandt.

Altaiskesche Stanitza, 11. Juni; oberhalb Maiterek im Südaltai, ca. 4000' hoch; Smcinogorsk, 14. Juni; Alexandroska, zwischen Altaiskesche Stanitza und Siränowsk.

14. Spermophilus erythrogenys Brandt.

Zwischen Salair und Tomsk in der Ebene bei dem Dorfe Pästirovskaja, am 30. Juni; Wüstensteppe zwischen dem Nord- strande des Saissan Nor und Maiterek, am 3. Juni.

ifom 29. November 1877 .

735

15. Mus musculus L.

Oberhalb Maiterek, am Flusse Kiildschelik, G. Juni; Taii-Teke- Gebirge, Chinesischer Hochaltai, 11. Juni; Lepsa, am Fusse des Ala Tau.

16. Arvicola amphibius L. Barnaul. „Mönch“.

17. Arvicola rutilus Pallas. Langiorskaj a, Ob. Kommt in die Hütten der Eingebornen.

IS. A^'i'icola obscurus Eversmann. Tundra in der oberen Schtschutschja, 28. Juli.

19. Myodes obensis Brants. Tundra in der mittleren Schtschut- schja, 19. Juli; vor Tschorne, 10. August.

20. Myos2^alax aspalax Laxmann. Maiterek; Altaiske- sche Stanitza; Barnaul.

21. Dipus elater Lichten stei n. Ein Exemplar aus der Steppe zwischen Urdschar und Bachty, 20. Mai.

22. Leptis variabilis Pallas. Samarowa (Irtisch), 26. Sep- tember.

23. Antilope subgutturosa Pallas. Tarbagatai, 26 Mai.

24. Antilope saiga Pallas. Bachty, 20. Mai.

25. Ovis ammon Lin ne. Arcad, 5. Mai.

26. Capra sibirica Meyer. Tarbagatai, 26. Mai.

27. Equus hemionus Pallas. Steppe, nordöstlich von Sais- s a n N o r.

Von den vorstehend erwähnten liegen gesammelte Exemplare vor. Ausserdem wurden von Hrn. Dr. Fi n sch noch folgende Säugethiere entweder selbst beobachtet oder über ihr Vorkommen sichere Nachrichten eingezogen.

1. Erinaceus auritus Pallas. Saissan.

2. Talpa euroiioea Lin ne. Nach Versicherung des Hrn. Dr. Kriwicsky am Bercosofluss vorkommend.

3. Ursus arctos Lin ne. Saissan; Altai; Ob.

4. Canis vulpes Linne. Maiterek; Altai; Ob; Tundra.

5. Canis lagopus Linne. Tundra.

6. Mustela zibellina Linne. Saissan; Altai; Ob.

7. Mustela (Putorius) sibirica Pallas. Altai.

8. Alustela (Putorius) imtorius var. Eversmanni Licht. Altai.

9. Mustela (Putorius) erminea Linne. Altai; Ob.

73G

Ge/tammtsifzimg

10. Grdo horcalin Liniu'. Altai, Ob.

11. FeJia tigrh Liiine. Nacli Ex(Miiplaroii in ilor Saniniliing zu Barnanl aus Biisk.

12. Felü hjnx Lin ne. Altai; Ob.

1 3 . Pteromgs volans L i n n i* . Altai; Ural.

14. Cervus alces Liniu*. (4b.

15. Cervus (arcmdus Liniuk N. W. Altai; Ural.

IG. Cervus maral Ogilby. Altai; Ala Tau.

1 7. Cervus j)yfJ0.r<jus Pallas. Alt a i.

18. Moschus moschiferus Liniu*. .\ltai.

10. Sus scrofa Liniu*. Das Wildschwein ist gemein in Ala Kul.

20. Delidiinapterus leucas Pallas. Ob.

Amphibia.

Piioi.inoT.\.

1. Testudo Horsfieldii Gray.

Ala Kul, 8. .Mai.

2. Phrynocephalus helioscopus Pallas.

Ala Kul, 9. Mai; Maiterek, 3. n. 4. Juni.

3. iMcerta aydis Lin ne.

Arcadberge, 4. Mai; Dsebasil Kul, Ala Ta u - Gebirge ; Lepsa, 14. Mai; Karak, Oblluss 7. Mai; Ala Kul, 4. .Mai; L rd- scliar, 19. Mai; Maiterek.

4. Fremias variahilis Pallas.

Ala Kul, 9. Mai; Maiterek, 3. u. 4. Juni.

5. Elaphis dione Pallas.

Zwischen Urd schar und Bacbty.

G. Vipera berus Lin ne.

S me i nogor sk.

7. Halys mtennedia Strauch.

S meinogo rsk.

Batuaciiia.

8i Raiia iemporaria L i n n e.

Sarni Gor, Ob, 10. Juli. Ein junges E.xemplar.

vom 29. November 1877.

737

9. Bufo vulgaris Laurenti.

Alex androska, Altai, 13. Juni.

10. Bufo viridis Laurenti.

Lepsa, in einem Sumpfe, 14. 16. Mai; Karakol, hinter Sergiopol, 7. Mai.

PiSCES.

Percoidae.

1. Perca fluviatilis Lin ne.

Am 26. August in Folai.

2. Perca Schrenkii Kessler.

In AlaKul am 9. Mai zahlreiche Exemplare; in Sergiopol aus dem Karakolfluss ein Exemplar.

3. Acerina cernua Lin ne. .^Jorscli.^

In Male Obske Peske am 17. Juli, in Obdorsch am 22. August und in Nari m owskaj a am 16. Sept.

Salmoxes.

4. Coregonus leucichthys Gyldenstendt.

Coregonus nelma Pallas.

Coregonus lucius Nils so n.

Coregonus lucius et Luciofrutta leucichthys Günther.

y^Njelma^ ad., .„Njelmuschlca^ juv.

50 Werst oberhalb Obdorsk am 12. Juli.

5. Coregonus syrok Cuvier et Valenciennes. „»S/roA’.“

50 Werst oberhalb Obdorsk am 12. Juli; Wespugl am 19. August; Polui am 26. August.

6. Coregonus Merkii Günther. y^Sälgi.^

50 AVerst oberhalb Obdorsk 12. Juli, Male Obske Peske 17. Juli; Schtschutscbj a 19. Juli.

'■ 7. Coregonus muksun Pallas. y,Moxim^ ad.; y^Puschian^ juv.

50 Werst oberhalb Obdorsk 12. Juli, junge Exemplare; Troitskaja 24. Sept. Kopf eines alten Exemplars.

8. Coregonus nasus Pallas. y^Tschokur.'^

Male Obske Peske und Tobelko am 17. Juli; Wespugl 19. Aug.

9. Salmo coregonoides Pallas.

Brachymystax coregonoides Gtlir.

Mark ti K u I .

[1877]

53

738

Gesammtsitzung

10. Thymallus vulgaris Nilsson.

Maiterek, 5. Juni aus einem kleinen Bach; Chinesischer Hochaltai, 5000' hoch, 5. Juni; Marka Kul.

. CyI'KINOIDAE.

11. Schizothorax orientalis Kessler. ^Marinka*

Ala Kul, 9. Mai.

12. Diptychus Dyboicskii Kessler.

Lepsafluss 14. .Mai, Bulenkafluss bei Lepsa 14. Mai, Dschelanaschfluss bei Lepsa 15. .Mai.

13. Gohio ßuviatilis Rondelet.

.Vlysee bei .Marka Kul, Chinesischer Hochaltai, ca. 5000' hoch.

14. Leucaspius delineatus Heckei.

In zahllosen Schwärmen stromaufwärts ziehend; bei Pitlor, Gross Ob, 6. Sept.

15. Idus melanotus Heckei. ^Potiasik.'^

Xarimskaja, 16. Sept.; .Male Obske Peskc, 17. Juli.

16. Leuciscus ruiilus Lin ne. ^Soroga^ (und ^Potiasik^).

Xarimskaja 16. Sept.

17. Squalius grislagine Lin ne. ^Jasch'^ oder ^Jas*.

50 Werst oberhalb Obdorsk 12. Juli; untere Schtschut- schja 14. August.

18. Diplophysa Strauchü Kessler. ^Pästrak.'^

Ala Kul 9. -Mai. Zwei Exemplare, eins mit grösseren, eins mit zahlreicheren kleineren Flecken.

19. Diplophysa lahiata Kessler.

Balchasch-See in Sergiopol, 7. .Mai; Kara Bulakfluss bei Urdschar, 19. Mai; Lepsafluss, 14. Mai; ßubakafluss bei Lepsa. Sind sehr wohlschmeckend.

Esoces.

20. Esox lucins Lin ne. ^Schtschuka.'^

Obdorsk, 28. .\ugust; Langiorskaja, 7. Sept.; kleiner Ob, 11. Sept.

vom 29. Xovemher 1877.

739

Hr. Morn ms en sprach über den der Akademie übergebenen neusten Band der Monumenta Germaniae historica.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

B. Boncompagni, Bullettino. T. X. Ottobre 1877. Roma 1877. 4.

Revue scienfifiqiie de la France et de V etranger. Xr. 21. Paris 1877. 4.

Revue archeologtque. Nov. Serie. 18. Annee. x. Octobre 1877. Paris. 8. Annales de chimie et de phgsique. 5. Serie. Xov. 1877. T. XII. Paris. 8. Congres geologique international. Paris 1877. 4. Mehrere Exemplare.

J. S. Cooke, Contributions from the Chemical Laboratory of Harvard College. Cambridge 1877. 8. Extr.

Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 53. Heft 2. Görlitz 1877. 8.

Melanges physiques et chimiques tires du Bulletin de V Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. T. X. 1877. 8. Übersandt von Hrn. Prof.

Dr. C. Schmidt in Dorpat.

C. Schmidt & F. Dohrandt, tPassermenge und Suspensionsschla)nm des

Amu-Darja in seinem Unterlaufe. St. Petersburg 1877. 4. Extr. Vom

Verf.

Monumenta Germ. hist. Auctores antiquissimi. Pars I. 1. Salviani libri rec. C. Halm. Pars I. 2. Evgippii vita Sancti Severini rec. H. Savppe. Berolini 1877. 4. Überreicht durch Hrn. Mommsen.

MONATSBERICHT

DER

KÖNIGLICH PREÜSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN zu BERLIN.

December 187T.

Mit 3 Tafeln.

BERLIN 1878.

BÜCHDRUCKEREI DER KGL. AKADEMIE^ DER WISSENSCHAFTEN (G. VOGT) NW. UNIVERSITÄTSSTR. 8.

IN COMMISSION IN FERD. DÜMMLER’s VERLAGS-BUCHHANDLUNG.

BARRWITZ OND GOS8MANN.

MONA T S B E R I C H T

DER

KÖNIGLICH FREÜSSISCHEN

AKADEMIE DER \YI S SEN S C H AF T E N

zu BERLIN.

December 1877.

Vorsitzender Sekretär: Hr. Kummer.

6. December. Gesammtsitzimg der Akademie.

Hr. M ommsen Jas über die Familie des Germauicus.

Hr. Lepsius legte die folgende von Hrn. J. Oppert in Paris an die Akademie übersendete Mittheilung vor:

Die Maafse von Senkereh und Khorsabad.

Mein hochverehrter Freund. Hr. Lepsius, hat in einer scharf- sinnigen Schrift betitelt „die Babylonisch-Assyrische Längenmaafs- tafel von Senkereh“ dieses wichtige Document beleuchtet, und wie mir scheint, mit Recht eine Emendation in Betretf der Unterabthei- lung des U genannten Längenmaafses gemacht. Was indessen seine Schlufsfolgerungen auf die Texte von Khorsabad betrifft, sowie die aus dieser entspringende Wiederherstellung des assyrischen Längenmaafses, so bedauere ich, von denselben keine einzige an- nehmen zu können, da die Prämissen den Texten selbst zuwider laufen, und die Schlüsse ebenso unhaltbar sind.

Meine schon 1853 in der K. Akademie von Böckh günstig besprochenen Grundideen über die babylonische Metrologie, so wie die in meinem „Etalon des mesures assyriennes“ ausgeführten Re- sultate halte ich in ihrer vollen Ausdehnung aufrecht.

Der Satz, der die auf G7Ü0"‘ sich belaufende Ringmauer von Dur-Sarkin (Khorsabad) in assyrischen Maafsen ausdrückt, lautet:

[1877]

54

742

Gestammtnitzung

X' y T J TT tTTT-,

und dieses ist zu übersetzen, erstens wörtlich :

200. 200. 200. 200. 400. 400. 400. I. GO. .Sa 2 U

Da nun GO durch .S’o«#. GOO durch ner. (.3G00 durch Sar) ausge- drückt werden:

.3^- ner, 1 ,Sosf. Sa (Klafter) 2 U (Spannen)

Anstatt .Sd liest man auf den Terracottacylindern und der bronzenen Tafel: 3 qani (3 Stab).

.\us der Tafel von .Seukereh und andern Dociuuenten erhellt

aber folgende Addition:

3^ ner zu 7200 U = 24000 T

1 Soss (Stadium) zu 720 [' = ^20 -

li Klafter zu 12 T») = 18 .

2 r ^ = 2 ..

24740 U= G970“. U= 0“2742

In meinem Etalon habe ich nun durch die verschiedenartigsten, von vielen Reisenden unternommenen Messungen dargethan:

1* Dafs sich nirgends in einer Baulichkeit ein reines Quadrat angewendet findet, weder in Persepolis noch in Ninive, son- dern ein Rectangel, welches dem Quadrat nahe kommt.

Dafs gewöhnlich die kleinere Seite dieses Rectangels die runde Zahl enthält, dafs die andere zu dieser run- den Zahl ein Increment, eine Art Differential hinzufügt.

Dieses ist der Fall mit dem Rectangel in Khorsabad. Die beiden kleinern Seiten messen nach Botta bis auf fünf .Meter genau 1G45“, die beiden gröfsern 1750“.

Warum hat man in der Inschrift nicht geschrieben:

3 Ner 4 Stadien 21^ Klafter 2 C?

Weil die 24000 L' die runde Zahl angeben der Summe, wenn es ein Quadrat gewesen wäre, und 740 das Increment der beiden gröfsern Seiten, d. i.

2 kleine Seiten zu GOOO = 12000 U

2 grofse Seiten zu GOOO ■+■ 370 = G370 = 12740 U

Summa = 24740 U.

>) Oder: 3 Stab zu 6 U.

vom 6. Decemher 1877.

743

Um die Richtigkeit dieser Annahme zu prüfen, liegt aber ein sehr einfaches Mittel vor: ist sie richtig, so mufs 6000 zu 6370 in demselben Verhältnifs sein ^Yie 1645 (1647) : 1750 (1748). Ist sie unrichtig, so mufs das Verhältnifs ein anderes sein.

Das Verhältnifs ist aber mit der Correction der bis 5 Meter genau von Botta gegebenen Maafse in beiden Fällen 1 : 1,06106.

Hat man in archäologischen Dingen jemals einen strengem mathematischen Beweis!

Das U, die Spanne, die Halbelle, ist also im Mittel 0‘“27425. Dies ist ein ohne jegliches systematisches Vorurtheil gewonnenes Resultat.

Mein geehrter Freund liest anders: er übersetzt:

4 Sar, 3 Xer, 1 Soss, 3 Qanu, 2 Ammat (Elle) : und er schliefst hieraus:

4 Sar = 14400 Ellen

3 1800

1 Sons = 60 y.

3 Qanu (Avohlberechtigte Variante für 1^ Sa) . = 18

2 Ammat = 2

16280 !T

Da nun Hrn. Lepsius zufolge 0“525 ein U ausmachen, so hätten wir 8547"'. Hierauf ist zu erwidern: l*^ ist nicht >Sar, 3600.

ist nicht Xer, 600.

ist wohl 60, aber als Längenmaafs nie etwas an- deres als das sechzigfache Sa nie 60 Ellen.

4*^ U ist nicht ammat, sondern aJju.

Der Umkreis von Khorsabad ist nicht 8547"*, sondern 6790"'.

Mir werden die einzelnen Funkte beleuchten:

1*^ Das Zeichen für die Zahl 3600 ist <x (oder so kommt cs auch in der SintHuthinschrift vor (II, 1. 1 1 et passim). Das Zeichen selbst, und die Glosse erklärt es in der Inschriften- sanimlung des britischen Museums (W. A. I. IV, pl. 69, 1. 22. 68. 78) durch Sar, geschrieben Sa-ar, das der Griechen.

Das Zeichen ist nicht 3600, sondern 200.

54*

T ►— A «

L talenta.

V'f

’tt

744 Gffammixitcung

Das Zeichen ist nicht 600, sondern 400. Der Buch-

stabe für ner (geschrieben ni-e-ir in einem Syllabar) ist T(. (Ver- gleiche auch W. A. I. t. III, pl. 38 1. 16).

Aufserdem wird nrr ausgedrückt durch ^ ^ d. i. 200 -f- 400 (= 600). So z. B. liest man in allen Sargoninschriften (Dour- Sarkayan p. 7, 1.81).

T TTT

' TTT

1 ner VI. m. d. i. 600 360 ^50 = 1010.

Wenn hier besonders zu rechnen wäre, z. B. als .9ar, so

müsste doch wenigstens das Einheitszeichen wiederholt sein. Das- selbe zeigt an, dafs ^ als ein Begriff zu fassen ist.

Es heifst also: IL ^ wirklich 3^ ner,

nichts weiter. Oder 4 mal 200 plus 3 mal 400; d. i. 2000 = 600x 3^^). Dagegen liest man 1. c. ^ ^ 600 -+- 600 = 2 ner. Man unterdrückt das Zahlzeichen niemals bei der Feinheit; eine andere kleinere Zahl n kann man ausdrücken durch n maliges Wiederholen des Zeichens.

Das Zeichen (f •*) bedeutet nie 60 Ellen, sondern

immer, wie auch io der Senkerehtafel, 60 .Sa (Klafter zu 12 Halb-

’) Man darf mir nicht den Einwurf machen, warum man nicht dann

lieber gleich ^ 2000 geschrieben habe. Die Decimalnotation hat

einen Coefficienien nöthig: zweitausend woron? Dieses würde sich nothwen- digerweise auf Stadien, als dem zunächst vorhergehenden Werthe bezogen haben. Dagegen war die Absicht des Schreibers eine andere, und eine sehr klare. Er wollte und mnfste, da er von Sosf gesprochen, was nur ein Klaftersoss sein konnte, nur von Klafterneren sprechen, als nächstgrüfs- tem Längenmaafs. Also die Zahl 2000 Klafter mufste er durch 3^ Neren aiis- drücken, was er einfach bewerkstelligte, indem er den Ausdruck AVr ^

in seine Bestandtheile zerlegte, um so die Xereneinheiten und den Bmchtheil aosznd rücken. .So werden also zu erklären sein :

ner (800), Ij ner (1000),

^ 2^ ner (1400), ZÜ^ ^ ^ ner (1600), n. s. w.

In unserer Stelle hätte auch geschrieben werden können ^ ^ V 3^ ner; wie man auch für 1^ Klafter drei Stab, oder für 1635 : 2 ner 7 som 15 findet.

vom 6. December 1877.

745

eilen). So liest man zweimal in dem berühmten Michanxsteine von einem Felde welches 3 Us (.S’os«) lang und 1 Us 50 Sa

(Klafter) breit ist. Es ist klar, dafs das Soss oder Stadium hier mehr als 50 Sa hat. Beides sind eben die Maafse der genannten Tafel. So steht es auch da in unserer Khorsabadinschrift, und da müsste doch mindestens vor Allem erst der Beweis geliefert werden, dafs das von Khorsabad ni ch t dasselbe ist, als das

von Senkereh und von Ktesiphon (cf. W. A. I. t. I. pl. 70, 1. 9, 11).

Das Gegentheil der Lepsius'schen Theorie, nämlich die Identität dieser Ausdrücke in den drei Orten, für welche schon die Präsumption von vorn herein spricht, ist aber darznthun. In Senkereh wie in Khorsabad besteht dieselbe Stufenreihe vom Klei- nern zum Gröfsern, der vier "NVerthe:

U Qanu Sa Us.

Aufserdem ist das Verhältnifs des Qanu zu Sa vde 1 : 2 in bei- den Documenten dargethan, denn in Senkereh steht dieses geradezu, und in Khorsabad liest man als Variante für H Sa : 3 Qanu. Das Verhältnifs des V zu Qanu als 1 : 6 wird auch von Hrn. Lep- sius, und mit Recht, beibehalten. Da nun das Zeichen Sa nie- mals Zwölf bedeutet, bezieht sich auch hier, wie in Senkereh und Ktesiphon das Sechszigfache, nicht auf das U. sondern auf das zunächst vorhergehende Sa als Einheit.

Endlich findet sich der letzte Terminus der Senkerehtafel Jcasbu (so zu lesen vergl. Sintflutht. VI. 1. 11), die Parasange von 30 Stadien, in derselben Khorsabadinschrift als Wegmafs wieder. (Dour-Sarkayan p. 5). Also die fünf Abstufungen der ersteren sind im Sargontexte nachzuweisen.

Nirgends findet sich ein Beweis, dafs U gleich ammat^') Elle sei. Letzteres kommt nur einmal vor (Grofse Nebuchad- nezzarinschrift col. VIII, 1. 45}, und auch da noch in einer Zu- sammensetzung ammatgagar, welches ich schon 1853 als Stadium erkannt (S. Böckh. Monat?ber. der K. Akademie zu Berlin 1853). Es findet sich 490 ammatgagar, und an einer andern Stelle (col. VI, 1. 25) 4000 Cgagar. für etwas anderes: hieraus folgt doch wahrlich nicht die Identität des U und des ammat!

’) In einem verstümmelien Syllabare liest man ammatn, aber ist es das Wort ,Elle-?

74G

G es am m tsitzu uy

Da nun unbestritten

ein U zum Qanu wie 1 : G ein Qanu zum Sa wie 1 : 2

ein Sa zum US wie 1 : GO

ein US zum Xer wie 1 : 10

ein Xer zum Sar wie 1 : G

So würde die Angabe, nach der Theorie meines geehrten Freun- des, für den Umfang der Ringmauer von Khorsabad 195,140 U ausmachen; auf 6790'" würde dieses für jedes U, d. i. für die ver- meintliche Elle des Hrn. Lepsius fünf und dreifsig Millimeter, oder anderthalb Zoll betragen.

Dieses ist der richtige Schlufs, der aus derselben zu ziehn ist. Es wird also die in meinem „Etalon des mesures assyrien- nes" aufgestellte Abstufung aufrecht erhalten bleiben müssen :

U^ ahu, Spanne Halbelle^) .... 0'“27425

Qanu, Stab l'“6455

Sa, Toise, Klafter 3'"291

Us, Stadium 197'"46

Xer, Meile 1974'"6

Sar, Schönus, Doppelparasange-) 1 1847'"G Die assyrische Notation ist iiufser dem gewöhnlichen Decimal- system folgende:

-

.... 5

400

<

.... 10

f

(ner)

600

(.S'ms) GO

1 000

V

100

<X

{Sar)

3600.

200

*) Also die Elle zu 0'“5485. Ein englischer Architect, Hr. Flinders Petrie bestimmt aus andern Monumenten die assyrische Elle auf 0'"544.

-) Der Ausdruck ist barku (\V. A. I. III, 17, 88, nicht masku wie Et. p. 6) und birku (\V. A. I. IV, 09, 22).

vom 6. Deceinber 1877.

747

Hr. Lepsius legte hierauf mit Bezug auf die vorfetehende Mittheilung des Hrn. Oppert die folgenden Bemerkungen vor:

Weitere Erörterungen über das babylonisch-assyrische Längenmafssy Stern.

Wenn die voranstehenden von Hrn. Oppert der Akademie übersendeten Bemerkungen über meine Abhandlung: -Die Baby- lonisch-Assyrischen Längenmafse, nach der Tafel von Senkereh" (Abhandl. der Königl. Akad. der Wissenschaften 1877 Thilos, hist. Kl. p. 103 ff.), von irgend einer andern Seite, als es der Fall ist, ausgegangen wären, so würde ich geglaubt haben, mich einer eingehenden Beantwortung derselben enthalten zu dür- fen. da sie kein neues Element in die Diskussion bringen, das nicht schon in der Abhandlung selbst hinreichende Erwägung ge- funden hätte. Dem Autor aber der Schrift: Etalon des mesn- res Assyriennes (1875), deren bisher als grundlegend ange- sehene Ergebnisse ich eben in Frage gest-Ut hatte, bin ich es, ebensowohl wie dem hochgeschätzten Kollegen , der in seiner Eigenschaft als Korrespondent unserer Akademie, dieser seine Reklamation als ein Erkenntlichkeitszeichen vorlegt und ihren Abdruck wünscht, ohne Zweifel schuldig, die einzelnen von mir bestrittenen Punkte jener Schrift, die er aufrecht erhalten will, nochmals, und vollständiger als es früher nöthig schien, vorzufüh- ren und zu erörtern. Auch mufs ich ihm für den Weg, den er zur Veröffentlichung seiner Mittheilung eingeschlagen hat. dankbar sein, insofern er es mir dadurch möglich gemacht hat, meine Er- widerung unmittelbar folgen zu lassen.

Er beginnt mit einer Coucession, die ich gerade von ihm sehr hoch aufzunehmen habe, weil sie den eigentlichen Kernpunkt der ganzen Untersuchung betrifft, nämlich die Eintheilung der Elle, durch welche sich das Assyrische Mafssystem wesentlich von allen übrigen des Alterthums so wie von Opperts eigner jetzt aufgegebe- ner Auffassung desselben unterscheidet. Während die Aegypter, Griechen. Römer, Hebräer u. a. ihre Elle in 6 Palm zu 4 Fin- ger oder in 24 Finger theilten, wurde die Assyrische Elle in 6 Hände zu 5 Fingern oder in 30 Finger getheilt. Oppert giebt jetzt zu, dafs meine Unterabtheilung des U richtig sei. Dieses ü ist der Babylonische Name für George Smith's und meine Elle, assyrisch ammat, (s. unten p. 16) von 0T525. Oppert aber

748

Gesammtsitzimg

und diesen Irrthnm habe ich besonders bekämpft hält nocli jetzt dieses U für eine halbe Elle, und liefs bisher diese halbe Elle, wie auch Smith seine ganze Elle, in 60 iibo)i getheilt sein. So glaubten sie die Tafel von Senkereh verstehen zu müssen, die aber, wie Oppert jetzt anerkennt, dem U nur 30 uban giebt. Es ist klar, dafs Elle nur eine Hand, Elle nur ein Finger sein kann. Dafür spricht auch augenscheinlich, dafs alle Assyriologen, Oppert (Pital. p. 30) nicht ausgenommen, das Zeichen für iiban, seinen ideogra- phischen Elementen nach, durch „Handspitze“ erklären, und dem

Laute nach mit dem hehr. -r:a bolien, dem arab. ibiuon, pol-

lex, zusammenstellen. Umgekehrt also, wenn der Finger ist, so mufs U die ganze Elle sein. Dazu kommt noch eine andere schlagende Bestätigung, die ich in der Abhandlung noch nicht her- beigezogen habe. Das Sechsfache des ü heifst auf der Tafel von Senkereh, auch von Oppert unbestritten, qanu. Das ist oftcnbar das hebräische n:;;, qclneh (spätgriechisch ä-y.svcc) , welches in der Vision des Ezechiel (40, 5. 43, 13) eine Assyrische Mefsruthe von 6 ganzen Ellen ist; folglich ist auch der sechste Theil des qanu die ganze Elle, nicht die halbe. Ich sollte meinen, dafs hier- mit die in sich vollständige Reihe der Mafse von Senkereh ein für allemal festgestellt wäre. Die Ruthe, qanu, hat 6 Ellen, U oder ammat; die Elle hat 6 Hände, qatu-, die Hand hat 5 Finger, vban.

Nach Oppert aber wird auf der Tafel von Senkereh die Elle selbst gar nicht erwähnt, sondern nur sein 77, die halbe Elle. Da er nun mit uns anerkennt, dafs das qanu = G U war, so ist ihm auch das qa7iu, trotz der hebräischen Ruthe qaneh, nicht eine ganze Ruthe von 6 ganzen Ellen, sondern eine halbe Ruthe von 6 halben Ellen, die er canne nennt, zu 1"'G455. Da er ferner jetzt auch zustimmt, dafs das U in G Theile getheilt war, so kann ein solcher Theil auch nicht eine Hand sein, auch kein Palm, sondern eine halbe Hand oder ein halber Palm, zu 0'"0457. Endlich, da diese halbe Hand oder Palm wieder in 5 uhan getheilt ■war, so konnte das uban von 0'”0091 weder ein Finger sein, noch auch, wie er in seinem Etalon annahm, ein Nageleindruck ^), angle, sonderu ein Mafs von 2 seiner ongles oder eine halbe Fingerbreite.

0 Oppert sagt Etat. p. 31 über sein uban: Nous ne ponvons pas ac- cepter les mots doigt ou pouce ponr une mesure de 4 nun. 4 et nous ne ponvons l’explicpier rpie par l’einpreinte d’un ongle l'aite dans la briquc molle en guise de cacbet.

vom 6. Decemher 1877.

749

Er findet also auf der Tafel von Senkereh folgende merkwür- dige Scala von Mafsen:

Dagegen fehlen in diesem assyrischen Mafssystem gänzlich die vollen Mafse der Elle, der Hand (oder des Palm) und des Fingers. Ebensowenig ist etwa der Fufs vertreten. Ist ein solches System, welches kein einziges der natürlichen Körpermafse enthält, denkbar? und ist es nicht klar, dafs die von ihm ange- nommenen Mafslängen, welche sämmtlich Hälften der gewöhn- lichen Mafse sind, und zwar zum Theil solcher, deren Namen sie selber führen, verdoppelt werden müssen, um ihren richtigen Sinn zu erhalten? Es mufs für Jedermann klar sein, dafs in dieser Beziehung von Oppert’s Behauptungen nichts mehr aufrecht zu halten ist; und es ist fast unnöthig, noch die fernere Bestätigung des Gesagten hinzuzufügen, dafs wenn der Umfang von Khorsabad in U angegeben wird, dies nicht in halben Ellen geschehen konnte, während das gesammte Alterthum nur von ganzen Ellen weifs und danach rechnet, und auch Oppert die Existenz einer babyloni- schen und einer assyrischen ganzen Elte zugiebt, aber keinen Namen dafür hat und keine Stelle für ihren Gebrauch nachweisen kann.

Wir gehen nun näher auf Oppert’s Berechnung des Um- fangs von Khorsabad ein, welche die ganze Verwirrung des seinem eignen Scharfsinn erlegenen Gelehrten herbeigefuhrt hat. Denn auch diese wunderbare Rechnung will er ausdrücklich auf- recht erhalten.

Die Inschrift, die sich bei Botta und Rawlinson in vielen Exemplaren findet, erscheint mit einigen umvesentlichen Varian- ten 1) so :

sar kir mr mr ner ner ner 1 ms., 1-^- sa, 2 ammat

4 kir, 3 ner, 1 m.s, sa, 2 ammat

d.i. 4x3600, 3 x 600, 1 x 60, 1^x12, 2 Ellen (= 16280 Ellen) welche zu 0'“ 525 = 8547'" sind.

') S. die Abhandlung p. 132; wo auch angemerkt ist, dafs für „14 sa“ auch das gleichwerthige „3 vorkommt.

qanu, eine halbe Ruthe, canne U eine halbe Elle, demi-coudee [qatii], eine halbe Hand, demi-palme ■uban, ein halber Finger, deux ongles

1",’6455

0"’2742

0'"0457

0",'0091.

750

GesanimtnitzuiKj

So nach im-iiier von Schräder und Delitzsch gebilligten Über- setzung.

Herr Oppert aber übersetzt tolgendennafsen :

■3 1 1 ^ ^ l'lO, X 1'2, 2 U

oder: 200 200 200 200 400 400 400 «a, 1 X 720, l^x 12, 2 U das ist: 3^ ner zu 7200 U oder: 2000 sa zu 12 U = 24000 U

1 «US zu 720 U = 720 U

14 «a zu 12 U = 18 U

2 U = -2 U

24740 U

welche zu 0"'27425 = 6784"'0 sind. Statt 6784"'0 setzt er (Kt. i>. 28) 6790'“ und erhält durch diese kleine Erliöhung genau die Zahl der Flandin’schen Messung, welche 2 X 1750'“ H- 2 X 1645'"= 6790'" ergab; eine scheinbar schlagende Cbereinstininiung zwischen Inschrift und Nachmessung, die aber auf folgenden Drärnissen ruht.

Es ist nicht leicht den ursprünglichen Gedankengang aus der verwickelten Darstellung klar herauszufinden: doch dürfte er sich auf Folgendes reduciren lassen.

Die Persischen Paläste, sagt er, seien meist quadratisch an- gelegt, aber nicht streng quadratisch, sondern in der Regel so, dafs zwei Seiten des Rechtecks ein wenig länger seien als die beiden andern (Etal. p. 10, oben p. 3). führt 7 Paläste auf, von denen freilich zwei die beiden Seiten w ie 3 : 4 haben, wenn dies auch nicht sehr genau stimmt. Von den 5 andern aber haben die kleineren Seiten 125, 48, 20, 28, 28 Ellen (zu 0';'5485), die gröfseren 126-^, 48^, 20j^j, 29|^, 28|- Ellen (Et. p. 11). Diese win- zigen Überschüsse sollen beabsichtigt gewesen sein. M’ahrschein- lich hätten, sagt er, religiöse Gründe der genauen Quadrirung ent- gegengestanden. Dasselbe Princip, einen Überschufs über das ur- sprünglich gemeinte Quadrat zuzufügen, sei augenscheinlich auch in Khorsabad befolgt, wo nach Flandin die kleine Seite 1645"* die längere 1750'“ der ganze Umfang also 6790'“ betrage. Die kleine Seite vervierfacht gebe das gemeinte Quadrat in einer runden leicht auszusprechenden Zahl und werde in der keilschriftlichen Angabe vorangesetzt, dann folge der Überschufs in einer kleineren zugefüg- ten Zahl (Et. p. 12). Nun betrage in Khorsabad der Gesamrnt- umfang, nach seiner Lesung, 24740 U. Davon bezeichnen die runden 24000 U den Umfang des ursprünglich gemeinten Quadrats, 740 U

vom 6. December 1877.

751

den des Überschusses. Die Quadratseite betrage also 600Ü U. Da nun Flandin diese zu 1645'“ gemessen habe, so kommen auf jedes t/ Ü'“27425. Folglich sei U nur eine halbe Elle, und die ganze Elle betrage das Doppelte davon Ü'"5485. Dies, sei die Länge der assyrischen Elle, verschieden von der babyloni- schen, der er die Länge von 0“’525 läfst. Die Tafel von Senkereh widerlegt dies jetzt freilich direkt, indem sie beide Ellen gleich- werthig setzt. Da aber die obige Vergleich ung sich mit einer Elle von 0'“525 nicht verträgt, so schliefst er daraus, statt die künst- lich herbeigeführte Vergleichung zu verwerfen, nicht nur, dafs hier halbe statt ganzen Ellen gemeint seien, sondern auch, dafs die aus derselben gewonnene ganze Elle gröfser als 0“,'525, nämlich 0'"548 gewesen sei, unterscheidet also die assyrische von der babyh)iii- schen Elle, und berechnet danach alle übrigen mit der Elle in Be- ziehung stehenden Mafse und Mafsangaben.

Was hat es nun aber mit der obigen Zahlen -Vergleichung selbst für eine Bewandnifs? Sie beruht oftenbar auf zwei Faktoren. Der eine ist die Voraussetzung, dafs Flandin’s Messung der noch vorhandenen Theile der Ümfangsmauer von Khorsabad sich mit der Angabe des alten Architekten decke. Das mufs aber im Gegen- theil durchaus bestritten werden, weil Flandin zunächst nur eine lange Seite und eine kurze Seite des Haupt -Rechtecks gemessen und diese verdoppelt hat, die inschriftliche Angabe aber in dem Gesammtumfang nothwendig die kleineren Ausbaue und eine sehr bedeutende jetzt zerstörte Erweiterung auf der Seite des Palastes mit inbegriffen haben mufs.

Der andre Faktor ist seine Lesung der Inschrift des Sargon. Diese begründet er folgendermafsen.

Die beiden Zeichen von welchen das erste im

Anfänge unsrer Inschrift in vierfacher, das zweite in dreifacher Wiederholung erscheint, hat er unmittelbar sich folgend gefunden in einer andern öfters wiederkehrenden Inschrift des Sargon Q, die er so übersetzt:

') Bütta, Mon. de Ninive, t. III, pl. 18ter, OG; 22, IG; 38, G3 ; 4G, 7J; Oppert, Duur - Sarkayan p. 7, 81.

1 ner 6 sm 50 (Talente)

752 Gemmmtsitzung

nimmt also die beiden Zeichen als eine ziisammenge-

liörige Gruppe für das einfache Wort ner. In der Kliorsabad- Inschrift findet er die beiden Elemente dieses seines ner getrennt uiuWervielfacht. Wenn er nun diese Gruppe so decomponirt, dafs er für und für das Ganze also für -^=1 ner nimmt, und diese Werthe auf jene Inschrift anwendet, so erhält er seine obige Cbersetzung ^ yer. Die folgende

sehr merkwürdige Deduktion mufs ich aber originaliter anführen, da ich vergebens bemüht war, ihr einen Sinn ahzugewinnen. Nur soviel sehe ich, dafs statt 1^, das er mit (?) versieht, nach seiner wörtlichen Vorschrift, 1-}- stehen müfste. Man versuche sich an dem mathematischen Räthsel, das er hier aufgiebt. „L’expression coinposee de quatre de trois veut donc dire 3-^. La

question de la composition reste ouverte, ä savoir, si sig-

nifie I et de ner, ou bien, si l’excedant des est enonce

avec le nombre de l’autre element cornnie denominateur. Nommons le premier composant r, le second s, nous aurions ainsi:

r s =. 1 r r s = (?)

r r s s =z 2 r r r s s z=: r r r s s s =■ 3 r r r r s s s '= 3^

Nous traduisons donc le passage de Sargon: („d’ai fait le pour- tour de la ville de) 3 niilles et d’un tiers, plus un stade, 3 Cannes Gl 2 U (Etal. p. 13).“ Wenn er dann den ner zu 72()U (statt GOO) U nimmt, und den hus zu 720 (statt 60), und dazu 1 sa 18, und 2 U hinzuzählt, so erhält er die 24740 U (p. 28), welche zu 0',"2742, die verlangte Summe von G784'"9 ergeben, die man Elandin’s Summe von 6790"' gleich setzen kann.

Diese Lesung und Lerechnung der Inschrift beruht auf einer ganzen Reihe von Unmöglichkeiten. Zwei gesonderte, nicht in eine einzige Gruppe verbundene Zeichen ideogra[>hischer nicht phoneti- scher — Art sollen das einfache Wort Xer ausdrücken ^).

') Das Zeichen J 1, wird hier vor ^ ^ gesetzt, und vor nicht wiederholt. Das Letztere war offenbar um so weniger nöthig, da sicli die 1 wiederholte, und man ebensogut sagen konnte 1 «ar und 1 ner, wie 1 inr

vom 6. December 1877 .

753

Giebt es dazu in der Keilschrift irgend eine brauchbare Parallele? Von diesen zwei Zeichen soll dann aber sogar das zweite auch für sich allein zuweilen den Ner bezeichnen (Etal. p. 4). Dann würde also das erste Zeichen in der Gruppe gar nichts bedeuten. Diese auffallende Behauptung inodificirt er allerdings in seiner obigen Mittheilung (p- 4) dahin, dafs, wenn nur ein Zeichen für JSer stehe, dieses nicht sondern ^ geschrieben werde. Er

führt dafür eine Stelle aus Rawlinson III, 38, obv. 16 an, wo

er die Angabe findet: ^ ^ ^ ^Vt ^ ^ (Jahre).

Aber auch diese Behauptung des belesenen Assyriologen kann ich auf das bündigste widerlegen, da beide Formen in ein und derselben Inschrift wechseln, also bedeutungslose Va- riationen sind. Er vergleiche nur unsre obige Khorsabad- Inschrift, wie sie auf den Stieren von Niniveh, wo immer F ge- braucht wird, und wie sie auf den beiden Cylindern des Sargon erscheint, von denen er den einen selbst (Dour-Sarkayan p. 19, 65), den andern Rawlinson I, 36, 55, publicirt hat, und wo beidemal dafür gebraucht wird ! Wie käme ferner die Zahl 400 dazu, ein Zeichen für sich zu erhalten, statt der bekannten Zusammen- setzung VT 4x 100, da dies weder in das Decimal- noch in das Sexagesimal-System passen würde. Und, wenn 200 sa,

400 sa bedeuten soll, wie kommt es, dafs dann keine Andeu- tung von sa dabei ist, wie es doch nöthig wäre? Oder, wenn er statt der 200 und 400 sa auf und ^ ner, wie er es im Etalon thut, zurückgehen wollte, wie kommt es, dafs nicht die gebräuchlichen Zeichen für diese Brüche gesetzt wurden, und wie, dafs keine An- deutung vorhanden ist, dafs hier die Drittel als 7ier verstanden werden sollen? Ist es endlich in irgend einem System erhört, dafs

man eine Gruppe wie OF welche ner, oder 200-1-400

sa bedeuten soll, derartig auflösen konnte, dafs ihre einzelnen Be- standtheile, wie hier, beliebig vervielfältigt und dann summirt wer- den könnten, und zwar immer so, dafs die kleinere Einzelzahl gegen alle sonstige Ordnung der gröfseren vorangesetzt wird?

und Her. Die 1 bleilU aber auch sonst vor Mafsen weg. So foldt sie in 2 Exemplaren der Kliorsabad Inschrift vor dein iiw, nämlich bei Botta, Mon. de Ninive t. III, 27, 55; und Oppert, Dour-Sark. 7, 90.

754

C esamiutaiizung

Warum schrieb man nicht: H ner^ 4 Sm, 21.]- .so, 2 Vi So fragt er (Etal. p. 13 und oben p. 2) selber, und antwortet darauf, weil man die 24000 U als Umfang des ursprünglichen Quadrats von dem Uberschufs gesondert halten wollte (!). Und warum schrieb man nicht statt 4x200+3x400 gleich 2000 So fragt er weiter oben p. 4 Note; und giebt eine mir unverständliche Antwort darauf. Er nuifste vielmehr die Frage so stellen: warum schrieb man nicht 31 7?e?'? denn dafür waren ja alle einzelnen Zeichen vorhanden, wie er selbst am Schlüsse derselben Note sagt. Die Antwort auf diese in seinem Sinne allein richtige Frage bleibt er schuldig.

Nachdem ich nun diesen Stand der Sache im Allgemeinen dargelegt, und gezeigt zu haben glaube, dafs Oppert’s System von Ilalbmafsen völlig unhaltbar ist, dafs namentlich sein V, nicht eine halbe, sondern eine ganze Elle bedeutet; ferner, dafs seine Ilerechnung des Umfangs von Khorsabad, wie er in den Inscbrif- ten verzeichnet ist, auf einer Reihe ebenso künstlich erdachter als unmöglicher Voraussetzungen beruht, und andrerseits auch die Mafse von Flandin keineswegs den ganzen Mauerbau urnfafsten; ferner dafs unter den durch die entzogene Basis hinfällig gewordenen Resultaten sich namentlich auch der Unterschied zwischen einer babylonischen und einer assyrischen Elle befindet, der nun auch durch die Tafel von Senkereh direkt widerlegt wird; nachdem endlich auch Oppert’s Zustimmung erfolgt ist in dem wichtigsten Funkte der Unterabtheilung der Elle in 6 Hände und 30 Finger: bleibt nur noch übrig einen Blick auf die von ihm besonders her- vorgehobenen 5 einzelnen Funkte zu werfen um sie, so weit dies noch nicht im Vorausgehenden geschehen, zu erledigen.

Er behaftet unter No. 1 : Das Zeichen für den .sar, 3(500,

sei nicht sondern <X (oder Er citirt dafür die

Sintfluthinschrift II, 11. Die entsprechenden Stellen in Smith’s Übersetzung (Soc. of bibl. arch. vol. III, p. 544, col. II, 10 14; VI, 31. 32) lehren aber, dafs hier von einem rcLoq unmöglich die Rede sein kann, sondern nur von einer allgemeinen Bezeichnung, welche Smith durch „measure“ wieder giebt. Ebenso wenig giebt bei näherer Früfung das vierspaltige Syllabar dem Zeichen die Bedeutung ruao<;, oder auch nur die Aussprache «/r, w(*il lin. 22. 23 die Zeichen und 4k offenbar eine andre Ans-

sprache hatten als lin. GS ft*. Dagegen hat die von mir (Abh. p. 133) angeführte Ansiebt von Delitzsch, dafs in dem vierspal-

vom 6. Decemher 1877.

75o

tigen Syllabar (RaAvl. IV, p. 69, 1. 68 78; Delitzsch, Lesest. 2te Ausg. p. 61) unter den 11 angeführten Bedeutungen von die letzte, welche einfach lautet: ist sor“, wirklich den tcczoq

bezeichne, für den ruhig Erwägenden Alles für sich. Denn hier wird sar, im Gegensatz zu den zehn früheren Bedeutungen, ofien- bar als terminus technicus gefafst. Da nun bekanntlich das neuassyrisehe Zeichen für das altbabylonische ist ^), so

heifst dies nichts andres, als ist scr.“ Daraus geht aller-

dings zugleich hervor, dafs nach dem Syllabar auch das assyrische Zeichen den Tcczog bezeichnete; doch darf es nicht befremden, dafs in den beiden einzigen Fällen, welche bisher den rüzcg mit Sicherheit erwähnen, und welche beide aus der Zeit des Sargon sind, das babylonische Zeichen statt des assyrischen steht, weil gerade die Natur der Zift'ern, besonders bei der eigenthümlich ba- bylonischen Zahl 3600 zu diesem archaischen Gebrauche einlud.

No. 2. Das Zeichen sei nicht ein Ner von 600 Ellen Ein-

I

heiten, sondern von 400 .sa; das Zeichen für ner, das er in einem Syllabar ni-e-ir geschrieben gefunden habe, sei vielmehr Dieser

Irrthum ist schon oben (p. 13) nachgewiesen worden; und ^ Avechseln als gleichgültige Varianten in der Khorsabad-Inschrift.

No. 3. sei wohl 60, aber als Längenmafs nie etwas

anderes, als das sa (die toise) 60-mal genommen, also 720 Ellen, nie 60 Ellen. Er beruft sich dabei auf die Tafel von Senkereh, und auf eine Stelle des in Ktesiphon gefundenen Michauxsteins -), wo sich die Angabe der Gröfse eines Feldes finde: 3 sus lang, 1 suH 50 sa breit. Daraus gehe hervor, dafs das sus mehr als 50, also 60 sa gehabt habe, wie in Senkereh. Diese Stelle die er nur in Übersetzung giebt, würde allerdings bedenklich scheinen, wenn seine Übersetzung richtig wäre. Das Original giebt aber I V , welches bedeutet 1 sus und 54 Einheiten, d. i. Ellen,

wie aus der ganzen Inschrift hervorgeht. Das Zeichen wird ja allerdings auch als Ideogramm für das Mafs sa gebraucht; dasselbe ist aber ganz gewöhnlich auch Zahlzeichen und

*) S. Io. Meiiant in den Mein. pies. par divers savants ä l ac. d. I. et B. L. I Ser. t. VIII 18C9 p. 18?. 183. Ich bemerke hier beiläiilig, dafs in meiner Aliliandliing p. 133 irrig gedruckt ist statt *) S. Kawl. vol. I, 70, cul. I, 11; vgl. 5. 7. 9. 10.

756

Gesam mtsitzung

bat dann die Bedeutung 4, arba;, weil es eben 4 Keile sind, so gut wie . Wenn daher Oppert bier das Zeicben ^ für sa, oder Doppel nebnien will, statt für 4, so ist das ganz willkübrlicb. Da der ,sus 60 Ellen hatte, so betrug die Breite des Feldes 114 Ellen. Ebenso besagt die früber (p. 13) erwäbnte Inschrift Ifc ^ ^ ^ ^ Einheiten, d. i. bier

dabre: 2 x 600 + 7 x 60 -f- 15 = 1635 Jahre, Wie es sieb aber mit dem im combinirten System der linken Seite von Senkereb besonders eingefügten sm von 60 Doppel-(/«?n/, statt von 60 Ellen wie die rechte Seite nnzw'eifelbaft verzeichnet, verhält, das habe ich in der Abhandlung so ausführlich dargestellt, dafs ich lirn. Oppert, der davon keine Notiz genommen bat, nur darauf verwei- sen kann. Wo in einer Inschrift von Saren und Neren die Rede ist, die durch den Zusammenhang immer nur 3600 und 600 kleinste und selbstverständliche Einheiten bedeuten, kann ja der Aer natürlich nie 720 solcher Einheiten enthalten, seien es nun Längenmafse oder Zeitmafse die angegeben werden, da das für Ausdrücke wie „Schock, Dutzend“ ganz gleichgültig ist. Inderinschrift von Seidcereh, auf die er sich beruft, ist das nächst höhere Mafs über dem ms nicht der N^er, der gellissentlich übergangen ist, sondern der Kaspu. Auch dieser Funkt dürfte demnach erledigt sein; denn über die von ihm noch angeführten gegenseitigen Verhältnisse von ms, sa, qanu, u auf der linken Seite der Tafel von Senkereh sind wir Ja einverstanden.

No. 4. Das Zeichen sei assyrisch nicht amiiiat, sondern

ahn. Das Wort ammat komme nur in der Verbindung 490 ') ammat qaqqar'^ in der grofsen Nebukadnezar- Inschrift col. VIII, 45^) vor, und ebendaselbst col. VI, 25^) werde von 4000 U qaqqar ge- sprochen; folglich müfsten U und ammat verschiedene Maafse he-

') liodwell liest 400, weil er das folgende Zeichen für das Pliiral- zeitlien hält, was aber hegreitlicher AVeise gerade hinter Zaldcn niclit zu erscheinen pflegt, und z. B. aucli in derselben Inschrift hinter 4000 nicht

erscheint. Übrigens ist Oppert's Lesung V I !<« 490 eine heiläutige An- erkennung, dafs in diesen Verbindungen J nicht, wie er früher meinte, (s. meine Abh. p. 142. 143) 50 bedeutet, sondern Gü, sonst hätte er 480

lesen müssen.

2) S. Rawl. I, pl. 57.

2) pl. 5G.

vom 6. Decemher 1877.

Ibl

zeichnen. Gerade im Gegentheil: da aus der Übersetzung von Rodwell (Records vol. V, p. 127. 132) hervorgeht, dafs es sich um die Umwallung von zwei Bezirken handelt, von denen der eine gröfsere Imgur-Bel, der andere kleinere Nimitti-Bel heilst, so wird man diese doch nicht nach verschiedenen Mafsen berechnet haben! Dafs aber das Mafs in der einen Stelle ideographisch, in der an- di'en phonetisch geschrieben wird, ist ja in allen Keilschrifttexten das allergewöhnlichste, so dafs daran doch niemand, namentlich Oppert nicht, Anstand nehmen kann. Wenn, wie in jeder Weise vorauszusetzen ist, der assyrische Name der Elle ammat war, so ist es ganz in der Ordnung, dafs wir ihr Zeichen in allen

assyrischen Texten, mögen sie archaisch geschrieben sein, oder in der spätem assyrischen Schrift, wie Smith thut, auch ammat aus- sprechen, nicht U. Ob man das kurze Ideogramm oder das lange alphabetische Wort schrieb, hing bei den Schreibern meist nur von dem Raume, den sie daran wenden wollten oder konnten, ab. Wir sind vollkommen berechtigt in unserer Stelle eine schlagende Be- stätigung der auch aufserdem unumgänglichen Annahme zu er- kennen, dafs dessen babylonische Aussprache U dabei nicht

in Betracht kommt, nicht nur die Elle bedeutet, sondern auch ammat zu lesen ist, da man doch nicht den einen Wall nach Ellen, den andern nach halben Ellen gemessen haben wird. Oh qaqqar., welches auch mit andern Mafsen verbunden wird, dabei steht oder nicht, ist nach Smith unwesentlich. Nach Schräder^), bedeutet es näher „Erdoberfläche“ und deutet hinter Mafsen au, dafs es Wege- oder Längen-Mafse sind, wie wir von „Meilen Wegs“ sprechen; es sind aber nicht etwa Flächenmafse in unserm Sinne, denn es handelt sich hier nicht um das Mafs einer Fläche, sondern eines Walls oder einer Mauer.

No. 5. Wenn nun Oppert die Zahl von Khorsabad so liest, dafs er meine Erklärung: 4 sar, 3 1 ms, sa, 2 u annimmt,

aber seine Erklärung des sar zu 43200, des ner zu 7200, des ms zu 720 U, damit verbindet, so erhält er für den Umfang 195140 U; und wenn er dann das ü wieder nach meiner Erklärung als ganze Ellen annimmt, und die Nachmessung von Elandin auf 6790"^ schätzt, so erhält er für die Elle die Länge von 0'"035 oder anderthalb Zoll. Dieses sei der richtige Schlufs, der aus meinen

’) Assyr. Babyl. Keilinschr. p. I8l, No. 4; 383 s. v.

[1877] yj

758

Genanmtsitcunp

Ergebnissen folge. Hierauf ist nur 7U erwidern, dafs wenn sich nach den obigen Auseinandersetzungen seine Fachgenossen nun dennoch für meine Lesung der Zahl entscheiden sollten, diese, in Verbindung mit seinen Ergebnissen, zu einer Elle des Herrn Oppert von c. acht Meter Länge führen würde.

Er schliefst seine Mittheilung mit der Aufstellung einer Liste derjenigen Zahlen, welche die Assyrier durch ein einziges Zeichen geschrieben haben sollen. Von diesen sind ^ 10; ^ (unter Um- ständen) 60, tjlTTZc; y 100; \ 600, i-rrsc; 1000 (10 X 100), bekannt und unbestritten; für 5 ist bisher, so viel ich weifs, den Assyriologen unbekannt; es müsste daher von Oppert erst nach- gewiesen werden. An sich wäre es im Decinialsystem, wie die Rö- mische V, nicht unmöglich. Unmöglich aber sind überhaupt sowohl im Decimalsystem als im Sexagesiiualsystem einfache Zahlzeichen für ÜOO Und 400; endlich sind die Zeichen und

als von ihm unrichtig erklärt nachgewiesen worden.

Die Liste der einfachen theils dem Sexagesimal- theils dem Decimalsvsteme angehörigen Zeichen beschränkt sich vielmehr auf die folgenden:

T

<

V(t)

«^)

C:-, A..

1

10

60 (60*) sus 100

600 (10x60*) ner 1000

3600 (602) ;^ar

Hiermit glaube ich jeden einzelnen von Oppert nochmals zur Diskussion gestellten Punkt eingehend, für manchen Leser vielleicht zu ausführlich, beleuchtet zu haben.

vom G. Deeernbfr 1S77.

759

Darauf legr-e Hr. du Bois - Reymond folgende Mitiiieilung der HH. Professoren Hugo Kronecker in Berlin und W. Stir- ling in Aberdeen vor. welche die Ergebnisse einer von den Ver- fassern geEceinsam im physiologischen Insriruie zu Leipzig ange- siellien Untersuchung enthält.

Uber die Genesis des Tetanus.

Die Dauer einer Muskelcontraction schwankt nach der Art des Thieres. welchem der Muskel angehört, nach dem Körpertheile, dem er entnommen, nach der Temperatur, bei welcher er gereizt, nach dem Gewichte, womit er belastet wird, innerhalb weiter Gren- zen. Die willkürlichen Muskeln haben nach Marey eine Zuckun^s- daner von etwa 0.03 (Tauben) bis 0,3 Secunden (Schildkröte) und mehr. Wenn den 3>Iuskel. bevor er eine Zuckung vollendet hat. ein neuer Reiz trifii. so summiren sich die Contractionen nach den von Hm. Helm hol iz gegebenen Regeln. Wenn die Erregangen so häntig sind, dass dem Muskel in den Zwischenräumen nicht Zeit bleibt, sich merklich zu verlängern, so verharrt er für die Reizdauer in tetanischer Coniraction. Während diese dem Be- schauer als stetig erscheint, so dass die E. Weber'sche Theorie der Zusammenziehung den teianischen Muskel als in einem neuen Zu- stande statischen Gleichgewichtes verharrend betrachtet, handelt es sich in Wahrheit am einen Wechsel von Zusammenzieh ung und Erschlaffung, wie der secundäre Tetanus und der Muskelton zeigen. Dieser letztere ist an Höhe entsprechend der Zahl von Einzel- reizen. welche den Muskel oder seine Xerven in der Zeiteinheit treffen. Wird aber der Tetanus durch Reizung des Rückenmarkes erzeugt, so ist der entstandene Ton. wie Hr. du Bois-Reymond beim Eaninchen gefunden hat. unabhängig von der Reizzahl ein sehr tiefer, der nach einer Untersuchung von Hrn. Heimholtz 19 bis 20 ganzen Schwingungen in der Secunde entspricht. Den gleichen Ton giebt der willkürlich erregte Muskel beim Menschen.

Hr. Ran vier hat die interessante Beobachtung gemacht, dass die rothen Kaninchenmuskeln von den weissen sich nicht bloss in ihrer Sirnclur nnierscheiden. sondern auch in der Bewegung, indem die rothen eine Znekungsform haben, welche derjenigen der glanen Muskeln ähnlich ist: lange latente Reizung, lange Dauer der

Zuckung. Sie gerathen in Folge dessen bei minderer Reizfrequenz in Tetanus als die weissen Muskeln. Hr. Ran vier erhielt durch

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Gesammtsitzung

55 Inductionsschläge in der Secunde vom rotlion Muskel eine Te- tanuscurve mit schwachen Wellen, während der weisse Muskel nocli fast völlig getrennte Einzelzuckungen zeichnete und selbst 357 Zuckungen in der Secunde noch ziemlich distinct aufzuzeichnen vermochte.

Da, wie erwähnt, der durch Vermittelung des Rückenmarkes erregte völlig gleichmässige Tetanus beim Kaninchen einen Ton giebt, welcher 20 Schwingungen in der Secunde entspricht, und da auch der willkürliche Tetanus, welcher nach Angabe des Mus- keltons ebenfalls durch nur 20 Erregungen in der Secunde verur- sacht wird, ganz stetig erscheint, so musste Um. Ranvier’s Beob- achtung räthselhaft erscheinen. Wir haben es deshalb unternom- men, seine Angaben zu controliren. Wir fanden, dass schon bei 4 Reizen in der Secunde die Zuckungen des rothen Muskels, bei G Reizungen auch diejenigen des weissen zu unvollkommenem Te- tanus zu verschmelzen beginnen, dass 10 Reize bei beiden Mus- kelarten für einen deutlichen Tetanus genügen (dessen Schwaiduin- gen die weissen Muskeln merklicher zeigen als die rothen), und schon 30 Reize für einen völlig stetigen hinreichend sind. Auch bei grösster Frequenz steigt die Tetanuscurve des rothen Mus- kels Hach auf, diejenige des weissen steil; ebenso fallen sie ver- schieden ab. Iläulig bleibt, auch bei stärksten Reizen, die Curve des rothen Muskels niedriger als die des weissen.

Der Widerspruch unserer Ergebnisse mit den Ran vier’schen Angaben wird durch die Verschiedenheit seiner und unserer Me- thoden erklärlich. Wir Hessen die Verk ürzu ngen durch Hebel, die an den Sehnen angebunden waren, aufschreiben; er schrieb mit Hilfe der Pince myograplnqtie die Dieken-Veränderungen stark vergrössert auf, ver zeichnete also d i e S c h wi n g u n gen, welche der Finger als Schwirren, das Ohr als Ton empfindet. In der That werden auch die Schwingungen der rothen Kaninchenmuskeln bei minderer Reizfrequenz unmerklich für Finger und Ohr des Beobach- ters — sowie für den Fühlhebel in den Ran vi er’schcn Versuchen als die Vibrationen des tetanisirten weissen Muskels. Auch beim Menschen fand Hr. Helmholtz, dass 600 Erregungen in der Se- cunde den Muskelton noch wahrnehmen Hessen; beim Frosche je- doch nicht mehr.

Nachdem durch diese Beobachtungen ein Anhalt dafür ge- wonnen war, wie zahlreichen Erregungen die Muskeln noch durch

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hör- und fühlbare Einzelstösse zu folgen vermochten, blieb zu entscheiden , welche maximale Reizfrequenz den Tetanus hervor- zurufen im Stande ist. Die Angaben zuverlässiger Forscher über die Grenzwerthe der Reizfrequenz, mit Hilfe deren man Froschmus- keln noch tetanisiren kann, differiren sehr bedeutend. Während E. Harless 10000, Hr. Heidenhain 2800, Hr. v. Wittich 7000, Hr. Engel mann 2000 Reize in der Secunde als obere Grenze setzen, hat Hr. Bernstein angegeben, dass bei 250 Inductionsschlägen in der Secunde (aus physiologischen Ursachen) kein voller Tetanus mehr zu Stande komme. Bei schwachen Reizen finde alsdann nach einer ersten starken „Anfangszuckung“ nur noch schwache Andeutung von Tetanus statt. Bei starken Reizen schwinde der Tetanus, bis auf eine Anfangszuckung, wenn 500 Schläge in der Secunde er- folgen. In einigen Fällen freilich hat Hr. Bernstein auch bei 1760 starken Reizen noch Tetanus wahrgenommen.

Diese Widersprüche erklären wir dadurch, dass die genannten Forscher sich verschieden vollkommener Hilfsmittel zu ihren Ex- perimenten bedienten. Bei einigen Vorrichtungen kann durch Ab- springen der Contactfeder oder der Quecksilbertropfen die Zahl der wirklichen Reize kleiner gewesen sein, als die der berechneten, Avährend bei anderen, wo man relativ niedrige Reizfrequenz unwirk- sam fand, die Contacte vielleicht unvollkommen waren, und somit die Reize übermässig schwach. Trügerisch kann die Berechnung der Reizfrequenz auch dadurch werden, dass man die Schliessungs- und Ölfnungsströme der Schlitten -Inductorien gleichermaassen als Reize zählt. Es ist nämlich, auch mit der He Imholtz’schen Vorrich- tung, sehr schwer, Ölfnungs- und Schliessungsreize gleich stark zu ma- chen. Sind die beiden Reize verschieden, so wirkt häufig, wenn die eine Reihe von Strömen nur untermaximal erregt, und besonders bei ermüdeten Präparaten, lediglich die andere Reihe der Schläge; man erhält also den Tetanus in Wahrheit nur von der halben Frecjuenz der verwendeten Inductionsstromstösse.

Diese Fehler, welche die Contacte cinführen, sind in Hrn. Gross- mann’s und Hrn. Hel m h o 1 tz ’s Vei’suchen vermieden, in welchen Stäbe und Stimmgabeln vor Inductions - Spiralen in transversale Schwingungen versetzt, und dadurch erzeugte Inducti onsschläge den Froschnerven zugeführt wurden. Sie erhielten bei mässiger Schwin- gungszahl (Hr. Helmholtz bis etwa 600 in der Secunde) noch schwachen Tetanus.

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Gesammlsitzung

Der Eine von uns hat nun versucht, die stark klingenden hohen Longitudinaltöne für physiologische Zwecke zu verwerthen.

Es ist den Physikern längst bekannt, dass man durch Erschüt- terungen eines Eisen- oder Stahlstabes dessen Magnetismus ändern kann. Führt man auf die Endfläche eines in der .Mitte seiner Länge eingespannten Eisenstabes, dessen eines Ende in der durchströmten primären Spirale eines Inductoriums, dessen anderes in der secundären Spirale steckt, einen Schlag, so erzeugt man eine Verdichtung des Eisens und vermehrt dadurch den Magnetismus, erzeugt somit einen (Schliessungs -) Inductionsstrom. Der Compression durch den Schlag folgt eine M'iederausdehnung, die einen Offnungs-Induc- tionsschlag hervorruft. Bringt man den Stab durch Reiben zum Tönen, so hat dies den gleichen Erfolg, wie eine Reihe von Stössen. Jede ganze Tonschwingung macht einen Schliessungs- Inductionsschlag und einen Öffnungs - Inductionsschlag. Warburg hat dergestalt noch die Wirkung von 1300 Longitudinal-Schwingun- gen in der Secunde am Elektrodynamometer nachweisen können. Ein Galvanometer an Stelle des Dynamometers gab keinen Aus- schlag, da die in entgegengesetzten Richtungen abwechselnd erfol- genden Antriebe einander aufhoben.

Da nun aber der Nerv bekanntlich sehr bewegliche Theilchen besitzt, so prüften wir die Wirkung der tönenden Inductionsstäbe auf Nerven von Fröschen und Kaninchen. Wir verbanden die Pole der secundären Spirale mit isolirten Nerven des Ilüftplexus eines Frosches und erzeugten durch Reiben von weichen Eisenstäben in diesen Longitudinaltöne, während die primäre Spirale, welche über die andere Hälfte des beobachteten Stabes geschoben war, in den Kreis eines grossen Grove’schen Elementes aufgenomiuen wurde. So lange der Stab tönt, bleibt die vom gereizten Nerven abhängige Muskelgruppe in Tetanus. Die Schwingungszahl des Stabes, also auch die Frequenz der Inductionsschläge, ergiebt sich unmittelbar aus der gehörten Tonhöhe, oder aus der Formel

Darin bedeutet: A’ die Schwingungszahl, L die Länge des Stabes,

<j die Beschleunigung durch die Schwere = 9,808 £ den Elasticitäts-Coefücienten des tönenden Me-

talles, für Eisen = 20794000,0 s dessen Dichtigkeit, für Eisen = 7,74.

vom 6. Vecember IST 7.

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Diese theoretischen Bestimmungen sind wegen des schwanken- den ^Yerthes von a und s nicht so genau wie die Tonhöhenbestim- mung. Hingegen kann mau einen abgestimmten Stab durch ge- naue Zertheilung leicht in beliebig höher tönende zerlegen.

Reibt mau mit dem Lederlappeu, wie Hr. arburg that, so kann man nur ganz kurze Töne erhalten. Wir haben darum einen Appa- rat construireu lassen, in welchem der Stab zwischen zwei mit feingepulvertem Colophonium bestreute Lederwalzen eingepresst wird, die bei ihrer Drehung das Stabende gleichmässig reiben. Der Ton kann verstärkt werden, indem man die obere Walze stärker gegen den Stab und die untere Walze andrückt, was durch eine regu- lirbare Zugfeder in gleichmässig abgestufter Art geschieht. Dann wird auch der Tetanus stärker. Mit dem An- und Abschwellen des Tones sieht man den Tetanus zu- und abnehmen. Es ist schwer, die Reibung ganz gleichmässig zu machen. Höhere Töne sind viel weniger in- tensiv zu erhalten als tiefere. Sehr stark klingen noch Töne von 6 8000 einzelnen Schwingungen, und entsprechend den grossen Amplituden erzeugen sie starken Tetanus; aber auch mit Stäben, welche über 20000 einfache Schwingungen gaben, gelang es uns, an dünnen Nerven empfindlicher Frösche constanten Tetanus zu erhalten.

Es ist daher eine Grenze der Frequenz elektrischer Reize, welche motorische Froschnerven noch zu erregen vermögen, noch nicht gefunden.

Unsere Reizart hat aber vor allen bisher mit Erfolg geübten den Vorzug, dass die Wechselströme vollkommen gleichartig sind, weil sie durch Sinusschwingungen hervorgebracht werden.

Die unserem Verfahren zu Grunde liegende Voraussetzung, dass die auf die eben beschriebene Weise hervorgebrachten Induc- tionsströme isarithmisch sind mit der Anzahl der einfachen Ton- schwingungen, wird durch folgenden Versuch bestätigt: Man ver- bindet die Enden der inducirten Spirale, statt mit den Elektroden der Nerven, mit den Klemmschrauben eines Telephons, dann hört man den Ton des geriebenen Stabes vom Telephon in unverän- derter Höhe wiedergegeben.

761

Gesammtsit:ung

Au eiugegangenen Schriften wurden vorgelegt:

O. L. Hugo, La theorie Hugodwimale. Paris 1877. 8. 2 Ex.

, Efsai stir la dnvmatiqw celeste etc. ib. 1876. 8. 2 Ex.

SiUunqsberichte der phys.-medic. Societät :u Erlangen. Heft 9. Erlangen 1877. S.

*Cvdejc lustinianui recogn. P. Krüger. Fase. V. Libri XI XII. Index.

Beroliui 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

lierue scientifique de la France et de l'etranger. N. 22. Paris 1877. 4.

S. Tommasi e G. B. Ercolani , Evoluzione scienza e naturalismo. Napoli 1877. 8.

J. J. Hoffmann, Japanische Studien. 1. Xachtrag zur Japanischen Sprach- lehre. Leiden 1878. 8. Vom Verf.

J. V. Barboza du Bocage, Ornithologie d' Angola. P. I. Lisbonne 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

H. Kundrat, Die Selbstverdauungs- Processe der Magenschleimhaut. Graz 1877. 8.

List of the geological Society of London. 1. Nov. 1877. 8.

H. G. van de Sande Bakhuvzen, Verslag ran den Staat der Sterren- wacht te Leiden. Juli 1876 Juni 1877. Amsterdam 1877. 8.

Termeszetrajzi Füzetek. Elsü Kötet. II. HI. IV. Füzet. Budapest 1877. 8. Bulletin de V Acadhnie Imp. des Sciences de St. Petersbourg. T. XXIV.

(Feuilles 12—21.; N. 2. St. Petersbourg 1877. 4.

Statuti e monumenti storici dei Comune di Vercelli . . . a ctira di G. Adriani. Torino 1877. 8.

tom, 13. December 1877.

7G5

10. December. Sitzung der philosophisch-histori- schen Klasse.

Hr. Olshaasen las: Beiträge zur Erklärang and Berichtigang der Pahlavi- Glossare.

13. December. Gesammtsitzung der Akademie.

Hr. Beyrich las über einen heieromorphen Ammoniten von Mosambiqae.

Darauf legte Hx. du Bois-Reymond folgende literar- histo- rische Notiz von Dr. Gerhard Berthold in Ronsdorf vor.

Friedrich der Grosse und das Secretions - Gleichnis«.

^Ihr sagt, die Seele ist ontheilbar. ewig,- schreibt ein Unbe- kannter, hinter dem man vielfach Voltaire vermuthete ^), in den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhonderts, -und Ihr setzt voraus, was eben in Frage steht. Es geht Euch ungefähr wie einem Schalmonarchen, der nie in seinem Leben eine Uhr gesehen hat, und der nnn plötzlich eine englische Repetiruhr in die Hand be-

’) Lettre iur läme, abgedruckt bei Beinbeck, Fbilosophiscfae Ge- daucken über die vemGcfftige Seele und derselben L'uiterblichkeit u.5. w. Berl. 1739. S. I*. ^ ergl. G. Beribold, John Toland und der Monismus der Gegenwan. Heidelberg 1S76. S. S7. Anm. 31.

766

GesammtsilzuiKj

käme. Dieser Herr, ein guter Peripatetiker, ist erstaunt über die Genauigkeit, mit welcher die Zeiger die Zeiten abtheilen und zei- gen, und noch erstaunter darüber, dass ein Stift, wenn man ilin mit dem Finger drückt, präcis die Stunde schlagen lässt, welche der Zeiger zeigt. Mein Philosoph ermangelt nicht zu beweisen, dass sich in dieser Maschine eine Seele befindet, welche die Ma- schine beherrscht und die Federn in derselben lenkt. Mit vieler Gelehrsamkeit beweist er seine Meinung durch einen Vergleich mit den Engeln, welche die himmlischen Sphären führen, und er lässt in der Classe schöne Thesen über die Uhrenseele vertheidigen. Einer seiner Schüler öffnet die Uhr: man sieht hier nichts als Fe- dern, und trotzdem vertheidigt man stets das System der Uhren- seelen. Ich bin dieser Schüler, welcher die Ulir öffnet, welche man Mensch nennt, und der anstatt kühn zu deffniren, was wir nicht verstehen, Schritt vor Schritt das zu prüfen versucht, was wir ken- nen lernen wollen.“ Von dem Geiste dieses inductiven Vorgehens verlassen , verstieg sich der Materialismus im Laufe der Zeit zu kühnen Hypothesen, deren verwegenste Friedrich der Grosse mit scharfem Spotte traf, indem er in einem Briefe an Voltaire vom 4. December 1775 schrieb ^): „De ces rapprochements entre la meditation et la digestion, entre la formation des idees et la generation des animaux, la distance est courte ä la comparaison de la pensee avec la bile, le sang, le chyle, ä cette secretion du cerveau, qui a ete la derniere secretion du materialisme.“

Durch Friedrich d. Gr. ist also das Secretions - Gleichniss zuerst schriftlich fixirt. Erst fast ein Vierteljahrhundert später wurde dasselbe bekanntlich von Cabanis erneuert, welcher sich folgendermaassen äussert^): „Pour se faire une idee juste des ope- rations de la pensee, il laut considerer le cerveau comme un Or- gane particulier, destine specialement ä la produire; de meme que restomac et les intestins ä faire la digestion, le foie ä filtrer la bile, les parotides et les glandes maxillaires et sublinguales ä pre- parer les sucs salivaires.“ Zwar bemerkt L. Peisse, der Heraus-

’) Vergl. Chr. Bartholmess, Histoire philosophique de l’Academic de Prusse etc. Paris 1850. T. I. p. 305.

*) Considerations generales sur l’etude de l’homme etc. Memoires de l'lnstitut, Classe des Sciences morales et politiques. Paris 1798. 4. T. I. p. 147.

vom 13. Decemher 1877.

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geber einer neueren Auflage von Cabanis’ Buch: „Cette phrase est restee celebre^),“ doch scheint wenigstens in Deutschland dieselbe unbekannt geblieben zu sein, und es erklärt sich so das Aufsehen, welches Hr. Carl Vogt erregte, als er sich dahin aussprach 2); „dass alle jene Fähigkeiten, die wir unter dem Namen der Seelen- thätigkeiten begreifen, nur Funktionen der Gehirnsubstanz sind; oder, um mich einigermaassen grob hier auszudrücken, dass die Gedanken in demselben Verhältniss etwa zu dem Gehirne stehen, wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren.“

Eine merkwürdige Filiation der Ideen führt also von Frie- drich d. Gr. zu Hrn. Carl Vogt; freilich fehlt in dem Gleich- niss bei Friedrich die Nierenabsonderung, deren Erwähnung bei Hrn. Vogt Hrn. Lotze zur Bemerkung veranlasste, dass dies Gleichniss auf die Vermuthung bringen könnte, einige Gedanken entständen wirklich auf uropoetischern Wege 3). Doch nahm schon Hr. du Bois-Reymond dieserhalb Hrn. Vogt in Schutz, da die Physiologie keine ästhetischen Rangunterschiede derOrgane kenne ^). Er hätte sich auf Francis Bacon berufen können, welcher sagt: „Quin etiam, ut e quibusdam putridis materiis, veluti Museo et Zi- betho, aliquando optimi odores generantur, ita et ab instantiis vili- bus et sordidis quandoque eximia lux et informatio emanat. Verum de hoc nimis multa; cum hoc genus fastidii sit plane pue- rile et effoeminatum ^).“

B Rapports du physique et du moral de l’liomme etc. Paris 184.4. p. 138.

') Physiologische Briefe für Gebildete aller Stände. Giessen 1847. S. 20G.

Medicinische Psychologie oder Physiologie der Seele. Leipzig 1852.

S. 43.

Novum organum scientiarum. Lugd. Bat. 1645. 12. L. I. § CXX.

p. 138.

Über die Grenzen des Naturerkennens. Vierte verm. und verbess. Aufl. Leipzig 1876. S. 37.

768

Gesammtsilzung «om 13. December 1877.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Geologische Karte des Grossherzogthums Luxemburg. 8 Blätter gr. fol. nebst Wegweiser von N. Wies. Luxemburg 1877. 8. Mit Begleitschreiben.

K. E. Zachariae von Lingenthal, Geschichte des Griech. liömisehen Rechts. 2. Aufl. Berlin 1877. 8. Vom Verf.

G. March. Eroli, Erasmo Gattamelata da Narni etc. Roma 187G. 8. Vom Verfasser.

Revue scientifigue de la France et de l'etranger. N. 23. Paris 1877. 4.

Commentari delV Ateneo di Brescia per f anno 1877. Brescia 1877. 8.

F. V. Zillner, Matsee, die Schlehdor/er und Matsaer. 1877. 8. (Salz-

burg.)

C. Aberle, Die Gefässpflanzen des k. k. botanischen Gartens zu Salzburg.

Wien 1877. 8. Anhang zum Vorigen.

Bulletin de la Societe de Geographie. Octobre 1877. Paris 1877. 8.

J. Grimm u. W. Grimm, Deutsches Wörterbuch. Bei. VI. Lief. 1. Leipzig 1877. 4.

The London mathematical Society. Sch. Nov. 1877. 8. JJst of Members.

London 1877. 8.

Copy of the Report by the Astronomer Royal, Sir G. B. Airy, K. C. B., on the Telescopic Observations of the Transit of Venus, 1874. London 1877. fol.

Vivien de Saint- Martin, Kuuveau Dictionnaire de Geographie universelle. Fase. 5. Paris 1877. 4.

Sitzung der 'plnjs.-niatlu Klasse vom 17. Decemler 1877. 769

17. December. Sitzung der physikalisch- mathe- matischen Klasse.

Hl'. Virchow legte folgende Abhandlung vor:

Zur Craniologie Illyriens.

Seitdem die Ethnologie Europas zum Gegenstände ernsterer Studien gemacht worden ist, hat sich die Untersuchung mit beson- derem Eifer den Resten der ältesten Bevölkerungen zugewendet, welche in gewissen Bezirken ihre Eigenart bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Eine nach der anderen, die Iberer oder Bas- ken, die Finnen, die Letten, sind sie zum Gegenstände besonderer Forschungen gemacht worden, und es ist allmählich gelungen, we- nigstens die Hauptseiten ihrer Eigenthümlichkeiten, Sprache und Körper-Beschaffenheit, in ein klareres Licht zu stellen. Am we- nigsten weiss man bis jetzt über die Illyrier.

In meiner kleinen Abhandlung über die Urbevölkerung Euro- pas (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Abhandlun- gen. 1874. Serie IX. S. 16) sagte ich über sie: „In dem schwer zu- gänglichen Berglande, welches sich nördlich von Griechenland an der Ostküste des adriatischen Meeres hinzieht, findet sich seit den ältesten Zeiten der geschichtlichen Überlieferung eine abge- schlossene Völkerinsel, die illyrische. In sehr früher Zeit schei- nen sich die Wohnsitze der Illyrier um den Nordrand der Adria herum bis nach Italien erstreckt zu haben, und es ist nicht un- wahrscheinlich, dass der uralte Stamm der Heneter oder Veneter ihnen zugehörte. Später sind sie von Griechen und Römern, von Kelten, Germanen und Slaven vielfach verschoben und unter- worfen worden. Nur in den Bergen Albaniens hat sich bis auf unsere Tage der durch seine Unabhängigkeitsliebe, Wildheit und fast ursprüngliche Einfachheit ausgezeichnete Volksstamm der Ski- petaren, welche von den Abendländei’n Albanesen, von den Türken Arnauten genannt werden, erhalten. Noch jetzt sprechen sie eine eigenartige Sprache von indogermanischer Abkunft.“ Ich erinnerte ferner daran, dass von den klassischen Schriftstellern noch zahl- reiche Sagen erhalten worden sind, welche darauf hinweisen, dass die Siculer, lange bevor sie auf ihren Wanderungen die nach ihnen benannte Insel erreichten, vom Nordosten Italiens her, wo sie

770

Sitzung der phyailcolifich-matJiematiiichen Kla/tfte

nächste Nachbarn des illyrisclien Stammes der Liburncr waren, aiis- gegangen sind (ebendas. S. 20).

Schon Ilerodot nennt die Illyrier, zu denen er ausdrücklich die Eneter rechnet, als Anwohner der westlichen Quellflüsse des Angros und Brongos, der heutigen Morawa. Ihr Gebiet wird et- was verschieden angegeben von den verschiedenen Schriftstellern, indess stimmen alle darin überein, dass Epirus nicht mehr dazu gehörte. Ebenso bestimmt unterscheidet sie Zeuss (Die Deutschen und die Nachbarstämme. München 18.S7. S. 250), hauptsächlich gestützt auf die .Vutorität von Strabo, von den ThrakernQ, da- gegen rechnet er zu ihnen mit guten Gründen ausser den Libur- nern, Istriern und Venetern auch die Bannonier, deren Wohnsitze sich längs des rechten Donau-Ufers nordwärts bis zu den Deserta Bojorum um den Platten -See (Lacus Pelso) erstreckten. So um- fasste das alle Illyricum noch in geschichtlicher Zeit ein sehr um- fangreiches Gebiet, dessen Grenzen gegen Nordwesten, wo sie an Kelten und Rhätier stiessen, erst spät in voller Schärfe zu bestim- men sind. Jedenfalls liegt der Gedanke nicht fern, dass die Illy- rier, gleichwie sie weithin durch Italien ihre Wohnsitze. ausl)reite- ten, in der Vorzeit auch bis tief in später germanisches Land ge- wohnt haben mögen.

Strabo zählt in der That die Vindeliker jenseits der Alpen, sowie die Brenner (am Brenner) und Genaunen zu den Illyriern, in ersterer Beziehung übereinstimmend mitServius, dem Interpre- ten Vergil’s. Hr. Sepp (Beiträge zur Geschichte des bayerischen Überlandes. Augsb. 1854. Heft 4. S. 27) nimmt daher an, dass Veneter den Isonzo herauf durch das Pusterthal eingewandert seien und das hJachland bis zum Nordrande des Lacus Venetus, des Bodensees, eingenommen hätten. geht wahrscheinlich viel zu

weit, wenn er zur Stütze dieser Annahme auch die Erzählungen von den Venedigern und ihrem Bergbau heranzieht, denn sonst müssten Illyrier auch am Harz gewohnt haben. Aber es scheint mir nicht so einfach von der Hand zu weisen, wie Zeuss (S. 231) und Contzen (Die Wanderungen der Kelten. Leipzig 18G1. S. 57)

D Prichard stimmt ihm bei, dagegen hat neuerlich Hr. F ri ed r. M ü 1 1 er (Allgemeine Ethnographie. Wien 1873. S. 470) eine einzige thrak. -illyrische Familie aufgestellt, indem er anniinmt, dass beide Stämme so nahe verwandt waren, wie Slaven und Letten oder Germanen und Scandinavier sind.

vom 17 . Decernher 1877.

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es thun, dass überhaupt Illyrier bis in und über die Alpen vorge- drungen seien. Darüber werden erst die weiteren Untersuchungen entscheiden müssen.

Die spätem Geschicke der Illyrier mögen am besten mit den Worten von Zeuss wiedergegeben werden: „Der Stamm der Illy- rier ist in seinen nördlichen Besitzungen zu Grunde gegangen, hat sich aber in seinen südlichen Gebirgen selbst mit seiner Sprache erhalten. Die Pannonier sind unter den Stürmen der Völkerzüge verschwunden. Die nördlichen Anwohner der Küste sind schon frühe durch eindringende Kelten eingeschränkt oder von einander getrennt worden, die Veneter von den Istrern durch die Garnen, die Istrer von den Liburnen durch die Japoden. In der Folge ist der nordillyrische Küstenstrich an den neuangekommenen Stamm der Slawen verloren gegangen, welche ihn bis an den rhizonischen Busen (B. von Cattaro) besetzten. Von da aber wohnt noch nach den Slawen ein besonderer Stamm mit eigener Sprache, südwärts noch weit über die Grenzen des alten Illyriens hinaus, über Epirus und die nordöstlichen hellenischen Länder, Thessalien, Aetolien, Boeotien, Attica und die benachbarten Inseln (Andres, Salamis, Poros, Hydra, Spezzia) verbreitet, die Albaner, Albanesen, die Nachkommen der Illyrier, welche im Norden eingeschränkt, sich im Süden ausgebreitet haben.“

Die Einwanderungen nach Süden begannen nach Laeke im 11., und werden massenhafter seit dem 14. Jahrhundert. Seit dem 15. Jahrhundert siedelten viele nach Apulien, Calabrien und selbst nach Sicilien über. Das Andringen der Türken, welche 1468 das Land eroberten, war die hauptsächliche Ursache. Alles in Allem schätzt man gegenwärtig ihre Gesammtzahl auf etwa L} Millionen, wovon 200,000 auf das Königreich Hellas, 86,000 100,000 auf das frühere Königreich Neapel fallen (L. D i efen bach , Die Volks- Stämme der europäischen Türkei. Frankfurt a. M. 1877. S. 24, 26, 97).

Immerhin bleibt ihre eigentliche Heimath das Land Albanien, dessen Namen schon in dem von Ptolemaeos erv\ähnten Volk der Albaner und der Stadt Albanopolis in Südillyrien erscheint.^) Hier

*) Hr. Fligier (Zur prähistorischen Ethnologie der Balkanhalbinsel. Wien 1877. S. 4.) sucht zu beweisen, dass auch Alba longa in Latium illyri- fechen Ursprungs war.

77? Sit^vng der phg$ikaU*ch-r»athemati$f}ien Kla^ne

nahmen sie gegenwärtig die KG«te vom Golf von Drino bis zur Bucht Ton Arta ein. Sie spalten «ich in eine Reihe von Stämmen und Stämmchen. unter denen die auch sprachlich getrennten Ge- gen oder Ngeghe io Nord- and die Tosken in Süd-Albaoien and in Epiru* besonders hervortreten. An die Gegen, in deren Gebiet Skntarü das schon von Livin« erwähnte Scodra liegt, und zu de- nen die bekannten Mirditen gehören, stossen als letzter slaviscber Volksstamm die Montenegriner, Südlich, in Epirus. treffen wir die 20 dem Stamme der Tschamideo oder Tschumis gerechneten Su- lioten.

Nimmt man an. dass die «ämmtlichen arischen Stämme, zu denen nach ihrer körperlichen Erscheinung and ihrer Sprache die llljrier allgemein gerechnet werden, vom Osten her eingewandert sind, so spricht Vieles dafür, dass sie die eigentliche Vorhut des langen Einwanderungsstromes gebildet haben. Wenigstens kennen wir vor ihnen kein anderes arisches Volk. Durch die Thraker ge- drängt, scheinen sie zum Tbeil nach Italien und Pannonien ausge- wichen zu sein. Später, als der gewaltige Andrang der Kelten und noch später der der Slaven von Norden her sie weiter nach Sü- den warf, mögen Epirus und die griechischen Provinzen ihre Emi- granten anfgenommen haben, bis endlich die türkische Eroberung einen neuen Strom der .\uswanderung nach Italien verursachte, dies- mal jedoch nicht am das adriatische .Meer herum, sondern gerades- weges zu den südlichen .\bschnitten der Ost-Kü«te. Nur io dem Berglaode .\lbanieos hielten sie sich bis beute und hier werden wir auch zunächst versuehen müssen, ihre Merkmale festzustellen.

Von ihren physischen Eigenthümlichkeiten weiss man wenig. Hr, Lorenz Diefenbach fasst das Bekannte (a. a. O. S. 29) dabin zusammen: .Blondhaarige und blauäugige kommen besonders in den südlichen Gebirgen vor, seltener in Hellas, als in .\lbanien; nach Norden nimmt die belle Complexion ab, im Gegensätze zu andern Völkern. HäuGg ist der Schädel über den Schläfen aus- gebancht. Wir vernahmen auch von .\dlemasen und schlankem, so- gar hagerem Wachse. Prichard fResearches into the physical his- tory of mankind. London 1S41. Ed. 3. Vol. III. p. 505). der sich hauptsächlich auf die Berichte von Pouqueville und des Ritters von Xylander stützt, führt nach dem letzteren an, dass einige Stämme durch ihr helles oder flacbsiges Haar und blaue .\ugen ausge- zeichnet seien, und nach dem erstereo, dass sie selten höher als

vom 17. Decemher 1877.

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ü Fuss 9 Zoll und sehr kräfrig und muskulös seien. Ihr Gesicht sei oval, die Farbe der Wangen frisch, der Mund wohl proportionirt, die Zähne schön, der Hals lang und dünn, die Brust breit, die Beine schlank mit sehr kleiner Wade. Die Frauen seien kräfrig, mit festen Muskeln und grosser Elasticität ausgestattet, und sie bewahrten die Frische der Jugend weit länger, als die Griechinnen. Ich kann hin- zufügen, dass nach Mittheilungen des Professor Schmidt in Athen die Albanesen im Königreich Holland häufig blond und blauäugig sind.

Der kürzlich verstorbene deutsche Consul in Ragusa, Freiherr von Lichtenberg schrieb mir darüber im Jahre 1873 Folgendes: -In Bosnien, der Herzegovina und Montenegro gehören blauäugige Individuen zu den wahren Seltenheiten, blonde kommen auch wenige vor und in keiner Gemeinde oder Kahia (Distrikt) tritt dies auch nur annähernd auffallend hervor. Überall bei der christlichen Bevölke- rung der ausgeprägte serbo-slavische Typus, überwiegend selbst bei der mohamedanischen, die ja nur aus Renegaten besteht. Die dort bei der türkischen Invasion mit Ländereien belehnten Spahi's ver- kauften gar bald ihr Besitzthum an den, grösstentheils zum Islam übergetretenen Feudal-Adel und kehrten in ihre sonnigere Heimath zurück.

-In Ober-Albanien, dem Eyalet von Scutari, bei den unabhän- gigen christlichen Gebirgsstämmen, den Malissoren und Miriditen, tritt ein auffallender Lnterschied von dem slavischen, aber nicht ein dem hellenischen ähnelnder Typus hervor. Jedoch auch hier, wie in allen vorgenannten Ländern, dunkle Augen und brünette Gesichtsfarbe.

-In Unter-Albanien, dem Vylaiet von Janina, tritt schon die Vermischung mit hellenischem Blute hervor, welches nur in dem Distrikte von Zagoria eine Ausnahme findet. Hier sind blaue Augen und blondes Haar häufig, weder slavischer noch hellenischer Typus besonders hervortretend".

Alle diese Mittheilungen stimmen darin überein, dass die süd- licheren Albanesen, sowohl die epirotischen, als die jetzt helleni- schen, heller, die nördlichen, also die eigentlich illyrischen, von dunk- lerer Complexion sind.

Von der Schädelform wusste man bis jetzt fast nichts. Retz ins (Ethnologische Schriften. Leipz. 1864. S. 139) zählt die Albanesen,

I

die er, wie v. Hahn, mit den alten Pelasgem identificirt, zu den [1877]

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Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

ortliogiuitlieii HrachycepliaU*n , ohne jedoch etwas darüber anzu- geben, wie er zu dieser Ansicht gekommen ist. Wäre sie richtig, so würden sich die Albanesen und vielleicht die Illyrier überhaupt unmittelbar an die Ligurer anschliessen, deren Stellung in der Reihe der arischen Völker dadurch eine viel mehr gesicherte würde. Zugleich Hesse sich vielleicht, ohne dass man auf slavisches Hliit zurückzugehen brauchte, das Vorkommen blonder Rrachycephalen in Griechenland dadurch erklären. Leider fehlte es bisher in den europäischen Museen fast ganz an illyrischen Schädeln. Die ein- zigen, die mir meiner Erinnerung noch vorgekommen sind, sah ich in der Sammlung des Ilrn. Kopernicki in Krakau.

L^m so angenehmer überrascht war ich daher, als mir vor wenigen Tagen ein solcher Schädel unmittelbar vom Kriegsschau- plätze durch den mir gänzlich unbekannten Correspomlenfen der Times in Montenegro, Ilrn. W. J. Stillman, zuging. Der den- selben begleitende Brief lautet folgendermaassen:

Cettinje, Montenegro Nov. 21*'- 77.

My dear Sir,

In my recent travels in Montenegro I passed through ihe Scene of a battle in which the -Mbanian auxiliaries of the 'rurks had been defeated leaving :ibout a thousand dead on the tield. In narrating the Story of the light to me, the coiumauder of the Montenegrins told me of one of the .\lbanians, a Bariaktar, who in these tribes is not merely a Standard bearer, but a chief and hereditary Commander, who had kilied four Montenegrins and wounded a fith before being put hors du combat after being wounded and abandoned by bis followers. Ilis bones were alone in the place where he met bis death and as I know that Albanian eraniology is a subject of some interest and good examples are not common, I believo, I take the liberty of sending it on fo you, as the person whose craniological knowledge is most likely to make use of it. Unfortunately most of the teeth cropped out in bringing it to me.

Yours respectfully W. J. Stillman Times Correspondant with the Montenegrin army.

vom 17. Decemher 1877.

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Die Daten sind so bestimmt, wie möglich^), und allem An- scheine nach liegt ein durchaus klassisches Specimen vor. Ich gebe daher zunächst eine genauere Beschreibung desselben:

Der Schädel trägt zwei starke Verletzungen an sich, welche offenbar während des Lebens beigebracht sind (vgl. Taf. I. Fig. 1, 2, 4). Die eine, kleinere liegt dicht über dem rechten Stirnhöcker am Vorderkopf. Es ist eine scharfe, aber oberflächliche, quere Hiebwunde mit Absplitterung eines kleinen Stückes der äusseren Knochentafel von dem linken Ende der Wunde aus; um dieselbe, namentlich um den hinteren oberen Rand derselben zieht sich ein breiter Hof von etwas missfarbigem, hie und da leicht porotischem Aussehen, zum Zeichen, dass hier schon reactive Vorgänge Platz gegriffen hatten. Dieser Hieb muss also schon in einem früheren Treffen gefallen, aber der Art gewesen sein, dass er den Mann nicht dauernd kampfunfähig machte.

Ein zweiter, viel gewaltigerer Hieb hat von der rechten Seite her die Mitte der unteren Stirngegend, namentlich den Stirnnasen- wulst getroffen. In fast senkrechter und zwar frontaler Richtung ist der Knochen ganz glatt abgeschlagen, so dass die sehr grossen Stirnhöhlen weit offen stehen und die vordere Wand des Nasen- fortsatzes bis zur Stirnnasennaht fehlt. Gegen die rechte Orbita greift der Hieb weiter nach hinten ein, so dass über der Nase noch ein kleiner Theil des Nasenfortsatzes stehen geblieben ist. Soweit sich ersehen lässt, sind die inneren Knochentheile unver- sehrt, und man kann daher auch diesen Hieb, der sicherlich dem letzten Kampfe angehört, nicht als einen tödtlichen bezeichnen.

Die Zähne sind sehr defekt; es finden sich nur noch 4 im Ober-, 2 im Unterkiefer. Wie Hr. Still man bemerkt, sind sie

') Nachträglich hat mir Hr. Stil Im an auf meine Anfiage noch mit- getheilt, dass der Bariaktar der erbliche Standartenträger und in den kleinen Stämmen der Häuptling des Stammes, der höchste Edelmann der Rasse (the highest noble of the race) sei. Er ist daher der Meinung, dass das Blut eines solchen Mannes das reinste von allen in dem Volke sei, zumal da sie nicht die Gewohnheiten der Türken angenommen hätten, sich mit Sklaven und anderen Rassen zu vermischen. Der Name komme von Bariak, das Banner. Der Getüdtete sei aus dem nördlichen oder christlichen Albanien, der Ab- stammung nach ein Mirdite gewesen.

5G

77G

Sitzung der ‘phyaikalisch-mathematischen Klasse

auf dem Transpoi’t verloren gegangen. Ob bei dieser Gelegenheit auch ein Bruch, der die vorderen und in noch grösserer Aus- dehnung die hinteren Wände der Schneidezalin -Alveolen, besonders rechts, betroffen hat, eingetreten oder oh auch dieser Bruch als eine hei Lebzeiten erlittene Verletzung anzusehen ist, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist die Mehrzahl der noch vor- handenen Zähne wenig ahgeschliff'en ; die Kronen sind noch mit ihren einzelnen Vorsprüngen versehen, und man kann daher schliessen, dass der Mann sich in einem noch jüngeren Lebens- alter befunden hat. Nur der erste Prämolare rechts ist bis auf die Wurzel abgenutzt und zeigt eine schräge, durchweg glatte Schliff- fläche, eine weit eröff’nete Markhöhle, auch eine mehr gelbliche Farbe, so dass man vermuthen darf, er sei durch anhaltende Rei- hung an einem harten Gegenstände, z. B. einer Pfeifenspitze, vor- zeitig verkleinert worden. Einige der Backzähne zeigen feine Löcherchen in der Mitte der Krone.

Auch der Habitus der Schädelknochen seihst entspricht den Verhältnissen eines jüngeren Mannes. Die Knochen sind derb, glatt, von gelblichem Aussehen, scheinbar sehr dick, jedenfalls sehr frisch. Indess haften nur an wenigen Theilen, zumal der Ba- sis, noch vertrocknete Reste der Weichtheile, namentlich der li- gamentösen Theile.

Der Schädel ist ungemein gross und entsprechend schwer. Seine Capacität beträgt 1G50 Cub. Centim, Die Hauptindices lau- ten folgendermaassen :

Breitenindex

91,5

Höhen index

75,9

Breitenhöhenindex

82,9

Ohrhöhenindex

70,3

Orbitalindex

79,2

Nasenindex

51,8

Gaumet)index

95,G

Es ist demnach ein ausgezeichneter Brachy cephal us von mitt- lerer Höhe und hoch mesorrhiner Nasenbildung. Die Kiefer- stellung ist orthognath.

Sein Horizontalumfang beträgt 540, der vertikale (^uerumfang 345, der Sagittalumfang 359 Mm. Es berechnet sich daraus für den vertikalen Querumfang G3,8, für den Sagittalumfang GG,4 auf lOü des Horizontalumfanges, ein höchst auffälliges V'^erhältniss,

vom 17. December 1877.

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insofern der Qnerumfang fast dem Sagittalunifang gleichkommt. In der Seitenansicht (Taf. I. Fig. 1) erscheint der Schädel weniger kurz und hoch, als er in Wirklichkeit ist, weil die verhältniss- mässig nicht hohe, wenngleich steile Stirn hinter den Tubera schnell zurückweicht und in eine lange, fast weibliche Scheitel- curve übergeht, welche sich ziemlich gleichmässig bis zu der Linie der Tubera parietalia fortsetzt. Von hier an fällt sie schnell ab, mit einem kleinen Absatz am Lambdawinkel. Ihre stärkste hin- tere Vorwölbung bildet sie an der ziemlich kurzen und steilen Oberschuppe; unterhalb der stark entwickelten Protuberantia ex- terna geht sie in die schräge Fläche der Unterschuppe über, seit- lich verdeckt durch die stärkere Vorwölbung der Cerebellar- gegenden.

Das Planum temporale ist glatt und hoch, erreicht die Schei- telhöcker und berührt fast in der Hälfte seiner Ausdehnung je- derseits den Schenkel der Lambdanaht. Die Abgrenzung der

oberen und unteren Schläfenlinien von einander ist nicht sehr deutlich; die Fläche des Planum im Ganzen ist gut gewölbt, nur an den unteren Abschnitten ist sie mehr platt und nach vorn ver- tieft. Trotz der Flöhe der Plana beträgt der Abstand der oberen Schläfenlinien von einander, über die Fläche gemessen, 150 Mm.

Die Schläfengegenden im engeren Sinne des Wortes sind sehr unregelmässig. Rechts ist die Ala sphenoidealis im unteren Abschnitte tief eingedrückt, und obwohl oben 29 Mm. breit, doch mehr auf Kosten der Nachbartheile entwickelt. Vorn greift sie weit in das Stirnbein ein, oben hat sie die Ausbildung des Angulus parietalis nach unten beeinträchtigt und diesen unter Verschiebung der Coronaria zum stärkeren Wachsthum nach vorn gezwungen. Die Sphenoparietalnaht hat eine Länge von 19 Mm, Die Sphenotemporalnaht ist ungewöhnlich steil; nur am oberen Ende zeigt sich ein kleiner (in der Zeichnung nicht ganz wieder- gegebener) Ansatz zu einem Processus frontalis squamae. Die Squama temporalis selbst ist kui'z und platt. Links findet sich ein grösserer Vorsprung an derv Schläfenschuppe, nehmlich ein dreieckiger, an der Basis 14 Mm. breiter, im Ganzen 7,5 Mm. weit in die Ala eingreifender Fortsatz, Die Sphenoparietalnaht misst hier nur 8 Mm. und der anstossende Theil der Coronaria ist syn- ostotißch. Trotzdem ist die Ala sphenoidealis 27 Mm. breit, aber sie liegt tief. Dagegen besteht eine compensatorische Vorwölbung

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Sitzung der physikalisch-motJiematiscJien Klasse

an dem gleichfalls kurzen Angulns parietalis und dem Schläfentheil des Stirnbeins. An dem oberen Tlieil der Ala einige ungewölmlich grosse Gefässlöcher.

In der Norma verticalis (Taf. I. Fig. 4) tritt die grosse Breite des Schädels voll in die Erscheinung. Zugleich bemerkt man die "rosse Kürze und eine nicht unbeträchtliclie Schiefheit des Schä-

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dels, der besonders rechts hinten etwas abgeplattet ist. Die Tu- bera frontalia sind sehr flach, die parietalia fast ganz verstrichen. Die grösste Breite liegt über der Ohrgegend an den unteren Seiten- theilen der Parietalia. In der Richtung der Stirnnaht an der Vorder- stirn eine schwache Crista frontalis. Sämmtliclie Nähte des Schädel- daches in ihren mittleren Theilen stark gezackt, so jedoch dass von den queren Nähten (Coronaria und Lambdoides) die Mitte jeder Seitenhälfte diese Zeichen stärkeren Wachsthums zeigt. Die parietalen Emissarien liegen ganz nahe an der Pfeilnaht, das rechte ein wenig mehr nach vorn, als das linke. An der Lambdanaht springt der obere Theil des linken Schenkels über das Parietale vor, während der untere vertieft ist; rechts ist die ganze Naht- gegend vertieft. Auch an der Pfeilnaht steht das linke Parietale höher, das rechte niedriger.

In der Hinteransicht (Fig- 3) sieht man die f^uercurvc unge- mein breit gerundet. Die Oberschuppe, welche, wie schon erwähnt, niedrig und platt ist, wird nach unten durch eine scharf abgesetzte Linea semicircularis suprema begrenzt. Der Zwischenraum zwi- schen letzterer und der Linea superior wird durch einen dicken, 15 Mm. breiten Querwulst eingenommen, der nur in der Mitte durch einen tiefen, unmittelbar über der Protuberantia externa ge- legenen Eindruck unterbrochen wird. Die Unterschuppe ist gross, mit einer scharfen Crista externa, sehr ausgeprägten Muskellinien und starken Cerebcllar-Wölbungen. Sehr grosse Emissaria ma- stoidea.

Die Norma basilaris (Fig. 5) lässt die Kürze des Hinter- hauptes und die Breite des Mittelhauptes recht deutlich hervor- treten. Das Foranicn occipitale im Ganzen etwas tief (hoch) lie- gend und verhältnissmässig klein trotz eines Index von 85,3; vorn ist es durch das starke ^’^orspringen der beiden auf der Fläche stark gebogenen Gelenkfortsätze eng und fast zuges[)itzt, hinten ist es durch eine starke Ausbiegung nach links sehr schief. Die Fossae condyloideae posteriores fehlen. An der inneren Fläche

vom 17. Decembev 1877.

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der Gelenkfortsätze jederseits eine tiefe dreieckige Grube mit der Spitze gegen die Mitte. Die Apophysis basilaris stark höckerig, nach vorn schmal. Warzenfortsätze verhältnissmässig klein, etwas schmal, mit tiefen und sehr breiten Incisuren. Sehr lange Griflfelfortsätze. Fliigelfortsätze hoch und ihr äusseres Blatt sehr weit. Grosse Ohrlöcher. Tiefe, sehr schräg gestellte Kiefer- gelenkgruhen.

In der Norma facialis (Fig. 2) erscheint das Gesicht gegen den breiten, mächtigen Schädel gracil und nicht hoch. Die Joch- bogen, obwohl hinten stark ausgebogen, liegen im Ganzen den Sei- tentheilen des Schädels nahe an; die Backenknochen treten wenig hervor. An dem Proc. frontalis ossis malaris jederseits eine starke, nach rückwärts vorspringende Tuberosität. Die Augenhöh- len sind mässig gross, mehr breit und etwas niedrig, daher beträgt der Index nur 79,2. Die Nase kurz und breit, daher ihr Index nahe an die Platyrrhinie reichend; der Rücken stark eingebogen und nach unten vortretend; beide Nasenbeine verletzt, das rechte mehr, als das linke, die Spina sehr kräftig. Das linke Nasenloch etwas tiefer und schmaler, als das rechte. Sehr scharfer vorderer Rand der Nasenöffnung. Fossae caninae mässig tief; jederseits über dem etwas platten und schiefen Foramen infraorbitale mehrere spitzige überhängende Knochenvorsprünge. Alveolarfortsatz niedrig, nicht unbeträchtlich vortretend. Gaumen sehr breit, mit einem Index von 95,6. Die Zahncurve nach hinten weit geöffnet.

Der Unterkiefer ist kräftig, aber doch nur von mässiger Stärke. Das Kinn tritt sehr stark, in fast progenaeischer Weise vor, bildet jedoch unten eine breite Basis mit eckigen Endpunkten und läuft ' nach oben in ein niedriges Dreieck aus. Das Mittelstück des Kie- fers ist ziemlich hoch, die Seitentheile, an denen freilich durch den Verlust von Backzähnen (während des Lebens) und Obliteration der Alveolen eine starke Verkleinerung stattgefunden hat, schwächer, die Äste ziemlich breit, der Kronenfortsatz weit nach vorn vorge- neigt und durch eine tiefe Incisur von dem steilen Gelenk-Fortsatz getrennt (Fig. 1). Die Kieferwinkel stark nach aussen vorge- bogen.

Die Eigenthümlichkeiten der Vorderansicht werden wohl am besten charakterisirt, wenn man die Querdurchmesscr vergleicht:

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Sitzung der phjsikaliech-mathemathischen Klasse

Unterer F r o n tal d u r c h m e s s e r

103 Mm.

Temporaldurchmesser

137

J ugaldurchmesser

140

Malardurchmesser

100

Kieferwinkeldistanz

106

Darin tritt die unge^YÖllnlicl)e Breite des Kopfes gegenüber dein Breitend iirchniesser des Gesiclits auf das dentlicliste hervor, ln den Tabellen ist ein noch ausgiebigeres Material der Vergleichung gegeben. Hier will ich nur noch darauf aufinerksain machen, dass die Vergleichung der vom Ohrloche aus gemessenen Radien der Schädelkapsel eine ganz hervorragende Entwickelung der Stirn- und Scheitelwölbung gegenüber der schwachen llinterhauptswöl- bung ergeben und dass der sehr kurze (horizontale) Durchmesser des Hinterhaupts (vom hinteren Rande des Hinterhauptsloches bis zur Hinterhauptswölbung) nur 57 Mm. = 31,8 pCt. der Gesammt- länge beträgt.

Meine früheren Bemühungen, ächt albanesische Schädel zu er- langen, waren nicht von Erfolg begleitet. Freiherr v. Lichtenberg, an den ich mich deshalb gewendet hatte, erklärte diese Aufgabe wegen der ängstlichen \Vachsamkeit der Einwohner für unlösbar. Dagegen schickte er mir mit folgendem Briefe d. d. Ragusa, 2U. Juli 1874, einige Schädel von einem benachbarten Platze.

„In der Hoffnung, Ihnen nicht lästig zu fallen, erlaube ich mir mit diesen Zeilen ein Kistchen mit 4 Schädeln, dem Resul- tat einer auf einem altserbischen Begräbnissplatze angestellten For- schung zu übersenden.

„Schon vor etlichen Jahren hatte ich im Vereine mit einem französischen Collegen bei Tupanski groblje in der Herzegovina einen ähnlichen Versuch unternommen, bei welchem aber we- nig fehlte, dass wir beide unseren Begräbnissplatz dort hätten angewiesen bekommen. Diesmal war die Sache weniger gefähr- lich.

„Auf einer Jagdpartie im verflossenen M'inter entdeckte ich zufällig in der Nähe der türkischen Landzunge von Kiek, auf dem Wege von Smerdan nach Slivno, ein altserbisches Leichenfeld, welches zu durchforschen ich nur auf eine günstige Gelegenheit wartete.

vom 17. Becember 1877.

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„Vor Kurzem habe ich nun in Gesellschaft von zwei österrei- chischen Seeoffizieren, welche auf dem in der Bucht von Kiek sta- tionirten Kanonenboote standen, mich an das Unternehmen gemacht und das mitfolgende Resultat erlangt.“

„Die von einem der Offiziere gemachte Zeichnung der Gräber liegt hier bei (Taf. II). Die Anzahl der letzteren beträgt ohnge- fähr 500; sie lassen sich in zwei Classen, wie Fig. 1 u. 2, theilen. Fig. 4 kömmt auf dem ganzen Platze nur zweimal vor. Traditio- nen knüpfen sich hier, wie an die meisten solcher, in der Herze- govina und Bosnien häufig vorkommenden Leichenfelder, keine an. Man hält sie für Gräber der alten Serben und jedenfalls gehören sie der Zeit vor der türkischen Invasion an. Die hier in Frage stehenden liegen, wie alle, weit entfernt von jeder Spur früherer Wohnplätze, auf einem sanft aufsteigenden, steinigen Bergabhange, bei 500' über dem Meere, und sind zum Theil mit schweren Stein- platten (Fig. 1), zum Theil nur (Fig. 2 u. 3) durch 1' hervorste- hende, unregelmässige, um das Grab gesetzte Steine markirt. Viele der schweren Platten tragen keine Marken oder nur sehr unkennt- liche; am häufigsten erscheint Fig. 5, 6, 7, 8 u. 9. Die bei Fig. 6 vorkommenden Zeichen («, 5, c) erscheinen besonders oft allein, aber auch vereint mit Wappen, wie in Fig. 5, 7, 8 u. 9. Die Fig. 4 ist, wie schon gesagt, nur zweimal, davon einmal ohne jedwede Verzierung vorhanden. Die in Fig. 10 u. 11a erscheinende Zeich- nung kömmt nur auf je einem Grabsteine vor, wobei noch beson- ders das in Fig. 115 ersichtlich gemachte, die Seitenflächen zie- rende Relief bemerkbar ist. Dieses Grab, dem unsere erste Nach- forschung galt, fanden wir leer. Es schien, aber vor sehr langer Zeit, s.chon einmal geöffnet worden zu sein.“

„Ausser diesem, öffneten wir noch 4 Gräber, zwei wie in Fig. 1 und zwei wie Fig. 2. Erstere enthielten circa unter der Deckplatte einen aus Steinplatten recht künstlich zusammen- gefügten Steinsarg von 1' Plöhe, 2' Breite und 6' Länge. In bei- den lag eiu Skelet mit über der Brust gekreuzten Armen, mit dem Kopfe gegen NW. Mit dem Schädel des Skelet’s ein Dreieck bildend, in der Plöhe der Schultern, lagen noch zwei Schädel; die dazu gehörigen Gebeine fänden sich in Unordnung am P'ussende. Nur in einem Grabe waren die Schädel so weit erhalten, dass sie des Mitpehmens werth erschienen: sie bilden, mit einem 4ten, in einem kleinen Grabe, P^ig. 2, gefundenen, die Sendung. Diese kleinen

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Sifzung der phgsikalisch-mathematischen Klasse

Gräber entliielten ebenfalls einen Steinsarg, der aber nur den Grös- senverbältnissen eines ausgewachsenen Mannes entsprach. Kinder- skelete fanden wir keine.“

Nach dein Mitgetbeilten kann kidn Zweifel darüber sein, dass es sich hier um christliche Gräber handelt, und schon dadurch wird es in hohem Maasse zweifelhaft, ob wir noch an die Mög- lichkeit denken dürfen, Überreste eines eigentlich illyrischen Stam- mes vor uns zu sehen. Auch die Lage der Kiek weist auf ein Gebiet hin, welches innerhalb der Grenze der slavischen Occupation gelogen ist. Die heraldischen Embleme könnten die Vermulhiing anregen, ob hier nicht italienische Grabstätten zu suchen seien, indess die Entfernung des Gräberfeldes von allen bewohnten Eiätzen, die Grösse desselben und schliesslich auch die Beschaffenheit der Schädel selbst scheinen eine solche Vermuthung auszuschliessen. Es mag daher richtig sein, dass es wirklich altserbische Grabstät- ten sind.

Leider war nicht näher bezeichnet, welches die 3 Schädel sind, welche zusammen in einem Gnibe gefunden wurden, und welches der eine Schädel, der in dem kleinen Grabe (Eig. 2) enthalten war. Indess spricht Manches dafür, dass der als No. II bezeichnete Schädel mit dem zuletzt erwähnten identisch ist. Es ist ein klei- nerer, offenbar weiblicher, er hat einen Unterkiefer und sein gan- zer Erhaltungszustand ist ein anderer, als der der 3 übrigen, von denen zwei sicher, der dritte wahrscheinlich jüngeren Männern angehört haben, alle jedoch ohne Unterkiefer und ziemlich gross sind. Der weibliche Schädel ist leicht, hellweisslichgelb und brü- chig; die männlichen dagegen sind sämmtlich braun, verhältniss- inässig schwer, sonst aber in ihrem Erhaltungszustand unter sich so weit verschieden, dass die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass sie nicht zu derselben Zeit in das Grab niedergelegt worden sind.

In Bezug auf die einzelnen Schädel beschränke ich mich auf w’enige beschreibende Angaben:

1) Der Schädel No. I ist ein noch jugendlicher, dessen Zähne noch gar nicht abgeschliffen, dessen Backzähne namentlich mit noch unversehrten Kronen versehen sind. Das Geschlecht ist schwer festzustellen. Die Formen sind im Allgemeinen zart, die Stirn niedrig und senkrecht, die Wülste gar nicht entwickelt. Trotzdem

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möchte ich glauben, dass er einem jüngeren Manne angehört habe. Seine Farbe ist sehr braun, seine Oberfläche vielfach von Larven- gängen durchsetzt und am Hinterhaupt abgeblättert. Er hat eine gute Capacität (1450 Cub. Cent.) und erscheint schon bei der ersten Betrachtung kurz und hoch, namentlich aber sehr breit. Sein Breiten- index beträgt 84,5, der Höhenindex 75,6, was einem Brachyce- phalus von mittlerer Höhe entspricht. Die Vorderstirn ist, wie gesagt, senkrecht, zugleich breit, mit voller Glabella und deut- lichen Höckern, aber ganz schwachem Stirnnasenwulst; die Hin- terstirn ist hoch und sehr breit (der Coronaldurchmesser beträgt, wie bei dem Albanesen, 128 Mm.). An den sehr breiten Parie- talia erscheint die Scheitelcurve vorn ganz flach, allein schon von der Mitte der Pfeilnaht an beginnt ein schräger Abfall nach hin- ten. Die stärkste Wölbung des Hinterhauptes liegt in der Mitte der Oberschuppe; trotzdem ist das Hinterhaupt im Ganzen kurz. Zugleich ist es durch eine Abplattung und SeitAvärtsschiebung der rechten Seite schief. Die horizontale Länge des Hinterhauptes be- trägt nur 28,4 pCt. der Gesammtlänge. Plana temporalia undeut- lich. Breite Ala sphenoidealis, besonders links; jederseits tempo- rale Fontaneliknochen, links ein dreieckiger, der an die Schlä- fenschuppe stösst, rechts an derselben Stelle 3 grössere, fast dach- ziegelförmig über einander greifende, so dass von der Spheno- parietalnaht nur eine 4 Mm. lange Strecke übrig bleibt. An der Sutura sphenozygomatica ein tiefer Eindruck mit vorspringender Knochenfalte, der sich noch etwas auf das Stirnbein fortsetzt. Au- guli parietales sehr kurz, Squamae temporales kurz und steil. Nähte des Schädeldaches wenig gezackt. Der Lambdawinkel ganz niedrig, fast in eine gerade Linie aufgelöst; in der Naht kleine Schaltknochen. Jederseits grosse Emissaria mastoidea. Das Foranien magnum occip. gross, mit dickem, wulstigem Rand. Am Gesicht, welches nie- drig erscheint, treten die hohen, nach oben und innen stärker aus- gezogenen Orbitae stark hervor. Die kräftige, aber schmale Nase tritt mit einem 26 Mm. langen, oben eingebogenen, unten ausgebo- genen Rücken weit vor. Da die Apertur niedrig ist, so kann die Nasenform aquilin gewesen sein. Der Index beträgt 51,6, ist also stark mesorrhin. Der Alveolarfortsatz ist niedrig und ortho- gnath. Der harte Gaumen kurz (Index 80,8); die Zahncurve fast hufeisenförmig.

Sitzung der jf^igsikalisch-mathemathcfien Klasse

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’2) No. II ist der schon erwähnte, deutlich weibliche Schädel mit Unterkiefer. Er ist sehr zierlich, leicht, im Ganzen von gelb- lich weisser Farbe, nur in der Mitte von einer kalkigen Schicht überzogen, hinten schwärzlichgrau, rauh, wie erodirt, offenbar durch längere Berührung mit Feuchtigkeit. Er ist etwas klein (1300 Cub. Cent.) und hat einen Breitenindex von 77,5 bei einem Höhenindex von 77,2, ist also ein mässig hoher Mesocephalus. In der Seitenansicht zeigt er eine mehr lauge und vorn flache Curve. Die Stirn ist ziemlich gerade, mit schwachen Tubera, einer An- deutung von Crista und ziemlich stark vortretenden, jedoch glatten und nicht scharf abgesetzten "Wülsten. "\'on der Mitte der Pfeil- naht an beginnt der Abfall der Curve, der langsam bis zum Lam- bdawinkel fortgeht. Hier bildet die stark gewölbte Oberschuppe einen kleinen Absatz. Die Plana temporalia erreichen die Tubera parietalia. Schläfeugegend tief und schmal; der untere Theil der Coronaria synostotisch, der Schläfenfortsatz des Stinibeins vorge- wölbt, die Sphenoparietalnaht ganz kurz (links 2 Mm), Ala kurz und stark eingebogen, .Squama temporalis platt. In der Norma verticalis erscheint der Schädel lang und schmal. Die oberen Nähte sind wegen der Veräudernngen der Oberfläche nnkenntlich; es lässt sich nicht erkennen, ob sie synostotisch waten. Das Hinterhaupt erscheint auch in der Unteransicht lang und voll, mit schwachen Muskellinien, aber starken Cerebellarwölbungen. Die horizontale Länge des Hinterhauptes beträgt 32,9 pCt. der Ge- sammtlänge. Das Foraraen magnum ist länglich (Index 82,8), mit stark vortretendem, fast dachförmig ausgezogenem hinterem Rande; vor dem vorderen Rande 2 etwa Johannisbeergrosse, rundlich-eckige Processus papilläres dicht neben einander. Platte Apophysis basilaris. Tiefe Kiefergelenkgruben. Das Gesicht ist mässig hoch und schmal. Orbitae mehr ins Breite gezogen (Index 73.8). Nase an der Wurzel breit, mit einer hohen Curve in den Nasenfortsaiz des Stirnbeins eingreifend, am Rücken flach gewölbt; der vordere Theil der Nasenbeine leider defekt. Apertur mässig breit, etwas schief, mit Pränasalgruben; Index 50, also mesorrhiner Typus. Sehr kurzer, leicht prognather Alveolarfortsatz. Tiefe Fossae caninae. Gaumen mehr länglich, mit fast parallelen Schenkeln der Zahncnrve; da jedoch fast alle Backzähne fehlen und ihre Alveo- len obliterirt sind, so ist die Form des Gaumens dadurch stark beeinflusst. Kräftiger, aber zierlicher Unterkiefer mit schwach

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prognathem Alveolarfortsatz, wenig schrägen Gelenkfortsätzen und spitzig vortretendem Kinn.

3) Der Schädel No. III ist offenbar männlich und nach der schwachen Abnutzung der Zähne auch noch jugendlich, wenngleich die sehr rauhe, vielfach angefressene Beschaffenheit der Oberfläche ihm eher ein ältliches Aussehen giebt. Er ist leider mehrfach ver- letzt, namentlich au der Basis occipitis. der linken Schläfenschuppe und der .Stirn. Er besitzt eine Capacität von 1425 Cub. C., einen Breitenindex von 83,5 und einen Hohenindex von 74.8. ist also gleichfalls ein Brachycephalus von mittlerer Höhe. Auch der äussere Eindruck ist der eines breiten und kurzen Schädels. Die Stirn ist hoch, etwas schräg, mit sehr starken Wülsten, hinter denen man durch ein Loch die ungemein weiten Stirnhöhlen sieht. Die Scheitelcurve fällt sehr schnell von der Tuberallinie an ab, dagegen ist die Oberschuppe des Hinterhauptes stark gewölbt. Hier sieht man jederseits in dem unteren Abschnitt der Schenkel der Lambdanaht ungewöhnlich grosse, namentlich lange Wormsche Knochen, die an der Stelle der hinteren .Seitenfontanellen an- fangen und sich, in einer Breite von 16 Mm., 48 Mm. weit in der Naht fortziehen. Rechts ist der Schaltknochen durch eine zackige Längsnaht noch wieder in 2, vor- und übereinander gelegene Hälften getheilt. Auch an der Spitze des sehr flachen Lambdawinkels ein Paar kleine Scbaltknochen (Os apicis bipartitum). Die dadurch be- dingte Breite des Hinterhauptes fällt um so mehr in die Augen, als die Scheitelhöcker nur schwach entwickelt sind. Plana tem- poralia undeutlich. An der Ala sphenoidealis jederseits ein grosser, dreieckig nach hinten angesetzter, temporaler Schaltknochen (25 Mm. lang, 12 hoch), der die Ala ganz von dem Angulus pa- rietalis trennt; nach vorn wird das Terhältniss wegen Synostose des unteren Abschnittes der Coronaria undeutlich. In der Basilar- ansicbt tritt die Breite des Kopfes und die Kürze des Hinter- hauptes recht deutlich hervor; die horizontale Länge des letzteren beträgt nur 24 pCt. von der Gesammtlänge. Das Foramen mag- num ist ungewöhnlich gross, namentlich lang; die Apophysis basi- laris sehr flach, breit und höckerig, mit einer Incisur jederseits. Das Gesicht rerhältnissmässig hoch, die Orbitae sogar sehr hoch (Index 91,1). Nase am Ansatz etwas breit, in den Nasenfortsatz des Stirnbeins eingreifend, mit eingebogenem, etwas flachem Rücken, leider im vorderen Theil defekt; Index 50, also mesorrhin. Alveolar-

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fortsatz niedrig, fast ortliognath. Gaumen mehr lang, Zalincurve wenig ausgeweitet. Das ganze Gesichtsskelet etwas nach rückwärts gestellt.

4) Auch der Schädel No. IV ist, nach der geringen Abnutzung der Zähne zu urtheilen, ein jugendlicher, sicher ein männlicher. Bei einer Capacität von 1410 Cub. Cent, besitzt er einen Breiten- index von 77j2 und einen Höhenindex von 72,4; er ist also ein niedriger Mesocephalus. Seine Färbung ist tief gelbbraun, die Knochen verhältnissmässig fest und glatt, nur hie und da posthume Erosion. In der Seitenansicht erscheint er lang: über den sehr

starken Stirnnasenwülsten beginnt mit einer tiefen Glabella eine schräge, fast fliehende Stirn mit schwachen Tubera. Der Abfall der Scheitelcurve fängt erst hinter der Tuberallinie an, geschieht dann aber sehr schnell. Stärkste Vorwölbung des Hinterhauptes an der Spitze der Oberschuppe. Verhältnissmässig einfache Nähte des Schädeldaches. Synostosis sagittalis posterior, coronaria inferior. Hohe, jedoch nicht deutlich abgegrenzte Plana temporalia. Sehr breite Alae sphenoideales mit hoch aufsteigenden Spitzen, platte Squamae temporales. Niedrige Hintorhauptsschuppe mit starker Linea semicircularis Superior und Protuberantia externa. Trotz der scheinbaren Länge des Kopfes beträgt die horizontale Länge des Hinterkopfes nur 22,7 pCt. der Gesammtlänge. Das Foramen magnum ist gross, rundoval, mit sehr dickem Rand und gros- sen, rechts getheilten Gelenkhockern; der vordere Rand springt scharf nach aussen vor. Apophysis basilaris etwas platt, höcke- rig. durch seitliche Einschnitte wie abgesetzt. Starke Griffel- und Flügelfortsätze. In der Vorderansicht erscheint das Gesicht niedrig, aber schmal, ebenso der obere Theil der Stirn. Die Orbitae hoch, mit stark vorspringendem Oberrand. Die Nase tritt stark vor und macht eher einen schmalen Eindruck; sie setzt hoch in den Nasenfortsatz des Stirnbeins ein, ihr Rücken ist nicht scharf und etwas eingebogen. Nach dem Index von 50,9 ist sie mesorrhin. Sehr tiefe Fossae caninae. Alveolarfort- satz kurz, etwas prognath. Gaumen mehr lang, Zalincurve gross und elliptisch.

Fassen wir die Ergebnisse dieser L’ntersuchung zusammen, so ergiebt sich für die 4 Schädel von dem alten Gräberfelde auf der Kiek im Mittel

vom 17. December 1877.

787

eine Capacität von 139G,5 Cub. Cnt. ein Brcitenindex 80,6,

ein Höhenindex 74,2,

ein Nasenindex 50,6.

Es sind danach massig grosse und massig hohe Brachy- cephalen mit mesorrhiner Bildung.

Ihnen gegenüber erscheint der Albanesenkopf durch seine Grösse (1650 Cub. Cent.) und seinen immensen Breitenindex (91,5) recht abweichend; man kann ihn in der That als einen hy p er- brach}'cephalen Kephalonen bezeichnen. Allein es lässt sich nicht leugnen, dass trotz dieser, möglicherweise individuellen Eigen- thümlichkeiten zahlreiche Züge von Verwandtschaft hervortreten. Dies ist noch mehr der Fall, wenn man den verhältnissmässig klei- nen, mesocephalen Weiberschädel (No. II) aus der Berechnung her- auslässt. Für die .3 Schädel von jungen Männern aus der Kiek erhält man im Mittel

eine Capacität von 1428,5, einen Breitenindex von 81,7.

Der Höhen- und der Nasenindex Averden durch das Ausscheiden des Weiberschädels nicht wesentlich geändert. Dagegen kommt das Vcrhältniss von Sagittal- und Horizontalnmfang ein recht wichtiges Maass bei den Männerschädeln der Kiek sehr nahe dem bei dem Albanesen: dort beträgt es 68,2, hier 66,4.

Die Schädel von der Kiek sind unter einander nicht so sehr verschieden, dass man notliAvendig auf fremde Mischung schliessen müsste. Auch der Weiberschädel, der ja auch aus anderen Grün- den am leichtesten als ein fremder angesehen Averden könnte, hat doch auch viele Züge, Avelche dagegen sprechen, seine ehemalige Trägerin selbst einem fremden Stamme zuzuschreiben; vielleicht Avar dies jedoch bei ihrer Mutter der Fall. Namentlich die Nasen- bildung stimmt so sehr mit derjenigen der Männerschädel, dass es scliAver Avird zu glauben, es sei das nicht die typische vStammes- nase. ObAvohl stark vortretend, ist sie doch mesorrhin. Und gerade in diesem Punkte steht der Albanese ganz in gleicher Linie.

Immei’hin zeigt die Schädelcapsel der Gerippe A'on der Kiek erhebliche Verschiedenheiten in Bezug auf das Verhältniss von Länge und Breite. Es sind nehmlich 2 Schädel (der Aveibliche No. II und 'der männliche No. IV) mesocephal, 2 dagegen brachycephal. Freilich ist cs eine hohe Mesocephalie, daher erhalten Avir im

788

Sitzung der phj/fdl'aliftch-molhematischen Klaftse

Mittel für alle 4 einen brachycephalen Index. Indess gegenüber dem byperbracbycepbalen Albanesen ist die Mesocepbalie der einen Hälfte der Klek-Scbädel nicht aus den Augen zu verlieren.

Sehr homogen erscheint die Kieker Gruppe in Betreff' des Breitenhöhen- und des Auricularhöhen-Index, und gerade hier fin- det sich ein scharfer Gegensatz zu dem Albanesen. Man könnte dies vielleicht erklären durch die kephalonische Ausbildung der Schädelkapsel, wodurch dieselbe weit über ihre Basis erhoben wor- den ist, und es wäre möglich, dass auch dies eine mehr indivi- duelle Abweichung ist. Dies mit dem vorliegenden Material zu entscheiden, ist unmöglich. Dagegen kann ich noch einige andere Vergleichungsobjekte beibringen, um die Stellung der Kieker Schä- del etwas genauer zu definiren.

Durch die freundliche Besorgung des Hrn. Dr. J. A. Kaz- naeic, Direktor des Civilhospitals in Ragusa, besitze ich 5 Schä- del aus 2 Leichenkellern dieser Stadt. In seinem Briefe vom 4. September 1873 schreibt er darüber:

„Die Schädel gehören der niederen Volksklasse an. Da man hier erst seit Kurzem die Leichen abgesondert in der Erde begräbt, so war es mir unmöglich, ihre individuelle Gehörigkeit mit Be- stimmtheit zu eruiren. Da sie jedoch ganz bestimmt einer Klasse angehören, in welcher der südslavische (serbokroatische) Stamm, mit sehr seltenen Ausnahmen von Verbindung mit anderen Stämmen, absolut überwiegt, und da der grösste Theil jener Schädel einer Zeit entstammt, wo die Communikation mit fremden Stämmen viel seltener als jetzt war, so kann man fast mit Sicherheit behaupten, dass die Schädel dem serbokroatischen Zweige der slavischen Stämme angehören.“

Betrachtet man diese Schädel im Einzelnen, so stellt sich Folgendes heraus:

1) No. I ist ein männlicher, grossei*, etwas plumper, ziemlich schmaler Schädel von gelbbrauner Farbe, sehr derbem Knochen- bau und stark entwickelten Sehnenansätzen. Sein Raum beträgt 14G5 Cub. Cent. Der Breitenindex ergiebt 80,7, der Ilöhenindex 78,5; er ist demnach hypsibrachycephal. Seine beträchtliche Höhe erklärt sich zum Theil durch eine ungewöhnliche Erheb ung der Gegend der vorderen Fontanelle. In der Seitenansicht erscheint er verhältnissraässig lang mit hochgewölbter Curve. Die Stirn ist fliehend, mit ausgeprägten Wülsten, aber schwachen Tu-

vom 17. Deeemher 1877.

789

bera. Die Curve steigt bis zur Kranznaht fortwährend an, fällt dann langsam, von der Tuberallinie an schneller ab, wölbt sich aber an der Oberscbuppe des Hinterhaupts so stark, dass die Pro- tuberantia schon weit nach vorn an ihrem untern Abschnitte Hegt. Das Planum temporale reicht bis an das Tuber par. und bis an das untere Ende der Lambdanaht. Die Alae sphenoideales an sich mässig breit, aber nach unten stark eingefaltet und nach oben in eine schmale Spitze ausgezogen, so dass die Sphenoparietalnaht rechts nur 8, links 7 Mm. misst. Am Schläfentheil des Stirnbeins rechts eine kleine, ganz flache Exostose. Anguli parietales sehr kurz. Squamae temporales kurz und platt. In der Norma verticalis erscheint der Schädel lang und voll, in der N. occipita- lis hoch gewölbt, leicht dachförmig, aber mit geraden Seiten. In der Lambdanaht ungewöhnlich grosse AVorm’sche Knochen: links erstreckt sich ein Zug derselben von der Spitze bis zur hin- teren Seitenfontanelle, und zwar so, dass der obere Theil dersel- ben durch 3 aneinander stossende, im Zusammenhang 60 Mm. lange, 80 Mm. breite Knochen gebildet wird; rechts ein ähnlicher Zug, der jedoch die Spitze nicht erreicht. Die Oberschuppe mässig gross, die Unterschuppe kurz, in der Mitte eingedrückt, sonst sehr höckerig. Das Hinterhaupt verhältnissmässig lang, 57 Mm. = 31,3 pCt. der Gesammtlänge. Das Foramen occipitale klein, läng- lich, mit ganz dickem, rauhem Rand und sehr stark vortretenden Gelenkhöckern. Sehr grosse Jugularlöcher. Grosse, dicke War- zenfortsätze. Tiefe, nach hinten weit ausgelegte Kiefergelenkgruben. Enge Ohrlöcher. Hohe Flügelfortsätze mit sehr weiter, links se- gelförmiger Lamina externa. Das Gesicht macht einen sehr finstern Eindruck, der durch die Stärke des Stirnnasenwulstes, den tiefen Ansatz der Nase und die niedrigen, eckigen Orbitae haupt- sächlich bestimmt wird. Die Nasenwurzel setzt sehr tief an und greift in den Nasenfortsatz des Stirnbeins ein. Die Nase selbst ist schmal; ihr Rücken ist scharf, springt sehr stark vor und ist nur wenig eingebogen. Apertur schmal und schief. Index 45,1, also leptorrhin. Enorme Spina nasalis. Eckige Backenknochen mit einem horizontalen Querwulst über den Körper und starker Tuberositas malaris. Sehr tiefe Fossae caninae. Ausgemacht pro- gnathe Kieferstellung, welche nicht blos alveolar ist. Der Zahn- fortsatz kurz, etwas schräg. Gaumenfläche breit. Zähne stark

[1877]

57

790 Sitztüifj der jdijf/tikaJinch-mothematischen Tvlasse

abgeschliffon ; rechts felilen die Backzähne und ihre Alveolen sind ohliterirt.

2) No. II, ein männlicher Schädel von ganz anderem Aus- sehen, wie die übrigen, nicht bloss in Bezug auf seinen Bau, son- dern auch in Bezug auf seinen Erhaltungszustand. Er sieht eigent- lich aus, wie ein älterer macerirter Schädel aus einer anatomischen Sammlung, weisslich grau, nach hinten schwach gelblich, übrigens sehr fest und glatt. Er ist von etwas geringerer Capacität (1380 Ccm.), übrigens keineswegs von kleinem Aussehen. Sein Breiten- index beträgt 71,7, der Ilöhenindex 72,5; es ist also ein Do- lichocephalus von geringer Höhe, der einzige in dieser ganzen Reihe. In der Seitenansicht erscheint er lang, mit der grössten Höhe 2 Fingerbreit hinter der Kranznaht. Die schräge Vorderstirn schmal, mit kräftigen Wülsten und schwachen Tubera, die Hinterstirn lang und ansteigend. Von der Tuberallinie der Scheitelbeine an beginnt der Abfall der Scheitelcurve. Das stark vorgewölbte Hinterhaupt ist von den Seiten her so sehr verengert, dass die Oberschuppe fast halbkuglig hervortritt. Von der Pro- tuberantia externa geht eine starke und scharfe horizontale Crista aus, unterhalb welcher die Facies muscularis ganz tief ansetzt. Massig hohe Plana temporalia. Alae sphenoideales breit. Synostose der seitlichen Theile der Coronaria, der Sut. sphenofrontalis und zum Theil der S. sphenoparietalis. In der Oberansicht stellt sich d^r Kopf ganz schmal \ind lang dar. Der hintere Theil der Pfeil- und der grössere Theil der Lambdanaht verwachsen. Jederseits in den Seitenschenkeln der Lambdanaht an der Stelle der Vorwöl- bung der Schuppe ein Schaltknochen, links ein besonders grosser, weit in das Parietale eingreifender. Die Hinteransicht zeigt eine schmale und hohe Curve. An der Basis sind alle Muskelansätze und Fortsätze ungemein gross, die Griffelfortsätze sehr lang und stark, die Flügelfortsätze hoch, aber sehr eng. Das Foramen mag- num mit ganz hohem Rand und Hachen Gelenkhöckern. Das Hin- terhaupt lang, 58 Mm. im horizontalen Durchmesser = 30,3 pCt. der Gesammtlänge. Dagegen ist das Verhältniss des Sagittalum- fanges zum Horizontalumfang = 72,9 : 100. Das Gesicht hoch; Index 80, 7. Auch die Orbitae höher, Index 78,0, etwas schräg nach aussen und unten verlängert. Sehr weite Thränenkanäle. Nase mässig vortretend; Nasenbeine sehr lang, 2G Mm., verhält- nissmässig breit und sehr gerade, fast wie bei gewissen sici-

vom 17. Decemher 1877 .

791

lianischen Schädeln, unten synostotisch, nach oben in den Xa- senfortsatz des Stirnbeins eingreifend; der Rücken nicht scharf, nach unten sogar etwas platt; Apertur niedrig, nach oben gerundet; In- dex 49,6, also mesorrhin. Starke Backenknochen mit Tubero- sitas malaris post, und starkem Vorsprung der Tuberositas maxil- laris. Tiefe Fossae caninae. Stark prognathe Kieferstellung mit langem, vorgeschobenem Alveolarfortsatz. Die Distanz des vorderen Alveolarrandes vom Hinterhauptsloch (110 Mm.) ist die grösste in der ganzen Reihe. Grosse, stark abgeschliffene Zähne. Sehr langer und tiefer Gaumen, dessen Breitenindex (6.3,1) der kleinste der ganzen Reihe ist. Auch die Zahncurve ist lang, vorn weiter, hinten enger.

3) Xo. III, vielleicht weiblich, obgleich einer der grösseren Schädel. Capacität 1470 Ccm. Breitenindex 80,4, Höhenindex 75, also ein Brachy cephal us von mittlerer Höhe. Es ist ein grosser, verhältnissmässig langer, aber zugleich sehr breiter (148 Mm.) Schädel; seine grösste Breite liegt an den Schläfen- schuppen, wie er denn auch eine sehr grosse Temporalbreite (131 Mm.) besitzt. In der Seitenansicht zeigt er eine lange Gurve mit einem schwachen Eindruck hinter der Coronaria. Etwas schräge Stirn mit schwachen Tubera und Orbitalwülsten, aber voller Gla- bella, kräftigem Xasenwulst und glatten Orbitalrändern; lange Hin- terstirn. Von der Tuberallinie der Scheitelbeine beginnt der Ab- fall. Die Oberschuppe tritt mit grosser Wölbung hervor. Die Plana temporalia reichen bis an die Tubera und die unteren Theile der Lambdanaht. Am Stirnbein au der Stelle der Linea semicir- cularis eine starke Criste mit tiefem Absatz der Schläfe: so-

wohl der Schläfentheil des Stirnbeins, als die Ala sphenoidealis sind tief eingedrückt und die ganze Fläche ist auffällig hüglig und uneben. Synostosis der betreffenden Abschnitte der Coronaria, der Sphenofrontal- und Sphenoparietal-Xaht. Schläfenschuppen gewölbt. In der Oberansicht erscheint der Kopf lang und fast schmal ; die Xähte wenig gezackt. In der Hinteransicht ist der Schädel hoch und mehr schmal; der Lambdawinkel niedrig, die Linea semicircularis Superior fast dachförmig über die tief abge- setzte Facies muscularis vorragend. An der Basis liegt das Fo- ramen magnum hoch (tief), die Gelenkhöcker sind etwas abgeplat- tet, das Loch selbst länglich. Die horizontale Länge des Hinter- haupts 48 Mm. = 26 pCt. der Gasammtlänge. Sehr grosse War-

57

792

Sitzung der i>hysikaUsch-mathematischen Klasse

zen- und Griffelfortsätze, sehr enge Fliigelfortsütze. In der Vor- deransicht ziemlich volle Stirn. Sehr hohe Orbitae (Index 90,2), nach oben und innen ausgezogen, mit gerundetem Oberrand. Nase ganz schmal, hoch einsetzend, mit zuerst stark ein-, dann etwas ausgebogenem Rücken, am unteren Theil synostotisch und zurück- gebogen; holie und schmale Apertur. Index 44, also leptorrhin. Schwache Backenknochen. Volle Fossae caninae. Massig grosser, wenig vortretender Alveolartbrtsatz. Gaumen sehr kurz (Index 102,5). Zahncurve weit, parabolisch.

4) No. IV, ein weiblicher Schädel, leicht, klein, kurz, breit und hoch, von gelblicher Farbe, mit noch jugendlichen, wenig ab- genutzten Backzähnen, jedoch starker Abschleifung der Schneide- zähne. Capacität 1310 Ccm. Breitenindex 82,3, Höhenindex 74,7, also massig hoher Brachycephalus. In der Seiten- ansicht sieht man die Stirn gerade und hoch, mit schwachen V’ül- sten, die Scheitelcurve Hach gewölbt bis zu der Tuberallinie. Dar- auf folgt ein schneller Abfall und ein in grosser Wölbung ausge- legtes Hinterhaupt. Schwache Plana: Synostosis coronaria inferior mit tiefem Eindruck. Die Begrenzungslinien der Plana dick, wul- stig, besonders rechts, wo sich an der Stelle des Tuber parietale Hache, aber breite, verästelte (Gefäss?) Rinnen über die atrophi- sche OberHäche verästeln. An den oberen Nähten des Schädel- daches (Coronaria, Sagittalis, Lambdoides) beginnende Verwach- sung. In der Hinteransicht sieht man die grösste Breite im hin- tern Drittel des Schädels; das Hinterhaupt hoch, die Oberschuppe voll, die Protuberantia schwach. In der Unteransicht das Hinter- haupt kurz und voll, 49 Mm. = 28,8 pCt. der Gesammtlänge. Die Basis liegt tief (hoch). Das Foramen magnum sehr klein, länglich rund, (Index 80), mit höckerigem Rand und Gruben an der in- neren Fläche der Gelenkhöcker. Am vorderen Rande eine klei- ne, mediane, gegen das Loch rückwärts gerichtete Knochenspitze. Starkes Tuberculum pharyngeum; tiefe seitliche Einschnitte am hin- teren Theile der Apophysis basilaris. Starke Warzen- und Griftelfort- sätze, hohe und enge Flügelfortsätze, am rechten ein etwas unvollstän- diges Foramen Civinini. In der Vorderansicht hohe und volle Stirn, niedriges Gesicht, wenig vortretende Backenknochen mit Tu- berositas malaris posterior. Grosse, breite, mässig hohe Orbitae: Index 7G,7. Nase niedrig, aber stark vorspringend, hoch eingesetzt, schmal, mit langem, schwach ein- und dann ausgebogenem Rücken;

vom 17. December 1877.

793

hohe, schmale und schiefe Apertur. Index 46,1, also leptorrhin. Starke Spina nasalis. Fossae caninae etwas voll. Alveolarfort- satz ganz kurz, schwach prognath. Schöne Zähne. Zahncurve elliptisch. Gaumen lang, Index 80.

4) No. V, vielleicht weiblich, leicht, von bräunlicher Farbe, mit einem grossen grünen (Kupfer- oder Bronze-) Fleck vor dem linken Tuber parietale. Es ist der kleinste Schädel von allen, mit einer Capacität von nur 1210 Ccm. Breitenindex 79,3, Höhenindex 78,4, also ein Hypsimesocephalus, freilich der Brachycephalie (im deutschen Sinne) recht nahe stehend. In der Norma temporalis erscheint der Schädel etwas kurz und unregel- mässig, hinten hoch, vorn niedrig. Die grösste Scheitelhöhe liegt an der Tuberallinie, dann folgt ein fast gerader Abfall nach hin- ten. Stirn schräg, mit deutlichen Tubera und kräftigen Wülsten. Hinter der Coronaria eine kleine Einbiegung der Curve. Hohe Plana, welche die Tubera parietalia erreichen, vor denselben aber noch höher hinaufti-eten. Alae sphenoideales breit, aber rechts Synostose der Sphenofrontal- und Sphenoparietal-, sowie beider- seits der Coronaria in ihren unteren Abschnitten. In der Hinter- ansicht erscheint der Kopf hoch, unten breit und gerundet. Ziem- lich hohe Oberschuppe, kräftige Protuberanz mit tiefem Eindruck darüber. Kurze, sehr unebene Facies muscularis. Die horizontale Länge des Hinterhauptes beträgt nur 44 Mm. = 26,1 pCt. der Ge- sammtlänge. An der Basis sieht man ein sehr grosses, rundliches, schiefes Foramen magnum. Die gleichfalls schiefen Gelenkhöcker stehen vorn weit auseinander; hier zeigt sich zwischen ihnen ein schwacher Ansatz zu Processus papilläres. Apopbysis basi- laris sehr breit und platt. Sehr grosse Foramina jugularia. Nie- drige Flügelfortsätze. Flache Kiefergelenkgruben. Kleine Ohr- löcher. — In der Vorderansicht erscheint das Gesicht niedrig (Index 75,8), die Orbitae gross und hoch (Index 83,7). Lange, hoch eingesetzte, sehr vorspringende Nase mit schmalem, etwas eingebogenem Rücken und beginnender Synostose der Nasenbeine; hohe, fast dreieckige Apertur. Index 52, also mesorrhin. Grosse Spina nasalis. Fossae caninae wenig tief. Mässige Backenknochen mit Tuberositas malaris posterior. Sehr niedriger, wenig pro- gnather Alveolarfortsatz. Gaumen schmal, mit grossen Sclineide- zähne» ; die Zahncurve vorn voll und breit, hinten mit fast paralle-

794

Sitzung der phgsikalisch-mathematischen Klasse

len Schenkeln; rechts fehlen die Backzähne und ihre Alveolen sind geschwunden und obliterirt.

Nimmt man sämmtliche 5 Ragusaner Schädel zusammen, so erhält man folgende Mittelzahlen:

eine Capacität von 13G7,

einen Breitenindex von 78,8,

einen Höhenindex von 75,8,

einen Nasenindex von 47,3.

Daraus würde eine kleinere, mesocephale und mesorrhine Schädelform von mittlerer Höhe folgen, also eine noch wei- tere Abweichung von dem Albanesen. Allein unter den 5 Schädeln belindet sich ein d ol icho cep h a 1 er und auch sonst mehrfach ab- weichender. Lassen wir diesen aus der Rechnung, ziehen wir da- gegen das Geschlecht in Betracht, wobei freilich manche Unsicher- beit besteht, so erhalten wir folgendes Ergebniss:

Männer

Frauen

Gesammt

Capacität

1465

1330

1363,7

Breitenindex

80,7

80,6

80,6

Höhenindex

78,5

76,0

76,4

Nasenindex

45,1

47,3

46,8.

Sofort verwandelt sich das mesocephale Mittel für den Brei- tenindex in ein brachycephales, das mesorrhine Mittel in ein leptorrhines. Auch die Capacität des männlichen Ragu- saner Schädels erweist sich als eine ungleich grössere.

Wohin der erwähnte dolichocephale Schädel (No. II) zu stel- len ist, möchte ich nicht entscheiden. Jedenfalls bietet er so ab- weichende Eigenschaften dar, dass er unter der ganzen Summe der übrigen als eine Sondererscheinung dasteht. Die Synostosen, wel- che er darbietet, sind nicht geeignet, seine Eigenthümlichkeiten zu erklären und dieselben etwa als pathologische darzustellen. Gerade die Synostose der Pfeilnaht, welche am meisten in Betracht kom- men würde, ist so beschränkt und wahrscheinlich so spät begonnen, dass man ihr einen bestimmenden Einfluss auf die Schädelform nicht zuschreiben darf. Besonders auffällig ist die Combination einer sehr ausgesprochenen Dolichocephalie mit einer eben so aus- gesprochenen Mesorrhinie. Bis auf Weiteres muss ich daher an- nehmen, dass der Schädel einem Eremdling angehörte. Ich er- wähnte schon in der Beschreibung, dass namentlich die Nase sehr abweichend sei und dass sie mich an sicilianische Formen erinnere;

vom 17. Decemher 1877.

795

es geschah diess in Erinnerung an Schädel, die ich in den Samm- lungen zu Bologna und Dresden sah. Indess möchte ich durch diese Anführung ein Ürtheil über die Provenienz des Schädels nicht ausdrücken; am wenigsten möchte ich die Meinung vertheidi- gen, als sei etwa gerade diese sicilianische Form den alten Siculern illyrischer Abkunft zuzuschreiben und als illyrische Urform anzusehen. Vor einigen Jahren habe ich einen Schädel beschrieben, der in der Ge- gend der Cittadella von Selinunt auf Sicilien in einer Tiefe von 10 Me- tern ausgegraben war (Zeitschr. f. Ethnologie 1875. Bd.VII. Verhandl. der Berliner anthropol. Gesellsch. S. 54), und den ich als einen möglichen Siculer-Schädel bezeichnete. Derselbe hat einen Breiten- index von 84,8, einen wahrscheinlichen Höhenindex von 74,5 und einen Breitenhöhenindex von 87,9, Zahlen, welche nahezu den Indexzahlen des ersten und dritten Schädels von der Kiek ent- sprechen, sich aber weit von denen des Schädels No. II entfernen. Auch der Nasenindex des Schädels von Selinunt, 47,2 ist etwas kleiner, als der des Ragusaners, 49,6, steht aber doch schon auf der Grenze zur Leptorrhinie; der Orbitalindex, 87,0, ist dagegen nicht unbeträchtlich grösser, als bei dem Ragusaner, wo er nur 78,0 ergiebt.

Vergleicht man die 4 übrigbleibenden Ragusaner (No. I, III, IV, V) mit den Schädeln von der Kleck, so lässt sich keineswegs

sagen, dass beide Gruppen unter

einander

wesentlich überein-

stimmen. Allerdings sind beide

in Bezug auf

Brachycephalie und

Brach^'Staphylie ziemlich gleich.

sie

diflferiren

dafür aber in ande-

ren Stücken recht erheblich. 1

Eine

Vergleichung ergiebt Folgen-

des:

Kiek

Ragusa

Differenz

Breitenindex

80,6

80,6

0

Höhenindex

74,2

76,4

2 2

Breitenhöhenindex

92,0

95,0

3,0

A uricularh öhenindex

62,4

64,0

- 1,6

Obei'gesichtsindex

70,5

73,9

3,4

Orbitalindex

84,7

81,5

+ 3,2

Nasenindex

50,6

46,8

+ 3,8

Gaumenindex

87,4

87,8

- 0,4

(,1 uer u in tän gsi n dex

61,0

62,6

~ 1,6

Sagittalumfangsindex

69,4

71,1

- 1,7.

79G

Süzxing der physikaUsch-mathematisclien Klasse

Die grössten Differenzen betreffen den Längenliölien-, den Breiten- hohen-, den Obergesichts-, Orbital- und Nasenindex, also gerade die physiognoniisch wichtigsten Verhältnisse. Jin Allgemeinen drücken sie, gleich wie auch die übrigen Differenzen, die relativ- grössere Höhe der Schädelkapsel, die grössere Niedrigkeit und Breite von Augenhöhlen und Nase, sowie die geringere Gesichts- breite und relativ grössere Gesichtshöhe der Ragusaner aus. Man kann nicht sagen, dass dieser Vergleich zu Gunsten der letzteren aiisschlägt. Die Melirzahl der Ragusaner hat weniger anziehende, einzelne, wie No. I, haben geradezu hässliche und finstere Formen, was sich dadurch, dass sie nach der Aussage meines Gewälirs- mannes den niedersten Volksklassen angehörten, allein nicht ge- nügend erklärt. Die ungemein starke Rrominenz der tief ange- setzten Nase, die prognathe Kieferstellung, welche nicht bloss den Zahnfortsatz, sondern meist auch den ganzen Oberkiefer betriff’t, die gedrückte Form der Augenhöhlen, die fliehende Stirn, die star- ken Nasenwülste das Alles sind Zeichen einer ungünstigeren Anlage. Dazu kommt die Häufigkeit abnormer Wachsthumsver- hältnisse, namentlich der Synostosen und Schaltknochen an den Schläfen und am Hinterhaupte.

Bevor ich diese Erörterung abschliesse, möchte ich noch ein Paar S er ben - Schädel erwähnen, welche ich der gütigen Besor- gung des Hrn. I)r. Scheiber, früher in Bukarest, verdanke. Es sind regelmässig inacerirte Schädel von der anatomischen Anstalt des Krankenhauses in letztgenannter Stadt.

1) Stau Joan, 35 Jahre, „Breetzenbäcker“, von Negotina. Ein mässig leichter, nicht grosser, kurzer und hoher Schädel. Er hat nur 1355 Cub. Cent. Capacität. Breitenindex 79,3, Höhenindex 78,2, also ein Hy p si mesoce p h al us , freilich an der Grenze der Brachycephalie. In der Norma temporalis stellt sich die grösste Scheitelhöhe 3 Finger breit hinter der Coronaria dar. Die Stirn ist niedrig, sehr zurückweichend, mit schwachen Höckern, flacher Glabella, sehr mässigen Stirnnasenwülsten. Die Hinterstirn ist kurz und steigt noch etwas an, ebenso die Curve des Mittelkopfes bis zur Tuberallinie, von wo an ein sehr steiler Abfall erfolgt, der sich über die ganze Oberschuppe fortsetzt. Die stärkste Vorwöl- bung des Hinterhauptes befindet sich an der Protuberantia externa. Von da an verläuft die Curve der Unterschuppe schräg nach vorn zum Hinterhauptsloche, unter ganz schwacher Wölbung der Facies

vom 17. December 1877.

797

masciilaris. Plana temporalia an der Stirn auffällig niedrig; hinter der Kranznaht erheben sich die Grenzlinien plötzlich, laufen eine kui'ze Strecke an der Naht fort und erreichen sowohl die Scheitel- höcker, als die untere Hälfte der Lambdanaht. Synostosis coro- naria inferior auf beiden Seiten, beginnende Synostose der Sphe- noparietalnaht links. Alae temporales breit, mit zahlreichen grösse- ren Gefässlöchern, die sich auch noch höher in der Richtung des verwachsenen Stückes der Kranznaht finden. Platte, kurze, dünne, stellenweise durchscheinende Schläfenschuppen; rechts ein kleiner Schaltknochen in der Schuppennaht. In der Scheitelansicht sieht der Kopf breit oval,, etwas schief aus. Tubera j^arietalia kaum be- merkbar, Nähte des Schädeldaches durchweg kurz gezackt. Fora- mina parietalia unregelmässig: das rechte dicht an der hier ver- wachsenen Pfeilnaht und weiter nach vorn stehend, als das linke. Der Lambdawinkel sehr flach; die stärker gezackten Schenkel der Naht unter der Spitze seitlich in einen Winkel, dicht über dem Punkte, wo die Linea semicircularis tempor. superior die Naht er- reicht, ausspringend. Scpiama occipitalis breit und voll, Ober- schuppe gross, namentlich breit. Protuberanz deutlich, Linea semi- circularis superior stark ajusgeprägt, Facies muscularis kurz. Grosse Emissaria mastoidea, besonders links. In der Hinteransicht zeigt der Schädel eine breite Basis, ziemlich gerade Seitenflächen, und ein hohes, gegen die Sagittalgegend ansteigendes GeAvölbe. In der Unteransicht ist er kurz, hinten sehr breit und etwas schief; die horizontale Länge des Hinterhauptes beträgt 43 Mm. = 24 pCt. der Gesammtlänge. Foramen magnum klein, länglich, nach vorn und hinten zugespitzt, mit unregelmässig verdickten Rändern und sehr stark vortretenden, stark nach hinten gerichteten Gelenkhöckern. Foramina condyloidea posteriora et jugularia sehr weit. Warzen- fortsätze schwach, mit tiefer Incisur. Weite Kiefergelenkgruben, die namentlich nach rückwärts ausgedehnt sind; der Processus va- ginalis, namentlich rechts, zu einem ganz grossen Blatte ausgebil- det. Gehörlöcher platt, Gehörgänge sehr schief gestellt. Griffel- fortsätze lang, dagegen die Flügelfortsätze niedrig, stark nach vorn geneigt, aber mit fast fledermausflügelartiger Ausweitung und Ge- stalt der Lamina externa. Das Gesicht ist schmal und niedrig, Index des Obergesichts G8,9. Orbitae sehr niedrig und breit, nach unten und aussen ausgezogen, Index G5,5. Nase kräftig, stark vortretend, hoch eingesetzt, mit kurz gewölbtem, erst ein-, später

79^

Sitzung der phgsikaliich-iuatheiuatischen Klause

schwach ausgebogeiiem Rücken. Die Nasennaht weicht oben stark nach rechts ab, während sie unten synostotisch ist. Hohe, selir schmale und sehr schiefe Apertur. Index 43.6. höchst leptor- rhin. Fossae caninae ungleich, rechts im Anschluss an 2 ausge- fallene Backzähne sehr vertieft, link^ mehr voll; Foramina in- fraorbitalia klein und doppelt, jedoch links das Nebenloch sehr fein. Alveolarfortsatz kurz, stark prognath. Schneidezähne groT?s. stark abgeschlifFen, schief nach vorn gerichtet. Gaumen kurz und breit, mit Obliteration und Atrophie der hinteren Backzahn- Alveolen: Index 69,1. Zabncurve sehr weit auseinaudergehend. Auch am Unterkiefer ist der Zahnfortsatz wegen Verlustes der meisten Backzähne atrophisch. Das Kinn in Form eines Knob- bels vortretend. Der mediane Theil in der Mitte stark eingebogen, dagegen der Alveolarfortsatz etwas auswärts gekehrt, obwohl die Zähne mehr nach innen gerichtet sind und hinter die Oberzähne greifen. Schräge, aber schwache Gelenk fort -ätze, durch eine flaclie Incisur von den weit nach vorn geneigten Kronenfortsätzen ge- trennt.

2) Nicolai Costa, 70 Jahr alt, .Breefzenbäcker” von Bitulea. Ein kleiner, kurzer, etwas sonderbarer Kopf mit Sutura frontalis persistens, welche unten ganz oflfen. oben im Verstreichen ist. und ausgedehnten pathologischen Veränderungen an der rechten Seite des Unterkiefers und den aiistossenden Schläfentheilen. .\m Kiefer- winkel au-'gedehnte Caries peripherica, an den Ästen Osteophyte, der Jochbogen in der Mitte z‘*rstört, die -\!a sphenoidealis ver- dickt, oben mit einem kleinen Loche, mit dem Stirnbein und zum Theil mit dem Scheitelbein verwachsen. Die Kiefer sind grossentheils zahnlos und atrophi.sch; nur die Schneidezahn- .\lveolen sind noch erhalten, jedoch sind auch hier die Wandungen wie wurmstichig. Die Capacität beträgt nur 1160 Cub. Cent., ein fast microce- phales -Maas«. Breitenindex 79,7, Höhenindex 73,9, also ein nie- driger Mesocephalus. ebenfalls hart an der Grenze der Brachy- cephalie. Die schräg liegende niedrige Stirn hat ganz schwache Wülste und Tubera und eine wenig vertiefte Glabella. Die Schei- telcurve ist hoch, Schon an der Hinterstirn ansteigend; vor der Tuberallinie beginnt ein schneller .Vbfall, unterbrochen durch eine Vertiefung an dem hinteren .Abschnitte der Ffeilnabt und der Lambdaäpitze. Dann folgt eine stark vorgewölbte (Iberschuppe, an deren unterer Grenze eine nach unten widerhakenförmig aus-

vom 17. Decemher 1877.

799

gezogene, dreieckige Protuberanz sitzt. Facies nuiscularis gross, in der Mitte vertieft, an den Seiten durch starke Cerebellar -Wöl- bungen vorgetrieben. Plana temporalia hoch, aber schlecht begrenzt; sie überschreiten die Tubera parietalia und erreichen die Lambda- naht 30 Mm. unterhalb der Spitze. Synostosis coronaria inferior duplex. Sehr kurze, aber hohe Ala, kurze und niedrige Squama temporalis. An der Sutura squamosa und im Angulus mastoideus kleine Nahtknochen. In der Oberansicht erscheint der Schädel vorn voll und breit, am Hinterhaupt etwas verjüngt, im Ganzen laug oval. Nähte zackig, jedoch der hintere Theil der Pfeil- und der obere der Lambdanaht partiell synostotisch. In der Hinter- ansicht sieht man den Kopf an der Basis mässig breit, die Seiten schräg, die obere Gegend dachtormig, die Sagittalgegend erhoben und durch eine schwache Senke von den Seitentheilen abgesetzt. Tubera parietalia schwach. Squama occipitalis niedrig, mit ganz flachem Lambdawinkel und kurzer Oberschuppe. An die schon er- wähnte kräftige Protuberanz schliesst sich eine hohe Linea semic. Superior. Grosse Facies muscularis mit deutlichen Cerebellarwöl- bungen. Die Norma basilaris zeigt ein mässig kurzes, volles Hinter- haupt; der horizontale Abstand der ^Yölbnng von dem Hinterhaupts- loche beträgt 41 Mm. = 23,7 pCt. der Gesammtlänge. Foramen magnum weit, namentlich lang und etwas schief, mit umgelegtem, auch vorn stark vorgeschobenem Rande und weit vortretenden, sehr stark gebogenen, schief gestellten Gelenkhöckern. Apophysis basi- laris schmal. Foraraina jugularia sehr weit. Warzenfortsätze sehr klein, mit breiter Incisur. Kiefergelenkgruben klein. Gehörlöcher ganz eng. Steile Flügelfortsätze. In der Vorderansicht sieht man die im Ganzen niedrige Vorderstirn durch eine starke Erhe- bung der Mitte der Hinterstirn überragt und die Seiten des oberen Theils schwach dachförmig. Gesicht schmal und niedrig. Orbitae hoch, Index 78. Die schmale Nase tritt weit vor; die Nasofrontal- naht convex und hoch in den Nasenfortsatz des Stirnbeins einge- setzt; der Rücken lang, fast gerade, ganz schwach ein- und später wieder ausgebogen; die Apertur schief, hoch und sehr schmal. In- dex 44,7, stark leptorrhin. Fossae caninae tief. Alveolarfort- satz niedrig, leicht prognath. Unterkiefer zart, Gelenkfortsätze Sehr schräg, Kronenfortsätze weit nach vorn vorgeschoben und sehr zart. Das Kinn gerundet und weit vorgestreckt. Die Mitte des

800

Sitzung der phgsikaUsch-ma thematischen Klasse

Vorderstückes eingebogen, Zahnrand ganz wenig nach aussen ge- wendet. Foramina nientalia ungemein gross.

In der Tabelle II habe ich die Mittel der beiden Serben-Schädel berechnet, indess lege ich auf diese Mittel wenig W'erth, da, abgese- hen von der kleinen Zahl der Schädel, der fast microcephale Charakter des Greisenkopfes begreiflicherweise grosse Bedenken in Bezug auf seine Verwendbarkeit für die Aufstellung von Mittelzahlen erregt. Immerhin ist auch dieser Schädel nicht ohne Werth, da er in den meisten Punkten dem andern nahe steht und insofern für die Fixi- rung der typischen Eigenschaften brauchbar ist. Sowohl das Ge- sicht, vornehmlich die Nase und die Kiefer, als auch die Schädel- capsel sind bei beiden auf ähnliche Weise gebildet.

Von den Ragusaner Schädeln unterscheiden sie sich am mei- sten durch die Schmalheit der niedrigen, aber stark vortretenden Nase, wodurch sie einen auffällig leptorrhinen Charakter er- langen. Ihr gemittelter Nasenindex beträgt 44,1, während die 4 Ra- gusaner 46,8 ergaben. Wenn man jedoch erwägt, dass unter den letz- teren nur einer (No. V) mit einem platyrrhinen Index (52) ist, alle anderen dagegen leptorrhine Indices (44,0, 45,1, 46) ergeben, so ist der Unterschied klein genug, und man wird die beiden Serbenschädel vielmehr als einen Beweis dafür betrachten dürfen, dass auch die Ragusaner als südslavische gelten können.

Ist dies aber der Fall, so lässt sich aus den 2 Serben und den 4 Ragusanern eine einzige Gruppe bilden, welche uns ein et- was zuverlässigeres Mittel der typischen Indices gewähren dürfte, als jede der beiden Abtheilungen für sich. Ich stelle unter A diese Gesammtgruppe, unter B die Schädel von der Kiek zu- sammen:

Indices

A

B

Differenz

Längenbreiten-

80,.3

80,6

-4-0,3

Längenhöhen-

76,4

74,2

0 9

Breitenhöhen-

95,2

92,0

-3,2

Auricular-

64,1

62,4

-1,7

Obergesichts-

74,1

70,5

3,6

Orbital-

78,3

84,7

-4-6,4

Nasen-

45,9

50,6

-4-4,7

Gaumen-

87,7

87,4

—0,3

Querumfangs-

61,7

61,0

-0,7

Sagittalumfangs-

70,4

69,4

4-1,0

vom 17. Decemher 1877.

801

Für die moderne serbo-kroatische Gruppe (A) ergiebt sich danach eine leptorrhine Hypsibrachycephalie, und man kann kei- neswegs sagen, dass die als altserbisch angesprochenen Schädel von der Kiek (B) sich dem gleichen Typus fügen. Sowohl in Be- zug auf die Höhe, als namentlich in Bezug auf die Bildung der Augenhöhlen und der Nase bleiben nicht bloss die in der Zusam- menstellung der Ragusaner mit den Klek-Schädeln (S. 795) mitge- theilten Zahlen in Gültigkeit, sondern sie wex’den noch erhöht; ja, die Differenzen der Nasal-, Orbital- und Facial-Indices erreichen ein noch weit höheres Maass. Kann man die Verwandtschaft bei- der Gruppen nicht leugnen, so fehlt doch noch viel an ihrer Iden- tificirung.

Nicht ohne Interesse ist es, das Yerhältniss in der Ausbildung der einzelnen Abschnitte des Schädeldaches zu vergleichen. Frei- lich tritt hier eine grosse Fülle individueller Eigenthümlichkeiten in die Erscheinung, indess zeigt sich doch eine gewisse Gesetz- mässigkeit in den Zahlen. Ich gebe in Nachstehendem eine Über- sicht der sagittalen Längenumfangs-Maasse der einzelnen Abschnitte, auf 100 der Gesammt-Sagittalcurve berechnet:

802

Sitzung der phgftikalisch-tnathematiftcJten Klasse.

Schädel

Sagittalunifan Vorderh.'iupt Miitelhaupt

er

Hinterhaupt

Albanese

33,7

34,8

31,4

Kiek No. I.

35,0

31,6

33,3

. 11.

32,6

35,3

31,5

_ III.

36,0

32,1

31,8

_ IV.

35,4

32,4

32,1

Mittel

34,7

32,8

32,1

Ragusa No. I.

31,2

.34,7

•34,1

_ 111.

35,4

34,8

29,7

- IV.

34,8

34,4

30,7

-

32,5

35,7

31,6

Mittel

33,4

34,9

31,5

Serben No. I.

32,7

34,1

.33,0

- II.

33,8

36,1

30,0

Mittel

33,2

35,1

31,5

vom 17. Deeemher 1^77.

803

Vergleicht man hier die Klek-Schädel mit den Ragusanem und den Serben, so stellt sich eine nicht unerhebliche Verschiedenheit der Mittel insofern heraus, als bei den Ragasanern und Serben durch- gehend eine beträchtlichere Entwickelung des Mittelhauptes, bei der Mehrzahl der Klek-Schädel dagegen eine vorwaltende Entwicke- lung des Vorderhauptes bemerkbar wird. Allerdings fehlt es in keiner der beiden Haupt- Gruppen an individuellen Abweichungen. Namentlich ist dies deutlich bei dem Ragusaner No. I. bei dem das Stirnbein so wenig, die Hinterhauptsschuppe so auffällig stark ausgebildet ist; hier habe ich schon vorher (S. 7S9.) die ganz un- gewöhnliche Grösse der lambdoidealen Schaltknochen erwähnt. Es ist dies zugleich ein vortreffliches Beispiel für den Einfluss, den solche Intercalarknochen auf die Gestaltung des Kopfes ausüben können.

Im Übrigen ist die geringere saginale Entwickelung des Hin- terkopfes trotz der bei vielen Schädeln beschriebenen Grösse der Hinterhauptsschuppe und der vorwiegend brachycephalen Schädel- form zu erklären. Auch die Squama occipitalis hat ihre stärkere Entwickelung mehr in die Breite genommen. Es resultirt daraus die ungemeine Grösse des Lambdawinkels, der zuweilen fast in eine Horizontale aufgelöst ist. Bei an sich grossen brachycepba- len Schädeln erreicht daher der occipitale Querdurchmesser (von einer hinteren Seitenfontanelle zur anderen) leicht eine ganz unge- wöhnliche Grösse z. B. bei dem Klek-Schädel No. I 117 Mm.

Überhaupt sind es die hinteren und unteren Querdurchmesser, welche ganz besonders stark entwickelt sind. Ich verweise in die- ser Beziehung namentlich noch auf die mastoidealen und auricu- laren Querdurchmesser. In allen diesen Beziehungen steht unzwei- felhaft der Albanese den Klek-Schädeln am nächsten, während er in den sagittalen Lmfangsmaassen sich mehr den Ragusanern und Serben anschliesst. Indess halte ich dies für weniger entscheidend, da bekanntlich bei ungewöhnlicher Grösse des Schädelraums ge- rade die Parietalia das mächtigste Wachsthum erfahren. Darin stehen sich die Kephalonie und die erworbene Hydrocephalie gleich.

Nach Allem bin ich nicht in der Lage, mich bestimmt dar- über zu äussern, ob der Albanese eine rein illyrische Form be- sitzt oder ob er mehr oder weniger durch slavische Einflüsse be- stimmt worden ist. Ich möchte jedoch darauf hinweisen. dass be- kanutermaassen auch der slavische Typus sich nicht als ein ein-

i

S04 Sitzung der phgxH-alisch-mathemathchen Klasse

heiilicher erweist, und dass die Frage, wie die einzelnen slaviscben Localiypen entstanden sind, in erster Linie zu der Annahme ver- schiedener localer Vermischungen fuhrt. Nirgend liegt aber der Gedanke an solche Vermischungen näher, als bei denjenigen slavi- schen Stämmen, welche den grösseren Theil des Bodens des alten Illvricum in Besitz genommen haben. Denn hier fanden sie kein durch Auswanderung der früheren Bewohner geleertes Land, son- dern eine mit Städten und Dörfern reich besetzte Provinz, und wenn auch ein grosser Theil der alten Illyrier durch sie südwärts gedrängt sein wird, so lässt sich doch mit ziemlicher Sicherheit anuehmen, dass genug von der Bevölkerung zurückgeblieben ist, um einen merkbaren Einfluss auf die physische Beschaffenheit der späteren Generationen auszuüben. Im ethnologischen Sinne wird mau daher wohl ohne VTeiteres von illyro- slavi sehen Stämmen reden können, und wenn die Lntersuchung über die Herkunft der Braohycephalen im alten Illyricum geführt wird, so darf mit eben- so viel Recht gefragt werden, ob die Illyrier die Slaven brachy- cephal gemacht haben, wie umgekehrt.

Für diese Fragestellung fallt es nicht wenig in das Gewicht, dass nach den L’ntersuchuugen des Hrn. Calori auch unter den Venezianern die Brachycephalie vorherrschend ist. Schon in seiner Schrift Del ripo brachicefalo negli Italiani odierni. Bologna 1868. giebt er an. dass er unter 116 Schädeln aus dem Venezianischen nur 4 dolichocephale gefunden habe (p. 23). Aus Wälsch-T>Tol besass er nur 4 Schädel, aber sie waren sämmtlich brachycephal, und zwar hatten sie einen Index von 86 im Mittel. Bei einzelnen Triestinem. die er sah, glaubte er dieselbe Form annebmen zu dürfen. In seinem späteren Werk: Deila Stirpe che ha popolata Fanrica necropoli alla Certosa di Bologna e delle gente affini (Bo- logna 1873. p. 95), nimmt er nicht nur als sicher an, dass die Eu- ganeo-Veneter brachycephal gewesen seien, sondern er bezieht sich auch auf Untersuchungen der HH. Zaviziano und Nicolucci, wonach unter den heutigen Albanesen und Epiroten die Brachyce- phalie vorherrsche. Nach diesen L’ntersuchungen (Nicolucci Sulla Stirpe japigica, Atii dell’ accad. delle scienze fis. e matem. Napoli 1865. Vol. II. p. 26) beginnen die brachycephalen Formen in Grie- chenland von Acarnanien an, namentlich vom Nordufer des Golfs von Ana und dem nördlichen Thessalien und erstrecken sich durch Epirus, Albanien und die slaviscben Provinzen, während die Doli-

vom 17. Decemher 1877.

805

chocephalie in Thessalien, dem ganzen übrigen Continent von Grie- chenland und den Inseln dominirt. Hr. Nicolucci selbst ist nun freilich geneigt nicht nur die Siculer, sondern auch die Euganeer und die Liburner für ligurische Stämme zu halten (La Stirpe ligure in Italia ne’ tempi antichi e ne’ moderni. Napoli 1864. p. 8 12), indess habe ich mich nicht überzeugen können, dass diese Auffas- sung sich mit den historischen Nachrichten vereinbaren lässt. Höch- stens könnte sie für die Euganeer zutreifen.

Immerhin ist es bedeutungsvoll, dass gerade auf dem Gebiete der Veneter, welche nach dem Zeugniss aller Autoren des Alter- thums Illyrier waren, die Brachycephalie in so grosser Ausdehnung noch heutigen Tages herrscht. Dass in späterer Zeit auch hier slavische Vermischungen stattgehabt haben, ist, wenigstens für die östlichen Theile des Venetianischen Gebietes, unzweifelhaft, indess eine so allgemeine Brachycephalie, wie sie Hr. Calori nachge- wiesen hat, lässt sich dadurch nicht erklären.

Man darf freilich nicht übersehen, dass, ganz abgesehen von den Türken und Magyaren, ausser den Ligurern und Slaven noch ein drittes Völkerelement in Betracht kommt, nehmlich die Kelten. Schon im Eingänge habe ich hervorgehoben, dass von Norden her sowohl die Carner, als die Japoden in die illyrischen Gebiete ein- gedrungen sind. Beide Stämme sassen ursprünglich auf dem Ge- birge (Karvankas) im Süden und Südwesten der heutigen Steier- mark, die Japoden auf beiden Seiten, sowohl südlich gegen das Meer, als nördlich gegen Pannonien (A. v. Muchar, Geschichte des Herzogthums Steiermark. Grätz 1844. I. S. 12, L. Contzen, Die Wanderungen der Kelten. Leipz. 1861. S. 54). Den Carnern soll früher sogar Tergeste und Aquileja gehört haben. Schon Strabo nennt sie ein keltisch-illyrisches Mischvolk. Nun ist aber bekannt, dass im ganzen Gebiet der einst von Kelten bewohnten südlicheren Gegenden, auch in Frankreich, überwiegend brachycephale Bevöl- kerungen noch jetzt sitzen. Die Herkunft der Schädelform lässt sich daher nicht einfach dadurch beantworten, dass man kurzweg hier die Slaven, dort die Ligurer und an einer dritten Stelle die Kelten dafür verantwortlich macht. Hier wird nur eine fleissige und ruhige Forschung entscheiden können. Sollte sich heraus- stellen, dass die Illyrier wirklich ein brachycephales, möglicher- weise sogar ein mesorrhines Volk waren, so Avürde für eine grosse Reihe von Fragen der prähistorischen Ethnologie ein wichtiger

[1377]

58

/

{

806 Sitzuyig der jdiysiKoliscJi-ntathematischen IClasse

Schlüssel gefunden sein. Möchten die vorstehenden Mittheilungen eine neue Anregung dazu geben, das noch sehr defecte Material zu ergänzen und eine baldige Lösung vorzubereiten!

Zum Schlüsse will ich noch einige Messungen und Notizen anfügen, welche ich am 8. September 1876 an einer Reihe von Südslaven oder Serben in Nieder-Ungarn aufgenon)rnen hfibe. Der internationale Congress für prähistorische Anthropologie und Ar- chäologie hatte sich an diesem Tage von Budapest mit dem Dampfschiff Hildegard die Donau abwärts, zunächst nach Erd, einem von katholischen Serben bewohnten Orte am rechten Ufer der Donau, begeben, wo die Bevölkerung in ihren sehr malerischen Trachten aufgestellt war (Congres international d’anthrop. et d’arch. prell. Compte-rendu de la huitieme Session. Budapest 1876. p. 393). Diese, unter dem Namen Sokacz oder Bunyewacz bekannten Leute bilden die nördlichste Gruppe der eigentlichen Südslaven. Später, als das Schitl’ in der Nähe von Batta, gegenüber von der Insel Czepel, anlegte, um den Congress an die Überreste der alten rö- mischen Ansiedlung Potentiana zu führen, trieb ein plötzlich aus- brechendes Gewitter mit orkanartigen AVindstössen Alles auf dem Schiff zusammen, und ich nahm die Gelegenheit wahr, einige der uns nachgekommen Leute einer näheren Prüfung und Messung zu unterziehen. Freilich war diess nicht leicht, und ich musste bei einigen Frauen schon ihres Kopfputzes wegen auf eine Messung des Schädels verzichten. Ausser 7 Bunyewaczen (3 Frauen und 4 Männern) und einem Slovaken aus der Nachbarschaft betreften meine Notizen noch einen magyarischen Edelmann, der besonderen Werth darauf legte, in meiner Liste mit aufgeführt zu sein.

Es waren dies folgende Personen :

A. Bunyewaczen oder Sokaczen:

1) Clara Ukil, 22 Jahre alt, verheirathet;

2) AVirfkovit Matik, 21 Jahr, verheirathet;

3) Agnes Czibrak, 19 Jahr, verheirathet;

4) Ihr Mann, Czibrak, 23 Jahr, mit angewachsenen Ohr- läppchen ;

5) Georg Lösit (Loschitz), 51 Jahr;

6) Koväcs Jakob, 24 Jabr alt, sehr gross, mit beinahe angewachsenen Ohrläppchen, von Vater und Mutter her Bunyewacz ;

vom 17. December 1877.

807

7) Kui’an Lajos, 35 Jahre alt, von hoher Gestalt und kräftigem Bau.

c B. Slovak:

8) Matusek Istvän, 23 Jahr, aus Marton-Väsär, Stuhl- Weissenburg.

C. Magyar.

9) Johann von Magyaraskyi, 73 Jahr alt.

Bei der Aufzeichnung hatte Hr. Dr. Donner von Helsingfors die grosse Güte, mich zu unterstützen.

Die Slaven waren mit einer Ausnahme jugendliche oder im besten Lebensalter stehende Personen, die Frauen, sämmtlich ver- heirathet, zwischen 19 und 22, die Männer zwischen 23 und 35 Jahren, nur einer Avar 51 Jahre alt. Sie waren kräftig gebaut, im Ganzen von gesundem Aussehen und mehr brünetter Com- plexion. Die Haare Avaren bei allen braun, bei 4 hell-, bei 3 dunkelbraun; die Augen bei 4 braun (nur bei dem Slovaken hell- braun), bei 2 blau und bei 2 grau; die Flaut an den bedeckten Theilen der Arme fast durchweg Aveiss, nur bei einer Frau bräun- lich und bei einem Manne röthlich. Immerhin variirte die Farbe der Iris so häufig, dass man schon desshalb an Mischverhältnisse zu denken geneigt sein konnte.

Das Nähere ergiebt die nachstehende Tabelle;

58-

Hiinyewaczen (Serben)

Dai-aus berechnen sich folgende Indices :

vom 17. December 1877.

809

(M

CO I

cf

CO

CO

CO

o

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1

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O

1

O 1

1

81ü

Sitziauj der physikalisch-mathematischen Klasse

Es versteht sich von selbst, dass diese Zalilen nicht einfach mit den Schädelzahlen vergleichbar sind, da die Weichtheile sehr verschieden auftragen, und desshalb auch die Verhältnisszahlen keine genügende Ausgleichung gewähren. Dies gilt namentlich von der Nase, bei der wohl die Höhe, aber nicbt die Breite zu- trift't, insofern diese nur an dem Ansatz der Flügel gemessen wer- den kann, der letztere aber nicht unerheblich weiter nach aussen liegt, als der sonst gemessene Rand der Apertur. Am meisten dürften Ohrhöhe und Gesichtsdurchmesser zutretfen. Indess habe ich mich bemüht, die ziemlich scharfen Kanten meines Schiebe-

Craniometers so dicht wie

möglich

anzudrücken,

und ich glaube

daher, dass auch die Länge und die

Breite, sowie

die daraus be-

rechneten Indices ziemlich Maass herankommen.

nahe an

das eigentlich

craniologische

Im Mittel ergiebt sich

für die Bunyewaczen:

Männer

Frauen Gesamuitmittel

Längenbreitenindex

85,0

80,7

84,1

Auricularhöhenindex

G8,9

63,1

67,7

Gesichtsindex

124,8

128,4

126,3

Nasenindex

56,1

55,2

55,8.

Die Brachycephalie dieser nördlichsten Gruppe unter den Süd- slaven wird danach nicht zweifelhaft sein. Man kann sie auch wohl unbedenklich hy p s ibrachy cep h a 1 nennen. Insofern stim- men sie mit den illyroslavischen Maassen (S. 800). Für die Ge- sichtsverhältnisse fehlt es mir leider zu sehr an Vergleichungs- objecten, da die meisten der früher besprochenen Schädel ohne Unterkiefer waren. Auch stimmt die Malarbreite, welche beim Lebenden nicht gut anders, als auf der Fläche der Wangenbeine genommen werden kann, nicht ganz mit der Malarbreite der vSchä- del, die ich am unteren Rande der Wangenbeine und zwar an der Sutura zygomatico-maxillaris nabm. Was den Nasenindex anlangt, so wird man sclnverlich das sehr hohe Maass der Lebenden für den nackten Schädel mehr herabmindern können, als auf einen me- sorrhinen Typu.s, der sich mehr den Schädeln von der Kiek, als den Ragnsanern und Serben anschliessen würde.

Liesse sich nachweisen, dass die Sokaczen schon seit der sla- vischen Einw'anderung in dieser Gegend, der alten römischen Pro- vinz Valeria, gesessen haben, so könnte man daran denken, dass in ihnen der illyrische Typus der Pannonier nachklänge. Allein

vom 17. Decemher 1877.

811

nach dem, Avas wir in Ungarn hörten, sind diese katholischen Ser- ben erst spät an dieser Stelle angesiedelt worden, nachdem sie südlichere Sitze aufgegeben hatten.

Der Slovak zeigt nicht unbeträchtliche Abweichungen von den Sokaczen, namentlich im Schädel- und Naseniiidex; jener ist klei- ner, eigentlich mesocephal, dieser grösser und unzweifelhaft platyrrhin. Wie Aveit diese Merkmale in dem Stamme verbrei- tet sind, kann ich nicht angeben.

Ganz verschieden ist der Kopf des magyarischen Edelmannes. Sein Schädelindex von 89,5 stellt ihn zu den Hy perbrachyce- phalen, Avährend der Ohrhöhenindex A'on 63,7 eine relative Nie- drigkeit ausdrückt. Der Gesichtsindex ist so klein, dass ihm nur das eine Weibergesicht unter den BunyeAvaczen gleichsteht. Da- gegen deutet auch bei ihm der Nasenindex von 56,8 auf ein mög- licherAveise mesorrhines Verhältniss. Dass er lichtblaue Iris und blonde Haare hatte, scheidet ihn ganz von den Slaven.

812

Sitzung der j>hijiiikalisch-inathemathisclien Klasse

M a a s s e.

Tabcl

I. Schädelkapsel und Kopf.

O

Vj

-1)

K 1

e k

6

15

II 9 -

III 5

IV 5

Capacität

1650 !

1450

1300

1425

1410

Hurizontalumfan«'

540

530

503

521

524

Sagittalunifang des Stirn- beins

i

121 ? !

126

120

127

129

Länge der Pfeilnaht

125 ;

114

130

113

118

Sagittalumfang des Hinter- haupts

113

120

115

112

117

Ganzer Sagittalumfang

359

: 360

365

352

364

Vertikaler Querumfang

.345

335

306

316

311

Stirn-Radius (Stirinvölbung)

124

118

113

114

115

Scheitel - Radius ....

125

112

121

111

118

Hinterhaupts - Radius

91

I 96

97

88

99

Kinn -Radius

122

115,5

Diagonaldurchmesser (Kinn bis Scheitel) ....

241

j

231

Grösste Länge ....

179

' 181

179

179

189

, Breite ....

164

153

139

149,5

146

Ohrhöhe

126

! 114

117

HO

114

Senkrechte Höhe

136

137

133

134

137

Distanz des Ohrloches von der Nasenwurzel .

113 ?

1 107

112

112

116

Distanz des Ohrloches von dem Nasenstachel

114

104,5

108

112 V

113

Distanz des Ohrlochs vom Alveolarrand ....

1 110

-

116 ?

122

vom 17. December 1877,

813

le L

M a a s s e.

R

a g u s

a

115

III 2 ?

IV 9

40

1

1465

1380

1470

1310

1210

511

511

521

490

485

115,5

126

130

121,5

111

129

124

128

120

122

127

123

109

107

108

i 371,5

373

367

348,5

341

i 317

319

322

317

302

! 110

113,5"

111

111

107,5

121

1 1

119

122

113

119

106

107

104

87

90

il

11

1 1

182

191

184

170

172

147

137

148

140

136,5

121

120

114

110

109

143

1

138,5

138

127

135

1

105

105,5

106

105

105

i 111

106

101

110

105

116

116

105

114

108

/ .

’s \t‘' '

814 Sitzung der physikalisch-mathematischeyi Klasse

I. Schäclelkapsel und Kopf.

O

tfj

Oj

c5

K 1

e k

<

6

15

119

HI 5

IV 5

Distanz des Olirloches vom Zahnrand

125

Distanz des Ührloches vom Kinn

140

128

_

Distanz des Ilinterhaupts- loches V. d. Nasenwurzel

9G

99

101

105

110

Distanz des Hinterlianpts- loches vom Nasenstaehel

92

89

90

91 V

99

Distanz des Hinterhaiipts- loches vom Alveolarrand

89

_

93,5?

101

Distanz des Hinterhaupts- loclies vom Zahnrand .

_

106,5

Distanz des Hinterhaupts- loches vom Kinn.

116

106,5

_

Dist. d. Hinterhauptsloches V. d. Hinterhauptswölbg.

i

57

51,5

59

43

43

Umfang des Oberkiefers .

139 i

134

128

134

146

Länge d. Alveolorfortsatzes

17 ?

17 ?

13 ?

20?

21

Gesichtswinkel ....

75

78

79

80

79

Frontaldurchmesser, oberer

76

1

57,5

63

60

, unterer

103

1 100

101

93

95

, coronaler

128

128

114

114

112

Temporaldiirchmesser .

137

133,5

111,5

126

115

Parietal-

151,5

145

118

131

126

Occipital-

111

1 117

111,5

112

113

Mastoideal, Basis

136

128

126

133

139

, Spitze .

115

i 105

107

109

117

Auricular - , ...

130

122

112

121

129

Länge d. Hinterhauptsloches

37,5

36

35

41

40

Breite , ,

32

, 29,5

29

31

34

vom 17. December 1877,

815

R

a g u s

a

II 6

III 9 ?

IV 9

V9

106

117

105

107,5

106

95,5

106

95,5

100,5

90

95

96

98,5

110

92

97

96

94

101

--

bl

58

48

49

44

155

148

138

144

133

20

22

19

15

12

70

79

81

70

75

59

59

58,5

61

50

96

95

96,5

98

96,5

123

104,5

118

123

113

121

117

131

123

114

133

123

127

134

129

110,5

106

114

100

105

130

117

125

114

126

108

100

110

99

110

120

108

120

113

1

118

36

35

35

33

36

30

30

27

; 28

33

81 G Sitzimg der physikalisch-mathematischen Klasse

II. Gesicht.

Ot Albanese

16

K 1 11$

•K)

IV 5

Höhe des Gesichts .

125

104,5

Obergesichts .

69

64

64

72

73

Breite des Gesichts.

100

97

95

91

101,5

Breite der Orbita .

1

41

39

42

41

41

Höhe der Orbita

32,5

34,5

31

36

34

Höhe der Nase ....

52 '

46,5

52

54

53

Breite der Apertur .

27 i

24

26

27

27

Distanz der Jochbogen

140 !

128?

129,5

130?

, Kiefergelenke

106

102

94

103

105

, Kieferwinkel .

106

96

Länge des Gaumens

46

45

45

50

Breite des Gaumens

44

38

43

43

40

Umfang des Unterkiefers .

194

1

-

188

Median -Höhe . .

31

27

817

['. i'om 17. Decemher 1877.

R a g u s

a

1

n5

I III 9 ?

n'9

V9

73

73

78

65

1

1

102,5

90,4

106,5

86

87

41

42

41

43

43

31

32

37

33

36

56,5

50

59

52

50

25,5

.,s

26

24

26

132

131

134

127

127

100

88

99

91

98

S 47

57

40?

50

45

46

36

41

40

32

-

818

Sitzung der ‘phrjaikaliach-mathematischen Klasse

T 11 l> e 1

I n (1 i e e s.

FuiidstättPii und Schädcd- bezeichnung

Längcn-

breiten-

Läiigen-

liöhen-

Breiten-

liöhen-

Auriciilar-j höben- |

I Tl (1

e X

Albanien

91,5

75,9

82,9

70,3

Kiek

I

84,5

7 5,6

89,5

62,9

II

77,5

74,2

95,6

65,3

III

83,5

74,8

89,6

61,4

IV

77,2

72,4

93,8

60,3

Mittel . . .

80,G

74,2

92,0

62,4 1

Ragnsa

I

80,7

78,5

97,2

66,4

II

71,7

72,5

101,0

62,8

III

80,4

75,0

93,2

61,9

IV

82,3

74,7

90,7

64,7

V

79,3

78,4

98,9

63,3

Mittel .

78,8

75,8

96,2

63,8

Serbien

I

79,3

78,2

98,5

67,0

II

79,7

73,9

92,7

61,2

Mittel .

79,5

76,0

95,6

64,1

Monc4t.^b. Aka<7 . d. JVb^s. Berlin IvDec. 7877.

Tai L

&/WmX ^Aj^VvA\/ O'C^.

Ta£ E

Moncdsi. Akad-d. Mdss- Berlin 17 I)e,c. 1677.

I

■UÄ.Mg. T

zu. Mg. jT-//«

JM. iixSkij.ttz- äM>k. 03«.tew.

vom 17. Decemher 1877.

819

le II.

I n cl i c e s.

Gesichts-

Ober- j gesichts-

1

1

Orbital-

i

Nasal-

1 Gaumen-

Procente des Hori- zontalumfanges

Index

Quer-

umfang

Sagittal-

umfang

125

69,0

79,2

51,8

95,6

63,8

66,4

65,9

88,5

51,6

80,8

63,2

67,9

110

67,3

73,8

50,0

97,7

60,8

72,5

79,1

91,1

50,0

97,7

60,6

67,5

71,9

82,9

50,9

80,0

59,5

69,4

70,5

84,7

50,6

87,4

61,0

69,4

71,2

75,6

45,1

97,8

62,0

72,7

80,7

78,0

49,6

63,1

62,4

72,9

_

73,2

90,2

44,0

102,5?

61,8

70,4

75,5

76,7

46,1

80,0

64,6

71,1

75,8

83,7

52,0

71,1

62,2

70,3

75,2

80,4

47,3

82,9

62,6

71,3

116,5

68,9

65,5

43,6

89,1

61,1

69,4

125,6?

80,4

78,0

44,7

85,7

58,5

68,6

121,0

74,6

71,7

44,1

87,4

59,8

69,0

820

Sitzung der phy/fiJcaliKch-malhematiftchen Klanae

ITr. Weierstrafs las: Zur Theorie der eindeutigen analyfi- sclien Funktionen (2. Abth.).

Folgende Bemerkung des Ilrn. Riefs „Zur B 1 i t z lei t u n g wurde verlesen :

Das folgende an mich gerichtete Schreiben des fJeheimraths Prof. n. Buff in Giessen enthält die sorgfältige Prüfung eines Blitzleiters und Beschreibung eines Blitzschlages auf denselben. Es bestätigt auf das Deutlichste die von mir begründete .Meinung (dies. Ber. S. 9), dass der Widerstand eines Ableiters gegen den Blitz sehr viel kleiner ist, als sein galvanischer Leitungswider- stand. Die Erdleitung am Ableiter des Ilrn. Buff setzte dem Strome einer Kohlenzinkkette einen Widerstand entgegen, der fast 200mal grösser war, als der Widerstand der Ableitungsstange. Hätte sich mit diesem grossen Widerstande der Erdleitung gegen einen schwachen electrischen Strom, ihr Widerstand gegen den auf die Leitung gefallenen Blitz auch nur entfernt vergleichen lassen, so würde, ohne allen Zweifel, der Blitz seinen Weg von der eiser- nen Ableitungsstange durch den kupfernen Astdrath zu den, von diesem nur 2 Decimeter entfernten Gasröhren genommen haben. Er ging aber, völlig unschädlich, durch den Ableiter in den feuch- ten Erdboden.

Der in der Lücke zwischen Astdrath und Gasröhre gesehene glänzende Funke kann nicht für ein Zeichen der Unvollkommen- heit der Hauptleitung angesehen werden, weil diese Funkenerschei- nung, an der leydener Batterie unter dem Namen der Seitonent- ladung gekannt und studirt (Abhdl. d. Akad. 1849), auch an dem vollkommensten Schliessungsbogen der Batterie beobachtet wird.

Giessen 20. November 1877.

Sie hatten vor einiger Zeit die Güte, mir das Gutachten der Berliner Akademie über einen eigenthümlichen Blitzschlag zuzu- senden, der am 20. April 187G auf das Schulhaus zu Elmshorn stattgefunden hat. Diesem Gutachten waren von Ihnen einige zum Theil abweichende Bemerkungen zugefügt worden.

vom 17. Decemher 1877.

821

Ich bin dadurch an Erfahrungen erinnert worden, die vor län- gerer Zeit mir selbst begegnet sind, und welche gewisserniassen eine experimentelle Ergänzung zu dem Gutachten bilden; wesshalb ich dieselben der Mittheilung für werth halte.

Auf meinem Hause befindet sich seit dem Jahre 1845 ein Blitzableiter, dessen Ableitung, so wie es bei seiner Errichtung in hiesiger Gegend allgemein üblich war, aus viereckigen eisernen Stangen von 140 Quadratmillimeter Querschnittsfläche gebildet ist, deren fest zusammengeschraubte reine Endflächen durch dazwischen gelegte Bleistreifchen vor Verrostung und sonstiger Verunreinigung gesichert sind.

Am untern Ende dieser Ableitung sind mehrere Bleistreifen, zusammen von 1 Quadratmeter Flächeninhalt befestigt, welche sich in ungefähr 1 Meter Tiefe unter dem stets nassen Ablaufe eines Rohrbrunnens ausbreiten.

Der Blitzableiter ist schon damals auf seine Leitfähigkeit ge- prüft worden. Die Ableitung zeigte sich in dieser Hinsicht tadel- los. Um den betreftenden Einfluss der Erdleitung kennen zu ler- nen, wurde derselben eine zweite, gleichgrosse Bleiplatte in etwa 1 Meter Abstand, ganz unter Wasser getaueht, gegenübergestellt. Electricität ging nun allerdings zwischen beiden Platten über, aber der Leitungswiderstand war sehr gross , wenigstens einige hundert- mal so gross, als derjenige des Ableitungsgestänges. Dabei ergab sich, dass der Abstand der Bleiplatten, wenn auch um einige Meter vergrössert, nur von geringem Einfluss war.

Ich hatte grosse Bedenken über die Ziilänglichkeit meiner Erd- leitung und dachte wiederholt daran, dieselbe erweitern zu lassen, unterliess es aber immer wieder, in Betracht, dass die Einrichtung meines Blitzableiters wesentlich mit dem allgemein üblichen Ver- fahren übereinstimmte und unser Urtheil über den muthmasslichen Schutz vor den zerstörenden Wirkungen eines Blitzschlages doch nur auf eine Anzahl zufällig gemachter Erfahrungen gegründet ist.

Von der eisernen Ableitung, und zwar ziemlich nahe dem Ende derselben, führte ein dicker Kupferdraht von 5 bis 6 Meter Länge als Abzweigung in meinen Arbeitsraum. Derselbe diente mir zur vollständigen Entladung electrischer Anhäufungen, in ähn- licher Weise, wie Sie in Ihrem Arbeitszimmer die Gasleitungsröh- ren benutzten. Wirklich bin ich durch eine Bemerkung, welche mir damals in einer Ihrer Abhandlungen auffiel, Sie werden sich

[1877]

59

822

Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse

der betreffenden Stelle leicht erinnern, veranlasst worden, Ihre An- ordnung nachzualimen.

fiasheleuchtung hatten wir noch nicht zu jener Zeit. Erst 12 oder 14 Jahre später wurde sie in Giessen eingefülirt, und dahei gelangte in meinem Arheitsraume eine Abzweigung des Ilauptgas- rohrs in geringe, ungefähr 2 Decimeter grosse Entfernung zu der erwähnten Abzweigung des Blitzableiters.

Ich befand mich am 14. Juli 1861, Nachmittags 4 Uhr, mit einigen anderen Personen in der Nähe dieser beiden Abzweigun- gen, des Blitzableiters und der Gasleitung, als plötzlich, während ein Gewitterschauer vorüberzog, zwischen beiden ein glänzender Funke übersprang. Ein unmittelbar folgender heftiger Donner- schlag, begleitet von einer Erschütterung des ganzen Gebäudes, Hess keinen Zweifel, dass der Blitz eingescblagen batte. Der über- wiegend grössere Theil seiner electrischen Masse musste sich jedoch durch den Ableiter entladen haben. Denn nirgends im Hause zeigte sich eine Beschädigung oder auch nur eine Spur electrischer Einwirkung. Auch der Ableiter batte keine Veränderung erfahren, weder äusserlich, noch in seinem electrischen Leitungsvermögen. Doch hatte die übergoldete Spitze der Auffangstange ihren Gold- glanz verloren.

Das Abspringen eines starken Funkens von dem Blitzableiter, in der beschriebenen Weise und an der bezeichneten Stelle, deutet, wie mir scheint unzweifelhaft, auf eine sehr grosse Anstauung freier Electricität im untern Theile des Ableiters. Diese findet überdies eine befriedigende Erklärung in dem grossen Leitungswider- stande an der Übergangsstelle in der Erde. Bei der P>dplatte, wenn auch ihre Grösse zur Noth ausreichen konnte, erschien also doch eine Vergrösserung rathsara. Auch war mir die Form der- selben, nämlich Verbindung des Blitzableiters mit den Gasröhren, durch den Vorgang selbst angezeigt.

Diese Verbindung ist bald nachher ausgeführt worden, doch nicht ohne dass es zuvor nothwendig geworden war, die sehr man- gelhafte Leitfähigkeit der Gasröhren an solchen Stellen, an wel- chen einzelne Röhrenstücke zusammengeschraubt und verkittet waren, zu verbessern.

Das Gutachten der Akademie und Ihre Bemerkungen dazu haben mich, wie gesagt, an meine eigenen Beobachtungen erinnert,

vom 17. Decemher 1877.

823

und mich veranlasst, die Prüfung meines Blitzableiters, jetzt, nach- dem derselbe seit 32 Jahren errichtet ist, zu wiederholen.

Der Erdleitung, ohne Verbindung mit den Gasröhren, wurde zu diesem Zwecke wie früher eine zweite Bleiplatte in geringer Entfernung und unter Wasser gegenübergestellt. Ein isolirter Kupferdraht führte von derselben bis zu der Auffangstange des Ableiters, mit welcher sein oberes Ende metallisch verbunden war, während das untere Ende nach Befinden mit der zweiten Blei- platte oder auch unmittelbar mit der Ableitungsstange verbunden w’erden konnte. In dem Laufe des isolirten Drahts war ein con- stantes Kohlenzinkpaar, eine Weber’sche Tangentenbussole von 2 Decimeter Durchmesser des Rings und ein Rheostat eingeschaltet.

Mit Hülfe des letztgenannten wurde der Widerstand des ge- sammten leitenden Systems, jedoch bei Ausschluss der Erdleitung, auf 7,5 Meter, derjenige der Ableitungsstange, vom oberen Ende bis zum Eintritt in die Erde gerechnet, zu 0,85 Meter Länge eines Neu- silberdrahts von 1,5 mm. Dicke bestimmt.

L^m den Widerstand der Erdleitung mit demjenigen der Ablei- tung vergleichen zu können, wurde das untere Ende des isolirten Kupferdrahts zunächst mit der Ableitungsstange verknüpft, und das so gebildete leitende System mit Hülfe des Rheostaten so regulirt, dass sich die Nadel der Tangentenbussole auf 30° einstellte. Die- selbe sank alsbald auf 0°94 herab, wenn der isolirte Draht von der Ableitungsstange getrennt und mit der zweiten Bleiplatte me- tallisch verbunden wurde.

Um den Einfluss der Gasröhren kennen zu lernen, wurde der von der zweiten Bleiplatte wieder getrennte isolirte Draht an einer passenden Stelle mit der Gasleitung metallisch verknüpft, so dass also jetzt in den leitenden Kreis eine Erdschicht eingeschaltet wurde, die von der ursprünglichen Erdleitung des Blitzableiters (1 Quadrat- meter Bleifläche) bis zu den vielfachen Verzweigungen der Gaslei- tungs-Röhren reichte.

Die Nadel stellte sich jetzt auf 1°43. Diese Zahl ist das Mittel von zweien sehr wenig verschiedenen Ablenkungen, die sich ergaben, je nachdem der clectrische Strom von der Erdplatto dos Blitzableiters zu den Gasröhren oder im umgekehrten Sinne ge- richtet wurde.

Es ist bemerkenswerth , dass die Grösse des Ausschlags un- verändert blieb, wenn gleichzeitig die zweite Bleiplatte, ungeachtet

59"

824

Stziing dei' 2^}iysikalisch-mathematisclien Klasse

dieselbe der Erdleitung sehr nahe stand, in metallischen Zusam- menhang der Gasröhren gebracht wurde. Die in der Erde ver- zweigten Gasröhren verhalten sicli also gleich einer Erdplatte von anscheinend unendlicli gr o sse r O her f 1 äc li e.

Dessenungeachtet setzte die zwischen ihnen und der Erdlei- tung meines Blitzableiters befindliclie Erdschicht dem Eindringen der Electricität immer noch einen, wie wir gesehen, sehr beträcht- lichen Widerstand entgegen. Derselbe lässt sich mit Hülfe der angeführten Daten, für diesen Zweck wohl hinlänglich genau, be- rechnen. Er fand sich gleich dem einer Länge von 1G5 Meter des oben erwähnten Neusilberdrahts und beträgt also nahe das 20U- fache von dem der Ableitungsstangen. Dieser Widerstand vermin- derte sich schon merklich, die Nadel erhob sich bis zu '2^2, wenn die Elächengrösse der Erdplatte durch Zusatz einer zweiten gleich grossen (!□"’) Bleiplatte verdoppelt wurde. Es ist somit keine Frage, dass durch Verbindung der Gasröhren als Erdleitung, der Widerstand der Erde gegen das Eindringen der Electricität fast aufgehoben werden muss.

Mit Rücksicht auf die Erfahrungsdaten, welche ich mir erlaubt habe Ihnen mitzutheilen, aus denen sich für die Brüfung der Blitz- ableiter ein rationellerer Anhalt ergeben dürfte, als aus den bisher üblichen ziemlich willkürlichen Annahmen, ersuche ich Sie, diese Blätter der Akademie vorlegen zu wollen.

II. Buff.

Herr Siemens bemerkte nach Verlesung der obigen Zuschrif- ten, dass er sich den Schlussfolgerungen, die Herr Riefs aus der Mittheilung des Herrn Buff gezogen hätte, nicht anschliessen könne. Einmal sei die Ansicht des Herrn Riels, dass der starke und glänzende Funke, den Herr Buff zwischen dem kupfernen Ast- drahte und der Gasleitung beobachtete, keine Entladung im ver- zweigten Schliessungsbogen, sondern eine Seitenentladung gewesen sei, wie sie von der Hauptleitung zu isolirten Leitern überspringt, nicht erwiesen. Der Glanz und die Stärke des beobachteten Fun- kens sprechen dagegen, sowie auch die Thatsache, dass die Gas- leitung eine nahe vollkommene Ableitung zur Erde bildet. Wenn

vom 17. December 1877.

825

ferner auch der Widerstand, den der feuchte Erdboden der Aus- breitung der Elektricität entgegensetzt, von Herrn Buff viel zu gross angenommen wurde, da er bei seiner Strommessung mit einem Bunsen’scben Elemente die bedeutende Polarisation der Blei- platten unberücksichtigt gelassen hat, so ist doch seine Ansicht, dass der Erdwiderstand weit grösser war, als der Widerstand des metallischen Theiles der Ableitung und dass dadurch eine „sehr grosse Anstauung freier Elektricität im untern Theile der metallischen Ab- leitung“ entstehen musste, unzweifelhaft richtig. Sollte selbst, wie Herr Riefs annimmt, der Widerstand eines Ableiters gegen den Blitz viel kleiner sein, als sein galvanischer Leitungswiderstand, so würde dies doch immer nicht rechtfertigen, den flüssigen Theil des Ableitungswiderstandes bedeutend grösser, als den metallischen, zu machen! Herr Buff hat daher gewiss wohlgethan, den Widerstand seiner Ableitung durch Yergrösserung der Erdplatte und Anschluss des Gasröhrensystems wesentlich zu verringern, obschon diese Erd- platte immer noch ca. 9 mal grösser war, als die Elmshorner Erd- platte, welche nach Mittheilung des Herrn Karsten in Wirklieh- keit nur loFuss gross war!

Wie wesentlich für die gute Wirkung einer Blitzableitung eine gute Erdleitung ist, geht recht schlagend aus der im Journal of the Society of telegraph Engineers Vol. V. No. XVI gegebenen Ge- schichte des Blitzableiters eines 468 Fuss hohen Schornsteins her- vor, der wiederholt durch Blitzschläge beschädigt wurde.

Die Blitzableitung endete in einer eisernen Stange, welche erst durch ein zwei Fuss tiefes und 8 Fuss im Quadrat haltendes Was- serbassin und dann noch 8 Fuss tiefer in den nassen Boden ging.

Trotz dieser, nach bisherigen Anschauungen guten Erdleitung folgte ein in den Schornstein einschlagender Blitz nur zum Theil dieser Ableitung. Ein anderer Theil schlug durch ein in das Bas- sin mündendes Thonrohr hindurch in ein dessen Fortsetzung bil- dendes Eisenrohr, folgte diesem 120 Fuss weit und sprang hier auf ein benachbartes, aus leicht flüssigem Metalle hergestelltes Gas- rohr über, welches er schmolz und dabei durch Entzündung des ausströmenden Gases eine Feuersbrunst verursachte. l>iese Erfah- rung veranlasst den Verfasser, am Schlüsse des Artikels noch be- sonders auf die grosse Wichtigkeit eitler möglichst widerstandslosen Vertheilung der Elektricität im Erdboden hinzuweisen.

82G

Gesammtsitzimg

20. Deceinber. Gesiiinnitsitzung der Akademie.

llr. Ewald las über die Kreideformatioii in Mittel- und Unter Italien.

Ilr. Auwers legte eine Abhandlung des Ilrri. I)r. Osw. Lohse vor:

Über Schmidt’s neuen Stern im Schwan.

Irn November 1876 entdeckte .T. Schmidt in Athen im Stern- bilde des Sclnvanes einen neuen Stern dritter Grösse und berich- tete darüber Folgendes: „Den Stern fand ich November 24, Abends 5^45™ östlich neben o Cygni, er ist selir gelb und war gegen 12'* heller als r, Pegasi. November 20 und früher war dieser Stern nicht sichtbar. November 21, 22 und 2.8 zu Athen tief bedeckter Himmel.“

Obgleich dieses seltene Phänomen bereits der Gegenstand einer Abhandlung gewesen, die der königlichen Akademie der Wissenschaften Vorgelegen hat, und in deren Berichten vom .Mai 1877 abgedruckt worden ist^), möchte der Verfasser nicht verfehlen auch über seine Beobachtungen zu referiren, die zwar mit densel- ben Instrumenten der Berliner Sternwarte, aber unabhängig und von einem etwas anderen Gesichtspunkte aus angestellt wurden. Es kam mir hauptsächlich darauf an, den Totalcharakter des be- treffenden Sternspectrnms zu studiren, und besondere .\nfmerksarn- keit auf die Veränderungen zu richten, die das Spectrum im Ver- laufe der Erscheinung erleiden würde. Auf diese Weise glaubte ich am besten die von anderer Seite angestellten Untersuchungen

') Untersuchuugen über das Spectrum des neuen .Sterns im .Schwan von H. C. Vogel.

vom 20. December 1877.

827

ergänzen, und das geeignetste Material für den von mir beabsich- tigten Versuch einer Erklärung derartiger Phänomene sammeln zu können.

In Folge ungünstigen Winterwetters gelang es erst am 5. De- cember die Beobachtungen zu beginnen.

1876, Decbr. 5, 4^30“. Nach Einstellung des Sterns mit Hülfe des Berliner 9^ Refractors hob die Betrachtung des Spec- trums jeden etwa noch vorhandenen Zweifel an der Identität des Objectes mit dem von Schmidt entdeckten Sterne, da es durch- aus eigenartig war und sich nicht mit einem der bekannten Stern- typen vergleichen Hess. Besonders auffallend war eine breite helle Linie im Roth, die nach dem Gelb hin von einer breiten dunklen Bande begrenzt war, welche letztere nach dem Gelb verlief und bei schärferer Betrachtung sich in Linien auflöste, sodass der rothe Grund noch etwas zum Vorschein kam und der Bande einen bräun- lichen Farbenton verlieh. Ausserdem sah ich noch mehrere beson- ders helle Stellen im Gelb, Grün und Blau, hielt dieselben aber ihrer Breite wegen nicht für helle Linien sondern für freie Stellen im continuirlichen Spectrum dieser Lichtquelle.

Eine helle Stelle im Blaugrün wurde besonders hervorgehoben durch eine angrenzende breite, tief dunkle Bande, welche nach dem Blau hin verlief. Das Spectrum war auch ausserdem noch von mancherlei Banden durchzogen, wie aus der beistehenden Figur

Fig. 1.

ersichtlich ist. Die Spectralfarben waren höchst glänzend. Die breite helle Linie im Roth hielt ich für identisch mit der Wasserstoff- linie C.

Fig. 1 stellt das Spectrum des Sterns vor, wie es mir am 5. December unter Anwendung eines kleinen Stern-Spectroskops ä vision directe erschien, die gezeichneten Linienabstände basiren nicht auf Messung sondern auf Schätzung. Das continuirliche Spectrum ist durch eine schräge Schraffirung dargestellt, um eine Verwechselung mit den senkrecht schraffirten dunklen Banden zu vermeiden. In Anbetracht der ungünstigen Jahreszeit, in^'velche

828

GetammtsUzuufj

das Erscheinen dieses Sterns für unsere Breite fiel, war die P>- möglichung der Beobachtung aui 5. Deceinber ein besonderer Glücksuinstand zu nennen, zumal da das Spectrum, wie weiter unten ausgeführt werden wird, gerade in dieser Zeit eine wesent- liche Veränderung erlitt.

Es blieb am .3. December nur kurze Zeit klar, ebenso am 8. December, an welchem Tage durch Hrn. Dr. Vogel die Lage der hellen Linien des Spectrums durch Messung festzustellen ver- sucht wurde. December 14 fand eine ungünstige Beobachtung des Sterns statt. Das Wetter hatte sich im Laufe des Nachmittags aufgeklärt und versprach man sich eine klare Nacht, indess gegen 5** bezog Nebel den ganzen Himmel. Derselbe verschwand einige Mal auf kurze Zeit, sodass der Stern gesehen werden konnte. Im Sucher des Fernrohrs erkannte man durch Vergleichung mit den benachbarten .Sternen wie beträchtlich die Nova an Lichtstärke seit dem 5. December abgenommen hatte, ihr Spectrum war dem ent- sprechend im Allgemeinen matter, indess traten ausser der rotlien auch noch andere helle Linien mit grosser Deutlichkeit hervor und zwar an denselben .Stellen wo früher am 5. December die breiten hellen Banden gesehen worden. Die hellen Linien waren jetzt schmal und hoben sich vom Grunde des .Spectrums mit grosser Deutlichkeit ab. Auf diese eingetretene Verschmälerung der Li- nien soll unten nochmals im Besonderen zurückgekomnien werden.

Die vorhandenen Absorptionsbanden konnten in der kurzen Zeit der Beobachtung nicht specieller berücksichtigt werden, indess machte sich die Bande im Blau, welche die eine helle Linie zur Begrenzung hatte, durch ihre intensive Dunkelheit bemerklich. (S. d. Zeichnung vom 5. December, Fig. 1.)

1876, December 20 fand eine kurze Aufheiterung des Himmels statt, die aber nur hinreichte, um sich von dem Vf>rhandensein des .Sterns zu überzeugen. December 22 wurde der Stern wied»-r ge- sehen, er schien nicht in dem Maa.sse an Lichtstärke abgen«*inmen zu haben, wie früher. Das Spectrum zeigte die hellen Linien, in- dess nicht mehr so glänzend wie früher, auch die Farben des .Spec- trums waren matter. Leider konnte die Beobachtung nicht tVirtge- setzt werden, da nach kaum halbstündiger Klarheit der Himmel sich wieder mit Nebel und Wolken bedeckte.

1876, December 26, 8** konnte der Stern wieder gesehen wer- den. Bei strenger Kälte war es den ganzen Tag und die ganze

vom 20. December 1877.

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Nacht über klar. Auch an diesem Abende bestätigte sich die be- reits gemachte \Yahrnehmung, dass in der Abnahme der Lichtstärke eine Retardation stattgefunden haben musste. Im Spectrum waren die hellen Linien noch gut zu sehen, wenngleich, insbesondere die rothe, lange nicht so glänzend wie anfänglich.

Die Absorptionsbande, welche von der hellen Linie im Roth beginnend nach dem Gelb hin sich erstreckte, liess noch deutlich rothes Licht durchschimmern, sodass ich wie bereits am 5. De- cember au dieser Stelle das Vorhandensein zahlreicher dunkler Li- nien vermuthete. Die dunkle Bande im Blau trat ausserordentlich deutlich hervor.

Die Beobachtung war wegen der beträchtlichen Kälte, welche ein fortwährendes Beschlagen der Gläser bewirkte, sehr beschwer- lich.

1876, December 27, 6** wurde eine Helligkeitsschätzung des Sterns vorgenommen, er erschien heller, als der benachbarte Stern, welcher in der Bonner Durchmusterung 7.0 Grösse angegeben ist. Der neue Stern wurde 6™6 geschätzt.

Nach den bisherigen Beobachtungen des Sterns schien es mir als wenn derselbe neben der fortschreitenden Lichtabuahme secun- dären Helligkeitsschwankungen unterworfen sei, eine Wahrnehmung, die auch von Schmidt bereits in dem ersten Stadium der Entwicke- lung dieser Lichtquelle gemacht wurde. Derselbe sagt^): „Man sieht, dass der Stern am 24. 25. 26. 27. nahezu dasselbe Licht d. h. ungefähr die 3. Grösse hatte, dass aber schon am Abend des 27. November die sehr rasche Abnahme des Lichtes begann. Diese Abnahme war jedoch nicht constant, denn am 1. December zeigte sich, dass entweder eine Verzögerung dieser Verminderung des Lichtes oder vielleicht selbst eine Zunahme stattgefunden hatte.

1877, Januar 1, 7 8**. Der Stern hatte seit der letzten Beob- achtung nur wenig an Lichtstärke abgenoraraen. Das Spectrum zeigte die hellen Linien, indess war die rothe Linie ziemlich schwach geworden, sie stand fast ganz isolirt, da eine Fortsetzung des rothen Spectralgrundes nach Lltraroth nicht mehr wie früher wahrgenoni- men werden konnte, und der röthliche Ton der dunklen Bande im Roth und Rothgelb nur in besonders günstigen Momenten bemerk-

) Astr. Nachr. No. 2113.

830

Gesammtsitzung

bar wurde. Das Ilelligkeitsniaxiniuni des Spectrurns befand sieh iin Blau, in der Nähe der beiden naliestelienden bellen Linien 3 und 4. S. d. Figur 2.

Fig. 2.

Neben dem Roth war auch das Violett gegen früher verblichen, und waren die Farben des Spectrurns im Allgemeinen sehr malt. Mit Deutlichkeit waren 5 helle Linien wahrzunehmen, je eine im Roth, im Gelb, im Blaugrün, im Blau und im Violett. Zuweilen schien mir eine fernere helle Linie im Grün aufzublitzen.

1877, Januar 6, 7^. Im Vergleich zur letzten Beobachtung am 1. Januar konnte ich eine Helligkeitsabnahme nicht constatiren, fast schien es, als wenn der Stern wieder ein wenig heller gewor- den wäre.

Bei einer Beobachtung des Spectrurns mit einem Ocularspec- troskop nach Zöllner wurden nur die beiden hellen Linien im Blau gesehen. Weitere Untersuchungen wurden durch Wolken ver- hindert.

1877, Januar 16, G*". Der Stern war wieder etwas schwächer geworden, er stand in Bezug auf Helligkeit zwischen den beiden benachbarten südlichen Sternen, welche in der Bonner Durchmuste- rung 7.6 und 7.0 Grösse angegeben sind, mitten inne.

Die hellen Linien im Spectrum waren noch zu sehen, mit Schwierigkeit die rothe, am deutlichsten die Linie im Blaugrün. Die Farben des continuirlichen Spectrurns waren nicht mehr zu unterscheiden, alle Theile desselben erschienen dem Auge in matt weisslichem Lichte.

1877, Januar 17, 5 8'' wurde der Stern bei vorzüglicher Luft und andauernder Klarheit wieder beobachtet. Es fiel auf, dass der- selbe, als er im Sucher mit anderen Sternen verglichen wurde, auf- fällig starke Schwankungen in der Lichtintensität zeigte, eine Eigen- schaft die jedenfalls bisher immer die Ursache gewesen war, dass die Grössenschätzung einige Schwierigkeit bot. Im Spectrum konn- ten diesmal von mir sechs helle Linien wahrgenommen werden. Je eine im Roth, Gelb, Blaugrün, Blau und zwei im Violett. Wie

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sich aus Vogel’s Messungen und Vergleichungen mit irdischer Lichtquelle ergab, gehörten, wie zu vermuthen stand, 3 Linien dem Wasserstoff an, nämlich die rothe, die blaue und die brechbarere im Violett. Letztere war mir, wegen ihrer Schwäche und der grösstentheils ungünstigen Luftbeschaffenheit, bei den vorhergehen- den Beobachtungen zumeist entgangen. Von allen hellen Linien die intensivste, nämlich diejenige im Blaugrün, coincidirte nach Vogel’s Messungen sehr gut mit der hellsten Linie des Luftspec- trums. Jedenfalls ein bedeutungsvolles Resultat.

Keine plausible Deutung konnte die eine Linie im Violett und die gelbe Linie erfahren. Die Coincidenz der letzteren mit D3, wie sie von anderer Seite behauptet wurde, schien ziemlich zweifelhaft.

Die Licht-Intensität der hellen Linien wurde von mir an die- sem Abende geschätzt und in Zahlen ausgedrückt, wobei 1 der grössten Helligkeit entsprach. Ich fand für die Linie No. 1. im Roth 6

2. Gelb 5

3. Bl au grün 1

4. Blau 2

5. Violett 4

6. Violett 4.

Von C aus bis nahe an die gelbe Linie heran war ein dunkler Zwischenraum im Spectrum, ebenso von F bis nach der ersten Li- nie im Violett. Zwischen der gelben und blaugrünen Linie sowohl, als zwischen den beiden violetten Linien war ein schwacher Licht- schein zu bemerken.

1877, Januar 25, 8^20'”. Die Nova erschien mir immer

noch etwas heller als der benachbarte Stern 7.6 Grösse. Sämmt- liche helle Linien, welche am 17. Januar beobachtet wurden, waren noch vorhanden, indess war es nöthig die Cylinderlinse vom Spec- troskop zu entfernen, um die Linien gut lixiren zu können. Die relative Ilelligkeitsschätzung ergab folgendes Resultat:

No. 1. Hell. 4

2. 5

3. 1

4. 2

5. 3.

1877, Februar 2. Der Stern hatte wieder etwas an Licht- stärki’ abgenommen, er wurde 7.6 Grösse geschätzt. Im Spectium

832

Gesammtsitzung

waren die oben erwähnten 6 hellen Linien mit Sicherheit zu sehen auch schien ini Grün noch eine schwach helle Stelle zu sein. In beistehender Figur No. 3, welche negativ gezeichnet wurde, sind die hellen Linien nach vorgenoninienen Schätzungen eingetragen, dieselbe zeigt ausserdem die Ausdehnung und Nüancirung des con- tinuirlichen Spectrums. C erschien ganz istdirl.

Fig. 3.

. ^

i 2, , 3 /<- S 6’

1877, Februar 6. Die Nova nur wenig schwächer als 7.6

Grösse. Die rothe Linie war trotz Anwendung verschiedener Spec- troskope nicht mehr wahrzunehmen, sonst waren keine wesentlichen Veränderungen zu constatiren.

1877, Februar 16. Wiederum hatte das Licht des Sterns etwas abgenommen, was sich auch an dem continuirlichen Spec- trum erkennen Hess. Die hellen Linien mit Ausnahme von C

konnten noch gesehen werden, die letztere war verschwunden, auch wurde II7 nur mit Anstrengung bemerkt. Die vorgenommene llellig- keitsschätzung der Linien ergab folgendes Resultat:

No. 2. Hell. 5

3. 1

4. 2

5. 4

6. 8.

1877, März 1, 7*’. Der Stern hatte in den letzten 14 Tagen merkbar an Lichtstärke abgenommen, er wurde 8.5 Grösse ge- schätzt. Das Spectrum, wenn auch schwach, war immer noch in- teressant. Drei helle Linien sah ich noch mit Bestimmtheit, näm- lich No. 2, 3 und 4, die eine im Violett No. 5 nur muthmaass- lich. Nicht mehr zu sehen ausser C war für mich II7 (No. 6). Die blaugrüne Linie (No. 3) blieb die intensivste, und von den Wasserstofflinien hielt die Sichtbarkeit von F am längsten an.

Die Beobachtungen am Abend konnten von dieser Zeit an wegen immer tieferen Standes des Schwanes nicht fortgesetzt wer- den, und wurde der Stern zum ersten Male wieder nach langer Pause am 25. October in Potsdam mit dem inzwischen aufgestell- ten 8* Refractor von Grubb in Dublin beobachtet. Der Stern

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unterschied sich zu dieser Zeit wesentlich von den benachbarten Sternen durch sein mattes nebelartiges Licht. Das Spectroskop zeigte vornehmlich eine helle Linie, ausserdem noch eine Spur von continuirlichem Spectrum, letzteres von der hellen Linie aus nach dem Blau etwas deutlicher als nach dem Roth hin bemerk- bar. Diese noch übrig gebliebene helle Linie wird höchst wahr- scheinlich identisch sein mit der in den vorstehenden Beobach- tungen mit No. 3 bezeichneten Linie im Grün. (Nitrog. ?)

Im Anschluss an vorstehende Beobachtungen werde ich nun etwas näher auf die Frage über die mögliche Ursache des Auf- leuchtens von Sternen eingehen, um für künftige Beobachtungen eines solchen Phänomens einige Gesichtspunkte anzugeben, wel- che mir von Wichtigkeit zu sein scheinen.

Wenn wir an einer Stelle des Himmels, die bisher dunkel war, einen fixen Lichtpunkt plötzlich entstehen sehen, so müssen wir folgern, dass sich in der betreffenden Richtung, in welcher Entfernung es auch sei, eine Anhäufung von Materie befindet und befunden hat, von der wir bislang keine Kenntniss haben konnten, da sie nicht genügend leuchtete, innerhalb welcher aber Verhält- nisse eingeti’eten sind, die eine starke Wärme- und Lichtentwicke- lung zur Folge hatten. Es entsteht nun die Frage, wodurch kann das Eintreten einer so hohen Temperatur und glänzenden Licht- erscheinung erklärt werden? Die Beantwortung wird sich im We- sentlichen auf die Vorstellungen zu stützen haben, welche wir uns von den verschiedenen Entwickelungsphasen der Weltkörper mit Zugrundelegung der Beobachtungen machen können. Je grösser die Wahrscheinlichkeit ist, dass die diese Entwickelung begleiten- den Erscheinungen richtig beurtheilt werden, um so eher wird sich eine der Wahrheit nahekommende Erklärung für das Aufleuchten von Sternen finden lassen.

Der sichtbare Theil der uns umgebenden Fixsterne zeichnet sich dadurch aus, dass die Materie, aus welcher die Körper beste- hen, sich in einem hohen Glühzustande befindet. Es soll hier nicht untersucht werden, ob wie immer angenommen die Gravitation und

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Gesamvilsitzinig

die dadurch bewirkte Verdichtung der Materie die einzige Ursache 1‘iir diese Wänneentwickelung ist, oder oh sie noch in anderen Eigenschaften der Materie gesucht werden kann, sondern es gelle dieser an unzähligen Beispielen wahrgenonirnene, also wie es scheint unvermeidliche Gliihzusland für den vorliegenden Fall als Aus- gangspunkt,

Die (Buth eines Sterns wird sich von dem Zeitpunkte an, wo sie ihr Maximum erreicht hat, graduell vermindern und in demsel- ben Verhältnisse wird auch die Leuchtkraft nachlassen, sodass schliesslich nach Verlauf einer genügend langen Zeit die Abküh- lung auf einem Punkte ankommt, wo der Stern für unser Auge nur noch schwach sichtbar oder gänzlich verschwunden ist. In diesem Stadium müsste sich nothwendig ein Stern bereits seit ge- raumer Zeit befinden, der durch irgend welchen Vorgang von Neuem aufleuchtet, es fragt sich nur, unter welchen Verhältnissen und auf welche Weise kann dieses Verschwinden eintreten. Bei der grossen Entfernung der Fixsterne von der Erde sind wir gezwun- gen anzunehmen, dass die Masse eines Sterns, wenn derselbe überhaupt für uns sichtbar sein soll, in sehr hoher Gluth sich be- findet, und dass es durchaus nicht geboten erscheint sich jeden Stern, der dem Auge verschwunden ist, bereits mit einer aus che- mischen Verbindungen gebildeten compacten, abgekühlten Kruste versehen zu denken, welche das Licht der darunter hefiiullichen feuerflüssigen Materie verdeckt.

Ich möchte behaupten, dass es hierfür ausreicht sich den Stern mit einer stark Licht absorbirenden, aus abgekühlten Dämpfen be- stehenden Atmosphäre umgeben vorzustellen. Unter Voraussetzung einer Abkühlung, die nur dieses Stadium erreicht hat, scheint es mir weit eher möglich das Aufleuchten eines Sterns, welches mit grosser Intensität erfolgen muss, um auf so weite Entfernungen sichtbar zu werden, zu erklären. Es erscheint zweifelhaft, ob vul- kanische Eruptionen, wie sie zur Erklärung des Aufloderns heran- gezogen wurden, überhaupt dergleichen hohe Lichteft’ecte bewirken können, zumal da der Stern in einem Stadium seiner Entwickelung, wo sich bereits eine feste Kruste gebildet hat, mit einer dichten Atmosphäre von Dämpfen umgehen sein wird, die die Erscheinun- gen, welche auf der compacten Oberfläche stattfinden, verdeckt.

Aus diesen Gründen erscheint es mir nicht überflüssig zu ver- suchen, die bei dem Aufleuchten von Sternen beobachteten Erschei-

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nungen auch noch mit anderen Vorstellungen in Einklang zu brin- gen. Die neueren Beobachtungen der Fixsterne, insbesondere der Sonne, haben ergeben, dass die elementaren Stoffe auf diesen Kör- pern im Zustande der Dissociation verharren, und zwar in Folge der stattündenden hohen Temperatur. Die Wärme trennt, wenn sie einen bestimmten Grad erreicht, alle jene Associationen von Stoffen, die wir mit dem Namen chemische Verbindungen bezeich- nen. Wenn nun die Masse eines Fixsterns eine gewisse Stufe in der Abkühlung erreicht hat, so wird die Vereinigung von Stoffen zu chemischen Verbindungen erfolgen können^), und dadurch ein Theil der Wärme reproducirt werden, der zur Scheidung der Ma- terie aufgewenddt worden war.

Es wird statthaft erscheinen, in dieser unausbleiblichen Reak- tion die Ursachen für dergleichen Veränderungen zu suchen, die sich uns in einer temporären Erhöhung der Lichtintensität eines Sterns darstellen, und es verdient die chemische Affinität mit eini- gem Rechte zur Erklärung des Phänomens, wie es das Aufleuch- ten eines neuen Sterns darbietet, berücksichtigt zu werden. Es liegt in der Natur solcher chemischer Vorgänge, dass sie plötzlich eintreten, fast momentan ein Maximum der Wirkung erreicht wird, und sodann ein allmäliger Rückgang stattfindet. Genau das- selbe beobachten wir bei dem Aufleucliten eines Sterns. Derselbe wird plötzlich sichtbar und liegt das Maximum seines Glanzes stets am Anfänge der Erscheinung, von wo ab eine allmälige Abnahme beginnt. Das Eintreten vulkanischer Eruptionen würde kaum einen solchen Verlauf der Erscheinung bedingen, ganz abge- sehen von der Ursache, welche für eine so plötzliche und ausge- dehnte eruptive Thätigkeit gesucht werden muss.

Es ist zweifellos, dass jeder glühende Körper endlich das Stadium erreichen wird, wo diese chemischen Reaktionen beginnen, sie werden vielleicht schon während der Stern noch leuchtet die Ursache für temporäre Lichterhöliungen sein, da es, wie bekannt.

D S. meine Darlegtingen über die Sonderung der Elemente auf der Sonne, namentlich mit Rücksicht auf die Metalloide, denen sieh neuerdings auch II. Draper angesehlossen zu haben scheint. Bothkamper Beobacht, Heft III. S. 33 ff.

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Gesainmtsitzting

clieniisclu; A'crbiiiduugen giebt, die bei zieinlicli liolic'r 'reinperaliir sich bilden können. Die Dämpfe dieser Verbindungen würden mit der Zeit wesentlicli dazu beitragen den Dnrcbgang des Lichtes zu hemmen und durch ilire Vermehrung für uns das endliche Ver- löschen des Sterns herheizuführen, bis dann später, wenn die Tem- peratur so weit gesunken ist, dass die Vereinigung derjenigen ele- mentaren Stoft'e erfolgen kann, die einen beträchtlichen l>ruchth(‘il des Körpers ausmachen und eine bedeutende Verhrennungswärme entwickeln, ein plötzliches xVuflodern des Sterns erfolgt, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich dieser Vorgang hei ein und demsel- ben Körper in Folge der verschiedenen Dissociationstemperal In- der Stoffe mehrmals wiederholt, bis alle möglich«!! Vereinigungen erfolgt sind.

Um einen Maassstah für die Gesammtwirkung derartiger che- mischer Vorgänge zu haben, muss man die Temperaturerhöhung in Detracht ziehen, welche Gasgemische erfahren, deren Componenten eine chemische Vereinigung eingehen, und ferner welche VT)lumina von bereits glühenden Gasen auf einem Weltkörper voraussichtlich dabei in Action treten.

Die neuesten Arbeiten von M. Berthelot über die Verbren- nungstemperatur von Wasserstoff und Sauerstoff haben den Werth als zwischen 3800 und 2400° liegend ergeben. Welches ungeheure Wärmequantum mag hiernach allein auf der Erde frei geworden sein, als der vorhandene Wasserstoff mit dem Sauerstoff sich ver- einigte und das AVasser sich bildete. Es erklärt sich hieraus, dass ein neuer Stern noch lange nach seinem Auftlammen sichtbar blei- ben kann, denn der AVärmezuschuss, welchen die nichtbetheiligte Materie erhält, ist so gross, dass ein Nachleuchten für längere Zeit bew'irkt werden kann.

AVas nun die Erklärung der vermittelst des Spectroskops an neuen Sternen beobachteten Erscheinungen betrifft, so würde vor allen Dingen das Auftreten heller Linien, wie sie sowohl der Stern in der Krone als derjenige im Schwan gezeigt hat, mit der vorerw'ähnten Hypothese in Einklang zu bringen sein. Im Allgemeinen erfolgt das Auftreten heller Linien dann, wenn die glühenden Gasmassen sich über einem relativ weniger leuch-

) Conipt. rend. T. LXXXIV p. 407.

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tenden Grunde befinden, so z. B. auf der Sonne über den Flecken. Die spectroskopische Beobachtung der letzteren^) hat ergeben, dass die dunklen Wasserstofflinien sich über den Kernen in helle Linien verwandeln können, wenn die Bedingungen günstig, d. h. wenn einerseits die Kerne genügend dunkel und die glühenden Wasser- stoffmassen über ihnen durch heftige Einwirkungen eine genügende Verdichtung erfahren haben. Bei der Sonne lässt sich also das Auftreten heller Linien beobachten, indess nur für ein isolirtes verhältnissmässig kleines Stück der Oberfläche. Die hellen Linien würden nicht gesehen werden, wenn die Sonne so weit von der Erde entfernt wäre, dass ihr Din’chmesser keine messbare Grösse mehr ausmacht, wie das bei Fixsternen der Fall ist. Unter dieser Voraussetzung würden nur dann helle Linien gesehen werden kön- nen, wenn die ganze oder doch wenigstens ein beträchtlicher Theil der Oberfläche der Sonne mit dergleichen abgekühlten Dämpfen, wie solche die Flecken bilden, bedeckt wäre, und über dieser ab- sorbirenden Schicht glühende Gase, insbesondere Wasserstoff sich befänden. Der Vorgang, welcher das Entstehen heller Linien be- dingt, würde hiernach in den äusseren atmosphärischen Hüllen des betreffenden Körpers, beispielsweise der Sonne stattfinden müssen.

Genau diese Verhältnisse müssen aber der vorerwähnten Hy- pothese als Basis dienen, da wegen der vorausgegangenen Unsicht- barkeit oder Schwäche des Sterns eine den ganzen Körper um- hüllende, stark absorbirende Gas- und Dampfhülle als vorhanden angenommen werden muss, über der sich der Vorgang abspielt.

Die hellen Linien des Wasserstoffs waren bei dem neuen S chmi d t’schen Sterne sowohl am Anfänge des Erscheinens als dann noch zu sehen, als der Stern bereits bis zur 9. Grösse ab- genommen hatte. Daraus ist zu folgern, dass wenn die Wärme- und Lichtentwickelung von der Vereinigung von Wasserstoff' und Sauerstoff' herrührte, der Wasserstoff der äquivalenten Menge des Sauerstoffs nicht entsprach, sondern im Überschuss vorhanden war, und dieser Überschuss durch die Verbrennungswärme zum Glühen gebracht wurde; denn verbrennender Wasserstoff giebt bekanntlich nur continuirliches Spectrum.

Indess es konnte die beobachtete Lichterscheinung auch von der Verbrennung anderer elementarer Stoffe, von Metallen herrüli-

') Bothkamper Beobaclitungen III. p. 8. [1877]

60

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GemmmtxHzung

ren, in diesem Falle würde die Vereinigung von Wasserstoff und Sauerstoff uninüglich sein, da glühende Metalldämpfe die Hildung von Wasser verhüten. Der auf diese Weise isolirte Wasserstoff würde bei hinreichender Erhitzung das Linienspectrum geben.

Die von mir bei dem Sch midt’schen Stern anfänglich beob- achtete auffallende Breite der Wasserstofflinien, die sich sehr bald verringerte, ist ein ziendich sicheres Anzeichen dafür, dass dem Aufleuchten eine Explosion zu Grunde lag, welche an- fänglich und zwar in Folge der plötzlichen und heftigen Action eine Verdichtung, durcli die erzeugte Hitze eine nachfolgende an- dauernde Verdünnung der vorhandenen Gasmassen bewirkte. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass diese Wahrnehmung im vollsten Einklänge mit der vorstehenden Hypothese steht, ebenso wie der Umstand, dass das Spectrum eines neuen Sterns total von den Spectren der Fixsterne im gewöhnlichen Zustande verschie- den ist.

Die bei neuen Sternen beobaebteten auffälligen Schwankungen in der Helligkeit könnten vielleiclit durch ein successives Umsich- greifen der cliemischen Action erklärt werden. Es wird bei einer derartigen Explosion in grossem Maassstabe nicht die ganze, che- mische Affinität besitzende Masse mit einem Schlage sich zu Ver- bindungen vereinigen, sondern die Reaktion wird an einer bestimm- ten Stelle beginnen, sich allerdings rasch ausbreiten, in Folge der erzeugten hohen Temperatur aber mächtige Bewegungen in der Atmosphäre des Körpers hervorrufen, welche die Stoffe durch Wegschleuderung an einer sofortigen allgemeinen Vereinigung ver- hindern. Andererseits werden auch durch die Erhitzung locale Dissociationszustände wiedererzeugt werden, wodurch die lodernde (iluthmasse starke Schwankungen in der Intensität des ausgesand- ton Lichtes erkennen lassen wird.

Um die hypothetischen Anschauungen, welche ich mir über die Ursache des Erscheinens neuer Sterne gebildet und im Vor- stehenden in eingehender Weise erörtert habe, möglichst zu präci- siren, sei es mir gestattet in kurzen Worten den Inhalt der Dar- legungen zu wiederholen.

1. Das Aufleuchten neuer Sterne lässt sich unter Zugrundelegung der bisherigen Beobachtungen mit nicht geringer Walirsch ei n 1 i c h k ei t als die Wirkung der den

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elementaren Stoffen innewohnenden Affinitätskraft be- trachten.

2. Die Vorbedingungen und der Vorgang des Aufleuchtens würden dabei folgendermaassen gedacht werden können:

-Durch die fortschreitende Abkühlung der aus glü- henden Dämpfen und Gasen bestehenden Masse eines selbstleuchtenden Weltkörpers (Fixsterns) wird schliess- lich eine atmosphärische Hülle erzeugt, die das Licht in so starkem Grade absorbirt, dass der Stern von der Erde aus nicht mehr oder doch nur schwach gesehen werden kann. Wenn dann durch weitere Wärm eausstr ah - lung der Grad der Abkühlung erreicht wird, welcher für Bildung derjenigen chemischen Verbindungen erforder- lich ist, die einen wesentlichen Theil des Ganzen bil- den, so wird bei Vereinigung der betreffenden Elemen- tarstoffe eine bedeutende Wärme- und Lichtentwickelung stattfinden, welche den Stern plötzlich auf grosse Ent- fernungen hin für längere oder kürzere Zeit wieder sichtbar macht.

Es ist noch von Interesse einige ältere Beobachtungen^) neuer Sterne hier anzuführen, um zu untersuchen, wie sie sich zu der hier aufgestellten Hypothese verhalten, und wie weit sie über- haupt mit den Erscheinungen an dem S ch m i d t'schen Sterne in Übereinstimmung sind. Es stellt sich hierbei eine bemerkenswerthe Ähnlichkeit des Verlaufes aller Erscheinungen heraus, welche zu dem Schlüsse berechtigt, dass wir es bei denselben nicht mit zu- fälligen Ereignissen zu thun haben, sondern dass sie einen bestimm- ten Abschnitt in der Entwickelung der Weltkörper charakterisiren, welche Wahrnehmungen ihrer genaueren Lntersuchung eine noch erhöhte Bedeutung zu verleihen geeignet ist.

’) Eine Zusammenstellung der seit 2000 .Jahren neu erschienenen und wieder verschwundenen Sterne, siehe in Humboldts Kosmos III. Hd. S. 143 ff.

GO*

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Gesammt Sitzung

Ein grossartiges Phänomen war der Stern, welcher zuerst am 11. November 1572 von Tycho de Brahe in der Cassiopeja beobachtet wurde. Der Glanz dieses Gestirns war so gross, dass es bei reiner Luft selbst Mittags gesehen werden konnte. Obwohl die Beobachter damals auf die Anwendung des unbewatfneten Auges beschränkt waren, sind Tycho’s Angaben über die Eigenschaften des Sterns so ausführlich und genau, dass sie den besten Beob- achtungen dieser Phänomene an die Seite gestellt werden können. Er macht es zunächst wahrscheinlich, dass der Stern vor dem 5. November noch nicht sichtbar war. Man ersieht hieraus, dass das Aufleuchten auch dieses Sterns kein allmäliges war, sondern plötzlich stattfand. In Übereinstimmung hiermit wird an einer an- deren Stelle berichtet, dass der Stern sofort nach seinem Erschei- nen in seiner grössten Gestalt sichtbar war, gerade so, als ob sich ganz plötzlich eine so grosse Masse gebildet hätte. Der explosive Charakter der Erscheinung von 1572 ist hierdurch zur Genüge dar- gethan.

Besondere Beachtung verdienen die fortlaufenden Schätzungen der Lichtintensität, welche Tycho de Brahe w'ährend der Sicht- barkeitsdauer des Sterns vornahm. An einer mit Zugrundelegung seiner Daten gezeichneten Lichtcurve lässt sich für den Anfang der Erscheinung ein steiles Abfallen der Lichtintensität erkennen, wäh- rend im späteren Verlaufe die Lichtabnahme allmäliger erfolgt, eine Wahrnehmung, die auch bei den neueren Erscheinungen dieser Art gemacht worden ist, und die im guten Einklänge mit den oben dar- gelegten Ideen steht.

Sehr interessant sind auch die Beobachtungen Tycho de Brahe’s über den allmäligen Farbenwechsel des Sterns. Anfangs war der Stern glänzend weiss, nahm dann eine etwas gelbliche und später eine röthliche Färbung an, sodass er Anfang des Früh- jahrs 1573 in dieser Beziehung dem Aldebaran ähnlich war. Später gegen das Ende des Frühjahrs W'ar die röthliche Färbung ver- schwunden und der Stern erschien in einem Lichte, wie etwa Sa- turn. Diese Färbung behielt der Stern bis zu seinem Verschwin- den bei, nur wurde sie allmälig trüber und matter.

Die Vergleichung dieses Farbenwechsels mit der Lichtcurve ergiebt, dass die ausgesprocheneren Färbungen Weiss, Gelb und Rothgelb, die in der Reihenfolge wie sie auftraten der bekannten Abkühlungsscala entsprechen, in das erste Drittel der Sichtbarkeits-

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dauer des Sterns fielen, wo die Lichtcurve ein steiles Abfallen zeigt. Später erschien der Stern in einer unbestimmteren Farbe, etwa wie Saturn. Auch bei dem S cbm i dt’schen Stern sind ähnliche Wahr- nehmungen gemacht worden, und gab das Spectroskop hierüber den gewünschten Aufschluss. Es zeigte sich nämlich, dass das conti- nuirliche Spectrum, welches anfangs äusserst glänzend war, all- mälig verblasste, sodass schliesslich fast nur noch die hellen Gas- linien hervortraten. Diese Aufeinanderfolge der Erscheinungen, wie sie sowohl bei dem Tychonischen als auch dem S chmidt’schen Sterne beobachtet wurde, und vermuthlich bei allen aufleuchtenden Sternen eintreten wird, zeigt deutlich, dass bei dem Vorgänge eine Reihe von Stoffen in Action tritt, die um glühend zu werden je ein grösseres oder geringeres Wärmequantum erfordern, und in Folge dessen ein successives Verlöschen bestimmter Farbentöne im Spectrum hervorgebracht wird.

Die Dämpfe fester Körper werden im Anfänge der Erschei- nung, wo die entwickelte Hitze am grössten ist, ein intensives Leuchten in allen Theilen des Spectrums bedingen, während später nur noch die Gase als z. B. Wasserstoff und Stickstoff merk- bar fortglühen. Dieser letztere Zustand dürfte mehr oder weniger stattgefunden haben, als Tycho de Brahe seinen Stern nicht mehr röthlich, sondern in einem unbestimmten matten Lichte leuch- tend fand.

Noch verdient das starke Scintilliren, dessen Brahe in seiner Beschreibung Erwähnung thut, hervorgehoben zu werden. Er sagt, dass der Stern beständig scintillirte, selbst bis zum letzten Momente seiner Sichtbarkeit.

Der zuerst am 10. October 1604 im Ophiuchus beobachtete neue Stern war ebenfalls eine hervorragende Erscheinung dieser Art. Kepler schreibt darüber, dass der Stern in allen seinen Eigenschaften vollkommen mit dem Tychonischen Sterne überein- gestimmt habe. Besonders hervorgehoben wird an verschiedenen Stellen die starke Scintillation des Sterns, die diejenige der übrigen Fixsterne übertraf und die Beobachter in Erstaunen versetzte. (Diese auffallenden Lichtvibrationen scheinen allen auflodernden Sternen eigen zu sein.)

Von dem am 27. April 1848 von Hind entdeckten Sterne wird berichtet, dass er eine röthlich gelbe Färbung hatte, die zu- weilen plötzlich viel stärker zu werden und dann ebenso schnell

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GemmmtsiUunff

wieder zu verschwinden schien.* *) Also auch hier die charakteri- stischen Oscillationen in der Ausstrahlung des Lichtes.

Der erste von den neuen Sternen, der mit den llülfsmitteln der Spectral-Analyse untersucht wurde, war der 1866 am 12. .Mai von Birmingham entdeckte Stern in der nördlichen Krune. Der- selbe muss sehr plötzlich aufgetreten sein, denn J. Schmidt in Athen behauptete, dass derselbe am 12. .Mai vor 11 Uhr nicht vor- handen gewesen sein, oder, genauer ausgedrückt, die 5. bis 6. Grösse nicht überschritten haben könne, während doch der Stern nach Aussage des Entdeckers zwischen 11*’30'“ und 11**45‘“ in Tuam (Irland) gesehen und heller als « Coronae geschätzt wurde. Unter Berücksichtigung der Längendilferenz würde hiernach zu folgern sein, dass die Grenzen, zwischen denen das Erscheinen eingeschlossen ist, nur etwa drei Stunden auseinander liegen.

Die Farbe des Sterns war nach den Angaben des Entdeckers bei seinem Erscheinen nahezu weiss mit einem bläulichen Scheine, später wurde er von anderen Beobachtern röthlich oder orange gefunden. Nach dem 24. .Mai Hess sich über die Farbe nichts mehr aussagen.-) Die Lichtcurve des Sterns, welche in No. 1597 der Astr. Nachr. von J. Schmidt veröffentlicht wurde, zeigt einen ungemein steilen Abfall für den .Anfang der Erscheinung. Die tägliche Abnahme betrug regelmässig 2.09 Stufen.

W. Huggins’) fand den Stern am 16. und 17. Mai mit einem leuchtenden Nebel umgeben, der später nicht mehr gesehen werden konnte. _On the first evening I saw the Star (the 16**') a faint ne- bulositA' surrounded it. A comparative examination of neighbouring Stars on that evening showed that a very faint luminous haze re- ally existed about the Star. On the 17*** this nebulosity was su- spected only. On the 19“* and 21“* it was not seen."^ Da das Vorhandensein dieses leuchtenden Nebels von einem anerkannt ge- wissenhaften Beobachter mit solcher Bestimmtheit angezeigt wird, so liegt kein Grund vor an seiner wirklichen Existenz zu zweifeln, und diese wichtige Beobachtung zur weiteren Erklärung des Phä- nomens, wie es aufleuchtende Sterne darbieten, zu benutzen. Aus der vorübergehenden Erscheinung dieses den Stern umgebenden

*) Astr. Naehr. 636. ’) Asrr. Nachr. 1603.

*) Astr. Nachr. 1592.

vom 20. December 1877.

S43

selbstleuchtenden Nebels würde nothwendig zu folgern sein, dass bei der Katastrophe die Volumerweiterung der Gasmassen eine so bedeutende war, dass trotz der grossen Entfernung des Objectes der scheinbare äussere Durchmesser des letzteren noch eine mess- bare Grösse war. Dies würde aber einen Anhaltspunkt bieten, um sich von den bei deranigen Erscheinungen obwaltenden Raumver- hältnissen eine ungefähre Vorstellung zu machen.

Gesetzt, der Durchmesser des von Huggins beobachteten Ne- bels sei nur 1 Bogensecunde gross gewesen, während derselbe, damit er bemerkt werden konnte, in W irklichkeit ein Vielfaches dieser Quantität gewesen sein muss, und angenommen der Stern sei so weit entfernt wie a Centauri, so residtirt für den Halbmes- ser der Nebelhülle 0.54 der mittleren Entfernung zwischen Sonne und Erde.

Zieht man die Jahresparallaxe des Polarsterns in Rechnung, so müsste die Nebelkugel bereits einen Halbmesser von 5.50 Sou- nenweiten haben, um uns noch eine Secunde gross zu erscheinen. Auf unsere Sonne angewandt ergeben diese Zahlen im ersteren Falle eine Ausdehnung der glühenden Gasmassen über Merkur im letzteren Falle eine solche über Jupiter hinaus.

Man dürfte vielleicht geneigt sein, aus diesen Zahlen zu fol- gern, dass der neue Stern in der Krone eine nicht unbeträchtliche Parallaxe hat, weil im anderen f'alle für den wahren Durchmesser des Nebels ganz unermesslich hohe Werthe resuliireu würden. Jedenfalls wird es sich empfehlen bei der Erscheinung eines neuen Sterns den Versuch einer Parallaxenbestimmung vorzunehmen.

W’as nun die spectroskopischen Beobachtungen des Sterns in der Krone anbelangt, so haben dieselben ergeben, dass neben dunklen Absorptionsstreifen im continuirlichen Spectrum 5 helle Linien vorhanden waren, von denen drei als dem W’asserstoff an- gehörig erkannt worden. Im weiteren Verlauf der Erscheinung wurde das continuirliche Spectrum immer schwächer, sodass die hellen Linien verhältnissmässig glänzend erschienen, genau so wie es bei dem Schmidt’ scheu Stern der Fall war.

*) Astr. Nachr. 1586.

844

Gesammtsitzung vom 20. December 1877.

An eingegangenen Schriften wurden vorgelegt:

Revue scieutifi(jue de la Franee et de l' etranyer. N. 24. Paris 1877. 4.

Notiser ur Sdllskapets pro Fauna et Flora Fennica Förhandlingar. 4 G Haftet. Ny Serie. 1 3 Haftet. Helsingfors 1858 18G1. 8. Mit Be-

gleitschreiben.

Th. M. Fries, Genmäle etc. pro Fauna et Flora Fennica Notiser. Haft. V. och VI. Upsala 1862. 8.

Mittheilumjen des Deutschen Archäologischen Institutes in Athen. 2. Jahrg. 3. Heft. Athen 1877. 8.

Atti della Societa Toscana di scienze naturali residente in Pisa. Vul. III. Fase. 1. Pisa 1877. 8.

The Canadian Journal of Science, literature and history. Vol. XV'. N. VI. July 1877. Toronto 1877. 8.

F. Holmgren, De la cecite de couleurs dans ses rapports avec les Cheinins de /er et la Marine. Trad. du Suedois. Stockholm s. a. 8. Vom Verf.

Bulletin of the U. St. geological aud geographicul Survetj of the Territories.

Vol. III. N. 4. Washington 1877. 8.

F. V. Hayden, Report of the U. St. geological Survey of the Territories. Vol. XI. Washington 1877. 4.

Verhandlungen des naturhistorischen Vereines der preuss. Rheinlande und fTest- falens. .Jahrg. XXXIII. XXXIV. 4. Folge. .Jahrg. 3, Hälfte 2. Jahrg. 4. Hälfte 1. Bonn 1877. 8.

Bulletin de la Societe des Sciences de Nancy. Serie II. T. III. Fase. VI. 10. Annee 1877. Paris 1877. 8.

Bulletin de la Societe des Sciences naturelles de Neuchatel. T. XI. Cahier 1. Neuchatel 1877. 8.

Boletin de la Real Academiu de la Historia. T. I. Cuaderno I. Noviembre 1877. Madrid 1877. 8.

Monthly Notices of the R. Astronomical Society. Vol. XXXVIII. N. I. 1877. 8.

Annales de la Societe entomologigue de Beigigue. T. 20. Fase. 2. Bru.xelles 1877. 8.

J. Tebbutt, Results of meteorological Observutions. Sydney 1877. 8.

Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution, ib. eod. 8.

Fur-Bearing Animals: A monograph of North American Mustelidae. ib. eod. 8.

Nachtrag.

Auszug aus der am 16. April von Hrn. Kronecker gelesenen Abhandlung über Abelsche Gleichungen.

I. Eine rationale Function von Grössen

^hi,h2, ...

ßa == 0, 1,

' a=l,2, ... V

soll „cyklisch“ genannt werden, wenn sie bei der Substitution der Grössen

‘%,A2,...ä„+i,...ä, an Stelle von äo, ...ä„,...a, (a = i,2,...w)

unverändert bleibt. Jeder der Indices h„ ist hierbei auf den klein- sten nicht negativen Rest mod.?i„ zu reduciren.

II. Ist %{x) gleich dem Product aller n^, Factoren

und

...Äa + 1, ...Ä,;

/tj , Ä9 , ... h 9

SW

die Summation auf alle n^.n^ ... Werthe der Indices h erstreckt, so sind die Coefficienten der verschiedenen Potenzen von x in öa(.r) cyklische Functionen der n.^ .U:.^ ...n^ Grössen und

846 Nachtrag.

ferner, wenn die ?.nial iterirte Function ö mit bezeichnet wird:

) "^hi, ...h„+ u,...h^

und folglich

Die Gleichung %{x) '=. 0 ist hiernach unter Adjuriction der cykli- schen Functionen ilirer Wurzeln eine von jenen Gleiclmngen, die x\bel ini IV. Bande des Crelle’schen Journals behandelt hat, und soll deshalb, wie schon von Ilrn. C. Jordan geschehen, in einem weiteren Sinne, als in meiner Notiz im Monatsbericht von 1853, S. 368, „xVbelsche Gleichung“ genannt werden. Die Abelschen Gleichungen im engeren Sinne, die a. a. 0. Vorkommen, werde ich hier als „einfache Abelsche Gleichungen“ bezeichnen.

III. Demgemäss kann man die .\belschen Gleichungen in zweifacher Weise definiren:

Erstens nämlich ist eine Gleichung F{x) 0 eine Abelsche, wenn ihre Wurzeln nach v Dimensionen so angeordnet werden können, dass die hiernach als cyklisch zu charakterisirenden Func- tionen derselben (vgl. No. I) rationale Functionen gewisser Grös- sen , dV , ... sind, in dem Sinne, wie ich es im Monatsbericht

vom Februar 1873 S. 122 u. 123 näher ausgeführt habe.

Zweitens ist eine Gleichung F(x) =: 0, deren Coefficienten rationale Functionen von , 9i', ,'K”, ... sind, eine Abelsche, wenn ihre sämmtlichen Wurzeln ^ rationale Functionen irgend einer der- selben und der Grössen 3^ , dl', di", ... sind und zwar so, dass für je zwei dieser Functionen ö„ , 6q die Beziehung

Stattfindet.

Ebenso wie man mittels der in No. II gemachten Bemerkung von der ersten Definition zur zweiten gelangt, kann man von der zweiten Definition ausgehend die AVurzeln ^ nach u Dimensionen dergestalt ordnen, dass die hiernach als cyklisch zu charakterisi- renden Functionen derselben rationale Functionen der Grössen , 9i', Ji", ... werden. Bildet man nämlich aus den verschiedenen Functionen d in der Weise, wie ich es im Monatsbericht vom 1. December 1870 S. 882 bis 885 angegeben habe, ein Fundanien- talsystem

Nachtrag.

847

^2 ^3 •••

SO ist unter 6*“ die mal iterirte Function ö„ zu verstehen, und man hat

j/ir ,

-K

zu setzen. Hierbei gelangt man auch zu der kleinsten Anzahl der einzuführenden Indices.

IV. Jede rationale Function der n.^n2-.n^ Grössen

O'a 0,1,2,...«^ 1 V a=l,2,...y

lässt sich als lineare homogene Function derselben so darstellen, dass die Coeflicienten cyklische Functionen werden; denn diese Coefficienten bestimmen sich als solche aus den ^ Glei- chungen, welche man erhält, wenn man die cyklischen

Substitutionen anwendet. Bei dieser Darstellungsweise zeigen sich die rationalen Functionen der Grössen a’, welche m Bezug auf m- Indices cyklisch sind, als durch (j> Indices zu charakterisi- rende Grössen y, deren cyklische Functionen zugleich cyklische Functionen der Grössen x sind. Die Wurzeln von so zu sagen r- faltigen“ Abelschen Gleichungen sind daher auch Wurzeln von nur //-faltigen Abelschen Gleichungen, wenn den Grössen 81 , 9t', 0t", ... eine Wurzel einer (e //) faltigen Abelschen Glei- chung adjungirt wird, wie schon von Abel gezeigt worden ist.

V. Jede rationale Function von Wurzeln Abelscher Glei- chungen und den Grössen 91 , 81', 91", ... ist Wurzel einer Abel- schen Gleichung. Dies resultirt unmittelbar aus der ersten Defini- tion, wenn man die rationale Function der Wurzeln Abelscher Gleichungen durch die Gesammtheit der verschiedenen Indices cha- rakterisirt, welche die einzelnen Wurzeln kennzeichnen, d. h. also, man hat

h>

...

> ^*3 ) ••• > > ^3 > •••

zu setzen, wenn 77, ... Wurzeln verschiedener Abelscher

Gleichungen bedeuten und / eine rationale Function derselben ist.

848

Nach trat/.

VI. Ist = 1 , oüg' = 1 > ••• »nd

(r„=0,

also

und

so wird der Quotient

hot, ... *2<,-

eine rationale Function der Wurzeln der Einheit u.[ , , deren

Cold'ficienten cyklische Functionen der Grössen .v sind. Dies er- giebt sich leicht, wenn inan an Stelle der Einheitswurzeln u}^,uu^,... irgendwelche Variabein , ... nimmt und bei der Entwickelung

Congruenzen mit den Moduln: lü"* 1 , lüg' 1 , ... benutzt.

Hieraus folgt nun einerseits die Auflösbarkeit der Abelschen Gleichungen und andrerseits das Resultat, dass die zu irgend w'el- chen Abelschen Gleichungen gehörigen Grössen

sich von dem Product der zu einfachen .\belschen Gleichungen gehörigen Grössen o? nämlich:

nur durch einen Factor unterscheiden, der eine rationale Function der Einheitswurzeln uj\ , wi , ... und der Grössen 91 , 9x', 9i", ... ist.

VII. Aus den vorstehenden Entwickelungen geht hervor, dass die Grössen

^hit, hot, ...

‘^ki,ko, ...

sich als rationale Functionen der Summen

(*« = 0, l,...n„-l)

Nachtrag.

849

darstellen lassen, deren Coefficienten cyklische Functionen der Grössen x sind. Dies ergiebt sich aber auch direct, wenn inan diese Summen mit

41) 42)

'"l ^2 ■■■

bezeichnet und

r, , = 4>

41)

Ai+i-,

42)

‘■/m+Ao’

für 0, 1 , ... 1 , Ä’g = 0,1,... ??2 1 , ... setzt, da sich

hieraus die Functionen 4> oftenhar als cyklische Functionen der Grössen x bestimmen.

VIII. Aus der zweiten in No. III gegebenen Definition folgt unmittelbar, dass jeder Theiler einer Abelschen Gleichung selbst eine Abelsche Gleichung ist und andrerseits ist leicht zu sehen, dass auch das Product von Abelschen Gleichungen, deren Wur- zeln sämmtlich derselben Gattung angehören, eine Abelsche Glei- chung sein muss.

Es sind hier in üblicher Weise die Ausdrücke „Product‘‘ und „Theiler“ von den gleich Null gesetzten ganzen Functionen von x auf die Gleichungen selbst übertragen worden, und unter dem Be- grifle der Gattung algebraischer Functionen der Grössen jfi, 31', 3i",... sind wie in meinen früheren Aufsätzen alle diejenigen zusammen- gefasst, die rationale Functionen irgend einer derselben und eben jener Grössen 3i sind.

IX. Das in No. VII angegebene Resultat enthält den wich- tigen Satz, dass jede Wurzel einer beliebigen Abelschen Gleichung eine rationale Function von Wurzeln einfacher Abelscher Glei- chungen ist. Mittels dieses Satzes, welcher dem in No. V aufge- stellten correspondirt, finden sich die allgemeinen Abelschen Glei- chungen im Wesentlichen auf die „einfachen“ zurückgeführt und jener Satz im Monatsbericht von 1853 S. 373 erweitert sich in so abschliessender Weise, dass er auch in umgekehrter Folge seine Geltung behält und demnach so formulirt werden kann:

Alle Wurzeln Abelscher Gleichungen mit ganzzahligen Coefficienten sind rationale Functionen von Wurzeln der Einheit, und alle rationalen Functionen von Wurzeln der Einheit sind Wurzeln ganzzahliger Abelscher Gleichungen.

Dieser Satz giebt, wie mir scheint, einen werthvollen Einblick in die Theorie der algebraischen Zahlen; denn er enthält einen

850

Nachtrag.

ersten Fortscliritt in Beziehung auf die naturgemässe Classification derselben, welcher über die bisher allein beachtete Zusammenfas- sung in Gattungen hinausführt.

X. Betrefts der Methode, mittels deren ich jenen im Monats- bericht von 1853 aufgestellten Satz hergeleitet habe, ist hier noch anzuführen, dass sich für jede einfache Abelsche Gleichung un- graden (?» ten) Grades die in No. VI mit tr bezeichnete Grösse fol- genderniafsen darstellen lässt:

wo das Product auf alle Zahlen r zu erstrecken ist, welche rela- tiv prim zu n sind, wo ferner die Zahlen a durch die Bedingung

r .s = 1 mod n

mit den Zahlen r verbunden sind und

den positiven echten Bruch bedeutet, welcher nach Subtraction der

ganze Functionen von w bezeichnet, deren Coöfficienten rationale Functionen der Grössen Oi sind. Aus diesem Ausdrucke für rT). geht für den Fall, dass die Grössen ganz fehlen, d. h. für Abelsche Gleichungen, deren Coefficienten rationale Zahlen sind, jener Satz vom Jahre 1853 in der Weise hervor, dass bei Zerle- gung von /(://) in seine idealen Primfactoren der Ausdruck rrf. sich als ein Product entsprechender Kreistheilungs-Ausdrücke ergiebt. ln äbnlicher Weise habe ich auch schon einzelne Fälle behandelt, in denen die Grössen 9t gewisse algebraische Zahlen sind und ich hatte dabei von meinen im Monatsbericht von 1870 S. 881 und auch schon früher erwähnten zahlentheoretischen Untersuchungen Gebrauch zu machen, welche mit den seitdem von Hrn, Dede- kind veröffentlichten zwar in wesentlichen Punkten übereinstim- men, aber doch auch in manchen Beziehungen davon abweichen.

XI. Ich habe schon im Monatsbericht vom Jahre 1857 S. 455 ff. die Natur der Gleichungen dargelegt, deren Wurzeln singuläre Moduln von elliptischen Functionen oder elliptische Functionen selbst sind, deren Moduln singulär und deren Argumente in ratio-

r

Nachtrag.

851

nalem Verhältniss zu den Perioden stehen. Nach obigen Ausführungen können dieselben kurz als Abelsche Gleichungen bezeichnet wer- den, deren Coeficienten keine andern Irrationalitäten als Quadratwur- zeln ganzer Zahlen enthalten, und es ist zu vennuthen, dass die Ge- sammtheit solcher Gleichungen durch jene, die aus der Theorie der elliptischen Functionen hervorgehen, erschöpft wird.

Die er\vähnte Eigenschaft der Gleichungen, deren Wurzeln singuläre Moduln der elliptischen Functionen sind, habe ich im Jahre 1857 mittels folgender einfachen Betrachtungen, später aber noch auf verschiedene andre Weisen abgeleitet.

Es sei D eine negative ganze Zahl, D P 4ac und F(x) = 0 die Theilungsgleichung der elliptischen Functionen mit einem zu V D gehörigen singulären Modul, welche die Theilung der ganzen Perioden in a Theile ergiebt. Da nun diese elliptischen Functionen eine Multiplication mit zulassen, so kann aus

der Gleichung F(x) =■ 0 in bekannter Weise eine andere Gleichung desselben Grades ^(.r) = 0 hergeleitet werden, deren Wurzeln aus den elliptischen Functionen, welche die Wurzeln von F(x) =: 0 bilden, durch Multiplication der Argumente mit (b -t- 1^Z>) hervor- gehen. Diese Gleichung = 0 enthält aber (a l) mal die

Wurzel Null und jede andere genau amal, so dass

(.r) = (Cj -F Cg .r H f- c„

wird. Bei geeigneter Wahl der elliptischen Functionen ist hier der Coefficient selbst ein zweiter zu V D gehöriger singuläi’er Modul, welcher demnach rational durch den ersten Modul dargestellt er- scheint, und zwar so, dass die für die Abelschen Gleichungen charakteristische Vertauschbarkeit der Functionen stattfindet.

Es ist schliesslich noch auf den die Abelschen Gleichungen behandelnden Abschnitt in Hrn. C. Jordan’s 'Traite des substi- tutions S. 286 bis 292 zu verweisen, in welchem die Eigenschaften derselben aus denen der bezüglichen Substitutionsgruppen hergeleitet sind; doch findet sich der Inhalt des in No. IX ausgesprochenen Satzes, welcher den eigentlichen Zweck der vorstehenden Notiz bildet, dort nicht ausdrücklich hervorgehoben.

B e r i c li t i g ii n g.

S. 469 Z. 2 von oben statt: Namen des Mein lies: Namen der Meere.

5fcr. B erl. Ak.Wi ssensdi 18T7.p.68 2

l ’robalrachu.s vicf^liiius, B.Hpniilnchas schi^ticola

lith V -1-D i-’i anz Wi<)tier

i

Kuiv |fui-:tali ' orllii

Namen - Register.

(Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind im Monatsbericht nicht aufgefiihrt.)

Anwers, *Über die Resultate der Arbeiten der deutsch -russischen Expedi- tion nach Aegypten zur Beobachtung des Venns -Durchgangs vom 8. Dec, 1874, 22.

, *Über Resultate aus den Durchgangsbeobachtungen von Bradley’s

Quadranten, 455.

Baudi di Vesme, Conte Carlo, in Turin, Correspondent der phil. - histor. Klasse der Akademie, gestorben 4. März 1877.

Bauer, Über das Krystallsystem und die Hauptbrechungs - Coefficienten des Kaliglimmers, 684 712.

G. Berthold, Friedrich der Grosse und das Secretions-Gleichniss, 765 767.

V. Bethmann-Hollweg, M. August, Ehrenmitglied der Akademie, gestor- ben am 14. Juli 1877.

Beyrich, Über jurassische Ammoniten von Mombassa, 96 103.

, Über einen heteromorphen Ammoniten von Mosambique, 765.

Bo 11, Zur Physiologie des Sehens und der Farbenempfindung, 2 7.

, Zusätze zu der Mittheilung vom 11. Januar, 72 74.

Borchardt, *Über die Darstellung der Kummer’schen Fläche 4. Ordnung mit 16 Knotenpunkten durch die Göbel’sche biquadratische Relation zwi- schen 4 S’- Funktionen mit 2 Variabein, 372.

Braun, Alexander Carl Heinrich, in Berlin, ordentliches Mitglied der phys.- math. Klasse, gestorben am 29. März 1877.

[1877]

61

854

Namen-Begister.

Brockhaus, Hermann, in Leipzig, Correspondent der phil.-hist. Klasse der Akademie, gestorben 5. Januar 1877.

Bruns, *Über ein römisch - syrisches Rechtsbuch aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., 1.

Buff, Zur Blitzleitung, 820 824.

Buschmann, *Über die Ordinal-Zahlen der mexicanischen Sprache, dritter Theil, 425.

, Über die süd-indischen Sprachen: 1. Theil, 683.

Ciirtius, *Über neu gewonnene Resultate der athenischen Tttpographie und insbesondere über das Bythion, 299.

, Über Boden und Klima von Athen, 425 439.

, Zwei griechische Inschriften, 474 476.

Deffner, Die Inlinitive in den politischen Dialekten und die zusammenge- setzten Zeiten im Neugriechischen, 191 230.

Dill mann, Antrittsrede, 439 444.

Dove, *Über die intensive Wärme am 5. Juni 1877, 338.

Droysen, Beiträge zu der Frage über die innere Gestaltung des Reiches Alexanders des Grossen, 23 45.

du Bois-Reymond, *Mittheilung über die Rückkehr des Ilrn. Dr. Sachs aus Venezuela, 452.

, * Vermuthungen über eine denkbare Function der Spinalganglien,

733.

Duncker, *Über die eigenhändigen Memoiren Hardenberg’s, 239.

Ewald, *Über die neueren Fortschritte in der systematischen Behandlung der Kreidebildungen, 238.

, Über die Kreideformation in Mittel- und Unter-Italien, 826.

Exner, In welcher Weise tritt die negative Schwankung durch das Spinal- ganglion? 729 733.

Gross, Über electrolytische Ströme durch feste Satze, 500 504.

Grube, Anneliden-Ausbeute S. M. S. Gazelle, 509 554.

Hagen, Vergleichung der von 1846 bis 1875 an der Oshsee beobachteten Wasserstände, 559 561.

Harms, *Über die Formen der Ethik, 231.

Helmholtz, "“Über Herleitung der Bewegungsgleichungen für elektrisirte Körper in dielektrisch polarisirbaren Flüssigkeiten, 179.

, Über galvanische Ströme, verursacht durch Concentrations-

Unterschiede; Folgerungen aus der mechanischen Wärmetheorie, 713 726.

Hercher, *Zur Textkritik der Verwandlungen des Antoniuus Liberalis, 13.

Hofmann, Zur Kenntniss der Xylidine, 47 56.

jVamen-Begister. 855

Hofmann, Oxydation aromatischer Acetamine mittelst Kaliumpermanganat, 56 61.

, Zur Kenntniss des Chrysoidins, 62 68.

, Versuche über die Einwirkung des Chlor-, Brom- und Jodme- thyls auf Anilin, 374 389.

, Über die Einwirkung des Schwefelwassei’stoflfs auf die Isonitrile,

389 394.

, Über das Polysulfhydrat des Strychnins, 394 403.

, Über Tetraphenylmelamin, 403 406.

Hofmeister, Wilhelm, in Leipzig, Correspondent der phys.-math. Klasse der Akademie, gestorben am 12. Januar 1877.

Kiepert, *Über die geographische Lage des Schlachtfeldes am Granikus, 505.

Kirchhoff, G., Zur Theorie des Condensators, 144 162.

, Zur Theorie der Bewegung der Elektricität in unterseeischen oder

unterirdischen Telegraphendrähten, 498 611.

Kronecker, L., *Über Abelsche Gleichungen, 182.

, Über Abelsche Gleichungen (Auszug), 845 851.

, H. & W. Stirling, Über die Genesis des Tetanus, 759 753.

Kuhn, *Über die Zwerge als Geister der Verstorbenen, 183.

Langerhans, Über Acicitlaria Virchowii, eine neue Annelidenform, 727 729.

Lepsius, *Über die ägyptischen Elleii-Mafsstäbe mit Vergleichung der Per- sischen, Assyrischen und alt-babylonischen Ellensysteme, 1.

, *Über die Babylonisch - Assyrischen Längenmafse nach der Tafel

von Senkereh, 19.

, Weitere Erörterungen über das babylonisch - assyrische Längen-

mafssystem, 747 758.

Le Verrier, correspondirendes Mitglied der physikalisch -mathematischen Klasse der Akademie, starb am 23. Sept. 1877 in Paris.

Lohse, Über Schmidt’s neuen Stern im Schwan, 826 843.

Martens, v., Übersicht der während der Reise um die Erde in den Jahren 1874 1876 auf S. M. Schiff Gazelle gesammelten Land- und Süss- wasser-Mollusken, 261 291.

Mommsen, *Über den der Akademie übergebenen neusten Band der Mo- numenta Germaniae historica, 739.

, *Über die Familie des Germanicus, 741.

Moser, Galvanische Ströme zwischen verschieden concentrirten Lösungen desselben Körpers und deren Spannungsreihen, 674 676.

Olshausen, Beiträge zur Erklärung und Berichtigung der Pahlavi-Glossare, 765.

Oppert, Die Maasse von Senkereh und Khorsabad, 741 746.

61*

85G

Namen-Begister.

Peters, Über Fihinoceros inermis Lesson, G8 71.

- , Über eine neue Gattung von Flederthieren, Amorphochilus, aus Peru

und über eine neue Crocidura aus Liberia, 184 188.

, Herpetologische Notizen, 407 423.

, Über die von Hrn. Prof. Dr. K. Möbius 1874 auf den Maskarenen

und Seychellen, sowie über die von Hrn. Dr. Sachs itn vorigen .Jahr in Venezuela gesammelten Amphibien, 455 4C0.

, Über die von Hrn. Dr. C. Sachs in Venezuela gesammelten Fische,

409 473.

, Über die Ohrenrobben, Otariae, als Nachtrag zu seiner im vorigen .Talire über diese Thiere gelesenen Abhandlung, 505 507.

, Neue merkwürdige Art von fliegenden Fischen, Exocoetus (.-irriger

aus China und einen neuen Muraeniden, Ophichtfigs bitaeniutus, aus Mombas, 555 556.

, Übersicht der Amphibien aus Chinchoxo (Westafrika), welche von

der Afrikanischen Gesellschaft dem Berliner zoologischen Museum über- geben sind, 611 621.

, Über zwei fossile Wirbelthiere, Probatrachus vicetinus und Hemi-

trachus schisticola, aus den Tertiärbildungen von Ponte bei Laverdä im Vicentinischen, 678 682.

, Corrigendum, 682.

, Übersicht über die während der sibirischen E.xpedition von 1876

von Hrn. Dr. O. Finsch gesammelten Säugethiere, Amphibien und Fische, 734— 738.

Poggendorff, .Johann Christian, in Berlin, ordentliches Mitglied der phys.- math. Klasse, gestorben am 24. Januar 1877.

Pott, Aug. Friedr., in Halle, zum auswärtigen Mitgliede der philos.-histor. Klasse der Akademie gewählt am 17. Aug. 1877.

Rammeisberg, Ül)er das Atomgewicht des Molybdäns und über die phos- phormolybdänsauren Salze, 573 594.

, Über die Zusammensetzung des Aeschynits und Samarskits,

656 673.

vom Rath, Über eine neue krystallisirte Tellurgold -Verbindung, den Bun- senin Krenner’s, 292 296.

Reich enow, Übersicht der Fische aus Chinchoxo und anderen Gegenden Westafrikas, w'elche die Afrikanische Gesellschaft dem Berliner zoologi- schen Museum übersandt hat, 621 624.

Reichert, *Über das vordere Ende der Chorda dorsalis bei frühzeitigen Haifisch-Embryonen {Acanthias vulgaris), 164.

Riefs, Über den Blitzschlag auf das Schulhaus in Elmshorn am 20. April

Namen-Register.

Sbl

1876. (Kritische Bemerkungen zu dem Gutachten der Akademie am 14. Dec. 1876.), 8 10.

Riefs, Zur Blitzleitung, 820.

Roth, *Studien am Monte Somma, 13.

, *Über die Gänge des Monte Summa, 74.

Schott, Über den Stabreim bei Finnen und Tataren, 232 238.

, Über japanische Poesie und Metrik, 557.

Schräder, Über die Aussprache der Zischlaute im Assyrischen, 79 95.

, Über die Namen der Meere in den assyrischen Inschriften, 469.

S c h r o e t e r , Über eine den Brennpunkts - Eigenschaften der Kegelschnitte analoge Eigenschaft gewisser Oberflächen zweiter Ordnung, 594 596.

Siemens, Über die Abhängigkeit der elektrischen Leistungsfähigkeit des Selens von Wärme und Licht, 299 337.

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Strehlke, Messungen der Töne kreisförmiger Klangscheiben, 259 261.

Studer, Übersicht der Steinkorallen aus der Familie Madreporuria igjo- rosa, Eupaammina und Turhinarinu, welche auf der Reise S. M. S. Ga- zelle um die Erde gesammelt wurden, 625 655.

V. Sybel, Über die Österreichische Staatscoiiferenz vom Jahre 1836, 179.

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, Der Hospitaliter-Orden vom heiligen Geist, zumal in Deutschland,

339 371.

& Langerhans, Zur Anatomie der Appendicularien, 561 566.

, Über die am 13. August erfolgte Rückkehr des Hrn. J. M. Hil- debrandt nach Mombassa, 566.

, Zur Craniologie Illyriens, 769 819.

Vogel, H. C., Spectral-Photometrische Untersuchungen insbesondere zur Be- stimmung der Absorption der die Sonne umgebenden Gashülle, 104 142.

, Über das Spectrum des neuen Sterns im Schwan, 241 259.

Waitz, *Über kleinere Chroniken des XIII. Jahrliunderts, 22.

, *Über das Heerwesen des Deutschen Reichs im X. bis XII. Jahr- hundert, 452.

, *Übcr die verschiedenen Texte des Liber pontilicalis, 677.

Weber, *Über die Sinhdsanadcdtriiiyi/iä, 559.

858

Namen-Register.

Websky, Über Hornquecksilber von el Doctor in Mexico, 461 467. M’eierstrafs, *Zur Theorie der eindeutigen analytischen Funktionen (2. Ab- theilung), 820.

Zeller, "‘Über die Benützung der aristotelischen Metaphysik bei den älteren Peripatetikern, 77.

, *Über die Benützung der aristotelischen Metaphysik in den Schrif-

ten der älteren Peripatetiker, 184.

Abelsche Gleichungen, 182. 845 851.

Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit des Selens von Wärme und Licht, 299 337.

Ablabes Homeyeri n. sp., 620. 621.

Acicularia Virchowii, eine neue Anelidenform, 727 729.

Aeschynit und Samarskit, Zusammensetzung desselben, 656 673.

Agama congica, 612.

infralineata, 612.

picticauda, 612.

Ammoniten, jurassische, von Mombassa, 96 103.

, über einen heteromorphen von Mossambique, 765.

Amphibien, neue oder weniger bekannte, 415 422.

, von Professor Möbius 1874 auf den Maskarenen, von Dr. Sachs

1876 in Venezuela gesammelt, 455 460.

aus Chinchoxo (Westafrika), 611 621.

Anatomie der Appendicularien, 561 566.

Ann eli d en - A usb eute S. M. S. Gazelle, 509 554.

Antoninus Lifaeralis, 13.

Appendicularien, Anatomie der, 551 566.

Aristoteles, Akademische Ausgabe der Schriften desselben, Sammlung und Herausgabe der sämmtlichen griechischen Scholien und Commentare des- selben, 178.

Atomgewicht des Molybdäns und über die phosphormolybdänsauren Salze, 573 594.

860

Sach-Bet/ister.

Atractaspis congica, 616.

Hildebrandtii, 6l6.

natalensis, 616.

Aussprache der Zischlaute im Assyrischen, 70 95.

Batrachia, 459. 618 621.

Batrachus congicus n. sp., 622.

Beiträge zu der Frage Tiber die innere Gestaltung des Keiehes Ale.xanders des Grossen, 23 45.

Bemerkungen Tiber neue oder weniger bekannte Amphibien, 415 422. Benutzung der aristotelischen Metaphysik bei den älteren Beripatetikern, 77. Benützung der aristotelischen Metaphysik in den Schriften der älteren Be- ripatetiker, 184.

Be w egungs glei c hu nge n , Herleitung derselben für elektrisirte Körper in dielektrisch-polarisirbaren Flüssigkeiten, 179.

B 1 i tz 1 ei 1 11 ng , 820 825.

Blitzschlag auf das Schulhaus in h^lmshorn am 20. April 1876, 8 10. Bo pp- Stiftung, 451 452.

Bradley's Quadranten, 455.

Brennpunkts - Eigenschaften der Kegelschnitte, eine denselben analoge Eigenschaft gewisser Oberflächen zweiter Ordnung, 594 596. Caecilia dorsalis n. sp., 459.

Chaetostomus nigrolineatus n. sp., 471.

Chemie, 47 56. 56 61. 62 68. 374 389. 389 394. 394 403. 403 406.

Chorda dorsalis, vorderes Ende derselben bei frühzeitigen Haifisch-Embryo- nen (Acanthia vulgaris), 164.

Chroniken, kleinere, des XIII. Jahrhunderts, 22.

Chrysoidin, zur Kenntniss desselben, 62 68.

Condensator, zur Theorie desselben, 144 162.

Corpus inscriptionum Atticariiin, 176. 177.

Latinarum, 176.

Corrigeiidum, 682.

Craniologie Illyriens, 769 819.

Crocidura, neue, aus Liberia, 187 188.

Do ras albomaculatus n. sp., 470.

Dromicus (Alsophis) maciilivittis n. sp., 458.

Druckfehl er- Berichtigung, 852.

Eidechsen, die von Spi.x in Brasilien gesammelten, 407 414. Einwirkung des Chlor-, Brom- und Jodmethyls auf Anilin, 374 389. Ellen- Mafsstäbe, die ägyptischen, mit Vergleichung der Bersischen, 1.

Sack-Register.

861

Elmshorn, Blitzschlag zu, 8 10.

Ethik, die Formen derselben, 231.

Euprepes resplendens n. sp., 416.

Exocoetus cirriger n. sp., 555. 556.

Festreden, 14, 164 175. 425 444.

Fische, neue merkwürdige Art von fliegenden, Exocoetus cirriger, aus China und einen neuen Muraeniden, Ophichthys bitaeniatus, aus Mom- bas, 555 556.

-, die von Dr. Sachs in Venezuela gesammelten, 469 473.

, aus Chinhoxe (Westafrika), 621 624.

Flederthiere, eine neue Gattung derselben, Amorphochilus, aus Peru und über eine ueue Crocidura aus Liberia, 184 188.

Fortschritte in der systematischen Behandlung der Kreidebildungen, 238. Friedrich der Grosse, Herausgabe der politischen Schriftstücke desselben, 178.

und das Secretions-Gleichniss, 765 767.

Gänge des Monte Somma, 74.

Genesis des Tetanus, 759 763.

Geologie, 13. 74. 96 103. 238. 461 467. 765. 826.

Germanicus, die Familie desselben, 741.

Gestaltung, innere, des Eeiches Alexanders des Grossen, 23 45. Gleichungen, Abelsche, 182. 845 851.

Granikus, die geographische Lage des Schlachtfeldes an demselben, 505. Hapalogenys atlanticus ßchw. n. sp., 621. 622.

Hardenberg, eigenhändige Memoiren desselben, 239.

Heerwesen des Deutschen Reichs im X. bis XII. Jahrhundert, 452. Herleitung der Bewegungsgleichungen für elektrisirte Körper in dielektrisch polarisirbaren Flüssigkeiten, 179.

Herpetüsaura occidentalis n. sp., 416.

Hildebrandt, die letzten von demselben eingegaugeuen Mittheilungen, 182. _ - , dessen am 13. August erfolgte Rückkehr nach Mombassa, 566.

Hornquecksilber von el Doctor in Mexico, 461 467.

H ospi tali t er - 0 r den vom heiligen Geist, zumal in Deutschland, 339 371. Humboldt- Stiftung für Naturforschung und Reisen, Bericht über die- selbe, 14 18.

Hyla thesaurensis n. sp., 421.

Hyperolius adspersus n. sp., 619. 620.

teptosomus n. sp., 619.

Illyrien, Craniologie, 769.

Infinitive in den politischen Dialekten und die zusammengesetzten Zeiten im Neugriechischen, 191 230.

862

Sach-Begister.

Inschriften, zwei griechische, 474 47G.

Institut, Kaiser!. Archäologisches, in Koni und Athen, Bericht über das- selbe, 177. 178.

Kal igl immer, Krystallsvstem und Hauptbrechiingscoeflicicnten desselben, 684 712.

Klangscheiben, kreisförmige, Messungen der Töne, 259 261.

Kreidebildungen, neuere Fortschritte in der systemat. Behandlung der- selben, 238.

Kreideformation in Mittel- und Unteritalien, 826.

K ry s tal 1 sy s tem und die Hauptbrechungs-Coefticionten des Kaliglimmers, 684 712.

Kummer’sche Fläche 4. Ordnung, Darstellung derselben mit 16 Knoten- punkten durch die Göbel’sche biquadratische Relation zwischen 4 B- Funktionen mit 2 Variabein, 372.

Längenmafse, die Babylonisch-Assyrischen, nach der Tafel von Senkerch, 19.

Längeumafssystem, Babylonisch-Assyrisches, weitere Erörterungen darü- ber, 747— 758.

Lehrbach, Graf, 373.

Liber pontifiealis, die verschiedenen Texte desselben, 677.

Maafse von Senkereh und Khorsabad, 741 746.

Mathematik, 182. 372. 820. 845— 851.

Meere, über die Namen derselben in den Assyrischen Inschriften, 469.

Memoiren Hardenberg's, eigenhändige, 239.

Messungen der Töne kreisförmiger Klangscheiben, 259 261.

Meteorologie, 338.

Micro discopus, 421. = Phrynoglossus, 682.

Möbius, Prof. I)r. K., über die von demselben auf den Maskarenen und Seychellen, sowie über die von Ilrn. Dr. Sachs im J. 1876 in Vene- zuela gesammelten Amphibien, 455 460.

Mollusken, Land- und Süsswasser-, Übersiclit der vvährend der Keise um die Erde in den Jahren 1874 1876 auf S. M. Schill’ Gazelle gesam- melten, 261 291.

Molybdän, Atomgewicht desselben, 573 594.

Mombassa, jurassische Ammoniten von, 96 103.

Monte Somma, Gänge desselben, 74.

, Studien an demselben, 13.

Monumenta Gormaniae historica, Bericht d. Central-Direction, 446 449. 739.

Mossambique, über einen heteromorphen Ammoniten von, 765.

Neusterophis atratus n. sp., 614.

Notizen, herpetologische, 407—423.

Sach-Eegister.

863

Ohrenrobben, Otaria, Nachtrag über dieselben, 505 507.

Ophichthys bitaeniatus n. sp., 556.

Ordinal -Zahlen der mexicanischen Sprache, dritter Theil, 425.

Ostsee, Wasserstände von 1846 bis 1875, 559 561.

Oxydation aromatischer Acetamine mittelst Kaliumpermanganat, 56 61. Pahlavi-Glossare, Beiträge zur Erklärung und Berichtigung derselben, 765. Personalstand der akademischen Veränderungen, 14.

Phyllopegus (Hemidactylus) goyazensis n. sp., 415.

Physik, 2—7. 72—74. 104—142. 179. 241—259. 299—337. 500—504.

598—611. 713—726. 820— 825.

Physiologie des Sehens und der Farbenempfindung, 2 7.

Platurus laticaudatus, 417.

Pleurodema Sachsi n. sp., 460.

Poesie und Metrik, japanische, 557.

Polysulfhydrat des Strychnins, 394 403.

Preisfragen, 449 451.

Prooemium des Lucretius, 479 499

Kechtsbuch, ein römisch-syrisches aus dem 5. Jahrh. n. Chr., 1. Resultate der Arbeiten der deutsch - russischen Expedition nach Aegypten zur Beobachtung des Venus-Durchgangs vom 8. Dec. 1874, 22.

aus den Durchgangs - Beobachtungen von Bradleys’s Quadranten,

455.

, neu gewonnene, der athenischen Topographie und insbesondere

über das Pythion, 299.

Rhino c er OS inermis Lesson, 68 71.

Sachs, Dr., Mittheilung über die Rückkehr desselben aus Venezuela, 452.

, über die von demselben in Venezuela gesammellen Fische,

469—473.

Schlachtfeld am Granikus, geographische Lage, 505.

Schwankung, negative, in welcher Weise tritt sie durch das Spinalganglion? 729 733.

Schwefelwasserstoff, Einwirkung desselben auf die Isonitrile, 389 394. S.cincodipus congicus Ptrs. n. sp., 614.

Sehen, Physiologie desselben, 2 7.

Selen, Abhängigkeit der elektrischen Leitungsfähigkeit desselben von Wärme und Licht, 299 337.

Serrasalmo irritans n. sp., 472.

Sihhäsanadvätr inf ilcd, 559.

Sitzung, öffentliche, 14 18. 164 178. 425 452.

Spectrum des neuen Sterns im Schwan, 241 259.

864

Sach-Begister.

Spinalganglion, über eine denkbare Funktion derselben, 733.

, in welcher Weise tritt die negative Schwankung durch dasselbe?

729 733.

Spix, die von demselben in Brasilien gesammelten Eidechsen des K. Natu- ralien-Kabinets zu München, 407 414.

Sprachen, über die südindischen: den 1. Theil, 083.

Staatsconferenz. die Österreichische vom Jahre 1830, 179.

Stabreim bei Finnen und Tartaren, 232 238.

Steinkorallen, Übersicht derselben aus der Familie der Madreporaria aporosa, Eupsammina und Turbinarina, welche auf der Reise S. M. S. Gazelle um die Erde gesammelt wurden, 625 655.

Sterna ch US Sachsi n. sp., 473.

Stern, neuer, im Schwan, 826 843.

Ströme, electrolytische, durch feste Salze, 500-504.

, galvanische, zwischen verschieden concentrirten Lösungen desselben

Körpers und deren Spannungsreihen, 674 670.

, galvanische, verursacht durch Concentrations-Unterschiede; Folge- rungen aus der mechanischen Wärmetheorie, 713 720.

Tellurgold-Verbindung, eine neue krystallisirte, der Bunsenin Krenner’s, 292 296.

Tetanus, Genesis desselben, 759 768.

Tetraphenylmelamin, 403 406.

Theorie der Bewegung der Elektricität in unterseeischen oder unterirdischen Telegrapheudrähten, 498 611.

der eindeutigen analytischen Funktionen (2. Abth), 820.

Töne kreisförmiger Klangscheiben, 259 261.

Topographie, athenische, neu gewonnene Resultate, 299.

Typhi ops acuticaudus n. sp., 416.

(Onychocephalus) angusticeps n. sp., 417.

Übersicht der Amphibien aus Chinhoxo (Westafrika), welche von der Afri- kanischen Gesellschaft dem Berliner zoologischen Museum übergeben sind, 611 621.

der Fische aus Chinhoxo und anderen Gegenden Westafrikas,

welche die Afrikanische Gesellschaft dem Berliner zoologischen Museum übersandt hat, 621 624.

über die während der sibirischen Expedition von 1876 von JIrn.

Dr. O. Finsch gesammelten Säugethicre, Amphibien u. Fische, 734 738.

Untersuchungen, Spectral-Fhotometrische, 104 142.

Venus -Durchgang vom 8. Decemb. 1874, Resultate der Beobachtungen der deutsch-russischen Expedition nach Ägypten, 22.

SacJi-Begister. 865

Vergleichung der von 1846 bis 1875 an der Ostsee beobachteten Wasser- stände, 559 561.

Wärme, die intensive am 5. Juni 1877, 338.

Wasserstände an der Ostsee von 1846 bis 1875, 559 561.

Welsungensage, die alte, 240.

Wirbel thiere, zwei fossile, Probatrachus vicetinus und Hemitrichas schi- sticola, aus den Tertiärbildungen von Ponte bei Laverdä im Vicentini- schen, 678 682.

Xylidine, zur Kenntniss derselben, 47 56.

Zischlaute im Assyrischen, Aussprache, 79 95.

Zoologie, 68 71. 164. 184—188. 261 291. 407—423. 452. 455—460. 469 473. 505 507. 509 554. 555 556. 561 566. 611 621. 621 624. 678—682. 734—738.

Zusätze zu der Mittheilung vom 11. .Januar, 72 74.

Zusammensetzung des Aeschynits und Samarkits, 656 673.

Zwerge als Geister der Verstorbenen, 183.

*

k.-

■n

•V

A.

Inhalt.

Di« mit einem * bezeiciineten Vorträge sind ohne Auszug.

Seite

*Bruns, Über ein römisch -syrisches Rechtshuch aus dem 5.

Jahrh. n. Chr 1

*Lepsius, Über die ägyptischen Ellen -Mafsstäbe mit Ver- gleichung der Persischen, Assyrischen und alt- babylo- nischen Ellensysteme 1

Boll, Zur Physiologie des Sehens und der Farbenempfindung 2 7

Riess, Über den Blitzschlag aut’ das Schulhaus in Elmshorn am 20. April 1876 (kritische Bemerkungen zu dem Gut-

achten der Akademie vom 14. Dec. 1876) 8 10

*Herchek, Zur Textkritik der Verwandlungen des Antoni-

nus Liberalis 13

*Rotii, Studien am Monte Somma 13

Öffentliche Sitzung 14 18

Eingegangene Bücher 11. 13

I

Inhalt.

Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug.

Seite

*Lepsius. Uber die Babyloniscli- Assyrischen Längen-

niafse nacli der Tafel von Senkeerh 19

*\Vaitz, Über kleinere Clironiken des XIII. Jahrhunderts 22

*Auwers, Über die Resultate der Arbeiten der deutsch- russischen Expedition nach Aegypten zur Beobachtung des Venus-Durchgangs vom 8. Dec. 1874 .... 22

Droysen, Beiträge zu der Frage über die innere Ge- staltung des Reiches Alexanders des Grossen. . . 23 Ai>

Hof.mann, Zur Kenntniss der Xylidine 47 5G

, Oxydation aromatischer Acetamine mittelst Kalium- permanganat 56 Gl

, Zur Kenntniss des Chry'soidins 62 68

Peters, Über Rkinoceros inermis Lesson 68 71

Bole, Zusätze zu der Mittheilung vom 11. Januar . . 72 74

*Roth, Über die Gänge des Monte Somma 74

Eingegangene Bücher 19 22. 46. 74 75

f-

Inhalt.

Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind ohne Auszug.

*Zfller, Über die Benutzung der aristotelischen Meta- physik bei den älteren Peripatetikern

Schräder, Über die Aussprache der Zischlaute im As- syrischen

Beyrich, Über jurassische Ammoniten von Mombassa .

Vogel, H. C., Spectral-Photometrische üntersuchunffen nisbcsondere zur Bestimmung der Absorption der öonne umgebenden Gashülle

Kirchhofe, G., Zur Theorie des Condensators .

*Rhichert, Über das vordere Ende der Chorda dorsalis bei frühzeitigen Haifisch -Embryonen (Acanthias vul-

giiris)

Öffentliche Sitzung Eingegangene Bücher

. 77. 78.

Seite

77

79—95

96—108

104— ld2 144—162

164 164—178 143. 163

Dip mit einem * bezeiclineten Vorträge sind ohne Auszug.

Seite

V. Sybel, Übty- die Österreichische Staatsconferenz vom

-Jahre 1S-3G 179

*Helmiioi-TZ, über Herleitung der Hewegungsgleichun- gen für elektrisirte Körper in dielektrisch polarisir- baren Flüssigkeiten 179

*KnoNECKER, Über Abel’sche Gleichungen .... 182

ViRciiow, Über die letzten, von Hrn. J. M. Hildebrandt

eingegangenen Mittheilungen 182

*Kt’iin, Über die Zwerge als Geister der Verstorbenen. 183

*Zeli.er, Über die Benützung der aristotelischen Meta- physik in den Schriften der älteren Peripatetiker . . 184

Peters, Über eine neue Gattung von Flederthieren, AmorphocMlus, aus Peru und über eine neue Croci- dura aus Liberia 184 188

Deffner, Die Infinitive in den pontischen Dialekten und

die zusammengesetzten Zeiten im Neugriechischen . 191 230

Eingegangene Bücher . . . 180 182. 183. 184. 188. 189

In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind folgende Akademische Abhandlungen aus dem -Jahrgang 1876 erschienen:

Beksays, Die unter Philon’s Werken stehende Schrift über die Unzerstör- barkeit des Weltalls nach ihrer ursprünglichen Anordnung wiederherge- stellt und ins Deutsche übertragen. 1876. Preis: 4 M.

A. Kirchhofe, Zur Geschichte des Athenischen Staatsschatzes im fünften -Jahrhundert. 1876. Preis: 2 M. 20 Pf.

f

Die mit einem * bezeichneten Vorträge sind oiine Auszug.

Seite

*Hai{MS. Über die Formen der Ethik 231

Schott, Cher den Stabreim bei Finnen und Tataren . 232 238

*Ewald, Über die neueren Fortscliritte in der systema- tischen Behandlung der Kreidebildungen .... 238

*Dün'Cker, Über die eigenhändigen Memoiren Harden- bergs 239

^Müllenhoff, Über die alte Welsungensage .... 240

Vogel, Über das Spectrum des neuen Sterns im Schwan 241 259

Streiilke, Messungen der Töne kreisförmiger Klang- scheiben 259 261

VON Martens, Übersicht der Avälirend der Reise um die

Erde in den Jahren 1874 1876 auf S. M. Schiff Gazelle gesammelten Land- und Süsswasser-Mollusken 261 291

VOM Rath, Über eine neue krystallisirte Tellurgold-Ver- bindung, den Bunsenin Krenner’s 292 296

Eingegangene Bücher . . . 231, 232, 239, 240, 297, 298

In Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung sind folgende Akademische Abhandlungen aus dem Jahrgang 1876 erschienen;

Bersays, Die unter Pbilon’s AVerken stehende Schrift über die Unzerstör- barkeit des Weltalls nach ihrer ursprfingliehen Anordnung wiederherge- stellt und ins Deutsche übertragen. 187G. Preis: 4 M.

A. Kirchmofk, Zur f4e.schi. hte des Athenischen Staatsschatzes im fünften Jahrhundert. 1876. Prei.s: 2 M. 20 Pf.

Inhalt.

Di« mit einem * bezeielineten Vorträfje siml «line Auszug.

Seite

*CnRTirs, Über neu gewonnene Resultate der atheni- schen Topographie und insbesondere über das Pythion 299

Siemens, Über die Abliängigkoit der elektrischen Lei- tungsfähigkeit des Selens von Wärme und Licht . 299 3.S7

*Dove, Über die intensive Wärme am 5. Juni 1877 . 338

Vmciiow, Der Hospitaliter -Orden vom heiligen Geist,

zumal in Deutschland 339 371

*Hokcii.\kdt, Über die Darstellung der Kum mer’schen Fläche 4. Ordnung mit IG Knotenpunkten durch die Göbel’sche biquadratische Relation zNvischen 4 .r- Funktionen mit 2 Variabein 372

*v. Sybel, Über Graf Lehrbach 373

Hofmann, Versuche über die Einwirkung des Chlor-,

Rrom- und Jodmethyls auf Anilin 374 389

, Über die Einwirkung des Schwefelwasserstoffs auf

die Isonitrile 389 394

, Über das Polysulfhydrat des Strychnins .... 394 403

, Über Tetraphenylmelamin 403 40G

Peters, Herpetologische Notizen 407 423

Eingegangene Bücher 338, 372. 373, 423

Inhalt.

Dip mit piiieni * bezpifimntpn Vorträfjp sind oiiiip Auszug.

Seite

Vaiilen, Über das Prooeniium des Lucretius .... 479 499

Gross, Über electrolytische Ströme durch feste Salze . 500 504

*Kiei‘ERT, Über die geograpliische Lage des Schlacht- feldes am Granikus 505

Peters, Über die Obrenrobben, Otariae, als Nachtrag zu seiner im vorigen Jahre über diese Thiere gele- senen Abhandlung 505 507

Gri be, Anneliden-Ausbeute S. M. S. Gazelle . 509 554

Peters, Neue merkwürdige Art von fliegenden Fischen,

Exocoetus cirriger, aus China und einen neuen Mu- raeniden, Opliichthys hitaeniatuft, aus Morubas . . . 555 556

Schott, Über japanische Poesie und Metrik .... 557

Ein ge gange ne Bücher 50L 508. 557. 558

I n h a 1 1.

Die mit einem * bezeiclineten Vorträge sind olme Auszug.

Seite

Weber, Über die Sinlirisunadvatrin^ika

Hagen, Vergleichung der von 1846 bis 1875 an der

Ostsee beobachteten Wasserstände 559 561

ViRciiow & Langeriians, Zur Anatomie der Appendicu-

Rammelsberg, Über das Atomgewicht des .Molybdäns

und über die phosphormolybdänsauren .Salze . . . 573 59-

Scijroeter, Über eine den Brennpunkts-Eigenschaften der Kegelschnitte analoge Eigenschaft gewisser Ober- flächen zweiter Ordnung 594 59(

KiRcnnOFF, G., Zur Theorie der Bewegung der Elek- tricität in unterseeischen oder unterirdischen Tele- graphendrähten 498 61

Peter.s, Übersicht der Amphibien aus Chinchoxo (West- j

iifrika), w'elche von der Africanischen Gesellschaft ,

larien

561— 56i

, Über die am 13. August erfolgte Rückkehr des Ilrn. J. M. Hilde brau dt nach Moinbassa .

56»

, Übersicht der Fische aus Chinchc

Gegenden Westafrikas, welche die /xn nvai.iov..it v.».- sellschaft dem Berliner zoologischen .Museum über- sandt hat '

dem Berliner zoologischen Museum

. 621— 62|

Eingegangene Bücher

567 572. 59

T

I n h a 1 1.

-Dip mit einem * bezeiclineten Vortnlge sind ohne Anszup.

^^elclle <uif der Reise S. AJ. S. Ciazelle um die Erde gesammelt wurden 0*^^

Rammklsbkug, Über die Zusammensetzung des Aesdiv- nits und Samarskits '

Moskk, Galvanische Ströme zwischen verschieden con- centrirten Lösungen desselben Körpers und deren Spanmingsreihen

*Waitz, Über die verschiedenen Texte des Liber pon- tificalis

Peteks, Über zwei fossile Wirbelthiere, Probqtrac/ius vicetiims und llemitrichas schisticola, aus den Tertiär- bildungen von Ponte bei Laverdä im Vicentinischen G78

, Corrigendum

Bauek, Über das Krystallsystem und die Hauptbre- chungs-Coefficienten des Kaliglimmers (jgj

Helmiiolpz, Über galvanische Ströme, verursacht durch Concentrations- Unterschiede; Folgerungen aus der mechanischen AVärnietheorie 7];}

Langerhans, Über Acicularia Virchoivii, eine neue An- nelidenform

h^xNEK, In w-elcber Weise tritt die negative Schwan- kung durch das Spinalganglion? 799

•''EU Bois- Reyaiond, Vernmtlmngen über eine denkbare Function der Spinalganglien

Peters, Übersicht über die während der sibirischen Expedition von 1876 von Um. l)r. O. Finsch gesam- melten Säugethiere, Amphibien und Fische . . 7;-{4

Mom.msen, Über den der Akademie übergebenen neu- sten Band der Alonumenta Germaniae historica

Eingegangene Bücher. . . . G55. G77. 686. 712,13

‘^Bi'sciimaxx, über die süd I. Tbeil

-indischen Sprachen: den

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