A wo or Sr EEE Ba z nt a y = EHE E 2 er “ & “ ir De ” y = > Ep er 5 7 : - . 2 - GIER Br = : Ag “ = DETERERE; N D DL 2 er e m . FE ERS u EB 2 er “ E2 ne £ e aan x Dereie p r 2 r kn alu 23 z = u n n - PR 7 ns 5 ae nen Nele he TER Kenn et Se RN Date nut meee, 2 2 ee a > ee wit, 5 = ek ES B nn DA ren ENT, SERRE Sera ü Se Be S es > ne amd er er ee e Er ' T u aa MR PIL BEN LA ka RI NEBEN: r E% UWn Eh j DR 0 RN SIANTELNT nr sap Ars PRHIIH® MEYER FAUNA UND FLORA DES COLEES NOS NEID UND DER ANGRENZENDEN MEERES-ABSCHNITTE HERAUSGEGEBEN VON DER ZOOLOGISCHEN STATION ZU NEAPEL. XVI MONOGRAPHIE: CAPITELLIDEN VON DR. HUGO EISIG. MIT 37 TARBLN IN LITHOGRAPHIE UND 20 HOLZSCHNITTEN. ("220688 ) a War: - 2tional Museu BERLIN VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN 1557. Subscriptionspreis bei Entnahme von 5 Jahrgängen jährlich 50 Mark. Ip MONOGRAPHIE I DER CAPITELLIDEN DES GOLFES VON NEAPEL UND DER ANGRENZENDEN MEERES-ABSOHNITTE NEBST UNTERSUCHUNGEN ZUR VERGLEICHENDEN ANATOMIE UND PIIYSIOLOGIE VON DB= HUGO EISIG. MIT 37 TAFBLN IN LITHOGRAPHIB UND 20 HOLZSCHNLTTEN. HERAUSGEGEBEN VON DER ZOOLOGISCHEN STATION ZU NEAPEL. BERLIN VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN ZUNTHSONIAN, NOV 15 1993 LIBRARIE® 1857. Ladenpreis 120 Mark. ern 40529 Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. VOERW ORT. Im Jahre 1874 begann ich eine Reihe von Anneliden unter vorwiegender Berücksichtigung des excretorischen Systemes vergleichend-anatomisch zu bearbeiten. Bald drängte sich mir aber die Ueberzeugung auf, dass es für die Lösung der mir vorschwebenden Probleme unerlässlich sein werde, Eine Familie so intensiv wie möglich nach allen Richtungen hin zu erforschen, und als hierzu am meisten ge- eignet erwiesen sich aus mehreren Gründen die Capitelliden. Nachdem diese vor- wiegend Fragen morphologischer und physiologischer Natur gewidmeten Studien schon ziemlich weit fortgeschritten waren, wurde mir von Herrn Professor DonkN die Aufforderung, die von mir gewählte Annelidenfamilie für die herauszugebende „Fauna und Flora des Golfes von Neapel“ monographisch zu bearbeiten. Erklärte ich mich einerseits gerne dazu bereit, einer so verlockenden Aufforderung nachzu- kommen,. so unterliess ich doch auch andererseits nicht, sowohl dem Herrn Heraus- geber der Fauna und Flora, als mir selbst die Schwierigkeiten und Consequenzen klar zu machen, welche aus dieser Verschiebung des ursprünglich in’s Auge gefassten Zieles erwachsen würden. In der That ist es lediglich diesem ihrem Entstehungsmodus zuzuschreiben, dass sich die vorliegende Schrift nicht auf eine Monographie im wahren Sinne des Wortes beschränkt, vielmehr, wie der Titel sagt, zugleich Untersuchungen zur ver- gleichenden Anatomie und Physiologie umfasst. Hat nun aber auch die Vereinigung ausgedehnter vergleichender Untersuchungen mit speciell auf Eine 'Thiergruppe ge- richteten in der Praxis etwas Unbequemes, so bringt doch die gegenseitige Durch- dringung dieser Materien auch ihre Vortheile mit sich. So wäre ich ohne die ein- gehenden, speciellen anatomischen und systematischen Nachweise nie zur Einsicht VI Vorwort. in jene Organrelationen gelangt, welche zu einigen so weitreichenden Verglei- chen geführt haben, und umgekehrt würden auch manche speciell an Capitelliden gemachte Befunde ohne die durch so ausgedehnten Vergleich gewonnenen Erkennt- nisse blosse „Sonderbarkeiten“ geblieben sein. Ferner sei auch darauf hingewiesen, dass für alle scheinbar so heterogenen Materien der vergleichend gehaltenen Theile doch stets Organisationsverhältnisse von Capitelliden als Ausgangspunkte dienten. Es war zum Beispiel für das lange vergleichende Kapitel „Haut“ im morpholo- gischen Theile (in dem eine einheitliche Auffassung der stab- und fadenförmigen Secrete aller 'Thierelassen versucht wird) der Befund, dass die ephemeren Röhren von Capitella aus Stäbchen oder Fäden bestehen, maassgebend. Für das ausführ- liche Eingehen auf die Phylogenie des Excretionsapparates lieferte das eigenthümlich dysmetamere Verhalten der Nephridien von Capitella den ersten Anstoss. Und die in dem Kapitel „Nephridien“ des physiologischen Theiles enthaltenen Erörterungen über die Entstehung und ursprüngliche Bedeutung der Pigmente wurzeln in dem Factum, dass bei gewissen Capitelliden die Nephridien in die Haut münden, respec- tive, dass gefärbtes Excret in Form von „Pigment“ in die Haut deponirt wird. So viel zu meiner Rechtfertigung gegenüber denjenigen meiner Leser, die eine Mo- nographie im strengen Sinne des Wortes von mir erwartet haben. Die Berücksichtigung so vielfacher, weit über die traditionellen Grenzen einer Monographie hinausgehender Themata erheischte nun eine um so grössere Sorgfalt bei der Anordnung des Stoffes. Die Ausarbeitung, wie sie jetzt vorliegt, geschah denn auch nach einem reiflich bis in seine Einzelheiten erwogenen Plane. Entscheidend hierfür war in erster Linie die Erfahrung, dass Schriften wie diese nur von Wenigen durchgelesen, von Vielen dagegen je nach ihren speciellen Interessen in dem einen oder anderen Theile oder Kapitel berücksichtigt werden, und eben um dieser Mehrheit von Nachschlagenden gerecht werden zu können, trachtete ich zunächst danach, die vier Theile meiner Schrift möglichst voneinander unabhängig zu machen. Dies war natürlich nicht ohne gewisse Wiederholungen zu erreichen. So beginnt jedes Kapitel des anatomisch-histologischen Theiles mit dem Abschnitte „Allgemeine Körperform‘“, worin die in den folgenden Abschnitten ausführlich be- schriebenen Organsysteme des betreffenden Genus kurz charakterisirt werden, um Denen, welche nur den einen oder anderen Abschnitt zu consultiren haben, rasch ein Bild von der Gesammtorganisation der betreffenden Form zu verschaffen. Es beginnt ferner jedes Kapitel des vergleichend-anatomischen Theiles mit dem Ab- schnitte „Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden“, und hierin ist (abge- Vorwort. VIl sehen von dem Vergleiche zwischen den betreffenden Organsystemen der verschie- denen Capitellidengattungen) auch ein Resume der im ersten "Theile enthaltenen ausführlichen Beschreibungen gegeben, so dass, wer nur das Morphologische im Auge hat, wohl in vielen Fällen genug vom anatomischen Verhalten erfahren oder wenigstens bequem darauf recurriren kann. Weiter habe ich im physiologischen Theile alle hier besprochenen Organe auch anatomisch so weit charakterisirt, dass ein Zurück- greifen auf die vorhergehenden beiden Theile nicht unter allen Umständen noth- wendig ist. Endlich figuriren auch in den Beschreibungen des systematischen Theiles viele anatomische Data nochmals, um auch hier das Zusammensuchen derselben zu ersparen. Die Wenigen, welche dieses Buch wirklich durchlesen, mögen daher, insofern sie etwa durch diese Wiederholungen gestört werden sollten, den wohl- bedachten Zweck derselben im Auge behalten und dem Autor glauben, dass kein Theil seines Textes ihm mehr zu schaffen machte, als eben diese Wiederholungen. So viel über das gegenseitige Verhältniss der Theile Was nun die Anordnung und Behandlung des Stoffes innerhalb derselben betrifft, so sei Fol- gsendes bemerkt. Im „Anatomisch-Histologischen Theile‘ werden die sämmtlichen Genera des Golfes der Reihe nach anatomisch geschildert. Ueber die etwaigen Feststel- lungen früherer Forscher berichtet ein Resume an der Spitze jedes Abschnittes, welcher ein Organsystem der ersten und grundlegenden Gattung (Notomastus) be- handelt. In diesem Theile, auf dessen Inhalt sich eine Reihe von weitgehenden Folgerungen stützen, habe ich mich bemüht, so objectiv wie es unsere heutigen Methoden überhaupt zulassen, die Thatsachen, welche speciell die Familie der Oapi- telliden betreffen, darzustellen. Vergleiche und Reflexionen sind, wenn nicht etwa ein gegebenes problematisches Gebilde für die Analyse überhaupt erst zugänglich gemacht werden sollte, absichtlich vermieden worden. Welch grosse Eintönigkeit auch solche Trennung in den Schilderungen verursacht, so hat sie doch den Vor- theil, dass die Darstellung der Thatsachen übersichtlich bleibt, und dass auch die spätere Entwickelung der Folgerungen, eben weil die Voraussetzungen schon be- gründet sind, nicht fortwährend durch Anführung der Beweisstücke unterbrochen zu werden braucht. Im „Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theile“ bil- den die Organsysteme das oberste Eintheilungsprincip ; jedes einem Systeme gewid- mete Kapitel zerfällt wiederum in folgende Abschnitte: 1) „Vergleichende Zusam- menfassung der Capitelliden“, 2) „Vergleich mit anderen Anneliden “, 3) „Vergleich VIII Vorwort. mit anderen Thierclassen “. Da wir es aber hier nicht mit einem Lehrbuche, sondern mit einer Arbeit zu thun haben, welche von Erfahrungen an einer be- stimmten T'hiergruppe ausgeht, so wird es nicht auffallend erscheinen, dass sich je nach den Organsystemen die Vergleiche bald in einem engeren, bald in einem weiteren Kreise bewegen. Die hier versuchten Verallgemeinerungen sind vor- wiegend morphologischen Inhaltes und stützen sich in der Regel auf meine Befunde an den Capitelliden, sowie auf die Ergebnisse der Litteratur. In einzelnen Fällen aber (so im Kapitel „Haut“) hatte ich auch noch eigene, hauptsächlich an anderen Anneliden gemachte anatomische Untersuchungen zum Vergleiche heran- zuziehen. Der „Systematisch-Faunistische Theil“ zerfällt in zwei Kapitel, deren erstes die speciellen Beschreibungen und kritischen Uebersichten der Arten enthält, während das zweite der Frage nach den Verwandtschaftsbeziehungen der Capitel- liden gewidmet ist. Eine sehr ungleichmässige Behandlung macht sich auch im „Physiologi- schen Theile“ geltend, indem eben nur solche Organe oder Organtheile in’s Auge gefasst wurden, deren Function noch unaufgeklärt, oder solche, deren Studium für die Anbahnung eines besseren Verständnisses gewisser allgemeiner physiologischer Fragen besonders geeignet erschien. Dass in einem Werke, dessen Schwerpunkt in der Feststellung systematischer und anatomischer 'Thatsachen, sowie in der Erör- terung morphologischer Beziehungen liegt, auch ein besonderer physiologi- scher Theil besteht, bedarf leider noch der Rechtfertigung. Die scharfe Sonderung in Morphologie und Physiologie hat sich Hand in Hand mit der consequenten Definition der Begriffe „homolog“ und „analog“ voll- zogen, und insofern die Erkenntniss und Feststellung dieser beiden Begriffe davon abhängig war, haben sich ohne Zweifel die Fürsprecher jener Sonderung ein hohes Verdienst um die Anbahnung der morphologischen Disciplin erworben. Mit Un- recht ist nun aber diese nothgedrungene, zeitweilige Trennung zum Principe er- hoben worden; denn, wenn auch die T'hatsachen der vergleichenden Anatomie und Embryologie genügen, um Relationen zwischen scheinbar heterogenen Organen auf- zudecken, so kann doch auf Grund dieser Disciplinen allein niemals nachgewiesen werden, wie das Organ | dazu kam, sich in B umzuwandeln, oder wie aus dem Organe 1 einerseits B und andererseits € hervorging, und in Fällen, in denen die supponirte Relation oder (wie wir diese Art von Beziehungen nennen) Homologie fraglich ist, da kommt auf diesen Nachweis als Kriterium sehr viel an. Ein Bei- Vorwort. IX spiel, das mir nahe liegt: Ein neuraler, mit dem Darmkanale in offener Verbindung stehender, schlauchförmiger Anhang gewisser Wirbelloser, der Nebendarm, wird mit der Chorda dorsalis der Vertebraten verglichen. Ausgangspunkte für diesen Ver- gleich sind die correspondirenden Lagerungsverhältnisse der beiderseitigen Organe, sowie der Nachweis, dass die Chorda embryonal sich in Form eines Rohres oder Stranges vom Darme abschnürt. Damit ist so ziemlich erschöpft, was die Morpho- logie vorläufig zur Begründung des Vergleiches zu leisten vermag. Die weitere Frage aber, von deren Beantwortung unsere Anerkennung des Vergleiches abhängen wird, ob und wie nämlich ein mit dem Darme communicirendes Rohr sich in ein solides Axenskelet umwandeln konnte, ist nicht mehr morphologischer, sondern physiologischer Natur. In unserem Falle führt daher das Problem zunächst zur Frage nach der Function des Nebendarmes, ferner zur Frage, ob sich an der Hand dieser ursprünglichen Function direct, oder aber auf Kosten derselben an der Hand einer Nebenfunction die allmähliche Umwandlung des Organes in eine Chorda voll- zogen haben, mit anderen Worten, ob und eventuell was für ein Funktionswechsel statt- gefunden haben könne. Es wurde in dieser Schrift zu zeigen versucht, dass der Nebendarm der Anneliden respiratorisch fungirt, und dass wirklich die respiratorische und stützende Function nebeneinander thätig sein und die eine auf Kosten der anderen sich einseitig des Organes bemächtigen konnte. Ebenso wie nun aber die Morphologie, sobald sie in ihren phylogenetischen Ableitungen nach dem ,ob“ und ‚‚wie“ zu fragen gezwungen ist, der physiologischen Betrachtungsweise nicht entbehren kann, so reicht auch für manche Probleme der Physiologie ihre specielle Methodik, wie vollkommen auch diese dank der Heranziehung von Physik und Chemie sich ge- staltet hat, nicht aus, und zwar deshalb nicht, weil die Relationen, auf Grund deren gewisse Thatsachen der Physiologie erst zur Verallgemeimerung befähigt werden, selbst nicht im physiologischen, sondern im morphologischen Gebiete wurzeln. Auch hierfür Ein Beispiel aus dieser Schrift. Ich konnte nachweisen, dass die Nephridien aller Capitelliden-Genera gefärbte Concretionen enthalten; ähnliche Coneretionen fanden sich bei denjenigen Gattungen, deren Nephridien rückgebildet sind, in seg- mentalen Wucherungen der Leibeshöhle; ähnliche ferner wiesen bei den meisten Gattungen die Blutscheiben auf, und mit denjenigen von Nephridien identische fanden sich endlich auch in der Haut gewisser Formen als sogenanntes Pigment vor. Die chemische Untersuchung dieser Concretionen hat den Nachweis eines be- kannten stickstoffhaltigen Zersetzungsproduktes zur Folge gehabt, und darauf gestützt wird der Schluss des Physiologen lauten, dass bei diesen Thieren das fragliche Zer- Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. b R Vorwort. setzungsprodukt in den Nieren, in der Leibeshöhle, im Blute und endlich auch in der Haut vorkommt. Wie anders wird nun aber dieser Schluss vertieft durch den eleichzeitigen Nachweis des Morphologen, dass die drüsigen Abschnitte der Ne- phridien vom Peritoneum abstammen, dass jene segmentalen, cölomatischen Wuche- rungen ebenfalls Abkömmlinge des Peritoneums sind, dass die Blutzellen aus dem Pcritoneum hervorsprossen, und dass jene Concretionen der Haut vorwiegend durch die Nephridien als Pigment dahin deponirt werden! Ich kann hier die lange Reihe von Folgerungen, zu denen diese Doppeleinsicht in die morphologische und phy- siologische Natur der „Nierenorgane‘“ geführt hat, auch nicht einmal andeuten und verweise daher auf die betreffenden Kapitel des physiologischen Theiles. Ein blosser Austausch der unabhängig von einander von Morphologen einer- und Physiologen andererseits gewonnenen Resultate genügt also nicht. Erstere müssen sich selbst für das Physiologische interessiren, um das für den Physiologen Interessante über- haupt herausfinden und, sei es auch nur als Rohmaterial, mittheilen zu können. Und als solches Rohmaterial zur exacteren Verarbeitung möchte ich denn auch, dass meine speciell physiologischen Daten von Seiten der Physiologen betrachtet werden. Ich bilde mir nicht ein, in dem eben über das Verhältniss von Morphologie und Physiologie Gesagten neue Gedanken entwickelt zu haben. Berufeneren haben wir die Initiative zu einem Umschwunge dieses Verhältnisses zu verdanken. Im Interesse baldiger Verwirklichung dürfte es aber eine gewisse Zeit hindurch nicht überflüssig sein, dass Jeder, der solchen Umschwung für nothwendig hält, dieser Nothwendig- keit speciell auf Grund seiner Erfahrungen Ausdruck verleiht. Wirksamer noch freilich wird auch in dieser Hinsicht die Bethätigung sein, und zu einer solchen bietet sich ja bald eine günstige Gelegenheit, indem, während ich dieses nieder- schreibe, dank den unausgesetzten Bemühungen des Schöpfers der Zoologischen Station, ein Neubau seiner Vollendung zustrebt, der die Einrichtung eines physio- logischen Laboratoriums an der Meeresküste und so auch das Zusammenwirken mit Physiologen da ermöglichen wird, wo bisher schon zahlreiche Botaniker und Zoo- logen zu nicht geringem c gegenseitigen Vortheile zusammen gewirkt haben. Neapel, Zoologische Station, im November 1887. Der Verfasser. Vorwort . INHALTSVERZEICHNISS”. MDHaltsverzeichti iss ee een he ee wlan wife Dinleiitinee io. oo 6, kr ar nom 0 ao oe BR Eee r A. Anatomisch-Histologischer Theil. IEENGTOMASEUSHEFRHTE RENTE BAT a es EAN gEMEMERKOrDErIOTm ee ee ro SEEN, Dr Be. On oe ed DE Aeneon Io EERESEE RO Dur EELEı EEE ER RR DE NONE) Wespen oc ne ON ee 1 ER ER RE e DEWP EL OGEN SE ER ee ee ee Struetur 22. Nachwachsendes Schwanzende 24. Grenze Haut-Muskulatur 25. Innervation 26. Ver- änderung bei geschlechtsreifen Thieren 27. SaMuskulaetunineser: ker el. NEE RR . 5 ie Tückensystem 30, Mächtiekeit und Anordnune 30. Seitenlinie 31. Paradoxes Verhalten des letzten ‘ ie} » Thoraxsegmentes 32. 'Transversale Muskulatur 33. Inanspruchnahme der Stammesmuskulatur zur Lieferung seeundärer Muskeln 33. Histologisches Verhalten 34. AEDArND Kanal ee Eee ee ee ee EEE N 20 ae GERT) ELSEIESSCH ee ae en Or PO ae Bedeutung für Ortsbewegung und Respiration 37. Rüsselretractoren und ihre Ganglien 37. Becher- förmige Organe 38. Structur 38. DEE) ES pErseröhneil ee U ee ee ee Struetur 40. Nervenendigungen 41. e. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm) - - » » >: 2 2 2 2 nn nn nen Färbung 42. Nebendarm 43. Wasseraufnahme 44. Lymphatische Zelldivertikel 44. Darmzellen 45. Nervenendigungen 46. Epithelmuskelzellen 47. Structur Nebendarm 47. Veränderung bei ge- schlechtsreifen Thieren 48. BCENILALOSTNETVENSySLOEmı ...0...0: Kr rasen eilreatel ie orte ef anal are e Historisches 51—53. 0 DasGehun en: on DE N sh Teeny lei Obere Schlundeanglien 53. Schlundring 57. Untere Schlundganglien 58. ber Der Baucksuang 2 20 ee ; Br ee \ BR Se An Form, Anordnung 58. Neurilemma 61. Ganglien 62. Ganglienzellen 63. Nervenfibrillen 64. Zusammenhang von Zellen und Fibrillen 65. Neurochorde 67. Verhalten im Schwanzende 69. Spinalnerven 69, Seite 29 * Anstatt eines Registers gebe ich ein ausführliches Inhaltsverzeichniss; denn meiner Erfahrung nach ist es bei Schriften wie die vorliegende leichter, sich an der Hand eines ihren Inhalt recapitulirenden Verzeichnisses, als mit Hilfe eines auf der Auswahl von Schlagwörtern beruhenden Registers zu orientiren. b* Xu Inhaltsverzeichniss. Seite 6; »SINNESOLLÄNE +. -. 2. 1, el ee ee are de ee ra hob Ha tee veser te Kerr ı() a. Die Augen . . N SR oe Ser aa aso no wann. 8 08 Cutieula und Bi podetmelemenis 70. Lichtbrechende Zellen, Struetur-Schema Tl. b. Die Wimperorgane . . . oe we Di ao. Vor no oma dl Habitus 71. Historisches 72. "Sinutur 73. Nervenversorgung 75. 22 HP)e IS eitenon Jan ee 1 Historisches 76. Seitenorgane des Abdomens: Einstülpung 71. Lage7S. Grösse 79. Form, Muskeln der Sinnes- hügel S0. Structur: Sinneshaare S0. Cutieula, Stäbchen 82. Spindeln, Körner 83. Innervation $4. Haarfeld-Retractor S6. Struetur-Schema 87. Seitenorgane des Thorax: Retractilität derselben S8. Lage 89. Seitenorgan-Höhle und -Spalte 90. Form der Sinneshügel, Retraetilität des Haarfeldes 91. Grösse und Struetur der Hügel 92. Muskeln der Hügel, Haarfeld-Retraetor 93. Innervation, Eetodermale Natur der Seitenorgane 94. d. Die becherförmigen Organe . . . es oo ara Becherorgane des Kontlensene Retractilität, Bo Gros 96. Struetur, Innervation 97. Becherorgane des Thorax: Vorkommen, Zahl 97. Becherorgane des Rüssels: Vorkommen 97. Structur 98. 7% »PSTABOLIEN. % nun 0 u et tn ae te ee el aa Me Die na) Pose ER RENNER OS Historisches und Allgemeines 98. Parapodien des Thorax: Form 99. Hauteinstülpung des Parapodiums, Borstendrüse 100. Pfriemen- borsten 101. Parapodien des Abdomens: Lagerungsverhältnisse, Anatomisches Verhalten 102. Parapodkiemen, Structur 103. Haken 104. Hakenentwickelung 106. Chemische Beschaffenheit, Parapodmuskulatur 107. 8. Respirationsorgane . .. . f er . 108 Historisches, Vorkommen 108. Grösse, "Zustendekotamien de Par: nroahoh Blbteirehlation, Retraetili- tät 109. Respiration von Haut, Darm und Rüssel 110. 9% Nephridien (Segmentalorgane) 2222 Historisches 111—113. a. Chstomasüs 2.2.2: A Ber Far Et: Et © ER: ol Form 113. Färbung, Grösse 114. Abbıldanken von Nephridien erschien grosser Thiere 115. ande und äussere Mündungen 116. Vorkommen der Nephridien bei Erwachsenen und Juvenes 117. Provisorische Nephridien 118. Polymetameres Verhalten, Anordnung innerhalb der Segmente 119. Struetur: Gesammtbild 121. Peritoneale Hülle, Membrana propria und Fachwerk 122. Zellsub- stanz 123. Ausführungsgang 124. Ixcretbläschen 125. b. Tremomastus . . . an a ar Ten ne) en re ee ee 2 A ee 7] Form, Färbung und Grösse 127. Innere und äussere Mündungen 128. Auftreten und Lagerungsver- hältniss 129. Structur 130. 10, ‘Geschlechtsorgane _. ... um. 0 en ee De ee 3 Historisches 132. Diöcie, Genitalplatte 134. Steriler thoracaler Keimstock 136. Eientwickelung 136. Spermatogenese 140. Genitalschläuche: Vorkommen, Form, Grösse 143. Porophore, Segmentale Natur der Genital- schläuche und ihre Verbindung mit Nephridien 144. Struetur 145. Ihr Fehlen oder Rudimentär- sein bei N. Zineatus 146. 11. Leibeshöhlle . .. . Re In en ee SAN Auffallende Geri en nee ne 1a7. Bauchstrang-, Darm- und Nierenkammern 148, Wimperorgan- und Gehirnkammer 149. Linien und Spalten, Peritoneum 150. Dissepimente 151. Ihre degenerative Metamorphose 152. 12, *BlutZ(Hämolymphe)n 2. 2 u u to > Historisches 153. Mangel der Blutgefässe 154. Bewegung der Blutflüssigkeit 155. a. Clstomastus . . . RE BR EEE 0 6 10.) ha ka o nor a Rothe ERDE: Form, Grösse, Kerne 156 Exeretbläschen (Coneretionen), Struetur 157. Re- action gegen Wasser 158. Salze 158. Alkalien 159. Säuren 160. Aleohol, Aether, Chloroform 162. Farbstoffe 163. Aufbau aus Oikoid und Zooid 163. Weisse Blutkörper: Blutmenge 164. Beimischungen 165. b. Tremomastus. . . ee a FE er. je a6 Form, Farbe und Suhztang der! rotlien Blutkörper 165. Coneretionen, weisse Blutkörper 166. Ver- mehrung der Blutkörper 167. 1. II. Inhaltsverzeichniss. XI DASYBRANCHUS 10 [S1 | Allgemeine Körperform SEEN Re ae Id a Muskulatur . Darmkanal . .. . a 0 5, od Ar an or ee Aacdo, 9 ua Lymphatische Velldivertikel 172 Färbung des Magendarmes, Epithel-Muskelzellen 173. Innervation der verschiedenen Darmtheile 174. Hinterdarmrinne 175. After, Nebendarm 176. Centrales Nervensystem . ae ER ER EEE . Gehirn 176. Neurochorde, Bauchstrang, Verhalten im nachwachsenden Schwanzende 178. Sinnesorgane . . ... a. Die Augen 2 b. Die Wimperorgane . .... e. Die Seitenorgane 5 d. Die becherförmigen Orr Parapodien . Er. en A oe On ERST ee Thoracale Parapodien 181. Abdominale Parapodien, Parapod-Kiemenhöhlen 152. Wachsthumsverhält- niss zwischen Haken und Leib 183. Parapod-Spiraldrüsen 154, Respirationsorgane NET Re ar RR N ER Bedeutung für den als 186. Retraetilität, Umfang, Auftreten 157. Lage 188. Struetur, Retrac- toren 189. Ausstülpung 190. Nephridien . u SET a EN - Eee state Form 190. Färbung, Umfang, Lage 191. Metameres Auftreten, Innere und äussere Mündungen 192. Beziehungen zu den Genitalschläuchen 193. Tabellen zur Feststellung dieser Beziehungen 196. Dimorphes Verhalten. Cadueus- und Gajolensis-T'ypus, Variabilität, Struetur 198. 10:#:Geschlechtsorganes se. a. a a ee Kar re ee ea ce Ti- und Samenbildung 199. Genitalschläuche 200. Zeit der Geschlechtsreife 201. 11. Leibeshöhle 12. Hämolymphe. Bluteireulation 202. Blutkörper 203. MASTOBRANCHUS. IL. 2. 3. Allgemeine Körperform Haut . Muskulatur . ee A ee EEE Sp mar Neurale Längsmuskulatur, Seitenlinie, Transversale Muskeln 208. Struetur der abdominalen Mus- keln 208. Motorische Nervenendigungen 209. Darmkanal a 0 Su 2 ST Sr SR re er te iete Topographie, frischer Zustand, Lymphatische Zelldivertikel 210. Darmsinus 211. Hinterdarmrinne, After, Nebendarm 212. Centrales Nervensystem Gehirn 212. Commissuren, Unteres Schlundganglion 213. Neurochorde: Frischer Zustand 214. Degeneration der Neurochordnerven 215. Myelinkörper, Neu- rochordröhren, Dauernde und provisorische Nervenelemente 216. Riesige Ganglienzellen, Definition des Neurochord-Systemes 217. Sinnesorgane Won DB well: Torte. valyor Bu oo ee Kon Se ns Orr a ee b. Die Wimperorgane. e. Die Seitenorgane ö d. Die becherförmigen Organs Parapodien . 5 EN DET ee ec, Borstenvertheilung 219. Lage und Structur der Parapodien, Borsten 220. Respirationsorgane ; ee I BR Vorkommen, Lage, Grösse, Retractilität 221. Structur 222. Seite 168 165 171 171 172 156 190 210 157 IV XIV IV. \% Inhaltsverzeichniss. 9. Nephridien . Auftreten 222, Rüekbildung, rose, Kae, 233. Mündungen, nitalschläuchen 224. 10. Geschlechtsorgane A TE OR ICE... Genitalplatte, steriler thoracaler Keimstock 225. Ei- und Samenbildune, Exeretbläschen in Eiern, ulılz Genitalschläuche 226. Zeit der Geschlechtsreife 227. Leibeshöhle Topographie 227. Ixeretorisch thätige peritoneale Wucherungen 227. Blutkörpern 228. 12. Hämolymphe. HETEROMASTUS. 1 2 3. 4 5 Allgemeine Körperform Haut. Muskulatur . Darmkanal : Centrales Nervensystem Gehirn 235. Gerebroparietale 7 Muskeln, acölomatische Lage des Bauchstranges 236. Neurochord- system 237. 6. Sinnesorgane d. b. c: d. Die Augen . Die Wimperorgane . Die Seitenorgane . . Die becherförmigen De ZaFBATADOHIEN IE are ee ee ee See STH Geringer Gegensatz thoracaler und abdominaler, sowie neuraler und hi naler Ps Landdien 2 239. Borsten 240, 8. Respirationsorgane . 9. Nephridien EEE CE Se ee ot De Vorkommen 241. Lage, Mündungen, Structur, exeretorische Wucherungen des Peritoneums 242. Beziehungen zu Genitalschläuchen 243. 10. Geschlechtsorgane 11. Leibeshöhle ars Er 12:7 Hämolymphe. 22 mr CABTTEULBA 2.0.2. 205 or a ee ee, 1le 2. AllsemeinerKörperiorme. m. Haut ee a RE) ee Drüsen- und Fadenzellen, Stäbchen 252. Hautpigment 25 Muskulatur Darm kanal ee 3. . Cutieula 254. Topographie, Rüssel 255. Oesophagus, Vorderdarmrinne, Magendarm 256. vertikel, Hinterdarmrinne 257. Nebendarm, Respiratorische Bedeutung des Darmes 258. Centrales Nervensystem . De en Gehirn, Bauchstrang 259. Neurilemma, Neurochorde 260. Sinnesorgane. . 2 2 zn Dez Augenva er: b. Die Wimperorgane . e. Die Seitenorgane. : d. Die becherförmigen Dana BI nee Parapodien. Historisches 263. Tisten über die Borstenr ertheilung. Pr 265. Parapodien, Borsten 266. Genitalhaken 267. Liste Correetur der bisherigen Parapod-Auffassung 269. über Lage, Struetur, Beziehung zu Ge- Peritoneale Entstehung von o . ILymphatische Zelldi- Gegensatz thoraealer und abdominaler das Auftreten der Genitalhaken 268. Inhaltsverzeichniss. 8. Respirationsorgane er 9. Nephridien. . . . sr ur Wr u on EEE RE rn Historisches, Veen Färbung, Form 270. Grösse, Verhalten zum Peritoneum, Innere Mün- dungen 271. Acussere Mündungen, Entleeren des Fxcretes in die Haut 272. Carminversuche. Lage in den Nierenkammen 273. Verbindung suecessiver Organe, Provisorische Nephridien 274. Ihr zeitweises Functioniren 275. Tabellen über die Reihen- und Zeitfolge, in der die Nephridien auftreten und sich rückbilden 276—277. Schlüsse aus dieser Tabelle 278. Structur der Nephri- dien 279, 10. Geschlechtsorgane Re Se he N, a Historisches 280. Genitalplatte, Ovarien 281. Steriler und thoracaler Keimstock, Spermatozoen und Eier 282. Genitalschläuche 283. Spermatophorenbildung, Copulationsapparat 284. Zeit der Ge- schlechtsreife, Kritik der früheren Interpretirungen 286. 11. Leibeshöhle ee lowsHämolympher urn mu ae N et a ch elle 5 Gefärbte Blutkörper, Bamoglohın Nachreis, Excretbläschen, Melanämie 285. Umwandlung in Haut- pigment, Leucoeyten 289. VI. CAPITOMASTUS . Anhang zum Anatomisch-Histologischen Theil: Präparations-Methoden. . Beobachtung des lebenden Thieres b. Herstellung topographischer Präparate c. Herstellung von Schnittpräparaten . d. Herstellung von Macerationspräparaten . B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. 1 SHAUN. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden : en ke DET DOLERTSEE Mächtigkeit 299. Struetur 300. Verbindung von Muskelfibrillen und Fadenzellen 302. Ganglien- zellenplexus der Haut nebst Schema 303. Störung der typischen Hautstructur 304. Hautpigmen- tirung 305. b. Cutioula . . . - one erden. Joa ar Fibrillen, Ohemikches Verkallen 305. Cutieula- Entstehung durch Stäbchen- oder Fäden - Agglome- ration 306. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. . . . 2... . Hypodermis. . . EN He ra ER KIEL. NE NEN Sr ONE A BE ee Hypoderm- cn 307. Ganglienzellenplexus 311. Modificationen der Hypodermis 314. Stäbchen 316. b. Cutieula DI ER ER WERE EERERE Struetur 318. Fibrillärer Bau 323. Entstehung der Cutieula 324. Stab- und fadenförmige Secrete liefernde Drüsen, deren Absonderungsmodus die vom Autor vertretene Cuticulagenese zu stützen geeignet ist: Die segmentalen Spinndrüsen von Polyodontes maxillosus 324. Habitus-Uebereinstimmung mit den Borstendrüsen 329. Structur der Borsten, Structur der Cuticula von Polyodontes 330. Die Säckehen von Cherusca 331. Die Haare und der Haarfilz von Aphrodita aculeata 331— 334. Die Drüsentaschen von Polydora 334. Die Drüsentaschen von Spio Dombyx 335. Die schlauchförmigen Drüsen von Owenia fusiformis 336. Die „glandes repugnatoires“ von Artcia foetida 337. Die gewundenen Schläuche der Nereiden, von Sphaerodorum und Phyllodoce 338-339. Die Drüsenkolben oder Schlauchdrüsen von Hydrophanes und Typhloseolee 339— 340. Die borsten- und reusenförmigen Stab- oder Fadensecrete der Cirren von Zyphlo- scolex 341—342. Stab- und Fadensecrete der Hypodermzellen von Phyllochaetopterus und Ranzania 343. XV Seite 269 270 250 Inhaltsverzeichniss. Schwierigkeiten der llomologie zwischen den Secreten der Borstendrüsen, Spinn- drüsen und Hypodermis: Divergenz des chemischen Verhaltens 314—350. Einwand, dass eetodermale und mesodermale Produkte verglichen werden 350— 358. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen . ...... RENNEN ac ee ann na. oo, 0 Has Sao ann ee Die Gerüste der Hornschwämme 359. Die Nesselorgane der Coelenterata Unidaria 360. Die Röhrenbildung von Cereanthus 360. Die Nesselorgane in erster Linie Haftorgane 363. DEE Ch WMOdErIN at re Die Cuvier’schen Organe der Holothurien 364. Ca Zenmeswen el Anneldese 2 Stäbehen und Nesselorgane der Turbellarien 368—370. Stäbehen und Nesselorgane der Nemertinen 371. Fibrilläre Cutieulae der Gestoden und Nematoden 371. d. A200 POAR... na een ee En ee ee a 373. Fibrilläre Struetur der Arthropoden-Cuticulae 372 Sind die Spinndrüsen der Arthropoden ebenfalls Hautdrüsen? Die Serieterien der Inseetenlarven 374. Die Spinndrüsen von Peripatus: Natur und Function ihres Secretes 375. Ihre Homologie mit den Serieterien 377. Entstehung der Speicheldrüsen aus einem Nephridienpaare 378. Homologie der Spinn- und Schenkeldrüsen (Coxaldrüsen) 379. Vergleich der Schenkeldrüsen von Peripatus mit den Spinndrüsen von Anneliden 380. Die Speicheldrüsen der Arthropoden stammen von Nephridien und die Serieterien stammen von parapodialen Spinndrüsen ab 381. Die Drüsengebilde der Myriopoden: Sie gelten als Hautdrüsen und einzelne als Spinndrüsen 383. Natur ihrer Gespinnste 384. Mangelhafte Einsicht in ihre Herkunft 385. Orientirung über die verschiedenen Drüsen und Poren: A. Chilopoda 385. B. Chilognatha 386. Die Coxal-, Pleural- und Analdrüsen der Chilopoden sind Spinndrüsen 386. Die unpaaren Drüsen der Geophiliden gehören zur Kategorie der Wehrdrüsen 3857. Die durchbohrten Hüften und ausstülpbaren Wärz- chen der Chilognathen entsprechen den Spinndrüsen (Coxaldrüsen) 387. Die durch die foramina repugnatoria mündenden Wehrdrüsen haben nichts mit Spinndrüsen zu thun 388. Die Spinndrüsen (Coxaldrüsen) der Myriopoden sind den Schenkel- und Spinndrüsen von Peripatus und den Spinn- drüsen von Anneliden homolog 389. Die Wehrdrüsen der Myriopoden stellen wahrscheinlich um- gewandelte Nephridien dar 389. Die morphologische Natur der Giftdrüse der Chilopoden frag- lich 390. Die Drüsen der Symphyla (Scolopendrella): Die terminalen Spinndrüsen von Seolopendrella den Pleuraldrüsen der Chilopoden homolog 390. Die metameren Drüsentäschehen an der Basis der Beine als weniger entwickelte Spinndrüsen zu betrachten 390. Die ausstülpbaren drüsigen Täschehen der T'hysanuren sind ähnlich den ausstülpbaren Wärzehen der Chilognathen als in Rückbildung befindliche Spinn- oder Coxaldrüsen zu be- trachten 392. Die Spinndrüsen der Arachnoidea: Morphologische Natur der Spinnwarzen 393. Vergleich der Spinndrüsen der Arachnoidea mit den Spinn- oder Coxaldrüsen der Myriopoden und Sym- phylen 394. Haben die Arachnoidea ausser den terminalen Spinndrüsen auch noch solche in an- deren Körperregionen? 395. Für die Beantwortung der Frage Zönulus entscheidend 395. Die Coxaldrüsen von Limulus 396. Die Coxaldrüsen der Araneiden 397. Vergleich der Coxaldrüsen der Arachnoiden mit denjenigen der Myriopoden 398. Die Coxaldrüsen haben nichts mit Nephri- dien zu thun 400. Nachweis von Coxaldrüsen bei Hexapoden 401. Die Spinndrüsen der Örustaceen: Die Cementdrüsen der Cirripedien möglicherweise Abkömm- linge von Spinndrüsen 402. Die morphologische Dignität der Antennen- und Schalendrüse noch fraglich 402. Die Kittdrüsen der Pyenogoniden möglicherweise Derivate von Spinn- oder Coxaldrüsen 402. Uebersicht der Organe, welche sich wahrscheinlich im Kreise der Arthropoden einerseits aus den Spinndrüsen und andererseits aus den Nephridien der Anne- liden entwickelt haben 403. Seite 359 359 364 368 S97l Inhaltsverzeichniss. XVII EEE OL [15 A ee et ar nee Integumentale Natur der Molluskengehäuse 403. Ihre fibrilläre Struetur 404. Vorkommen von Stäb- chen und Nesselorganen 405. Vorkommen von Spinndrüsen 406. Die Byssusdrüse der Lamellibranchiaten: Natur des Secretes 406. Function 407. Eeto- dermale Abstammung, Paarige Anlage 408. Rüeckbildung 409. "üäden spinnende Gastropoden: Fuss- und Schwanzdrüse der Pulmonaten 410. Lippendrüse und Fusssohlendrüse der Prosobranchier 411. Betodermale Natur dieser Drüsen und ihre Homo- logie mit denjenigen der Lamellibranchiaten 411. Kintheilung dieser Drüsen in Schleim- und Spinndrüsen 413. Spinndrüse von Neomenia 413. Chemische Natur der Byssus 411. ER entepratae ee Cutieularbildungen 414. Nessel- oder Fadenzellen in der Haut und in den Schleimsäcken von Myxinoiden: Historisches 415. Jpitheliale Natur der Fadenzellen 416. Stab- und Fadengebilde in pidermis- zellen von Froschlarven 417. Schleimabsonderung und Nest-Spinnen von Mywine 417. Kritik des LeyviG’schen Standpunktes in der Frage nach der Herkunft und Bedeutung der Cuticularsubstan- zen 418. Bintheilung der Stab- und Fadenseerete 419. Die Schleimsäcke von Myzxine sind Haut- drüsen, und zwar Spinndrüsen 420. Ihre speciellen Homologien noch fraglich 421. NBEMUSBUDSTUR SR Rn. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden Ringmuskulatur und Längsmuskulatur 422. Gegensatz von Thorax und Abdomen, Verhalten der längsstränge dem Abdomen entlang 423. Seitenlinie, Medinne Furchen, Continuität der Längs- bündel, Transversale Muskeln 424. Structur 425. Nervenendigungen 426. DISS RIMERATNAIE I ee en 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . . . : 2 2 2 2 m 2 2 nn en. WED en ussela en Aus- und Einstülpung, Locomotorisch-Respiratorische Bedeutung 427. Struetur 428. Rüsselretrac- toren und Schlundnervensystem 429. h.. Die Spaseröhre . » 2»... Erstreekung, Structur 429. Vorderdarmrinne 420. e. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm) A ENT Auftreten, Lage 430. Färbung, Ansehen, Structur 431. Epithelmuskelzellen 432. I,ymphatische Zell- divertikel 433. Sympathisches Nervensystem, Darmsinus 434. IHinterdarmrinne, Nebendarm 435. Darm-Histolyse bei geschlechtsreifen Individuen von Clistomastus 437. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. . . . a Ee F Darm -Histoly se: bei Polyophthalmus, Paedophylax, Nereis und [2 Gilycesa 4 38. Blutsinus: Vorkommen und anatomisches Verhalten 439. Lymphatische Zelldivertikel: Sie haben nichts mit Chloragogenzellen zu thun 410. lixere- torische Natur des Chloragogens 441. Nebendarm: Vorkommen bei Bunieiden 441. Trklärung seines sporadischen Auftretens 112. 32 vergleich mit anderen Thierclassen . nu. 2 u nn 2 nl. nn nun. Nebendarm: Vergleich mit ähnlichen Darmadnexen bei Kehinodermen und Gephyreen 442. Vor- kommen eines vergleichbaren Gebildes bei Balanoglossus 443. Kritik der Ansichten von BaA- TEsox 444. Vergleich mit dem subehordalen Strange und der Chorda dorsalis der Vertebraten 445. Wie man sieh die Umwandlung von Nebendarm in Chorda vorstellen kann 416. Kritik der gel- tend gemachten Einwände 448. IIEORNIBADUESENERVENSYSIEEME 22, ee ee enleire, eu ee 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . a. Das Gehün . . . a A een en ee eo Ara zo ridween ke Obere Sehlundeanglien 450. Schlundring-Commissuren 452. Unteres Sehlundganglion, Zahl der vom Gehirme oceupirten Zonite 453. DET) era Bachs Uran : rer Lagerungsverhältnisse 454. Structur 455. Seitennerven 457. Neurochorde 458. Verschmelzen mit Hypodermis 460. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel, Capitelliden c Seite 4053 429 430 XV Inhaltsverzeichniss, 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden sowie auch mit anderen Thierclassen a.,.Das.:@ehun, Ne Sr ee Eee Re a Einzig unter Anneliden dastehende Complieirtheit des Dasybranehus-Gehirnes 461. Verschieden- gradige Entwickelung des Gehirnes durch Degeneration erklärbar 462. Uebereinstimmung mit Oli- gochaeten, Accessorische Schlundringeommissur, Lage des unteren Schlundganglions 463. b:,»DerBauchserang, 2 20 res ee ee Razer Ne Lageveränderungen 464. Segmentale Anordnung 465. Structur des Nervenmarkes: Punktsubstanz 467. Kritik der LeypiG’schen Auffassung 468. Das Fibrillennetz nieht bindegewebig, sondern nervös 474. Ueber das Vorkommen der Körner, Ursprung der peripheren Nerven 475. Vergleich der Neurochorde im Kreise der Anneliden: Vervollständigung der Liste SPEN- GEL’s 476. Contrastirende Auffassungen der Anneliden-Neurochorde 477. Ihre nervöse Natur durch SPENGEL entschieden 479. Degeneration der Neurochordnerven und Umwandlung ihres Neurilemmas in Neurochordröhren bei Mastobranchus, Die Neurochorde dienen als Stützorgane, haben aber nichts mit der Chorda dorsalis zu thun, Verzweigung der Neurochordnerven 480. Unvollständigkeit un- serer Kenntnisse 452. Wir haben im Nervensysteme der Anneliden einen dauernden und einen provisorischen (degenerirenden) Bestandtheil zu unterscheiden 483. Neurochord-Nerven und -Zellen von Arthropoden 483. Riesige Ganglien und riesige Nervenfasern bei Vertebraten 485. Stützorgane des Anneliden-Bauchstranges, welche durch directe Hypertrophie seines Neurilemmas zu Stande kommen: Die Lemmatochorde von Nephthys und Glycera und der Bandapparat von Nephthys 486. Die Lemmatochorde der Arthropoden: Das sogenannte Bauchgefäss (Chorda supraspinalis) der Lepidopteren. Es hat nichts mit der Chorda dorsalis zu thun 488. Kritik der NusBAaum- schen Mittheilungen über die Chorda der Arthropoden 489. SEMPER’s Chorda der Naiden eine neurilemmatische Bildung 493. W.SINNESORGANEF. N a ns ee en ve 7er Ra EEE I SDIOTAUSEN" IR ee Te Nee Eee Pa SR ae Fee nr > EEE Real DE a Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. . . .. - MR: er ee Lage, Ausbildung 491. Struetur und Structur-Schema, Sie sind rückgebildete Sehorgans 495. 2, DieSWimperorganer 2 Sr a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelidn . . 2... DE Re EA Vorkommen, Lage 496. Innervation, Struetur 497. Innervation verständlich, wenn man Gehirn als Gang- lien-Aggregat auffasst 498. b. Vergleich mit anderen Amnelidn . . ».-». ». 2.2... 2 Ka ER Weite Verbreitung der Organe, Bei vielen sind sie rückgebildet, Ihre Uebereinstimmung mit denje- nigen der Euniciden 499. Sie haben nichts mit Gehardrganen zu thun 500. Can ergleachn mit anderem I Rienclassen m ee: en er Vergleich mit den Wimper-Spalten und -Gruben von Nemertinen und Tusbellerien 500. Die Wim- perorgane der Nemertinen haben nichts mit Nephridien zu thun 501. SL.DIEHSEItENOrgANST.ı... .. 24 Kerne he ee 2 er. re 1 Ber een Br re ee @. Vergleichende Zusanimenfassung der Capitelidn .» » 2. Se rn nennen... Retractilität, Ausbildung, Lage 502. Form, Grösse 503. Struetur und Structur-Schema, Ganglion, Haarfeld-Retractor 505. Seitenorgannerv, Zusammenhang der Sinneszellen mit Muskel- und Ner- venfibrillen 507. Eetodermale Natur, Das Fehlen des Seitenorgansystemes bei Capitella 508. b. Vergleich mit. anderen=Annehden re Seitenorgane der Polyophthalmiden 509. Seitenorgane der Amphieteniden, Der von SEMPER als Sei- tenlinie beschriebene Zellstrang der Naiden 510. Seitenorgane der Lumbrieuliden 511. Homologie der Seitenorgane und Cirren: Sensitive Natur der Cirren 513. Postulate der Um- wandlung von Cirren in Seitenorgane 514. Die Glyceriden entsprechen diesen Postulaten 515. Sonstige Uebereinstimmungspunkte zwischen Glyeeriden und Capitelliden 516. Homologie zwi- schen Seitenorganganglien und Parapodganglien 517. ©. Vergleich mit, anderen, Linenelassen. 2 RE: Vergleich mit den Vertebraten: Lediglich das schon zum speeifischen Sinneshügel consolidirte Seitenorgan kann beim Vergleiche zu Grunde gelegt werden 518. Reproduction meiner früher Seite 461 461 464 494 594 494 496 496 498 500 [St o 509 Inhaltsverzeichniss. XIX publieirten Mittheilungen 519—524. Was seitdem für und wider die segmentale Natur der Sei- tenorgane vorgebracht worden ist 525>—530. Vergleich der beiderseitigen Innervationsverhältnisse: Voraussetzung, dass der Seiten- nerv nach dem Pıineipe eines Colleetors zu Stande kam 531. Schwierigkeit dieser Vorstellung durch auffallenden Modus seiner Entwiekelung 532. Diese Entwickelung spricht dafür, dass sich der N. lateralis nicht als Colleetor von Nerv zu Nerv, sondern als soleher von Hügel zu Hügel ausgebildet habe 533. So erklären sich die nervösen Verbindungen zwischen den Sinneshügeln, die Seitenorganketten 534. Bei soleher Phylogenese können, müssen aber nicht, zu den Spinal- nerven verlaufende Rami eommunicantes erhalten geblieben sein 535. BzarD’s total abweichende Lehre von der Function, Morphologie und Phylogenie des Seitenorgansystemes: Rösum@ seiner Ansichten 536. Protest gegen die Veränderung des Namens Seitenorgan in »Kiemen-Sinnesorgan« 537. Kritik der Behauptung, dass die Anlage des Seitennerven ohne Betheiligung des Eetodermes nach hinten wachse 539. Brarv's Erklärung der »Länge« der Seitenlinie unzulässig, ebenso sein Schluss, dass sie ursprünglich auf den Vorder- leib beschränkt war 540. BEARD kommt durch den vermeintlichen Gegensatz zwischen dem Sei- tenorgansysteme des Kopfes und Rumpfes zur Aufhebung der prineipiellen Einheit von Verte- braten-Kopf und -Rumpf 541. Es entsprechen wahrscheinlich die Spinalganglien den Seitenorgan- oder Parapodial-Ganglien 542. BrArp’s Zweifel an der Homologie der Seitenorgane von Vertebra- ten und Anneliden 543—546. Die Seitenkanäle oder Schleimkanäle 546. AED1eSpecherformigenL Organen a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . e : Vertheilung, Zahl, Form, Grösse, Structur 547. Körner, Innervation 548. b. Vergleich mit anderen Anneldin . » » rennen Vergleich mit Oligochaeten 548, mit Polychaeten 549. e. Vergleich mit anderen Thierelassen. . » » » rennen. Vergleich mit Gephyreen 550, mit Mollusken 551, mit Vertebraten 551—555. 5. Vergleich der becherförmigen Organe mit den Seitenorganen . . 2... nn. « Reproduetion des hierüber früher Publieirten 555—557. Statt der früher befürworteten strengen Scheidung vertrete ich nun, dass sich sowohl Becher-, als Seitenorgane aus indifferenteren Hü- geln entwickelt haben 557. Daher ist auch das Vorhandensein von Sinneshügeln anderer Funetion a priori anzunehmen 558. 6. Sinneshügel, welche sich vorläufig weder in die Kategorie der Seitenorgane, noch in diejenige der becherförmigen Organe einreihen lassen. . . 2. 22. n m nn nn Sinneshügel von Oligochaeten 558, von Hirudineen 559, von Trieladen 560, von Chaetognathen 561, von Bryozoen und von Mollusken 562, von Eehinodermen 563. NL, BEN REUEXON DIE DIN DS ee oo oe ee Bl 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . ». 2» 2 222er. Ausbildung, Erstreckung, Lage 564. Ihr Beitrag zum Gegensatze von Thorax und Abdomen: Form, Grösse, Borsten 565. Genitalborsten 566. Struetur: Fussstummel, Borstendrüse 567. Entwicke- lung der Ersatzborsten, Parapod-Spiraldrüse 568. Muskelversorgung 569. Borstenhabitus 570 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden . . 2... 2 2 nennen Abstammung der Borstendrüsen von Hautdrüsen, welche stab- und fadenförmige Seerete abschieden (Spinndrüsen) 570. Im Parapodium liegt das Verschmelzungsprodukt dreier heterogener Theile vor 571. Kommen den Anneliden typisch in jedem Segmente Ein oder zwei Parapodienpaare zu?: Ableitung der monostichen von der distichen Anordnung 572. Möglichkeit der Entstehung monosticher biremaler Parapodien durch Theilung uniremaler (statt durch Verschmelzung disticher 573. Uebereinstimmung der Borstenvertheilung und Parapod-Configuration zwischen Capitelliden und Oligochaeten 574. Borstenentwickelung 575. Fibrilläre Zusammensetzung der Borsten 576. Parapod-Spiraldrüsen 577. VII. RESPIRATIONSORGANE ... DR re An 1 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . . 2 2... nn nn Tendenz die Kiemen nach hinten zu verlegen, Ihr Auftreten in zweierlei Form und Anordnung, Ein- fache und verzweigte Parapodkiemen 578. Darstellung der Kiemen-Vertheilnng durch schema- tische Schnitte 57%. Schwankungen des Ausbildungsgrades und der Lagerungsverhältnisse je nach den Gattungen: Notomastus 580. Heteromastus und Dasybranchus 581. Mastobranchus 582. Capitella 583. Die zweierlei Parapodkiemen lassen sich nicht aufeinander zurückführen 584. c” Seite 547 547 Fro IL OR Inhaltsverzeichniss. k Seite 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden . . ». 2. 2... 2 2 nn nen nn. . 084 Lymphkiemen und Blutkiemen 584. Lymphkiemen der Glyceriden 585. Lymph- und Blutkiemen nicht homolog, Grosse Schwankungen des Respirationsystemes der Anneliden 586. Diffuse Haut- und Darmathmung als der ursprüngliche Respirationsmodus zu betrachten 587. VIISSNBPRHRTDIENZ(SEGMENEAORGANE) Er re er 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . 2 2 2 2 Lu m nn nn nn. 898 Provisorische und definitive Nephridien, Ihr von den Verwandtschaftsbeziehungen unabhängiges Verhalten 588. Auftreten und Vertheilung nach Ort und Zeit: Olistomastus polymetameres Ver- halten, Z’remomastus Beziehungen zu Genitalschläuchen 589. Dasybranchus Beziehungen zu Geni- talschläuchen und dimorphes Verhalten 590. Mastobranchus und Heteromastus seeundäre Redue- tion, Capitella polymetameres Auftreten, Verbindung benachbarter Organe, Contrast provisorischer und definitiver Nephridien 591. Form der Nephridien 592. Färbung, Grösse, Lage 593. Ab- hängigkeit von Leibeswandungen, Innere Mündungen 594. Schematische Darstellung der Nephri- dium-Mündungen sämmtlicher Capitelliden 595. Aeussere Mündungen 596. Structur, Exeretorische Thätigkeit anderer Organsysteme 597. Die metamere Nephridium-Anordnung als die typische zu betrachten, Die polymetamere Anordnung sowie das Münden in die Haut secundäre Zustände 598. 2. viersleich der Gapitelliden mit anderen Anneliden. Sr re rg Provisorische Nephridien bei Oligochaeten 600. Das Partieipiren der Nephridien an zwei Leibesseg- menten kein typisches Verhalten 601. Polymetamere Nephridien und Mehrzahl von Trichtern bei Oligochaeten 602. Mehrzahl äusserer Mündungen bei Typhloscoleeiden, Aleiopiden und Poly- ophthalmiden 603. Münden in die Haut bei Sternaspis 604. Ueber die Beziehungen zwischen Excretions- und Genitalorganen. Polychaeten: Alciopiden 605. Syllideen 607. Spioniden 608. Ariciiden und Archianneliden 609. Histriobdella 610. Hesioniden 611. 'Tomopteriden 612. Oligochaeten: Ansichten von WILLIAMS, GEGENBAUR und CLAPAREDE 614. LANKESTER’S Hypothese 616. Ansichten von PERRIER 617, von VEJDOVSKY 618, von BALFOUR 620, von BEDDARD 621, von BEN- HAM 622, Zusammenfassung des Standes der Frage 623. Es bleibt allein die durch BEDDARD erwei- terte Hypothese LANKESTER's als Erklärungsversuch übrig 624. LANKESTER’S Satz muss eine faculta- tive Fassung erhalten, Die Beziehungen zwischen Nephridien und Parapodien nicht constant 625. Die Voraussetzung, dass jedem Oligochaeten-Segmente typisch eine Vielzahl von Nephridien zu- komme, unhaltbar 626. Das poly- und dysmetamere Verhalten der Nephridien eine secundäre irscheinung 627. Das Verhalten der Oligochaeten im Lichte der an den Capitelliden gewonnenen Erkenntnisse : Samenleiter 628. Eileiter 630. Samentaschen 631. Resume 633. er} wo He 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. . . » 2 2 2 2 2 2 2 2 2 0. Vergleich mit Vertebraten: Reproduction des schon früher hierüber Publicirten 634—638. Auseinandersetzung mit FÜRBRINGER: Meinen Nachweis, dass auch bei Anneliden Nephridien dysmetamer auftreten können, betreffend 638—640. Meinen Nachweis, dass die Drüsentheile von Nephridien bei erwachsenen Anneliden unabhängig von ausführenden Abschnitten fungirend vorkommen können, betreffend 640—644. Meine für Nephridien von Anneliden und Urnierenkanälehen von Vertebraten geltend gemachten Uebereinstimmungspunkte betreffend 644—645. Ueber das Zustandekommen der Homologien 646. Die Entstehung des Vornierenganges: Barrour’s Annelidenableitung, derzufolge der Vor- nierengang von einem vordersten Anneliden-Nephridium abzuleiten ist, GEGENBAUR’s und FÜR- BRINGER’s Platodenableitung, derzufolge er aus dem Exeretionsapparate der Plattwürmer hervor- gegangen sein soll 647. Fundamentale Verschiedenheit beider Auffassungen, BaLrour’s Bekehrung zur Platodenableitung 648. Ich nehme die „Annelidenableitung‘‘ in ihrem vollen Umfange wieder auf; Beispiele, die zeigen, dass sich Nephridien durch einen grossen Theil des Cöloms zu er- strecken vermögen 649. Beispiele, die zeigen, dass Nephridium-Ausmündungen ihre typischen Lagerungsverhältnisse zu verändern vermögen 650. Nephridien, die anstatt direet nach aussen, in einen im Cölom gelegenen Sammelkanal münden; Die von E. MEyER entdeckten Nephridialgänge der 'Terebelliden 651. Die Ableitung des Vornierensystems von der Kopfniere mit der von mir vertretenen unvereinbar 652. Ableitung der Vorniere von vorderen, provisorischen Nephridien, Auf Grund der Annelidenableitung wird die eetodermale Entstehung des Vornierenganges verständlich 653. Bedeutung der Nephridialgänge von Terebella 654. Durch Ableitung der Vorniere von provi- sorischen, der Urniere von definitiven Nephridien, wird der Gegensatz von Vor- und Umiere schon in die Anneliden zurückverlegt, Motive der Verlagerung ursprünglich metamerer Mündungen 655. Kritik der ‚‚Platodenableitung“ 655. GEGENBAUR’s Standpunkt 656. FÜRBRINGER's Standpunkt 657. Schwierigkeit, die aus dem Vergleiche mit unsegmentirten T'hieren erwächst, Bei der Platodenab- Inhaltsverzeichniss. XXI leitung bleibt unerklärt, was dem Vormierengange bei Anneliden entspricht, Die Kopfniere hierfür ungeeignet 658. Bei der Platodenableitung bleibt ferner unerklärt die metamere Anordnung der Vor- und Urnierenkanälchen, ihre seeundäre Verbindung mit dem Vornierengange und die cetoder- male Natur des letzteren 659. Kritikder FrAIront-LanG’schen Ableitung des Nephridialsystemes der Anncliden vom Exeretionssysteme der Plathelminthen: FrA1onTt geht von der Kopfniere, LANG geht von Gunda aus 660. Gegensatz zwischen diesen Ausgangspunkten und denjenigen von GEGEN- BAUR-FÜRBRINGER, Das Geschlossensein der Kopfnieren und ihre intereelluläre Natur von LANG in ihrer Bedeutung überschätzt 661. Die Längskanäle von Polygordius existiren nicht 662. Die Nephridialgänge der Terebelliden können nicht als Residua von Plathelminthennieren aufgefasst werden 663. Ebensowenig das Exeretionssystem von Pontobdella 664. Kritik der Ableitung des Exeretionssystemes der Vertebraten von dem der Gephyreen: Was sind die ‚‚ungegliederten‘‘ Exeretionsorgane der Gephyreen? 665. FÜRBRINGER führt GEGENBAURr’s Hypothese als Faetum auf 666. Problematische Natur der Analschläuche 667. BSBGRSCHEECENSORGANBR 7 Sn nennen. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . .... et 2 Getrenntes Geschlecht, Genitalplatte, Fungirende Keimstöcke 669. Sterile thoracale Keimstöcke, Peritoneum zur Zeit der Geschleehtsreife 670. Eibildung, Spermatogenese 671. Genitalschläuche 672. Liste über ihre Vertheilung nach Zahl und Segmenten, Beziehungen zwischen Genital- schläuchen und Nephridien 673. Copulation 674. Brutpflege 675. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden . re Abstammung der Keimprodukte 675 Zellennatur des Eies 677. Verhältniss zwischen Eizelle und Eifollikel 678. RE FENTIBSIEL SET ETIE EN > 1. Vergleichende Zusammenfassung der Gapitelidens er Fa ee ne Unterabtheilungen des Cölomes 679. Mit dem Cölom eommunieirende Spalten des Hautmuskel- schlauches, Communieationen von Segment zu Segment, Schema der Cölomkammern 680. Peri- toneum, Nierenplatten und Dissepimente 861. Dissepiment-Histolyse bei geschlechtsreifen Clistomastus 682. RUE LTTÄNNTOTENA VIREN ee ee ee ee 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden . . . ». 22.2 2 2 ee nn nen ee Mangel der Blutgefässe, Propulsatorisches Organ 683. Die Blutkörper 664—685. Exeretorische Thätigkeit des Blutes, Neubildung von Blutkörpern, Melanämie 686. Pigmentirung dureh degene- rirte Blutscheiben 687. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden, sowie auch mit anderen Thierclassen Mangel der Blutgefässe seeundär und wahrscheinlich dureh die loeomotorische Inanspruchnahme der periviseeralen Flüssigkeit bedingt 687. Blutfarbstoff an Blutscheiben gebunden, Uebereinstimmung der hämoglobinhaltigen Blutscheiben bei gefässlosen Anneliden, Genese der Blutkörper 688. Exceretorische Thätigkeit des Blutes: Die Stäbchen von Ophelia 659. Die Chloragogen- zellen als exeretorisch wirksame Lymphzellen,, Die Stränge in den Rückengefässen von Tere- belliden ete. oder die intravasalen Chloragogendrüsen sind hämolymphatische Exeretions- organe 6b, C. Physiologischer Theil. TRSE D) ANRGIVITTRCAUN ANTE u 1. Ueber die in den Darmepithelzellen enthaltenen gefärbten Elemente . . 2. 2 2.2.2 .. Die Pigmente des Magendarmepitheles von Capitella 692. Ihre Reactionen 693. Mangel von Gallen- farbstoffen und Gallensäuren, Fin Theil der pigmentirten Körper dient bei der Verdauung, ein anderer ist das Produkt exeretoriseher Thätigkeit 694. 2. Ueber Carmin-Verdauung und -Resorption . . . . a RE one ankle Re Das Carmin wird im Magendarme zu einer bläulichen Flüssigkeit gelöst, Aufnahme desselben theils flüssig, theils fest in die Magendarmzellen, wo es wieder roth erscheint 695. Das Carmin nimmt erst in den Magendarmzellen feste Form an, keine intracelluläre Verdauung bei Anneliden 696. Rasche und eopiöse Aufnahme des Carmines 697. Soite 669 66% 679 679 655 683 657 691 . XXI Inhaltsverzeichniss. 3. Ueber die Function der Iymphatischen Zelldivertikel . . 2 2 22 cc nn nn. Ihre Beschaffenheit 697. Ihre Aufgabe den Chylus in die Hämolymphe überzuführen, Hierfür die Gefässlosigkeit der Capitellilen bezeichnend 698. 4., Ueber die’ Funetion. des Nebendarmesir.... . u ua. a Der Nebendarm steht im Dienste der Respiration. Das Verhalten von Capitella bestätigt diese Auf- fassung 699. PErRIER definirte den Nebendarm der Echiniden ebenfalls als Respirationsorgan 700. Ir. GENTRALESINERVENSYSTEM 20... 0. 2 u ne ee N VEIDOVskY und BüLow betrachten die Neurochorde als Stützorgane des Bauchstranges 701. Diese Auffassung durch das Verhalten der Capitelliden bestätigt 702. III. SINNESORGANE. .... 1, Die! Wimpororgane an. er ee Wimperorgane der Anneliden als Räderorgane und Fühler betrachtet 703. Als Riechorgane 704. Wimperorgane der Nemertinen für Sinnesorgane und Gehirnrespirationsapparate gehalten 705. Ihre wahrscheinliche Function als Geruchsorgane 705. Zu B1EASeitenorganer er Reproduction des früher hierüber Publieirten 705—707. MERKEL’s Widerspruch gegen die SCHULZE- sche Auffassung 707. Kritik des MErKEL’schen Widerspruches 708—711. Schluss: Die Seiten- organe empfangen nur durch Vermittelung des Wassers ihren adäquaten Reiz 711. Die Seiten- organe als accessorische Gehörorgane 712, . TS Eur Er ng . 3. .Die becherförmisen Organe . 2.222 ann : Se: Reproduction des früher hierüber Publieirten 712—714. Die Function der Becherorgane als Ge- schmacksorgane durch Experimente erwiesen, Verwechselung von Becherorganen mit Tast- papillen 714. IV: BLUT (HÄMOLYMPHE) DE ee EN ara Pan Ele Ne 1. Der Hämoglobin-Nachweis in den Blutscheiben der verschiedenen Gapitelliden. .... Absorptionsstreifen 715. Hämoglobin-Krystalle 716. Häminkrystalle 717. 2. Ueber die chemische Beschaffenheit der Excretbläschen und Concretionen der Blutscheiben Frage, ob die den Nephridium-Coneretionen so ähnlichen Blut-Concretionen ebenfalls guaninhaltig 717. Verhaltn gegen Reagentien 718. Guaningehalt schwer nachweisbar; aber viele Conceretionen ver- halten sich wie Chitin, Auffassung des Chitines als eines stickstoffhaltigen Zersetzungsproduktes, Einfluss dieser Chitindefinition für unsere Herleitung der Stab- und Fadensecerete oder Cutieula- gebilde 719. Resistenz des die Bluteoncretionen tingirenden Farbstoffes, Seine Abstammung vom Hämoglobine 720. Schluss, dass auch der Farbstoff der Nephridium-Coneretionen vom Hämo- globine abstamme 721. 3. Ueber die bei Capitella auftretende Melanämie 2 2 2 22 oo ln rn Definition des Vorganges 721. Das melanämische Pigment ein Derivat des Blutscheiben-Hämo- globines, Anneliden mit normal grünem Blute 722. Unter welehen Bedingungen Melanämie ein- tritt, Aehnlieher Entstehungsmodus des pathologischen Pigmentes bei Malaria-Infection 723. VEENEBERRIDIENE Die bisherigen Auffassungen über die Leistungen der Nephridien, Ihre Beziehungen zur Geschlechts- thätigkeit ausser Frage 724. Ihre Natur als Harnorgane bedarf noch des Nachweises 725. 1. Ueber die chemische Beschaffenheit der in den Nephridien enthaltenen Excretbläschen und ‚Conerstionen . 2... 12." Mi mab se ER Sie stellen das speeifische Ausscheidungsprodukt der Nephridien dar 725. a. Die Exeretbläschen und Coneretionen der Untergattung Olistomastus. - 2 m on 2... Die Murexidprobe fiel negativ aus, Es sind organische und anorganische Bestandtheile vorhanden 726. Die mikrochemische Untersuchung der organischen weist auf Guanin hin 728. Von anorganischen Bestandtheilen sind kohlensaurer Kalk, ein Natronsalz und Magnesia (2) vorhanden 728. Ein- zelne Coneretionen verhalten sich wie Chitin, grosse chemische Resistenz des die Coneretionen tingirenden Farbstoffes 729. b. Die Exeretbläschen und Coneretionen der Untergattung‘ Dremomastus nn 2 num: Schwieriskeit der Untersuchung 729. Guaningehalt fraglich, Farbstoff weniger resistent als bei Cl- stomastus 130. Bluteoneretionen von Tremomastus mehr mit den Nephridium-Coneretionen von Clistomastus, als mit denjenigen der eigenen Nephridien übereinstimmend 731. Seite 697 695 705 724 1) Inhaltsverzeichniss. XXI ce. Der mikrochmische Guanin-Nachweis durch die qualitative Analyse bestätigt . . . 731 Analyse Weyr's 731. Verbreitung des Guanin’s, Seine Substitution durch Harnsäure 732. 3. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe bewirkte Ausscheidung des vom Magendarme resorbirten Carmines A R I a ER Ueber die bei meinen Experimenten beobachtete Methodik 733— 734. Listen über die Carminfütterunes- Versuche 735— 737. ® Ueber das Auftreten und Verschwinden der Färbung in den einzelnen Organen: Resorption des Farbstoffes von Seiten der Magendarmzellen, Ausscheidung durch die Nephridien 738. Ausscheidung durch die Borstendrüsen 739. Hautfärbung durch die Ausscheidunesvoreänge der Nephridien und Borstendrüsen bedingt 740. Die Färbung der Borsten beruht Aut Imbibition 741. Die Färbung des Oesophagus und der Wimperorgane auf Zellenthätigkeit oder Imbibition beruhend? 742. Organe, welche von der Tinetion ausgeschlossen bleiben 743. Wie der Farbstoff zur Ablagerung kommt und wie er von Organ zu Organ fortgeleitet wird 743— 746. Langsam- keit dieser Aufsaugungs- und Abscheidungs-Prozesse und Fähigkeit das Carmin lange zurück zu- halten 746. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien vor sich gehende excretorische INES EEE RE Ko EEE DL. Be le ne Bee ee a. Die exeretorischen Leistungen des Darmes . . . . . nee 46 47 1 Die Exeretbläschen im Darme von Capitella, Der Harnderin der syindeen 747. Die Excretions- produkte im Darmkanale von Aphroditeen 748. Die entodermalen Wimpertrichter der Plathel- minthen und Siphonophoren, Der Harndarm der Rotatorien und Crustaceen, Die Exeretionspro- dukte der Vertebratenleber, Die malpighischen Gefässe 749. Beziehungen zwischen Harndarm, Blutgefässsystem und Nephridien 750. b. Die exereiorischen Leistungen der Borsiendrüsn “2 2 2 2 2 m nn 2 00 nenn. TO Anfüllung der Borstenscheiden mit Excretbläschen, Antheilnahme der Borstendrüsen an der Carmin- Ausscheidung 750. Die Borsten als „Exeret‘‘ der Borstendrüsen zu betrachten 751. e. Die exeretorischen Leistungen des Blutes (Hämolymphe)) . . » 2 222.2... le! Coneretionen der Capitelliden-Blutscheiben, Ihre Uebereinstimmung mit denjenigen der Nephridien 7 51. Zu Grunde gehen der excretorisch thätigen Blutscheiben, Einkapselung durch Phagoeyten 752. Ein- kapselung durch das Peritoneum 753. ürsatz.durch neugebildete Blutscheiben 754. Vorkommen von Exeretbläschen oder Concretionen in den hämoglobinhaltigen Blutscheiben von @rlyeera und Phas- colosoma, in den Leucoeyten von Ophelia 754. Coneretionen im Bereiche der Gefässwandungen von Hesioniden, Euniciden und Serpuliden, Chloragogenzellen, Intravasale Choragogendrüsen 755. Chemische Uebereinstimmung zwischen den Concretionen der Chloragogendrüsen und denjenigen der Nephridien, Ausscheidung der Chloragogendrüsen-Coneretionen dureh die Nephridien 756. d. Die exeretorischen Leistungen des Peritoneums . . ». 2» 2: 2 222 nen ernennen. Exeretbläschen in Eiern, Peritoneale Wucherungen mit Exeretbläschen, wo Nephridien rückgebildet 757. Concretionen in mesenehymatischen Drüsenzellen von Caliphylla 758. Yxeretorische Function des Peritoneums bei höheren T'hieren 759. 4. Können die im vorigen Abschnitte hinsichtlich ihrer exeretorischen Thätigkeit betrach- teten Organe als Nierenorgane gelten? . .... 2. 2 nn m ne en 759 Relativität des Begriffes Exeretionsorgan 759. Ob im Darme von Capitella ein Nierenorgan, oder ein solches, das nur Exerete retinirt, vorliegt, fraglich, dagegen der Harndarm der übrigen ge- nannten Anneliden ein Nierenorgan 760. Die Borstendrüsen sind Nieren- oder Exeretions- organe im wahren Sinne des Wortes, Die rothen Blutscheiben ebenfalls 761. Und auch das Peritoneum ist als Nierenorgan zu betrachten 762. 5. Ueber die Entstehung und über den Excretionsmodus der Nephridien, sowie über deren Nerhältniss zu den anderen Nierenorganen. 2 en La een 1162 Ursprünglich waren nur »nicht nephridiale Nierenorgane« und Poren vorhanden 762. Entwiekelung der Nephridien aus peritonealen Wucherungen 763. Funetion und Phylogenie Her Trichter 764. Erklärung ihrer Rückbildung bei höheren 'Thieren 765. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Exeret und Pigment. . . 2.2. 2. nn nenn. Frühere Erklärung der Pigmente 765. Unterscheidung der Frage nach dem Ursprunge der Pigmente und der nach der Bedeutung der Färbungen 766. Durch die chemische Untersuchung der Pig- mente allein kommen wir der Erkenntniss ihres Ursprunges und ihrer ursprünglichen Bedeutung nieht näher 767. Einsicht in den Pigment- Ursprung durch das Factum, dass bei Capitella ein XXIV Inhaltsverzeichniss. unzweifelhaftes Nierenexeret als Pigment in der Haut deponirt wird, Pigment kein scharf definirter Begriff, Nicht nur die Nierenorgane im engeren Sinne, sondern auch die relativen Nierenorgane liefern Pigmente (Exerete) 768. a Nachwris, dass von Seiten vieler Autoren gefärbte Exerete schlechtweg als Pigmente bezeichnet worden sind Die Pigmente der Anneliden-Nephridien, Der braungelbe Infarkt der Petromyzon-Urniere 769. Die Pigmentirung der Harnkanälehen niederer Wirbelthiere, Die Identifieirung von Pigment und Chloragogen 770. Die Identificirung von Exeret und Hautpigment, Die braunen Körper von Eehiurus und das Pigment von Stipuneulus 771. Die Pigmente der Hirudineen, Die Melanose von Gallus lunatus, Die Uebereinstimmung von Nierenexeret und Körperpigment 772. Resume 773. b. Thatsachen, die mit der exeretorischen Natur der Pigmente im Einklange stehn. . . ..... Wenn wir die Pigmente als Exerete auffassen, wird das Pigmentirtsein innerer Organe und das Ge- färbtsein der im Dunkeln lebenden 'Thiere verständlich 773. Wir verstehen ferner die ‚‚analogen‘‘ Färbungen und den Binfluss der Nahrung auf die Färbungen 774. Directer Einfluss der Nahrung auf die Integumentfärbung durch Carminfütterungs-Versuche an Capitella erwiesen 775. Das Car- min des Handels als stiekstoffhaltiger Nährstoff zu betrachten 776. e. Ueber die möglicherweise zwischen Exceret-Pigment und Rassenfärbungen herrschenden Beziehungen . ltelation zwischen Färbung und Krankheiten 777. Relation zwischen dunkler Haut und Immunität gegen Gifte 775. Relation zwischen Färbungen und Parasiten 779. Erklärung der sogenannten Warnfärbungen 780. 7. Ueber die Beziehungen zwischen Exceret-Pigment, Hautskelet und Häutung . . .... Auch hier bildet das Faetum, dass bei Capitella ein Nierenexcret als Pigment in der Haut deponirt wird, den Ausgangspunkt 780. Die ursprüngliche Bedeutung der integumentalen Aufspeicherung von Exeret-Pigmenten liegt in deren hoher mechanisch-chemischer Resistenz 781. Coineidenz des Vorhandenseins mächtiger Hautskelete mit dem Mangel nephridialer Nierenorgane 782. Auf- fassung der Häutung als Exeretabfuhr 783. Ableitung der Molluskengehäuse von ursprünglich in die Haut deponirten Exeret-Pigmenten, Guaninkalk im Integumente von Fischen, Amphibien und Reptilien 784. Die Hornplatten, Haare, Stacheln und Federn als Weiterentwickelungen, re- speetive als Träger ursprünglich diffus dem Integumente einverleibter Ablagerungen 785. 8. Die Excret-Pigmente als Objecte der Zuchtwahl. . . . . 2.2 22... ee er Iintwiekelung der eomplieirten Färbungen aus scheinbar unmotivirten Rögeluassigkeiten der Pigment- vertheilung 786. Beeinflussung der Pigmente durch das Lieht, Pelagische 'Thiere, Die Pigmente der Sinnesorgane vom Standpunkte der Excerettheorie 797. VISIGESCEEECENSORGAÄNER 2 1. Yeberldierkunetion der Genitalschläucher rs a. Die Genitalschläuche von Tremomastus, Dasybranchus, Mastobranchus und Heteromastus . . . . Sie stellen bei den $ Samenleiter und bei den © Eileiter dar 789. lFermer dienen sie als Penes und Vulvae sowie als Vesieulae seminales und Reeeptacula seminis 790. b. Die Genitalschläuche von Capitella. . . . - Ne ee ea ee ee A ee Die Genitalschläuche aller Geschlechter und Alterssiadien fast zu jeder Zeit mit Sperma gefüllt 791. Liste über Beobachtungen, welehe behufs Erklärung dieses Faetums angestellt wurden 792. Die rei- feren 5 eopuliren nieht nur mit reifen und unreifen @, sondern auch mit unreifen 5 und Juvenes 793. 2. Die sexuellen Modificationen bei Clistomastus und ihre Beziehungen zum Generations- wechsel. ... Entleerung der Geschlechtsprodukte durch Absehnürung abdominaler Körperpartien 794. Abstossung des histolytisch ergriffenen Körpertheiles für das betreffende Individuum von Vortheil, Uebergänge von ähnlicher Ablösung zu der als Generationswechsel bezeichneten Fortpflanzungsweise bei Sylli- deen 795. 3. Ueber die Zeitdauer der Geschlechtsreife bei verschiedenen Capitellidenarten . . .. . Die Höhe der Geschlechtsreife erfolgt bei den verschiedenen Arten nicht conform ihrer Verwandt- schaft, Dauer der Geschlechtsreife 796. Liste hierüber 797. VI. ANHANG: ÜBER DIE GEWÖHNUNG VON CAPITELLA CAPITATA AN DAS LEBEN IN SÜSSWASSER Liste über die angestellten Versuche 798. Verhalten der dem längeren Süsswasser-Einflusse ausgesetzt gewesenen T'hiere 799. Der plötzliche Tod bei unvermittelter Uebertragung in Süsswasser durch Zerstörung der hämoglobinhaltisen Blutscheiben bedingt, Die Gewöhnung an Brackwasser von der Hämolymphe beherrscht 800. Diese Gewöhnung auf der Erwerbung einer grösseren Widerstands- fähigkeit der rothen Blutscheiben (geeen den Einfluss des Süsswassers) beruhend 801. Seite 173 -1 1 1 750 794 796 798 Inhaltsverzeichniss. RER D. Systematisch-Faunistischer Theil. Eintheilung des Stoffes 802. Dignität der verschiedenen Charaktere 803—804. l. SPECIELLE SYSTEMATIK UND FAUNISTIK. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe vorkommenden Arten Familiendiagnose . . a. Genus Notomastus SARS. E n P Se Kritik der Genus-Diagnosen von Sara ae 1. EVINSEN 809, Untergattung RR 810. Notomastus lineatus CLap. SI1—S13. N. lineatus Car. Var. Balanoglossi n. var. S13—814. Untergattung Tire- momastus 814. Notomastus Benedeni Cuar. S15—S17. N. profundus n. Sp. S17—819. N, Fertilis n. Sp. 819. N. formianus n. Sp. 820. b. Genus Dasybranchus GRUBE . . . EIER EEE RE a coat Zah ei Kritik der Genus-Diagnose GRUBE’s 523. Dasybranchus eadueus GRUBE 823—828. D. Gajolae n. Sp. s28—831. ce. Genus Mastobranchus n. G.. . . .. 2 Mastobranchus Trinchesit 833 —'! Da Genuswrleteromastusın. Ge ee a tee Heteromastus filiformis CLar. 839I—S40. e. Genus Capitella Buaısv.. . . . : ee ee ee ee ee Kritik der ne DingnoRe von er 19, Capitella capitata FABR. 849—857. Ger US apıLomastusun: Ge ee Capitomastus miminus LANGERH. S5T—85). Schlüssel zum Bestimmen der im Golfe von Neapel vorkommenden Arten...» . - 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen, im Golfe von Neapel nicht vorkommen- GONBATTON EEE ee a ke Be ee ee ee rien a ae a. Formen, welche sich in bekannte Gattungen einreihen lassen. » 2 2 nn nn nennen Notomastus latericeus SARS S61— 863. N. rubieundus KEr. 863—865. N. eruentus QUATREF. 865. N. ‚Fragilis QUATREF., N. brasiliensis GRUBE 866. N. sinuosus GRUBE 867. N. Agassizii M’InTosH, N. Sp.? M’Intosm 868. b. Formen, welche sich in bekannte Gattungen nicht einreihn lassen . . . EN ger Notomastus luridus VERRILL 869. N. filiformis VERRILL, N. graetlis Ve 870. Ancistria acuta VERRILL 871. Areniella filiformis VERRILL 872. Eunotomastus Grubei M’InTosH, Lumbrieus pusillus DELLE CHIAJE 873. ?PDELLE CHIAJE ST4. ce. Formen, welche irrthümlicherweise als Capitellidın oder mit solchen synonym aufgeführt wurden Lumbrieus, Clymene, Hyboscolex 874. Oncoscolex, Notomastus ? 875. 3. Listen über die sämmtlichen bis heute beschriebenen Capitelliden nebst ihren muth- maasslichen. Synonymen. . .. x... .n a... a. Formen, welche sich in bekannte Gattungen einreihen hessen. 2 2 2 nn nn rn b. Furmen, welche sich in bekannte Gattungen nicht einreihen lassen... . . - e re e. Formen, welche irrthümlicherweise als Capitelliden oder mit solchen symonym aufgeführt wurden 4. Tabelle der geographischen Verbreitung . . . EEE Se ee En KR Die heutigen Kenntnisse lassen noch keine Vergehen zu, Weite Verbreitung einzelner Speeies 879. Bedeutung dieses Faetums im Hinblicke auf die Verwandtschaft mit Oligochaeten SS0. II. ALLGEMEINE SYSTEMATIK (PHYLOGENIE) 1. Ueber die gegenseitige Verwandtschaft der Capitelliden . . . .... 5 : Tabellarische Darstellung der je zweien oder mehreren Gattungen gemeinsamen Eheralkeete 881-883. Wo wir Anfang, und wo Ende der Reihe zu suchen haben 883. Bildliche Darstellung der zeit- lichen Aufeinanderfolge, sowie der gegenseitigen Verwandtschaftsverhältnisse 885. 2. Ueber die Verwandtschaft zwischen Capitelliden und Oligochaeten . Edle Fürspreeher und Gegner dieser Verwandtschaft $56. Facta zu Gunsten dieser Ver wandtschait 887. Facta, die gegen dieselbe sprechen SSS—891. Die Eintheilung der Anneliden in »Polychaeta« und »Oligochaeta« fortan unthunlich 891. Zool. Station z. Neapel. Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden d Seite 505 s05 S05 507 821 535 546 s65 s74 ss1 85» NNVI Inhaltsverzeichniss. 3. Ueber die Stellung der Capitelliden innerhalb der Oligochaeten-Gruppe . Welche Anneliden die ursprünglicheren, lässt sich noch nicht entscheiden, Kritik der einer Archi-Annelidengruppe 892. Nachtrag zum vergleichend-anatomischen (morphologischen) Theil. Zum Kapitel »Haut« Zu pag. 359— 364. : Greifzellen der horse Küchekorncen der Eirdiiden. 593. Zu pag. 374—402 . HAASE vergleicht die Spinddrigen der Myopoden mit deu Grremiöndirnden Densen 1 Sy ion Thysanuren und von Peripatus 894. Zu pag. 402 Die segmentalen Be Mi Beindensen von Branohipie den Sekenkels oder eaarnsen der übrig en Arthropoden, respective den Spinndrüsen der Anneliden homolog S95. Zu pag. 414—421. Die Genese der Schleimfäden, aus denen nach Mer die Serstiohlinge ihre Nester spinnen, der Regel vom eetodermalen Ursprunge der Fadenseerete scheinbar widersprechend 895. Zum Kapitel »Darmkanal« . Zu pag. 445 KOEHLER'S Neo dass gewisse Seeigel zwei Nebendärme besitzen 895. Sowohl die Chorda, als der subehordale Strang auf Nebendärme beziehbar S96. Zum Kapitel »Centrales Nervensystem« Zu pag. 450—485. 5 „er . RoHDE’s Ansichten über die Struetur de Netvenays stemes ar Poly ehSeten 896. Zum Kapitel »Sinnesorgane« . Zu pag. 525—530. Ryper’s Angaben zu ee ie denenielen Words aa Seikenorgane 597. Zu pag. 531—547 . Nach RyDEr werden die Seitenorgane der er en von Gadus Eon vom Rückenmanke, aus innervirt 597. Die Angaben von RAnsoM und THoMPsoN über die Versorgung des N. lateralis mit Spinal- nerven-Asten durch JULIN bestätigt, Kritik der JuLix’schen Auffassung des N. lateralis als Resi- duum der »Nervenleiste« 898. Zum Kapitel »Nephridien« . Zn 62:5 BORELLI’S Angaben nrechen gegen de Geaetzmansi@keit der ee een zwischen Nephei- dien und Parapodien 899. Zu pag. 628S— 0634. Das Verhalten der Samentaschen von alle, En en oh zu en ihrer ee tung von Genitalschläuchen verwerthet werden, ebensowenig nach BERGH die eetodermalen lagen dieser Taschen 900. Zu pag. 653—654. Kritik der HADDOoN- Beni Hypothese, erzutalge a Vornierengang von Längsgruben, in welche die Nephridien mündeten, abstammen soll 900—901. Zu pag. 661—664 und zu pag. 653—654 \WHITMAN’S und WiıLson’s Verwerthung der Dangskanulet von Po ngordis 9l. Kritik des Ver- gleiches der »nephridial rows« mit Längskanälen und Nephridialgängen von Anneliden 902. Nephridien nieht ectodermal, sondern »seeundäre Eetodermabkömmlinge« 903—904. Ergebnisse der Vertebraten-Embryologie sprechen gegen Wırsox’s Vergleich 905—906. Zu pag. 603— 604. i Se BEDDARD's Nachweise über die Nechridien von de nioae elle ner g00. Die neueren Seite >91 595 595 594 94 595 595 595 599 599 59) 900 901 906 » iv -t 10 33 59 59 59 116 135 230 274 290 291 291 307 316 Ss07 Zeile 2 v. unten Citat 3 Zeile 1 und 2 v. oben Zeile 2 v. unten Zeile 16 v. unten Zeile 15 v. unten Zele 15 v. unten Tafelverweisung Tafelverweisung Zeile 7 v. oben Zeile 3 v. oben Zeile 5 und 6 v. unten Zeile 1 v. unten Zeile 4 v. unten Zeile 14 v. oben Zeile 17 v. unten Citat $) statt » Berichtigungen. (1855 Nordiska Hafs-Annulater zwei neue Arten Gehirn-Wimperorgan-Höhle im Anfange dicht hinter vorhergehenden c) Taf. 13. Fig. 13. a) Taf. 14. Fig. 5. Ov. erste, längere als Mundsegment Fig. 19. Taf. 27 4., respective 5. Heteromastus dreierlei Borsten wie im Physiologischen 'Theil gezeigt werden soll im Physiologischen Theile dieser Monographie p. 863 a. (1835). Annulata polychaeta Spetsbergiae ete. hactenus cognita. drei neue Arten (nämlich ausser den eitirten noch Capitella intermedia!) Gehirn-Wimperorgan-Kammer. am Ende. dieht vor. nachfolgenden. ce) Taf. 13. Fig. 12. a) Taf. 15. Fig. 5. Ov. erste äls Mundsegment. Fig. 10. Taf. 27. 5., respective 6. Capitomastus. dreierlei Haken. wie weiterhin gezeigt werden soll. weiterhin in dieser Monographie. p. 863. d* 2 ea REN, aa Ma Kran Kae HN ne Dez h nz ® r ne Be BG > Dee ie A 2 De Pe TER 2.7 u I Einleitung. Die erste Erwähnung einer unzweifelhaft zur Familie der Capitelliden gehörigen Form haben wir Orarsen') (1772) zu verdanken, der in seiner »Reise durch Island« die heutige Capitella capitata als Lumbricus littoralis minor beschrieb.*) Sechs Jahre später führte Fasrıcıus?) (1780) in seiner »Fauna Groenlandica« dasselbe Thier als Zumbrieus capitatus auf, indem er zugleich die Synonymie desselben mit dem ZLum- bricus littoralis minor OLAFsEn hervorhob. Savıcny") (1520) stellte in seinem »Systeme des Annelides« den Zumbrieus capitatus des Faprıcıus in die Nähe der Gattung Clymene zu der von ihm errichteten Familie der Maldaniens. An den englischen Küsten wurde die Capitella von Jonsston') (1827) aufgefunden und als Lumbricus littoralis beschrieben.**) Bramsvirte’) (1828) errichtete für den Lumbricus capitatus Fapr., ohne das Thier ge- sehen zu haben, lediglich auf die Beschreibung des FaBrıcıus gestützt, ein neues Genus unter dem Namen Capitella; den Speciesnamen capitatus veränderte er in Fabriei. Das neue Genus wurde mit den Serpuliden und Sabelliden in dieselbe Ordnung gebracht, eine Einreihung, bei der sich Bramvirte irrthümlicherweise auf die angeblich gleiche systematische Stellung des Thieres bei Savıcny beruft. Örsren‘) (1842) theilte in seinem »Conspeetus Naidum« die Oligochaeten in die 3 Grup- pen der Terricolae, Lumbricillae und Naides. Die eine der beiden Unterabtheilungen der letzten Gruppe bildet allein Zumbriconais marina, welchen Namen er der heutigen Capitella capitata beilegt, ohne, wie es scheint, von der bereits früher von Seiten des FABrıcıus ge- schehenen Beschreibung und Benennung irgend welche Kenntniss gehabt zu haben. Die Gattung Lumbriconais bildet nach Orstep den Uebergang von den Naides zu den Lumbvricillae. l) Orarsen, Reise durch Island. Aus dem Dän. übersetzt. Kopenhagen und Leipzig 1774. I. p. 325. 2 Faprıcıus, O., Fauna Groenlandiea. Hafniae et Lipsiae 1780. p. 279. ) ) Savıcnv, J. C., Systeme des Annelides ete. (Extr. de la description de l’Figypte.) Paris 1820. p. 94. 4) Jonnston, G., Zoological Journal. Vol. 3. 1827. p. 328. 5) Bramvitee, M. DE, Dictionnaire des Sciences Naturelles. Tome 57. p. 443. w 6) ÖrsıEn, A. S., Conspectus generum specierumque Naidum ad faunam Danicam pertinentium. Nat. Tids- skrift. 4. Bd. p. 132. *) Diese Notiz entnehme ich LevcKART, Zur Kenntniss der Fauna von Island; Arch. Naturg. 15. Jahrg. p. 163. **) Ich ersehe dies aus einer Bemerkung Grurr's in: »Noch ein Wort über die Capitellen und ihre Stelle im Systeme der Anneliden«, Arch. Naturg. 28. Jahrg. p. 372. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 1 Einleitung. [89 Eine zweite, durch den Besitz von bauchständigen Kiemen ausgezeichnete Capitellide wurde von GrupE') (1846) nach einigen von Orro an der Küste des Mittelmeers gesammelten, wenig gut erhaltenen Exemplaren als Dasymallus caducus beschrieben. GRUBE, der diese Form später als Dasybranchus cadueus aufführt und weiterhin auch ihre Zugehörigkeit zu den Capi- telliden erkennt, hebt an diesem Orte hervor, dass Dasymallus durchaus den Habitus der Are- nicolen an sich trage. Frey und Leuckarrt’) (1847) begegnen der Capitella capitata in Helgoland, erkennen ihre Zwiegeschlechtigkeit und nennen sie, die Identität der Lumbriconais marina Örsrev’s und des Lumbrieus capitatus Faprıcıus hervorhebend, Lumbriconais capitata. Diese Identität wird von Lerverarr’) (1849) auch der Angabe Örstev’s gegenüber, dass der Lumbricus capitatus des Faprıcıvus wahrscheinlich zur Glycera capitata gehöre, aufrecht erhalten. Kurz vorher wurde die Capitella capitata auch an der adriatischen Küste durch Narpo') (1847) aufgefunden und als Zumbricus canalium beschrieben. Wenigstens sagt GRUBE*): »der Lumbricus canalium, dessen Narpo vorübergehend als eines Bewohners einiger weniger tiefen und weniger befahrenen Canäle Venedig’s gedenkt, ist, wie ich mich durch die Unter- suchung der von ihm selbst empfangenen Weingeistexemplare überzeugt habe, ebenfalls keine andere Annelide als unsere Capitella.« Die dritte zur Familie der Capitelliden gehörige Gattung wurde von Sars?’) (1850) in der Nordsee entdeckt und Notomastus latericeus benannt. Es wird der Gegensatz von Vorder- und Hinterleib, die ausschliessliche Bekleidung des ersteren mit Pfriemen- und des letzteren mit Hakenborsten betont und der stark entwickelten, die Haken tragenden Höcker gedacht. Sars erkennt bald die, trotz des Mangels der Kiemen, zwischen seiner neuen Gattung und dem Gruge’schen Dasybranchus bestehende Verwandtschaft und weist dem Notomastus, die Einreihung des Dasybranchus in die Familie der 'Telethusa von Seiten GrUBE’S durchaus billigend, einen Platz in derselben Familie an. In seinem »System der Anneliden« adoptirt GrugEe‘) (1851) den Bramvirze'schen Namen Capitella und stellt dieses Genus in die Nähe von Nais zur Familie der Naidea, Gruppe der Oligochaeten. Dasybranchus caducus wird bei Arenicola belassen. Jonsston’) (1855) beobachtet die Capitella von Neuem und führt sie jetzt unter dem Namen Lumbricus capitatus auf **). 1) Gruge, E., Beschreibungen neuer oder wenig bekannter Anneliden. Arch. Naturg. 12. Jahrg. p. 166. 2) Frey und LeuckArr, Beiträge zur Kenntniss wirbelloser Thiere. Braunschweig 1847. p. 151. 3) LeuckART, R., Zur Kenntniss der Fauna von Island. Arch. Naturg. 15. Jahrg. p. 163. 4) Narvo, G., Prospetto della Fauna marina volgare del Veneto estuario. Venezia 1847. p. 11. 5) Sars, M., Rapport d’un voyage zoologique en Lofoten et en Finmark. Magasin de sciences nat. 1850. p. 79. Koren und Dantevssen, Fauna littoralis Norvegiae. Andet Hefte. Bergen 1856. p. 9. 6) GruBE, A., Die Familien der Anneliden. Berlin 1851. p. 104 u. 146. 7) Jounwston, E., London Mag. Nat. Hist. Vol. 8. p. 258. *) Vergl. Gruse, E., »Noch ein Wort über die Capitellen ete.« Arch. Naturg. 28. Jahrg. p. 372. **) Ich citire dies nach Grugr, E., »Noch ein Wort über die Capitellen ete.« Arch. Naturg. 28. Jahrg. p. 372. Einleitung. B) Die erste anatomische Bearbeitung der Capitella hat Van Benxeven') (1857) geliefert. Er constatirt die Gefässlosigkeit dieses Thieres, hebt die grosse Ähnlichkeit seiner rothen Blut- scheiben mit den gleichnamigen Bildungen der Vertebraten hervor und entdeckt den aus eigenthümlich geformten Borsten zusammengesetzten Begattungsapparat der Männchen. Er nahm auch wahr, dass die Weibchen ihre Eier in die Wohnröhre ablegen, und benutzte diesen Umstand, um die ersten Entwickelungsvorgänge beim werdenden Jungen zu studiren. Bezüglich der systematischen Stellung der Capitella, für die er, den Gattungsnamen des Bramvirte mit dem Artnamen des Faprıcıws verbindend, die von da ab allein gebräuchliche Bezeichnung Capitella capitata in die Wissenschaft einführt, schliesst sich Van Bexepen vollkom- men denjenigen seiner Vorgänger an, welche dieses Thier als zur Gruppe der Lumbrieiden gehörig betrachteten. Seine von den Oligochaeten hauptsächlich abweichenden Charaktere wie: getrenntes Geschlecht, Mangel der Blutgefässe und der Besitz von Wimperreifen im Lar- venstadium werden der Reihe nach erörtert, um zu zeigen, dass weder ein einzelnes dieser Merkmale noch alle zusammengenommen die für die Oligochaeten und Capitella statuirte Ver- wandtschaft zu Gunsten der Polychaeten aufzuheben vermögen. »Pour nous — sagt Van BENEDEN — les Capitella sont encore des Lumbricus, mais des Lumbricus inferieurs A cause de la disparition des vaisseaux et du developpement indirect des embryons« und weiterhin: »Les Capitella servent de trait-d’union entre les deux groupes de Chetopodes«. Im einer Anmer- kung endlich gedenkt Van BENEDEn noch einer zweiten von D’ÜpErem in Ostende entdeckten Species, welche sich von der ©. capitata hauptsächlich durch den Besitz seitlicher Anhänge an den Segmenten des Hinterleibes unterscheidet und für welche er daher den Namen Capi- tella fimbriata vorschlägt. Diese neue Species wird bald darauf von D’Üpexem?) (1859) ausführlicher beschrieben und mit der C. capitata zusammen in die Gruppe der » Annelides setigeres abranches Cuv.« verwiesen. Letztere Cuvier'sche Gruppe theilt D’Upexem in zwei Unterabtheilungen: l. directe Entwickelung, monöcisch, mit den Familien der Lumbriciden, 'Tubificiden, Enchytraeiden und Naiden. 2. indirecte Entwickelung, diöcisch mit der Familie der Capitelliden. Von Neuem wird Capitella capitata eingehend beobachtet von Seiten ULArAREDE'sS®), wäh- rend seines Aufenthaltes auf den Hebriden (1561). Indem er aber seine Publication vorbereitet, wird er der Schrift Vav BEnEDEN’s gewahr, welcher Umstand ihn des Eingehens auf viele Einzel- heiten enthebt, da seine eigenen Resultate vollkommen mit denjenigen des belgischen Ge- lehrten übereinstimmen. Diese Uebereinstimmung erstreckt sich aber nicht auf die Beurthei- lung der T'hatsachen im Hinblick auf die systematische Stellung des T'hieres. Denn Van BEnEDEN 1) Van BENEDEN, P., Histoire Naturelle du Genre Capitella ete. Extr. Bull. Acad. Belg. (2) Tome 3. No. 9 et 10. 2) D’Uperew, J., Nouvelle Classification des Annelides Setigeres abranches. Mem. Acad. Se. Belg. Tome 31. p: 26. 3) CLAPAREDE, E., Recherches Anatomiques sur les Annelides, Turbellaries ete. observes dans les Hebrides. Extr. M&m. Soc. Physiq. H. N. Geneve. Geneve et Paris 1861, j 4 Einleitung. gegenüber hält CLArArenE die Oligochaetennatur der Capitella für sehr zweifelhaft, betont die mehr polychaetenähnlichen Borsten derselben, macht auf die ihrer Körpermitte eigenthüm- lichen, auffallend an die Maldaniden erinnernden Hakenwülste aufmerksam und meint schliesslich, man könnte vielleicht für die Capitellen eine besondere Familie unter dem Namen » Abranches polychetes« errichten. Von hoher Bedeutung für das Verständniss der Capitelliden-Gruppe waren die von GrugE') (1862) in seinem Aufsatze »Noch ein Wort über die Capitellen und ihre Stelle im Systeme der Anneliden« ausgesprochenen Ansichten. Sie enthalten nämlich nicht nur die Er- kenntniss der nahen, bereits von Sars hervorgehobenen, Zusammengehörigkeit des Notomastus und Dasybranchus, sondern begründen auch die Verwandtschaft dieser beiden Formen mit der Gattung Capitella. GrUBE wird so zum Schöpfer der heutigen Familie der »Capitellidae« oder, wie er sie mit Vorliebe nannte: »Capitellacea«. Bezüglich der Stellung dieser Familie im System spricht sich GrusE ziemlich scharf zu Gunsten ihrer Einreihung in die Gruppe der Polychaeten aus: die Form der Borsten, die Hakenwülste, der Mangel der Gefässe, das getrennte Geschlecht und die Art der Entwicke- lung, Alles das lasse sich gut mit der Polychaeten-, schlecht mit der Oligochaeten-Natur in Einklang bringen. Unter den Polychaeten sind es die »Teelethusa«, mit denen die Capitellaceen die grösste Uebereinstimmung aufweisen; die letzteren sollen sich nämlich zu den Arenicolen etwa so verhalten, wie die Gephyreen ohne Gefässe mit höher entwickelter Flüssigkeit der Leibeshöhle zu den Gephyreen mit Gefässen. Eine zweite Species von Notomastus beschrieb Kererstein? (1563) aus dem Ebbestrande von St. Vaast la Hougue als Capitella rubicunda. Bemerkenswerth ist seine Beobachtung der an der Basis des Kopflappens stehenden, retractilen, wimpernden Fühler, seine Beschreibung der Nephridien und die Erwähnung spaltförmiger, von zwei Lippen begrenzter Oeffnungen, welche er für die Mündungen der Nephridien hält. Die grösste Verwandtschaft soll diese neue Art mit der Capitella capitata haben; ihrer etwaigen Beziehungen zu Capitella fimbriata und Notomastus latericeus wird zwar gedacht, aber in Anbetracht der dürftigen Angaben über die beiden letzteren Formen werden diese Beziehungen nicht des Weiteren erörtert. Die Entdeckung der Capitella rubicunda wird, kurz nach dem Erscheinen von Kerer- srein’s Aufsatz, von CLArArRkpe’) (1863) reclamirt. Von Letzterem wird auch diese Form noch- mals und ausführlicher beschrieben, insbesondere deren Nephridien, für welche er die Mündung nach aussen ebenfalls in die zwischen den Rücken- und Bauchborstenreihen befindlichen, von zwei Lippen eingefassten, sog. Querspalten verlegt. Zwischen den Lippen nahm er starre, lange — von Kererstein übersehene — Wimpern wahr. 1) Gruse, E., Noch ein Wort über die Capitellen und ihre Stelle im Systeme der Anneliden. Arch. Naturg. 28. Jahrg. p. 366. 2) Kererstein, W., Untersuchungen über niedere Seethiere. Zeit. Wiss. Z. Bd. 12. p. 123. 3) CLAPAREDE, E., Beobachtungen über Anat. und Entw. Gesch. wirbell. Thiere, an der Küste von Nor- mandie angestellt. Leipzig 1863. p. 26. Einleitung. 5 CrararepE hält den Notomastus latericeus und die Capitella rubicunda unbedingt für zwei in eine und dieselbe Gattung gehörige Arten, behält aber gleichwohl für die letztere Art den Gattungsnamen Capitella bei. In vollständigem Widerspruch zu den bisherigen Errungenschaften wurden die drei Capitelliden-Genera von Carus!) (1563) in seinem Handbuche der Zoologie classifieirt. Dasy- branchus kommt in die Familie der Arenicolida, in die Gruppe der Appendiculata polychaeta, Errantia; Notomastus in die Familie der Maldania, in die Gruppe der Appendiculata poly- chaeta, Sedentaria und Capitella als Familie der Halelminthea — bildet mit Polyophthalmus, Pleigophthalmus und Dero — als Familie der Halonaidea — die den grossen Gruppen (Ord- nungen) der Appendiculata polychaeta, Onychophora, Discophora und Oligochaeta gleich- gestellte Gruppe (Ordnung) der Haloscolecina, wogegen die offenbar dem Polyophthalmus nahe stehende Ophelia wiederum mit einigen anderen Gattungen zusammen als Familie der Ophe- liacea unter den Appendiculata polychaeta aufgeführt wird. So kommen die drei Capitelliden- Genera in drei verschiedene Familien und zwei verschiedene Ordnungen der Annulaten-Olasse. Diese auf ihre Verwandtschaft durchaus keine Rücksicht nehmende Eintheilung, gegen welche sich später insbesondere UrararzeDE (Annelides Chetopodes du Golfe de Naples p. 270) scharf aussprach, ist theilweise, nämlich insofern sie das Verhältniss der Capitella zu Notomastus und Dasybranchus betrifft, begreiflich: Carus hatte eben ohne Zweifel noch keine Kenntniss von den erst kurz vor der Veröffentlichung seines Handbuches erschienenen Arbeiten GrupE's und ÜCLAPAREDES, durch welche die nahen Beziehungen der drei Genera erst festgestellt worden waren; aber die Zusammengehörigkeit des Notomastus und Dasybranchus war bereits länger als ein Jahrzehnt vorher von Sars erkannt worden und die Einordnung dieser beiden Formen in zwei verschiedene Familien, ja in zwei verschiedene Unterordnungen, konnte daher auch schon zur Zeit der Abfassung des Handbuches nicht mehr zulässig erscheinen. Eine ansehnliche Bereicherung an neuen Arten erfuhr die Familie der Capitelliden durch einen Aufenthalt Urararepe'’s?) (1564) in Port-Vendres. Er beschrieb von diesen Küsten zunächst eine neue Species von Capitella als Capitella filiformis, welche Art sich von der ©. capitata hauptsächlich durch den Besitz von dreierlei Borsten unterscheidet; ferner zwei neue Arten von Notomastus als Notomastus Sarsüt und Notomastus Benedeni. Durch das Studium dieser Arten hat sich CrLArarepe überzeugt, dass er die jedem hakentragenden Segmente zukommenden, von zwei Lippen begrenzten, und mit starren Wimpern besetzten sog. Quer- spalten bei Capitella (Notomastus) rubicunda irrthümlicherweise für die äusseren Mündungen der Nephridien gehalten habe, indem sich die wahren Mündungen der letzteren an einer ganz anderen Stelle des Segmentes vorfanden. Was nun aber die Function dieser, etwas ab- weichend von der früheren Schilderung, als auf elliptischen Protuberanzen befindliche Spalten beschriebenen Gebilde betrifft, so stellt CLArarkpe zwei Hypothesen auf: einmal meint er, die 1) Carus und GerstÄcker, Handbuch der Zoologie. Bd. 2. Leipzig 1863. p. 442—447. 2) Crararüne, B., Glanures Zootomiques parmi les Annelides de Port-Vendres. 'Tire des M&m. Soc. Physiq. H. N. Geneve. Tome 17. Geneve et Paris 1564. 6 Einleitung. angeblichen Oeffnungen könnten zur Ausfuhr der Geschlechtsproducte dienen, dann aber hält er es auch für möglich, dass wir in ihnen rudimentäre Homologa der Dasybranchus-Kiemen vor uns hätten, oder gar die Oeffnungen, durch welche die eingestülpte Kieme wie bei Dasybranchus wieder vorgestreckt werden könnte. CLAPAREDE begegnete nämlich in Port-Vendres auch dem Dasybranchus caducus und machte die Entdeckung, dass dieses 'Thier seine Kiemen hand- schuhfingerförmig in das Innere seines Körpers zurückzuziehen vermöge, so dass dadurch die auffallende Vergänglichkeit der Kiemen, welche GrugE den Speciesnamen »cadueus« eingegeben hatte, ihre Erklärung fand. Auch hier bemüht sich CLararepe, die systematische Zusammen- gehörigkeit der verschiedenen Capitellidenformen zu erweisen, und erklärt sich vollkommen mit der von Seiten GrupEs geschehenen Aufstellung einer besonderen Familie für dieselben einverstanden. Nur bestreitet er die von GruBE vermuthete Einheit der beiden Genera Noto- mastus und Dasybranchus: beide repräsentirten vielmehr wohl zu unterscheidende Gattungen; insbesondere seien für Notomastus die bis zum Rücken heraufreichenden ventralen Hakenwülste charakteristisch. In seinem »Catalogue of the British Non Parasitical Worms« führt Jomsstox') (1865) die Capitella capitata als Valla ciliata auf. Valla bildet das fünfte Genus seiner Familie der Lumbrieidae. Lumbricus littoralis und Lumbrieus capitatus, die Namen, unter denen er die Capi- tella früher beschrieben hatte, werden als Synonyme angeführt. Wie Jomsston dazu kam, die Capitella mit einem neuen Gattungs- und Artnamen zu bedenken, ist schwer zu verstehen; man müsste denn annehmen, und dies wird durch die Sy- nonymie, in der nur MÜLLER, Jonnston und DALYELL citirt werden, wahrscheinlich gemacht, dass ihm zur Zeit der Abfassung seines Kataloges fast die gesammte vorhergehende Capitelliden- Literatur unbekannt geblieben war. In der »Histoire Naturelle des Anneles« von QuATrREFAGESs?) (1865) finden wir die Capitella unter den »Genres et especes incertae sedis« der Familie der Clymeniens. Kurz beschrieben werden die Arten ©. capitata, ©. fimbriata und O©. rubicunda. In einer der Charakteristik dieser Formen beigegebenen Erörterung sucht (JUATREFAGES die Einreihung der Capitella in die Familie der Clymeniden zu rechtfertigen, hält übrigens die Charaktere des Genus noch für sehr mangel- haft bekannt, weshalb er dessen Stellung unter denen »incertae sedis« für am besten hält. Aus einer dieser Auseinandersetzung während des Druckes beigefügten Anmerkung geht hervor, dass QUATREFAGES durch die inzwischen erschienenen »Glanures etc.« ÜLAPAREDE’S von der Zusammengehörigkeit der Genera Capitella, Notomastus und Dasybranchus überzeugt wurde; er acceptirt in Folge dessen Grupe's Familie der Capitellaceen und führt den Notomastus late- riceus und den Dasybranchus caducus gleich nach Capitella auf, indem er auch für diese beiden Formen die Verwandtschaft mit den Clymeniden durch die Betonung gewisser Charaktere zu erweisen sucht. Indess die Stellung dieser Gruppe, ihre Beziehung zu den Clymeniden, scheinen ihm noch nicht genugsam klar gelegt, und — so fährt QUATREFAGES fort —- »tout I) Jonsston, G., A Catalogue of the British Non Parasitical Worms etc. London 1865. p. 67. 2) QuATREFAGES, M. DE, Histoire Naturelle des Anneles. Paris 1865. Vol. 2. p. 249—259 u. 639. Einleitung. Z en admettant provisoirement la pensce qwil pourra bien former une famille distinete, je le laisse aux incertae sedis.« Im Appendix endlich werden die von ULararkEpE in den »Glanures ete.« neu beschrie- benen Capitelliden einfach aufgeführt. Aus alle dem geht hervor, dass Quarkerases die Capi- tellaceen für nächst Verwandte der Clymeniden hält und aus diesem Grunde auch nur mit Zögern die neue, von GRUBE geschaffene Familie für die nicht zu verkennende Einheit der drei Genera Capitella, Notomastus und Dasybranchus acceptirt. Dieses sein Verhalten aber wird vollkommen verständlich, wenn man erfährt, dass QUATREFAGES zwei, unstreitig den Capitelliden zugehörige, von ihm in Brehat und La Rochelle aufgefundene und als neue Genera beschrie- bene Formen für wirkliche Clymeniden hielt. Es ist das unter den CUlymöniens degrad6s aufgeführte Genus Arenia und das Genus Ancistria. ÜLAPAREDE, der zuerst auf die Capi- telliden-Natur dieser neu benannten Genera aufmerksam machte (Anndlides Chetopodes du Golfe de Naples. p. 270 und 278), hält die Aneistria für einen Notomastus und die Arenia für eine Capitella. So kam QuarkErAGEs, eingenommen von dem Clymeniden-Charakter derjenigen Capitellen, welche er aus eigener Anschauung kannte, dazu, auch die typischen Arten der Gruppe, für welche ursprünglich die Familie geschaffen wurde — und die er nicht selber studirt zu haben scheint — für aufs innigste den Ulymeniden verwandt zu halten. Capitella rubicunda Ker., welche wie alle Notomastus, ja wie alle Capitelliden, an der Basis ihres Kopflappens ein Paar retractiler, wimpernder Tentakel besitzt, wird dieses Um- standes halber von KısgerG') (1866) unter dem neuen Genus-Namen Sandanis in die Familie der Ammocharidea gestellt, ein Missgriff, der später von ÜLAPAREDE aufgedeckt wurde (Anne- lides Chetopodes du Golfe de Naples. p. 278). Hascken?) (18566) acceptirt die von Carus errichtete Ordnung der Haloscolecina und vereinigt dieselbe mit der Ordnung der Oligochaeta zu seiner Klasse der Drilomorpha. Die Haloscolecina bilden nach Harcker den unmittelbaren Uebergang von den Oligochaeten zu den Polychaeten. Gegenüber dieser Eintheilung behalten alle gegen Carus geltend gemachten Einwände ihre Kraft, und zwar in erhöhtem Maasse, so lange als die Ordnung der Halo- scolecina auf die beiden im Carus’schen Sinne unmöglichen Familien der Halonaidea und Halelminthea begründet bleibt. Erst dann, wenn man diesen beiden Familien den Inhalt der entsprechenden Familien Grugr’s (nämlich der Capitellaceen und Opheliaceen) gibt, wird die Hazrcxer'sche Gruppe der Drilomorpha überhaupt discutirbar. Auch Marnmoren’) (1867) bedient sich des Carusschen Familiennamens Halelminthea (Halelminthidae), indem er freilich zu dem die Familie ursprünglich allein bildenden Genus Capitella noch das Genus Notomastus herbeizieht. Dann ist aber gewiss ULArAREDE im Rechte, wenn er darauf besteht, dass dem Familiennamen GRrugE's, der sich gleich von Anfang an auf die drei Genera stützte, die Priorität eingeräumt bleiben müsse. C) oO 1) Kısgers, J., Annulata nova. Öfv. Vet. Akad. Förh. Stockholm. Arg. 1866. p. 343. 2) Haecrer, E., Generelle Morphologie der Organismen. Bd. 2. Berlin 1866. p. S3 der Einleitung. 3) MatmGren, A., Nordiska Hafs-Annulater. Öfv. Vet. Akad. Förh. Stockholm. Ärg. 1867. No. 4. p. 207. S Einleitung. Unter den von der Novara-Expedition gesammelten Anneliden beschreibt Gruze!) (1868) zum ersten Male Capitelliden von aussereuropäischen Meeren. Es ist eine neue, in Rio Janeiro gefundene Species von Notomastus: der N. brasiliensis, und eine neue aus Vankauri stammende Species von Dasybranchus: der D. eirratus. Beide Arten unterscheiden sich nur in sehr un- wesentlichen Merkmalen von den europäischen. Durch diese Funde wird aber eine sehr weite Verbreitung der Familie constatirt. In seinen »Annelides Chetopodes du Golfe de Naples« schenkte CrArarkpE?) (1868) neben den zahlreichen anderen Familien auch den Capitelliden seine Aufmerksamkeit. Zuerst erwähnt er der Capitella capitata, und indem er hiermit deren Vorkommen für das mittellän- dische Meer bestätigt, macht er auf die weite Verbreitung des Thieres aufmerksam. Trotz der so abweichenden Angaben über Grösse und Borstenwechsel hält CrAararene alle bisher aus den verschiedenen Meeren beschriebenen Exemplare für Glieder ein und derselben Species. Er macht an der neapolitanischen Form die Entdeckung, dass die Larven zunächst nur an den drei vordersten Segmenten Pfriemenborsten tragen, dann an vier, fünf u. s. w. bis zur definitiven Form; er erkennt ferner das Vorhandensein eben solcher bewimperter 'Tentakel, wie sie bisher nur von Notomastus bekannt waren, und schildert ausführlicher den Copulations- apparat der Männchen. Bei den Weibchen beschreibt er Sexualporen, deren Wandungen zur Zeit der Geschlechtsreife stark anschwellen. Im Hinblick auf den Copulationsapparat kann ULAPAREDE nicht umhin, das Zugeständniss zu machen: »voilä une analogie indubitable avec certains Oligochetes, auxquels on a si souvent tente de reunir les Capitelles«. Eine neue Species von Capitella, welche besonders durch die Verlängerung der Zoniten im mittleren Körpertheil auffällt, wird als Capitella Costana beschrieben; eine andere neue Art derselben Gattung, die leider nur einmal in zwei Fragmenten zur Beobachtung kam, als Ca- pitella major. Letztere besitzt an ihrem breiteren, von CLAPAREDE als Thoraxtheil unterschie- denen Vorderleib jederseits eine runde Oeffnung, welche weiterhin verschwindet, wogegen vom zehnten Segmente ab deutliche Nephridien auftreten. Von Notomastus wird unter dem Namen Notomastus lineatus eine neue Species beschrieben, welche an den letzten drei Segmenten ihres Thorax (unter Thorax ist der Pfriemenborsten tra- gende Abschnitt im Gegensatze zum Haken tragenden Abdominalabschnitte verstanden) ähnliche seitliche Oeffnungen oder Poren besitzen soll wie die Capitella major; ferner sind bei dieser Art die Fortsätze der ventralen Hakenwülste stärker als bei irgend einer anderen ent- wickelt und fungiren als Kiemen. Die zwischen den ventralen und dorsalen Hakenwülsten befindlichen Gebilde, welche Crararkpe zuerst bei Notomastus rubicundus als von zwei Lippen eingefasste und mit starren Wimpern besetzte Querspalten (Function: Mündungen der Ne- phridien), sodann bei Notomastus Sarsü als elliptische, mit starren Wimpern besetzte Oeff- nungen tragende Protuberanzen (Function: Sexualporen oder Homologa der Dasybranchus-Kieme) 1) Gruse, E., Reise der Österr. Fregatte Novara ete. Zoologischer Theil Bd. 2. Abtheilung 3. Anneliden. Wien 1868. p. 27—30. 2) Crararioe, E., Les Annelides Chötopodes du Golfe de Naples. Geneve et Bäle 1868. p. 270—282. Einleitung. 9 geschildert hatte, werden bei Notomastus lineatus als comprimirte, mit einem Walde sehr zarter, jedoch steifer Borsten besetzte Knöpfe beschrieben. Ueber die Function dieser Organe wird bei dieser Gelegenheit nichts mitgetheilt. Endlich begegnete ULArAreDE auch einem Dasybranchus in Neapel, dessen Identität mit dem D. caducus GruBE festgestellt wurde. Das Vorkommen von Capitelliden an der nordamerikanisch-atlantischen Küste wurde zuerst durch Verrme') (1873) constatirt. Dieser Autor beschrieb nämlich von da zwei neue Notomastus-Species: den N. luridus und N. filiformis. Aus den nordchinesischen Meerestheilen wurde, ebenfalls zum ersten Male, eine Capi- tellidenform von GrupE?) (1876) als Notomastus sinuosus beschrieben. Durch denselben Autor’) (1878) erfuhren wir auch, dass Vertreter unserer Familie an den Philippinischen Küsten existiren. Es fanden sich nämlich unter dem von SEMPER dort gesammelten Materiale zwei neue Species von Dasybranchus, welche als D. umbrinus und D. lumbricoides aufgeführt werden. GEGENBAUR') theilte in der zweiten Auflage seines Grundrisses der vergl. Anatomie (1878) die Anneliden in Oligochaeten und Chaetopoden, und zu ersteren stellte er als Hali- scolecina die Familien der Polyophthalmiden und Capitelliden. Wir haben es also hier mit einer Modification der Carus’schen Classificirung zu thun, dahin zielend, einen noch engeren Verband zwischen Capitelliden und Oligochaeten anzubahnen, als ersterer Autor ursprünglich beabsichtigt hatte. Aus Madeira erfuhr die Capitelliden-Gruppe eine Bereicherung durch LANGERHANS’) (1850). Dieser Autor beschreibt einen neuen Notomastus als N. roseus, und eine neue Capi- tella als Capitella minima. letztere Form ist besonders dadurch ausgezeichnet, dass nicht nur die 5, sondern auch die @ mit Copulationsborsten ausgerüstet sind. Dass Capitella capitata auch im neuen Welttheile verbreitet ist, haben WEBSTER und Bexeovier®) (1881) gezeigt, indem sie an der nordamerikanischen Ostküste das Vorkommen jener Art constatirten. Die Capitellidenfauna des schwarzen Meeres wurde durch Czernsavsky’) (1881) er- schlossen. Ausser der Capitella capitata, deren pontischer Vertreter als Forma Suchumica unter- 1) Verriws, A., Report upon the Invertebrate Animals of Vine-Yard Sound etc. United States Commission of Fish and Fisheries. Part 1. No. 18. Washington 1873. p. 342 u. 610. 2) Gruse, E., Jahresber. der Schles. Ges. f. vaterl. Cultur. Breslau 1876. p. 51. 3) Sc. Petersbourg (7) Tome 25. St. Petersbourg 1878. p. 189. 4) GEGENBAUR, C., Grundriss der vergleichenden Anatomie. Zweite Auflage. Leipzig 1878. p. 135. Annulata Semperiana. Beiträge zur Kenntniss der Annelidenfauna der Philippinen. Mem. Acad. 5) LANGERHANS, P., Die Wurmfauna von Madeira. III. Zeit. Wiss. Z. Bd. 34. p. 99. 6) WeEgster, H., and J. Besevicr, The Annelida Chaetopoda from Provincetown and Wellfleet, Mass. United States Commission of Fish and Fisheries. Part 9. No. 10. Washington 1884. p. 730. 7) Czernsavsky, V., Materialia ad Zoographiam Comparatam. Fasc. 3. Vermes. Bull. Soc. Natural. Moscou. Tome 56. p. 338— 346. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 2 10 Einleitung. schieden wird, beschreibt er zwei neue Arten dieses Genus, nämlich die ©. prototypa und die ©. similis. Eine erneute anatomische Bearbeitung hat Capitella capitata durch Fischer!) (1883) er- fahren. Die auf eine vorläufige Mittheilung beschränkt gebliebenen Ergebnisse dieses Autors können aber erst im anatomischen Theile dieser Monographie gebührend berücksichtigt werden. Im Prodromus Faunae Mediterraneae hat Carus?) (1884) die früher von ihm, haupt- sächlich für die Capitelliden, geschaffenen neuen Gruppennamen (Haloscolecina, Halelminthea etc.) aufgegeben. Anstatt dessen finden wir die Anneliden in hergebrachter Weise zunächst in die zwei Ordnungen der Polychaeten und Oligochaeten gespalten, und erstere werden weiter in die drei Unterordnungen der Rapacia, Gymnocopa und Limivora getheilt. Die Capitelliden figuriren sodann ganz im GRUBE-ULarArepeschen Sinne als eine Familie der Limivora. Schliesslich habe ich noch der durch M’Intos#’) (1885) von der Challenger-Ausbeute beschriebenen Formen zu gedenken. Nach einem im Bereiche der Bermudas-Inseln gedredgten Bruchstücke wird ein neues Genus: Eunotomastus (E. Grubei) aufgestellt. Notomastus Agassizü von den Gewässern der nordamerikanischen Küste bildet eine neue, ebenfalls auf ein Fragment des einzig erbeuteten 'Ihieres sich stützende Species. Ein weiterer Noftomastus von den Ker- guelen, sowie ein Dasybranchus von Japan endlich konnten wegen der Unvollkommenheit der betreffenden Bruchstücke nicht näher bestimmt werden. In der vorliegenden Monographie konnten mit Ausnahme des Eunotomastus M’IstosH alle bisher aufgestellten Capitellidengenera, also Notomastus, Dasybranchus und Capitella, theils in bekannten, theils in neuen, hier zum ersten Mal zur Beschreibung gelangenden Arten, berücksichtigt werden. Ausserdem wird durch sie die Familie um drei Gattungen vermehrt. Eine dieser letzteren, Mastobranchus, ist nach einer neuen, im Golfe von Neapel aufgefun- denen Form (M. Trinchesü) aufgestellt; die zweite, Heteromastus, umfasst eine von ÜTLAPAREDE fälschlich zu Capitella gestellte Art, nämlich dessen Capitella filiformis; die dritte endlich, Ca- pitomastus, gründet sich auf eine mir nur in zwei Exemplaren zu Gesicht gekommene Capi- tellide, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass sowohl bei den g' als bei den © Copulations- borsten entwickelt sind; wahrscheinlich ist diese Form identisch mit der von LANGERHANS aus Madeira beschriebenen Capitella minima, und aus diesem Grunde gab ich ihr den Namen: Capitomastus minimus*. 1) Fıscner, W., Ueber Capitella capitata ete. Vorläufige Mittheilung. Zoologischer Anzeiger. 6. Jahrg. 1883. Pp22 Mau. As. 2) Carus, J. V., Prodromus Faunae Mediterraneae etc. Pars 1. Stuttgart 1884. p. 248. 3) M’Invoss, W., Report on the Annelida Polychaeta collectted by H. M. S. Challenger. Report Voyage Challenger. Zoology. Vol. 12. Edinburgh 1885. p. 388. *) Wer sich zuerst über die Classification orientiren will, möge mit der Durchsicht des speciellen syste- matischen Theils beginnen. A, Anatomisch - Histologischer Theil. In diesem 'Theile sollen die sämmtlichen im Golfe vertretenen Capitelliden-Gattungen unter möglicher Berücksichtigung ihrer verschiedenen Arten der Reihe nach anatomisch ge- schildert werden. Als erste und grundlegende figurirt Notomastus. Von ihr wurden alle Or- gansysteme möglich gleichmässig durchgearbeitet. Bei den nachfolgenden Gattungen hingegen erfuhren nur diejenigen Körpertheile eine ausführlichere Schilderung, welche von denjenigen der grundlegenden Form wesentliche Abweichungen darboten. Auf I. Notomastus folgen: 11. Dasybranchus; 111. Mastobranchus; IV. Heteromastus; V. Capitella und VI. Capitomastus. Als Organsysteme folgen je aufeinander: 1. Allgemeine Körperform; 2. Haut; 3. Muskulatur; 4. Darmkanal; 5. Centralnervensystem; 6. Sinnesorgane; 7. Para- podien; 8. Respirationsorgane; 9. Nephridien; 10. Geschlechtsorgane; 11. Leibes- höhle; 12. Hämolymphe. Für die Feststellung dieser Reihenfolge waren hauptsächlich in der Organisation unserer Thiere begründete Beziehungen entscheidend. In einem diesem "Theile beigefügten Anhange endlich werden die Präparations-Methoden besprochen. I. Notomastus. 1. Allgemeine Körperform. Am Körper von Notomastus unterscheidet man leicht zwei sich scharf voneinander ab- hebende Regionen: nämlich erstens den walzenförmigen, ausschliesslich mit Pfriemenborsten ausgerüsteten, im Kopflappen endigenden Vorderleib oder Thorax, und zweitens den mehr plattgedrückten, ausschliesslich Haken tragenden, mit dem After endenden Hinterleib oder das Abdomen). Der Thorax besteht bei allen Arten ‘der Gattung aus zwölf Segmenten, wovon aber nur elf borstentragend sind, da dem ersten, dem Kopfmundsegment, Parapodien abgehen. Der Hinterleib baut sich aus einer erheblich grösseren Segmentzahl auf, welche Zahl aber natürlich je nach Alter oder Grösse der 'T'hiere, sowie je nach den Species, be- deutenden Schwankungen unterliegt. a) Taf. 1. Bız. tl. Taf, 2. Pig. 2. | 12 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Der ziemlich weit in das erste Körpersegment retrahirbare Kopflappen?) ist bei allen Arten von stumpf kegelförmiger Gestalt; in seinem Hohlraume — einer continuirlichen Fort- setzung der Leibeshöhle — sind zahlreiche, nach den verschiedensten Richtungen hin ver- iaufende Muskelfasern ausgespanntb), welche dem Organe eine grosse Beweglichkeit verleihen. An der Basis des Kopflappens münden hämal*-seitlich die Wimperorgane®) und daneben schimmern die dem Gehirne einverleibten Augen als sog. Pigmentflecke durch. Neural, jedoch schon mehr dem Kopfmundsegment angehörig, befindet sich die Mundspalte. Der Thorax erreicht seine grösste Breite in der Mitte; von da ab verschmälern sich die Zoniten wieder etwas, so dass also diesem Körpertheil eine Spindelform zukommt. Durch ein ziemlich tief einschneidendes, vieleckiges Furchensystem erscheint die Oberfläche seines vorderen Abschnittes mosaikartig gefeldert; in Folge dessen hebt sich dieser Theil scharf von den nachfolgenden Segmenten ab. Die hinteren Segmente des T'horax sind deutlich zwei- ringlig, wogegen bei den vorderen in Folge der erwähnten Hautfelderung diese Zweiringlig- keit zu keinem so scharfen Ausdrucke kommt 9). Die ersten Abdomen-Segmente°) sind sehr kurz, nehmen aber rasch an Länge zu, bis sie in der Leibesmitte etwa auf das Doppelte herangewachsen sind; von da ab nehmen sie wieder, und zwar in diesem Falle allmählich, an Länge ab, bis ihre Grenzen im Bereiche des Afters kaum noch zu unterscheiden sind. Diese letzteren in der Nähe des Afters ge- legenen, undeutlich ausgebildeten Segmente werde ich fortan — im Gegensatze zur unmittel- bar vorhergehenden Abdomenendpartie — als Schwanz bezeichnen; es wird sich zeigen, dass dem so benannten Theile nicht nur äusserlich die Ausbildung abgeht, sondern dass sich solche Unfertigkeit auch auf alle inneren Organe erstreckt und zwar in einem um so höheren Grade, je mehr man sich dem After nähert. Im Bereiche dieses Punktes findet eben die Bildung neuer Zoniten statt, weshalb auch öfters der Name »nachwachsendes Schwanzende« gebraucht wird. Die Afterspalte!) liegt bei allen Arten inmitten einer rundlichen, hämal gerichteten Scheibe, deren Aussehen je nach Contractionszuständen ziemlich variiren kann. Nach aussen hin wird der Leib unserer T'hiere, ähnlich wie bei allen anderen Anne- liden, von einer scheinbar homogenen, farblosen Haut, der Cuticulas®), begrenzt; dieselbe zeigt je nach der Körperregion eine wechselnde Dicke und erfährt nur da, wo innere Organe 2) Ta 27710810 EDER bj Date 7007107293 e)_ Taf. 2. Fig. 9 1617 Tarr 5.2 Eiern: d)Rat 22% Eich 1e29: e) Taf. 2. Fig. 2—4 und Fig. 6.7. 11. yes le ae 11a), g) Taf. 3. Fig. 1. *\ Um bei etwaigen Vergleichungen zwischen Annulaten und Vertebraten den lästigen, durch die Um- drehung verursachten Gegensatz der Orientirung zu vermeiden, brauche ich in dieser Monographie anstatt der Aus- drücke: »dorsal« und »ventral« in der Regel die morphologisch allein präcisen: »hämal« und »neural«. Einmal so orientirt, habe ich aber dann bei Beschreibung eomplicirter Lagerungsverhältnisse zur Feststellung seeundärer Be- ziehungen gelegentlich auch die Begriffe dorsal und ventral mit herangezogen, damit nicht durch Häufung der zwei morphologischen Termini die Verständlichkeit erschwert werde. Es kann z. B. kein solches Missverständniss wie das zuerst betonte entstehen, wenn man vom dorsalen Theil eines neural gelegenen Organs spricht. I. Notomastus. 1. Allgemeine Körperform. 13 hervortreten (Mund, After, Parapodien, Nephridien, Genitalschläuche), Continuitäts - Unter- brechungen. Der Cutieula dicht an und ihrer Erstreckung folgend liegt der zellige Theil der Haut, die sog. Hypodermis:). Ihre Elemente sind zum [heile stützender, zum '[heile drüsiger Natur, und je nach der Vertheilung dieser beiden bietet sie in den verschiedenen Körper- regionen ein sehr wechselndes Verhalten dar. Die Muskulatur), und zwar diejenige des Stammes, besteht aus einer mit der Haut innig verbundenen Ringfaser- sowie einer darunter gelegenen Längsfaserschicht. Ausser diesen wesentlichen Muskelschichten des Leibesschlauches (Hautmuskelschlauch) rechne ich noch zur Stammesmuskulatur die sog. transversalen, je von zwei peritonealen Zellplatten (Nieren- platten) des Peritoneums eingeschlossenen Muskelbänder, welche von dem Bereiche der neu- ralen Medianebene aus nach der Seitenlinie hin vom fünften Körperzoniten an bis zum Schwanze segmentweise, je nach den Arten, mehr oder weniger vollkommen ausgebildet verlaufen. Die besonders im Thorax mächtig entwickelte Ringmuskulatur erscheint in Folge zahlreicher, ziemlich regelmässig conform ihrem Faserverlaufe aufeinander folgender Spalten in reifförmiger Anordnung. Die Längsmuskulatur besteht im Thorax aus einer grossen Anzahl ziemlich gleich dicker und regelmässig um die Körperachse angeordneter Bündel, welche durch verschieden tief greifende Furchen voneinander getrennt sind. Tiefer gehende, bis zur Haut reichende Unterbrechungen erfährt diese Muskulatur im Bereiche der Parapodien, sowie stellenweise in der hämalen Medianlinie; in der neuralen Medianlinie endlich wird sie durch einen ziemlich breiten und continuirlich verlaufenden Spalt unterbrochen. Im Bereiche des Abdomens verschmelzen diese thorakalen Längsbündel zu viel mächtigeren und in Folge dessen auch weniger zahlreichen Strängen; meistens zu vier neuralen und vier hämalen; die Verschmelzung kann aber auch so weit gehen, dass nur je zwei solche übrig bleiben. Beim Genus Notomastus erreichen von diesen Strängen die neuralen im Abdomen- anfange eine so kolossale Entwicklung, dass sie bis zu den Flanken des Rückens herauf- reichen; weiterhin kommt es aber zu einer mehr symmetrischen Vertheilung. Zu den schon für die Thorax-Längsmuskulatur hervorgehobenen medianen Spalten kommt im Abdomen noch ein Paar seitlicher, welches an Geräumigkeit meistens alle andern weit übertrifft. Diese die Grenze zwischen den neuralen und hämalen Längsstämmen bezeichnenden Unterbrechungen bilden die sog. Seitenlinien. Der Rüssel‘), ein geräumiger mit Papillen besetzter Sack, kann vom Thiere kräftig aus- und eingestülpt werden. Neben seiner Bedeutung für die Nahrungsaufnahme spielt er auch eine wichtige locomotorische Rolle beim Bohren im Sande. a) Taf. 3. Fig. 4. 5. 6. b) Taf. 12. Fig. 2. Taf. 14: Big. 3. 4. 11.-Tato 15. Big: Me c) Taf. 2. Fig. 1. 5; man vergl. auch Taf. 16. Fig. 8. 14 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Der Oesophagus verläuft als ein schmales, überall gleich breites, überaus kräftig be- wimpertes Rohr. Der Magendarm (Hauptdarm) ist etwas geräumiger und seine Wandungen haben gegen- über denjenigen des Oesophagus ein mehr drüsiges Ansehen; überdies erscheinen dieselben stellenweise lebhaft roth oder gelb gefärbt. Durch die Septa wird der Magendarm segment- weise leicht eingeschnürt. Vom Abdomenanfange bis zum letzten Drittel seiner Länge erstreckt sich als neurales Anhängsel des Magendarmes der sowohl vorn als hinten in denselben einmündende Neben- darm®); von der hinteren Einmündungsstelle des Nebendarms bis zum After verläuft eben- falls neural-median die Hinterdarmrinne.) Am Centralnervensysteme unterscheiden wir, wie bei den meisten Anneliden, das Gehirn und den Bauchstrang. Zu dem ersteren rechne ich die den hämalen Theil der Kopf- lappenbasis und des Mundsegments einnehmenden oberen Schlundganglien®) (es sind zwei durch einen centralen Faserkern zusammenhängende Ganglienpaare), den längs der Flanken des Mundsegments und zweiten Körpersegments verlaufenden Schlundring, sowie das neural im zweiten Körpersegment gelegene untere Schlundganglion 4). Vom dritten Körpersegment ab bis zur Schwanzregion treffen wir sodann in jedem Segmente neural ein durch Connective mit dem vorhergehenden zusammenhängendes Ganglion, deren Gesammtheit eben den Bauchstrang ausmacht. Dieses ganze Nervensystem liegt bei Notomastus, abgesehen vom Kopfe und Schwanze, wo Ecetoderm-Verschmelzungen stattfinden, frei in der Leibeshöhle. Das Gehirn innervirt vorzüglich den Kopflappen, die Wimperorgane und die Augen. Gehirn und Schlund- ring geben Aeste an den Rüssel-Oesophagus ab, und jedes Ganglion des Bauchstranges ent- sendet mehrere Nerven (Spinalnerven), von denen ein Theil Haut und Muskulatur, und ein anderer Theil Sinnesorgane, Parapodien, Kiemen etc. versorgt. Auch die Connective des Bauch- stranges geben seitlichen Nerven Ursprung. Der Bauchstrang des Notomastus ist durch sehr umfangreiche, sog. riesige Fasern oder — wie diese Gebilde besser nach VE)povsky genannt werden — Neurochorde ®) aus- gezeichnet, welche, meist hämal gelegen, sich in wechselnder Zahl durch das ganze Organ verfolgen lassen. *) Als Schlundnervensystemf) betrachte ich einen überaus mächtigen, der Rüssel- Muskulatur aufliegenden Ganglienzellenplexus, dessen eventueller Zusammenhang mit dem Gehime aber nicht festgestellt werden konnte. Eben so wenig konnte ein solcher Zusammen- hang für ein wahrscheinlich als sympathisches System?) fungirendes Ganglienzellengeflecht des Magendarms constatirt werden. a) Taf. 4. Fig. 12. 13; man vergl. auch Taf. 16. Fig. 9. b) Taf. 5. Rio. 6. e) Taf. 2. Fig. 16. I7.2ral 6. Fig. 18-20, d) Taf. 2. Fig. 18. Taf. 6. Fig. 24. e) Taf. 2. Fig. 20. Taf. 9. Fig. 10. f) Taf. 4. Fig. 10. g) Taf. 5. Fig. 9. N las is i a : RR: 5 SEE ; Es wird in dieser Monographie der Nachweis geliefert werden, dass die Neurochorde als Scheiden dege- nerirter Nervenfaserbündel aufzufassen sind. 1. Notomastus. 1. Allgemeine Körperform. 15 Als Sinnesorgane des Notomastus sind hervorzuheben: die dem Gehirne einverleibten Augen, die an der Basis des Kopflappens gelegenen Wimperorgane, die Seitenorgane, und endlich die becherförmigen Organe. Die Augen?) erscheinen, oberflächlich betrachtet, als sog. Pigmentflecke, erweisen sich aber bei genauerer Untersuchung als aus eigenthümlichen lichtbrechenden, von Gehirnele- menten innervirten Zellen zusammengesetzt. Die Wimperorgane®) sind hervorstülpbare, innen mit langen Cilien besetzte Säcke, deren Basen auf's Innigste mit den hinteren Gehirnlappen in Zusammenhang stehen; sie fun- giren wahrscheinlich als Geruchsorgane. Die Seitenorgane*) stellen rundliche, mit zahlreichen Sinneshaaren besetzte Hügel dar, welche vom ersten Körpersegment bis zur Schwanzregion streng segmental in je einem Paare sich wiederholen. Im 'Thorax können sie in Hautfalten retrahirt werden, im Abdomen dagegen verharren sie frei in den Winkeln der Hakentaschen. Ihre Lage ist constant zwischen den neuralen und hämalen Parapodien; im Abdomen speciell rücken sie in die Spalten der Seitenlinien. Die Innervation geschieht ebenfalls segmental durch je einen Spinalnerven, resp. durch Zweige je eines solchen. Die becherförmigen Organe) endlich treten ebenfalls in Form rundlicher, aber sehr viel kleinerer, anstatt langer Haare kurze Stäbchen tragender Hügel auf, welche ins- besondere am Rüssel, Kopflappen und 'Thorax zerstreut stehen. Ein Hauptunterscheidungs- punkt zwischen ihnen und den vorigen bildet daher ihre diffuse Vertheilung gegenüber der segmentalen jener. Sowohl die Seitenorgane als auch die becherförmigen halte ich morphologisch und physiologisch für den gleichnamigen Organen der Vertebraten verwandt. Als Respirationsorgane ®) fungiren bei Notomastus zipfelförmige, bis zu einem ge- wissen Grade retractile Ausbuchtungen der neuralen oder hämalen Parapodien des Abdomens (Hakentaschen). Je nach den Arten sind bald nur die einen, oder die anderen, und zwar in sehr verschiedenem Grade, entwickelt. Bei einer Art (Notomastus profundus) erreichen diese Gebilde am Abdomenende hämal eine grosse Selbständigkeit; sie bilden nämlich lange eylin- drische, in die Leibeshöhle einstülpbare Schläuche. Die mit Pfriemenborsten ausgerüsteten keulenförmigen Parapodien?) des Thorax können, vermöge eines sehr ausgiebig entwickelten Muskelapparats, fast bis zum Verschwinden in das Coelom retrahirt und wieder vorgestreckt werden. Je nach dem Grade ihrer Aus- streckung oder Einziehung erscheint daher der Notomastus-Thorax bald glatt, bald mit mehr oder weniger deutlichen Fussstummeln besetzt. Am Abdomen nehmen die Parapodien die Form flächenhaft ausgebreiteter Wülste an, in welchen eine grosse Anzahl von Haken reihenförmig eingepflanzt stehen. Auch diese a) Taf. 9. Fig. 19— 21. b)eTare2a Bier 164 17%. Tate. u.8: e) Taf. 2. Fig. 2. Taf. 10. u. 11. d) Taf. 11. Fig. S—14. en Taf.r 2. Rio 22237 4.26. 17. Les. 19. Big: 6. f) Taf. 2. Fig. 1. 2. Taf. 12. Fig..'t, 16 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Hakenwülste ®) (Tori) sind mit einer sehr ausgebildeten Muskulatur versehen, vermöge welcher sowohl die einzelnen Haken, als auch Gruppen solcher sehr verschiedenartig bewegt werden können. Während die thorakalen Parapodien je die Segmentmitten einnehmen, stehen die abdominalen je an den Segmentenden, im Bereiche der hinteren Septa, eingepflanzt. Die Pfriemenborsten der einzelnen Arten sind einander sehr ähnlich und auch die Haken bieten nur geringfügige, systematisch schwer für sich allein verwerthbare Unter- schiede darb). Die Nephridien °)*) haben in diesem Genus die Form von in zwei Schenkeln aus- laufenden Keulen oder Kissen. Die eine dieser Keulen führt zur inneren, die andere zur äusseren Mündung. Bei ausgewachsenen 'Thieren sind die Nephridien auf das Abdomen be- schränkt; bei jungen Exemplaren finden sich aber auch im 'T'horax Rudimente solcher. In der Regel ist ein Paar in jedem Segmente vorhanden; am Abdomenende können aber bei einer der Arten (Notomastus lineatus) zuweilen auch mehrere Paare in je einem Segmente zu- gleich vorkommen |). Wie alle Capitelliden, so ist auch Notomastus getrennten Geschlechts. Bildungsstätte sowohl der männlichen als auch der weiblichen Keimprodukte ist das Peritoneum und zwar bei allen Arten ein bestimmter, als Genitalplatte ©) unterschiedener Abschnitt desselben. Die Sperma-Mutterzellenf) lösen sich in einem sehr frühen, die Eizellen ®) dagegen erst in einem späteren Studium der Entwicklung von ihrem Mutterboden ab, um in der Leibeshöhle flottirend ihre Reife zu erlangen. Die Bildung von beiderlei Keimprodukten ist auf das Ab- domen beschränkt, aber im letzten Thoraxsegment findet sich in beiden Geschlechtern con- stant eine durch Kernwucherung entstandene Verdickung der Genitalplatte, welche auf diesem (ersten) Stadium der Keimbildung verharrt, und welche Verdickung ich daher als sterilen th o- rakalen KeimstockPb) bezeichne. Dieser Stock pflegt von den ersten fungirenden abdomi- nalen Keimstätten durch mehrere ganz sterile Segmente getrennt zu sein. a) Tat; 2..Fig. 3.6. Taf. 12,1. Wb) Tat 3l. u,32. c) Taf. 34. Big 117. Varia 1a 0 ara: Fig. 23. e) Taf. 15. Fig. 5—7. f)-Taf. 15. Fig. 6 u. Fig. 17—27. g) Taf. 15. Fig. 5 u. Fig. 716. h) Taf. 15. Fig. 1—4. *) Ich habe mich schon in einer früheren Publication (H. Eısıs, Die Segmentalorgane der Capitelliden, Auszug. Mitth. Z. Stat. Neapel 1. Bd. p. 108. Anmerkung.) darüber ausgesprochen, wie misslich es um den Namen »Segmentalorgane« stehe, da erstens diese Organe nicht die allein segmentalen im Thierkörper repräsentiren, und zweitens nun noch dazu kommt, dass dieselben in einzelnen Fällen, selbst bei Anneliden, nicht im strengen Sinne des Wortes sich segmental wiederholen. Gegen den damals schon von Lankzster (Notes on the Embryology and Classification of the Animal Kingdom ete., @. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 17. p. 429.) für »Segmentalorgan« ge- brauchten Ausdruck »Nephridium« hatte ich das Bedenken geäussert, dass er besser durch einen rein morpholo- gischen, keine Function präjudicirenden, ersetzt würde. Da nun aber im Laufe der inzwischen verstrichenen Jahre von keiner Seite ein solchen Anforderungen genügender Terminus publieirt worden ist, und der LAnkEster'sche überdies, besonders in England, schon vielfache Anwendung gefunden hat, so adoptire auch ich denselben und wünsche nur, dass die continentalen Morphologen recht bald zu einem ähnlichen Entschlusse kommen möchten, da- mit wir nicht, früher oder später, Ausdrücke wie »segmentale« oder »nicht segmentale« Segmentalorgane zu lesen bekommen, überhaupt die sonst unvermeidliche Häufung von »Segment« und »Segmentalorgan« vermieden sehen. I. Notomastus. 1. Allgemeine Körperform. 27 Abgesehen von dem (als Untergattung Olistomastus abgetrennten) Notomastus lineatus haben alle anderen (als Untergattung Tremomastus zusammengefassten) Arten des Genus, in einer je nach den Species verschieden grossen Anzahl von Segmenten des Abdomenanfangs, in beiden Geschlechtern glockenförmige, bewimperte Schläuche, welche durch weite Poren nach aussen münden. Diese als Genitalschläuche®) bezeichneten, hervorstülpbaren Organe dienen bei den Männchen als Samenleiter und Penes und bei den Weibchen als Oviducte und Scheiden. Dass eine innere Befruchtung und daher auch eine Copulation statthabe, lässt sich bei reifen Weibchen öfters constatiren. Die Genitalschläuche liegen in den damit aus- gerüsteten Segmenten je vorn, wogegen die Nephridien je hinten liegen. Es hat sich nun aber ergeben, dass die beiderseitigen Organe nicht unabhängig voneinander sind, sondern dass das bezügliche Nephridium anstatt, wie es die Regel ist, in einen Trichter auszulaufen, in den betreffenden Segmenten ganz continuirlich in den hinteren Zipfel des Genitalschlauchs über- geht, so dass der letztere wie ein riesiger Trichter des Nephridiums erscheintb). Bei Notomastus lineatus (Clistomastus) sind Genitalschläuche gar nicht, oder doch nur rudimentär in den letzten drei 'Thoraxsegmenten vorhanden; von Copulation kann daher bei ihm keine Rede sein; wir rn hamales Darm-Mesenterrum werden sehen, dass hier in abdominales Se ge “R en A 5 = Seitenorgan eARKHN) Hl) “ Langsmuske Folge dessen die Entleerung 5 „= ur: NN IB EN Hakentasche ( Kıeme ) und Mischung der beidersei- seitigen Keimstoffe in ganz Nierennlatte nebst transversaler.-\..\\. Muskulatur abweichende Bahnen gelenkt sind, sowie, dass hierbei die Körper der geschlechtsreifen dorsal-neuraler _.\- . E & Langsmuskel Thiere von sehr eigenthüm- lichen degenerativen Vorgän- Nephridium gen ergriffen werden. neurales Die Leibeshöhle von Paranodium Notomastus ist wahrscheinlich f . R ventral-neuraler in Folge des der ganzen Fa- Langsmuskel ; ı en. . Bauchstra Ri skulatur milie mangelnden Blutgefäss- TR AR Be ee = medıan-neuraler Haut systems überaus reich geglie- Bungsiiisiel 3 =i2 2 Schematischer Querschnitt durch den Abdomenanfang eines Nofomastus zur Demonstration der dert®). Ein neuraler, über Coelom - Abtheiluugen. dem Bauchstrange gelegener Raum, den ich Bauchstrangkammer nenne, zieht continuir- lich durch den ganzen Leib); sein Dach wird durch die Genitalplatte des Peritoneums gebildet. Alle anderen Räume sind segmentweise durch die Dissepimente von einander abge- schlossen. In einem gegebenen Segmente finden sodann die über der Bauchstrangkammer gelegenen Coelomabschnitte wieder eine weitere Abtheilung in drei Kammern durch die a) Taf. 2. Fig. 6 u. Fig. 27—29. Taf. 14. Fig. 1. 2u. Fig. 11—21. b)/ Taf. 2, Eig. 27. ce) Vergl. le Ania le ar are Bl: dl Tatlo.Eig. 5. 6. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 3 nebenstehenden Holzschnitt, ferner Taf. 14. Fig. 3. 4. IS A, Anatomisch-Histologischer "Theil. transversalen Muskeln, resp. durch die sie überziehenden peritonealen Nierenplatten. Die mittlere und grösste dieser Kammern, welche den Darmtractus enthält, wird als Darm- kammer unterschieden; die beiden seitlichen, von letzterer durch die erwähnten Nieren- platten getrennten, die Nephridien einschliessenden, als Nierenkammern. Ausserdem sind noch die mit letzteren Kammern in Verbindung stehenden Höhlen der Parapodien und Kiemen als Parapod-Kiemenhöhlen zu erwähnen. \ Bei der Untergattung Olistomastus ist die transversale Muskulatur nur stellenweise aus- gebildet, so dass die Leibeshöhle desselben keine so weitgehende Gliederung aufweist wie diejenige des Tremomastus. Alle Theile der Leibeshöhle werden continuirlich von einer epithelialen Haut, dem sog. Peritoneum, überzogen, von derselben Membran, welche auch alle in der Leibeshöhle gelegenen und aufgehängten Organe überzieht. Aus diesem Peritoneum entstehen an gewissen Stellen die Geschlechtsproducte, sowie die zum Nachschub bestimmten Hämolymphelemente; auch kann es sich sehr wirksam an der excretorischen 'I'hätigkeit betheiligen. In Folge des für die ganze Familie der Capitelliden charakteristischen Mangels der Blutgefässe bewegt sich das rothe, hämoglobinhaltige Blut®), mit der Lymphe und den anderen Contenta der Leibeshöhle wie Eier, Samen, Excrete gemischt, frei in den Räumen des Coeloms. Aber trotz dieses Mangels specifischer Bahnen ist doch die Bewegung der Hä- molymphe keine ganz unregelmässige, indem durch rhythmische Körpercontractionen das Blut, bald kopf- bald schwanzwärts, durch die Bauchstrangkammer getrieben wird und zu gleicher Zeit von dieser Kammer aus je segmental ein Zweigstrom desselben in die Kiemen und Darm- kammern, resp. aus diesen wieder zurück in die Bauchstrangkammer fliesst. Es musste schon im Vorhergehenden erwähnt werden, dass ich die Gattung Notomastus in zwei Untergattungen gespalten habe, nämlich in die Untergattungen COlistomastus und Tre- momastus. Wauptsächlich unterscheidende Merkmale sind: der Mangel oder das Rudimentär- sein der Genitalschläuche, sowie der transversalen Muskulatur bei Clistomastus; ferner die ver- schiedene Form und Farbe der Nephridien (sie sind dunkelbraune, längliche Keulen bei Clisto- mastus und hellgelbe, kissenförmige Massen bei Tremomastus); endlich noch die allein bei Olisto- mastıs hervorragende Ausbildung der neuralen Hakentaschen oder Kiemen am Abdomenanfange. Olistomastus umfasst von den hiesigen Formen die einzige Species: Notomastus lineatus Crar. Ich habe zwar eine bezüglich des Habitus, der Borsten und des Habitat vom N. lineatus etwas abweichende Form aufgefunden, hielt aber doch die betreffenden Abweichungen für zu geringfügiger Natur, um daraufhin eine neue Species zu begründen; ich begnügte mich damit, sie als Varietät zu charakterisiren und zwar als Varietas Balanoglossi. Tremomastus umfasst dagegen mehrere der neapolitanischen Arten; erstens den Noto- mastus Benedeni Crar., hauptsächlich charakterisirt durch die geringe Körpergrösse, durch die bedeutende Länge des Mundsegments, durch fünf Paare von Genitalschläuchen, sowie durch I. Notomasms. 2. Haut. a. Cutieula. 19 die schwache Entwicklung der neuralen und hämalen Parapodkiemen:; zweitens den Noto- mastus fertilis n. sp.. hauptsächlich charakterisirt durch den Besitz von ungefähr zwanzig Paaren von Genitalschläuchen, durch die starke Entwicklung der hämalen Parapodkiemen und die meist grünliche Färbung des hinteren Abdomenabschnittes; drittens den Notomastus profundus n. sp., hauptsächlich charakterisirt durch die zipfelförmige, am Abdomenende eintretende Ver- längerung der hämalen Parapodkiemen, sowie durch neun Paare von Genitalschläuchen. Endlich wurde auch noch ein in verschiedenen Fragmenten aus dem Golfe von Gaeta erhaltener Notomastus berücksichtigt. Diese weiterhin als Notomastus formianus n. sp. zur Be- schreibung gelangende Form ist dadurch ausgezeichnet, dass im Abdomen und zwar gleich im Anfange dieses Körpertheils sowohl die neuralen als hämalen Parapodien, erstere dorsal, letztere ventral, mit langen zipfelförmigen Anhängen (Kiemen) besetzt sind. Der nachfolgenden anatomischen Darstellung wurde zwar hauptsächlich Notomastus lineatus, als mir zuerst bekannt gewordene Art, zu Grunde gelegt, aber daneben fanden auch alle anderen Arten des Genus, insofern sie nur wirklich bemerkenswerthe Unterschiede von Clistomastus oder unter sich darboten, gebührende Berücksichtigung. erHanE Die Haut der Würmer wird gewöhnlich im Anschlusse an die Stammes-Muskulatur, als sog. Hautmuskelschlauch besprochen. Maassgebend hiefür ist nur die innige Verbindung der beiden Gewebsschichten: dieses Motiv scheint mir nun aber keineswegs zwingender Natur zu sein, weshalb ich, als dem Gange meiner Darstellung besser zusagend, Haut und Mus- kulatur getrennt behandle. Ueber die Haut der Capitelliden besitzen wir so gut wie keine Angaben; denn was meine Vorgänger berücksichtigt haben, bezieht sich ausschliesslich auf die Ornamentik der Cuticula einiger hierdurch sich auszeichnender Formen. Wie bei allen Anneliden, so unterscheiden wir auch an der Haut der Capitelliden zwei der Structur und dem Ursprunge nach verschiedene Lagen: nämlich eine obere, der zelligen Zusammensetzung entbehrende, als Cuticula, und eine darunter gelegene, aus zelligen Elementen sich aufbauende, als Hypodermis. a. Cuticula. Im frischen Zustande erscheint die Cuticula meistens als eine homogene, wasserhelle, je nach der Körperregion 1—3 » dicke, von zahlreichen Poren durchsetzte Haut, welche sich an allen jenen Stellen, an welchen der Hautmuskelschlauch durchbrochen ist, also am Munde und After, an den Parapodien, an den Nephridien, umschlägt, um eine Strecke weit die genannten Organhöhlen auszukleiden. Bei Notomastus — und mehr oder weniger auch 37 30 A. Anatomisch-Histologischer Theil. bei allen übrigen Capitelliden — hat diese Haut im Bereiche des Thorax ein sehr auffälliges und daher auch von allen Beobachtern erwähntes Ansehen ®). Sars spricht von einem durch tiefe Furchen hervorgebrachten Netzwerk, GRUBE sowie Kerrerstein von einer regelmässigen Faltung oder Täfelung, CrararepE endlich vergleicht die Erscheinung einer Mosaik oder einem hexagonalen Pflaster. Jede dieser Beschreibungen ist passend; denn, je nachdem man einseitig die Furchen oder die erhabenen Theile der Cuticula in’s Auge fasst, wird man eben bald den Eindruck eines Netzwerks, bald denjenigen eines Pflasters oder einer Mosaik erhalten. Gegen das Ende des 'IThorax hin verliert sich, in dem Maasse als der Cuticula-Durchmesser abnimmt, auch die so auffällige Furchenbildung, und weiterhin am Abdomen endlich pflegen nur noch ganz schwache, mit blossem Auge nicht mehr wahr- nehmbare Furchen vorhanden zu sein. Nicht selten erkennt man schon an der frischen Cuticula ein System feiner, sich etwa unter einem rechten Winkel kreuzender Streifen; viel deutlicher erscheint die Streifung nach Maceration und Ablösung der Cuticula von der Hypodermis; an solchen Präparaten — insbeson- dere an den Rändern der abgerissenen Stücke — gewinnt man auch die Ueberzeugung, dass diese Streifung nicht etwa nur den Ausdruck einer Faltung oder Ornamentik bildet, sondern auf dem Vorhandensein wirklicher Fasern beruht®). Diese Fasern erreichen kaum einen Durch- messer von "» p, erscheinen im Querschnitt rundlich, sind ganz homogen und haben eine nicht geringe Hlastieität; es gelang unschwer bis 200 p lange Stücke derselben zu isoliren. Im frischen Zustande sind die einzelnen Fibrillen der zwei unter nahezu einem rechten Winkel sich kreuzenden Systeme innig durch eine Kittmasse verbunden und so kommt eben das Ansehen einer homogenen Haut zu Stande, welche nur an den Mündungsstellen der Hautdrüsen Durch- brechungen in Form I—1'% p weiter, in einem Abstand von meist 4 p stehender Poren aufweist. Obwohl dieser Cuticula neben ihrer mechanischen auch eine grosse chemische Resistenz eigen ist, so hat sich doch herausgestellt, dass diese letztere Resistenz nicht jenen den cuti- cularen Bildungen so häufig zugeschriebenen Grad erreicht; sie wird nämlich schon durch kalte Kali- oder Natronlauge vollkommen gelöst. ScHMIEDEBERG!) hat nachgewiesen, dass der charakteristische organische Bestandtheil der federkielartigen Röhren der Onuphis tubicola eben- falls nichts mit Chitin zu thun habe, sondern eine eigenartige, von ihm Onuphin genannte Substanz darstelle; dieselbe Substanz konnte er auch in den Röhren der Spirographis nach- weisen und so ist vielleicht die Vermuthung gestattet, dass auch die Cuticula sich hauptsächlich aus ihr aufbaue. Leider bietet die jetzige Kenntniss des Onuphin noch nicht die Möglichkeit, sein Vorkommen ohne Weiteres durch mikrochemische Reactionen nachzuweisen ?). Gegenüber Carmin, Hämatoxylin und Pikrokarmin pflegt sich die Cuticula indifferent zu verhalten, durch Anilinfarben dagegen wird sie auf’s Lebhafteste tingirt. ala Wat. 2. Bio. 1. Taf. 10° Big. 19. 13. bieLar. 3.2 Bıe. 21. #) Vergl. den Morphologischen Theil, Kapitel Haut. 1) SCHMIEDEBERG, O., Ueber die chemische Zusammensetzung der Wohnröhren von Onuphis tubieola Mürn, Mitth. Z. Stat. Neapel. Bd. 3. p. 373, I. Notomastus. 2. Haut. b. Hypodermis. 21 b. Hypodermis. Betrachtet man die Haut eines frischen Notomastus unter starker Vergrösserung, so er- scheint dieselbe siebartig durchbrochen %. Verschieden grosse, wasserhelle, durchaus homogene Flecken von runder oder unregelmässiger Form werden, bald in geringerem, bald in grösserem gegenseitigen Abstande, von einer ebenfalls ziemlich homogenen, aber etwas dunkler erschei- nenden Substanz, wie eben so viele Löcher, umrahmt. Keinerlei Zellgrenze oder Kembildung lässt sich entdecken, und vergebens sucht man das eigenthümliche Bild in diesem Zustande histologisch aufzuklären. Setzt man dem Präparat etwas Essigsäure zu, so findet sofort eine radicale Ver- änderung desselben stattP). Die wasserhellen Flecken werden getrübt, und in der sie um- gebenden Zwischensubstanz treten zahlreiche, scharf umschriebene, rundliche bis ovale, kern- artige Gebilde verschiedener Grösse auf, welche durch ein System von Ausläufern verschie- densten Durchmessers mit einander zusammenhängen. Wir glauben ein Fadennetz vor uns zu haben, welches zahlreiche granulirte Kerne enthält und mit seinen Maschen je eben so viele Ballen eines homogenen und äusserst vergänglichen Plasmas umschliesst. Durch schärferes Zusehen, insbesondere durch Profilansichten, überzeugen wir uns aber davon, dass die vermeintlichen Kerne der Zwischensubstanz nichts Anderes sind als die optischen Quer- schnitte zahlreicher, mit ihren Basen der Hautoberfläche zu gerichteter und nach allen Seiten hin sich verzweigender stab-, kegel- oder spindelförmiger Körper. Um nun zu einem Verständnisse dieser von der traditionellen Auffassung des Haut- epithels so abweichenden Structur zu gelangen, bedurfte es eines eingehenden Studiums von Schnitten und Macerationspräparaten. Erstere ©) zeigen uns als auffallendsten Bestandtheil der Hypodermis zahlreiche, von der Cutieula zur Muscularis verlaufende, fadenartige Körper, welche ich Fadenzellen nennen werde; sie entsprechen der Zwischensubstanz im frischen Zustande und dem Protoplasmanetz mit Scheinkernen von Essigsäurepräparaten. /wischen den Fadenzellen erkennen wir, wo die fraglichen Bildungen überhaupt er- halten blieben, meistens nur ein diffuses Plasma mit zahlreichen Kernen, in günstigen Fällen aber treffen wir auf — wenigstens an ihrer Basis wohl abgegrenzte, flaschenförmige, mit je einem Kerne versehene Körper, welche derjenigen Zellform angehören, die ich im Gegen- satze zu den Fadenzellen als Plasmazellen bezeichnen werde. Die Plasmazellen aber — resp. ihre in den meisten Präparaten allein wahrnehmbaren Zerfallproducte — entsprechen den homogenen, wasserhellen Flecken, welche der frischen Haut das siebartig durchbrochene Ansehen verleihen. Durch Maceration gelang es diese beiden, die Hypodermis zusammensetzenden Ele- mente zu isoliren, und nach solchen Präparaten will ich zunächst Faden- und Plasmazellen genauer beschreiben d), a) Taf. 3. Fig. 7%. b) Taf. 3. Fig. 7°. oe) Tara BA el I d) Taf. 3. Fig. 22 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Die Länge der Fadenzellen richtet sich nach dem Hautdurchmesser; wo der letztere bedeutend ist, wie in der mittleren Region des Thorax, da pflegen auch diese Zellen eine entsprechend bedeutende Länge zu erreichen; wo sich dagegen die Haut zu einer ganz dünnen Schicht verschmächtigt, wie auf der Rückenseite des Abdomens, da nehmen sie auch ent- sprechend an Länge ab. Ueberaus mannigfaltig ist die Form und Structur dieser Zellen: bald haben wir massive Cylinder vor uns, die distal in einen Stäbchenbüschel und basal in einen feinen Faden auslaufen, bald streifige Kegel, deren Spitzen in Fasern ausstrahlen, bald sind es überaus dünne Platten, welche aus pallisadenförmig nebeneinander aufgereihten Fäden be- stehen, bald wieder saftigere Gebilde, welche mehr an gewöhnliche Zellen erinnern. Es fragt sich nun, mit welchem Rechte man überhaupt von diesen sonderbaren Körpern als von Zellen sprechen kann, insbesondere wie es sich mit den Kernen verhält. An jenen pallisadenförmigen Fadenzellen, welche besonders zahlreich im Thorax vorzukommen pflegen, habe ich meistens keine Spur von einem, auf einen Kern beziehbaren Dinge aufzufinden vermocht; selbst von den zwischen einzelnen Fäden wahrnehmbaren Ansammlungen eines oft mit körnigen Ein- lagerungen versehenen Protoplasmas musste es zweifelhaft bleiben, ob es ursprünglich schon den Fadenzellen angehört hatte, oder aber nur zufällig, erst von den zerfallenen Plasmazellen aus, zu ihnen gelangt war. An den mehr spindelförmigen Fadenzellen dagegen liess sich stets Zellenleib und Zellenkern wohl unterscheiden, insbesondere am Abdomen, wo die Fadenzellen meistens saftige, protoplasmatische Köpfe haben, welche den mehr homogenen, kegelförmigen und mit ihrer Spitze in einen Faden auslaufenden Kernen aufsitzen. Wir haben hier also Zellen mit sog. geschwänzten Kernen vor uns. Nachdem ich aber erst einmal diese kennen gelernt, gelang es auch, bei wiederholter Untersuchung in einzelnen Pallisadenzellen eben solche geschwänzte Kerne nachzuweisen. Trotzdem bin ich aber der Ansicht, dass in den meisten Fadenzellen ein Kern, als solcher, nicht mehr existirt und daher dem Endstadium dieser Zellen ein Verschwinden des Kems oder eine Auflösung desselben in Fasern ent- spricht. Die Grösse der Plasmazellen a) richtet sich ebenfalls nach dem Hautdurchmesser; wir treffen sie daher am längsten in der Mitte des Thorax, am kürzesten im Abdomen. Hin- sichtlich der Form bieten sie kaum eine geringere Mannigfaltigkeit als die Fadenzellen dar; meistens begegnen uns flaschenförmige, daneben aber auch spindelförmige oder cylindrische und zwar in den verschiedensten Durchmessern. Die eylindrischen erscheinen sodann entweder an beiden Enden abgerundet, oder am Fussende in feine Fasern auslaufend, wozu sich endlich auch noch am Kopfende eine flaschenförmige Einschnürung gesellen kann. Grössere Uebereinstimmung herrscht in der Structur: Die Plasmazellen entbehren vor Allem ausnahmslos einer Membran. Ihr Substrat ferner stellt sich in allen Präparaten als ein helles, vergängliches, oft an Schleim erinnerndes Plasma mit spärlichen körnigen Einlagerungen dar. Nur bei Notomastus profundus befinden sich unter den so beschaffenen Zellen auch A Ge di, 5: I. Notomastus. 2. Haut. b. Hypodermis. 23 solche, deren gesammter Leib aus annähernd gleich grossen, zuweilen orangegelb gefärbten Kügelchen besteht ?. Die Kerne der Plasmazellen unterscheiden sich von denjenigen der Fadenzellen scharf durch ihre rundliche Form, durch ihre grosse Vergänglichkeit und durch deren viel geringere Verwandtschaft zu Farbstoffen. Im Leibe der ihnen zugehörigen Zellen pflegen sie bald mehr in der Mitte, bald mehr der Basis genähert zu liegen. Es ist theilweise sicher der Membran- losigkeit, sowie der grossen Vergänglichkeit dieser Zellen zuzuschreiben, dass man, selbst in wohl erhaltenen Schnitten, so häufig vergebens nach ihnen sucht und an deren Stelle ent- weder nur Hohlräume (Wabenräume, Alveolen), oder aber Spuren von Plasma nebst unregel- mässig zerstreut liegenden Kernen findet. Die so beschaffenen beiden Zellenspecies sind nun im Aufbau der Haut folgender- maassen angeordnet: die Fadenzellen bilden, durch Aneinanderlegen ihrer Ränder oder durch Verbindung ihrer Fortsätze, ein continuirliches Gerüstwerk, dessen Fächer die Plasmazellen einschliessen. Von dem Vorhandensein förmlicher Alveolen kann man sich am besten an Flächenansichten ’) und Schnitten“) überzeugen, aber auch unter den durch Zerzupfung ge- wonnenen Zellengruppen zeigen einige noch diese Art der Verbindung. Unter diesen sind besonders solche Plasmazellen instructiv, welche noch von einer grösseren Anzahl Fadenzellen umschlossen gehalten werden . Den nöthigen Halt zur Herstellung eines solchen Gerüstwerks gewinnen die Fadenzellen einmal durch ihre Verschmelzung mit der Muscularis, sodann durch ihre innige Verbindung mit der Cuticula. Die Innigkeit der letzteren Verbindung ist so gross, dass beim Abziehen der Cuticula, trotz der vorhergegangenen Maceration des Präparats, oft ganze Strecken weit die Fadenzellen an ihr hängen bleiben. Es sind überaus feine der Cu- ticula zugekehrte Endfasern der Fadenzellen, welche diese Verbindung vermitteln. In solchen Macerationspräparaten bleiben aber beim Abziehen der Cuticula nicht nur Fadenzellen, son- dern auch — wo die Erhaltung es überhaupt zulässt — Plasmazellen hängen; es sind die sich allmählich fadenartig zuspitzenden, peripherischen Enden solcher Zellen, welche diese Verbin- dung bewirken, und zwar derart, dass je ein Faden in eine Pore der Cuticula eindringt. Es ist nach alledem klar, dass wir in den Plasmazellen Drüsenzellen vor uns haben, als deren Ausfuhrkanäle eben die Poren der Cuticula fungiren. Diese Auffassung der Plasma- zellen wird durch ihr Verhalten im frischen Zustande bestätigt. Bei Oberflächenansicht ©) eines ausgebreiteten Hautstücks gelangt unser Blick durch Senken des Tubus, von je einer Pore ausgehend, stets auf eine Plasmazelle, und auf Druck sieht man häufig das Plasma dieser Zellen in Form verschieden grosser Kugeln oder Würste durch die Poren hindurch fliessen. Für die Drüsenfunction spricht auch, dass man diese Zellen am Rücken des Abdomens häufig schneckenförmig gewunden trifft und dass ihr gewöhnlich homogenes Plasma zuweilen eine fast totale Umwandlung in ausserordentlich kleine Fäden und Stäbe erleidet, in eben solche a) Tat. 3. Eig. 4. b) Taf. 3. Fig. SP. e)n.Lal. 3. Bier 10. d) Taf. 3. Fig. 6. e) Taf. 3. Fig. $%. 24 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Fäden und Stäbe, wie sie bei manchen Individuen zu Hunderttausenden in dem von ihnen abgesonderten Schleime aufzutreten pflegen. Dieses Austreten®) der Plasmazellen, sei es nor- mal als Schleim, oder bei Misshandlung der 'Thiere in mehr fester Form, wirkt sicherlich auch zu der bereits hervorgehobenen 'T'hatsache mit, dass man in den Präparaten so häufig das Fachwerk der Fadenzellen durchaus leer findet. Die Plasmazellen sind demnach Drüsenzellen, welchen zwar insofern eine Individualität zukommt, als, abgesehen von den kleinen in der Hautbasis liegenden Reservezellen, meistens eine jede einen Kern und eine distinete Ausfuhröffnung besitzt, welche aber doch darin sich wesentlich von sog. einzelligen Drüsen unterscheiden, dass ihnen eine besondere Hülle mit eigenem Ausführungsgange normal abgeht und dass sie wahrscheinlich nicht wie letztere im Stande sind längere Zeit hindurch zu fungiren resp. sich aus sich heraus wieder zu erneuern, sondern umgekehrt in der Schleimabsonderung aufgehen, um durch jüngere, von unten her nachwachsende Zellen ersetzt zu werden. Als das Drüsenindividuum haben wir daher in unserem Falle die Gesammthaut zu betrachten, in welcher die Fadenzellen das Stroma, die Plasmazellen die Pulpa und die Cuticula den polystomen Ausführungsgang repräsentirt. Die im Vorstehenden geschilderte Auffassung der Hypodermstructur hat sich mir im Laufe der Untersuchung zahlreicher, nach sehr verschiedenen Methoden behandelter 'Thiere wiederholt auf das Ueberzeugendste aufgedrängt und doch kamen mir mitunter wieder Bilder zu Gesicht — besonders von der Rückenhaut des Abdomens —-, welche diese so oft er- härtete Ueberzeugung immer wieder zum Wanken brachten. Solche Hautstücke pflegten nämlich in der Flächenansicht keineswegs die Maschen der Fadenzellen und die von ihnen umschlossenen Plasmazellen, sondern ein ganz reguläres polygonales Zellenepithel aufzuweisen. Dieser Widerspruch hat sich aber als ein nur scheinbarer herausgestellt: das reguläre Epithel der Flächenansicht kommt nämlich dann zu Stande, wenn die Köpfe der Fadenzellen, welche auf der Rückenseite des Abdomens ohnedies zum Saftigwerden neigen, so stark entwickelt sind P), dass sie, anstatt zerstreut zu stehen, sich nahezu berühren; passende Profilbilder zeigen uns dann aber immer, wie sich diese oberflächlich verbreiterten Fadenzellen nach der Tiefe hin allmählich zuspitzen und mit ihren sich verzweigenden Ausläufern die in den Zwischen- räumen befindlichen Plasmazellen umfassen. In dem einen Falle lassen daher die Faden- zellen den Drüsenzellen Raum ihre Leiber breit bis zur Basis der Cuticula hin auszudehnen, im anderen dagegen zwingen sie dieselben durch feine Ausläufer zur Pore der Cuticula zu gelangen. Einen wirklich abweichenden Charakter bietet aber die Haut des nachwachsen- den Schwanzendes. Wie alle übrigen Gewebe, so ist auch sie an diesem Körpertheil auf eine relativ dünne Schicht redueirt; von Faden- und Drüsenzellen ist keine Spur zu sehen; I. Notomastus. 2. Haut. b. Hypodermis. 35 anstatt ihrer finden wir die Zellsubstanzen in Form einer ganz gleichmässigen, continuirlichen Schicht, in der nur die ziemlich regelmässig angeordneten, relativ grossen Keme die Zell- territorien andeuten ®%); von der Fläche aus gesehen bietet die Structur das Bild eines Platten- epithels. Da sich am nachwachsenden Schwanzende alle Organe in einem embrvonalen Zu- stande befinden, so können wir demnach für die im ausgebildeten Zustande so heterogen gestaltete Haut ein einfaches Plattenepithel als Anlage constatiren: wie sich aber aus de indifferenten Zellenlage jene so verschiedenartigen Elemente entwickeln, wollte mir durchaus nicht festzustellen gelingen, da sich der Umwandlungsprozess auf einer überaus beschränkten Zone und überdies sehr rasch abspielt. Eine scharfe Grenze zwischen Haut und Muskulatur tritt nur in ganz localer Beschränkung auf und selten kommt es dabei zur Bildung einer besonderen, die beiden Schichten trennenden Membran; in der Regel wird eine solche Grenze dadurch verwischt, dass alle in der Leibeshöhle zur Insertion gelangenden Muskeln, also die Parapodretractoren, Septaspanner und transversalen Muskeln mit ihren in die Fibrillen zerfallenden Ursprüngen nicht nur in der gesammten Stammesmuskulatur ausstrahlen, sondern auch zum grossen Theil letztere passiren, um sich auf's Innigste mit den Ausläufern oder Schwänzen der Fadenzellen zu verbinden. Von diesem auffallenden Modus des Muskelansatzes kann man sich auf geeig- neten Schnitten unschwer überzeugen’), sodann wird er aber auch durch seine Wirkungen offenbar: es kommen nämlich am unverletzten 'Thiere häufig ganz circumseripte Hautpartien zu mässiger Einstülpung, welch’ letztere Erscheinung eben nur durch solchen Verband distincter Haut- und Muskelelemente zu verstehen sein dürfte. Es muss auf diesen Befund deshalb ein ganz besonderes Gewicht gelegt werden, weil, wie wir in einem folgenden Kapitel?) sehen werden, sich in jedem Segmente Fadenzellen- gruppen zu distineten Sinnesorganen (Seitenorganen) ausgebildet haben und auch mit diesen so modificirten Zellen in ganz ähnlicher Weise Muskelfibrillen eine Verbindung eingehen. Im letzteren Falle bilden aber diese Fibrillen — es sind am Thorax Theile der parapodialen ©) und am Abdomen [heile der transversalen Muskulaturd) — unzweifelhafte Retractoren der betreffenden Sinnesorgane, so dass es schwer halten dürfte zu sagen, was man hier als Ansatz- und was man als Ursprungspunkt der contractilen Fäden zu betrachten habe. Zur Verwischung der Grenzlinie zwischen Haut- und Stammesmuskulatur trägt ferner der Umstand bei, dass sich von letzterer einzelne, theils radial, theils circular gerichtete Bündel abspalten und gegen die Haut zu heraufrücken ©); vielleicht haben wir darin die Anläufe zur Bildung einer distinceten Hautmuskulatur zu suchen. Endlich treten, bald gemeinsam mit den Muskelfibrillen, bald auch gesondert, überaus zahlreiche Nervenfibrillen in die Haut einf). Diese Fibrillen begeben sich aber zunächst al Dat... Fig. 13. b); Taf.;3. Fig. 4. Taf... 4. Fig. 6. Taf. 10. Fig. 10. 11. e)L Tat. 10. Big. 10. 11. d) Taf. 10. Fig. 1. Taf. 14. Fig. 1. 2. e) Taf. 3. Fig. 4. Z. M.; vergl. auch Taf. 18. Fig. 2. EN Tatı 34 Big. dr MM MirwmeN: a) Vergl. Kapitel Sinnesorgane; c. Seitenorgane. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 4 36 A. Anatomisch-Histologischer Theil. an einen zwischen Haut und Ringmuskulatur flächenhaft eingeschobenen Plexus von Ganglien- zellen, und erst von letzterem aus werden die Hautelemente ihrerseits versorgt. Die Haut- Ganglienzellen **) sind überaus dünne, vielfach verzweigte und durch Anastomosen vielfach verbundene Platten, deren Plasma feinkörnige Einlagerungen und meistens mehrere Kerne ent- hält; sie sind eminent multipolare Zellen; von ihren Ausläufern dient ein Theil zur Her- stellung der Plexus-Anastomosen, ein anderer zur Verbindung mit den Nervenfibrillen und ein dritter Theil endlich vermittelt die Versorgung der Hautelemente. Alle diese Ausläufer, besonders aber die zuletzt genannten, schwellen häufig zu kernartigen Gebilden an, Gebilden, wie sie auch ähnlich im Centralnervensystem, in den Sinnesorganen sowie in dem sympathischen Systeme angetroffen und als »Körner« bezeichnet werden. Die Körner können, wo sie zahlreich auftreten, wie z. B. in der Haut des Notomastus profundus»), das Verständniss der Hautstructur sehr erschweren, indem man, ohne ihre nervöse Natur zu kennen, sie leicht für Kerne von Hautzellen zu halten geneigt ist, oder aber sie spiegeln, besonders wenn ihre Fortsätze deut- lich zum Vorschein kommen, sog. Bindegewebszellen vor. Von den Hautganglienzellen ist in Folge der ausserordentlichen Dünne ihrer Schicht auf Schnitten nichts wahrzunehmen; sie könnten, schon aus topographischen Gründen, allein durch zufällig rein tangential geführte Schnitte überhaupt zur Darstellung gebracht werden; aber auch dann würde es schwer halten, die ihrer Fortsätze beraubten dünnen Plättchen im Gewirre der übrigen Hautelemente zu unterscheiden. Von einer Innervation der Drüsenzellen (Plasmazellen) vermochte ich — man erinnere sich, dass diese Zellen membranlose, halbflüssige Körper sind — nichts wahrzu- nehmen, dagegen lässt sich eine solche auf’s Unzweifelhafteste für die Fadenzellen con- statiren. Ich habe mehrere noch mit den zugehörigen Fadenzellen im Zusammenhange befindliche Ganglienzellen abgebildet®); besonders instructiv ist diejenige, von welcher, neben einem starken aus der Region des Kerns entspringenden Fortsatze, eine grosse An- zahl feinerer, mehr vom Rande abgehender Fasern sich an die Fadenzellen begeben, um hier ganz continuirlich in deren Fäden überzugehen. Jedenfalls ist aber dieser Modus der Innervation nicht der einzige, indem unzweifelhafte Fadenzellen, anstatt durch zahlreiche, je in einen Faden übergehende Fibrillen auch durch einen einzigen, alle Fäden versorgenden Ganglienzellenfortsatz innervirt werden können. So käme denn zur Verbindung der Fadenzellen mit Muskel- auch noch eine solche mit Nervenfibrillen, und auch auf dieses Factum muss ich grosses Gewicht legen, da in jenen bereits erwähnten, zu distincten Sinnesorganen (Seitenorganen) differenzirten Hautpartien dieses Verhältniss ebenfalls in hervorragender Weise zur Ausbildung gelangt. Sowie es näm- lich in jenen Organen nicht mehr einzelne Muskelfäden sind, die sich an den Fadenzellen a) Taf. 18.) Fig, 2. bp) Taf 3.0 Big. A Rr, c) Taf. 18. Fig. 4. *) Da diese Elemente bei Dasybranchus viel leichter zur Anschauung gebracht werden konnten, so habe ich des Verständnisses halber schon hier auf die jener Gattung zugehörigen Figuren verwiesen. I. Notomastus. 2. Haut. b. Hypodermis. 27 g ansetzen, sondern relativ mächtige, als Retractoren fungirende Muskelbündel, so sind es auch nicht mehr bloss vereinzelte Nervenfibrillen, sondern ganze Bündel solcher, deren Körner geradezu ein Ganglion bilden, von welchem aus die Sinneszellen innervirt werden *). Nachdem wir die 'Thatsache kennen gelernt haben, dass die einzelnen Fadenzellen sowohl Verbindungen mit Muskel- als Nervenfibrillen eingehen, wird uns deren oft sehr reichliche Verzweigung an der Basis verständlicher erscheinen; die meisten dieser Ausläufer stehen wahrscheinlich mit den Fortsätzen der Kömer in Verbindung, einzelne kräftigere dürften dem Zusammenhange mit den Muskelfäden dienen; aber darüber Genaueres zu eruiren ist um so schwerer, als bei unseren Thieren Nerv und Muskel von dem Moment ab, in dem man es mit der einzelnen Fibrille zu thun hat, nicht mehr unterscheidbar zu sein pflegen. Das Gefüge aller dieser Fortsätze und Fasern ist übrigens an der Basis mancher Hautstellen, besonders bei der Species Notomastus profundus, so dicht, dass es auf Schnitten ein dem Gerüst- werke des Bauchstranges ähnliches Aussehen gewinnt®); auch dieses Bild ist, so lange es uns undefinirt gegenüber steht, sehr einladend zur Bezeichnung »Bindegewebe«, besonders wenn auch die bereits erwähnten Körner mit ihren Fortsätzen noch hinzukommen. In Wahrheit tritt aber Bindesubstanz nur an ganz bestimmten Stellen, wie z. B. im Bereiche der Parapo- dien auf, und zwar in Form des bekannten zellig blasigen Gewebes. Ich verweise hinsicht- lich dieser Substanz auf den betreffenden Anhang, ebenso bitte ich bezüglich der Modificationen, welche die Haut an den Seitenorganen, Genitalporen und Kiemen erleidet, die ent- sprechenden Kapitel zu vergleichen. Noch sei hervorgehoben, dass die Haut des Noto- mastus — abgesehen davon, dass der Drüseninhalt zuweilen gelb erscheint — durchaus der Pigmentablagerungen entbehrt. Eine überaus auffallende Veränderung erleidet die Haut bei geschlechtsreifen Thieren der Untergattung Clistomastus und zwar auf der Rückenseite des Abdomens. Schon an Individuen, welche sich noch nicht im Reifezustande befinden, waren mir, meistens in der Nähe der hämalen Hakenwülste, Drüsenzellen aufgefallen, welche sich durch den Zerfall ihrer Substanz in zahlreiche, homogene, etwa 2 p. grosse Kügelchen oder Tropfen auszeichneten ; der- artige bei nicht geschlechtsreifen Thieren nur ganz vereinzelt auftretende Kügelchen entwickeln sich nun massenhaft in der Haut geschlechtsreifer. Am dichtesten stehen sie je in der Mitte der Segmente und nehmen von da gegen deren Grenzen hin allmählich bis zum Verschwinden ab, so dass eine gürtelförmige Anordnung zu Stande kommt). Bei Flächenansicht frischer Prä- parate®) gewinnt man den Eindruck, als ob diese Kugeln, welche ich Kugelzellen oder Kugeldrüsen nennen will, unmittelbar unter der Cuticula lägen; behandelt man aber ein solches Präparat mit Essigsäure, so dass die Fadenzellen und die Grenzlinien ihrer Alveolen zum Vorschein kommen, so überzeugt man sich, dass die Kugelzellen mehr in der Tiefe liegen @. Im Gegensatze zu den Plasmazellen der normalen Haut werden die Kugelzellen a) Taf. 3. Fig. 4. b) Taf. 2. Fig. 4. e)a Tat. 3, Rio. 14%. 2772.7.22. a), Tata. Rio. 1Ab: 0) Vergl. Kapitel Sinnesorgane; ce. Seitenorgane. 38 A. Anatomisch-Histologischer Theil. von sehr kräftigen cuticnlaähnlichen Membranen umschlossen; ihre Form ist bald rund, bald oval; ihre Grösse schwankt ausserordentlich, doch bilden solche von 10—20 px Durchmesser die Mehrzahl. Frisch pflegt ein Kern nur undeutlich als heller, wenig scharf begrenzter, 4—5 p grosser Fleck wahrnehmbar zu sein; durch Zusatz von Essigsäure aber wird derselbe deutlicher, während die Kügelchen umgekehrt durch dieses Reagens nach einiger Zeit zer- stört werden. Durch Behandlung mit Ueberosmiumsäure lassen sich die Kugelzellen conser- viren, ohne grosse Veränderungen zu erleiden, und an so präparirten Thieren habe ich, indem entweder Hautstücke abgezogen und zu Flächenansichten ausgebreitet, oder aber nach Erhär- tung der 'Thiere Querschnitte angefertigt wurden, die Entwickelung der Kugelzellen in den verschiedenen Stadien der Geschlechtsreife weiter verfolgen können®). Es ergab sich zu- nächst, dass sie immer mehr an Zahl zunehmen und dass in Folge dessen die Haut anschwillt; ihre anfänglich einfache Schicht kann sich verdoppeln; zugleich nehmen die einzelnen Zellen eine mehr längliche Form an und einige rücken der Cuticula näher. Bei diesen Vorgängen erleiden die übrigen Theile der Haut insofern eine Veränderung, als an Stelle der Plasma- zellen immer mehr Kugelzellen angetroffen werden. Von einem gewissen Grade der Ent- wickelung an umschliessen auch die Alveolen der Fadenzellen die letzteren gerade so wie einst die ersteren; weiterhin aber scheinen sich die Alveolen ebenfalls zurückzubilden. In diesem Stadium sind die Kugelzellen immer dicht mit Kügelchen angefüllt, welch’ letztere jetzt häufig einen gelblichen Ton zeigen; von ihrem sehr unregelmässig geformten, der Wand anliegen- den Kerne ziehen durch einen grossen T'heil der Zelle fadenförmige Ausläufer hin. Bemer- kenswerth ist ferner die grosse Neigung der Kügelchen zu gewissen Farbstoffen: Eosin und Fuchsin färben z. B. die Kugelzellen tief, die übrigen Theile der Haut dagegen fast gar nicht, Pikrokarmin und Indigokarmin fürben umgekehrt die Kugelzellen wenig, die übrigen Haut- partien hingegen stark. Man trifft oft am selben Thiere die Kugelzellen in sehr verschiedener Ausbildung: so stammt z. B. Fig. 17° (Taf. 3) vom vorderen, Fig. 17" (Taf. 3) vom hinteren Abschnitte des Ab- domens desselben geschlechtsreifen Individuums; im ersteren Bilde hat die Haut noch ein ziem- lich normales Ansehen, nur wenige kleine Kugelzellen sind vorhanden, im letzteren dagegen stehen sie in ihrer charakteristischen Form und Grösse bereits so dicht gedrängt, dass ihnen gegenüber die übrigen Hautelemente fast ganz verschwinden. Als dem Endstadium dieser Hautmodi- fication entsprechend betrachte ich nun das in Fig. 18 (Taf. 3) abgebildete Präparat, welches von einem 'Thiere herrührt, dessen Abdomen strotzend mit Geschlechtsproducten an- gefüllt war, welches also auf der Höhe der Geschlechtsthätigkeit gestanden hatte. An Stelle der geschlossenen Kugelzellen sehen wir viel umfangreichere (im frischen Zustande gelblich gefärbte) tlaschenförmige Körper, deren Hälse die Cuticula durchbohren. In einzelnen dieser llaschen, in welchen wir ohne weiteres Drüsen erkennen, sind die Kügelchen ganz ver- schwunden, in anderen sind deren noch zahlreiche vorhanden; auch die Kerne und die von a) Taf. 3. Fig. 16—18. I. Notomastus. 3. Muskulatur. 29 y denselben ausstrahlenden Fadennetze haben ihren von den Kugelzellen her bekannten Cha- rakter so ziemlich erhalten. Die Hälse einiger dieser Drüsen sind mit einer homogenen, gelb- lichen Substanz angefüllt, welche in einer derselben noch pfropfartig über die Cutieula hinaus- ragt und gegen den Drüsenbauch zu wie von einer Duplicatur der Membran vom übrigen Lumen abgegrenzt erscheint. Die ursprünglichen Hautelemente (Faden- und Plasmazellen) sind fast vollkommen verdrängt; nur in einzelnen Zwischenräumen sind noch Reste derselben sichtbar. Ist die geschilderte Entwickelungsfolge, welche sich weniger auf den Verlauf des Modi- ficationsprozesses an ein und demselben Individuum, als auf den Vergleich verschiedener Thiere stützt, richtig, so werden also in der Rückenhaut des Abdomens geschlechtsreifer Thiere der Untergattung Clistomastus die normalen Hautelemente allmählich von einer sich zu einzelligen Hautdrüsen ausbildenden Zellenform, den Kugelzellen oder Kugeldrüsen, ver- drängt. Wie dieser Prozess im Einzelnen verläuft: ob die Kugelzellen als Neubildungen zu betrachten sind, welche in dem Maasse, als sie an Zahl zunehmen, die Plasmazellen verdrängen, oder aber, ob es von Anfang an das Material der Plasmazellen ist, welches die Umwandlung in Kugelzellen erfährt, vermochte ich nicht festzustellen ; eingehende, speciell auf diesen Punkt gerichtete Studien werden zur Entscheidung dieser Frage angestellt werden müssen. 3. Muskulatur. Die Muskulatur der Capitelliden hat bei keinem meiner Vorgänger Berücksichtigung gefunden. In diesem Kapitel soll nur die Muskulatur des Stammes besprochen werden; bezüglich aller der den einzelnen Organen zugehörigen Muskeln verweise ich auf die Beschreibungen der betreffenden Organsysteme. Zu der Muskulatur des Stammes rechne ich aber nicht nur die Ring- und Längs-Faserschichten des sog. Hautmuskelschlauchs, sondern auch die in der Leibeshöhle ausgespannten transversalen Muskelbänder. Aehnlich wie bei den übrigen Anneliden folgt auch bei Notomastus auf die Haut zu- nächst eine Schicht von Ringfasern und auf diese eine solche von Längsfasern. Während aber die Haut einen wirklich continuirlichen Mantel darstellt, ist solches für die genannten, innig mit ihr zusammenhängenden Muskelschichten nicht der Fall; die Ringfaserbündel werden von zahlreichen, reifartig den ganzen Leib umspannenden Lücken durchsetzt®), Lücken, welche am deutlichsten in frontalen Längsschnitten zum Vorscheine kommen. Auch die Längsfaser- bündel werden in einer ihrem Verlaufe parallelen Richtung durch verschieden breite und tiefe Furchen von einander geschieden. Die meisten dieser Furchen fallen mit den Grenzen der a) Taf. 9. Big. 2. Taf. 15. Fig. 2. 30 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Hauptbündel, in welche sich die betreffende Muskulatur gliedert, zusammen; einzelne Lücken treffen wir aber auch zwischen den diese Stränge zusammensetzenden Primitivbündeln. Wenn wir uns nach dem Zwecke dieses so ausgesprochenen Lückensystems fragen, so wird das Vor- handensein eines gewissen Maasses desselben schon im Hinblicke darauf verständlich erscheinen, dass voluminöse, innerhalb der Leibeshöhle gelegene Organe, wie die Parapodien, Raum für ihr nach aussen Treten finden müssen, dass ferner eben solcher Raum nöthig ist für die von der Leibeshöhle aus innervirten und mit Retractoren versehenen Bildungen, wie die abdominalen Seitenorgane, oder für den Ansatz der transversalen Muskelbündel. Aber diesen und ähnlichen speciellen Bedürfnissen könnte durch ganz locale, von Segment zu Segment an den betref- fenden Stellen sich wiederholende Durchbrechungen genügt werden; sie erklären nicht das Lückensystem. Letzteres hat in der 'T'hat, in erster Linie, eine andere Funktion: es ersetzt nämlich bei unseren der Blutgefässe durchaus ermangelnden 'Thieren eben diese Gefässe; deshalb trifft man auch so häufig Blutkörper-Conglomerate in jenen Lücken. So weit letztere direct mit der Leibeshöhle communiciren, so weit sie also nur Furchen zwischen den Längs- bündeln darstellen, erweisen sie sich auch als von dem die ganze Leibeshöhle austapezierenden Peritoneum überzogen; die tiefer liegenden Spalten dagegen lassen keine derartige Ausklei- dung erkennen. Was andererseits die peripherische Begrenzung, also diejenige gegen die Haut hin, betrifft, so stösst man nur in ganz seltenen Fällen auf Andeutungen einer structurlosen, Haut- und Muskelsystem von einander scheidenden Grenzmembran; meistens dagegen ist eine andere Grenze als die von der Ringfaserschicht selbst gesetzte nicht vorhanden; ein Verhalten übrigens, welches allein den, bereits im vorigen Capitel zur Sprache gebrachten‘), directen, continuirlichen Uebergang transversaler Muskelfibrillen in Fortsätze der Hautfadenzellen mög- lich erscheinen lässt. Sowohl die Ring- als auch die Längsmuskulatur zeigen, je nach der Körperregion, ein sehr verschiedenes Verhalten. Der so in die Augen springende Gegensatz von Thorax und Abdomen beruht, abgesehen von den Parapodien, hauptsächlich auf der eigenthümlichen Ver- theilung dieser zwei Schichten. In der ersteren Region radial gleichmässige Anordnung der Längsbündel und annäherndes Gleichgewicht ihrer Masse mit derjenigen der Ringfaserschicht, daher auch ein gleichmässig cylindrischer Querschnitt ®; in der letzteren Region, wenigstens im Hauptbereiche, colossales Vorwiegen der neuralen Längsbündel über die hämalen und /urücktreten der gesammten Ringschicht, daher der grosse Contrast zwischen Rücken- und Bauchseite®). Aber auch innerhalb jeder dieser beiden Körperregionen verändert sich Mäch- tiekeit und Anordnung der zwei Muskelschichten in dem Maasse, als man dieselben von dem einen Körperpole zum anderen hin verfolgt. Im Kopfe, sowie überhaupt im vorderen Thoraxbezirk e®) ist die Längs- und Ringmuskulatur hinsichtlich ihrer Masse am gleichmässigsten vertheilt; in der Mitte des Thorax“) wächst der Durchmesser der letzteren gegenüber dem- a) Taf. 10. Fig. 10. b) Tata RielDr oO Als de all al, Bil Ar, d) Taf. 10. Fig. 11. a) Vergl. p. 25. I. Notomastus. 3. Muskulatur. 31 jenigen der ersteren nicht unbedeutend, und gegen das Thoraxende®) hin nimmt wieder die Längsmuskulatur mehr an Masse zu, jedoch nur neural, wogegen sie sich hämal stark ver- schmächtigt. Mit Bezug auf das Mundsegment und den Kopflappen ist hervorzuheben, dass sich die beiden Muskellagen in dem Maasse, als sie dem vorderen Körperpole zustreben, gleicher Weise aus immer dünneren Bündeln zusammensetzen; immerhin können wir sie in continuirlichem Verlaufe bis zu diesem Pole hin verfolgen; Unterbrechungen finden nur da statt, wo Organe mit der Haut verschmelzen, also in der Gehirn-, Augen- sowie in der Wimper- organ-Region >). Im Abdomen verläuft die Ringmuskulatur von Anfang bis zu Ende in überaus dünner Schicht, so dass ihr Durchmesser nur einen Bruchtheil desjenigen der gleich- namigen 'Ihoraxmuskulatur beträgt‘); dagegen weist die Längsmuskulatur, besonders in ihren neuralen Strängen, ausserordentliche Unterschiede auf. Im Anfange des Abdomens ) überwiegt die Masse dieser Stränge, in einem gegebenen Querschnitte, um ein Vielfaches die Gesammtheit aller übrigen Körpertheile; gegen die Mitte des Abdomens®) tritt mehr Gleichgewicht ein, indem die neuralen Stränge an Umfang (Höhe) immer mehr ab-, die hämalen dagegen immer mehr zunehmen; und im Schwanzef) endlich kommt es zu einem dem im Abdomenanfange herrschenden geradezu entgegengesetzten Verhältnisse: die hämalen Bündel occupiren über zwei Drittel des Körperumfanges und die neuralen bleiben ebenso auf die Bauchebene beschränkt, wie im Abdomenanfange die hämalen auf die Rückenebene. Wenn man daher den Verlauf eines dieser neuralen Längsmuskeln projizirt, so erhält man eine Linie, welche im Anfange des Abdomens die Rücken- und am Ende des Abdomens die Bauchfläche tangirt und zwischen beiden Punkten alle Grade des allmählichen Sinkens resp. Ansteigens aufweist. Weiterhin wird sich ergeben, dass diese Linie mit der sog. Seitenlinies) zusammenfällt, in welch’ letzterer die Sinneshügel eingepflanzt stehen, die neuralen Parapodien nebst Kiemen enden, sowie die transversalen Muskeln sich ansetzen, welche Theile daher alle zugleich mit dem genannten Muskel resp. der Seitenlinie die Wanderung von der Rücken- nach der Bauchseite hin ausführen. Aber trotz dieses grossen Gegensatzes, welcher dem Vorher- gschenden zufolge in der Vertheilung der Längsmuskulatur der verschiedenen Körperregionen herrscht, lässt sich gleichwohl nachweisen, dass alle Theile dieser Muskulatur Glieder eines einzigen, continuirlich vom Kopfe bis zum Schwanze hinziehenden Systems ausmachen, dass trotz des grossen Contrastes, welchen z. B. ein Querschnitt aus dem Anfange des 'Thorax gegen- über einem solchen aus dem Anfange des Abdomens darbietet, dennoch Einfachheit in der Gesammt-Topographie herrscht. Schneiden wir einen Notomastus der Länge nach median- neural oder -hämal auf, so können wir in der Kopfregion etwa 30, in der T'horaxmitte etwa 24 und in der Endregion desselben Körpertheils ungefähr 12 Längsbündel unterscheiden. Im Abdomenanfange beträgt ihre Zahl in der Regel S, wovon 4 hämal und 4 neural, weiterhin all Tat. 15. Big. 1. b) Taf. 6. Fig. 18—20. Taf. 7. Fig. 1. 5. 9. €), Bar. 10.206102 1222 Tatz 13: Rio. 9. Taf. 15. Fig. 31. d)ı ‚Tat.gKORERIS E22 Tar12.5R1022.2 Tara 14. pyos oil s e) Taf. 13. Fig. 9. f) Dat.s1 4 Biel A... Taf. 15. Fig. 7.231. g) Fig. eit. S, L. J 32 A. Anatomisch-Histologischer Theil. nur noch 4, d.h. 2 hämal und 2 neural; gegen das Abdomenende hin nimmt aber ihre Zahl umgekehrt wieder erheblich zu. In dem Maasse nun, wie die Bündel an Zahl abnehmen, wächst auch ihr Durchmesser und umgekehrt. Alle die auf Querschnitten aus verschiedenen Regionen so auffallenden Abweichungen kommen daher lediglich durch Verschmelzung resp. Wiederauflösung einer gegebenen Anzahl von Muskelbündeln zu Stande. Dass diese einzelnen Bündel in der 'That continuirlich vom Kopf bis zum Schwanzende hinziehen, kann man schon an topographischen Präparaten mit Hülfe einer Lupe nachweisen; aber noch eviden- teren Beweis dafür liefern entsprechende Serien verticaler Längsschnitte®). Wir könnten nach alledem die Vertheilung der Längsmuskulatur bildlich am besten so darstellen, dass wir, vom Anfange des Abdomens ausgehend, vier die Körperhöhle begrenzende Stämme zeichnen: zwei neurale und zwei ihnen an Durchmesser bedeutend nachstehende hämale, welche vier Stämme sich, je mehr sie gegen den Schwanz, ganz besonders aber in dem Maasse als sie sich nach der entgegengesetzten Richtung hin fortsetzen, in immer zahlreichere und dem entsprechend auch dünnere Bündel auflösen. Eine besondere Erwähnung verdient noch das scheinbar ganz paradoxe Verhalten des letzten Thoraxsegments: ein Querschnitt®) durch dessen hinteren Abschnitt zeigt nicht zwei, sondern vier Muskelschichten; auf die normale Ring- und Längsfaserlage folgt nämlich noch eine andere, histologisch von der äusseren stark abweichende Ringfaser- sowie eine umgekehrt von der äusseren in nichts abweichende Längsfaserschicht. Eine Serie durch dieses Segment geführter Querschnitte belehrt uns, dass sich diese innere Ringfaserschicht immer mehr auf Kosten der inneren Längsfaserschicht ausdehnt, bis letztere schliesslich ganz ver- schwindet und erstere so nahezu die gesammte Leibeshöhle ausfüllt; im ersten Abdomenseg- ment‘) treffen wir sodann wieder allein die zwei äusseren, normalen Muskelschichten. Die Sache hat sich folgendermaassen aufgeklärt: das zwischen dem letzten 'IThorax- und ersten Abdomensegment, also an der Uebergangsstelle beider Körperabschnitte gelegene Septum ist ausserordentlich kräftig entwickelt; es erreicht durchschnittlich eine wenigstens zehnmal so bedeutende Dicke als die vorhergehenden und nachfolgenden; wäre die dieses Septum zusammensetzende Muskellage — sie ist nichts Anderes als unsere innere Ringfaserschicht — allein vorhanden, so würde auch ihre wahre Natur, ihre Zugehörigkeit zu einem enorm verdickten Septum, sich ohne Weiteres ergeben; complieirt wird aber das Verhältniss dadurch, dass dieses Septum, in dem Grade als sich seine Fasern zwischen die zwei normalen Muskel- schichten eindrängen, eine Partie der Längsmuskulatur vor sich herschiebt, zur Abschnürung bringt und so das Vorhandensein von vier Muskelschichten des Stammes vorspiegelt. Das genannte Septum ist bei allen Capitelliden stärker entwickelt als irgend ein vorhergehendes oder nachfolgendes, bei keiner Form aber in dem Maasse wie bei Notomastus lineatus, wo diese Entwicklung einen solchen Grad erreicht, dass nahezu die ganze Leibeshöhle im ent- sprechenden Segmente obliterirt und alle continuirlichen Organe überaus eingeengt ver- a) Taf. 13. Fig. 8. Taf. 14. Fig. 1. 2.6. b) Taf. 15. Fig. 28.729. ec) Taf. 10. Big. 1. I. Notomastus. 3. Muskulatur. 33 e laufen®. Bei ihm — also bei der Untergattung Chistomastus — allein kommt es auch zur be- schriebenen Abspaltung von Schichten der Stammeslängsmuskulatur. Ich bin nun zur Ansicht gelangt, dass diese für Olistomastus so charakteristische Anordnung mit der Eigenthümlichkeit dieser Untergattung zusammenhängt, sich ihrer Geschlechtsproducte durch Abreissen der mit Eiern oder Samen angefüllten Portionen des Abdomens zu entledigen ®). Die betreffenden Thiere werden nämlich durch die geschilderte Einrichtung wahrscheinlich in Stand gesetzt, den Thorax spontan vom Abdomen abzuschnüren und auf diese Weise den allein von jener (auf der Höhe der Geschlechtsreife auftretenden) Histolyse frei bleibenden, zum Fortleben befähigten Theil, den Thorax, von der gefährlichen Nachbarschaft solcher der Zersetzung an- heimfallender Abdomina zu befreien. Betrachten wir nun die transversale Muskulatur®). Sie besteht aus dorso-ventral gerichteten Bündeln, welche einerseits in der Nähe des Bauchstrangs aus der Ringmuskulatur entspringen und andererseits in der Seitenlinie, jene Muskulatur wieder durchbrechend, mit der Haut verschmelzen, oder welche umgekehrt ihren Ursprung aus der Ringmuskulatur im Bereiche der Seitenlinie nehmen, um in der Nähe des Bauchstranges sich am Hypoderm anzusetzen. Je nach der Körperregion verfolgen diese Bündel eine mehr verticale oder mehr horizontale Richtung, indem sie ja die Lageveränderungen der Seitenlinie mitmachen. In den ersten vier 'IThoraxsegmenten fehlen die transversalen Muskeln gänzlich; wie die Septa, so wurden auch sie durch die mächtige Entwickelung des Rüssels und seiner Muskulatur ver- drängt; vom fünften Segment ab sind sie dagegen in allen Zoniten vorhanden. Bei Noto- mastus lineatus stehen die transversalen Muskeln in der vorderen Körperregion in weiten Zwischenräumen, in der hinteren dagegen rücken sie näher zusammen; bei der Untergattung Tremomastus finden wir sie — abgesehen vom Thorax, wo sie sich ähnlich wie bei Olistomastus verhalten — überall näher aneinandergerückt und durch Ausläufer anastomosirend ©). Die erwähnten Lücken sind in allen Fällen durch das Peritoneum überbrückt und zwar durch den als »Nierenplatte« gekennzeichneten Theil, so dass die transversalen Muskeln wie das Balkenwerk jener Membran erscheinen; bei der Präparation reissen aber die peritonealen Brücken sehr leicht ein, weshalb so häufig nur die Muskeln als Gitter übrig bleiben. Wie diese transversalen Muskeln, resp. die Nierenplatten, die Leibeshöhle eines gegebenen Seg- ments in drei Kammern abtheilen, sowie das Verhältniss der letzteren zu den verschiedenen Organen wird in einem anderen Kapitel ausführlich zur Sprache gebracht werden ?). Alle Glieder der Stammesmuskulatur sind irgendwie zur Lieferung secundärer, innere Organe versorgender, oder Abschnitte der Leibeshöhle begrenzender Muskeln herangezogen. So entspringt ein Theil der Septamuskeln aus der Ringfaserschicht; die Längsmuskulatur gibt durch Auseinanderweichen gewisser Bündel zur Entstehung der Gehirn-Wimperorgan- Höhle Veranlassung; dieselbe Muskulatur liefert das Material für die Rüssel- und Para- a) Taf. 15. Fig. 29. b) Taf. 2. Fig. 23. 27. 28. Taf. 10. Fig. 1. 2. Taf. 12. Fig. 2. Taf. 14. Fig. 3. 4. 11. Taf. 15. Fig. 1. e) Taf. 4. Fig. 5. a) Vergl. Kap. Geschlechtsorgane. ß) Vergl. Kap. Leibeshöhle. on Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 34 A. Anatomisch-Histologischer Theil. podretractoren; Abschnitte transversaler Muskulatur endlich liefern die Retractoren der Sinneshügel. Bezüglich aller dieser und ähnlicher Fälle ist das entsprechende Organsystem zu vergleichen. Es bleibt uns noch übrig, die Muskulatur vom histologischen Standpunkte aus zu betrachten. Schon das frische Präparat, sei es der Längs-, Ring- oder Quermuskulatur ent- nommen, lässt die das Muskelbündel zusammensetzenden Elemente, die einzelnen Muskel- fasern, klar erkennen; sie stellen, je nach der Region, sehr verschieden breite Bänder oder Cylinder dar‘), deren jeder sich von einem deutlich doppelten, 1—2 p breiten Contour, dem Sarcolemma, begrenzt erweist. Zwischen diesen einzelnen Fäden treten ebenfalls schon am lebenden Gewebe erkennbare Körnchenconglomerate auf, Körnchen, die wohl unverbrauchte Reste der ursprünglichen Bildungszellen darstellen. Die contractile Substanz selbst stellt sich frisch als eine durchaus homogene, blasse, oder schwach rothgelb gefärbte Masse dar, welche beim Ausfliessen aus angeschnittenen Bündeln eine teigartige Beschaffenheit verräth; sie ist in diesem Zustande schwach doppelbrechend, welche Eigenschaft in der abgestorbenen Faser, besonders wenn sie als Canadabalsampräparat zur Untersuchung gelangt, noch bedeutend ge- steigert erscheint. Keine Spur von Querstreifung, Fibrillenbildung oder Differenzirung in Rinden- und Axensubstanz kann an der frischen Faser wahrgenommen werden; ebensowenig habe ich in diesem Zustande jemals Kerne zu entdecken vermocht®). Nach Behandlung mit geeigneten Reagentien kommen dagegen sofort zahlreiche Kerne zum Vorschein®); dieselben sind in der Regel elliptisch, messen in der grossen Axe 10—14, in der kleinen d4—6 p, da- neben trifft man auch als seltenere Bildungen solche von Spindel-, Keulen- und Bisquitform. Sie haben eine deutliche Membran und ihr Inhalt besteht meist aus zahlreichen kleinen soliden Körperchen, von denen sich nur ausnahmsweise eines oder mehrere durch bedeutenderen Durchmesser als Kernkörperchen auszeichnen; die lange Axe dieser Kerne ist stets dem Faser- verlaufe parallel gerichtet, so dass man an der Schnittfläche der Kerne sehr wohl die Schnitt- richtung zu erkennen vermag. Auch im Sarcolemma treten nach entsprechender Behandlung Kerne auf‘); letztere sind aber viel kleiner, haben ein homogenes Ansehen und zeigen über- dies viel grössere Verwandtschaft zu Farbstoffen. In der contractilen Substanz bewirkt der Zusatz von Essigsäure zunächst nur eine körnige Trübung, von der ich übrigens nicht einmal sicher bin, ob sie wirklich in der Faser oder nur auf deren Oberfläche ihren Sitz hat, also eventuell von der Kittsubstanz, oder den zwischen den Fasern angehäuften Resten der Bil- dungszellen hervorgerufen wird. Weiterhin tritt aber in der so behandelten Muskulatur eine allerdings nur sehr schwache Andeutung eines Zerfalles in Fibrillen auf. Auch in den in der üblichen Weise durch Alcohol gehärteten und tingirten Schnittpräparaten kommen die Kerne sehr deutlich zum Vorschein, und so behandelt, bietet die Muskelsubstanz ebenfalls das Ansehen fibrillärer Structur. Unterwirft man frische Muskeln dem macerirenden Ein- flusse von Salpetersäure oder doppelchromsaurem Kali, so verhalten sich die Fasern ganz a) Taf. 4. Fig. 1—3. b) Tat, Ay Bie.) Al, c) Taf. 4. Fig. 2, d) Taf. 4. Fig. 4. I. Notomastus. 3. Muskulatur. 35 anders: sie zerfallen auf das Deutlichste®) in zahlreiche distincte, überaus feine, leicht wellig verlaufende Fibrillen, von deren selbständiger Natur, von deren Plastieität man sich an Rissstellen auf das Sicherste überzeugen kann. Muskelbündel, welche eine derartige Maceration erfahren haben, gestatten eine vollkommene Isolirung der einzelnen sie zusam- mensetzenden Fasern, und da zeigt es sich denn, dass letzteren eine ausgesprochene Spindel- form zukommtb). Von dem Punkte ihres grössten Durchmessers schwillt eine solche Faser nach beiden Polen hin ganz allmählich ab, um schliesslich in einen überaus feinen, soliden Faden auszulaufen, der wohl ausschliesslich aus Sarcolemmamasse besteht. Ich habe solche Fasern, welche in der Mitte einen rundlichen bis prismatischen, meist 10 x messenden (@Quer- schnitt aufweisen, bis zu zwei Millimeter Länge isolirt, vermag aber nicht anzugeben, ob dieses Maass der Grenze ihres Längenwachsthums nahe kommt; genug. das Muskelbündel, welches nachweislich in voller Continuität zahlreiche Segmente durchsetzt, ist selbst aus einer grossen Menge im Verhältnisse zu seiner eigenen Ausdehnung sehr kurzer Muskelzellen auf- gebaut. Den Modus dieses Aufbaues erkennt man am besten aus dünnen, rechtwinklig auf die Faserrichtung der Längs- oder Ringmuskulatur geführten Schnitten ©). In solchen kommt es sehr häufig vor, dass einzelne, etwas contrahirte Muskelscheibchen aus ihrem zugehörigen Sarcolemma herausfallen, so dass ohne Weiteres die Beziehungen dieser beiden Componenten des Muskelbündels festgestellt werden können. Man erkennt nämlich, dass die genannten Scheiden ein durchaus geschlossenes Fachwerk bilden, welches auf dem Querschnitt grosse Aehnlichkeit mit demjenigen eines Pflanzenparenchyms oder demjenigen einer caver- nösen Drüse darbietet; man überzeugt sich auch, dass hier von Primitivbündeln, als einer zwischen die Muskelfaser und das Muskelbündel sich einschiebenden Einheit, keine Rede sein kann; dass ferner die Begriffe Sarcolemma und Perimysium durchaus zusammenfallen, indem hier das Perimysium einfach durch die Sarcolemmawände der äussersten Muskelzellen repräsentirt wird. Solche Schnitte haben auch über eine Frage Aufklärung verschafft, deren Beantwortung ich lange vergeblich versucht hatte: nämlich über die Frage nach der Lage der Muskelfaserkerıne. In meinen Notizen und Skizzen hatten sich über diese Lagerung die widersprechendsten Angaben gesammelt: bald sollten die Kerne innerhalb der Muskelfaser, bald auf derselben, bald zwischen denselben gelegen sein. Es hat sich nun ergeben, dass alle diese Beobachtungen richtig waren: die Kerne der Muskelfasern können in der That central oder excentrisch, hart unter dem Sarcolemma oder auf dem letzteren, resp. zwischen den einzelnen Fasern, ihre Lage haben. Letzteres Vorkommen hat nichts Auffälliges, wenn man bedenkt, dass zwischen der zu Muskelzellen gruppirten Substanz ungeformte Reste solcher nachbleiben, und was die Lage im Centrum der Faser betrifft, so kann der Einwand, dass auf den Schnitten möglicherweise spiralig gedrehte Fasern flächenhaft getroffen wurden, hier nicht gemacht werden, da in solchem Falle sich auch der Kern parallel seiner grossen Axe durch- schnitten zeigen müsste, was aber in den betreffenden Belegstücken durchaus nicht der Fall ist. a) Taf. 4. Fig. 2. b) Taf. 4. Fig. 2». c) Taf. 4. Fig. 3b. 4. 36 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Die vorstehende Beschreibung gilt gleicherweise für die Structur der Längs- und Ring- schicht, sowie für diejenige der transversalen Muskulatur (insofern sie nicht gitterförmig ver- ästelt ist); bezüglich letzterer wäre nur hervorzuheben, dass bei ihr in allen Fällen die Kerne in viel grösserer Anzahl getroffen werden; gleiches gilt für die gesammte Stammes- muskulatur des Schwanzendes. An letzterem Orte wird dieses Vorwiegen der Kerne nicht auffällig erscheinen, wenn man bedenkt, dass sich dort alle Gewebe in einem jugendlichen oder embryonalen Zustande befinden. Als einer histologisch überaus merkwürdigen T'hatsache muss noch der Art gedacht werden, wie die transversale Muskulatur sich ansetzt®. Die Fasern eines solchen, sich zum Ansatze anschickenden Bündels laufen überaus fein aus, durchsetzen sodann, radial divergirend, die Ringmuskulatur und verschmelzen schliesslich mit den Ausläufern der Haut- Fadenzellen; diese Vereinigung von Muskelfaserenden mit Haut-Fadenzellen, resp. Derivaten solcher wurde aber in einem vorhergehenden Kapitel schon ausführlich besprochen, weshalb ich auf letzteres verweise a). Ueber die Innervationsverhältnisse der Stammesmuskulatur habe ich nicht viel anzu- geben. In dem das Nervensystem behandelnden Kapitel werden wir sehen, wie ein grosser Theil der Spinalnerven sich innerhalb der Muskulatur verzweigt; in Macerationspräparaten habe ich ebenfalls zahlreiche feine Nervenfasern zwischen den Muskelbändern wahrgenommen; gänzlich im Unklaren bin ich jedoch darüber geblieben, auf welche Weise die Verbindung von Nerv und Muskelfaser hergestellt wird. Jedenfalls gehört Notomastus nicht zu den für ein solches Studium geeigneten Objecten. 4. Darmkanal. Abgesehen von einigen, die Form dieses Organsystems betreffenden Bemerkungen, welche an geeigneter Stelle berücksichtigt werden sollen, bietet die Capitelliden-Literatur keinerlei Angaben darüber; ich kann daher ohne Weiteres zur Darstellung meiner eigenen, vorwiegend durch das Studium des Notomastus lineatus erlangten Resultate übergehen. Am Darmkanal dieser Art — und, wie ich vorgreifend hinzufügen kann, aller anderen Arten der Familie — lassen sich, der Gliederung des Gesammtkörpers entsprechend, drei Ab- schnitte unterscheiden, nämlich: erstens, der die vordersten drei Segmente ausfüllende Rüssel; zweitens, die sich durch den Thorax hinziehende Speiseröhre; und drittens der im Ab- domen gelegene Magendarm (Hauptdarm und Nebendarm). Diese Eintheilung erscheint um so natürlicher, als jeder der genannten Theile auch durch charakteristische Structurver- hältnisse ausgezeichnet ist. I. Notomastus. 4. Darmkanal. a. Der Rüssel. 371 a. Der Rüssel. Dieser auffallendste 'Theil®) des ganzen Darmtractus füllt mit seiner, ungefähr ein Milli- meter breiten Masse die ersten drei T'horaxsegmente vollständig aus. Dementsprechend gehen auch den vordersten Zoniten die segmentalen Scheidewände entweder vollständig ab, oder sind doch in ihnen nur als äusserst rudimentäre Bildungen angedeutet. Erst auf der Grenze des '/;Segments, unmittelbar hinter der Uebergangsstelle des Rüssels in den Oesophagus, tritt ein Septum auf, welches, als das erste des T'horax, zugleich eines der am mächtigsten entwickelten von allen darstelltb). Dieses Septum, dessen muskulöse, innig mit dem Oesophagus verbun- dene Wandungen einer grösseren Anzahl von Rückziehmuskeln des Rüssels Ansatzpunkte gewähren, schliesst demnach den vordersten Theil der thoracalen Leibeshöhle als Rüsselhöhle von der hinteren ab. Von dem lebensfrischen Thiere wird der Rüssel abwechselnd in Form einer Keule aus- gestülpt und wieder in die Leibeshöhle zurückgezogen; man wird leicht gewahr, dass der Rhythmus dieser Action mit demjenigen zusammenfällt, welcher die Bewegung der Hämo- lymphe regulirt. Es stellt denn auch, neben einigen Protrusor-Muskeln, die Hämolymphe in dem vom Schwanze zum Kopfe gerichteten Abschnitte ihres circulirenden Stromes haupt- sächlich die treibende Kraft dar, welche den eingezogenen Rüssel wieder nach aussen drängt. Die Spannung der Wandungen des letzteren durch die Leibesflüssigkeit kann so weit gehen, dass derselbe die zum Graben im Sande nöthige Festigkeit erlangt, und so spielt das Organ eine bedeutende Rolle im Dienste der Ortsbewegung. Aber auch diejenige Bedeutung kann keine geringe sein, welche ein so andauernder Contact einer ziemlich reichlichen Blut- menge mit dem nur durch die dünnen Rüsselwandungen von ihm geschiedenen Seewasser zugleich für die Respirationsthätigkeit unserer Thiere haben muss. Die Art der Aus- stülpung hat man sich als eine handschuhfingerförmige vorzustellen; die Wandung des aus- gestülpten Rüssels besteht daher auch aus zwei an seinem vorderen Rande ineinander über- gehenden Blättern, welche, je nach der Blutstauung, durch einen grösseren oder geringeren, mit der Leibeshöhle communicirenden und in Folge dessen mit Hämolymphe gefüllten Zwischenraum voneinander getrennt sind. Der die Ausstülpung des Rüssels bewirkenden Kraft entgegengesetzt wirken im äussersten Falle die Septa des Oesophagus, in erster Linie aber jene bereits erwähnten, an der hinteren Grenze des Rüssels und am Anfange des Oeso- phagus sich inserirenden Muskeln, welche theils aus dem ersten thoracalen Septum, theils aus der Muskulatur des Stammes entspringen. Durch die Contraction dieser letzteren Muskeln wird zugleich die Einstülpung des Rüssels bewirkt. Die Rüsselretractoren sind durch den Besitz ausserordentlich mächtig entwickelter Ganglien ausgezeichnet, welche plexusartig die contractilen Fasern umspinnen ©). Da sich aber die Elemente dieser einem Schlundnerven- systeme vergleichbaren Centren bei Dasybranchus unvergleichlich viel besser zum Studium a) Taf. 2. Big. 1. 5; vergl. auch Taf. 16. Fig. 8. b) Vergl. Taf. 16. Fig. 8. ce) Taf. 4. Fig. 10. 38 A. Anatomisch-Histologischer Theil. eignen, so werde ich erst bei der Beschreibung des Darmkanals dieser Gattung auf deren Schilderung eingehen). Am lebenden 'T'hiere fällt der ausgestülpte Rüssel ungemein auf durch sein tiefrothes Aussehen; es ist das durch seine Wandungen hindurchschimmernde Blut, welches diese Erscheinung verursacht. Sobald man daher das Organ ansticht oder abschneidet, so erhält es auch sofort die ihm eigene blasse Färbung. Schon mit Hülfe einer schwachen Lupe erkennt man, dass die am ausgestülpten Rüssel äusserste, am eingestülpten Rüssel innerste Hautschicht von ganz ähnlichen Furchen durchzogen wird 'und in Folge dessen einer ganz ähnlichen Täfelung unterliegt, wie die äussere Wandung des T'horax®). Diese Ueberein- stimmung von Thorax und Rüssel ist aber nicht blos auf die äusserste Schicht ihrer Wan- dungen beschränkt; wir finden alle die von dem ersteren her bekannten Schichten, wie Cu- ticula, Hypodermis, Ring-, Längsmuskulatur und Peritoneum auch in dem letzteren wieder, und zwar in derselben Reihenfolge wenn vorgestülpt, in der umgekehrten wenn zurückge- zogen; es muss daher der Rüssel als eine Einstülpung des Hautmuskelschlauches aufgefasst werden. Die Täfelung desselben kommt, wie diejenige des Thorax, durch tief in die Hypo- dermschicht einschneidende Falten der Cuticula zu Stande; während aber am 'Thorax durch diese Falten Hautpolygone abgegrenzt werden, deren innige Verbindung mit einer an diesem Orte mächtig entwickelten Muskulatur nur einen geringen Spielraum zu Formveränderungen gewährt, furcht die Cuticula des Rüssels mehr kuglige oder kegelförmige Papillen ab, welchen, dank ihrer schmächtigen Musecularis, die ausgiebigste Veränderung ihrer verschiedenen Durch- messer gestattet ist. Wir haben gesehen, dass die Polygone des Thorax Träger sog. becherförmiger Or- gane sind; auch in diesem Punkte bekunden die Rüsselpapillen ihre Uebereinstimmung, in- \ dem sie ganz identische Organe aufweisen»); bloss der eine Unterschied ist hervorzuheben, dass, während am Thorax nur einzelne Polygone solche Organe besitzen, am Rüssel eine jede Papille mit einem solchen ausgerüstet zu sein pflegt. Indem ich bezüglich der Lagerungs- und Structurverhältnisse dieser becherförmigen Organe auf das Kapitel Sinnesorgane verweise, wo derselben ausführlich gedacht wird, wende ich mich zur Beschreibung der den Rüssel und seine Papillen aufbauenden Gewebsschichten. Die Cuticula des Rüssels steht mit derjenigen des Thorax in continuirlichem Zusam- menhange und unterscheidet sich von ihr nur durch das spärliche Vorkommen von Poren. Dieser Mangel wird dadurch bedingt, dass hier nur wenige Plasmazellen eine Drüsenfunction ausüben. Die Hypodermschicht lässt im frischen Zustande keinen solchen Wechsel hellerer mit dunkleren Stellen erkennen wie die übrige Haut, erscheint nicht siebförmig durchbrochen wie jene, hat vielmehr ein granulirtes Ansehen, hervorgerufen durch zahlreiche helle Körnchen. Nach Essigsäurezusatz lassen sich bei ganz oberflächlicher Einstellung die Grenzlinien poly- a) Taf. 2. Fig. 1. 5. b) Taf. 11. Fig. 10—14. a) Vergl. Dasybranehus, Kapitel Darmkanal. I. Notomastus. 4. Darmkanal. b. Die Speiseröhre. 39 gonaler, zu einem Epithel angeordneter Zellen erkennen. Senkt man den Tubus, so kommen zunächst anscheinend rundliche Kerne zum Vorschein; bei noch tieferer Einstellung ver- schwinden die Plasma-Polygone und man überzeugt sich, dass die Keme in Wahrheit birm- förmig sind und oft in einen Faden auslaufen; ebenso sieht man die Zellen selbst sich nach der Tiefe zu immer mehr verjüngen und in zahlreiche Fortsätze auslaufen. Die durch eine solche Anordnung der Fadenzellen entstehenden Zwischenräume sind von einer anscheinend homo- genen Masse, den Plasmazellen, ausgefüllt. Die Hypodermis des Rüssels stimmt demnach mit derjenigen gewisser Abdomentheile überein, welche in einem früheren Capitel als Modification des gewöhnlichen Verhaltens der Haut beschrieben wurde). Wie dort, so kommt auch hier bei Flächenansichten das Epithel dadurch zu Stande, dass die Fadenzellen mit ihren Köpfen näher als sonst aneinanderstossen, und in Folge dessen die Plasmazellen etwas tiefer rücken. Unsere Abbildungen ?) zeigen diese stark entwickelten Fadenzellen mit ihren sich gegenseitig berührenden Köpfen; von den Plasmazellen sind nur einige Kerne übrig geblieben; Niemanden wird die grosse Uebereinstimmung dieser Bilder mit den von der Körperhaut her bekannten») entgehen. Noch besser freilich wird diese Uebereinstimmung durch Macerationspräparate illustrirt. Die Fadenzellen ©) bieten auch hier die mannigfaltigsten Abstufungen von einem an normale Zellen erinnernden Habitus bis zu kernlosen Fadenaggregaten herab. Die Plasmazellen) lassen sich zwar durch ihre granulirten, rundlichen Kerne und ein an kömigen Einlagerungen reicheres Plasma in den meisten Fällen wohl von den saftigen Fadenzellen unterscheiden, manchmal aber kann man doch im Zweifel sein, ob man es mit der einen oder anderen Zellenformation zu thun habe; besonders wenn auch noch Aehnlichkeiten in der Gestalt hinzukommen. Die meisten Plasmazellen sind spindel- oder keulenförmig, einige vieleckig; nach den in der Kör- perhaut so stark vorherrschenden und dort als Drüsen fungirenden, flaschenförmigen Exem- plaren habe ich im Rüssel vergebens gesucht; daher auch das spärliche Vorkommen von Cuticulaporen. Besonders bemerkenswerth sind einige der unter Fig. S’ (Taf. 4) abgebildeten Zellen, zu deren Kernen variköse, oder zu Körnern anschwellende Fäden verlaufen. Es wird kaum zweifelhaft sein, dass hier Nervenendigungen vorliegen. Da aber auch diese Struc- turverhältnisse beim folgenden Genus viel besser zur Anschauung gebracht werden konnten, so verweise ich in dieser Hinsicht auf die betreffende Darstellung ?). Schliesslich sei noch der unter Fig. S° (Taf. 4) abgebildeten Zellencomplexe gedacht: wir haben es da offenbar mit sprossenden Elementen zu thun; solche kommen, wie wir sehen werden, in allen Ab- schnitten des Darmcanals vor. b. Die Speiseröhre. Die Speiseröhre erstreckt sich als ein etwa ein halb Millimeter beites, blassröthlich gefärbtes Rohr in ziemlich gerader Richtung durch die hinter der Rüsselhöhle gelegenen a), Taf. A. E10. 7. b). Tai.n 3. Big. 10. 11. ec) Taf. 4. Fig. 8. d) Taf. 4. Fig. 8. a) Vergl. p. 24. ß) Vergl. Dasybranchus, Kapitel Darmkanal. 40 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Thoraxsegmente. Sein Uebergang in den einen zweimal grösseren Durchmesser aufweisenden Rüssel ist ein so plötzlicher, dass an der betreffenden Stelle eine tiefe Einschnürung zu Stande kommt. Im frisch geöffneten 'Thiere sieht man die Oesophaguswandungen häufig spontan, jedenfalls aber auf Reize, in eine an peristaltische Bewegung erinnernde Action gerathen. Die Fähigkeit zu solcher Action behalten auch ausgeschnittene Stücke eine geraume Zeit hin- durch bei. Von der Innenfläche der Speiseröhre erheben sich nach Art einer gefalteten Schleimhaut zahlreiche, regelmässig verlaufende Leisten, welche durch entsprechende Furchen voneinander getrennt sind®). Leisten und Furchen sind dicht mit Wimperhaaren besetzt. An wenigen anderen bewimperten Körperstellen erreichen die Cilien eine solche Länge und eine so energische Thätigkeit wie hier. An carminfressenden 'Thieren habe ich beobachtet, dass die für alle Arten der Capitellidengruppe so bezeichnenden ovalen Speiseballen durch den Strudel dieser Oesophaguscilien zu Stande gebracht werden. Die den Rüssel aufbauenden Gewebsschichten finden wir in der Speiseröhre alle wieder. Bezüglich der Cuticula ist hervorzuheben, dass sie sich von der Grenzlinie zwischen Rüssel und Oesophagus ab bedeutend verdünnt und zugleich ihr gefeldertes Ansehen verliert. Das Verhalten des Peritoneums und der Muscularis dieses und des vorigen Darmabschnittes soll, da ein wesentlicher Unterschied im Verlaufe des gesammten 'Tractus nicht besteht, gemeinsam mit demjenigen der gleichnamigen Schichten des abdominalen Darmtheils besprochen werden. Es bleibt demnach allein dasjenige Gewebe des Oesophagus zur Betrachtung übrig, welches, unter der Form einer bewimperten Schleimhaut, die Stelle der mit becherförmigen Organen besäten Hypodermis des Rüssels einnimmt. Aehnlich wie der äussere Uebergang dieser beiden Darmabschnitte vollzieht sich auch derjenige ihrer Gewebe ziemlich plötzlich; eine scharfe Linie trennt die flache Zellenlage des Rüssels von der gefalteten Schleimhaut der Speiseröhre. Im frischen Zustande lässt diese letztere Haut keine Spur von Zellgrenzen erkennen; sie scheint aus einer kömigen Substanz zu bestehen, deren dem Lumen zugekehrte, von tiefen Furchen durchzogene Fläche ein dichter Flimmerpelz bedeckt; auch die Behandlung mit Essigsäure giebt keine Anhaltspunkte für ein Verständniss ihrer Structur; nur durch das Studium dünner, tief gefärbter Schnitte, vorzüglich aber durch dasjenige von Macerationspräparaten gelangt man zu einem solchen. Betrachten wir zunächst einen Querschnitt®): unter der — im Prä- parate abgerissenen — Cuticula liegt eine dicke Schicht körnigen Protoplasmas, hauptsächlich zu Stande gekommen durch die Verschmelzung der nackten Flimmerzellenkörper; die etwas tiefer stehenden, im Schnitte nur theilweise parallel ihrer Längsaxe getroffenen, länglichen, in feine Fäden auslaufenden Gebilde von homogenem Ansehen sind die Kerne (geschwänzten Kerne) dieser Zellen; zum Theil zwischen letzteren, vorwiegend aber zwischen ihren Ausläufern, liegen zahlreiche rundliche Kerne von granulärem Ansehen: sie gehören basalen Schaltzellen an, welche sich im Präparate nicht erhalten haben. Also, auch noch im Oesophagus haben wir die von der Haut her bekannten zwei Zellentypen, deren einer durch geschwänzte, deren a) Taf. 4. Fig. 9. b) Taf. 4. Fig. 10. I. Notomastus. 4. Darmkanal. ec. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm). 41 anderer durch normale Kerne ausgezeichnet ist. Die dem ersten Typus zugehörigen Zellen ?) sind durchaus membranlos und ihr Plasma enthält zahlreiche Körnchen eingelagert; die meisten haben die Form einer Keule, einige sind trichter-, andere schaufel- oder sichelförmig; die Verbindung zwischen dem Zellenleibe und dem geschwänzten Kerne ist bald eine derartige, dass der Kopf der letzteren dem ersteren breit aufsitzt, bald eine derartige, dass ein dünner Faden von dem einen zum anderen hin verläuft; in seltenen Fällen wird der Kern auch im Zellenkörper selbst angetroffen, dann aber scheint der fadenartige Ausläufer weniger ein Fortsatz des Kernes als ein solcher der Zelle selbst zu sein. Nur ein Theil dieser Zellen trägt Cilien und zwar die keulen- und trichterförmigen; die eylindrischen und sichelförmigen dienen als Schalt- oder Ersatzzellen. An günstigen Ob- jeeten habe ich die Cilien tief in das Zellenplasma hinein bis in die Nähe des Kermes hin verfolgen können»). Wie das Protoplasma der Hautfadenzellen so bietet auch dasjenige der ähnlich geformten Oesophaguszellen der 'Tinction einen grossen Widerstand, wogegen die geschwänzten Kerne begierig alle Farbstoffe aufsaugen. Auch an den Oesophaguszellen lassen sich Nervenendigungen®) nachweisen; da aber über diese Innervationsverhältnisse ebenfalls bei Dasybranchus viel bessere Resultate erzielt werden konnten, so verweise ich wiederholt auf die letztere Gattung ?). c. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm). Der Uebergang des Oesophagus in den eigentlichen Darm wird schon im vorletzten Thoraxsegmente durch eine starke Verminderung seines Breitendurchmessers eingeleitet. Ihren Höhepunkt erreicht diese Verengerung in der Uebergangsstelle selbst, welche durch das in hervorragender Weise muskulös entwickelte Septum des letzten 'Thoraxsegments bezeichnet wird. Von da ab schwillt aber der Darm wieder rasch bis zur mittleren Breite des Oeso- phagus an, und diese Breite (von ungefähr einem halben Millimeter) beibehaltend, erstreckt er sich durch die ganze Länge des Abdomens bis gegen das Körperende hin, von wo ab sich sein Durchmesser wiederum stetig bis zum Uebergange in den After vermindert. In jugend- lichen 'Thieren durchsetzt der Darm das ganze Abdomen als ein nahezu gerade verlaufendes Rohr, in erwachsenen dagegen pflegt er, besonders in den im Bereiche der Körpermitte ge- legenen Segmenten, nicht selten Falten zu bilden, oder leicht gewunden zu verlaufen. In seiner Lage erhalten wird das Organ — der Längsrichtung nach — durch je ein hämales und neurales Mesenterium @), durch Häute, welche, aus dem den Darm überziehenden Peritoneum stammend, sich je an der hämalen und neuralen Medianlinie des Hautmuskelschlauchs be- festigen; sodann — der Querrichtung nach — durch die Dissepimente, deren viscerale An- heftung übrigens bei unseren 'T'hieren auffallend geringe Einschnürungen zur Folge hat. a)) Taf. A.2Hio.n1l. b) Taf. 4. Fig. 11°. c), Tatsar Nie. 1l®. d) Taf. 10. Fig. 2. Taf. 14. Fig. 3. 11. Mes. a) Vergl. Dasybranchus, Kapitel Darmkanal. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel, Capitelliden. 6 42 A. Anatomisch-Histologischer Theil. /u diesen Hauptsepten gesellt sich häufig noch eine Anzahl ebenfalls quer verlaufender, aber mehr strang- als hautförmig gestalteter Bänder, welchen die Fixirung der im Bereiche der einzelnen Segmente liegenden Tractusportionen obliegt. Im ausgewachsenen Zoniten trifft man meist nur eine sehr geringe Zahl solcher Hülfssepten, ja sie fehlen in denselben zuweilen gänzlich; in den unausgebildeten dagegen (sei es nun in jungen 'Thieren, oder im fortwachsenden Schwanzende reifer, oder endlich in den in Regeneration befindlichen) habe ich deren bis über ein Dutzend jederseits gezählt. Der Schwund dieser Hülfssepta erklärt sich leicht durch die Erwägung, dass, in dem Maasse als sich die in der Leibeshöhle gelegenen Organe ausbilden resp. vergrössern, der für sie disponible Raum verbraucht wird. Im frischen Zustande bietet der Magendarm bei allen Arten ein zwischen gelb- roth und gelbgrün schwankendes Ansehen dar, welches durch ähnlich gefärbte, theils dem Peritoneum, theils den Darmepithelzellen einverleibte Elemente bedingt wird. Fehlen letztere, so tritt an Stelle jener Färbung ein weissgraues oder röthliches Ansehen. Bei Notomastus lineatus sind es gelbliche bis bräunliche, 1—2 p. grosse, in den Darmzellen zerstreute Partikel %), welche dem Gesammtorgane seine Färbung verleihen; nur im Bereiche der neuralen Median- . linie trifft man Ansammlungen von grösseren, auffallend schwefelgelb gefärbten Tropfen und Bläschen»). Bei Notomastus DBenedenü haben die kleinen in den Darmzellen zerstreuten Partikel bald ein gelbrothes, bald ein gelbgrünes Ansehen und die grösseren den Flanken der neural-medianen Darmfurche einverleibten Elemente sind lebhaft blaugrün gefärbt®). Ganz ähnlich verhält sich der Darm von Notomastus fertilis. Bei einzelnen Individuen dieser Species pflegt der hintere Theil des Abdomens anstatt röthlich oder bräunlich, tief grünblau zu er- scheinen; diese Farbenmodification wird durch den Magendarm bedingt und zwar durch eine ausserordentliche Vermehrung jener blaugrünen, in der Regel auf den Bereich der neuralen Medianlinie beschränkt bleibenden Tropfen. Der Magendarm von Notomastus profundus zeigt im Abdomenanfange eine ähnliche Doppelfärbung der äusseren und inneren Wandungen wie derjenige von Dasybranchus°), was auf dem Vorhandensein Iymphatischer Zelldivertikel®) beruht. Innen ist diese Strecke blass gelbgrün d) gefärbt, aussen dagegen lebhaft gelb ®); letztere Färbung wird allein durch die FExcretbläschen des Peritoneums bedingt, wogegen die Zelldivertikel, ganz wie bei Dasybran- chus, ausschliesslich aus ungefärbten Darmzellportionen bestehen. Weiterhin gegen die Ab- domenmitte pflegen keine Zelldivertikel mehr aufzutreten, die gefärbten Elemente der Darm- epithelzellen häufen sich und nehmen einen lebhaft gelben Ton anf). Auch hier sind es besonders die Flanken der neural-medianen Darmfurche, welche durch besonders lebhaft tingirte und eine bedeutende Grösse erreichende Bläschen und Tropfen sich auszeichnen. Das Gelb verwandelt sich in dieser Region in Orange und unmittelbar an der Darmfurche treffen wir blassrothe Bläschen 8), was mir bei keiner anderen Capitellide begegnet ist. a) Taf. 33. Fig. 1. b) Taf. 33. Fig. 2. c) Taf. 33. Fig. 4. d) Taf. 33. Fig. 5%. e) Taf. 33. Fig. 5». f) Taf. 33. Fig. 6. g) Taf. 33. Fig. 6. a) Vergl. Dasybranchus, Kapitel Darmkanal. ß) Vergl. p. 44. I. Notomastus. 4. Darmkanal. c. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm). 43 Betrachtet man den Darm von der Bauchseite aus, so fällt ein durch sein viel helleres Ansehen ausgezeichneter Anhang in die Augen %), welcher vom letzten Thoraxsegment (also noch vom Oesophagus) bis zur Schwanzregion (etwa bis zwei Centimeter vor dem Afterende) continuirlich unter demselben hinzieht. Dieser Anhang, welchen ich, im Einklange mit der Benennung einer ähnlichen Bildung aus anderen 'Thiergruppen, mit dem Namen Neben- darmP®) bezeichnen will, hat in erwachsenen Individuen, seiner ganzen Länge nach, einen Durchmesser von ungefähr ein Zehntel Millimeter, was etwa einem Fünftel des Darmdurch- messers entspricht; nur in der Nähe seiner beiden Endpunkte verschmächtigt er sich etwas, um schliesslich in je eine Spitze auszulaufen. Lückenlose Schnitt-Serien belehren uns darüber, dass dieser Darmanhang, welcher stets frei von Speisen *) getroffen wird und nur ganz vereinzelte gefärbte Partikel enthält, sowohl vorn, als auch hinten in den Hauptdarm, und zwar ziem- lich plötzlich, einmündet ©). Unmittelbar hinter der, wie erinnerlich, etwa zwanzig Millimeter vom After entfernten (hinteren) Nebendarmmündung legt, ebenfalls neural-median, die bis zum After sich erstreckende Wimperrinne. Von dieser Wimperrinne, nennen wir sie Hinter- darmrinne @), lassen sich zwar, nachdem sie in den Nebendarm eingemündet, im Hauptdarme nach der Richtung des Kopfes hin, noch ein paar Schnitte hindurch, Spuren nachweisen, in- dem sie zunächst, in ein Polster auslaufend, sich nur allmählich verflacht resp. nur allmählich in die Darmschleimhaut übergeht; gleichwohl kann man aber, ohne den 'T'hatsachen Gewalt anzuthun, sagen, dass sich die genannte Rinne in den Nebendarm fortsetze, resp. dass sich der Nebendarm von ihr abschnüre. Der Nebendarm liegt, abgesehen von seinen beiden Mündungen, bald dem Hauptdarme genähert, bald verschieden weit von demselben entfernt; in letzterem Falle sind dann die beiden Kanäle durch ein von dem visceralen Blatte des Peritoneums hergestelltes Aufhänge- band verbunden. Auch die Wandungen dieses Darmabschnitts sah ich, so lange das Gewebe lebendig war, lebhafte Bewegungen ausführen; selbst herausgeschnittene Stücke fahren fort sich spontan oder nach Reizung zu contrahiren. Der abdominale Darm oder Magendarm baut sich aus ebensoviel Schichten wie der Oesophagus auf; diejenigen des einen gehen continwrlich in diejenigen des anderen über. Das Peritoneum °) stellt wie im übrigen Körper eine äusserst dünne Haut dar, welche bald deutlich Zellgrenzen erkennen lässt, bald aber ihre zellige Zusammensetzung nur durch stellen- weise hervortretende Kerne verräth. Sehr auffallend verhält sich, dem ganzen Darmrohr ent- lang, die Muscularis. Es sind Längs- und Ringfasern f) von grosser Feinheit, welche nie a) Vergl. Taf. 16. Fig. 9. b), Tat: 102 Eig.; 1.32. Tat: 12. Rio. 52. Tate 135 815997 Tat-ıla, Fig. 3. 11. Taf. 15. Fig. 1 u. 28—30. e) Tat. 4. Eie, 12.13. dir Tat 5. BRig.6: e) Taf. 5. Fig. 2. 3.6. f) Taf. 5. Fig. S—11. *) Diese Abwesenheit von Darminhalt scheinen sich die Parasiten zu Nutze zu machen; ich fand oft ganze Strecken des Nebendarms geradezu verstopft durch zahllose Gregarinen und zwar vorwiegend durch in Ent- wickelung begriffene. 44 A. Anatomisch-Histologischer Theil. zu Bündeln aggregirt sind, dagegen in verschieden weitem Abstande voneinander verlaufen und so einem Gitter ähnliche Lücken zwischen sich lassen. Ihre Dicke schwankt zwischen 'y—2 p; meist sind sie blass und homogen, oft schieben sich aber auch granulirte und dann etwas verbreiterte Stellen ein. Ihr Verlauf ist bald ein gerader, bald ein welliger; sehr häufig sind sie verzweigt. Kerne finden sich nicht selten den Fasern seitlich aufsitzend oder ein- gelagert. Wir werden weiterhin sehen, dass diese auffallend geformten Muskelfasern mit dem Darmepithel im Zusammenhange stehen und in Folge dessen in die Kategorie der »Epithel- muskelzellen« gehören. Die Darmschleimhaut ist mit Ausnahme des Schwanztheils an den meisten Stellen ähn- lich wie die gleichnamige Schicht der Speiseröhre gefaltet, so dass Wülste und Papillen %) der verschiedensten Form und Grösse in das Lumen des Rohres hineinragen. Vertiefungen sowie Erhebungen sind mit ungefähr S p langen Flimmerhaaren besetzt, welche scheinbar der den Darm nach innen hin abschliessenden, feinen Cuticula aufsitzen, in Wahrheit aber den Darmzellen angehören. Bemerkenswerth ist, dass im Bereiche des Körperendes, besonders bei jungen Thieren, der Flimmerstrom eine Strecke weit energisch vom Schwanze zum Kopfe hin gerichtet ist; hervorgebracht wird dieser Strom durch die mit besonders langen Cilien ausgerüsteten Zellen der Hinterdarmrinne, welch’ letztere sich, wie schon erwähnt wurde, vom After bis in den Bereich der hinteren Mündung des Nebendarms erstreckt. Die ganze Anordnung bezweckt wahrscheinlich eine Wasseraufnahme durch den After in den Nebendarm. Bemerkenswerth ist auch, dass ich den Darm zuweilen auf seiner äusseren (der Leibes- höhle zugekehrten) Wandfläche stellenweise mit Cilien besetzt fand. Da das Peritoneum unserer Thiere an keiner Körperstelle Cilien trägt, und seine Beschaffenheit am Darme es am wenigsten zu einer Ausnahme nach der Seite hin befähigt, so bleibt nichts übrig als anzunehmen, dass die Darmzellen im Stande sind, periodisch ebensowohl Cilien in centri- fugaler als in centripetaler Richtung auszustrecken. Die gegitterte Muscularis würde dem nicht im Wege stehen; es bliebe nur zu erklären übrig, auf welche Weise die peritoneale Hülle den Durchgang gestattet. Für diese, zunächst an lebenden Clistomastus-Individuen gemachten Beobachtungen habe ich bei den Arten der Untergattung Tremomastus ergänzende anatomische Befunde erhalten. Hier durchbohren nämlich die Darmzellen zeitweise die Mus- cularis und ragen bald von der peritonealen Hülle bedeckt, bald aber auch diese stellen- weise durchbrechend, in die Leibeshöhle, so dass gewissermaassen eine zweite, letzterer Höhle zugekehrte Schleimhaut des Darmes zu Stande kommt®). Wir haben in diesen extrain- testinalen, häufig Kerne einschliessenden Zellportionen, welche ich, aus weiterhin zu er- örternden Gründen ®), Iymphatische Zelldivertikel nennen will, offenbar dieselben Ge- bilde vor uns, welche in viel characteristischerer Weise bei Dasybranchus°) angetroffen a) Taf. 5. Fig. 3. b)O Tat, 5.0 ig. 4.5, Taf. 332 Biouiab. c) Vergl. Taf. 19. Fig. 5. Taf. 33. Fig. 8%, %) Vergl. je im Morphologischen und Physiologischen Theil die Kapitel »Darmkanale«. I. Notomastus. 4. Darmkanal. c. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm). 45 werden. Dass diese Divertikel keine fixen Gebilde sind, sondern willkürlich an den ver- schiedensten Abschnitten des Darmes zur Ausstülpung resp. zur Wiedereinstülpung ge- langende Zellportionen, geht einmal daraus hervor, dass man häufig die betreffenden An- hänge continuirlich zu den betreffenden Darmzellen hin verfolgen kann, sodann auch aus der Thatsache, dass die verschiedensten Darmpartien bald glatt, bald mit Divertikeln besetzt ge- funden werden. In Fig. 7. Taf. 5 habe ich Vertreter der verschiedenen Darmzellen abgebildet; alle diese Figuren stammen von in doppelchromsaurem Kali macerirten Präparaten her, indem sich diese Flüssigkeit von allen angewandten Reagentien zum Behufe der Isolirung am gün- stigsten erwiesen hatte. Die keulenförmigen sind die häufigsten und wahrscheinlich auch die allein Cilien tragenden, wogegen die übrigen mehr als Basal- und Schaltzellen zu fungiren, oder zum Ersatze zu dienen scheinen. Alle ohne Ausnahme entbehren einer Membran; ihre Substanz ist meist feinkömig und enthält ausser den bereits erwähnten, im frischen Zu- stande gelben Körnchen und Bläschen auch eine Anzahl ungefärbter Tropfen eingelagert. Die Kerne dieser Zellen sind runde oder ovale 4—6 y grosse Bläschen mit einem homogenen, sich schwer färbenden Inhalte, in welchem Säuren nur einen geringen Niederschlag bewirken; stets ist ein glänzendes, wie es scheint, massives Kernkörperchen zu unterscheiden. Auffallend ist, dass je eine Zelle oft mehrere Kerne enthält, welch’ letztere dann gewöhnlich nahe bei einander liegen. In einzelnen Zellen sitzt dem Kerne ein bläschenförmiges Gebilde auf, welches in Grösse und Form varıirt und ein helles Ansehen sowie eine homogene Beschaffen- heit hat; der überaus schwache Contour und die Indifferenz gegen Farstoffe legen nahe, dass wir es in ihm mit einer Vacuole der Zellsubstanz zu thun haben. Im Vergleiche mit den Zellen des Oesophagusepithels ist an den vorliegenden besonders hervorzuheben: die grosse Mannigfaltigkeit ihrer Formen und das Vorherrschen der runden Kerne gegenüber den ge- schwänzten. An den isolirten Zellen finden sich häufig nach verschiedenen Richtungen hin ausstrahlende Fortsätze, angesichts welcher die Vermuthung nahe liegt, dass sie zur gegen- seitigen Verbindung dienen möchten; dem ist in der That so: wie aus verschiedenen unserer Abbildungen erhellt, werden die Darmzellen durch jene mannigfach verzweigten und ineinander übergehenden Ausläufer zu complicirten Zellgruppen verbunden. Wie die Rümpfe und Köpfe der Zellen mit eimander verschmelzen können, zeigen mehrere der abgebildeten Exemplare; ausserdem kommen aber auch hier, so wie im Rüssel und Oesophagus, solche Zellenaggregate vor, welche kaum anders als durch Knospung ent- standen sein können. Die zellige Schicht des Darmes wurde im Verlaufe meiner Darstellung öfters mit dem Namen Epithel bezeichnet; sie verdient aber diesen Namen nicht, insofern man ihn in engem Sinne fasst; denn die Darmzellen bilden nur selten eine hautartig ausgebreitete, regelmässige Lage; die Anordnung dieser Zellen ist dagegen in der Regel eine derartige, dass ihre bezüglichen Axen in buntem Durcheinander stehen, und dass sie je nach den Erhebungen und Ver- tiefungen der Gesammtschicht bald nur in einer, bald aber in zwei oder drei Reihen über- 46 A. Anatomisch-Histologischer Theil. einanderliegen. In noch höherem Maasse wird jener Name unpassend Bildern wie Fig. 3. Taf. 5 gegenüber, angesichts deren wir an die Schleimhautpapillen eines Darmes höherer T'hiere erinnert werden. Aus diesen Papillen stammen die keulenförmigen Zellen, welche in feine Fäden auslaufen; es ist klar, wie eine solche Form durch jene Anordnung hervorgerufen werden muss. In einem Darme wie in demjenigen, aus dem Fig. 3. Taf. 5 stammt, wird durch die starken Faltungen seiner Zellenschicht das Lumen schon bedeutend eingeengt, immerhin bleibt aber ein solches noch bestehen; bei manchen Individuen dagegen trifft man Stellen im Darme, an welchen das Lumen vollständig durch eine eigenthümliche, spongiöse Masse ausgefüllt ist. Diese Masse besteht aus einem aus homogenen Blättern aufgebauten Fachwerk, dessen einzelne Räume, Zellen vergleichbar, aneinanderstossen und an ihrer, der Darmwandung zugekehrten Grenze innig mit den Zellen der letzteren verschmelzen. Ich dachte mir anfangs dieses Fachwerk so zu Stande gekommen, dass im Schnitte nur oberfläch- lich gelegene Theile von weit in die Darmhöhle vorspringenden und durch Contraction dicht aufeinandergedrängten Papillen getroffen wurden; nachdem aber während des Absterbens künstlich gedehnte 'Thiere ganze Strecken hindurch dasselbe Verhalten zeigten, und niemals Zellsubstanz oder Kerne in diesen Fächern zu erkennen waren, kam ich von jener Auf- fassung zurück. Schliesslich fand ich an einzelnen Schnitten Anhaltspunkte zu einem Ver- ständnisse der so auffallenden Erscheinung: bei einzelnen Individuen werden nämlich zeit- weise distale Portionen der Darmzellen abgeschnürt, und diese in das Lumen gelangten 'Thheil- stücke umgeben sich mit ziemlich dieken Membranen; zunächst bleibt das Plasma der so zu Stande gekommenen Blasen erhalten, weiterhin wird es aber resorbirt; dauert nun die Ab- schnürung fort, so kann allmählich das ganze Darmlumen stellenweise von solchen nur noch wässrigen Inhalt führenden Blasen erfüllt werden. Schnitte durch derartige Blasenmassen er- innern sodann auffallend an das Fachwerk eines pflanzlichen Zellgewebes 2). An vielen der unter Fig. 7. Taf. 5 abgebildeten Darmzellen erkennt man ausser den mannigfaltigen Fortsätzen, in die ihr protoplasmatischer Leib ausläuft, noch andere An- hänge, über deren Bedeutung ich mich noch auszusprechen habe. Diese Anhänge stellen homogene, verschieden dicke, bald glatte, bald durch Varicositäten unterbrochene Fasern dar, welche entweder einfach an die Zelle herantreten, um, ohne dass man feststellen kann wie, mit ihrer Substanz zu verschmelzen, oder aber das Zellenplasma eine Strecke weit durch- bohren, um sich in letzterem Falle mit dem Kerne zu verbinden. Die 'hatsache dieses Herantretens der Fasern an den Kern, resp. ihre Verschmelzung mit letzterem, wird beson- ders durch Bilder solcher Zellen erwiesen, deren Substanz sich durch zu lange Einwirkung der Macerationsflüssigkeit total vom Kerne abgetrennt hat. Offenbar haben wir in diesen Fasern ähnliche Nervenendigungen vor uns, wie sie in übereinstimmender Weise auch im Rüssel und Oesophagus? sefunden wurden. Sowohl Oo ) o a)sTat. 5. Bio. 5% a) Vergl. p. 39 u. 41. I. Notomastus. 4. Darmkanal. ce. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm). 47 von Rüssel- als auch von Oesophaguszellen haben wir einzelne (besonders deutlich bei Dasy- branchus) der Nervenendigungen noch mit Ganglienzellen in Verbindung gesehen; die Mace- rationspräparate des Magendarmes haben keine derartigen Bilder geliefert, dagegen ist mir durch Herstellung geeigneter Flächenpräparate auch hier der Nachweis dieser Elemente ge- glückt. Am Magendarm bilden die Ganglienzellen, wie man aus den bezüglichen Abbildungen ®) ersehen kann, einen förmlichen, der Muskulatur aufliegenden Plexus, einen Plexus, welcher an denjenigen erinnert, der zur Versorgung der Hautfaden- und Hautsinneszellen zwischen Hypodermis und Stammesmuskulatur eingeschoben liegt). Obwohl ich gerade an dieser Stelle des Darmkanals einen Zusammenhang zwischen den Ganglienzellen und den die einzelnen Darmzellen versorgenden Fibrillen nicht darzustellen vermochte, so wird es doch keinem Zweifel unterliegen können, dass ein solcher ebenso existirt, wie bei den gleichnamigen Bildungen des Oesophagus und Rüssels, für welche derselbe in aller Deutlichkeit durch Prä- parate erwiesen wurde. Die einzelnen Ganglienzellen des erwähnten Plexus sind überaus zarte, hautartig dünne, vielfach verzweigte und durch Ausläufer communicirende Platten, welche neben ihren protoplasmatischen Fortsätzen auch mehr fibrillenartige entsenden; sie erinnern auch in ihrer Structur und Anordnung überaus an die gleichnamigen Zellen des hypo- dermalen Plexus. In einzelnen Abbildungen von Magendarmstücken sehen wir je eine Magendarmzelle continuirlich in je eine Muskelfaser übergehen»); ein gewiss höchst überraschender Zusam- menhang; aber trotz aller Zweifel liess sich diese Verbindung von Zelle und Muskel wieder- holt auf's Deutlichste nachweisen. Die Zellen der Magendarmschleimhaut sind Epithelmus- kelzellen, sind einem Gewebstypus zugehörig, welcher bisher nur von der Coelenteraten- gruppe her bekannt geworden war. Diese Epithelmuskelzellen sind aber viel mächtiger aus- gebildet bei einer Notomastus an Grösse bedeutend übertreffenden Art der Gattung Dasybranchus, bei welcher mir auch die Isolirung der betreffenden Elemente ausgiebiger gelungen ist. Ich verweise daher bezüglich ährer auf das den Darm dieser Gattung behandelnde Kapitel. Als bedauernswerthe Lücke meiner Untersuchung habe ich hervorzuheben, dass es mir trotz vieler Bemühungen nicht gelungen ist, irgend welche Verbindungen zwischen dem cerebrospinalen und visceralen Theile des Nervensystems durch grobe Präparation nachzu- weisen. Zahlreiche in Schnitten durch Rüssel und Oesophagus‘®) erkennbare Nervenstämme legen aber Zeugniss dafür ab, dass auch bei den Capitelliden, wenigstens in den genannten vorderen Abschnitten des Tractus, eine solche Verbindung bestehen müsse. Ich verweise in dieser Beziehung auch auf die durch das Gehirn geführten Schnittserien @), aus denen her- vorgeht, dass der Schlundring unmittelbar nach seinem Austritte aus den Gehirmganglien jeder- seits starke Nervenäste nach dem Rüssel-Oesophagus hin entsendet. Die Structurverhältnisse des Nebendarms®) verhalten sich denjenigen des Haupt- a), Taf. 5. Fig. 9. b) Taf. 5. Fig. 10. 11. e) Taf. 6. Bie. 19, REN: diETakı 7 u. Tafr-S. e) Taf. 5. Fig. 2. Taf. 6. Fig. 6. a) Vergl. p. 26. 48 A. Anatomisch-Histologischer Theil. darms ganz ähnlich; auch er stellt einen Kanal dar, dessen Wandungen sich aus einer peri- tonealen, muskulösen, epithelialen und cutieularen Schicht aufbauen; auch bei ihm zeigt sich das Lumen zuweilen streckenweise von jener spongiösen Masse ausgefüllt, welche von den ihn auskleidenden Zellen abstammt; auch er ist ferner peristaltischer Bewegungen fähig und sein Epithel endlich ist ebenfalls mit allerdings sehr kleinen und daher schwer wahrzunehmen- den Flimmerhaaren ausgerüstet. Bei der vorhergehenden Beschreibung des abdominalen Darmes wurde ausschliesslich auf Thiere in nicht geschlechtsreifem Zustande Rücksicht genommen; denn mit dem Ein- treten dieses Zustandes vollziehen sich am genannten Organe und zwar ausschliesslich bei Notomastus lineatus (also der Untergattung Ckstomastus) so tief eingreifende histologische Veränderungen, dass dessen normale Beschaffenheit durchaus unkenntlich wird. Die Schilderung des Verlaufes dieser mit einer völligen Degeneration einzelner Abschnitte endigenden Veränderungen habe ich der nachfolgenden Darstellung vorbehalten. Vor Allem ist hervorzuheben, dass die mit der Geschlechtsthätigkeit zusammenfallen- den degenerativen Vorgänge lediglich auf den abdominalen Theil des Darmkanals beschränkt bleiben und auch in diesem Theile nur einzelne Abschnitte ergreifen, andere dazwischen gelegene dagegen unversehrt lassen. In den ergriffenen Partien macht die röthliche Färbung allmählich einem weisslichen Ansehen Platz, und an Stelle des gestreckten, oder doch nahezu gestreckten Verlaufes treten zahlreiche, eng aufeinander gedrängte Windungen?). Mit solcher Aufrollung ist natürlich eine Verlängerung des Kanals verbunden und diese kann so weit gehen, dass sie ein Fünf- bis Sechsfaches des ursprünglichen Maasses beträgt. Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung fällt ferner die ausserordentliche Verdünnung der Wandungen auf: der Darm erscheint nicht mehr als ein festes, drüsiges Rohr, sondern als ein durchscheinender leicht zerreisslicher Schlauch®). In dem Darmepithel macht sich die regressive Metamorphose durch das Undeutlichwerden der Zellgrenzen, durch allmählichen Schwund der Zellsubstanz, sowie durch eine auffallende Vermehrung der Kerne geltend ©). Weiterhin nimmt das noch vorhandene Zellplasma eine fettige oder detritusartige Beschaffenheit an, gruppirt sich por- tionenweise und transsudirt schliesslich in Form verschieden grosser Tropfen oder in Form eines körnigen Breies zum grössten T'heile in das Darmlumen 9). Gleichzeitig mit der Plasma- degeneration vollzieht sich in der Darmschleimhaut eine neue Abgrenzung der übrig bleiben- den Elemente. An Stelle der früheren meist keulenförmigen, durchschnittlich emen Kopf- durchmesser von 8 bis 16 x aufweisenden, membranlosen Zellen treten 20 bis 40 p grosse, ovale oder kuglige, mit einer deutlichen Membran versehene Blasen ©). Auf der Höhe ihrer Ausbildung und im frischen Zustande haben diese Blasen ein homogenes, schwach licht- brechendes Ansehen und wenig scharfe Contouren; in ihrer Mitte oder in der Nähe der Peripherie befindet sich eine 10 bis 16 p grosse, ziemlich scharf begrenzte Kugel, deren a) Taf. 2. Fig. 24. b) Taf. 6. Fig. 8. c) Tat. 5. Fig. 14. Tat. 67 Bio. dj. Ta 6. Big. 2% 4. 5. e) Taf. 6. Fig. 2—6. I. Notomastus. 4. Darmkanal. c. Der abdominale Darm (Hauptdarm und Nebendarm).. 49 Material, abgesehen von einem etwas helleren Ansehen, eine ganz ähnliche Beschaffenheit wie dasjenige der Blase selbst zeigt. In der Mitte dieser Kugel wiederum fällt ein con- sistenterer 2 p grosser, runder Fleck?) auf. Es lag nahe, diese Blasen für einfache Zellen und die erwähnten Kugeln für deren Kerne zu halten; aber eine weitere Behandlung der- selben ergab ein viel complicirteres Verhältniss. Setzt man nämlich dem frischen Präparate ‘ssigsäure zu, so tritt in der vermeintlichen Zelle eine Anzahl Fäden, resp. eine Anzahl von Lamellen auf, welche von dem fraglichen Kerne aus nach der Peripherie hinziehen und so die Blasen in mehrere Kammern abtheilen; ferner wird, bald nur in einer, bald aber in mehreren dieser Kammern ein Kern sichtbar, welcher mit demjenigen der ursprünglichen Darmzellen durchaus übereinstimmt®). Dieses Verhalten der Blasen lässt darauf schliessen, dass uns in ihnen ein Complex von mehreren Zellen vorliegt; ein solcher mehrzelliger Ur- sprung wird aber auch durch das Studium derjenigen Darmepithelstellen, welche in der Blasenmodification begriffen sind, wahrscheinlich gemacht. In Fig. 14 und 15. Taf. 6 z. B., sind Stellen der sich transformirenden Darmwand abgebildet, an denen sich noch ganz normale Zellen erkennen lassen; sie zeigen aufs Deutlichste, wie je mehrere der letzteren bei der Bildung je einer Blase zur Betheiligung gelangen. Der Umstand, dass sich so häufig in der entwickelten Blase nicht nur nicht in eimer jeden ihrer Kammern ein normaler Kern findet, sondern dass in den meisten Fällen im Gegentheil nur je ein solcher neben der grossen Kugel vorkommt, liesse sich durch ein theilweises Zugrunde- gehen derselben erklären; schwer zu deuten bleibt dagegen der Ursprung der im frischen Zustande schon in der Blase wahrnehmbaren Kugel selbst. Folgende zwei Möglichkeiten scheinen mir bezüglich ihres Ursprungs als die wahrscheinlichsten: entweder die genannten Kugeln entstehen durch allmähliche Vergrösserung eines ursprünglich normalen Kernes, hier- für sprechen Bilder wie Fig. 2. Taf. 6, in welcher Figur die Kugeln bereits in dem noch wenig weit in der Umbildung fortgeschrittenen Epithel vorhanden sind; oder aber die Kugeln fallen zusammen mit den in vielen normalen Epithelzellen über dem Kerne gelegenen sog. Vacuolen, hierfür sprechen Bilder wie Fig. 3. Taf. 6, in welchen Figuren man an einzelne Kugeln Gebilde herantreten sieht, welche an die sog. geschwänzten Kerne erinnern. Unklar blieb mir auch die Art des Zustandekommens der homogenen, einer Cuticulabildung ähn- lichen Membran; sie muss eine Neubildung sein, indem die Componenten der Blase, die Darm- zellen, ursprünglich einer Hülle durchweg entbehren. So lange die Blasen in der Bildung begriffen sind und häufig auch noch im fertigen Zustande werden sie theilweise von einer bald körnigen, bald homogenen Substanz ausgefüllt, welche der bereits erwähnten Umwand- lung in einen fettigen Detritus unterliegt); weiterhin verschwindet auch dieser zum grössten Theile und eine wässrige Flüssigkeit, in welcher Säuren nur noch geringe Niederschläge be- wirken und welche gegen Farbstoffe nahezu indifferent bleibt, erfüllt allein ihre Höhlung ®). Aber auch diese Flüssigkeit wird resorbirt, und von da ab verlieren die Blasen ihr pralles al Taf 6, Bio, 10. bjwRaf. 6. Big Il. e) Taf. 6. Fig. 4. d) Taf. 6. Fig. 10—13. Zool. Station z. Neapel, Fauna u, Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 7 50 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Ansehen, ihre Kugel- oder Eiform verwandelt sich in diejenige eines Kuchens, ja sie sinken noch weiter zu ganz dünnen Scheiben zusammen). Während dieser ihrer Rückbildung gehen auch jene die ursprünglichen Zellgrenzen andeutenden Lamellen, sowie viele der normalen Keme zu Grunde. Schliesslich verschwinden sogar die Umrisse der Blasen, und die mitt- lerweile ebenfalls platt gewordenen einstigen Kugeln (Vacuolen?), deren Entstehung und Bedeutung uns dunkel geblieben waren, bezeichnen von da ab allein noch die Stellen, an welchen sich Blasen befunden hatten’). In diesem letzten Stadium ihrer regressiven Meta- morphose haben die betreffenden Stellen der Darmwand eine kaum 2 p betragende Dicke! Häufig traf ich in den zwar vollkommen ausgebildeten, aber doch noch vollsaftigen Blasen an Stelle der oft erwähnten Kugel einen unregelmässig begrenzten, blasse Kügelchen enthaltenden Plasmaklumpen, an welchen ein blasser, die Blasenwand durchsetzender, von der Darmwand entspringender Strang heranzutreten pflegte®). Auf Zusatz von Essigsäure nahmen die erwähnten Klumpen regelmässige Kugelform an, umgaben sich mit einer deut- lichen Membran und liessen ein etwa 2 p grosses Körperchen erkennen; ausserdem traten auch jene Lamellen und normalen Kerne auf, so dass sich das Ganze von einer gewöhn- lichen Blase in nichts mehr unterschied. Haben wir nun in diesen Blasen mit den ab- weichenden Kugeln nur ein Stadium des Degenerationsprozesses vor uns, oder sollte nur ein Theil der Blasen (in einzelnen Fällen) zu Grunde gehen, ein anderer aber und zwar die in Rede stehenden von einem gewissen Stadium ab wiederum eine mehr progressive Entwickelung verfolgen (und sind dann etwa die erwähnten blassen Stränge als Nerven zu betrachten)? Nichts Entscheidendes vermag ich zur Beantwortung vorzubringen; was mich aber auf die letztere der beiden Vermuthungen gebracht hat, ist die 'Thatsache, dass mir häufig Stellen in der Darmwand geschlechtsreifer Olistomastus begegneten, deren Blasen in mehrere lange, unter- einander communicirende Fortsätze ausliefen d) und in ihrem Inneren an Stelle der Kugel ‚resp. des Plasmaklumpens) einen sowohl in Bezug auf Grösse als auf Form schon viel nor- maler aussehenden Kern erkennen liessen *). Gleichzeitig mit dem Epithel werden auch die anderen Häute des Darmes von dem Degenerationsprozesse ergriffen. In der peritonealen Hülle äussert sich derselbe zunächst durch eine colossale Vermehrung der Kerne; in der Muscularis aber durch den allmählichen Schwund der Fasern; schliesslich werden beide Membranen nahezu unkenntlich, indem sie mit den Blasenrudimenten zu einer einzigen dünnen Lamelle verschmelzen ©). Von den oben a) Daß. 0.0 Bio bad 8. b) "Taf. 6. Eie. 9. ec) Tatı6. Bio, 1Ar Mine llob: d) Taf. 6. Fig. 16. 17. e) Taf. 6. Fig. 7—9. Die letzteren Blasen scheinen — wie sich, nachdem Obiges schon niedergeschrieben war, ergeben hat — nichts mit der geschilderten degenerativen Metamorphose zu thun zu haben; denn ganz ähnlich verdünnte, blasse Darmstrecken mit durch Fortsätze verbundenen grossen blasenartigen Körpern habe ich auch bei den anderen Arten des Genus Notomastus, ja auch bei den übrigen Gattungen der Familie ohne Spuren irgend welcher Histolyse an- getroffen. Solche verdünnte Stellen können mitten im wohl ausgebildeten drüsigen Darmepithel auftreten. Leider vermag ich aber nicht zu sagen, ob diese Erscheinung in die Reihe periodischer, physiologischer Veränderungen ge- hört, oder mit Regenerationsprozessen etwa defect gewordener Stellen zusammenhängt. E I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. 51 beschriebenen Ganglienzellen und Nerven der normalen Traetuswand ist vom Beginne der Metamorphose ab nichts mehr wahrzunehmen. Der Nebendarm endlich bekundet auch darin seine grosse Uebereinstimmung mit dem Hauptdarme, dass sich an ihm in geschlechtsreifen Thieren ein in seinem Verlaufe ganz ähn- licher Zerfallprozess abspielt ®). Dieselbe Vermehrung der Kerne, dieselbe Umwandlung der Zellsubstanz in Detritus, dieselbe Vereinigung der Zellen zu Blasen. Nur das Eine ist zu bemerken, dass der Prozess in beiden Kanälen nicht immer zeitlich zusammenfällt, so dass der Nebendarm oft noch ein normales Ansehen hat, wenn der Hauptdarm schon auf dem Höhepunkt seiner Metamorphose angelangt ist; der umgekehrte Fall, derjenige nämlich, dass am Nebendarme früher als am Hauptdarme der Verfall eingeleitet wird, ist mir dagegen nie- tobi >) mals vorgekommen. 5. Centrales Nervensystem. Der erste, der dieses Organsystem oder Theile desselben an einer Capitellide sah, war van BENEDEN !). Er erkannte bei Capitella zwei über dem Munde gelegene, in je zwei Fortsätze, nämlich in einen vorderen und einen äusseren, auslaufende Knoten als Gehim; auch gelang es ihm, an jugendlichen Individuen das Vorhandensein von Augen festzustellen, welche Organe sich im Laufe des Wachsthums zurückbilden sollen. Aehnliches hat Örsren gesehen. Wir erfahren nämlich durch Grusr?), dass ihn jener dänische Forscher bezüglich der Capitella capitata auf einen platten, ovalen, wie in zwei Zipfel auslaufenden, über der Mundhöhle dieses Thieres gelegenen Körper aufmerksam gemacht habe, und dass Örsrk» in diesem Körper die obere Ganglienmasse eines Nervenmundringes zu sehen glaubte. Gruse hielt diese Deutung für um so weniger unwahrscheinlich, als sich auf jedem der beiden Zipfel ein scharf umschriebener, schwarzer Punkt befand, der ganz wie ein Augenpunkt aussah. Das Vorkommen solcher Augenpunkte am Kopfende der Capitella war kurz vorher auch schon durch CLararkpe?) constatirt worden. Nach ihm lägen dieselben zu beiden Seiten der Mundspalte und ent- behrten lichtbrechender Körper. Hierauf beschrieb KErErSTEIN !) von seiner Capitella rubicunda (Notomastus rubieundus) das Gehirn als zwei vor einander gelegene Ganglienpaare, von denen das vordere die grösseren enthalte und die Augen- flecke trage. Von diesen Augenflecken stehe eine grosse Menge am seitlichen und vorderen Rande des Gehirns und zwei etwas grössere weiter hinten näher der Medianlinie. Der Bauchstrang ferner habe in jedem Segment eine Anschwellung, gebe zahlreiche Nerven ab und besitze im Innern einen centralen Canal, wie ihn CLAPAREDE zuerst von Oligochaeten beschrieben habe. In der bald darauf erfolgenden Bearbeitung desselben Thieres dureh CLArarkDE>) wird vom Nerven- system gesagt, dass es aus einer Ganglienkette bestehe, welche zwischen den Knoten zahlreiche Nervenäste abgebe; der 70 u breite Strang setze sich aus feinen Fasern zusammen, welche sogar durch die Ganglien hindurch zu verfolgen seien, und einem breiten Axencanal, über dessen Canalnatur kein Zweifel walten könne. ‚Jeder Nervenknoten werde durch eine 10 » breite Anlagerung von durch Pigment braun gefärbten Nervenzellen um den Nervenstrang gebildet. Das Gehirn (resp. die oberen Schlundganglien) wird in einer a) ‚Naß,6. Bio. 5P2r6. 2) 1. P-s4.)C- p.,369 3), Ip. 23.00. p. Aa 4) 1. p. 4. ce. p. 125 Del. pr A. ep. 27 52 A. Anatomisch-Histologischer Theil. von der Krrersteis’schen Darstellung ziemlich abweichenden Form abgebildet; ausser den von KEFERSTEIN auf der Oberseite desselben beschriebenen Augenflecken sollen sich deren auch noch zwei jenen ähnliche auf der Unterseite befinden. Auch bei der Beschreibung der aus Port-Vendres stammenden Capitelliden gedenkt CLAParzpE!) des Nervensystems. Das obere Schlundganglion des Notomastus Sarsü habe auf der Rückenseite braune Flecken und das Bauchmark werde durch einen faserigen Strang gebildet, der in jedem Segmente den Ganglienzellenhaufen durchsetzt. Eine Verbindung von Ganglienzellen und Fasern konnte nicht nachgewiesen werden. Jedes Ganglion soll mehreren Nervenzweigen Ursprung geben und unter diesen wird besonders auf denjenigen hingewiesen, der, von der Vorderseite des Ganglion abgehend, eine zwischen den Muskelfasern der Körperwandungen befindliche Lücke durchsetzt, um bis zur Haut vorzudringen. Wie dieser Nerv endige, blieb unbekannt. In dem Faserstrange des Bauchmarks wurde ein ähnlicher Axencanal wie in demjenigen des Notomastus rubicundus wahrgenommen. Von Notomastus Benedenü wird hervorge- hoben, dass die Gehirnganglien erstens auf ihrer Rückenseite zwei grosse schwarze Augenflecken trügen, zweitens eine grosse Anzahl kleinerer Pigmentflecke auf ihrem ganzen vorderen Rand zerstreut ständen, und sich drittens zwei schwarze Punkte auf deren vorderer Fläche fänden. Das Bauchmark des Dasy- branchus caducus soll sich ganz wie dasjenige des Notomastus rubieundus verhalten, nämlich aus einem Faser- strange bestehen, dessen Axe eine röhrige Faser einnimmt und einer, wie es schien, zelligen Rindenschicht, welche sich zur Bildung der Ganglien in jedem Segment einfach anhäuft. Die Nerven entsprängen in grosser Anzahl jederseits nicht nur aus den Ganglien, sondern auch aus den Connectiven. Es ist weiter noch derjenigen Bemerkungen zu gedenken, welche CLArarkpE?) über das Nervensystem der von ihm in Neapel studirten Capitelliden gemacht hat. Am Nervensystem der Capitella capitata, von dem er eine Ab- bildung gibt, vermisste er die von ihm bei anderen Capitelliden aufgefundene riesige Röhrenfaser. Die Conneetive des Bauchstranges seien nahe aufeinander gerückt, und die Zellen rings um jedes Ganglion herum vertheilt. Das hinten gespaltene und vorn halbkreisförmig abgerundete Gehirn (obere Schlund- ganglien) gebe mit seinen lateralen Abschnitten zwei starken, für den Kopflappen bestimmten Nerven Ur- sprung. Der stärkste Zweig eines jeden dieser Nerven begebe sich zu je einem in seinem Durchmesser weit hinter demjenigen des Nerven selbst zurückstehenden Auge. Das Nervensystem der Capitella major ferner eigne sich vorzüglich zum Studium der Ganglien des Bauchmarks, indem dieselben einen Durch- messer von 0,4 mm erreichten. Dem nackten Auge erschiene das Bauchmark in der vorderen Region dieses Thieres in Gestalt zweier Stränge, die erst in der mittleren Körperregion zur Verschmelzung gelangen. Dieses Ansehen sei aber nur ein scheinbares, hervorgerufen durch einen medianen Strang von mehr durch- scheinender Beschaffenheit als die seitlichen. In jedem Ganglion bildeten die Nervenzellen drei Haufen: einen medianen, zwischen den zwei Nervensträngen gelegenen, und zwei laterale. Die Zellen seien theils grosse mit 12 u messenden Kernen, theils kleine mit Kernen von nur 5 » Durchmesser. Die grossen Zellen ständen vorwiegend peripherisch und würden an Zahl von den kleinen bei weitem übertroffen. Die aus zwei Bündeln zusammengesetzten Nervenstränge seien wie bei so vielen Anneliden aus sehr dünnen, welligen Fasern aufgebaut; eigenthümlich sei hier nur die Einlagerung zahlreicher kleiner (auf Essigsäurezusatz her- vortretender) Kerne, deren grosse Axe im Sinne der Faser gerichtet liege und deren Ansehen mit dem- Jenigen des Neurilemmas übereinstimme. Der mediane, durchsichtige Strang verhalte sich ganz wie die übrigen und könne daher nicht mit der bei anderen Capitelliden und bei Oligochaeten vorkommenden riesigen köhrenfaser verglichen werden. Im Inneren der Ganglien würden die Fasern der Nervenstränge undeut- lich, indem sie in einer fein granulirten, ohne Zweifel mit Leyoıg’s fibrillärer Punktsubstanz identischen Masse eingebettet lägen; gleichwohl könne man sich auch in dieser Region, selbst im Herzen des Ganglion, vom Vorhandensein zahlreicher ovaler Kerne überzeugen, deren grosse Axe rechtwinklig auf die Richtung der Bauchkette stehe. Aehnliche Kerne kämen in den drei je von einem Ganglion entspringenden Nerven- paaren, wenigstens in der Region ihres Ursprungs, vor. Von Notomastus lineatus endlich sagt CLAPAREDE, dass sich das Nervensystem wie dasjenige der anderen Arten dieser Gattung durch das Vorhandensein einer breiten, auf der Medianlinie des Bauchmarks ruhenden Röhrenfaser auszeichne, dass das Gehirn aus zwei grösseren vorderen und zwei kleineren hinteren Lappen bestehe, und dass die Nerven nicht nur aus den Ganglien, sondern auch aus den dieselben verbindenden Connectiven ihren Ursprung nähmen. Ele Ss. pebAseshm5g: 2) 1. p. 13. c. p. 275. 277. 280. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. a. Das Gehirn. 53 Schliesslich müssen noch die Angaben Sermper’s!) über das Nervensystem der Capitella capitata er- wähnt werden. Der mediane Ganglienzellenbeleg soll hier ohne alle Unterbrechung durch den ganzen Wurm hindurchgehen. Die Bauchstrangeommissuren ferner sollen weit voneinander getrennt verlaufen und sich nur in den Ganglien vereinigen. Während ım Kopfe der Schlundring, das dorsale Ganglion und das Kopfbauchmark ganz in der Leibeshöhle liegen (von der Epidermis durch eine deutlich erkennbare Ringmuskelschicht und zweı schräge Septalmuskeln getrennt), sollen im Rumpftheil des 'Thieres die beiden Nervenstränge (so lange sie nur Connective sind) ganz ausserhalb der Muskulatur, direet in der Epidermis verlaufen, im Ganglion dagegen wieder in die Leibeshöhle hereinrücken. (. capitata gehört nach SemPEr zu denjenigen Anneliden, bei welchen das Nervensystem, mehr oder weniger entschieden, auch bei geschlechts- reifen Thieren noch mit der Epidermis im Zusammenhange bleibt, und zwar scheinen es speciell die Connec- tive des Rumpfes zu sein, welche, zwischen Ringmuskulatur und Epidermis gelegen, mit ihren zelligen Ele- menten direct in diejenigen der Haut übergehen. Nach dieser fast wörtlichen Wiedergabe alles des über das Nervensystem unserer Thiere von Seiten anderer Autoren bekannt Gewordenen will ich zur Darlegung meiner eigenen Resultate übergehen. Ich werde zuerst das Gehirn und sodann den Bauchstrang besprechen; bezüglich der peripherischen Nerven ver- weise ich auf die je von denselben versorgten Organsysteme. a. Das Gehirn. Dem Vorgange Leyoig’s folgend, fasse ich zwar unter diesem Namen das obere Schlund- ganglion, das untere Schlundganglion, sowie die dieselben verbindenden Commissuren oder den Schlundring zusammen, werde aber doch in der nachfolgenden Darstellung, dem herr- schenden Gebrauche entsprechend, die oberen Schlundganglien speciell als Gehim (s. str.) bezeichnen. Das obere Schlundganglion, oder besser die oberen Schlundganglien ®) — da es mehrere sind — liegen in einer besonderen Höhle des Kopf-Mund-Segments. Diese Höhle — nennen wir sie Gehirnkammer®P) — nimmt den basalen Abschnitt des Kopflappens, sowie den vorderen hämalen Theil des Mundsegments ein; sie kommt hauptsächlich dadurch zu Stande, dass sich von der Längsmuskulatur des Stammes, nahe an der hinteren Grenze des Mund- segments, eine Anzahl nahezu in einer Ebene verlaufender Muskelbündel abzweigen und von da diagonal nach der neuralen Basis des Kopflappens hinziehen. Die Gehirnkammer ist dem- nach nur als ein durch eine Muskelwand abgetrennter Theil der allgemeinen Leibeshöhle auf- zufassen. Auch ist sie keineswegs der letzteren gegenüber als vollständig abgeschlossen zu betrachten: erstens sind weite Oeffnungen für den Durchgang der Schlundring-Commissuren vorhanden, sodann ist die die Höhle begrenzende Muskulatur, ähnlich wie die Stammesmus- kulatur, von zahlreichen Spalten für die Circulation des Hämolymphstroms durchsetzt. Hämal wird von dieser Gehirnkammer ein Abschnitt theils durch die Haut, theils ebenfalls durch Muskelbänder für die Wimperorgane abgegrenzt; auch dieser Raum — die Wimperorgan- kammer®) — communicirt sowohl mit der Gehirn- als mit der Leibeshöhle. In seiner Lage er- a), Taf.a2.. Big. 16.17: b)atato, 6: Big.) 18, Dafıy 7. Big. 1435.,9., 6,0%: e) Taf. 6. Fig. 18. Baba Biol. 5292 W202, 1) SEMPER, C., Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Thiere. III. Strobilation und Segmentation. Arb, Z. Inst. Würzburg, Bd, 3. p. 144. 148, 54 A. Anatomisch-Histologischer Theil. halten wird das Gehim dorsoventral-median durch besondere sagittal gerichtete, sich an den peritonealen Hüllen inserirende Muskeln ®), an seiner hinteren Fläche durch die selbst überaus reich mit Muskeln versorgten Wimperorgane und an seiner vorderen Grenze durch die mit der Epidermis verschmelzenden Sehlappen®); endlich tragen selbstverständlich auch alle die von dem Organ abgehenden Nerven mit zu seiner Befestigung bei. Betrachtet man das Gehirn von der Riückenseite, so erscheint es zunächst nur aus zwei symmetrisch gebauten Lappen zusammengesetzt©); so haben es auch die ersten Be- schreiber aufgefasst. In Wahrheit besteht es aber — wie KErErsTEIN und ÜULAPAREDE richtig erkannt haben — aus vier Lappen; das hintere Lappenpaar pflegt eben bei der Rückenan- sicht von den darüber liegenden Wimperorganen bedeckt zu werden. Von der Bauchseite aus betrachtet), können diese hinteren Lappen auch am unverletzten, comprimirten Thiere leicht zur Ansicht gebracht werden; zur vollen Übersicht gelangt man allerdings nur an frei präpa- rirten Organen. Der Umfang des Gehims wechselt je nach Grösse oder Alter der Individuen. Bei kleinen Thieren beträgt der Längsdurchmesser etwa Y; mm, bei grösseren Thieren bis '% mm. Der Breitendurchmesser übertrifft den Längsdurchmesser, insbesondere in den hinteren Lappen, etwa um ein Sechstel. Der Dickendurchmesser ist am äusseren Rande nahezu gleich dem- jenigen der Breite, gegen die Medianlinie hin nimmt aber dieser Durchmesser, besonders in den hinteren Lappen, um ein Viertel bis ein Fünftel ab. Die vorderen und hinteren Lappen theilen sich annähernd in die angegebenen Maasse, so dass also das ganze Organ, insofern man von den erwähnten Grössendifferenzen, sowie von den bei den mitgetheilten Maassen überhaupt nicht berücksichtigten Fortsätzen absieht, als aus zwei Paar annähernd gleich grossen, kugelförmigen, symmetrisch hintereinander gelegenen Ganglienkörpern zusammenge- setzt, bezeichnet werden kann. Die Selbständigkeit dieser vier das Gehirn zusammensetzen- den Ganglien ist nun aber blos eine scheinbare: sie wird durch, sowohl hämal als neural vorhandene, verschieden tief einschneidende Furchen bedingt; und zwar auf beiden Seiten durch je eine mediane Längs- sowie eine darauf rechtwinklig gerichtete Querfurche; in der Tiefe dagegen stehen — wie dies am besten die nach drei Dimensionen ausgeführten Schnitt- serien illustriren ©) — sowohl je zwei nebeneinander, als auch je zwei hintereinander gelegene Lappen im inniesten Zusammenhange. Das erösste Maass von Selbständiekeit bieten die vor- oO oO oO o deren Lappen. Sie sind distal durch einen über zwei Drittel ihrer Länge einnehmenden Schlitz gespalten. Bei den hinteren Lappen kommt es nur am vorderen und hinteren Rande zur wirklichen "Trennung, weiterhin sind die beiden Lappen bloss durch Furchen — hämal ziemlich tief, neural ziemlich flach — eingeschnitten. Von den das vordere vom hinteren Lappenpaare trennenden Querfurchen schneidet die hämale ebenfalls tiefer ein als die neurale. Nur bei oberflächlicher Betrachtung machen die vorderen Lappenf) den Eindruck compacter, einheitlicher Gebilde; die genauere Untersuchung lehrt dagegen, dass ein jeder a), Bat. 7.,.818°:,9.,, 01.4362, 21 0977°2G2 =: b) Taf.-6., Fig. 18. .G. Sn. e)E.Naf. 22, Bir 116, Y d) Taf. 2. Fie. 17. e) Taf u. ur 8. he Dat. 62 Rio 218g Dat au Sr G I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. a. Das Gehirn. 55 derselben eigentlich aus zwei übereinander gelegenen Lappen, einem kleineren hämalen und einem grösseren neuralen besteht. Der hämale, wir wollen ihn als "Träger des Sehorgans gegenüber dem Hauptlappen als Sehlappen®) bezeichnen, bedeckt den neuralen nur theil- weise, indem er median eine Strecke frei lässt; er ist ringsum durch eine Furche abgegrenzt, welche sich medianwärts hinten zu einem geräumigen Spalt vertieft. In Folge dieses Spaltes kann der Sehlappen ziemlich weit nach aussen umgeschlagen werden und in solcher Lage stellt ihn auch der frontale Längsschnitt Fig. 20. Taf. 6 als ziemlich selbständige Bildung dar. Ferner ist innerlich sowohl der hämale als neurale Abschnitt der vorderen Lappen der Längsaxe parallel in mehrere Äste zerspalten, was sich um so mehr geltend macht, je mehr man dieselben an ihren distalen, dem Kopflappen zu gerichteten Enden in's Auge fasst, welche Enden die Wurzeln der gegen den Kopflappen hin gerichteten Nerven darstellen»). Endlich ist noch hervorzuheben, dass die vorderen Lappen neural durch einen medianen, un- paaren, kugligen Anhang ausgezeichnet sind, welcher theilweise auch mit den hinteren Lappen in Verbindung steht, indem er die Brücke zwischen diesen beiden Gehirntheilen bilden hilft. Dieser unpaare kuglige Anhang — heissen wir ihn ventralen Lappen“) — springt ziem- lich stark über die neurale Fläche des Gehims hervor, aber auch auf dieser Fläche kann er in Folge einer übrigens nicht sehr tief einschneidenden Ringfurche eine Strecke weit von den anderen, ihn umgebenden Gehirmtheilen unterschieden werden. An den hinteren Lappen) treten keine solche secundären Gliederungen auf wie an den vorderen; die auffallenden Höcker derselben sind nur eine Folge der überaus kräftig. entwickelten, die Wimperorgane versorgenden Nervenwurzeln, von denen später noch die Rede sein wird. Es folge nun die Beschreibung des histologischen Aufbaues. Wir stossen zunächst auf das Neurilemma®), welches sich deutlich aus zwei ver- schiedenen Membranen zusammengesetzt erweist: einer äusseren zelligen und einer inneren von mehr cuticularem Ansehen. Die äussere, in welcher wir nichts Anderes vor uns haben, als einen Theil des alle innerhalb der Leibeshöhle gelegenen Organe überziehenden Perito- neums, erweist sich, wie auch sonst, sehr verschieden mächtig entwickelt je nach Individuum und je nach Region. Auch darin stimmt sie mit der allgemeinen, die Körperhöhle aus- kleidenden Membran überein, dass ihre Zellen nur selten in scharfer Abgrenzung zur An- schauung gelangen, sich dagegen meistens durch unregelmässig zerstreute, von Vacuolen durchsetzte Protoplasmaansammlungen im Bereiche der Kerne manifestiren. Eine durchschnitt- lich viel schmächtigere Lage bildet das mit der peritonealen Membran nur lose, mit dem Ge- hirne dagegen auf’s Innigste zusammenhängende innere Neurilemm, welches man auch als das eigentliche bezeichnen kann, da es allein Fortsätze zwischen die Zellen und Fasern des Organs entsendet. Sein cuticulares Ansehen ist nur ein scheinbares, da an vielen Stellen, alt Tat. 6 Fig.18..20.. Taf. u: 8:.@. Sn! be Tat n6.»Rig. 218. Katie 9. Tat atkig: ls, K. In. N. co Tat 24 Eigaliı. 3728.26. 1810.11820. Tal, u. 8. Gin: d) Taf. 6.0Fig. 18—20. af rum: GL. hu L. e) Taf. 6. Fig. 21. Nma. 56 A. Anatomisch-Histologischer Theil. besonders am Bauchstrange ®2), wo dieses innere Neurilemm sowie dessen Fortsätze in das Mark viel stärker ausgebildet sind als am Gehirn, deutliche Kerne auftreten, welche auch auf einen zelligen Ursprung dieser Membran schliessen lassen. Dem Neurilemma dicht anliegend folgt die eigentliche aus Zellen und Fasern sich aufbauende Gehirnmasse. Um die Vertheilung dieser seiner beiden Gewebselemente klar zu machen, habe ich von den besten meiner nach drei Dimensionen ausgeführten Schnittserien *) Je eine zur Abbildung gebracht®). Die vertical-longitudinal geführte Serie dient am besten zur Orientirung, da sie an sich die übersichtlichsten Bilder gibt, und ihr überdies ein in vollständig gestrecktem Zustande conservirtes Gehim zu Grunde gelegen hatte. In dem für die frontale Serie verwandten Thiere hatten sich, was leider die Regel ist, die hinteren Hirnlappen sammt Wimperorganen über die vorderen etwas hinübergeschoben, so dass also die Schnittführung dem erläuternden Schema zufolge nicht striete jener Ebene ent- sprechend erfolgen konnte; immerhin wird man aber, nachdem man sich über diese aus der erklärten Verschiebung entspringende Unregelmässigkeit orientirt hat, im Ganzen die sich aus den verticalen Schnitten ergebende Vertheilung auch in den beiden anderen Serien in den Hauptzügen bestätigt finden, und darauf kam es ja zunächst hauptsächlich an. Aus der Combination dieser Serien geht nun hervor, dass das Gehirn aus einer nur neural unterbrochenen, verschieden mächtigen Schale von Zellen und einem centralen Kerne aus Fasern besteht. Dieser centrale Kern lässt sich gegenüber dem vierhügeligen der Schale als schmetterlingsförmig bezeichnen. Alle Lappen, auch der Augenlappen und ventrale Lappen nicht ausgenommen, participiren an diesem Faserkerne, und er ist es, der hauptsäch- lich den Zusammenhang, sowohl der beiden seitlichen, als auch der beiden hintereinander- liegenden Lappen vermittelt. Was die Beschaffenheit der einzelnen, das Gehirn zusammensetzenden Elemente be- trifft, so verweise ich auf Taf. 6. Fig. 22; eine genaue Beschreibung dieser Elemente, sowie ihrer gegenseitigen Beziehungen, wird aber gemeinsam mit jenen des Bauchstranges gegeben werden), da ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden nicht existirt. Hier will ich nur noch einige auf die Vertheilung der Zellen bezügliche Erfahrungen anführen. Die Ganglien- zellen der Augenlappen®) sind klein, multipolar, oft körnerähnlich; ebenso sind die distalen a) Taf. 6. Fig. 23. Taf. 7. Fig. 5. Nma. b)eRare7enes: c)F Tat. 9. Bios 8s19: a) Vergl. den Abschnitt: Bauchstrang. ‘) Die grosse Anzahl der von mir abgebildeten Gehirnschnitte nöthigt mir um so mehr ein Wort der Rechtfertigung auf, als ich jedweden — mir vorderhand als verfrüht erscheinenden — Versuch einer Vergleichung des Annelidengehirns mit demjenigen höherer Thierstäimme unterlassen habe. Was mich aber trotzdem zu dieser Abbildung veranlasste, war die Erwägung, dass ein solcher Vergleich früher oder später mit mehr Berechtigung, oder mehr Hoffnung auf Erfolg unternommen werden könnte, und dass sodann diese Schnitte als Vergleichsmaterial nicht unerwünscht sein werden. Ich darf wohl auch noch hinzufügen, dass bis auf heutigen Tag noch keine ein- zige vollkommene Schnittserie eines Annelidengehirns zur Abbildung gebracht worden und dass die Herstellung wirklich brauchbarer Serien mit Schwierigkeiten verbunden ist. Hatte ich doch mehr als ein Dutzend Serien anzufertigen, um die drei meinen Abbildungen zu Grunde liegenden, relativ günstig ausgefallenen, zu erhalten! I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. a. Das Gehirn. 57 Theile der vorderen Hauptlappen aus solch’ kleinen Zellen zusammengesetzt; in den proxi- malen Theilen dieser Lappen dagegen‘) walten, besonders peripherisch, grosse, scheinbar uni- polare Zellen vor. Die hinteren Lappen enthalten in den äussersten Lagen ebenfalls grosse, scheinbar unipolare Zellen, welchen nach innen zu kleine, multipolare, folgen. Die dünne Zellenlage des ventralen Lappens endlich wird ausschliesslich von auffallend grossen, uni- polaren Ganglienzellen zusammengesetzt. Die oberen Schlundganglien entsenden nach verschiedenen Richtungen hin Nerven. Durch Präparation kann wegen der grossen Feinheit einiger, sowie auch in Folge des Ab- reissens derselben, meist nur ein Theil zur Anschauung gebracht werden, so dass wir auch hier zu den Schnitten unsere Zuflucht zu nehmen gezwungen sind. Die vorderen Lappen zerfallen, wie bereits erwähnt worden ist, bis dicht zu ihrer hinteren Grenze in mehrere Stämme und diese letzteren sind es, welche, distal sich verjüngend, in Nerven auslaufen; ein Theil, und zwar diejenigen des Augenlappens, gehen zum Sehorganb); ein anderer Theil, und zwar diejenigen des Hauptlappens, gehen zu den Wandungen des Kopflappens®). Als eine Eigenthümlichkeit dieses letzteren ist hervorzuheben, dass sich Äste der beiden Seiten, der Wöl- bung des Kopflappens folgend, ringförmig zu vereinigen scheinen). Die hinteren Lappen ent- senden mehrere starke Nerven zu den Wimperorganen®), und wenn man nur letztere mit ablöst, so lassen sich diese Nerven am herauspräparirten Gehirne in der Supinatio leicht wahrnehmen. Auch in allen Schnittserien können sie ohne Weiteres nachgewiesen werden. Besonders bemerkenswerth ist der in unserer Querschnittserie in Fig. 27. Taf. 7. Rl. N. abgebildete, von den hinteren Lappen zur Rüsselmuskulatur gerichtete Nerv, indem er wahrscheinlich die Verbindung des Rüsselganglions®) mit dem Gehirne vermittelt. Von den hinteren Lappen geht endlich in der Richtung nach dem Kopflappen median noch ein Nervenstamm ab, über dessen Ziel ich aber nicht klar zu werden vermochte. Die das obere mit dem unteren Schlundganglion verbindenden, den Schlundringf) bilden- den Commissuren *) entspringen aus dem Faserkerne der oberen Schlundganglien; anscheinend sind es nur die vorderen Lappen, welche das Material für ihn hergeben, in Wahrheit be- theiligt sich aber die gesammte Masse dieses Kernes. Getreu ihrem Ursprunge, bauen sich diese Commissuren ihrer ganzen Länge nach — abgesehen von dem auch sie umhüllenden und durchdringenden Neurilemma — ausschliesslich aus Fasern auf, welche keinerlei bemer- kenswerthe Unterschiede von den später zu beschreibenden Fibrillen der Bauchstrang-Connec- tive darbieten; erst ganz nahe an der Grenze des unteren Schlundganglions tritt ein lateraler Belag von Ganglienzellen auf®), Neben der Hauptcommissur verläuft zuweilen jederseits eine viel dünnere zweite, so dass dann der Schlundring eine doppelte Bildung darstellt. a) Taf. 6. Fig. 21. beat 7. Rio235, ce)" Tat.a6. Eıg. 18. Taf zn. Bing Ka Einen. d) Taf. 8. Fig. 18. e), Tat. 2. Biol 17. Wat..7.. Bio. 5. Tat: 8. Bir 6: MW. O:N: ft) Taf. 2. Fig. 16. 17. Taf. 7 u. 8. Schl. :R. g) Taf. 6. Fig. 24. a) Vergl. p. 37. *) Nach SrenGer's Vorschlag nenne ich »Commissuren« die Verbindungsstränge zwischen gleichnamigen Ganglien der beiden Seiten, »Connective« dagegen diejenigen Stränge, welche Ganglien einer Seite verbinden. Zool. Station Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. s 58 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Beide Commissuren begeben sich vom oberen Schlundganglion aus, jederseits den Oesophagus umfassend, in schräg nach hinten und neural gerichtetem Verlaufe in das zweite Thorax- segment, wo durch ihre mediane Vereinigung das untere Schlundganglion gebildet wird. Während dieses ihres Verlaufes liegen die Connective frei in der Leibeshöhle, jedoch den Körperwandungen sehr genähert. Zahlreiche, hauptsächlich gegen den Kopf hin gerichtete Nerven gehen vom Schlundringe ab; aber nur von zweien konnte ich den Innervations- bezirk feststellen; sie verlassen beide die betreffende Commissur nahe an ihrem Ursprunge, um sich zum Rüssel-Oesophagus zu begeben ®). Das untere Schlundganglion®) kommt, soweit es aus Fasern besteht, hauptsächlich durch die Verschmelzung der beiden Schlundringeommissuren zu Stande; um diese centrale Fasermasse gruppirt sich sodann ein Belag von Ganglienzellen, deren Fibrillen sich zum Theil denjenigen der Connective zugesellen; wir haben daher an diesem Ganglion (sowie auch in jedem folgenden der Bauchkette) einen aus dem oberen Schlundganglion stam- menden und einen erst in dem bezüglichen Segment hinzutretenden Fibrillencomplex zu unterscheiden. Der Ganglienzellenbelag beginnt schon eine Strecke weit vor der Verschmelzung der Connective als eine seitlich neural gelagerte Kappe jederseits aufzutreten®); in dem Maasse als diese Verschmelzung vor sich geht, breitet sich jener Belag unter Zunahme seiner Masse immer mehr neural aus, bis er schliesslich die zu einem Strange verschmolzenen Connective nenral und seitlich vollständig umhüllt. Diese Vereinigung der Connective findet erst im zweiten Körpersegment statt‘), als dessen Ganglion daher auch das untere Schlund- ganglion zu betrachten ist, wogegen das obere Schlundganglion und die Schlundcommissuren dem Kopflappen-Mundsegment zugehören. Das untere Schlundganglion liegt frei in der Leibeshöhle und übertrifft die folgenden Ganglien der Bauchkette nicht unbedeutend an Grösse; am lebenden 'Thiere erscheint es oft seitlich eingekerbt, was von den kräftigen Wur- zeln der seitlich abgehenden Nerven herrührt. Diese Seitennerven bieten in ihrem resp. Segmente mit Bezug auf die Innervationsverhältnisse keinerlei Abweichungen von den ent- sprechenden Nerven der Bauchganglienkette dar, weshalb ich auch in dieser Hinsicht auf die Darstellung der letzteren verweise; gleiches gilt für die Structurverhältnisse. b. Der Bauchstrang. Der Bauchstrang®) durchzieht als continuirliche Fortsetzung des unteren Schlund- ganglions den Notomastus-Leib vom dritten bis zum letzten Körpersegment. Im frischen, normal gestreckten Thiere erscheint er in einer der Leibesdehnung durchaus entsprechenden Länge; contrahirt sich aber die Stammesmuskulatur, dann legt er sich in Windungen. So wird er auch stets in conservirten T'hieren, welche beim Absterben nicht künstlich gestreckt worden waren, angetroffen. Der Bauchstrang des. Notomastus — sowie auch aller anderen a) Taf. 7. und Taf. 8. b)2War.e2. SRıe ls: ce), Tat:x16.2 Big2 24. d) Taf. 8. Fig. 18. e) Taf..2. Fig. 18—20. Taf. 9. Fig. 2. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. b. Der Bauchstrang. 59 Capitelliden — folgt einer streng segmentalen Anordnung: jedes Körpersegment enthält je ein Ganglion; in allen Arten des Genus Notomastus behauptet er ferner (abgesehen vom Schwanzende) eine coelomatische und zwar median neurale Lage; nie rückt er unter die Mus- kulatur. Mit Bezug auf die Leibeshöhle freilich wechselt der Grad seiner Selbständigkeit je nach der Körperregion mannigfach. Am freiesten kommt er im 'T'horax zu liegen ®), da hier die Längsmuskulatur gleichmässig entwickelt ist; im Abdomen dagegen rückt er meist in dem Grade, als die neuralen Längszüge einseitig an Höhe zunehmen, tiefer in den Spalt der beiden der neuralen Medianlinie zunächst gelegenen Bündel hinab®). Eine Abweichung von diesem Verhalten bietet die kurze Körperstrecke, welche den Uebergang von 'I’horax und Abdomen ver- mittelt; hier wird nämlich der Bauchstrang zunächst von blasigem Bindegewebe und weiter- hin von der die Peritonealhöhle ausfüllenden septalen Muskulatur vollständig eingehüllt, wo- bei er auch sein äusseres Neurilemma einbüsst®). Wo der Bauchstrang frei liegt, tragen zu seiner Fixirung nebst den abgehenden Nerven hauptsächlich die Mesenterien‘) bei, deren sich zwei mediane bandförmige, nämlich ein neurales und ein hämales (allerdings nur stellenweise), sowie zahlreiche seitliche, fadenförmige (und diese an allen Stellen) nachweisen lassen. Die medianen Mesenterien entwickeln sich aus dem die Leibeshöhle sowie alle Organe überziehenden Peritoneum; die seitlichen dagegen bieten mehr das Ansehen stark verlängerter Muskelzellen dar. Der Bauchstrang verläuft, wie in dem Kapitel »Allgemeine Körperform«®) schon erwähnt N wurde, in einer besonderen, als Bauchstrangkammer ®) unterschiedenen Abtheilung des Coeloms. Mit Bezug auf die einzelnen Segmente liegen f) die Ganglien in der Regel im Anfange, also oO oO oO J oO oO 89 dicht hinter dem das betreffende Segment vom vorhergehenden scheidenden Septum und in Ss Ss ji Folge dessen auf gleicher Höhe mit den Parapodien, Sinneshügeln ete.; seltener werden sie auf den Segmentgrenzen angetroffen. Der Bauchstrang hat im Bereiche der Connective einen elliptischen, im Bereiche der fo) ’ Ganglien einen mehr kreisförmigen Querschnitt; der Uebergang der einen Form in die andere oO o oO findet aber ganz allmählich statt, so dass die Ganglien ein spindelförmiges Ansehen darbieten. oO ’ fe) fe) Der Durchmesser der Ganglien sowie der Connective ist im 'Ihorax, wo die Segmente etwas enger aufeinander gerückt stehen, grösser als im Abdomen; diese (grössten) Durchmesser be- tragen im Mittel für die Ganglien 400 und für die Connective 140 p. Nachdem sich die Faserstränge der beiden Schlundringcommissuren im unteren Schlund- Oo oO ganglion unter vollkommener Verschmelzung vereinigt haben, beginnen sie gleich hinter diesem Ganglion wieder in die dasselbe mit den ersten Ganglien der Bauchkette verbinden- den Connective auseinander zu treten, indem eine starke Falte des Neurilemmas die ur- sprüngliche Zweitheilung zunächst andeutet und weiterhin vollständig durchführt. Dieser Prozess wiederholt sich auch in den nachfolgenden Segmenten des Vorderkörpers, so dass al Tat. 10 Big. 10. Tat- 1a, Eis: 12 2. beta 10. Rice. 1. Taf.n127 Rie.2, Parts lasRie, 112. e) Taf. 15. Eig. 28. 29. 29%. 2. dir Tat. 2° Fio2 20.2232 Tat. 102 Rıoz1. e), Taf. 12, Bior 27 Tat. 14. Biot 32311, Takıels. Biel, B0rZE 2 DR: f) Taf. 2. Fig, 28. Tafı 15. Big. 5.16. a) Vergl. p. 17. 60 A. Anatomisch-Histologischer Theil. wir also, je nachdem der Schnitt mehr durch die Mitte von Connectiven oder durch diejenige von Ganglien geführt ist, bald nur einen, oder aber zwei deutlich getrennte Faserkerne vor uns haben®). Dieses Verhalten bleibt für die Ganglien auch weiterhin durch die ganze Länge des 'Ihieres bestehen; für die Connective dagegen verändert es sich, indem an Stelle der streng bilateralen eine durchaus unregelmässige Anordnung tritt. Bald zerfällt nämlich der betreffende Strang in zwei, bald in drei oder mehr Partien; ja oft kann man gar nicht mehr von solchen Hauptabtheilungen reden, indem der Strang in äusserst zahlreiche, an- nähernd gleich grosse Bündel abgetheilt ist und ein wahres Neurilemmafachwerk zum Vorschein kommt *%). Es kann durchaus keinem Zweifel unterliegen, dass ein Theil der diese Stränge zu- sammensetzenden Fasern die Ganglien einfach durchsetzt und so die Continuität des Systems vermittelt; im Bereiche der Ganglien wird dieses Verhältniss aus dem Grunde nicht so augen- scheinlich, weil das Neurilemmafachwerk im Vergleiche zu demjenigen der Connective nahezu verschwindet, ein Verhalten, das sofort einleuchtet, wenn man bedenkt, dass es in erster Linie die Ganglienknoten sind, in welchen der Austausch von Zellfortsätzen und Fasern sowie der Abgang von Spinalnerven stattfindet. Auch hier besteht das Neurilemma aus zwei Blättern: einem äusseren, saftigeren, mit Muskelfasern ausgerüsteten, welches von dem Peritoneum abstammt, und aus einem inneren von mehr homogener Structur, welches allein Fortsätze zwischen die Zellen und Fasern des Nervengewebes entsendet®). Die Verästelung dieses inneren Neurilemmas erreicht oft, beson- ders in den Connectiven, einen solchen Grad der Feinheit, dass es schwer hält, dessen Elemente von denjenigen nervöser Natur zu unterscheiden). Das Neurilemma des Stranges geht auch auf die Seitennerven über). Die Connective werden nahezu ausschliesslich von Fasern zusammengesetzt ©); nur ver- einzelte, oft durch ihre Grösse hervorragende Ganglienzellen finden sich in deren neuraler Medianlinie f}, auch kommen zahlreiche, überaus kleine, kernartige, multipolare Gebilde, die ich als Körner deute, durch die ganze Fasermasse zerstreut vor®). Die Mehrzahl aller Fasern zieht parallel der Längsaxe; dies gilt besonders für die Connective; in den Ganglienknoten dagegen werden die Längszüge vielfach von Querzügen unterbrochen b). Die Ganglienzellen finden sich dem Vorhergehenden zufolge der Hauptmasse nach in den Knoten; hier bilden sie einen neuralen, mehrschichtigen Belag, der sowohl seitlich, als auch vorn und hinten mützenartig übergreift und daher nur die Rückenseite der Faser- stränge unbedeckt lässt!). Eine Unterbrechung erfährt diese Zellenhaube selbstverständlich überall da, wo die Spinalnerven abgehen; führt man durch diese Region einen Querschnitt, so kommen an Stelle des continuirlichen, neural-lateralen Zellenlagers drei gesonderte Zellen- a) Taf. 9. Fig. 3—8. b) Taf. 9. Fig. 3—7. Nma. c) Taf. 9. Fig. 3—5. Nma. d) Taf. 9. Fig. 1. 3. Sp. N. e) Taf. 9. Fig. 10. f) Taf. 9. Fig. 16. @. Z. g) Taf. 9. Fig. 17. h) Taf. 9. Fig. 1.4. 7. 8. i) Taf. 9. Fig. 3. 7. 8. 11. 12. “; Dieses Verhältniss gelangt noch viel deutlicher bei Mastobranchus zum Ausdruck; vergl. Taf. 26. Fig. 14—16. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. b. Der Bauchstrang. 61 massen zum Vorschein, welch’ letztere den Eindruck erwecken können, als ob das Ganglien- zellen-Material sich aus drei Längszügen: nämlich aus einem median-neuralen und zwei seit- lichen aufbaute®). Ich vermuthe, dass die falsche Interpretirung solcher Bilder Semrer dazu geführt hat, bei den von ihm erwähnten Anneliden eine Entstehung des Bauchstranges aus drei gesonderten Anlagen anzunehmen %). Die Seitennerven oder Spinalnerven®) verlassen die Ganglien meistens in verschiedenen Ebenen; daher ist es selten der Fall, dass alle zu- gleich durch einen Frontalschnitt getroffen werden. Zuweilen kommen auch Andeutungen von zwei übereinander abgehenden Spinalnerven vor®). Durchschnittlich geben die Ganglien je drei bis vier Nerven jederseits ab“), und unter diesen pflegen die mittleren die stärksten zu sein; die Durchmesser der letzteren betragen nämlich 30—40 p, diejenigen der vorderen und hinteren dagegen nur 10—20 p. Auch die Connective entsenden in jedem Segmente mehrere Seitennerven, meistens zwei Paare, deren Durchmesser zwischen 10 und 20 p schwankt; gegenüber den aus den Ganglienknoten entspringenden fällt bei ihnen eine sehr häufig vor- kommende Asymmetrie im Ursprunge des einen oder anderen Paares auf®). Ich will nun zur genaueren Beschreibung der das Nervensystem aufbauenden Ge- webselemente übergehen. Das Neurilemmaf) besteht, wie schon hervorgehoben wurde, aus zwei meist deutlich unterscheidbaren Blättern, einem äusseren etwa 6 u dieken, vom Peritoneum stammenden, und einem schmächtigeren inneren, dem Nervengewebe dicht anliegenden. Das äussere Neurilemma schwankt, wie das Peritoneum selbst, je nach den verschiedenen Körperstellen oder Indivi- duen hinsichtlich der Beschaffenheit seiner Zellen; diese können nämlich deutlich unter- scheidbar vom Ansehen des blasigen Bindegewebes, oder aber undeutlich abgegrenzt sein. Im äusseren Neurilemma finden sich, allerdings nur sehr spärlich, Ring- und Längsmuskelfasern zerstreut und zwar sowohl auf der Aussen- als auf der Innenseite, wie dies ja auch an anderen Stellen des Peritoneums vorkommt. Das innere Neurilemma bildet überall ein homogenes, blättriges Ansehen dar; man könnte es für eine eutieulare Bildung halten, würden nicht zahlreich eingestreute, ovale Kerne seine cellulare Natur bekunden. Ausschliesslich dieses innere Neurilemmablatt sendet Fortsätze in die Nervenmasse; in den Ganglien und zwar sowohl in den Gehirnganglien, als auch in denjenigen der Bauchkette, sind es vor- wiegend die Zellen, welche von einem Netze solcher Fortsätze umsponnen werden, während die Fasern und Körmer frei bleiben®); in den Connectiven dagegen sind es gerade diese letzteren, welche zur Ausbildung eines ausserordentlich complieirten Gerüstwerks Veranlassung geben®). Während das Neurilemma der Ganglien — einerlei ob es nun weite Follikel um einzelne grössere Zellen bildet, oder zu engeren, die kleineren Zellen bekleidenden Maschen zusammenrückt — meist leicht vom Nervengewebe (hier den Zellen und ihren Fortsätzen) a) Lat..,94 Rie.2 3.27, 8% b) Taf. 2. Fig. 18—20. Taf. 9. Fig. 2. 3. 8. Sp. N. c) Taf. 9. Fig. 7. Sp. N. d) Taf. 2. Fig. 18—20. Taf. 9. Fig. 2. e)’ Tat. 2. Ric. 19.20. 2 Tan 9 Rio, 1. 3. 5-7. 11—15. Nma. g) Taf. 6. Fig. 21. h). Taf. 9. Fig. 5, a) Vergl. den Morphologischen Theil, Kapitel Nervensystem. 62 A. Anatomisch-Histologischer Theil. unterschieden werden kann, ist eine solche Unterscheidung derselben Bildungen in den Connectiven ausserordentlich erschwert. Die Hauptadern des Gerüstwerks lassen sich natür- lich auch hier auf den ersten Blick erkennen, die letzten und feinsten Ausläufer aber, welche die Faser- und Körnermassen immer weiter und weiter, dem Gerüste einer Spongie vergleich- bar, in Portionen abschnüren, sind um so schwerer von dem eigentlichen Nervengewebe zu unterscheiden, als in den Fibrillen des letzteren ganz ähnliche Kerne eingelagert vorkommen, wie sie stellenweise auch das Neurilemma auszeichnen; diese Kerne sind in beiden Fällen oval, von ähnlichen Dimensionen und von gleichem 'Tinctionsvermögen. Betrachtet man ein Ganglion des frischen, aus dem lebenden '[hiere präparirten Bauchstranges®) im optischen Durchschnitte, so findet man eine bedeutende Anzahl verschieden grosser, blasser, überaus zart contourirter, rundlicher Gebilde ohne jede Spur eines Kernes: es sind die Ganglienzellen, so wie sie sich im frischen Zustande darstellen; besonders in die Augen springen eine grosse Menge rings je um diese einzelnen Zellen vertheilter, lebhaft gelb ge- färbter Bläschen oder '[röpfchen von kaum messbarer Grösse bis zu 3 p Durchmesser, in welchen wir dieselben Excretbläschen vor uns haben, welche auch in den Nephridien, in den Blutscheiben, in den Körnern der Sinneshügel, in dem Darme, sowie in dem Peritoneum vorkommen, und über deren allgemeine Bedeutung der physiologische Theil dieser Schrift zu vergleichen ist. Es sind hauptsächlich diese Excretbläschen, welchen das Nervensystem seine gelbe Färbung verdankt. Zerzupft man ein frisches Ganglion, so treten Portionen jener einer eigenen Mem- bran durchaus entbehrenden Zellen als verschieden grosse Tropfen aus dem Neurilemmafach- werke aus, und man überzeugt sich so am besten von deren ausserordentlich geringer Con- sistenz. Das Plasma dieser Tropfen ist homogen, von geringem Lichtbrechungsvermögen, aus- nahmsweise gelb gefärbt und von so geringer Dichte, dass zufällig in dasselbe gerathene Excretbläschen wie in einem Wassertropfen ihre Molecularbewegung ausführen. Zusatz von Gerinnung bewirkenden Reagentien, wie z. B. von Essigsäure, hat denn auch hier, gegenüber anderen Geweben, nur eine sehr schwache 'Trübung zur Folge; immerhin bewirkt der Einfluss solcher Reagentien die Bildung scharfer Contouren, einzelne Excretbläschen verfärben sich und dichter granulirte, scharf doppelt contourirte Kerne kommen zum Vorschein. Es ist dem bedeutenden Wassergehalte der Nervenzellsubstanz zuzuschreiben, dass wir durch die üb- lichen Schnittmethoden so häufig nur eine unvollkommene Vorstellung von der Beschaffenheit dieser Zellen erhalten. Nur die Neurilemmafächer und die Kerne pflegen deutlich wahr- nehmbar zu sein, an Stelle der Zellenleiber dagegen finden sich Vacuolen und sporadische Plasmaansammlungen ’P). In besonders gelungenen Präparaten freilich kommen auch Zellen mit allen ihren Fortsätzen erhalten vor‘) und zwar vorwiegend bei Dasybranchus‘), dessen Nervenelemente viel substanzreicher sind als diejenigen von Notomastus. Auch die Macerationsmethode stösst auf grosse Schwierigkeiten, indem sich zu der Aufgabe der Zellenerhaltung die weitere gesellt: das viel resistentere Neurilemmafachwerk a) Taf. 9. Fig. 1. Taf. 33. Fig. 3. b) Taf. 9. Fig. 7. 8. e) Taf. 9. Fig. 3.4. 11. d) Vergl. Taf. 21. Fig. 1. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. b. Der Bauchstrang. ; > )e zum Weichen zu bringen; gleichwohl habe ich hauptsächlich durch diese Methode und zwar ebenfalls in höherem Maasse bei Dasybranchus — dessen Verhalten daher hier zum besseren Verständnisse theilweise gleich mitberücksichtigt werden soll — Aufschlüsse über den feineren Bau der Ganglienzellen‘®) gewonnen. Ihre Form ist sehr verschieden; die Mehr- zahl indessen, und zwar vorwiegend die grösseren, in den Ganglien peripherisch gelegenen, sind birnförmig. Auch in diesem isolirten Zustande kann man sich bei den aus Notomastus stammenden Zellen von der Zartheit ihrer Substanz überzeugen, wogegen sich bei denjenigen aus Dasybranchus das Plasma gewöhnlich von zahlreichen Körnchen durchsetzt erweist. Die Grösse der gewöhnlichen Ganglienzellen schwankt in beträchtlich weiten Grenzen: bei Noto- mastus zwischen 4 und 14 p, bei Dasybranchus (wie sich aus einem Blick auf die entsprechenden, unter gleicher Vergrösserung gezeichneten Figuren ohne Weiteres ergibt) noch beträchtlicher. Die Kerne erscheinen stets als Bläschen mit deutlicher Hülle; in den grossen Zellen haben sie jenes für die Ganglienelemente so charakteristische, helle Ansehen, in kleineren erscheinen sie mehr granulirt, indem sich zu dem Nucleolus noch eine Anzahl kleinerer Körnchen ge- sell. Zuweilen trifft man zwei Nucleoli in einem Kerne, und auch letztere selbst können in der Mehrzahl in einer und derselben Zelle auftreten. Die Grösse der Kerne nimmt nicht proportional mit derjenigen der Zellen ab, so dass also kleinere Zellen relativ grössere Kerne haben. Die nachfolgenden Maasse dreier aus demselben Ganglienknoten stammender Zellen, sowie ihrer Kerne mögen dies als Beispiel erläutern: erste Zelle Durchmesser 56 p, Kern 12 x; zweite Zelle 18 p, Kern 8 u; dritte Zelle 12 x, Kern 6 p. Man sieht, in der dritten Zelle erreicht der Kern die halbe Grösse der zugehörigen Zelle, in der ersten dagegen, einer der Riesenzellen, auf welche ich weiterhin noch zu sprechen kommen werde, erreicht derselbe nur ungefähr ein Fünftel des Zeilendurchmessers. Die Ganglienzellen sind wohl ausnahmslos mit Fortsätzen versehen; denn bei den in den Präparaten ohne Fortsätze auf- tretenden kann man sich häufig an den kurzen Stümpfen noch davon‘ überzeugen, dass die Fortsätze abgerissen sind. Selbst bei den sog. unipolaren bleibt es zweifelhaft, ob wir es nicht mit verstümmelten Exemplaren zu thun haben, da häufig erst von dem ziemlich langen, einfachen Fortsatze, oder von dem spitzen Pole der Zelle ein zweiter Fortsatz sich abzweigt. Die Mehrzahl aller Zellen ist sicherlich multipolar. Wie aus den eitirten Figuren hervorgeht, sind die Fortsätze sehr verschiedenen Durchmessers: bald die feinsten Fibrillen der Connective kaum an Dicke erreichend, bald (und zwar insbesondere die vom Zellenplasma entspringenden) zu erheblichem Umfange anschwellend. Häufig treffen wir im Ver- laufe derselben spindelförmige oder rundliche Anschwellungen, welche zum Theil nur Varicosi- täten, zum Theil aber auch sehr kleine Individuen jener Nervenelemente darstellen, deren weiterhin noch als »Körner« ausführlicher zu gedenken sein wird. Neben den mehr aus den Verjüngungen des Zellenleibes selbst sich herausbildenden Fortsätzen (Plasmafortsätzen) fallen in zahlreichen Zellen überaus feine Fäden auf, welche als solche in das Plasma eindringen und a) Taf. 9. Fig. 17; vergl. Taf. 21. Fig, 7. 8. 64 A. Anatomisch-Histologischer Theil. dem Kerne zustreben (Kermfortsätze). Einzelne besonders günstige Präparate machen es überaus wahrscheinlich, dass diese Fortsätze mit den Kernen in Verbindung treten. Neben den im Vorhergehenden geschilderten stossen wir zuweilen auf einzelne Zellen, welche im Ver- gleiche mit den normalen eine riesige Grösse erreichen; diese colossalen Zellen®) liegen ausnahmslos neural, meist in einer der Medianlinie parallelen Richtung; ihre grösste Axe kann aber auch rechtwinklig zu dieser Linie gerichtet stehen. Gegenüber den 10 x messenden Normalzellen misst z. B. die eben citirte Zelle 50 p, ihr Kern 12 p, ihr Kernkörperchen 3 p; also ihr Kern erreicht nahezu den Durchmesser der grössten Normalzellen, und doch ge- hört sie noch zu den kleineren Vertretern der Riesenzellen. Erwähnenswerth ist, dass diese Zellen zuweilen auch in den Connectiven®) — ebenfalls meist in median neuraler Lage — ange- troffen werden. Sie pflegen dann überaus reich mit Fortsätzen ausgerüstet zu sein und ein vorzügliches Object für das Studium der in die Fibrillen des Nervenmarks übergehenden Fort- sätze abzugeben. Neben diesen Riesen fehlt es auch nicht an Zwergen‘). Es sind die cen- tralen Partien der Ganglien, in denen wir bald zerstreut, bald zu Nestern gehäuft, rundliche oder birnförmige Elemente antreffen, welche an Grösse kaum die Kerme mittlerer Ganglien- zellen übertreffen, ja oft hinter denselben zurückbleiben, indem sie nur 3—5 p messen. An den meisten gelingt es einen oder mehrere Fortsätze nachzuweisen, ich glaube aber, dass die- selben durchweg multipolar sind, und dass die der Fortsätze entbehrenden oder nur mit Einem solchen ausgerüsteten bei der Präparation verstümmelt wurden. Ihr Plasma ist überaus zart und vergänglich; selten werden, abgesehen von einem constant vorhandenen dichteren Korne, Einlagerungen wahrgenommen. Aussen sind sie. wie die grösseren Ganglienelemente mit den gelben Bläschen oder 'I[röpfehen (Excretbläschen) besetzt. Diese kleinsten Ganglien- elemente, welche durchaus mit denjenigen übereinstimmen, welche die Ganglien der Sinnes- hügel aufbauen, halte ich für Kerme, welche der eigenen Zellsubstanz entbehren, für Gebilde, welche in jene Kategorie nervöser Bestandtheile gehören, die man bei den höheren Thieren mit dem Namen Körner belegt hat. Die Nervenfasern oder besser die Nervenfibrillen@) — da wir es bei unseren Thieren stets mit solchen zu thun haben — lassen sich schon am frischen Präparate als längs oder quer verlaufende Züge erkennen. Einen genaueren Einblick in Structur und Verhalten der- selben gewinnen wir aber erst aus Macerations- und Schnittpräparaten. Die Dicke dieser Fibrillen schwankt vom Unmessbaren bis zu 1 px; es gelang mir einzelne Stämmchen bis zu einer Länge von 200 » zu isoliren ©); sie zeigen meist ein gleichmässig fadenartiges Ansehen, können aber auch wellig verlaufen, oder durch eingeschobene Kerne sowie Kömer unter- brochen werden. Solche Stämmchen geben reichlich Seitenzweige ab, welche sich ihrerseits wieder unter wachsender Abnahme des Dickendurchmessers weiter verzweigen, um schliesslich mit benachbarten Asten anderer Stämmchen in Verbindung zu treten. Zahlreiche Excret- a) Taf. 9. Fig. 12. b) Taf. 9. Fig. 16. c) Taf. 9. Fig. 17. d) Taf. 9. Fig. 1. 17; vergl. Taf. 21. Fie. 8. e) Taf. 9. Fig. 174. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. b. Der Bauchstrang. 65 bläschen sitzen auch diesen Elementen des Nervensystems auf. Während dieses »gestreckte« Verhalten hauptsächlich den durchgehenden Fasern eigenthümlich ist, treffen wir bei der Hauptmasse des Nervenmarks die Fibrillen nach den verschiedensten Richtungen hin ent- wickelt. Da kann sodann von Stämmchen oder Fäden keine Rede mehr sein; es tritt uns anstatt solcher, sowohl in den durch Maceration isolirten, als auch in den Schnittpräparaten, ein Maschengewebe entgegen ®), Fibrillen, die sich nach allen Richtungen hin verzweigen, mit einander verbinden und so nach Art eines Schwammgerüstes Räume von 2—6 px Durch- messer einschliessen. Auch auf diesen Fasern liegen stellenweise Excretbläschen zerstreut, welche aber in den Schnitten, da sie ihre Farbe verloren haben, leicht mit den ebenfalls als kleinste Pünktchen erscheinenden Fibrillenquerschnitten verwechselt werden können. Die Maschenräume pflegen entweder von Flüssigkeit (Plasma) oder von den bereits beschriebenen Körnern ausgefüllt zu sein. Diese Körner sind hier ganz besonders vergänglich und werden da- her nur in den gelungensten Präparaten als solche wahrgenommen, während im anderen Falle lediglich eine unbestimmte Punktmasse das Gerüstwerk der ihrerseits überaus resistenten und der Tinction grossen Widerstand leistenden Fibrillen ausfüllt. Es sind hauptsächlich diese Zerfallproducte der Körner, welche das Verständniss des feineren Aufbaus des Nervenmarks aller Wirbellosen und so auch der uns beschäftigenden Thiere erschwert haben. Sie, im Ver- eine mit den Excretbläschen und den optisch als Pünktchen erscheinenden Querschnitten der Fibrillen, spiegelten eine undefinirbare, mit Fasern vermengte Punktmasse vor: daher der zu- erst von Levis eingeführte und in der Literatur leider so verbreitete Name »fibrilläre Punkt- substanz«*), ein Begriff, der jede Vorstellung eines organischen Zusammenhanges der Theile ausschliesst. Und doch ist in Wahrheit ein solcher Zusammenhang in den beiden allein wirklich gegebenen Elementen: den Fibrillen einer- und den Zellen sowie Körnern anderer- seits so leicht zu constatiren. Aus den durch Maceration gewonnenen Präparaten geht mit Sicherheit hervor: der Zusammenhang der Ganglienzellen oder wenigstens eines 'Theiles der Ganglienzellen unter sich), ferner der Zusammenhang von Ganglienzellen und Nervenfibrillen®), sowie auch der Zusammenhang von Ganglienzellen und Körnern ®); weiter wird durch sie be- wiesen: ein überaus reichliches Anastomosiren der Fibrillen, sowohl unter sich, als auch mit den Fortsätzen der Körner®; und endlich geht aus ihnen hervor: eine zuweilen directe gegen- seitige Verbindung der Körner. Damit ist allgemein die Möglichkeit eines unmittelbaren und mittelbaren Zusammenhanges zwischen allen das Nervensystem aufbauenden Elementen statuirt. Wenn es aber verhältnissmässig leicht ist, sich von dieser elementaren Continuität zu überzeugen, so stehen wir vor einer um so schwierigeren Aufgabe, sobald es sich darum handelt, Klarheit über das Verhalten dieser combinirten Elemente im Aufbau eines ge- a) Taf. 9. Fig. 174, Fig. 3—16. b) Vergl. Taf. 21. Fig. 7. c) Vergl. Taf. 21. Fig. 8. d) Vergl. Taf. 21. Fig. 7. e) Taf. 9. Fig. 17; vergl. Taf. 21. Fig. 8. *) Ich werde mich für die centrale, von Körnern durchsetzte Fasermasse fortan des Namens »Nervenmark« oder »Marksubstanz« bedienen, ihr gegenüber steht dann, wenigstens in den Ganglien, die vorwiegend zellige »Rindensubstanz«. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. g 66 A. Anatomisch-Histologischer Theil. gebenen Abschnittes des Systems, oder über deren überaus complieirte Gesammtbeziehungen innerhalb dem Systeme zu schaffen. Es sind denn auch nur wenige bruchstückartige Erfahrungen, die ich in dieser Hinsicht aus Schnittserien zu gewinnen vermochte. Die Markmasse der oberen Schlundganglien zieht, so weit sie sich nicht an den vom Gehirne ausgehenden Sinnesnerven betheiligt, jederseits als Schlundringeommissur zum ventralen Schlundganglion *), um hier den Anfang des Faserstranges zu bilden, welcher als Mark die ganze nachfolgende Bauchkette durchsetzt. Imwiefern diesem reichlich Körner enthalten- den Markkerne des hämalen Gehimabschnittes Selbständigkeit zukommt, vermag ich nicht anzugeben: sicher ist aber, dass ein grosser Theil seiner Elemente Ausläufer der diesen Mark- kern wie eine Haube umgebenden Ganglienzellen darstellt). Wir haben also in den das ganze System durchsetzenden Fasersträngen dasjenige Glied vor uns, welches die Continuität zwischen dem die vormehmsten Sinnesorgane tragenden Gehirnabschnitte einer- und der Bauch- kette andrerseits vermittelt. An frontalen, je mehrere Segmente umfassenden Längsschnitten lässt sich diese Continuität für jeden beliebigen Körpertheil feststellen: man sieht nämlich einen Theil der Fasern in gestrecktem Verlaufe Ganglien und Connective durchsetzen»). Wie wir weiterhin finden werden, ist es auch vorwiegend dieser Faserstrang, welcher das Material für die von den Ganglienknoten ausgehenden Spinalnerven liefert, und dem gegenüber ent- steht die Frage, wieso sich diese (aus dem Gehirn stammende) Markmasse nicht schon im Verlaufe von wenigen Segmenten erschöpft, von wo aus eventuell Ersatz geleistet wird. Es ist ein Theil und zwar der grössere Theil der die Ganglienknoten zusammensetzenden Zellen, welcher in ähnlicher Weise seine Fortsätze in das Mark hinein sendet, wie dies von Seiten der die oberen Schlundganglien umgebenden Zellen geschieht. Hauptsächlich die zwischen den abgehenden Spinalnerven gelegenen Zellenpartien sind es, welche mit ihren Ausläufern das Mark verstärken ©; die neural-medianen entsenden die Fortsätze dorsal, und von den seit- lich gelegenen Zellengruppen ziehen die Fortsätze der hämalen ventralwärts und die Fort- sätze der neuralen umgekehrt dorsalwärts, so dass; also eine Kreuzung dieser in das Mark einstrahlenden Fibrillen zu Stande kommt. Wir haben nach alledem in dem Marke eines gegebenen Ganglions oder Connectivs der Bauchkette nicht nur Faserelemente des Gehirn-Schlundringes vor uns, sondern auch solche aus den vorhergehenden Ganglienknoten, sowie endlich auch solche aus dem Ganglienknoten des betreffenden Segments selbst. Welcher Antheil freilich jeder dieser drei Quellen von Faserelementen in je einem Segmente zukommt, ob das Verhältniss der Antheilnahme den ganzen Körper hindurch überhaupt sich gleich bleibt, darüber gestatten uns so elementare Er- fahrungen auch nicht einmal Vermuthungen auszusprechen. Die Seitennerven oder Spinalnerven erhalten, wie schon hervorgehoben wurde, den a) Taf. 6. Fig. 21. b) Taf. 9. Fig. 1. 2. 10. e) Taf. 9. Fig. 4. *) Da bezüglich der hier zur Sprache kommenden Fragen das ventrale Schlundganglion von den folgenden Ganglien keine Abweichungen darbietet, so wurde es mit in die Schilderung dieser Ganglien einbegriflen. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. b. Der Bauchstrang. 67 grössten Theil ihrer Fibrillen direct aus dem Marke und zwar in drei ziemlich scharf geson- derten Zügen ®). Zwei dieser Züge entspringen hämal und verlaufen bogenförmig, der eine nach der linken, der andere nach der rechten Seite gerichtet; der dritte /ug entspringt central und seine Fasern streichen geraden Verlaufes in die beiderseits abgehenden Nerven hinein. Ausserdem erhalten aber die Seitennerven auch Fasern direct aus den Ganglienzellen des bezüglichen Segments und zwar von denjenigen Zellenpacketen, die auf der Höhe der ab- gehenden Nerven gelegen sind. Am leichtesten lässt sich diese Versorgung für die neural seitlich angeordneten Haufen constatiren ®), da sie ihre Faserbündel direet in die auf derselben Seite abgehenden Spinalnerven entsenden; schwerer für die hämal seitlich angeordneten, da ihre Fasern nicht den Nerven derselben Seite, sondern denjenigen der entgegengesetzten zu- gerichtet verlaufen. Diese Anordnung zeigt, dass die Spinalnerven eines gegebenen Segments sowohl Elemente aus den vorhergehenden Partien des Bauchstranges, als auch solche aus dem, dem eigenen Segmente zukommenden Ganglienknoten enthalten, und für die letzteren ist überdies noch die Thatsache hervorzuheben, dass rechts abgehende Nerven wahrscheinlich Fasern aus links gelegenen Ganglienzellenhaufen und links abgehende Nerven solche aus rechts gelegenen zugetheilt erhalten. Ich habe nun noch jener merkwürdigen Gebilde des Centralnervensystems zu gedenken, welche nebst den Lumbriciden gerade bei unseren Thieren zuerst die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen haben: nämlich der sog. riesigen Nervenfasern Leyvıc’s, der grosses fibres tubulaires UrLarareDEs, der Neuralröhren SpexGers, oder der Neuro- chorde, wie ich sie mit VEspovsky nennen werde. Meine Ansicht über die Bedeutung dieser vielfach erwähnten und vielfach gedeuteten "Theile kann erst, nachdem wir ihr bei den ver- schiedenen Capitellidengattungen für das Verständniss sich ergänzendes Verhalten kennen ge- lernt haben werden, zur Darstellung gelangen; ich verweise daher in dieser Beziehung auf den morphologischen Theil dieses Buches), indem ich mich an diesem Orte darauf beschränke, ganz objectiv das Verhalten der Neurochorde bei den Arten des Genus Notomastus zu be- schreiben. Schon an frisch zur Untersuchung gelangenden Stücken des Bauchstranges®, fällt, meist in der hämalen Mittellinie, ein in seiner Breite stark variirender, ja stellenweise dem Auge verschwindender und erst weiterhin wieder auftauchender heller Streif auf, der, von zarten Contouren umgeben, ganz den Eindruck eines mit einer wasserähnlichen Flüssigkeit gefüllten Schlauches macht. Lässt man Coagulation hervorrufende Medien einwirken, so ent- stehen innerhalb dieser Flüssigkeit spärliche, flockige Niederschläge und einzelne gröbere Körnchen gerathen in Molecularbewegung. In den Schnitten) zeigt sich das Lumen dieses Rohres in den meisten Fällen leer; nur selten stösst man auf ein überaus feinkörniges Coagulum, welches aber auch dann nur einen Bruchtheil der Röhrenlichtung ausfüllt. An a) Taf. 9. Fig. 7. 8. beat. 92 Eig: 9% e) Taf. 9. Fig. 1. Ned. d) Taf. 9. Fig. 4. 5. Fig. 10—15. Ned. #) Vergl. Morphologischer Theil, Kapitel Centrales Nervensystem. 9” 68 A. Anatomisch-Histologischer Theil. solchen Präparaten erkennt man auch, dass die Röhrenwandung keineswegs, wie das frische Object vorspiegelt, eine structurlose Membran darstellt, indem zahlreiche Kerne in ihr zer- streut liegen 2). Diese Kerne, sowie das zur Schichtung neigende Gefüge der Membran er- innern durchaus an die entsprechenden Theile des inneren Neurilemmas, und dass dies keine zufällige Ähnlichkeit ist, geht daraus hervor, dass wir an manchen Präparaten die Röhren ganz continuirlich in Fortsätze dieses inneren Neurilemmas übergehen®) sehen, ja häufig sie kaum von Lücken desselben unterscheiden können. Stellenweise sendet auch die Röhren wandung ebensolche verästelte Fortsätze in das Röhrenlumen, wie solche vom Neurilemma aus in das Nervenmark hineinzustrahlen pflegen ©. Die Dicke der Wandungen wächst im Allgemeinen mit dem Röhrenquerschnitte; aber nicht selten treffen wir auch in den verschie- denen Regionen desselben Individuums weite Canalstrecken absolut dünner bewandet als engere. Zahl, Grösse, sowie Form und Lagerung der auf einem, Querschnitte erscheinenden Röhren wechseln sehr in den verschiedenen Körperregionen, wie das durch Fig. 11—16. Taf. 9, welche alle aus einer durch das Abdomen eines Not. Benedeni-Individuums geführten Schnittserie stammen, auffällig demonstrirt wird. In Fig. 11 aus dem Abdomenanfange hat der Schnitt drei ziemlich weit voneinander abstehende, im Mark eingebettet liegende Röhren von sehr geringem Durchmesser getroffen; in Fig. 12 aus der Mitte des Abdomens ist nur noch eine einzige hämal gelegene, sehr geräumige Röhre vorhanden; in Fig. 13 aus der- selben Region, etwa ein viertel Millimeter weiter hinten, zeigt dieselbe Röhre ein noch grösseres Lumen; in Fig. 14 aus dem Anfange des letzten Drittels des Abdomens treten wieder an Stelle der einen Faser Querschnitte von vier solchen auf, welch’ letztere in ihrem Gesammtlumen etwa dem der Fig. 13 gleichkommen, und in Fig. 15 endlich, aus dem Schwanzende, sehen wir wieder nur zwei Fasern von sehr geringem Durchmesser, welche ähn- lich wie diejenigen der Fig. Il im Marke eingebettet liegen. Ich habe von demselben Thiere auch den Thorax in eine Serie von Schnitten zerlegt und gefunden, dass sich die Röhren da in Bezug auf die Schwankungen in Form, Grösse, Zahl und Lagerung durchaus wie im Abdomen verhalten, so dass also das für das letztere allein durch Figuren Belegte auf die ganze Bauchganglienkette ausgedehnt werden kann. Dieses Verhalten führt nun zu dem Schlusse, dass sich die Röhren oder Fasern des Neurochords innerhalb ihres Verlaufes in Äste zu zerspalten vermögen, sowie, dass auch umgekehrt diese Aeste wieder verschmelzen können. Die ersten Spuren der Röhren trifft man gewöhnlich im unteren Schlundganglion, sie enden da fein zugespitzt; zuweilen gelingt es sogar, diese Spitzen unter Gabelung in die Schlund- ringcommissuren eindringen zu sehen; ebenso fein auslaufend werden sie im nachwachsenden Schwanzende getroffen. Die 'Thatsache, dass ich in T'hieren mit überaus stark entwickeltem Neurochord letzteres häufig auf ziemlich weite Strecken hin verschwinden sah, spricht dafür, dass wir es wenigstens in vielen Fällen nicht mit einem continuirlichen, durch das ganze System sich erstreckenden, sondern mit einem eventuell in der Mehrzahl auftretenden Gebilde a) Taf. 9. Fig. 5—10. Ned. b), Taf. 9. Fig. 5. Nea. ec) Taf. 9. Fig. 10. Ned. I. Notomastus. 5. Centrales Nervensystem. b. Der Bauchstrang. 69 zu thun haben — wenn man nicht die Sache so auffassen muss, dass in den betreffenden Strecken des Bauchstranges erst nachträglich die auch hier vielleicht ursprünglich vorhandene Continuität in Folge eines unbekannten Vorganges unterbrochen wurde. Ein von dem bisher geschilderten abweichendes Verhalten zeigt der Bauchstrang in dem Schwanzende, welches als nachwachsende Region zeitlebens in allen seinen Theilen einen embryonalen Charakter bewahrt. Für eine genauere Darstellung insbesondere des topo- graphischen Verhaltens, sowie des Verschmelzens von Bauchstrang und Haut ist Dasybranchus viel besser geeignet, weshalb ich in Bezug auf diese Fragen auf die Beschreibung des Nerven- systems jener Gattung verweise”); hier will ich nur betonen, dass die Zellen der Ganglien in dem Maasse, als man sich dem Körperende nähert, undeutlicher werden und zuletzt kaum mehr unterschieden werden können, wogegen die dicht aneinandergedrängten Kerne kaum von den- jenigen der vorhergehenden Ganglien abweichen; dass ferner auch das Mark ein viel com- pacteres Ansehen darbietet, indem es weder in den Fibrillen, noch in dem Neurilemma zu so zahlreichen Verästelungen kommt, wie in den älteren Partien des Organs ?). Es bleiben noch die Spinalnerven zu betrachten übrig. Ihres Ursprungs aus den Ganglien wurde bereits gedacht. In ihrer Structur stimmen sie im Wesentlichen mit den Bauchstrangconnectiven überein; höchstens ist zu erwähnen, dass der Verlauf der Fibrillen ein viel gestreckterer ist, dass Körner nur sehr spärlich zerstreut angetroffen werden, dass dagegen viele Kerne in den Verlauf der Fibrillen eingeschaltet vorkommen. Ihr Neurilemma steht in continuirlichem Zusammenhange mit demjenigen des Bauchstranges; sie behalten es auch während ihres Verlaufes zwischen der Muskulatur, resp. zwischen Muskulatur und Haut. Die Spinalnerven senken sich nämlich nach ganz kurzem Verlaufe in der Leibeshöhle in die Muskulatur ein. Ein Paar in jedem Segmente durchbohrt sowohl die Längs- als die Ring- muskulatur und biegt noch ganz in der Nähe der Bauchfläche in scharfem Bogen um, so dass es im weiteren, nach dem Rücken zu gerichteten Verlaufe zwischen Haut und Muscularis zu liegen kommt. Hiervon kann man sich besonders leicht in der Abdominalregion über- zeugen, da hier das entsprechende Nervenpaar in der den Hakenwülsten und Hakentaschen zugehörigen Höhle aufsteigt®). Dieses Paar gibt zunächst Zweige an die Haut ab, weiterhin theilen sich die Stämme selbst und der eine Ast geht zur Kieme, der andere zu den Seiten- organen ®). Dieses Nervenpaar führt demnach zweifellos in erster Linie sensible Fasern. Die anderen drei Paare durchbrechen — und zwar ebenfalls im Bereiche der neuralen Fläche — nur die Längsmuskulatur, sodann biegen auch sie scharf um und verlaufen zwischen Ring- und Längsmuskulatur gegen den Rücken. Zahlreiche Äste werden in diesem Verlaufe an die Muskulatur abgegeben; einzelne dieser Äste durchbrechen aber die Muskulatur und endigen in der Haut; besonders constant wird ein solcher die Haut versorgender Ast nahe der neuralen Medianlinie angetroffen. Diese Paare enthalten demnach gemischte Fasern, wobei jedoch den a) Taf. 9. Fig. 15. b) Taf. 10. Fig. 1. Sp. N. e) Taf. 10. Fig. 1. 3. S. N. a) Vergl. Dasybranchus, Kapitel Centrales Nervensystem. 70 ; A. Anatomisch-Histologischer Theil. motorischen die weitaus überwiegende Zahl zukommen wird. Über den Verlauf der von den Bauchstrangeonnectiven abgehenden Seitennerven bin ich leider im Unklaren geblieben. 6. Sinnesorgane. Als solche kommen erstens in Betracht die sog. Pigmentflecke oder Augen; zweitens die hinsichtlich ihrer specifischen Function zwar noch nicht ganz aufgeklärten, aber doch nur als Vermittler einer Sinnesempfindung physiologisch verständlichen Wimperorgane; drittens die Seitenorgane, und viertens endlich die becherförmigen Organe. a. Die Augen. Die Augen‘) stellen sich am frischen Thiere in Form zweier, seitlich im Bereiche der Kopflappenbasis gelegener, länglicher, roth bis rothbraun gefärbter Pigmentstreifen dar. Die Pigmentkörner leuchten so stark hervor, dass man sie eher für über als für unter der Haut gelegen zu halten geneigt ist, und doch überzeugen Schnitte auf’s Unzweifelhafteste, dass nicht nur die Cuticula, sondern auch die Hypodermschicht von dieser Pigmentirung ausgeschlossen bleibt, indem die pigmentführenden Theile ausschliesslich dem Gehirne und zwar demjenigen Abschnitte, welcher als Augenlappen unterschieden wurde, angehören®). Übrigens ist es schwer, gerade da, wo die lichtpercipirenden Organe sich befinden, zu bestimmen, wo die Hypodermelemente aufhören und die Gehirnelemente anfangen, indem, wie dies schon ge- legentlich der Beschreibung des Gehirns hervorgehoben wurde, die Zellen des Augenlappens ganz allmählich, ohne irgend welche nachweisbare Grenze mit den Zellen der Hypodermis verschmelzen. Nicht nur von der Stammesmuskulatur, sondern auch von dem bis dahin, einerseits die Gehirnkammer und andererseits das Gehirn überziehenden Peritoneum ist an der betreffenden Stelle keine Spur mehr zu entdecken ©). Die Cuticula ist in der Augenregion etwas gewölbt, im Übrigen zeigt sie keine Unter- schiede von der gleichnamigen, den übrigen Leib überziehenden Schicht, in welche sie auch ganz continuirlich übergeht. Unter der Cuticula begegnen uns zunächst Hypodermelemente und zwar ausschliesslich solche, welche wir als Fadenzellen kennen gelernt haben; die Haut- drüsenzellen fehlen gänzlich. Diese Fadenzellen rücken stellenweise nahe und zwar palli- sadenartig regelmässig aneinander @). Hierauf folgt eine Schicht sehr eigenthümlich geformter Körper: dieselben zeigen sich nämlich auf einer Seite pantoffelförmig ausgehöhlt, mit dem einen Pole spitz, mit dem anderen meist abgestumpft endigend®). Der spitze Pol ist gegen die Haut, der entgegengesetzte ist gegen den Augenlappen gerichtet; mit Bezug auf die dorso- ventrale Medianebene des Thieres sind sie so angeordnet, dass ihre Längsaxen mit jener Ebene al Def. 2, 815.087010212% Tarı6: Fig. 18. 4. b), Tat 9% E123218.2.19. e) Tat. 9. Big. 18. ıC. aemars 97 Big. 185192 ZERRE Z e) Taf. 9. Fig. 18—21. Lbr. Z. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. b. Die Wimperorgane. zu Winkel von etwa 45° bilden. Der vordere Abschnitt dieser pantoffelförmigen Körper ist durchaus homogen, glashell und stark lichtbrechend, der hintere ist meist vollständig von Pigmentkörnern ausgefüllt; die beiden Pole pflegen nicht selten in fadenartige Fortsätze aus- zulaufen, auch lässt sich zuweilen ein Kern erkennen, welches Gebilde dann aber meist wie degenerirt erscheint. Diese Körper dienen in ihren vorderen Abschnitten offenbar zur Brechung des Lichtes (weshalb ich sie lichtbrechende Zellen nenne) und übernehmen in ihren hinteren Abschnitten zugleich die Rolle einer Choroidea. Woher sie stammen: ob sie der Hypodermis, oder dem Augenlappen zugerechnet werden müssen, ist schwer zu entscheiden: sie lassen sich zwar ohne Weiteres als modificirte Zellen erkennen, aber diese Modification konnte ebensowohl Hypoderm- wie Ganglienelemente treffen, um so mehr, als noch tief im Augenlappen reichlich pigmentirte Ganglienzellen vorhanden zu sein pflegen ®). Übrigens ist die Frage insofern nicht von grossem Belange, als ja eine scharfe Grenze zwischen Haut- und Gehirnelementen an diesem Orte überhaupt nicht existirt. an Die lichtbrechenden Zellen liegen förmlich zwischen den Elementen . . . Haulfadenzelle des Augenlappens eingebettet. Letztere bestehen vorwiegend aus sehr kleinen Ganglienzellen und Körnern, können aber stellenweise auch grössere Zellen tl... Zrchtbrechende aufweisen, welche sodann zum Theile ebenfalls pigmenthaltig zu sein pflegen. a zur Was nun den Zusammenhang der eben beschriebenen Elemente betrifft, so & hat sich aus dem Studium von Schnitt- und Macerationspräparaten Folgendes v ergeben: die mit ihren stäbchenförmigen Köpfen distal auf’s Innigste der \ Cuticula anliegenden Fadenzellen umfassen mit ihren fadenförmigen Aus- N läufern zu je zwei oder drei die lichtbrechenden Zellen®); letztere wiederum \ BR: treten allem Anscheine nach — es ist mir nicht gelungen den Zusammen- KON . hang durch Isolirung der betreffenden Zellen über allen Zweifel sicher zu N / stellen — vermittelst ihrer basalen Ausläufer mit Fortsätzen der Ganglien- zellen und Körner in Verbindung, so dass also auf diese Weise zwischen Schema zur Demonstra- dem als Cornea fungirenden Cuticulaabschnitte einer- und den percipirenden Nor desZusanmenhange: der lichtbrechenden und lichtpereipirenden Ele- Nervenelementen andererseits eine continuirliche Leitung hergestellt wäre mente des Notomastus- auges, (vergl. nebenstehenden Holzschnitt'. b. Die Wimperorgane. Alle darauf untersuchten Capitelliden haben auf der Grenze des Kopflappens und des Mundsegments hämal-seitlich gelegen ein Paar (Querspalten, aus denen zeitweise ein dicht mit Wimpern besetztes und von tiefen Furchen durchzogenes Organ tentakelartig hervorgestreckt werden kann“. Dieses Organ hat sehr dicke Wandungen und einen cen- tralen Hohlraum, welcher mit der Leibeshöhle in direkter Verbindung steht. Im einge- zogenen Zustande liegt es in Form einer Tasche seitlich vom Gehirn innerhalb der Leibes- a), Tat. 9.Big., 118.16. 2: bin Tat 92 Riga 212 ce) Taf. 2. Fig. 9° 16: 17. WO. 12 A. Anatomisch-Histologischer Theil. höhle resp. in der Wimperorgankammer?) und umschliesst nun einen Hohlraum, der direet mit der Aussenwelt communicirt. Man sieht: wir haben es mit einem Schlauche zu thun, welchen das 'T'hier handschuhfingerförmig aus- und einzustülpen vermag. Wie der Rüssel, so wird auch der zur 'lasche eingestülpte Schlauch durch den Druck des Hämo- Iymphstroms hervorgepresst, wogegen die Einstülpung desselben durch eine grosse An- zahl von rings um die Tasche befestigten — und im ausgestreckten Zustande natürlich in die Wimperorganhöhle zu liegen kommenden — Rückziehmuskeln®b) besorgt wird. Ist das Wimperorgan zur Tasche eingezogen, so erscheinen die bewimperten Erhebungen und Ver- tiefungen nahe zusammengedrängt, im ausgestülpten Zustande dagegen richten sich die Falten unter sehr regelmässiger radialer Anordnung auf, und in Folge dessen machen sich die Furchen als eben so regelmässig angeordnete Zwischenräume geltend. Diese Organe wurden bisher nur nebenbei erwähnt. So von KrreErsTEın !) bei Nofomastus rubicundus als kurze, lappige, stark wimpernde Fühler, welche wie die Tentakel einer Schnecke ausgestülpt und durch einen Muskel wieder zurückgestülpt werden. Von CLArArkpE?), der sie bei derselben Nofomastus-Art, aber im eingestülpten Zustande wahrgenommen hatte, als zwei hinter den Schlundganglien, der Rückenwand dicht anliegende, innerlich mit braunen, flimmernden Längswülsten versehene Taschen, welche auf der Rückenseite zwischen Kopflappen und Mundsegment auszumünden scheinen. Die Bedeutung dieser Organe, sagt ÜLAPAREDE, ist mir räthselhaft geblieben; nun aber finde ich, dass Prof. KeErerstein bei Capitella rubi- cunda zwei ausstülpbare Nackententakel beschreibt, die mit den erwähnten Organen offenbar zusammenfallen. CLAPAREDE>) hat sie dann noch bei den zwei von ihm in Port-Vendres entdeckten neuen Notomastus- Arten, dem Notomastus Sarsii und Benedeni aufgefunden und mit folgenden Worten beschrieben: »Les especes mediterraneennes sont pourvues, comme le Notomastus rubicundus (Capitella rubicunda Ker.) de St. Vaast la Hougue, de deux sacs retractiles sur la nuque. Je ne doute pas que ces sacs, susceptibles de se retourner et de saillir comme des tentacules, ne se retrouvent aussi chez l’espece norwegienne. Leur exi- stence devra done fournir ä lavenir un des caracteres essentiels du genre«. Ferner lernte sie ÜULAPAREDE während seines Aufenthaltes in Neapel bei Capitella capitata*) und Capitella Costana’) kennen. Von ersterer sagt er: »Le lobe eephalique presente la partieularıte de laisser surgir a sa base et de chaque cöte, comme chez les Notomastus, une paire d’organes vibratiles dont les eils engendrent de tres vifs tourbillons dans leau. Des que le ver est inquiete, ıl les retracte et on n’en voit plus aucune trace a l’exterieur. L’ouver- ture meme par laquelle l’organe est rentre s’efface aux regards. Mais lorsque l’Annelide est abandonnee en seeurite a elle m&me, elle &tale frequemment ses appareils rotatoires«. Ich selbst endlich habe das Vorhandensein der Wimperorgane für alle in dieser Monographie auf- geführten Formen constatiren können, so dass ihr Besitz fortan als Familiencharakter feststeht. Aus den vorhergehenden Citaten ergibt sich, dass sowohl Kererstein als auch Cra- PAREDE die uns beschäftigenden Organe für Körperanhänge hielten, wie sie ähnlich bei den verschiedensten 'Thieren vorkommen und unter dem Namen »Tentakel« als Organe unbe- stimmter Function zusammengefasst zu werden pflegen. Gegen eine solche Auffassung dieser Gebilde spricht aber ihr auffallendes Verhältniss zum Centralnervensystem. Bei Notomastus !ineatus, in welcher Art die Wimperorgane eine ausserordentliche Entwickelung erlangen (sie Tat. 6.Fi a g. 18—20. Taf. 7 u.8. W O. und W. O.K. b)Tare 27 Bir 12 Or yE Del pr ep 2) 1. p. 4, e. 9.27 —28 3)E ls pr 0..0.0praoil 4) 1. p. 8. c. p. 271—272 D)EIESp. 82 16:2p2 2716 - I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. b. Die Wimperorgane. 13 sind in ausgewachsenen 'T'hieren 0,7 mm lang und 0,3 mm breit), hängen sie mit dem Gehirne resp. den oberen Schlundganglien in einer so ausgedehnten und unmittelbaren Weise zu- sammen, dass das gegenseitige Verhältniss stark von dem unter dem gewöhnlichen Be- griffe »Innervation« vorgestellten abweicht. Fig. 17. Taf. 2 gibt ein Bild dieses Zusammenhanges, wie er sich bei der Betrachtung von der Bauchseite aus darstellt: man sieht das hintere Paar der oberen Schlundganglien fast continuirlich in die Wandungen der zu Taschen eingestülpten Organe übergehen. Fig. 16. Taf. 2 gibt eine Ansicht desselben Präparats vom Rücken aus; bei dieser Ansicht kommen die Taschen dem Beobachter zunächst zu liegen und ragen so weit herauf, dass sie das hintere Schlundganglienpaar fast vollständig bedecken. Im frischen Zustande sind die Wandungen der Wimperorgane, dank einer unter deren peritonealer Hülle gelegenen Muscularis, äusserst contractil. Auf ihrer inneren *) Seite haben diese Wandungen ein gelbliches, körniges, auffallend an dasjenige des frischen Oesophagus erinnern- des Ansehen, welche Uebereinstimmung durch das Vorhandensein der Cilien noch gesteigert wird. So kräftig ist der Schlag dieser letzteren, dass sie trotz ihrer durchaus nicht bedeuten- den Länge — sie messen 14—25 x — schon mit der Lupe wahrgenommen werden können. Ueber den feineren Aufbau lässt sich am frischen Objecte nichts erkennen; auch nach der üblichen Behandlung mit Essigsäure kann nicht viel mehr als eine kömige Zell- masse mit überall zerstreuten, überaus verschieden geformten kernartigen Gebilden zum Vor- schein gebracht werden. Erst durch geeignete Schnitte, sowie durch Maceration der Elemente erhält man einen Einblick in die complieirten Structurverhältnisse dieser eigenthümlichen Gebilde. Betrachten wir zunächst das, was sich an Schnitten?) erkennen lässt, indem wir des besseren Verständnisses halber auch Dasybranchus mit heranziehen. Die Wimperorgane sind aussen von einer Lage des Peritoneums bekleidet, welche von ganz ähnlichem Ansehen ist, wie es schon von verschiedenen anderen Organen beschrieben wurde. Unmittelbar unter dem Peritoneum liegt eine Schicht ringförmig gerichteter Muskelfasern. Auf diese folgt ein Netz sehr feiner, vielfach anastomosirender Nervenfasern, deren Verlauf stellenweise von kernartigen Anschwellungen unterbrochen wird; einzelne dieser Fasern nehmen eine gegen das Lumen des Organs aufsteigende Richtung, und aus ihnen entwickeln sich kräftigere Fäden, welche zunächst zu massiven, ziemlich homogenen und sich überaus tief tingirenden, spindel- oder kegelförmigen Gebilden anschwellen, um sodann entweder direkt oder durch Vermittelung eines anderen Fadenstückes in eine Schicht zarter, sich wenig färbender, bis zur Cuticula reichender Protoplasmakegel überzugehen. Die 1—2p dicke Cuticula ist von zahl- reichen Poren durchbohrt, durch welche die bereits beschriebenen Cilien mit den Proto- plasmaköpfen in Verbindung treten. Alle diese zwischen Peritoneum und Cuticula gelegenen Schichten bilden nun, abgesehen von der basalen Muskel- und Nervenfaserschicht, Glieder a) Tat. 11. Rio. 10. 116% vergl. Tat. 21. Fig. ) 2 2er *) Zur Orientirung sei bemerkt, dass ich, wenn von aussen oder innen die Rede ist, mir die Wimperorgane stets im eingestülpten Zustande vorstelle. Zool. Station z. Neapel, Faura und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 10 74 A. Anatomisch-Histologischer Theil. einer einzigen Zellenlage. Die Continuität der Fäden, Spindeln und Protoplasmaköpfe, also das Vorhandensein ähnlicher langgezogener Zellen, wie sie in kleinerem Maassstabe schon in der Haut und im Darme kennen gelernt und als Fadenzellen unterschieden wurden, lässt sich schon mit aller Bestimmtheit aus den von Schnitten herstammenden Figuren erkennen; aber von den weit über das einzelne Zellenindividuum hinausreichenden Anastomosen, von der grossen Mannigfaltigkeit der Zellenformen und endlich von dem Verhältnisse der Nerven zu den- selben geben erst die durch Isolirung der Elemente gewonnenen Präparate*) einen Begriff. Aus den citirten Figuren ergibt sich, dass die meisten dieser Zellen erstens aus einem langen, homogenen Faden bestehen, in welchen sich ein oder mehrere ebenfalls ziemlich homogene, überaus kräftig Farbstoffe aufnehmende, ovale oder spindelförmige Kerne einschieben, und zweitens aus einem keulen- oder lancettförmigen, durchaus jeder Membranbildung entbehren- den Protoplasmakopfe, in welchen der Faden continuirlich übergeht. Einzelne dieser Proto- plasmaköpfe entbehren der Kerne, andere weisen aber deren bald einen, bald mehrere auf, und zwar solche von gewöhnlicher, rundlicher Form. Die keulenförmigen Protoplasmaköpfe scheinen allein Wimpern zu tragen, die lancett- und sichelförmigen dienen wohl als Ersatz- oder als Schaltzellen zur Ausfüllung der Lücken, zu deren Entstehung die Keulenform der breit an die Cuticula herantretenden Wimperzellen Veranlassung gibt. Das Auffallendste ist aber, dass viele dieser Fäden nicht blos in einen solchen Protoplasmakopf übergehen, sondern in mehrere; bis vier Köpfe sah ich aus einem Faden entspringen, und zwar bald im Bereiche des Fadenkerns, bald im Bereiche des Fadenkopfes; umgekehrt sieht man auch häufig mehrere Fäden in einen Protoplasmakopf übergehen, und dann, kann entweder nur der Hauptfaden, oder aber deren jeder seine Kernanschwellung besitzen. Wenn es bei so eigenthümlichen Zellenformationen schon im einfachen Falle schwer ist die Individualität zu begrenzen, da wir häufig nicht nur in den Protoplasmaköpfen einen oder mehrere rundliche Kerne, sondern auch in den Fäden, in welche die Köpfe auslaufen, unzweifelhafte Kernge- bilde antreffen, so wächst diese Schwierigkeit angesichts jener vielgliedrigen Bildungen. Ich glaube aber nicht zu irren, wenn ich letztere als Producte eines Sprossungsprozesses auffasse, einerlei ob nun dieser Prozess als eine einmalige, embryologisch eingeleitete, oder aber als eine das ganze Leben hindurch andauernde Vermehrung der betreffenden Elemente aufge- fasst werden muss. Es möge nochmals darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Figuren, auf welche zur Illustrirung des Erwähnten verwiesen wurde, nur eine überaus unvollkommene Vorstellung von der Ueppigkeit dieser Sprossungsverhältnisse geben; einzelne besonders geglückte Präparate zeigen die Zellecomplexe so vielfach anastomosirend und ineinander- greifend, dass es mir gar nicht gelang, eine auch nur annähernd correcte Zeichnung davon anzufertigen; es ist sogar fraglich, ob auch nur eine einzige meiner Figuren eine intacte, selbständige Zelle oder Zellengruppe darstellt; mit anderen Worten: ich glaube, dass die gesammte Zellenmasse des Organs im innigsten, unauflösbaren gegenseitigen Verbande steht. a) Taf. 11. Fig. 17; vergl. Taf. 21. Fig. 14. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. b. Die Wimperorgane, 75 Zu alledem kommt nun noch die, wie an keiner anderen Stelle des Körpers reichliche Ner- venversorgung. Die drei dicken, aus den hinteren Lappen des Gehims entspringenden Nervenstränge bilden, nachdem sie das Peritoneum durchbohrt haben, eine förmliche Nerven- faserschicht, aus der massenhaft Fibrillen zu den Zellencomplexen hin ausstrahlen. Diese Fibrillen sind ebenfalls auf das Mannigfaltigste verzweigt und enthalten besonders an den Punkten gegenseitigen Anastomosirens zahlreiche Körner eingeschaltet®). An isolirten Zellen resp. Zellengruppen ’) lassen sich die Fibrillen basal meistens sofort an ihren Varicositäten er- kennen; weiterhin kann man aber häufig im Zweifel darüber bleiben, wo der Nerv aufhört und wo der Faden der Fadenzelle anfängt. Die Verbindung von Zelle und Nerv geschieht in verschiedener Weise: einzelne Fibrillen treten an die basalen Ausläufer der Zellenfäden, um hier anscheinend mit diesen Fäden zu verschmelzen, oder aber, um sich, scharf hervortretend, bis zum Kerne, ja bis zum Protoplasmakopf hinein fortzusetzen; andere treffen die Zellen erst in der Region des Fadenkerns, und auch in diesem letzteren Falle kann man häufig die betreffenden Fibrillen am Kerne vorbei bis in die Protoplasmaköpfe hinein verfolgen. In den Protoplasmaköpfen endigen die Nerven auf eine mir unbekannt gebliebene Weise in un- mittelbarer Nähe der Kerne; ein Eindringen in die Kerne selbst vermochte ich hier nicht zu constatiren, so häufig auch Bilder — in denen das Fibrillenende unter oder über den Kern zu liegen kam — dafür zu sprechen schienen. Auch im Bereiche der Zellenfäden kann häufig durch solche Täuschung ein Bild ent- stehen, als ob die zum Protoplasmakopf hinziehende Fibrille innerhalb des Fadens der Faden- zelle verliefe, ja ihren Fadenkern durchsetzte: ein Wenden des Präparats genügt aber, um zu zeigen, dass derartige Fibrillen nur in sehr inniger Nachbarschaft neben dem in solchen Fällen etwas breiteren Faden hinziehen. Unter den isolirten Fadenzellen fand ich auch solche, deren Fibrillen mit überaus zarten, blattartig dünnen, in Fortsätze auslaufenden Ganglienzellen in Verbindung standen ®); einzelne Fibrillen sah ich deutlich im Bereiche des Kerns dieser letzteren Zellen ihren Ur- sprung nehmen; andrerseits traten aber auch an anderen Punkten Fibrillen aus diesen Zellen. Aus diesen Befunden geht hervor, dass auch in den Wimperorganen, so wie in der Haut und in dem Darmkanal, die Fibrillen des zur Innervation bestimmten Nerven sich zunächst zu einem Ganglienzellenplexus begeben und erst von diesem aus die Versorgung der einzelnen Zellen stattfindet. Dass dieser Plexus in Folge seiner ganzen Configuration nicht wohl auf Schnitten zur Ansicht gebracht werden kann, wurde schon an anderer Stelle erläutert ®). Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass diese Schilderung des feineren Aufbaues der Wimperorgane nicht ausgedehnt werden darf auf jene, allerdings nur ganz kurze Strecke derselben, welche den Spalten, durch die sich die Organe hervorstülpen können, zunächst liegt; jene Strecke stimmt nämlich in ihren Structurverhältnissen durchaus mit denjenigen der Haut überein, verhält sich überhaupt ganz wie eine Einstülpung der betreffenden Hautstelle. a) Vergl. Taf. 21. Fig. 12. b) Taf. 11. Fig. 17; vergl. Taf. 21. Fig. 14. e) Vergl. Taf. 21. Fig. 14. a) Vergl. p. 26. 10* 76 A. Anatomisch-Histologischer Theil. c. Die Seitenorgane *. In seiner Beschreibung der Capitella rubicunda (Notomastus rubieundus) erwähnt KErFERSTEIN !), dass an allen Segmenten dieses 'Thieres, mit Ausnahme der kürzeren des Hinterendes, sich auf dem Rücken, zwischen dem dorsalen und ventralen Fussstummel, jederseits eine spaltförmige Oeffnung, begrenzt von zwei ziemlich weit vorragenden Lippen befinde und dass diese Oeffnung wahrscheinlich die äussere Mündung des Segmentalorgans darstelle. Auch CLArAREDE?), der dasselbe Thier kurz darauf ausführlicher beschreibt, betrachtet diese zwischen Rücken- und Bauch-Borstenreihe befindlichen, von zwei hervorragenden Lippen eingefassten Querspalten, aus denen — wie er hinzufügt — starre, lange, nicht flimmernde Wimpern hervorragen, als die äusseren Mündungen der Segmentalorgane. Durch das Studium des Notomastus Sarsü und des Notomastus Benedeni überzeugte sich indessen ÜCLAPAREDE>) späterhin, dass die fraglichen — wie er jetzt erkennt — auf elliptischen Hügeln angebrachten Querspalten, welche auf das Abdomen beschränkt sind, Nichts mit den Segmentalorganen zu thun haben, indem letztere an einem ganz anderen Orte nach aussen münden. Mit Bezug auf die Function der ersteren aber vermuthet er, dass sie entweder Oeffnungen zur Ausfuhr der Geschlechtsproducte, oder Rudimente der Dasybranchus-Kiemen darstellen. Bei Gelegenheit der Beschreibung des Notomastus lineatus endlich bezeichnet ULararkpE!) dieselben Gebilde als comprimirte, 0,17 mm breite Knöpfe, welche mit einem Walde zarter, jedoch starrer Borsten besetzt seien, ohne auf die Frage nach deren Function zurückzukommen. Notomastus lineatus soll ferner ausser diesen auf das Abdomen beschränkten Knöpfen an den letzten drei Thoraxsegmenten jederseits eine Oeffnung besitzen, ähnliche Oeffnungen oder Poren wie ÜLAPAREDE bei Capitella major?) an allen borstentragenden Thoraxsegmenten erkannt hatte. Dieselben Thoraxporen hatte aber schon Kerrerstein®), wie aus seiner Fig. 7, Tafel XI und aus dem Satze: dass die spaltförmigen Oeffnungen an allen Segmenten mit Ausnahme der kürzeren des Hinterendes vorkämen, hervorgeht, an Notomastus rubicundus bemerkt, hatte sie aber mit den auf das Abdomen beschränkten Knöpfen oder Hügeln zusammengeworfen; daher auch der von ihm gewählte und wohl für die Poren des Thorax, aber nicht für die Hügel des Abdomens passende Name »spaltförmige Oeff- nungen« **). Velos p. A. ec. p. 125 2)Al-Ep. 4, c.2p.127% B) Alp D>c.nD. DA, 4) 1. p. 8. e. p. 280. D)Rl-2p.2 8.20. p2217. 6) ep. A,c. p. 125. *), Die Ergebnisse der an den Seitenorganen und becherförmigen Organen angestellten Untersuchungen wurden bereits auszugsweise veröffentlicht: H. EısıG. Die Seitenorgane und becherförmigen Organe der Capitelliden. Mitth. Z. Stat. Neapel. 1. Bd. p. 278. In jenem Auszuge war aber nur Notomastus lineatus berücksichtigt worden, wogegen der jetzigen Darstellung alle Arten des Genus zu Grunde liegen. Verschiedene wichtige Fragen, wie z. B. die nach der Innervation der Seitenorgane sind denn auch erst bei dieser breiteren, nachträglichen Bearbeitung des Genus zur Beantwortung gelangt. **) Die Kererstein’sche Darstellung litt auch in anderer Hinsicht an Unverständlichkeit: einerseits ver- muthete der Autor in den spaltförmigen Oeffnungen, welche an allen Segmenten mit Ausnahme der kürzeren des Hinterendes vorkommen sollen, die äusseren Mündungen der Segmentalorgane, andererseits hob er ausdrücklich hervor, dass in den vordersten neun Segmenten gar keine Segmentalorgane existirten. Im Abdomen ferner be- zeichnete er bald die auf den Segmentgrenzen gelegenen Hügel, bald in der Mitte der Segmente gelegene Spalten als Mündungen der Segmentalorgane. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. ce. Die Seitenorgane. an CLAPAREDE dagegen hatte die Thoraxporen an allen von ihm bis dahin beschriebenen Notomastus- Arten — also bei Notomastus rubicundus, Notomastus Sarsii und Notomastus Benedeni — einfach über- sehen, und auch bei Notomastus lineatus hat er deren Zahl unrichtig angegeben, indem nicht bloss die letzten drei, sondern alle borstentragenden Thoraxsegmente mit Poren ausgerüstet sind. Es lagen nach alledem, als ich an die Untersuchung der Capitelliden ging, zwei problematische Bildungen vor: nämlich erstens die angeblich mit spaltförmigen Oeffnungen versehenen Hügel des Abdomens (= Seitenorgane des Abdomens) und zweitens die Oeffnungen oder Poren des Thorax (= Seitenorgane des Thorax). Beginnen wir mit den Seitenorganen des Abdomens. Für mich entstand zunächst die Frage: Sind diese dem ganzen Abdomen entlang, auf jedem Segmente, zwischen den Bauch- und Rücken-Hakenwülsten (Parapodien) jederseits gelegenen, mit starren Haaren ver- sehenen Hügel?) wirklich durchbohrt? Sind die mehrfach beschriebenen, von Lippen be- grenzten Querspalten in der That vorhanden und stellen sie, wenn das auch der Fall sein sollte, Communicationen zwischen der Leibeshöhle und der Aussenwelt dar? Häufig erhält man Bilder, die einer Bejahung dieser Fragen günstig erscheinen. Der Hügel oder — wie ich ihn entsprechend seiner Function fortan bezeichnen will — der Sinneshügel stellt sich nämlich in solchen Fällen als eine an der Basis etwas verschmächtigte, von da gegen deren freien Pol hin allmählich anschwellende Knospe dar, welche an eben diesem Pole eine schüsselförmige Vertiefung aufweist. Aus dieser Vertiefung hervor ragen dann, zu einem dichten Bündel geschlossen, die steifen Haare oder Borsten, die wir mit dem Namen Sinneshaare bezeichnen wollen. Ja es begegnen uns oft Sinneshügel, welche am freien Pole nicht etwa nur eine schüsselförmige Aushöhlung, sondern eine schmale, von über- hängenden Lippen begrenzte Spalte zeigen, aus der die noch dichter zusammengedrängten Sinneshaare hervorragen. Aber daneben, häufig an ein und demselben 'Thiere, stossen wir auf Hügel, welche ganz anders geformt sind: der distale Abschnitt derselben zeigt weder eine schüsselförmige Vertiefung, noch eine von Lippen begrenzte Spalte, sondern wölbt sich vielmehr kugelförmig, und vom oberen, den freien Pol einnehmenden Drittel dieser seiner Kugelfläche strahlen nach allen Seiten (radienförmig) die Sinneshaare aus. Dieses so entgegengesetzte Verhalten hat sich folgendermaassen aufgeklärt: die normale Form des Sinneshügels ist die zuletzt geschilderte; an ihm inseriren sich aber mehrere Mus- keln®, welche den freien Pol mehr oder weniger tief einzustülpen vermögen, so dass die vorher über einen Theil der freien Kugelfläche zerstreut stehenden Sinneshaare nun büschel- förmig in eine Mulde oder in eine von Lippen begrenzte Spalte zu liegen kommen und nur noch mit ihren Spitzen nach aussen ragen. Zur Veranschaulichung dieses Verhaltens ver- gleiche man die Holzschnitte p. 92 {a. b.\, welche die Formveränderungen darstellen, die der Sinneshügel durch die Einstülpung erleiden kann. 2) Tara 20 Fig. 24.815. 6.7. Tata. Big. 1.90 Tab 10. ig 208,4 b) Taf. 10. Fig. 19. 8. R. M. ls: A. Anatomisch-Histologischer Theil. Diese Einstülpung der Hügelkuppe und die Insertion des Rückziehmuskels wird durch den Umstand erleichtert, dass die Basis des im Uebrigen soliden Hügels mit einer kleinen Höhlung versehen ist, welche zunächst von den Wandungen des Hügels, sodann aber von denjenigen des Hautmuskelschlauchs begrenzt, direct in die Perivisceralhöhle übergeht. Die Existenz dieser Communication zwischen Hügel- und Perivisceralhöhle wird schon durch die eine Thatsache bewiesen, dass der Blutstrom seine Elemente häufig ebenso in die Hügelhöhle, wie in die anderen Ausstülpungen der Perivisceralhöhle, als: Kiemen, Wimperorgane und Rüssel hineinpresst. Die Beobachtung dieser Blutanfüllung der Hügelhöhle hat mich auch auf die richtige Fährte zur Beantwortung der Frage geführt: durch welche Kraft denn eigent- lich das durch seinen Muskel retrahirte Haarfeld wieder ausgestülpt werde. Es ist der Druck des Blutstroms, der, so wie den Rüssel und die Wimperorgane, auch das eingezogene Haarfeld wieder zur Ausstülpung bringt. Nach alle dem kann die erste der aufgeworfenen Fragen verneint werden: die Hügel sind nicht durchbohrt, stellen keine Communicationen zwischen Leibeshöhle und Aussenwelt dar, und in Folge dessen können ihnen auch solche Functionen, wie ÜLAPAREDE vermuthete, nicht zukommen. Die Lage der Sinneshügel ist in gewisser Hinsicht eine für alle Segmente constante. Man trifft sie nämlich in allen Fällen, nahe der hinteren Grenze der Segmente, auf einer die Rkücken- und Bauch-Hakenwülste verbindenden geraden Linie®), und zwar stets in dem ge- schützten Winkel, welchen die Hakentaschen mit der Leibeswand bilden. Dieser Punkt fällt zusammen mit jener zwischen der neuralen und hämalen Stammesmuskulatur gelegenen Spalte, welche ich schon mehrfach als Seitenlinie”) zu erwähnen hatte. Wie alle im Bereiche dieser Linie gelegenen Organe, so machen nun auch die Sinneshügel die Lageveränderung mit, welcher sie selbst vom Körperanfange bis zum Körperende, entsprechend der regionenweise wechselnden Mächtigkeit der neuralen und hämalen Stammesmuskulatur, unterworfen ist. In Folge dessen finden wir die Hügel — immer unbeschadet ihrer relativ constanten Stellung — mit Bezug auf die Körperaxen sehr verschieden gelagert. Zur Veranschaulichung dieses Verhältnisses mögen die im nachfolgenden Holzschnitte dargestellten, schematisch gehaltenen Schnitte dienen: b von einem der ersten Abdominalsegmente eines über hundert Zoniten [42 > p7 N & ‚neuraleFaranodkheme £ e \ R € \kamalesParap.\ "\ abdomınales GN Pam [ m) T re: a e ‚kamalesFarapod. "Thoracales Seitenorgan. —ın d a nn abdominalesSeulenorgan. De DS nmualeltrapndkieme \ nenralesParapod ER neuralesParapod Schematische Querschnitte durch Segmente verschiedener Körperregionen eines Notomastus, um die Lageveränderung der Seitenorgane (nebst Parapodien und Kiemen) längs dieser verschiedenen Regionen, conform dem Sinken resp. Ansteigen der Seitenlinie, zu demonstriren, «a. vom Thorax; b. vom Abdomenanfange; c. von der Abdomenmitte; d. ebenso weiterhin gegen das Abdomenende; e. vom Abdomenende. a) Taf. 2. Fig. 2—4. Fig. 6. 7. Taf. 14. Fig. 1. 2. {eo} a) Vergl. p. 13 und 31. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. c. Die Seitenorgane. 719 zählenden, 5—6 cm langen Thieres zeigt die neurale Längsmuskulatur nahe an der ventralen Medianlinie beginnend und sich fast bis zum Rücken erstreckend; in Folge dessen kommen die in dieser Region stark ausgebildeten Hakentaschen (Kiemen) und mit ihnen die Sinnes- hügel ganz auf den Rücken, in die Nähe der hämalen Parapodien zu liegen. c von einem der mittleren Abdominalsegmente desselben T'hieres; die neurale Längsmuskulatur erstreckt sich weder so weit neural, noch so weit hämal, wie im vorigen Falle; die viel weniger ausgebildeten — Kiemen und die Sinneshügel stehen daher seitlich, jedoch der Rückenseite noch mehr als der Bauchseite genähert; die hämale Längsmuskulatur aber ist mehr nach aussen von der Medianlinie abgerückt. d von einem weiterhin gelegenen Abdominalsegmente dieses Thieres zeigt die neurale Längsmuskulatur kaum noch stärker ausgeprägt als die hämale, und beide nehmen an dem mehr rundlich gewordenen Leibe fast symmetrisch zur Längs- axe gelegene Bögen ein; die nur noch als unbedeutende Anschwellungen erscheinenden Kiemen und die Sinneshügel kommen daher ebenfalls seitlich, aber der neuralen Medianlinie mehr als der hämalen genähert, zu liegen. e endlich vom Schwanzende zeigt ein b gegenüber geradezu umgekehrtes Verhalten, indem die neurale Längsmuskulatur und mit ihr die Sinnes- hügel nahezu bis zur Bauchfläche herabrücken. Je nach den Arten haben die abdominalen Hügel eine verschiedengradig freie Lage. Am meisten von den Leibeswandungen emancipirt haben sie sich bei Notomastus lineatus®\ und profundus®); in nahezu eben so hohem Grade bei Notomastus Benedeni®); kaum über die Epidermis herausragend finden wir sie dagegen bei Notomastus fertihs ®). Die Grösse der Hügel variirt, insofern man entsprechende Regionen des Abdomens verschieden reifer Thiere mit einander vergleicht, kaum bemerkenswerth, sie varlirt aber nicht unbedeutend in den verschiedenen Regionen ein und desselben Thieres. Wie die Segmente in toto, so nehmen auch die Hügel vom Abdomenanfange gegen das Abdomenende hin ganz allmählich an Grösse ab. Ich gebe einige meiner Messungen: = ü . ’ ” P R OSLO Vordere Abdominalregion (ungefähr 1.—20. Segment) r r bis ,; mm B n = 0,1 0,08 Mittlere - Ds 20.— 50. ke er 0,08 0,06 ” Kr ı 0,08 0,06 End- - - 50.—S0. au DET 0,06 0,04 In diesen Werthen bedeutet die über der Linie stehende Zahl die Länge des im optischen Schnitte gemessenen, rechtwinklig auf die Längsaxe des Thieres stehenden Hügel- durchmessers, die unter der Linie stehende Zahl aber bedeutet die Länge des ebenso ge- messenen, parallel zur Längsaxe des T'hieres stehenden Durchmessers. Es schwankt demnach die Grösse der Hügel an einem erwachsenen, ungefähr S0 Abdominalsegmente zählenden 0,16 T'hiere zwischen a 05 0,06 und —-— mm. ID 0,0 1 a) Taf. 2. Fig. 2—4. Tat. 10. Fig... bw Rats 2. Eie. 6. 7. Tat. 10.00.3200. e), Lat. DA. Ie22: dj, Tat 10. Big. 2: Taf. 14. Big. 12. = 5 R s0 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Wie aus dem Verhältnisse dieser Maasse hervorgeht, stellen die Grenzlinien der Hügel Ellipsen dar, deren grosse Axen auf die Längsaxe des Thieres rechtwinklig gerichtet stehen. Einer ganz entsprechenden Anordnung in Form eines sehr langgestreckten, das Hügelcentrum einnehmenden, rechtwinklig auf die Körperaxe gerichteten Ovals folgen auch die Sinneshaare, die Sinneszellen, sowie der Haarfeldretractor, so dass Schnitte durch die lange Axe des Organs alle diese Theile flächenhaft, und Schnitte durch die kurze Axe desselben jene Theile quer treffen). Die Form der Hügel ist indessen keine ganz unveränderliche, indem durch die Contractionen mehrerer, von der hämalen Partie der Längs- sowie der Ringmuskulatur entspringender, an der Hügelbasis sich inserirender Muskelstränge nicht nur die Stellung (Richtung) der Hügel, sondern auch das Grössenverhältniss ihrer Durchmesser eine vorüber- gehende Verschiebung erleiden kann. Diese für das Functioniren der Hügel sicherlich be- deutungsvollen Stränge, welche im Gegensatze zu den Haarfeldretractoren »Drehmuskeln« heissen mögen, sind in folgender Weise angeordnet: von dem auf der Höhe der Seitenlinie also am meisten hämal) gelegenen Bündel der neuralen Längsmuskulatur des Stammes spalten sich im Bereiche eines jeden Seitenorgans zwei Bündel ab, deren eines von hinten und unten nach oben und deren anderes entgegengesetzt von vorn und unten nach oben zur Basis des Sinneshügels hinzieht, um sich je an der vorderen, resp. hinteren Fläche dieses Organs zu befestigen®). Die Verkürzung eines dieser Drehmuskeln muss die Wendung des Hügels nach der entsprechenden Seite, die Verkürzung beider Muskeln aber muss bis zu einem ge- wissen Grade eine Retraction des Organs zur Folge haben. Eine auf die eben geschilderte rechtwinklig entgegengesetzte Drehwirkung muss das sich von der Ringmuskulatur ablösende, das Körmnerganglion an seiner Basis durchsetzende Faserbündel ausüben, und zwar eine Drehung des Hügels nach rechts oder links, je nachdem die Muskelpartie der betreffenden Seite in Action tritt, Eine simultane Contraction beider wird sodann, ebenso wie bei den \ vorigen, eine gelinde Retraction des Hügels bewirken. Zur besseren el ER © Uebersicht aller dieser Muskeln, welche in Schnitten selbstver- EN: 3 ständlich nur je theilweise zur Ansicht gelangen können, habe a N } ich das nebenstehende Schema entworfen. ka Ich wende mich nun zur Beschreibung der Hügelstructur. 5 8 Schema zur Demonstration der je einen abdo- 4 .- . See \ nalen IStnenkugeliivereor senden Wntarkejn! Es fallen zunächst die Sinneshaare®) oder Borsten auf. ’ Wenn wir die in der allanr Su zugewandte ar e es ürels a sg vor B, e ar- „Le . PACL 5 J - / ae r Y .. .. E ee een para "serichtee an wie man sie früher bezeichnete. Meiner Schätzung nach beträgt sehen, so ist a. der vordere, aus der neuralen A £ 4, RL ” Längsmuskulatur des Stammes entspringende jhre Zahl auf einem grösseren Hügel mehrere Hundert. Sie Drehmuskel, dessen Aufgabe es ist, das Seiten- ie Oo organ nach vorn (in der Richtung der Längsaxe . . . des Thieres) zu drehen. Ihm entspricht en (aut? haben — dies geht aus zahlreichen von mir vorgenommenen der Figur nicht sichtbarer) antagonistisch wir- — = ee onfensinsende a Oman Messungen hervor- die für alle Stellen des Haarfeldes constant seiner Basis. durchsetzende Drehmuskel,, von Ar A 5 r einer rechtwinklig auf die vorige gerichteten schwankende Länge von 40—60 p. Die genaue Messung wird Drehwirkung. c. ist der meist aus mehreren oO oO oO Bündeln bestehende, aus den vorhergehenden Beschreibungen bekannte Haarfeldretractor. iM Folge der Lageveränderungen des Hügels und der Einstülpung des Haarfeldes in den meisten Fällen sehr erschwert, daher wohl allat. 10. Bızı 7. 9er b)E Taf. z0-SETe DS ET: e) Taf. 10. Fig. ‘6. S. H. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. c. Die Seitenorgane. s1 die Schwankung meiner Zahlen zwischen 40 und 60. An der Basis haben die Haare eine Breite von kaum | x und diese Breite behalten sie nahezu bis zum Ende hin; jedenfalls be- schränkt sich ihr Zuspitzen auf ein Minimum. Sie bieten ihrer ganzen Länge nach das Bild einer blassen, homogenen Substanz, sind unbeweglich, gerade und scheinbar starr; aber nur scheinbar; denn wenn auch die grosse Zahl so gerader und unbeweglicher Gebilde diesen Eindruck hervorrufen, so kann man sich doch durch irgend welche Berührung des Hügels überzeugen, dass die Haare geschmeidig genug sind, um starke Biegungen ohne Schaden ertragen zu können. Die Sinneshaare sind in hohem Maasse vergängliche Gebilde. Durch die Einwirkung irgend welcher Salze oder Säuren (Ösmiumsäure ausgenommen) werden sie meistens wie auf einen Schlag zerstört. Der Prozess ihrer so bewirkten Zerstörung lässt sich am besten einem Schmelzen vergleichen, nur mit dem Unterschiede, dass das Resultat des Schmelzprozesses hier nicht in der Bildung einer Flüssigkeit, sondern in der Bildung einer grossen Anzahl 2—4 x grosser, äusserst blasser Kügelchen besteht. Im Moment ihrer Entstehung zeigen diese Kügelchen eine tanzende Bewegung, bald aber kommen sie zur Ruhe und backen weiterhin so fest zusammen, dass in den meisten meiner Zupf- und Schnitt-Präparate ein Conglomerat solcher Kügelchen noch die Zone bedeckt, auf der im frischen Zustande die Sinneshaare eingepflanzt waren. Aber so zart‘) sind die Sinneshaare, dass es nicht einmal der Einwirkung von Reagentien bedarf, um diese, oder doch wenigstens eine ähnliche Um- wandlung hervorzurufen. Nur viel langsamer und in etwas modificirter Weise vollzieht sich spontan derselbe Prozess an Sinneshügeln, welche, in toto abpräparirt, eine Zeit lang offen in Seewasser gelegen hatten. Die Haare werden dann zunächst wellig, starren nicht mehr, lösen sich theilweise von ihrem Mutterboden ab und zeigen eine Anzahl regelmässiger 1—2 y grosser, rundlicher bis spindelförmiger Anschwellungen. Diese in gleichen Abständen auf- einander folgenden Anschwellungen nehmen, gegenüber den blassen Haaren, ein glänzendes Ansehen und eine gelbliche Färbung an. In dem Maasse als nun die Anschwellungen auf- treten, zerfallen die Haare, und wir begegnen dann vorwiegend Bruchstücken solcher, welche an einem ihrer Enden in eine der eben beschriebenen Anschwellungen auslaufen. In diesem Moment hat das Bild der absterbenden Haare die grösste Aehnlichkeit mit einem Haufen von Nesselstäben oder Samenfäden. an welch letztere man um so mehr erinnert wird, als dieser langsamere Prozess des Schmelzens ebenfalls mit Bewegungen der oft in ein »Köpfchen« aus- laufenden Haarbruchstücke verbunden ist. Schliesslich zerfallen selbst diese Haarbruchstücke, *) Ich hebe diese Eigenschaft mit besonderem Nachdrucke hervor, weil sich aus ihr vielleicht die That- sache erklären lässt, dass für Sinnesorgane höherer Thiere das Vorhandensein ähnlicher Haare mit ebenso grosser Bestimmtheit behauptet, als in Abrede gestellt worden ist; ferner, weil Levvıs das Schwankende der Angaben über das Vorhandensein dieser Sinneshaare zu Gunsten seiner Theorie verwerthen zu können glaubte, derzufolge die Seitenorgane (überhaupt das, was er Organe eines sechsten Sinnes nennt) neben ihrer empfindenden auch eine seeretorische Function auszuüben im Stande sein sollen. Die Sinneshaare würden nämlich der Leypıs'schen Auf- fassung zufolge keinen integrirenden Bestandtheil des Organs, sondern ein periodisch zur Abscheidung gelangendes Product desselben darstellen. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 11 2 A. Anatomisch-Histologischer Theil. - und ein Conglomerat blasser Kügelchen ist alles, was auch in diesem Falle von den Sinnes- haaren übrig bleibt ®). Unter allen den zahlreichen, anfänglich von mir in Anwendung gebrachten Reagentien war es nur die Osmiumsäure, mit Hülfe welcher es gelang, die Sinneshaare gut zu conser- viren. Wendet man die Säure als Lösung an, so bleiben die Haare allerdings nur theilweise erhalten, ein anderer Theil zerfällt; gebraucht man aber das Reagens in Dampfform, so ge- lingt es den ganzen Büschel der Haare so gut zu erhalten, dass er in essigsaurem Kali oder Glycerin als dauerndes Präparat eingeschlossen werden kann. Die Sinneshaare werden durch Osmium rasch und intensiv braun gefärbt; auch Hämatoxylin und andere Farbstoffe bewirken — selbst nach der Osmium-Einwirkung — eine starke 'Tinction. Später lernte ich in der von LoBranco eingeführten, allmählich wirkenden Abtödtungsmethode durch Seewasser-Alcohol ?) ein noch viel besseres Verfahren für die Erhaltung der Sinneshaare kennen. Die Erhaltung ist in diesem Falle eine so vorzügliche, dass fast alle meine von so behandelten Thieren an- gefertigten Schnitte die Haare nur wenig verändert zeigen. | Stellt man auf einen optischen Schnitt des Hügels ein, so sieht man denselben nach aussen hin begrenzt von einer hellen, homogenen, 2 p dicken Haut, der Cuticula, welche an den Grenzen des Organs continuirlich in die gleichnamige, den ganzen Wurmleib be- deckende Membran übergeht. Im Bereiche des Haarfeldes habe ich keine anderen Haut- elemente als diese wahrzunehmen vermocht: von der Grenze des Haarfeldes ab jedoch, gegen die Hügelbasis hin, lassen sich unter der Hügelcuticula äusserst platte, der Hypodermis zugehörige Zellen nachweisen. Die Cuticula erscheint im ganzen Bereiche des Haarbezirks wie von feinen, rechtwinklig zur Membran gestellten Streifen durchzogen. Sieht man aber genauer zu, so überzeugt man sich, dass diese Streifen nichts anderes sind als die die ge- nannte Haut durchbohrenden Basen der Sinneshaare. Nur bis zur inneren Fläche der Cuticula reichen die Sinneshaare als solche; weiter- hin gehen sie in Gebilde über, welche ich ihrer Form wegen als Stäbchen bezeichnen will. Diese Stäbchen®) sind ebenfalls von blassem, homogenem Ansehen und erstrecken sich in der Hügelperipherie genau so weit wie die Sinneshaare. Ihre Demonstration in frischem Zustande ist schwierig und erfordert unter allen Umständen starke Vergrösserungen; ihre Länge beträgt 12—14 x», ihre Breite I—1', p, so dass durchschnittlich ungefähr zwei Sinneshaare auf ein Stäbchen kommen mögen. Im frischen Zustande stimmt das Lichtbrechungsvermögen der Stäbchen mit demjenigen einer unzweifelhaft vorhandenen Zwischensubstanz so sehr überein, dass es oft schwer hält, deren Grenzen klar zu übersehen, und noch schwerer, deren Form genau zu definiren. Erstere Schwierigkeit fällt nach Einwirkung gewisser Reagentien weg; aber der Bestimmung ihrer Form fahren diese überaus vergänglichen und schwer isolirbaren Hügelgebilde fort, auf a) Taf. 11. Fig. 4. b) Taf. 10. Fig. 1—9. C. e) Taf. 10. Fig. 1—9. Taf. 11. Fig. 6°. St. a) Vergl. Anhang, Präparationsmethoden. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. c. Die Seitenorgane. s3 Ü allen Wegen grosse Hindernisse entgegen zu setzen. Schliesslich haben mich aber die an Macerations- und Schnitt-Präparaten gewonnenen Ergebnisse zur Ansicht gebracht, dass die Stäbchen, an ihren gegen die Cuticula gerichteten Enden, flach abgestutzte und an den entgegengesetzten Enden allmählich sich verjüngende Gebilde von prismatischem Quer- schnitte darstellen. Dass die Stäbchen durch die Cuticula hindurch sich continuirlich in die Sinneshaare fortsetzen, davon überzeugt man sich am besten am frischen Hügel; aber auch aus den meisten Schnittpräparaten, welche die Sinneshaare wohl erhalten zeigen, Ver- mag man eine solche Ueberzeugung zu gewinnen. Nach innen von den Stäbchen folgt eine im optischen Durchschnitte des Hügels etwa 10 x breite, dunklere Schicht spindelförmiger, granulirter Gebilde — ich nenne sie Spin- deln — über deren nähere Beschaffenheit und Zusammenhang mit den vorhergehenden und nachfolgenden Theilen sich am frischen Organ?) wenig ermitteln lässt. Gelungene Schnitte) und besser noch Macerations- Präparate‘) zeigen aber, dass es diese Gebilde sind, welche die Stäbchen mit den tiefer gelegenen Elementen in Verbindung setzen. Ihre Lage im Hügel ist derjenigen der Sinneshaare und Stäbchen parallel gerichtet; auch sie erstrecken sich wie diese letzteren auf den ganzen Haarfeldbezirk, stehen jedoch in dessen Mitte am dichtesten gruppirt. Die Spindeln sind viel resistenterer Natur als die Stäbchen; durch die schon im frischen Zustande in ihnen vorhandenen körnigen Einlagerungen haben sie ein viel dunkleres Ansehen als jene, und dieses dunklere Ansehen wird noch verstärkt durch Nieder- schläge bewirkende Reagentien. Sie haben meistens eine Länge von 6—S » und eine grösste Breite von 2 »; ihre Form ist durch den ihnen von mir beigelegten Namen wohl charakte- risitt. Unter den durch Maceration isolirten Hügelelementen findet man nicht selten Spin- deln, deren beide Enden in feine Fäden auslaufen; es sind dies die abgerissenen Ausläufer, welche einerseits mit den Stäbchen, andrerseits mit den tiefer gelegenen, weiterhin näher zu betrachtenden Fasern in Zusammenhang standen. Jedem Zweifel entrückt wurde ein solcher Zusammenhang durch einzelne wohlgelungene Zupfpräparate, welche die Spindeln sowohl mit Stäbchen als mit Fasern noch in Verbindung stehend zeigten ). Die tiefste Stelle im Hügel nimmt die an Masse und Deutlichkeit des Erscheinens alle anderen Elemente übertreffende Schicht der Körner®) ein. Im frischen Zustande stellen sie blasse, rundliche, wenig scharf begrenzte, kernartige Gebilde von 2—4 x» Durchmesser dar. Bei dem matten Ansehen derselben fallen kaum 1 p grosse, intensiv gelb gefärbte, glänzende Bläschen oder Kügelchen, welche ihnen je zu mehreren aufgelagert sind, sehr in die Augen. Letztere sind es, die dem Hügel seine im Leben gelbliche Färbung verleihen. Dass sie den Körnern wirklich aussen aufsitzen, davon habe ich mich durch Zerzupfen des frischen Organs überzeugt. An derart in ihre Elemente zerlegten Organen kann man aber noch eine andere Beobachtung bezüglich der Körner machen: die nämlich, dass sie in feine, blasse Fortsätze aus- a) Taf. 10. Fig. 6. Sp. b) Taf. 10. Fig. 1—9. Sp. e) Taf. 11. Fig. 6%. Sp. ae Tat. 11. Fig. 6%. e) Taf. 10. Fig. 19. Ar. Taf. 11. Fig. 5—7. f) Taf. 10. Fig. 6. Är. Taf. 11. Fig. 5. 1 Ui 4 A. Anatomisch-Histologischer Theil. laufen. Durch diese Fortsätze sind die Körner unter sich bald in weiterem, bald in näherem gegenseitigem Abstande mit einander verbunden®). Meistens ist die Zahl der Fortsätze auf zwei beschränkt, indessen kommen auch solche mit drei Fortsätzen nicht allzu selten vor; mehr als drei habe ich aber nie beobachtet. Die Fortsätze nehmen nicht immer aus den Körnern selbst ihren Ursprung; es kommen nämlich auch derart Verbindungen zu Stande, dass sich der aus einem Korn entspringende Faden gabelförmig theilt und so Aeste an zwei benachbarte Körner abgibt. Die Form der Kömer ist sehr mannigfaltig; bald rund, bald oval, bald eitronenförmig; häufig erscheinen sie auch platt gedrückt. Osmiumsäure färbt sie braun, Goldchlorid violett bis roth; in beiden Reagentien bewahren sie nahezu voll- kommen ihr homogenes Ansehen; einen starken körnigen Niederschlag bewirkt dagegen Essig- und Chromsäure. Nie lässt sich in so präparirten Körnern ein Kern nachweisen. Die im frischen Zustande so auffälligen, zwischen den Körnern gelegenen, gelben Bläschen werden durch die Einwirkung nahezu aller Reagentien zerstört, oder doch zum Mindesten entfärbt. An Stelle der vorher wenig deutlichen Begrenzung tritt ferner ein scharfer Contour und an Stelle des matten Ansehens ein nicht unbeträchtlicher Glanz. Wer die bisherige Beschreibung verfolgt, oder auch nur einen Blick auf Taf. 10 ge- worfen hat, wird wohl kaum darüber in Zweifel geblieben sein, dass wir es in den frag- lichen Hügeln des Notomastus mit Sinnesorganen zu thun haben. Nun entsteht aber die Frage nach der Innervation dieses Sinnesorgans. Vor allen Dingen die Vorfrage: als was ist der Körnerhaufen des Hügels in histologischem Sinne zu betrachten? Kamen mir, wie dies nicht selten der Fall war, beim Präpariren der Sinneshügel Stücke des Bauchstrangs mit unter das Gesichtsfeld, so war ich oft betroffen von der grossen Aehnlichkeit, welche die Körnerpartie der ersteren mit den Ganglienknoten des letzteren in ihrem Gesammthabitus darbot. Eine vergleichende Untersuchung ergab nun, dass den Ganglienzellen *) der Bauchkette ganz ähnliche gelbe, glänzende Bläschen oder Körnchen auf- liegen wie den Körnern. Auch in den Ganglien scheinen sie im frischen Zustande die gelb- liche Färbung zu bedingen und von den gebräuchlichen Reagentien zerstört resp. entfärbt zu werden. Weiterhin fand ich, dass unter den Ganglienzellen, besonders in den tieferen Schichten ihres Beleges, ganze Gruppen kleiner, mit eben solchen Bläschen besetzter Elemente auftreten, welche von homogenem Ansehen und membranlos sind, in mehrere Forsätze aus- laufen, und eines Kerns entbehren, kurz sich ganz wie die Körner der Sinneshügel verhalten ?). Aehnliche, nur von viel zarterer Beschaffenheit, fand ich in der Fasermasse sowohl der Ganglien als der Connective des Bauchstrangs. Wir können daher den Körmerhaufen des Sinneshügels einem Ganglion des Bauch- strangs vergleichen, welches des Neurilemmas, sowie der grossen, vorwiegend peripher ge- a) Taf. 11. Fig. 6. 7. Taf. 10. Fig. 79. Kr. a) Vergl. p. 62. ß) Vergl. p. 64. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. c. Die Seitenorgane. Ss» legenen, meist unipolaren Ganglienzellen beraubt ist, und dessen allein vorhandene, multipolare Körner zu einem dichten Haufen zusammengedrängt liegen“). Und nun zum Nerven. Niemand wird die unter Fig. S und 9. Taf. 10 abgebildeten Schnitte betrachten können, ohne den Eindruck zu gewinnen, dass das anfangs geschlossene, in dem Maasse aber, als es im Sinnesorgan aufsteigt, in seine Fibrillen zerfallende Bündel den das Organ ver- sorgenden Nerven darstelle. Mir zum Mindesten war durch den Eindruck dieser und ähn- licher Bilder die Natur dieses Faserbündels als eines Nervenstranges so selbstverständlich er- schienen, dass es des zwingenden Einflusses aller dagegen sprechenden Thatsachen bedurfte, um diese Ansicht zu Gunsten einer dem wahren Sachverhalt entsprechenden Beurtheilung zu erschüttern. Ich will den Leser nicht mit einer Schilderung der langwierigen, zeitrauben- den, hin und her schwankenden Detailuntersuchung langweilen, welche schliesslich zum Re- sultate führte, ich will vielmehr gleich auf dieses Resultat hinweisen. Die Leibeshöhle wird, wie in dem die allgemeine Körperform behandelnden Kapitel erwähnt wurde”), durch ein System transversaler Muskeln, resp. durch die dieselben überziehenden peritonealen Nieren- platten, in drei Räume getheilt und zwar annähernd continuirlich bei Tremomastus, weniger continuirlich bei Clistomastus. Der vermeintliche Nerv, dessen Fibrillen im Hügel ausstrahlen, ist nun nichts Anderes, als ein solcher transversaler Muskelstrang, welcher sich von den übrigen nur dadurch unter- scheidet, dass sein Ursprung hoch in die dorsalen Partien der neuralen Längs-Stammesmus- kulatur herauf verlegt sein kann®); die betreffenden Fibrillen sind demnach keine Nerven-, sondern Muskelelemente. Die Fig. 2. Taf. 14, welche einen auf der Höhe der Sinnes- hügel durch das Abdomen geführten Längsschnitt darstellt, zeigt diesen Muskel von seinem Ursprunge bis zur Ausbreitung im Hügel, und demonstrirt so die Thatsache in evidentester Weise. Wie ist nun diese sonderbare Anordnung zu verstehen? Welche Function kommt diesem einen Nerven so täuschend nachahmenden Muskel zu? Aus dem Vorhergehenden ist erinnerlich, wie unsere Thiere im Stande sind, den distalen, mit Sinneshaaren besetzten Pol, das sog. Haarfeld des Hügels, ein- und auszustülpen. Als die die Ausstülpung bewirkende Kraftquelle haben wir in erster Linie den frei in der Leibeshöhle circulirenden Hämolymphstrom erkannt; aber welche Vorrichtung ist zum Behufe der Einstülpung getroffen? Für diese Frage, welche ich so lange nicht zu beantworten ver- a) Taf. 10. Fig. 1-5. S. R. M. &); Vergl..p. 17. *) Unseren Körnern sehr ähnlich scheinen mir die von RAnKkE (Der Gehörvorgang und das Gehörorgan bei Pferotrachea, Zeit. Wiss. Z. Bd. 25 Supplement, p. 96. Taf. 5. Fig. 7) vom Ringganglion des Octopus-Ohrs abgebildeten und als »kleinere kuglige Körner« bezeichneten Gebilde zu sein. Ferner die von Craus (Das Gehör- organ der Heteropoden. Arch. Mikr. Anat. Bd. 12. p. 108. Taf. X. Fig. 4) als Bestandtheile des Nerven der Pterotrachea-Gehörblase erwähnten Kerne. Cravs fasst nämlich die Sache so auf, dass diese Gebilde als kleine, ovale, in den Verlauf der Fibrillen des Nerven eingeschobene Kerne zu betrachten seien. Ss6 A. Anatomisch-Histologischer Theil. mochte, als ich in unserem Faserbündel einen Nerven erkennen zu müssen glaubte, war die Antwort im dem Momente gegeben, in dem ich den Zusammenhang des transversalen Muskels mit den Hügelfibrillen erkannt hatte: der transversale Muskel, resp. der zum Hügel ver- laufende Abschnitt desselben ist nichts Anderes, als der Retractor des Haarfeldes. Dem Functioniren dieses Muskels kommen unzweifelhaft zwei bereits besprochene An- ordnungen sehr zu statten: nämlich erstens, die Lage des Sinneshügels über der zwischen der neuralen und hämalen Längsmuskulatur bestehenden, überdies noch durch die benachbarte Kiemenhöhle erweiterte Spalte, und zweitens, die an der Hügelbasis befindliche, mit der Peri- visceralhöhle direct communicirende Einbuchtung. In Folge dieser Verhältnisse kann der Retractor unbehindert von der Stammesmuskulatur (auch die Ringmuskulatur ist im Bereiche der Hügelbasis durchbrochen) zum Hügel gelangen und ungehemmt seine Excursionen beim Contrahiren und Relaxiren vollziehen. Was nun die Insertionspunkte der im Hügel ausstrahlenden Muskelfasern betrifft, so bin ich zur Ueberzeugung gelangt, dass es die Spindeln sind; denn — und dies war, so lange ich den Muskel für einen Nerven hielt, eine schwer zu verstehende T'hatsache, da doch die Fibrillen eines etwaigen Nerven aller Wahrscheinlichkeit nach sich zum Hügelganglion (den Körnern, begeben mussten — bis zu ihnen lässt sich weitaus die Mehrzahl der Fibrillen in Schnitten deutlich verfolgen ®), und durch Macerationspräparate wird der unmittelbare Zu- sammenhang zwischen diesen Fasern und den Spindeln vollends erwiesen®). Nachdem so die muskulöse Natur des im Hügel ausstrahlenden Faserbündels erkannt war, trat die Frage nach der Innervation des ersteren von Neuem heran. Lange bin ich, trotz vielfach wiederholten Studiums, über diese Frage im Unklaren geblieben, so dass ich auch in einem vorläufigen Berichte!) dieselbe dahingestellt sein lassen musste. Schliesslich erhielt ich aber doch Präparate, welche die Sache aufklärten. Ein durch die Sinneshügel rechtwinklig auf die Längsaxe des Thieres geführter Quer- schnitt trifft auch den im Bereiche der neuralen Medianlinie gelegenen Ganglienknoten. Dieser Knoten giebt in jedem Segmente auf beiden Seiten je drei, selten je vier verschieden starke Nerven ab. Alle diese Nerven durchbohren nach längerem oder kürzerem, scharf rechtwinklig auf die Längsaxe gerichtetem Verlauf die Stammesmuskulatur, um sich theils in der Längs-, theils in der Ringmuskulatur und schliesslich auch in der Haut zu verzweigen. Einer dieser Nerven aber, und zwar der mittlere der drei in der Regel vorhandenen, passirt unverzweigt die genannten Muskellager®) und steigt zwischen ihnen und der Haut, oder zwischen Längs- und Ringmuskulatur, vom Bauch gegen den Rücken auf. Auf der Höhe der Kieme angelangt, spaltet er sich sodann in zwei ziemlich gleich starke Aeste, deren einer sich zur Kieme begibt und deren anderer die Richtung gegen den Sinneshügel hin ein- schlägt ). Am Sinneshügel angelangt, löst sich der betreffende Nervenast in seine Fibrillen a) ‚Tat. 210), Fio27.9% by Taf 11Ri0226°: e)" Tat 102Rı5. 1 Sp NE d) Taf. 10. Fig. 1.3. 8. N. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. c. Die Seitenorgane. S7 auf; man kann sich oft schon am frischen, herauspräparirten Hügel von dieser Thatsache überzeugen. Diese Fibrillen treten auf der nach aussen gegen die Kieme gerichteten Seite des Hügels ein, um hier zum Theil direct in die an der Basis gelegenen Körmer überzu- gehen, zum Theil aber der Hügelwandung entlang zu verlaufen und von da aus successive Aeste an die Kömer abzugeben®. Auch an Schnitten konnte ich einzelne Fibrillen bis an die Körner heran verfolgen und überdies nachweisen, dass im Inneren des Hügels eine An- zahl von Fibrillen, meist in dichten, schwer von den Muskelfibrillen des Haarfeldretractors zu unterscheidenden Zügen bis zu den höheren Lagen der Körnerschicht hinzieht. Es gehen demnach die Fibrillen des Hügelnerven, an der Basis des Hügels angelangt, nicht etwa alle in einer und derselben Ebene in die zunächst gelegenen Körmer über, sondern dieser Ueber- gang findet im Bereiche der ganzen Körnerzone successive auf verschiedenen Ebenen statt. Und nun kommen wir schliesslich zur Frage, wie das so mit dem Centralnervensystem zusammenhängende Körmnerganglion seinerseits die die Sinnesempfindung vermittelnden Ele- mente des Hügels innervirt. An der Grenze zwischen Körnerganglion und Haarfeld entspringt aus ersterem eine überaus grosse Zahl von Nervenfibrillen®), deren vielfach verschlungenes Maschennetz die grösste Aehnlichkeit mit dem Fasergerüste des Bauchstrangs aufweist. Die Elemente dieser Fasermasse begeben sich nun in Form feinster Fäserchen an die Spindeln und Stäbchen, um mit ihnen bald höher, bald tiefer in Zu- sammenhang zu treten. Die überaus grosse Feinheit dieser Fäserchen macht |I-Sinneshaare es schwer, an Schnitten den Innervationspunkt genau zu ermitteln; aber an IT Culicula Macerationspräparaten gelingt es zuweilen, solch’ abgerissene Körnerfortsätze wahrzunehmen. Ich habe einen Fall abgebildet, in dem der betreffende Fort- Nee satz das percipirende Element an dem Stäbchen und Spindel verbindenden N nt Faden erreicht °). - Spindel Demnach treten Stäbchen und Spindeln mit zwei ganz heterogenen |Yeynföritevom Bildungen in Zusammenhang: nämlich einmal mit den Fibrillen der das | Fur Swiedilgerichiel Hügelganglion constituirenden Körmer, sodann mit den Fasern des Haar- | ö ee | (eldretractors feldretractors. Auf dieses Factum wurde bereits in einem anderen Kapitel A VB vorbereitet”); ausserdem wurde dort darauf aufmerksam gemacht, dass auch > Baier die Fadenzellen der Haut, aus welchen, wie weiterhin zu beweisen versucht 5 Vermiltslng werden soll, die Sinneselemente der Seitenorgane sich entwickeln, ganz in ee derselben Weise, sowohl mit Nerven- als auch mit Muskelfibrillen ver- N Vase: schmelzen können. ne zur Demonstration Zusammenhanges der die Seitenorgane consti- Den eben geschilderten Zusammenhang der die Seitenorgane auf- tuirenden Elemente. bauenden Elemente soll nebenstehendes Schema veranschaulichen. Wir kommen nun zu den Seitenorganen des Thorax. a) Taf. 11. Fig. 7. b) Taf. 10. Fig. 9. 4, N. F. e) Taf. 11. Fig. 6. n) Vergl. p. 25—27 und 36. A. Anatomisch-Histologischer Theil. an [0,0] Auch hier drängte sich mir zunächst die Frage auf: stellen diese angeblich seitlichen Oeffnungen oder Poren®) wirklich Durchbohrungen des Hautmuskelschlauchs dar? Sind sie Pforten, vermöge welcher die Leibeshöhle mit der Aussenwelt zu communiciren vermag? Betrachtet man einen lebendigen, auf der Seite liegenden Notomastus mit einer starken Lupe, so kann man die Poren leicht unterscheiden; meistens stellen sie elliptisch geformte Spalten dar, welche, je nachdem das T'hier seinen Thorax zusammenzieht oder ausdehnt, sich durch Aneinanderlegen der Ränder schliessen, oder aber durch Auseinanderziehen dieser Ränder zu rundlichen Oeffnungen erweitern. Ganz besonders bei gedehntem "Thorax gewinnt man den Eindruck, Oeffnungen der Leibeshöhle vor sich zu haben, und unter diesem Eindrucke begann ich auch Experimente mit gefärbten Flüssigkeiten anzustellen. Vergebens; ich konnte niemals Spuren der in dieser Flüssigkeit suspendirten Farbkörnchen in der Perivisceralhöhle der 'IThiere nachweisen. Auch die mikroskopische Untersuchung, bei der ich so verfuhr, dass ich die Würmer chloroformirte, durch einen dorsalen oder ventralen Medianschnitt spaltete und nun auf dem Objectträger ausbreitete, ergab keine positiven Resultate. Von aussen betrachtet erwies sich der angebliche Porus, wie sehr auch dessen Ränder durch Dehnung der 'Ihoraxwandungen auseinandergezerrt wurden, stets in der Tiefe durch eine dunkle körnige Masse ausgefüllt, und von innen betrachtet boten Muskulatur und Haut durchaus keine Spalten *) dar, welche den äusseren Poren entsprochen hätten. Dieses Ergebniss wurde auch durch die vermöge des Agge'schen Beleuchtungsapparates hergestellten Bilder bestätigt: nie kam an Stelle der Pore das dunkle Gesichtsfeld zum Vor- schein. Bei solcher Untersuchung pflegten sich zuweilen die Thoraxwandungen etwas aufzu- rollen, so dass die bis dahin in der Flächenansicht erschienenen Poren sich nun im Profil darstellten. Aus einer so im Profil ins Auge gefassten Pore sah ich nun eines Tages zu meiner nicht geringen Ueberraschung einen rundlichen Hügel ragen»), dessen Kuppe mit ganz ähnlichen steifen Haaren besetzt erschien wie die Sinneshügel am Abdomen. Unter meinen Augen wurde dieser Hügel verschiedene Male entweder ganz oder theilweise einge- zogen und wieder vorgestülpt. Nun war mir die Bedeutung unserer Gebilde klar: die Sinneshügel sind nicht bloss auf das Abdomen beschränkt, sie setzen sich auch auf den Thorax fort; während sie aber auf dem Abdomen frei, höchstens unter dem Schutze der Kiemen stehen, stecken sie am Thorax in Hauthöhlen (Seitenorganhöhlen) ©), aus denen sie hervorgestreckt werden können. Die Poren ferner sind nichts anderes als die äusseren verdickten Ränder der Spalten (Seiten- a) Tan 2 Big, 2.05: 100 sam b) Taf. 10. Fig. 12. S. T. e) Taf. 10. Fig. 11. 12. S. He. ke Es finden sich nämlich regellos vertheilte Spalten in allen faserigen Geweben des Körpers, besonders in der Muskulatur und in dem Bauchstrange. Diese Spalten dienen aber unseren gefässlosen Thieren zur Fortleitung der Hämolymphe. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. ce. Die Seitenorgane. sg organspalten) dieser Höhlen, welche, je nachdem sie auseinander gezogen oder zusammen- gedrückt werden, den Hügel mit der Aussenwelt in Communication setzen, oder aber von jeder Berührung mit ihr absperren. Dass die an ihrem distalen Pole mit so empfindlichen Nervenendigungen bedeckten Sinneshügel bei Thieren, welche im Sande leben und im Sande wühlen, mit irgend welchen Schutzvorrichtungen gegen äussere Insulten versehen sein müssen, ist wohl schon a priori anzunehmen. Wir lernten an den Hügeln des Abdomens zwei solche Vorrichtungen kennen: erstens, ihre Lage in dem Winkel der Hakentasche oder Kieme, zweitens, die Fähigkeit des Hügels, seinen offenbar empfindlichsten Theil, das Haarfeld, einzustülpen. Nur die letztere Schutzvorrichtung theilen die Hügel des 'Ihorax mit denjenigen des Abdomens; denn am Thorax giebt es keine Haken und in Folge dessen auch keine Hakentaschen. Man könnte nun schliessen, dass sich als Compensation für den Ausfall der geschützten Lage die Retractilität des ganzen Hügels entwickelt habe, um so mehr, als die Hügel des Thorax eines weit energischeren Schutzes bedürfen als diejenigen des Abdomens, indem beim Bohren im Sande der 'I'horax allein die Bohrbewegungen auszuführen hat, und das Abdomen von ihm lediglich nachgezogen wird. Die Lage der retractilen Sinneshügel des 'Ihorax stimmt mit derjenigen der nicht retractilen des Abdomens vollkommen überein. Wie letztere, so liegen auch erstere stets in der Nähe der hinteren Segmentgrenzen, auf der Höhe der Parapodien, und zwar je zwischen den hämalen und neuralen Borstenbündeln. Während aber die abdominalen Hügel in Folge der mächtigen Entwickelung der Bauchmuskulatur im Anfange des Abdomens ganz auf den Rücken geschoben werden, und erst in dem Maasse, als im weiteren Verlaufe diese Bauch- muskulatur an Höhe abnimmt, auch auf die Seiten des Thierleibes herabrücken, also eine von vom gegen hinten allmählich sich neigende Linie beschreiben, stehen die Hügel des Thorax vom ersten bis zum letzten borstentragenden Segmente in einem nahezu sich gleich- bleibenden Abstande von den neuralen und hämalen Borstenbündeln, beschreiben also eine annähernd gerade Linie. Mit Bezug auf diese beiden Borstenbündel liegen die Hügel auf der Grenze des ersten und zweiten Drittels einer zwischen ihnen gedachten geraden Linie. In einem Punkt herrscht zwischen der Topographie der abdominalen und thoracalen Hügel ein bedeutsamer Unterschied: im Abdomen sind die Stränge der neuralen und hämalen Längsmuskulatur durch eine ansehnliche Spalte unterbrochen, und im Bereiche dieser Unterbrechung liegen die Sinneshügel; in Folge dieser Lage, sowie des Umstandes, dass die Ringmuskulatur auf eine äusserst dünne, in der Hügelregion überdies noch unterbrochene Schicht redueirt ist, vermögen die abdominalen Hügel, resp. deren ausgehöhlte Basen (Sinnes- hügel-Höhlen) direct mit der Perivisceralhöhle zu communiciren; durch diese Communication wird der Eintritt des Blutstroms in die Sinneshügel-Höhle ermöglicht, in welchem Strome ich hauptsächlich die Kraft erkennen zu dürfen glaubte, durch welche das eingestülpte Haar- feld wieder nach aussen hervorgewölbt werden kann. Im Thorax dagegen ist eine solche Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 12 90 A. Anatomisch-Histologischer Theil. scharfe Trennung zwischen der hämalen und neuralen Längsmuskulatur nicht vorhanden; aber wenn sie auch vorhanden wäre, so könnte dieselbe doch nicht zu ähnlichen Beziehungen der resp. Hügel zur Leibeshöhle führen wie die entsprechende Anordnung im Abdomen, aus dem einfachen Grunde, weil im Thorax die Ringmuskulatur eine sehr mächtige Ent- wickelung erlangt und in der Seitenorganregion höchstens die auch sonst vorhandenen reifartigen Spalträume für den Durchgang des Haarfeldretractors etc. darbietet. So kommt es, dass die retractilen Hügel des Thorax, im Gegensatz zu den frei stehenden des Abdo- mens, keine so directe Beziehung zur Leibeshöhle und zu den 'Trennungslinien der Stammes- lLängsmuskulatur aufweisen ?). An den Sinneshügeln des Thorax muss man den Sinneshügel selbst, und die Höhle, in welche er zurückgezogen, resp. aus welcher er hervorgestreckt werden kann, unterschei- den. Gegen die Leibesoberfläche hin, also an ihren Mündungen, werden die Höhlen von etwas aufgewulsteten Lippen (Seitenorganspalten) begrenzt, und diese sind, wie schon her- vorgehoben wurde, formveränderlich. Wird der Thorax gedehnt, nimmt sein Längendurch- messer auf Kosten des (Querdurchmessers zu, so öffnen sich die Mündungen, ihre im Ruhezustand elliptische Grenzlinie erweitert sich bis zum Kreise, der Hügel ist weit aus- gestreckt; contrahirt sich der 'Ihorax, so schliessen sich die Mündungen, die Ellipse verwan- delt sich in einen kaum wahrnehmbaren Spalt, der Hügel ist zurückgezogen. Im Ruhe- zustande ragt der Hügel mit einem Drittel bis zur Hälfte aus der Spalte hervor. Meistens öffnet sich die Hügelhöhle inmitten eines der grossen Polygone, in welche die Cuticula durch tiefe Furchen getheilt ist; häufig befinden sich aber auch die Mündungen an Stellen, wo mehrere Polygone aneinanderstossen. Es muss nun aber mit allem Nachdrucke hervorgehoben werden, dass eine Seiten- organhöhle, in welcher der retrahirte Sinneshügel steckt, und eine Seitenorganspalte, welche mit gewulsteten Lippen diese Höhle schliesst, nur so lange existirt, als der Sinnes- hügel zurückgezogen ist. In dem Maasse als der Hügel vorgestülpt wird, schwindet auch diese Vorrichtung, so dass an Schnitten, welche durch ausgestreckte Hügel geführt wurden, keine Spur derselben nachzuweisen ist, dagegen alle Strata des Hautmuskelschlauchs con- tinuirlich über und unter dem Hügel weg verlaufend gefunden werden ©). Die Seiten- organhöhlen und Seitenorganspalten (Poren) des Thorax sind demnach keine fixen Gebilde, sondern vorübergehende, durch Lageveränderungen bedingte Zustände der Sinneshügel. Ein solches Verhältniss durfte wohl aber nicht abhalten, die betreffenden Bildungen ins Auge zu fassen und mit Namen zu belegen; ich unterschied daher am Thorax ausser den Sinnes- hügeln noch deren Höhlen, in welche sie zurückgezogen werden können, als Seitenorgan- höhlen, sowie die von Lippen begrenzten Spalten dieser Höhlen, als Seitenorganspalten, und fasse unter »Seitenorgan des 'Ihorax« diese drei Begriffe zusammen, wogegen die Bezeich- a) Taf, 2. Fig. 1. 2° Tar.0 10, 10 rs b), Taf 104 Big 12 D13507. c) Taf. 10. Fig. 10. Taf. 11. Fie. 2. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. c. Die Seitenorgane. 91 nung »Seitenorgan des Abdomens« unter allen Umständen mit dem Begriffe Sinneshügel iden- tisch bleibt. Wir haben gesehen, dass sich an der Basis der abdominalen Hügel je mehrere von der Stammesmuskulatur entspringende Muskeln inseriren, mit Hülfe welcher diese Organe ihre Stellung in Bezug auf die Körperaxen zu verändern vermögen. An den thoracalen Hügeln lassen sich keine solchen Muskelstränge wahrnehmen; es wäre aber auch schwer sich eine ähnliche Anordnung am '[horax vorzustellen, da ja am letzteren die Hügel keine so freie Lage haben wie am Abdomen, indem sie ringsum von den soliden Geweben des Haut- muskelschlauchs begrenzt werden. Durch welchen Mechanismus kommt nun aber die Zurück- ziehung, resp. die Vorstreckung der thoracalen Hügel zu Stande? Nach reiflicher Ueberlegung bin ich zur Ansicht gelangt, dass die Coincidenz der Zusammenziehung des "Thorax und der Einziehung der Hügel, sowie der Dehnung des Thorax und der Vorstreckung der Hügel keine zufällige ist, dass wir im Gegentheil in diesen, die Hügelexcursionen begleitenden '[horax-Gestaltveränderungen zum Theil das ge- suchte, ursächliche Moment vor uns haben. Wie die eingezogenen Hügel durch Dehnung der Leibesmuskulatur nach aussen gedrängt werden müssen, ist nach der vorhergehenden Beschreibung des Einstülpungsmodus leicht einzusehen; aber bei der Zurückziehung des Hügels muss sich wohl zur Contraction der Leibesmuskulatur, welche die Faltung der be- züglichen, die Hügel begrenzenden Hautschichten (resp. die Herstellung der Hügelhöhlen) ermöglicht, noch die Contraction transversaler, sich an der Circumferenz der Hügelbasis be- festigender und das Locale der Einstülpung bedingender Muskelfasern gesellen. Und es fehlt nicht an solchen; denn mit dem (hier ebenfalls dem Hügelcentrum zustrebenden) Haarfeld-Retractor ganz übereinstimmende Muskelbündel befinden sich auch im Umkreise des Hügels®). Die Grösse der Seitenorganspalten (Poren) schwankt, insofern man gleich grosse 'Thiere dem Vergleiche unterzieht, in ziemlich engen Grenzen; längs des Thorax eines gegebenen Thieres jedoch lässt sich von den vorderen zu den hinteren Segmenten eine allmähliche Zu- nahme der Durchmesser constatiren. Am erwachsenen 'Thiere schwanken diese Durchmesser zwischen 60 und 100 p, am jugendlichen zwischen 40 und 60 p, welche Maasse auf annähernd zur Kreisform expandirten Lippen beruhen. Die Hügel selbst weichen in ihrer Form etwas von denjenigen des Abdomens ab; sie sind nämlich nicht elliptisch, sondern rundlich knospenförmig, und diese Form erstreckt sich auch auf das Haarfeld nebst den darunter gelegenen Sinneszellen, so dass kein solcher Unterschied zwischen Längs- und Querschnitt besteht wie bei den abdominalen Hügeln. Das Haarfeld kann auch bei den thoracalen Seitenorganen mehr oder minder tief eingestülpt werden, und je nach dem Grade dieser Einstülpung schwankt sodann das Ansehen der Hügel auch hier zwischen dem von kugeligen Knospen, von deren distalem Pole die Sinneshaare a) Taf. 12. Fig. 1. 92 A. Anatomisch-Histologischer Theil. E4 ausstrahlen, und demjenigen von becherförmig ausgehöhlten Fortsätzen, aus deren Oeffnungen die Sinneshaare hervorragen. Sowohl an ausgestreckten, als halb oder ganz eingezogenen Hügeln habe ich das Haarfeld bald eingestülpt, bald hervorgewölbt angetroffen und unter meinen Augen häufig Hügel von dem einen Stadium in y E 5 das andere übergehen sehen. Die verschiedenen Stellungen, ) > = deren die retractilen Hügel demnach fähig sind, werden co za | durch die nebenstehenden schematischen Umrisszeichnungen | versinnlicht, welche als frontale, durch die Hügelcentra ge- Schematische Darstellung der Form- und Lageverände- D . rungen, deren die Seitenorgane fähig Ends TIEL führte Schnitte gedacht sind. dienen zugleich zur Bo Die Grösse der thoracalen Hügel steht hinter der- Formveränderun- P e gen dor nieht re jenigen der abdominalen etwas zurück; der Durchmesser ac abao -_ Oo nalen Seiten- . Es . .. an of . organe. ersterer erreicht nämlich selten über 60—-S0 p; ferner nimmt c. zurückgezogen mit vorgewölbtem Haarfelde. d. zurückgezogen mit eingezogenem Haarfelde. bei ihnen das Haarfeld einen viel kleineren Theil der a. ausgestülpt mit vorgewölbtem Haarfelde. b. ausgestülpt mit eingezogenem Haarfelde. Kugeloberfläche ein, was wohl mit der 'Thatsache in Zusammenhang steht, dass normal der grössere Theil dieser ihrer Oberfläche in der Hügelhöhle versteckt liegt, und nur die dem distalen Theile zunächst liegende Region frei bleibt. Die Sinneshaare unterscheiden sich in Nichts von denjenigen der abdominalen Seitenorgane; sie haben die gleiche Länge von 40—60 p, durchbohren die Cuticula und gehen in die derselben auch hier zunächst liegende Stäbehenschicht über. In Anord- nung und Form stimmen die Stäbchen?) mit den gleichnamigen Bildungen der Seiten- organe des Abdomens vollkommen überein, aber in ihrer Grösse bleiben sie hinter denjenigen der letzteren zurück, indem ihre Länge nur 3—4 px erreicht. Im Gegensatze hierzu über- treffen die Spindeln der thoracalen Hügel diejenigen der abdominalen bedeutend an Grösse; sie haben nämlich eine Länge von 14—20 p, sind selten so regelmässig spindelförmig wie letztere und setzen sich ferner häufig, anstatt vermittelst eines fadenförmigen Aus- läufers, mit breit abgestutztem Rande der Stäbchenbasis an®). Sie erinnern dann auffällig an gewisse, der Hypodermis zugehörige Zellformen, wovon weiterhin noch die Rede sein wird. Die Hauptmasse des Seitenorgans bilden auch hier die vorwiegend seine Basis ausfüllenden Kör- ner®. Wie im abdominalen Hügel, liegen sie dicht gedrängt und sind durch Fortsätze unter einander verbunden; nur in ihrer Grösse bleiben sie hinter den abdominalen etwas zurück, indem sie kaum 2— 3 p im Durchmesser erreichen. In den Präparaten fällt die grosse Ueber- einstimmung dieser Körner mit denjenigen der Hypodermzellen auf!), eine Uebereinstim- mung, welche ebenfalls weiterhin Berücksichtigung finden soll. Gelegentlich der Besprechung des in den abdominalen Hügeln ausstrahlenden Fibrillen- bündels, in welchem wir den Retractor des Haarfeldes erkannt haben, wurde der Schwierig- keit gedacht sich gegenüber einer solchen Aordnung von dem Eindrucke loszureissen, dass a) af. 11. Bio 2,2187, b) Tat. 14 2EiE.22.88p> e) Taf 10. Fig la Bier I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. ce. Die Seitenorgane. 93 man es hier ausschliesslich mit einem den Hügel versorgenden Nerven zu thun habe. Diese Schwierigkeit wächst angesichts der entsprechenden Fibrillen in den Seitenorganen des Thorax; denn hier ist ihr directer Uebergang in die basalen Abschnitte der Spindeln noch evidenter. Aber auch hier ist dieses schon im frischen 'Thiere als ein den Hügel durchsetzender Strang erkennbare Bündel nichts Anderes, als ein Muskelbündel®), welches durch seine Contraction die Einstülpung des Haarfeldes verursacht. Es ist zwar ein sehr grosser Abstand zwischen den gleichmässig bandförmigen, da und dort einen grossen, ovalen Kern enthaltenden Primitivfasern der die Stammesmuskulatur consti- tuirenden Bündel einer- und den uns beschäftigenden, überaus feinen, stellenweise spindelförmig anschwellenden Fäden andererseits, indessen, es wurde schon einmal darauf hingewiesen, dass die Muscularis anderer Organe, so diejenige des Darmes und der Septa, sich aus ganz ähnlichen, häufig kaum von Nerven unterscheidbaren Fibrillen aufbaue, und dem kann hinzugefügt wer- den, dass mit diesen Fibrillen ebenfalls auf das Genaueste übereinstimmen: die Anfänge oder Wurzeln aller der im Wurmleib vorhandenen transversalen Muskeln, sowie die Retractoren der Parapodien. Die Ursprünge dieser in der Perivisceralhöhle als geschlossene Bündel ver- laufenden Muskeln dringen nämlich in die longitudinale und circulare Stammesmuskulatur ein und zerfallen hier strahlenförmig in Fibrillen, welch’ letztere sich bis zur Basis der Hypodermis hin verfolgen lassen »). Im Abdomen entspringen die Haarfeldretractoren, wie wir gesehen haben, ähnlich den übrigen transversalen Muskeln an oder zwischen den Scheiden der neuralen Längsmuskulatur des Stammes; je nach den Arten findet der Ansatz dieser im Ganzen vorwiegend dorso- ventral gerichteten Stränge bald mehr im Bereiche der oberen, bald mehr im Bereiche der unteren Bündel statt. Im Thorax könnte schon wegen der Gesammtanordnung des Haut- muskelschlauchs, insbesondere wegen der fehlenden Unterbrechungen im Bereiche der Seiten- linien, ein solcher Ursprung und eine solche Richtung der Haarfeldretractoren nicht gedacht werden. In der That sind auch letztere hier ganz anders entspringende und ganz anders gerichtete Muskeln. Es sind nämlich, wie ich zu meiner Ueberraschung festzustellen hatte, die distalen Partien einzelner Protrusoren hämaler Parapodien, welche zugleich die Rolle der Haarfeldretractoren übernommen haben ©). Die Aufgabe dieser Protrusoren besteht darin die retractilen Parapodien nach aussen zu drängen; contrahirt sich nun zu diesem Behufe neben den übrigen Protrusoren auch der distal im Seitenorgan-Haarfeld sich ansetzende, so muss je gleichzeitig mit der Hervorstreckung des betreffenden Parapodiums eine Einziehung des Haar- feldes stattfinden. Es liegt nahe, in der durch diese Anordnung gesetzten Gleichzeitigkeit der Zustandsveränderung so heterogener Organe eine nützliche Relation zu erblicken. Man braucht sich nur zu erinnern, dass die Hervorstreckung der Parapodien mit Körperbewegung zu- sammenfällt, um die gleichzeitige Retraction der Haarfelder als eine Art reflectorisch wirken- der Schutzvorrichtung zu verstehen. a) Taf. 10. Fig. 10. 11. Taf. 11. Fig. 2, 8: R. M. b)" Tatı 10. B12.210.7 112 Tate 12.7 Big. 1. Ed PD. ec) Taf. 10. Fig. 10. 11. Pd. P. und $. R. M. 94 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Es bleibt noch nachzuweisen, auf welchem Wege das eingestülpte Haarfeld bei den thoracalen Hügeln wieder zur Ausstülpung gelangt. Bei den abdominalen ist es die Kraft des Blutstroms, welche diese Ausstülpung verursacht; hier aber kann diese Kraftquelle kaum in Betracht kommen, indem, wie aus unserer topographischen Beschreibung hervor- ging, am '[horax, zwischen der Perivisceralhöhle und den Seitenorganen, eine mächtige, mur durch Gewebslücken unterbrochene Muskulatur gelegen ist. Sollte vielleicht an den 'Thorax- hügeln die Hlastieität der eingestülpten Wandung allein genügen, um beim Nachlassen der Retractorwirkung das Haarfeld wieder in seine alte Lage zurückzubringen? Dasselbe Mo- ment könnte ja auch bei den abdominalen Hügeln den Ausstülpungsvorgang mit verursachen helfen. 2 Was nun schliesslich die Frage nach der Innervation betrifft, so ergab sich, dass es auch im 'I’horax einer der Spinalnerven resp. der Ast eines solchen ist, dessen Fibrillen die Seitenorgane versorgen; die genaueren Verhältnisse des Eindringens dieses Nerven sind mir allerdings hier, wo die Untersuchung auf viel grössere Schwierigkeiten stösst, unbekannt ge- blieben. Da wir aber keine Ursache haben anzunehmen, dass diese Verhältnisse in den beiden Körperregionen sich wesentlich verschieden verhalten, so verweise ich auf das in dieser Be- zichung für die abdominalen Hügel Festgestellte. Durch Seitenorgane geführte Schnitte zeigen auf den ersten Blick, dass wir es in diesen Sinneswerkzeugen mit Gebilden des Ectoderms zu thun haben. Zu Gunsten dieser auf unzweideutige topographische Thatsachen sich stützenden Ansicht kann ich nun als weiteren Beweis die Thatsache hinzufügen, dass ein vergleichendes Studium der Haut- und Hügelstructur die unverkennbarste Uebereinstimmung ihrer beiderseitigen Elemente ergeben hat. Unter der Voraussetzung, dass der Leser mit der in einem vorhergehenden Kapitel ®) gegebenen Darstellung der Hautstructur vertraut ist, wollen wir nun untersuchen, in welcher Weise letztere an den zur Entwickelung der Seitenorgane herangezogenen Partien modi- ficirt worden ist. Als wesentlichste Abänderung macht sich das Fehlen der Plasma- oder Drüsenzellen geltend; ausschliesslich die Fadenzellen sinä am Aufbau der Hügel betheiligt. An den zu grosser Selbständigkeit gelangten und mit Bezug auf ihre Structur stark differenzirten Hügeln des Abdomens ist die Zurückführung der Hügelelemente auf Fadenzellen nicht sofort in die Augen springend; diese Zurückführung ergiebt sich dagegen auf den ersten Blick bei den viel weniger aus dem Verbande der Haut herausgetretenen und in ihrer Structur ein viel ursprüng- licheres Verhalten darbietenden Hügeln des Thorax. Wenn wir an dem unter Fig. 2. Taf. I1 abgebildeten Querschnitte allein die als Stäbchen und Spindeln bezeichneten "Theile ins Auge fassen und mit den Fadenzellen der unmittelbar angrenzenden Hautpartien vergleichen, so ist die Uebereinstimmung in der "That eine schlagende. Der obere, an die Cuticula grenzende Abschnitt der Fadenzellen ist im Sinneshügel zum Stäbchen, der untere, in einen oder mehrere a) Vergl. p. 19—29. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. d. Die becherförmigen Organe. 95 Fäden auslaufende Abschnitt der Fadenzellen, das heisst der geschwänzte Kern, ist zur Spindel umgewandelt; denken wir uns nur in den angrenzenden Hautpartien die Drüsen- zellen weg und die Fadenzellen eng aneinandergerückt, so entsteht eine dem Ansehen des Hügels durchaus ähnliche Anordnung. Die Sinneshaare haben wir als den specifischen Lei- stungen des Hügels entsprechende, neu hinzugetretene Bildungen anzusehen; das Körner- ganglion dagegen nur als eine locale Häufung auch sonst in der Haut (zerstreut) auftreten- der Elemente. Für die ectodermale Natur der Sinneshügel kann ich endlich auch noch die Art ihrer Entwickelung am nachwachsenden Schwanzende, welch’ letzteres sich ja zeitlebens in einem embryonalen Zustande befindet, anführen. An den etwas herangewachsenen Segmenten dieses Körpertheiles lassen sich nämlich die in der Bildung begriffenen Hügel zunächst als An- sammlungen zahlreicher Kerne erkennen‘®), und diese sind durchaus identisch mit den Kernen der angrenzenden Hautpartien. Wie freilich das betreffende Material sich in die späteren Hügelelemente umwandelt, habe ich nicht zu eruiren vermocht. d. Die becherförmigen Organe. Die in den vorigen Kapiteln beschriebenen Sinneshügel wiederholen sich in je einem Paare vom ersten bis zum letzten borstentragenden Körpersegmente: es sind segmentale Organe; im Nachfolgenden haben wir es dagegen mit Sinneshügeln zu thun, welche am Kopflappen, 'Thorax und Rüssel durchaus unregelmässig zerstreut stehen: also mit diffus ver- theilten Organen. Den in der Ueberschrift gebrauchten Namen hat mir die grosse Achnlichkeit ein- gegeben, welche diese Gebilde mit den sog. becherförmigen Organen der Fische etc. dar- bieten. Allein CLararzpE'!) hat von der Existenz der becherförmigen Organe, und zwar solcher vom Kopflappen der Capitella capitata, Kenntniss gehabt und ihrer mit folgenden Worten gedacht: »La surface du lobe ce@phalique est en outre couverte de larges papilles eirculaires, mesurant 1 »!e en diamötre, percees chacune d’un canal dans l’axe et herisses de petits poils roides, fort courts«. Ich beginne mit den becherförmigen Organen des Kopflappens. Sie sind die weitaus am leichtesten nachweisbaren. Es genügt ein junges Thier, oder aber den abgeschnittenen Kopf eines erwachsenen unter mässig starker Vergrösserung zu be- trachten, um sofort einen oder den anderen Becher an den über das Niveau der Haut her- vorragenden Sinneshaaren zu erkennen. Zunächst pflegt man dieselben nur an den Seiten des Kopflappens, wo sie sich im Profil darstellen, wahrzunehmen; durch Drehen des 'Ihieres aber überzeugt man sich leicht, dass der Kopflappen in seiner ganzen Circumferenz 'Iräger solcher Organe ist. Auf je ein 2) Tat. s11. Rig. 3.9. 4. b)E Tara MEN 3292.22 0: 1 96 A. Anatomisch-Histologischer Theil. und derselben Einstellungsebene zählte ich von der Spitze bis zur Basis des Lappens 10—20 Or- gane. Daraus lässt sich ermessen, dass die Zahl derselben allein schon am Kopflappen nach Hunderten geschätzt werden muss. Bei oberflächlicher Einstellung auf das Profil eines becher- förmigen Organs?) erkennt man an dem Umbiegen des Cuticula-Contours die Grenzlinie des von der Haut hergestellten Bechers. Senkt man den Tubus, so verschwindet der dem Beobachter zugekehrte Theil der Becherwandung, und der die Sinneshaare tragende Kegel, das eigent- liche Sinnesorgan, welches ich auch hier als Sinneshügel bezeichne, kommt zum Vorschein. Wir müssen demnach, wie bei den retractilen Sinneshügeln (Seitenorganen) des 'Thorax, so auch hier, eine Hügelhöhle (den Becher) und den Sinneshügel selbst unterscheiden. Die Sinneshügel der becherförmigen Organe ragen gewöhnlich nur mit dem vordersten, die Sinneshaare tragenden Abschnitte aus den Bechern hervor; aber je nach dem Contrac- tionszustande sieht man sie bald weiter eingezogen, bald weiter ausgestreckt als in dieser ihrer Mittelstellung. Obwohl ich hierüber keine Beobachtung zu machen Gelegenheit fand, glaube ich doch, es als ziemlich sicher hinstellen zu dürfen, dass "die Höhle der becherförmigen Organe (der Becher) in ganz ähnlicher Weise zu Stande kommt wie diejenige der Seiten- organe des Thorax, dass also die Höhlen der ersteren ebensowenig fixe Bildungen sind wie diejenigen der letzteren. Die Form der diffusen Hügel ist derjenigen der segmentalen sehr ähnlich; sie bilden nämlich ebenfalls solide, rundliche oder kegelförmige Knospen. Bezüglich der Grösse aber stehen die ersteren hinter den letzteren bedeutend zurück, indem ihr Durchmesser durch- schnittlich nur 6—10 p, also etwa ein Zehntel der 'Thoraxhügel beträgt. Ueber die segmentalen Hügel hinweg sahen wir die Cuticula des Rumpfes in fast un- verändertem Durchmesser hinwegziehen; die becherförmigen Organe lassen keinen solchen — wenigstens so unveränderten — Uebergang der Cuticula auf ihre Hügel erkennen. Auch bei starker Vergrösserung vermochte ich keinen doppelten Contour nachzuweisen, so dass es lange fraglich erschien, ob sich bei den letzteren, entsprechend ihrer geringen Grösse, die Cutieula nur stark verdünne, oder aber, ob die Cuticula an diesen Stellen geradezu durch- brochen sei, und demnach die Hügelsubstanz frei zu Tage trete. Der Mangel jedweder solcher Durchbohrung an vom Kopflappen abgezogenen Cuticulafragmenten, sowie das in dieser Hinsicht viel deutlichere Verhalten der betreffenden Organe des Rüssels, entschied jedoch schliesslich zu Gunsten der ersteren Alternative. Die Sinneshaare der diffusen Hügel sind 4 » lang, wenig zahlreich, und ihrer ganzen Länge nach gleich breit, also stäbchenförmig; wogegen diejenigen der segmentalen Hügel, wie wir sahen, sehr zahlreich, haarförmig und 40—60 p, also etwa lOmal so lang sind. In der Breite stimmen beide so ziemlich überein; auch verläuft das Absterb-Phänomen an den Sinneshaaren der diffusen Hügel ganz ähnlich wie ich es von denjenigen der segmentalen geschildert habe. I. Notomastus. 6. Sinnesorgane. d. Die becherförmigen Organe. 97 Was die Structur betrifft, so verweise ich auf die Beschreibung der becherförmigen Organe des Rüssels, da sich an jenem Körpertheile, dank der viel weniger massigen Ent- wickelung des Eetoderms, die Elemente der Sinneshügel besser unterscheiden lassen als hier. Ueber die Innervation der einzelnen Becher vermag ich nicht viel mitzutheilen; nur das will ich hervorheben, dass der Schlundring, kurz bevor er das Gehirn erreicht, jeder- seits einen starken, nach dem Kopflappen hin verlaufenden Ast abgiebt, dass ferner auch die vorderen Gehirmlappen in je einen, nach dem Kopflappen zu gerichteten und sich in dem- selben verzweigenden Fortsatz auslaufen”), und wir daher den einen oder anderen dieser Nervenäste wohl als den die fragliche Innervation vermittelnden ansehen dürfen. Im Gegensatze zu den becherförmigen Organen des Kopflappens sind diejenigen des Thorax schwer wahrzunehmen, da sie meistens durch die übereinander geschobenen Haut- polygone verdeckt werden. Auch hier lassen sich diese Organe überhaupt nur an den Seiten des der Beobachtung unterzogenen '[hieres, also vom Profil, gut erkennen; durch Drehen des Wurmes überzeugt man sich aber, dass der ganze Umfang des Thorax stellenweise mit becherförmigen Organen besetzt ist. Ich zählte auf einer Einstellungsebene von der vorderen Grenze des vierten bis zur vorderen Grenze des fünften Segments drei solche Organe; weiter- hin scheinen sie spärlicher aufzutreten, um am Abdomen ganz zu verschwinden. Weitaus am dichtesten stehen sie aber am Mundsegment, welches, vorzüglich in seinem neuralen, der Mundöffnung zu gerichteten Abschnitte förmlich damit besät ist. Nach alledem müssen wir wohl ihre Zahl am vorderen Körperabschnitte nach Tausenden schätzen. Die becherförmigen Organe des Thorax stimmen mit denjenigen des Kopflappens voll- ständig überein; die Fig. S und 9. Taf. 11 könnten, abgesehen von dem etwas anderen Ver- halten der Hypodermis, gerade so gut solche Organe vom 'Ihorax wie vom Kopflappen dar- stellen; alles in Bezug auf Bau und Structur von letzteren Gesagte gilt daher auch für erstere. Nur hinsichtlich der etwaigen Innervation möchte ich bemerken, dass von der Bauch- ganglienkette sowohl, als auch vom Schlundringe zahlreiche Nervenäste zur Haut abgehen, und es wohl Zweige solcher sein werden, welche die becherförmigen Organe des 'I'horax versorgen. Auffallend ist das Vorkommen becherförmiger Organe am Rüssel; und zwar um so mehr, als sich diese Organe in nichts von denjenigen des Kopflappens und 'Thorax unterscheiden. Studirt man aber den Bau dieses Rüssels näher, so findet man, dass er seiner Zusammensetzung nach durchaus das Gepräge des Hautmuskelschlauchs, und nicht dasjenige des Darmes an sich trägt, dass er sich überhaupt ganz wie eine Einstülpung der Körperwandungen ver- hält. Zunächst finden wir dieselben Cuticula-Polygone, nur in Gestalt von Papillen stärker hervorgewölbt; unter diesen Polygonen erscheint ein vollständig mit der Hypodermis über- einstimmendes Gewebe, und unter letzterem endlich eine entsprechende Schicht von Längs- a) Vergl. p. 57. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 13 98 A. Anatomisch-Histologischer Theil. und Ringmuskelfasern. Erst an derjenigen Stelle des Schlundes, welche normal nicht mehr zur Vorstülpung gelangt, nehmen die Wandungen des Tractus den Charakter einer stark gefalteten Schleimhaut an, deren Oberfläche mit Flimmerhaaren besetzt ist ®). Fast eine jede Papille®) des Rüssels ist Träger eines becherförmigen Organs, so dass auch hier deren Zahl viele Hunderte betragen muss. Die Lage derselben fand ich constant auf dem freien Pole der Papille. An den becherförmigen Organen des Rüssels liessen sich, dank der viel weniger mächtigen hypodermalen Schicht, einige Beobachtungen über deren Structur machen. Es wird hier nämlich ohne weiteres klar, dass sich die Cuticula im Haarfeldbezirk nur stark verdünnt; überdies wird die Continuität derselben zweifellos erwiesen durch Macerationsprä- parate, an welchen die Cuticula abgezogen werden konnte»). In gelungenen Schnitten durch die Papillen ©) macht sich ein central unter dem Becher gelegenes Bündel sehr langgezogener, den Hypodermfadenzellen ähnlicher Elemente geltend, in welchen wir unschwer die in die Sinneshaare übergehenden Stäbchen und Spindeln wieder erkennen. An den Basen der letzteren fehlen auch die Körner nicht, so dass also im Wesentlichen der Bau der becher- förmigen Organe mit demjenigen der Seitenorgane übereinstimmt, indem die Elemente beider sich gleicherweise als Modificationen der angrenzenden Hypodermfadenzellen auffassen lassen. Hier am Rüssel ist es mir gelungen, Fasern der Ringmuskulatur in die Hügelelemente hinein zu verfolgen ®); diese Fasern haben wohl die Aufgabe, die Becherhöhle mit bilden zu helfen. Auch über die Innervation dieser Hügel vermag ich nichts Bestimmtes mitzutheilen. 7. Parapodien. Die Anatomie dieser Organe ist bisher ganz unberücksichtigt geblieben; es finden sich nur Angaben über deren Vertheilung am Körper, sowie über die Form der systematisch eine tolle spielenden Borsten, auf welche Angaben bei Besprechung der einzelnen Formen speciell eingegangen werden muss. Die Parapodien der Capitelliden erscheinen auf den ersten Blick im Vergleiche mit denjenigen vieler anderer Anneliden schwach entwickelt, so dass z. B. CLAPAREDE') in seiner Beschreibung des Notomastus Sarsü sagen konnte: die Borsten (des Thorax) seien in Er- mangelung deutlicher Hervorragungen direct in die Haut eingepflanzt. Dieses Verhalten ist aber nur ein scheinbares; in Wahrheit erreicht die Ausbildung der Parapodien dieser Anne- lidenabtheilung einen sehr hohen Grad und steht in solcher Hinsicht wenig anderen nach. a) Taf. 11. Fig. 10—14. B. O. b). Taf. 192 Big. 13. e) Rat. ER dlETar., 1% I. Notomastus. 7. Parapodien. 99 Es geht in unserem Falle den betreffenden Organen nur die Deutlichkeit ab, indem die freien, mit Anhängen versehenen, äusseren Stummelbildungen fehlen, und allein jene die Borsten bildenden und umfassenden Theile, die sog. Borstendrüsen mit ihren locomotorischen Apparaten, entwickelt sind. Letztere Drüsen sind am "Thorax überdies retractil, so dass, je nachdem sie eingezogen oder ausgestülpt werden, die eine oder die andere Auffassung be- züglich der Parapodien entstehen kann. Auch die Hakenwülste des Abdomens ragen wenig über den Leib heraus, zeigen aber eine um so mächtigere Entwickelung in der Fläche. Alle Segmente mit Ausnahme des Mund- und Aftersegments tragen Parapodien. Allein in dem nachwachsenden Schwanzende zeigen letztere eine unvollkommene Ausbildung, und zwar in um so höherem Grade, je mehr man sich dem After nähert, so dass in den diesem Theile unmittelbar vorausgehenden Zoniten nur noch in Entwickelung begriffene Hakenwülste an- getroffen werden. Die Parapodien treten stets in je zwei Paaren auf: einem neuralen, dessen proximale Theile in die Nierenkammern, und einem hämalen, dessen entsprechende Theile in die Darm- kammer hineinragen %). Mit Bezug auf ein gegebenes Segment haben sie ihre lage — abgesehen von den drei bis vier ersten thoracalen, häufig inmitten der Zoniten gelegenen — constant im Bereiche des hinteren Septumsb), also in einer Ebene mit den Seitenorganen. Nahezu bei allen Organsystemen musste des Gegensatzes zwischen dem vorderen und hinteren Körperabschnitte, zwischen Thorax und Abdomen, gedacht werden; wenig andere Systeme tragen nun aber zur Markirung dieses Gegensatzes so viel bei wie die Parapodien. Am Thorax ©), und zwar, wie für das Genus Notomastus charakteristisch ist, elf Segmente hindurch, stellen sie sich als durchaus selbständige, mit den Drüsentheilen in die Leibes- höhle und mit den Borstenabschnitten nach aussen ragende Keulen dar; am Abdomen !) dagegen als gürtelförmige, im engsten Anschlusse an die Leibeswandungen, je den grössten Theil der Segment-Circumferenzen einnehmende, mässig hervorragende Wülste (Tori). Bei den ersteren treten die Borsten als geschlossene Bündel langer und in Folge dessen weit über die Körperoberfläche hinausragender Pfriemen, bei den letzteren treten sie als reihenförmig angeordnete, wenig über das Niveau der Haut vorspringende Haken auf. "Trotz dieses Habi- tuscontrastes, welcher seitens früherer Bearbeiter besonders scharf von Sars'!) in systematischer Hinsicht betont wurde, herrscht nun aber, wie im Folgenden gezeigt werden soll, in der Anatomie der beiderseitigen Organe eine überraschend grosse Uebereinstimmung. Beginnen wir mit den Parapodien des Thorax. Sie haben, wie schon hervorgehoben wurde, Flaschen- oder Keulenform; ihr langer Durchmesser beträgt, je nach der Grösse der T'hiere, 200—400, ihr kurzer 100—200 p. An ihrer Anheftungsstelle zeigen alle Schichten des Haut- muskelschlauchs eine Unterbrechung. Die Fasern der Längs- und Ringmuskulatur verstreichen ringförmig und die Haut stülpt sich in eben solcher Form ein, um mit dem Parapodium a) Taf. 14. Fig. 1. b) Taf. 2. Fig. 1—7. c) Tat. -10. Fig. 10.- 11. Taf 11, Ber 18. 2a. T. dy- Taf. 12. Fig. 2.5. Pa. A. 1) 1. p. 2. c. (Fauna littoralis) p. 11. 100 A. Anatomisch-Histologischer Theil. zu verschmelzen. Dadurch ist eine rundliche Oeffnung geschaffen, welche dem Organe die Aus- und Einstülpung gestattet ®). Schon bei oberflächlicher Betrachtung zeigt es sich, dass die Parapodien aus zwei ziem- lich stark von einander abweichenden '[heilen bestehen: nämlich aus einem distalen, con- tinuirlich in die Haut übergehenden, und einem proximalen, Borsten erzeugenden, welche zwei Theile sich übrigens an den Berührungsstellen auf's Innigste mit einander verschmolzen zeigen’). Der erstere 'Theil, dessen Entstehung durch Hauteinstülpung nicht zu verkennen ist, indem sich die sein Epithel zusammensetzenden Zellen von denjenigen der Hypodermis nur dadurch unterscheiden, dass sie etwas niedriger sind, möge als Hauteinstülpung des Parapodiums bezeichnet werden; die von ihm gebildete Falte macht allein jene für die partielle Aus- und Einstülpung des Gesammtorgans nöthigen Excursionen möglich. Der zweite, borstenerzeugende, hinsichtlich seiner Structur auffällig von derjenigen des vorhergehenden abweichende "Theil möge, seiner vornehmsten Function nach, Borstendrüse heissen. In Quer- oder Längsschnitten ©) durch Borstendrüsen erscheint als äusserste Schicht eine verschieden mächtige Membran ohne deutliche Zellgrenzen: es ist der das Organ umhüllende Peritonealsack. Die Membran dieses Sackes setzt sich auch continuirlich auf die Hautein- stülpung des Parapodiums fort und geht von da in das allgemeine, die Lieibeshöhle aus- kleidende Peritoneum über. Hierauf folgt eine zweite, viel weniger mächtige, aber dafür bedeutend compactere Schicht, welche als Membrana propria der Borstendrüse anzusehen ist. Von dieser letzteren, durch sporadisch auftretende Kerne auch ihrerseits einen zelligen Ursprung verrathenden Membran ziehen nun zahlreiche, in den verschiedensten Richtungen aufeinander stossende Lamellen nach dem Lumen der Drüse und theilen dieses in eine grosse Anzahl von Fächern. Alle diese Fächer entsprechen wohl ursprünglich Zellen, da wir sie da, wo noch keine Borsten vorhanden sind, meistens von Zellsubstanz und zugehörigen Kernen ausgefüllt finden. In dem Maasse aber, als die Borsten von der Basis der Drüse aus nach dem distalen Ende hin wachsen, verdrängen sie die ihnen im Wege stehenden Zellsubstanzen, so dass nun eine grosse Anzahl dieser Fächer lediglich den Borsten als Scheiden dienen. Die eigentlichen Zellenkörper) sind durchaus nackt und laufen zum "Theil in zahlreiche Fort- sätze aus; ihre Grösse schwankt zwischen 8 und 12 p; ihre Substanz ist meist blass, fein- körnig und schwer tingirbar; zuweilen traf ich letztere aber auch streifig, wie aus feinen Fasern ®) bestehend. Jede dieser Borstendrüsen enthält vierzig bis fünfzig sogenannter Pfriemenborsten. Viele derselben, nämlich die zum Ersatze bestimmten Reserveborsten, liegen ganz in der Drüse eingeschlossen; andere, nämlich die ausgewachsenen, fungirenden, stecken nur je mit ihren Basen in der Drüse, wogegen sie mit ihren Schäften als geschlossenes Bündel nach aussen ragen. Die Pfriemenborsten f) haben frisch ein strohgelbes Ansehen und lassen deutlich eine homogene a) Taf. 2,1 Big, 21 Tafı 116) Pig 18. b) Taf. 11. Fig. 19. eo Ta 11. Big. As 9 d) Taf. 13. Fig. 2. e) Taf. 11. Fig. 19. f\ Taf. 11. Hip. 18-213 Tara 13.KHie03 0A VE Tarzsale I. Notomastus. 7. Parapodien. 101 Scheide und einen faserigen Inhalt erkennen; sie sind von rundlichem Querschnitte und ver- jüngen sich von der Basis zur Spitze hin ganz allmählich, so dass sie lang ausgezogene, leicht S-förmig gekrümmte Kegel darstellen. An ihrem freien Ende werden sie von zwei gegen- überstehenden, etwa ein Drittel der Gesammtlänge der Borste einnehmenden und an der äussersten Spitze mit dem Schaft verschmelzenden Säumen eingefasst, welche dem Borstenende ein lancettförmiges Ansehen verleihen. In der Profilansicht der Borste kommt natürlich nur je der linke oder rechte Saum zur Ansicht, und diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass einige Autoren diese Borsten als mit nur einem Saume ausgerüstet dargestellt haben. Die Länge der ausgewachsenen Pfriemenborsten beträgt bei Notomastus lineatus ungefähr 1 mm, ihre grösste Breite 5—6 p; ich fand sie sowohl in den verschiedenen Bündeln eines gegebenen Thieres, als auch in verschiedenen Individuen derselben Species, ja, abgesehen von Schwan- kungen in der Länge des Schaftes, sogar auch bei den verschiedenen Species des Genus Notomastus von durchaus ähnlichem Verhalten. Im Vergleiche mit den massiven Haken des Abdomens sind die Borsten des 'Thorax sehr zarte Gebilde; trotz ihres starren Ansehens er- weisen sie sich überaus biegsam, so dass ihnen selbst als geschlossenen Bündeln kaum viel Widerstandskraft innewohnen kann. Wir haben gesehen, dass schon die unversehrte, frische Borste deutlich eine homogene Scheide und einen faserigen Inhalt erkennen lässt; diese Structur offenbart sich noch viel deutlicher in Quer- und Längsschnitten. Die Scheide ist homogen, stark lichtbrechend und ungefähr I p breit; sie färbt sich niemals. Die durch eine /wischensubstanz von einander getrennten Fasern sind ebenfalls homogen, von rundlichem Querschnitt, kaum ", & breit und, besonders nach Behandlung mit Kalilauge, sehr tinctions- fähig. Die oben erwähnten Säume sind als Produkte der Scheide zu betrachten: in Jungen Borsten reichen sie von der Spitze bis zur Basis, überhaupt weisen dieselben eine relativ um so grössere Länge auf, je jünger die Borsten sind (die allerjüngsten Stadien ausgenommen, welche noch keine Spur von Säumen erkennen lassen), was darauf schliessen lässt, dass das Borstenwachsthum lediglich auf deren Basis beschränkt bleibt. Die ausgewachsenen Borsten pflegen mit gerade abgestutzter Basis zu enden; die jüngeren, noch im Wachsthum befind- lichen enden dagegen mit einer kolbenförmigen Anschwellung, oder umgekehrt, sich etwas verjüngend. In beiden Fällen ist diese Basis von weichem, homogenem Ansehen; in ihr haben wir den Heerd vor uns, von dem das Wachsthum auf Kosten des umliegenden Zellenmaterials ausgeht. Während sich die Parapodien des 'Ihorax neural und hämal ganz ähnlich verhalten, herrscht mit Bezug auf die Parapodien des Abdomens ein Unterschied: die neuralen Hakenwülste übertreffen nämlich im Anfange des genannten Körpertheils die hämalen be- deutend an Ausdehnung ®); weiterhin nimmt sodann die Grösse der hämalen zu und diejenige der neuralen ab, bis schliesslich im Bereiche des Körperendes der Gegensatz ganz aufhört und die Tori der beiden Körperseiten eine nahezu gleiche Erstreckung aufweisen®). Auch a) Taf. 10. Fig. 2. Taf. 12. Fig. 2. Pd. A.n. b) Taf. 13. Fig. 6.- ?Zd. A. n. Tai®15. Fig. 31. Bd As n. und Pd. 4. % 102 A. Anatomisch-Histologischer Theil. die Lagerungsverhältnisse gestalten sich etwas anders. Gegenüber der nahezu linearen Vertheilung sowohl der hämalen, als auch der neuralen Bündelreihe des 'I[horax, finden wir die hämalen Tori im Anfange des Abdomens ganz auf der Rückenfläche, der Medianlinie je stark genähert (daher der Genusname »Notomastus«), und weiterhin rücken sie immer mehr auf die Flanken herab. Die neuralen "Tori ferner erstrecken sich in den ersten Segmenten nicht nur ventral bis in den Bereich der Medianlinie, sondern auch dorsal bis zur Parapodkiemen- tasche, von welchen beiden Punkten sie sich sodann ebenfalls allmählich zurückziehen, um schliesslich am Körperende die ventralen Flanken einzunehmen. Wie diese letztere Lagever- änderung zum Theil Hand in Hand geht mit derjenigen der neuralen Stammesmuskulatur resp. mit derjenigen der Seitenlinie, wurde bereits in anderen Kapiteln betont”. Abgesehen von diesen Grössen- und Lagerungsdifferenzen bestehen nun aber zwischen den neuralen und hämalen Hakenwilsten keinerlei nennenswerthe Abweichungen, so dass die nachfolgende Beschreibung des anatomischen Verhaltens für beide gleicherweise gültig ist. Die Parapodien des Abdomens stellen, äusserlich betrachtet, wulstförmige Erhebungen des Hautschlauches dar, daher der für sie so häufig gebrauchte Name »Hakenwülste« oder »Toric.. Auch hier werden Hauteinstülpungen ®) zur Bildung der distalen Partien heran- gezogen, und wie bei den Parapodien des 'I'horax vereinigen sich mit diesen Einstülpungen drüsige, borstenerzeugende Theile, sog. Borstendrüsen®). Die Verschiedenheit des Habitus der beiderseitigen Organe wird, wie schon hervorgehoben wurde, hauptsächlich durch den Umstand bedingt, dass die Tori des Abdomens anstatt innerhalb der Leibeshöhle gelegene, massive Körper, flächenhaft über der Längsmuskulatur ausgebreitete Wülste darstellen. Zwischen diesen Wülsten — wenigstens in ihrem hämalen Bereiche — und der Stammes- muskulatur befindet sich aber ein Hohlraum ©, der gewissermaassen denjenigen der Leibeshöhle ersetzt, d. h. die Möglichkeit des Ansetzens der Parapodmuskeln sowie diejenige der Excur- sionen des Organs resp. der Haken gestattet. Dieser Hohlraum steht bei den neuralen Hakenwülsten einerseits durch eine basale Oeffnung mit den Nierenkammern der Leibeshöhle in Communication und andrerseits geht er direet in die Parapodkiemenhöhlen über, welche ja nichts anderes als zipfelförmige Verlängerungen der Parapodhöhlen selbst darstellen. Gewisse Abschnitte des Hohlraumes pflegen von saftigem Peritonealgewebe (sog. blasigem Bindegewebe) eingenommen zu werden; weitaus seinen grössten Theil erfüllt aber das ihn zum Behufe der Respiration passirende Blut. Bei Notomastus lineatus und Benedeni kann man nur von neuralen Parapodkiemenhöhlen sprechen, indem die Spalträume der hämalen kaum über das durch die Hakenmuskulatur geschaffene Bedürfniss hinausgehen; anders bei ANotomastus profundus und N. fertilis: hier erscheinen die hämalen Parapodien schon am frischen Thiere wie kissenartig angeschwollen @), und leicht überzeugt man sich davon, dass in ihnen, gerade so wie in den neuralen Parapodkiemenhöhlen, das Blut durch besondere Spalten behufs der a) Taf. 14. Fig. 22. Taf. 12. Fig. 5. Taf. 13. Fig. 1. b) Taf. 12. Fig. 4—8. c) Taf. 10. Fig. 1—3. Taf. 12. Fig. 2. 6. 7. Pa. K. 4. a) "Taf.n 2, Rig 6. a) Vergl. p. 13, 31 und 78. und Holzschnitt p. 78. I. Notomastus. 7. Parapodien. 103 Athmung rhythmisch hin und her bewegt wird. In Schnitten durch solche Parapodien erkennt man denn auch einen ziemlich umfangreichen, von Muskeln durcehzogenen Hohlraum ®), welcher im Gegensatze zur neuralen als hämale Parapodkiemenhöhle bezeichnet werden mag. Bei Notomastus profundus erlangen diese hämalen Parapodkiemenhöhlen im hinteren Abschnitte des Abdomens überdies eine sehr auffallende Erweiterung, indem nämlich die kissenartigen, hämalen Tori jederseits zipfelartig ausgestülpt sind und so distinete Kiemen®) bilden, welche sich von denjenigen des Dasybranchus und Mastobranchus nur dadurch unterscheiden, dass sie der Ver- zweigungen entbehren und in weniger hohem Maasse zurückgezogen werden können. Die Elemente der distalen Abschnitte der Hakenwülste, also der Hauteinstülpungen, stimmen durchaus mit denjenigen der benachbarten Hypodermstrecken überein; wo letztere vorwiegend aus exquisiten. Fadenzellen bestehen, da stossen wir auch im Torus auf solche; wo diese Fadenzellen in den genannten Hautstellen ein saftiges Ansehen annehmen, da dehnt sich dieses Ansehen auch auf die entsprechenden Zellen der Tori aus. Die abdominalen Borstendrüsen ©) werden ähnlich den thoracalen von zwei Blättern, dem Peritonealsacke und der Membrana propria umhüllt; die Grenze zwischen beiden Membranen ist aber meistens keine scharfe. Das in diesem Doppelsacke eingeschlossene Drüsengewebe ist entsprechend der langgezogenen Wulstform, sowie entsprechend der reihenförmigen Anordnung der Haken, auf einen medialen Streifen beschränkt); Zellgrenzen lassen sich in diesem drüsigen Materiale nur selten und selbst dann auch nur andeutungsweise erkennen; meistens begegnet man einem compacten Syneytium, in welchem die Kerne in durchaus unregelmässiger Weise zerstreut liegen. Auch das Lumen der abdominalen Borstendrüsen wird durch Lamellen der Mem- brana propria in ein System von Kammern abgetheilt und zwar zeigen diese Lamellen hier, in Folge der reihenförmigen Anordnung der Haken, im Gegensatze zu der unregelmässigen Gliederung der Thoraxparapodhöhlen, eine ganz regelmässige Stellung ©); es verläuft nämlich zwischen je zwei Haken eine von der vorderen zur hinteren Wand der Drüse gerichtete Membran, wodurch das Lumen des Organs in eben so viele, der Längsaxe des Thieres parallel gerichtete Hauptkammern abgetheilt wird; schwächere, rechtwinklig hierauf gestellte Blätter gliedern sodann diese Kammern in kleinere, secundäre Räume. Die dieses Fachwerk her- stellenden Lamellen, und zwar hauptsächlich diejenigen erster Ordnung, zeigen eine viel stärkere Entwickelung als diejenigen der Parapodien des 'I'horax; sie sind viel breiter und enthalten im Gegensatze zu jenen zahlreiche, durch bedeutenden Umfang sich auszeichnende Kerne. Eine Verwechslung dieser Kerne mit solchen des Drüsengewebes ist bei den ab- dominalen Parapodien um so weniger zu befürchten, als ja bei ihnen dieses Gewebe, wie schon betont wurde, in einen medialen, an der Basis des Torus gelegenen Streifen zusammen- gedrängt erscheint. Ich habe nun noch einer Anordnung in den Hakenwülsten zu gedenken, für welche a) Tat. 12. Big. 2. Pa. K. H. b)elare 2... Fig 7. Tara Eig. 10. har ke hr ce) Dat. 12. Fig. 3—8. dA)" Taf. 12% Big: 52 7, 8: e) Taf. 12. Fig. 8. 104 A. Anatomisch-Histologischer Theil. sich in den Thoraxparapodien keinerlei Analogon findet: es sind das drei der Längsaxe des Torus parallel gerichtete, den Haken enge anliegende Muskelbündel. Bei Notomastus pro- \ ‚Fundus®) ist deutlich zu sehen, wie das mittlere derselben auf der Vorder- (Kopf-) Seite und die endständigen auf der Hinter- (Schwanz-) Seite befestigt liegen, so dass deren Function, die in einer Reihe angeordneten Haken in dieser Lage (im Verein mit den Scheiden) fixiren zu helfen, kaum zweifelhaft bleiben kann; eine Function, für welche bei den zu einem com- pacten Bündel aggregirten Pfriemenborsten der Thoraxparapodien keine Veranlassung vorliegt. Auch über die Herkunft dieser drei Muskelbündel ertheilen uns die ceitirten Schnitte befrie- digende Auskunft; man sieht sofort, dass deren Fasern aus der Ringmuskulatur des Haut- muskelschlauchs entspringen, dass sie also nichts Anderes als Theile der an dieser Stelle in mehrere Bündel zerfallenen Ringfaserschicht des Stammes darstellen, welche Bündel sich am hämalen Ende des Parapodiums wieder vereinigen, um die Kiemenmuskulatur bilden zu helfen. Die Längsmuskulatur des Stammes partieipirt nur an der Basis der Parapodhöhlenwandungen, indem sich einige Bündel halbkreisförmig vorwölben®); der hierdurch geschaffene Hohlraum verbindet die Parapodkiemenhöhle mit der Bauchstrangkammer der Leibeshöhle. Als Eigen- thümlichkeit der Untergattung Tremomastus muss noch hervorgehoben werden, dass sich, ähn- lich wie bei Dasybranchus, im Bereiche der Parapodien zwischen Haut und Ringmuskelschicht einzelne Bündel der Längsmuskulatur einschieben, so dass an den betreffenden Stellen die typische Reihenfolge der Muskelschichten gestört erscheint ©). Aehnlich wie bei den meisten übrigen Anneliden enden auch bei den Capitelliden die Hakenwülste nicht gerade, sondern spiralig gekrümmt, und in diesen frei in die Leibes- höhle hineinragenden Spiralen findet auch hier die Bildung neuer Haken (Reserveborsten) statt. In Fig. 5. Taf. 12 von einem Schnitte durch eine solche Spirale schen wir zwei Haken in der Bildung begriffen; was aber besonders auffällt, ist die innige Weise, in der dieser Ab- schnitt des Parapodiums mit der Hypodermschicht zusammenhängt. Die Hakenspirale endet nämlich nicht frei in der Leibeshöhle, sondern biegt aus dieser nach der Haut hin ab, um mit letzterer zu verschmelzen. Solche Präparate, wie der citirten Figur zu Grunde liegen, lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass an dieser Stelle, also dem Heerde der Hakenbildung, zeitlebens eine Einwanderung von Ectodermzellmaterial stattfindet; gewiss ein schlagender Beweis für die ectodermale Natur der Borsten. Im Genus Notomastus liegt die Reserve- borsten erzeugende Spirale in allen Parapodien constant hämal; wir werden sehen ®), dass sich eine der anderen Gattungen in diesem Punkte abweichend verhält. Die Haken Ü) des Notomastus haben im frischen Zustande ein gelbliches oder bräunliches Ansehen; ihre Länge beträgt bei Notomastus lineatus durchschnittlich S0, ihre mittlere Breite 4 bis 5 p; sie stellen sich in der Profilansicht als rundliche, in der Mitte leicht angeschwollene Stäbe dar, deren Basis sichelförmig und deren freies Ende vogelkopfartig gekrümmt endet; a) Tat. 12. Fig.02. 3. Pd. H R.M: b) Taf. 12. Fig. 6. 2a. HDEM. () la ats 2 8 2a. 3, LM. d) Tat. 2. Big. 22. und Taf, 31: a) Vergl. Dasybranchus, Kapitel Parapodien. I. Notomastus. 7. Parapodien. 105 dem letzteren Ende sitzen überdies mehrere, meist drei, spitze Zinken auf, von denen der unterste der grösste zu sein pflegt. Untersucht man die Haken nicht bloss in der Profilan- sicht — wie dies bisher fast ausschliesslich geschah —, sondern auch in der Flächenansicht, so findet man, dass den erwähnten drei übereinander geordneten Zinken in Wirklichkeit drei Reihen solcher entsprechen, von denen natürlich in Folge der Krümmung des Kopfes, bei einer gegebenen Einstellung des Tubus, nur je eine deutlich zur Ansicht gelangen kann. Jede dieser Reihen enthält 7—10 Zinken, so dass deren im Ganzen etwa 20 30 vorhanden sein mögen. An Stelle der bei den Pfriemen vorhandenen Säume werden die Haken, und zwar deren Köpfe, von dünnhäutigen, an ihrer concaven Seite geöffneten Hauben umhüllt, welche Gebilde wahrscheinlich nur beim Durchbrechen der Hypodermis eine Rolle spielen, indem sie bei den ausgebildeten Haken häufig fehlen, oder doch nur unvollkommen erhalten sind. In der Profilansicht kommt man über das wahre Verhalten dieser Hauben schwer in's Klare; es bedarf hierzu ebenfalls der Ansicht in der Pronatio und Supinatio. Die letztere ist am geeignetsten, um sich davon zu überzeugen, wie die Hauben nach innen zu geöffnet sind. Man findet sie bald fest mit dem Hakenkopfe verwachsen, bald weit von ihm abstehend; in den meisten Fällen ist ihr Rand glatt, zuweilen aber erscheint er auch mit einer ähnlichen Zähnchenreihe besetzt, wie der Hakenkopf selbst deren mehrere besitzt. An Haken, auf welche Kalilauge eingewirkt hatte, oder welche einem starken Drucke ausgesetzt worden waren, sah ich häufig die oberste Zähnchenreihe des Kopfes sich gemeinsam mit der Haube ablösen, so dass nach dieser Beobachtung die Herkunft jener Haubenzähne nicht zweifelhaft sein kann. Die Zahl der in einem Parapodium enthaltenen Haken schwankt ausserordentlich je nach der Körperregion. In den neuralen Parapodien der ersten abdominalen Segmente eines erwachsenen Notomastus lineatus zählte ich deren 115, in den hämalen 40; in der Abdomen- mitte desselben Thieres neural 95, hämal 34, und am Abdomenende sowohl neural, als hämal je ungefähr 30. Von da ab fährt die Zahl der Haken fort stetig weiter zu sinken, bis schliesslich am nachwachsenden Schwanzende — in den in der Entwickelung begriffenen Parapodien — nur noch einzelne, ebenfalls in unvollkommener Ausbildung befindliche, an- getroffen werden. In ihrer Structur stimmen die Haken im Wesentlichen mit den Pfriemenborsten über- ein; sie bestehen wie diese aus einer homogenen Scheide und einem hiervon abweichend geformten Inhalte®). Während aber bei den Pfriemenborsten dieser Inhalt der ganzen Länge nach aus Fasern besteht und nur zuweilen an der Basis ein protoplasmatisches Ansehen darbietet, treffen wir bei den Haken umgekehrt zuweilen nur die obere Hälfte aus Fasern zusammengesetzt und den ganzen übrigen T'heil von einer kömigen Masse erfüllt. Bei Notomastus Benedeni, besonders aber bei Notomastus profundus kommt es sogar vor, dass ein verschieden grosser Theil des Innenraums von einer gelben Substanz) eingenommen wird, deren a) Taf. 13. Fig. 5. b) Taf. 33. Fig. 7. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 14 106 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Flemente auffallend mit den Excretbläschen der Nephridien, der Blutscheiben sowie des Peri- toneums übereinstimmen. Im Hinblicke auf die traditionell anerkannte systematische Bedeutung der Borsten, ins- besondere der Haken, habe ich von jeder Notomastus-Species die verschiedenen Körperregionen daraufhin vergleichend untersucht®. Das Resultat ist ein für den Systematiker keineswegs er- freuliches zu nennen; denn nicht nur sind die Haken der verschiedenen Körperregionen einer gegebenen Species unter sich von grösster Aehnlichkeit, sondern auch die Unterschiede der- selben in den verschiedenen Species sind überaus geringfügig. Hierzu kommt noch, dass die Hakenköpfe bezüglich der Zahl, Form und Grösse ihrer Zähnchen in allen Individuen eine gewisse Variabilität zeigen, und endlich hat man mit dem Factum zu rechnen, dass in Folge der $-förmigen Krümmung, sowie des prismatischen Querschnitts der Haken, selten Bilder von genau gleich orientirten Exemplaren zu Gesicht kommen. Immerhin liess sich constatiren, dass die Haken der Untergattung Clistomastus sich von denjenigen der Untergattung Tremo- mastus durch kräftigere Ausbildung der Köpfe und Zähnchen, sowie durch die bedeutendere Länge und stärkere Krümmung der Basen auszeichnen. Innerhalb der Untergattung Clisto- mastus ist sodann für die Haken der Varietät Notomastus lineatus Balanoglossi®) charakteristisch, dass die äussere Anschwellung des Hakenschaftes viel stärker ausgebildet ist und sich daher im Profil viel schärfer vom Halse absetzt, als bei den Haken der typischen Art®). Die Haken des Notomastus Benedeni‘*), zeichnen sich gegenüber denjenigen des Noto- mastus lineatus hauptsächlich durch ihre Gestrecktheit aus; denn die Hakenbasen der ersteren Art biegen in einem viel stumpferen Winkel um, als diejenigen der letzteren; ferner sind die Köpfe etwas kleiner und die Zähnchenreihen weniger zahlreich und weniger ausgeprägt. Noch gestreckter verlaufen die Haken und noch weniger ausgebildet sind deren Köpfe — besonders im Hinblick auf ihre viel bedeutendere Grösse — bei den zwei anderen Arten, dem Notomastus profundus®) und Notomastus fertilis‘). Zuverlässige Merkmale für die Unter- scheidung der Haken dieser letzteren zwei Arten zu finden war mir aber nicht möglich. Die Hakenentwickelung geht wie bei den meisten anderen daraufhin untersuchten Anneliden auch bei den Capitelliden in der Hakenspirale vor sich®); es ist für jeden ent- stehenden Haken je eine Zelle, genauer je ein Kern der Ausgangspunkt. Das Erste, was man wahrnimmt, ist ein glänzendes, kaum messbares Pünktchen, welches sich beim Heranwachsen als die Anlage des Hauptzahnes des Hakenkopfes erweist. Weiterhin bildet sich der Kopf selbst mit einer Zähnchenreihe; im nächsten Stadium ist der Kopf bereits mit mehreren Zähnchenreihen, der Haube, sowie mit einem kurzen Halse ausgerüstet, und von da ab be- a) Tat, Si. Eig. 1221. b) Taf. 31. Fig. 5—7. eo) Taf, 31 ig rar d) Taf. 31. Fig. 10. 11. e) Taf. 31. Fig. 14. 15. f Var al He se g) Taf. 12. Fig. 5, Pa. 8. Die von ULAPAREDE gegebene Abbildung der Haken dieser Species ist unkenntlich; der betreffende Haken könnte irgend einer Nofomastus-Form angehören; nur würde man denselben als am Kopfe verstümmelt be- zeichnen müssen. I. Notomastus. 7. Parapodien. 107 £ schränken sich die Entwickelungsvorgänge lediglich auf die Ausbildung des Schaftes, dessen Wachsthumsrichtung, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, von der Spitze zur Basis hin verläuft ®). Bezüglich der chemischen Beschaffenheit der Borsten ist hervorzuheben, dass sie, im Gegensatze zur Cuticula, sich der Einwirkung von Kalilauge gegenüber resistent erweisen. Sie quellen zwar unter dem Einflusse dieses Reagens ziemlich stark auf, werden aber nicht gelöst; es besteht daher aller Wahrscheinlichkeit nach der organische "Theil ihrer Substanz hauptsächlich aus Chitin resp. aus einem dem Chitine verwandten Körper. Ausführlicheres hierüber findet man im morphologischen Theil, Kapitel Haut. Es bleibt noch der die Parapodien in Bewegung setzenden Muskulatur zu gedenken. Von der der Leibeshöhle zugekehrten Basis eines jeden T'horaxparapodiums verläuft eine be- deutende Anzahl Muskeln, strahlenförmig divergirend, zur Leibeswandung, um sich unter verschiedenen Winkeln an dieser Wandung zu befestigen»). Es ist klar, dass die Contraction dieser Muskeln das eingezogene Parapodium zur Ausstülpung bringen muss, dass sie daher als Protrusoren betrachtet werden müssen. Ausserdem sind in jedem Segmente je die neuralen und hämalen Parapodien einer Seite durch ein ziemlich breites Muskelband unter- einander verbunden, welches Band ich nach dem Vorgange SpexGers »Interbasalmuskelc«®) nennen will. Ich schliesse mich ferner Perrıer an, der in diesen, von ihm auch bei ver- schiedenen Lumbriciden aufgefundenen Interbasalmuskeln die Retractoren der Parapodien ver- muthet. Es ist in der T'hat nicht einzusehen, auf welche Weise sonst die ausgestülpten Para- podien wieder eingestülpt werden sollten. Wenn diese Auffassung richtig ist, so kann die Retraction je eines neuralen und hämalen Parapodienpaares nur simultan geschehen, und dass dem in der 'That so ist, wird durch die Beobachtung des lebendigen 'Ihieres bestätigt. An den abdominalen Parapodien, und zwar an den neuralen, fällt zunächst ein mächtiger Muskel auf, welcher in schiefer Richtung, nämlich von der lateral-hämalen nach der median- neuralen Körperregion verläuft, um sich schliesslich zwischen den Bündeln der Stammes- Längsmuskulatur anzuheften). Die Aufgabe dieses wahrscheinlich von der transversalen Muskulatur abstammenden Stranges kann nur darin bestehen, die Enden der halbkreisförmig verlaufenden Tori einander zu nähern, mit welcher Annäherung natürlich eine Spreizung der Haken im entgegengesetzten Sinne einhergehen muss. Ferner sind sowohl die neuralen, als auch die hämalen 'Tori mit einer grossen Anzahl parallel der längsaxe des T'hieres gerichteter, aus der Ringmuskulatur entspringender, dünnerer Muskelfäden ausgerüstet ©), deren Contraction die Bewegung eines oder mehrerer Haken in einer auf die vorige rechtwinklig verlaufen- den Richtung zur Folge hat. Je nachdem sich von diesen Muskelfäden die kopf- oder schwanz- 'wärts gelegenen einzeln oder gruppenweise contrahiren, kann nun, im Vereine mit der Wirkung des zuerst genannten Stranges, ohne Zweifel eine sehr mannigfaltige Combination von Haken- bewegungen zu Stande kommen. Endlich sind auch die hämalen und neuralen Tori eines a) Vergl. Taf. 222 Bios le b) Taf. 2..Eig. 21. Taf 10. Big. 10.911. 2a 2: e) Taf: 2. Pie. 21. 12 Fig. ERBEN: al Tan la Huc.zile e)ı Lak. 12. Bis. 6. 7.0Tarı 182 Bier al.lat. 14, Fig. 22. Pd. H. D. M. 14° 108 A. Anatomisch-Histologischer Theil. jeden Segments durch Interbasalmuskel verbunden. Diese letzteren, an diesem Orte offenbar functionslosen Muskeln sind wohl als Erbstücke aus einer Zeit zu betrachten, in der auch die abdominalen Parapodien noch der Retractilität fähig, resp. in der sie den thoracalen noch ähnlich geformt waren. Zum Schlusse noch ein Wort über den Begriff »Borstendrüse«. Ich weiss nicht, wer zuerst die in der Leibeshöhle eingeschlossenen Theile der Parapodien so genannt hat; wahrschein- lich war das unverkennbar drüsige Ansehen jener Theile dafür maassgebend. Die vorstehende Beschreibung hat aber gezeigt, dass die Berechtigung des genannten Ausdruckes auch vor einer strengeren Prüfung sehr wohl bestehen kann. Abgesehen von der Hauteinstülpung ist das Parapodium in der That nach dem Plane einer Drüse und zwar, ebenso wie das Nephri- dium, nach dem Plane einer cavernösen Drüse aufgebaut. Wie bei den Nephridien, so be- stehen auch bei den Parapodien die resp. Drüsen aus einem von der Membrana propria ab- stammenden Fachwerke und einem darin befindlichen Zellenmaterial. Nur werden im ersteren Falle die Ausscheidungsproducte in Form von Excretbläschen durch einen gemeinsamen, stabilen Canal nach aussen geschafft, wogegen sich im letzteren Falle die entsprechenden Pro- ducte in Form von Borsten ihre eigenen, vorübergehenden Ausführungsgänge zu bohren pflegen”). 8. Respirationsorgane. Kiemen als distinete, ausschliesslich zum Behufe der Athmung dienende Organe wurden zuerst von GruseE!) bei dem von ihm entdeckten Genus Dasybranchus (Dasymallus) wahrgenommen. ÜLAPAREDE?) ver- suchte sodann mit diesen Organen die von ihm missverstandenen Sinneshügel des Notomastus zu vergleichen; denn es war ıhm nicht unwahrscheinlich, dass diese Hügel rudimentäre Kiemen, oder aber Oeffnungen darstellen, aus welchen ähnlich wie bei Dasybranchus Kiemen hervorgestreckt werden könnten. Eıst in einer späteren Untersuchung wurde ULAPARkDE®) gewahr, dass beim Genus Notomastus die dorsalen, taschenförmig ausgebuchteten Enden der neuralen Hakenwülste die Rolle von Kiemen übernehmen; so be- schrieb er dieselben insbesondere von Notomastus lineatus, bei welcher Art sie im vorderen Abschnitte des Abdomens eine viel höhere Ausbildung als bei irgend einer anderen Art des Genus aufweisen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die taschenförmigen Ausbuchtungen der neuralen Hakenwülste des Notomastus®) die Rolle von Kiemen spielen; wenigstens ist nicht ein- zusehen, aus welchem Grunde sonst sich diese Taschen selbständig contrahiren sowie abwechselnd mit Blut füllen und wieder leeren sollten. Die relativ dünne Beschaffenheit ihrer Wandungen lässt sie überdies für den Respirationsact sehr geeignet erscheinen. Als Organe, die sich lediglich aus einem Abschnitte abdominaler Parapodien entwickelt haben, ist ihr Vor- kommen natürlich sammt ihrem Mutterorgane auf das Abdomen beschränkt. Hier treffen wir sie sodann am meisten ausgebildet am Anfange, wo sie bis | mm lang werden können; a) Taf. 2. Fig. 2—4 und 6—7. Pd. K. a) Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Nephridien. I) Lep: 2 2171. P2 92.69 0108: 3)... 8% . c. (Beschreibung neuer Anneliden) p. 167. c. P: 279. I. Notomastus. 8. Respirationsorgane. 109 weiterhin nehmen sie an Grösse immer mehr ab, bis sie schliesslich nur noch unscheinbare Höcker darstellen. Wie die neuralen Hakenwülste so ragen auch deren Anhänge, die Kiemen, am Anfange des Abdomens bis zum Rücken herauf, um sodann im hinteren Kör- pertheile, entsprechend dem Verlaufe der Seitenlinie, allmählich wieder auf die Flanken der Segmente herabzurücken ®). Wie aus der Beschreibung der Parapodien * erinnerlich sein wird, kommen _ die Parapodhöhlen dadurch zu Stande, dass sich an den betreffenden Körperstellen die Haut nebst Ringmuskulatur, sowie eine Anzahl Bündel der Längsmuskulatur von der Hauptmasse letzterer Muskulatur ablösen. Die Kiemenhöhle ist nun nichts Anderes als eine zipfelförmige Verlängerung dieser Parapodhöhle®) und daher zeigen sich auch die Wandungen beider Höhlen in ganz übereinstimmender Weise aufgebaut; nur erscheinen diese Wandungen im Bereiche der Kiemenhöhle erheblich verdünnt. Diese für den Respi- rationsprozess so wichtige Verschmächtigung ist dem Umstande zuzuschreiben, dass die Hauptmasse der Ringfaserschicht, welche im Parapodium, in mehrere Bündel gespalten, längs der Hakenreihe verlief, zwar, wo sie diese Haken verlässt, wieder als geschlossenes Bündel auftritt, aber nicht um sich als Schicht an die Kiemenwand anzulegen, sondern um sich aufs Neue zu verzweigen und (nebst Aesten der Längsmuskulatur) die Kiemenretractoren bilden zu helfen; diese Kiemen können nämlich etwas zurückgezogen werden. Schon bei Notomastus lineatus und N. Benedeni fällt es beim Studium der Bluteirculation auf, dass auch die hämalen Hakenwülste auffallend reich vom Blutstrome versorgt werden; man würde aber von diesen hämalen Parapodien in Anbetracht des vollständigen Mangels besonderer Aussackungen kaum als kiemenartigen Organen sprechen können. Anders bei Noto- mastus fertilis®) und N. profundus®), bei welchen Arten, wie im vorhergehenden Kapitel schon beschrieben worden ist®), die betreffenden Parapodien kissenartig angeschwollen sind und einen umfangreichen Hohlraum einschliessen, welch’ letzterer durch besondere Muskeln ebenso eingeengt werden kann wie derjenige der neuralen. Wir haben daher in diesen Arten neurale und hämale Parapodkiemen zu unterscheiden. Bei Notomastus profundus®) erheben sich überdies in der hinteren Region des Abdomens die hämalen Parapodkiemen, etwa vom 40. Segment an, jederseits zipfelförmig, so dass die Befähigung der hämalen Parapodien, Ausgangspunkt von Kiemenbildungen werden zu können, jedem Zweifel entrückt ist. Mit dem Auftreten dieser hämalen Zipfel verwandeln sich bei Notomastus profundus auch die neuralen Hakentaschen in lange, cylindrische, im ausgedehnten Zustande bis | mm messende Schläuche, welche ähnlich den Dasybranchus-Kiemen vollkommen in die Leibeshöhle zurück- gezogen werden können. Die Einziehung wird von denselben Muskeln besorgt, welche auch a) Taf. 10. Fig. 1. Taf. 15. Fig. 31. Pd. K.n. b) Taf. 10. Fig. 1. 2. Taf..12. Fig. 2. Bd. K. MH. e)eTat. 102 Rin 2, Rd, Br HN. d), Taf. 2. Fig. 6. Taf. 12. Bie.n2. Ba. BB... e) Taf. 2. Fig. 7. Taf. 13. Fig. 6. Pd. K. n. und Pd. K. A. a) Vergl. p. 102. ß) Vergl. p. 103. 110 A. Anatomisch-Histologischer Theil. im Vorderleibe die Hakentaschen (allerdings in nur geringem Grade und nie bis zur voll- kommenen Einstülpung in die Leibeshöhle) zurückzuziehen vermögen. Die Ausstülpung wird allein durch den Druck der Blutwelle besorgt. Auch für die Structur dieser durch ihre Grösse und vollkommene Retractilität in der Kiemenmodification fortgeschrittenen Anhänge des Hinterleibes von Notomastus profundus gilt noch die Regel, dass sie einfache Ausstülpungen des Hautmuskelschlauchs darstellen; denn alle Schichten des letzteren treffen wir in genauer Reihenfolge auch in ersteren. Während bei Notomastus profundus auffallend verlängerte, zipfelförmige Kiemen erst am Abdomenende auftreten, finden sich solche bei dem (leider nur in wenigen Fragmenten zur Untersuchung gelangten) Notomastus formianus”) schon im Abdomenanfange und zwar ebenfalls sowohl hämal, als neural entwickelt; nur mit dem Unterschiede, dass bei ihm die Zipfel hämal nicht paarig an jedem Parapodium, sondern in der Einzahl, und zwar am ventralen Ende jedes solchen, angebracht sind. Wie sich diese Kiemen abwechselnd mit Blut füllen und leeren, auf welche Weise ferner das zu- und abströmende Blut im Körper eirculirt, wird weiterhin beschrieben werden; ich verweise daher auf jene Stelle). Hier möchte ich nur noch hervorheben, dass neben allen diesen Kiemenbildungen jedenfalls auch der Haut und dem Darme ein wirk- samer Theil der Athemthätigkeit zufällt. Auf dem Rücken ist der Hautmuskelschlauch so stark verdünnt, dass am frischen Thiere das Blut stets als breiter rother Streif hindurch- schimmert. Die Darmrespiration ist zweierlei: einmal gelangen durch den sich beständig aus- und einstülpenden Rüssel nicht unbeträchtliche Quantitäten Blutes mit dem äusseren Medium in Contact, und zwar in einen um so ausgiebigeren, als die Blut und Seewasser scheidenden Rüsselwandungen ziemlich dünn sind, sodann haben Experimente mit in Carmin- Seewasser gehaltenen Thieren ergeben, dass auch Notomastus, allerdings entfernt nicht in der Menge wie Capitella‘), Seewasser verschluckt, so dass die den Darm umspülende Hämolymphe event. von letzterem Organe aus mit Sauerstoff versehen werden kann. Bei der Darmrespi- ration spielt wahrscheinlich auch die Hinterdarmrinne sowie ihre Fortsetzung, der Nebendarm, eine Rolle°). Wenn auch die respiratorische Thätigkeit der Haut und des Darmkanals bei Notomastus im Ganzen nur wenig ausgiebig ist, so hat sie doch selbst als Nebenfunction insofern Bedeutung, als wir sehen werden, dass bei einem anderen Gliede der Capitelliden- familie (bei Capitella capitata) diese Nebenfunction eine so hohe Steigerung erfährt:), dass sie die in Wegfall gelangten Kiemen zu ersetzen vermag. %) Vergl. den Morphologischen Theil, Kapitel Respirationsorgane. ) - Kapitel Hämolymphe. Y) - Capitella, Kapitel Respirationsorgane. ) - p- 44. <) - Capitella, Kapitel Respirationsorgane. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). 1 9. Nephridien (Segmentalorgane)?). Die erste Erwähnung von Nephridien bei Capitelliden geschah durch D’Uperen '). In der Charak- teristik der von ihm aufgestellten, das einzige Genus Capitella mit den beiden Arten C. capitata und fim- briata umfassenden Familie der Capitellidees figurirt der Satz: »Appareil seeretoire renal compose de deux canaux glanduleux, places symmetriquement dans presque tous les anneaux du eorps«e. In der Beschreibung der ©. fimbriata hat D’Uvskem diesem Satze noch die Bemerkung hinzugefügt, dass wimpernde Cilien im Inneren der drüsigen Canäle einen Strom erzeugen, und dass es ihm, in Folge der grossen Menge der diese Organe umgebenden Plasmakugeln, nicht gelungen sei, deren innere und äussere Mündungen wahr- zunehmen. Ueber das Vorkommen von Nephridien beim Genus Notomastus berichtete zuerst KErERSTEIN 2) gelegentlich seiner Beschreibung des N. rubieundus (Capitella rubieunda). Seinen Angaben zufolge hat dieser Wurm mit Ausnahme der vordersten neun, in allen Segmenten Nephridien. Diese letzteren haben eine deutliche Oeffnung nach aussen wie nach innen, und die Wimperrichtung in ihrem vielfach gewundenen Canale führt von innen nach aussen. Bemerkenswerth ist, dass Krrerstein bald inmitten der Segmente gelegene Spalten, bald auf den Segmentgrenzen, zwischen den neuralen und hämalen Fussstummeln gelegene, von zwei Lippen begrenzte Oeffnungen als die äusseren Mündungen der Nephridien darstellt *). Das Vorkommen von je einem Paar Nephridien in allen Körpersegmenten des T'hieres mit Aus- nahme der vordersten wird kurz nach der Kerkrstein’schen Publication in einer ausführlicheren Beschrei- bung des N. rubicundus von Seiten Urararkpe's®) bestätigt. Letzterer stellt die betreffenden Organe als safrangelbe, viellappige, birnförmige Drüsen mit nach vorn gerichteter Spitze dar. Im Inneren der Drüsen komme ein gewundener Canal zum Vorschein, dessen vorderes Ende entweder blind endige, oder — er konnte darüber zu keiner Gewissheit gelangen — in die Leibeshöhle münde, während das hintere die Rückenwand durchbohre und nach aussen führe. Auch Unararkoe hält die zwischen den neuralen und hämalen Parapodien gelegenen, von zwei Lippen eingefassten Querspalten (also die Seitenorgane) für diese äusseren Mündungen der Nephridien und fügt noch hinzu, dass zwischen den beiden Lippen starre, lange, nicht flimmernde Wimpern hervorragen?). In ‚seinen »Glanures Zootomiques«, in welchen er!) zwei neue Notomastus-Aırten, den Notomastus Sarsii und Notomastus Benedeni, sowie den Dasybranchus caducus GrusE's aus Port-Vendres beschrieb, hat er diesen Irrthum bezüglich der äusseren Mündungen der Nephridien berichtigt. Es wurde ihm klar, dass jene auf den Segmentgrenzen gelegenen und mit starren Wimpern besetzten Querspalten — welche sich auch an den beiden neuen Arten vorfanden — gar Nichts mit den Nephridien zu thun haben; er ver- muthet nun, dass sie entweder zur Entleerung der Geschlechtsproducte dienen, oder aber möglicherweise Rudimente der Dasybranchus-Kieme darstellen **). Die Nephridien der beiden neuen Arten schildert Cra- PAREDE mit folgenden Worten: »J’aı deja signal& la couleur sombre des organes segmentaires du N. Sarsı. Ces organes ont la forme d'un boyau forme de deux parties: une plus large, lautre plus etroite. La pre- miere est fixee par Yune de ses extremites a un point de Ja paroi du corps situ@ immediatement en avant de l’extremite dorsale du tore hamifere ventral; Yautre se continue dans la partie plus troite, qui est distine- a) Vergl. p. 16. Anmerkung. ß) Vergl. p. 76. DIR SPS SaL:C.4p 725: 2) 1. p. 4. e. p. 124. n 3)al,p> Anger p.226: AN. pe 0r.2c. pr. 49: * Es wird aus dem Folgenden klar werden, dass weder die einen noch die anderen Bildungen etwas mit den Mündungen der Nephridien zu thun haben. Erstere entsprechen wahrscheinlich den Mündungen von Genital- schläuchen, letztere sind überhaupt keine Poren, sondern Sinneshügel (Seitenorgane\. Verel. p. 76. Anmerkung, o- je} J > le} **) In Bezug auf das Verfehlte auch dieser Hypothese vergleiche man p. 76 und 78. 112 A. Anatomisch-Histologischer Theil. tement tubulaire et renferme un canal eilie. Cette partie tubulaire va s’ouvrir A l’exterieur a une certaine distance en avant du tore dorsal du m&me cöte. L/ouverture est placee a la base d’une languette saillante large de 0"",10, ereusee en gouttiere sur lune des faces. Les deux extr&mites seules de l’organe segmen- taire sont fixes; le reste, replie sur lui-meme, flotte dans le liquide periviseeral. I] existe, en general, une mince bride qui unit directement l’une des extr@mites de Vappareil a Vautre. La couleur sombre de l’organe est due a la presence dans sa paroı d’une multitude de cellules arrondies, renfermant chacune une conere- tion spherique d’un brun sombre. Les plus grandes de ces cellules ont un diametre de 0m" 013. Les unes sont presque entierement remplies par la coneretion; les autres ne renferment qu’un nodule relativement beaueoup plus petit. Ces cellules rappellent tout a fait les elements seereteurs du rein des gasteropodes pulmones. Il n’est du reste point invraisemblable que ces granules soient composes iei egalement d’acide urique. Je ne les ai malheureusement pas examines sous le rapport chimique. Les cellules a seeretion s’etendent meme sur la bride mentionnee plus haut«. »Les Organes segmentaires (du N. Benedeni) sont entierement differents de ceux du N. Sarsü, au point de permettre immediatement la distinetion des deux especes. En effet, tandis que ces organes sont noirs chez le N. Sarsıi, ils forment chez le N. Benedeni une tache jaune claire ä droite et a gauche de chaque segment hamifere. Leur forme est du reste entierement differente; ils ne presentent point l’appa- rence d’un boyau, mais d’un corps semi-lunaire a convexite tournee du cöte interne. La masse de l’organe est form6e par des vesicules remplies d’un liquide jaune transparent, entre lesquelles des cellules isolees, renfermant une concretion dure, sont seme£es de distance en distance. On distingue dans l’organe les meandres d'un canal vibratile qui m’a paru s’ouvrir a Vexterieur, & une petite distance de l’extremite du tore ventral«. Dasybranchus, dem GrusE die Segmentalorgane abgesprochen hat, besitzt vom 26. Segment ab Jederseits in der Leibeshöhle einen kleinen, langgestielten, mit einer fein granulirten Masse ausgefüllten Körper*). »Je ne serais pas etonne« — sagt ULAPARkDE mit Bezug auf diese Körper — »qu'il fallut comparer ces organes aux organes segmentaires des Notomastus«. Und weiter: »Je dois dire cependant que j’ai con- signe dans mes notes l’existence d’organes segmentaires tout differents, au moins dans les segments hamiferes anterieurs d’un Dasybranche. Jai neglige, il est vrai, dindiquer s'ils presentaient la meme forme dans les segments posterieurs. Ces organes rappellent tout A fait ceux des Notomastus. Ils constituent un boyau glanduleux, rephie sur lui-meme, dans linterieur duquel j’ai poursuivi un tube cilie contourne en spirale irreguliere. L/ouverture externe de l'organe est placee au niveau des crochets, a une distance egale des tores ventraux et dorsaux«. Einen weiteren Beitrag zur Kenntniss der Nephridien von Capitelliden gab Crararkpe!) in seinen Annelides Chetopodes du Golfe de Naples. Von den Nephridien des in diesem Werke als neu beschrie- benen Notomastus lineatus sagt er: »Les taches noires signaldes dans la diagnose comme caracterisant chaque segment abdominal, sont dues a la coloration sombre des organes segmentaires. Ces boyaux qui ont une position presque transverse, sont tres-larges dans la partie tournee vers la paroi externe du segment, tres- amineis au contraire a l’extremite opposce, oü parait etre la communication avec la cavite periviscerale. Le canal exereteur nait du milieu de la partie renflee. Il est cylindrique et va s’ouvrir en droite ligne a l’ex- terieur sur une petite pupille de la surface dorsale du segment«. Von dem auch in Neapel aufgefundenen Dasybranchus eadueus: »Chaque organe segmentaire forme une anse qui court parallelement a la rangee de erochets ventraux. L’une des branches s’ouvre a l’exterieur non loin de l’extremite de la rangee, du eöte dorsal, l’autre se prolonge vers la partie tergale de l’animal. Toutefois je n’aı pu reconnaitre sa terminaison. L’organe est jaune avec des taches claires disposees tres- regulierement et resultant des nucl&eus des cellules qui le constituent«. Für die Capitella major wird das Vorkommen sehr entwickelter Nephridien einfach constatirt. jei Capitella capitata, welche UrLArarkos in Neapel einem wiederholten Studium unterzog, ver- mochte er keine Segmentalorgane nachzuweisen. 1) 1. pP. 8. lesop.. 270: *, Diese Körper sind identisch mit den für Dasybranchus Gajolae charakteristischen Parapod-Spiraldrüsen (vergl. Dasybranchus, Kapitel Parapodien). Die von Crararkpe im Obigen erwähnte Dasybranchus-Form gehörte denn auch, wie im systematischen Theil nachgewiesen werden soll, nicht zu D. cadueus, sondern zu D. Gajolae. I. Notomastus. 9. Nephridien. (Segmentalorgane). a. Clistomastus. 113 Im Vorstehenden ist, meist mit den eigenen Worten der Autoren, Alles mitgetheilt, was bis heute über die Nephridien der Capitelliden bekannt geworden ist; es möge nun die Darlegung meiner eigenen Resultate folgen. Ich werde zunächst die Nephridien der Unter- gattung Clistomastus, sodann diejenigen der Untergattung Tremomastus beschreiben, indem sich, wie bereits bei der Charakterisirung beider Formen erwähnt worden ist”), die Nephridien der- selben verschieden verhalten. a. Clistomastus. In ihrer typischen Ausbildung haben die Nephridien des Notomastus lineatus die Form von in zwei Schenkeln auslaufenden Keulen®). Der längere und breitere (centripetale) Schenkel führt zur inneren, der kürzere und schmälere (centrifugale) führt zur äusseren Mündung. Von dieser häufigsten Form finden sich nun aber sehr mannigfache Variationen. /um ersten erweist sich der von den beiden Schenkeln eingeschlossene Winkel bald spitz, bald stumpf, sodann rückt die Stelle, an der sich die Keule in die zwei Schenkel spaltet bald sehr weit nach vorn, bald sehr weit nach hinten. Im letzteren Falle kann dann von einer in zwei Schenkel auslaufenden Keule kaum mehr die Rede sein, das Nephridium stellt sich als einfachen, zur Schleife umgebogenen Strang oder Schlauch dar. Letztere Form haben wir auch sicherlich als die ursprünglichere anzusehen, aus welcher sich die andere durch streckenweise Verwachsung der Schleife erst herausgebildet hat. Diese Auffassung wird auch durch die 'Thatsache unterstützt, dass man häufig die keulenförmigen Nephridien durch einen leichten, an beiden Schenkeln ausgeübten Zug bis hoch hinauf trennen kann, ohne dass es hierbei zu einer Zerreissung der Wandungen käme. Neben dieser auf eine Vereinfachung hinauslaufenden Modification kommen nun aber auch solche Um- bildungen vor, welche das Organ complicirter geformt erscheinen lassen. Das Nephridium kann nämlich knospenförmige Fortsätze entwickeln, welche entweder am Kopfe der Keule (Schleife), oder in der Nähe des centripetalen, oder endlich mehr in der Nähe des centrifugalen Schenkels auftreten. Beim Beginne meiner Untersuchungen habe ich, im Hinblicke auf die That- sache, dass zuweilen in einem und demselben Segmente auf einer oder auf beiden Seiten mehr als ein Nephridium angetroffen wird, die Möglichkeit in’s Auge gefasst, dass solche Seitensprosse selbständig werden und auf diese Weise zu der auffallenden Vermehrung der Organe Veranlassung geben könnten. Bald habe ich mich aber davon überzeugt, dass eine Ver- mehrung der Art nicht zu Stande kommt, indem mir Präparate mit in der Bildung begriffenen secundären Nephridien zu Gesicht kamen, aus denen hervorging, dass sich letztere wahr- scheinlich vom Trichterepithel schon vorhandener Nephridien aus entwickeln. Fig. 26. Taf. 2 zeigt solch ein jugendliches secundäres Nephridium. Der schon ziemlich ausgebildete Trichter 2) Taf. 34. Fig. 1. a) Vergl. p. 18. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 15 114 A. Anatomisch-Histologischer Theil. steht mit demjenigen des ursprünglich allein diese Segmenthälfte einnehmenden Nephridiums noch durch eine Zellbrücke in Zusammenhang; dagegen ist der später so massige Körper nur durch einen schmalen, wie es scheint des Lumens noch entbehrenden Zellstrang vertreten, welcher noch keinerlei Andeutung von Schleifenbildung erkennen lässt. Das distale Ende durchbohrt zwar, um nach aussen zu münden, die Körperwandungen, von einem Schorn- steine ist aber noch nichts zu sehen; auch sind in dem Organe noch keinerlei Concremente vorhanden. Die im Vorhergehenden geschilderten Formveränderlichkeiten lassen sich nicht nur durch Vergleichung verschiedener Individuen, sondern auch durch V ergleichung verschie- dener Segmente desselben 'Thieres feststellen; ja das Variiren geht so weit, dass häufig die in einem und demselben Zoniten gelegenen Nephridien nicht unerheblich voneinander abweichen. Die Nephridien haben meistens eine auffallende Färbung, welche auf dem Vorhanden- sein eigenthümlicher, weiterhin ausführlich zu besprechender, gelblicher bis bräunlicher Con- eretionen beruht®). Es hängt ganz von dem Grade der Anhäufung dieser Concretionen ab, ob die Nephridien schwarz, braun, gelb oder grau gefärbt erscheinen. Die schwärzliche Färbung ist die vorherrschende, aber daneben trifft man doch auch, und zwar zuweilen in einem und demselben 'Thiere, die verschiedenen anderen Pigmentirungen; nur der centripetale Schenkel erscheint constant viel weniger tief gefärbt als der übrige Theil des Organs. Bezüglich ihrer Grösse schwanken die Nephridien nach Alter, Individuum und Leibes- region; sie pflegen bei älteren Thieren allgemein umfangreicher zu sein als bei jüngeren; von einem gewissen Stadium ab hört aber die Altersverschiedenheit auf, die Grösse dieser Organe zu beeinflussen; denn man trifft oft 'Thiere von 5—6 mm 'Thoraxlänge, in denen die Nephri- dien eine bedeutendere Ausdehnung zeigen, als bei solchen, deren Thorax 6—10 mm misst. In der Segmentreihe eines gegebenen '['hieres nehmen sie eine Strecke weit von vorn nach hinten ziemlich allmählich an Grösse zu; von da ab bleiben sich dann aber die Maasse an- nähernd bis zum Abdomenende gleich. Wie hinsichtlich ihrer Form, so variiren endlich auch bezüglich ihrer Grösse die Nephridien der beiden Seiten eines und desselben Segments. Was die absolute Grösse betrifft, so beginnen dieselben, abgesehen von denjenigen des Thorax und Abdomenanfangs, insofern sie in Degeneration begriffen sind, meist mit einer Länge von un- gefähr 200 p, wachsen im Verlaufe der ersten 20—30 Segmente bis auf etwa 700 oder 800 p, um diese Länge bis zum Körperende annähernd beizubehalten. Hinter diesen Maassen bleiben aber in der Regel die secundär auftretenden Nephridien nicht unbedeutend zurück. Bezüg- lich aller dieser hervorgehobenen Grössenverhältnisse verweise ich auf die unten p. 118 auf- geführte Liste, in der die Maasse von Nephridien verschieden alter Thiere und verschiedener Leibesregionen zusammengestellt sind, sodann auch auf nebenstehende Holzschnitte, welche eben solche Organe verschiedener Regionen unter derselben Vergrösserung mit dem Prisma gezeichnet darstellen. al Dat 348 Fig. 1—6. I. Notomastus. ar Der N . OR bl br cr Fig. 1.) Nephridien von einem Notomastus lineatus Jjuv. 2,5 mm. al. linkes, ar. rechtes Nephridium vom Sten | 79 Fig. 2 Nephridien von einem Notomastus lineatus juv. b. vom 10ten, c. rechtes Nephridium a. vom 4ten, Fig. 3°*) al. linkes, ar. vom Iten bl. „eb: - - - 6 - el. za c02 - - - 1 - di. -, dr. - - - 50 - el. -, er. - - u DE *) Im I1ten Thoraxsegment fehlen die selben nur durch degenerirte Reste vertreten. **) Im 6ten Abdomensegmente rechts sind zwei Nephridien vorhanden. Segments wurde zu notiren vergessen. Nephridien (Segmentalorgane). a. vom 30ten Abdomensegmente. Clistomastus. IR. N N el I. Varietas Balanoglossi Thoraxlänge " 5 Thoraxsegment. ee a 2 ie | S S Sg Abdomen- zent. = gl. vom 4ten, gr. vom sten| BSBUEN Thoraxlänge 4 mm Fig. 4. Nephridien von einem Notomastus Iineatus , Tuoraxläange 6 mm. al. linkes, ar. rechtes Nephridium vom 6ten Abdomenseg- a B 12 mente eines : . 3 3 EURre% erwachsenen CLAN Ch: - - Zw) N. lineatus. ‚Fig. 5 Nephridien von einem ähnlichen Thiere wie Fig. 4. a. linkes Nephridium vom 27Tten ö 5 - URFOCHEOR . - u. } Abdomensegmente. Nephridien; auch in den übrigen thoracalen Segmenten sind die- 115 | Abdomensegmente. Die Zahl des el er. zugehörigen 15* 116 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Weitaus bei den meisten Anneliden tritt die innere Mündung des Nephridiums in der Form eines frei in der Leibeshöhle flottirenden Füllhoms oder 'Trichters auf, daher der viel angewandte Name Wimpertrichter. In der Untergattung Clistomastus ist nun von derart flottirenden 'Trichtern nichts zu sehen und diesem Umstande ist es wohl zuzuschreiben, dass die inneren Mündungen seiner Nephridien durchaus unbekannt blieben; begann doch auch ich mich nach langem, vergeblichen Suchen derselben allmählich der Ansicht zuzuneigen, dass sie bei unserer Capitellide, ähnlich wie es von einigen anderen Formen angegeben wird, überhaupt fehlen. Aber schliesslich fanden sie sich doch, nur eigenthümlich modificirt, und diese Erfahrung wird wohl geeignet sein, auch jene Angaben über das Fehlen innerer Mün- dungen von Nephridien anderer Würmer zweifelhafter erscheinen zu lassen. Hat man einen N. lineatus resp. mehrere Abdominalsegmente eines solchen von einer der Medianlinien aus gespalten und durch Zurückschlagen der Seitenwandurigen flächenhaft aus- gebreitet, so kommen die Nephridien derart zu liegen, dass ihr Verlauf unter starken Ver- grösserungen in situ studirt werden kann®). Der centripetale Schenkel lässt sich in diesem Falle meist bis zur Grenze der neuralen Längsmuskulatur oder noch ein Stück weit letzterer entlang gut verfolgen; plötzlich aber verliert man denselben aus dem Gesichte, indem er unter allmählicher Abnahme seines Durchmessers bald in die Tiefe jener Muskulatur, bald in die die zwei Längsmuskelstränge voneinander scheidende Spalte einzudringen, oder aber endlich sich flächenhaft auf dem parietalen Peritoneum auszubreiten scheint. Den letzteren, für das Studium der Trichter allein günstigen Verlauf bieten nur solche Präparate, welche der hinteren Region des Abdomens, wo die neurale Längsmuskulatur in mässiger Entwickelung auf- tritt, entnommen sind. Da zeigt sich denn, dass die inneren Mündungen dieser Nephridien einfach durch die trichterförmig erweiterten, auf ihrer Unterseite innig mit dem Peritoneum verwachsenen Enden der centripetalen Schenkel repräsentirt werden®). Das Lumen dieser Trichter, welche sich wenigstens stellenweise aus relativ wenigen, ihre Kerme am distalen Pole führenden Zellen zusammengesetzt erweisen, ist durchaus mit ungefähr 12 x langen, leb- haft schlagenden Cilien besetzt; ihr freier Rand dagegen ist durch eine Reihe viel längerer (30—-40 px messender), frei in die Leibeshöhle ragender Cilien ausgezeichnet. Ganz entgegengesetzt dem Verhalten der inneren Mündungen lassen sich die äusseren Mündungen‘) der Nephridien unschwer auffinden. Sie pflegen nämlich nicht wie bei den meisten anderen Anneliden einfache, den Hautmuskelschlauch durchbrechende Spalten darzu- stellen, sondern mit wenigen Ausnahmen auf relativ hohen, senkrecht von der Haut abstehen- den Fortsätzen angebracht zu sein. Diese Schornsteinen vergleichbaren Fortsätze@) haben einen rundlichen Querschnitt und spitzen sich von der Basis gegen ihr Ende hin etwas zu. Ihre Länge beträgt bei erwachsenen 'Thieren 100—120 p, ihre mittlere Breite bei denselben 30 p. Solch ein Schornstein besteht aus zwei Bildungen ©): aus einer äusseren Haut, welche a) Tat, 2, Fig. 2396. b) Taf. 34. Fig. 1. 2. ce) Tafs 13. Eig. 13: d) Taf. 2. Eig. 3, Taf, 13, Fig. 9. 12. Nm. M. e) Taf, 13, Fig, 12. [. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). a. Clistomastus. 107 continuirlich mit der Cutieula und Hypodermis des übrigen Leibes zusammenhängt, und aus einem inneren, wimpernden Canal, der einerseits, und zwar an der Schornsteinmündung, in die genannte Haut übergeht, andererseits aber sich continuirlich in den, innerhalb der Leibes- höhle gelegenen, centrifugalen Schenkel des Nephridiums fortsetzt. ) Der genannte Schenkel hat, um nach aussen zu münden, selbstverständlich sowohl die Längs- als auch die Ringmus- kelschicht zu durchbrechen. Die Schornsteine sind nicht unbeweglich; einmal können sie schon in Folge der verschiedenen Körperbewegungen sehr mannigfaltige Stellungen annehmen, sodann aber können sie auch durch selbständige /Zusammenziehung oder Ausdehnung in der Richtung der Längsaxe ihre Durchmesser verändern, und endlich ist die Schornsteinspitze bis zu einem gewissen Grade der Einstülpung fähig. Letztere Formveränderung dürfte für einen eventuellen Verschluss der Mündung nicht ohne Bedeutung sein. Ihre Lage haben diese äusseren Mündungen hinsichtlich der Längsaxe® auf der Grenze des ersten und zweiten Dritttheils der Segmentlänge, hinsichtlich der Queraxe®P) in der Mitte einer zwischen den hämalen und neuralen Parapodien gezogen gedachten, geraden Linie. Je nach- dem aber die neurale Längsmuskulatur höher hinauf oder tiefer herab rückt, finden wir auch — unbeschadet der Constanz jener relativen Lage — die Nephridien im Hinblicke auf die Queraxe bald mehr hämal, bald mehr neural gelagert; es werden eben, ähnlich wie die Kiemen, Seitenorgane und Parapodien, auch die Nephridien durch die öfters erwähnte Lage- veränderung der Seitenlinie *) beeinflusst. Eine Abweichung von der angegebenen relativ con- stanten Lage findet aber häufig in jenen Segmenten statt, welche eine Mehrzahl von Nephri- dien enthalten *), indem die secundären Organe bald tiefer, bald höher als das ursprünglich allein vorhandene ausmünden. Die Schornsteine sind keine constanten Bildungen; man findet nämlich zuweilen 'Thiere, bei denen die Nephridien auf wenig proöminirenden Höckern, oder in fiachen, der Haut einverleibten Poren ausmünden, ja zuweilen sind an ein und demselben Individuum gewisse Segmente mit Schornsteinen ausgerüstet und andere nicht. Da ferner diese Organe sowohl bei J' als bei @, sowohl bei jüngeren als bei älteren Thieren zuweilen vorhanden sind und zuweilen vermisst werden, so ist an eine constante, etwa mit Geschlechts- oder Altersdifferenz einhergehende Verschiedenheit nicht zu denken. Bei erwachsenen Thieren ist das Vorkommen von Nephridien in der Regel auf den hinteren Körperabschnitt, auf das Abdomen beschränkt; bei jungen Thieren dagegen, deren T'horax die Länge von etwa 3—4 mm noch nicht überschritten hat, finden sich in den meisten Fällen auch im vorderen Körperabschnitte, im Thorax, unverkennbare Rudimente von solchen. Die Rudimente dieser provisorischen Nephridien?) sind um so weniger dege- nerirt und finden sich in einer um so grösseren Zahl von 'Thoraxsegmenten , je jünger das betreffende Thier ist. Aus nachfolgender Liste?) ist ersichtlich, dass ein Notomastus lineatus a) Taf. 13. Fig. 8. D)e Tat. 2. Bir) 3, Tat. 13. Bio. 9: ec), Tate 2% Kie2 3.326: a) Vergl. p. 13, 31 und 78. ß) Vergl. p. Capitella, Kapitel Nephridien. ”) Vergl. auch p. 115. Holzschnitte. 118 A. Anatomisch-Histologischer Theil. von 2,5 mm Thoraxlänge Nephridiumrudimente im 7., 8., 9. und 11. Thoraxsegment erkennen liess; ein anderer dagegen von 3,5 mm nur noch im 9. 10. und 11., und dass solche von über 3,5 mm Thoraxlänge endlich derartiger Rudimente ganz entbehrten. Bei der Varietas Bala- noglossi scheint der Schwund noch früher einzutreten, indem sich schon bei 3 mm 'T'horax- länge keinerlei Reste mehr auffinden liessen. Es kamen mir keine jüngeren T'hiere als die eben besprochenen zu Gesicht und so vermag ich auch nicht anzugeben, ob sich etwa bei solchen | Thoraxlänge des | Zahl seiner Ab- | In Degeneration Nephridien Gıösse der | Nr. Thieres in domenseg- | begriffene Nephri- des Nephridien in | Bemerkungen. ' Millimetern mente’) | dien des Thorax Abdomens Millimetern. | 1 DD) | s rltlonn tchhn | 0,05 | u. 11. Seg- | im 1.— 3. Segmente‘ 0,2 —0,28 | | mente - 3.— 8. - 0,28—0,35 2 3 | 9 im 9. — ke 0,05 | | 11. Segmente - 5.—9. - | 0,21—0,28 | | | | 0,28—0,35 I} | I n 1 1 rn n 3 4 40 0 - 1. - 10522 | - 2.—5. = | 0,24—0,3 - 5.—10 - | 0,3 —0,4 | N il 4 | 7 | 5 ) a a 0028042 | 5 Im 4. Segment fehlen die Ne- 5 10 | 20 0 = it, T 0,14 phridien; in mehreren zwischen z en = | A—0.9 dem 15. und 25. gelegenen Seg- | De 15 0, 14 0,28 | menten dagegen sind bald links, | | -15.— 25. = 0,285 —0,7 bald rechts je zwei solche vor- | handen. | -235.—40. - 0,7 } | Im 6. 8 t recht i 6 1 1) | 60 | 0 Le 1. x | 0,23 Nephridien. egmen rechts zwei | | ee IE) San 0 = 0,42—0,56 | | | | -10.—20. - 0,56 —0,74 -20.—60. - 1, 0,74.0,84 | | | | | | | das Vorkommen provisorischer Nephridien noch weiter nach vorn als bis zum 7. 'T'horax- segment erstreckt, oder nicht. Selbst bei den jüngsten Exemplaren, welche ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, waren diese Nephridien des 'Thorax funetionsunfähig, in Degeneration be- griffen. Dass aber dieselben in einer früheren Epoche vollkommen ausgebildet und demgemäss functionsfähig waren, erscheint aus dem Grunde sehr wahrscheinlich, weil ich mich bei Capitella capitata — deren juvenes ebenfalls in solchen Segmenten des Vorderleibes Nephri- dien besitzen, welche in erwachsenen 'T'hieren derselben stets entbehren — vom Functioniren derselben überzeugen konnte *). In den Abdomen der jugendlichen 'Thiere treten die Nephridien in der Regel vom ersten bis zum letzten aller vorhandenen ausgebildeten Segmente in je a) Vergl. Capitella, Kapitel Nephridien. *) Man erhält in den meisten Fällen Thiere mit verstimmeltem Abdomen; die betreffende Ziffer bedeutet daher auch nur die Segmentzahl soleher Bruchstücke. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). a. Clistomastus. 119 einem Paare auf; in denjenigen der erwachsenen dagegen kommt es häufig vor, dass sich die Nephridien der vordersten Segmente in einem degenerirten Zustande befinden oder ganz fehlen, sowie, dass auch in verschieden weit nach hinten gelegenen Seg- menten bald das Organ der einen, bald dasjenige der anderen Seite, oder aber beide zu- sammen ausfallen. Diese Unregelmässigkeiten finden sich häufiger bei der Varietas Dalano- ‚glossi, als beim typischen Zineatus; insbesondere zeigt die erstere oft schon bei Jüngeren 'Thieren einen Ausfall der vordersten Nephridien des Abdomens, was mit dem Fehlen der Rudimente im Thorax in gutem Einklange steht. Eine andere Abweichung vom typischen Verhalten wird umgekehrt dadurch bedingt, dass sich in einzelnen Segmenten, entweder nur auf der einen Seite, oder aber auf beiden Seiten mehr als ein Nephridium vorfindet®). Weitaus in den meisten Fällen beschränkt sich diese Vermehrung auf die Zahl zwei, in einzelnen Fällen habe ich aber in den hintersten Abschnitten des Abdomens bis fünf Organe auf je einer oder auch auf beiden Seiten des betreffenden Segments gezählt. Jedes dieser Nephri- dien hatte seine besondere innere und äussere Mündung und erwies sich überhaupt, abge- sehen von der geringeren Grösse, vollkommen ausgebildet. Das Vorkommen mehrerer Nephridien in einem und demselben Segmente — hier eine Ausnahme — ist für die er- wachsenen Individuen der Capitella capitata die Regel”); bezüglich der Auslegung dieses prin- cipiell wichtigen Factums verweise ich auf den entsprechenden "Theil dieser Arbeit?). Die Nephridien vieler Anneliden sind derart angeordnet, dass sie an zwei successiven Segmenten Theil nehmen; es ragt nämlich die innere Mündung (der Trichter) des Nephri- diums eines gegebenen Segments, das Septum durchbohrend, in das unmittelbar vorher- gehende. Oder, wenn man den Trichterabschnitt als den Haupttheil betrachten will, wofür ja Vieles spricht: es ragt der Körper und die äussere Mündung des Nephridiums eines gegebenen Segments, das Septum durchbohrend, in das unmittelbar nachfolgende. Bei Notomastus lineatus findet sich keine solche Anordnung; jedes Nephridium ist im Gegentheil mit allen seinen Componenten ganz und gar auf das eine Segment beschränkt, in welchem es seine Lage hat»). Die Nephridien der einzelnen Segmente liegen, mit Ausnahme der zu den inneren und äusseren Mündungen führenden Endabschnitte, normal jederseits auf der Grenzlinie der neuralen und hämalen Längsmuskulatur ©); wie alle anderen Organe, so werden auch sie am Anfange des Abdomens durch die für Notomastus charakteristische, ausserordentliche Entwickelung der neuralen Längsmuskulatur ganz nach dem Rücken zu gedrängt, so dass man in diesem Körper- theile die vollste Ansicht derselben bei einer Betrachtung des 'Thieres vom Rücken aus er- hält). So sehr sind die Nephridien den dünnen Rückenwandungen des Hautmuskelschlauchs genähert, dass man sie schon mit blossem Auge gut durch diese Wandungen hindurch zu erkennen vermag. Im Ruhezustand liegt die Längsaxe des Organs der Längsaxe des Thieres a) Taf. 2. Fig. 3. 23. 25. 26. b) Taf. 2. Fig. 23. ce) Taf. 13. Fig. 9. d) Taf. 2. Fig. 2. a) Vergl. Capitella, Kapitel Nephridien. ß) Vergl. den morphologischen Theil, Kapitel Nephridien. 120 A. Anatomisch-Histologischer Theil. nahezu parallel und, so orientirt, liegt dann die innere Mündung desselben nach vorn, die Schleife nach binten, und die äussere Mündung auf der Grenze des ersten und zweiten Dritt- theils der Segmentlänge. Eine abweichende Lage von dem, mit der Längsaxe des 'Thieres parallel gerichteten Haupttheile der Nephridien zeigen, wie erwähnt, deren zu den Mündungen führende Endabschnitte, indem der centripetale Schenkel in der Nähe des Septums fast recht- winklig umbiegt und eine Strecke weit in solcher Richtung der neuralen Längsmuskulatur entlang verläuft, um schliesslich in die Trichteröffnung überzugehen, der centrifugale Schenkel aber, nachdem er die Schleife gebildet hat, in der Mitte des Organs, ebenfalls unter einem verschieden grossen Winkel, gegen die hämale Medianlinie hin abbiegt, um die Ausfuhröffnung zu erreichen. Aber auch der Haupttheil der Nephridien verändert unter gewissen Umständen seine mit der Längsaxe des 'Thieres parallele Stellung, und zwar dann, wenn der Hämolymph- strom vom Schwanze nach dem Kopfe zu gerichtet ist. In diesem Falle werden nämlich die Nephridien successive durch die vordringende Blutwelle um etwa 90° gedreht, so dass deren Jängsaxe nun mit der Längsaxe des '[hieres einen rechten Winkel bildet. Verläuft der Hä- molymphstrom wieder vom Kopfe zum Schwanze zurück, so bringt er auch die aufgerich- teten Nephridien successive wieder in ihre Ruhelage. Die Auf- und Abbewegung des Hämo- Iymphstroms ist im gesunden 'Thiere eine rhythmische, und dieser Rhythmus dehnt sich natür- lich auch auf die hin und her pendelnden Nephridien aus. Ermöglicht wird diese Bewegung letzterer durch ihre freie Lage in der Perivisceralhöhle, in welcher sie wie aufgehängt schweben. Als Aufhängepunkte dienen aber die inneren und äusseren mit der Leibeswan- dung zusammenhängenden Mündungen resp. die Endstücke der centripetalen und centrifugalen Schenkel, sowie eine Anzahl schmaler, von der Bauchmuskulatur an den lateralen Rand der Organe sich begebender Mesenterien. In der Ruhelage wirken die beiden Schenkel, in der aufgerichteten Lage wirken theils der centrifugale Schenkel, hauptsächlich aber die Mesenterien als Führungen, resp. Hemmungen der Excursionen. Hervorgehoben muss noch werden, dass auch eine Bewegung der Nephridien um ihre eigene Längsaxe möglich ist und bis zu einem gewissen Grade stets mit der Pendelbewegung einhergeht. In Bezug auf diese freie Lage der Nephridien steht Notomastus lineatus in der Capitellidenfamilie ganz einzig da, indem sowohl in der Untergattung Tremomastus, als in allen anderen Gattungen diese Organe, oder doch deren Haupttheile fest mit den Leibeswandungen verwachsen sind. Hierzu kommt noch, dass die Nephridien bei den letzteren Formen durch eine Platte des Peritoneums (die Nierenplatte) von der übrigen Leibeshöhle abgegrenzt werden und dieser durch die Nierenplatte abgegrenzte "Theil des Coeloms (die Nierenkammer) der Untergattung Olistomastus, wie schon hervorgehoben wurde, abgeht“). Dass aber ursprünglich bei letzterer eine solche Coelomabtheilung ebenfalls vorhanden war, ist aus dem Grunde wahrscheinlich, weil sich fast in allen Segmenten von N. lineatus je im Bereiche der Septa noch Andeutungen der Nierenplatte in Form mehrerer durch Peritonealbrücken verbundener transversaler Muskel- #) Vergl. p. 17 und 18. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). a. Clistomastus. 121 stränge vorfinden®. Der Wegfall der Nierenkammern sowie die hierdurch ermöglichte freie Lage der Nephridien in den Darmkammern sind jedenfalls als secundäre Modificationen auf- zufassen. Die Frage nach der Structur der Nephridien hat mich lange beschäftigt und nur schrittweise bin ich zu einer, wie ich glaube, dem Sachverhalt entsprechenden Beantwortung derselben gelangt. Da nun meine Vorgänger gerade an einzelnen der von mir bis zum schliesslichen Verständnisse durchlaufenen Etappen stehen geblieben sind, so ist es wohl gerechtfertigt, auch dieser letzteren kurz zu gedenken. Zunächst erkennt man die Hülle des Nephridiums: eine structurlose Haut, welche die Membrana propria der Drüse darstellt. An günstigen Präparaten lassen sich sodann, im optischen Durchschnitte gesehen, dieser Membrana propria aufliegende Kerne wahrnehmen ; sie gehören dem das ganze Organ überziehenden Peritonealsacke an. Eingeschlossen von beiden Häuten und scheinbar den eigentlichen Leib des Nephridiums zusammensetzend, zeigen sich sodann in dicht gedrängter Lage verschieden grosse Bläschen, welche als eine Art von Kernen jene braun gefärbten Concremente enthalten, deren Gesammtheit, wie schon erwähnt wurde, dem Organe seine dunkle Färbung verleiht®. Diese verschieden grossen Bläschen (Excretbläschen, hat CUrararepe bei N. Sarsü in der 'That für die eigentlichen, das Nephri- dium zusammensetzenden Zellen gehalten. Gegen eine solche Auffassung sprach zunächst die Thatsache, dass, wenn bei leisem Drucke jene fraglichen Zellen aus dem in seiner Hülle verletzten Organe austraten, sie meistens von einer verschieden mächtigen Schicht homogenen Plasmas umhüllt erschienen, und in einzelnen Fällen letztere Plasmakugeln überdies auch noch einen normal geformten Kern erkennen liessen. Nun war ich geneigt, die Plasmakugeln als die wahren, das Organ constituirenden Zellen anzusehen, um so mehr, als auch diese Deutung durch übereinstimmende Darstellungen ULArarEDESs unterstützt wurde. Letzterer hat nämlich ganz ähnliche Plasmakugeln, wie die eben besprochenen, aus den Nephridien von Pectinaria als die wahrscheinlichen Zellen beschrieben, obwohl er nur die Concretionen, nicht aber die eigentlichen Kerne jener Kugeln wahrgenommen hatte '). Aber weder die Excretbläschen, noch die theilweise gekernten Plasmakugeln stellen die ganzen Zellen des Nephridiums dar; sie sind vielmehr nur Theile, wenn auch die auffallend- sten Theile derselben. Erst nachdem man eines der dunklen, von Excretbläschen erfüllten Nephridien, auf welche allein die vorhergehende Beschreibung passt, mit solchen Reagentien, die das Plasma sammt den Concretionen zerstören, behandelt hat, stellt sich das noch fehlende Theilstück, die Membran (resp. das die Membranen ersetzende Fachwerk) und mit ihr die Möglichkeit der Orientirung ein. Das ganze Organ erscheint nämlich von der Mem- brana propria ab bis zum central gelegenen Canal hin von einem aus homogenen, structur- losen Blättern bestehenden, polygonal gefügten Gerüstwerke durchsetzt und je ein Fach a) Taf. 34. Fig. 16. a) Vergl. Kapitel Leibeshöhle. 1) 1. p. 8. ce. p. 380. Taf. 28. Fig. 1. O. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Gulf von Neapel. Capitelliden, 16 122 A.. Anatomisch-Histologischer Theil. dieses letzteren entspricht je einer Zelle mit ihren zugehörigen Elementen. Alle diese Ver- hältnisse, welche sich an den am häufigsten vorkommenden, dunklen, mit Exeretbläschen oder Concretionen überfüllten Nephridien nur schwer ermitteln lassen, offenbaren sich sofort, und zwar schon im frischen Zustande, an solchen, welche nur spärlich Excretstoffe in ihre Zellen eingestreut enthalten, und es empfehlen sich daher auch diese letzteren, wegen ihrer relativ grossen Durchsichtigkeit, allein für das Studium der vorliegenden Fragen. Wir haben demnach am Nephridium des Notomastus folgende Theile zu unterscheiden: erstens den Peritonealsack; zweitens die Membrana propria sammt dem die einzelnen Zellen beherbergenden Fachwerke; drittens die Zellsubstanz nebst ihren Kernen; viertens den das Organ durchsetzenden Ausfuhrcanal, und fünftens die Concretionen oder Excretbläschen. Dieselbe Membran, welche als Peritoneum continuirlich die Leibeshöhle auskleidet, überzieht auch die einzelnen Nephridien®). Dieser Ueberzug muss als eine Ausstülpung auf- gefasst werden, denn in Schnitten lässt sich stellenweise der unmittelbare Uebergang des die Nephridien bedeckenden Peritoneums in dasjenige der Leibeshöhle erkennen. Diese Auffassung wird auch durch das Verhalten derjenigen Formen unterstützt, bei welchen die Nephridien überhaupt nicht frei zu liegen kommen, sondern mit der Unterseite’ unmittelbar der Muscularis anliegen; in Folge dessen besitzen nämlich diese letzteren nur auf ihrer dem Coelom zu- gekehrten Fläche einen Peritonealüberzug”) und dieser setzt sich continuirlich in den die Leibeshöhle auskleidenden fort. Hinsichtlich seiner Zusammensetzung stellt sich das Peri- toneum auf den Nephridien in der einfachsten Form dar, in der es überhaupt aufzutreten pflegt: nämlich als ein aus polygonalen Zellen bestehendes Plattenepithel. Die Zellen und Kerne zeigen hier ganz denselben Habitus, wie er in dem speciell der Peritonealhaut ge- widmeten Kapitel beschrieben werden wird; ich verweise daher auf die betreffende Dar- stellung®). Die Membrana propria des Nephridiums ist eine structurlose, glashelle, etwa 1 p dicke Haut, welche sich von der inneren bis zur äusseren Mündung, als continuirlicher Mantel des Organs, verfolgen lässt“). Diese Haut ist gegen Reagentien sehr widerstandsfähig, färbt sich nur schwer, wird also wohl cuticulaähnlichen Ursprunges sein. Ganz ähnlich ist das optische, sowie chemische Verhalten der das Fachwerk (die Zellenwände) zusammensetzenden Tamellen, und wenn schon aus solcher Uebereinstimmung eine Einheit der beiden Bildungen sich vermuthen lässt, so wird diese Vermuthung zur Gewissheit erhoben durch die 'Thatsache, dass beide aufs Innigste miteinander zusammenhängen. Gelungene Querschnitte lassen näm- lich unzweifelhaft erkennen, wie die Lamellen der am meisten peripher gelegenen Fächer nicht etwa nur an die Membrana propria heranstossen, sondern unmittelbar in sie übergehen, mit ihr verschmelzen. Hierbei findet häufig eine Spaltung der bezüglichen Lamelle statt, a) Taf. 13. Fig. 10. b) Taf. 13. Fig. 8—13. P. ec) Tat. 113.2 B108— 10% a) Vergl. p. 130. 3) Vergl. Kapitel Leibeshöhle. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). a. Clistomastus. 123 und dann pflegen die beiden aus der Spaltung hervorgegangenen, etwas verdünnten Platten ziemlich stark divergirend an die Membrana propria heranzutreten ®%). Wie die zumeist nach aussen gelegenen Zellen mit letzterer Membran, so hängen nun auch die zumeist nach innen gelegenen mit dem . Ausfuhrcanale zusammen, dessen Grundlage eine Haut bildet, welche sich in nichts von der Membrana propria unterscheidet. Auch hier lässt sich ferner das Spalten und Divergiren der äussersten, an die Grenzhaut herantretenden Lamellen beobachten. Aber nicht nur mit den Grenzhäuten, sondern auch unter einander stehen die Lamellen dieser Zellen im ganzen Organe in allseitiger Continuität. Die Membrana propria und die Stützmembran des Ausfuhrcanals umschliessen demnach einen Raum, in welchem nach den verschiedensten Richtungen hin continuirlich zusammenhängende Platten einem Fachwerk vergleichbar aus- gespannt sind, und die einzelnen Fächer dieses Fachwerks sind eben die Zellen resp. die Zellen- wände. Dass bei solchem Verhalten an ein Isoliren letzterer nicht gedacht werden kann, versteht sich von selbst; wohl lässt sich aber das gesammte Fachwerk des Nephridiums durch solche Reagentien, welche ihm selber nichts anhaben können, dagegen seinen Inhalt zerstören, vorzüglich in toto zur Anschauung bringen. Die einzelnen Zellen des Fachwerks haben eine sehr verschiedene Grösse»); am kleinsten sind sie am centripetalen Schenkel, wo sie mit einem Durchmesser von 6 x beginnen; von da ab, gegen die Schleife hin, wachsen sie allmählich auf 10-20 p und in der Schleifenregion selbst findet man sie sogar häufig bis 30 a gross. Uebrigens zeigen auch in diesem Punkte die Nephridien ein und desselben 'Thieres sowohl, als diejenigen verschiedener Individuen ein sehr schwankendes Verhalten. Jeder Raum des eben beschriebenen Fachwerks enthält nun erstens, eine gewisse Menge Zellsubstanz, zweitens, eine wechselnde Anzahl Excretbläschen, und drittens, je einen Kern. Die Zellsubstanz ©) stellt sich in den meisten Fällen als eine mattweisse, homogene, das Licht schwach brechende, ziemlich flüssige Substanz dar, welche im frischen Zustande nur selten kömige Einlagerungen enthält; nach Säurezusatz treten jedoch stets zahlreiche, glänzende Körnchen in derselben auf. Schon nach leisem, auf das Organ geübtem Drucke quillt das Plasma hervor, um sich sofort kugelförmig zu ballen. Je nach den Massen, in welchen sie zur Abschnürung kamen, bilden dann diese frei gewordenen Plasmaportionen verschieden grosse Kugeln, die gewöhnlich mehrere Exeretbläschen und zuweilen auch Kerne einschliessen. Ohne die Art ihres Ursprungs zu kennen, würde man diejenigen Kugeln, welche zufällig die Keme enthalten, leicht für selbständige, der Membran entbehrende Zellen zu halten geneigt sein, vorzüglich nach Säurezusatz, welcher die Bildung einer Hautschicht zur Folge hat. Gross ist die Vergänglichkeit dieses Plasmas; wie immer man auch die Präparate be- handeln mag, so zeigen sie mit wenig Ausnahmen nur geringfügige Reste desselben in der Form eines Körncheneonglomerats, welch’ letzteres nur einen Bruchtheil des ursprünglich vom Plasma eingenommenen Raumes ausfüllt®). Es hängt die Vergänglichkeit des letzteren mit seiner geringen Dichtigkeit zusammen, welche sich oft schon im frischen Zustande durch die Mole- a) ‚Tate 12. Fig. IN® b)- Tat 13: Fig. 10. ec) Taf. 34. Fig. 3. d) Taf. 13. Fig. 10. Taf. 34. Fig. 5. 6. 16* 124 A. Anatomisch-Histologischer Theil. cularbewegung eingelagerter Körnchen zu erkennen gibt. Als eine Abweichung vom gewöhn- lichen Verhalten verdient hervorgehoben zu werden, dass in mehreren Thieren die Zellsubstanz der Nephridien anstatt des mattweissen Anschens eine gelbliche, an die Concretionen erinnernde Färbung aufwies; ferner, dass in anderen diese Substanz zuweilen bis auf Spuren vermisst wurde, in welchem Falle dann die Excretbläschen nahezu allein das ganze Organ ausfüllten. Dieser letztere Fall fiel mir insbesondere bei Thieren auf, welche sich in einem geschlecht- lich erschöpften Zustande befanden. Die Kerne der Nephridiumzellen stimmen vollkommen mit denjenigen des Peritoneums überein; wie letztere, so haben auch sie einen granulären Inhalt, in welchem sich oft ein oder mehrere grössere und stärkere lichtbrechende Körnchen oder Bläschen als Kernkörperchen geltend machen. Ihre Grösse schwankt zwischen 4 und 6 ep. Entsprechend dem Verhalten der Zellen befinden sich die grössten im Bereiche der Schleife und die kleinsten im Bereiche des centripetalen Schenkels; da aber die Zellendurchmesser zwischen 6 und 30 g schwanken, und die Kerne, wie erwähnt, nur um ein viel Geringeres an Grösse ab- resp. zunehmen, so erscheinen die kleinsten Zellen von ihren Kernen fast ausgefüllt. Von der 'Trichteröffnung bis zur äusseren Mündung verläuft inmitten des Nephridiums, streckenweise in spiraliger Windung, der Ausführungsgang‘®. An geeigneten '"Thieren sieht man durch die Wandungen des unverletzten Organs hindurch diesen Gang mit Wimpern besetzt, welche einen vom centripetalen nach dem centrifugalen Schenkel hin gerichteten Strom in wellenförmiger Bewegung unterhalten. Dieser Strom bewegt die meist zahl- reich im Canale enthaltenen Excretbläschen in derselben Richtung, um sie schliesslich durch den Schornstein zu entleeren. Nicht selten sucht man aber auch an solchen Nephri- dien, welche die Contouren des Ausfuhrcanals ganz deutlich zeigen, vergebens nach irgend welcher Wimperbewegung, und die Ueberzeugung, dass in solchen Fällen die Bewegung, wenn sie überhaupt vorhanden wäre, wahrgenommen werden müsste, hat mich auf den Ge- danken gebracht, dass dieser Flimmerstrom überhaupt kein continuirlicher, sondern ein perio- discher sei. Die ceuticulare Stützmembran des Ausführungsganges und ihr unmittelbarer Zusammen- hang mit den Lamellen der am meisten centripetal gelegenen Zellen des Fachwerks wurde bereits beschrieben; es fragt sich nun, welches Verhältniss zwischen dieser Membran und dem Cilienkleide obwaltet. Denn, trotz allen Suchens vermochte ich kein Epithel aufzufinden, dessen Zellen etwa den Canal auskleideten und welchen die Cilien in Folge dessen aufsässen. In Querschnitten, welche im Uebrigen selbst die zartesten "Theile erhalten zeigten, konnte ich nur selten Spuren der Cilien wahrnehmen; meistens bildete die Stützmembran die einzige Begrenzung, und wenn man am frischen Organe den blossgelegten Ausführungsgang untersucht, so scheinen die Cilien ebenfalls stets aus den unmittelbar an den Gang stossenden Zellen zu ent- springen. Ich blieb denn auch schliesslich bei der, insbesondere durch das Verhalten des frischen a) Taf. 34. Fig. 1. 5. Taf. 13. Fig. 8—12. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). a. Clistomastus. 125 Organs unterstützten Ansicht stehen, dass die Cilien nicht etwa einem distineten, den Canal auskleidenden Flimmerepithel, sondern jenen unmittelbar seinen Wandungen anliegenden Drüsen- zellen des Nephridiums angehören. Zu diesem Behufe müsste nur die Stützmembran des Aus- führungsganges von Poren durchsetzt sein, durch welche die Cilien ausgestreckt werden können. Eine solche Anordnung würde es auch um so verständlicher erscheinen lassen, dass der Flimmerstrom zeitweilig ganz oder theilweise sistirend gefunden wird. Femer kann ich noch zu Gunsten eines solchen Verhaltens die folgende Erwägung mittheilen: wie aus einem anderen Abschnitte zur Evidenz hervorgehen wird“), bilden die in den Drüsenzellen der Nephridien entstehenden Concretionen einen Theil des durch den Ausfuhrcanal nach aussen gelangenden Excrets; die Ueberführung dieser oft eine Grösse von 10 x erreichenden Körper von einer Drüsenzelle in die andere und von den dem Canale zunächst gelegenen Zellen in diesen selbst vermag ich mir nicht anders als vermöge zeitweiser Durchbrechung oder Lösung der Scheide- wände des Fachwerks resp. der Stützmembran vorzustellen, und dieser physiologische Eingriff in die Structur der genannten Membran wird wohl kaum ohne zeitweise Aufhebung der Flimmerthätigkeit vor sich gehen können. Während der Ausführungsgang da, wo er spiralig gewunden verläuft, eine zwischen 12 und 20 x» schwankende Breite einhält, wächst diese seine Breite im Bereiche des centripetalen Schenkels zuweilen auf 50—60 p, so dass er nahezu zwei Drittel des ganzen Schenkelum- fangs einnimmt. Solche Organe lassen schon im frischen Zustande diesen auffallend er- weiterten Canalabschnitt als hellere Markmasse gegenüber einer dunkleren Rindensubstanz wahrnehmen. Diese Erweiterung muss als eine secundäre Erscheinung betrachtet werden; denn in vielen Fällen findet sich da, wo später das abnorme Lumen auftritt, noch eben solches Gerüstwerk vor, wie es den übrigen "Theil des Organs zusammenzusetzen pflegt, nur mit dem Unterschiede, dass dieses Gerüstwerk hier jedweden Inhaltes entbehrt und daher in der That eine hellere Markmasse darstellt, die weiterhin verschwindet und so zu der erwähnten Er- weiterung des Canals führt. Ich habe noch zu erwähnen, dass viele meiner Zupfpräparate unzweifelhafte, im Be- reiche des Ausführungsganges gelegene Muskelfasern aufwiesen, bin aber ausser Stande, Prä- zises über deren Lage und Verhältniss zu den anderen 'Theilen des Ganges anzugeben, indem diese Muskel-Versorgung keine continuirliche zu sein scheint. Es ist aber klar, dass selbst eine nur stellenweise vorhandene Auskleidung von contractilen Elementen für die Fortschaffung des sich anhäufenden Excrets vortheilhaft wirken muss. Ich komme nun zu den mehrfach genannten Excretbläschen oder Concretionen. Strenge genommen hätten wir uns in diesem Abschnitte eigentlich gar nicht mit ihnen zu beschäftigen, indem nicht etwa ein am Aufbau des Drüsenleibes betheiligtes Element, sondern vielmehr ein zur Ausfuhr bestimmtes Zersetzungsproduet ihren Hauptbestandtheil ausmacht. In- dessen, diese Gebilde bestimmen so wesentlich den Habitus des ganzen Organs, dass man nicht wohl umhin kann, ihrer auch hier, wenigstens vom morphologischen Gesichtspunkte aus, zu gedenken. a) Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Nephridien, 126 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Jene braunen Körper, welche in den Nephridiumzellen bald überaus zahlreich, bald nur spärlich vorkommen und dem Organe seine charakteristische Färbung verleihen, zeigen, genauer betrachtet, dass sie in den meisten Fällen von einer organischen Hülle bekleidet sind, also in einem Bläschen liegen. Dieses Bläschen bezeichne ich im Gegensatze zu dem von H. Meeker in die Wissenschaft eingeführten Begriffe »Secretbläschen« als »Excretbläschen«, bemerke aber gleich hier, dass ich, wo nicht ausdrücklich das Bläschen oder sein FExeret- inhalt als solche besonders betont werden, unter Exceretbläschen stets beide zusammen, nämlich Bläschen und Exeret verstehe, weshalb ich auch häufig synonym dafür Concretionen setze. Wo das Excret flüssig oder halbweich auftritt, lassen sich die Wandungen der dasselbe ent- haltenden Bläschen ohne Weiteres erkennen; schwieriger wird solcher Nachweis, sobald das Fxcret feste Form annimmt, Concretionen oder Krystalle bildet; die grösseren Coneretionen pflegen überhaupt keine Spur der Bläschen mehr aufzuweisen, scheinen also im Laufe ihres Wachsthums der organischen Hülle verlustig zu gehen. Die Form dieser Excretkörper ist sehr verschieden: flüssig und halbweich bilden sie immer 'Iropfen; fest können sie zwar ebenfalls die Kugelform beibehalten, daneben aber auch vieleckig, krystallinisch erscheinen. Am schärfsten tritt der krystallinische Charakter in jenen der Degeneration anheimgefallenen Nephridien der vordersten Zoniten hervor. Sowohl die rundlichen als auch die krystallinischen Concretionen haben selten ein homogenes Ansehen, sondern erweisen sich mit ganz wenigen Ausnahmen deutlich concentrisch geschichtet. Gewöhnlich sind zwei bis drei Kugel- schalen um einen centralen Kern angeordnet, es kann aber auch nur eine einzige vor- handen sein, und je nach diesen Verhältnissen pflegt der Durchmesser der centralen Kerne zu schwanken. Die Oberfläche der Concretionen ist gewöhnlich glatt, nur in wenigen Fällen habe ich dieselbe wie mit kleinen Stacheln, oder mit kleineren Concrementen besetzt gefun- den. Als einer ebenfalls seltenen Abweichung vom normalen Verhalten ist der Bildung von Zwillings- und Vierlingsconcrementen zu gedenken, welche Bildung übrigens häufig mehr angedeutet, als durchgeführt erscheint. In ihrer Grösse schwanken die Concretionen ausser- ordentlich; 1—10 u stellen etwa die Extreme dar, zwischen denen alle Maasse vertreten zu sein pflegen; am häufigsten aber trifft man 3 4 » grosse an. Die Farbe dieser Körper ist bald goldgelb, bald gelbbraun und je nach dieser Nuance, mehr noch aber je nach ihrer Anzahl, verursachen sie das gelbe bis schwärzliche Aussehen der Gesammtorgane. Hinsicht- lich der Vertheilung der Excretbläschen ist noch Folgendes zu bemerken: alle die beschrie- benen Formen können in einem und demselben oder in verschiedenen Organen desselben Thieres vertreten sein; es kommt aber auch vor, dass ein gegebenes Organ, oder alle Organe eines gegebenen Thieres nur Excretbläschen einer bestimmten Form enthalten. Bezüglich der Grösse finden wir dagegen constante Differenzen des Verhaltens. In der Trichter- region des centripetalen Schenkels®) sind nie andere als I—3 p grosse Excretbläschen ent- halten; erst in dem Maasse, als man sich vom "Trichter gegen die Schleife des Organs hin a) Taf. 13. Fig. 10. Taf. 34. Fig. 4. b) Taf. 13. Fig. 10. Taf. 34. Fig. 1. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). b. Tremomastus. 127 entfernt, trifft man auf die grösseren Concretionen; ebenso lässt sich im centrifugalen Schenkel, entsprechend der Volumverminderung der Drüsenzellen, eine, wenn auch bei Weitem nicht so bedeutende Grössenabnahme der Excretkörper constatiren®). Im Ausführungsgange’) endlich, mag er noch so voll gepfropft sein, finden sich in der Regel ebenfalls kaum über 1—3 p grosse Excretbläschen; nur ausnahmsweise habe ich einzelne von den grösseren, so massenhaft in den drüsigen Wandungen des Organs aufgespeicherten Concretionen in diesem Canale angetroffen. b. Tremomastus. Die Nephridien der Untergattung Tremomastus stimmen in den wesentlichen Punkten so sehr untereinander überein, dass sie ohne Schwierigkeit gemeinsam besprochen werden können; die wenigen Artunterschiede sollen übrigens an entsprechender Stelle hervorgehoben werden. Während die Nephridien des Ofstomastus keulenförmige Körper mit parallel laufenden Aus- und Einfuhrcanälen darstellen, erscheinen diejenigen der Tremomastus-Arten als bohnen- oder linsenförmige Kuchen, an denen dieselben Canäle mehr diametral entgegengesetzt ent- springen ®). Gegenüber den frei in der Leibeshöhle aufgehängten, compacten und formbestän- digen Nephridien des Notomastus lineatus bieten die, wie wir weiterhin kennen lernen werden, fest den Leibeswandungen anliegenden und vom parietalen Peritoneum bedeckten 4), gleich- namigen Organe des Tremomastus ein weiches, wenig formbeständiges Ansehen dar, so dass auch die gelegentlich wahrnehmbaren Ausbuchtungen oder Lappenbildungen keineswegs als con- stante, den Sprossen der Clistomastus-Nephridien vergleichbare, sondern als passive, durch die halbflüssige Beschaffenheit der Organsubstanz zu Stande gekommene, vorübergehende Zu- stände aufgefasst werden müssen. Die auffallendste Habitusdifferenz liegt aber in der Färbung: hellgelb bis tief orange, je nach den Individuen, ist die Farbe der Tremomastus-, gelbbraun bis schwarz diejenige der Olistomastus-Nephridien, so dass man meistens schon nach diesem Merkmale die beiden Untergattungen zu unterscheiden vermag. Hinsichtlich der Grösse zeigen die Nephridien der einzelnen Tremomastus-Arten ®) nur geringe Unterschiede; sie sind am umfangreichsten bei Notomastus fertilis*); dann folgt N. pro- ‚fundus und Benedeni; man sieht, die Stufenfolge geht conform derjenigen der Körpergrösse; ebenso schwankt diese Grösse nur unbedeutend bei den einzelnen Individuen. Im Verlaufe der Segmente eines gegebenen Thieres machen sich dagegen beträchtlichere Unterschiede geltend. Sie erfahren nämlich vom Abdomenanfange bis zum Abdomenende eine continuirliche und sehr bedeutende Grössenzunahme, in dem Maasse etwa, dass die Organe am Abdomenende das zweifache Vo- lum darbieten. Darin unterscheiden sich demnach die Arten des Tremomastus von denjenigen a) Taf! 13. Fig. 12. Taf. 34. Fig. 1. b)yLafı 132 Rio2412% ec), Taf. 34.24 Figs7, 01,15. aloTat 14. Pig. 7.10. en Tate 34, Diey.z. 11.2150). *) Ein Theil der bedeutenden Grössendifferenz zwischen Fig. 15. einer- und Fig. 7 und 11. andererseits ist dem Umstande zuzuschreiben, dass Fig. 15. vom Abdomenende und Fig. 7 und 11. von der Abdomenmitte der zugehörigen Thiere stammt. Indessen auch in der entsprechenden mittleren Abdomenregion erscheinen die Nephridien des Notomastus fertilis schon erheblich voluminöser als diejenigen der anderen zwei Arten. 128 A. Anatomisch-Histologischer Theil. des Clistomastus, dass bei letzteren die Nephridien nur bis etwa zur Körpermitte zunehmen, um sodann bis zur Schwanzregion diese Grösse annähernd beizubehalten. In der Schwanz- region selbst sinkt aber auch bei Tremomastus die Grösse der genannten Organe wieder be- deutend®). Was die absolute Grösse betrifft, so erreichen z. B. die Nephridiumkörper (also abgesehen von den Schenkeln) eines Notomastus Denedeni vorn 200— 300, in der Körpermitte 400—500 und im Abdomenende 500—600 p im Durchmesser. Die zu den inneren und äusseren Mündungen führenden Canäle (die centripetalen und centrifugalen Schenkel) erscheinen bei den Tremomastus-Arten viel schärfer vom Hauptkörper des Nephridiums abgesetzt, als die entsprechenden Canäle des Olistomastus, welche ja ganz continuirlich in die Schleife überzugehen pflegen. Der centripetale Schenkel, der stär- kere und längere, endet auch hier mit einer stark flimmernden Oeffnung, welche aber nicht glockenförmig wie bei Olistomastus, sondern pantoffel- oder löffelförmig gestaltet ist, und ferner im Gegensatze zu letzterem eine freie, von den Leibeswandungen resp. von dem parietalen Peritoneum unabhängige Lage hat. Diese Trichter") laufen in zwei lange Zipfel aus, deren Ränder sich bis zum Verschlusse aneinander legen können und, je nachdem man sie im ausge- breiteten, oder im geschlossenen Zustande, resp. je nachdem man sie zugleich von der Fläche oder vom Profil aus zu Gesicht bekommt, erscheinen sie bald als in zwei Zipfel auslaufende Pantoffel, bald als in einem Zipfel endende Löffel. Diese Zipfel sind durch ihre fadenartigen (muskulösen) Ausläufer an die Leibeswandungen befestigt, so dass sie als Mesenterien betrachtet werden können. Da wo der centripetale Schenkel in den Trichter übergeht, beträgt sein Durchmesser etwa 20 p und einen Ähnlichen Durchmesser hat der Trichter, so weit er als Halbcanal geschlossen verläuft. Als eine sehr auffallende Eigenthümlichkeit der sämmtlichen Tre- momastus-Arten muss hervorgehoben werden, dass in allen jenen Segmenten, welche mit Genital- schläuchen ausgerüstet sind, die Trichter nicht frei enden, sondern continuirlich in die hinteren Zipfel der je im selben Segmente gelegenen Genitalschläuche über- gehen‘), und zwar so continuirlich, dass es häufig unmöglich ist die Grenze der beiderseitigen Organe festzustellen. Es wird im morphologischen Theile meiner Arbeit, bei der Frage nach der Homologie der Genitalschläuche, diesem interessanten Factum die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden). Die centrifugalen Schenkel sind etwas kürzer und schmäler als die cen- tripetalen; sie haben, um nach aussen zu münden, die gesammten Wandungen der Leibeshöhle zu durchbrechen. Die äusseren Mündungen sind hier einfache Hautspalten von ungefähr 10 x Durch- messer; jene bei Notomastus lineatus in den meisten Fällen vorhandenen, über das Leibesniveau hervorragenden, die äusseren Mündungen tragenden Hautfortsätze (Schornsteine) fehlen allen Tremomastus-Arten. Nur bei N. Benedeni habe ich zuweilen die Hypodermis im Bereiche der Mündungen sich leicht knospenförmig erheben sehen. Bei den sämmtlichen Arten des Tremomastus pflegen die Nephridien vom ersten ab- a) Taf. 14. Fig. 6. Nm. b) Tax 34. Mig°8. 012.216. e) Taf. 2. Fig. 27. Taf. 34, Fig. 14. #) Vergl. den Morphologischen Theil, Kapitel Nephridien und Geschlechtsorgane. I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane). b. Tremomastus. 129 dominalen Segmente ab functionsfähig aufzutreten und sich in allen darauffolgenden (mit Aus- nahme der letzten unentwickelten Schwanzsegmente) in je einem Paare zu wiederholen; Rudi- mente thoracaler Nephridien sind mir bei Tremomastus nicht zu Gesicht gekommen. Niemals habe ich ferner in einem Segmente mehr als ein Paar solcher wahrgenommen. Bis zum Be- reiche des Körperendes haben alle Nephridien ihre ausschliessliche Lage in den ihnen zu- kommenden Zoniten; kein Theil der Organe ragt in einen davor oder dahinter gelegenen. Eine Ausnahme machen nur die weniger ausgebildeten Organe des Schwanzes, indem dieselben auffallenderweise nicht je in einem Segmente, sondern so ziemlich in der Mitte zwischen je zwei solchen ihre Lage haben, so dass also die bis zur Basis der Nierenkammern verlängert gedachten Septa nicht vor oder hinter die Nephridien, sondern auf deren Mitte zu stehen kämen‘). Was die Lagerungsverhältnisse in einem gegebenen Segmente betrifft, so ist zu bemerken, dass die Nephridium-Körper (also die Organe ohne Schenkel) nicht wie bei Clistomastus im Bereiche des dorsalen neuralen Längsmuskelstranges oder noch höher gelegen sind, sondern umgekehrt tief unten im Bereiche des gleichnamigen ventralen Stranges®). Diese Befestigung geschieht nun aber nicht wie bei Olistomastus mit Hülfe von Mesenterien, welche den Organen ein freies Flottiren gestatten, sondern sie vollzieht sich durch eine förmliche Verschmelzung der Nephridium- und Leibeswandungen, was am besten aus der 'I’hatsache er- hellt, dass das die neurale Muskulatur bekleidende Peritoneum ganz continuirlich auch über die mit der betreffenden Muskulatur verwachsenen Nephridien hinwegzieht ©; in Folge dessen kann auch an ein vollständiges Präpariren letzterer nicht gedacht werden. Die bei Clistomastus nur an den Segmentgrenzen angedeutete Nierenplatte des Peri- toneums ist in der vorliegenden Untergattung in sehr vollkommener Weise ausgebildet. Von einem Septum bis zum anderen ist diese durch die transversale Muskulatur verstärkte Haut jederseits vom Bereiche des Bauchstrangs bis zur Seitenlinie hinauf ausgespannt und grenzt so in jedem Zoniten die Nierenkammern von den Darmkammern ab. Die Nephridien des Tremomastus liegen nun mitsammt ihren Mündungen total in diesen Nierenkammern einge- schlossen@) und könnten daher, selbst für den Fall, dass sie nicht mit den Leibeswandungen verwachsen wären, doch nie solcher Excursionen theilhaftig werden wie die entsprechenden Organe des Olistomastus. Bezüglich der Längsaxe des Thieres liegt bei Tremomastus die Haupt- masse des Nephridiums®) im Bereiche der hinteren Segmentgrenze, und von da erstreckt sich der centripetale Schenkel nach vom, wogegen der centrifugale in einem stumpfen Winkel hämal abbiegt. In Folge dessen kommt die innere Mündung in die Nähe der vorderen, und die äussere in die Nähe der hinteren Zonitengrenze zu liegen. Im Hinblicke auf die Queraxe treffen wir die '[richter stets in der die beiden neuralen Längsmuskelstränge von einander scheidenden Spalte, wogegen die äusseren Mündungen etwas höher, nämlich in den Bereich des dorsalen neuralen Längmuskelstranges heraufrücken. a) Taf. 14. Fig. 6. Nm. b) Taf. 14. Fig. 1—4. Taf. 15. Fig. 31. Nm. c) Taf. 14. Fig. 3.4. 7210: A Tal RE Rig.0 270228 Tarı 14. Big 32 4. 7Tar,ald. Fig. 31. Nm. e)u Bat! 2.Rip. 27. 28. Dasld. Rio. 1.2, 22.2. Nm. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 17 130 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Die Nephridien des Tiremomastus gestatten im frischen Zustande einen viel klareren Einblick in ihren Aufbau als diejenigen des Clistomastus; denn, während letztere in Folge der Einlagerung jener zahlreichen braunen Concretionen ein meist ganz schwärzliches, die Structur verhüllendes Ansehen darbieten, lassen erstere, dank der T'hatsache, dass ihre wenig voluminösen Excretbläschen nur einen sehr kleinen 'Theil der Zellen ausfüllen, diese letzteren ohne Weiteres erkennen %). Dass man in diesem Falle wirklich die Zellen vor sich habe, beweisen die nach Reagentienzusatz auftretenden Kerne. Umgekehrt ist das Studium der fixen Präparate viel unergiebiger, indem die schon für Notomastus lineatus hervorgehobene Wässerig- keit der Zellsubstanz bei Tremomastus einen so hohen Grad erreicht, dass in den meisten Präparaten nur Spuren derselben erhalten bleiben; überdies tritt das in jener Untergattung wenigstens feste Fachwerk hier ebenfalls in ausserordentlicher Zartheit auf. Die peritoneale Hülle bedeckt die Nephridien aller Tremomastus-Arten nur so weit, als diese Organe der Leibeshöhle freie Flächen zukehren; ihre der Stammesmuskulatur an- liegenden Theile werden lediglich durch die Membrana propria begrenzt. Diese peritoneale Hülle’) geht daher von dem Nephridium unmittelbar auf die Muskulatur über; resp. das parietale Blatt des Peritoneums erscheint im Bereiche der Nephridien einfach etwas ausge- stülpt. Hinsichtlich seiner Structur bietet das genannte Blatt, soweit es die Nephridien überzieht, ganz dasselbe Ansehen dar wie in der nächsten Umgebung, ist also dick oder dünn, vorwiegend zellig oder muskulös, je nachdem es in dieser Umgebung beschaffen ist, also je nach der Körper- region. Man vergleiche z. B. das zarte, dünnhäutige Ansehen bei jugendlichen Nephridien aus der Schwanzregion mit dem dicken, fasrigen bei ausgebildeten. Zur Zeit der Geschlechtsreife schwellen oft die den Nierenkammern benachbarten 'T'heile der Genitalplatte, insbesondere bei den Weibchen derart an, dass sie mit den Nephridien in Berührung kommen, und so entsteht dann leicht der Anschein, als ob diese Organe, resp. ihre peritonealen Hüllen sich an der Erzeugung von Keimstoffen zu betheiligen vermöchten; aber selbst in solchen Fällen, in denen es zwischen dem lebhaft proliferirenden Keimepithel und den Nephridien zu einer wirklichen Verwachsung gekommen war, konnte ich den ursprüng- lich dem Nephridium allein zugehörigen 'Theil des peritonealen Systems immer noch unver- ändert erkennen‘), so dass eine keimbereitende '['hätigkeit des letzteren durchaus nicht an- genommen werden kann. Die Membrana propria stimmt in ihrem optisch-chemischen Verhalten vollständig mit derjenigen der Ckstomastus-Nephridien überein und wie bei letzteren, so liefert sie auch hier das Material, aus welchem sich das Zellenfachwerk nach Art einer cavernösen Drüse auf- baut; nur sind die einzelnen Räume (Zellen) d) des letzteren grösser, indem sie durchschnitt- lich 30—40 x messen, welche Durchmesser nur selten von denjenigen des Olistomastus, und a) Taf. 34. Fig. 7. 11.15. b). Bar. „Big. 055072 10: c) Taf. 14. Fig. 22. d) Taf. 14. Fig. 1—10, I. Notomastus. 9. Nephridien (Segmentalorgane).. b) Tremomastus. t31 auch dann nur in der Schleifenregion erreicht werden. Die von den Lamellen dieses Fach- werks resp. von den Zellwänden eingeschlossene Zellsubstanz ist eine homogene, halbflüssige, schwefelgelb bis orange * gefärbte?) Masse, deren Dichtigkeit hinter derjenigen der Olistomastus- Nephridien noch beträchtlich zurückbleibt. Bei der geringsten Verletzung der Organe tritt dieselbe in Form verschieden grosser Tropfen ölartigen Ansehens aus, und in diesen Tropfen >) lassen sich häufig die Kerne als sehr blasse Kreise neben den Excretbläschen wahrnehmen. Sowohl die Zellsubstanz, als auch die Kerne sind von ausserordentlicher Empfindlichkeit. Erstere widersteht nahezu keinem Reagens; in den allerbesten Präparaten findet sie sich nur durch sporadische Körnchen-Conglomerate angedeutet®), so dass das Zellfachwerk in der Regel leer erscheint, oder doch nur die etwas resistenteren Kerne erhalten zeigt). Dasselbe gilt für den dieser Zellsubstanz anhaftenden Farbstoff, über dessen chemische Natur ich nur die negative 'Thatsache mitzutheilen vermag, dass er mit Blutpigmenten nichts gemein hat, da die spektroskopische Untersuchung überhaupt kein Streifenspektrum erkennen liess. Im frischen Nephridium fällt der in mehreren Spiralwindungen die Drüse durch- setzende, etwa 12p breite Ausführungsgang, welcher einerseits in dem Trichter, andererseits in der äusseren Mündung endet, durch seine Farblosigkeit sofort in die Augen ®); seine lebhafte, centrifugal gerichtete Flimmerthätigkeit gestattet ihn selbst bis in die Tiefe des Organs hinein zu verfolgen. Auffällig ist nun das Factum, dass dieser Canal, welcher sich bei Ch- stomastus lediglich aus der homogenen, auch das Fachwerk aufbauenden Substanz zusammen- gesetzt erwies, hier von einer zelligen Schicht überzogen ist fr ln ganz jungen Organen aus der Schwanzregion trifft man da, wo der Ausführungsgang angelegt wird, noch einzelne dieser Zellen, über deren Herkunft ich nichts anzugeben weiss, sporadisch vertheilt®); weiterhin stösst man sodann auf ähnliche Zelleneomplexe, die sich zum Behufe der Canalbildung bereits vereinigt haben, aber noch kein Lumen erkennen lassen, und in ausgebildeten Organen endlich ist es nur noch der das Canallumen begrenzende, äusserst regelmässig angeordnete Kranz von Kemen, welcher von der ursprünglichen Individualität dieser nun zu einer con- tinuirlichen Schicht verschmolzenen Zellen Zeugniss ablegth). Bei Clistomastus hatte sich mir in Anbetracht des vollständigen Mangels irgend welcher dem Ausführungsgange angehöriger zelliger Bildungen die Vermuthung aufgedrängt, dass die denselben auskleidenden Cilien aus den benachbarten Drüsenzellen stammen möchten, und es schien mir in dieser Annahme zu- gleich eine natürliche Erklärung der intermittirenden Flimmerthätigkeit zu liegen; zu Gunsten a) Taf. 34. Fig. 7. 11. 15. Nm. bD)ETaR=BArHE EI ce) Taf. 14. Fig. 9. Taf. 34. Fig. 10. d) Taf. 14. Fig. 1—7 und 10. Nm. en Tat. 34. Fig. 711er 15. f)- Taf. 14. Fig. 110. Nm. C. g) Taf. 14. Fig. 8. h) Taf. 14. Fig. 2. Nm. C. *) Bei geschlechtlich erschöpften Exemplaren der Species N. fertiis habe ich die Zellsubstanz zuweilen grünlich gefärbt gefunden, d. h. grünlich im durchfallenden, schwärzlich (in dicker Lage) bei auffaliendem Lichte, IT 132 A, Anatomisch-Histologischer Theil. dieser letzteren Erklärung spricht nun die 'Thatsache, dass mir bei den mit einer selbständigen Zellenlage versehenen Canälen der Tremomastus-Nephridien ein Sistiren der Flimmerthätigkeit niemals begegnet ist. Im Lumen des Ausführungsganges finden sich häufig gelbe Körnchen, Theile der in den Drüsenzellen zur Ausbildung gelangten Excretbläschen-Conglomerate ; ausser- dem liegen in demselben zuweilen grosse Mengen von Blutscheiben®) angehäuft, ein Factum, auf das bei Besprechung der Nephridiumfunction noch zurückzukommen sein wird). Die Excretbläschen® oder Concretionen zeigen in ihrem Habitus eine grosse Aehnlichkeit mit denjenigen des Clistomastus; sie sind nur viel heller gelb, durchschnitt- lich kleiner, und neigen zur Bildung von Conglomeraten. Grösse, Form und Beschaffen- heit ist auch hier sowohl innerhalb der einzelnen Arten, als Individuen, ja sogar in ein und demselben Organe überaus variirend. Bald haben wir Bläschen vor uns mit halbflüssigem Inhalte, bald feste Körper, und letztere können rundlich oder vieleckig, homogen oder geschichtet erscheinen. Bei N. Benedeni®) walten die kleinen, festen, körnerartigen vor, welche sich in grosser Zahl zusammengebacken finden; bei N. profundus‘) treffen wir eben- falls zahlreich aggregirte, aber grössere und mehr bläschenartige, welche in der Regel von einer gemeinsamen Hülle umschlossen sind; bei N. fertilis endlich treffen wir sowohl die- sen ähnliche, als auch einzelne viel grössere feste, von mehr geschichtetem Baue ®). 10. Geschlechtsorgane. Die ersten Angaben über Geschlechtsverhältnisse betreffen die am längsten bekannte Form unserer Familie, nämlich Capitella capitata, speciell ihren so auffallenden Begattungsapparat. Da aber dieser bisher nur unvollständig untersuchte Apparat eingehende Berücksichtigung erfahren musste, so hielt ich es für förderlicher, das darüber Bekannte dem betreffenden Kapitel in der Bearbeitung des genannten Genus ein- zuverleiben und mich hier auf die Erwähnung des von den übrigen Gattungen Publieirten zu beschränken. Aus seiner Beschreibung des Notomastus latericeus geht hervor, dass Sars!) die äusseren Mün- dungen der im Folgenden zu schildernden Genitalschläuche gesehen hat, ohne sich freilich von deren jedeutung eine richtige Vorstellung machen zu können. Er sagt: »On remarque chez quelques individus un tout petit mamelon rond, probablement une glande muqueuse, dans l’espace entre les deux pro@minences pedales dans les premiers segments de la partie posterieure du corps. Une autre glande muqueuse plus de deux fois plus grande se trouve chez tous les individus dans environ les 20 premiers segments de la partie postörieure. Elle est placee de chaque cöte du dos, et un peu plus en arriere que le petit mamelon ci- dessus mentionne. On ne la remarque pas beaucoup dans les anımaux vivants, mais seulement quand l’anımal est mis dans de lesprit; car elle devient alors blane opaque et un peu pro@minente. Il me semblait qu'elle avait une petite ouverture a l’extremite en forme de fente«. Die vermeintlichen Drüsen zwischen den Parapodien sind nichts Anderes als die abdominalen Seiten- organe, und die anderen doppelt so grossen, mit spaltförmigen Oeffnungen versehenen Drüsen der ersten zwanzig Abdominalsegmente können ihrer Lage nach nur als Genitalschlauchporen verstanden werden, wo- mit zugleich die Zugehörigkeit des Notomastus latericeus zur Untergattung Tremomastus erwiesen ist. a) Taf. 14. Fig. 22. Nm. b) Taf. 34. Fig. 7—17. E. Bl. c) Taf. 34. Fig. 9. 10. Z. Bl. dj Taf. 34. Fig. 13.2. Bl. e) Taf. 34. Fig. 17. E. Bi. %) Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Nephridien. 1) 1. p. 2. ce. (Fauna littoralis) p. 10 und 11. I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane. 133 Auch Kurerstein !) hat diese Poren von seinem Notomastus rubieundus als unbekannte Gebilde er- wähnt. Folgendes sind seine eigenen Worte: »Vom zwölften bis wenigstens zum sechzehnten Segmente liegen hinter diesen lippenartigen Oeffnungen *) noch zwei andere kleine Querspalten, deren Bedeutung mir ganz unbekannt geblieben ist. Daraus geht aber hervor, dass Not. rubieundus ebenfalls ein Tremomastus ist. Endlich hat auch Crararkpn?) schon diese Poren gesehen und — missverstanden. In der Beschrei- bung des Notomastus Benedeni sagt er: »Üette espece presente dans les segments hamiferes, comme la pre- cödente et celle de St.-Vaast, une paire d’ouvertures comprise entre deux levres saillantes**). Leur place est toutefois iei differente. On les trouve, sur le milieu de la longueur de chaque segment du cöte dorsal disposces de chaque cöte sur une ligne qui passerait par les intervalles entre les tores ventraux et les tores dorsaux. Les soies minces et roides que jai decrites chez les autres especes sur les levres de ces ouver- tures, sont reduites icı a l’etat de cils non vibratiles tres-courts«. Wir werden sehen, dass Notomastus Benedeni, der auch mir vorgelegen hat, nur in den vier ersten Abdomensegmenten Genitalschlauchporen besitzt und dass die Porenmündungen weder durch lange, noch durch kurze Cilien ausgekleidet sind. Ueber Anlage und Entwickelung der Genitalproducte haben meine Vorgänger nur wenige Beobach- tun gen hinterlassen. Von Notomastus rubicundus traf CrararkpE®) nur geschlechtsreife Weibchen und über diese machte er die folgende Angabe: »Die reifen 0,3 mm breiten Eier schwammen ganz frei in der Blut- flüssigkeit. Selbst viel kleinere, im Durchmesser nur 0,05 mm breite Eier, deren Keimbläschen einen Durch- messer von 0,03 und deren Keimfleck einen Durchmesser von 0,009 m erreichten, schwammen frei herum. An der Leibeswand traf ich festsitzende, um die Hälfte kleinere Eichen«. Wichtiger für uns ist die folgende, vom selben Autor!) mitgetheilte Beobachtung über die Generations- organe des Notomastus Benedeni: »Relativement aux organes generateurs, il est a remarquer que les ovules se developpent du vingt-quatrieme au trentieme segment et qu'ils subissent la segmentation dans la cavite periviseerale des individus femelles. Il y a done ici vraisemblablement une fecondation interne«. Schliesslich bleibt noch zu erwähnen, dass Cnararkpr’) von Dasybranchus cadueus ein Stadium aus der Spermatogenese beschrieben und abgebildet hat, auf das ich in der betreffenden Darstellung zurück- zukommen haben werde. Um eine weitschweifende Darstellung zu vermeiden, werde ich auch im Nachfolgenden bestrebt sein, so viel als immer möglich das uns beschäftigende Organsystem gemeinsam für alle Arten des Genus zu behandeln; nur solche Divergenzen der Arten oder Untergattungen, die sich als von wirklicher Bedeutung erwiesen haben, sollen besonders hervorgehoben wer- den. Es wird sich übrigens zeigen, dass weniger die keimprodueirenden, als die keimausführen- den Apparate von solchen Divergenzen betroffen werden. Folgendermaassen wurde der Stoff gegliedert: nach einigen Bemerkungen über Geschlechtigkeit ete. beginne ich mit der Be- OO schreibung der Keimdrüsen; sodann wird die Entstehung der Keimproducte in diesen Organen, sowie deren Entwickelung zur Reife in der Leibeshöhle verfolgt werden; weiterhin soll uns die Frage beschäftigen, wie die Geschlechtsproducte nach aussen entleert werden, wobei die mit deut- NeERsp Arc Dale 2) 1.2925...0.4p-2 59% ale pp. Arcıpı 28 AlPl.Ep.=5. C.,P.:06 DiEep Sr ce. pr Zoll. 2 *) Lippenartige Oeffnungen nennt Krrersterin fälschlich die Seitenorgane; man vergleiche Anmerkung p- 76 und 111. **) Unter diesen vermeintlichen Oeffuungen, auf welche Crararipe Bezug nimmt, sind ebenfalls ivrthüm- licherweise die Seitenorgane verstanden. 134 A.. Anatomisch-Histologischer Theil. lichen, fungirenden Genitalschläuchen ausgerüstete Untergattung Tremomastus, sowie die solcher Schläuche entbehrende, oder deren doch nur rudimentäre aufweisende Untergattung Clisto- mastus jede für sich werden zur Darstellung gebracht werden müssen; im Anschlusse an letztere wird schliesslich auch der so eigenthümlichen Degenerationsprozesse allgemein zu gedenken sein, von welchen ein erheblicher Theil der Organsysteme des Notomastus lineatus im geschlechts- reifen Zustande ergriffen wird, jener Prozesse, deren specieller Verlauf, der Natur der Sache nach, der Beschreibung der betreffenden Organsysteme schon einverleibt werden musste. Die sämmtlichen Arten des Genus Notomastus sind (ähnlich wie alle übrigen Capi- telliden) getrennten Geschlechts. Im hochreifen Zustande ist die ganze Leibeshöhle, be- sonders in den mittleren und hinteren Regionen des Abdomens, strotzend von Eiern oder Samen angefüllt; die dünneren Leibeswandungen des Rückens erscheinen dann, in Folge der Spannung, von Segment zu Segment stark nach aussen hervorgewölbt, und der gesammte Leib solcher Thiere bietet ein aufgedunsenes Ansehen dar. Die hierdurch schon hervorgerufene, starke Abweichung vom normalen Habitus wird noch dadurch gesteigert, dass an Stelle der blutrothen Farbe bei den J' ein milchweisses, glattes und bei den @ ein graues, punktirtes Ansehen tritt; die normale, durch das Blut bedingte Färbung wird eben durch die massenhaft in der Leibeshöhle angehäuften Geschlechtsproducte verhüllt. Uebrigens muss ich van BENEDEN und CrLAParkDE gegenüber betonen, dass geschlechtsreife Thiere nicht nur nicht reicher, sondern umgekehrt ärmer an Blut zu sein pflegen, als unreife. Fungirende Ovarien und Hoden finden sich ausschliesslich in dem hinteren Körper- abschnitte, im Abdomen. Je nach den Individuen beginnen sie bald im ersten, bald nur in einem der ersten Segmente dieses Körpertheils aufzutreten, um sich bei Ckstomastus bis zum Schwanze, bei Tremomastus dagegen nur etwa bis zum letzten Viertel der gesammten "Thier- länge continuirlich von Segment zu Segment fortzusetzen; die am ergiebigsten proliferirenden Keimstöcke pflegt aber bei allen Arten die mittlere Abdominalregsion zu liefern. Ausgangspunkt für die Bildung der Genitalproducte ist bei unseren T'hieren in bei- den Geschlechtern ausschliesslich das Peritoneum, und zwar ein ganz bestimmter Abschnitt desselben. Schon einmal wurde darauf hingewiesen“), wie sich diese Membran, nachdem sie den Darm überzogen hat, in zwei Platten spaltet, welch’ letztere nach beiden Seiten hin eine Strecke weit ziemlich horizontal verlaufen, um sodann (als peritoneale Nieren- platten) auf die mit ihnen zusammentreffenden transversalen Muskeln überzugehen. Hierdurch wird ein selbständiger, von Organen nur den Bauchstrang beherbergender Raum des Coeloms abgegliedert, welcher gegenüber der Darmkammer und den Nierenkammern als Bauchstrang- kammer unterschieden wurde. Das Dach dieser Kammer®), die sog. Genitalplatte ist nun der Heerd, in dem sich bei allen Arten des Genus nahezu ausschliesslich der Prozess der Keimbildung abspielt. Da die Bauchstrangkammer, im Gegensatze zu den übrigen perito- nealen Räumen, ausser dem Bereiche der die Leibessegmente voneinander trennenden Septa a) Taf. 14% Big.13% 11. 222 Tate: sEig. 1.028 5 Taundes0.ep. Gpl. a) Vergl. p. 17 und Kapitel Leibeshöhle, I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane. 135 liegt, so ist in ihr, wie bei der Schilderung der Kreislaufsverhältnisse näher zu erörtern sein wird”), eine Communication beliebiger vorderer und hinterer Segmente, und zwar durch die Nierenkammern der verschiedenen Zoniten ermöglicht. Mit den Blutkörpern können daher auch etwa von ihrem Mutterboden abgelöste Ei- und Samenelemente aus den vorderen in die hinteren Körperregionen und umgekehrt gelangen. So lange die keimbildende 'Thätigkeit der Genitalplatte auf deren neurale (nach der Bauchstrangkammer zu gerichtete) Fläche beschränkt bleibt, ist nach dem Vorhergehenden nicht einzusehen, wieso die Keimstöcke von der segmen- talen Gliederung betroffen werden sollten; aber trotzdem pflegt eine solche Gliederung angedeutet zu sein, indem je an den — durch die darüber gelegenen Septa bezeichneten — Segment- grenzen die Genitalplatte ein ganz normales (peritoneales) Ansehen aufweist und nur inner- halb der so verstandenen Segmente zu Keimstöcken anschwillt®). Auf der Höhe geschlecht- licher 'Thätigkeit vermag aber die Bauchstrangkammer, besonders bei den &, die Producte der üppig wuchernden Genitalplatte, trotz zeitweiser Ablösung der reiferen Elemente, nicht mehr zu fassen; diese Platte treibt sodann Falten und Sprossen sowohl in die benachbarten Nierenkammern, als auch in die darüber liegende Darmkammer, und in diesen in den Be- reich der septalen Gliederung fallenden Abschnitten der Leibeshöhle müssen nun die Keim- stöcke selbstverständlich, ganz unabhängig von ihrem eigenen Verhalten, schon topographischer Verhältnisse halber, einer streng segmentalen Anordnung unterliegen»). Im unreifen Zustande unterscheidet sich das Ansehen des Genitalplattenepithels in Nichts von demjenigen der übrigen Peritonealmembranen; wie an den meisten Körperstellen, so erscheint auch hier dieses Epithel als eine dünne, selten Zellgrenzen aufweisende Haut, in der nur durch die ziemlich regelmässige Vertheilung der Kerne Territorien solcher angedeutet werden. Mit dem Beginne der Geschlechtsthätigkeit verändert nun aber die Genitalplatte diesen ihren Habitus, indem sie bei den & zunächst unter kolossaler Vermehrung ihres Kern- materials stark anschwillt®, und sich in zwei deutliche Blätter sondert. Zwischen diesen Blättern häufen sich sodann die Ureier (Oosporen) unter gleichzeitigem Wachsthum immer mehr an, so dass sie jetzt umfangreiche, je an den Segmentgrenzen sich abschliessende, kuchen- oder cylinderförmige Massen, die Ovarien, bilden“). Weiterhin, wenn der Raum der Bauchstrangkammer nicht mehr genügt, treiben diese Ovarien Falten und Sprossen nach be- nachbarten 'Theilen des Coeloms und erhalten demgemäss ein lappiges Ansehen. Die männlichen Keimstöcke oder Hoden erreichen niemals einen so bedeutenden Um- fang wie die weiblichen, indem sich die die Samenelemente liefernden Spermatosporen schon sehr frühe von ihrem Mutterboden ablösen®), um ihre weitere Entwickelung ganz und gar in der Leibeshöhle durchzumachen. Es wurde vorhin ausdrücklich hervorgehoben, dass allein im Abdomen fungirende Keimstöcke vorkommen. Hierzu gab die 'Thatsache Veranlassung, dass sich bei allen Arten 09 a) Taf. 14. Fig. 5. Ov. b) Taf. 14. Fig. 22. Ov. c) Taf. 15. Fig. S—11. d) Taf. 15. Rig.-5. 7. Taf. 14. Fig.- 22. Ov. e). Taf. 15. .Eig. 6. 4) Vergl. p. 17 und Kapitel Hämolymphe. 136 A. Anatomisch-Histologischer Theil. des Genus Notomastus auch je in einem 'I’horaxsegment, und zwar constant je in dem letzten (12.), in beiden Geschlechtern ein in der Anlage vollständig mit den Ovarien und Hoden übereinstimmender Keimstock vorfindet, der aber zeitlebens auf einer Stufe verharrt, welche von den Sexualdrüsen des Abdomens nur durchlaufen zu werden pflegt, nämlich auf der Stufe der Kernwucherung. Dieser bei Tremomastus etwa eine Länge von 700 und eine Breite von 60 x erreichende sterile, thoracale Keimstock %) hat genau die auch für die abdominalen Ge- schlechtsdrüsen charakteristische Lage in der Bauchstrangkammer. Aechnlich jenen Drüsen lässt auch bei ihm die Genitalplatte eine Spaltung in zwei Membranen erkennen und zwischen letzteren liegt, in beiden Geschlechtern, eine Menge eigenthümlicher, 6—16 x. grosser, kernartiger Gebilde angehäuft®). Ganz ebensolche, durch ihren auffallenden Habitus auf den ersten Blick wiedererkennbare Kernbildungen treffen wir auch stellenweise in den ausgeprägt männlichen und weiblichen Keimstöcken des Abdomens®), so dass über die Natur jener thoracalen Organe nicht der geringste Zweifel walten kann. Hätten sich solche sexuell indifferente Keimstöcke nur spora- disch im 'T'horax vorgefunden, so würden sie, im Hinblicke auf die der Peritonealmembran als solcher gewiss allgemein latent zukommende Fähigkeit, Geschlechtszellen zu erzeugen, als nichts besonders Auffallendes zu betrachten gewesen sein; die Thatsache aber, dass diese Gebilde bei allen Arten und zwar in beiden Geschlechtern constant im zwölften Segmente auf derselben Entwickelungsstufe angetroffen werden, sowie der Umstand, dass meistens, insbesondere bei Tremomastus, zwischen ihnen und dem ersten abdominalen, fungirenden Keim- stocke eine ganze Reihe steriler Segmente eingeschoben sind, zwingen uns, ihnen selbst dann noch ein Interesse zu schenken, wenn wir auch nicht im Stande sein sollten zu entscheiden: ob sie Bildungen progressiver oder regressiver Tendenz darstellen. Dieses Interesse liegt aber in der für spätere Erörterungen bedeutungsvollen Möglichkeit, dass bei unseren Thieren die Bildung der Geschlechtsproducte auf eine ganz bestimmte Region des Vorderleibes beschränkt sein könnte. Fassen wir nun die Producte dieser Keimstöcke, Eier und Samen, resp. deren Reifung ins Auge und zwar zunächst die Entwickelung der Eier. Die ersten Anzeichen der Eientwickelung bestehen darin, dass die vorher sich in nichts vom übrigen Peritoneum unterscheidende Genitalplatte unter bedeutender Vermehrung ihrer Kerne anschwillt®\. Einzelne dieser Kerne nebst Kernkörperchen wachsen zunächst um das Drei- bis Vierfache ihres Volums und wirken von da ab als Centren für die nächstliegenden Sub- stanztheile des Genitalplatten-Syncytiums. In dem Maasse als der ursprüngliche Kern und seine Kernkörperchen oder, wie man von nun ab auch sagen kann, das Keimbläschen und die Keimflecke weiterwachsen, nimmt auch der durch seine grössere Dichtigkeit sich vom Syn- cytium etwas abhebende Protoplasmamantel, d. h. die Zellsubstanz des künftigen Eies, an Durchmesser zu, und auf einer wenig weiter vorangeschrittenen Stufe, wenn das Ei noch EA An 1 Tate, 11 SL b) Taf. 15. Fig. 3.4. ce) Taf. 15. Fig. 11.13. 18. d) Taf. 15. I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane. 137 nicht ein Drittel seines definitiven Durchmessers erreicht hat, ist seine Individualität schon bestimmt ausgeprägt: es umgibt sich nämlich mit einer deutlich doppelt contourirten Mem- bran®). Das Keimbläschen hat von Anfang an eine deutliche Hülle. Von nun ab gehen die Ernährungsverhältnisse des Eies selbstverständlich in den normalen, endosmotischen Bahnen vor sich; ein Weiterwachsen unmittelbar auf Kosten des umliegenden Zellmaterials ist nicht mehr möglich. Dass aber bis zur Membranbildung ein derartiges Wachsthum stattzufinden pflege, dafür spricht die Thatsache, dass in der schon ziemlich scharf abgegrenzten Zellsub- stanz junger Eier sich, je nach dem Grade der stattgehabten Assimilation, noch mehr oder weniger deutlich Kerne erkennen lassen®), welche nur vom angrenzenden Genitalplatten- Syneytium geliefert werden konnten. Bald nachdem sich das Ei mit einer Dotterhaut um- geben hat, kann die Bildung eines Follikels®) erfolgen, und zwar derart, dass von dem in- zwischen deutlich zweiblättrig gewordenen Keimlager (der früheren Genitalplatte) Fortsätze zwischen die einzelnen Keimzellen hineinwuchern. Es ist klar, dass so wie die Dotterhaut, auch diese Follikel mit dem Fie wachsen, resp. ausgedehnt werden müssen. Eifollikel trifft ınan meistens nur an den Grenzen der Ovarien, ferner in solchen Segmenten, in denen die Eier- stöcke nur wenig Keimzellen zur Reife bringen; es dürfen daher bei unseren 'Thieren die Follikel durchaus nicht als nothwendige Attribute der Fortpflanzungskörper betrachtet werden. Mit dem Auftreten einer Membran beginnt die bis dahin feinkörnige Zellsubstanz des Kies ihr Ansehen zu verändern: es treten zahlreiche, verschieden grosse, rundliche Körper, die be- kannten Elemente des Deutoplasmas) auf; auch der stets viel blassere Keimbläscheninhalt klüftet sich in — jedoch viel kleinere — homogene Kügelchen. Der urspünglich rundliche, jederzeit durch Dichtigkeit und hohes 'Tinctionsvermögen auffallende Keimfleck erleidet im Laufe seines Wachsthums offenbar 'Theilungen; denn man findet ihn in späteren Stadien mit ein oder zwei verschiedengradig abgeschnürten Kuppen besetzt; ausserdem trifft man schon frühe mehrere Pseudonucleoli, welche offenbar Producte des Hauptnucleolus darstellen, in den Keimbläschen zerstreut. Neben diesen letzteren Gebilden finden sich in den Keimbläschen von sehr frühen Stadien an bis zur Reife häufig stäbchen- oder fadenförmige Einschlüsse, welche wohl als Elemente des sog. Kernfadennetzes aufzufassen sind. In einzelnen Körpersegmenten pflegt sich der gesammte Inhalt der zweischichtigen Ge- nitalplatte allmählich in Fortpflanzungszellen umzuwandeln, so dass schliesslich ein compacter Körper zu Stande kommt, welchen man als das Ovar®) des bezüglichen Segments bezeichnen kann. Begrenzt ist dieses Ovar zunächst von den ursprünglichen Lamellen der Genitalplatte; mit der Grössenzunahme der Keimzellen wächst aber diese Lamelle und sendet, wie schon hervor- gehoben wurde, Fortsätze um einzelne zunächst liegende Eier, so dass also hier Fierstocks- membran und Fifollikel unzweifelhaft Theile desselben Keimlagers darstellen, aus welchem auch die Eier ihren Ursprung genommen haben. Wie weiterhin die Ovarien immer mehr a) Taf. 15. Fig. 11. b) Taf. 15. Fig. 9. 10. c) Taf. 15. Fig. 7. 11. d) Taf. 15. Fig. 11. 143 115% e), Tat. 15. Eio.25r Op. Zool. Station z. Neapel, Faupa und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 18 138 A. Anatomisch-Histologischer Theil. anschwellen, die Grenzen der Bauchstrangkammer durchbrechen und Fortsätze in die Nieren- sowie Darmkammern entsenden, wurde ebenfalls bereits im Vorhergenden geschildert. Aber nicht in allen Segmenten geschlechtsreifer Thiere kommt es zur vollen Ausbildung der Ova- rien; einzelne bleiben vielmehr auf der Stufe der Kernvermehrung stehen®). Zwar wachsen diese Kerne theilweise und zeigen damit die Tendenz, zu Keimbläschen werden zu wollen, aber weiter bringen sie es nicht; denn es kommt weder zu einer Umgebung mit Zellsubstanz, noch zu einer Ausbildung von Keimflecken. Solche Kerne kann man als sterile bezeichnen und charakteristisch für sie ist: die regelmässige Kugelform, das dicht gedrängte Auftreten, sowie das Vorkommen zahlreicher, annähernd gleich grosser, stark lichtbrechender Bläschen oder Körnchen in ihrem sonst homogenen, blassen Inhalte. Derart sterile Ovarien oder Theile solcher neben einzelnen normal propagirenden Partien finden sich in den verschie- densten Körperregionen; Ein Segment aber ist, wie schon in Bezug auf seine topographi- schen Verhältnisse hervorgehoben wurde, constant Träger einer in allen ihren Theilen sterilen Keimdrüse, nämlich das letzte T'horaxsegment. Hier kommt bei allen Notomastus-Arten eine vom ersten ovarbildenden Abdomensegmente durch mehrere der Keimlager entbehrende Zoniten getrennte Anlage zu Stande, welche sich ausschliesslich aus solchen sterilen, überaus dicht gedrängt stehenden Kernen zusammensetzt. Einzelne dieser Kerne überragen an Grösse kaum die peritonealen Mutterkerne, andere dagegen sind bis auf 16 x herangewachsen, um zeit- lebens auf dieser ersten Stufe zur Keimbläschen- resp. Eiumwandlung zu verharren. Ein Blick auf Fig. 3 und 4. Taf. 15 und Fig. 11 und 13. Taf. 15 wird genügen, um sich zu überzeugen, dass wir hier in der 'That identische Bildungen vor uns haben. In einigermaassen entwickelten Ovarien liegen die Eier in Folge der immer mehr wach- senden Spannung polyedrisch gegeneinander abgeplattet; dies kann so weit gehen, dass sie schliesslich an den Organgrenzen linsenförmig werden, wobei selbstverständlich auch das Keim- bläschen plattgedrückt, sowie seine Membran oft wie in zahlreiche Falten gelegt erscheint. Solche besonders häufig bei Clistomastus auftretende Eier behalten auch, wenn künstlich aus ihrem Verbande befreit, geraume Zeit ihre abgeplattete Form bei. Auf einem gewissen Höhe- punkt der Spannung angelangt, platzt das Ovar und ergiesst sodann die Hauptmasse seines Inhalts in die verschiedenen Kammern der Leibeshöhle. Hier nehmen die noch auf sehr ver- schiedenen Stadien der Entwickelung sich befindenden Eier Kugelform an und werden so lange mit den Elementen der Hämolymphe hin und her getrieben, bis ihre vollständige Reife, resp. ihre Ablage erfolgt. Die zur Befruchtung und Ablage reifen Eier weichen in den verschie- denen Arten hinsichtlich Grösse und Habitus etwas von einander ab. Die grössten Eier des Notomastus lineatus®), welche mir zu Gesicht kamen — sie waren noch platt gedrückt und von elliptischem Umfange — massen in der grossen Axe 130, in der kleinen 70 p, ihre Keim- bläschen 60 p. Im frischen Zustande erschienen die Deutoplasmakörper als etwa 3—4 p grosse, unregelmässig geformte, glänzende Körner, welche in eine blassere, feine Körnchen a) Taf. 15. Fig. 13. b) Taf 1. I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane. 139 führende Masse, die Zellsubstanz, eingebettet lagen. Das Keimbläschen zeichnete sich durch einen noch blasseren, nahezu homogen erscheinenden Inhalt aus, und der meist mit den schon erwähnten Fortsätzen versehene Keimfleck hatte ein ebenfalls homogenes, aber dichteres, glänzendes An- sehen. Erst nach Reagentienzusatz liessen sich Dotterelemente von derjenigen Form erkennen, wie sie Schnittpräparate in allen Stadien von der Eihautbildung ab darbieten®), nämlich von der Form runder, mit einem dichteren Korn ausgerüsteter Bläschen; ebenso traten im Keim- bläschen nach solchem Zusatze die 2—4 j grossen, homogenen, blassen Kügelchen auf. Um- gekehrt fand ich in den frischen, im reifen Zustande etwa 280 » messenden, kugelförmigen Eiern des Notomastus Benedenib) die Deutoplasmakörper schon in ähnlicher Grösse und Form wie in den fixen Präparaten®); sie messen 4—12 p, stehen ziemlich dicht gedrängt und unter- scheiden sich nur durch ihr glänzendes, homogenes Ansehen; auch in dem 120 x messenden Keimbläschen zeigt sich der Inhalt schon ohne jeden Eingriff in 2—5 p messende, blasse, homogene Kügelchen gespalten. Aehnlich bei den im reifen oder nahezu reifen Zustande etwa 200 x» messenden Eiern und 96 p messenden Keimbläschen des Nofomastus profundus‘), dessen Deutoplasmakörper ein grünlich schillerndes Ansehen zu haben pflegen. In noch höherem Grade stimmen die Bilder des frischen und conservirten Zustandes bei Notomastus ‚fertilis miteinander überein. In der frischen, reifen, ca. 200 px messenden Eizelle®) dieser Art fallen die Deutoplasmakörper durch ihre bedeutende Grösse auf; sie erscheinen bald homogen, bald aus kleinen, blassen Kügelchen zusammengesetzt; ihre Zwischenräume werden durch eine blassere, continuirlich verbundene Masse, die Eizellsubstanz, ausgefüllt und diese kann eben- falls bald ein mehr homogenes, bald ein mehr granulirtes Ansehen darbieten. Der Inhalt des 90—100 x grossen Keimbläschens besteht aus blassen, homogenen Kügelchen. Vergleichen wir damit Fig. 16. Taf. 15, welche einen Querschnitt durch ein ebenfalls reifes Ei dieser Art darstellt, so treffen wir alle Theile wieder: vor Allem die Eizellsubstanz, welche hier erst ihre wahre Natur als continuirliches, nach allen Seiten der Kugelschale hin ausgebildetes, die Deutoplasmakörper umfassendes Fachwerk offenbart; ein 'Theil dieser aus blassen Kügel- chen zusammengesetzten Körper ist aus den durchschnittenen Fächern herausgefallen. Ein- zelne dunklere, leicht Kernbildungen vorspiegelnde Flecke in den Knotenpunkten halte ich für querdurchschnittene Verbindungsfäden, so dass also die einzelnen Abtheilungen nicht als geschlossene Fächer, sondern als durchbrochene Gerüste aufzufassen sein werden. Das Auf- fallendste an diesem Gerüstwerke ist aber die Thatsache, dass es in der innigsten Beziehung zu der Membran des Keimbläschens steht; es nimmt von ihm seinen Ausgangspunkt und zwar von dessen innerer, der Fihaut abgewandten Seite. Dagegen hat das Gerüste keinerlei Be- ziehungen zur Dotterhaut; es endigt frei in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft; der Zwischen- raum wird von Deutoplasmakörperchen ausgefüllt, welche etwas grösser sind als die in dem Fachwerke enthaltenen und sich auch stärker tingiren. Der Keimbläscheninhalt besteht auch hier aus wenige scharf begrenzten, homogenen Küeelchen. Einzelne dunklere Körper in dem- > > ) oO oO a) Taf. 15. Fig. 12. 14. b) Taf. 1. ce) Tat. 15. Eig. 11. d) Taf: ılk ejstTat.1. 140 A. Anatomiseh-Histologischer Theil. selben sind wohl Theilstücke des Nucleolus, welch’ letzterer vom Schnitte nicht getroffen wurde. Die Dotterhaut stellt in allen Fällen eine homogene, 3—4 p. dicke Membran dar, an der sich keinerlei Poren oder Micropylen erkennen lassen. Bezüglich der Wachsthumsverhältnisse von Eizelle, Keimbläschen und Keimfleck theile ich im Nachstehenden einige Maasse verschiedener Entwickelungsstadien mit. Es ergibt sich daraus, dass schon von einem frühen Stadium ab das Keimbläschen etwa den halben Durchmesser der Eizelle einnimmt und dass dieses Grössenverhältniss bis zur Reife fortdauert. Viel langsamer wächst dagegen der Keimfleck; übrigens kann letzterer, wegen der sich an ihm abspielenden Theilungs- oder Abschnürungsvorgänge, eigentlich kaum Object vergleichender Messungen sein. Durchmesser in p. Eizelle Keimbläschen Keimfleck Notomastus lineatus 36 16 4 45 20 b) 56 28 0) 68 32 10 s0 40 Ss 112 56 12 120 52 16 Notomastus Benedeni 220 105 —* 240 96 — 250 120 == Die Spermatogenese wird gleich der Oogenese durch eine Vermehrung der Kerne des Genitalplatten-Syneytiums eingeleitet; diese Kernwucherung erreicht aber im männlichen Keimstocke entfernt keinen so hohen Grad wie im weiblichen, weshalb auch die Genital- platte viel weniger anschwillt?). Während sich ferner letztere weiterhin bei den Weibchen in zwei Membranen spaltet, zwischen denen die Eikeime ihre Ausbildung erfahren (um so- dann von ihnen eventuell einzeln wie mit einem Follikel, unter allen Umständen aber in toto wie von einer Eierstocksmembran umschlossen zu werden), unterbleibt bei den Männchen diese Spaltung, die Spermatosporenbildung **) geht nur an den dem Coelom zugekehrten Flächen der Genitalplatte vor sich»), so dass hier von der Bildung einer Follikel- oder Hodenmembran keine Rede sein kann. Da sich ferner die Spermatosporen schon im ersten Stadium ihrer Aus- bildung, sei es einzeln oder gruppenweise ablösen, um ihre ganze Weiterentwickelung in der Leibeshöhle zwischen den Hämolymphelementen flottirend durchzumachen, so ist auch der Be- griff Hode nur in ganz uneigentlichem Sinne zu brauchen. a) lar.lidr (Bieor sp GpL: b) Taf. 15. Fig. 17. 18. *) Im reifenden Eie dieser Speeies lässt sich das Keimbläschen wegen der Undurchsichtigkeit des Deutoplas- mas nicht mehr wahrnehmen. **) Für die Beschreibung der einzelnen Stadien der Spermatogenese habe ich die von LANkEster-BLoom- FIELD eingeführte "Terminologie adoptirt. Broomrieun, J.E. On the Development of the Spermatozoa. Part I. Lumbricus. Q. Journ. Mier. Sc. (2) Vol. 20. p. 82. I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane 141 Die Spermatosporen®) stellen sich als verschieden grosse, nackte Zellen mit relativ grossen Kernen dar. Wie sich diese Zellen oder Zelleneomplexe aus dem Genitalplatten- Syneytium heraus individualisiren, vermag ich nicht anzugeben, indem sich sowohl der Prozess ihrer Bildung als Ablösung sehr rasch abspielt. Auch ihre Umwandlung in die nächste Stufe der Samenbildung kann nur wenig Zeit in Anspruch nehmen, da es mir nur selten gelang abgelöste Ursamenzellen in der Leibeshöhle geschlechtsreifer Männchen — wo doch alle anderen Stadien massenhaft angetroffen werden können — wahrzunehmen. Die nächste Stufe repräsentiren die Spermatosphären®); verschieden grosse, rund- liche oder ovale Klumpen S—10 x messender, nackter Kugeln, welch’ letztere, die Sperma- toblasten®), wiederum aus zahlreichen 1—2 p. grossen, blassen, homogenen Kügelchen mit je einem dichteren, glänzenden Korne bestehen. Die Spermatosphären haben wir uns durch wiederholte Theilung der Spermatosporen entstanden zu denken. Ein solches Zwischenstadium konnte auch in einem conservirten Thiere nachgewiesen werden). Die die Spermatosphären zusammensetzenden Spermatoblasten beginnen nun ihrerseits sich zu theilen, und in dem Maasse werden sie auch immer kleiner und zahlreicher; sie messen auf der in Fig. 20. Taf. 15 dargestellten Stufe etwa 6p und auf der in Fig. 22. Taf. 15 dargestellten nur noch 4 p. Hiermit ist der Vermehrungsprozess seinem Ende nahegerückt; denn nach einer nochmaligen Theilung beginnt sich die Umwandlung der Spermatoblasten in Spermatozoen zu vollziehen. Diese Umwandlung äussert sich zunächst dadurch, dass von den Spermatoblasten starre, dünne, haar- artige Fortsätze — die Schwänze der künftigen Spermatozoen — auswachsen ®); ferner nehmen die Spermatoblasten eine ovale Form an, die sie zusammensetzende Substanz wird homogen, und anstatt des bis dahin in der Einzahl vorhandenen, stärker brechenden Kornes treten 3 bis 4 ähnliche kleinere Körnchen auf. Die nächste Stufe wird durch Fig. 25. Taf. 15 repräsentirt: von nun ab fallen die Spermatoblasten, welche inzwischen noch mehr im Längen- auf Kosten des Breitendurchmessers gewachsen sind, durch das charakteristisch glänzende Ansehen auf, welches eine aus ihnen zusammengesetzte Spermatosphäre so scharf von allen anderen Gewebs- elementen abhebt. Fig. 26. Taf. 15 zeigt das letzte Stadium: die ursprünglich kugligen, oder die bis zur vorhergehenden Entwickelungsstufe doch annähernd kugligen Spermatosphären er- scheinen nun kuchenartig platt gedrückt und in sehr mannigfache Fortsätze auslaufend; nach allen Seiten hin starren die inzwischen stark- in Länge gewachsenen Spermatozoen- schwänze. Es genügt auf ein solches Conglomerat einen leichten Druck auszuüben, um die es zusammensetzenden Elemente zu isoliren; die einzelnen Spermatozoen‘) bewegen sich sodann sehr lebhaft. Die Köpfe der letzteren enden spitz, und zwar erscheint die Spitze wie durch eine Furche vom übrigen Körper abgeschnürt. Viele, mehr rundliche Spermatozoen schienen am Vorderende an Stelle der Spitze mit einem und am Hinterende mit zwei Kügel- chen besetzt zu sein; ich vermag aber nicht anzugeben, ob letztere Form nur eine Entwicke- lungsstufe repräsentirt, oder ob bei unseren Thieren zweierlei reife Samenthierchen vorkommen. a) Taf. 15. Fig. 17. 18. 27%, b) Taf. 15. Fig. 19. c) Taf. 15. Fig. 19—27. d) Taf. 15. Fig. 27%, e) Taf. 15. Fig. 24. f) Taf. 15. Fig. 26%. 142 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Ausser den bisher allein in's Auge gefassten einfachen Spermatosphären begegnen wir auch solchen, welche in mehr oder weniger regelmässiger Anordnung zu vielen verbunden ihre Entwickelung durchmachen. Fig. 21. Taf. 15, dessen Spermatoblasten etwa auf der zweiten Entwickelungsstufe stehen (ähnlich Fig. 20. Taf. 15), zeigt einen solchen Complex, dessen einzelne Spermatosphären so angeordnet sind, dass sie einen Hohlraum einschliessen; in anderen Fällen liegen sie einfach neben- oder übereinander. Dieser ihr Verband kann bis zur Reife dauern; denn noch im vorletzten Stadium begegnet man vergesellschafteten Spermatosphären ®); während des Ueberganges zum letzten Stadium scheint sich aber dieser Verband stets zu lösen. Es fragt sich nun, ob die zuletzt beschriebenen Vielheiten als nothwendige Zwischenglieder der Sper- matosphärenentwickelung betrachtet werden müssen; in diesem Falle würden die Fig. 19, 20 und 22—24. Taf. 15 nur Theilstücke solcher darstellen. Gegen eine solche Auffassung spricht aber die Thatsache, dass man in allen Stadien der Spermaentwickelung sowohl einzelne Sper- matosphären, als auch verschiedenartig geformte Gruppen solcher antrifft. Ich glaube daher auch diesen Zwiespalt eher so deuten zu müssen, dass aus Spermatosporen, welche sich ein- zeln von der Genitalplatte ablösen, einzelne Spermatosphären, und dass aus solchen, welche sich in Mehrzahl untereinander verbunden ablösen, Spermatosphärengruppen entstehen. In Bezug auf die Spermatosphären aller Stadien ist endlich noch zu bemerken, dass sie im Innern eine verschieden grosse Menge von Protoplasma einschliessen, welchem die Sper- matoblasten kugelschalenähnlich aufsitzen®‘. Dieser ungeformte 'Theil — er entspricht dem Sperm-Blastophor Broonmrıeıp’s — kann einen Fortsatz bis zur Oberfläche der Spermato- sphären entsenden, in welchem Falle dann diese wie von einer Oeffnung durchbohrt aus- sehen; meistens lässt sich aber das Vorhandensein des Sperm-Blastophors nur mit Hülfe opti- scher oder wirklicher Schnitte constatiren. Der vorhergehenden Beschreibung liegt ausschliesslich die Spermatogenese des Noto- mastus fertilis zu Grunde; ich konnte mich aber davon überzeugen, dass bei den übrigen Arten diese Genese vollkommen ähnlich verläuft und nur im definitiven Ansehen der Spermatozoen, resp. in deren Grösse geringfügige Unterschiede walten. Wenn auch die Keimstöcke der Männchen zu keiner Zeit zu so voluminösen Organen anschwellen wie diejenigen der Weibchen, so ist doch die Masse des durch ihre proliferirende Thätigkeit geschaffenen Materials um Nichts geringer; nur ist dieses Material von Anfang an frei in der Leibeshöhle flottirend enthalten, wogegen bei den Weibchen erst in späteren Sta- dien die Ablösung erfolgt. Das hindert aber nicht, dass sich auch bei den Männchen die Geschlechtsproduete in grosser Menge ansammeln und oft ganz wie bei den Weibchen die Leibeswandungen colossal ausdehnen. Werden solche 'Thiere angestochen, so erhält man nicht mehr Hämolymphe, welcher Fortpflanzungsproducte beigemengt sind, sondern es sind um- gekehrt die Fortpflanzungsproducte überwiegend und die Hämolymphelemente zurücktretend. Schliesslich bleibt noch zu erwähnen, dass mir auch zuweilen bei den männlichen a) Taf. 15. Fig. 25. b) Tuf. 15. Fig. 23 und 27 e. f. I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane. 143 Thieren zur Zeit der Geschlechtsreife Genitalplattenabschnitte zu Gesicht kamen, welche Nester von eben solchen sterilen Kernen enthielten®), wie solche für den sterilen thoracalen Keimstock der beiden Geschlechter charakteristisch sind, so dass also auch von dieser Seite her meine Auffassung jener Elemente eine Bestätigung erhielt. Ich gehe nun zur Schilderung der Genitalschläuche°) über. Die Existenz dieser sich einerseits in die Leibeshöhle und andrerseits durch Hautporen nach aussen öffnenden Organe ist schon aus dem die allgemeine Körperform behandelnden Kapitel bekannt. An jenem Orte wurde auch schon hervorgehoben, dass sie allein bei der Untergattung Tremomastus eine voll- kommene Ausbildung erreichen und zugleich einen wesentlichen Artcharakter bilden. Es kommen nämlich dem Notomastus Benedeni 5, dem N. profundus 9 und dem N. fertilis unge- fähr 20 Paare von Genitalschläuchen zu. In den beiden Geschlechtern verhalten sie sich ganz gleich; nur pflegen ihre äusseren Mündungen bei den Weibchen sehr viel deutlicher zu sein als bei den Männchen. An der Zusammensetzung der Genitalschläuche betheiligen sich zwei offenbar heterogene Bildungen: die eine wahrscheinlich mesodermale, innerhalb der Leibeshöhle gelegene, bildet das Organ im engeren Sinne; die andere, unzweifelhaft ectodermale, im Be- reiche der Haut gelegene, bildet den die Ausmündung vermittelnden Porenträger. Beide aber sind an ihren Berührungspunkten aufs Innigste miteinander verwachsen‘). Die Form der Genitalschläuche ist urnen- oder glockenähnlich; nur muss man sich diese Urnen oder Glocken bis zu elliptischem Querschnitte comprimirt und ihren freien, nach der Leibeshöhle zu gerichteten Rand in der Richtung der langen Axe (conform der Längsaxe des '[hieres) derart halbkreisförmig ausgeschnitten denken, dass nur noch ein vorderer und hinterer, spitz endender Zipfel übrig bleibt. Die Porophore@) bilden elliptische, mehr oder weniger über die Haut hervorragende, central von einem Canale durchbohrte Warzen, welche breitbasig der Haut eingepflanzt stehen und sich nach ihrem freien Pole hin allmählich verjüngen®). Ihre langen Axen sind nicht denjenigen der Genitalschläuche parallel, sondern rechtwinklig darauf und daher auch recht- winklig auf die Längsaxe des '[hieres gerichtet. Die Grösse der Genitalschläuche ist, insofern wir nur die zumeist nach vorn ge- legenen vergleichen, für die verschiedenen Arten eine ziemlich übereinstimmende; dagegen pflegen bei allen Arten der Untergattung gleicherweise je das letzte oder je die beiden letzten Schlauchpaare auffallend kleinere Dimensionen aufzuweisen als die vorhergehenden. Die ersten vier Genitalschläuche eines erwachsenen Notomastus Benedeni z. B. massen je in der Höhenrichtung 560 und in der Breitenrichtung (die lange Axe der Glockenbasis, abge- sehen von den Zipfeln, zu Grunde liegend gedacht) 225 p; der fünfte (letzte) aber erreichte in den entsprechenden Richtungen nur je 250 und 70 g. Die Höhendurchmesser der ersten sieben Genitalschläuche eines Notomastus profundus 2 betrugen etwa 310 und die grössten a) Taf. 15. Fig. 18. b) Taf. 2. Fig. 27. 29. Taf. 14. Fig. 1.2 und 11—13. G. Schl. c) Taf. 14. Fig. 13—15. d) Taf. 2. Fig. 6. 29. G@. Schl. P. e) Taf. 14. Fig. 13—15. 144 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Breitendurchmesser 2850 p, wogegen dieselben Durchmesser des achten (vorletzten) je nur eine Länge von 255 und 210 x» und diejenigen des neunten (letzten) endlich bloss je 215 und 110 x erreichten. Auch die Porenträger, sowie ihre Poren sind entsprechend den Genitalschläuchen vorn umfangreicher als hinten. So mass die lange Axe des ersten Porophors eines geschlechts- reifen Notomastus Benedeni @ im Bereiche der Kuppe 280 und die kurze Axe 160 p, die lange Axe seines nahezu geschlossenen Porus 220 und die kurze 6 p; für den letzten (fünften) Porenträger desselben 'Thieres fand ich die entsprechenden Axen 170 und S0 p, diejenigen seines ähnlich geschlossenen Porus S0 und $S p lang. Selbstverständlich sind alle diese auf die beiden Axen bezogenen Maasse nur relative, indem ja die Poren bald als nahezu geschlossene, bald aber als klaffende Spalten erscheinen. Die Genitalschläuche sind streng segmentale, paarige, bei der Untergattung Tremo- mastus nur im Abdomen vorkommende Organe. Bei allen Arten der Untergattung beginnen sie im zweiten Segmente dieses Körperabschnitts, um sich je nach der Species in 5, 9, oder 20 aufeinander folgenden Zoniten zu wiederholen. Die Nephridien beginnen, wie wir gesehen haben, schon im vorhergehenden Segmente, so dass also die Abdomina der Tremomastus- Arten im ersten Zoniten nur Nephridien, in den folgenden 5, 9 oder 20 Zoniten Nephridien und Genitalschläuche, und in den übrigen Segmenten wieder ausschliesslich Nephridien enthalten. Dieselben Abschnitte der Leibeshöhle, welche die Nephridien bergen (die Nephridium- Kammern) enthalten auch die Genitalschläuche‘?), und während die ersteren Organe in einem gegebenen Segmente die hintere Region occupiren, nehmen die letzteren die vordere ein®). Dieses Nebeneinandersein im selben Segmente wird noch dadurch erleichtert, dass die Längsaxen der Nephridien der Längsaxe des Körpers parallel, diejenigen der Genitalschläuche hingegen rechtwinklig darauf gerichtet stehen. Diesem Umstande ist es wohl auch zuzu- schreiben, dass die äusseren Mündungen der Genitalschläuche so viel mehr hämal liegen als diejenigen der Nephridien. Die Beweglichkeit der Genitalschläuche ist eine sehr grosse, indem sie, abgesehen von ihrer Befestigung durch zwei Mesenterien im Bereiche der Mündungen, sowie durch die erwähnten zwei Zipfel, ganz frei in der Leibeshöhle aufgehängt sind. Von jenen Zipfeln ist der vordere mit den Leibeswandungen verwachsen, wogegen der hintere jene so auffallende Verbindung mit dem Trichterende des jeim selben Zoniten gelegenen Nephridiums eingeht, deren bereits bei Besprechung dieser letzteren Organe gedacht wurde. Noch ist zu er- wähnen, dass im Bereiche der Mündungen mehrere transversale Muskelbündel aus der Stammes- muskulatur entspringen, um sich an verschiedenen Punkten der Glocken-Circumferenz anzu- setzen. Durch die Contraction dieser Muskeln müssen die Schläuche bis zu einem gewissen Grade zur Ausstülpung gebracht werden können. a) Taf. 14. Fig 11. @. Seil. b)=Tat 22 Ri 27. I. Notomastus. 10. Geschlechtsorgane. 145 Die Structur®) der Genitalschläuche ist eine sehr einfache. An ihrer der Leibes- höhle zugekehrten Fläche bemerken wir zunächst einen peritonealen Ueberzug, ähnlich wie er auch allen anderen in dieser Höhle befindlichen Organen zukommt. Dieser Ueberzug geht im Bereiche des Glockenhalses mesenterienartig in denjenigen der Leibeshöhle über”), von dem er sich auch histologisch in Nichts unterscheidet. Es folgt sodann das eigentliche Schlauchepithel, eine Membran, welche in der Glockenweite glatt, im Glockenhalse dagegen in Falten gelegt erscheint. Zellgrenzen sind nirgends wahrzunehmen; an allen Stellen treffen wir das Epithelmaterial als eontinuirliche, reich mit körnigen Einlagerungen versehene Schicht, in der zahlreiche Kerne vertheilt stehen; auch einzelne Muskelfasern, und zwar Ringfasern, pflegen das Epithel zu durchsetzen; endlich wird letzeres nach der Glockenlichtung hin durch eine structurlose, euticulaähnliche, mit Cilien versehene Membran abgeschlossen. Um den Porus zu erreichen, hat der verengerte Hals des Genitalschlauchs die Stam- mesmuskulatur zu durchbohren®), wobei er seiner äussersten, sich auf das Peritoneum der Leibeshöhle überschlagenden Hülle verlustig geht; an der äusseren Grenze dieser Muskulatur endet auch sein epithelialer (bewimperter) Theil, indem hier die Lichtung des Porophors ausschliesslich von der Cutieula ausgekleidet wird). Die Porenträger erweisen sich bei den Männchen zu jeder Zeit und bei den Weibchen ausserhalb der Periode der Geschlechtsreife ganz wie die Hypodermis aufgebaut; sie erscheinen als einfache Hypodermverdickungen mit centralen, von der Cutieula ausgekleideten Poren®). Bei den geschlechtsreifen Weibchen aber erleidet dieses Ansehen eine gewaltige Veränderung: anstatt aus zahlreichen kleinen Haut- elementen finden wir den Porophor aus einer relativ geringen Menge colossaler Schläuche bestehendf). Diese an ihrer Basis bauchigen und am entgegengesetzten Ende etwas zuge- spitzten Bildungen stehen rosettenförmig um den Porus herum angeordnet. Ihre Structur ist überaus eigenthümlich; jeder Schlauch besteht aus einer dicken, bald homogenen, bald strei- figen, auch oft Körnchen führenden Wandung, welche ihrerseits durch Ausläufer mit der- jenigen benachbarter Schläuche, oder aber mit der Cutieula verbunden ist#). Im Lumen der Schläuche zeigt sich ein überaus feines Fadennetz ausgespannt, dessen Maschen von einer blassen, homogenen Masse ausgefüllt werden. Auf den ersten Blick glaubt man das Faser- netz des Bauchstranges vor sich zu haben, so fein und dicht sind diese Maschen. Die Kerne finden sich in der Regel gruppenweise in den Schläuchen zerstreut; auffallend ist die geringe Grösse dieser Kerne gegenüber den riesigen Dimensionen der Zellen. Was nun diese, durch die Geschlechtsthätigkeit hervorgerufene Modification betrifft, so glaube ich, dass wir in den offenbar als Drüsen aufzufassenden Schläuchen wohl nur colossal vergrösserte Haut- Plasma- zellen vor uns haben, denen ja, wie aus der betreffenden Darstellung erinnerlich, ursprünglich schon eine Drüsenfunetion zukommt. Eigenthümlich sind diesen vergrösserten Hautdrüsen: die überaus entwickelte Membran, die Vielzahl und Kleinheit der Kerne, und endlich das so sehr ausgeprägte Filom der Zellsubstanz. a) Taf. 14. Fig. 19. 20. b) Taf. 14. Fig. 21. e) Taf. 14. Fig. 14. 15. 21. d) Taf. 14. Fig. 14. e) Taf. 14. Fig. 15. f) Taf. 14. Fig. 13—16. g) Taf. 14. Fig. 17. 18. ö/ Zoo]. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 19 146 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Bei Notomastus lineatus ist in der Regel von Genitalschläuchen nichts wahrzunehmen; daher seine Trennung als Clistomastus von der mit wohlausgebildeten solchen Organen ver- sehenen Untergattung Tremomastus. Aber — in einzelnen Fällen sind doch Spuren der Schläuche, und zwar (im Gegen- satze zur ausschliesslich abdominalen Lagerung bei Tremomastus) in den letzten drei 'T'horax- segmenten vorhanden. Diese Spuren können sich erstens auf die Leibeshöhle beschränken und stellen dann peritoneale Wucherungen dar, die zwar noch an die Form der Genitalschläuche erinnern, aber doch jedweder äusseren Mündungen entbehren. Zweitens können diese Spuren umgekehrt ausschliesslich aus mangelhaft ausgebildeten Poren bestehen, welche den Haut- muskelschlauch nicht durchbrechen oder, wenn sie das thun, doch nur in überaus kleine und undeutlich ausgebildete Genitalschläuche übergehen, wobei zu bemerken ist, dass sich solche Spuren bald in allen drei, bald in zwei, oder nur in einem der betreffenden Thoraxsegmente vorfinden. In noch selteneren Fällen endlich, besonders bei geschlechtsreifen Weibchen, erreichen aber auch bei Clistomastus die Genitalschläuche eine vollkommenere Ausbildung. Bei einem derartigen '[hiere fanden sich in allen drei resp. Segmenten Poren und Schläuche; letztere waren im 10. und 12. Segment sehr klein, im Il. dagegen annähernd normal, indem ihre Höhendurchmesser 400 und ihre Breitendurchmesser 200 p betrugen; aber die Poren aller dieser Schläuche massen gleicherweise ca. 50 p in der Längs- und ca. 10 p in der (JQueraxe, wogegen diejenigen der Tremomastus, z. B. die vorderen eines T. Benedeni 2, wie wir gesehen haben, 220 x der Länge und 6 p der Breite nach massen. Auch von den bei T’remo- mastus, besonders im geschlechtsreifen Zustande so auffallenden Hautturgescenzen, »den Poren- trägern«, war bei dem betreffenden Olistomastus @ keine Spur zu sehen. Wenn also nach alledem sich auch in der Untergattung Cistomastus ausnahmsweise Genitalschläuche bis zu einem gewissen Grade zu entwickeln vermögen, so ist doch jedenfalls ein Functioniren derselben ausgeschlossen, und der Act der Befruchtung resp. der Act der Ei- und Samenablage muss bei ihr in andere Bahnen gerückt sein. Ich glaube diesen veränderten Bahnen durch Beachtung der so eigen- thümlichen regressiven Metamorphose, von der mehrere Organsysteme während der Ge- schlechtsreife betroffen werden, auf die Spur gekommen zu sein; davon soll aber in dem- jenigen Abschnitte die Rede sein, in welchem die Function der Genitalschläuche aller Formen im Zusammenhange zur Erörterung kommen wird”). Notomastus lineatus habe ich von März bis August, N. Benedeni von November bis Mai, N. fertiis von Januar bis Mai und N. pro- Fundus endlich das ganze Jahr hindurch (in wechselnder Anzahl) geschlechtsreif gefunden. %) Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Geschlechtsorgane. I. Notomastus. 11. Leibeshöhle. 147 ll. Leibeshöhle. Ueber dieses Organsystem existiren in der Literatur unserer Gruppe nahezu keine Angaben. Es wäre nur der von ÜLAPAREDE ausgesprochenen Vermuthung zu gedenken, dass in der Leibeshöhle von Noto- mastus und Capitella, weil diese Würmer wie G/ycera gefässlos sind und rothe Blutkörperchen in der Peri- visceralflüssigkeit enthalten, wie im Coelom letzterer Gattung Cilien vorhanden sein werden, welche Ver- muthung sich überdies als unzutreffend erwiesen hat. Die Leibeshöhle der Capitelliden und des Notomastus insbesondere ist von auffallender Geräumigkeit, ein Verhältniss, welches wohl in erster Linie durch den Umstand bedingt wird, dass bei unseren 'Thieren diese Höhle nicht nur, wie bei den meisten anderen Anneliden, die Perivisceralflüssigkeit (Lymphe) enthält, sondern auch zur Aufnahme des ein sehr beträcht- liches Quantum repräsentirenden rothen Blutes bestimmt ist. Sie lässt sich von dem vorderen bis zum hinteren Körperende als ein System je nach der Körperregion mehr oder weniger umfangreicher und verschiedenartig gegliederter Hohlräume nachweisen. Von diesen Räumen verdient in erster Linie ein R Banele Darm-Mesenteriuum median-neuraler unsere Be- abdominales ENT Im hämaler Seitenorgan ll ANNE Hy „" Längsmuskel. achtung, weil er der einzige ist, welcher sich unabhängig Hakentasche (Kieme) -., von der Segmentirung con- tinuirlich nach Art eines Ge- 2 nebst transversaler -1..\\ __ Muskulatur fässes vom ersten bis zum letzten Zoniten erstreckt. Er _dorsal:neurater..\. Langsmuskel kommt dadurch zu Stande, BE dass sich das die ganze Nephridium Se % R gkammer > Leibeshöhle austapezierende ES = R n neurales .-" N und die sämmtlichen Or- Paranodium N gane überziehende Peri- e ventral-neuraler toneum, nachdem es den Langsmuskel : Darmkanal umhüllt hat, in >: Bauchstrang ‘ Ringmuskulatur = medıan neuraler Haut zwei Blätter spaltet und Langsmuskel e 3 Schematischer Querschnitt durch den Abdomenanfang eines Notomastus zur Demonstration der dass diese, nach horizon- Ener ifeliroesz talem Verlaufe, an gegenüberliegenden Stellen mit dem Peritoneum des Hautmuskelschlauchs (Olistomastus), oder mit demjenigen der Nierenblätter (Tremomastus) verschmelzen. Von Or- \ ganen schliesst dieser median-neurale Hohlraum) den Bauchstrang ein; man könnte ihn da- her Bauchstrangkammer nennen; ferner ist der dorsale Abschnitt der den Hohlraum bildenden Membran, die Genitalplatteb), der Ort, an dem die Bildung der Geschlechtsproducte ihren Ausgang nimmt, weshalb man auch von einer Genitalkammer sprechen könnte; endlich a) Taf. 10. Fig. 1.2. 10. Taf. 12. Fig. 2. Taf. 14. Fig. 3. 11. 22. Taf. 15. Fig. 1. 2. 5—7 und 28-31. L. H. Bk. b) Fig. eit. P. Gpl. 19* 148 A. Anatomisch-Histologischer Theil gestattet allein dieser Hohlraum dem Blute eine directe Fortbewegung vom Kopf- zum Schwanzende und umgekehrt, so dass selbst die Bezeichnung Bauchgefäss nahe läge. Durch die Genitalplatte wird demnach die Leibeshöhle ihrer ganzen Länge nach in zwei überein- ander liegende Räume getheilt: in einen neuralen, den ich fortan Bauchstrangkammer nennen werde, und in einen ungleich umfangreicheren hämalen, welcher nach dem wich- tigsten von ihm beherbergten Organe, dem Darmkanal, Darmkammer?) heissen möge. ‚Während nun die Bauchstrangkammer, wie wir gesehen haben, einen continuirlichen, von der Segmentirung ganz unberührt bleibenden Raum darstellt, wird umgekehrt die Darmkammer, wenigstens in dem grössten Theile ihres Verlaufes, sehr stark in den Prozess der Zoniten- bildung hineingezogen; es sind die quer gespannten, als Septa oder Dissepimente bekannten Lamellen, welche die Darmkammer in nahezu eben so viel Räume zu scheiden pflegen, als Segmente vorhanden sind. Diese Septen fehlen nur in den ersten vier 'Thoraxsegmenten, eine Reduction, die der colossalen Entwickelung des Rüssels und seiner Muskulatur zuge- schrieben werden muss. Vom fünften bis zum vorletzten 'T'horaxsegmente nehmen die Darm- kammern, entsprechend der Verjüngung des ganzen Leibes, an Volum allmählich ab; im letzten 'T'horaxsegment sinkt die Darmkammer (sowie auch die Bauchstrangkammer) in Folge der mächtigen Entwickelung des diesem Zoniten zugehörigen Septums zu einem Spalt herabb®). Auch im ersten Abdomensegmente zeigt die Darmkammer in Folge der starken Verkürzung dieses Zoniten und zum [heil auch in Folge der eben genannten Septumverdickung eine starke Einengung. Weiterhin nehmen diese Kammern, im Einklange mit den Segmenten, bis zur Körpermitte wiederum an Volum zu, um sich schliesslich von da ab gegen den Schwanz hin immer mehr zu verengen. Ihren Höhepunkt®) erreicht die Verengerung im nachwachsen- den Schwanzende; in diesem Körpertheile sind überdies die Darmkammern, entsprechend der geneigten Stellung der zugehörigen Dissepimente, schief gerichtet. In der Untergattung Tremomastus erfahren die Darmkammern eine weitere Unterabtheilung: von der Genitalplatte entspringen nämlich in allen Segmenten (mit Ausnahme der ersten vier thoracalen) jederseits nach aussen und oben gegen den Bereich der Seitenlinie hin gerichtete, peritoneale Platten, welche so zwei neurale, seitliche Räume von der Darmkammer abgrenzen. Die in Rede stehenden Räume beherbergen ausschliesslich die Nephridien und aus diesem Grunde nenne ich sie Nephridium- oder Nierenkammern). Die*die Nierenkammern 'be- grenzenden Platten, welche passend als Nierenplatten®) des Peritoneums unterschieden werden können, sind Träger der so charakteristischen transversalen Muskulaturf). Letztere bildet entweder einfache Bänder, welche wie die Sprossen einer Leiter in gleichmässigem Abstande aufeinander folgend ausgespannt verlaufen, oder sie bildet ein verschieden weit- maschiges Netzwerk. In durch Auseinanderlegen des Hautmuskelschlauchs hergestellten Uebersichtspräparaten pflegen nur diese transversalen Muskeln erhalten zu bleiben, in- dem die dazwischen ausgespannten peritonealen Brücken in Folge des ausgeübten Zuges ein- a) Fig. p. 147. eit. L.H.Dk. b) Taf. 15.Fig. 28.29. c) Taf. 14. Fig. 6. d) Kig. p. 147. eit. L. H, Nk. e) Fig. p. 147 eit. P. Npl. ft), Fig. p. 147. cit, 72 M. und Mf. 2 Pie. 5. I. Notomastus. 11. Leibeshöhle. 149 reissen®); bei vorsichtigem Auseinanderlegen der Körperwandungen können aber die Nieren- platten auch in toto zur Ansicht gebracht werden. Der Mangel der Nierenkammern in der Untergattung Olistomastus ist wohl hauptsächlich durch den Umstand bedingt, dass die Nephridien ganz nach dem Rücken zu verlegt sind und so die Nierenplatten verdrängt haben. Rudimente solcher (sowie der stets innig mit den Nierenplatten verbundenen transversalen Muskulatur) finden sich übrigens auch in dieser Form je am Ende der Segmente ’), woraus hinlänglich hervorgeht, dass wir es mit einer secundären Einbusse und nicht etwa mit einem ursprünglichen Verhalten zu thun haben. Durch die zwei Mesenterien des Darmcanals‘), erfahren die Darmkammern eine verticale Unterabtheilung; das eine dieser Aufhängebänder und zwar das hämale entspringt in der hämalen Medianlinie aus dem die Stammesmuskulatur überziehenden parietalen Blatte des Peritoneums; das andere, das neurale, ist eine Fortsetzung des visceralen, den Darm um- hüllenden Blattes jener Membran. Während das letztere Mesenterium, indem es den Zusammen- hang zwischen dem Darmperitoneum und den Wandungen der Bauchstrangkammer, zwei ganz continuirlichen Bildungen, vermittelt, selbstverständlich ebenfalls ununterbrochen vom Kopfe bis zum Schwanze hinzieht, ist das hämale Mesenterium umgekehrt vielfach von Lücken durch- setzt, welch’ letztere wohl hauptsächlich durch die Kreislaufsverhältnisse der Hämolymphe bedingt werden. Gleichwohl kann man auch in diesem Falle sagen, dass virtuell die Darm- kammer eines jeden Segments durch die Aufhängebänder des Intestinum in eine linke und rechte Hälfte abgetheilt wird. Nicht zur Leibeshöhle im strengeren Sinne des Wortes gehörig sind jene die sämmt- lichen Parapodwülste des Abdomens durchsetzenden, in die Kiemenhöhlen führenden Canäle, welche in den entsprechenden Kapiteln) als Parapod-Kiemenhöhlen‘) unterschieden wurden. In den einzelnen Zoniten haben letztere ihre Lage, entsprechend derjenigen der Parapodien und Kiemen, je an den hinteren Grenzen, im Bereiche der Septa; sie com- munieiren in jedem Segmente mit der Bauchstrangkammer und sind daher von hoher Bedeutung für die Bluteireulation, indem allein durch sie das Blut aus der Bauchstrang- kammer in die Kiemen und umgekehrt befördert werden kann ®). Es bleibt noch übrig der am vorderen Körperende gelegenen Hohlräume des Kopt- lappens sowie der das Gehirn und die Wimperorgane beherbergenden Abschnitte der Leibes- höhle zu gedenken. Die zwischen den Muskel- und Nervengeflechten befindlichen Lücken des Kopflappens stehen in unmittelbarem Zusammenhange mit der Wimperorgan- Gehirn-Kammer; letztere kommt, wie im Kapitel»Nervensystem«?) beschrieben wurde, dadurch zu Stande, dass sich von der Stammes-Längsmuskulatur, nahe an der hinteren Grenze des Mund- segments hämal eine Anzahl flächenhaft ausgebreiteter Muskelbündel abspaltet und von da a) Taf. 2. Fig. 21. 27.28. 7. M. (P. Npl.). b); Tat. 10. Hig. 1. 7. MW. c) Fig. p. 147. eit. Mes. d) Fig. p. 147. eit. Pd. K. H. e) Taf. 6. Fig. 18—20. Taf. 7 und S. X. In.K., G.K, W.O.R. a) Vergl. p. 102 und 109. 9) Vergl. p- 93. 150 A. Anatomisch-Histologischer Theil. nach der neuralen Seite der Kopflappenbasis hinzieht. Ob wir nun diese Muskellamelle als ein rudimentäres Septum aufzufassen und demzufolge die Kopflappen-Gehirn- Wimperorgan- Kammern als Leibeshöhlenabschnitte des ersten Segments zu betrachten haben, oder aber ob zu diesem ersten Zoniten auch noch die Leibeshöhle des Mundsegments hinzugerechnet werden muss, lässt sich bei unseren 'Thieren um so schwerer entscheiden, als ja gerade die Septa der vier ersten unzweifelhaft je einem Segmente entsprechenden Körperringel durch die Rüsselmuskulatur nahezu vollständig verdrängt worden sind. Die im Vorstehenden beschriebenen Coelomabtheilungen werden, abgesehen von den Kiemenkammern, nach aussen hin von den gesammten Wandungen des Hautmuskelschlauchs begrenzt. Aber auch diese letztere Begrenzung ist keine durchaus continuirliche. Nebst jenen in einem früheren Kapitel bereits erwähnten, zahlreichen, unregelmässig die Längs- sowie die Ringmuskulatur durchsetzenden Lücken*), kommen in bestimmten Regionen durch stetiges Auseinanderweichen der Längsmuskulatur Spalten zu Stande, welche, da an vielen Stellen diesen Spalten auch solche der Ringmuskulatur entsprechen, zu einer ähnlichen, wenn auch viel beschränkteren Eetodermbeziehung der bezüglichen Coelomabschnitte führen, wie sie für die Kiemenkammern besteht. Als auffälligste machen sich von diesen Spalten diejenigen geltend, welche die neurale und hämale Stammes-Längsmuskulatur jederseits in zwei Haupt- züge gliedern, Spalten, welche ich als »Seitenlinien« schon mehrfach zu erwähnen Veran- lassung hatte”). Viel weniger ausgeprägt, als die Seitenlinien, sind die unpaarigen, die neurale und hämale Medianlinie einnehmenden Spalten. Ihre geringe Entwickelung wird durch den Umstand bedingt, dass das hämale Darmgekröse sich nur stellenweise und das neurale über- haupt nicht an der betreffenden Spaltstelle, sondern an der Genitalplatte anheftet. Immerhin lassen sich aber auch diese letzteren Linien an den meisten Körperstellen unschwer nachweisen. Die Leibeshöhlen - Communication von Segment zu Segment wird ausschliesslich durch die Bauchstrangkammer vermittelt, indem die Darmkammern durch die Septa voll- kommen gegeneinander abgeschlossen sind. In den einzelnen Segmenten stehen die Darm- kammern durch die Parapod-Kiemenkammern mit der Bauchstrangkammer in Verbindung, so dass also Contenta der Leibeshöhle auf keinem anderen Wege als diesem von einem /oniten in einen anderen gelangen können. Mit der Aussenwelt steht die Leibeshöhle einmal durch die Nephridien, sodann durch die Genitalschläuche in Verbindung; irgend welche speciell solcher Communication dienende andere Vorrichtungen (Poren) sind bestimmt nicht vorhanden. Ich gehe nun zur Schilderung des Peritoneums und der Dissepimente über. Das Perito- neum überzieht nicht nur die gesammten Wandungen der Leibeshöhle, sondern sendet auch Fortsätze in alle grösseren Lücken der Längs- und Ringmuskulatur, so dass eigentlich auch letztere Lücken mit zur Leibeshöhle gerechnet werden müssten. Dieser Theil des Peri- a) Vergl. p. 29. R\ ß) Vergl. p. 31 und 78. Il. Notomastus. 11. Leibeshöhle. 151 toneums, zu dem auch noch die beiden Epithellamellen der Septa sowie der Nierenplatten gehören, kann als das parietale Blatt von dem alle inneren Organe bedeckenden "Theile, dem visceralen, unterschieden werden. Den Uebergang zwischen beiden Blättern vermitteln, was den Darm betrifft, hämal das betreffende Mesenterium und neural das lLigament der Bauch- strangkammer. Die peritonealen Bedeckungen der inneren Organe stellen entweder vollkommene Säcke, oder aber nur einseitige Ueberzüge dar; letzteres Verhalten lässt sich am besten an den Nephridien des Tremomastus demonstriren, indem sie mit ihren den Leibeswandungen zuge- kehrten Seiten unmittelbar der Längsmuskulatur aufliegen und nur da, wo sie frei in die Leibes- höhle hineinragen, einen peritonealen Ueberzug erkennen lassen; übrigens verweise ich bezüg- lich dieser Verhältnisse auf die einzelnen Organsysteme. Die Structur des Peritoneums ist eine sehr einheitliche: ob wir Stücke des parietalen, oder visceralen Blattes untersuchen, überall begegnet uns eine überaus dünne, fein granulirte Membran, welche stets Kerne®), aber nur selten Zellgrenzen®) erkennen lässt. Von den feinen, zuweilen auf flächenhaft ausgebreiteten Stücken wahrnehmbaren Fasern ist es meist schwer zu sagen, ob sie Nerven oder Muskelfibrillen darstellen. Da wo die Zellenindividuen sich deutlich erkennen lassen, bilden sie ein polygones, meist sehr vergängliches Plattenepithel, dessen Elemente einen Durchmesser von 10—20 p. aufweisen. Während die Substanz letzterer sehr feinkörnig und schwer tingirbar ist, haben umgekehrt die 4—7 p messenden, runden oder ovalen Kerne eine grosse Verwandtschaft zu Farbstoffen und lassen stets zahlreiche, grobe, körnige Einlagerungen (von denen eine oder mehrere als Kernkörperchen durch ihre Grösse ausgezeichnet sind) wahrnehmen. An einzelnen Stellen, z. B. zwischen den Muskelbündeln im Bereiche der Parapodien oder an der Bauchstrangscheide, können diese Zellen ein homo- genes, saftiges, auffallend an das sog. blasige Bindegewebe erinnerndes Ansehen darbieten®). Eine sehr bedeutende Anschwellung zeigt das parietale Blatt an denjenigen Stellen, an welchen sich im nachwachsenden Schwanzende die Nephridien entwickeln; sodann an einzelnen im Vorderleibe vorkommenden Punkten, an denen wahrscheinlich die Bildung resp. der Nach- schub fester Hämolymphelemente”) stattfindet. Bezüglich der die Entstehung der Geschlechts- producte einleitenden Veränderungen des Peritoneums, im Bereiche der Genitalplatte, ist das Kapitel Genitalorgane zu vergleichen. Mit Ausnahme des vierten und letzten 'T’horaxsegments verhalten sich die Dissepi- mente den ganzen Körper hindurch ziemlich gleichförmig; in den beiden genannten Seg- menten aber wird ihre verschiedene Anordnung ausschliesslich durch die mächtige Entwickelung der Muskulatur bedingt. An dem Dissepimente des vierten Segments inserirt sich ein Theil der Rüsselretractoren, welchem Ansatze ein normales dünnhäutiges Dissepiment nicht gewachsen wäre, und das Septum des letzten 'Thoraxsegmentsd) gibt der der Gefahr einer Zerreissung a) Taf. 15. Fig. 33. b) Taf. 15. Fig. 32. c) Taf. 15. Fig. 40. d) Taf. 15. Fig. 28. 29. a) Vergl. Kapitel Hämolymphe. 152 A. Anatomisch-Histologischer Theil. am meisten preisgegebenen Uebergangsstelle von Thorax und Abdomen den nöthigen Halt. Abgesehen hiervon sind, wie gesagt, alle Septa von ziemlich ähnlichem Habitus; sie stellen verschieden dicke Membranen dar, welche aus zwei peritonealen Blättern nebst mehr oder weniger zahlreich dazwischen hinziehenden Muskelfasern aufgebaut sind®). Der Structur dieser peritonealen, in continuirlichem Zusammenhange mit dem parietalen Blatte stehenden Membranen wurde bereits gedacht, so dass uns nur ihr muskulöser Theil zu betrachten übrig bleibt. Die Muskeln der gewöhnlichen Septa sind nach den verschiedensten Richtungen hin- ziehende Bänder oder Fäden, welche sich vielfach verzweigen und in ihrem Breiten- resp. Dickendurchmesser ausserordentlich variiren; im Septum des vierten Segments dagegen kommt es zu einer compacteren Anordnung, indem die Fasern einen mehr einheitlichen Verlauf nehmen und sich zu Bündeln gruppiren. Sehr abweichend hiervon ist das Verhalten der Mus- kulatur im Septum des letzten 'Thoraxsegments”); hier sind die Fasern überaus dünn, haben einen vorwiegend circularen Verlauf und verzweigen sich so stark, dass das Ganze sich wie eine verfilzte Masse verhält, in der zahlreiche Kerne zerstreut liegen. In dem hintersten Abschnitte des Abdomens zeigt die Muskulatur der Septa zuweilen eben- falls eine sehr auffällige Beschaffenheit: die Fasern verlaufen nämlich nicht wie in den übrigen Dissepimenten unregelmässig, sondern stehen umgekehrt in streng gitterförmiger Anordnung. Auch pflegen in diesem Falle sämmtliche Fasern von ziemlich gleicher Breite zu sein. Alle diese septalen Muskeln lassen sich bis in die Längs- und Ringmuskulatur des Stammes hinein ver- folgen, von wo sie entspringen resp. wo sie sich inseriren. Es wurde schon in mehreren anderen Kapiteln hervorgehoben, wie bei Notomastus lineatus mit dem Auftreten der Geschlechtsreife sehr auffallende degenerative Metamor- phosen in den Geweben einiger Organsysteme sich einstellen. Von einer solchen Metamor- phose werden nun auch die Septa betroffen, und zwar in so hohem Grade, dass Jemand, dem die Zwischenstadien unbekannt geblieben wären, kaum das bezügliche Septum eines nicht geschlechtsreifen 'Thieres in dem entsprechenden eines geschlechtsreifen wiederzuerkennen vermöchte. Die Metamorphose wird auch hier durch eine bedeutende Vermehrung der Kerne (in den zwei peritonealen Membranen) eingeleitet; jede Spur von Zellgrenzen (wenn solche überhaupt erkennbar waren) geht zugleich verloren. Die vorher bandartig ausgebreiteten Muskeln zerfallen in feine, wellige, in ihrem Verlaufe häufig Anschwellungen zeigende Fibrillen ©), welche sich auf's Neue zu Bündeln gruppiren und schliesslich von Wucherungen der Peri- tonealmembranen schlauchartig umhüllt werden. Höchst auffallenderweise findet die Grup- pirung und Umhüllung der Muskelelemente nicht etwa nach den verschiedensten Richtungen hin statt, so wie die Muskelbänder ursprünglich in den Septen lagen, sondern in ganz ähn- licher Gitterform, wie sie sich normal ausschliesslich in den letzten Segmenten des Ab- domens vorzufinden pflegen, und in diesen Gittern verlaufen die horizontalen Schläuche ab- wechselnd an der vorderen und hinteren Seite der vertical gerichteten®). Weiterhin a) Taf. 15. Fig, 3133. b) Taf. 15. Fig. 28. 29. c) Taf. 15. Fig. 34. d) Taf. 15. Fig. 35—37. I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). 1:53 schmelzen die der Schlauchwandung zunächst gelegenen Fasern zu einer sehr dünnflüssigen, homogenen Masse, welche das allein übrig gebliebene centrale Bündel umgibt. Sodann bildet sich auch um letzteres Bündel eine Membran, welche aber im Gegensatze zur äusseren, vom Peritoneum abstammenden, structurlos ist. Gleichzeitig mit dieser Membranbildung fallen auch die Fasern des centralen Bündels der Schmelzung anheim, so dass nun an Stelle der ein- zelnen ursprünglichen Muskelzüge je zwei ineinander steckende, mit einer nahezu wässrigen Flüssigkeit gefüllte Schläuche getreten sind®). Die Durchmesser der äusseren Schläuche, welche in diesem Stadium eine grosse Aehnlichkeit mit den Neurochorden des Bauchstrangs zeigen, schwan - ken zwischen 30 und 50 p, diejenigen der inneren, welche im Gegensatze zum rundlichen Quer- schnitte der äusseren sehr unregelmässige Contouren aufzuweisen pflegen, zwischen 16 und 30 p. Die verschiedenen Stadien dieser Metamorphose lassen sich häufig in ein und dem- selben Thiere verfolgen; es finden sich z. B. in der Abdomenmitte noch ganz normale Septa, weiterhin solche, in denen die Muskelfasern bereits eine gitterförmige Anordnung sowie die, über die peritonealen Blätter des Dissepiments hervorwuchernden Peritonealscheiden (Schläuche) aufweisen, sodann solche, in denen diese Schläuche nur noch das centrale Faserbündel erkennen lassen, und endlich Dissepimente mit den eine Flüssigkeit führenden Doppel- schläuchen. Das Schicksal der auf diesem letzten Stadium angelangten Septa kann eben- sowenig wie dasjenige der einer ähnlichen Degeneration unterworfenen Abschnitte des Darmes und der Haut zweifelhaft sein: sie gehen offenbar der Auflösung entgegen. Weshalb aber mit diesem Degenerationsprozesse gerade hier so eigenthümliche Neuanordnungen von Gewebs- elementen verbunden sind, ist eine Frage, für deren Beantwortung sich vorläufig kaum irgend- welche Anhaltspunkte finden lassen dürften. 12. Blut (Hämolymphe). In van BENEDEN’S!) Anatomie der Capitella capitata finden wir die ersten das Blut der Capitelliden betreffenden Angaben. Jener Autor hat bei der von ihm bearbeiteten Form zunächst den Mangel von Blut- gefässen erkannt, und dieser Mangel bildet, nachdem derselbe späterhin auch für alle anderen Gattungen festgestellt worden ist, heute einen Charakter der ganzen Familie. Sodann fand van BENEDEN, dass die rothe Farbe des sich frei in der Perivisceralhöhle bewegenden Blutes ihre Entstehung einer grossen Anzahl ähnlich tingirter, Jinsenförmiger Körper verdanke, welche alle Eigenschaften der bekannten Wirbelthier-Blutkörper- chen darböten. Dieselben seien kreisrund, von ziemlich gleichmässiger, relativ bedeutender Grösse, und in der Mitte eines jeden befinde sich ein zwar kleiner, aber deutlicher, bläschenförmiger Kern. Je nach der Contraction des Hautmuskelschlauchs sammelten sich die so aufgebauten Organiten bald in dieser, bald in jener Region des Körpers an, und bedingten dadurch die schöne rothe Färbung, welche das 'T'hier ım lebendigen Zustande auszeichnet. Derartig angehäuft machten aber die Blutkörper ganz den Eindruck ge- ronnener Blutmassen, so dass man sich beim ersten Zusehen kaum des Eindruckes erwehren könne, Extra- vasate vor sich zu haben, und überrascht sei, den vermeintlichen Kuchen sich momentan wieder auflösen a) Taf. 15. Fig. 38. WEl- prose. p. 1406. 2001. Station Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 20 154 A. Anatomisch-Histologischer Theil. und die einzelnen Blutkörper ıhren Lauf durch die Segmente wieder antreten zu sehen. Neben diesen normalen Blutscheiben, welche besonders zahlreich bei geschlechtsreifen Thieren aufzutreten pflegen, traf van BENEDEN auch viel kleinere, ebenfalls kernhaltige, welche er für die Entwickelungsstufen der ersteren erklärte; dahin gehörten auch Blutscheiben verschiedener Grösse, ‘welche in ihrem Inneren mehrere Kerne besässen. Die eigentliche Blutflüssigkeit ist nach van BENEDEN farblos und die Anneliden verdanken daher, so schliesst er, ihre Färbung nicht immer einem Blutplasma, sondern auch Blutkörpern, welch’ letztere wohl als die Analoga der gleichnamigen Vertebratengebilde betrachtet werden müssten. Das Fehlen des Blutgefässsystems und die Aehnlichkeit der Blutkörper mit denjenigen der Verte- braten wird von CLAPAREDE!) in seinen fast gleichzeitig mit van BENEDEN angestellten Untersuchungen über Capitella bestätigt. Nur bezeichnet ersterer die Blutkörperchen nicht als linsen-, sondern als scheibenförmig. Gruse?) lernte den Mangel aller Gefässe sowie das Vorhandensein roth gefärbter Blutkörper bei Capitella schon während seiner Anwesenheit in Kopenhagen im Jahre 1856 durch Oxrstzp kennen. Er überzeugte sich von der kreisrunden Scheibenform der letzteren, auch schien ihm, dass sie biconcav wie diejenigen der Süugethiere seien, dagegen konnte er eben so wenig wie Rricnerr das Vorhanden- sein eines Kernes sicher stellen. Gleichzeitig theilt Grusr mit, dass auch die Genera Notomastus und Dasy- branchus eines Gefässsystems entbehrten und ähnlich geformte Blutscheiben wie Capitella besässen. Auch bei Capitella rubicunda (Notomastus rubieundus) ist nach KErERSTEIN®) die ganze Leibeshöhle mit lebhaft rothem Blute gefüllt, welches seine Farbe sehr zahlreichen, 15 » grossen, runden Blutkörpern verdanke. Aber in der Nähe des Bauchstranges beobachtete er einen langen, contractilen, ganz durchsich- tigen Längsschlauch, von dem er glaubt, dass er vielleicht auf das Vorhandensein von mit farblosem Blute gefüllten Gefässen hindeute. CLAPAREDE!) betont für dieselbe Art die Gefässlosigkeit. Mehrere rothe Längsstreifen, welche leicht Gefässe vorspiegeln, rührten von blossen Blutansammlungen zwischen den Organen her. Das Blut selbst verdanke seine rothe Farbe 15—17 u breiten, an und für sich zwar farblosen, aber einzelne rothe Körperchen enthaltenden Scheiben, welche denjenigen von Capitella und G/ycera durchaus ähnlich seien. In seinen »Glanures Zootomiques« stellt CLAPAREDE®) die Gefässlosigkeit und das Vorhandensein rother, mit denjenigen der Capitella übereinstimmender Blutscheiben für zwei neue Notomastus-Species, nämlich für N. Sarsii und N. Denedeni fest und bestätigt das ganz ähnliche Verhalten des Dasybranchus cadueus. Derselbe Autor®) endlich hält auf Grund seiner in Neapel angestellten Untersuchungen das Vor- handensein eines nach Essigsäure-Zusatz auftretenden Kernes in den 12 » breiten Blutscheiben der Capitella den Zweifeln Gruse’s und Reicuhzerrs gegenüber aufrecht und beschreibt ähnliche, jedoch 20 u» messende Scheiben mit S u» grossen Kernen von seiner neuen neapolitanischen Species: Notomastus lineatus. Dass Notomastus (und die übrigen Capitelliden) der Blutgefässe im gewöhnlichen Sinne des Wortes entbehren, davon kann man sich leicht überzeugen. Wo immer man die Leibes- höhle ansticht, werden beträchtliche Quantitäten Blutes ausfliessen. Alle Organe liegen in der Blutflüssigkeit, und Blutscheiben nebst anderen Contenta der Leibeshöhle, wie Lymphkörper und Geschlechtsproducte, werden häufig in Gewebsspalten angetroffen. Gleichwohl darf die Blutbewegung auch bei diesen 'T'hieren nicht als eine jeder Regelmässigkeit und aller festen Bahnen entbehrende betrachtet werden. An Stelle der Blutgefässe tritt nämlich bei ihnen vicarlirend eine überaus entwickelte Gliederung der Leibeshöhle. In dem dieses Organsystem Nelsp:ssrzcH DAAD 2) 1. p.4..c. p. 867 und 375 S)Rlsp Arsen. 1 ABl. pradmecHapr26: HJ]. p.5. c. 0 paAg 602 P8..05p% 2758unde280. I. Notomastus: © 12. Blut (Hämolymphe). 155 behandelnden Kapitel®), dessen Kenntniss im Nachfolgenden nothwendig vorausgesetzt werden muss, habe ich beschrieben, wie durch eine Platte des Peritoneums ein neural- medianer Raum, die sog. Bauchstrangkammer, abgegliedert wird, welcher Raum continuirlich nach Art eines Gefässes vom Kopfe bis zum Schwanze vorläuft; wie ferner von dieser Bauchstrangkammer von Segment zu Segment Canäle in die Nieren- resp. in die Parapodkiemenkammern führen, welch’ letztere ihrerseits wiederum mit den Darmkammern in Zusammenhang stehen. Wie aber durch diese peritonealen Räume die Blutgefässstämme, so werden durch ein überaus reiches System von Gewebslücken die Capillargefässe ersetzt. Die Bewegung der Blutflüssigkeit kommt fast ausschliesslich durch die Wandungen des Hautmuskelschlauchs zu Stande. Zwei oder mehrere rasch nacheinander am Kopfende auf- tretende Contractionen pressen, indem sie sich allmählich nach dem Schwanzende hin fort- pflanzen, das Blut durch die Bauchstrangkammer. Während die sich successive zusammenziehenden Körperringe in Folge des Blutabflusses eine blasse Färbung annehmen, erscheinen die zunächst dahinter gelegenen, von der einströmenden Blutwelle expandirten tiefroth. Durch den Druck der- selben Welle werden nun, von Segment zu Segment, auch die Parapod-Kiemenkammern wie mit einem Schlage von der Bauchstrangkammer aus mit Blut erfüllt, und durch die selb- ständigen Contractionen der Kiemen fliesst ein Theil des hier geathmeten Blutes in die Darm- kammern (deren Blut sich mit demjenigen der Kiemen beständig vermischt) und ein anderer Theil in die Bauchstrangkammer zurück. Wie vom Kopf- zum Schwanzende, so pressen num auch umgekehrt eine Reihe von Contractionen die sich stauende Hämolymphe wieder vom Schwanz- zum Kopfende zurück, und in diesem Wechsel lässt sich, beim unverletzten 'Thiere, unschwer ein gewisser Rhythmus erkennen. Es ist klar, dass die so eingerichtete Blutbewegung nur zu einem sehr unvollkommenen Kreislaufe führen kann und dass in Folge dessen auch jeder Versuch, in der Blutbahn venöse oder arterielle Abschnitte zu unterscheiden, hoffnungslos wäre; um so mehr, als sich ja nicht nur die Kiemen, sondern auch die Haut,- sowie der Darm sehr wirksam an der Athmung betheiligen können. Das Blut der Capitelliden fällt vor allen Dingen durch das starke Vorwalten der festen Bestandtheile gegenüber dem Plasma auf. Selbst der ohne jede Vorsichtsmaassregel dem Thiere entzogene Blutstropfen, welcher doch sicherlich eine nicht wunerhebliche Bei- mischung von Seewasser und Schleim erfahren wird, zeigt unter dem Mikroskope die festen Elemente so dicht gedrängt, wie wir es wohl von Blutproben höherer, nicht aber von solchen niederer Thiere zu sehen gewohnt sind. Dieser festen Elemente sind zweierlei: gefärbte und ungefärbte. Beide schwimmen in einem jedweder Färbung entbehrenden Plasma, so dass also das Blut im weiteren Sinne bei unseren eines Gefässsystems entbehrenden 'T'hieren, mit mehr Recht als sonst, den Namen Hämolymphe verdient. Wie im Verhalten der Nephridien, so unterscheiden sich die beiden das Genus Noto- a) Vergl. p. 147. y()* 156 A. Anatomisch-Histologischer Theil mastus bildenden Untergattungen auch hinsichtlich der (gefärbten) Blutkörper in sehr auffälliger Weise, weshalb beide auch hier getrennt zur Darstellung gebracht werden mussten. Ich be- sinne mit a. Clistomastus. Betrachten wir von den festen Elementen zunächst die gefärbten, die rothen Blut- körper, welche an Zahl so sehr zu überwiegen pflegen, dass die anderen, die weissen, ihnen gegenüber fast verschwindend genannt werden müssen. Die Form der rothen Blutkörper‘) ist annähernd diejenige einer kreisrunden, glatten Scheibe mit abgerundetem Rande. Ihr Diekendurchmesser ist im ganzen Bereiche durchaus gleich; weder Einsenkungen, noch Erhebungen lassen sich, sei es central oder excentrisch bei genauer Prüfung wahrnehmen. Diese Scheiben sind elastisch und erlauben so Formver- änderungen, welche sich alsbald wieder auszugleichen vermögen. Ganz besonders werden Ab- weichungen von der Scheibenform durch den Umstand bedingt, dass eine gewisse Klebrigkeit ihrer äussersten Schicht die Blutkörper schon im unverletzten 'Thiere zum Aneinanderhängen, zur Klumpenbildung befähigt. So, in grosser Anzahl vereinigt, erscheinen sie meist in einem gesättigten Carmoisin- oder Zinnoberroth, dessen Nüancen oft ganz mit dem arteriellen Blutroth der Säugethiere übereinstimmen; in dünner Schicht dagegen zeigen die einzelnen Scheiben mehr grüngelbe Farbentöne. Die spektroskopische Untersuchung ergibt denn auch, dass diese Blutscheiben hämoglobinhaltig sind *). Die Grösse der ausgebildeten Scheiben schwankt bedeutend; ich habe Durch- messer von 14 bis 24 p getroffen; weitaus die meisten jedoch messen 20 p. Zahlreiche an verschieden alten Thieren vorgenommene Messungen haben ergeben, dass die Blutscheiben- Durchmesser in keiner Weise von der Körpergrösse beeinflusst werden. Die Dicke der Scheiben beträgt etwa 1—2gp. Neben den 14—24 u messenden kommen nicht selten viel kleinere, nur 6—S p messende vor, welche sich von ersteren, abgesehen von der Grössen- differenz, nur dadurch unterscheiden, dass sie kugelförmig sind; in ihnen haben wir offenbar Entwickelungsstadien vor uns. Im frischen Zustande lassen die Blutscheiben keine Spur von einer Membran erkennen. Gegen das Vorhandensein einer solchen spricht auch das zuweilen von mir wahrgenommene teigartige Ineinanderfliessen zweier oder mehrerer vorher schon formveränderlich befundener Körperchen, sowie ihre grosse Neigung zusammenzubacken. Die Scheiben scheinen im lebendigen Zustande aus einer sich in allen ihren Schichten ähnlich verhaltenden, durch den Blutfarbstoff tingirten Masse zu bestehen, in welcher ein Kern und mehrere kleinere, meist durch dunklere Färbung ausgezeichnete Körperchen eingebettet liegen. Die Kerne sind meist schon in den frischen, unveränderten Blutscheiben ohne An- a) Taf. 35. Fig. 1. #, Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Blut. I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). a. Clistomastus. 157 wendung irgend welcher Reagentien wahrzunehmen; sie treten dann entweder in der typischen kugligen Form‘), oder aber als unregelmässige, in zahlreiche Fortsätze auslaufende, durch ihre hellere Färbung sich vom Blutscheibenkörper abhebende Klumpenb) auf; in ersterer Form haben wir wahrscheinlich das ruhende, in letzterer dagegen das active Stadium zu erkennen. Häufig sucht man aber im frischen Zustande vergebens nach ihnen und dann sind chemische Eingriffe nöthig, um sich von ihrer Anwesenheit zu überzeugen. Im Ruhestadium haben die Kerne meist eine centrale Lage und stellen runde, wenig scharf contourirte Platten dar, welche sich durch den Mangel der Färbung sowie durch die granulären Einlagerungen von der übrigen, gefärbt und homogen erscheinenden Masse des Blutkörperchens ziemlich scharf abheben. Ihr Breitendurchmesser schwankt zwischen 3 und 6 p, und da der Diekendurchmesser der Blutkörper gleichmässig an allen Stellen nur I—2 p beträgt, so können die Kerne natürlich ebenfalls nicht anders als scheibenförmig gestaltet sein. Auch die kleineren, jugendlichen, kugelförmigen Blutkörper entbehren der Kerne nicht und in diesem Falle haben auch die letzteren eine kuglige Form. Ausser dem Keme findet sich, wie erwähnt, fast in allen Blutscheiben eine Anzahl rundlicher oder eckiger Körperchen. Sie sind stets etwas dunkler gelb gefärbt als die Blutkör- persubstanz und schwanken in ihrer Grösse zwischen I und 3 p. Bald liegen sie vegellos in der Scheibe vertheilt, bald enge um den Kern herum gruppirt. Die grösseren lassen meist eine Art Hülle in Form eines hellen Hofes erkennen, welcher sich ziemlich scharf einerseits von der gelben Substanz der Scheibe, und andrerseits von der dunkler gelben des Körperchens selbst abhebt. Ich bezeichne diese Körperchen wegen ihrer grossen Aehnlichkeit mit den Excretbläschen oder Concretionen der Nephridien als Excretbläschen oder Concretionen der Blutscheiben und will hier nur noch hervorheben, dass sie überaus schwankende Ele- mente dieser Scheiben darstellen. Nicht nur bei verschiedenen Individuen, sondern auch in einem und demselben Thiere treffen wir sie in Zahl, Form, Grösse und Färbung ausseror- dentlich variirend. Wir werden sehen, dass die Blutscheiben der anderen Untergattung, im Vergleiche zu diesen, riesige Exeretbläschen oder Concretionen zu enthalten pflegen ®), ihre Beschaffenheit und Rolle soll aber erst im physiologischen Theile im Zusammenhange zur Erörterung kommen). So verhalten sich die Blutscheiben im frischen, lebendigen Zustande. Ich will nun die Veränderungen schildern, welche dieselben unter dem Einflusse gewisser Reagentien erfahren, und zwar solcher Reagentien, welche uns über die Structur dieser Gebilde etwas lehren können. In Seewasser erhalten sich die Blutscheiben Stunden lang ziemlich unverändert, so dass diese Lösung, nebst der Leibesflüssigkeit, als gutes Medium für die Untersuchung im frischen Zustande empfohlen werden kann. Allmählich treten dann Absterbungs-Phänomene ein, welche sich besonders durch Schrumpfung, überhaupt durch Unregelmässigwerden der a) “Dat. 85. Eig. 1. b) Vergl. Taf. 35. Fig. 27. e), Taf..35. Big. 1. 9) Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Blut und Nephridien. 155 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Contouren zu erkennen geben. Aber selbst dieser Prozess geht nur schr langsam von statten, und Tage lang können die Scheiben Farbe sowie Structur wenig verändert beibehalten. Um so stürmischere Vorgänge ruft reichlicher Zusatz von Süsswasser®) hervor. Die Scheiben quellen sofort zu Kugeln von etwas geringerem Durchmesser als sie selbst auf, der Farbstoff diffundirt nach aussen, der Kern tritt scharf hervor, und um ihn herum sammeln sich meist die Excretbläschen. Die Kugel erscheint durchaus farblos, schwach lichtbrechend und, abgesehen von wenigen in Molecularbewegung befindlichen Körnchen, vollständig ho- mogen, während der Kern ein mehr granulirtes Ansehen zeigt. Sodann platzt die Kugel; der inzwischen ebenfalls aufgequollene Kern nebst den Excretbläschen wird herausgeschleudert, und schliesslich vermag man nur noch bei sehr scharfem Zusehen die ihrer Kerne beraubten Reste der Blutscheiben in Form blasser, kleiner Kreise von dem umgebenden Medium zu unter- scheiden. Lässt man Wasser allmählich einwirken, so geht sowohl die Entfärbung, als auch die Aufblähung zur Kugel viel langsamer vor sich, und die Kerne können eine Zeit lang in den blassen Körpern enthalten bleiben. Schliesslich werden sie aber ebenfalls sammt Excretbläs- chen und Körnchen nach aussen geschleudert. Setzt man einem Blutstropfen eine ziemlich concentrirte Lösung von Chlorna- triumb) zu (etwa 1% concentrirte Lösung, '% Wasser), so verändert er seine Farbe zunächst in die eines feurigen Zinnober- und sodann die in eines blassen Ziegelroths. Die einzelnen Scheiben nehmen im Anfange der Reagenswirkung die Form vielfach eingebuchteter Körper, oder diejenige gefalteter Platten an; weiterhin gleichen sich aber ihre Umrisse wieder so ziemlich aus und in ihrer bis dahin scheinbar wenig veränderten Substanz treten bald mehr rundliche, bald mehr längliche, blassroth gefärbte Flecken auf, wobei sich zugleich der übrige Theil der Scheibe etwas verfärbt. Auf der nächsten Stufe der Einwirkung beginnen die bis dahin noch immer scheibenförmigen Blutkörper sich etwas aufzublähen, sowie die Kerne deutlich zu erscheinen, und weiterhin kommt es in der immer blasser werdenden Substanz zu einer derartigen Trennung, dass sich ein centraler, sehr fein granulirter, überaus verschiedenartig (in den verschiedenen Scheiben) geformter Klumpen von einem homogenen, peripherischen Theil auf den Kern (oder neben den Kern hin) zurückzieht. Meistens lassen sich zahlreiche, verschieden dicke, vom Klumpen zur Körperchenwand gerichtete Ausläufer erkennen; auch bleiben während aller dieser Vorgänge die Excretbläschen deutlich wahrnehmbar. Die letzte Stufe der Veränderungen wird dadurch gekennzeichnet, dass die Blutkörper vollends Kugelform annehmen und den Farbstoff vollends abgeben; zugleich löst sich der erwähnte Klumpen wieder auf, der Kern wird frei, und eine scharf doppelt contourirte Membran kommt zum Vorschein. So, als blasse gekernte Blasen, können sich nun die Blutkörper im betreffenden Reagens lange, ohne weitere Ver- änderungen einzugehen, erhalten. Lässt man Chlornatrium in concentrirter Lösung‘) oder in fester Form zur Ein- a) Taf. 35. Fig. 3. b) Taf. 35. Fig. 4. e)ET2MI354 Kies: I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). a. Clistomastus. 159 wirkung gelangen, so nehmen die Blutscheiben ebenfalls zunächst ein gefaltetes oder ge- buchtetes Ansehen an; aber der Prozess der Schrumpfung bleibt in diesem Falle nicht darauf beschränkt. Die Scheiben verwandeln sich nämlich in rundliche oder ovale Klumpen mit über- aus unregelmässiger Oberfläche, und während dieser Umwandlung kann man die statthabenden Diffusionsströme deutlich an den zahlreichen, im Bereiche der Körperchen hin und her tanzenden Molekeln erkennen. Nach einiger Zeit glätten sich die Scheiben wieder aus, nehmen anstatt des gelbgrünen einen blassgelben Ton an, und in ihrer Substanz treten zahlreiche, überaus kleine Körnchen auf; nur um den Kern herum bleibt eine homogene, verschieden breite Zone bestehen. Schliesslich verwandeln sich aber diese noch ziemlich platten Gebilde ebenfalls in farblose, mit deutlichen Membranen und Kernen versehene Kugeln. Wenn sich auch andere Salze im Ganzen (besonders was die Schrumpfung_ betrifft) ähnlich verhalten, so gilt das doch nicht in Bezug auf alle einzelnen Stadien und auch nicht in Bezug auf die Wirkung entsprechender Concentrationsverhältnisse. So wird z. B. das End- stadium der Einwirkung concentrirter Lösungen von kohlensaurem Natron nicht durch blasse, mit Membranen versehene Kugeln, sondern durch intensiv gelbe, stark glänzende Tropfen repräsentirt. Während sich ferner die Blutscheiben in einer 5%, Chlomatriumlösung lange Zeit hindurch wenig verändert erhalten, quellen sie in einer ähnlichen Lösung von kohlen- saurem Natron sofort zu blassgelben, homogenen, wenig scharf begrenzten Tropfen auf. Zusatz von Kalilauge verwandelt die rothe Farbe des Blutes in ein schmutziges Grün. Hat aber das Blut, wie das zuweilen vorkommt, ursprünglich schon eine grünliche Farbe, so geht diese nach Kalizusatz umgekehrt in ein schmutziges Roth über. In den einzelnen Blutkörpern erzeugt die concentrirte Lauge, im ersten Momente ihrer Einwirkung‘®), helle Flecke und bringt den Kern deutlich zum Vorschein; einen Moment später verwandelt sie deren Substanz in eine scheinbar homogene, teigartig plastische, orangegelbe Masse, in der oft noch der Kern als glänzender, weisser Fleck sichtbar bleibt. In diesem Stadium der Reagenswirkung sind die Blutkörper so plastisch, dass sie schon durch die Kraft eines unter dem Deckglase hervor- gerufenen Flüssigkeitsstromes ädaquat der Richtung des letzteren in die verschiedensten Formen gezerrt werden. In dem nun folgenden Stadium verwandelt sich die homogene Substanz der Scheiben wie mit einem Schlage in eine grosse Anzahl kleiner und wenig regelmässig ge- formter Körnchen, welche den ebenfalls granulirten Kern wiederum verdecken, oder doch nur undeutlich durchschimmern lassen. Mit dieser Umwandlung nehmen die Blutkörper eine grün- liche, oder gelbgrünliche Farbe an, welche jedoch bald wieder in ein blasses Gelb übergeht. Auch ihre Form erleidet Veränderungen, indem sie, die bisher, wenn nur nicht durch äussere Einflüsse gestört, ihre Scheibenform beibehalten hatten, jetzt mehr oval werden und sich von einer deutlichen, homogenen Membran umgeben zeigen. Sodann verblassen sie; die nicht mehr so dicht stehenden Körnchen nehmen ein glänzendes Ansehen an und sammeln sich, nebst dem Kerne, im Centrum der mittlerweile kuglig gewordenen Blutzelle. Schliesslich aber platzt die Hülle letzterer und nur eine Körnchenmasse bleibt als Rest der ursprünglichen Scheibe übrig. a) Taf. 35. Fig. 6. 160 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Neben dieser Reaction ist mir oft, und zwar in ein und demselben Präparate, eine über- aus abweichende aufgefallen; auf Zusatz von concentrirter Kalilauge entfärbten sich nämlich die Blutscheiben, ihre Substanz wurde glasartig hell und homogen, ihre Scheibenform behielten sie unverändert bei und stundenlang konnten sie in diesem Zustande verharren. Weiterhin quollen sie aber zu Ovalen auf, um schliesslich ebenfalls der Zerstörung anheimzufallen. Nach Einwirkung verdünnter Kalilauge‘) (etwa 1%) wird die Blutfarbe ebenfalls grün. Die einzelnen Scheiben verwandeln sich zunächst in, dem Anscheine nach, teigartig weiche, zerfliessliche, glänzend gelbe, unregelmässig geformte Körper, welche sich sodann in glänzende Tropfen umwandeln. Diese verblassen etwas, der Kern wird deutlich, und es ent- steht heftige Molecularbewegung. Zugleich treten mehrere helle, homogene, vacuolenartige Flecke, welche sich scharf von der übrigen, noch immer gelblichen Masse, sowie von dem zwar ebenfalls hellen, aber granulirten Kerne abheben. Hierauf quellen sie nach totaler Ent- färbung zu sehr blassen sich mit Membranen umgebenden Kugeln auf, welche, nachdem meistens der Kern schon verschwunden, platzen und ihren Inhalt nach aussen ergiessen. Häufig sieht man dann unter der ergossenen Masse die hellen, homogenen, vacuolenartigen Gebilde noch erhalten und man überzeugt sich so, dass sie keine Vacuolen, sondern Substanztheile der Blut- scheiben darstellen. Sodann fällt aber, abgesehen von den hellen, membranartigen Blasen- resten, welche sich noch einige Zeit erhalten, Alles der Auflösung anheim. Aehnliche Wirkungen wie Kalilauge ruft auch Natronlauge, sowie Ammon und Kalkwasser hervor, wobei zu bemerken ist, dass sich die Reactionen um so mehr der durch Wasser hervorgerufenen nähern, in je weniger concentrirter Lösung die betreffenden Alkalien zur Anwendung gelangen. Starke Essigsäure®) (ich brauchte 50 Theile Acid. acetic. glacial. + 50 Theile Aq. dest.) verwandelt, ähnlich wie andere Säuren, das Hellroth des Blutstropfens in ein schmutziges /aegelroth. Auf die einzelnen Blutkörper wirkt dies Reagens successive folgendermaassen ein: sie werden zunächst blasser, der Kern tritt deutlich hervor, und die Umrisse erscheinen durch- aus unregelmässig, so als ob die inzwischen etwas kuchenförmig aufgeschwollenen Scheiben zerknittert worden wären. Gleichzeitig treten in ihrer Substanz zahlreiche Niederschläge in Form rundlicher Körnchen auf und es geht sowohl an den so veränderten Blutzellen, als auch an ihren Kernen die Bildung einer Membran vor sich. Hierauf fangen die ersteren, welche bisher noch immer ein scheiben- oder kuchenförmiges Ansehen hatten, an aufzuquellen, die Oberflächen glätten sich aus und die körnigen Niederschläge verschwinden, so dass sie schliesslich nahezu homogene, hellgelbe Ovale oder Kugeln darstellen. Während dieses Auf- quellens aber, ja zuweilen sogar schon im vorhergehenden Stadium, kommt es zu einer ähn- lichen Trennung zweier vorher in den Blutscheiben innig verbundener Substanzen, wie nach der Einwirkung gewisser Salze: um den Kern herum sammelt sich nämlich eine dichtere, sehr zart granulirt erscheinende Masse, welche zahlreiche Fäden in den übrigen, homogen er- a) Taf. 35. Fig. 7. bj Taf. 35. Fig. 8. I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). a. Clistomastus. 161 scheinenden Theil der Kugeln resp. bis an deren Wandungen hin entsendet. Bald nach dieser Scheidung verblassen die Blutkörper vollends zu wasserhellen Kugeln, wogegen sich die Kerne (und zuweilen auch die auf die Kerne zurückgezogenen Massen) intensiv gelb färben; der Blut- farbstoff geht also auf die Kerne resp. auf den sie umgebenden Theil der Scheibensubstanz über. Die Kerne bewahren während aller dieser Veränderungen eine wandständige Lage, d.h. sie bleiben auf einer Seite fest mit der Wand der ursprünglichen Scheibe verbunden. Nicht selten kommen schon im Endstadium der Reaction befindliche Blutkörper vor, welche noch nicht kugelförmig aufgequollen sind, und an diesen lässt sich, besonders in der Profillage, diese Wandständigkeit des Kerns sehr deutlich wahrnehmen. Verdünnte Lösungen von Essigsäure (etwa 1—2 %,) verursachen in den ersten Sta- dien ihrer Einwirkung ganz ähnliche Veränderungen wie die concentrirteren, d. h. die Scheiben verblassen, werden unregelmässig, ihr Kern wird deutlich, und es entstehen Niederschläge; bei dem rasch nachfolgenden Aufquellungsprozesse kommt es auch vorübergehend zur "Trennung in die erwähnten zwei Substanzen, niemals aber wird der Farbstoff vom Kerne oder von der auf ihn zurückgezogenen Masse aufgenommen; er diffundirt im Gegentheil, während dem sich diese Prozesse abspielen, nach aussen. Weiterhin quellen die Blutkörper noch mehr auf, und schliesslich lassen sich, ähnlich wie nach der Wasserwirkung, nur noch blasse Ringe und Kerne als Reste derselben erkennen, wogegen das zuletzt beschriebene Sta- dium der Einwirkung concentrirter Säure auch nach 24 Stunden noch wenig verändert an- getroffen wird. Der Wirkung von Essigsäure ganz ähnlich verhält sich Schwefelsäure; nur ist zu bemerken, dass bei Anwendung der concentrirten Flüssigkeit die einzelnen Reactionsstadien sehr rasch aufeinander folgen (indem nach wenigen Minuten Zerstörung der Blutkörper ein- tritt), und dass umgekehrt schwache Lösungen die Wasserwirkung erst bei viel höherer Ver- dünnung hervorrufen. Ganz eigenthümliche Reactionen bewirkt der Zusatz von Salpetersäure?) sowie derjenige von Salzsäure. lässt man concentrirte Lösungen dieser Säuren (ich ver- wandte HNO, von 1,20 und HCl von 1,12 spec. Gewicht) einem Blutstropfen zu- fliessen, so verblassen die Scheiben, quellen etwas auf, ihr Kern wird deutlich, und es ent- steht (unter Membranbildung) ein reichlicher kömiger Niederschlag. Während sich nun das kuchenförmig gequollene Körperchen vollends zur Kugel oder zum Ellipsoid abrundet, unter- liegen die genannten Körnchen einer Art von Schmelzprozess: es ist als ob sie zu grösseren Tropfen oder Würsten zusammenflössen; dabei wird die Substanz letzterer homogen und färbt sich goldgelb; dazwischen tritt eine ebenfalls homogene, aber schwach röthlich gefärbte Masse auf und auch der Kern, dessen Gestalt während dieser Vorgänge unregelmässig geworden ist, nimmt ein homogenes Ansehen sowie eine goldgelbe Farbe an; letztere kann sich aber auch beim Kerne auf die Peripherie beschränken, und in diesem Falle erscheint sein Inneres ähnlich blassroth a) Taf. 35. Fig. 9. Zool. Station Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden 1 162 A. Anatomisch-Histologischer Theil. wie die erwähnte Zwischensubstanz. Hiernach macht das Zusammenfliessen der gelben Tropfen und Würstchen noch weitere Fortschritte, bis schliesslich ein den Kern umfassendes oder durch Ausläufer mit ihm verbundenes Balkenwerk zu Stande kommt. Von nun ab fangen die Blutkörper an sehr stark zu schrumpfen. Die Diffusionsströme, von deren Existenz lebhaft in der Flüssigkeit hin und her tanzende Körnchen schon Zeugniss ablegen, sind so stark, dass in ganz kurzer Zeit die ursprünglichen Scheibendurchmesser bis auf die Hälfte herabsinken. Währenddem geht die Membran verloren, das goldgelbe Balkenwerk verwandelt sich in ein spangrünes, von rundlichen Höhlen durchbrochenes Gerüst, und die Höhlen dieses Gerüstes werden von einer ähnlich homogenen, aber lebhafter rosaroth tingirten Substanz ausgefüllt wie im vorhergehenden Stadium das gelbe Balkenwerk. In dem Maasse als der Prozess der Schrumpfung fortschreitet, werden die Leisten des Gerüstes immer schmäler, so dass es schliess- lich nur noch eine Art Reuse, resp. ein Maschenwerk darstellt, welches nach wie vor die rothe Substanz einschliesst. Von nun ab können die Kerne nicht mehr unterschieden werden. Dieses letzte Stadium ist sehr widerstandsfähig; ich habe es, nachdem des Reagens bereits 24 Stunden eingewirkt hatte, noch nahezu unverändert gefunden. Verdünnte Lösungen der genannten Säuren (1—5") üben anfänglich ganz ähnliche Wirkungen wie die concentrirten aus, d. h. sie haben die Bildung körniger Niederschläge sowie die Trennung in eine goldgelbe und in eine röthlich gefärbte Substanz zur Folge; die späteren Schrumpfungsstadien kommen dagegen nicht zum Vorschein. Borsäure unterscheidet sich in ihren Wirkungen dadurch von den vorhergehenden, dass sie keine Niederschläge in der Blutkörpersubstanz hervorruft; unter ihrem Einflusse quellen die Scheiben direet zu homogenen, gelben Kugeln auf, welche sich weiterhin ver- färben und schliesslich ähnlich wie unter der Wassereinwirkung platzen. Nur selten kommt es zu so deutlicher Scheidung der zwei die Blutzellen zusammensetzenden Substanzen, wie sie Essigsäure oder Salpetersäure hervorrufen. Alcohol?) erzeugt ebenfalls zunächst einen körnigen Niederschlag, wobei sich die Blutscheiben vorübergehend entfärben und die Kerne deutlich werden; sodann wird die Substanz der Scheiben wieder homogen und es beginnen sich unter starker Schrumpfung der- selben zahlreiche, röthlich schimmernde Flecken zu bilden, welche häufig zu einem einzigen verschmelzen; gleichzeitig nimmt der peripherische 'Theil ein spangrünes Ansehen an. Gross ist die Neigung der Körperchen aneinander zu kleben und miteinander zu verschmelzen. Nach Zusatz von Aether oder Chloroform verblassen die Blutscheiben etwas, ihr Kern wird deutlich und allmählich verwandeln sie sich in gelbe, ölartige Tropfen. Die Um- risse dieser Tropfen werden sodann unregelmässig, in ihrer Substanz treten unter Entfärbung starke Niederschläge auf und gleichzeitig findet Membranbildung statt, so dass sie jetzt ähn- liche Kugeln darstellen, wie auf Zusatz verdünnter Säuren vorübergehend aufzutreten pflegen. Diese beginnen dann stark zu schrumpfen, resp. zu schmelzen, indem ihre Durchmesser immer a) Taf. 35. Fig. 10. I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). a. Clistomastus. 163 kleiner werden, und schliesslich bleiben, ähnlich wie nach dem Zusatze von Wasser, nur noch blasse Ringe übrig. Farbstoffen gegenüber zeigen die rothen Blutscheiben ein ziemlich verschiedenes Verhalten. Es bewirken z. B. Hämatoxylin und Carmin nur eine sehr schwache, oft kaum wahrnehmbare Tinction der Zellsubstanz und eine wenig stärkere des Kerns. Indigocarmin und Eosin dagegen pflegen die Zellsubstanz stark und den Kern sehr intensiv zu färben; auch die vom Kerne ausstrahlenden Fäden nehmen letztere Farbstoffe begierig auf. Die von Wissozky') auf Zusatz von Eosin an Vertebraten-Blutkörperchen wahrgenommene Hämoglobinreaction lässt sich an den hämoglobinhaltigen Blutscheiben des Notomastus nicht erkennen. Die im Vorstehenden enthaltene Beschreibung stützt sich auf Erfahrungen, welche an zahlreichen Präparaten gewonnen wurden. Ich muss nun aber bezüglich aller Reactionen den Umstand hervorheben, dass sowohl die Blutscheiben eines und desselben Thieres, als auch diejenigen verschiedener Thiere Reagentien gegenüber ein überraschend abweichendes Ver- halten darbieten können. Wie sehr man auch auf gleichmässige und vollkommene Mischung von Reagens und Blut bedacht sein möge, stets werden sich neben den die Reaction characteristisch aufweisenden Scheiben auch solche finden, welche wenig oder in etwas anderer Weise ver- ändert erscheinen. Es pflegt z. B. fast in allen Fällen die beschriebene Natron-Reaction an einem Theil der Blutscheiben des entsprechenden Präparats auszubleiben. Diese behalten ihre Scheibenform bei und lassen überhaupt nur geringe Abweichungen vom frischen Zustande erkennen. Aus dem allgemeinen Verhalten der Blutscheiben chemischen Eingriffen gegenüber scheint mir nun im Hinblicke auf ihre histologische Beschaffenheit hervorzugehen, dass sie in Wirklichkeit nicht, wie es im frischen Zustande der Fall zu sein scheint, aus einer homogenen, gleichmässig gefärbten Masse, sondern aus zwei heterogenen, aber innig unter- einander verbundenen Substanzen aufgebaut sind. Durch die Einwirkung von Salzen, Säuren und Alkalien haben wir diese zwei Substanzen, wenn auch in Einzelheiten mannigfach ab- weichend, so doch im Ganzen übereinstimmend zur Trennung gelangen sehen. Der eine dieser Blutscheiben-Componenten ist farblos und bildet das der Scheibe zu Grunde liegende Gerüst; der andere Theil ist Träger des Blutfarbstoffs und erscheint normal dem Gerüste einver- leibt. In dem durch Reagentien bewirkten Zustande der "Trennung finden wir nun den gefärbten Theil in sehr verschiedener Form, meistens im Bereiche des Kerns concentrirt, wo- gegen sich der ungefärbte Theil in Form einer jenen umgebenden Blase oder Kugel darzustellen pflegt. Den ersteren 'T'heil, den gefärbten, wollen wir sammt Kern, mit Brücke, auch hier »/4ooid« und den letzteren, den ungefärbten, »Oikoid« nennen, oder wir können, wenn das 7Zooid in keine so nahe Beziehung zum Kerne gebracht werden soll, mit Stricker die beiden Theile als »Leib« und »Oikoid« unterscheiden. Wenn ich somit in Bezug auf den Bau der Notomastus-Blutscheiben zu einer ähn 1) Wissozev, N., Ueber das Eosin als Reagens auf Hämoglobin ete. Arch. Mikr. Anat. 13. Bd. p. 478—496 21% 164 A. Anatomisch-Histologischer Theil. lichen Ansicht gelangt bin, wie sie in Bezug auf denjenigen der gekernten Vertebraten-Blut- scheiben vielfach gehegt wird, so kann das Niemanden überraschen, der die grosse Ueberein- stimmung der beiderseitigen Gebilde sowohl in Habitus, als optischem und chemischem Verhalten in der vorliegenden Darstellung verfolgt hat. Die weissen Blutkörperchen oder Leucoeyten‘) stimmen in hohem Maasse mit den- jenigen der verschiedenen anderen Thierklassen überein. Es sind blasse, formveränderliche, meist 10.» grosse, von Kömchen und Vacuolen durchsetzte, hüllenlose Plasmaklümpchen, deren Oberfläche meist zum grossen Theile mit zarten Fortsätzen stechapfelartig besetzt erschemt. Sobald (im freien Blutstropfen) zwei oder mehrere solche Klümpcehen miteinander in Be- rührung kommen, pflegen sie miteinander zu Plasmodien zu verschmelzen und gemeinsam die Stechapfelform darzubieten. Oefters sieht man die pseudopodienähnlichen Ausläufer auch nur von einer Seite des Körperchens ausgehen und sich unter mannigfachen Anastomosen aus- breiten. Das Spiel des Einziehens und Ausstreckens, der Trennung und Verschmelzung der Pseudopodien lässt sich in frischen Präparaten geraume Zeit hindurch beobachten; auch kann man sich leicht davon überzeugen, dass mit den Formveränderungen Ortsveränderungen ein- hergehen. Die Substanz der Ausläufer erscheint im Gegensatze zu derjenigen der Körperchen stets homogen und glasartig durchscheinend. Die im frischen Zustande meist schwer wahrnehm- baren Kerne haben eine Grösse von d—5 x und enthalten zahlreiche körnige Einlagerungen. Mit Säuren behandelt®) zeigen die weissen Blutkörper nur geringe Niederschläge; der die Körnchen und Vacuolen einschliessende Theil neigt zur Bildung von Ringfurchen und auch der die Pseudopodien bildende Theil der Zellsubstanz, welcher sich in dicker Schicht, unter Bildung einer Membran, auf das Körperchen zurückzuziehen pflegt, zerfällt meist in mehrere halbkugelförmige Portionen. Es können sich aber auch nach Einwirkung dieses Reagens die einzelnen Leucocyten einfach unter Membranbildung kuglig abrunden. Ausser den vorherrschenden etwa 10 » grossen Leucocyten finden sich auch solche, welche nur 5—6 » messen und sich, abgesehen von der grösseren Blässe ihrer Substanz, den grossen ganz ähnlich verhalten. Diese kleineren Formen stellen wohl Entwickelungsstadien dar. Die Zahl der weissen Blutkörper steht hinter derjenigen der rothen bedeutend zurück; genaue Angaben über diese Zahlenverhältnisse der beiden Blutkörperchenarten vermag ich jedoch nicht zu machen, indem die Schwankungen je nach Individuen und nach vorerst noch uncontrollirbaren physiologischen Zuständen sehr gross sind. Die in einem Individuum enthaltene Blutmasse, an deren Zusammensetzung sich, wie schon hervorgehoben wurde, vorherrschend die gefärbten Elemente betheiligen, muss eine ver- hältnissmässig bedeutende genannt werden. Selbst an Thieren, welche nur aus dem "Thorax und wenigen Abdomensegmenten bestehen, erhält man ein bis zwei mit Körperchen überladene Tropfen. Gross sind natürlich auch die Schwankungen dieser Gesammtmasse der Hämolymphe je nach den Individuen und physiologischen Zuständen. In der Geschlechtsthätigkeit begriffene a) Taf. 35. Fig. 15. b) Taf. 35. Fig. 16. I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). b. Tremomastus. 165 Thiere fand ich im Gegensatze zu van BENEDENS und Crarareoes Angaben?) blutärmer, als ausserhalb dieser 'T'hätigkeit stehende. Durch den Mangel der Gefässe ist die Blutflüssigkeit der Beimischung aller jener Pro- ducte ausgesetzt, welche auch sonst in der Perivisceralhöhle der Anneliden vorzukommen pflegen. Bei Notomastus sind es vor Allem die Geschlechtsproducte, welche nach Ablösung vom Mutterboden ihre Entwickelung bis zur Reife in der Hämolymphe durchmachen. Sie treten oft so massenhaft auf, dass ihre mit dem Blute circulirende Gesammtmasse diejenige der Blutkörperchen sicherlich um ein Mehrfaches übertrifft. Solche 'Thiere bieten dann in der Abdominalregion anstatt der rothen Blutfarbe, wenn sie & sind, ein dunkelgraues, und wenn 9, ein milchweisses Ansehen dar. b. Tremomastus. Auch die Blutkörper der Untergattung Tremomastus®) erscheinen im frischen Zu- stande als runde, durchaus platte Scheiben; nur die unausgebildeten, jüngeren, S—12 p grossen Körperchen haben hier ebenfalls ein mehr kugliges Ansehen. In Bezug auf ihren Durchmesser schwanken die Scheiben zwischen 12 und 24 »; aber gegenüber diesen, nur einzelne be- treffenden Extremen zeigt die Hauptmasse, in allen drei Arten der Untergattung, gleicher- weise eine Durchschnittsgrösse von etwa 20 p, was mit derjenigen der anderen Unter- gattung übereinstimmt. Die Dicke der frischen Scheiben überschreitet, abgesehen von den durch die weiterhin zu besprechenden Concretionen angeschwollenen Stellen, auch hier nur wenig Ip. Einzeln betrachtet sind sie von leuchtender eitronen- oder schwefelgelber Farbe, welch’ letztere sehr stark von der matten, grüngelben der Chstomastus-Scheiben ab- sticht; in dicker Schicht hingegen erscheinen sie ebenfalls carmoisin- oder ziegelroth. Durch das Spektroskop liessen sich bei den Arten dieser Untergattung ebenfalls mit aller nur wünschenswerthen Deutlichkeit die zwei für Hämoglobin so characteristischen Absorptionslinien nachweisen. Die das Blutkörperchen aufbauende Substanz hat wie bei Clistomastus eine ganz ho- mogene, teigartig weiche, elastische, die verschiedensten Formveränderungen gestattende Be- schaffenheit; die Klebrigkeit dieser Substanz ist so gross, dass schon im unverletzten, der Be- obachtung ausgesetzten 'T'hiere nicht selten Zusammenballungen der Scheiben zu Stande kommen. Die meist 5 p grossen Kerne sind sehr blass und im frischen Zustande nur schwer er- kennbar; nach Zusatz von Reagentien kann man sich jedoch ohne Weiteres von ihrem Vorhanden- sein überzeugen. Der Einwirkung solcher Reagentien gegenüber verhalten sich die Blut- scheiben des T’remomastus ziemlich ähnlich wie diejenigen des Clistomastus. Säuren verwandeln deren Farbe in ein graues Roth, Alkalien dagegen in Olivengrün, und auf Zusatz ersterer a) Taf. 35. Fig. 17—26. 1} a) Vergl. p. 134. 166 A. Anatomisch-Histologischer Theil. pflegt sich auch hier der Blutfarbstoff auf die Kerne oder auf das Gesammt-Zooid zurück- zuziehen. ?%) Was nun aber die Blutscheiben des uns beschäftigenden Formenkreises hauptsächlich auszeichnet, in so hohem Grade auszeichnet, dass uns in den meisten Fällen schon die Prüfung eines Blutpräparats in den Stand setzt zu bestimmen, ob man eine Species der Olisto- oder Tremomastus-Gruppe vor sich habe: das sind die den Blutscheiben eingelagerten Excret- bläschen oder Concretionen. Es genügt einen Blick auf Fig. 17—25 und Fig. I—14 Taf. 35 zu werfen, um sich von diesem colossalen Unterschiede sofort zu überzeugen. Gegen- über den kleinen und wenig zahlreichen Concretionen der Clistomastus-Scheiben sind viele derjenigen der Tremomastus-Arten wahre Riesen und in manchen Individuen ist ihre Zahl in den einzelnen Blutkörpern so gross, dass das Gesammtblut ein ganz getiegertes, bräunliches bis schwärzliches Ansehen gewinnt. Schnitte”) durch solche Blutgerinnsel scheinen auf den ersten Blick weit eher von Nephridien des Notomastus lineatus, als von Blutkörpermassen her- zurühren, wie überhaupt die grösseren Coneretionen der Tremomastus-Blutscheiben eine frap- pante Habitus-Uebereinstimmung mit denjenigen der genannten Nephridien darbieten °). Die Excretbläschen @) der Tremomastus-Blutscheiben haben bald eine halbflüssige, bald eine feste, steinige Beschaffenheit; halbflüssig und dann von einer thierischen Hülle bekleidet sind die kleineren, fest, in Trümmer zerdrückbar und zuweilen nackt die grösseren; für erstere passt daher auch der Name Excretbläschen, für letztere der Name Üoncretionen besser, obwohl ich — um Missverständnisse zu vermeiden, sei das nochmals hervorgehoben — keinen principiellen Unterschied zwischen beiden zu machen im Stande bin, indem die Excret- bläschen offenbar nur Vorläufer der Concretionen darstellen. Ueberaus mannigfaltig ist die Form und die Gruppirung der Concretionen: man findet runde, ovale, vieleckige, unregelmässig krystallinische, homogene, geschichtete, sodann bald ein- zeln, bald zu mehreren von einer Hülle umschlossene. Ebenso varırt deren Grösse und Farbe: von den kleinsten, mattgelben, kaum I x Durchmesser darbietenden Bläschen bis zu den tief orangerothen oder dunkelbraunen 10 p messenden, vielgestaltigen, soliden Klumpen sind alle 7/wischenstadien in Grösse und Nüance zu verzeichnen. Die kleineren Exeretbläschen trifft man übrigens, was die Arten betrifft, vorherrschend bei Notomastus fertilis®) und die grösseren Concretionen vorherrschend bei N. Benedenif\ und N. profundus ?). Bezüglich der chemischen Zusammensetzung dieser Coneremente, sowie ihrer physiologischen Bedeutung verweise ich auf die betreffenden Capitel des Physiologi- schen Theils ?). Die Leucoeyten des Tremomastus endlich unterscheiden sich in nichts von denjenigen Y der Untergattung COlistomastus. a) Taf. 35: Fig. 19. b) Taf. 35. Fig. c) Taf. 34. Fig. 16. d) Taf. 35. Fig. 17—26. e) Taf. 35. Fig. 26. f) Taf. 35. Fig. 17—22. g) Taf. 35. Fig. 2329. #) Vergl. den Physiologischen Theil, Capitel Nephridien und Blut. 159) 15 I. Notomastus. 12. Blut (Hämolymphe). b. Tremomastus. 167 ° Die Thatsache, dass Hämolymphelemente im Dienste excretorischer Thätigkeit”) in nicht unbedeutender Anzahl untergehen, im Zusammenhange mit dem constanten Vorkommen jener kleinen, rundlichen, S—10 » messenden rothen Blutkörperchen im circulirenden Blutstrome, lässt kaum einen Zweifel darüber aufkommen, dass ein ununterbrochener Nachschub neuer Blutelemente statthabe; in der 'T’hat findet man denn auch bei allen unseren Thieren wuchernde Partien des Peritoneums, deren zur Ablösung gelangende Producte bald mehr an Leucoeyten, bald mehr an Hämatoblasten erinnern. Diese Verhältnisse liessen sich aber bei einzelnen der nachfolgenden Gattungen”) so viel befriedigender als bei Notomastus verfolgen, dass ich es vorzog, deren Besprechung bis dahin zu verschieben. Notomastus seinerseits hat mir aber den Beweis geliefert, dass eine Vermehrung der Blutelemente, speciell der gefärbten, auch durch 'Theilung, und zwar durch sog. indirecte oder mitotische Theilung zu Stande kommen könne. In einem Blutpräparate begegnete mir näm- lich eine durch ihren bedeutenden Durchmesser (30 p!), sowie ihr aufgedunsenes Ansehen aus- gezeichnete Scheibe, welche in aller Deutlichkeit die so characteristischen Kerntheilungsfiguren erkennen liess®). Worauf die so auffallende Vergrösserung der sich zur Theilung anschicken- den Blutzelle beruhte: ob sie durch eine mit dem Vermehrungsprozesse einhergehende Auf- quellung, oder aber durch vorhergehende Substanzzunahme bedingt wurde, vermag ich, da mir leider nur dieser einzige so prägnante Fall zu Gesicht kam, nicht zu entscheiden; aber das ist wenigstens sicher: die rothen Blutkörper der Capitelliden können sich durch mitotische Theilung vermehren. a) Taf. 35. Fig. 2. 9) Vergl. den Physiologischen Theil, Capitel Nephridien und Blut. ß) Vergl. Mastobranchus und Capitella Capitel Hämolymphe. Il. Dasybranchus. 1. Allgemeine Körperform. Das Genus Dasybranchus unterscheidet sich von dem vorigen hauptsächlich durch den Besitz von vierzehn 'T'horaxsegmenten, sowie durch die an der Basis der neuralen Haken- taschen entspringenden, distincten, baumförmig verästelten, total in das Coelom retrahirbaren Kiemen. Im neapolitanischen Golfe leben zwei Species®): nämlich der zuerst von GruBE be- schriebene Dasybranchus caducus und der im systematischen Theil dieser Monographie näher characterisirte Dasybranchus Gajolae n. sp. Die erstere Art erreicht bis über ein Meter Länge, wogegen die letztere selten die Dimensionen ausgewachsener Exemplare der grösseren Noto- mastus-Species überschreitet. In Bezug auf die meisten topographischen und anatomischen Verhältnisse stimmt die vorliegende Gattung mit der vorhergehenden überein; ich werde daher auch nur die abwei- chenden Punkte hervorheben. Der Kopflappen®b) des D. caducus ist relativ klein und von stumpf conischer Gestalt; derjenige“) des D. Gajolae dagegen ist relativ massig und breit eichelförmig. Das Mundsegment!) der ersteren Species ferner zeigt ähnliche Dimensionen wie die nachfolgenden, wogegen dasjenige®) der letzteren über ein und ein halb mal so lang und da- bei viel schmäler als die übrigen erscheint. D. caducus zeigt im vorderen T'heil des Thorax eine eben so ausgesprochene Haut- Mosaik?) wie Notomastus, während D. Gajolae diese Mosaik*®) viel weniger deutlich erkennen lässt; auch sind bei letzterem die einzelnen Felder viel umfangreicher. In der Grugr'schen Species erscheinen sämmtliche T'horaxsegmente scharf in zwei Ringel gegliedert und die diese Ringelung bewirkende Furche ist an denjenigen Stellen, an welchen die Parapodien einge- pflanzt stehen, nach hinten halbkreisförmig ausgeschweift; der Ausbuchtung des hinteren Ringels entspricht je eine Convexität (Zunge) des vorderen»). a) Taf. 1. Fig. 2. b) Taf. 16. Fig. 1. ce) Taf. 16. Fig. 6. d) Taf. 16. Fig. 1. e) Taf. 16. Fig. 6. f) Taf. 16. Fig. 2. g) Taf. 16. Fig. 6. h) Taf. 16. Fig. 2. Il. Dasybranchus. 1. Allgemeine Körperform. 169 Hinsichtlich der Vermehrung des Dasybranchus-lhorax um zwei Segmente ist hervor- zuheben, dass diese sowohl im Habitus, als auch in der inneren Organisation vielfach an diejenigen des Abdomens erinnern; wahrscheinlich werden sie allmählich diesem Körpertheile einverleibt werden. ’ Der Uebergang des I'horax in das Abdomen ist kein so plötzlicher wie bei Noto- mastus, und in Folge des Mangels solchen Gegensatzes bieten auch die betreffenden 'Thiere ein viel gleichmässigeres, an Lumbrieiden erinnerndes Ansehen dar. Die einzelnen, ebenfalls scharf zweiringeligen Segmente des Abdomens?®) sind relativ kürzer als bei Notomastus: auch nehmen sie nicht wie bei letzterem von vorn nach hinten an Länge zu, sondern verhalten sich umgekehrt in dieser Hinsicht überall annähernd gleich. Die neurale Längsmuskulatur des Stammes reicht bei Dasybranchus am Abdomenan- fange entfernt nicht so hoch gegen den Rücken herauf wie bei Notomastus, und demgemäss rückt auch die Seitenlinie in dieser Region nicht so weit hämalwärts®. Entsprechend der Vermehrung der thoracalen Segmente mündet bei unserer Gattung der Nebendarm®) anstatt im zwölften, wie bei der vorhergehenden, im vierzehnten Segmente in den Oesophagus. Der Hauptdarm (Magendarm ist bei Dasybranchus sehr lebhaft gelb gefärbt®). Seine Epithelzellen bilden streckenweise vom Peritoneum überzogene, farblose Di- vertikel nach dem Coelom hin, Gebilde, welche ich ihrer wahrscheinlichen Function gemäss als Iymphatische Zelldivertikel@) bezeichne. Ähnliche Divertikel sind mir nur in ganz seltenen Fällen am Magendarm von Notomastus begegnet. Bezüglich des Centralnervensystems ist hervorzuheben, dass die oberen Schlund- sanglien®) des Dasybranchus um ein seitliches Lappenpaar, dessen Nerven hauptsächlich die Wimperorgane versorgen, vermehrt sind. Auch hier hat der Bauchstrangf), abgesehen von den beiden Endpunkten im Kopfe und Schwanze, eine ganz coelomatische Lage. Die Neurochordröhrens) sind noch viel umfangreicher als bei Notomastus und lassen in sehr überzeugender Weise den genuinen Zusammenhang mit dem Neurilemmfachwerke erkennen. Während bei Notomastus entweder die Hakenwülste oder die Hakentaschen als Kiemen fungiren, kommt es bei Dasybranchus zur Ausbildung mehr distincter Respirationsorgane". An der Basis der neuralen, meist nur sehr wenig entwickelten Hakentaschen stehen nämlich beim D. caducus vom zwanzigsten und beim D. Gajolae vom vierzigsten Abdominalsegmente an volu- minöse, baumförmig verästelte Büschel, welche durch besondere Muskeln in die Leibeshöhle zurückgezogen werden können. Vom lebenden Thiere pflegen diese Organe der Reihe nach bluterfüllt hervorgestülpt und wieder eingezogen zu werden, und die hierdurch bewirkte rhyth- mische Bewegung verleiht den Vertretern unserer Gattung ein überaus charakteristisches An- schen. Im zurückgezogenen Zustande kommen die Kiemen vollständig in die Leibeshöhle zu a) Tafel 16. Fig. 2. 3.4. b) Taf. 16.0Fig..192 N. D. c\) Taf. 33. Fig. 8. dA\e-Taf.. 1:9. Fig. 5.) Taf. 33. Fig. 8%. e) Taf. 17. Fig. 1.2. f Taf. 22. Fig. 1. g) Tat. HM. Fig. 14. bil Tat. 1% Big. 2. Tat. 116. Big, 3. 142 Taf. 7. Big. 6% Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 170 A. Anatomisch-Histologischer 'Theil. liegen; aussen macht sich dann anstatt ihrer ein Porus: der Kiemenporus oder die Kiemen- spalte geltend. Ganz im Gegensatze zur Regel, derzufolge die sämmtlichen Hakenspiralen bei den übrigen Capitelliden hämal gelegen sind, nehmen diese Spiralen®) an den hämalen, abdomi- nalen Parapodien von Dasybranchus eine neurale Lage ein. Die Spiralen der Species D. Gajolae sind ferner durch den Besitz eigenthümlicher, sehr voluminöser Drüsen ausgezeichnet, welche in dem betreffenden Kapitel unter dem Namen Parapodspiraldrüsen®) näher be- schrieben werden sollen. Die Haken®) des Dasybranchus sind gegenüber denjenigen des Notomastus dadurch aus- gezeichnet, dass ausser der — etwas tiefer liegenden — mittleren noch eine zweite, im Be- reiche des Halses gelegene, Anschwellung ausgebildet ist. Die Nephridien‘) bilden bei Dasybranchus schleifenförmig gebogene Schläuche; jene bei Chistomastus zur Keulenbildung führende Verschmelzung der Schleifenköpfe kommt hier nicht zu Stande. Bei D. caducus verlaufen die Nephridien conform der Längsaxe des Körpers, bei D. Gajolae verlaufen sie dagegen mehr rechtwinklig auf diese Axe gerichtet. Sie münden wie bei Notomastus einerseits in die Leibeshöhle, andererseits nach aussen. Ihr Auftreten be- ginnt meist schon im vierzehnten 'Thoraxsegment und von diesem ab wiederholen sie sich stets in der Einzahl in jedem Zoniten bis zum Abdomenende. Was die Geschlechtsorgane betrifft, so können die Keimproducte ausser an der Genitalplatte auch an anderen Stellen des Peritoneums, insbesondere an den Mesenterien des Darmes zur Entwickelung gelangen. Der sterile thoracale Keimstock kommt in dieser zattung niemals zur Ausbildung. Genitalschläuche pflegen je nach der Grösse der Thiere bei D. Gajolae vom drei- zehnten bis vierzigsten und bei D. caducus vom dreizehnten bis sechzigsten Segmente aufzu- treten. Während bei Tremomastus diese Schläuche zeitlebens mit den resp. Nephridien in Zusammenhang bleiben, besteht bei D. Gajolae®) ein solcher Zusammenhang nur anfangs. In dem Maasse als sich die Genitalschläuche von den Trichtern aus entwickeln, erliegen die Nephridien einer allmählichen Degeneration, und zwar derart, dass man in den vordersten Abdomensegmenten nur Genitalschläuche, weiterhin in Ausbildung begriffene Schläuche nebst rudimentären Nephridien und schliesslich Nephridien findet, deren "Trichter erst im Begriffe stehen sich in Genitalschläuche umzuwandeln. D. caducus bietet das eigenthümliche Verhalten dar, dass die beiden Organe in einzelnen Exemplaren‘) in einem ganz ähnlichen Verhältnisse wie dem für D. Gajolae geschilderten stehen, in anderen®) dagegen von Anfang an neben- einander in allen respectiven Segmenten zur Entwickelung gelangen. Aber auch im letzteren Falle lassen die Lagerungsverhältnisse®) zwischen den vorderen Genitalschlauchzipfeln und den a)l Taf. 227Ri2'7 329. ZU. 8. b)RTats 16. Bir. 19. v1at-122, 7B10288..19% c) Taf. 32. Fig. 3—9. d) Taf. 34. Fig. 18—23. e) Taf. 16. Fig. 13. Nm. G. Sehl. f)\ Taf. 16. Fig. 10. Nm. @. Schl. g) Taf. 16. Fig. 11. Nm. @. Sell. h)eTa 2116, 0Rie Dr If. Dasybranchus. 2. Haut. 3. Muskulatur. 1 —ı Nephridiumtrichtern auf verwandtschaftliche Beziehungen der beiden Organe schliessen. Ausführliches über alle diese Punkte ist in den betreffenden Kapiteln nachzusehen. 2. Haut. Die Zusammensetzung der Haut ist bei Dasybranchus im Wesentlichen dieselbe wie bei Notomastus; nur erreichen die einzelnen Hypodermelemente entsprechend den viel bedeuten- deren Körperdimensionen der typischen Art (D. caducus) auch eine viel beträchtlichere Grösse. Flächenansichten zeigen ähnliche von den Fadenzellen hergestellte, die Plasmazellen um- schliessende Alveolen®), wie sie uns von Notomastus her bekannt sind. Die Fadenzellen®) pflegen, wenigstens bei D. caducus, in eine überaus grosse Zahl von Fortsätzen auszulaufen ; die Substanz der Plasmazellen®), welche bei Notomastus (N. profundus ausgenommen) in der Regel ein homogenes Ansehen darbietet, zeigt hier umgekehrt meistens einen Zerfall in kleine, rundliche, zuweilen gelb gefärbte Kügelchen oder in unregelmässige Schollen. Diese Ab- weichungen im Ansehen der Drüsenkörper werden wohl in beiden Gattungen dadurch be- dingt, dass bei der Conservirung verschiedene Stadien secretorischer 'Thätigkeit zur Fixirung gelangen. Das schon für einzelne Notomastus-Arten constatirte sporadische Auftreten specifischer, ausserhalb der Stammesmuskulatur gelegener Hautmuskeln erreicht bei Dasybranchus an einzelnen Stellen, besonders an den im Bereiche der hämalen Parapodien gelegenen, kissen- artigen Erhebungen eine bedeutende Ausdehnung. Flächenhaft ausgebreitete, den Fadenzellen zustrebende, radiale, sowie mehr compacte, circulare Bündel verleihen an so ausgezeichneten Regionen der Haut ein ganz cutisartiges Ansehen). Die 'Ihatsache, dass sich diese Gattung für die Demonstration der Haut-Inner- vation®) besonders günstig erwies, hat mich veranlasst, das betreffende Verhalten vorgreifend schon der entsprechenden Darstellung von Notomastus einzuverleiben”), weshalb ich auch nicht weiter darauf zurückzukommen brauche. Die Cuticula unterscheidet sich in keiner Weise von derjenigen der vorhergehenden Gattung. 3. Muskulatur. In diesem Örgansysteme zeigt die vorige und die vorliegende Gattung so vielfache Uebereinstimmung, dass nur wenige charakteristische Eigenthümlichkeiten hervorzuheben aleMaf: 18.U Big. 1. b) Taf. 18. Fig. 2, 3. ec) Taf. 18. Fig. 2. d) Taf. 18. Fig. 2. H. M. e) Taf. 18. Fig. 4. a) Vergl. p. 25—27. 172 A. Anatomisch-Histologischer Theil. bleiben. Eine der nennenswerthesten, weil von systematischer Bedeutung, ist die viel geringere Ausbildung der neuralen Längsmuskulatur im Anfange des Abdomens®). Während näm- lich diese Muskulatur bei Notomastus (besonders bei der Untergattung Chstomastus) an ge- nannter Region drei Viertel des Leibesumfangs einnimmt, bleibt sie bei Dasybranchus nahezu auf den halben Umfang beschränkt, so dass hier eine viel grössere Gleichmässigkeit in der Gesammtanordnung herrscht. Ferner ist hervorzuheben, dass bei D. Gajolae die einzelnen Fasern der Ringmuskulatur auffallend reich durch Anastomosen miteinander verbunden sind. 4. Darmkanal. In Anbetracht, dass auch der Darmkanal des Dasybranchus sowohl in seiner Gesammt- anordnung, als im Aufbau der Gewebe im Wesentlichen mit demjenigen des Notomastus über- einstimmt (es ist nur hervorzuheben, dass der Rüssel-")Oesophagus, entsprechend der Ver- mehrung des Thorax um zwei Segmente, sich durch 14 statt durch 12 Zoniten erstreckt), kann ich von einer systematisch durchzuführenden Schilderung Abstand nehmen und mich darauf beschränken diejenigen Punkte hervorzuheben, für welche sich diese Gattung beson- ders instructiv zeigte und auf welche daher auch in der Beschreibung des gleichnamigen Or- gansystems bei Notomastus schon öfters verwiesen worden ist. Es sei zunächst jener eigenthümlichen Fortsätze gedacht, welche die Magendarmzellen nach der Leibeshöhle zu auszustrecken vermögen, jener Zellportionen, für welche ich, ihrer wahrscheinlichen Function gemäss, den Namen: lymphatische Zelldivertikel® gewählt habe. Sie erreichen bei D. caducus zuweilen eine enorme Länge, und in diesem Falle kann man auch ihren direeten Uebergang in die zugehörigen Schleimhautelemente am besten ver- folgen. Zahlreiche an den Grenzlinien wahrnehmbare Kerne beweisen, dass auch hier die nach der Leibeshöhle zu gerichteten Zellportionen das Peritoneum vor sich her gestülpt haben. Diese Divertikel zeigen aber bei Dasybranchus nicht nur eine viel mächtigere Entwickelung, sondern auch ein viel constanteres Auftreten; selten wird man ein Exemplar von D. cadueus, sei es lebendig, oder conservirt untersuchen können, ohne weite Strecken des Darmkanals von ihnen bedeckt zu finden. Gleichwohl kann ich aber auch für diese Gattung constatiren, dass die Iymphatischen Divertikel durchaus keine fixen Gebilde darstellen; bei vielen Dutzen- den daraufhin untersuchter T'hiere wurden nämlich dieselben an den verschiedensten Stellen des Darmtractus bald vorhanden, bald fehlend, bald stark, bald schwach ausgestreckt gefunden; auch kann aus Macerationspräparaten ihre fragmentarische Zellnatur leicht erkannt werden. a) Taf. 21. Fig. 11. b)s-Raf.1l9. „Eig.15. Rat 33..1B10. 082. *) Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, dass Sars (l. p. 2. Fauna littoralis c. p. I1.) mit Unrecht dem Dasybranchus-Rüssel die Papillen abspricht. Es kann auch in Folge dessen dieser angeb- liche Mangel nicht, wie jener Autor that, als unterscheidendes Merkmal zwischen Dasybranchus und Notomastus verwerthet werden. II. Dasybranchus. 4. Darmkanal. 173 Der Magendarm der vorliegenden Gattung, insbesondere des D. caducus, ist viel intensiver gefärbt als derjenige der vorhergehenden Formen, und zwar zeigt derselbe in seiner der Leibes- höhle zugekehrten Wand eine ganz andere Tinction als in der dem Lumen zugekehrten. Erstere®, orangegelb bis röthlich, rührt lediglich von den Excretbläschen des Darm -Perito- neums her, also von denselben Excretbläschen, welche auch dem Bauchstrange ein gefärbtes Ansehen verleihen; letztere®), goldgelb, beruht dagegen auf kleinen, in den Darmzellen ent- haltenen, grüngelben Partikeln sowie grösseren goldgelben Tropfen und Bläschen. Am leb- haftesten tritt diese Färbung im Abdomenanfange auf; weiterhin erscheint der Darm in Folge des Vorherrschens der kleineren Partikel blasser grüngelb. Auffallenderweise bleiben die Iymphatischen Fortsätze des Magendarms durchaus frei von gefärbten Elementen; sie stellen, wie es scheint, reine Ausläufer der Zellsubstanz dar. Die im optischen Schnitte an ihrer Peripherie zum Vorschein kommenden röthlichen Körner sind identisch mit denjenigen des Peritoneums und gehören denn auch ausschliesslich den durch die Zellfortsätze ausgestülpten Peritonealportionen an. Der Nebendarm erscheint in derselben, nur bedeutend abgeschwächten Doppelfärbung: aussen® sind es ebenfalls die Excretbläschen des Peritoneums, welche ihm ein röthlich-gelbes Ansehen verleihen, und innen“) entsteht durch wenig zahlreiche, schwach gelbgrün tingirte Partikel ein gelbgrünes oder graues Ansehen. Ganz vereinzelt kommen grössere, feurig orange gefärbte Elemente vor; mit letzteren sind wohl diejenigen identisch, welche sich zuweilen noch in Schnitten erhalten zeigen ©, sowie vielleicht auch jene im Oesophagus und in den Wimperorganen zerstreut vorkommenden. Sodann habe ich der Magendarmzellen in ihrer Eigenschaft als Epithel-Muskel- zellen zu gedenken; denn bei Dasybranchus caducus ist es mir gelungen die Darm-Muskel- fasern mit den noch anhängenden Zellen zu isoliren. Diese Muskelfasern f), welche auch hier in ziemlich weitem Abstande der Länge sowie der Circumferenz nach angeordnet sind, also ein Gitter darstellen, erscheinen als sehr verschieden breite, sich häufig verzweigende Bänder, denen die Keime entweder eingelagert sind oder seitlich aufsitzen; im letzteren Falle ist der Kern meist von etwas Protoplasma umgeben, welches sich auch häufig als einseitiger Belag der ganzen Faser entlang hinzieht. Solche Fasern können nun entweder mit einem ihrer Pole in Darmzellen übergehen, oder aber es können mehrere solcher Zellen in verschieden weitem Abstande seitlich aus ihnen entspringen. Da ich in meinen Macerationspräparaten wohl aus- schliesslich nur Bruchstücke dieser Gebilde zu Gesicht bekam, so vermag ich auch nicht an- zugeben, wie viel Darmzellen je einer Faser annähernd zukommen mögen; jedenfalls aber kann, wie schon aus diesen Bruchstücken hervorgeht, diese Zahl eine relativ bedeutende sein. Die von je einer Faser entspringenden Zellen zeigen eine sehr verschiedene Entwickelung: neben voluminösen, langgestielten, seceundäre Sprossen treibenden, finden sich kürzere, mit ihrem a) Taf. 33. Fig. 8%. b) Taf. 33. Fig. 8. e) Taf. 33. Fig. 9. d) Taf. 33. Fig. 9». e) Taf. 33. Fig. 10. f) Tata 19: Big, 12, 174 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Zellenleibe der Faser breit aufsitzende, und zwischen allen diesen und jenen früher erwähnten kernhaltigen Anschwellungen des den meisten Fasern zukommenden Protoplasmarandes lassen sich die verschiedensten Uebergänge wahrnehmen, so dass es oft schwer ist zu sagen, wo das sog. Muskelkörperchen der Muskelfaser aufhört und die sog. Epithelmuskelzelle anfängt, Die Frage, ob alle Magendarmzellen mit Muskelfasern zusammenhängen oder nur ein- zelne derselben, dürfte schwer zu beantworten sein; denn die Thatsache, dass sich in Mace- rationspräparaten zahlreiche Zellen ohne Fasern und umgekehrt auch zahlreiche Fasern ohne anhängende Zellen vorfinden, lässt sich, eingedenk des lockeren Zusammenhanges dieser Ge- bilde, selbstverständlich in keiner Weise als Argument verwerthen. In der Schilderung des Rüssel-Oesophagus von Notomastus wurde bezüglich der Inner- vation dieser Theile ebenfalls auf Dasybranchus verwiesen. Ein Blick auf die aus dem Rüsselepithel isolirten Zellen®) genügt, um einzusehen, wie reich diese theilweise auffallend an die Hypoderm-Fadenzellen erinnernden Elemente mit Nervenendigungen ausgerüstet sind; einzelne der varicösen sowie auch der zu Körnern anschwellenden Fäden lassen sich deutlich zum Kerne verfolgen, andere gehen, ähnlich wie bei den Hautfadenzellen, direet in die Fä- den der betreffenden Zellen über. Fig. 7%. Taf. 18 zeigt eine Zelle, welche noch mit einer starken, offenbar einer sehr grossen Ganglienzelle zugehörigen Faser in Verbindung steht. Fig. 7°. Taf. 18 stellt eine solche Ganglienzelle dar; einzelne ihrer zahlreichen Fortsätze unterliegen einer überaus reichlichen Verzweigung in immer feinere und zugleich anastomo- sirende Fäserchen. In Fig. 7. Taf. 15 endlich haben wir eine kleine bipolare Ganglien- zelle vor uns, deren einer Ausläufer sich direct mit einer Rüsselzelle und zwar im Bereiche ihres Kernes verbindet. Auch die Oesophaguszellen b) lassen bald ihren Basen, bald ihren Kermen zustre- bende Nervenendigungen erkennen; Fig. 11. Taf. 18 zeigt uns mehrere solche Zellen aufs Deutlichste mit multipolaren Ganglienzellen im Zusammenhange. Die Ausläufer dieser Zellen und besonders die den Elementen der Oesophagus-Schleimhaut zustrebenden, sind auffallend kräftig entwickelt. Der Ganglienzellen-Plexus des Magendarms wurde ausführlich von Notomastus beschrieben), wo er im Folge der viel dünneren Wandungen des 'Traetus leichter zur Unter- suchung gebracht werden konnte. An den Epithelmuskelzellen von Dasybranchus lassen sich ebenfalls einzelne Nervenendigungen erkennen‘); aber so wenig wie bei der vorhergehenden Gattung ist es mir bei dieser geglückt, Epithelmuskelzellen zu isoliren, welche noch mit Ganglienzellen in Verbindung standen; wogegen, wie wir gesehen haben, in Haut, Rüssel und Oesophagus gleicherweise der Nachweis eines solchen Zusammenhanges geliefert werden konnte. In der Beschreibung der Rüsselretractoren des Notomastus wurde hervorgehoben, wie diese Muskelstränge von mächtigen Ganglien versorgt werden, und hinzugefügt, dass sich a) Taf. 18. Fig. 6. b) Taf. 18. Fig. 10. e) Tafa19. DES 12, a) Vergl. p. 46. ff. Il. Dasybranchus. 4. Darmkanal. 175 Dasybranchus viel besser zum Studium derselben eigne. Fig. 12. Taf. 18 zeigt nun einen verticalen Längsschnitt durch einen solchen Retractor von D. caducus. Die betreffende, an der Oesophaguswandung sich inserirende Muskulatur ist überaus reich nach allen Richtungen hin verzweigt, so dass ein schwammförmiges Gerüste zu Stande kommt, in dessen Fächern die Ganglienzellen sitzen. Letztere?) sind hüllenlose, zarte, sehr verschieden geformte, theils bi-, theils multipolare Zellen. Sie stehen alle, sei es durch Ausläufer, oder mehr unmittel- bar durch breite Verwachsung ihrer Leiber in gegenseitigem Zusammenhange. Einzelne die- ser Ausläufer sind zur Versorgung der Muskelfasern bestimmt. Fig. 3. Taf. 19 zeigt eine multipolare Zelle, von deren Fortsätzen einer, nachdem er zu einem Korn angeschwollen ist, ohne weitere Verzweigung die betreffende Muskelfaser innervirt. Fig. 4. Taf. 18 zeigt eine bipolare Zelle, deren einer Fortsatz sich zunächst in einen Plexus feinerer Fasern auflöst, welche ihrerseits erst an die betreffenden Muskelfasern herantreten. Ueber den Modus der letzten Endigungen, sei es im ersteren, oder im letzteren der eben beschriebenen Fälle, ver- mochte ich leider Nichts festzustellen; insbesondere blieb ich im Unklaren darüber, ob die Ganglienfortsätze in die Muskelfasersubstanz eindringen, oder aber bloss jenen Fasern auf- liegen. Auch hinsichtlich der Frage nach dem eventuellen Zusammenhange zwischen diesem Rüsselmuskel-, sowie dem sympathischen Plexus einer- und dem Üentralnervensysteme andrer- seits haben alle meine Präparationen zu keiner befriedigenden Antwort geführt. Ich vermochte mich nur auch hier durch Befunde an Schnittserien davon zu überzeugen, dass der Schlund- ring so wie bei Notomastus starke Äste an den Rüssel-Oesophagus abgibt, sowie dass bei Dasybranchus ausserdem auch noch von den hinteren Lappen des Gehirnes entspringende Nerven sich dahin begeben. Als speciell die Verbindung zwischen Centralorgan und visce- ralen Systemen herstellende Bahnen haben wir vielleicht alle die in Fig. 2. Taf. 17 mit N. V. bezeichneten Nerven anzusehen. Die Hinterdarmrinne, jene neural-mediane, von zwei hohen Falten des Darmepithels begrenzte, vom After bis in den Bereich der hinteren Nebendarm-Mündung hinziehende, stark wimpernde Furche des Enddarmes ist bei Dasybranchus durch eine Bildung ausgezeichnet, von der sich bei Notomastus nur Spuren wahrnehmen liessen. Im Bereiche dieser Furche sitzen nämlich der Darmwandung flaschenförmige, durch ihre helle und zarte Substanz stark mit den Schleimhaut-Flementen des Darmes contrastirende Zellen’) auf, welche die peritoneale Hülle sowie die Muscularis des Tractus durchbohren, um sich in mehr oder weniger scharf gesonderter Lage unter dem Darmepithel zu gruppiren. Bei D. caducus fand sich in einzelnen Schnitten in unmittelbarer Nachbarschaft dieser Zellen ein in seinem Gesammthabitus auf- fallend an Spinalnerven- oder Bauchstrangeonnectiv-Gewebe erinnernder, die Lichtung der Schleimhautfalte ausfüllender Strang‘), von dem aus Fasern zu den Zellen der Wimperrinne abzugehen schienen. Dieser Befund legt nahe, in den erwähnten Zellen Ganglienzellen und in dem Strange Nerven zu vermuthen. Für den Fall, dass diese Auffassung das Richtige a) Taf. 19. Fig. 1. 2. b) Taf, 19. Fig.. 8. 9..@. Z. ce) Tat. 19, Fig!:8. N, 176 A. Anatomisch-Histologischer Theil. trifft, würde sich also die Innervation der Hinterdarmrinne von derjenigen des übrigen Tractus in so fern unterscheiden, als die innervirenden Ganglienzellen keine durch Fortsätze plexus- artig verbundene Platten, sondern scheinbar unipolare, nebeneinander gereihte Flaschen dar- stellen; als sich ferner die Nervenfibrillen nicht direct von Ganglienzelle zu Darmzelle begäben, sondern zunächst zu einem compacten Nerven sammelten und von letzterem aus erst die einzelnen Wimperzellen der inne versorgten. Der After?) stellt bei D. caducus eine fast | mm lange, hämal gelegene Spalte dar. In Fig. 10. Taf. 19 habe ich einen Querschnitt durch denselben abgebildet, um zu demon- striren, wie hier zeitlebens Eeto- und Entoderm continuirlich ineinander übergehen. Auch die übrigen Schichten des Hautmuskelschlauches erweisen sich in solcher Continuität mit den- jenigen des Darmes, sodass der Enddarm im Ganzen sich in sehr ausgesprochener Weise als terminale Rumpfeinstülpung geltend macht. Schliesslich sei noch des NebendarmesP) gedacht. Er verläuft in beiden Arten ähn- lich wie bei Notomastus als neuraler, dem Hauptdarme mehr oder weniger genäherter Canal, welcher sowohl vorn ‘in der 'Thorax-Abdomengrenze) als auch hinten (im Bereiche des Schwanz- darmes) in den Hauptdarm einmündet. Auch bei Dasybranchus ist der Nebendarm ganz nach dem Schema des Hauptdarmes aufgebaut. Je nach Individuum und Körperregion bilden die Nebendarm-Drüsenzellen bald ein aus einer einfachen Lage bestehendes Epithel®), bald eine dicke, gefaltete Schleimhaut‘). 5. Centrales Nervensystem. Auch das Nervensystem des Dasybranchus bietet gegenüber demjenigen des Notumastus nur wenige Abweichungen dar; diese betreffen: erstens die Configuration des Gehirns, zweitens die Beziehungen der Neurochorde zum Neurilemma und drittens das Verhalten des Bauch- strangendes zum Ectoderm. Das Gehirn®) zeichnet sich demjenigen des Notomastus gegenüber vor Allem durch die Vermehrung der Lappen aus: es sind nämlich anstatt zweier Lappenpaare drei vorhanden; zu den vorderen und hinteren kommt noch ein Paar seitlicher. Entsprechend seiner viel bedeutenderen Körpergrösse übertrifft auch das Gehirn des D. caducus dasjenige des Noto- mastus an Volum, und zwar mindestens um das Doppelte. Den Hauptantheil nehmen die vorderen Lappen, indem sie allein annähernd eben so gross sind wie die hinteren und seit- lichen zusammengenommen. Bei Notomastus halten sich die vorderen und hinteren Lappen in Bezug auf ihr Volum so ziemlich das Gleichgewicht, so dass es schon aus diesem Grunde nahe liegt, die seitlichen Lappen des Dasybranchus als ein Spaltungsproduet der hinteren No- a) Dat. 16. Biorıo.7- b)" Tat. 16.2 E19. 9. Taf. 23.Bie. 7.9212. e), Dat. 119. Hig.26. dj Taf. 119. Big. 7. e) Taf. 17. Fig. 1. 2 und Taf. 20. II. Dasybranchus. 5. Centrales Nervensystem. 77 tomastus-Lappen oder umgekehrt letztere als Product der Verschmelzung der seitlichen und hinteren Lappen des Dasybranchus anzusehen. Die einzelnen Gehirnlappen erreichen bei Dasybranchus ein viel höheres Maass von Selbständigkeit als bei Notomastus; besonders durchgeführt ist diese Selbständigkeit in Bezug auf die Theilungsebene parallel der Längsaxe: es hängen nämlich die beiden Gehimhälften nur durch den beiderseits in die Schlundring-Commissuren sich fortsetzenden Faserkern‘°) zusammen, während bei der vorhergehenden Gattung der entsprechende Zusammenhang zugleich durch Verschmelzung zelliger Elemente aus allen Lappenpaaren vermittelt wird. Auch der Lappen- zerfall rechtwinkelig auf die Längsaxe geht zwar bei Dasybranchus weiter als bei der anderen Gattung, immerhin bleiben aber nach dieser Richtung hin vordere, seitliche und hintere Paare nicht nur vermöge des genannten Faserkerns, sondern auch durch continuirliche Zellbrücken miteinander verbunden. Was nun die einzelnen Gehimtheile betrifft, so ist zu bemerken, dass bei Dasybranchus die vorderen Lappen hämal vielfach eingebuchtet, respective mit mehreren stark proeminirenden Knoten besetzt erscheinen; neural bieten dieselben eine mehr glatte Fläche dar, welche nur durch eine nicht sehr tief einschneidende und sich auf die Mitte beschränkende Querfurche unterbrochen wird. Der bei Notomastus als Sehlappen unterschiedene Anhang des vorderen Lappens kommt bei Dasybranchus zu keiner so prägnanten Ausbildung, derselbe fällt nämlich hier mit den Wurzeln der nach dem Kopflappen hin gerichteten Nervenstämme zusammen. Die an ihrer Basis verschmolzenen Wurzeln dieser hier viel zahlreicheren Stämme sind haupt- sächlich die Träger der Augen; ausserdem liegen aber solche, wie im Kapitel Sinnesorgane gezeigt werden wird, auch direct dem Gehirne einverleibt. Die hinteren Lappen erscheinen auf den ersten Blick wie je aus zwei selbständigen, übereinander liegenden Ganglienknoten zusammengesetzt: nämlich aus einem kugeligen hä- malen und einem mehr ovalen, allein Nervenäste liefernden neuralen. Der letztere ist der grössere, so dass er in der Supinatio den ersteren vollkommen zu verdecken im Stande ist. Aber diese Trennung ist nur eine unvollkommene, durch eine ausschliesslich an der Hinterfläche ein- schneidende Furche veranlasste; in der Tiefe hängen beide Knoten auf's Innigste miteinander zusammen. Die meisten der von den hinteren Lappen ausstrahlenden Nerven gehen zu den Wimperorganen, einzelne jedoch verlaufen nach hinten dem Schlunde zu; ich vermuthe, dass sie den Rüssel-Oesophagus innerviren. Die seitlichen Lappen erscheinen als einheitliche Knoten von kugeliger oder ovaler Form; die meisten der von ihnen abgehenden Nerven endigen ebenfalls in den Wimperor- ganen, und diese 'Thatsache ist der bereits geäusserten Vermuthung günstig, derzufolge die seitlichen und hinteren Lappen zusammen den hinteren Lappen des Notomastus-Gehirns ent- sprächen. Welche Organe von den übrigen Nerven dieser seitlichen Lappen versorgt werden, muss ich dahingestellt sein lassen; ebenso die Frage: wohin sich die Nerven begeben, welche a) Taf. 20. Fig. 16. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 93 178 A. Anatomisch-Histologischer Theil. von dem Schlundringe abgehen. Die drei neural aus dem Faserkerne entspringenden Ner- ven‘) stellen vielleicht diejenigen Bahnen dar, welche das Centralnervensystem mit dem vis- ceralen verbinden. Aus der Serie verticaler Längsschnitteb) ist zu ersehen, dass hinsichtlich der Verthei- lung von Mark- und Rindensubstanz im Gehirne dieser Gattung ein ähnliches Verhalten be- steht wie bei der vorhergehenden; jeder Ganglienknoten enthält die Fasermasse als Kern und die Zellen als Schale. Besonders deutlich erhellt dieser Aufbau, sowie der Zusammenhang aller Theile aus einem durch den Kopflappen geführten Frontalschnitte®), welcher auf der linken Seite alle Gehirnlappen getroffen hat; auch hier erscheint der Faserkern schmetterling- förmig. Wir haben bei Notomastus gesehen, in wie nahe Beziehungen die Neurochorde zum Neurilemma des Bauchstranges treten können. Bei Dasybranchus, in dessen Bauchstrang das Neu- rilemma zu ausserordentlich mächtiger Entwickelung gelangt, werden nun diese Beziehungen noch viel auffälliger. In Fig. I und 2, Taf. 21 habe ich Schnitte aus zwei aufeinander folgenden Segmenten dargestellt; der eine ist durch das respective Ganglion, der andere ist durch das respective Connectiv geführt. Im ersteren machen sich die Neurochorde eigentlich nur durch mehr oder weniger scharf begrenzte Lücken im Neurilemma geltend; im letzteren, in welchem das Neurilemma durch mehrere aus seiner Grenzschicht entspringende Ausläufer in etwa sechs grössere Fächer abgetheilt erscheint, fallen die Neurochorde geradezu mit drei dieser Fächer und zwar mit den drei hämalen zusammen. Diese hämalen, die Neurochorde repräsentirenden Fächer unterscheiden sich von den neuralen lediglich dadurch, dass sie erstens nicht weiter durch Fortsätze unterabgetheilt sind, und zweitens, dass sie anstatt Nervenfibrillen eine Flüssigkeit enthalten. Was den ersten Unterschied betrifft, so ist überdies zu bemerken, dass zuweilen auch in den Neurochorden stellenweise die verschiedenartigsten, nach dem Lumen zu gerich- teten Fortsatzbildungen des Neurilemmas vorkommen können“). Bei Dasybranchus hat der Bauchstrang eine durchaus coelomatische Lage®; nur am Schwanzende, wo sich zeitlebens alle Gewebe in einem embryonalen Zustande befinden, verschmilzt derselbe ähnlich wie bei Notomastus auf's Innigste mit der Hypodermis. Ich habe diesen Uebergang in das ectodermale System speciell bei Dasybranchus etwas näher verfolgt. Der Bauchstrang schliesst mit einer sich durch die letzten drei unvollkommen ausgebildeten Schwanzsegmente hin- ziehenden, ganglionartigen Anschwellung ab. Sein Uebergangspunkt, d. h. die Verschmel- zung mit der Haut ist auf die Ausdehnung von etwa zwei bis drei dünnen Querschnitten beschränkt; der vierte (von der Schwanzspitze aus gerechnete) Querschnitt f) zeigt schon einige sich von den Seiten her zwischen Haut und Ganglion einschiebende Ringmuskel- fasern, wodurch eben die Selbständigkeit des Bauchstranges angebahnt wird. "Trotzdem bietet auch an diesem Punkte sowohl das Haut- wie das Bauchstranggewebe ein von dem 7 DEN EP b) Taf. 20. Fig. 1—15. e) Taf. 20. Fig. 16. die. Taf. 21% Fig. 3. 4. Ta 92 ie sd f) Taf. 21. Fig. 5. II. Dasybranchus. 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. 179 definitiven noch sehr abweichendes Ansehen dar. Es sind weder Haut noch Ganglienzellen zu unterscheiden; nur ihre zahlreichen, dicht gedrängten Kerne treten scharf hervor; die- jenigen des Ganglions erreichen zum Theil eine auffallende Grösse und lassen deutliche Fortsätze erkennen, viele haben aber auch noch vollkommen den Charakter der Haut- kerne beibehalten. Auch die Marksubstanz bietet an diesem Punkte ein von ihrer definitiven Structur sehr verschiedenes Ansehen: die einzelnen Fäserchen stehen dicht ge- drängt, keine Spur von der künftigen Anordnung zu einem schwammartigen Gerüste, keine Spur von Körmern, keinerlei Andeutung von dem weiterhin so mächtig eingreifenden Neurilemma, und, was für die genetische Zusammengehörigkeit beider von Wichtigkeit ist, auch keine Andeutung von Neurochorden. Die Ausbildung dieser letzteren Theile scheint überhaupt sehr allmählich vor sich zu gehen, indem in der ganzen Schwanzregion die Mark- substanz das eben beschriebene Verhalten darzubieten pflegt. Fig. 6, Taf. 21, welche einen Schnitt durch den Bauchstrang desselben 'Thieres, von dem Fig. 5, Taf. 21 stammt, jedoch etwa sechs mm weiter nach dem Kopfe zu geführt, darstellt, erläutert dies. Hier hat der Bauchstrang bereits deutlich ausgebildete Ganglienzellen sowie eine doppelte Scheide, näm- lich eine peritoneale und eine allerdings noch sehr zarte, innere (Neurilemma); aber das Mark besteht noch immer aus einer compacten Masse dicht gedrängt liegender Fäserchen, welche sowohl des Neurilemmfachwerks als der Neurochorde entbehren. Schliesslich habe ich noch gegenüber der von ULAPAREDE gemachten Angabe, dass dem Dasybranchus-Bauchstrange eine zellige Rindenschicht zukomme, welche sich zur Bildung der Ganglien in jedem Segmente anhäufe*), zu betonen, dass ein solches Verhalten nicht exi- stirt, indem auch hier der Ganglienzellbelag auf die segmentalen Knoten beschränkt bleibt. 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. Die Augen‘) des Dasybranchus sind noch viel weniger entwickelt, als diejenigen des {> J oO b « oO Notomastus; bei letzterer Gattung erreichen wenigstens die betreffenden pigmentführenden Ge- hirnelemente eine so weit gehende Concentration, dass ein auffälliger brauner Streif sofort als oO 9 io) s. g. Pigmentfleck auffällt; bei Dasybranchus dagegen geht mit der starken Verzweigung der Augenlappen eine so bedeutende Zerstreuung der Retinaelemente einher, dass man von Pig- mentflecken eigentlich kaum noch reden kann. Abgesehen von diesen topographischen Unter- schieden, stimmt nun aber das Sehorgan in beiden Gattungen durchaus überein: auch bei Dasybranchns umspinnen die Ausläufer der pallisadenartig regelmässig gestellten Hautfaden- a) Taf. 20. Fig. 1—16. A. und @. Sn. *) Diese Angabe fand auch — allerdings unter Betonung ihrer Zweifelhaftigkeit — Aufnahme bei SEMPER l. p. 53. c. p. 144). 23 * 150 A. Anatomisch-Histologischer Theil. zellen die pantoffelförmigen, lichtbrechendeu Zellen?) und Ausläufer der letzteren stellen wohl eine ähnliche Verbindung mit Ganglienzellen her, wie solche für Notomastus wahrscheinlich zu machen gesucht wurde ?). b. Die Wimperorgane. Die histologischen Verhältnisse dieser Organe wurden wegen der viel grösseren Voll- ständiekeit, in der insbesondere die isolirten Elemente zur Anschauung gebracht werden konnten, bereits in der Beschreibung der gleichnamigen, in ihrem Aufbau durchaus überein- stimmenden Gebilde des Notomastus mit berücksichtigt®).. Im Folge dessen kann ich mich hier darauf beschränken zwei topographisch-anatomische Punkte hervorzuheben, durch welche sich die Wimperorgane des Dasybranchus hauptsächlich von denjenigen der anderen Gattung unterscheiden. Zunächst ist in Bezug auf deren Lage zu bemerken, dass sie hier etwas weiter nach hinten vom Gehirne abgerückt erscheinen») als bei Nofomastus, und dass in Folge dessen auch die sie umschliessende Höhlung (die Wimperorgankammer) eine grössere Selbständigkeit erlangt. Immerhin ist aber im Auge zu behalten, dass Wimperorgan- und Gehirnkammer auch in diesem Falle sowohl unter sich, als mit der allgemeinen Leibeshöhle in ausgiebigster Weise communiciren, wie dies ja schon aus der 'Thatsache hervorgeht, dass sich der circulirende Blutstrom in alle secundären Coelomräume hinein verfolgen lässt. Der zweite Punkt betrifft die durch den abweichenden Bau des Dasybranchus-Gehirns verursachte Verschiedenheit der Nervenversorgung®). Das Gehirn unserer Gattung ist, der an entsprechender Stelle gegebenen Beschreibung zufolge, mit einem Lappenpaare mehr aus- gerüstet als dasjenige der vorhergehenden. Diese als seitliche Lappen unterschiedenen Ge- hirntheile entsenden nun die meisten der von ihnen abgehenden Nerven zu den Wimper- organen; ausserdem dienen aber auch noch die meisten der von den hinteren Lappen abgehenden Nerven zur Versorgung dieser Organe, so dass also, was bei Notomastus auf ein Lappenpaar beschränkt blieb, hier auf zwei solche Paare vertheilt erscheint. c. Seitenorgane. Die Seitenorgane des Dasybranchus gleichen in Form, Lage und Structur so vollständig denjenigen des Notomastus, dass ich von einer besonderen Beschreibung derselben absehen kann. Hervorheben möchte ich nur, dass diese Organe hinsichtlich ihrer Grösse in dem uns beschäftigenden Genus relativ sowohl als absolut hinter denjenigen des Notomastus zurück- bleiben. Bei einem mir vorliegenden, über einen halben Meter langen und im 'I’'horax S mm a) Taf. 2172 Bio, 10. b), Datı 17. Pie. 2. Tat 20. Bios 1.52 1er 15 1620 EundENZROSER: c)Elat: 1.7. Rig22. Tara 20 Bios le NE WAROREN: a) Vergl. p. 71. Holzschnitt. ß) Vergl. p. 71—75. II. Dasybranchus. 6. Sinnesorgane. c. Seitenorgane. d. Becherförmige Organe. 7. Parapodien. 181 Durchmesser aufweisenden Exemplare von D. caducus, also einem Riesen gegenüber allen Notomastus-Arten, messen die Seitenorgane im Anfange des Abdomens 120», während sie bei einem kaum ein viertel so grossen N. lineatus z. B. in derselben Region 160 x messen. Eine noch geringere Grösse haben die Hügel des D. Gajolae, dessen Vertreter freilich auch mei- stens geringere Körperdimensionen als diejenigen des Notomastus aufweisen. Es möge ferner daran erinnert werden, dass, entsprechend der Vermehrung seiner Thoraxsegmente um zwei, auch die Zahl der retractilen Seitenorgane bei Dasybranchus vier- zehn anstatt zwölf beträgt®). Diese zwei durch ihre Grösse vor allen übrigen sich auszeich- nenden Hügel sind aber viel weniger retractil als die vorhergehenden und erinnern daher schon mehr an die freistehenden des Abdomens, wie ja überhaupt alle Organisationsverhält- nisse der zwei letzten Thoraxsegmente, abgesehen von den Parapodien, viel mit dem für das Abdomen Charakteristischen gemein haben. Die abdominalen Seitenorgane endlich werden auch bei den zwei Dasybranchus-Arten in verschieden hohem Grade frei stehend gefunden. Ziemlich weit über den Körper hervor ragen sie bei dem mit Hakentaschen ausgerüsteten D. caducus®); sehr tief im Verhältnisse hierzu in die Haut eingebettet liegen sie dagegen bei dem der Hakentaschen nahezu ganz entbehrenden, glatt rund erscheinenden D. Gajolae®). d. Becherförmige Organe. Auch diese Organe bieten sowohl hinsichtlich der topographischen, als auch der histo- logischen Verhältnisse keinerlei wesentliche Divergenzen gegenüber denjenigen des Notomastus dar. Die bedeutende Körpergrösse des Dasybranchus caducus erweckte anfänglich die Hoffnung, dass auch dessen becherförmige Organe sich dem Studium der Structur günstiger als diejenigen des Notomastus erweisen würden; aber diese Hoffnung erfüllte sich keineswegs, indem die ge- nannten Organe unserer Form durchaus nicht grösser befunden wurden als diejenigen der anderen Gattung, auf deren Beschreibung ich daher auch verweise®). 7. Parapodien. Als einer in systematischer Beziehung verwertheten Eigenschaft war schon an anderer Stelle hervorzuheben, dass Dasybranchus anstatt I1, wie Notomastus, 13 Pfriemenborsten tragende Thoraxsegmente zukommen. Abgesehen von dieser Vermehrung, unterscheiden sich aber die thoracalen Parapodien nur durch ihre bedeutendere Grösse von denjenigen der anderen Gattung. Dieselben enthalten je ungefähr 100 Borsten; hiervon ragen etwa zwei Dritttheile aus- a), Taf. 16. Fig. 2. 4. b), Tat. 21. ZRje. 11. Tat. 22, Big, 14.8.4: c) Taf. 22Fig. 8. S. A. a) Vergl. p. 95—98. 182 A. Anatomisch-Histologischer Theil. gewachsener nach aussen, und ein Dritttheil nachwachsender Reserveborsten liegt an einer Seite der Drüse zusammengepackt im Coelom eingeschlossen. Hinsichtlich ihrer Form unter- scheiden sich die Borsten‘) von denjenigen des Notomastus nur durch eine etwas stärkere Krümmung der Schäfte. Diejenigen des D. Gajolae sind etwa halb so gross wie diejenigen des D. caducus; auch haben sie ein spröderes Ansehen. Aber alle solche, nur mühsam eruirbaren kleinen Unterschiede reichen nicht hin, um etwa nach dem Verhalten der Pfrie- menborsten allein die Genera und Species auseinander halten zu können. Bezüglich der Parapodien des Abdomens ist in topographischer Hinsicht zu be- merken, dass im Anfange des genannten Körpertheils die neuralen®) entfernt nicht so grosse Bögen am Körperumfange einnehmen wie bei Notomastus, was mit der viel weniger nach dieser Richtung hin sich ausdehnenden neuralen Stammes-Längsmuskulatur, respective mit der viel weniger hämal ansteigenden Seitenlinie des Dasybranchus im Zusammenhange steht. In der Structur der Hakenwülste herrscht, wie unsere Abbildungen zeigen, ebenfalls grosse Uebereinstimmung zwischen den beiden Gattungen. Dass bei Dasybranchus, ähnlich wie bei Tremomastus, der zur Parapodkiemenhöhlen-Bildung abgespaltete Längsmuskel zwischen Haut und Ringmuskulatur verläuft, wurde bereits erwähnt. Als sehr auffallende Eigenthüm- lichkeit ist aber noch hervorzuheben, dass die s. g. Parapod- oder Hakenspiralen, welche auch hier einerseits mit dem Parapodium und andererseits mit dem Ectoderm in Verbindung stehen €), nicht wie bei Notomastus eine ausschliesslich hämale Lage haben. In beiden Arten unserer Gattung liegen nämlich diese Spiralen nur in den neuralen Parapodien hämal“), in den hämalen Parapodien aber umgekehrt neural°®). Obwohl Dasybranchus mit exclusiv solcher Function dienenden Respirationsorganen f) ausgerüstet ist, so fehlen ihm doch weder die neuralen, noch die hämalen Parapod-Kie- menhöhlen; nur sind die betreffenden Hakentaschen®) und insbesondere die Zipfel der neu- ralen nicht so entwickelt wie bei Notomastus. Da die typischen Kiemen des Dasybranchus retractil sind und bei der geringsten Beunruhigung eingezogen werden, so können diese Para- podkiemen als vicariirende Athemwerkzeuge dienen. Die Parapodkiemenhöhlen sind stellenweise von blasigem Bindegewebe?) ausgefüllt. Die Haken !) unterscheiden sich von denjenigen der vorhergehenden Gattung, insbe- sondere von denjenigen des Clistomastus, nur durch sehr geringfügige Merkmale: sie haben nämlich ausser der mittleren Anschwellung, welche etwas tiefer herabrückt. noch eine zweite solche am Halse; ferner findet bei Dasybranchus, im Gegensatze zu der vorhergehenden Gat- tung, insofern ein Regionenunterschied statt, als die Haken von vorn nach hinten an Grösse stetig abnehmen. In Betreff der zwei Arten ist, abgesehen vom Grösse-Contrast, anzuführen, dass die Haken des D. Gajolae plumper gebaut sind, und dass ferner deren mittlere An- schwellung viel schärfer ausgeprägt ist. a), Tab, 32. Eye Dr bee b)r Taf 116.2 Kio.022 Ar ce). Taf 22.2 Pie las: dj Tat 22. Fig. 1. Pad. 8. e) Taf. 22. Fig. 8. 9. Pa. 8. f), Tat. 16. ig, 3. Taf. 17. Kir. 6. 7MWaf.)22Eie. 82 14e g) Taf. 22. Fig. 14. Pa. K.n. h) Taf. 22. Fig. 4. i) Taf 32. Fig. 3. 4. 5..8. 9. II. Dasybranchus. 7. Parapodien. 183 Um das Wachsthumsverhältniss von Haken und Leib festzustellen, habe ich nebst einem mittelgrossen Exemplare des Dasybranchus caduens auch eines jener seltenen, riesigen, nahezu /, Meter langen Exemplare zur Untersuchung herangezogen. Die Maasse des mittelgrossen Exem- plares betragen: Gesamntlänge ca. 30 cm, Thoraxlänge 3 em, grösste Thoraxbreite 6 mm, diejenige des riesigen: an Pe: a A 2 a Om Die Haken des Abdomenanfanges erreichen nun beim ersteren Exemplare durchschnitt- lich eine Länge von 220 p und beim letzteren eine solche von 300 p, so dass also, während der Körper um das Zweifache wächst, sich die Haken nur ungefähr um das Anderthalbfache verlängern. Im Anschlusse an die Parapodien soll nun noch jener eigenthümlichen Anhänge der- selben, jener keulen förmigen Drüsenkörper gedacht werden, welche zuerst von ÜLAPAREDE, und zwar fülschlich als dem D. caducus zukommend, beschrieben worden sind. In Wirklich- keit ist das Vorkommen dieser Drüsen ausschliesslich auf die Species D. Gajolae beschränkt und die seiner Zeit von CrArarkpeE in Port-Vendres untersuchte Form war eben auch, wie aus dem systematischen Abschnitte hervorgehen wird, dieser letzteren zugehörig. ÜLAPAREDEI) schildert diese Organe folgendermaassen: „Le caractere le plus saillant de ces Annelides £tait Vexistence a partir du vingt-sixieme segment d’un petit corps piriforme longuement pedicelle, de chaque cöte du corps. Sa couleur etait d’un blane eretace tres 6elatant. es petits organes oscillaient autour de l’extremite de leur pedoneule, fixce a la paroi du corps, paroi sur laquelle ils paraissaient se detacher en relief. Je fus tres-&tonne, apres un examen plus approfondi, de reconnaitre que ces organes, malgre la nettete. de leurs contours, talent contenus A lVinterieur de la cavit& du corps dans laquelle ıls oscillent librement. Ce sont de petits sacs a parois minces, dont le contenu est form& par une matiere tres-finement granuleuse. Leur pedieule parait Souvnr a l’ex- törieur A Vextremite externe de la rangee de soies dorsales au point oü la rangee de soies en voie de formation forme un are de cercle. Je ne serais pas etonne quil fallüt comparer ces organes aux organes segmentaires des Notomastus. Ils ont, en tout cas, echappe a l’attention de M. Grusz, a supposer quwils existassent dans lVespece etudice par lui, car ce savant denie expressement aux Dasybranchus les organes segmentaires. Je dois dire cependant que jai consigne dans mes notes lexistence d’organes segmentaires tout differents, au moins dans les seg- ments hamiferes anterieurs d’un Dasybranche.“ j Wie Crararkoe richtig hervorhebt, lassen sich die fraglichen Organe, dank ihrem glänzend weissen Ansehen, schon im ganz unverletzten, vom Rücken aus untersuchten T'hiere deutlich wahrnehmen; sie fallen um so mehr auf, als sie durch den Blutstrom abwechselnd hin und her bewegt werden. Auch die nahe Beziehung zu den hämalen Parapodien hat der Genfer Forscher richtig erkannt; unzutreffend sind dagegen, wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird, seine Vermuthungen, dass die Drüsen besondere äussere Mündungen be- sässen und sich eventuell mit den Nephridien des Notomastus vergleichen liessen. Mustert man ein von der neuralen Medianlinie aus geöffnetes und entsprechend aus- gebreitetes Thier unter dem Mikroskope, so findet man, dass die uns beschäftigenden Körper, welche bei oberflächlicher Betrachtung erst im 30. bis 40. Abdominalsegmente aufzutreten ML p> 3.02 p2 39. 184 A. Anatomisch-Histologischer Theil. scheinen, in Wahrheit schon im 20. bis 30. vorhanden sind. Sie werden nur im Anfange ihres Auftretens nicht so langgestielt und voluminös wie weiterhin, sitzen vielmehr als kleine, rundliche, allein bei starker Vergrösserung wahrnehmbare Knoten den hämalen Parapod- spiralen unmittelbar auf. Wegen dieser ihrer nahen Beziehung zur genannten Spirale habe ich ihnen den Namen: Parapodspiraldrüsen beigelegt. In ihrer vollkommenen Ausbildung haben letztere Drüsen die Form langgezogener Flaschen oder Keulen®); je mehr sie ausge- bildet sind, desto länger erscheint der Stiel, mit dem sie den zugehörigen Spiralen aufsitzen ; dieser Stiel kann länger als der Drüsenkörper selbst werden, daher auch die grosse Beweg- lichkeit der letzteren. Die Drüsen nehmen von vorn nach hinten ganz allmählich an Grösse zu, um gegen das Schwanzende hin ziemlich plötzlich wieder auf ähnliche kleine rundliche Knoten, wie am Anfange ihres Auftretens, herabzusinken. Den Höhepunkt ihrer Ent- wickelung pflegen sie in der mittleren Region, das heisst etwa gleich weit vom Anfange wie vom Ende ihrer Reihe zu erreichen. In solchen Segmenten haben sie bei Thieren von: I cm Länge einen Längendurchmesser von 140 x bei 40 u grösster Breite, De ss En > >. 160 Wo & Sn nehmen also im Verhältnisse zum Gesammtwachsthum der betreffenden Thiere wenig an Grösse zu. Da die Parapodspiraldrüsen Anhänge der hämalen Parapodien darstellen, so ist auch ihre Lage im zugehörigen Segmente damit schon definirt. Ihr Stiel befestigt sich an der äussersten, in die Leibeshöhle ragenden Spitze der Spirale’), da wo letztere in den Ecto- dermfortsatz umbiegt. Dass im Genus Dasybranchus die Spiralen der hämalen Parapodien nicht wie bei den übrigen Gattungen hämal, sondern umgekehrt neural liegen, wurde schon hervorgehoben. Die Thatsache aber, dass die Parapodspiraldrüsen nur der einen Species zu- kommen, verbietet, diese auffallende Lagerungsverschiedenheit mit dem Vorhandensein der Drüsen in Zusammenhang zu bringen. Die hämalen Parapodien rücken, wie schon er- wähnt wurde, gegen das Schwanzende hin immer mehr nach den Flanken heraus, und dieser Lageveränderung folgen auch die Drüsen; stets aber behalten letztere ihre relative Position in der Darmkammer bei. Auf Querschnitten durch die hintersten Segmente erscheinen zu- weilen Durchschnitte von zwei oder mehr Drüsen jederseits, so dass der Schein entsteht, als ob mehr als ein Paar solcher in je einem Zoniten vorhanden wäre. Dieser Schein entsteht aber lediglich durch die an diesem Orte schief gerichteten Septa: werden nämlich die betreffenden Körperringel rechtwinklig zur Axe und somit in sehr starker Neigung zu den Dissepimenten getroffen, so kommen eben Durchschnitte zweier oder mehrerer Segmente zu Stande. An den frischen Drüsen) lässt sich eine mit Kernen ausgerüstete 3—4 p dieke Wan- dung und ein durch seinen Glanz auffallender Inhalt unterscheiden. Letzterer besteht aus einer grossen Anzahl im Organ quer gerichteter, vollständig homogener Plasmaballen, deren a) Taf. 16. Fig. 14. 15. b) Taf. 22. Fig. 8. 9. e) Taf. 22. Fig. 10. II. Dasybranchus. 7. Parapodien. 185 Grenzbereiche von zahlreichen I—2 p grossen, gelblich gefärbten Kügelchen eingenommen werden. Auf Essigsäurezusatz verschwinden diese Kügelchen und an ihrer Stelle kommt ein mit der Membran des Organes in Zusammenhang stehendes Liniensystem als optischer Ausdruck eines das ganze Innere gleichmässig ausfüllenden Zellfachwerks zum Vorschein ®%): zugleich treten in den auch nach diesem Zusatze fortdauernd homogen erscheinenden Plasmaballen respective Zellportionen, sowie in den Balken des Fachwerks d4—5 p. grosse Kerne auf. Auch in vielen für die Schnittmethode hergerichteten Präparaten macht diese Zellsubstanz den Eindruck einer voll- kommen homogenen, weichen, im Gegensatze zum Zellfachwerke und zu den Kernen der Tinction wenig zugänglichen Masse. In anderen Fällen trifft man dagegen neben Drüsen mit homo- genem Plasma auch solche, deren gesammter Inhalt aus stäbchenförmigen Körperchen zusammengesetzt ist, und die Substanz dieser meist 4—S p langen und 1—2 » breiten Stäbchen bietet dann ebenfalls ein homogenes, glänzendes Ansehen dar. Fig. 12. Taf. 22 ist nach einem Querschnitte durch eine solche Drüse angefertigt; diese Figur zeigt zugleich den innigen Zu- sammenhang zwischen Zellfachwerk und Membrana propria. An letzterer habe ich, ebenso wie an der Parapodspirale selbst B), vergebens nach einer besonderen Peritonealhülle gesucht; wenn daher diese Membran nicht etwa mit der Propria als verschmolzen zu betrachten ist, so würde das sonst Alles umhüllende Peritoneum in Bezug auf diese Organe eine Ausnahme machen. Das abgebildete Schnittfragment (Fig. 12) ist typisch für die ganze Drüse; nirgends in derselben trifft man auf andere Structurverhältnisse, insbesondere fehlt jede Spur eines etwa ihren Körper durchsetzenden Ausfuhrcanals. Als solchen haben wir allein den apicalen, verschieden langen Stiel zu betrachten, welcher die Verbindung zwischen Parapodspiralen und Drüsen her- stellt. Dieser an ausgewachsenen Drüsen eine Länge von 200 p und eine Breite von 6—S u erreichende Stiel, eine continuirliche Fortsetzung der Membrana propria der Drüse oder Parapod- spirale, pflegt von einer der Drüsenzellsubstanz ähnlichen Masse ausgefüllt zu sein. Dass die Drüsen den Parapodspiralen nicht etwa nur äusserlich anhaften, wird am besten durch Schnitte, wie deren einer unter Fig. 9. Taf. 22 abgebildet ist, erwiesen; nämlich durch solche, welche von kleineren, den Spiralen ganz kurzgestielt aufsitzenden Drüsen herrühren. Man sieht an der citirten Figur den unmittelbaren Uebergang der beiden Organe ohne Weiteres; ja an der Uebergangsstelle wäre es sogar schwer zu sagen, wo das eine anfängt oder das andere aufhört. Bezüglich der 'Thatsache, dass sowohl die ersten als die 5—b letzten Drüsenpaare eine sehr geringe Grösse aufweisen, nur als kurzgestielte Knötchen erscheinen, ist hervorzuheben, dass diese Uebereinstimmung auf ganz entgegengesetzten Ursachen beruht. Die ersten Drüsen stimmen nämlich in ihrer Structur durchaus mit denjenigen normalen Volums überein, machen überhaupt nur den Eindruck, in ihrer Grössenentwickelung gehemmt worden zu sein, oder sich in der Rückbildung zu befinden; die letzten Drüsen dagegen zeigen ein histologisch ziemlich stark abweichendes Ansehen: sie machen umgekehrt den Eindruck von in der Ent- wickelung begriffenen Organen, was übrigens im Schwanzende für alle Systeme die Regel zu a) Taf. 22. Fig. 11. b) Taf. 22, Fig. 9. 2ool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 94 186 A. Anatomisch-Histologischer Theil. sein pflegt. Fig. 13. Taf. 22 stellt ein Querschnittsfragment durch eine solche unfertige Drüse, unter gleicher Vergrösserung wie Fig. 12. Taf. 22 gezeichnet, dar. Das Drüsenfachwerk ist durch sehr zarte (von der Membrana propria auswachsende?) Blätter bereits angedeutet, die Zell- substanz ist im Gegensatze zu den ausgebildeten Drüsen markirt körnchenreich und, was am Auf- fallendsten ist, eine relativ sehr grosse Zahl 6—S p grosser Kerne steht dicht gedrängt. Es macht den Eindruck, als ob in ihnen numerisch bereits das ganze Zellkernmaterial geschaffen da läge, so dass es im Laufe des Wachsthums nur auseinanderzurücken hätte. Schliesslich bleibt noch ein Wort über die Bedeutung dieser Organe zu sagen übrig. Ihr continuirlicher Uebergang in die Parapodspiralen legt den Gedanken nahe, dass sie eigent- lich nur als zu verschiedengradiger Selbständigkeit gelangte Abschnitte dieser Spiralen oder als Excrescenzen derselben aufzufassen seien; dafür spricht ihr mit der Parapoddrüse selbst übereinstimmender Bau, dafür spricht ferner das Verhalten ihrer Zellsubstanz, welche, wie diejenige der Parapodien, bald auffallend homogen, bald auffallend fadig oder stäbchenförmig zerfallen erscheint; dafür spricht endlich auch die grosse Hartnäckigkeit, welche beiderseitige Zellmateriale der Tinction entgegensetzen. Auffallend und vorläufig unverstanden bleibt nur: warum diese merkwürdigen Anhänge allein in der Species D. Gajolae, und zwar ausschliesslich an den hämalen Parapodien einer gewissen Anzahl ihrer abdominalen Segmente vorkommen. 8. Respirationsorgane. Kein Organsystem ist für den Habitus der Gattung Dasybranchus so charakteristisch wie die Kiemen®); ihnen verdankt sie ja auch ihren Namen. (Gxruse hielt seiner Zeit die Kiemen, welche von ihm an conservirten 'Thieren bald sehr weit vorn, bald sehr weit hinten am Ab- domen beginnend gefunden wurden, für überaus vergängliche, leicht abfallende Gebilde: daher der Speciesname cadueus. CLAPAREDE kam durch das Studium frischen Materials zur Erkenntniss des wahren Sachverhaltes: er sah, wie diese Kiemen abwechselnd von dem 'T[hiere ausgestülpt und wieder eingezogen wurden. Beide Autoren haben auch die auffallende 'Thatsache betont, dass diese Kiemen nicht, wie es sonst bei Anneliden die Regel ist, im Bereiche der hämalen, sondern umgekehrt im Bereiche der neuralen Parapodien eingepflanzt stehen. Für uns haben diese beiden Eigenthümlichkeiten nach Kenntniss der sie vorbereitenden Organisationsver- hältnisse verschiedener Notomastus-Arten viel von ihrer Auffälligkeit verloren: hat uns doch schon diese Form gezeigt, wie erstens sowohl dessen neurale, als auch hämale Parapodien Kiemengebilde zu entwickeln im Stande sind, und wie zweitens schon dessen einfach schlauch- förmig respiratorische Anhänge wenigstens einer theilweisen Ein- und Ausstülpung fähig werden können. Das Verhalten des Dasybranchus kann denn auch in der 'T'hat als eine Weiter- II. Dasybranchus. 8. Respirationsorgane. 187 entwickelung jenes einfacheren Verhaltens aufgefasst werden, mit der Einschränkung jedoch, dass bei ihm ausschliesslich die neuralen Parapodien davon betroffen wurden, indem die hämalen in diesem Genus überhaupt nicht Ausgangspunkte specifischer Kiemenentwickelung geworden sind. Ein Unterschied dürfte jedoch selbst bei solcher Auffassung stabilirt werden, welcher, wenn auch ohne principielle Bedeutung, gleichwohl die Kiemengebilde der beiden Gattungen auseinanderzuhalten lehrt. Im Genus Notomastus haben wir gesehen, dass es die auch sonst als Athemwerkzeuge fungirenden Hakentaschen der Parapodien sind, welche sich zipfelförmig verlängern und mit dieser Verlängerung zugleich die Fähigkeit verschiedengradiger Retractilität erwerben; diese retractilen Kiemen sind demnach die Hakentaschen respective "Theile der Hakentaschen selbst. Im Genus Dasybranchus sind nun ebensolche, wenn auch weniger entwickelte Hakentaschen vorhanden, welche gleichfalls mit zur Athemfunction herangezogen werden wie bei Notomastus, und zu ihnen kommen noch, dicht darunter eingepflanzt, die charak- teristischen retractilen Kiemen. Letztere sind daher nicht als modificirte Hakentaschen zu be trachten, sie entstanden im Gegentheil von deren Basis aus, da wo dieselbe in das Parapodium übergeht®). Resultat dieser Anordnung ist, dass Dasybranchus, wenn seine retractilen Kiemen zurückgezogen sind, vicariirend mit den Hakentaschen zu athmen vermag. Durch die Auf- findung des N. formianus hat dieser Gegensatz noch mehr von seiner Bedeutung eingebüsst, indem die hämalen Kiemen dieser Form den respectiven Hakentaschen gegenüber ebenfalls sehr selbständig erscheinen. D. caducus hat unter den Capitelliden weitaus die umfangreichsten und ausgebildet- sten Kiemen?); sie entspringen kurzgestielt und verzweigen sich von da aus je nach Körperregion und Alter der 'Thiere in zwei bis vier Aeste, deren jeder wieder sich weiter in drei bis fünf feinere Zweige unterabtheilt, so dass zwanzig und mehr kürzere oder längere Kiemenfäden zu Stande kommen können. Das Ganze bildet in vollkommener Ausbildung ein ungefähr 2 mm langes, annähernd eben so breites Büschel von lebhaft rother Färbung, indem die bei der Vorstülpung ausgedehnten Organwandungen das Blut lebhaft durchschimmern lassen. Bei D. Gajolae erreichen diese Büschel®) selbst bei den grössten Individuen und in der Re- gion der höchsten Ausbildung kaum die halbe Grösse; ferner bleibt die Zahl der Kiemenfäden auf drei bis vier als Maximum beschränkt; dafür sind aber auch die einzelnen Fäden volumi- nöser. Als Dependenzen der Hakenwülste bleiben auch bei Dasybranchus die Kiemen auf das Abdomen beschränkt; an welchem Segmente sie aber zuerst auftreten, darüber konnten meine Vorgänger nicht zur Gewissheit gelangen. GrusE!) fand sie bei einem grossen D. ca- ducus-Exemplare vom |. abdominalen Zoniten an wohl ausgebildet; bei einem kleineren erst vom 83. an; im letzteren Falle glaubte er, da sich an unmittelbar vorhergehenden Segmenten noch Spuren von Kiemen fanden, dass letztere weiterhin abgefallen waren. ÜCLAPAREDE?) a) Taf. 22. Fig. 14. b)STat.216. Bio 8. 2. "Tat. 17. Eie, 6. ec) Taf. 17. Fig. 7. 1) 1. p. 2. (Beschr. neuer oder wenig bek. Anneliden) c. p. 167. El EDE 5-7 CD: 7. 24% 188 A. Anatomisch-Histologischer Theil. giebt von seinem D. caducus aus Port-Vendres (also unserem D. Gajolae) das 50. Körper- segment oder das 36. des Abdomens als das zuerst mit Kiemen ausgerüstete an. Nach meinen, sich auf zahlreiche Fälle erstreckenden Erfahrungen beginnen die Kiemen bei D. caducus im 20., bei D. Gajolae im 40. Abdominalsegmente und reichen in beiden Arten fast bis zum Körperende; nur die letzten fünf bis zehn in der Ausbildung begriffenen Zoniten des nach- wachsenden Schwanzendes bleiben von solchen ausgebildeten Organen frei. Die ersten zwei bis drei Kiemen sind bei D. caducus ein- bis zweizipflig, die folgenden fünf bis sechs zwei- bis dreizipflig; weiterhin nehmen sie bis zur Mitte ihres Auftretens stetig an Zahl der Fäden zu, so dass sie bei grossen Exemplaren im hinteren Dritttheil des Abdomens bis zu zwanzig und mehr Zipfel aufweisen können; von da ab bis zur Schwanzspitze nehmen sie sodann ziemlich plötzlich wieder an Zahl ab. Aehnlich verhält es sich bei D. Gajolae, nur mit dem Unterschiede, dass die Zahl der Zipfel, wie schon erwähnt wurde, auch in der Re- gion höchster Ausbildung auf drei bis vier beschränkt bleibt. In Anbetracht so geringer Aus- bildung der ersten Kiemen (und hierzu kommt noch die T'hatsache, dass, wenn die Kiemen, wie es meistens der Fall zu sein pflegt, eingestülpt zur Ansicht gelangen, auch die ersten Pori oder Kiemenspalten, welche ja sodann allein deren Existenz äusserlich verrathen, gegen- über den nachfolgenden Spalten sehr klein erscheinen) darf es uns nicht wundern, wenn über ihr erstes Auftreten schwankende Ansichten herrschen. Unberührt hiervon bleibt aber die Angabe Grupers, dass er bei einem grossen Exemplare von D. caducus die Kiemen schon am ersten Abdomensegmente wohlausgebildet angetroffen habe. Da die Annahme kaum gestattet ist, dass sich jener Forscher in einer so leicht festzustellenden Thatsache geirrt habe — bil- det er ja doch das Thier auch demgemäss ab! — so bleibt Nichts übrig, als den Grupr’schen Fall als eine Ausnahme von der oben festgestellten Regel und zwar als eine recht bemerkens- werthe und instructive Ausnahme zu registriren, indem sie eben den Schluss nahe legt, dass ursprünglich die Kiemen allgemein schon vom ersten Abdomensegmente an vorhanden waren. Im einzelnen Segmente liegen diese Respirationsorgane unmittelbar über den neuralen Hakenspiralen, resp. an der Basis der sich von da ab ausbuchtenden Hakentaschen®). Die Ausdehnung der neuralen Hakenlinien und Hakentaschen ist bei allen Capitelliden bedingt durch die mehr oder weniger hoch hämal ansteigende, neurale Längsmuskulatur, oder wie man es auch ausdrücken kann, durch die ähnlich ansteigende Seitenlinie. Bei Notomastus haben wir gesehen, dass diese Linie im Anfange des Abdomens ganz auf den Rücken des Thieres, also hoch hämal heraufrückt, weiterhin auf die hämalen Flanken des Leibes heraustritt und erst am Abdomenende tief neural herabsinkt. Bei Dasybranchus veicht schon am Anfange des Abdomens die Seitenlinie wenig über die Hälfte des Leibesumfanges herauf und sinkt von da ab rasch tiefer, so dass sie am Ende des ersten Körperdritttheils bereits auf die neuralen Flanken und am Ende des zweiten Dritttheils fast auf die neurale Fläche zu liegen kommt. Eine Folge dieser Anordnung ist, dass, während die Hakentaschen des II. Dasybranchus. 8. Respirationsorgane. 189 Notomastus im Abdomenanfange ganz der hämalen Körperfläche, weiterhin den hämalen Kör- perflanken und erst am Abdomenende der neuralen Körperfläche genähert stehen, dieselben Organe und mit ihnen die Kiemen bei Dasybranchus schon im Abdomenanfange auf die hä- malen Körperflanken herausrücken‘), weiterhin sich den neuralen Flanken nähern») und schliess- lich fast ganz auf die neurale Körperfläche zu liegen kommen ®). Im zurückgezogenen Zustande haben die Kiemen ihre Lage in den Nierenkammernd); man findet sie da, je nachdem sie vom Schnitte getroffen wurden, in Gestalt mehr oder weniger zusammenhängender Ringe oder Ovale neben den Nephridien. Die Structur der Kiemen ist gleich der des Hautmuskelschlauchs, als dessen Aus- oder Einstülpungen wir sie auch zu betrachten haben. Zu äusserst treffen wir eine Cuticula, darunter eine Schicht undeutlich gegliederter Hypodermzellen, weiter ein Stratum von Ring- und Längsmuskeln, und abschliessend einen peritonealen Ueberzug®). Die Riemeneutieula geht continuirlich in diejenige des Körpers über, ebenso die hypodermale Schicht. Letztere unterscheidet sich von den angrenzenden Hypoderm-Territorien durch den Mangel der Drüsen, sie besteht ausschliesslich aus Elementen des anderen Hautzellentypus, nämlich aus Fadenzellen. Diese Zellen erscheinen aber hier ungemein plasmareich und bringen die für sie so eigen- thümliche Kernfiguration weniger charakteristisch als irgendwo sonst zum Ausdrucke. Die peri- toneale Auskleidung erscheint ebenfalls als directe Fortsetzung der gleichnamigen, die Körper- höhle bedeckenden Lage; sie ist nur im Kiemenbereiche stark verdünnt, so dass sie kaum anders als im kräftig contrahirten Organe wahrgenommen werden kann. Die darunter liegenden Mus- keln, welche sich in jedem Faden aus mehreren Längsstämmchen und davon ausstrahlenden vielfach anastomosirenden Querstämmehen zusammensetzen, stellen gleichfalls Ausläufer der Stammesmuskulatur darf). Einen ganz anderen Ursprung haben dagegen die in der Lichtung der Kiemenfäden sich ausspannenden und durch zahlreiche Aeste an die innere Kiemenwan- dung befestigenden Muskelstämmchen®): sie gehören zum Systeme der Retractoren, deren Aufgabe es ist, die Kieme in toto in die Leibeshöhle zurückzuziehen. Diese Retractoren entspringen als starke, sich immer weiter in Aeste theilende Stämme jederseits im Bereiche der der neuralen Medianlinie zunächst liegenden Längsmuskelbündel innerhalb der Nierenkammern. Sie gehören daher mitsammt ihrer Endverästelung, den in der Kiemenfadenlichtung auftretenden Muskelgerüsten, zu dem Systeme der transversalen Muskulatur. Die den Kiemenwandungen eingelagerten Muskelgitter haben die Aufgabe, die vom Blutdrucke ausgedehnten Fäden wieder zusammenzupressen, wogegen die in der Lichtung ausgespannten Netze, wie schon erwähnt wurde, die Zurückziehung des Gesammtorganes zu besorgen haben. Gegenüber so reicher Ausstattung erscheint es auffallend, dass CLararEDE!) den Dasy- a) Dat, 16... lie. ,2. b) Taf. 16. Fig. 3. Taf. 22. Fig. 14. ec) Taf.; 22. Fig. ‚S.; Taf. 23. Fig. 1.2. K. d) Taf. 16. Fig. 14. Taf. 22. Fig. 8. 14. Taf. 23. Fig. 1. 2. K. e) Taf. 23. Fig. 3. f) Taf. 23. Fig. 4—6. g) Taf. 23. Fig. 1. 1) 1. p.. 8. c. p. 282. 190 A. Anatomisch-Histologischer Theil. branchus-Kiemen eine Muskulatur durchaus absprechen konnte: er meinte, die Hypodermzellen seien contractil und ersetzten hier das specifisch contractile Gewebe. Die Ausstülpung der Kiemen wird lediglich durch die propulsatorische Kraft des Hämolymphstromes bedingt, welcher Strom bei Dasybranchus, trotz des Mangels der Gefässe, in ebenso geregelten Bahnen verläuft wie bei Notomastus. Von solcher Regelmässigkeit legt schon der Rhythmus Zeugniss ab, in welchem die Aus- und Einstülpung der Kiemen am unver- letzten Thiere sich abspielt: ein Stämmchen nach dem andern verschwindet, um nach einer gewissen Zeit ebenso der Reihenfolge nach wieder zum Vorscheine zu kommen. Der Blut- druck drängt nicht nur die Gesammtkieme nach aussen, sondern er erweitert auch zugleich in hohem Grade die einzelnen Fäden, so dass deren Wandungen ein ganz durchscheinendes An- sehen gewinnen und man deren Contenta, welche sich neben weissen und rothen Blutkörpern, wenigstens zur Zeit der Geschlechtsreife, auch aus Eiern und Sperma zusammenzusetzen pflegen, leicht unterscheiden kann. Gleichzeitig mit der genuinen Kieme füllt und leert sich die entsprechende Hakentasche; ein weiterer Beweis dafür, dass die Complication der Re- spirationsorgane des Dasybranchus zu keiner wesentlichen Modification der von Notomastus her bekannten Cireulationsverhältnisse geführt hat. In der ausgestülpten Kieme folgt das Aufeinander der Gewebestrata, wie aus den be- treffenden Figuren ersichtlich ist, conform demjenigen des Hautmuskelschlauches, in der ein- gestülpten natürlich umgekehrt. Die ausgestülpte Kieme wird aussen von Wasser und innen von Blut getränkt; die eingestülpte Kieme enthält umgekehrt in ihrem Inneren Wasser und wird aussen, d. h. von der Leibeshöhle aus, von Blut bespült. Im zurückgezogenen Zustande steht das in der Nierenkammer verborgen liegende Organ durch die Einstülpungsöffnung mit der Aussenwelt in Verbindung; an Stelle der Kiemenstämmchen erscheinen sodann Poren oder Kiemenspalten und letztere sind es auch häufig allein, welche äusserlich über die Gren- zen der Kiemenausrüstung Aufschluss geben. Schliesslich sei noch erwähnt, dass im Kiemenbereiche sowohl die Ring- als die Längs- Stammesmuskulatur insofern eine Unterbrechung erleidet, als an Stelle ihrer massiven Bündel nur dünne, der Hypodermis anliegende Fäden treten, welche zu jenen sich auch auf die Kiemen selbst erstreckenden Gittern verschmelzen. Allein durch eine solche Unterbrechung respective Verschmächtigung der Körpermuskulatur ist aber der Kieme ihre freie Aus- und Einstülpung ermöglicht. 9. Nephridien. Die Nephridien des D. caducns®) zeigen hinsichtlich ihrer Form viel Uebereinstim- mung mit denjenigen des Clistomastus®); denn sie stellen wie jene grösstentheils von den Leibes- a) Taf. 34. Fig. 18. b) Taf. 34. Fig. 1. II. Dasybranchus. 9. Nephridien. 191 wandungen abgelöste, zweischenklige, mehr oder weniger an der Umbiegstelle einander ge- näherte, jedoch nie zur Verwachsung gelangende Schläuche von rundlichem Querschnitte dar, deren Durchmesser sich nach der Richtung der äusseren Mündung hin ziemlich allmählich, und nach der Richtung des 'Trichters hin sehr unvermittelt verjüngen. Umgekehrt erinnern die Nephridien des D. Gajolae®) mehr an diejenigen des Tremomastus®), indem sie in ähn- licher kissenartiger Verbreiterung fest der neuralen Längsmuskulatur aufsitzen; nur herrscht in diesem Falle kein so auffälliger Gegensatz zwischen Drüse und Aus- respective Einführungs- gang, weil die beiden letzteren ganz allmählich, also Clistomastus-artig in das Nephridium übergehen. Auch in der Färbung erinnern die Nephridien des D. caducus auffallend an N. linea- fus; sie erscheinen je nach Anhäufung der Concretionen gelb- oder dunkelbraun. Diejenigen des D. Gajolae bieten, einmal in Folge der geringeren Masse der Gesammtorgane, sodann auch wegen der geringeren Zahl der in denselben zur Aufspeicherung gelangenden Coneretionen, stets ein gold- oder schwefelgelbes Ansehen dar. Am frischen Nephridium pflegt diese, im Übrigen einheitliche Färbung durch weisse, oft sehr regelmässig gestellte, rundliche Flecke, die durchschimmernden Kerne, unterbrochen zu werden; auch lässt sich in diesem Zustande der Ausfuhrcanal durch das ganze Organ hindurch als ziemlich breiter, heller Streif ver- folgen. In der vorliegenden Gattung erreichen die Nephridien den bedeutendsten Umfang; werden sie doch bei grossen Exemplaren des D. caducus bis 2 mm lang und Y/, mm breit; bei D. Gajolae dagegen bleiben sie, entsprechend seinen geringen Körperdimensionen, an Volum weit hinter denjenigen des Notomastus zurück. Bezüglich der Grössenverhältnisse im gegebenen Thiere stimmen beide Arten mit Clistomastus überein: die Nephridien wachsen nämlich vom Abdomenanfange bis zur Abdomenmitte sehr allmählich an, um von da bis zur Schwanzregion ebenso wieder abzunehmen. Im Genus Dasybranchus sind die Nierenkammern®) ausgezeichnet entwickelt und in ihnen haben auch die Nephridien so wie bei Tremomastus ihre ausschliessliche Lage. Bei D. caducus pflegen sie sich, entsprechend ihrem vorwiegend parallel der Körperaxe gerich- teten Verlaufe, nahezu durch die ganze Segmentlänge zu erstrecken d); bei D. Gajolae dagegen nehmen sie in Folge ihres mehr rechtwinklig auf diese Axe gerichteten Verlaufs mehr die Segmentmitten ein ®). Im Anfange des Abomensf) liegen die Nephridien beider Arten etwa auf der halben Höhe des Körperumfangs:; nie rücken sie — schon wegen der geringeren Ausbildung der neu- ralen Längsmuskulatur — so weit hämal wie in der Untergattung Clistomastus; mit der Ab- nahme dieser Längsmuskulatur sinken sodann aber die Nephridien auch bei Dasybranchus, Je a) Taf. 34: Fig. 21. b) Taf. 34. Fig. 7. e) Tat. 22. Fig. 14. Taf. 23. Fig. 7. 9. 12. L. H. Nk. d) Taf. 16. Fig. 11. Taf. 23. Fig. 15. Nm. e) Taf. 16. Fig. 14. Nm. f) Tatk 23.1 Figs 9: Nm. 192 A. Anatomisch-Histologischer Theil. weiter nach hinten, um so tiefer von dieser relativ geringen Höhe herab‘), bis sie schliesslich am Abdomenendeb) ganz neural zu liegen kommen. Sie folgen also hier nebst den nenralen Parapodien, Kiemen und Seitenorganen, wie bei Notomastus, der absteigenden Bewegung der Seitenlinie. Bezüglich des ersten Auftretens unserer Organe in den einzelnen Individuen ist das Verhalten keineswegs einheitlich. Was zunächst D. caducus betrifft, so habe ich die Nephridien zwar in den meisten Fällen im ersten Segmente des Abdomens beginnend ge- funden, zuweilen erweisen sich aber auch die zwei letzten Thoraxsegmente schon mit solchen, sei es nun im fungirenden, oder im rückgebildeten Zustande, ausgerüstet; umgekehrt kamen auch Individuen vor, welche erst in weiter hinten gelegenen Zoniten solche Organe erkennen liessen, wobei es allerdings in einzelnen vorhergehenden Segmenten selten an Spuren vor- handen gewesener fehlte. Bei mittelgrossen Exemplaren von D. Gajolae wird das erste Nephridienpaar ebenfalls in der Regel in einem der ersten Abdomensegmente angetroffen; in dem Maasse aber, als man grössere resp. ältere Individuen untersucht, findet man das erste fungirende Paar in immer weiter hinten gelegenen Segmenten. So in einem der grössten von mir präparirten erst im 25. Leibessegmente; in den vorhergehenden 3 fanden sich bei diesem Thiere nur de- generirte Reste solcher Organe. Wir werden weiterhin sehen, wie diese Degeneration der Nephridien bei D. Gajolae mit der Ausbildung von Genitalschläuchen in den betreffenden Segmenten auf's Innigste zusammenhängt und wie dieser innige Zusammenhang es wahrschein- lich macht, dass auch alle mit Genitalschläuchen versehenen Thoraxsegmente ursprünglich mit Nephridien ausgerüstet waren. Die Nephridien wiederholen sich bei Dasybranchus regelmässig in je einem Paare durch die ganze Segmentreihe; nie habe ich sie so wie bei Olistomastus vielzählig in je einem Segmente auftreten sehen. Sie reichen fast bis zum Körperende; nur die letzten nahe auf- einandergerückten Schwanzringel lassen keine, wenigstens keine deutlich angelegten Organe mehr erkennen und selbst die letzten erkennbaren sind noch sehr wenig ausgebildet®). Die inneren Mündungen oder Wimpertrichter haben in beiden Arten) die Form von Löffeln und gleichen daher mehr denjenigen des Tremo- als denjenigen des Clistomastus. Nur laufen diese Löffel nicht so wie bei letzterer Untergattung in zwei fadenförmige Zipfel aus; an ihrer Stelle besorgen hier besondere Muskeln die Befestigung an die Leibeswandungen, von denen die Mündungen im Übrigen durchaus abgelöst erscheinen. Innerhalb der einzelnen Segmente haben die Wimperlöffel, abgesehen von den mit Genitalschläuchen ausgerüsteten Zoniten, eine ähnliche Lage®) wie im vorhergehenden Genus, nämlich im Bereiche des Sep- tums und zwar auf der Höhe der Kiemen. Die äusseren Mündungen enden in beiden Arten auf wenig über das Leibesniveau hinausragenden Hauthöckern f). Diese Höcker liegen in Bezug auf die Längsaxe etwa in der a, Taf. 22. Fig. 14. Taf. 23. Fig. 7. 12. Nm. b) Taf. 23. Fig. 2. Nm. c) Taf. 23. Fig. 14. Nm. d) Taf. 34. Fig. 19. 22. e) Taf. 16. Fig. 10—12. Nm. f) Taf. 23. Fig. 8. Nm. M. U. Dasybranchus. Nephridien. 193 Segmentmitte‘); in Bezug auf die Queraxe ist insofern ein Unterschied zu constatiren, als die genannten Höcker bei D. Gajolae vom Anfange bis zum Ende des Abdomens auf der Höhe der Seitenlinie eingepflanzt stehen»), bei D. caducus dagegen nur im Abdomenanfange so hoch heraufrücken®), um weiterhin bis zum Niveau der Riemen herabzusinken‘). Wie schon im Vorhergehenden beiläufig erwähnt werden musste, ist die Gattung Dasy- branchus wit ähnlichen Genitalschläuchen ausgerüstet wie die Untergattung Tremomastus. Das Verhalten dieser Schläuche zu den Nephridien ist nun aber verschieden in den beiden Arten unserer Form. D. caducus hat bei vorgeschrittenem Wachsthum in ungefähr 50 Segmenten solche Schläuche, und zwar können dieselben mit dem ersten Abdomensegmente oder ‚schon in den letzten zwei Thoraxsegmenten beginnen. In diesen beiden 'Thoraxseg- menten pflegen sodann ausschliesslich Genitalschläuche vorzukommen, oder neben ihnen doch nur. Rudimente einst vorhanden gewesener Nephridien. In allen mit Genitalschläuchen aus- gerüsteten Zoniten des Abdomens dagegen sind neben den Genitalschläuchen stets auch je ein Paar wohlausgebildete Nephridien vorhanden und diese letzteren erscheinen im Gegen- satze zu. Tremomastus, bei dessen Arten die Trichter unmittelbar in die hinteren Zipfel der Schläuche übergehen, durchaus selbständig ©), ihre Trichter sind vollkommen typisch ausge- bildet; nur verrathen letztere durch ihre innige Nachbarschaft mit den Genitalschläuchen, und zwar mit den vorderen Zipfeln derselben auch hier adäquate Beziehungen‘). Dass diese Be- ziehungen, im Gegensatze zu Tremomastus, durch die vorderen Zipfel der Genitalschläuche ihre Vermittelung finden, wird wahrscheinlich allein durch topographische Verhältnisse be- dinst: es erstrecken sich nämlich bei D. caducus sowohl die Nephridien, als die Genital- schläuche je durch die ganze Länge der Segmente®), wogegen bei Tiremomastus erstere den hinteren und letztere den vorderen Theil der respectiven Segmente einnehmen). Bei D. Gajolae ist nun das Verhältniss der beiderseitigen Organe complieirter. In einem mittelgrossen Exemplare !) dieser Art fanden sich im den letzten zwei T'horax- und im |. Abdomen- segmente, also im 13.—15. Leibessegmente nur Genitalschläuche; im 16. Genitalschläuche und Rudimente von Nephridien ; im 17.—26. nur Nephridien, aber diese ganz eigenthümlich geformt: die centripetalen, zu den inneren Mündungen führenden Schenkel waren nämlich in ihrer Mitte derart zipfelförmig ausgebuchtet, dass sie ganz das Ansehen von in Entwickelung begriffenen Geni- talschläuchen hatten, und zwar in einem um so höheren Grade, je weiter vorn gelegene Nephri- dien man in's Auge fassteN); vom 26. Segmente ab endlich boten die Nephridien sowie ihre Trichter die typische, sich bis zum Abdomenende gleichbleibende Form dar. In einem etwa Se mente nur (8) to] doppelt so grossen Exemplare derselben Species fanden sich im 13.—-16. Genitalschläuche; im 17.— 23. Genitalschläuche und Nephridium-Rudimente, und zwar waren a) Taf. 16. Fig. 2—4. b) Taf. 16. Fig. 14. Nm. c) Taf. 23. Fig. 12. Nm. M. drRatır 23. Fig. 7° Nm. M. ea Tate? To Ir NM. f) Taf. 16. Fig. 12. Nm. T. und @. Seht. e) Tat. 16. Fig. 11. Nm. und @. Seht. h) Taf. 2. Fig. 27. Nm. und @. Seht. il, Tab, 68 ,Bip. 13, k) Taf. 16. Fig. 13. @.,Schl. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. vB) 194 A. Anatomisch-Histologischer Theil. diese Rudimente um so geringfügiger und die Genitalschläuche um so höher ausgebildet, ein je weiter vorn gelegenes Zonit man in’s Auge fasste, und umgekehrt; im 24.—26. Segmente fanden sich sodann Nephridien, welche an Stelle der typischen Trichter ähnliche in Entwicke- lung begriffene Genitalschlauchadnexe besassen, wie sie vom vorigen 'Ihiere als im 17.—26. Segmente vorkommend geschildert wurden; in dem 24. Segmente war der Genitalschlauch nahezu ähnlich wie bei Tremomastus — in das offenbar noch ausgebildet, ging aber doch noch functionirende Nephridium über; im 25. und 26. Segmente zeigten die Genitalschläuche eine Höhe der Ausbildung wie etwa der unter Fig. 13, Taf. 16. @. Schl. von dem mittelgrossen Thiere abgebildete; vom 27. Segmente ab folgten endlich auch hier Nephridien mit normalen Triehtern. In einem noch älteren 'T'hiere (dem grössten mir überhaupt zu Gesicht gekom- menen Exemplare dieser Species) fanden sich im 13.—21. Segmente nur Genitalschläuche; im 22. und 23. ebenfalls wohl ausgebildete Genitalschläuche und daneben ganz degenerirte Reste von Nephridien; im 24. Segmente etwas kleinere Genitalschläuche, welche mit (der Form nach zwar noch einigermaassen erhaltenen, aber doch sicher functionsunfähigen) Nephridien in Verbindung standen; im 25. und 26. Segmente ziemlich ausgebildete Genitalschläuche, welche continuirlich in die Trichter der noch fungirenden (wimpernden) Nephridien über- gingen; im 27.—34. Segmente Nephridien, deren Trichter in deutliche von Segment zu Seg- ment continuirlich an Grösse abnehmende Genitalschläuche ausliefen. Vom 34. Segmente ab verriethen die "Trichter noch mehrerer Nephridien durch auffallende Verbreiterung die Tendenz Genitalschläuche zu bilden; weiterhin aber, etwa vom 40. Segmente ab, traten sie bis zur Abdomenendregion in der für sie charakteristischen Löffelform auf. Zur besseren Übersicht möge das Verhalten der drei beschriebenen Thiere in nachfolgender Liste untereinander- gestellt werden: | Na | Genitalschläuche In Bildung begriffene Genital- Nur | Ser = nebst | schläuche nebst functionirenden Genitalschläuche | degenerirten Nephridien Nephridien — — == — — m Ze — = mittelgrosses 'Thier | 13—15. Segment | 16. Segment 17—26. Segment I grosses n 13—16. en: ITe- 23% 25 | 24—26. En grösstes an | 13—21. ER 22—24 es 25—40. 5 Die Interpretation der im Vorhergehenden mitgetheilten Thatsachen ergibt sich ebenso einfach als ungezwungen. Bei D. Gajolae sind ursprünglich in den zwei letzten T'horax- sowie in den vordersten Abdomensegmenten gleichwie im übrigen Körper nur Nephridien vorhanden; allmählich entwickeln sich aber aus den 'Irichtern der letzteren Genitalschläuche, und zwar auf Kosten der Nephridien, successive von vorm nach hinten, so dass je nach dem Alter der Ihiere und je nach der Lage der Segmente die verschiedensten Grade der Genitalschlauch- Ausbildung einer- und der Nephridien-Rückbildung andererseits angetroffen werden. Während Ss ” er : n . f . ne he . . ee .ı° . . also bei Tremomastus die Genitalschläuche mit ihren zugehörigen Nephridien zeitlebens in II. Dasybranchus. 9. Nephridien. 195 organischer Verbindung bleiben, findet bei D. Gajolae eine solche Verbindung nur so lange statt, bis die Genitalschläuche ihre Ausbildung erfahren haben, und bei D. caducus besteht weder eine so organische Verbindung wie bei Tremomastus, noch bildet sich ein Glied auf Kosten des anderen aus; vielmehr entwickeln sich, wie es scheint, beide aus dem gemein- samen peritonealen Mutterboden, allerdings, wie die überaus innige Nachbarschaft der beiderlei Organe, speciell der Nephridiumtrichter und (ienitalschlauchzipfel darthut, mit deutlichem Hinweis auf die Nephridiumtrichter-Region als Ausgangspunkt. Nachdem das Vorhergehende bereits niedergeschrieben war, kam mir bei wiederholter Untersuchung ein D. caducus zu Gesicht, der das für die zwei Arten als unterscheidend Fest- gestellte vollkommen fraglich erscheinen liess. Das betreffende Thier ®) — eines der grössten mir überhaupt durch die IHände gegangenen — hatte nämlich im 14.—30. Segmente nur Genitalschläuche; im 30.—-37. Segmente rudimentäre Nephridien, welche in Genitalschlauch- anlagen übergingen, und vom 37. Segmente ab ausschliesslich normale Nephridien. Dieses allem Anscheine nach der Species caducns zugehörige Dasybranchus- Exemplar zeigte also ein von dem bis dahin von mir für diese Art als typisch angesehenen durchaus abweichendes Ver- halten, indem es sich hinsichtlich der Beziehungen von Nephridium und Genitalschlauch durchaus dem D. Gajolae anschloss. Im Hinblicke auf die ausserordentliche Grösse des Thieres war der erste Gedanke, dass sich bei Dasybranchus caducus im Laufe des Wachsthums eine ähnliche Metamorphose wie bei der anderen Art, nur viel später, vollziehe. Aber kurze Ueber- legung genügte auch, um einzusehen, dass sich ein solches Verhalten auf keine Weise aus dem im Vorhergehenden für D. caducus als typisch hingestellten ableiten lassen würde. In der T'hat, wie soll sich aus wohl ausgebildeten Nephridien und wohl ausgebildeten Genitalschläuchen, wie solche bei kleinen und mittelgrossen Exemplaren vom 13. oder 14. bis zum 40. oder 60. Leibessegmente relativ unabhängig voneinander und gleichmässig die ganze Zonitenreihe hindurch vorkommen, das oben geschilderte Verhalten entwickeln? Das Eingehen der Nephridien in den vordersten Segmenten und das Bestehenbleiben der Genitalschläuche böte ja keine Schwierigkeit, ebensowenig das Vorkommen rudimentärer Nephridien in den nachfolgenden, aber wie wollte man erklären, dass im 30.—93T. Segmente, in welcher Region bei kleinen und mittelgrossen Exemplaren stets vollkommen ausgebildete Nephridien und Genitalschläuche nebeneinander schon vorhanden zu sein pflegen, das Verhältniss sich derart umgestalte, dass an Stelle der bereits ausgebildeten Organe rudimentäre Nephridien nebst Anlagen von Genital- schläuchen treten? Selbst wenn sich aber auch ein solches Verhältniss, ohne ganz willkürlich zu verfahren, aus den gegebenen 'I'hatsachen folgern liesse, so könnte man ihm doch gar keinen Sinn beilegen; es würde jedes logischen Zusammenhanges entbehren; denn bereits wohl ausgebildete Organe müssten verschwinden, damit genau ebenso beschaffene noch einmal an deren Stelle träten! Nachdem somit an eine Erklärung des abweichenden Verhaltens unseres grossen Thieres durch Annahme einer mit der Entwickelung respective mit dem Wachsthume a) Taf. 16. Fig. 9 und 10. @. Schl, und Nm. 196 A. Anatomisch-Histologischer Theil. einhergehenden Metamorphose nicht zu denken war, fasste ich die Möglichkeit in’s Auge, dass die grossen Dasybranchus-Exemplare überhaupt nicht in den Kreis der cadueus-Species hinein- gehörten, dass sie umgekehrt Vertreter eines besonderen Arteneyelus repräsentirten, für welchen eben {unter Anderem) auch charakteristisch wäre, dass die Beziehungen von Nephridien und Genitalschläuchen sich mehr denjenigen anschlössen, welche man als Gajolensis-Typus bezeichnen kann, als denjenigen des Cadueus-Typus. Die an einem ziemlich bedeutenden Materiale ange- stellte systematische Untersuchung hatte aber auch für diese Voraussetzung ein durchaus un- günstiges Resultat zur Folge: es liessen sich nämlich kemerlei constante, die Aufstellung einer besonderen Species oder auch nur Varietät rechtfertigende Merkmale für die betreffenden grossen Exemplare nachweisen. Daraufhin blieb nur der eine Schluss übrig: dass sich beim D. caducus die Beziehungen zwischen Nephridium und Genitalschlauch bald nach dem einen, bald nach dem anderen "Typus entfalten, dass also in dieser Hinsicht die Species ein schwan- kendes Verhalten darbiete. Zur strengeren Prüfung dieses Schlusses habe ich nun aber noch eine weitere Anzahl verschieden grosser Exemplare von D. caduens präparirt und gebe das Resultat zunächst in nachfolgenden Lästen: A. Ganze oder nahezu ganze 'Thiere. j I | I eg 113 Be : 59 Mm je . Genitalschläuche |In Bildung Vegriffenel Exem- | Thoraxlänge | Thoraxbreite | las | | | | | wohl Genitalschläuche Nephridien B P nebst rudimentären entwickelt in den 54 = | Nephridien | Segmenten in den Segmenten beginnen wohl ent-| Bemerkungen. | . A Be | | in mın, wickelt im Segmente | | | I. | 70 | 27 14—-30 30 3 | 37 Vom 30—37. Segment stehen die noch nicht | | vollständig entwickelten Genitalschläuche mit Rudimenten von Nephridien in Verbindung, und zwar sind diese Nephridien in den betreffenden | | 7 Segmenten je weiter vorn, um so weniger, und | umgekehrt die Genitalschläuche je weiter vorn, um so mehr ausgebildet. | 13—30 30—34 | 34 mut. mut. ebenso. | III. 40 20 | 19 —25 | 25—38 38 mut. mut. ebenso. IV. 37 19 | 14—35 | () | 14 In diesem Thiere sind bis zum 50. Segmente | | | Genitalschläuche vorhanden, aber vom 35. Seg- | | mente ab beginnen sie an Grösse allmählich | | | abzunehmen, so dass sie im 50. nur noch einen | | Bruchtheil vom Durchmesser der vorhergehenden | | | aufweisen, Die Nephridien sind — abgesehen | | von der innigen Nachbarschaft ihrer Trichter mit den vorderen Zipfeln der Genitalschläuche - in allen Segmenten unabhängig neben den Genitalschläuchen ausgebildet. V. Fr) 11 15—58 | 0) | 27 Vom 58-65. Segmente sind in Bildung be- griffene Genitalschläuche vorhanden. Im 16—17. Segmente sind in Rückbildung _begriffene Ne- | | | phridien enthalten. In allen Segmenten aber, in | welehen Genitalschläuche und Nephridien neben- einander vorkommen, seien nun letztere rudi- mentär (16—27), oder functionirend (27—65), und erstere ausgebildet (15—5$), oder in der Ent- wickelung begriffen (55—65), sind diese beiderlei | | Organe — abgesehen von der innigen Nachbar- schaft ihrer Trichter und resp. Zipfel — durch- aus unabhängig von einander. ) Der vordere Abschnitt des Thorax dieses Thieres war beim Fange abgerissen. II. Dasybranchus. 9. Nephridien. 197 B. 'Thiere, welchen der grössere Theil des Abdomens fehlte. Av.) Genital In Bildung be- | Exem- Segmentzahl Thoraxlänge Thoraxbreite tcliläuche wohl güiflene Sertat Nephridien be- plur- des entwickelt RADEON BINOR TON Bemerkungen Sy 3 indanr rudimentären | entwickelt im ? Zi No. Bruchstückes u nk 5 Nephridien in Segmente Segmenten E | er LT 1! / 4 den Segmenten | | z = 5 T E 1» 50 40 1? 14—50 0 | 14 Im 13. Segmente sehr kleine, wenig aus- | | ' gebildete Genitalschläuche. In allen fol- | genden Genitalschläuche und Nephridien ' unabhängig voneinander (d. h. abgesehen von der innigen Nachbarschaft der Triehter ‚ und resp. Zipfel). II. 43 38 115 14—13 0 14 | Genitalschläuche u. Nephridien in allen diesen Segmenten unabhängig voneinander. « or ” | IL. 30 35 15 14-50 | 0 15 Im 14. Segmente sind nur Rudimente von | | | , Nephridien vorhanden. In allen folgenden sind die beiderlei Organe wohl ausgebildet | und unabhängig voneinander. | IV. 40 33 N 12 14—40 0 14 Nephridien und Genitalschläuche unab- | hängig voneinander. | | V: 39 30 15 162-9 il, 39233 ? \ Im 29-33. Segmente stehen in Entwicke- | lung begriffene Genitalschläuche mit rudi- mentären Nephridien in Verbindung; dies , Verhalten setzte sich aber im betr. Thiere | | | wahrscheinlich noch mehrere Segmente hin- j | | dureh fort. y rl)! “2 C. Nach A. und B. combinirte Liste. ka: In Bildung be- | Exem- | Thoraxlänge Thoraxbreite Basen griffene Genital-| Nephridien be- x schläuche wohl E BEE: R 8 schläuche nebst | ginnen wohl ’ plar- entwickelt £ E i E Bemerkungen. E den rudimentären entwickelt im No aauE nun De Nephridien in Segmente Segmenten 3 | u Ss ZEN ei er den Segmenten Y eu n ——— ——— = - | ae il 70 27 14—30 30—37 | 37 (Al) II. 45 17 13—30 30—34 34 (A II.) II. 40 20 | 13-25 25— 383 38 (A 111.) Ve 40 | 12 14—50 ) | 14 (B 1.) | AM 38 15 14—43 0 14 (B IT.) VI. 37 19 14—35 0 | 14 (A IV.) | | ve | 35 15 14—30 0 15 ‚(B 11.) | VL..\ 1,033 127 „1,1440 0 [4 (B IV.) | | IV.’ 30 | 15 16—29 3923 T 2 (B V.) X. ? 11 15—58 0 27 198 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Unter 100 D. caduecus-Exemplaren, welche gefischt werden, pflegen 99 verstümmelt zu sein, d. h. der hintere Theil des Abdomens abzureissen; daher musste ich auch solche Exemplare nothgedrungen in den Kreis meiner Untersuchung ziehen, was um so weniger störend war, als ja die betreffenden Bruchstücke immerhin 30—50 Segmente und somit auch diejenige Region enthielten, auf die es bei unserem Probleme hauptsächlich ankam. Nichts- destoweniger habe ich aber, um diese Ungleichmässigkeit auszuschliessen, zunächst nur die- jenigen 'Thiere zusammengestellt, welche ganz, oder doch nahezu ganz erhalten waren; sie stehen in der Liste A der Grösse nach verzeichnet; in der Liste B wurden sodann die ver- stümmelten 'Vhiere, ebenfalls der Grösse nach, aufgeführt und in der Liste © endlich wurden die Exemplare von A und B vereinigt. Als ungefährer Grössenmaassstab wurde Länge und Breite der median gespaltenen und flächenhaft ausgebreiteten 'T’horaces benützt. Das Ergebniss dieser Untersuchung — man vergleiche z. B. A.2. und B. 7. resp. ©. 2. und 4., zwei in ihrer Grösse nahezu übereinstimmende Exemplare, von denen das eine vom 14.—50. Segmente gleichmässig Nephridien und Genitalschläuche je im selben Segmente 30. nur Genitalschläuche, sodann vom 30.—34. rudimentäre Nephridien und in Entwickelung be- vollkommen ausgebildet und unabhängig von einander besitzt und das andere vom 13 griffene Genitalschläuche und vom 34. Segmente ab nur Nephridien aufweist — bestätigt nun vollkommen diejenige Alternative: dass bei D. caducus sich in einzelnen Exemplaren von An- fang an in einer grossen Anzahl (bis 50) Segmente Genitalschläuche und Nephridien neben- einander und relativ unabhängig von einander entwickeln, in anderen Exemplaren sich dagegen, ähnlich wie bei D. Gajolae, die Genitalschläuche erst allmählich auf Kosten der während dieses Processes zu Grunde gehenden Nephridien resp. deren Trichterpartien ausbilden können. Ich werde fortan den ersteren hauptsächlich (aber nicht ausschliesslich!) bei kleineren In- dividuen vorkommenden Modus als „Caducustypus“ und den letzteren, vorwiegend bei grösseren Individuen sich ausbildenden als „Gajolensistypus“ bezeichnen. Selbstverständlich soll nach allem Vorhergehenden mit dieser Unterscheidung keiner systematischen Trennung der bezüglichen Formen Vorschub geleistet, sondern nur dem Dimorphismus eines Organsystems Ausdruck verliehen werden. Für die Variabilität dieses Organsystems ist auch das Verhalten des Thieres A. 5. (©. 10.) charakteristisch. Hier sind im 16.—27. Segmente die Nephridien rudimentär und im 58.—65. existiren Anlagen von Genitalschläuchen; daneben sind aber im 16.—27. Seg- mente vollkommen ausgebildete Genitalschläuche und im 58.—65. vollkommen ausgebildete Nephnidien vorhanden; es besteht also weder zwischen den vorn sich rückbildenden Nephri- dien und den Genitalschläuchen, noch zwischen den hinten sich entwickelnden Genital- schläuchen und den Nephridien eine dem Verhalten des D. Gajolae vergleichbare Beziehung; anstatt dessen haben wir hier den casus sui generis, dass in einem nach dem Caducustypus entwickelten 'Thiere sich im Laufe des Wachsthums die vorderen Nephridien rückbildeten, sowie dass sich weiterhin als sonst und später als sonst noch Genitalschläuche anlegten. Was die Structur betrifft, so kann ich mich kurz fassen: ein Blick auf Fig. 10 und Il, Taf. 23 zeigt, dass der Aufbau des D. caduens-Nephridiums vollkommen mit demjenigen II. Dasybranchus. 9. Nephridien. 10. Geschlechtsorgane. 199 des Clistomastus übereinstimmt. Es bleibt nur hervorzuheben, dass die Zellsubstanz bei ersterem eine viel consistentere Beschaffenheit hat, und dass die Concretionen ®) durchschnitt- lich kleiner sind; dieselben messen nämlich meistens 1—4 p, selten trifft man grössere. Im Uebrigen verhalten sich diese Concretionen denjenigen des Olistomastus durchaus ähnlich. Die Nephridien des D. Gajolae b) dagegen erinnern einmal durch die sehr viel geringere Dichtig- keit ihrer Zellsubstanz, sodann durch die bereits erwähnte innige Verbindung ihrer unteren Flächen mit der neuralen Muskulatur, endlich auch durch die Beschaffenheit ihres Ausfuhrcanals auffallend an die Structurverhältnisse des Tremomastus. Nur deren Concretionen®) sind ähn- lich wie diejenigen der anderen Art mehr vom Charakter der entsprechenden Ckstomastus- Gebilde, wobei aber zu bemerken ist, dass dieselben noch kleiner sind als bei 2. cadueus. 10. Geschlechtsorgane. Bei Dasybranchus sind die Geschlechtsorgane ganz auf das Abdomen beschränkt; der sterile thoracale Keimstock fehlt. Sowohl die Ei- als die Samenbildung geht auch hier ıediglich von dem Peritone- um, und zwar in der Regel von der Genitalplatte aus; in einzelnen Fällen betheiligt sich aber auch das hämale Darmmesenterium (welches bei Dasybranchus im Abdomen nahezu dem ganzen Darme entlang continuirlich ausgebildet ist) an der Keimproduction. Sowohl dieses Mesenterium, als auch die Genitalplatte bestehen aus zwei peritonealen Lagen, zwischen die sich, im Gegensatze zu Notomastus, hier eine kräftige Muskulatur einschiebt. Bei den Dasy- branchus Q@ kommt es daher auch zu keiner '[rennung jener Lagen und zu keiner Anhäufung der Eier in einer etwa so geschaffenen Höhle; es sprossen anstatt dessen die Oosporen, ähn- lich wie die Spermatosporen der Notomastus O', lediglich nach der Leibeshöhle zu, wobei die centrale Muskulatur allmählich das Ansehen einer diese Producte tragenden Rhachis annimmt. Auch bleiben die in der Entwickelung begriffenen Eier in vorliegender Gattung nicht bis zur annähernden Reife auf ihrem Mutterboden befestigt, sondern lösen sich schon auf einem sehr frühen Stadium ab, um weitaus den grössten 'l'heil ihres Reifungsprozesses in der Leibeshöhle durchzumachen; kurz, es kommt bei Dasybranchus zu keiner so ausgesprochenen Ovarıum- bildung wie bei Notomastus. Im dieser Ilinsicht verhalten sich also die beiden Geschlechter bei ersterem ziemlich gleich, wogegen bei letzterem sich nur in den ©' die Keimzellen so frühe, zum Behufe ihrer Fortentwickelung in der Leibeshöhle, abzulösen pflegen. Was diese Entwickelung betrifft, so stimmt sie in unserer Form so vollkommen mit der Spermatogenese des Notomastus überein, dass ich mich darauf beschränken konnte, das identische Endstadium abzubilden ©). Der von Urararepe!) gegebenen Spermatosphären-Figur muss ein Irrthum zu lass. Kızı 20% b) Taf. 23. Fig. 13. Nm. e\ Taf. 34. Eie. 23. d) Taf. 23. Fig. 17. 18. 1) Je PERS ScHp2281% War. HL Fig. DD. 200 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Grunde liegen: ich habe solche, von Kränzen grosser Zellen umgebene Spermatoblasten nie zu Gesicht bekommen; auch würde einem solchen Stadium in dem typischen Verlaufe der Anneliden-Spermatogenese schwerlich ein Platz angewiesen werden können. Obwohl Dasybranchus die grössten Vertreter der Capitellidengruppe aufweist, so gehören doch seine Eier®) zu den absolut kleinsten. Die umfangreichsten Eier von D. caducus messen nämlich 120 », wogegen diejenigen der viel kleineren Schwesterart (D. Gajolae) bis 1S0 u. Durchmesser erreichen. Auch hier zeigt von einer gewissen Grösse ab der Kern constant ungefähr den halben Diameter der Eizelle. Einige Maasse mögen dies erläutern: Ei Kerm 24 u. 16 30 40 „, 100 „, 48 „ Die reifen Dasybranchus-Fier unterscheiden sich von denjenigen aller Tremomastus-Arten durch ihre viel kleineren Deutoplasmakörper; in dieser Hinsicht verhalten sie sich mehr den- jenigen des Ckstomastus ähnlich. Unsere Gattung ist durch den Besitz ähnlicher Genitalschläuche ausgezeichnet, wie solche insbesondere von der Untergattung Tremomastus her schon bekannt sind. Auf die so auffallenden Beziehungen dieser Organe zu den Nephridien musste schon im vorhergehenden Kapitel ausführlich emgegangen werden; hier bleibt daher nur übrig, ihrer Verbreitung, Form, Lagerungs- und Structurverhältnisse, unbekümmert um jene Vergesellschaftung mit oder Ab- hängigkeit von den Nephridien, zu gedenken. Die Genitalschläuche kommen auch in der Gattung Dasybranchus in beiden Ge- schlechten ganz gleichmässig ausgebildet vor; nur pflegen bei den @ die Porophoreb) zur Zeit der Geschlechtsreife, ähnlich wie bei Tremomastus, eime viel bedeutendere Ausbildung zu erlangen als bei den d". In vielen Exemplaren von D. caducus finden sich Genitalschläuche vom 1.—40., ja oft bis zum 50. Abdomensegmente; die letzten Paare pflegen dann aber noch unvollkommen aus- gebildet zu sein; in anderen Exemplaren zählte ich nur 20-30 Paare, so dass also deren /ıahl bedeutenden Schwankungen unterliegt. Zugleich wird diese Zahl davon beeinflusst, ob sich das Verhältniss von Genitalschlauch und Nephridium nach dem Caducus- oder nach dem Gajolensis-Typus entwickelt. In einzelnen Fällen finden sich auch in den zwei letzten Thorax- segmenten ganz normal ausgebildete Genitalschläuche €). Bei D. Gajolaed) beginnen die uns beschäftigenden Organe stets im vorletzten Thorax- segmente umd wiederholen sich, entsprechend der Altersstufe der betreffenden 'Thiere, in 12— 26 successiven Abdomensegmenten je auf Kosten der zugehörigen Nephridien ausgebildet. Ihre Form stimmt in dieser Art vollkommen mit derjenigen der Tremomastus-Schläuche überein, das heisst es sind hauptsächlich nach der Richtung der (Jueraxe des T'hieres hin entwickelte, in a) Taf. 1. Fig. 2. b) Taf. 16. Fig. 2 und 4. G. Schl. P. e) Taf. 16. Fig. 9. @. Schl. d) Taf. 16. Fig. a: Schl. Il. Dasybranchus. 10. Geschlechtsorgane. 201 zwei lange Zipfel auslaufende Glocken von elliptischem Querschnitte. Bei D. cadueus ®) findet ihre Haupterstreckung umgekehrt mehr parallel der Längsaxe des Thieres statt, so dass ihnen in dieser Art eine viel weniger ausgesprochene Glockenform zukommt. Die Genitalschläuche sind auch in dieser Gattung streng metamer angeordnete Or- gane, welche sich, wie die Nephridien, gleichmässig (in den überhaupt damit ausgerüsteten Körperstrecken) von Segment zu Segment wiederholen. Im gegebenen Zoniten haben sie ihre Lage gemeinsam mit den Nephridien in den Nierenkammern®b). Bei D. caducus®) sind sie durch die vorderen und hinteren Zipfel je an die vorderen und hinteren Septa befestigt; bei D. Gajolae °), wo sie nur den vorderen Theil der Zoniten occupiren, sind nur je die vorderen Zäpfel mit den Septen, und zwar den vorderen Septen verwachsen, wogegen die hinteren etwa in der Segmentmitte mit dem parietalen Peritoneum verschmelzen. Die verengerte Halspartie der Schläuche®) durchbricht in beiden Arten auf der Höhe der Seitenlinie die Leibeswandungen, um in den Genitalporen nach aussen zu münden. Auf derselben Höhe des Körperumfangs münden — wie wir gesehen haben — bei D. Gajolae dem ganzen Leibe entlang und bei D. caducus im Abdomenanfange die Nephridien f). Während aber die Mündungen letzterer in den einzelnen Segmenten in Bezug auf die Längsaxe des Thieres je in der Mitte eingepflanzt sind, haben die Genitalporen oder Porophore ihre Lage je an der vorderen Grenze. Zu dem Behufe finden wir bei D. caducus, wo ja die Genital- schläuche sich durch das ganze Segment erstrecken, die Glockenhälse nach vorn gebogen, so dass also das Lumen des Organs nicht wie sonst in einem zur Körperaxe rechten, sondern in einem zu dieser Axe sehr spitzen Winkel gerichtet steht. Die die Mündungen vermittelnden Hautporen sind auch hier auf hypodermalen rund- lichen oder elliptischen Höckern, den Porophoren®), angebracht, welche, je weiter vorn, um so deutlicher sichtbar zu sein pflegen. Besonders leicht erkennt man sie bei geschlechtsreifen Thieren, und zwar in höherem Maasse bei @ als bei J', indem die Porophore bei ersteren eine ähnliche Hypertrophie resp. Gewebsmetamorphose erfahren wie bei den & der ver- schiedenen Tremomastus-Arten. In Bezug auf ihre Structur stimmen die Genitalschläuche unserer Gattung in so hohem Grade mit denjenigen der vorhergehenden überein, dass eine besondere Beschreibung derselben unnöthig ist. Nur das Eine verdient hervorgehoben zu werden, dass in den Schläuchen speciell des D. caducus die Zellgrenzen (welche in den resp. Organen der verschiedenen Tremomastus-Arten nicht so leicht zu unterscheiden waren) überaus deutlich hervortreten, in- dem die einzelnen Zellen häufig, ähnlich wie im Gewebe der Nephridien, durch regelmässige Intercellularspalten von einander getrennt liegen. Auch mache ich auf die ungewöhnliche Länge der diesen Zellen zugehörigen Cilien aufmerksam }). Die Zeit der Geschlechtsreife des Dasybranchus fällt in den Frühling und Sommer. a) Taf. 16. Fig. 11.G. Schl. b) Taf. 16. Fig. 9—14. Taf. 23. Fig. 9. 15. G. Schl. ce) Taf. 16. Fig. 11. G. Sch. d) Taf. 16. Fig. 13. @. ScAl. e) Taf. 23. Fig. 9. @. Schl. f) Taf. 16. Fig. 2. 4. @. Schl. P. und Nm. g) Taf. 16. Fig. 2. 4. @. Schl. P. Taf. 23. Fig. 9. G. Schl. P. h) Taf. 23. Fig. 16. Zoo]. Station z. Neapel, Faura und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. s 26 302 A. Anatomisch-Histologischer Theil. 11. Leibeshöhle. . In beiden Arten der Gattung Dasybranchus bietet die Configuration der Leibeshöhle, vor Allem deren Gliederung in secundäre Räume, so viel mit den entsprechenden Verhält- nissen des Notomastus, insbesondere der Untergattung Tremomastus Uebereinstimmendes, dass das für diesen letzteren Formencyclus Festgestellte gleicherweise auch auf den ersteren An- wendung finden kann. Als ein a priori leicht zur Störung solcher Uebereinstimmung geeignetes Element könnten die für Dasybranchus charakteristischen Kiemen erscheinen; aber eine wie grosse Rolle auch diese, der anderen Gattung in solcher Höhe der Ausbildung und Un- abhängigkeit abgehenden Organe spielen mögen, so ändern sie doch Nichts in der wesent- lichen Anordnung der beiderseitigen Coelome; der ganze Unterschied läuft nämlich darauf hinaus, dass, während bei Tremomastus die Nierenkammern nur einerseits in die Bauchstrang- sowie andererseits in die Parapodkiemenkammer und von da in die Darmkammer über- gchen, bei Dasybranchus diese Nierenkammern ausserdem auch mit den ihnen eigenen Kiemen in Verbindung stehen.?) Hervorgehoben verdient zu werden, dass das hämale Darmmesenterium, besonders dessen abdominaler Abschnitt, in der vorliegenden Gattung sich viel continuirlicher ausgebildet zeigt als in der vorhergehenden, sowie dass dieses Mesenterium zuweilen an dem Prozesse der Sexualzellenbildung "Theil nehmend befunden wurde. Ferner, dass bei Dasybranchus, obwohl sein Thorax 14 Segmente umfasst, sich das starke, den Thorax vom Abdomen scheidende Septum, ähnlich wie bei Notomastus, schon am Ende des 12. Segments ausgebildet findet, ein Factum, welches um so bedeutungsvoller erscheint, als auch sonst die zwei letzten 'I'horaxsegmente des Dasybranchus einen vielfach abdominalen Typus zur Schau tragen. Auch hinsichtlich der Structur des die Leibeshöhle auskleidenden Peritoneums, so- wie der Septa bietet Dasybranchus keine von der anderen Gattung bemerkenswerth abweichende Verhältnisse dar. 12. Hamolymphe. Die Leibeshöhle des Dasybranchus wurde von durchaus ähnlicher Gliederung wie die- Jenige des Notomastus resp. diejenige des Tremomastus befunden und diese Uebereinstimmung erstreckt sich selbstverständlich auch auf die Art der Bluteirculation in beiden Gattungen. Ich kann daher auf das in diesem Betreffe über Notomastus Gesagte einfach verweisen, indem II, Dasybrnachus. 12. Hämolymphe. 203 ich nur hervorhebe, dass auch der Besitz so viel complieirterer und in so viel höherem Grade retractiler Kiemen, wie er die beiden Dasybranchus-Arten auszeichnet, dieses ähnliche Verhalten nicht stört, da hierdurch nur die Intensität, nicht aber die Art der Blutbewegung resp. Blutathmung betroffen wird. Durch die im gesunden und ungestörten Thiere rhythmisch erfolgende Contraction, sowie durch die totale Ein- und Ausstülpung einer grossen Zahl so voluminöser Anhänge, wie sie die Dasybranchus-Kiemen darstellen, wird nämlich der Rück- fluss des geathmeten Blutes aus den Parapodkiemenkammern in die Darm- und Bauchstrang- kammern und umgekehrt auch der Zufluss des zu athmenden Blutes aus letzteren in erstere energischer bewerkstelligt, als bei den gleich ausgiebiger und beweglicher Anhänge entbehren- den Formen. Dass auch die Dasybranchus-Blutkörper, gefärbte und ungefärbte, mit denjenigen der vor- hergehenden Gattung übereinstimmen, lehrt schon ein Vergleich der frischen Elemente‘) beider; aber auch hinsichtlich der charakteristischen Reactionen verhalten sich die beiden Formen überaus ähnlich; es tritt z. B. bei Zusatz von starker Essigsäure in den Dasybranchus-Scheiben’) eine ähnliche Trennung von Zooid und Oikoid ein und der Blutfarbstoff wird ebenso von ersterem aufgenommen wie bei Notomastus. Die gefärbten Elemente, welche hier ebenfalls 12—24 p grosse, in der Mehrzahl jedoch wie diejenigen des Notomastus 20 » messende Scheiben darstellen, weichen nur etwas in ihrer Färbung ab: ihrem Gelb ist nämlich weniger Grün beigemengt als bei Clistomastus, und um- gekehrt mehr Grün als bei Tremomastus. Hierzu kommt noch, dass auch zwischen den beiden Arten insofern ein Unterschied herrscht, als D. caducus lebhafter gefärbte Blutkörper besitzt als D. Gajolae. Trotz des colossalen zwischen den beiden Arten waltenden Grössenunter- schiedes bieten ihre Blutelemente ganz übereinstimmende Dimensionen dar; die oben mitge- theilten Maasse haben nämlich für beide gleicherweise Geltung. Neben den ausgebildeten Scheiben fehlen auch nicht jene kleineren, mehr kugligen, als Hämatoblasten zu betrachtenden Elemente. Der Nachweis des Hämoglobins ©) gelingt bei Dasybranchus spektroskopisch eben so leicht wie bei Notomastus; in vorliegender Gattung ist überdies die Neigung jenes Körpers, spontan Krystallform anzunehmen, grösser als bei irgend einer anderen der Familie; auf dieses Ver- halten sowie auf den Nachweis von Häminkrystallen komme ich aber ausführlicher im be- treffenden physiologischen Abschnitte zurück. Es fehlen auch in diesen Blutscheiben die Excretbläschen oder Concretionen ) nicht. Sie treten, je nach den Individuen, in sehr verschiedener Zahl und Form auf, erreichen aber nie eine bedeutende Grösse. Meistens schwankt diese in beiden Arten zwischen I und 3 p, so dass sie also in dieser Hinsicht mehr mit Clisto- als mit Tremomastus übereinstimmen. all Tat. 35. Fig. 27. 34. b) Taf. 35. Fig. 28. ce) Taf. 35. Fig. 29—33. d) Taf. 35. Fig. 27. 34. III. Mastobranchus. 1. Allgemeine Körperform. Mastobranchus ®) ist eine im hiesigen Golfe aufgefundene Capitellidengattung, welche zwei wesentliche Merkmale der beiden vorhergehenden in sich vereinigt. Mit Notomastus hat sie nämlich die Zwölfzahl der 'Thoraxsegmente und mit Dasybranchus den Besitz distincter, büschelförmiger, total retrahirbarer Kiemen b) gemein; nur sind diese Kiemen hier nicht Adnexe der neuralen, sondern der hämalen Parapodien. Als dem Genus eigenthümlich verdient in erster Linie hervorgehoben zu werden, dass die hämalen Parapodien des Abdomens bis zur Schwanzregion Pfriemenborsten und Haken gemischt enthalten. Die Species M. Trinchesü kann vorläufig hauptsächlich durch den vierzipfligen Schwanz- anhang ©) charakterisirt werden. Unsere Form erreicht im erwachsenen Zustande die Dimen- sionen der kleineren Notomastus-Species; im Habitus unterscheidet sie sich aber auffallend von letzteren durch den glatten, walzenförmigen, hinten sehr spitz endenden Leib. Dieses glatte Ansehen wird (insbesondere vorn) durch den geringen Gegensatz von [Thorax und Abdomen sowie durch die sehr geringfügige Ausbildung der Hakentaschen bedingt. Der Kopflappen ist durch seine Länge, sowie durch seine spitz-conische Form aus- gezeichnet. Das borstenlose Mundsegment 4) übertrifft die nachfolgenden Zoniten um die Hälfte der Länge, ist aber etwas schmäler als letztere. Auch hier erscheint die Oberfläche der vorderen Thoraxsegmente®) mosaikähnlich ge- feldert; die hinteren Segmente dieses Körperabschnitts sind deutlich zweiringlig. Die ersten 80 Abdomensegmente?) erscheinen nahezu doppelt so lang als die thora- calen; weiterhins) verkürzen sie sich aber bedeutend, so dass an einem etwa 180 Zoniten a) Taf. 1. Fig. 3. b) Taf. 24. Fig. 3 K. und Fig. 9. e) Taf. 24. Fig. 5. d) Taf. 24. Fig. 1. e) Taf. 24. Fig, 1. 2. f) Taf. 24. Fig. 2. g) Taf. 24. Fig. 3. III. Mastobranchus. 1. Allgemeine Körperform. 205 zählenden Exemplare die ersten SO etwa ein dreimal so langes Stück ausmachen, als die nach- folgenden 100 zusammen. Diese hinteren Segmente heben sich überdies von den vorderen, glatt walzenförmigen dadurch scharf ab, dass ihre Vordertheile schmäler sind als deren Hinter- theile und zugleich diese letzteren faltenartig auf die ersteren von Segment zu Segment über- greifen, wodurch ein an eine Strobila erinnerndes Ansehen zu Stande kommt. Hämal springt ferner diese Falte je im Bereiche der Parapodien zungenförmig vor und unter den so gebildeten Zipfeln stehen auch die Kiemen eingepflanzt. Am Schwanzende‘) öffnet sich hämalwärts die Afterspalte und darunter liegen die vier fingerförmigen, wahrscheinlich als Taster fungirenden Schwanzanhänge)). Die neurale Längsmuskulatur®) ist bei Mastobranchus im Abdomenanfange ebenso mächtig entwickelt wie bei Notomastus, so dass auch demgemäss die Seitenlinie in dieser Region ebenso hoch ansteigt. Die diese Muskulatur zusammensetzenden Fasern sind nicht wie sonst von rundlichem oder polygonalem, sondern von dachziegelförmigem Querschnitte und stehen ganz regelmässig reihenförmig untereinander angeordnet. Die sehr stark ausgebildete transversale Muskulatur) befestigt sich in ihrem neu- ralen Abschnitte nicht wie bei den vorhergehenden Gattungen im Fasersysteme des Haut- muskelschlauches, sondern am Bauchstrange, wodurch natürlich diesem letzteren die Leistungen eines Stützorgans zugemuthet werden. Damit hängt aller Wahrscheinlichkeit nach auch die weiterhin zu erwähnende, für diese Form charakteristische, ausserordentliche Entwickelung der Neurochorde zusammen. Der Darm, speciell der Magendarm, entwickelt in der Regel auch bei Mastobranchus in seinem vorderen und hintersten Abschnitte Iymphatische Zelldivertikel®), welche im Gegensatze zu denjenigen des Dasybranchus auch gefärbte Elemente der Darmschleimhaut in sich zu bergen pflegen. Für unsere Gattung in hohem Maasse auszeichnend ist der Besitz eines Darmsinusf). Derselbe ist auf die hintere Partie der Abdomenmitte beschränkt und hauptsächlich hämal ausgebildet. Er kommt durch eine scharfe Spaltung der Darmmuskulatur zu Stande, derart, dass die Ringmuskulatur und das Peritoneum die äussere (dem Coelom zugekehrte) und die Längsmuskulatur nebst dem Darmepithel die innere (dem Darmlumen zugekehrte) Sinuswand bilden. Dieser Sinus führt nicht etwa wie sonst bei Anneliden Blut, sondern eine meist gelblich gefärbte, wahrscheinlich zu der Verdauungsthätigkeit in Beziehung stehende Flüssigkeit. Auch in dieser Form hat das Centralnervensystem eine coelomatische Lage. Das Gehirn?) bietet, insbesondere in seinem die oberen Schlundganglien umfassenden Theile, eine grosse Achnlichkeit mit demjenigen von Notomastus dar; nur sind die zwei Lappen- paare viel weniger selbständig als bei letzterem. a) Taf. 24. Fig. 4. b) Taf. 24. Fig. & 5, c) Taf. 25. Fig. 7. 2.’ M.n. d) Taf. 24. Fig. 10. 7. M, Taf. 25. Fig. 7—9. P. Npl. e), Taf.ı26. Fig. 8:9. L/2..D. f) Taf. 25." Fig: 7. Taf. 26 Kiss »10. 11.2. 8. g) Taf. 24. Fig. 6. 206 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Im Thorax ist der Bauchstrang, ähnlich wie bei den anderen Formen, von rundlichem oder viereckigem Querschnitte %), im Abdomen dagegen von keilförmigem ®), und das scharfe Ende des Keils läuft in eine feine, mesenteriumartige, mit dem Hautmuskelschlauche ver- schmelzende Platte aus. Bei keiner anderen Capitellidenform erreichen die Neurochordröhren®) eine so colossale Ausbildung wie in der vorliegenden; wahrscheinlich hängt diese Steigerung mit der bereits erwähnten Aufgabe des Bauchstranges zusammen, die neuralen Ansatzpunkte für die transversale Muskulatur liefern zu müssen. Hier ist es mir auch geglückt, den Nachweis zu führen, dass diese allseitig geschlossenen, mit einer Flüssigkeit gefüllten Röhren anfänglich Bündel breiter Nervenfasern enthalten, welch’ letztere einer allmählichen Degeneration unterliegen. Bezüglich der Seitenorgane d) ist hervorzuheben, dass bei Mastobranchus kein so auf- fallender Gegensatz zwischen der thoracalen und abdominalen Reihe herrscht, wie bei den vorhergehenden Gattungen, indem diese Organe bei ersterem weder im 'Thorax eine so grosse Retractilität, noch im Abdomen eine so proeminirende Lagerung haben. Unsere Form hat, wie schon erwähnt wurde, im hinteren Körperabschnitte retractile Kiemen‘); dieselben treten gewöhnlich vom SV. Segmente an bis zur Schwanzregion auf und liegen unter den zungenförmigen Hautfortsätzen der hämalen Parapodien, so dass meistens nur ihre distalen Theile zu Gesicht kommen. Der Körperwand sitzen sie mit breiter Basis auf und von dieser Basis entspringen mehrere (bis 7) fingerförmige Zipfel. Hinsichtlich der Retractilität herrscht gegenüber Dasybranchus ein bemerkenswerther Unterschied: es werden nämlich bei Einziehung der Kiemen deren einzelne Fäden nicht wie bei letzterer Gattung handschuhförmig umgestülpt. Die thoracalen Parapodienf) verhalten sich wie bei Notomastus: es sind retractile, aus- schliesslich Pfriemenborsten enthaltende Keulen. Die abdominalen 8) haben ebenfalls wie bei jener Gattung Wulstform, zeigen aber ihr gegenüber die Hakentaschen in noch viel geringerem Grade ausgebildet als Dasybranchus. Dass Mastobranchus dem grössten "Theil seines Abdomens entlang hämal Pfriemenborsten®) und Haken zugleich enthält, wurde als ein für das Genus überaus charakteristisches Merkmal schon eingangs hervorgehoben. Die Haken!) unter- scheiden sich von denjenigen der vorhergehenden Gattungen durch ihren kurzen, scharf abge- setzten Hals, sodann durch die bedeutenden Schwankungen in der Grösse. Im Abdomen- anfange sind nämlich diejenigen der hämalen Parapodien doppelt, und in der Abdomenmitte ein und ein halb Mal so lang als diejenigen der neuralen; erst am Abdomenende gleichen sich diese Unterschiede wieder aus. Es nehmen demnach sowohl die Haken der hämalen, als auch die- a) Taf. 24. Fig. 7. Taf. 26. Fig. 13. b) Taf. 24. Fig. 8. Taf. 25. Fig. 7—9. Taf. 26. Fig. 14—16. ce) Taf. 26. Fig. 13—17. Ned. d) Taf. 24. Fig. 13. ‚S. ZT. und 8.4. Tat. 25. Fig. 2. 798.4. e) Taf. 24. Bi. 3209. Hr Tat 25% Bio, 5. 8. GEaPpaskenn: f) Rat 2A ae al OLE g) Taf. 24. Fig. 3. Pd. A. Taf. 25. h) Taf. 32 Fig. 10. 11. ajeTat. 322 Bio 10 14% III. Mastobranchus. 1. Allgemeine Körperform. 2. Haut. 207 jenigen der neuralen Parapodien (erstere in sehr hohem, letztere in viel geringerem Maasse) vom Abdomenanfange bis zum Ende dieses Körpertheils stetig an Länge ab. Bei Mastobranchus ist das Vorkommen von Nephridien‘), auf die letzten 30—40 Ab- domensegmente beschränkt; hier bilden sie in streng segmentaler Anordnung ähnliche, aber rechtwinklig auf die Körperaxe verlaufende Schleifen wie bei D. Gajolae. Ausnahmsweise fand sich aber ein Exemplar, welches auch im übrigen Abdomenb) in jedem Segmente Nephri- dien resp. degenerirte Reste solcher enthielt, woraus sich ergiebt, dass ursprünglich Masto- branchus wahrscheinlich in allen Zoniten dieses Körpertheils mit solchen Organen aus- gerüstet war. Bezüglich der Geschlechtsorgane ist hervorzuheben, dass die Keimstoffe ausschliess- lich an der Genitalplatte®) zur Ausbildung gelangen; nur steril bleibende Anlagen solcher werden in anderen Partien des Peritoneums gelegentlich angetroffen. Ein steriler thora- caler Keimstock®) findet sich wie bei Notomastus im 12. Leibessegment als neural-mediane Verdickung der Genitalplatte. Genitalschläuche‘®) sind in unserer Form 9 Paare vorhanden, wovon 6 Paare im 7.—12. Thorax- und 3 Paare im 1.—3. Abdomensegmente ihre Lage haben. Da die Nephri- dien in der Regel auf das Abdomenende beschränkt sind, so konnte über ihre eventuellen Beziehungen zu den Genitalschläuchen Nichts ermittelt werden. Das Peritoneumf) ist hier durch die bedeutende Anschwellung seiner Elemente aus- gezeichnet; stellenweise kommt ein ganz drüsenhaftes Ansehen zu Stande und die grosse An- zahl der gerade an solchen Punkten angehäuften (mit denjenigen der Nephridien überein- stimmenden) Excretbläschen oder Concretionen lässt auf eine bedeutende Antheilnahme an der excretorischen T'hätigkeit schliessen. Angesichts der Beschränkung der Nephridien auf das Abdomenende erscheint diese Thätigkeit als vicariirende um so plausibler. Mastobranchus lieferte auch Anhaltspunkte, und zwar überzeugendere als die übrigen Gattungen, für die Ansicht, dass am Peritoneum eine beständige Neubildung von weissen und rothen Blutkörperchen vor sich gehe. 2. Haut. Die Haut des Mastobranchus verhält sich sowohl topographisch als histologisch ganz wie diejenige der vorhergehenden Genera. In ersterer Hinsicht herrscht daher, Heteromastus und Capitella gegenüber, derselbe colossale Gegensatz zwischen "Thorax und Abdomen: es schwillt nämlich im vorderen Körpertheile die Hypodermis beinahe bis zur Stärke der Stammes- muskulatur an, es sinkt dagegen im hinteren Körpertheile ihr Durchmesser auf einen a) Taf. 34. Fig. 24. Taf. 24. Fig. 12. 193. Nm. b) Taf. 24. Fig. 11. Nm. c) Taf. 25. Fig. 6. Gpl. Fig. 7. Ov. d) Taf. 25. Fig. 3. S. K. e) Taf. 24. Fig. 10. Taf. 25. Fig. 4. @. Schl. £) Taf. 33.:Fig. 14. 15. 208 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Bruchtheil dieser Muskulatur herab. In letzterer Hinsicht bietet auch hier die Haut im frischen Zustande das charakteristisch alveoläre Ansehen dar, welches sich, wie bei den anderen Formen, auf die eigenthümliche Gruppirung von Hautdrüsen- und Hautfadenzellen zurückführen lässt. Da diese Elemente, wie aus den betreffenden Figuren ersichtlich ®), in keinerlei Hinsicht auffallende Verschiedenheiten darbieten, so verweise ich bezüglich ihrer auf die entsprechenden vorhergehenden Kapitel. Gleiches gilt für die Cuticula. 3. Muskulatur. Die Längs- und Ringmuskulatur des Mastobranchus verhält sich derjenigen des Notomastus in topographischer Beziehung so ähnlich, dass man, wenn es erlaubt wäre Thiere nach einem einzigen Organsysteme zu classificiren, beide Formen ganz nahe zusammenstellen müsste. Ja, Mastobranchus bringt das für Nostomastus so charakteristische Vorwalten der neuralen Längs- muskulatur in noch höherem Grade zum Ausdrucke, indem diese Muskulatur bis zur Ab- domenmitte®) ihre eminente hämale Erstreckung beibehält und erst von da ab allmählich herab- rückt®). Aber selbst am Abdomenende) sinkt sie nie so tief unter die Queraxe, so dass in unserer Form die Seitenlinie®) (als Ausdruck dieser Muskellage-Veränderung) eine viel all- mählicher sinkende resp. ansteigende Linie darstellt als bei Notomastus. Das mit den vorhergehenden Gattungen Uebereinstimmende und daher Bekannte in der Vertheilung der Ring- und Längsmuskulatur nicht weiter berührend, hebe ich als für Mastobranchus in topographischer Hinsicht noch eigenthümlich hervor, dass sich die be- sonders im Thorax kräftig entwickelten transversalen Muskeln nicht wie bei den übrigen Gattungen im Bereiche des Bauchstranges, sondern an diesem Organe selbst, und zwar an dessen hämaler Fläche inserirenf); stellenweise, so im Bereiche der Ganglien, können sogar diese transversalen Muskeln die Bauchkette total umfassen. Die 'Thatsache dieses so ab- weichenden Ansatzes der genannten Muskulatur ist insofern von Bedeutung, als wahrscheinlich zwischen ihr und dem Factum, dass die Neurochorde bei keiner anderen Capitellide eine so bedeutende Entwickelung erreichen wie bei Mastobranchus, eine causale Beziehung herrscht. In hohem Grade bezeichnend für Mastobranchus ist die Structur seiner abdominalen neuralen Längsmuskulatur. Ein Querschnitt$) durch diese Leibesregion zeigt, dass die einzel- nen Muskelfasern nicht wie bei den anderen Formen prismatisch oder rundlich, sondern dach- ziegelförmig gestaltet sind; dass ferner diese Fasern nicht unregelmässig durcheinander, sondern in nahezu geraden Reihen übereinander liegen. Häufig kommen nebeneinander gelegene Fasern mit ihren Rändern zur Verschmelzung, wodurch sodann eine (im Querschnitt) zickzack- a) Taf. 26. Fig. 1. Su.D. e) Taf. 25. Fig. b)UTaf 25.00Big., 7. 2..Män. ec) Datı 252 Big! 829,222. Men. d) Fig. eit. —9., Taf. '26. Fig. 13. 14. 7. M. f) Taf. 25. Fig. 7—9. L. M.n. 18 IIL. Mastobranchus. 3. Muskulatur. 209 oder wellenförmige Projectionslinie entsteht®). Die centralen Theile so durchschnittener Fasern pflegen ein homogenes Ansehen darzubieten und sich stark zu tingiren; die lateralen Theile dagegen pflegen kömig und weniger tief gefärbt zu erscheinen. Die centralen Theile sind aber in Wirklichkeit nicht homogen, sondern bestehen, wie aus Macerationspräparaten hervorgeht, aus Fibrillen und stellen so die eigentlich contractile Substanz dar, wogegen die lateralen, protoplasmatischen Theile als die unverbrauchten (nicht in contractile Substanz um- gesetzten) Reste der ursprünglichen Muskelzellen aufzufassen sein werden. Diese Reste nehmen bei keiner anderen Capitellidengattung einen so grossen Volumtheil wie hier für sich in Anspruch. Entsprechend ihrem Querschnitte zeigen solche, nach Maceration der Länge nach isolirte Fasern’) die Form von mehr oder minder geschlossenen Halbkanälen, welche, wennschon von bedeutender Länge, doch ebenso wie die Muskelfasern anderer Capitelliden beiderseits spitz auslaufen, so dass auch hier das Muskelbündel aus einer grossen Anzahl spindelförmiger Elemente sich aufbaut. Die dachziegelförmige Anordnung der neuralen Längsmuskulatur verliert, in dem Maasse als man sich dem 'Thorax oder dem Schwanze nähert, immer mehr von ihrer Regel- mässigkeit, bis schliesslich im Thorax einer- und im Schwanze andererseits zwar noch einzelne ausgesprochen ziegelförmige Querschnittlinien auftreten, im Uebrigen aber die gewöhnliche Anordnung‘) herrscht. Auffallend ist, dass die gesammte hämale Längsmuskulatur aus eben- solchen gewöhnlichen Fasern besteht‘. Die Keme liegen bei Mastobranchus ebenso wie bei den übrigen Formen bald innerhalb der fibrillären Substanz, bald in der körmigen Rand- schicht; sie haben die bekannte länglich ovale Form und ihre lange Axe verläuft ebenfalls parallel der Längsaxe der zugehörigen Fasern. Auffallend ist auch der Mangel, oder die doch jedenfalls überaus geringfügige Ausbildung des Sarcolemmas. Bei den übrigen Gattungen, besonders bei Notomastus, erreichen die Muskelfaserscheiden eine messbare Dicke und stellen im Querschnitte ein sich scharf von den Fasern abhebendes Gerüstwerk dar, welches durch eigenthümliche Kerne sogar einen distincten, zelligen Ursprung verräth; bei Mastobranchus da- gegen ist es mir in keinem Theile der Muskulatur gelungen etwas Aehnliches nachzuweisen. Umgekehrt hat diese Form einigermaassen Aufschlüsse über eine Frage gegeben, für deren Beantwortung sich alle übrigen Capitelliden ungeeignet erwiesen: nämlich über die motorischen Nervenendigungen. Fig. 1» Taf. 26 stellt ein Stück einer neural abdomi- nalen Muskelfaser dar, auf deren Innenfläche drei dicht nebeneinander gelegene, ovale Kerne zu sehen sind. In diesen Kernen haben wir offenbar die Endplatte vor uns, da ihr eine ziem- lich kräftige, kurz vor ihrem Eintritte einen Ast abgebende Nervenfibrille zustrebt, welche ich bis zum Nucleolus hin verfolgen konnte. Die 'Thatsache, dass ein Kern, und zwar derjenige, mit welchem die Terminalfaser die Verbindung eingeht, wohl durch die Maceration, oder durch den bei der Isolirung erlittenen Eingriff defeet geworden ist — es fehlt die von den anderen Kernen abgewandte Hälfte — macht es wahrscheinlich, dass der sonst in Endplatten a) Taf. 26. Fig. 4. 5. b) Taf. 26. Fig. 6. 7. e)a-Raf.26-.2Kıp. 9, d) Taf. 25. Fig. 7—9. L. M. h. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 27 210 A. Anatomisch-Histologischer 'Iheil. um die Kerne angesammelte protoplasmatische Mantel hier abgebröckelt ist, um so mehr als zwischen den drei Kernen noch Spuren einer kömigen Substanz erhalten waren. Fig. 6° Taf. 26 zeigt ein Faserstück aus der T’horaxmuskulatur mit einer ähnlichen Nervenendigung im Profil gesehen. Gegenüber den überaus feinen Fibrillen der sensiblen Nervenendigungen, erscheinen diese motorischen als wahre Riesen. 4. Darmkanal. In topographischer Hinsicht weicht der Darmkanal des Mastobranchus wenig von demjenigen der zuerst behandelten Gattungen ab; hervorzuheben wäre nur, dass der Oeso- phagus einen relativ viel bedeutenderen Durchmesser erreicht, so dass der Gegensatz zwischen ihm und dem Magendarm, der seinerseits umgekehrt relativ weniger voluminös ist, auf ein noch geringeres Maass herabgedrückt wird; der Magendarm entbehrt daher auch nahezu vollständig der septalen Einschnürungen. Im frischen Zustande ist der Oesophagus blassroth; nur im Bereiche der neuralen Medianlinie sind seine Zellen meistens von zahlreichen gelben Körnchen erfüllt, welch’ letztere sich auch häufig noch in Präparaten, welche der Alcoholwirkung unterlegen hatten, nachweisen lassen. Die ersten 10—15 Segmente hindurch pflegen die äusseren Wandungen des Magen- darms®) nur eine schwach gelbe, die inneren Wandungen derselben Strecke jedoch eine ziem- lich lebhaft gelbgrüne, durch ähnlich gefärbte Bläschen und Körnchen verursachte Färbung aufzuweisen. Weiterhin gegen die Abdomenmitte — es ist die Darmstrecke, in welcher die auch bei Mastobranchus vorkommenden lymphatischen Zelldivertikel hauptsächlich entwickelt zu sein pflegen — steigert sich noch dieser Gegensatz, indem der Darm aussen eine lebhaft orangegelbe, von ähnlichen 1—3 p grossen 'Iropfen und Körnern herrührende Farbe annimmt, innen dagegen ganz schwach grüngelb, ja stellenweise grau erscheint. In der hinteren Abdo- menregion, in welcher der im Nachfolgenden zu besprechende Darmsinus auftritt, fehlen die Zell- divertikel sowie auch dje auffallenden Farbenunterschiede der äusseren und inneren Magen- wandungen;; letztere enthalten hier überhaupt nur wenige gelbgrüne Elemente, so dass der betreffende Abschnitt ein viel blasseres Gesammtansehen als der vorhergehende darbietet. Auch in der Abdomenendregion, in welcher an Stelle des Darmsinus wieder lymphatische Zelldi- vertikel allerdings entfernt nicht so mächtige wie weiter vorn — auftreten, behält der Darm die blassere Färbung bei, mit Ausnahme der dieser Strecke eigenthümlichen Hinterdarmrinne, indem in ihren Zellen die sonst im Darmepithel zerstreuten gelben Elemente so sehr gehäuft sind, dass diese Rinne im frischen 'Thiere als lebhaft gelber Streif auffällt. Die Iymphatischen Zelldivertikel®) pflegen bei Mastobranchus regelmässiger und, a) Yale 338 Bis. dile 12. b) Taf. 26. Fig. 8. 9. L.Z.D., Ill. Mastobranchus. 4. Darmkanal. 211 wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich, local mehr begrenzt als bei Dasybranchus aufzutre- ten; bei keinem sei es frisch oder conservirt zur Untersuchung gelangten Thiere fehlten die- selben. Gleichwohl sind es auch hier keine fixen Gebilde, indem man sie bald in relativ colossaler Grösse, bald minim, bald gekernt, bald kernlos findet. Ja, trotz ihres im Allge- meinen regelmässigen Auftretens haben dieselben gerade bei Mastobranchus eine in den vor- hergehenden Formen vermisste oder übersehene Eigenthümlichkeit offenbart, welche für ihren ephemeren Charakter, für ihre Auffassung als nackte, nach der Leibeshöhle zu ausgestreckte Portionen der Darmepithelzellen recht bezeichnend ist: man trifft nämlich neben solchen Divertikeln, welche auf's Deutlichste die — bei der Ausstreckung vor sich hergeschobene peritoneale Hülle zeigen, auch solche, welche dieser Hülle durchaus entbehren®. Dieses Ver- halten erleichtert auch das Verständniss der 'I’hatsache, dass sich bei Mastobranchus, so wie bei den vorhergehenden Gattungen, zuweilen der Darm streckenweise gegen die Leibeshöhle zu mit Wimpern besetzt fand, indem sich ja diese letzteren nicht erst — wie ich bei Noto- mastus und Dasybranchus, wo nur mit peritonealen Hüllen bedeckte Divertikel angetroffen wurden, vorauszusetzen genöthigt war — einen Weg durch das Peritoneum zu bahnen brau- chen, sondern direct von den nackten Zelldivertikeln ausgestreckt werden können. Daraus würde dann allerdings folgen, dass auch bei den anderen zwei Formen jene aussen wimpernden Darmpartien mit nackten Divertikeln besetzt waren. Bei Notomastus und Dasybranchus haben wir gesehen, dass die lymphatischen Zelldivertikel ausschliesslich Theile der ungefärbten Darmzellsubstanz enthalten, und dass die Färbung der Aussenseite des Darmkanals lediglich durch die gelben Excretbläschen des besonders bei Dasybranchus stark entwickelten Peritoneums hervorgerufen werden; bei Mastobranchus nun wird, obschon auch sein viscerales Peritoneum der Excretbläschen nicht entbehrt, doch die Hauptfärbung durch die in die Divertikel übergetretenen gefärbten Elemente der Darmepithelzellen verursacht. Damit stimmt denn auch überein, dass in den mit Divertikeln besetzten Darmstrecken von Notomastus und Dasybranchus — wenigstens in den von mir untersuchten Exemplaren — die inneren Zellen (Darmepithelzellen) des Darm- kanals lebhaft gefärbt und die äusseren (Zelldivertikel) farblos erscheinen, sowie dass umgekehrt bei Mastobranchus das innere Epithel eine schwache, das äussere dagegen eine sehr lebhafte Färbung aufweist. Es liegt aber gerade diesem "Theil meiner Untersuchungen entfernt nicht ein so breites Material zu Grunde, um es als erwiesen hinstellen zu können, dass diese Ver- schiebung gefärbter Elemente wirklich auf die letztere Form beschränkt bleibe. Eine der vorliegenden Gattung unter den Capitelliden ausschliesslich zukommende Or- ganisations-Eigenthümlichkeit bildet das Vorkommen eines Darmsinus®). Dieser Sinus er- streckt sich auf die hinteren Partien der Abdomenmitte, also auf den "Theil des Darmkanals, welcher der lymphatischen Zelldivertikel zu entbehren pflegt; er kommt durch eine scharfe Trennung der Muscularis zu Stande, derart, dass die eine Wand aus dem Peritoneum und der Darm-Ringmuskulatur und die andere Wand aus der Längsmuskulatur nebst der Darm- a) Taf. 26. Fig. 9. 1. Z.D. b)r Tai 25.0Eigrat. Tarp 6. Eier 1IIDIZS: 319 A. Anatomisch-Histologischer Theil. u schleimhaut gebildet wird. Nun erstreckt sich aber der Sinus nicht gleichmässig um die ganze Darmeircumferenz, er ist im Gegentheil auf die hämale Region beschränkt oder doch zum Mindesten allein in dieser Region deutlich nachweisbar. Was aber sehr zur Vorsicht in der Beurtheilung der Sinus-Ausdehnung mahnen muss, ist die Thatsache, dass selbst in dieser Region neben weit klaffenden Partien auch Stellen vorkommen, an denen die Sinuswandungen wie verschmolzen scheinen, indem an solchen der Sinus-Inhalt wahrscheinlich transsudirt ist. Dieser Inhalt besteht im lebenden T'hiere aus einer bald farblosen, bald gelblich oder röth- lich tingirten Flüssigkeit, von der in conservirten 'Thieren resp. in Schnitten häufig Residua in Form homogener, zuweilen ähnlich gefärbter Coagula angetroffen werden. Im Hinblicke darauf, dass in vielen mit Blutgefässen ausgerüsteten Anneliden ein blutführender Darmsinus vorhanden zu sein pflegt, ist es nicht unwichtig zu constatiren, dass der Darmsinus-Inhalt dieser Capi- tellidengattung, sei er gefärbt oder ungefärbt, nicht aus Blut besteht; der Blutfarbstoff ist näm- lich bei allen Capitelliden ausschliesslich an die so charakteristischen, in ihrem Vorkommen auf die Coelomräume beschränkten Blutscheiben gebunden. Die Hinterdarmrinne®) ist bei Mastobranchus sehr stark ausgeprägt. Zwei hohe, durch ihre vom übrigen Darme scharf abstechende Zusammensetzung ausgezeichnete Epithelfalten be- grenzen die neural-mediane Furche, deren Structur auch hier stellenweise an nervöse Elemente erinnert. Diese Rinne erstreckt sich, ähnlich wie bei den vorhergehenden Gattungen, vom Be- reiche der hinteren Nebendarmmündung bis zu demjenigen des Aftersb). Bezüglich des Nebendarmes erwähne ich noch, dass er gegenüber dem gefärbten Haupt- darme nahezu farblos®) erscheint, dass er ferner letzterem seiner ganzen Erstreckung entlang sehr nahe anliegt‘), und dass er endlich — ebenso wie der Hauptdarm — hinsichtlich der Structur von den bereits bei den anderen Formen beschriebenen Verhältnissen in keinem wesentlichen Punkte abweicht. 5. Centrales Nervensystem. Das Gehirn) des Mastobranchus schliesst sich am nächsten demjenigen des Notomastus an. Wie bei letzterer Gattung setzen sich auch hier die oberen Schlundganglien aus zwei hintereinander gelegenen Paaren zusammen, an deren vorderem durch eine tiefe Furche als secundäre Abtheilung die Seh- oder Augenlappen zur Abspaltung gelangen, und deren hinteres vorwiegend die Wimperorgane innervirt. Der sogenannte ventrale Lappen fehlt. Während nun aber bei Nofomastus diese zwei Ganglienpaare sowohl in der Längs- als in der Quer- richtung infolge verschieden tiefer Furchen in anscheinend ziemlich selbständige — nur in der Tiefe durch den Markkern zusammenhängende — Körper zerfallen, ist eine solche a) Taf. 25. Fig. 8. 9. Taf. 26. Big. 19. 7. D. R. b) Taf. 24. Fig. 4. A. S. c) Taf. 33. Fig. 13. dllat. 257 Bio. 7. N:.D. e)/ Tat) 247 Big 6. Taf 25, sig le 20,G. III. Mastobranchus. 5. Uentrales Nervensystem. 213 Trennung bei Mastobranchus lediglich parallel der Längsaxe theilweise durchgeführt, wogegen rechtwinklig darauf die beiden Paare auch oberflächlich schon eine viel innigere Verschmel- zung aufweisen. Neural erhält letztere besonders dadurch einen prägnanten Ausdruck, dass man den an der betreffenden Stelle deutlich durchschimmernden Faserkern continuirlich in die Schlundring-Commissuren übergehen sieht. Während also bei Notomastus diese Commissu- ren lediglich aus den vorderen Lappen zu entspringen scheinen, muss man hier schon bei oberflächlicher Betrachtung die Grenzregion der beiden Lappenpaare, resp. die ihnen gemein- same Markmasse als solche Ursprungsstelle gelten lassen. Die wie bei den vorhergehenden Gattungen verlaufenden Commissuren bilden durch ihre Vereinigung das untere Schlundganglion®), welches sich, abgesehen von etwas er- heblicherer Grösse, in Nichts von den nachfolgenden des Bauchstranges unterscheidet. Auch hier nimmt das Gesammtgehirn (also obere und untere Schlundganglien nebst Commissuren) den Kopflappen und die zwei ersten Körpersegmente ein, so dass also das untere Schlund- ganglion (als erstes der Bauchkette) im zweiten Körpersegmente seine Lage hat. Das ge- sammte Nervensystem des Mastobranchus befindet sich innerhalb der Leibeshöhle; nur in der Kopfregion und am nachwachsenden Schwanzende stossen wir auf die bekannte Verschmelzung von Haut- und Nervenzellen. Hervorgehoben muss auch werden, dass der Bauchstrang, insbesondere im Abdomen, abgesehen von zahlreichen seitlichen Mesenterien, durch ein continuirliches neural-median gelegenes solches Band®) innig mit dem Hautmuskel- schlauche verwachsen ist. Im Thorax ist der Bauchstrang von rundlichem bis viereckigem °), im Abdomen dagegen von keilförmigem 4) Querschnitte. Letztere für unsere Form sehr charakteristische Modification kommt dadurch zu Stande, dass die neuralen Elemente des Neu- rilemmas eine immer dünner werdende, schliesslich in das erwähnte Mesenterium auslaufende Platte bilden. In keiner der anderen Capitellidengattungen sind die Neurochorde so entwickelt wie bei Mastobranchus. Im 'T'horax°®) halten sich zwar diese Gebilde auch hier noch in den an bekannte Verhältnisse erinnernden Grenzen: man trifft meist eine, zuweilen auch zwei hämal gelegene Röhren von mässigem Durchmesser; im Abdomen) dagegen erreicht ihr Gefüge eine so bedeutende Ausdehnung, dass sie in den Ganglien der nervösen Substanz an Volum nahezu gleich kommen und in den Connectiven diese Substanz sogar um ein Vielfaches über- treffen können. Schon im frischen Zustandes) bietet in Folge dessen der Bauchstrang unserer Thiere in der letzteren Region ein höchst auffallendes Ansehen dar, indem die zumeist hämal sich entfaltenden und so die nervösen Theile bedeckenden Neurochorde hauptsächlich zu Ge- sicht kommen. Aber ein noch viel merkwürdigeres Bild liefern stellenweise die Schnitte; in solchen (besonders in den aus Connectiven des Abdomenendes stammenden) erscheint näm- a) Taf. 24. Fig. 7. b) Taf. 24. Fig. 8. Mes. Taf. 25. Fig. 7—9. Taf. 26. Fig. 14. e) Taf. 26. Fig. 13. Alubatı 26. Big. 41:6. e) Taf. 24. Fig. 7. Taf. 25. Fig. 3. Taf. 26. Fig. 13. Ned. fl Taf. 24. \ Fig. 8. Taf. 25. Fig. 6—9. Taf. 26. Fig. 14—17. Ned. g) Taf. 26. Fig. 18. Ned. 914 A. Anatomisch-Histologischer Theil. lich die nervöse Markmasse häufig auf zwei seitliche Stränge eingeengt und die ganze übrige Partie ausschliesslich von der Neurochordformation eingenommen. Diese ihre hervorragende Ausbildung hat mich veranlasst, den noch immer des Proble- matischen so viel darbietenden Neurochorden bei unserer Gattung im frischen Zustande eine erhöhte Aufmerksamkeit zu Theil werden zu lassen; man kann nämlich schon in diesem Zu- stande die genannten Bildungen häufig leicht in situ studiren und, was noch wichtiger ist: man kann sie auch streckenweise sehr wohl isoliren sowie in ihre Elemente zerlegen. Meistens erfüllt auch hier die Röhren eine wässrige Flüssigkeit, in der einzelne streifige oder flockige Massen sich geltend machen; besonders auffallend ist aber das Vorkommen eigenthümlicher rundlicher oder ovaler, bald homogener, bald aus verschiedenen Schichten sich aufbauender Körperchen®), welche stets einen helleren Kern oder eine Art Vacuole ein- schliessen. Diese lebhaft an die Corpuscula amylacea erinnernden Körperchen können in sehr wechselnder Zahl sowohl in der Flüssigkeit suspendirt, als auch den Wandungen der Neurochordröhren, resp. ihren in das Lumen vorspringenden Fortsätzen angeheftet vorkommen. Die in diesen Fällen colossal entwickelten Wandungen der Neurochordröhren erscheinen streifig, resp. wie aus einer sehr grossen Anzahl dicht aneinander gelagerter Blätter aufgebaut und von letzteren entspringen zahlreiche ähnlich zusammengesetzte, nach dem Lumen der Röhren zu gerichtete Fortsätze, welche in Bezug auf Richtung und Ausdehnung eine grosse Mannigfaltigkeit darbieten. Die Elemente dieser Wandungen erweisen sich von grosser Elastieität: wenn nämlich bei den Isolirungsversuchen ein Neurochord abreisst, so ziehen sich an der Rissregion dessen gesammte "Theile so stark zusammen, dass im optischen Schnitte ge- sehen) ein dichtes Faserbündelgeflecht zu bestehen scheint®). In anderen, allerdings selteneren Fällen ist der Inhalt der Neurochordröhren nicht auf die Flüssigkeit mit den sporadischen Flocken und eigenthümlichen Körperchen beschränkt, sondern besteht ausserdem aus einer verschieden grossen Zahl meist spiralig oder schlangen- artig gewundener, homogener, blasser Fasern resp. aus Bruchstücken solcher®). Besonders interessant sind unter letzteren diejenigen, welche sich kreis- oder schleifenförmig zusammen- gelegt haben, da sie unzweifelhaft zur Entstehung jener an die Corpora amylacea erinnern- den Gebilde Veranlassung geben. In diesen Vorstadien erinnern sie häufig auch an Myelin- tropfen, weshalb ich die ganze Reihe der hierhergehörigen Stufen unter dem Namen Myelin- körperchen zusammenfasse, in der Erwartung, dass die chemische Untersuchung seiner Zeit zur Gutheissung dieses oder des vorher gebrauchten Terminus führen werde. Die solche spiralig gewundene Faserfragmente bergenden Neurochorde haben gegenüber den vorher- gehenden auffallend schwach entwickelte Wandungen, und auch die in das Lumen herein- ragenden Vorsprünge sind jenen gegenüber wenig ausgebildet. Endlich findet man auch solche Strecken von Neurochordröhren, in welchen weder Flüssigkeit, noch streifige Massen, weder Faserfragmente, noch Myelinkörper vorkommen, deren a) Taf. 26. Fig. 18. 19. Mär. Fig. 25. b) Taf. 26. Fig. 18S—20. c) Taf. 26. Fig. 21. 24. III. Mastobranchus. 5. Centrales Nervensystem. 215 Lumen anstatt dessen ausschliesslich von Bündeln langer, leicht spiralig gedreht verlaufender Fasern angefüllt ist. Zuweilen gelingt es solche Faserbündel aus ihren Röhren herauszuziehen, und derartige Präparate fand ich dann mit einer grossen Anzahl seitlich abgehender, ver- schieden starker Aeste besetzt‘). Diese Aeste verzweigen sich sodann wieder ihrerseits aufs Reichlichste und Feinste und ein Theil der Ausläufer scheint durch Anastomosen unterein- ander verbunden zu sein. Aus dem Vorhergehenden ist wohl dem Leser schon klar geworden, dass ich mich be- müht habe, möglich objeetiv und mit dem am häufigsten zu Gesicht kommenden, überdies bisher nahezu allein bekannten Endgliede beginnend, eine Reihenfolge von Stadien zu schildern, deren genetischer Zusammenhang sich von selbst aufdrängt und kaum anders als durch Annahme einer Metamorphose, und zwar einer degenerativen Metamorphose verstanden werden dürfte. Im zuletzt geschilderten, am seltensten auftretenden Neurochordinhalte haben wir offenbar die typische Bildung vor uns: ein Bündel blasser, homogener, leicht spiralig gedreht ver- laufender Nervenfasern, welches beiderseits zahlreiche, in Fibrillen auslaufende Nervenäste entsendet. Die spiralige Drehung ist wahrscheinlich selbst an diesen noch compact er- scheinenden Bündeln bereits eine degenerative Erscheinung, indem sie sich im nächsten Sta- dium bedeutend gesteigert erweist. In letzterem sehen wir nämlich die überhaupt noch er- haltenen Fasern schlangenartig gewunden; daneben treffen wir Bruchstücke solcher Fasern, welche im Begriffe sind, sich zu Myelinkörperchen umzuwandeln; wir treffen ferner die fertigen Myelinkörperchen selbst, und Alles dies umgeben von einer homogenen, halbflüssigen Masse. Im letzten Stadium endlich — es ist dasjenige, von dem ich bei meiner Beschreibung aus- ging — ist von den Nervenfasern keine Spur mehr zu sehen, das ganze Neurochordrohr ist von einer nahezu wässrigen Flüssigkeit angefüllt, in der nur einzelne streifige Massen und Myelinkörperchen flottiren; letztere alle vom charakteristischen Ansehen der Corpora amylacea. Hand in Hand mit dieser offenbar fettigen Degeneration der Neurochordnerven geht nun auch eine Modification der Neurochordröhren; denn, wie ich schon angedeutet habe: diese Röhren sind, so lange sie Nervenbündel enthalten, dünnwandig und — wie schon die zahl- reich jederseits abgehenden Nervenäste es voraussetzen lassen — vielfach durchbrochen, sie werden dagegen in dem Maasse diekwandiger und hermetischer, als die Ersetzung der Nerven- substanz durch ein wässriges Fluidum vor sich geht. Die im Vorhergehenden beschriebenen verschiedenen Stadien der Neurochordmetamor- phose können alle in einem und demselben Individuum vorkommen; man trifft nämlich in der abdominalen Bauchstrangabtheilung bald Strecken. in denen die Neurochorde noch Nerven- fasern oder Reste von Nervenfasern, bald solche, in welchen sie nur noch Myelinkörper und Liquor enthalten. Nachzuweisen bleibt, ob in jungen 'I’hieren die Neurochorde nicht etwa ihrer ganzen Länge nach von nicht degenerirten Nervenfasern ausgefüllt sind. Die Aufhellung a) Taf. 26. Fig. 22. 23, 216 A. Anatomisch-Histologischer Theil. aller dieser Verhältnisse wird dadurch bedeutend erschwert, dass das Studium der Schnitte keinerlei Anhaltspunkte liefert: weder fand ich in solchen die Nervenbündel, noch deren Derivate, die Myelinkörper, resp. die zwischen beiden sich einschiebenden Stadien erhalten. Vereinzelte homogene Flöckchen waren auch hier das Einzige, was mir in dem sonst leer erscheinenden Fachwerke der Neurochorde begegnete. Was die Myelinkörper und ihre un- mittelbaren Vorläufer betrifft, so erklärt sich dies einfach dadurch, dass sie, als leicht in Aether lösliche, also wohl fettähnliche Substanzen, offenbar auch durch langes Verweilen in Alcohol absolutus zur Lösung gebracht werden. Ob das Gleiche für die — in erwachsenen Thieren viel- leicht nie total normalen — Nervenbündel gilt, muss ich dahingestellt sein lassen, indem der Zu- fall hätte fügen können, dass meinen, gerade in dieser Form nur durch Stücke aus verschie- denen Körperregionen geführten Schnittserien ausschliesslich solche Bauchstrangportionen zu Grunde gelegen hatten, in denen keine relativ normalen Neurochordnerven mehr erhalten waren, was übrigens wenig wahrscheinlich ist. Die Untersuchungen der vorhergehenden Gattungen führten schon zu dem Resultate, dass die Neurochordröhren resp. deren Wandungen nichts Anderes als Theile des auch sonst den Bauchstrang durchsetzenden Neurilemmas darstellen; dieselbe Auffassung wird uns nun auch durch Mastobranchus, bei welcher Form diese Röhren das grösste Maass von Ausbildung und Selbständigkeit erreichen, aufgedrängt. Man kann nämlich trotz dieser relativen Selb- ständigkeit auch hier an vielen Stellen den Nachweis führen, dass die Wandungen des Neu- rochordfachwerks ganz continuirlich in diejenigen des übrigen Neurilemmafachwerks über- gehen. Würden nur an einzelnen Stellen dieses letzteren die Ganglienzellen und Fibrillen- geflechte ebenso degeneriren wie im ersteren die breiten Fasern, so kämen hier auch ähnliche Neurochordröhren zu Stande wie dort. = Wenn nun auch die Neurochorde nach alledem nicht (wie dies frühere Vertreter ihrer nervösen Natur meinten und damit die Plausibilität ihrer Meinung nicht wenig erschwerten) je einer riesigen Nervenfaser zu entsprechen scheinen, sondern Bündel solcher einschliessen, so verdienen doch immerhin auch noch diese einzelnen Fasern der Bündel, im Vergleiche mit den feinen, das definitive Nervenmark zusammensetzenden Fibrillen, als riesige bezeichnet zu werden. In der That lässt sich jetzt constatiren, dass im Nervensysteme der Anneliden potentiell zwei ganz verschiedene Faserelemente enthalten sind: einmal das dauernde, in Form eines aus feinsten Fibrillen sich zusammensetzenden Gerüstwerks, sodann das provisorische, allmählich degenerirende, in Form compacter Bündel relativ breiter, an die markhaltigen Nerven der höheren 'Thiere erinnernder Fasern. Dem Gange meiner Arbeit zufolge fügte es sich, dass allein das erstere System histologisch durchgearbeitet wurde, indem das letztere bei der grundlegenden Form (Notomastus lineatus) entweder im frischen Zustande nicht so leicht zur Wahrnehmung gelangt, oder (wenigstens in ausgebildeten 'Thieren) überhaupt nicht mehr zum Vorscheine kommt. Hier bei Heteromastus hätte sich nun eine gute Gelegenheit geboten, auch die Elemente des zur Degeneration bestimmten Systems (an jungen Thieren!) genauer histologisch zu erforschen: ich musste aber, gedrängt durch die Nothwendigkeit, diese Mono- III. Mastobranchus. 5. Centrales Nervensystem. 217 graphie einmal zum Abschlusse zu bringen, diesen sowie noch manch’ anderen dunklen Punkt späterer Forschung überlassen. Während bei den übrigen Capitelliden die riesigen Ganglienzellen‘ nur ver- einzelt und hauptsächlich in den vorderen Regionen des Bauchstranges aufzutreten pflegen, finden sich solche Zellen bei Mastobranchus in allen Ganglien nahezu bis zum Schwanzende, und zwar 4—6 in jedem einzelnen Knoten. Es sind demnach in dieser Gattung nicht nur die Neurochorde am voluminösesten, sondern auch die riesigen Ganglienzellen am zahlreich- sten vertreten. Ich denke, es liegt recht nahe, eine ursächliche Relation dieser beiden Steigerungen anzunehmen; für eine solche spricht auch, dass die meist neural gelegenen Riesen- zellen stets das normale Nervengewebe durchbrechen, um mit ihren Ausläufern unverkennbar den Neurochordbildungen zuzustreben. Dann hätten wir aber im Annelidennervensysteme nicht nur zwei verschiedene Faser-, sondern auch zwei verschiedene Zellsysteme. Dem de- finitiven Fibrillengerüste würden die Packete zahlreicher kleiner und mittelgrosser Ganglien- zellen, den provisorischen Neurochordnervenbündeln würden dagegen die einzelnen Riesen- zellen zugehören. Die Frage, wie die Verbindung von Riesenzellen und Riesenfasern eventuell vor sich geht, muss ich leider unbeantwortet lassen; ebenso unbeantwortet die weitere Frage, wohin sich jene seitlich aus den Neurochordnervenbündeln entspringenden Nervengeflechte begeben. Dienen letztere zur Vermittelung mit den Riesenzellen, oder mit den Fibrillen des definitiven Systems, oder endlich mit centrifugal gerichteten Bahnen? Schliesslich möchte ich noch nachdrücklich hervorheben, dass wir allem Vorhergehen- den zufolge in den Neurochorden zweierlei Bildungen scharf zu unterscheiden haben, nämlich erstens die Scheide: sie stammt vom Neurilemma und ist in jedem Sinne eins mit diesem; zweitens den Inhalt: er besteht ursprünglich aus einem Bündel breiter, homogener, seitliche Aeste abgebender Fasern, welch’ letztere allmählich einer fettigen Entartung unterliegen, deren Endproduct ein wässriges Fluidum darstellt. Gleichzeitig mit den Fasern wandeln sich auch die Röhren unter Verdickung ihrer Wandungen in allseitig geschlossene Kanäle um. Für alle diese Endproducte der Metamorphose scheint mir der Name „Neurochord“ resp. „Neu- rochordröhre“ und „Neurochordflüssigkeit‘‘ sehr wohl passend und für die Ausgangsstadien liessen sich sodann noch, wenn es das Bedürfniss der Unterscheidung erheischt, die Bezeichnungen „Neurochordnerven“ und „Neurochordscheiden‘“ wohl ohne die Terminologie ungebührlich zu compliciren hinzufügen. Für die zum Neurochordsysteme gehörigen Zellen ergiebt sich dann der Name „Neurochordzellen“ resp. „Neurochordganglienzellen“ von selbst. a), Tat. 26. Kızı 13. 15. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden 28 318 A. Anatomisch-Histologischer Theil. 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. Mastobranchus hat mit Notomastus die Ausbildung besonderer Sehlappen‘) gemein, un- terscheidet sich aber dadurch von letzterer Gattung, dass die lichtpercipirenden Elemente nicht ausschliesslich in diesen Lappen concentrirt, sondern daneben auch in den oberen Gehirn- lappen zerstreut liegen. Als auffallendste "Theile des Sehorgans machen sich auch hier eigen- thümlich modifieirte Haut- oder Ganglienzellen geltend, welche an der Basis dicht von dunkel- braunen Pigmentkörnern erfüllt und distal in homogene, stark lichtbrechende Körper umge- wandelt sind. Letztere haben aber hier nicht wie in den beiden vorhergehenden Gattungen Pantoffel-, sondern Kugelform®»). Es ist klar, dass auch bei Mastobranchus diese Elemente zugleich die Rolle von Linse und Chorioidea spielen. Sie stehen im innigsten Zusammenhange mit den sie umgebenden Ganglienzellen; dagegen herrscht keine so klare Beziehung zu den Hautfadenzellen, indem sie bald tief in der Zellenmasse des Gehims eingebettet, bald ganz nahe im Bereiche der Cuticula angetroffen werden. b. Die Wimperorgane. Wie in der gesammten Gehirnconfiguration, so stimmt Mastobranchus auch bezüglich der Wimperorgane®) am meisten mit Nostomastus überein. Diese Organe liegen nämlich bei ihm ähnlich wie in letzterer Gattung weit hinten und erhalten demgemäss ihre Nerven ausschliess- lich von den hinteren Gehirnlappen. Auch in allen übrigen topographischen sowie histolo- gischen Verhältnissen herrscht nahezu vollkommene Uebereinstimmung, so dass ich mich hier darauf beschränken kann, auf die vorhergehende ausführliche Darstellung zu verweisen”). c. Die Seitenorgane. Bezüglich der Seitenorgane des Mastobranchus ist hervorzuheben, dass ihnen weder im Thorax eine so grosse Retractilität, noch im Abdomen) eine so freie, über das Hautniveau hervorragende Lage wie denjenigen der bereits beschriebenen Formen — abgesehen von Noto- mastus fertilis — zukommt. Die Lageverschiedenheit im Abdomen wird verständlich, wenn man bedenkt, dass in der uns beschäftigenden Gattung die bei Notomastus und Dasybranchus den Schutz der freistehenden Hügel übernehmenden Hakentaschen auf minimale Zipfel redu- 2) Rate 24, Fig. 6. b) Taf. 26. Fig. 2. 6. ce)" Dat. 224 E10.216.20.20: d) Taf. 25. Fig. 4. 7.8. 4. a) Vergl. p. II. Mastobranchus. 6. Sinnesorgane. d. Becherförmige Organe. 7. Parapodien. 219 4 eirt sind. Es ist wohl auch durch solches Tieferrücken in die Haut bedingt, dass hier ähnlich wie bei N. fertilis die Seitenorgane — besonders im Abdomenanfange — ausserordentlich flächenhaft ausgezogen erscheinen. Weiterhin gegen die Abdomenmitte nehmen sie aber bei Mastobranchus wieder eine von der Haut etwas emancipirtere Lage sowie auch die charakte- ristische Knospen- oder Hügelform an. In Folge der colossalen Entwickelung der neuralen Längsmuskulatur kommen die Sei- tenorgane im Abdomenanfange ganz wie bei dem sich bezüglich dieser Muskulatur ähnlich ver- haltenden N. lineatus auf den Rücken zu liegen®). In dem Maasse aber, als diese Muskulatur im weiteren Verlaufe des Abdomens auf die Körperflanken herabsinkt, resp. mit dem Ab- steigen der Seitenlinie, rücken auch hier die Sinneshügel immer tiefer»), ohne aber jemals so tief zu sinken wie bei den anderen Formen, indem eben die Seitenlinie bei unserer Gattung nie so weit neuralwärts rückt als bei jenen. Hinsichtlich ihrer Structur unterscheiden sich diese Sinneshügel in keinem wesentlichen Punkte von denjenigen des Notomastus, so dass die betreffende Beschreibung der letzteren auch für erstere vollauf Gültigkeit hat. d. Becherförmige Organe. Auch die becherförmigen Organe bieten, was die Structur betrifft, keinerlei Abweichungen von dem für Notomastus festgestellten Typus dar. Dagegen ist bezüglich ihres topographischen Verhaltens ein nicht unwesentlicher Punkt hervorzuheben: sie kommen nämlich bei Masto- branchus nicht nur am Kopflappen, Rüssel und 'T’horax, sondern auch am ganzen Abdomen zerstreut vor, während mir bei Notomastus und Dasybranchus in diesem Körpertheile niemals solche Organe begegnet sind. 7. Parapodien. Mastobranchus hat mit Notomastus den Besitz von 12 'Ihoraxsegmenten gemein und von diesen sind ebenfalls 11 ausschliesslich mit Pfriemenborsten versehen. Während aber die Parapo- dien des auf den 'Thorax folgenden Abschnitts in den beiden vorhergehenden Gattungen lediglich Haken enthalten, sind die entsprechenden hämalen Organe im vorliegenden Genus in einer für dasselbe höchst charakteristischen Weise eine Strecke weit mit Pfriemen- und Hakenborsten zugleich ausgerüstet®). Ein mittelgrosses, etwa 1S0 Segmente zählendes 'Thier zeigte z. B. folgende Borstenvertheilung: 1. Segment (Kopfmundsegment) borstenlos; 2.—-12. in allen Parapodien ausschliesslich Pfriemenborsten: 13.—S0. neuralnur Haken, hämal Haken und Pfriemen ge- 320 A. Anatomisch-Histologischer Theil. mischt, und zwar anfangs etwa 5 Haken nebst 15 Pfriemen, dem Ende zu 5 Haken und nur noch 2—3 Pfriemen; 81.— 180. Segment endlich, sowohl neural als hämal ausschliesslich Haken. In Bezug auf Lage und Anordnung in den einzelnen Zoniten stimmen die Mastobranchus- Parapodien des vorderen und mittleren Körpertheils durchaus mit denjenigen der vorherge- henden Gattungen überein. Diejenigen des Abdomenanfangs erinnern speciell an Notomastus; in- folge der auch bei Mastobranchus so bedeutenden Ausbildung der neuralen Längsmuskulatur rücken nämlich seine sehr ausgedehnten neuralen Tori hoch gegen den Rücken hinauf und die viel kleineren hämalen kommen ganz auf den Rücken, nahe der Medianlinie zu liegen‘). Weiterhin tritt aber, ganz wie bei Notomastus, in dem Maasse als die neurale Längsmusku- latur an Höhe abnimmt, resp. die Seitenlinie sinkt, immer mehr Gleichheit in Lage und Er- streckung ein, so dass am Abdomenende®) die neuralen Parapodien die ventralen, und die hämalen die dorsalen Flanken als annähernd gleiche Bogenstücke umspannen. Dagegen herrscht, den vorhergehenden Gattungen gegenüber, in der hinteren Abdomenabtheilung insofern ein auffallender Unterschied, als bei Mastobranchus die Parapodien auf zungenförmigen Fort- sätzen angebracht sind). Wir werden im nächsten Kapitel schen, wie von diesen Fortsätzen, und zwar von den ausgebildeteren hämalen, zugleich die Kiemen bedeckt werden. In den anatomisch- histologischen Verhältnissen bieten die Parapodien dieser Form keinerlei bemerkenswerthe Eigenthümlichkeiten; anders die Borsten. Die Pfriemenborsten) zunächst unterscheiden sich von denjenigen der vorhergehenden durch die etwas ausgesprochenere S-förmige Krümmung sowie durch die bedeutendere Länge und Breite ihres Saumes; die Längedifferenzen der Gesammtborsten im Vergleiche mit den übri- sen Gattungen ergeben sich direct aus den gleichmässig vergrössert dargestellten Figuren. Umgekehrt ist in Bezug auf die Haken) hervorzuheben, dass sie denjenigen des Notomastus gegenüber viel weniger S-förmig gekrümmt erscheinen; von denjenigen des Dasybranchus wei- chen sie sodann durch ihre viel grössere Schlankheit, und von beiden Gattungen zugleich endlich durch den kürzeren, schärfer abgesetzten Hals ab. In viel höherem Maasse noch sind aber die Haken des Mastobranchus durch ihre Grössenverhältnisse charakterisirtt. Während nämlich bei den Arten der vorhergehenden Gattungen die Haken der verschiedenen Abdo- imenregionen (abgesehen vom Schwanze) sowie auch diejenigen der neuralen und hämalen Parapodien keine auffallende Grössenunterschiede aufweisen, finden solche in dem vorliegenden Genus in beiden Hinsichten in hervorragender Weise statt. Was zunächst die Divergenzen neuraler und hämaler Borsten betrifft, so ergiebt sich aus den betreffenden Figuren, dass im Abdomenanfange die hämalen etwa doppelt und in der Abdomenmitte mindestens ein und ein halb mal so lang als die neuralen sind, sowie dass am Abdomenende beide gleiche Länge aufweisen; hinsichtlich der verschiedenen Körperregionen sodann geht aus denselben a) Taf. 24. Fig. 2. b) Dat. 24 Bios: e) "Taf, 2A. Eie, 3. Tat. 25: Fig. 5% d) Tal. 32. IH. Mastobranchus. 7. Parapodien. 8. Respirationsorgane. 221 Figuren hervor, dass die hämalen Haken von vorn nach hinten in sehr hohem, die neuralen dagegen in sehr geringem Maasse an Grösse abnehmen, bis sich, wie erwähnt, im Abdomenende diese Differenzen ausgleichen. 8. Respirationsorgane. Mastobranchus ist mit ähnlich retractilen Kiemen ausgerüstet wie Dasybranchus; nur sind seine Kiemen nicht wie diejenigen der letzteren Gattung Anhänge der neuralen, sondern um- gekehrt solche der hämalen Parapodien®). Bei Schilderung der allgemeinen Körperform wurde schon hervorgehoben, wie der in der vorderen und mittleren Leibesregion glatt walzenförmige Mastobranchus-Körper in seiner hinteren Region mit eigenthümlichen zungenförmigen, je an den hinteren Segmentgrenzen in der Vierzahl gelegenen Fortsätzen ausgerüstet ist, welche die Zoniten an dieser Stelle auffallend verbreitern sowie überdies etwas auf die schmäleren Vordertheile der unmittelbar nachfolgenden Segmente übergreifen, und wie dadurch das An- sehen entsteht, als ob die Zoniten becherförmig ineinandersteckten. Auf diesen vier bilateral- symmetrisch angeordneten Lappen stehen nun die zwei Parapodienpaare eingepflanzt, und spe- ciell unter den hämalen resp. unter deren Zungen (welche viel ausgeprägter sind als die neuralen) liegen die Kiemen. Während also die retractilen Kiemen des Dasybranchus über den neuralen und diejenigen des Notomastus profundus neben und vor den hämalen Parapodien sich befinden, stehen diejenigen des Mastobranchus unter und hinter den hämalen Parapodien resp. unter und hinter ihren zungenförmigen Fortsätzen. In derart geschützten Winkeln sitzen diese Kiemen mit breiter Basis den an der betreffenden Stelle bedeutend verdünnten Körper- wandungen auf und durch einen basalen Spalt communieiren die Höhlungen ihrer Fäden mit denjenigen des Leibes. In einem etwa 150 Segmente zählenden, mittelgrossen Thiere fanden sich die ersten Kiemen im S0., und da sie fast bis zum Körperende auftreten, so besitzt demnach ein solches Thier etwa 100 kiementragende Zoniten. Die ersten Kiemen bestehen aus einfachen, eirrusförmigen Anhängen; im Verlaufe weniger Segmente wachsen diese aber auf 2—3, weiterhin auf 3—5 und noch weiter auf 6—7 Fäden an, um von diesem Höhepunkte gegen den Schwanz hin wieder ebenso an Zahl und Grösse abzunehmen. In den letzten Zoniten des nachwachsenden Körperendes sind auch die Kiemen nur durch in der Entwickelung begriffene — so wie alle anderen Organe Anlagen repräsentirt. Was die Retractilität dieser Kiemen betrifft, so besteht denjenigen des Dasybranchus gegenüber der bemerkenswerthe Unterschied, dass nicht wie bei letzterer Form die einzelnen | a) Taf. 24. Fig. 3. 9. K. Taf. 25 Fig. 5. 8. 9. Pd. K.h. 5 m 22 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Fäden handschuhfingerförmig, sondern nur die Organe in toto in das Coelom eingezogen werden können. Als Anhänge neuraler Parapodien sind für die Kiemen des Dasybranchus die Nierenkammern und als Anhänge hämaler Parapodien sind für diejenigen des Mastobranchus die Darmkammern die speciellen Coelomabtheilungen, in welche sie im retrahirten Zustande zu liegen kommen. Die Möglichkeit zur Einstülpung der Gesammtkiemen wird bei unserer Form einmal dadurch erreicht, dass im Bereiche ihres Communicationspunktes mit der Leibes- höhle die umliegende Hypodermregion bedeutend verdünnt ist, sodann dadurch, dass die Ringmuskulatur dort eine Unterbrechung, resp. eine Umbiegung ihres Faserverlaufes erfährt und dass endlich im ganzen Kiemenbereiche auch die Längsmuskulatur seitlich gegen die Medianlinien hin ausbiegt. Fortsätze letzterer Muskulatur sind es auch, welche als Re- tractoren®) wirken. Die Ausstülpung dagegen wird hier ebenfalls durch die Kraft des Blutstroms besorgt und, insofern dieser Strom sich rhythmisch vor- und rückwärts bewegt, ist auch die Aus- und Einstülpung am frischen, unverletzten 'Thiere eine rhythmische. Nie lässt sich aber bei Mastobranchus das Spiel der sich abwechselnd aus- und einstülpenden Kiemen so deutlich wie bei Dasybranchus verfolgen: erstens wegen ihrer viel geringeren Grösse, sodann in Folge ihrer versteckten Lage unter den Parapodfortsätzen. Nur bei einigermaassen gefülltem Zu- stande ragen die grösseren Kiemenzipfel über diese Fortsätze hinaus und bringen so erst ihr Vorhandensein zur Anschauung. Was die Structur unserer Organe betrifft, so kann ich mich darauf beschränken zu sagen, dass sie Ectodermausstülpungen darstellen, deren Höhlen von 'Theilen des parietalen Peritoneums ausgekleidet sind; dass ferner auch einzelne Ring- und Längsmuskelfasern so- wohl in der Wandung, als auch in der Lichtung der einzelnen Zipfel zerstreut liegen, Fasern, welche wohl den einzelnen Zipfeln die Fähigkeit verleihen, das von ihnen geathmete Blut wieder in die Leibeshöhle hineinzupressen. 9. Nephridien. Während bei den vorhergehenden Gattungen die Nephridien®) schon im 'Thoraxende oder doch im Abdomenanfange aufzutreten und sich durch alle Segmente des letzteren Körpertheils continwirlich fortzusetzen pflegen, finden sich bei der uns jetzt beschäftigenden Form die Nierenorgane nur im Abdomenende und zwar in den letzten 30—40 vor dem Schwanzende gelegenen Segmenten. In der Regel sind weder vor noch hinter dieser Region irgend welche, sei es in Bildung oder in Degeneration begriffene Nephridien vorhanden, so dass, wenn meine Untersuchung nur auf ein kleines Material beschränkt geblieben wäre, ich schlechtweg zu constatiren gehabt hätte, dass bei Mastobranchus, im Gegensatze zu den vorher- gehenden Formen, nur im hintersten Körperabschnitte solche Organe zur Ausbildung gelangen. a) Taf. 25. Fig. 9. K. R. b) Taf. 34. Fig. 24. III. Mastobranchus. 9. Nephridien. 223 Aber unter der grösseren Zahl untersuchter Thiere befand sich ein Exemplar, welches dieses scheinbar so abweichende Verhalten mit einem Schlage vermittelte: in diesem Exemplare waren nämlich die Nephridien nicht wie bei den meisten Artgenossen auf die hinteren Ab- domensegmente beschränkt, sondern sie liessen sich im Gegentheil bis zum Abdomenanfange verfolgen; nur nahmen sie in dem Maasse, als man sich diesem Körpertheile näherte, immer mehr an Grösse und Ausbildungsgrad ab. Es hatten zunächst diejenigen bis zur Abdomen- mitte®) noch ein drüsiges Ansehen, innere und äussere Mündungen, sowie einen flimmernden Kanal, also alle Elemente zum Functioniren; von der Abdomenmitte ab verschwand aber das drüsige Ansehen immer mehr, weiterhin auch der Kanal nebst den Mündungen, und im Ab- domenanfange®) endlich waren sie nur noch durch ganz dünne, fadenartige, offenbar der Degene- ration anheimgefallene Stränge, welche sich kaum über das Peritoneum erhoben, vertreten. Aus dem Verhalten dieses Exemplares können wir daher schliessen, dass auch bei Masto- branchus ursprünglich dem ganzen Abdomen entlang (ja wie das Vorkommen von Genital- schläuchen nahe legt, sogar auch in einem "Theile des 'IT’horax) Nephridien vorhanden waren, dass sich aber dieselben im vorderen Körperabschnitte rückbildeten und allein im Abdomen- ende verharrten. Die Frage ist nur: ob sich dieser Rückbildungsprocess noch jeweils ontogenetisch abspielt, oder ob wir ihn als einen phylogenetisch vollendeten zu betrachten haben. Im ersteren Falle dürften alle jugendlichen Mastobranchus auch im Vorderkörper noch fungirende Nephridien haben, welche erst im Laufe des Wachsthums allmählich degeneriren und schliesslich verschwinden: unser abweichendes Exemplar wäre dann als ein solches zu be- trachten, in welchem sich der Degenerationsprocess unvollkommen abgespielt hat. Im letzteren “alle dagegen brauchte eine derartige provisorische Entwickelung von Nephridien bei den Jungen nicht mehr stattzufinden und es wäre dann jenes Exemplar eher vom Gesichtspunkte des Atavismus aus zu beurtheilen. Teider habe ich so jugendliche 'T'hiere, durch deren Untersuchung sich ja die Sache allein und ohne Weiteres würde haben entscheiden lassen, nicht zu Gesichte bekommen. Auch wenn wir nur die normal in den 30—40 letzten Abdomensegmenten vorkommen- den Nephridien in's Auge fassen, lässt sich constatiren, dass dieselben von vorn nach hinten an Grösse zunehmen‘; ein Verhalten, welches an dasjenige der Untergattung Tremomastus erinnert, aber im Gegensatze steht zu demjenigen der Untergattung Clistomastus, sowie auch zu demjenigen des Dasybranchus, in welchen beiden Formen, wie wir gesehen haben, die Nephridien von der Abdomenmitte ab umgekehrt allmählich an Grösse abnehmen. Die Nephridien unserer Gattung treten in der einfachsten Form auf, nämlich als Schläuche ohne ausgesprochene Anschwellung; am meisten erinnern sie an diejenigen des Dasybranchus Gajolae;, auch haben sie im frischen Zustande eine ganz ähnliche Orange- färbung®). Entsprechend ihrem geringen Dickendurchmesser durchsetzt sie der Ausfuhr- kanal vom Trichter bis zur äusseren Mündung als gerade verlaufendes Rohr. a) Taf. 24. Bie. 12. Nm. b) Taf. 24. Fig. 11. Nm. c) Taf. 24. Fig. 12. 13. Nm-.d) Taf: 34,Fig: 24. 26. 224 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Im gegebenen Segmente haben die Mastobranchus-Nephridien eine zur Längsaxe ziemlich rechtwinklige Lage, indem sie von der Trichteröffnung bis zur äusseren Mündung halbkreis- oder schleifenförmig nach der Medianlinie zu gebogen verlaufen. Der wie bei Tremomastus pantoffel- oder löffelförmige Trichter‘) hat seine Lage nahe der vorderen, die äussere Mündung®) dagegen hat ihre Lage nahe der hinteren Segment- grenze; in Bezug auf die Queraxe verläuft ersterer zwischen dem dorsalen und ventralen neu- ralen Längsmuskelstrange und letztere etwas höher im Bereiche der Seitenlinie. Es kommt demgemäss das Gesammtorgan auch hier ausschliesslich in die Nephridiumkammer °) zu liegen. Ich habe bei dieser Gattung in je einem Zoniten nie mehr als ein Nephridien- paar gefunden; auch ist jedes solche Paar in seiner Erstreckung (wie schon aus der vorher- gehenden Beschreibung der Lagerungsverhältnisse zu entnehmen ist, ganz auf dasjenige Segment beschränkt, welchem es angehört. Als auffallende Eigenthümlichkeit ist hervorzuheben, dass bei einem Exemplare ein Nephridium mit gablig getheiltem Ausführungsgange und demzufolge auch zwei äusseren Mündungen angetroffen wurde. Die Nephridien des Mastobranchus haben mit denjenigen des Tremomastus die feste An- heftung an die Leibeswandungen gemein. Abgesehen von dem in das Coelom mündenden Trichter liegt das ganze Organ direct der neuralen Längsmuskulatur @) auf und der Peritoneal- überzug der letzteren geht ganz continuirlich auch über das erstere hinweg. Es haben dem- nach diese Nephridien ebenfalls eine retroperitoneale Lage. Die Structur bietet wenig Besonderheiten dar; es ist immer derselbe Typus: ein Zellenfachwerk mit centralem Kanal, welch’ letzterem hier, wie bei Clistomastus, direct die Cilien aufsitzen®. Die Exceretbläschen f) sind sehr klein, von Orangefarbe und, wenigstens hinsichtlich ihres Farbstoffs, nicht alcoholbeständig. Wir werden im Kapitel »Leibeshöhle« sehen®), dass bei Mastobranchus in gewissen nicht zu Nephridien organisirten Peritonealgebilden eine viel regere excretorische 'T'hätigkeit unterhalten zu werden scheint als in den eigentlichen — offenbar im Rückgange befindlichen — Nierenorganen; wenn wir nämlich für die Lebhaftigkeit dieser 'Thätigkeit die Natur und Menge der zur Ausscheidung gelangenden Fxcretkörper zum Maassstabe nehmen. Mastobranchus hat vom 7.—12. 'Thorax- und vom 1.—3. Abdomensegmente je ein Paar Genitalschläuche.®) Da in der Regel im Vorderkörper keine Nephridien oder Reste solcher bei dieser Gattung angetroffen werden, so könnte die Frage: ob auch hier Genitalschläuche und Nephridien in irgend welchem Verbande stehen, müssig erscheinen. Indessen, jener eine Befund degenerirter Nephridien legte doch die Erwägung der Frage auch hier nahe und so untersuchte ich gerade diesen Ausnahmefall scharf auf diesen Punkt, aber ohne Resultat. a) Taf. 34. Fig. 25. Taf. 24. Fig. 12. 13. Nm. b) Taf. 24. Fig. 3 Nm. M. Taf. 24. Fig. 12. 13. Nm. ec) Taf. 25. Fig. 8. Nm. d) Taf. 25. Fig. 8. Nm. e) Taf. 26. Fig. 27. f) Taf. 34. Fig. 26. g) Taf. 24. Fig. 10. @. Sell. a) Vergl. p. 227. III. Mastobranchus. 9. Nephridien. 10. Geschlechtsorgane. 225 Von den schon zwischen der Abdomenmitte und dem Abdomenanfange stark degenerirten, nur unter beträchtlicher Vergrösserung erkennbaren Nephridien liessen sich nämlich in den ersten drei Abdomensegmenten keine Spuren mehr erkennen und so bin ich denn auch ausser Stande anzugeben, ob sich in unserer Gattung die Genitalschläuche unabhängig von Nephri- dien, also nach dem Typus des Dasybranchus caducus s. str., oder aber in Abhängigkeit von solchen, also mehr nach dem Typus des D. Gajolae*) entwickeln. 10. Geschlechtsorgane. Mastobranchus schliesst sich darin der vorhergehenden Gattung an, dass zur Zeit der Geschlechtsreife ausser der Genitalplatte auch noch andere Partien des Peritoneums in einen wuchernden, die Erzeugung von Genitalzellen vorbereitenden Zustand gerathen. Es sind hier ebenfalls die Darmmesenterien, sodann aber auch einzelne Stellen der Somatopleuren (besonders in den Nierenkammern), welche mit in diesen Prozess hineingezogen werden. Im Gegensatze zum Verhalten des Dasybranchus kommt es aber in der vorliegenden Gattung niemals zu einer vollkommenen Ausbildung dieser secundären Anlagen, indem die eingeleitete Prolification auf dem Stadium der Kernwucherung zu verharren pflegt. So bleibt denn die Bildung von Keim- produceten de facto hier, ähnlich wie bei Notomastus, auf die Bauchstrangkammer resp. auf ihr Dach, die Genitalplatte®) beschränkt. Diese Platte schwillt zur Zeit der Geschlechtsreife vom Abdomenanfange bis zum letzten Drittel der Thierlänge stark an und erzeugt bei den 9’ segment- weise Zellklumpenb) (Hoden), welche sich bald ablösen, um in der Leibeshöhle ihre Weiter- entwiekelung zu Spermatozoen zu erfahren, bei den @ Keimlager, welche keiner so scharfen, den Zoniten entsprechenden Gliederung unterliegen, indem eben die Genitalplatte nahezu continuirlich proliferirt und so auch ein nahezu continuirliches Ovarium®) hervorbringt. T, ( Die einzelnen Eier haften weder so lange an ihrem Mutterboden wie bei Notomastus, noch kommen sie so frühe zur Ablösung wie bei Dasybranchus; sie fallen nämlich klumpen- weise in einem halbreifen Zustande ab, um sich in den Darmkammern allmählich zur Reife auszubilden. Selbstverständlich kommt es daher auch zu keiner Follikelbildung, welch’ letztere übrigens auch schon dadurch verhindert würde, dass die Genitalplatte hier wie bei Dasybranchus von einer kräftigen Muskulatur durchsetzt wird und so die Keimbildung nicht zwischen den beiden sie zusammensetzenden Epithelblättern, sondern an ihrer dem Coelom, und zwar der Bauchstrangkammer zugekehrten Seite vor sich gehen muss. Bei Mastobranchus ist der (von Notomastus her dem Leser bekannte) sterile, th oracale Keimstock@) in beiden Geschlechtern gleich eigenthümlich ausgebildet. Während nämlich bei Notomastus dieses Organ nur eine einseitige (neurale) Wucherung der Genitalplatte darstellt, a) Taf. 26. Fig. 29. b) Taf. 25. Fig. 6. Gpl. ec) Tall 25.HFig. 7. Ov. A)Ta I 29H FIEH 3. 8... HK 9) Vergl. p. 190—199. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 29 936 A. Anatomisch-Histologischer Theil. entwickeln sich hier seine entsprechenden Elemente rings um eine Duplicatur jener Platte, so dass der Keimstock ganz frei in die Bauchstrangkammer zu liegen kommt. Diese Genitalplatten- duplicatur (besonders deren muskulöse Theile) sendet überdies zahlreiche, in immer feinere Zweige sich unterabtheilende Sprosse zwischen das sterile Keimmaterial, so dass nahezu jede einzelne Zelle von solchen Fäden inselartig abgegrenzt erscheint. Auch hier hat das Organ seine Lage im 12. Thoraxsegmente®) und die es aufbauenden Elemente bestehen in beiden Geschlechtern vorwiegend aus jenen so eigenthümlichen, verschieden grossen, durch einen Kranz dunkler Kügelchen ausgezeichneten Kernen), welche hier in Folge des Vorhandenseins reichlicherer Lagen von Zellsubstanz viel weiter voneinander getrennt zu liegen kommen, als dies bei Notomastus der Fall ist. Nester ähnlich steriler Kerne finden sich auch in dieser Gattung zwischen den Spermatosporen und Oosporen der abdominalen Genitalplatte. Der Prozess der Ei- und Samenbildung verläuft im Wesentlichen ähnlich wie bei den vorhergehenden Formen. Die fertigen Spermatozoen®) sind kaum von denjenigen des Notomastus zu unterscheiden; die reifen Fier@) dagegen haben ein charakteristischeres Ansehen: sie sind sehr durchsichtig, messen gegen 140%, ihre Keimbläschen 60% und ihre Keimflecke 12»; der silberweisse Dotter lässt schon im frischen Zustande zahlreiche, runde Deutoplasma- körper erkennen und auch der viel blassere Keimbläscheninhalt besteht aus zahlreichen Kü- gelchen, zwischen denen sich ein kräftiges Filom ausspannt. Für die Fähigkeit des Peritoneums, ihm allgemein zukommende Functionen latent fest- zuhalten und gelegentlich selbst dann auszuüben, wenn seine Derivate ganz specifischen Aufgaben zu dienen haben, spricht das Faetum, dass in Eiern verschiedenster Stadien ganz ähnliche Excretbläschen angetroffen werden, wie solche sonst nur in genuinen Peritonealzellen sowie in den Nephridien und Blutkörpern zur Anhäufung kommen. Wenn nur in geringem Grade ausgeübt, so wird wohl diese excretorische T'hätigkeit die weitere Bestimmung der Eizellen kaum beeinträchtigen; wenn aber, wie dies ausnahmsweise der Fall, jene Thätigkeit eine solche Steigerung erfährt, wie bei der in Fig. 16. Taf. 33 abgebildeten Eizelle, dann ist es doch wohl fraglich, ob das betreffende Keimproduct schliesslich der Fähigkeit zu normaler Aus- veifung nicht verlustig geht. Nester degenerirt aussehender, mit Excretbläschen überladener Eier verschiedenster Stadien, welche oft mitten zwischen normalen Fortpflanzungszellen ein- gestreut liegen, machen wenigstens einen derartigen Untergang sehr wahrscheinlich. Mastobranchus hat im 7.—12. Thorax- und im 1.—3. Abdomensegmente, also im 7.—15. Körpersegmente je ein Paar Genitalschläuche®). Die Schläuche liegen auch hier in den Nieren- kammern und münden durch besondere Poren auf der Höhe der Seitenlinie nach aussen. Im einzelnen Segmente liegen diese Mündungenf) vorn; die Schläuche selbst reichen aber mit ihren hinteren, conform der Längsaxe des Thieres gestreckten Zipfeln weit nach hinten, um sich im Bereiche des betreffenden Septums an das parietale Peritoneum anzuheften; die vor- a) Taf. Ds.ıkie. 8. b)a Taf. 226. Big. 28: ec) Taf. 26. Fig. 30. 31. d) Tafı 1. Fig. 3. e) Taf. 24. Fig. 10. Taf. 25. Fig. 4. @. Schl. f) Taf. 24. Fig. 2. @. Schl. P. < m III. Mastobranchus. 10. Geschlechtsorgane. 11. Leibeshöhle. DM deren, sehr kurzen Zipfel verschmelzen in viel breiterem Ansatze mit den vorderen Septen. Die Structur dieser Genitalschläuche bietet keinerlei Verschiedenheiten von derjenigen der anderen Formen dar. Ihrer fraglichen Beziehungen zu den Nephridien endlich wurde schon im vorhergehenden Kapitel gedacht. Mastobranchus beginnt im März Geschlechtsproducte zu entwickeln und vom Mai bis zum September findet man reife Individuen. ll. Leibeshöhle. Topographisch verhält sich das Coelom von Mastobranchus demjenigen des Noto- mastus, speciell des Tremomastus so ähnlich, dass nur wenige untergeordnete Punkte als ab- weichende hervorgehoben zu werden brauchen. Ein solcher betrifft die neuralen Parapod- kiemenhöhlen, welche hier im Einklange mit der viel geringeren Ausbildung der betreffenden Hakenwülste und Hakentaschen auf ein erheblich geringeres Volum reducirt sind. Sodann ist zu erwähnen, dass die retractilen Kiemen als Anhänge der hämalen Parapodien nicht wie die adäquaten neuralen Organe des Dasybranchus in die Nieren-, sondern in die Darmkammern zu sehr mächtig liegen kommen. Endlich muss noch der Thatsache gedacht werden, dass die entwickelte — transversale Muskulatur der Nierenplatten nicht wie bei den übrigen Formen beiderseits in die Stammesmuskulatur ausstrahlt, sondern neural sich am Bauchstrange ansetzt. In einem früheren Kapitel wurde schon darauf aufmerksam gemacht, dass die ausserordentliche Entwickelung der Neurochorde vorliegender Gattung wahrscheinlich in den durch Ansatz eben jener Muskulatur dem Bauchstrange zugemutheten Leistungen ihre Veranlassung gefunden hatte. Wesentlicher als die bisher berührten topographischen Modificationen sind die bei unserer Gattung zu constatirenden Abweichungen im histologischen Verhalten des Peri- toneums. Während letzteres bei den früher besprochenen Formen, abgesehen von der Ge- nitalplatte, sowie einzelnen anderen (wahrscheinlich Blutkörperchen erzeugenden) Stellen, eine dünne, die Coelomräume auskleidende oder die Organe überziehende Membran darstellt, bietet dasselbe in der vorliegenden ein durchaus hypertrophisches Ansehen dar; ja an zahl- reichen Punkten sogar ein drüsenhaftes. Derartige, sowohl an parietalen als visceralen Ab- schnitten auftretende Verdickungen sind nun dadurch ausgezeichnet, dass ihre Zellen nicht wie sonst nur einzeln zerstreute, sondern zahlreiche, durch ihre Grösse auffallende Excret- bläschen enthalten), welch’ letztere meist flüssigen Inhalt führen und vollständig mit den- jenigen der Nephridien und Blutscheiben übereinstimmen; auch ist ihr Farbstoff wie derjenige der letztgenannten gegen Alcohol nicht resistent. Einzelne peritoneale Wucherungen dagegen, welche sich durch ihre ausserordentliche Mächtigkeit, sowie durch die scharfe Individualisi- rung ihres Zellmaterials auszeichnen, erzeugen feste, dunkelbraune, alcoholbeständige Excret- bläschenb), welche die grösste Uebereinstimmung mit den Concretionen der Nephridien und a) Taf. 33. Fig. 14. b) Taf. 33. Fig. 15. 998 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Blutscheiben gewisser Notomastus- und Dasybranchus-Arten aufweisen. Ganz ähnliche Concre- tionen, sowie auch flüssige, orangefarbene Excretbläschen finden sich in einzelnen, zwischen der Hämolymphe zerstreuten Zellen vom Habitus der Leucocyten, und diese sind nichts Anderes als von solchen wuchernden Partien des Peritoneums abgelöste Elemente. Fig. 15 Taf. 33 liefert dafür den besten Beweis, indem der Schnitt eine Stelle getroffen hat, an der im Moment der Abtödtung offenbar mehrere solche Elemente im Abschnürungsprozesse be- eriffen waren. Augenscheinlich ist hier (und das wird auch für alle anderen Formen gelten) eine Quelle für den Nachschub der Leucocyten zu suchen, wie ja auch die rothen Elemente wahrscheinlich aus dem Peritoneum zum "Theil ihren Ersatz erhalten ®). Dass speciell in un- serer Form mit solcher Entstehung zugleich die Wegfuhr eines Excretes verbunden ist, ändert Nichts an der 'Thatsache, indem ja das Peritoneum an sich schon in breitester Weise excretorischer Function dienstbar zu sein pflegt. Was aber die bei Mastobranchus so hohe Steigerung der erwähnten Function betrifft, so wurde schon in einem früheren Kapitel”) be- tont, dass man darin wohl einen Ersatz für die im Vorderkörper ausgefallenen specifischen Nierenorgane zu erblicken haben dürfte. 12. Haämolymphe. Die Blutscheiben des Mastobranchus sind einzeln betrachtet von schwefelgelber FarbeP); ihre Grösse schwankt zwischen 10 und 20 p; die meisten aber haben einen Durchmesser von IS p. Die Kerne, welche auch hier je nach dem physiologischen Zustande der Scheiben bald un- regelmässig verschwommen, bald abgerundet erscheinen, oder aber im frischen Zustande über- haupt nicht sichtbar sind, messen 5—6 p. Die meist flüssigen, I—3 p grossen Excret- bläschen fallen gegenüber der Scheibensubstanz durch ihre dunklere Orangefarbe auf, welch’ letztere nach Alcoholeinwirkung verschwindet. Die Leucocyten unterscheiden sich in nichts Wesentlichem von denjenigen der übrigen Formen. Es waren mir schon bei den vorhergehenden Gattungen an verschiedenen Stellen des parietalen Peritoneums Zellwucherungen aufgefallen, deren reifere Elemente eine grosse Aehn- lichkeit mit den rothen Blutscheiben darboten; jene Präparate waren aber doch nicht so überzeugend, dass ich gewagt hätte, auf Grund derselben eine derartige Function des Peri- toneums zu statuiren. Hier bei Mastobranchus enthalten nun ähnliche Wucherungen des parietalen Blattes so unzweifelhafte Entwickelungsstadien solcher Scheiben ©), dass ich nicht anstehe, das Peritoneum als eine der Quellen für den Nachschub gefärbter Blutkörper zu be- trachten. Eine andere Quelle haben wir in der bei Notomastus beobachteten Vermehrung durch Theilung gefunden. Dass auch die Leucocyten höchst wahrscheinlich aus dem parietalen ; 5 AR. u Blatte ihren Ursprung nehmen, wurde schon im vorhergehenden Kapitel erwähnt. a) Taf. 35. Fig. 36. b) Taf. 35. Fig. 35. c) Taf. 35. Fig. 36. IV. Heteromastus. 1. Allgemeine Körperform. Heteromastus®) ist identisch mit der von Ütararene aus Port-Vendres beschrie- benen Capitella filiformis!). Genannter Forscher hat unsere Form auf ganz äusserliche Merkmale hin mit Capitella vereinigt; nun bietet aber dieselbe, wie hauptsächlich aus der nachfolgenden anatomischen Beschreibung hervorgehen wird, so viele Berührungspunkte mit der Organisation nahezu aller anderen Capitelliden, besonders mit Notomastus und Mastobranchus dar, dass man sie mindestens eben so gut letzteren Gattungen einzureihen berechtigt wäre. In Anbetracht dieser vielseitigen Beziehungen, sowie des Vorhandenseins einer Reihe von der fraglichen Art eigenthümlichen Charakteren, schien es mir daher richtiger, letztere zu dem Genus Heteromastus zu erheben. Das neue Genus ist im Golfe wahrscheinlich nur durch eine Species und zwar durch den Crararepeschen H. filiformis vertreten. Unsere Form gehört zu den kleinsten Capitelliden; an Länge steht sie zwar dem Masto- branchus sowie den kleineren Notomastus-Species kaum nach, aber sie ist viel dünner, so dass sie gegenüber jenen fadenartig erscheint. Höchst charakteristisch ist die grosse Steifigkeit ihrer Körperwandungen. Wie bei Mastobranchus, so ist es auch hier die (nur viel bedeutendere) Hypertrophie des Peritoneums, welche im Vereine mit der einseitig gesteigerten neuralen Stammes-Längsmuskulatur diese so auffällige Rigidität des Hautmuskelschlauches bedingt. Auffallend ist auch die grosse Reizbarkeit unserer Form; man kann die sämmtlichen anderen Capitelliden ihr gegenüber geduldig oder apathisch nennen. Oft giebt schon eine un- sanfte Berührung den T'hieren Veranlassung sich so krampfhaft (besonders am Hinterleibe) einzuschnüren, dass an den betreffenden Stellen die Elastieitätsgrenze des contractilen Ge- webes überschritten und somit auch eine Rückkehr in den normalen Zustand unmöglich wird. 330 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Der Kopflappen‘) ist relativ lang und von conischer Gestalt. Während bei den vorhergehenden Gattungen die Mündungen der Wimperorgane an der Kopflappenbasis zum Durchbruche gelangen, findet hier deren Durchbruch in der Mitte des Organs statt, und dieser veränderten Lagerung entsprechend werden auch die Wimperorgane nicht von dem hinteren, sondern umgekehrt von dem vorderen Abschnitte des Gehirns innervirt. Der Thorax®) besteht wie bei Notomastus und Mastobranchus aus 12 Segmenten, von welchen das erste, längere als Mundsegment auch hier der Parapodien entbehrt. Ueberaus bezeichnend ist nun, dass die Parapodien der übrigen 'IT’horaxsegmente nicht wie bei allen vorhergehenden Gattungen ausschliesslich mit Pfriemenborsten ausgerüstet sind, sondern dass nur die ersten 5 auf das Mundsegment folgenden solche Borsten, die übrigen 6 dagegen sehr lange, eigenthümlich geformte Haken tragen. Die Hauttäfelung des Thorax ist nur schwach ausgeprägt; alle seine Segmente sind deutlich zweiringelig. Der vordere Abschnitt des walzenförmigen Abdomens‘) ist durch die grosse Länge seiner Zoniten ausgezeichnet. Schon das erste Segment dieses Körpertheils übertrifft das letzte des Thorax um ein Drittel an Länge und von da ab nehmen erstere so rasch zu, dass das 30. bereits doppelt so ausgedehnt als das letzte 'Thoraxsegment erscheint. Weiterhin verkürzen sie sich aber wieder, und zwar zunächst so allmählich, dass erst das 70. Segment auf die Längendimensionen des letzten Thoraxsegmentes herabsinkt. Von da ab endlich erfolgt die Längenabnahme viel unvermittelter, indem das S0. Segment bereits nur halb so lang als das letzte 'Thoraxsegment ist, und wie sehr sich das bis zum Schwanze hin noch steigert, geht aus der Thatsache hervor, dass an einem 140 Zoniten zählenden 'T'hiere dieser letztere Abschnitt, nämlich das 80.—140. Segment kaum ein Viertel der gesammten Körperlänge ausmacht. Diese kurzen Segmente des Hinterleibes sind zugleich, ähnlich wie diejenigen des Mastobranchus, vorn schmäler als hinten, wodurch zunächst ein perlschnurartiges Ansehen zu Stande kommt; weiter- hin laufen noch die hinteren Ränder dieser Segmente je neural und hämal (im Bereiche der Parapodien) in zungenförmige, je einen 'Theil der nachfolgenden Segmente bedeckende Lappen aus, so dass dieser hinterste Körperabschnitt in seinem Gesammthabitus an eine Strobila 4) erinnert. Der Schwanztheil®) läuft in einen ziemlich langen, fingerförmigen Anhang aus, an dessen Basis hämalwärts die Afteröffnung gelegen ist. Hinsichtlich der Muskulatur ist hervorzuheben, dass von der Abdomenmitte ab die ventralen neuralen Längsmuskelsträngef) ausserordentlich über die gesammten anderen Stränge vorwalten und dass dieser einseitigen Ausbildung die heftigen einseitig neuralen Con- tractionen zugeschrieben werden müssen, welche für unsere Form so bezeichnend sind. Bezüglich des Darmkanals ist zu erwähnen, dass sich der Oesophagus durch die a) Taf. 27. Fig. 15. b) Taf. 27. Fig. 15. 16. e) Taf. 27. Fig. 16—19. d) Taf. 27. Fig. 18. e) Taf. 27. Fig. 19. f) Taf. 28. Fig. 6. 7. L.M.n. IV. Heteromastus. 1. Allgemeine Körperform. 231 ersten 12 Segmente hindurch erstreckt. Dadurch, sowie durch die Lage des starken Septums, nebst derjenigen der (vorderen) Nebendarmmündung wird Heteromastus, trotz der eigenthüm- lichen Beschränkung der Pfriemenborsten tragenden Parapodien auf die ersten 5 Körper- zoniten zu einer Capitellide mit 12 'Thoraxsegmenten gestempelt. Während bei allen vorhergehenden Gattungen das Centralnervensystem frei in der Leibeshöhle liegt, behauptet dasselbe hier, abgesehen von den oberen Schlundganglien, dem ganzen Körper entlang eine durchaus acoelomatische Lage: nämlich zwischen Ringmuskulatur und Haut®). Mit dieser festen Einbettung des Bauchstranges geht eine überaus geringe Aus- bildung des Neurilemmas und der Neurochorde einher. Im Gehirne®) ist den vorhergehenden Formen gegenüber die Verschmelzung der Lappen so weit gediehen, dass nur noch die Zu- sammensetzung aus einer linken und rechten Hälfte durch Furchen angedeutet ist. Hinsichtlich der Seitenorgane‘) ist zu bemerken, dass sie im Thorax sehr viel ent- wickelter sind als im Abdomen und dass sie von der Mitte dieses letzteren Körpertheiles an überhaupt nicht mehr vollständig zur Ausbildung gelangen. Der Gegensatz thoracaler und abdominaler Parapodien ist bedeutend abgeschwächt, indem sich letztere nie zu so ausgebreiteten Wülsten wie bei den vorhergehenden Formen abflachen @), dagegen ähnlich wie erstere als ziemlich lange Keulen sich in das Coelom hinein erstrecken. Die Pfriemenborsten®) sind sehr stark S-förmig gekrümmt und im Verhältnisse zu ihrer Länge sehr kräftig gebaut. Die Haken?) des Thorax und Abdomenanfangs sind im Vergleiche zu denjenigen der nachfolgenden Körperregion von auffallender Länge; aber gleichwohl ist der Uebergang kein unvermittelter und Crararkpe's!| Angabe, dass Heteromastus durch dreierlei Borsten ausge- zeichnet sei, kann daher auch nur in bedingter Weise Geltung behalten. Unsere Gattung ermangelt nahezu vollständig der Hakentaschen; ebenso gehen ihr distincte, in Form von Anhängen entwickelte Kiemen ab. Neben dem Darme und der Haut in toto kommen aber für die respiratorische Function jene am Abdomenende, im Bereiche der Parapodien entwickelten, sich rhythmisch mit Blut anfüllenden und leerenden, zungen- förmigen Hautfortsätze®) in Betracht. Das Vorkommen von Nephridien, ist wie bei der vorhergehenden Gattung auf das Abdomenende beschränkt. Niemals wurde mehr als ein Paar in je einem Segmente ange- troffen. Es ist mir zwar nicht gelungen die inneren Mündungen aufzufinden, aber das Vor- handensein solcher ist trotzdem sicher anzunehmen. Die äusseren Mündungen scheinen wie bei der nächsten Gattung (Capitella) in der Haut zu endigen und an diesem Orte das Excret in Form eines sogenannten Pigments zu deponiren. a) Taf. 28. Fig. 3—7 und 12—13. b) Taf. 27. Fig. 20. 21. c) Taf. 28. Fig. 3. 4. S. T. Fig. 6. 8. A. d) Taf. 27. Fig. 16. e) Taf. 32. Fig. 15. 16. f) Taf. 32. Fig. 17. 18. 08) Taf. 27. Fig. 18. Taf. 28. Fig. 7° K. h) Taf. 34. Fig. 27. Taf. 28. Fig. 14. 7% Nm. NElpass.e. p. 50. 332 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Genitalproducte entwickeln sich ausschliesslich aus der Genitalplatte®), und zwar im Abdomen. Im 12. Thoraxsegment wird in beiden Geschlechtern als neurale Anschwellung dieser Platte ein steriler Keimstock angetroffen. Genitalschläuche sind 4 Paare, und zwar im 9.—12. Thoraxsegmente vorhandenb). Das Peritoneum erreicht eine noch mächtigere Entwickelung als bei Mastobranchus. Hämal verdickt es sich regionenweise zu drüsenartigen Wülsten ©), deren Bedeutung mir dunkel blieb: neural erhebt es sich an vielen Stellen in Form weniger regelmässiger Wucherungen ), deren excretorische Function sich aus dem reichlichen Vorkommen von Excretbläschen er- schliessen liess. 2. Haut. Die Haut, speciell die Hypodermis, ist auch in dieser Gattung relativ mächtig ent- wickelt: es herrscht aber kein so grosser Gegensatz zwischen Thorax und Abdomen wie in den vorhergehenden. Vom Kopfe bis zur Thoraxmitte nimmt ihr Durchmesser allmählich zu und von da bis zum Körperende wieder ebenso allmählich ab; so allmählich, dass selbst in der Endregion des Abdomens die Hypodermis noch den beträchtlichsten Theil der Hautmuskel- schlauchmasse ausmacht. Auffallend ist der grosse Reichthum dieser Haut an Drüsenzellen; besonders jene neuralen und hämalen Lappen der hinteren Körperregion, welche die ebenso gelegenen Coelomausbuchtungen einschliessen, strotzen von solchen Zellen. Mit dieser Häufig- keit der Drüsenzellen sowie mit den schon hervorgehobenen krampfhaften Zusammenziehungen unserer Thiere hängt es wohl auch zusammen, dass man beim Präpariren derselben regel- mässig zahlreiche Körper auftreten sieht, welche in den anderen Formen nur selten und auch dann nur spärlich zu Gesicht kommen. Es sind das verschieden grosse spindel- oder flaschen- förmige, aus einer ganz homogenen, weichen, schwach lichtbrechenden Masse aufgebaute Ge- bilde®), welche zuweilen Kerne enthalten. Wir haben in ihnen nichts Anderes als unreife, d. h. noch nicht in Schleim oder Stäbehen umgewandelte Plasmazellen vor uns, welche durch die stürmischen Contractionen aus dem Fadenzellen-Maschenwerk herausgepresst wurden. Ganz ähnliche Gebilde wurden schon öfters von verschiedenen Anneliden als der Leibes- flüssigkeit zugehörige Körper (Leucocyten) beschrieben und ich war daher eine Zeit lang der Meinung, dass in diesen Fällen eine Verwechselung stattgefunden habe. Spätere mikro- skopische Untersuchungen an lebenden, unverletzten Exemplaren von Capitella haben mich aber belehrt, dass dem nicht so war. Ich fand nämlich in der Leibeshöhle genannter 'Thiere die Leucoeyten bald amöben-, bald spindelförmig; ja ich sah sogar das erstere Stadium in das letztere übergehen. lie: b) Tat. 27. Fig. 16. G. Sehl. P. c) Taf. 28. Fig. 5. 6. 8. 15. P. W. h. d) Taf. 28. Fig. 8. P..W.n. e) Taf. 28. Fig. 10. IV. Heteromastus. 2. Haut. 3. Muskulatur, 233 Ausser der auf Drüsenanhäufung beruhenden Hautmodification an den Flanken des Hinterleibes ist Heteromastus noch durch eine andere locale, in Folge der retroperitonealen Lage des Bauchstranges hervorgerufene Abänderung dieses Organsystems ausgezeichnet. Im vorderen Körperabschnitte lässt sich zwischen den Zellen der Hypodermis und denjenigen der innig angrenzenden Spinalganglien noch eine Grenze, wenn auch keine scharfe, wahr- nehmen‘); weiterhin aber verwischt sich der Unterschied beider Elemente immer mehr, so dass schliesslich von einem Auseinanderhalten beider nicht mehr die Rede sein kann»). So kommt es. dass schon am lebenden 'Ihiere ein im Habitus von den angrenzenden Partien sich scharf abhebender neural-medianer Hautstreif auffällt. Schliesslich habe ich noch hervorzuheben, dass die Hypodermis pigmenthaltig ist. Im Thorax sind es dunkelgrünliche, im Abdomen gelbliche Körnchen, deren Zahl sich je nach Leibesregion und Individuum überaus schwankend verhält. In den meisten Fällen wurden die betreffenden Körnchen an der Grenze von Epidermis und Cuticula angetroffen. Das Vor- kommen des sogenannten Hautpigmentes in der vorliegenden Gattung ist insofern von Interesse, als es, wie in der nächsten, mit dem Fehlen von äusseren Mündungen der Nephridien coin- cidirt. Bei Capitella aber konnte ich die in Frage kommenden Verhältnisse in Folge des viel weniger mächtigen Hautmuskelschlauches besser verfolgen, weshalb ich auf die bezügliche Dar- stellung verweise). Die Cuticula bietet keine nennenswerthen Abweichungen dar. 3. Muskulatur. In topographischer Hinsicht ist für diese Gattung charakteristisch, dass die Bündel- zahl der Stammes-Längsmuskulatur schon in der Mitte des Thorax eine bedeutende Reduction erfährt®), so dass in der Endregion des genannten Körperabschnittes bereits eine Anordnung herrscht@\, welche bei den vorhergehenden Formen dern Abdomen vorbehalten bleibt; nämlich die Reduction der entsprechenden Bündel auf 4 neurale und 2—4 hämale; weiterhin im Abdomen pflegen die hämalen Bündel sogar zu einer continuirlichen Schicht zu verschmelzen. Die Ringmuskulatur ist am mächtigsten im Thorax, und zwar in der Mitte des- selben entwickelt; von da ab nimmt ihr Durchmesser stetig bis zum Körperende hin ab. Umgekehrt erreicht die Längsmuskulatur auch hier ihren Höhegrad erst im Ab- domenanfange, rückt aber hämal nie so hoch wie in den Gattungen Notomastus und Masto- branchus, folgt im Gegentheil in dieser Hinsicht etwa dem Verhalten des Dasybranchus. Schon im Anfange des Abdomens ist von den 2 neuralen Längsmuskelstämmen®) jederseits der ven- a) Taf. 28. Fig. 12. b) Taf. 28. Fig. 13. c) Taf. 28. Fig. 3. d) Taf. 28. Fig. 4. e) Taf. 28. Fig. 5. a) Vergl. Capitella, Kapitel Nephridien. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 30 234 A. Anatomisch-Histologischer Theil. trale etwa doppelt so mächtig wie der dorsale, und dieses Ueberwiegen steigert sich relativ noch in dem Maasse, als die Gesammtmuskulatur gegen das Abdomenende hin sich ver- schmächtigt, so dass schon von der Abdomenmitte ab ein für unsere Gattung höchst charak- teristisches Ansehen zu Stande kommt: in Querschnitten aus dieser und der nachfolgenden Region ragen nämlich die genannten ventralen Züge allein als mächtige Bündel in die Leibes- höhle hinein, wogegen die gesammte übrige Stammesmuskulatur eine, wenn auch in ihren neuralen Partien etwas stärker vorspringende, so doch im Ganzen gleichmässige, der Haut enge anliegende Schicht darstellt?). Durch die einseitige Ausbildung dieser Längsbündel kommen jene gewaltsamen, partiellen Contraetionen zu Stande, welche alle Contenta der neuralen Coelomabschnitte in die hämalen pressen und im Vereine mit der Wirkung der transversalen Muskeln dem Heteromastus-Abdomen das bezeichnende perlschnurförmige Ansehen verleihen. Diese Contractionen sind oft, besonders nach Reizung der 'Thiere durch Anfassen oder Aufheben, so stürmisch, dass sie bis zur Abschnürung führen können. Eine sehr kräftige Ausbildung erlangen auch die transversalen Muskeln, besonders im Thorax®), wo sie absolut den grössten Durchmesser erreichen; ferner im Abdomenende, wo ihre Masse relativ vorwiegt®\. An letzterem Orte hängt ihre auffallende Zunahme wahr- scheinlich damit zusammen, dass sie Aeste an die neuralen Coelomausstülpungen zu liefern haben, um damit eine Form- respective Lageveränderung dieser respiratorisch wirksamen Divertikel zu ermöglichen. Ein eigenthümliches und theilweise an Mastobranchus erinnerndes Verhalten zeigt stellenweise die Structur der Stammes-Längsmuskulatur. Die diese Bündel zusammensetzen- den Fasern liegen nämlich, besonders häufig in den neuralen Stämmen des Abdomens, in reihenförmiger Anordnung; nur sind die einzelnen Fasern im Querschnitte nicht dachziegel-, sondern spindelförmig); auch fehlt hier die bei Mastobranchus so deutlich ausgebildete proto- plasmatische Randschicht. Dagegen herrscht wieder insofern Uebereinstimmung, als auch bei Heteromastus von dem in einzelnen Gattungen so kräftig ausgebildeten Sarcolemma Nichts wahrzunehmen ist. 4. Darmkanal. Da Heteromastus, hauptsächlich der Borstenverhältnisse halber, von seinem ersten Be- schreiber als der Gattung Capitella zugehörig erachtet wurde, so sei im Hinblicke auf die Be- urtheilung der systematischen Stellung des neuen Genus vor Allem die 'Thatsache hervorge- hoben, dass sich sein Rüssel-Oesophagus wie bei den vorhergehenden Gattungen bis zum 12. Segmente erstreckt und dass in ebendemselben Segmente der Nebendarm einmündet, dass a) Taf. 28. Fig. 6. 7. db) Taf. 28. Fig. 3.4. T.M. e) Taf. 28. Fig. 6. 7. T..M.. d) Taf.'28, Fig. 11. IV. Heteromastus. 4. Darmkanal. 5. Nervensystem. 235 also Heteromastus in dieser Hinsicht wohl mit Notomastus und Mastobranchus, nicht aber mit Capitella übereinstimmt. Der Oesophagus geht, ohne starke Verengung zu erleiden, in den Magendarm über, welcher seinerseits als ziemlich gleich breites, allmählich nach hinten an Volum abnehmendes Rohr ohne bemerkenswerthe septale Einschnürungen verläuft und sich so auch in diesem Punkte mehr an die vorhergehenden Formen als an die nachfolgende anlehnt. Der Magendarm ist im Abdomenanfange von gelblich grüner Färbung ®). Letztere wird durch zahlreiche kleine, in den Epithelzellen der Darmschleimhaut enthaltene Körn- chen verursacht. Gegen die Abdomenmitte verwandelt sich das Gelbgrün in ein lebhaft an den Capitella-Darm erinnerndes Goldgelb oder Orange»), welches dadurch entsteht, dass sich zu den kleinen gelbgrünen Kömermn bis 6 grosse, überaus lebhaft hochgelb tingirte Tropfen und Bläschen gesellen. Weiterhin gesen das Abdomenende verschwinden wieder diese grossen gefärbten Elemente und der Darm zeigt ein blassgraues bis gelbliches Ansehen. Der Nebendarm entbehrt auch hier jedweder auffallenden Färbung; er rückt dem Hauptdarm noch näher®) als bei Mastobranchus, und die Scheidewand zwischen beiden Röhren wird zugleich so schwach, dass in Schnittserien häufig lange Strecken des Darmkanals die- selbe eingerissen zeigen; der Nebendarm erscheint sodann nur als Rinne des Hauptdarmes. Dasselbe begegnet uns häufig bei Capitella. Weder bei frisch untersuchten 'Thieren, noch an fixen Präparaten vermochte ich lymphatische Zelldivertikel nachzuweisen ; da sich aber in meinen betreffenden Aufzeichnungen zweimal die Notiz findet: „Darm wimpert coelomwärts“, so bin ich doch zweifelhaft, ob jene Gebilde unserer Gattung wirklich durchaus abgehen. 5. Centrales Nervensystem. Das Gehimd) des Heteromastus zeigt einen von demjenigen der vorhergehenden Gattun- gen so stark abweichenden Habitus, dass es den gleichnamigen Organen gewisser Oligochaeten ähnlicher erscheint, als denjenigen seiner nächsten Blutsverwandten. Die bereits bei Masto- branchus augebahnte Verschmelzung der vorderen und hinteren Lappenpaare ist hier vollständig durchgeführt; weder hämal noch neural verräth irgend eine Furche oder irgend ein Vorsprung die ursprüngliche Paarigkeit. Dagegen ist die bilaterale Symmetrie noch durch einen langen vorderen und wenig tief gehenden hinteren Einschnitt erhalten. So bildet also das Gehirn unserer Gattung eine ziemlich einheitliche, nur vorn in zwei mächtige Schenkel auslaufende Masse, deren vorwiegende Erstreckung in der Richtung der Längsaxe den anderen Formen 36 A. Anatomisch-Histologis-her Theil. gegenüber sehr in die Augen springt. Schon am unverletzten Organe schimmert, besonders neural, ein hellerer, ziemlich scharf begrenzter, centraler Kern durch die dunkleren Wan- dungen: es ist der von der Zellenhaube bedeckte, überaus mächtig entwickelte Faserkern, welcher sich auch hier continuirlich in die Schlundeommissuren fortsetzt. Auffallenderweise erfolgt die Innervation der Wimperorgane nicht wie bei den vorher- echenden Gattungen von den hinteren Lappen, respective von den diesen Lappen entsprechen- den hinteren Partien des Gehimes, sondern umgekehrt von den vorderen, und in Folge dessen kommen auch diese Organe im Verhältnisse zum Gehirne sehr weit nach vorn zu liegen. Der hintere Theil des Gehirns schwebt frei in der Leibeshöhle, und zwar in einem auch hier als Gehirnkammer unvollkommen abgetrennten "Theile derselben; der vordere, hauptsächlich aus den beiden divergirenden Schenkeln bestehende Theil dagegen ist hämal und distal innig mit den Wandungen des Kopflappens verbunden, welch’ letztere er unter reichlicher Verzweigung innervirt®). An der Hinterfläche des Gehirns inseriren sich zwei kräftige, aus der Stammesmus- kulatur entspringende Muskelstränge®), welche wahrscheinlich bei der Einstülpung des Kopf- lappens eine Rolle spielen. Bei keiner der vorhergehenden Gattungen sind so angeordnete Stränge ausgebildet und auch in dieser Hinsicht erinnert das Gehirn des Heteromastus an gewisse Oligochaeten, bei denen ganz ähnliche Retractoren — von VEIDOWSKY !) cerebroparietale Muskeln genannt — vorkommen. Im Gegensatze zu allen bisher beschriebenen Capitelliden verlaufen bei Heteromastus die Schlundeommissuren, sowie der gesammte Bauchstrang, ausserhalb der Leibeshöhle, zwischen Haut und Ringmuskulatur fest eingewachsen. Die fibrilläre Substanz sowohl der Ganglien, als auch der Connective ist durch eine Neurilemmschicht der ganzen Länge des 'Thieres nach wohl von der Haut abgegrenzt®) ; die zelligen Elemente der Ganglienknoten dagegen lassen nur in den vorderen T'horaxsegmenten einen ausgesprochenen Habituscontrast den Hautele- menten gegenüber erkennen l), einen Contrast, der in dem Maasse, als man sich dem Abdomen nähert, immer geringer wird; in den hinteren Regionen dieses Körpertheils aber kann von einer Grenze zwischen Ganglien- und Hautzellen überhaupt nicht mehr die Rede sein‘). Mit dieser festen Einbettung des Bauchstranges zwischen die Schichten des Hautmus- kelschlauches scheint ein guter Theil der Neurilemmfunction in Wegfall zu kommen; denn dieses Gewebe ist gegenüber seiner mächtigen Ausbildung bei den vorhergehenden Gattungen hier auf ein überaus geringes Maass redueirt. Anstatt der relativ dicken Hüllen und der ausgedehnten, die Zellen- und Fasermassen durchsetzenden Gerüste treffen wir nämlich nur wenige, überaus dünne, das V orhandensein eines Neurilemmfachwerkes kaum andeutende Elemente. Ebenfalls Hand in Hand mit dieser acoelomatischen Bauchstranglage oder, was gleich a) Taf. 28. Fig. 1. b) Taf. 27. Fig. 20.G.M. ce) Taf. 28. Fig. 5. 7°. 7b. 14. B.C. d)Taf. 28. Big. 12 BG. e) Taf. 28. Fig. 13. 2.@. I) Vispowsky, F., System und Morphologie der Oligochaeten. Prag 1854 p. Ss0, IV. Heteromastus. 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. b. Die Wimperorgane. 237. betonenswerth. mit der schwachen Entwickelung des Neurilemmas geht eine überaus geringe Ausbil- dung der Neurochorde®). Sie treten überhaupt erst im 7. Leibessegmente als zwei fein zugespitzt endende, nach kurzem Verlaufe einen Durchmesser von 4 erreichende, meist hämal gelegene Röhren auf, welche weiterhin auf 6—Sp anwachsen, um diesen auffallend geringen Durchmes- ser bis zum Abdomenende beizubehalten. Die Wandungen dieser Röhren sind stets ganz dünne, scheinbar structurlose Häutchen, welche weder nach der Richtung ihres Lumens, noch nach der Richtung der Nervensubstanz hin irgend welche Fortsätze erkennen lassen. Im Einklange endlich mit alledem steht noch der, wie es scheint, vollständige Mangel der riesigen Ganglienzellen. 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. Bei ganz jungen '[hieren treffen wir auch in dieser Gattung an dem Vorderende des Gehirns, respective im Bereiche der Verschmelzung von Gehim und Ectoderm zahlreiche, an ihrer Basis mit Pigment erfüllte, lichtbrechende Zellen; diese verschwinden aber im Laufe des Wachsthums, oder lassen doch nur undeutliche Spuren zurück. Anstatt ihrer kommt dann weiter hinten, in der Hauptmasse des Gehirns, jederseits Eine solche durch ihre Grösse den provisorischen gegenüber ausgezeichnete lichtbrechende Zelle zur Ausbildung). Letztere fallen schon im frischen Organe sowohl in der Pronatio, als auch in der Supinatio als schwarze Flecke lebhaft auf und stimmen hinsichtlich ihrer Form und Structur vollständig mit den von Mastobranchus beschriebenen Sehelementen überein; nur überragen sie diese letzteren bedeutend an Grösse. b. Die Wimperorgane. Ein Blick auf die Gehirn- und Wimperorgane der drei vorhergehenden Formen einer- und auf diejenigen von Heteromastus°) andererseits zeigt uns, wie bei dieser Gattung mit der bedeutenden Formveränderung des Gehirns auch tiefgreifende Veränderungen seiner Bezieh- ungen zu den Wimperorganen einhergegangen sind. Bei ersteren Formen mehrere von einander relativ unabhängige Ganglienpaare, wovon je ein hinteres nahezu vollständig in der Innerva- tion der ebenfalls weit nach rückwärts gelegenen, im Verhältniss zum Gehime mächtig aus- gebildeten Wimperorgane aufgeht, bei der letzteren eine nahezu einheitliche Gehirnmasse, welche umgekehrt weit vorn zwei relativ sehr dünne Nerven zu den ebenfalls nach vorn gerückten und im Verhältnisse zu ihm selbst klein erscheinenden Wimperorganen ent- sendet. In allen übrigen Punkten herrscht nun aber wieder Uebereinstimmung. Insbesondere a) Taf. 28. Fig. 12. 13. Ned. b) Taf. 27. Fig. 20. 21. A. e) Taf. 27. Fig. 20. 21. Taf. 28. Fig. 1. W. O. 9938 A. Anatomisch-Histologischer Theil. treffen wir dieselben Lagerungsverhältnisse, ferner ähnliche Retractoren und endlich lässt auch die Structur vollkommen den bei den übrigen Gattungen ausgebildeten Typus wieder- erkennen. c. Die Seitenorgane. Der schon bei Mastobranchus viel weniger als in den ihm vorangehenden Gattungen ausgeprägte Gegensatz retractiler thoracaler und frei stehender abdominaler Hügel verliert bei Heteromastus noch mehr von seiner Schärfe®%). Was die Lagerungsverhältnisse der abdomi- nalen Organe betrifft, so lässt sich auch hier deren geringeres Vorspringen über die Haut- fläche mit den mangelhaft ausgebildeten und daher zum Schutze etwa weit abstehender Hügel ungeeigneten Hakentaschen in Einklang bringen. Schr bemerkenswerth ist, dass in der vor- liegenden Gattung die Seitenorgane des "Thorax diejenigen des Abdomens an Grösse über- treffen und dass sie ferner an letzterem Körpertheile nur bis zur Mitte etwa sich überhaupt vollständig ausgebildet erweisen. Von der Abdomenmitte ab rücken sie nämlich immer tiefer in die Haut, ohne dass es noch zur Ausbildung von Sinneshaaren käme: diese Organe ver- harren demnach eine ganze Strecke des Abdomens hindurch in einem unfertigen Zustande, ähnlich jenem embryonalen, welcher von den Hügeln der anderen Formen am nachwachsen- den Schwanzende als Emtwickelungsstadium durchlaufen wird. Diese unvollkommene Aus- bildung am hinteren Körperabschnitte wird uns den gänzlichen Schwund der Seitenorgane bei der folgenden Gattung weniger unvermittelt erscheinen lassen. d. Die becherförmigen Organe. Sie kommen an allen jenen Organen respective Körperregionen vor, an denen sie sich bei den übrigen Capitelliden zu finden pflegen; nur ist zu bemerken, dass dieselben, was den Rumpf betrifft, nicht so weit zurückreichen wie diejenigen des Mastobranchus, indem sie ähn- lich wie bei Notomastus und Dasybranchus auf die 'Thoraxregion beschränkt bleiben. 7. Parapodien. In den drei vorhergehenden Gattungen haben wir gesehen, dass alle Thorax-Parapodien ausschliesslich Pfriemenborsten enthalten; Heteromastus dagegen hat allein in den ersten > borstentragenden Segmenten Pfriemen-, und vom 6. respective 7. Körpersegmente ab beginnen bereits die IHakenborsten. Für seinen Thorax, welcher noch ebenso wie derjenige des Noto- mastus und Mastobranchus aus 12 Segmenten besteht, haben also die Borsten aufgehört a) Tal. 27. Big. 16. 8.7, und 8. A. Tat. 28. Kie. 34, 8. 7% Hier 6. 8,4. LV. Heteromastus. 7. Parapodien. 239 = in so auffallender Weise zur Unterscheidung vom Abdomen beizutragen. Einigermaassen thun sie dies nämlich doch, indem, wie wir noch sehen werden, die Haken des 6.— 12. Thoraxsegmentes durch Grösse und Form vor den nachfolgenden ausgezeichnet sind. Immerhin sind es aber Haken, so dass die insbesondere durch das Verhalten von Notomastus und Dasybranchus nahe gelegte Generalisation: bei den Capitelliden enthalte der Thorax ausschliesslich Pfriemen- und das Abdomen ausschliesslich Hakenborsten, schon dadurch unmöglich gemacht wird und als constanter Führer bei der Grenzbestimmung jener zwei Leibesregionen nur der Uebergangs- punkt von Oesophagus und Magendarm oder die vordere Nebendarm-Einmündung übrig bleibt. Eine weitere für unsere Form (sowie auch für die nachfolgende) in hohem Grade charakteristische Abweichung besteht in dem geringen topographisch-anatomischen Gegensatze seiner thoracalen und abdominalen Parapoddrüsen. Während bei den vorhergehenden Gattungen die abdominalen Parapodien (im Gegensatze zu den frei in die Leibeshöhle hineinragenden, keulenförmigen, thoracalen) flächenhaft ausgebreitete, wenig über die Leibeswandungen herausragende Wülste darstellen, deren drüsige Basen in ebenfalls flächenhaft ausgedehnte Spalträume des Hautmuskelschlauches (Parapodkiemenhöhlen) ragen, sind bei Heteromastus letztere Räume und somit auch Hakenwülste fast gar nicht ausgebildet. Es stehen nämlich die abdominalen Parapodien bei ihm ganz wie die thoracalen zwischen den Lücken der Längs-Stammesmuskulatur eingepflanzt und es ragen auch in Folge dessen ihre Basen direct in die Nieren- und Darmkammern. Dank solcher Anordnung kommt denn auch diesen Parapodien eine viel ausgiebigere 'Totalbewegung zu als den zu Toris umge- wandelten. Ferner herrscht bei Heteromastus im Abdomen auch kein so ausgesprochener Ge- gensatz zwischen den neuralen und hämalen Parapodien. Schon im Anfange dieses Körpertheils, wo insbesondere bei Notomastus und Mastobranchus die neuralen Tori bis zur Seitenlinie heraufreichen, haben dieselben hier vor den hämalen nicht viel an Grösse voraus und weiterhin gleicht sich selbst dieser kleine Unterschied wieder vollständig aus. Wenn aber auch in Folge dessen diese neuralen Parapodien nie so hoch gegen den Rücken heraufrücken, so stehen sie gleichwohl im Abdomenanfange höher als in dessen Mitte und Ende; das heisst sie rücken eben auch hier mit dem Sinken der Seitenlinie immer tiefer auf die neuralen Flanken herab. Dass und wie in der Abdomenendregion unserer Gattung die Parapodien auf den zungenförmigen, vicariirend respiratorisch fungirenden Segmentfortsätzen eingepflanzt stehen ®), wird sich aus dem nächsten Kapitel ergeben. Fs bleiben daher nur noch die Borsten in’s Auge zu fassen. Die Pfriemenborsten) bieten hier zum ersten Mal ein wirklich abweichendes Ansehen: sie sind nämlich relativ kurz, sehr stark S-förmig gekrümmt und zugleich im Verhältnisse zu ihrer Grösse auffallend kräftig gebaut. a) Taf. 27. Fig. 18. b) Taf. 32. Fig. 15. 16. 340 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Hinsichtlich der Haken ist die bereits erwähnte Eigenthümlichkeit hervorzuheben, dass sich diejenigen des Thorax durch Grösse und Form von denjenigen des Abdomens unter- scheiden. Die ersteren®) sind nämlich, wenn wir sie mit denjenigen der Abdomenmitte, oder gar denjenigen des Abdomenendes®) vergleichen, wahre Riesen; zugleich entbehren sie der bei den übrigen so ausgesprochenen Halseinschnürungen, sowie der deutlichen Kopf- und Zahn- bildungen. So kommt es, dass diese Haken viel mehr als irgend welche andere an Pfriemen- borsten erinnern. CLArAREDE hat, wie schon erwähnt wurde, diese Divergenz bei der erst- maligen Beschreibung unserer Form scharf derart ausgedrückt, dass er sagt: es seien hier dreierlei Borsten, anstatt wie sonst nur zweierlei vorhanden. Diese Darstellung des Sach- verhalts lässt sich aber insofern nicht ganz aufrechterhalten, als der Uebergang der thoracalen Riesenhaken in die normalen abdominalen kein plötzlicher, sondern ein allmählicher ist. Besonders die hämalen Haken der ersten Abdomensegmente erinnern sowohl durch ihre be- deutende Grösse, als auch durch ihre kleinen Köpfe und mangelhaft ausgebildeten Hälse noch sehr an die thoracalen. Weiterhin treten dagegen ausschliesslich normale, durch die Kürze ihrer Hälse ausgezeichnete, im Uebrigen aber denjenigen des Mastobranchus sehr ähnliche Haken auf. Noch sei bemerkt, dass, während im Abdomenanfange die hämalen Haken länger als die neuralen zu sein pflegen, in der Abdomenmitte umgekehrt die hämalen von den neuralen an Länge übertroffen werden. Bei Mastobranchus überragen, wie wir gesehen haben, die hämalen Haken die neuralen bis zur Abdomenendregion. 8. Respirationsorgane. Die bei Notomastus so hervorragend ausgebildeten Hakentaschen sind in diesem Genus nur im Anfange des Abdomens und auch hier nur sehr wenig entwickelt; ebenso fehlen auch jene für Dasybranchus und Mastobranchus charakteristischen retractilen Kiemenbildungen voll- ständig, Wenn wir nun von der bei allen Capitelliden mehr oder weniger stattfindenden Darmathmung, welche aller Erfahrung nach auf die Dauer allein dem Respirationsbedürfnisse nicht gewachsen zu sein scheint, absehen, um das andere, die Athmung allgemein als Neben- funetion ausübende Organsystem, nämlich die Haut, in's Auge zu fassen, so ergiebt sich die auffallende Erscheinung, dass gerade bei Heteromastus diese Haut oder besser der Hautmuskel- schlauch in den meisten Körperpartien (hauptsächlich in Folge der in diesem Genus einzig dastehenden Peritonealwucherungen) colossal verdickt, also wenig zur Respirationsthätigkeit geeignet erscheint. Aber, das Athembedürfniss hat sich gleichwohl auch hier seine Organe IV. Heteromastus. 8. Respirationsorgane. 9. Nephridien. 241 geschaffen. Der vorn glatte Leib entwickelt nämlich gegen das Abdomenende hin an seinen hinteren Segmentgrenzen im Bereiche der Parapodien ganz ähnliche zungenförmige Fortsätze ®) wie Mastobranchus, so dass auch hier, und zwar je weiter hinten um so mehr das eigenthüm- liche Ansehen zu Stande kommt, als ob die Zoniten becherförmig ineinandersteckten. Diese Fortsätze aber, von welchen bei Mastobranchus erst die specifische Kiemenbildung ausgeht, übernehmen hier selbst die Respirationsthätigkeit; denn man kann. sich bei aufmerksamer Be- obachtung davon überzeugen, wie sie sich bei normalen 'I’hieren abwechselnd mit Blut füllen und leeren. Sie schlechtweg als Riemen zu bezeichnen, davon hielten mich aber folgende Er- wägungen ab: erstens sind gerade die Fortsätze zugleich in einer höchst auffallenden Weise mit Drüsenzellen ausgerüstet, so dass ihnen wohl in eben so hohem Maasse eine secretorische wie eine respiratorische Function innewohnt, ferner gehen bei Mastobranchus (dessen Aehn- lichkeit mit Heteromastus in der gesammten Configuration der betreffenden Körperzone ein Blick auf Fig. 3. Taf. 24 und Fig. 18. Taf. 27 erweist) die retractilen Kiemen, wie erwähnt, von ähnlichen Fortsätzen aus, so dass wir die eine Bildung von der anderen, sei es progressiv oder regressiv, abzuleiten in die Lage kommen könnten. 9. Nephridien. Das Studium der Nephridien®) wird in der vorliegenden Gattung durch verschiedene, in dieser Hinsicht überaus ungünstig wirkende Organisationsverhältnisse mehr als in irgend einer der übrigen erschwert. Vor Allem ist es die Dicke der Leibeswandungen, insbesondere des Peritoneums, welche die hierbei so unerlässliche mikroskopische Beobachtung des lebenden Thieres mit wenigen Ausnahmen fast unmöglich macht; dazu kommen die drüsenreichen, nahezu undurchsichtigen Segmentfortsätze des Hinterleibes, welche gerade im Bereiche der Nephridien übergreifen. Am hinderlichsten aber ist die schon mehrfach erwähnte grosse Reiz- barkeit dieser Form, welche die Herstellung von Flächenpräparaten und damit die zuver- lässigsten Einblicke in die topographischen Verhältnisse schlechtweg ausschliesst. Indem ich so, abgesehen von einzelnen der jeweiligen Continuität entbehrenden Ergebnissen des frischen Materials, nahezu ganz auf die gerade für die Nephridienerforschung am wenigsten allein zulänglichen Resultate des Schnittstudiums beschränkt blieb, wird es verständlich erscheinen, wenn die nachfolgende Darstellung wesentliche Lücken enthält. Bei Heteromastus ist das Vorkommen von Nephridien— ähnlich wie bei Mastobranchus — auf den hintersten Abschnitt des Abdomens®) beschränkt; ich vermag aber weder den Anfangs- noch den Endpunkt ihres Auftretens, also auch nicht die Zahl der mit ihnen ausgerüsteten Seg- mente genauer, als etwa »das hintere Drittel des Abdomens umfassend« zu präcisiren. Auch ale Tata 27. Kiez 118. Taf. 28. Wis. 12K. b) Rafz34. Be. 27. €). Taf.e 23. Pig. 7% 9, Nm Zoo], Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 31 DD) A. Anatomisch-Histologischer Theil. 4 liessen sich für die Beantwortung der Frage: ob etwa in der vorderen Abdomenregion in der Regel, oder wie bei Mastobranchus ausnahmsweise, weniger ausgebildete oder degenerirte Nephridien vorkommen, an Schnitten keine Anhaltspunkte gewinnen. Aller Wahrscheinlich- keit nach werden aber ähnliche Verhältnisse wie bei der vorhergehenden Gattung obwalten. Ihre Lage haben die Nephridien auch hier ausschliesslich in den Nierenkammern, und zwar treten sie ebenfalls in der Einzahl in allen überhaupt damit ausgerüsteten Segmenten auf. In letzteren haben sie, im Gegensatze zu Mastobranchus, einen der Längsaxe des 'Thieres ziemlich parallelen Verlauf, indem sie keine Schleifen bilden. Jedes Nephridium bleibt ferner mit allen seinen Theilen auf das zugehörige Segment beschränkt, welch’ letzteres fast seiner ganzen Länge nach von ihm durchzogen wird?®). In der Nähe des vorderen Septums geht vom Körper des Nephridiums ziemlich recht- winklig ein kurzer Ast ab, welcher geradewegs zu der zwischen dem dorsalen und ventralen neuralen Längsmuskel gelegenen Spalte verläuft. Dieser Ast, dessen Flimmerstrom in den das Organ durchziehenden Ausfuhrkanal hineinführt, ist offenbar der centripetale, zur Trichter- öffnung führende Schenkel. Letztere Mündung habe ich zwar nicht aufzufinden vermocht, halte aber trotzdem das Vorkommen eines 'Trichters für überaus wahrscheinlich. Im Bereiche des hinteren Septums sehen wir als continuirliche Fortsetzung des sich allmählich verschmächtigenden Organs in derselben Richtung, aber mehr spiralig gedreht ver- laufend, einen zweiten Ast abgehen: es ist der etwas über dem neuralen Parapodium den Muskelschlauch durchbrechende centrifugale Schenkel mit der äusseren Mündung. Die Wandungen dieses centrifugalen Schenkels liessen sich niemals weiter als bis in die Haut hinein verfolgen, so dass, wenn diese Beobachtung richtig ist, die Nephridien von Heteromastus, ähnlich wie diejenigen der Capitella — bei welcher Form sich diese Verhältnisse mit viel mehr Sicherheit constatiren liessen — nicht nach aussen, sondern in die Haut münden würden; dafür spricht auch, dass in der Haut der ersteren, ebenso wie in derjenigen der letzteren Form ein mit den Excretbläschen der Nephridien identisches Pigment angetroffen wird. Die Nephridien des Heteromastus sind ähnlich denjenigen des T’rremomastus und Masto- branchus auf ihrer Unterseite fest mit der neuralen Längsmuskulatur verwachsen, so dass auch sie durch das continuirlich über sie wegziehende Peritoneum von der Jieibeshöhle abge- schlossen werden. In ihrer Structur zeigen die Nephridien unserer Form grosse Uebereinstimmung mit denjenigen des Mastobranchus; insbesondere stellen die Excretbläschen b) gleicherweise 1—3 y grosse, homogene, goldgelbe, hinsichtlich ihrer Färbung gegen Alcohol nicht resistente Tröpfchen oder Körnchen dar. Ganz ähnliche Excretbläschen erfüllen nun auch die Zellen einzelner Wucherungen des neuralen Peritoneums®); so gross ist die Uebereinstimmung der betreffenden Elemente, dass man die genannten peritonealen Wucherungen geradezu Nephridien ohne Ausfuhrkanäle a) Taf. 28. Fig. 9. Nm. b)a Rat 342 E10 02172287 e) Taf. 33. Rio. 1aunat. >87 Be. 28.2 Wen. IV. Heteromastus. 9. Nephridien. 10. Geschlechtsorgane. 243 nennen könnte. Das Peritoneum ist aber, ähnlich wie bei Mastobranchus, noch anderweitig excretorisch thätig: in zahlreichen Segmenten der Abdomenendregion nämlich pflegen dessen Zellen“) nicht schwefelgelbe oder orangefarbene Tropfen oder Körnchen, sondern viel festere, dunkelbraune meist vieleckige Concretionen zu enthalten, deren Ansehen denjenigen der Notomastus- oder Dasybranchus-Nephridien sowie denjenigen der Blutscheiben genannter Gattungen zum Verwechseln ähnlich ist; auch sind sie wie diese letzteren alcoholbeständig, überhaupt durch ähnliche chemische Resistenz ausgezeichnet. Endlich treffen wir hiermit identische Concretionen auch noch in den Blutscheiben. Dass trotz jener vielseitigen peritonealen Nierenthätigkeit auch hier noch das Blut zu solcher Function herangezogen wird, lässt sich leicht constatiren: einmal enthalten schon die normalen Blutscheibenb) die charakteristischen Excretbläschen und sodann treffen wir stark modifieirte Scheiben, welche nahezu ganz mit grösseren und kleineren Concretionen angefüllt sind. ©) So modificirte Scheiben finden sich zum Theil einzeln in der Leibeshöhle zerstreut, zum grösseren Theile aber liegen sie — ähnlich wie zuweilen bei Notomastus — haufenweise in den hintersten Abdomensegmenten, und zwar segmentweise von einer peritonealen Hülle um- schlossen 9). Es lässt sich demnach auch für diese Form constatiren, dass in dem Maasse als die Nephridien an Zahl und Höhe des Ausbildungsgrades reducirt sind, das Peritoneum und seine Derivate hinsichtlich ihrer vicariirend excretorischen Thätigkeit umgekehrt gesteigert er- scheinen. Heteromastus hat im 9.—12. Thoraxsegmente je ein Paar Genitalschläuche‘®) und für diese entsteht sowie für jene der vorigen Gattung die Frage: ob und eventuell wie sie zu Nephridien in Beziehung stehen, respective standen. Eine Beantwortung dieser Frage können wir aber hier ebenfalls nur von dem Studium ganz junger, mir leider nicht zu Gesicht ge- kommener Thiere erwarten. 10. Geschlechtsorgane. Ausgangspunkt für die Entwickelung der Fortpflanzungsproducte ist auch hier die Genitalplattef); aus ihren Zellen entwickeln sich zunächst, wie bei der vorhergehenden Gattung, in die Bauchstrangkammer hineinragende Haufen von Oosporen und Spermatosporen, welche sich sodann ablösen, um ihre weitere Ausbildung flottirend in der Leibeshöhle zu erfahren. Die Genitalplatte wird fast bis zur Schwanzregion zur Erzeugung von Keimstoffen in Anspruch genommen. Die reife Eizelle?) hat ein rothbraunes oder violettes Ansehen, welches durch ähnlich a) Taf. 33. Fig. 15. b) Taf. 35. Fig. 37. c) Taf. 35. Fig. 38. d) Taf. 28. Fig. 9. Br. r. e) Taf. 27. Fig. 16. G. Schl. P. f) Taf. 28. Fig. 6—8 Gpl. e) Taf. 1. Fig. 4. 31“ 244 A. Anatomisch-Histologischer Theil. gefärbte Körperchen des Deutoplasmas verursacht wird; ihre Grösse beträgt im Durchmesser 160 x und diejenige des ungefärbten Keimbläschens S0 p, so dass also auch hier das Durch- messer-Verhältniss von Eikern zu Eizelle wie 1:2 ist. Die Spermatogenese®) stimmt vollständig mit derjenigen der vorhergehenden Gat- tungen überein. Der sterile Keimstock bildet wie bei Notomastus eine median-neurale Wucherung der Genitalplatte; von dem bei Mastobranchus so ausgebildeten, die einzelnen Gewebselemente durchsetzenden Gerüstwerke ist keine Spur vorhanden. Seine Lage hat dieser Keimstock eben- falls im 12. Thoraxsegmente; ein weiterer Beweis dafür, dass auch diese Gattung zu den typisch mit 12 'Thoraxzoniten ausgerüsteten Capitelliden gehört. GenitalschläucheP) finden sich in beiden Geschlechtern ausschliesslich im 'Ihorax ausgebildet, und zwar vom 9.—12. Segmente je ein Paar. Die Entwickelung der Geschlechtsproduete beginnt im August, und vom October bis April finden sich stets zahlreiche reife Individuen. In der strotzend von Eiern gefüllten Leibeshöhle reifer @ konnte ich mehrmals das Vorhandensein von Spermatozoen constatiren, so dass auch für diese Gattung das Statthaben einer Copulation nicht zweifelhaft sein kann. Diese Spermatozoen waren zum Theil frei- schwimmende Einzelwesen, zum grösseren Theil aber waren sie noch zu Spermatosphären vereinigt, und dieser letztere Umstand spricht dafür, dass ein einmalig copulirtes @ wohl auf längere Dauer in sich selbst die Befruchtungsmöglichkeit birgt, indem je mit zur Ablage ge- eigneten Eiern auch zur Imprägnation befähigte Spermatozoen heranreifen können. 11. Leibeshöhle. Das Coelom von Heteromastus steht in Folge der starken Verdickung der Leibes- wandungen, insbesondere des peritonealen 'Theiles derselben, nicht nur (entsprechend der geringeren Körpergrösse) absolut, sondern auch relativ an Geräumigkeit hinter demjenigen aller anderen Formen bedeutend zurück. Dieser Ausfall, sowie auch die geringe Ausbildung der überhaupt nur im Vorderleibe vorhandenen Parapodkiemenhöhlen, wird einigermaassen durch die am hinteren Körperabschnitte im Bereiche der Parapodien auftretenden, schuppen- artig angeordneten Hautfortsätze ausgeglichen®). Es enthalten nämlich, wie schon in einem vorhergehenden Kapitel zu erwähnen war, diese secretorisch, wie respiratorisch wirksamen Lappen so umfangreiche, respective so dehnbare Coelomdivertikel, dass die gesammten Con- tenta der übrigen Leibeshöhlenabschnitte eines Segments darin Raum finden können. Im Uebrigen bietet bemerkenswerthe Abweichungen nur das Peritoneum dar. Diese Haut erreicht nämlich nicht nur, ähnlich wie bei Mastobranchus, fast an allen Stellen ihres a) Taf. 28. Fig. 16. 17. b) Taf. 27. Fig. 16. @. Schl. P. e) Taf. 27. Big. 18.121228. BieT. Re IV. Heteromastus. 11. Leibeshöhle. 12. Hämolymphe. 245 Auftretens gegenüber derjenigen der übrigen Formen eine ausserordentliche Mächtigkeit, sondern sie wird hier auch in einzelnen Regionen überdies Ausgangspunkt überaus umfangreicher segmentaler Wucherungen. Von diesen sind in erster Linie hervorzuheben: hämale, am Dache der Darmkammer je vom 6. 'Thoraxzoniten bis zur Abdomenmitte auftretende Wülste, welche bald glatt verlaufende, bald vielfach gefaltete Verdickungen darstellen ®). Im frischen Zustande erweisen sich letztere aus zahlreichen, gegen die Leibeshöhle zu abgerundet vorsprin- genden Läppchen®) zusammengesetzt, deren jedes, neben einer gewissen Menge homogenen Plas- mas, eine grosse Anzahl rundlicher, I—2 x messender Körnchen von grünlich-bräunlicher Fär- bung enthält. Diese Körnchen sind sowohl hinsichtlich ihrer Farbe, als auch hinsichtlich ihrer Substanz sehr wenig widerstandsfähig, indem in fixen Präparaten nur eine gleichmässig granuläre, ungefärbte Masse als deren Residuum angetroffen wird. Solche Präparate) zeigen auch, dass die betreffenden Wucherungen lediglich aus verschieden grossen, stellenweise durch ziemlich dicke Membranen voneinander geschiedenen Zellen aufgebaut sind, in denen die Kerne überaus unregelmässig vertheilt sind. Die Bedeutung dieser in der Capitellidengruppe einzig da- stehenden peritonealen Organe ist mir vollständig räthselhaft geblieben; klar ist nur so viel, dass sie einer Art von Drüsenfunction dienen. Von der Abdomenmitte ab bis zur Abdomenendregion (wo die Nephridien auftreten kommen ferner überaus umfangreiche neurale Wucherungen‘) vor, welche aber keine solche braunen Körnchen wie diejenigen der Darmkammern einschliessen, sondern sich histologisch genau wie die weniger verdickten peritonealen Stellen verhalten, das heisst neben der Zellsubstanz nur die charakteristischen gelben Excretbläschen enthalten). Diese Gebilde haben trotz ihres Zusammenhanges mit der Genitalplatte nichts mit der Production von Keimzellen zu thun; sie bieten im Gegentheil hinsichtlich ihrer Structur grosse Aehnlichkeit mit den Nephridien des Tremomastus dar, können aber ihrer Lage nach (abgesehen vom Mangel jedweder Kanal- bildung) auch nicht in den Kreis dieser Organe gezogen werden, trotzdem ihnen unzweifelhaft (wie hier dem Peritoneum überhaupt) eine excretorische Function in hohem Maasse zukommt. Was diesen letzteren Punkt betrifft, so ist es gewiss nicht zufällig, dass gerade in den Gattungen, bei welchen die Nephridien auf den hinteren Abdomenabschnitt beschränkt sind, das Peritoneum einen so bedeutenden Antheil an der excretorischen Thätigkeit nimmt. 12. Hämolymphe. Die Blutscheibenf) des Heteromastus zeigen hinsichtlich ihrer Grösse und Färbung eine grosse Uebereinstimmung mit denjenigen der vorhergehenden Gattung. Dagegen sind die a) Taf. 28. Fig. 5. 6. 8. P.W.h. b) Taf. 33. Fig. 19. c) Taf. 28. Fig. 15. P.W. A. Anlaty 28. Big. 8. 2. Wan. e) Taf. 33. Fig. 20. $), Tat. 35. Fig. 37. 946 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Excretbläschen hier nicht nur in den frischen Scheiben zahlreicher und fester, sondern es kommen auch, wie schon in einem der vorhergehenden Abschnitte zu erwähnen war®), von Leucoeyten eingekapselte Scheiben, respective Scheibencomplexe‘) vor, deren Inhalt zum grossen Theil aus festen, geschichteten Concretionen besteht. Zweitens werden ähnliche, nur viel grössere Concretionen®) auch frei in der Hämolymphe getroffen, und drittens endlich enthalten die hinteren Abdomensegmente von Peritonealsäcken eingeschlossene, reich mit Exeretbläs- chen gespiekte Blutmassen®). Alle diese Excretbläschen oder Concretionen zeigen eine frappante Aehnlichkeit mit denjenigen der Clistomastus- und Dasybranchus-Nephridien. a) Taf. 35. Fig. 38% b) Taf. 35. Fig. 38% c) Taf. 28. Fig. 9. Br. r. / a) Vergl. p. 243. V. Capitella. 1. Allgemeine Körperform. Bei Capitella®) ist, im Gegensatze zu allen bisher betrachteten Formen, der "Thorax auf 9 Segmente reducirt, von welchen das 1.—6. ausschliesslich mit Pfriemen, das 7. mit Pfriemen und Haken und das $. und 9. ausschliesslich mit Haken ausgerüstet zu sein pflegt. Hierauf folgen bei ausgewachsenen Thieren noch ungefähr 70—80 abdominale, ebenfalls mit Haken ausgerüstete Zoniten. Als besonders charakteristisch für das Genus ist noch der im männlichen Geschlechte ausgebildete Copulationsapparat hervorzuheben. Capitella gehört zu den kleinsten Vertretern der Familie; sie übertrifft zwar Heteromastus bedeutend im Diekendurchmesser, ist aber viel kürzer als letzterer. Dies gilt indessen nur für die neapolitanische Form, indem die nordischen Exemplare viel ansehnlichere Dimensionen erreichen. Den unmittelbar vorhergehenden Gattungen gegenüber zeichnet sich die vorliegende durch ein noch glatteres Ansehen, respective durch einen noch geringeren Gegensatz von Thorax und Abdomen aus, was hauptsächlich durch den totalen Wegfall der Hakentaschen, sowie durch die überaus geringfügige Ausbildung der Hakenwülste verursacht wird. Der Kopflappenb) ist von ungewöhnlicher Grösse; von oben gesehen erscheint er stumpf conisch, von unten gesehen erweist er sich schaufelförmig ausgehöhlt. In seiner Mitte etwa münden, ähnlich wie bei Heteromastus, die Wimperorgane. Während bei allen übrigen Capitelliden auf den Kopflappen ein der Parapodien ent- behrendes Segment, das sogenannte Mundsegment folgt, ist bei Capitella auch dieses erste Segment Parapodien tragend. Aus der nachfolgenden anatomischen Darstellung wird sich er- eben, dass das Mundsegment wahrscheinlich mit dem Kopflappen verschmolzen ist, und in [0 je} Folge dessen das erste Segment eigentlich dem zweiten der übrigen Formen entspricht. Der Thorax®) entbehrt der auffallenden, mit blossem Auge sichtbaren Täfelung; nur a) Taf. 1. Fig. 5. b) Dat. 217 Big. 1. 2. c) Taf. 27. Fig. 1—4. I48 A. Anatomisch-Histologischer Theil. mikroskopisch lässt sich auch hier das hexagonale Furchensystem der Haut constatiren. Die einzelnen Segmente des Thorax sind auffallend drehrund, fast kuglig; ihren grössten Durch- messer erreichen sie in der Mitte des genannten Leibesabschnittes; gegenüber den abdominalen ist noch ihre geringere Länge, sowie ihre scharfe Zweiringeligkeit hervorzuheben. Die abdominalen Zoniten®) erscheinen mehr abgeplattet oder, wenn die transversale Muskulatur in Function tritt, hämal beiderseits eingeschnürt; die ersten auf den 'T'horax fol- genden überragen die vorhergehenden nur wenig; weiterhin bis zum 12. etwa wachsen sie aber rasch bis zur doppelten Länge; von da ab nehmen sie wieder sehr allmählich an Länge ab, um in der Abdomenendregion®) ganz nahe aufeinander zu rücken. Der Hautmuskelschlauch ist von auffallender Schmächtigkeit; in Anbetracht des Mangels jedweder Kiemenbildung liegt es nahe, diese Verschmächtigung mit der hier um so mehr in den Vordergrund tretenden Hautathmung in Beziehung zu bringen. Entsprechend dem allgemein geringeren Contraste zwischen Thorax und Abdomen zeigt sich auch die Muskulatur beider Abschnitte von grösserer Gleichmässigkeit als bei den vorher- hergehenden Formen; insbesondere trifft man im Abdomen kein solches Ueberwiegen der neuralen Längsstämme, so dass die Seitenlinie hier einen nahezu geradlinigen Verlauf ein- hält®). Besonders mächtig entwickelt ist die transversale Muskulatur‘). Der vorderste Abschnitt des Darmkanals, der Rüssel, ist weniger voluminös als bei den übrigen Formen; auch wird er nur selten hervorgestreckt. Der Oesophagus®) oceupirt die ersten 9 Körpersegmente und bezeichnet so die Grenze zwischen Thorax und Abdomen; in dem ersten Theile seines Verlaufes ist er kropfartig er- weitert, weiterhin verläuft er als schmales Rohr. Der Uebergang in den Magendarmf) ist hier ein sehr plötzlicher; denn letzterer Ab- schnitt des Tractus ist gleich Anfangs von doppelter Breite und sticht überdies stark durch sein drüsiges Ansehen, sowie durch seine hochgelbe Färbung®) von ersterem ab. Entsprechend der viel mächtigeren Entwickelung des Magendarms machen sich auch die septalen Ein- schnürungen an ihm viel auffallender geltend. Der Nebendarm!) mündet vorn im 10. Leibessegmente, also im I. Abdomensegmente, wäh- rend bei allen anderen Capitelliden diese Verbindung noch im letzten Thoraxsegmente vor sich geht; hinten schnürt er sich etwa auf der Grenze des zweiten und letzten Körperdritt- theils ab. Der Afteri) ist inmitten einer rundlichen, hämal gerichteten, von einem Ringwulste be- srenzten Scheibe angebracht. Ausser der stark ausgebildeten Hinterdarmrinnek) ist auch noch eine oesophageale Rinne vorhanden, welche als Vorderdarmrinnel) unterschieden werden kann; beide gehen in den a) Taf. 27. Fig. 3. 4. Seg. 10. und 11. b) Taf. 27. Fig. 6. c) Taf. 29. Fig. 3—8. 8.1. a) Fig. eit. TM. e) Taf. 30. Fig. 7-9. $) Taf. 27. Fig. 7. g) Taf. 33. Fig. 2123. h) Taf. 29. Fig. 6. 7. N. D. T. Taf. 30. Fig. 9. i) Taf. 27. Fig. 6.4.59. X) Taf. 29. Fig.8.H.D.R. 1) Taf. 30. Rie.21.,82.D: Te Bio.28. KEDER. V. Capitella. 1. Allgemeine Körperform. 249 Nebendarm über, oder, wie man den Sachverhalt auch ausdrücken kann, der Nebendarm schnürt sich sowohl vorn®), als hinten von einer Darmrinne ab. Der Umstand, dass gerade bei der jeglicher Kiemenbildungen entbehrenden Capitella dieses Rinnensystem so entwickelt erscheint, spricht dafür, das genannte System und daher auch den Nebendarm mit der Respi- rationsthätigkeit in Beziehung zu bringen. Zwischen der bei den Gattungen Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus ganz coelomatischen und der bei Heteromastus umgekehrt nahezu ganz acoelomatischen Lagerung des Centralnervensystems nimmt Capitella eine vermittelnde Stellung ein: das Gehim und der thoracale Abschnitt des Bauchstranges liegen nämlich bei ihr frei in der Leibeshöhle, der abdominale Theil des Bauchstranges dagegen rückt (abgesehen von den vermöge einer Muskel- furche ihre coelomatische Beziehung theilweise festhaltenden Ganglienknoten) unter die Muskulaturb). Die oberen Schlundganglien®) haben eine grosse Achnlichkeit mit denjenigen des He- teromastus; auch werden ähnlich wie bei letzterem die Wimperorgane vom vorderen Abschnitte des zu einer Masse verschmolzenen Gehirmes innervitt. Sodann stimmt Capitella auch darin mit Heteromastus überein, dass das Neurilemma sehr schwach entwickelt ist; Neurochorde lassen sich überhaupt nicht mehr nachweisen. Diese Gattung bestätigt demnach meine schon für Heteromastus ausgesprochene Ansicht, dass zwischen der freien oder eingebetteten Lagerung des Bauchstranges einerseits und dem Ausbildungsgrade des Neurilemmas und der Neurochorde andererseits eine ursächliche Beziehung herrsche. Hinsichtlich der Sinnesorgane ist zu bemerken, dass Capitella die einzige Form der Familie repräsentirt, welche der Seitenorgane vollständig entbehrt; in hohem Grade entwickelt sind dagegen die becherförmigen Organe !). Capitella ermangelt auch vollständig der Kiemen; sie ist in Folge dessen ganz auf die Darm- und Hautathmung angewiesen. Für die gesteigerte respiratorische Function dieser beiden Organsysteme spricht die bedeutende Verdünnung des Hautmuskelschlauches, sowie das erwähnte Furchensystem des Tractus. Ausserdem wird dem Athembedürfnisse noch dadurch genügt, dass unsere 'Thiere, ähnlich wie gewisse Oligochaeten, den Hinterleib schlängelnd im Wasser hin und her bewegen. Der Gegensatz thoracaler und abdominaler Parapodien ist noch viel geringfügiger als bei Heteromastus; es kann hier kaum mehr von Hakenwülsten die Rede sein, da alle Para- podien nach Art der thoracalen als lange, mit kräftigen Retractoren versehene Keulen in die Leibeshöhle hineinragen und in Folge dessen einer grossen Beweglichkeit theilhaftig sind‘. Die Pfriemenborstenf) sind viel weniger S-förmig gekrümmt als diejenigen der vor- hergehenden Gattung; die grösste Aehnlichkeit haben sie mit denjenigen des Mastobranchus. Die Haken?) dagegen stimmen hinsichtlich ihres auffallend kurzen Halses am meisten a) Taf. 30. Fig. 9. b)ı Taf. 27.0Rie. 7. ec) Taf. 272 Pig. 7... G. Eig.,8. d) Taf. 30. Fig. 18. 2. O. ea 292 Big. 3. 7. 8. 2a. I. und 24. 2: t) Tat. 92.2 Hı22 1.9220. g) Tat. 32.,Rig., 2123. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 32 50 A. Anatomisch-Histologischer Theil. mit denjenigen des Heteromastus überein. Als eine der Capitella eigenthümliche Abweichung ist die gerade abgestutzte Kuppe der Hakenhaube zu erwähnen. Dem Körper entlang nehmen die Haken vom Abdomenanfange bis zum Schwanze hin ganz allmählich an Länge ab; in allen Regionen werden aber die neuralen etwas länger als die hämalen befunden. Die so bezeichnenden Genitalhaken‘) des 9° Copulationsapparates werden erst in S—10 mm langen jungen T'hieren angelegt, und zwar entstehen sie in den Borstendrüsen der bis dahin mit ganz normalen Haken ausgerüsteten hämalen Parapodien des 8. und 9. 'Thorax- segmentes. Lange bevor sich die Genitalhaken zu ihrer enormen Grösse heranbilden, gehen die normalen provisorischen Borsten der betreffenden Parapodien verloren. jei Capitella kommen ähnlich wie bei Mastobranchus und Heteromastus nur in einem Theile des Körpers Nephridien®) zur Ausbildung; während aber bei letzteren beiden das Abdomenende den so bevorzugten Leibesabschnitt darstellt, ist es bei ersterer umgekehrt der Abdomenanfang; während ferner bei jenen in jedem Segmente nur ein Paar auftritt, ent- wickeln sich deren bei Capitella in jedem Segmente mehrere (bis 6) Paare‘). In ausgewach- senen T'hieren pflegen Nephridien vom 1. bis zum 23. Abdomensegmente aufzutreten. Anfangs sind nur je 2—3 durch weite Abstände voneinander getrennte Organe vorhanden; weiterhin nimmt aber ihre Zahl immer mehr zu und es findet zugleich eine derartige Annäherung unter den- selben statt, dass sie zu einer schwer auflösbaren, drüsigen Masse verschmelzen. Die einzelnen Organe stellen auch hier ein- oder mehrschenkelige, durch zahlreiche Exeretbläschen gelb gefärbte Keulen dar. Sehr eigenthümlich sind die inneren Mündungen®) dieser Nephridien; dieselben bilden nämlich nicht wie bei allen anderen Capitelliden die continuirlichen Enden der centripetalen Schenkel, sondern pflegen in den Körper des Organs, also in die Schleifenregion, einzumünden; ferner erscheinen sie nicht als trichter- oder löffelförmige, sondern als kurze, in zwei Zipfel auslaufende, gabelförmige Gebilde (Wimpergabeln), und, was eimzig in der Familie dasteht, es können ihrer mehrere (bis 4) an einem und demselben Organe auftreten ®). Auch die äusseren Mündungen!, verhalten sich sehr abweichend: die centrifugalen Schenkel pflegen sich nämlich in mehrere feine Aeste zu spalten und diese münden nicht wie bei den meisten anderen Capitelliden nach aussen, sondern ebenso wie bei der vorhergehenden Gattung in die Haut. In der Haut wird auch das Exeret als sogenanntes Pigment aufge- speichert. Endlich ist unsere Form auch noch dadurch ausgezeichnet, dass junge, 2—3 mm lange Thiere von den eben geschilderten definitiven Nephridien noch keine Spur erkennen lassen; anstatt letzterer besitzen solche Juvenes vom 5.—11. Körpersegmente (das 8. mit Genital- schläuchen ausgerüstete ausgenommen!) provisorische, streng segmental angeordnete Nephri- dien. Diese provisorischen Nephridien®) (provisorische, weil sie in dem Maasse, als a) Taf. 27. Fig. 14. b) Taf. 34. Fig. 29. c) Taf. 27. Fig. 10. Nm. Taf. 30. Fig. 21—23. d) Taf. 34. Fig. 30. Taf. 30. Fig. 24, e) Taf. 27. Fig. 10. f) Taf. 30. Fig. 26. Nm. M. Taf. 34. Fig. 32. g) Taf. 30. Fig. 21. Nm. P, V. Capitella. 1. Allgemeine Körperform. 251 sich die definitiven ausbilden, der Degeneration anheimfallen ragen nach Art derjenigen der Oligochaeten mit ihren 'Trichtern je in die vorhergehenden Segmente und liegen, im Gegen- satze zu den rechtwinklig zur Körperaxe vorlaufenden definitiven, parallell zur Körperaxe gerichtet. Sie haben stets nur Einen "Trichter (Wimpergabel) und münden wahrscheinlich ebenfalls in die Haut. Bei Capitella bildet allein die Genitalplatte‘) den Heerd für die Ausbildung von Keimproducten, und zwar, im Gegensatze zu den anderen Gattungen, schon vom 1. Ab- domensegmente ab; dafür reichen aber auch die fruchtbaren Segmente entfernt nicht so weit nach hinten. Der sterile thoracale Keimstock ist nur ganz schwach durch Kernwucherungen im 5. und 6. Segmente angedeutet. Das Eimaterial bildet sich zwischen den beiden Lamellen der Genitalplatte®), und da die Eier fast bis zur Reife an ihrem Entstehungsorte festgehalten werden, so kommen hier sehr voluminöse Ovarien zu Stande®). Umgekehrt lösen sich die Spermatosporen) hier ebenfalls sehr frühe ab, um in der Leibeshöhle ihre Weiterentwickelung durchzumachen®). Auffallend ist, dass die fertigen Spermatozoen viel weniger mit den- jenigen der anderen Capitelliden, als mit denjenigen der Oligochaeten übereinstimmen. Die Genitalschläuchef) sind auf ein im 8. Segmente gelegenes Paar redueirt; sie kommen erst in etwa 1 mm langen, bereits im 5.—7. sowie 9. Segmente mit provisorischen Nephridien ausgerüsteten T'hieren zur Anlage®, und hier kann man sich denn auch auf's Un- zweifelhafteste davon überzeugen, dass Beziehungen zu Nephridien nicht mehr vorhanden sind. Bei den & entwickeln sich im Bereiche der sehr geräumigen Mündungen dieser Schläuche massenhaft Hautdrüsen, so dass ein lebhaft an das Clitellum der Oligochaeten erinnerndes Ansehen zu Stande kommth). Dass der Copulationsapparat!), der Q' erst bei S—-10 mm langen 'T'hieren zur Aus- bildung gelangt, wurde, insofern die hämalen Parapodien des 8. und 9. Segmentes als Greif- werkzeuge in Betracht kommen, bereits erwähnt. Gleichzeitig bildet sich (wahrscheinlich durch Hauteinstülpung) zwischen dem hinteren Genitalhakenpaare eine sehr voluminöse Drüse aus, deren Secret allem Anscheine nach bei der Begattung zum Verkleben der copulirenden Individuen dient; daher der für sie gewählte Name Kitt- oder Copulationsdrüse. Bezüglich der Leibeshöhle ist als ein dieser Gattung eigenthümliches Verhalten her- vorzuheben, dass die Septa in jedem Segmente im Bereiche der Nierenkammern durchbrochen sind, so dass der Inhalt successiver Zoniten nicht nur vermittelst der Bauchstrangkammer, sondern auch direct durch die Darmkammern von einem Ende des Körpers zum anderen fortbewegt werden kann. Diese abweichende Einrichtung steht wahrscheinlich mit dem gänz- lichen Wegfalle der Parapodkiemenhöhlen und Kiemen in Verbindung. a) Taf. 29. Fig. 6—8. Gpl. b) Taf. 29. Fig. 7. Ov. e) lat. 2m Bios0122°0%: d) Taf. 29. Fig. 6. An. e) Taf. 30. Fig. 33—36. f) Taf. 27. Pig. 11. 13. Taf. 29. Fig. 4. Taf. 30. Fig. 2829. @. Schl. g) Taf. 30. Fig. 21. @. Sehl. hie Tats27, JEig. 32 Ga Schl.wPp: ie Tafe, 27. Big.2. 54 Tafst29% ig. >. Mar 30. 122". 32* A. Anatomisch-Histologischer Theil. [89] DU [89 2. Haut: Im frischen Zustande bietet die Haut der Capitella in noch höherem Grade das alveoläre Anschen dar, als die der vorhergehenden Gattungen. Verschieden grosse, wasserartig durch- scheinende Flecken bezeichnen in der Flächenansicht die Drüsenzellen, und ein polygonales, dunkleres, jene einschliessendes Netzwerk die Fadenzellen. Beide uns schon hinlänglich von den vorhergehenden Gattungen bekannte Hautcomponenten lassen sich denn auch bei Capitella, sei es durch die Schnitt-, oder Macerationsmethode, demonstriren®). Was bei letzterer Form den noch exquisiteren alveolären Charakter bedingt, was ihrer Haut im frischen Zu- stande ein noch schwammigeres, scheinbar wasserhaltigeres Ansehen verleiht, das sind die ausserordentlich zahlreichen Drüsenzellen, denen gegenüber sich die Fadenzellen überaus spär- lich vertreten zeigen. Dieser Drüsenreichthum erklärt auch die copiösen Schleimmassen, welche unsere 'Thiere abzusondern vermögen. In solchem Schleime sind oft grosse Mengen von 2—5 p. langen und Y, p. breiten Stäbchen®) enthalten, und zwar häufiger in demjenigen der jugendlichen 'T'hiere, als in demjenigen der erwachsenen. Auffallend ist die geringe Mäch- tigkeit der Hypodermis gegenüber den vorhergehenden Formen‘. Wir werden sehen, dass sich die Muskelschichten ähnlich verhalten, und so liegt es gewiss nahe die Verschmächtigung des Hautmuskelschlauches bei dieser der Kiemenbildungen durchaus entbehrenden Gattung mit der Respirationsthätigkeit in Verbindung zu bringen. Bezüglich des Verhaltens der Haut in den verschiedenen Körperregionen ist zunächst hervorzuheben, dass sie ihren grössten Durchmesser im 'Thorax erreicht und weiterhin sich um so mehr verdünnt, je mehr man sich dem Abdomenende nähert). Dieser Unter- schied der Mächtigkeit erreicht jedoch niemals einen so hohen Grad wie in den vorher- gehenden Gattungen. Starke Modificationen erleidet die Haut im Bereiche der Genitalschlauchporen, und zwar in besonderem Maasse bei den zur Geschlechtsreife sich anschickenden @. Bei letz- teren®) fällt schon dem unbewaffneten Auge diese Porenregion in Form zweier rundlicher, einen grossen Theil des Leibesumfanges einnehmender, weisslicher Flecke auf, welche durch ihr gedunsenes Ansehen auffallend an die sogenannten Gürtelbildungen der Oligochaeten erinnern. Die genauere Untersuchung ergibt denn auch, dass diese Region nahezu ausschliesslich aus vergrösserten, von Secret strotzenden Drüsenzellen zusammengesetzt ist, deren Function wohl unzweifelhaft mit der Copulation, oder der Eiablage in Zusammenhang stehen wird. Umgekehrt ist eine Hautstelle bei den 9' — es ist die Einstülpungsregionf) des Copulationsapparates — dadurch ausgezeichnet, dass sie sich ausschliesslich aus Fadenzellen aufgebaut erweist. a) Taf. 30. Fig. 3-6. H. D. Z. und H. F. Z. b) als 36 Tat 1. e) Taf. 29. Fig. 1—8. 4. d) Fig. cit. e) Taf. 27. Fig. 3. Taf. 29. Fig. 4. G. Sıhl. P. f) Taf. 30. Fig. 18. H. V. Capitella. 2. Haut. 253 Hierdurch wird an dem betreffenden Orte eine Festigkeit der Wandungen geschaffen, wie sie für die Aus- und Einstülpung der überaus massigen Greifhaken nothwendig ist, und wie solche durch das losere Gefüge des alveolären Drüsengewebes kaum zu erreichen gewesen wäre. Wie bei den vorhergehenden Gattungen in einzelnen Fällen, so trifft man bei Capitella constant Drüsenzellen von zweierlei Ansehen: die einen führen einen ganz homogenen Inhalt, welcher sich — besonders mit Hämatoxylin — tief färbt, die anderen einen in Stäbchen oder Kügelchen zerklüfteten, welcher sich demselben Farbstoffe gegenüber ziemlich indifferent zeigt. Beide Formen kommen regellos nebeneinander vor®) und werden daher auch hier nur als ver- schiedene physiologische Zustände desselben Gewebselementes aufgefasst werden müssen. Gegenüber dem nahezu vollständigen Mangel der Hautpigmente bei den meisten vorhergehenden Formen ist für Capitella eine constante derartige Pigmentirung hervorzuheben. Der Vorderleib (Kopf — 'T'horax) und das Aftersegment sind durch eine rothgelbe Färbung ausgezeichnet; im übrigen Körper trifft man je nach den Individuen mehr oder weniger zahl- reiche, respective dicht gedrängt stehende gelbliche Körnchen, welche keme so auffallende 'Total- färbung des betreffenden Körperabschnittes bedingen und daher auch im Gesammteffeete nur mikroskopisch gut wahrgenommen werden können. Diese zwischen Cnticula und Hypodermis gelegenen Körnchen zeigen eine vollständige Habitusübereinstimmung mit den Exceretbläschen der Nephridien. Es hat sich denn auch ergeben, dass sie von daher stammen, indem diese Organe wie wir weiterhin kennen lernen werden — ihr Excret nicht nach aussen, sondern in die Haut entleeren. Man sieht im Bereiche der unter der Cuticula gelegenen Mündungen jener Organe die Excretbläschen angehäuft liegen und von diesen Centren aus sich über die ganze Haut zerstreuen. Experimente mit Carmin — welches unsere Thiere verschlucken, verdauen und in erster Linie mit Hilfe der Nephridien ausscheiden — haben diese Auffassung bestätigt: wie die normalen Excretbläschen, so werden auch die carmingefärbten zunächst im Bereiche der Nephridien zahlreich in der Haut, respective zwischen Cuticula und Hypodermis deponitt, und von diesen als rothe Flecken in die Augen springenden Anhäufungen aus allmählich über die ganze übrige Haut zerstreut®). Bezüglich des Näheren dieser Ausscheidungsverhältnisse, sowie meiner Ansichten über den Zusammenhang von Excret- und Pigmentbildung verweise ich auf den physiologischen 'I'heil dieser Monographie. Auf eine andere Art kommt die Pigmentirung des Vorderleibes zu Stande. Schon der Habitus seiner Färbung erinnert auffallend an die Blutfarbe und die genaue Unter- suchung ergab denn auch, dass neben kleineren 2—8 p messenden, unregelmässigen, zwischen Cuticula und Hypodermis eingeschalteten, röthlich gelben Partikeln wenig veränderte Blut- scheiben vorkommen®). Im diesen Scheiben, sowie in den genannten Partikeln — welche nichts Anderes als 'Theilstücke zerfallener Blutkörperchen darstellen — liessen sich noch die charakteristischen Excretbläschen erkennen, so dass über die Abstammung ersterer kein Zweifel walten konnte. a), Tat. 30. Kiez. 6; 9.DNZ. b) Taf. 34. Fig. 32. c) Taf. 35. Fig. 43. 254 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Demnach hat die Hautpigmentirung von Capitella zwei Quellen: die eine ist das Blut, welches wahrscheinlich einen '['heil seiner zur Weiterexistenz nicht mehr geeigneten Elemente dort aufspeichert; die andere ist das Nephridiensystem, welches seine Ausscheidungsproducte in Form der Excretbläschen ebendahin deponirtt. Wenn man aber bedenkt, dass — wie in weiterhin folgenden Kapiteln erst gezeigt werden kann — die Excretbläschen der Nephridien mit denjenigen der Blutscheiben durchaus übereinstimmen, ja in letzter Instanz die Abstam- mung (vom Peritoneum) gemein haben, so wird der Gegensatz im Ursprunge der geschilderten zwei Hautpigmente viel von seiner Schärfe verlieren. Ueber die Structur der Cuticula ist nichts Besonderes hervorzuheben; denn sie be- steht hier, ganz wie bei den vorhergehenden Formen, aus einem Gewebe feinster, annähernd rechtwinklig aufeinander gerichteter Fibrillen und zeigt sich ebenfalls von zahlreichen, den Mündungen der Drüsenzellen entsprechenden Poren durchsetzt. 3. Muskulatur. Es wurde schon in der Beschreibung der allgemeinen Körperform angedeutet, dass jener scharfe, die typischen Vertreter von Notomastus und Dasybranchus auszeichnende Gegensatz zwischen Thorax und Abdomen bei Capitella kaum ausgeprägt ist. Jener Gegensatz beruht aber in erster Linie auf dem abwechselnden Ueberwiegen der einen oder der anderen Muskellage, respective auf dem Vorwalten hämaler oder neuraler Partien solcher, und so finden wir denn bei Capitella, entsprechend der viel gleichmässigeren Körperform, auch eine viel gleichmässiger entwickelte Muskulatur. Als auffallendstes Merkmal derselben muss zunächst ihre überaus schwache Gesammtentwickelung hervorgehoben werden. Im 'Thorax®, wo sie ihre stärksten Durchmesser aufweist, erreichen letztere kaum das Doppelte der Hautdurchmesser; im Abdomenanfange®) ist hämal die Gesammtmuskulatur kaum so dick wie die Haut (neural um Weniges dicker), in der Abdomenmitte‘®), verhalten sich beide Schichten des Hautmuskel- schlauches annähernd gleich und im Abdomenende) schliesslich erscheinen sie kaum so dick, wie die betreffenden Hautstellen. Da nun auch die Haut jener der anderen Formen gegenüber eine sehr schmächtige Lage bildet, so liegt es — worauf schon früher hingewiesen wurde — nahe, die Verschmächtigung des gesammten Hautmuskelschlauches mit dem Mangel der Kiemen, respective der Hautrespiration in Zusammenhang stehend zu denken. Im 'Thorax®) hält sich Ring- und Längsmuskulatur durchschnittlich die Wage; wenigstens ist keine der beiden Schichten auffallend auf Kosten der anderen verdickt, im Ab- domen!) dagegen pflegt die Längsmuskulatur, besonders die neurale, die Ringmuskulatur an Mächtigkeit zu übertreffen. a) Taf. 29. Fig. 2—5. b)ETae 29 Bie6: e)Elars29 ie 7. d) Taf. 29. Fig. 8. e) Taf. 29. Fig. 3—5. f) Taf. 29. Fig. 6—8. V. Capitella. 3. Muskulatur. 4. Darmkanal. 259 Was nun den anderen, die Gleichmässigkeit des Körperansehens bedingenden Punkt betrifft: nämlich die Vertheilung der Längsbündel nach der Queraxe, so ist hervorzuheben, dass vom Kopfe bis zum Schwanze hin die neuralen und hämalen Stämme annähernd gleiche Bögen des Körperumfanges einnehmen. Eine Folge hiervon ist, dass die Seitenlinie, als Grenze dieser beiden Muskelregionen, bei Capitella ihrer ganzen Länge nach einen annähernd geradlinigen Verlauf einhält®), wogegen dieser Verlauf bei den übrigen Formen, wie wir ge- sehen haben, eine leicht S - förmig gekrümmte Linie beschreibt. Im Thorax®) zerfällt die Längsmuskulatur, ähnlich wie diejenige der anderen Gattungen, in zahlreiche, durch auffallend weite Abstände voneinander getrennte Bündel; im Abdomen ® dagegen geht die Verschmelzung dieser Bündel in der vorliegenden Form viel weiter als bei den übrigen: schon im Anfange dieses Körperabschnittes finden wir sie zu einer continuirlichen, nur durch die Lücken der Seitenlinie, Parapodien, Mesenterien etc. unterbrochenen Schicht verschmolzen, und als solche verläuft sie auch, abgesehen von den genannten Unterbrechungen, bis zum Körperende. Im Gegensatze zur enormen Verschmächtigung der Ring- und Längsmuskulatur zeigt die auch hier mit der peritonealen Nierenplatte verwachsene transversale Muskulatur eine relativ sehr starke Ausbildung, und zwar besonders im Thorax), wo sie vom 4. Segmente ab eine iiberaus dichte, die Nierenkammern bedeckende Lage bildet; aber auch im Abdomen ®, ist ihre Mächtigkeit, besonders gegenüber derjenigen der übrigen Muskulatur, sehr in die Augen springend. Durch die Contraction dieser Muskulatur wird jene eigenthümliche Einschnürung des sonst eylindrischen Körperquerschnittes bedingt. Histologisch erweisen sich die Stammesmuskeln durchaus vom Habitus derjenigen der Gattungen Notomastus und Dasybranchus. 4. Darmkanal. Auch hier besteht der Darmkanal aus den drei bei allen vorhergehenden Formen nach- gewiesenen Abschnitten: nämlich aus Rüssel, Oesophagus und Magendarm. Die topogra- phischen Verhältnisse zeigen sich aber insofern abweichend, als der Rüssel-Oesophagus nur 9 Körpersegmente einnimmt, so dass also der Thorax den anderen Gattungen gegenüber um 3, respective um 5 Segmente verkürzt ist. Der das Mundsegment einnehmende Rüssel zeigt hinsichtlich seiner an die Hypodermis erinnernden Structur f) und seiner mit becherförmigen Organen ausgerüsteten Papillen das typische a) Taf. 29. Fig. 3—8. 8. L. b) Taf. 29. Fig. 3—5. c) Taf. 29. Fig. 6—8. d) Taf. 29. Fig. 3—5. T. M. e) Taf. 29. Fig. 6—8. T. M. f) Taf. 30. Fig. 10. *) Nach Fischer (l. p. 10. c. p. 272) soll der Rüssel mit Cilien besetzt sein. Dies ist aber bei Capitella \ } ) ebensowenig wie bei irgend einer anderen Gattung unserer Gruppe der Fall. 956 A. Anatomisch-Histologischer Theil. er hier bedeutend redueirt. Dies steht wohl damit im Zusammenhange, dass unsere vorwiegend im Schlamme lebende Form sich des Rüssels kaum als Bohrwerkzeuges bedient, und dass sie auch sonst nicht, wie dies bei allen anderen Capitelliden die Regel ist, nahezu rhythmisch den vordersten Darmabschnitt aus- und einstülpt; bei Capitella tritt eben an Stelle dieser respi- ratorischen Rüssel-Ausstülpung die schlängelnde Bewegung des Hinterleibes. Auffallend muss aber in Folge dessen die Thatsache erscheinen, dass trotzdem die Rüsselretraetoren überaus kräftig entwickelt sind®). Diese Retractoren setzen sich auch hier an den vordersten Ab- schnitt des Oesophagus an und sind von überaus dichten Ganglienzellnetzen®) umsponnen*). Wir können aber, in der Voraussetzung, dass mit der Reduction des Rüssels diejenige seiner Retractoren nicht gleichen Schritt hielt, wohl schliessen, dass auch Capitella einst von ihrem Rüssel einen ausgiebigeren Gebrauch gemacht habe, als sie es heute thut. Der Oesophagus bietet ebenfalls einige Eigenthümlichkeiten; zunächst zeigt er in seinem Anfange, unmittelbar hinter dem Rüssel, eine kropfartige, durch das 2. und 3. Segment reichende Erweiterung, welche Strecke auch dadurch ausgezeichnet ist, dass sich das aus typischen Fadenzellen aufgebaute Wimperepithel beiderseits zu einem niedrigen, nicht wimpernden Streifen verflacht, so dass zwei seitliche Rinnen zu Stande kommen. Vom 4. Segmente ab verengert sich der Oesophagus wieder zu einem eylindrischen, bis zum 10. Seg- mente gleichmässig breit verlaufenden Rohre, und auch diese ganze Strecke ist durch solche Epithelverflachung oder Rinne, aber durch eine unpaare, neural-mediane ausgezeichnet‘). Die paarigen seitlichen Rinnen vereinigen sich demgemäss vom 4. Segment ab zu einer einzigen medianen, welche ihrerseits wiederum da aufhört, wo sich der Nebendarm abzuschnüren be- einnt®). Ich will die Gesammtheit dieser oesophagealen Rinnenbildungen im Gegensatze zu der ebenfalls in den Nebendarm übergehenden Hinterdarmrinne als Vorderdarmrinne be- zeichnen. Bemerkenswerth ist, dass, während sich die erstere Rinne gegenüber dem reducirten Hinterdarme aus einem sehr mächtigen, mit auffallend langen Cilien ausgerüsteten Epithel aufbaut, die letztere umgekehrt, gegenüber den stark drüsigen und lebhaft wimpernden Wan- dungen des Oesophagus, als ganz niedriger, gar nicht oder doch nur sehr schwach wimpern- der Epithelstreif erscheint. Während bei den übrigen Formen der Uebergang vom Oesophagus in den Magendarm allmählich vor sich geht, erfolgt derselbe bei Capitella umgekehrt sehr unvermittelt‘); denn nicht weit hinter diesem Uebergange erreicht der Magendarm schon die doppelte Breite des vorhergehenden Darmabschnittes, und diese Breite behält er annähernd bis zur Abdomenmitte bei, um sich gegen den After hin wieder allmählich zu verengern. Zu dem augenfälligeren a) Tat. 27. Big 7. Tat. 29. Kies 22 RR b) Taf. 29. Rig, 2. Taf. 30. Bie.10.,G RR Dar 30: Fig. 15. ec) Tat 30L Ries vr 10% SD: a) Ak, Bla len Ele TS ID) 1% e) Taf. 30. Fig. 9. ETaf 270 Bien 7. ‘) Auch die Angabe Fıscuer's (l. p. 10. ec. p. 272), dass der Capitella Speicheldrüsen zukommen, habe ich nicht zu bestätigen vermocht. Ich vermuthe aber, dass genannter Autor den die Rüsselretractoren umspinnenden Ganglienzellenplexus irrthümlich für solche Drüsen angesehen hat. V. Capitella. 4. Darmkanal. 257 Gegensatze von Oesophagus und Magendarm trägt auch noch der Umstand bei, dass letzterer bei Capitella eine ausserordentlich lebhafte Orangefärbung aufweist, welche zum Theil auf dem Vorhandensein ähnlich gefärbter Elemente der Darmschleimhaut beruht®), in noch viel höherem Maasse aber durch einen ebenso tingirten, in dem Darmlumen enthaltenen Saft hervorgerufen wird. Dieses gelbe, offenbar bei der Verdauung eine Rolle spielende Darmsecret kommt auch gelegentlich bei allen übrigen Capitelliden, nie aber so copiös wie bei Capitella vor. Im frischen Zustande bestehen die Magendarmzellen zum grösseren T'heil aus einer blassen, halbflüssigen, homogenen Substanz, welche leicht tropfenförmig hervorquillt, und in dieser Substanz sind verschieden grosse, lebhaft gelb oder orange gefärbte Tropfen, respective Bläschen mit mehreren solcher Tropfen, sowie solide I—3 p grosse, unregelmässig geformte Körnchen, welche farblos, gelb oder grün sein können, enthalten»). Sowohl die gelben als die grünen Elemente werden zahlreicher in gefangen gehaltenen (hungernden)®, als in frisch eingefangenen 'Thierend) gefunden, und damit steht wohl auch im Zusammenhange, dass das erwähnte gelbe Darmsecret in ersteren viel reichlicher als in letzteren enthalten zu sein pfleet. Ausser diesen hinsichtlich ihres Farbstoffes gegen Alcohol nicht beständigen Elementen kommen zuweilen auch solche gelbe Körner vor, welche sich, ähnlich den Excretbläschen oder Concretionen der Nephridien und Blutscheiben, diesem Reagens gegenüber farbenbeständig erweisen; ich glaube denn auch, dass diese in den fixen Präparaten zuweilen erhaltenen Körper®) als Producte einer excretorischen Thätigkeit angesehen werden müssen. Bei Capitella sind mir eben so wenig wie bei Heteromastus \ymphatische Zelldiver- tikel begegnet; wohl habe ich aber auch hier zuweilen coelomwärts den Darmkanal strecken- weise mit Cilien besetzt gefunden, so dass dieser Gattung gleichfalls die Fähigkeit, Portionen — wenn auch minimale — von Darmzellsubstanz durch die peritonealen und muskularen Schichten hindurch nach der Leibeshöhle zu strecken, nicht abgehen dürfte. Gerade in un- serer Form hatte ich überdies Gelegenheit, eine für diese Fähigkeit der Darmzellsubstanz interessante Beobachtung zu machen: eine bei der mikroskopischen Untersuchung des frischen Darmes aus dem verletzten Epithel hervorgequollene, etwa 10 x im Durchmesser grosse Zell- portion entwickelte nämlich eine ungefähr 6 » lange Geissel, welche mehrere Secunden hin- durch lebhaft hin und her schwang und sodann plötzlich wieder zurückgezogen wurde; hierauf kam die nun kugelförmig abgerundete Masse von Neuem zur Ruhe. Die Hinterdarmrinnef) ist sehr ausgeprägt; sie beginnt auf der Grenze des zweiten und dritten Dritttheils der Gesammtkörperlänge, da wo der Nebendarm aufhört, und erstreckt sich bis in die Nähe des Afters; ihre Structur ist hier wegen der Kleinheit der Elemente schwerer als bei den anderen Formen zu erkennen. Dagegen ist leicht festzustellen, dass die übrigen Wandungen des Magendarms sich im Wesentlichen ähnlich denen der vorhergehenden Gattungen verhalten. Die Darmzellen 8) bilden nämlich ähnliche, wahrscheinlich durch Sprossung a) Taf. 33. Fig. 21. 22. b) Taf. 33. Fig. 22° und 22°. c) Taf. 33. Fig. 21. d) Taf. 33. Fig. 22°. e) Taf. 33. Fig. 23. {) Taf. 29. Fig. 8. H.D.R. eg) Taf. 30. Fig. 13. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 33 958 A. Anatomisch-Histologischer "Theil. zu Stande gekommene, mit Nervenendigungen versehene Complexe, und es gelang mir auch hier der Nachweis, dass sie mit der Darmmuskulatur in eontinuirlicher Verbindung stehen, also Epithelmuskelzellen®) darstellen. Der Nebendarm beginnt, entsprechend der dieser Gattung eigenen Reduction des Thorax, im 10. Körpersegmente, also im 1. Abdomensegmente, während er bei den übrigen Gattungen im letzten Thoraxringel zu münden pflegt. Von da erstreckt er sich bis zum An- fange des letzten Dritttheils der Körperlänge, also bis zur Hinterdarmrinne. Er liegt hier ähn- lich wie bei Heteromastus seiner ganzen Länge nach dem Hauptdarme fest an»), und da auch bei Capitella der median-neurale Epitheleinschnitt des Magendarms stark ausgeprägt und in Folge dessen die Wandungen des letzteren gerade über dem Nebendarme verdünnt sind, so kommt es, wie bei Heteromastus, nicht selten vor, dass die Haupt- und Nebendarm trennende Scheidewand einreisst und in Folge dessen der Nebendarm nur als neurale Rinne des Haupt- darms erscheint ©). Sowohl die vordere, als die hintere Mündung des Nebendarmes lassen sich bei Capitella leicht nachweisen. Vorm geschieht die Abschnürung®) vom Hauptdarme ziemlich plötzlich, und zwar derart, dass ein Stück der Darmschleimhaut, respective der in das Darmlumen hineinragenden Falten mit abgeschnürt wird; hinten geschieht die Abschnürung umgekehrt sehr allmählich, indem sich eben der Nebendarm continuirlich in die Hinterdarmrinne fort- setzt; besonders bei jungen Thieren lässt sich dieser unmittelbare Uebergang der beiden Bil- dungen gut nachweisen. Hinsichtlich seiner Structur weicht auch hier der Nebendarm®, abgesehen von der Mächtigkeit der Wandungen, wenig vom Hauptdarme ab; man findet sogar in seinen Zellen häufig ähnlich gefärbte Elemente wie im Hauptdarme. Zum Schlusse möchte ich noch betonen, wie dem Vorhergehenden zufolge bei Capi- tella der ganze Darmkanal mit einem mehr oder weniger geschlossenen, neural gelegenen Kanalsysteme ausgerüstet ist, welches mit dem After, respective der Hinterdarmrinne beginnend in den Nebendarm führt und aus diesem in die Vorderdarmrinne übergeht, um am Munde zu enden. ‚Ich hatte schon in den betreffenden Beschreibungen der vorhergehenden Gattungen zu erwähnen, dass bei den Capitelliden eine starke, durch Cilien hervorgerufene Strömung in den After hineinführt und dass die Hinterdarmrinne wohl die Aufgabe habe, diese Strömung, respec- tive die Einfuhr von Wasser zum Behufe der Athmung zu befördern. Hier bei Capitella, deren Hinterdarm sich häufig rhythmisch oder pumpend contrahirt, kann man nun, besonders bei jungen Thieren, diese vom Schwanze nach dem Kopfe zu gerichtete Strömung oft bis zum Bereiche des Nebendarms hinauf verfolgen, und so gewinnt das erwähnte, bei ihr in so viel grösserer Vollständigkeit und Continuität ausgebildete Kanalsystem eine um so höhere Bedeu- tung, als ja gerade ihr die allen anderen Formen in höherem oder geringerem Maasse zu- kommenden äusseren Kiemenbildungen durchaus abgehen. a) Taf. 30. Fig. .14. ı | b)'Tafı 29. Fig. 6. MD! ve) Ter.l29.lRie. DINIDAN TER 30, ig.9, e) Taf. 30. Fig. 16. 17. ty bi > V. Capitella. 5. Centrales Nervensystem. 5. Centrales Nervensystem. Das Gehirn?) der Capitella ist demjenigen des Heteromastus sehr ähnlich; es besteht nämlich ebenfalls aus einer oberflächlich, besonders hämal, durch eine mediane Längsfurche eingeschnittenen, distal in zwei mächtige Lappen auslaufenden Masse, aus deren Faserkern die Schlundring-Commissuren entspringen. Auch bezüglich der Lage der Wimperorgane er- innert Capitella an die vorhergehende Gattung, indem bei ihr diese Organe ebenfalls weit vorne liegen und demgemäss vom vorderen Gehirntheile innervirt werden. Endlich hat unsere Form auch die oligochaetenartigen, cerebroparietalen Muskeln; nur sind bei ihr die bei Hetero- mastus paarigen Stränge zu einem einzigen, sich an der Medianlinie des Organs inseriren- den, verschmolzen. Bei allen vorhergehenden Gattungen nimmt das Gesammtgehirn den Kopflappen nebst zwei Körpersegmenten ein, und zwar occupiren die oberen Schlundganglien den hinteren Theil des Kopflappens plus vorderem Abschnitte des unbeborsteten Mundsegmentes (ersten Leibessegmentes), der Schlundring den übrigen Theil dieses Segmentes und die unteren Schlund- ganglien das zweite Leibessegment, welches auch das erste borstentragende ist. Bei Capitella dagegen nimmt auffallenderweise das Gesammtgehirn, ausser dem Kopf- lappen, nicht noch zwei Leibessegmente, sondern nur noch ein solches ein; es liegen näm- lich von den Schlundganglien die oberen total im Kopflappen und das untere im ersten Leibesseg- mente®). Da nun bei Capitella, im Gegensatze zu allen anderen Gliedern der Familie, dieses erste Leibessegment schon borstentragend ist, so haben mich die erwähnten Lagerungsverhält- nisse ihres Gehirns, im Vereine mit der bedeutenden Ausdehnung ihres Kopflappens, auf den Gedanken gebracht, dass bei ihr das erste borstenlose Leibessegment oder Mundsegment der anderen Formen eingegangen, respective mit dem Kopflappen verschmolzen sei, und wir demge- mäss, in morphologischem Sinne, im Kopflappen das erste Leibessegment mitzuzählen hätten. Während bei Heteromastus nur die oberen Schlundganglien eine coelomatische Lage haben und die übrigen Abschnitte des Gehims sowie der ganze Bauchstrang zwischen Mus- kulatur und Haut eingebettet verlaufen, liegt bei Capitella sowohl das Gehirn, als auch der dem Thorax zugehörige Theil des Bauchstranges (also die ersten 9 Segmente hindurch) ganz frei in der Leibeshöhle ©). Vom 10. Segmente, respective vom Anfange des Abdomens ab geht da- gegen der Bauchstrang eine innige Verbindung mit dem Hautmuskelschlauche ein®); es kommen nämlich die Connective im Anfange des Abdomens zwischen Ringmuskulatur und Haut und weiterhin gegen das Abdomenende sogar in die Haut selbst eingebettet zu liegen, wogegen die Ganglienknoten zwar ebenfalls dem Hautmuskelschlauche fest anliegen, aber nie ale Dat. 27. Kız. le b) Bat 27-2 Rig. G= und GUNG: eh Taf 27. Big 7. DBEGERATaR. 29. Fig. 2—6. B. G. und B. C. a) Taf. 29. Fig. 6—8. 3..C. Taf. 27. Fig. 7. B.G. 4. 33*r 960 A. Anatomisch-Histologischer Theil. unter die Muskulatur rücken, so dass also im abdominalen "Theile des Bauchstranges die Ganglien eine coelomatische und die Connective eine acoelomatische Lage haben. Die feste Verbindung der Unterseite dieser Ganglien mit der Ringmuskulatur, sowie die freie lage ihrer Oberseite nach der Leibeshöhle hin sind dadurch ermöglicht, dass die ventralen neu- ralen Längsmuskelstränge nahezu dem ganzen Abdomen entlang nicht wie bei den anderen Formen nur durch einen medianen Spalt, sondern durch eine breite Lücke von einander ge- trennt sind®). Das verschiedene Verhalten der Connective und Ganglien zur Leibeshöhle ist, wie ich schon an einem anderen Orte erwähnt habe”), auch Sermrer aufgefallen; nur dehnte letzterer Autor dieses Verhalten mit Unrecht auf den ganzen Rumpf aus, indem ja dem Thorax entlang sowohl Ganglien, als Connective eine ganz freie Lage im Coelom behaupten. Bei Capitella tritt die bilaterale Symmetrie des Bauchstranges schärfer als in irgend einer der vorhergehenden Formen hervor, und zwar besonders an den Connectiven. Im thora- calen Abschnitteb) verlaufen zwar diese letzteren meist nahe aneinandergerückt, im abdomi- nalen) dagegen rücken sie, je weiter hinten, um so mehr auseinander und es würde so ein förmliches Strickleiter-Nervensystem entstehen, wenn diese Connective nicht wieder in jedem Ganglienknoten mit einander zur Verschmelzung kämen. Bei Heteromastus haben wir gesehen, dass mit der innigen Verbindung von Bauchstrang und Hautmuskelschlauch eine auffallend mangelhafte Entwickelung des Neurilemmas sowie der Neurochorde einherging; bei der hinsichtlich des Bauchstranges sich ähnlich verhalten- den Capitella treffen wir nun ebenfalls das Neurilemma überaus schwach ausgebildet und — was ÜLAPAREDE schon constatirt hat — die Neurochorde fehlen ganz und gar. Semrer’s Angabe, dass bei Capitella der mediane Ganglienzellenbelag durch den ganzen Wurm hindurchgehe, beruht auf einem doppelten Irrthume: erstens kann bei unserer Form eben so wenig von einem derartigen medianen Belag die Rede sein wie bei den anderen, indem der Anschein eines solchen Belages auch hier nur an jenen Orten zu Stande kommt, wo Spinalnerven abgehen; zweitens weicht aber auch, abgesehen davon, bei Capitella die Ver- theilung von Zellen und Fasern durchaus nicht von der bei den anderen Gattungen herrschen- den ab, indem die Zellen auch bei ihr lediglich auf die Ganglienknoten beschränkt sind; ja sogar in noch höherem Maasse als bei ihren Verwandten, da sich bei letzteren wenigstens in den Connectiven stellenweise einzelne Zellen eingestreut finden, bei ersteren hingegen nicht. Damit ist auch implicite schon die weitere Angabe Semrer’s widerlegt, derzufolge die Bauch- strangeonnective mit ihren zelligen Elementen in die Haut übergingen. Es kommen eben auch bei Capitela an keinen anderen Stellen als am Kopfe und Schwanze solche Ver- schmelzungen von Haut- und Nervenelementen vor. a) Taf. 27. Fig. 10. B. G. Taf. 29. Fig. 6—8. L. M.n. b) Tat.,29.Eig.03. 4B.r2C. e) Tat, 29. Fig. 6—8. B. C. a) Vergl. p. 53. V. Capitella. 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. b. Die Wimperorgane. c. Die Seitenorgane. 361 6. Sinnesorgane. a. Die Augen. Während bei den übrigen Capitelliden die Sehorgane stets inmitten von Gehirngang- lienzellen angetroffen werden und höchstens mit ihren das Licht brechenden 'Theilen der Haut sich nähern, liegen dieselben bei der uns beschäftigenden Gattung an den äussersten Enden der zwei Gehirnschenkel, unmittelbar unter der Haut®), und auch dies gilt nur für die erwachsenen Individuen, indem bei den jugendlichen die Haupttheile der Sehzellen sogar in der Haut selbst eingebettet liegen und nur an ihren Basen von den distalen Enden der beiden Gehirnschenkel umfasst werden. Dem mit dem Wachsthume einhergehenden Tiefer- rücken der Sehelemente ist es auch zuzuschreiben, dass sie bei jugendlichen 'Thieren so viel deutlicher hervortreten als bei erwachsenen. Das Capitella-Auge ist ebenso wie das definitive der vorhergehenden Gattung nach dem Typus des Mastobranchus-Auges gebaut, das heisst es wird in jeder Kopfhälfte durch eine Seh- zelle repräsentirt, deren basaler Theil von Pigment erfüllt und deren distaler Theil in einen kugeligen, lichtbrechenden Körper umgewandelt ist. b. Die Wimperorgane. Entsprechend der grossen Uebereinstimmung der Gehirne von Heteromastus und Capi- tella ist auch die Topographie der Wimperorgane®) in beiden Formen eine nahezu identische. 5 I Es walten daher zwischen den entsprechenden Organen dieser und denjenigen der drei ersten to! {eo Gattungen alle jene Unterschiede, welche bereits als zwischen Heteromastus und jenen be- stehend gekennzeichnet wurden. Im Hinblicke auf Heteromastus bleibt nur das eine ab- weichende Merkmal hervorzuheben, dass bei Capitella die — ebenfalls ziemlich weit vorm hämal aus der Gehirnmasse entspringenden — Nerven die Wimperorgane nicht im Bereiche des hinteren, hier von einem starken Retractor occupirten, sondern umgekehrt, mehr im Be- reiche des vorderen Poles treffen. c. Die Seitenorgane. Capitella ist der einzige Vertreter der Familie, welchem die Seitenorgane vollständig fehlen. Da nun bei Heteromastus diese Organe nur noch am Vorderleibe zu vollkommener Ausbildung gelangen, so könnte man sich unsere Form als das Endglied einer Reihe denken, a) ‚Taf. 27. Fig. 8. 4. bj Tate 27-2 Big. 8. Taf. 29 Bis. 1. 70; 62 A. Anatomisch-Histologischer Theil. welche einst das allmähliche Eingehen dieses bei Notomastus etc. so ausserordentlich ent- wiekelten Systemes in zahlreichen Uebergangsstufen verkörperte. Fragen wir uns aber nichts- destoweniger speciell bei Capitella nach dem etwaigen Grunde solcher Riückbildung, so liegt es nahe sich zweier, dieser Gattung zukommender Eigenthümlichkeiten zu erinnern, welche, im Grunde aus einer Quelle stammend, wohl geeignet sein konnten, das Fortbestehen etwa vor- handen gewesener Seitenorgane zu gefährden: nämlich erstens die bedeutende Verschmächti- gung des Hautmuskelschlauches, speeiell der Haut, und zweitens die von diesen Thieren ange- nommene Gewohnheit, den grössten Theil des Körpers nach Art gewisser Oligochaeten peitschenförmig im Wasser hin und her zu bewegen; beides Acquisitionen zum Behufe einer durch den Wegfall aller Kiemenanhänge nothwendig gewordenen energischeren Haut- athmung. d. Die becherförmigen Organe. Im Gegensatze zum Ausfalle der Seitenorgane sind die becherförmigen Organe bei Capitella sehr entwickelt. Besonders der Kopflappen ist überaus dicht mit solchen besetzt; ferner kommen sie zahlreich am Rüssel sowie Thorax®) vor und — es finden sich endlich auch einzelne am Abdomen zerstreut. Das Factum, dass sich hier die betreffenden Organe viel weiter nach hinten erstrecken als bei Notomastus, Dasybranchus und Heteromastus, könnte dazu einladen, darin eine Art von Compensation für den Ausfall der Seitenorgane zu er- blicken, wenn nicht bei Mastobranchus neben vollkommen ausgebildeten Seitenorganen eben- falls becherförmige Organe dem ganzen Abdomen entlang zerstreut vorkämen. Auch diese Sinneshügel bieten keinerlei Differenzen in Form-, Lagerungs- oder Struc- turverhältnissen von denjenigen des Notomastus etc. dar, weshalb ich in allen diesen Bezieh- ungen auf die Beschreibung der letzteren Gattung verweise. 7. Parapodien. Capitella theilt mit Heteromastus die Eigenthümlichkeit, dass ihr ‘Thorax nur im vor- deren Abschnitte mit Pfriemenborsten, im hinteren dagegen mit Haken ausgerüstet ist, und zwar mit Haken, welche sich, im Gegensatze zu dem entsprechenden Verhalten des Hetero- mastus, in Nichts von den abdominalen unterscheiden®). Bezüglich der Grenze dieses Ueberganges herrschen nun ziemlich abweichende Angaben. Von CrArarkpe!), der sich zuletzt systematisch mit Capitella befasst hat, wurden alle hierauf bezüglichen Angaben zusammengestellt und zugleich das Verhalten unserer neapolitanischen Form berücksichtigt. Die betreffenden Stellen lauten: l NLSPESeH p> 2 V. Capitella. 7. Parapodien. 263 »Relativement ä la distribution des oies, il y a quelques divergences entre les auteurs. M. Oursten attribue des soies subulees aux faisceaux externes seulement des segments 4 a 6. M. van BENEDEN indique des soies toutes subulces aux faisceaux internes et externes des six premiers segments; dans le 7" et le S"® chaque faisceau serait compose de six soies subulees et de deux crochets; enfin, a partir du 9”® segment on ne trouverait plus que des crochets. Moi-meme j’ai indique chez les Capitelles des Hebrides rien que des soies subulees a tous les faisceaux des sept premiers segments, et rien que des erochets a tous les suivants. A Naples, je trouve regulierement pour les adultes la distribution suivante: Chez les © les six premiers segments (buccal compris) ont quatre faisceaux de soies subuleces chacun. Au 7" segment les faisceaux externes n’ont que des soies subuleces, mais le faisceau interne est forme dans sa moitie externe par des soies subulees, dans sa moitie interne par des erochets. Des le S"° segment on ne trouve plus que des crochets. Chez les g' les six premiers segments n’ont que des soies subul6es a tous les faisceaux. Au 7"”° segment le faisceau externe est form& de huit a dix erochets, suivis en dedans d’une soie subulee et le faisceau interne compte A peu pres autant de soies subulees (en dedans) que de erochets (en dehors). Le 5"* et le 9"° segment n’ont que des crochets aux faisceaux externes, les faisceaux internes sont modifies pour former lappareil copulateur; des le 10”° segment les quatre faisceaux sont formes exclusivement de crochets. Toutefois cette description n'est vraie que des adultes. Les embryons, dont je deeriraı le developpe- ment dans une autre occasion, n’ont pas de soies au sortir de l’oeuf, mais au bout de quelque temps les soles se forment dans une serie de segments et cela au nombre d'une seule par faisceau. Je fus tres- etonne de voir chez tous ces jeunes individus les trois premiers segments seuls munis de soies subulces, et les erochets apparaitre deja au quatrieme. Il ne pouvait y avoir de doute sur lidentite specifique des jeunes et des adultes, car les embryons &taient Cclos, dans mon aquarium, d’oeufs pondus sous mes yeux. Üette restriction des soies subuldes aux trois premiers segments se maintient pendant une longue periode de la croissance du ver, meme ä l’epoque oü les soies de chaque faisceau sont devenues nombreuses. Le ver a deja acquis plus du tiers de sa taille definitive lorsque les soies en crochet du quatrieme au sixieme segment tombent successivement pour etre remplacces par des soies subulces, et l’on trouve ä cette epoque une foule de variations dans la distribution des segments 5 a 7«. Ich selbst fand unter den zahlreichen von mir untersuchten Individuen zwar zuweilen auch solche, auf die sich der von ÜrLArarepE aufgestellte Typus der Borstenvertheilung anwenden liess, viele aber zeigten ein davon abweichendes Verhalten. Um nun einmal fest- zustellen, in wie weit hier Alter, Geschlecht, oder aber Variabilität ihren Einfluss geltend machen, habe ich eine gewisse Anzahl männlicher, weiblicher, sowie auch noch geschlechts- loser *) Individuen speciell auf diesen Punkt hin geprüft und tabellarisch zusammengestellt. *) Als geschlechtslos wurden alle diejenigen Individuen betrachtet, welche weder Anlagen von Ovarien (die bei den © sehr frühe auftreten), noch Anlagen von Genitalhaken (die bei den 9! der Keimstoffentwicke- lung lange vorausgehen) erkennen liessen. Aus den tabellarischen Zusammenstellungen ergibt sich, dass der zeitliche Eintritt dieser Geschlechtscharaktere sehr schwankend ist, so dass $S—12 mm lange Thiere sowohl in den Listen der Q' und © als auch in derjenigen der Juvenes figuriren. 264 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Liste über die thoracale Borstenvertheilung: ar @ | | Ausschliesslich | Haken- und Pfriemenborsten h i Länge des Thieres | Pfriemenborsten ent- | gemischt AaEEONostie in.mm: haltende | enthaltende Thoraxsegmente akangfrs end agllugnz | Thoraxsegmente : 2 eeemenlS | | neural: hämal: | | | >) 1.—6. | 7. Haken | 7. gemischt 8.—9. | I 10 ” 7. Haken | 7. gemischt | 5 12 „5 | 7. gemischt | 7. Haken ; 15 en 7. Haken 7. gemischt 5 17 | e rechts Pfriemen 17 | 22 '. Haken 1. links Haken ZN 20 | 5 7. Haken 7. Pfriemen s 22 3 7. Haken 7. Pfriemen 25 30 | 5 | 7. Haken | 7. Pfriemen | 5 | | I | | Ss 1.—. | 6. gemischt 6. Pfriemen 1.—9. 10 Mn | 6. Haken 6. Pfriemen 35 | | 12 1.—6 | 7. Pfriemen | 7. gemischt 8.—9. 12 en | 7. Haken 7. gemischt s | | 20 | er 7. Haken 7. Pfriemen ae 20 * | 7. gemischt 7. Pfriemen | 3 20 1.—5 6. gemischt 6. Pfriemen leo 20 1.—7. | —> | = h | 25 1.—6 7. gemischt 7. Pfriemen 8.—9. 25 | 2 7. Haken 7. Pfriemen a | | | = = . 25 Er | 7. Haken 7. gemischt x | J5 | 7. rechts Pfriemen| 7. Pfriemen | 5 ’ * links gemischt : | ” Ir 7. rechts Pfriemen' 7. rechts Pfriemen n | ” | " links Haken " links gemischt | 22 40 1.—7 | —— = » I | V. Capitella. 7. Parapodien. 265 c. Geschlechtslose. |] ——— Ausschliesslich Haken- und Pfriemenborsten R e Länge des Thieres Pfriemenborsten ent- gemischt SuESEITONEN in mm: haltende enthaltende Thoraxsegmente : [akenäisEsn SE A segmente: Thoraxsegmente: e | = neural: hämal: | 1 1.—3 — Zur | Ar:g 165 | 2 | — Sue) i B) | | ze ud, | | | 2 | DE 4. gemischt 4. gemischt 5.—9. | | 25,9 B _ — | 4.—9. 25 | 5 4. Pfriemen 4. Haken 5.—9 Sr 5. gemischt 5. Pfriemen | ER 3 1. 4. | 6. Haken 6. gemischt | Je 9. R | 5 . 3,5 1.—3 | 4. gemischt 4. gemischt 9.—9. 3,9 1.—4. | — — 3.—9. | r ale ”- rechts Haken r rechts Haken Pula 3,5 1.—4 | >» Jinks gemischt 9 Jinks gemischt | 6.—9. 4 | 1.—3. 4. Haken 4. Pfriemen | 5.—9. 4 | 4: en = | gig, | 4,5 “ 5. gemischt 5. gemischt | 6.—9. 5 er — — 9.—9. 5 FR 5. Haken 5. gemischt | 6.—9. | 5 1.—. 6. Haken 6. Pfriemen | 1.—9. 5 1.—5. 6. gemischt 6. Pfriemen 7.9. s 1.—6. — — 7.—9. 10 1.—4. 5. gemischt 5. Pfriemen DEU 10 | 1.—5. 6. gemischt 6. Pfriemen | an | 10 | 1.—5. 6. Haken 6. Pfriemen Kr | | I 10 | 1.—6. — — | | | 10 | Be 7. gemischt 7. gemischt | 8.—9. | 10 „ | 7. Haken 7. gemischt | on 12 n 7. Haken 7. gemischt | % Aus diesen der Grösse der Thiere nach geordneten Listen ergiebt sich nun, dass in den meisten Fällen, sowohl bei 9', als auch bei @ von einer gewissen Grösse an (etwa von S—10 mm Körperlänge an), die ersten 6 Thoraxsegmente ausschliesslich mit Pfriemenborsten ausgerüstet sind; dass ferner bei ebendenselben im 7. Segmente ein durchaus jeder Regel sich wider- setzendes Variiren im Auftreten von Pfriemen- und Hakenborsten stattfindet; dass endlich vom 8. Segmente ab in allen Fällen nur noch hakentragende Parapodienf angetroffen werden, Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden., 34 966 A. Anatomisch-Histologischer "Theil. Von den ihr Geschlecht noch nicht manifestirenden Thieren (Liste ec.) besitzen die jüngsten, etwa I—-3 mm langen, nur in den drei ersten 'Thoraxsegmenten Pfriemenborsten, im vierten zuweilen gemischte Bündel und im Uebrigen ausschliesslich Haken; solche von 3—5 mm haben schon in vier Segmenten reine Pfriemenbündel und im fünften gemischte; solche von 5—10 mm sodann haben in fünf Segmenten Pfriemenbündel und im sechsten gemischte, und von da ab endlich treten die in den beiden anderen Listen (a. und b.) berührten Verhältnisse auf. Es bestätigt sich demnach das so paradoxe, von ÜLAPAREDE zuerst constatirte Factum, dass die Juvenes der Capitella nur an den drei ersten 'T’horaxsegmenten Pfriemenborsten, und an den drei nachfolgenden (welche an Erwachsenen stets ebenfalls ausschliesslich mit Pfriemen- borsten ausgerüstet gefunden werden) zunächst nur Haken besitzen‘®). Der an diesen letzteren drei Segmenten allmählich stattfindende Borstenwechsel geht aber, wie unsere Listen zeigen, ebenfalls ganz regellos vor sich. Dass bei Capitella im Gegensatze zu allen übrigen Gattungen schon das erste Körper- segment borstentragend ist, hatte ich bereits in dem die allgemeine Körperform behandelnden Kapitel hervorzuheben: in einem anderen versuchte ich sodann, auf gewisse Abweichungen der Lagerungsverhältnisse des Gehirnes gestützt, den Nachweis zu führen”), dass dieses erste Körpersegment eigentlich dem zweiten aller übrigen Familienglieder entspreche, indem das Mundsegment hier wahrscheinlich eine Verschmelzung mit dem Kopflappen erlitten habe. Der schon bei Heteromastus bedeutend verringerte Gegensatz thoracaler und ab- dominaler Parapodien verliert bei der vorliegenden Gattung noch mehr an Schärfe. Ab- gesehen von der etwas bedeutenderen Grösse und Retractilität der vordersten, kann man sagen, dass sie der ganzen Körperlänge nach l,ocomotionsorgane von einheitlichem, und zwar thora- calem Typus besitze, also frei in die Leibeshöhle ragende, zwischen Spalten der Längsmus- kulatur eingepflanzt stehende Keulen, welche alle mit zahlreichen Protrusoren ausgerüstet sind®). In Folge des Mangels an umfangreichen Hakenwülsten und Parapodkiemenhöhlen hat denn auch die neurale Längsmuskulatur, respective die Seitenlinie keinen Einfluss mehr auf die Lagerungsverhältnisse der Parapodien: wir finden sie dem ganzen Körper entlang in allen Segmenten gleichmässig sowohl neural, als hämal zwischen den respectiven ventralen und dorsalen Längsmuskelsträngen gelegen, also auch in dieser Hinsicht durchaus von thoracalem Verhalten ©). Die Pfriemenborsten) sind entfernt nicht so stark S-förmig gekrümmt und mit relativ so breiten Säumen versehen wie diejenigen von Heteromastus; am meisten stimmen sie von den vorhergehenden Gattungen mit denjenigen des Mastobranchus überein. Die Haken) dagegen, welche neural stets länger als hämal sind und von vorm nach hinten ganz allmählich an Länge abnehmen, erinnern sehr an die kürzeren der Abdomenmitte Bien 12 Base bi Tat. 29. Biawo. ne Ss. chd 1. vndeRa.A: ce) Fig. eit. d) Taf. 32. V. Capitella. 7. Parapodien. 267 l l von Heteromastus; wie jene haben sie einen gedrungenen Bau und auffallend kurze Hälse. In Bezug auf die Hakenköpfe und ihre Zähnchen lassen sich weder der Form, noch der Zahl nach irgend welche Abweichungen constatiren; dagegen ist für die Hauben charak- teristisch, dass deren Kuppen nicht abgerundet, sondern flach abgeschnitten endigen. Wir verdanken van BENEDEN!) die erste Kenntniss des Q' Copulationsapparates, dessen auffallendster 'Theil aus einer Anzahl bis 500 p langer, entsprechend kräftig gebauter Haken besteht®). CrararepE?) hat sodann gezeigt, dass diese zwei dem 7. und 8. Segmente zuge- hörigen, hämal gelegenen Copulationsborsten-Bündel nichts Anderes sind, als die so modificirten hämalen Parapodienpaare derselben Segmente. Dass dem in der That so ist, ergiebt sich schon aus der T'hatsache, dass sie gerade da ihre Lage haben, wo die normalen Parapodien liegen müssten®,; ich kann aber dafür noch schlagendere Beweise geben: die jugendlichen 'Thiere lassen nämlich an denjenigen Segmenten, an welchen später die Genitalhaken aufzutreten pflegen, noch keine Spur solcher erkennen; ihre hämalen Parapodien unterscheiden sich in Nichts von denjenigen der übrigen hakentragenden Segmente. Erst nachdem diese Juvenes eine Länge von S—10 mm erreicht haben, treten, und zwar zunächst neben den normalen Haken (also in derselben Borstendrüse), bald nur links, bald nur rechts, bald nur im $S., bald nur im 9. Zoniten auch Anlagen von Genitalhaken auf. In dem Maasse als nun diese Genitalhaken an Zahl und Umfang zunehmen, und die Borstendrüsen sich vergrössern, verschwinden die normalen Haken, so dass man an 15—17 mm langen Exemplaren meist vergeblich nach solchen sucht. Die Genitalhaken stellen demnach — ontogenetisch wenigstens — nicht etwa modificirte normale Haken dar, sondern sie treten unabhängig von letzteren in denselben Borstendrüsen von Anfang an in ihrer charakteristischen Anlage als Ersatzgebilde auf; trotzdem müssen aber in erwachsenen J' die Genitalhaken morphologisch als die hämalen Haken des S. und 9. Segments betrachtet werden, weil sie eben aus den hämalen Parapoddrüsen dieser Segmente nachweislich neben den normalen zur Entwickelung gelangen. Umstehende Liste zeigt, dass auch der Zeitpunkt, sowie die Reihenfolge des Auf- tretens der Genitalhaken überaus grossen individuellen Schwankungen unterliegt. Gleichwohl lassen sich einige Folgerungen aus ihr ziehen: nämlich erstens, dass diese Haken durch- schnittlich früher im 9. als im S. Segmente auftreten; zweitens, dass Thiere unter S mm nie Spuren solcher aufweisen, und drittens, dass über 17 mm lange Thiere fast in allen Fällen in den entsprechenden Parapodien des 8. und 9. Segmentes ausschliesslich Genitalhaken besitzen. Letztere erreichen im 9. Segmente eine bedeutendere Länge als im 8.; umgekehrt sind sie in diesem Segmente meist in grösserer Zahl vorhanden, nämlich 3—4 jederseits ausser den 5 5 ) J Reserveborsten, wogegen im 9. nur je 2 neben dem Reservemateriale angetroffen werden‘). Die ausgebildeten Genitalhaken“) enden spitz und gekrümmt und ihre nahezu gleichförmig al Taf, 27. Big. 14. bieTatı 27, Rın.24e5r 18.2 G5 B: e)- Tat 27. Hip). d) Taf. 27. Fig. 14. a. und b. Dnlennorcap. 2), p: 8.2C.. pr 268 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Liste über das zeitliche und örtliche Auftreten der Genitalhaken. Länge des Thieres | Das achte hämale Parapodienpaur Das neunte hämale Parapodienpaar Bemerkungen: in mın: enthält: enthält: 5 links in Entwickelung be- | In Entwickelung begriffene | griffene Genitalhaken,rechts | Genitalhaken. gewöhnliche Haken. 5 | gewöhnliche Haken. R 10 | n e | 1} 12 | 4—20 u grosse, noch in | ‚ den Borstendrüsen einge- | | schlossene Genitalhaken (also in Entwickelung be- | griffene). 12 links einen Genitalhaken | gewöhnliche Haken. neben vier gewöhnlichen, und rechts einen solchen neben einem gewöhnlichen. | | Der rechte Genitalhaken ist viel ausgebildeter als der linke. 12 S—25 ı lange, in Ent- In Entwickelung begriffene wickelung begriffene Geni- | Genitalhaken. talhaken. | 15 gewöhnliche Haken. | In Entwickelung begriffene | (4—20 1 lange) Genital- | haken; nur je ein 120 u langer ragt jederseits aus | der Borstendrüse. Neben | jedem Genitalhakenbündel | | ist noch ein gewöhnlicher | | Haken vorhanden. 15 | u | Je zwei Genitalhaken und | daneben je einen gewöhn- | lichen Haken. | | 15 | 4—20 u lange, in Ent- 6—40 it lange, in Ent- wickelung begriffene Geni- | wickelung begriffene Geni- | talhaken. ‚ talhaken. 17 gewöhnliche Haken. | 4—16 uw lange, in Ent- | wickelung begriffene Geni- | talhaken. 25 20—100 u lange Genital- | gewöhnliche Haken. IorEr DEN I TON haken. als ein abnormer zu be- trachten. V. Capitella. 7. Parapodien. $. Respirationsorgane. 269 eylindrischen Schafte sind äusserlich mit ringförmigen Einschnitten besetzt. Wie die anderen ‘Borsten, so bestehen auch die sexualen aus einer homogenen Scheide und einem fibrillären Inhalte. Auch ihre Entwickelung®) in den entsprechenden Drüsen ist identisch; denn sie geht ebenfalls stets von je einem Kerne aus. Die Kerne aller Borstendrüsen®) der Capitella haben ein sehr auffallendes Ansehen: es sind Bläschen, deren Inhalt sich niemals färbt, wogegen die meist central gelegenen Nucleoli eine sehr feste Consistenz und eine überaus grosse Neigung zur Färbung aufweisen. In Kernen, welche sich zur Entwickelung von Borsten anschicken, nehmen die Nucleoli bedeutend an Umfang zu und es lässt sich dann leicht constatiren, dass letztere nicht kugel-, sondern stäbchenförmig sind. Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, dass die so modifieirten Nucleoli einen wichtigen Antheil an der Borstenentwickelung nehmen. Schliesslich möchte ich noch eine Angabe Crararepe's!) berichtigen, welche insofern fatal geworden ist, als sie von fast allen Lehrbüchern missverständlich als für das Genus Oapitella charakteristisch reprodueirt wurde. Sie lautet: »Les soies, dans toute la partie anterieure du corps, sont aussi peu saillantes que eelles des Lombries. Mais, dans toute la region mediane et posterieure du ver, on les trouve, comme je laı dıt, implantces sur des eminences transversales analogues a celles des Maldaniens.« Daraus ist in nicht ganz exacter Wiedergabe der Stelle folgende Diagnose gewor- den: „Capitella, nur in der Mitte des Körpers kleine Erhebungen, in welche die Borsten ein- gepflanzt sind etc.“ Dem gegenüber ist zu betonen, dass die thoracalen, mit Pfriemenborsten ausgerüsteten Parapodien der Capitella ganz ebenso wie diejenigen der anderen Familienglieder retractil sind, und es daher auch bei ihr lediglich von dem eingezogenen, oder ausgestülpten Zustande dieser Organe abhängt, ob man am vorderen Körpertheile Erhebungen wahrnimmt, oder nicht. Die abdominalen Parapodien derselben sind aber nicht nur nicht vorspringender als bei den anderen Gattungen, sondern umgekehrt — wie aus unserer vorhergehenden bezüglichen Schil- derung erhellt — den gewaltigen 'Toris der letzteren gegenüber nahezu verschwindend, indem sie viel mehr den Habitus der thoracalen, als denjenigen der abdominalen Fussstummel zur Schau tragen®. Dass sie gegenüber den thoracalen gleichwohl auffallen, liegt nur an ihrer viel geringeren Retractilität; dies gilt aber in noch viel höherem Maasse für alle anderen c x Formen und kann in Folge dessen absolut nicht als Genusdefinition benutzt werden. 8. Respirationsorgane, Es wurde schon in dem ersten Kapitel darauf hingewiesen®, dass Capitella besonderer Kiemen ermangelt und in Folge dessen ganz auf die Darm- und Hautathmung angewiesen a) Taf. 30. Fig. 20. @. B. b)Taf. 30. Fig.:19. c) Taf. 29. Fig. 3. Pd. T. Fig. 7. 8. Pd. 4. Taf. 30. Fig. 19. a) Vergl. p. 249. Map. 232, 0Sp.240: 270 A. Anatomisch-Histologischer Theil. ist. Entsprechend diesen gesteigerten respiratorischen Anforderungen, finden wir denn auch den Hautmuskelschlauch bedeutend verdünnt?) und das Rinnensystem des Darmkanals?), den anderen Gattungen gegenüber, complieirt. In nicht geringem Grade wird wohl auch der Ausfall der Kiemen dadurch gedeckt, dass Capitella zeitweise nach Art limicoler Oligochaeten ihren Hinterleib schlängelnd im Wasser hin und her bewegt. 9. Nephridien. D’Uveren !) hat bei der von ihm aufgefundenen Capitella fimbriata in fast allen Segmenten ein Paar Nephridien wahrgenommen und dieses Verhalten ohne Weiteres auch der (©. capitata vindieirt. Nun lässt aber erstens letztere Art von einer derartigen Versorgung keine Spur erkennen, und zweitens lässt sich die Stellung der ersteren Art in unserem Genus gar nicht aufrechterhalten, so dass alles von diesem Autor über die Nephridien Geäusserte für Capitella hinfällig wird. Auch die von ULAPAREDE?) für seine Capitella major betonte starke Entwickelung der Nephridien kann nicht in Betracht kommen, indem die genannte Form ebenfalls nichts mit unserer Gattung zu thun hat. Letztere betreffend äussert sich CLAPARKEDE in einer Anmerkung zur eben citirten Beschreibung folgen- dermaassen: „Les Notomastus sont peut-etre de toutes les Annelides celles chez lesquelles les organes seg- mentaires sont les plus faciles a voir. Ces organes ne sauraient echapper aux regards de quiconque les re- cherche. Au contraire, malgre des tentatives repetees je n’ai jamais reussi aA en decouvrir la moindre trace chez la Capitella capitata etc.“ Nach alledem waren also meinen Vorgängern die Nephridien unseres Genus unbekannt geblieben. Capitella schliesst sich den beiden vorhergehenden Gattungen darin an, dass auch bei ihr die Nephridien nicht wie bei Notomastus und Dasybranchus dem ganzen Abdomen entlang, sondern nur in einem bestimmten Abschnitte desselben vorkommen, Während aber bei Mastobranchus und Heteromastus dieser Abschnitt durch das Abdomenende repräsentirt wird, ist es bei der vorliegenden Gattung umgekehrt der Abdomenanfang. Untersuchen wir ein ausgewachsenes 'Thier, so finden sich die ersten Nephridien im 10., die letzten ungefähr im 20—23. Segmente. Jedes dieser Segmente enthält aber nicht je ein Paar, sondern je mehrere Paare®); 2—3 Paare finden sich gewöhnlich in den vorderen, 4—5 Paare in den mittleren, und 5—6 Paare in den hintersten Segmenten. Was bei Noto- mastus eine Ausnahme bildete, ist demnach bei Capitella zur Regel geworden. In ihrem Habitus stimmen diese Nephridien am meisten mit denjenigen des Masto- branchus und Heteromastus überein; sie haben eine ähnlich hellgelbe, durch entsprechende Excretbläschen hervorgerufene Färbung®), sowie das so charakteristische, durch die Zellkerne bedingte, gefleckte Ansehen. Dasselbe gilt für ihre Form: es sind meistens zweischenklige Keulen; letztere können aber auch nur in einen einzigen Schenkel, oder in selteneren Fällen in mehr als zwei solche auslaufen. a) Taf. 27. Fig. 10. Nm. b) Taf. 34. Fig. 29. i Vergl. p. 252. und 254. ) ) ß) Vergl. p. ) V. Capitella. 9. Nephridien. 271 Die Grösse der Nephridien pflegt von den vorderen nach den hinteren Segmenten zu etwas anzuwachsen. Durchschnittlich haben die einzelnen Schenkel eine Länge von 200 300 g; in ihrem centripetalen, drüsigen "Theil beträgt ihr Breitendurchmesser etwa 12 p, weiterhin 4 x und im centrifugalen Abschnitte sinkt dieser Durchmesser bis auf 2 p herab; ihre Dicke überschreitet selten S—10 p. Capitella stimmt auch darin mit den beiden vorhergehenden Formen \sowie Tremomastus) überein, dass ihre Nephridien nicht wie diejenigen des Olistomastus und Dasybranchus frei in der Leibeshöhle aufgehängte, sondern umgekehrt fest mit der neuralen Längsmuskulatur verwachsene Organe darstellen®). Wie bei den Erstgenannten, so geht auch hier das parietale Peritoneum continwrlich in die Nephridien über, das heisst letztere bilden eigentlich nur verschieden stark in das Coelom vorspringende Verdiekungen dieser Membran. Bei allen anderen Vertretern der Familie haben wir gesehen, wie je ein Schenkel des Nephridiums als centripetaler zur inneren, sowie ein anderer, als centrifugaler, zur äusseren Mündung führt und wie der Ausfuhrkanal, respective die Richtung des in demselben durch seine Cilien hervorgerufenen Stromes, von der ersteren Mündung zur letzteren hin verläuft. Capitella bietet nun insofern ein hiervon stark abweichendes Verhalten dar, als in allen ihren Nephridien, einerlei ob sie ein- oder mehrschenkelig, der Flimmerstrom ausschliesslich nach der äusseren Mündung zu gerichtet erscheint; es sind mit anderen Worten alle Schenkel centrifugalen Verhaltens. Dementsprechend finden wir auch eine sehr abweichende Beschaffenheit der inneren Mündungen); diese sitzen nämlich direct den Drüsenköpfen der Nephridien auf und sind die einzigen Theile der letzteren, welche frei. in der Leibeshöhle flottiren. Die meisten Organe haben auch nur je eine innere Mündung; aber einzelne derselben pflegen deren mehrere zu besitzen; gewöhnlich zeichnen sich in jedem Segmente zwei bis drei umfangreichere durch den Besitz von je zwei, drei oder vier solcher Mündungen aus, so dass also in einem gegebenen Segmente stets mehr innere Mündungen als Nephridien vorhanden sind. Auch die Form dieser Mündungen ist sehr eigenthümlich: es sind nämlich keine Trichter wie diejenigen von COlistomastus, auch keine Löffel wie diejenigen von Dasybranchus oder Tremomastus, sondern in zwei Fortsätze sich spaltende Kanäle®). An der Uebergangsstelle in seine Fortsätze öffnet sich jeder solche Kanal zu einem Halbkanal, welcher, gespalten, continuirlich in die beiden ebenfalls rinnenförmigen Fortsätze übergeht. Man kann das Ganze einer zweizinkigen Gabel ver- gleichen. Die Fortsätze entsprechen den Zinken und der sich zum Kanal schliessende Halb- kanal entspricht der Dille des Instrumentes; ich nenne daher auch diese inneren Mündungen Gabeln, und zwar Wimpergabeln, weil sie mit zahlreichen Cilien besetzt sind, welche im Be- reiche des Nephridiums einen Strudel erregen, einen Strom in das Organ hineinleiten und überdies die Zinken der Gabel selbst in einer stets zitternden Bewegung erhalten. Die Wim- 979 A. Anatomisch-Histologischer Theil. pergabeln münden, besonders wenn sie in der Einzahl auftreten, meistens in den oberen, breitesten Theil der Nephridien, zuweilen aber und vorzüglich dann, wenn deren mehrere an einem Organe vorhanden sind, können sie auch ziemlich tief gegen die centrifugalen Schenkel herunterrücken®). Wie dem aber auch sein mag: ihr Lumen communicirt stets mit dem- jenigen des das Nephridium durchsetzenden, ebenfalls mit Cilien ausgekleideten Ausfuhrkanals. Die Stromesrichtung in diesem Kanale geht von der Gabel zunächst in den drüsigen Abschnitt des Nephridiums und vom letzteren in den unter allmählicher Verschmächtigung sich zur Haut begebenden, ausführenden Schenkel; spaltet sich das Organ in mehrere Schenkel, so spaltet sich auch der Ausfuhrkanal in entsprechender Weise. Die äusseren Mündungen sind nicht immer so leicht aufzufinden wie bei Noto- mastus lineatus, bei welchem Thiere sie, dank ihren Vorkommen auf relativ hohen Fortsätzen, sofort in die Augen fallen. Gleichwohl habe ich diese Mündungen bei den verschiedensten Anneliden, wenn ich nur ausdauernd genug danach suchte, auch dann aufgefunden, wenn ihr Auf- finden mit recht erschwerenden Umständen verknüpft war. Capitella capitata aber spottete in dieser Hinsicht aller Bemühungen. Wie viele Exemplare auch immer — und sie zählen nach Hunderten! — ich daraufhin in den verschiedensten Weisen und mit den besten uns heute zur Verfügung stehenden optischen Hülfsmitteln untersuchte, immer dasselbe Resultat: die ausführenden Schenkel endeten, nachdem sie die Muskulatur durchbrochen und ihren Durch- messer bedeutend vermindert hatten, bald einfach zugespitzt, bald unter gabliger Zwei- oder Dreitheilung in der Haut® °). Die Sache hat sich schliesslich aufgeklärt: Die Nephridien von Capitella münden nicht nach aussen, sondern entleeren ihr Excret in die Haut, respective zwischen Haut und Cuticula, und von diesem Orte gelangt dasselbe wahrscheinlich periodisch, im An- schlusse an statthabende Häutungen, nach aussen. Was mir, abgesehen von den negativen Resultaten meines Suchens nach äusseren Mündungen, diese Ueberzeugung ganz besonders aufgedrängt hat, waren die Ergebnisse von Carmin-Fütterungsversuchen. Capitella kann Monate lang, ohne merklich darunter zu leiden, in mit gewöhnlichem, körnigem Carmine versetztem Seewasser gehalten werden. Schon nach einem Tage beginnen die Versuchsthiere nicht uner- hebliche Quantitäten des im Wasser suspendirten Farbstoffs zu verschlucken und — zu ver- a) Taf. 27. Fig. 10. Nm. T. b) Taf. 30. Fig. 26. Nm. M. *) In einer dieser Monographie vorangegangenen Publieation (l. p. 16. ce. p. 100) hatte ich angegeben, dass die Nephridien der Capitella einfach zugespitzt zwischen Ringmuskulatur und Haut enden. Diese Angabe wurde durch Fischer (l. p. 10. e. p. 487) dahin corrigirt, dass die Nephridien nicht so, sondern gablig getheilt in die Haut eindringen. Ich habe mich seitdem an gutem Schnittmateriale davon überzeugen können, dass Fıscner seinerseits Recht hat. Unter meinen damals ausschliesslich nach frischem Materiale angefertigten Skizzen hatten sich auch solche befunden, welche eine derartige gablige Theilung veranschaulichten ; meistens aber stellten dieselben das Schenkelende einfach auslaufend dar, und so war ich geneigt jene Theilungen für eine falsche Interpretation der bezüglichen Bilder zu halten. Beide Bilder waren aber, wie ich mich jetzt überzeugt habe, richtig; denn ich muss FISCHER gegenüber aufrecht erhalten, dass nicht bei allen Nephridien, sondern nur bei einzelnen diese Verzwei- gung des Ausführungesganges stattfindet. V. Capitella. 9. Nephridien. 218 dauen. Das Carmin wird, im Magendarm angelangt, zunächst zu einer, meist hämatoxylin- blauen, Flüssigkeit gelöst, und so von den Magendarmzellen resorbirt. Bald darauf beginnt die Ausscheidung desselben, welche in erster Linie durch die Nephridien besorgt wird. An denjenigen Stellen aber, an welchen die Nephridien in die Haut münden, beginnen sich, während die Ausscheidung des Carmins vor sich geht, rothe Flecken zu bilden, welche in dem Maasse, als der Ausscheidungsprocess andauert, an Intensität der Färbung und Ausdehnung des Verbreitungsbezirkes zunehmen‘). Um eine ganze Reihe möglicher Fehlerquellen auszuschliessen, habe ich das Experiment unter Anderem auch dahin variirt, dass ich die Versuchsthiere nur so lange in Carminwasser liess, bis sie einigermaassen genügende Quantitäten des Farbstoffes in den Darm aufgenommen, jedoch mit der Ausscheidung noch nicht begonnen hatten; sodann kamen sie {ohne irgend welche Färbung in der Haut aufzuweisen) in strömendes Wasser. Die Resultate waren die- selben: nach einiger Zeit kamen die rothen Flecken an allen jenen Stellen der Haut zum Vorscheine, an denen die Nephridien endeten. Nachdem ich aber diese durch den ausgeschiedenen Farbstoff bewirkte Fleckenbildung in der Haut erst einmal kennen gelernt hatte, gelang es mir auch in einzelnen, nicht mit Farbstoffen gefütterten, eben eingefangenen Thieren die natürliche Excretablagerung in der Form eigenthümlich sich verhaltender Hautflecke wahrzunehmen, und späterhin habe ich sogar diese Exeretflecken der Haut häufig mit Erfolg als Anhaltspunkte bei der Aufsuchung der Nephridien benutzt. Diese Flecken bestehen aus Ansammlungen derselben gelben Bläschen und Körnchen, welche auch in den das Organ zusammensetzenden Zellen», als sogenannte Exeretbläschen vorkommen; hier in der Haut würden sie natürlich ihrer Farbe halber, wie alle derartigen Gebilde, von denjenigen, welche ihren Ursprung nicht kennen, schlechtweg als Pigment be- zeichnet werden und diese Thatsache wird mir in emem folgenden "Theile Veranlassung geben, ausführlich auf die so interessante Beziehung von Excret zu Pigment einzugehen. Wie bei allen vorhergehenden Formen (Cistomastus mit seinen rudimentären Nieren- platten ausgenommen!, haben auch bei Capitella die Nephridien ihre Lage in den Nieren- kammern ©), und zwar verlaufen sie, ähnlich wie bei Mastobranchus, ziemlich rechtwinkelig auf die Längsaxe des 'Thieres gerichtet, durch welche Einrichtung übrigens allein das Vorkommen einer Vielzahl von Organen in diesem Raume ermöglicht wird. Als eine sehr auffallende Eigenthümlichkeit muss aber hervorgehoben werden, dass der centrifugale Theil der Capitella- Nephridien nicht wie bei Mastobranchus von der Medianlinie ab-, sondern umgekehrt dieser Linie zugerückt verläuft, so dass deren Hautmündungen ganz in die Nähe des Bauchstranges zu liegen kommen). Die verschiedenen Nephridien eines gegebenen Segmentes sind meistens ganz unabhängig a) Taf. 34. Fig. 32. D)e-lores4, Bios 29.7 31E e) Taf. 29. Fig 6. Am. ala Dr Bier 310, Taf. 29. Fig. 6. Nm. Zool. Station z. Neapel, Fauva und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 35 974 A. Anatomisch-Histologischer Theil. von einander; aber in einzelnen Fällen habe ich die Schenkel zweier successiver Organe durch einen Ast miteinander in Verbindung stehend gefunden. Der Wimperstrom dieses Astes hatte dann die Richtung vom vorderen zum hinteren Organe. In Fig. 19. Taf. 27 habe ich die Nephridien eines Segmentes abgebildet, in dem das erste und zweite Organ durch einen solchen Verbindungsast communicirt. In weiter hinten gelegenen Segmenten als das abgebildete, in welchen die Nephridien zahlreicher sind und enger aneinander rücken, sind solche Verbindungen zahlreicher und mannigfaltiger, aber auch viel schwerer wahrzunehmen. Geht doch zuweilen die Annäherung der Organe so weit, dass an ihren drüsigen Abschnitten Grenzen überhaupt nur noch schwer festgestellt werden können und dieselben in Folge dessen den Eindruck compacter Drüsen machen, auf welchen die Wimpergabeln unregelmässig zerstreut stehen. Nur die centrifugalen, der Mündung nahe gelegenen Abschnitte der einzelnen Nephridien lassen, dank ihren geringen Durchmessern, stets einen getrennten Verlauf erkennen. Die bisherige Beschreibung bezieht sich ausschliesslich auf ausgewachsene Individuen; anders verhalten sich jugendliche Thiere. Diese letzteren haben nämlich niemals in so weit nach hinten gelegenen Zoniten Nephridien wie die ersteren, besitzen aber umgekehrt solche in so weit nach vorn gelegenen Segmenten, wie in entsprechenden bei Erwachsenen niemals angetroffen werden. Diese Nephridien der Juvenes, welche in dem Maasse, als die defini- tiven der erwachsenen Thiere zur Ausbildung gelangen, der Rückbildung anheimfallen, nenne ich — wie die entsprechenden Organe jugendlicher Notomastus — provisorische Nephridien‘ Die provisorischen Nephridien unterscheiden sich aber bei Capitella in mehreren wesent- lichen Punkten von den definitiven. Vor Allem ist ihr Auftreten ein streng segmentales; niemals wird in einem gegebenen Zoniten mehr als ein Organ angetroffen®). Sie partieipiren ferner stets an zwei Körpersegmenten, das heisst der mit der Wimpergabel ausgerüstete Ab- schnitt des Nephridiums eines gegebenen Segmentes ragt, das Septum durchbrechend, in je ein vorhergehendes. Sodann ist ihr Lagerungsverhältniss im Segmente derart, dass ihre Längs- axe nicht wie diejenige der definitiven Organe nahezu rechtwinklig auf die Längsaxe des 'Thieres, sondern derselben nahezu parallel gerichtet verläuft. Endlich erlangen die provi- sorischen Nephridien eine beträchtlich grössere Unabhängigkeit gegenüber ihrem Mutterboden, dem Peritoneum; denn, obwohl auch sie dieser Membran fest angewachsen bleiben, so erschei- nen sie doch in viel höherem Grade von derselben abgeschnürtd). Bezüglich der inneren Mündungen stimmen die provisorischen Nephridien voll- ständig mit den definitiven überein; auch sie haben die Form von Wimpergabeln. Auffallend ist, dass die Grösse dieser Wimpergabeln eine ganz constante, von der Grösse der Organe unabhängige ist. Ihre Länge beträgt, sei nun das bezügliche Organ 100, 200 oder 300 y a) Taf. 30. Fig. 21. Nm. P. b) Taf. 30. Fig. 22. Nm. PD. Den in meiner eitirten früheren Mittheilung für diese provisorischen Nephridien gewählten Namen »Larven- segmentalorgane« unterdrücke ich, um eine Verwechslung mit den exeretorischen Apparaten der Larven, der soge- nannten Kopfniere, mit welcher sie sicherlich nichts zu thun haben, zu vermeiden, . V. Capitella. 9. Nephridien. 75 [8% lang, stets 30 bis 40 p und ganz dieselbe Länge haben auch die Gabeln der definitiven, wie sehr auch letztere Organe in ihren Dimensionen von einander abweichen mögen. Daher kommt es, dass die Wimpergabeln jüngster 'T'hiere relativ riesig erscheinen (indem ihre ab- solute länge die Hälfte der Organlänge beträgt), diejenigen der grösseren provisorischen sowie der definitiven Nephridien dagegen einen sehr winzigen Eindruck machen. Auch die Form der provisorischen Nephridien ist derjenigen der definitiven nicht unähnlich; sie stellen ebenfalls Keulen dar, deren vorderer, dickerer Abschnitt vorwiegend als Drüse und deren hinterer, sich allmählich verjüngender Abschnitt vorwiegend als Ausführungs- gang (centrifugaler Schenkel) fungirt. Niemals kommt es aber zu einer Spaltung dieses letz- teren Abschnittes, indem die Keulen stets einschenklig bleiben. Als eigenthümlich ist noch die Beschaffenheit des proximalen 'Theiles der provisorischen Nephridien hervorzuheben. Dieser Theil (der Kopf der Keule, ist nämlich blasenförmig auf- getrieben und innen rings mit lebhaft strudelnden Cilien besetzt. Im dieses Bläschen mündet nun einerseits der das Organ durchsetzende Ausführungsgang und andererseits der Kanal der Wimpergabel. Der Wimperstrom verläuft hier ebenfalls centrifugal (von der Gabel zur Haut, gerichtet. Ich habe mich auch bei den provisorischen Organen vergebens bemüht eine Mündung nach aussen aufzufinden, und glaube daher, dass sie ebenso wie die definitiven das Excret in die Haut überführen. Dass die provisorischen Nephridien bei Capitella alle — mit Ausnahme vielleicht der- jenigen des 5. Segmentes? — zeitweise in Function treten, konnte ich besonders über- zeugend an einer Reihe von Juvenes feststellen, welche sich aus den Eiern eines in Carmin- wasser lebenden Weibchens entwickelt hatten. Diese Juvenes verschluckten den Farbstoff ganz wie die Erwachsenen und schieden denselben ebenso mit Hülfe der Nephridien aus wie jene. Stets fanden sich an solchen in Carminwasser lebenden 'Thieren nur die ausgebildeten Nephridien — einerlei ob provisorische oder definitive — gefärbt, wogegen sowohl die in der Rückbildung begriffenen provisorischen, als auch die erst in der Anlage begriffenen definitiven jedweder Färbung entbehrten. Um ein Bild der Reihen- und Zeitfolge zu geben, in der die zwei Kategorien von Nephridien im heranwachsenden 'Thiere auftreten, sich rückbilden, respective neben- einander existiren, theile ich nachfolgenden Auszug‘) aus meinen Tabellen mit: = *) In diese Liste habe ich nur diejenigen Nummern aufgenommen, für welche das Verhalten der Nephridien aller Segmente jeweils am vollständigsten erkannt worden war. Auch bei solcher Auswahl indessen bietet dieselbe der Lücken noch genug; besonders empfindlich da, wo die Vielzahl der Nephridien durch »mehrere« bezeichnet werden musste. Wer aber erfährt, dass häufig schon das blosse Aufsuchen dieser Organe eine schwere Aufgabe bildet, wird begreifen, dass es mit dem Feststellen ihrer Zahl noch viel übler bestellt ist. Hierzu kommt noch, dass in den hinteren Segmenten erwachsener Thiere die einzelnen Organe häufig so nahe aneinanderrücken, dass sie nahezu als compaete Drüsen erscheinen und eine Zählung nur annähernd durch den getrennten Verlauf ihrer ausführenden Schenkel ermöglicht wird. 39* 276 A. Anatomisch-Histologischer Theil. | Grösse Nr. Tiieros Ge- | >. b. T, | 8. © | ne schlecht | = | metern | Kör per 1 Pre g* | % PISN-* PN: sa — 2 3 S | P.N.degenerirt. BIN: PN. — PEN 3 15 fe) = P. N. links, IBAN? _ PN rechtsdegen. 4 2 fe) _- PEN: PB. N. G.Schl.*-Anlage IBSENE 5 2 S 2 | PEN: BEN: G. Schl.-Anlage P2NE 6 2 S — P. N. degen. BEN. -- D.N: al 95 fe) _ PEN. P:\N. G. Schl. BISN: 8 | 2,5 fe) — PEN. BEN. G. Schl. Ka N) 3 3 En P.N. P. N G. Schl. P:UN: 10 355 fa) — PN: P. N. G. Schl. PN? 11 30, fe) = BEN? BEN G. Schl. BEN: 12 4 ES — — —— G. Schl. PLN. 13 | 4 9 — P: Ne PN? G. Schl. BUN: A N 2 | S = | P.N. degen. P.N. degen. G. Schl. u N. | DS 8 — | — — G. Schl. P.N. el) &* — P. N. degen. — G. Schl. P-aNk | 17 10 3 — P. N. degen. P. N. degen. G. Schl. | BZENE ı8 | 10 fe) — — — G. Schl. BEINE 19 ID) o2 =. | = — G. Schl. | BON? 20 12 QO — | P.N. degen. P.N,degen. | G. Sch. | PISN? a [6\ = | — au G. Schl. P.N. 22 | 20 on — — | — G. Schl. PeoNe 23 20 ®) _- -- _- G. Sehl. BEN. 24 20 @) — — — G. Sch. | P.N.degen. >) 25 g — — | — G. Sch. = 26 30 ge | -— — | — G. Schl. P.N.degen. 37 | 40 a — | = | = G. Schl. — ) S'=Männchen, charakterisirt durch die Copulationsorgane; @=Weibchen, charakterisirt durch die Ovarien ; 3=Geschlecht noch nicht erkennbar; G. Schl.—=Genitalschläuche; P. N.— Provisorische Nephridien; N.—definitive Nephridien; hierbei ist jedoch zu bemerken, dass unter den so bezeichneten Organen des 10. und Il. Segmentes je das vorderste ein provisorisches sein kann. V. Capitella. 9. Nephridien. Wille 127 #8. 14, | | Bemerkungen segment uE IT | | Ri | Be ur 7 | | | Br. | „et — | — | | | —: | Br EN ern — | | | N.*in Entw. ft, Während die P. N. dieses in Car- begriffen > Eur Loc 7 ' minwasser aufgewachsenen Juvenis | alle Farbstoff aussehieden und daher alleroth waren, liessen die in der Ent- | wiekelung begriffenen N. des 10. Seg- mentes keine Spur von Parbung er- | kennen. | | | EN. N! | u | | — 3N. — _ — | BEN. | — — | — - | IN. a | = a | Von den 2 Organen des 10. Seg- | mentes das vordere hart am Septum- | ® liegend und daher wahrscheinlich P.N. | P: N. | PISN“ ze _— — G.Schl. bereits mit Sperma ange- | | füllt. mehrere**N | mehrere N. — | En | — N. des 10. m. 11. Sogmentes | | schwächer gefärbt als die vorher- | gehenden P. N. | mehrere N. | mehrere N. mehrere N. | — — mehrere N, mehrere N. mehrere N. — — | mehrere N. mehrere N. mehrere N. | IN. 1. Entw. | begriffen | -- | ZN | 4N. 6N. BEN. 14. u. 15. Segm.| | . 3 r | | je 6 N. | mehrere N. mehrere N. mehrere N. mehrere N. |14.—17. Segm.| je mehrere N. Sn? Ss.N. 4N. DaN- 14. u. 15. Segm. je> N. mehrere N. mehrere N. mehrere N. | mehrere N. |14.—16. Segm. | | je mehrere N. mehrere N. | mehrere N. mehrere mehrere N. mehrere N. | r + mehrere N. mehrere N. mehrere mehrere N. |14.-—16. Segm. | je mehrere N. mehrere N. | mehrere N. | mehrere N. mehrere N. 114.—16. Segm. | je mehrere N. 4N. mehrere N. mehrere N. mehrere N. 14. u. 15. Segm. je mehrere N. Bs N; AN. 3 N. ? 2 2. N. ı N. ? 2 | ? 3N. 4N. 6N. 6N. |L4.—16. Segm.| | . a r | je 6 N. mehrere N. mehrere N. mehrere N. mehrere N. |14.—18. Segm. | > **) Ich brauche den Ausdruck »mehrere N. wurde oder werden konnte, { | je mehrere N. | N. bis zum 23. Körpersegmente. für diejenigen Fälle, in denen die Zahl nicht genau festgestellt 978 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Aus einer Vergleichung der in dieser Liste aufgeführten Stadien ergiebt sich nun Folgendes: l. Provisorische Nephridien können — abgesehen vom 8. mit den Genitalschläuchen ausgerüsteten — im 5. bis Il. Körpersegmente auftreten, und zwar bei | bis 2 mm messenden 'Lhieren im 5. bis 9., bei 2 bis 3,5 mm messenden im 5. bis 11. 2. Die definitiven Nephridien entwickeln sich vom 10. Körpersegmente ab; bei 2 bis 4 mm langen 'Ihieren zunächst in denjenigen Segmenten, welche auch noch provisorische be- sitzen, so dass also diese Segmente (das 10. und 11.), wenigstens eine Zeit lang, provisorische und definitive nebeneinander enthalten können. 3. Von einer Grösse von 4 mm ab beginnt die Entwickelung der definitiven Organe auch in solchen Segmenten, welche niemals provisorische besessen hatten, nämlich im 12. bis n. Segmente. 4. In dem heranwachsenden '[hiere treten in immer zahlreicheren Zoniten Nephridien auf, so dass bei 5 mm Körperlänge Nephridien bis zum 19., =. = 2 = Sr Slge => Al) = - - - 2.16, 4830 - - - - - 18. und - 4 - - - - - - 23. Segmente gefunden werden. 5. Die Zahl dieser sich successive ausbildenden Organe in einem gegebenen Segmente ist allgemein um so grösser, je weiter hinten dieses Segment gelegen ist‘): 2 bis 3 Paare finden sich gewöhnlich in den vorderen, 4 bis 5 Paare in den mittleren, und 5 bis 6 Paare in den hintersten respectiven Segmenten. 6. In dem Maasse als sich die definitiven Organe entwickeln, bilden sich die pro- visorischen des 5. bis 9. Segmentes zurück, so dass bei ausgewachsenen T'hieren in diesen Seg- menten keine Excretionsorgane mehr angetroffen werden. Dieser Rückbildungsprocess **) beginnt schon sehr früh, indem man selbst bei I bis 2 mm langen Jungen die Nephridien des 5. Segmentes entweder nie mehr, oder doch nur in ganz degenerirtem Zustande antrifft. Bei 5 bis 10 mm langen Jungen wird die Rückbildung der provisorischen Nephridien des 6. und 7. Segmentes eingeleitet, und bei 20 bis 30 mm langen 'Thieren vollzieht sich erst die Degeneration derjenigen des 9. Segmentes. Ob die provisorischen Nephridien des 10. und 11. Segmentes, neben welchen während Hierbei dürfen natürlich nur diejenigen Fälle in's Auge gefasst werden, in welchen die Organe des be- züglichen Segmentes ihre vollkommene Ausbildung erlangt haben; denn auch innerhalb der Segmente ist die Ent- wickelung derselben eine successive (vergl. Nr. 14 der obigen Liste). ‘) Dieser Rückbildungsprocess stimmt mit dem gewöhnlich als »fettige Degeneration« bezeichneten überein. Zuerst wird der centrifugale Schenkel, zuletzt der drüsige Abschnitt ergriffen. In den letzten Stadien findet man daher auch von den ursprünglichen Organen gegebener Segmente nur ihre im nächst vorderen Segmente gelegenen Drüsenköpfe, welche, abgesehen von einzelnen Excretbläschen, ausschliesslich aus 4—S tt grossen , silberglänzenden oder gelblichen, fettartigen Tropfen bestehen. V. Capitella. 9. Nephridien 279 sie fungiren, definitive ausgebildet werden, zeitlebens bestehen bleiben oder nicht, ist zweifelhaft. Dafür spricht, dass man selbst in erwachsenen 'T'hieren häufig je das erste Organ der bezüglichen Segmente vom Habitus der provisorischen und mit ihren Gabeln in’s nächst vordere ragen, oder doch dem Septum dicht anliegend findet, dagegen spricht, dass zuweilen auch in diesen Segmenten je das erste Organ von den Septen abgerückt erscheint und keinen solchen, an die provisorischen erinnernden Habitus darbietet. 7. Alle die geschilderten Veränderungen spielen sich — selbst wenn man reichlich die möglichen Ungenauigkeiten der Messungen etc. berücksichtigt — zeitlich in sehr unregel- mässiger Folge für je gleich grosse 'Thiere ab; es sind z. B. häufig noch bei älteren Thieren in solchen Segmenten provisorische Nephridien erhalten, in denen sie bei jungen 'I'hieren schon verschwunden sind, oder es können umgekehrt bei jüngeren 'Thieren in solchen Seg- menten schon definitive Organe vorhanden sein, in welchen bei älteren noch ausschliesslich provisorische vorkommen. In ihrer Structur bieten die Nephridien der Capitella wenig von den anderen Gat- tungen Abweichendes dar. Wie bei Chistomastus erkennt man leicht das die Zellen abgren- zende, einerseits in die Membrana propria und andererseits in den Ausfuhrkanal übergehende Gerüstwerk®). Die Zellsubstanz ist aber consistenter als bei jener Form. Die Excretbläschen®) haben meist eine Grösse von I1—2 p: selten findet man solche von d—S p. Ihre Farbe ist nicht alcoholbeständig und in Folge dessen erscheinen sie in den fixen Präparaten verblasst. Dass hier von einem Peritonealsacke nicht die Rede sein kann, indem die Organe mit ihrer Unterseite unmittelbar der Muskulatur aufliegen, wurde schon erwähnt; ich möchte dem nur noch hinzufügen, dass das sonst einschichtige Peritoneum im Bereiche der Nephridien mehrschichtig wird und dass die es zusammensetzenden Zellen ein saftigeres Ansehen darbieten. Die Wimpergabeln verrathen durch einzelne, der Dünne ihrer Wandungen entsprechend sehr plattgedrückt erscheinende Kerne eine zellige Structur®). Bezüglich der Hautmündungen wäre zu erwägen: in wie weit dabei ectodermale Ele- mente betheiligt sind. Der Anschein spricht nicht dafür, indem die centrifugalen Schenkel ganz continuirlich in die feinen, die letzten Endigungen der Mündungen darstellenden Kanäl- chen auslaufen®). Ueber das Verhältniss dieser Kanälchen zu den Hypodermzellen vermochte ich aber auch mit den besten Untersuchungsmitteln vorläufig nicht mehr zu eruiren, als dass sie im Bereiche der letzteren abrupt endigen. Der Ausfuhrkanal®) entbehrt hier, ähnlich wie bei Ofistomastus, eines besonderen Epithels; seine Cilien sitzen wie bei jener Gattung der Kanalwandung direct auf und stammen daher von den letzterer Wandung zunächst liegenden Drüsenzellen. Bei der Beobachtung frischer, wimpernder Nephridien fällt sowohl in den Wimper- a), Tat. 230. Kıg. 24-98. b) Tat. 34. Bis, 29,31% e) Tat. 30. Fig. 24, 25. Nm: 7: d) Taf. 30, Fig. 26. Nm. M. e) Taf. 30. Fie. 27. 28. Nm. C. 280 A. Anatomisch-Histologischer Theil. gabeln, als auch im Kanale der Organe ein ziemlich breiter, spiralig bewegter Strang auf; lange glaubte ich, dass es sich hier nur um die bekannte, durch die Cilienbewegung ver- ursachte optische Erscheinung handle; das Studium der Schnitte hat mich aber belehrt, dass dem nicht so ist, indem sich in solchen Präparaten in der That eine bald homogene, bald mehr streifige, spiralig gedreht verlaufende Platte vorfand®), welche im frischen Zustande offenbar durch die Cihen in Bewegung versetzt wird. Wozu aber diese im 'Trichter- und Kanallumen schwingenden Platten dienen mögen, woher sie stammen, und ob endlich die problematischen, im Lumen der Notomastus-Nephridien verlaufenden Stränge, welche ich für muskulöser Natur hielt, etwas damit zu thun haben, sind Alles Fragen, welche ich nicht zu beantworten vermag. Bei keiner anderen Capitellidenform ist der genetische Zusammenhang von Peritoneum und Nephridien so in die Augen springend wie in der uns beschäftigenden. Die in heran- wachsenden T'hieren sich successive ausbildenden Excretionsorgane stellen nämlich zunächst nur locale Anschwellungen des parietalen Blattes dar; allmählich erst tritt sodann in diesen Anlagen Wimperbewegung auf und so kann man die Entwickelung dieser Organe von jenen Anfängen bis zu ihrer vollständigen Ausbildung stufenweise verfolgen. 10. Geschlechtsorgane. Die ersten Angaben über dieses Organsystem haben Frey und Leverarr!) gemacht. Sie sagen: „Abweichend in ihrem Bau von den übrigen Lumbrieinen sind die Geschlechtsorgane, welche in den ein- zelnen Ringen jederseits aus einem retortenförmigen Schlauche bestehen und nur in den vordersten und letzten Leibesringen fehlen. Wahrscheinlich sind die Thiere getrennten Geschlechtes, wie wenigstens daraus abzunehmen, dass bei den von uns untersuchten Individuen die Säcke stets voll Eier waren, und Sperma- tozoen in keinem anderen Gebilde entdeckt werden konnten«. Kingehendere Mittheilungen, insbesondere über den Copulationsapparat, verdanken wir van BENEDEN?). Dieser Autor bestätigt zunächst die Zwiegeschlechtigkeit, indem er hervorhebt, dass die g' um die Hälfte kleiner als die © seien. Im 9. Segmente liege bei den 9' in Form einer ovalen, unpaaren Tasche der opake, durch die Körperwandungen hindurchschimmernde und auf der Grenze des 9/10. Segmentes nach aussen mündende Iloden. Im Bereiche dieser äusseren Mündung stehe sodann in Form zweier Halbkreise der je aus $ bis 9 gekrümmten Platten sich zusammensetzende Copulationsapparat eingepflanzt, von dessen Art zu fungiren sich aber unser Autor keine Vorstellung zu machen wusste. Im Inneren des Hodens end- lich fand er sowohl reife, als auch in Entwickelung begriffene Spermatozoen. Dass ebensolche auch in der Leibeshöhle zwischen den Elementen der Hämolymphe vorkommen, schien van BEXEDEN nichts Abnormes zu sein. Bei den © sollen, abgesehen von der Kopf- und Schwanzregion, alle Zoniten mit je einem Paare geräumiger, weiss oder gelb erscheinender Taschen, den Ovarien, ausgerüstet sein. Oviducte oder Poren zur Evacuation der Eier seien nicht vorhanden, indem sich diese Geschlechtsproducte, nachdem sie durch Platzen der Eierstöcke in die Leibeshöhle gerathen, im Bereiche des Schwanzes durch die Haut nach aussen drängen. Die Eier werden von den Thieren mit so grosser Regelmässigkeit in die Wohnröhren abge- legt, dass letztere wie mosaikartig gefeldert erscheinen. a) Taf. 30. Fig. 24. 25. Nm. T. Fol. Pie. 27. 28. Nm, Epl. V. Capitella. 10. Geschlechtsorgane, | Jorxston !) hat, ohne die Identität seiner Valla ciliata mit der Capitella capitata zu erkennen, eine gute Abbildung der Genitalhaken gegeben. Die Resultate van BENEDEN’s wurden sodann von ULAPARkDE?) theils bestätigt, theils erweitert und corrigitt. Vor Allem stellte Cnararkpe fest, dass der 5! Copulationsapparat aus vier distincten Borstenbündeln bestehe, welche Bündel nichts Anderes als die modificirten hämalen Parapodien der betreffenden Segmente darstellten. In Bezug auf die von van BExEpen als Hoden gedeutete Tasche bemerkt er, dass ıhm nie Spermatozoen in derselben begegneten, dass ihm deren Kaliber überdies für eine so wichtige Funetion viel zu unbedeutend erscheme und es sich daher weit eher um eine Drüse handeln dürfte, deren Secret den Samen zu verdünnen bestimmt seı. Der von dem belgischen Forscher stabilirte Modus der Eiablage wird als den Thatsachen wider- sprechend zurückgewiesen. Den @ komme nämlich ein zwischen dem 7. und 5. Segmente gelegenes Paar von Sexualporen zu, welche zur Zeit der Geschlechtsreife stark anschwellten und ein an den Gürtel der Lumbriciden erinnerndes Ansehen darböten. Die 9! Geschlechtsöffnung verlegte Crararkps ebenfalls in den Bereich des Copulationsapparates. Schliesslich bleiben noch die den Genitalapparat betreffenden Bemerkungen Fıscnur’s®) zu erwähnen. Dieser Autor hat in der von van BExzEpen als Hoden gedeuteten Tasche Spermatozoen aufgefunden und hält aus diesem Grunde im Gegensatze zu ULAPAREDE an deren Hodennatur fest. Sodann bestätigt er das Vorhandensein der von dem Verfasser vorliegender Monographie in einem Auszuge beschriebenen !), auf der Grenze des 7./S. Segmentes gelegenen Genitalschläuche, indem er hinzufügt, dass auch er die betreffenden Organe meist von Sperma erfüllt und stark mit Wimpern besetzt gesehen habe. Bei Capitella ist ähnlich wie bei den Gattungen Notomastus und Heteromastus die Er- zeugung von Fortpflanzungsproducten ausschliesslich auf die Genitalplatte?) beschränkt. Die männlichen Keimzellen, welche sich schon frühe von dem peritonealen Mutterboden ablösen, kommen an den freien Flächen der genannten Platte zur Ausbildung, die weiblichen Zellen dagegen entstehen inmitten dieser sich in zwei Blätter spaltenden Membran. Durch solche Anordnung erhalten die Ovarien®) unserer Gattung von Anfang an eine feste Um- hüllung, und da letztere mit der Grössenzunahme der Eier wächst, so kommen allmählich relativ schr umfangreiche und compacte Organe zu Stande, welche, da die Bauchstrangkammer frühe schon ausgefüllt wird, sich nach der Darmkammer hin vordrängen, um auf der Höhe ihrer Ausbildung auch diesen Raum von Segment zu Segment grösstentheils in Form zweier ovaler, innig dem Darme anliegender Säcke einzunehmen. Durch Platzen der erwähnten Hülle werden sodann die annähernd zur Reife gelangten Eier frei, um ihre letzten Stadien der Ausbildung flottirend in der Leibeshöhle durchzumachen. Während bei allen übrigen Capitelliden die ersten Abdomensegmente unfruchtbar zu bleiben pflegen, beginnen bei Capitella die Ovarien regelmässig schon im ersten Zoniten dieses Leibesabschnittes, also im 10. Körpersegmente. Umgekehrt erstrecken sich aber auch in un- serer Form die Keimstöcke entfernt nicht so weit nach hinten wie bei den übrigen. In einem etwa 90 Segmente zählenden @ fanden sich z. B. Ovarien nur vom 10.—50. Segmente in der a) Taf. 29. Fig. 6—8. Gpi. b) Taf. 29. Fig. 7... Taf. 27. Eig. 12. Ov. lapnb.ze: pa bir undeps 58, Kis. 4. 1. p. 8. ec. p. 273— 275. Ip 10’2eapr 278% AN. pP. 16. cp. 114. Zool, Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 36 SCH CH Ser 382 A. Anatomisch-Histologischer "Theil. Entwickelung, während bei anderen Capitelliden diese Organe fast bis zum Schwanze hin zur Ausbildung gelangen. Der sterile thoracale Keimstock ist hier nur sehr wenig ausgebildet. Es finden sich nämlich im 5. und 6. Thoraxsegmente median-neurale, streifenartige Verdickungen der Genital- platte, welche sich in beiden Geschlechtern ausschliesslich aus den für die sterilen Stöcke so charakteristischen Kernen zusammengesetzt erweisen. Die Spermatozoen?) haben eine von denjenigen aller anderen Familienglieder ab- weichende Form; ihre Köpfe sind nämlich nicht rundlich, sondern spindelförmig. Sie zeigen eine auffallende Aehnlichkeit mit denjenigen des Lumbrieus. Auch ihre Entwickelung stimmt in viel höherem Grade mit derjenigen der Oligochaeten, als mit derjenigen der anderen Capitelliden überein. Das für letztere so bezeichnende, öfters von mir abgebildete Sperma- tosporenstadium fehlt und anstatt dessen finden wir, wie gesagt, Stadien, welche täuschend denjenigen des Lumbrieus ähnlich sind). Die reifen, nahezu 300 x messenden Eier‘) sind von bräunlicher Färbung und ent- halten zahlreiche 5—10 x grosse Deutoplasmakörper. Auffallend ist, dass, während bei allen übrigen Gliedern der Familie das Keimbläschen nahezu den halben Fidurchmesser erreicht, hier dasselbe Gebilde nur anfangs solche relative Dimensionen zeigt, um späterhin, wie die nachfolgende Tabelle zeigt, bedeutend hinter diesem Verhältnisse zurückzubleiben; wahr- scheinlich wird diese Abweichung durch die bedeutende absolute Grösse des Capitella-Eies, respective durch die grössere Masse seines Deutoplasmas verursacht. Grösse des Eies, des Keimbläschens, des Keimflecks in p. 32 16 6) 40 20 6 52 22 6 > 2 i ; nach conservirten 'Thieren. 12 20 S 100 24 N) 120 24 N 160 24 6) » 240 48 2) l a8 988 s6 Ba nach frischen 'Thieren. Die Eibildung geht wie bei Notomastus von dem Kernmateriale der Genitalplatte aus; man kann hier oft sehr klar verfolgen, wie sich um den zu einem Keimbläschen heranwach- senden Kern das umliegende Zellenmaterial (nebst sterilen Kernen) ansammelt, bis sich schliess- lich das so entstandene und auf eine gewisse Grösse herangewachsene junge Ei durch eine Dotterhaut abschliesst. Bei Capitella werden in je einem Ovarium weniger Eier angelegt als bei den anderen Formen, diese aber wachsen gleichmässig heran, so dass man in ausge- a) Tan, 90. Bien oh: b) Taf. 30. Fig. 33. 34, Oo) ea Ile Ines Bi 5 V. Capitella. 10. Geschleehtsorgane. 285 bildeten Keimstöcken wenig Entwickelungsstufen, dafür aber um so zahlreichere der Reife nahe Stadien antrifft. In einer früheren Mittheilung!) über Capitella habe ich ein Paar urnenförmiger, be- wimperter, im 8. Segmente gelegener Schläuche, welche in beiden Geschlechtern sowohl, als auch in den verschiedensten Lebensaltern meistens Sperma zu enthalten pflegen, als Samen- taschen beschrieben. Erst nach dieser Publication sind mir die sogenannten Genitalschläuche der übrigen Gattungen bekannt geworden. Da nun kein Zweifel darüber walten kann, dass die betreffenden Organe der Capitella in denselben Kreis gehören, so nehme ich jenen zuerst angewandten Namen zu Gunsten des anderen zurück. Auch bei Capitella kommen die Genitalschläuche®) gleicherweise den beiden Ge- schlechtern zu; ihre Zahl ist aber hier auf ein einziges Paar redueirt. Hinsichtlich ihrer Form stimmen diese Schläuche mit denjenigen der übrigen Gattungen wohl überein; es sind eben- falls Glocken oder Umen, deren Lichtungen der Leibeshöhle zugekehrt liegen und deren ge- wölbte Rücken in die äusseren Mündungen übergehen. Die Glockenform ist die normale, das heisst diejenige des ruhenden Organs; die Umenform (also die Umkrempelung des freien Randes) entsteht durch die Action der die Aus- und Einstülpung vermittelnden Muskulatur. Die Genitalschläuche der Capitella sind nämlich in viel ausgiebigerer Weise mit Retraetor- und Protrusormuskeln versorgt, als diejenigen der anderen Formen, womit es auch zusammenhängt, dass man hier so viel häufiger auf Prolapsus darbietende Individuen stösst. Den schlagendsten Beweis für die Zusammengehörigkeit dieser Organe und der Genital- schläuche liefert aber der Umstand, dass sie bei Capitella genau dieselben Lagerungsverhältnisse dlarbieten wie bei den übrigen Gattungen; sie liegen nämlich auch bei ihr in den Nierenkammern, und zwar im Bereiche der vorderen Grenze des von ihnen occupirten Segmentes; dasselbe gilt für ihre Mündungen®), indem diese wie bei den übrigen Capitelliden im Bereiche der Seiten- linien durchbrechen. Bei ausgewachsenen 'Thieren haben die Genitalschläuche in beiden Geschlechtern meist einen Höhendurchmesser von 250 p und einen Breitendurchmesser von etwa 200 p; doch wechseln je nach den an den Organen sich abspielenden Formveränderungen die Verhältnisse dieser Durchmesser nicht unbedeutend. Die Mündungen pflegen bei den & umfangreicher zu sein als bei den 9. Im Form nahezu geschlossener Spalten messen sie nämlich bei ersteren etwa 150 p, bei letzteren dagegen nur 100 ». Bei den & findet auch zur Zeit der Geschlechts- reife im Bereiche dieser Mündungen eine ausserordentliche Vermehrung und Vergrösserung der Hautdrüsen statt, ähnlich wie dies schon für Tremomastus ete. beschrieben wurde. Während aber bei letzteren nur mässig umfangreiche, über das Körpernivean herausragende Hügel, die sogenannten Porophore, zu Stande kommen, entwickelt sich der Prozess bei Capitella zu- gleich in die Breite, so dass schr umfangreiche, nahezu die Hälfte vom Flächenraume des aleBaf. 277 Riss 11. 132 Taf. 29. Fig. A, Dat: 30. Bier 2.31. 29: @. Sohl. b) Taf. 27 Fig, 3.4. Taf. 29. Big. 4. Taf. ‚30: Fig. 29. G. Schl. P: 11. ps 16T cam. 114. 36" 234 A. Anatomisch-Histologischer Theil. 7. und 8. Segmentes einnehmende, drüsige Wülste entstehen, welche, wie ÜLAPAREDE schon hervorhob, auffallend an die Gürtelbildungen der Oligochaeten erinnern‘®). Auch hinsichtlich ihrer Struectur®) stimmen die Genitalschläuche der Capitella vollständig mit denjenigen der übrigen Gattungen überein. Sie bestehen nämlich, abgesehen von den im Bereiche ihrer Mündungen gelegenen ectodermalen Abschnitten, aus einem vom Peritoneum üiberzogenen Wimperepithel und dazwischen eingestreut liegenden Muskelfasern; auffallend ist hier nur die geringe Ausbildung der sonst die Lichtung der Schläuche auskleidenden Cuticula; die Cilien erscheinen auch in Folge dessen als nahezu continuirliche Ausläufer ihrer ent- sprechenden Zellen. Vielleicht hängt diese geringe Ausbildung der Cuticula mit der — allein bei Capitella — in diesen Organen vor sich gehenden Spermatophorenbildung zusammen. Die Genitalschläuche werden erst bei etwa 1 mm langen 'Thieren (bei welchen bereits die provisorischen Nephridien des 6., 7. und 9. Segmentes in voller Function begriffen sind) angelegt; man sieht nämlich genau da, wo später der Schlauch zu liegen kommt, eine Partie des Peritoneums mit lebhaft schlagenden Wimpern besetzt. In 1—2 mm langen jugendlichen Thieren findet sich der Genitalschlauch bereits in Form einer rundlichen, 12 p breiten und eben so hohen Mütze®. Bei 3 mm Körperlänge sind die Durchmesser bereits auf 80 und bei 6 mm Körperlänge auf 100 x gewachsen. Die Poren pflegen im zuletzt genannten Stadium schon eine Länge von 20 » aufzuweisen. Mit der Zunahme der Körpergrösse wachsen auch die Genitalschläuche sowie ihre Poren weiter, bis sie jene im Vorhergehenden für reife Thiere angegebenen, nahezu constanten Dimensionen erreicht haben. Dass es bei Capitella in demjenigen Segmente, welches die Genitalschläuche enthält, niemals zur Ausbildung von Nephridien kommt, wurde bereits im vorhergehenden Kapitel hervorgehoben. Eines der auffallendsten Merkmale unseres Genus bildet der Copulationsapparat der Männchen®). Bis zu einer Körpergrösse von etwa S—10 mm ist noch keine Spur der späterhin so umfangreichen und complieirten Gebilde wahrzunehmen. Erst von dieser Stufe ab vollzieht sich an den hämalen Parapodien des 8. und 9. Segmentes, also an den künftigen Greifwerkzeugen des Apparates, in der unter dem Kapitel Parapodien geschilderten Weise, die Verdrängung, respective der Ersatz gewöhnlicher Haken durch Genitalhaken f). In dem Maasse als sodann diese letzteren Haken zu ihrer definitiven Grösse heranwachsen, nehmen auch die zugehörigen Parapoddrüsen an Umfang zu, so dass sie schliesslich, gegenüber den gewöhn- lichen Drüsen, ähnlich wie die Genitalhaken gegenüber den gewöhnlichen Haken, als wahre Riesen erscheinen. Zugleich rücken die so modificirten Organe von der hämalen Flanke immer näher gegen die hämale Medianlinie, bis sie sich schliesslich in dieser berühren. Während dieser Vorgänge werden die früheren Parapodmuskeln durch eine ganz neue, im Vergleiche zur früheren ebenfalls riesige Dimensionen aufweisende Muskulatur ersetzt. Um eine weit- ig. 3. @. Schl. P. b) Taf. 30. Fig. 30. c) Taf. 30. Fig. 36. d) Taf. 30. Fig. 21. G. Schl. e) Taf. 27. Fig. 4. 5. 13. Taf. 29. Fig. 5. f) Taf. 27. Fig. 14. V. Capitella. 10. Geschlechtsorgane. 285 läufige Beschreibung zu ersparen, habe ich in Fig. 13. Taf. 27 eine topographische Zeichnung angefertigt, aus der man leicht ersehen kann, wie ein Theil dieser Muskeln dazu dienen muss, die Genitalhaken vorzuschieben, ein anderer sie zurückzuziehen, wie ferner Muskeln vorhanden sind, um je zwei Genitalparapodien eines Segments zu öffnen oder zu schliessen, und wie endlich durch das Zusammenwirken eines T'heiles oder aller dieser Muskeln eine sehr viel- seitige Greifaction ermöglicht wird. Während die beiden Genitalparapodien des S. Segmentes fast bis zur gegenseitigen Be- rührung aneinandergerückt liegen, schiebt sich zwischen diejenigen des 9. eine ziemlich um- fangreiche, keulenförmige Blase®) ein, welche schon im unverletzten 'Thiere in Folge ihres weisslichen Ansehens durch die Körperwandung hindurch wahrgenommen werden kann. Diese Blase deutliches Lumen, welches zwischen den entsprechenden Parapodien, respective deren Greif- es ist das von van BENEDEN irrthümlich als Hoden bezeichnete Organ — hat ein haken nach aussen mündet. In ihrer Structurb) stimmt die Blase vollständig mit der Hvypodermis überein; ihre innere, epitheliale, stellenweise in Falten »eleete Schicht besteht J te} oO nämlich wie jene der Haut aus einem Gerüste von Fadenzellen und dazwischen gelegenen Drüsenzellen. Diese letzteren Zellen, respective deren stark lichtbrechende Körnchen be- dingen das im auffallenden Lichte silberweisse (im durchfallenden dunkelgraue bis schwärzliche) Ansehen des Organs; auch sind sie offenbar die Erzeuger des sein Lumen oft massenhaft aus- füllenden Secretes. Auf diese epitheliale Schicht folgt eine ziemlich dicke Lage ringförmig angeordneter Muskelfasern und zu äusserst ein peritonealer Ueberzug. Ausser den ihren Wandungen einverleibten contractilen Elementen wird die Blase an ihrem basalen Abschnitte oO noch von mehreren aus der Stammesmuskulatur entspringenden, offenbar als Strietoren wir- kenden Muskelreifen®) umgeben. Auch dieser 'Theil des Copulationsapparates entwickelt sich erst in den heranwachsenden sS— 10 mm langen 9°; nie ist vor Anlage der Genitalhaken eine Spur desselben wahrzunehmen. oO oO Bei 15 mm messenden Individuen pflegt das Organ eine Länge von 120 und eine Breite von fe) fe} oO S0 p zu haben, bei 30 mm langen sind dieselben Dimensionen auf 500 und 300 » gewachsen. Aus dem anatomischen Baue sowohl, als auch aus dem histologischen Verhalten der Blase geht hervor, dass wir eine Drüse vor uns haben, und zwar eine im Dienste der Copula- tionsthätigkeit stehende Drüse, und da ich glaube, dass ihr Secret dazu bestimmt ist eine Art 5 S von Kitt zur festeren Verbindung der copulirenden Individuen zu liefern, so nenne ich sie Kittdrüse oder Copulationsdrüse. Die Aus- und Einstülpung des gesammten Greifapparates wird durch eine hämal-mediane, sattelförmige Einstülpung der Haut ermöglicht und in diesen, im Ruhezustande ziemlich ab- oO oO oO 9 geschlossenen Raum mündet die Drüse®); tritt der Apparat in Function und wird in Folge dessen die erwähnte Hautfalte ausgeglichen, so kommt mit den Greifhaken natürlich auch tod) die Drüsenmündung frei zu liegen. a) uRar, 2 os ls Tatır 297 Big. 5. Tat. 302° Biere D! b)) Taf. 30, Eie31732: e) Nat. 27. Fig. 13. ©. D. M. C: d) Taf. 30. Fig. 1. C. D. 386 A. Anatomisch-Histologischer Theil. Capitella fängt im October an ihre Keimproducte auszubilden; im November findet man bereits einzelne reife Thiere, und die Monate Januar, Februar können als der Höhepunkt des Fortpflanzungsgeschäftes bezeichnet werden; von März bis Mai pflegen aber neben der jungen Generation ebenfalls noch zahlreiche geschlechtsreife Individuen aufzutreten. Die befruchteten*) & legen, wie dies van BENEDENn zuerst festgestellt hat, ihre Eier stets in Wohnröhren ab und in diesen Röhren bleiben die betreffenden Thiere — ganz im Gegensatze zu ihren sonstigen Lebensgewohnheiten — bis zum Freiwerden der Larven; solche jrutpflege kommt bei keiner anderen Gattung unserer Familie vor. Noch ein paar Worte über die Interpretirung der den Geschlechtsapparat von Ca- pitella ausmachenden Theile Seitens meiner Vorgänger. . Van Bexepen hatte die eigenthümlich modifieirten hämalen Parapodien des S. und 9. Segmentes richtig als Copulationsorgane erkannt, die letzterem Apparate zugehörige Tasche aber fälschlich als Hoden beschrieben. CrararznE bekämpfte letztere Auffassung, indem er hervorhob, dass dieses Organ für einen Hoden viel zu klein sei und dass er überdies nie — wie VAN BENEDEN — Spermatozoen in demselben auffinden konnte; er glaubte vielmehr, (lass man es mit einer Drüse zur Verdünnung des Samens zu thun habe. Neuerdings kam nun Fiscner, gestützt auf die 'I'hatsache, dass er in dem fraglichen Organe ebenfalls das Vor- handensein von Spermatozoen constatiren konnte, auf die van Bexepensche Meinung zurück. Dem gegenüber muss ich mich, wie schon aus dem Vorhergehenden zur Genüge erhellen wird, entschieden auf die Seite CrararepeEs stellen: die fragliche Tasche ist eine im Dienste der Copulation stehende Drüse, und zwar allem Anscheine nach eine Kittdrüse. Dass ÜLAPAREDE an eine Art von Prostatafunetion dachte, ist begreiflich, da er irrthümlicherweise die median- hämale Einstülpung des Copulationsapparates für die männliche Geschlechtsöffnung hielt. Sperma habe zwar auch ich zuweilen im Bereiche der Drüse angetroffen; aber, wenn man be- denkt, dass ganz in der Nähe derselben die als Penes fungirenden Genitalschläuche ausge- stülpt werden, so wird es nicht auffällig erscheinen, dass während des Copulationsactes einzelne Samenthierchen dahin gelangen und von dem klebrigen Secrete festgehalten werden. Ueberdies zeigen die Wandungen der Drüse zu allen Zeiten denselben hypodermalen Bau; nie trifft man in ihnen Elemente, welche auf die Entwickelung von Spermatosporen hindeuteten. Und was schliesslich ebenfalls noch zu Gunsten unserer Auffassung spricht: wenn das fragliche Organ wirklich den Hoden darstellte auf welche Weise und auf welchem Wege kämen dann die so grossen Mengen von Sperma in die Perivisceralhöhle? Hoden ist und bleibt eben auch bei Capitella die Genitalplatte. Van Bexepex hatte geglaubt, dass die © ihre Eier durch Einreissen der Haut im Be- reiche des Schwanzendes entleerten; Crararepe trat dem, im Hinblicke auf die von ihm ent- deckten Sexualporen, entgegen; aber auch letzterer Forscher hatte damit nur einen 'Iheil ‘) Die Copulationsvorgänge sowie die Function der einzelnen Theile des Geschlechtsapparates werden im Physiologischen Theile, in dem Kapitel »Genitalorgane« Berücksichtigung finden. V. Capitella. 10. Geschlechtsorgane. 11. Leibeshöhle. 287 der @ Ausfuhrapparate entdeckt; die Genitalschläuche, deren Mündungen ja nur die be- treffenden Poren darstellen, waren ihm entgangen. Auch hatte derselbe übersehen, dass die Q' genau an derselben Stelle wie die & ähnliche Poren (und Genitalschläuche) besitzen, wodurch eben sein weiterer Irrthum entstand, die Hauteinstülpung des Copulationsapparates für die männliche Genitalöffnung zu halten. ll. Leibeshöhle. Bei Capitella kommen die schon in den beiden letzten Gattungen sehr viel schwächer entwickelten Parapodkiemenhöhlen, sowohl neurale als hämale, ganz in Wegfall; das Blut gelangt daher auch in jedem Segmente durch entsprechende Oeffnungen aus der Bauchstrang- kammer direct in die Nieren- und von da in die Darmkammern. Während nun aber bei allen übrigen Formen die Hämolymphe aus den Darmkammern auf demselben Wege wieder in die Bauchstrangkammer zurücktliessen muss, indem letztere allein eine Fortbewegung durch den ganzen Körper gestattet, ist ein solcher Rückfluss bei Capitella, wenigstens ein totaler, nicht nothwendig, da bei ihr alle Dissepimente beiderseits im Bereiche der Nierenkammern durchbohrt sind und so ein directer Austausch von Segment zu Segment ermöglicht wird. Diese Durchbohrungen sind an ihren Rändern stark mit Ringmuskelfasern versorgt, welch’ letztere wahrscheinlich sphincterartig eine Verengerung, respective Schliessung bewirken können. Die Parapodkiemenkammern führen, wie wir gesehen haben, bei allen vorhergehenden Formen zu mehr oder weniger entwickelten Kiemengebilden, so dass die Stauung des Blutes in jedem Segmente, respective der Zwang, zweimal die betreffende Bahn zu passiren, ver- ständlich erscheint. Ebenso verständlich ist aber nun auch die abweichende Anordnung bei Capitella, bei der an Stelle jener specifischen Respirationsapparate der gesammte Hautschlauch getreten ist; es wird nämlich dem Blute die Möglichkeit geboten, rasch aus einem gegebenen Segmente in eine beliebige Anzahl solcher vorwärts oder rückwärts gelegener zu gelangen, respective mit einer grossen Fläche des Hautmuskelschlauches und Darmes in Berührung zu kommen. Das Peritoneum verhält sich ähnlich demjenigen von Notomastus und Dasybranchus; Wucherungen wie bei den anderen Gattungen habe ich niemals angetroffen. Die Angabe Fıiscner’s!), dass die Leibeshöhle unserer Form durchaus mit Cilien besetzt sei, beruht auf einem Irrthume; nur im Bereiche der Nephridien werden Wimperhaare an- getroffen. 283 A. Anatomisch-Histologischer Theil. 12. Hämolymphe. Die durch den Mangel der Parapodkiemenkammern, sowie durch das Auftreten septaler Communicationen bedingten Veränderungen des Blutlaufs wurden bereits im vorhergehenden Kapitel erwogen, so dass hier nur die Blutelemente zu betrachten übrig bleiben. Die gefärbten Blutkörper der Capitella sind wie diejenigen aller vorhergehenden Gattungen kreisförmige, überall gleichmässig 1—2 p dicke Scheiben, welche häufig schon im frischen Zustande, bald verschwommen, bald deutlich, einen ebenfalls plattgedrückten Kern erkennen lassen®). Im ihrer Farbe, einem blassen Grüngelb, stimmen sie am meisten mit den- jenigen des Clistomastus überein. Wie bei allen anderen Capitelliden lässt sich sowohl durch die spektroskopische, als auch durch die chemische Untersuchung Hämoglobin nachweisen. Die Grösse der Scheiben schwankt zwischen 8 und 20 p; die meisten messen aber 16 % und deren Kerne 5 p. Auch hier scheint die Körpergrösse keinen Einfluss auf diejenige der Blut- bestandtheile auszuüben, indem junge Thiere ganz ähnliche Schwankungen im Verhalten der Scheibendurchmesser aufweisen wie erwachsene. Reagentien gegenüber verhalten sich diese Blutkörper im Ganzen ähnlich denjenigen des Notomastus; eine spontan bei den anderen Gattungen nur in seltenen Fällen auftretende Veränderung tritt aber hier so häufig und so zahlreiche Exemplare regelmässig zugleich erfassend ein, dass ich dieselbe besonders hervor- heben möchte. Untersucht man nämlich einen Blutstropfen in Seewasser, welches doch sonst neben der Leibesflüssigkeit als das schonendste Medium befunden wurde, so sieht man oft momentan einen grossen T'heil der Scheiben unter Umkrempelung ihrer Ränder eine Art Briefeouvertform®b) annehmen, wobei aber die Structur ganz unverändert zu bleiben scheint. Die sich auch hier durch ihre dunklere Färbung scharf abhebenden Exeretbläschen pflegen in den normalen Scheiben meist nur in geringer Zahl, sowie auch in geringer Grösse (1 gefärbten, eiförmig oder kuglig gewordenen Blutkörpern, welche zahlreiche viel grössere solche 3 p) aufzutreten. Aber zuweilen finden sich bald einzelne, bald Gruppen von dunkler Bläschen oder auch feste, an die entsprechenden Gebilde der Olistomastus-Nephridien erinnernde Concretionen enthalten. Solche im Dienste excretorischer Thätigkeit degenerirte Scheiben ®) sind meist von Leucocyten umgeben, respective membranartig von denselben umschlossen. Capitella ist die einzige Form, bei der mir Fälle von Melanämie*) vorgekommen sind. Am häufigsten werden hochreife @, geschlechtlich erschöpfte 'Thiere, sowie auch solche Exem- plare, welche lange Zeit in Gefangenschaft gehalten oder der Einwirkung von Süsswasser ausgesetzt worden waren, von dieser Krankheit heimgesucht. Durch die veränderte Blutbe- a) Taf. 35. Fig. 39. b) Taf. 35. Fig. 40. ce) Taf. 35. Fig. 42. a) Vergl. den Physiologischen Theil. V. Capitella. 12. Hämolymphe. 289 schaffenheit haben die ergriffenen 'Thiere anstatt des gewöhnlichen rothen ein graubraunes An- sehen, so dass man sie schon mit blossem Auge im unverletzten Zustande von den normal- blütigen zu unterscheiden vermag. Unter dem Mikroskope erscheinen die melanämischen Blutscheiben, anstatt in der gewöhnlichen grüngelben Färbung, nahezu weiss”); nur in dicker Schicht entsteht zuweilen noch ein blass carmoisinrother Schein, welcher davon Zeugniss ab- legt, dass das Blutroth noch nicht vollständig geschwunden ist. Die Kerme treten überaus deutlich hervor. Was aber am meisten frappirt, ist die T'hatsache, dass die früher goldgelben Excretbläschen jetzt dunkel blaugrün gefärbt und zugleich bedeutend vergrössert sind (sie messen durchschnittlich 4 p.) In einem weiter fortgeschrittenen Zustande erscheinen diese Bläschen nahezu schwarz; ich glaube aber, dass in Wirklichkeit nur ein sehr gesättigtes Blau- grün vorliegt. Das Gesammtblut solcher 'Thiere stellt nun eine schwarzgetigerte Masse dar, welche, abgesehen von der fortdauernd erhaltenen Scheibenform der einzelnen Elemente, ge- waltig vom Ansehen der normalen Hämolymphe absticht. Umgekehrt fehlt es auch nicht an Fällen, welche Vorstufen zu der eben beschriebenen Modification repräsentiren; man trifft nämlich Exemplare, deren Scheiben noch die gewöhn- liche Färbung, nur mit einem stärkeren Stich in Grün aufweisen®), und in solchen pflegen dann einzelne Excretbläschen noch durchaus dunkelgelb, andere dagegen bereits mit ver- schieden breiten blaugrünen Höfen zu erscheinen. Dadurch ist aber über allen Zweifel sicher- gestellt, dass die viel grösseren blaugrünen oder schwärzlichen Excretbläschen‘®, sich im An- schlusse an die schon bestehenden (auf Kosten des Scheiben-Hämoglobin?) ausbilden. Dass bei Capitella vöthlich gelbe Blutscheiben sowie auch 'Theilstücke solcher‘) an be- stimmten Körperstellen zwischen Cuticula und Hypodermis deponirt vorkommen, und dass solche Scheiben wahrscheinlich als in excretorischer Function abgestorbene zu betrachten sein werden, ist in dem Kapitel »Haut« bereits erörtert worden. Schliesslich sei noch hinsichtlich der rothen Elemente bemerkt, dass auch in dieser Gattung das parietale Blatt des Peritoneums Wucherungen treibt, deren Emdproducte eine grosse Aehnlichkeit mit jungen Blutscheiben zur Schau tragen. Die Leucocyten®) der Capitella stimmen so sehr mit denjenigen aller vorhergehenden Formen überein, dass ich hinsichtlich ihrer auf die betreffenden Beschreibungen jener ver- weisen kann; übrigens habe ich zwei Exemplare abgebildet, wovon das eine (stechapfelförmige) den Zustand darstellt, in dem sie eben der Körperhöhle entnommen erscheinen, und das andere denjenigen wiedergiebt, welchen sie nach einigem Verweilen auf dem Objectträger an- zunehmen pflegen. a) Taf. 35. Fig. 41» « b) Taf. 35. Fig. 41% e) Taf. 35. Fig. 41» © d) Taf. 35. Fig. 43. e) Taf. 35. Fig. 45. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 37 VI. Capitomastus. Im Monat März 1854 erhielt ich aus den auf der Secca di Gajola gedredgten Corallinen- algen zwei Exemplare einer sehr dünnen, etwa 1% cm langen Capitellide, welche sich sofort als eine von allen vorhergehenden abweichende Form zu erkennen gab. Nachdem das, was am lebenden 'Thiere überhaupt beobachtet werden kann, zum Behufe vorläufiger Orientirung notirt war (und es war nicht viel, da beide Individuen mit reifen Eiern gefüllte @ darstellten), wurden die seltenen Stücke behufs Zerlegung in Schnitte conservirt. Leider ist mir aber das die betreffenden 'l'hiere enthaltende Gefäss abhanden gekommen, und alle Bemühungen um weiteres frisches Material sind bis heute erfolglos geblieben, so dass ich auf die erwähnten paar Notizen angewiesen bleibe. Unter solchen Umständen kam mir die Wahrnehmung, dass der von LanGerHans!) aus Madeira beschriebenen Capitella minima höchst wahrscheinlich die- selbe Form zu Grunde gelegen hatte, sehr erwünscht. Freilich, auch diese Ergänzung ist eine recht dürftige, indem sich jener Autor auf die Mittheilung weniger äusserer Charaktere beschränkte. Capitomastus vepräsentirt die kleinste Form unserer Familie, indem sein fadenförmiger Leib bei einer Länge von 11%—2 cm nur %—1 mm Dicke erreicht. Der Vorderkörper (Ihorax) erscheint blass rosa, der Hinterkörper lebhaft gelbroth. Der Kopflappen ist stumpf walzenförmig. Der Thorax scheint aus 10 oder 11 Segmenten zu bestehen; zur genaueren Grenz- bestimmung dieser Region müsste aber die Einmündungsstelle des Nebendarmes bekannt sein. Das erste oder das Mundsegment ist borstenlos.. Die 3 folgenden bei den © (und die 4 folgenden nach LanGerHnans bei den 9") sind ausschliesslich mit Pfriemenborsten ausgerüstet. Vom 4., respective 5. Segmente ab treffen wir in allen Parapodien nur Haken. Die Haken vom 4., respective 5. bis ungefähr 10. Segmente, also die thoracalen, haben eine bedeuten- dere Länge als die nachfolgenden abdominalen, so dass dreierlei Borsten vorhanden sind. Die abdominalen Zoniten sind (wenigstens anfangs) viel länger als die thoracalen. Die Haut dieses Körpertheiles ist roth pigmentirt, und darauf sowie auf dem durchschimmern- den gelben Leberdarme beruht seine rothgelbe Färbung. VI. Capitomastus. 291 Der After ist auf einer ziemlich umfangreichen, kreisrunden Scheibe angebracht. Augen waren (äusserlich wenigstens) nicht wahrzunehmen. Ueber das Vorkommen von Seitenorganen finde ich nichts in meinen Aufzeichnungen notirt, woraus aber deren Mangel noch nicht gefolgert werden darf, indem bei so flüchtiger Untersuchung retractile Hügel des Thorax wenigstens leicht übersehen werden konnten. Die becherförmigen Organe fanden sich am Kopflappen und Thorax sehr kräftig ausgebildet. Nephridien konnte ich vom 11. Segmente ab unterscheiden. Sie scheinen regel- mässig metamer aufzutreten, und ähnliche gabelförmige Trichter wie Capitella zu besitzen. Im S. Segmente liegt ein Paar Genitalschläuche, welche durch weite, zwischen den hämalen und neuralen Parapodien gelegene Poren nach aussen münden. Das Eigenthümlichste unserer Gattung ist, dass bei den @ (ähnlich wie bei den Capitella 5') die hämalen Parapodien des 8. und 9. Segmentes zu mächtigen Greiforganen oder Copulationsapparaten umgewandelt sind. Es erfreuen sich indessen diese Amazonen nicht des exclusiven Besitzes solcher Organe, da nach LanGerHans auch den g' in denselben Segmenten ‘), aber entfernt nicht so kräftig ausgebildete Copulationshaken zukommen sollen. Wenn es auch nach dem Vorhergehenden unzweifelhaft ist, dass unsere Form Vieles mit Capitella gemein hat, so genügt doch andrerseits schon der Besitz eines der Borsten ent- behrenden ersten Körpersegmentes (Mundsegmentes), um ihre Einreihung in jenes Genus zu ver- hindern; denn Capitella steht allen anderen Gattungen dadurch gegenüber, dass bei ihr das erste Körpersegment schon Parapodien trägt (respective das Mundsegment mit dem Kopflappen ver- schmolzen ist,. Ferner steht solcher Einreihung die Ausrüstung mit 3—4 Pfriemenborsten tragenden Parapodien (gegenüber 6 bei Capitella, entgegen, und endlich auch der Besitz von dreierlei Haken, welcher vielmehr auf Beziehungen zu Heteromastus hindeutet. Die genauere Er- forschung der Anatomie unserer Form wird denn auch meine Ansicht, dass sie, ähnlich wie Heteromastus, sehr verschiedene Charaktere der Familie in sich vereinigt, bestätigen und ihre Erhebung zur Gattung Heteromastus rechtfertigen. *, LANGERHANS sagt, die ventralen (neuralen) Parapodien seien zu Copulationsapparaten ausgebildet, ich dagegen habe notirt: die hämalen gleichwie bei Capitella. Es muss vorläufig dahingestellt bleiben, ob die Angabe des genannten Autors, oder aber meine Notiz däs Richtige trifft. Anhang zum Anatomisch-Histologischen "Theil. Präparations-Methoden. Ich habe nicht die Absicht, hier aller derjenigen Methoden zu gedenken, die im Laufe der Zeit mit mehr oder weniger Erfolg von mir durchprobirt wurden. Handelt es sich doch in den meisten Fällen um dieselben Proceduren, welche (auch insofern solche in der Z60lo- gischen Station in Neapel zur Ausbildung kamen) sei es durch einzelne Abhandlungen, oder durch bezügliche Fachschriften schon hinlänglich bekannt geworden sind. Nur das soll her- vorgehoben werden, was sich schliesslich für meine Zwecke am günstigsten erwies, und dabei handelt es sich — nicht zum geringsten Theile — um ein paar durch die lange Beschäftigung mit dem Objecte erworbene Kunstgriffe, deren Kenntniss sich vielleicht auch beim Studium anderer Anneliden oder anderer 'T'hierklassen nützlich erweisen dürfte. a. Beobachtung des lebenden Thieres. 3ei der immer mehr um sich greifenden Tendenz, auch die zootomische Untersuchung am Cadaver zu beginnen, kann ich nicht umhin hervorzuheben, wie ich viele der folgen- reichsten Einsichten in die Organisationsverhältnisse lediglich der Beobachtung des lebenden T'hieres zu verdanken habe. Die natürlichen, für die Unterscheidung der Körpertheile sowie für deren Function so bedeutsamen Farbencontraste, die Bewegungen und Gestaltveränderungen der einzelnen Gewebsmassen, sowie endlich die für Beurtheilung der Continuität der Organe und das Ineinandergreifen ihrer Leistungen so unschätzbare gleichzeitige Durchsichtigkeit — also auf alles das, was uns schon bei der ersten Bekanntschaft mit dem Objeete gleicher- weise vor einseitiger Ueberschätzung der Lagerungs-, wie vor einseitiger Betonung der Functionsverhältnisse zu bewahren geeignet ist, auf alles das leisten wir mit der Be- schränkung unserer Untersuchungen auf Leichname freiwillig — aber nicht ungestraft — Verzicht. Abgesehen von der momentan herrschenden wissenschaftlichen Richtung, ist es zum guten "Theil die Unbequemlichkeit dieser Untersuchung, welche ihre Vernachlässigung ver- schuldet hat. Was giebt uns, gegenüber der ruhigen und sicheren Durchmusterung con- Präparations-Methoden. a. Beobachtung des lebenden Thieres. 293 servirter, aufgehellter 'Thiere, Organe oder Schnitte, die zum Behufe ähnlicher Beobachtung erst vorzunehmende Bändigung des lebendigen, reagirenden Geschöpfes meist zu rathen auf! Aber unüberwindlich sind auch diese Hindernisse nicht, ja es sind sogar, wie aus Nachfolgendem erhellt, recht einfache Mittel und Manipulationen, welche, wenigstens für die Oapitelliden, schliesslich zu einem befriedigenden Ziele geführt haben. Lange Zeit bediente ich mich zur Anästhesirung der 'T'hiere oder 'Thierstücke des Chloroforms oder der Chloroformdämpfe, indem ich derart verfuhr, dass der das Thier nebst etwas Seewasser tragende Objectträger, sowie ein Gefäss mit Chloroform in eine feuchte Kammer gebracht wurden. Besteht der Verschluss dieser Kammer aus einer Glas- schale, so kann man (nöthigenfalls mit der Lupe) das Eintreten der Narcose verfolgen und rechtzeitig, das heisst in dem Momente, in dem die anfangs stürmischen, sodann immer schwächer gewordenen Bewegungen ganz aufgehört haben, das Object, eventuell nach Bedeckung mit einem Deckglase, unter das Mikroskop bringen. Es lässt sich zwar mit dieser Methode schon Vieles erreichen, aber sie hat drei uncorrigirbare Nachtheile: erstens contrahiren sich die T'hiere in sehr störender Weise; zweitens hat man sehr aufzupassen, um den Moment, in dem Regungslosigkeit eintritt, nicht zu versäumen, da sich sonst necrotische Gewebsver- änderungen und damit 'Trübungen einstellen; drittens endlich dauert, für den Fall, dass auch der richtige Moment getroffen wurde, die Narcose gewöhnlich nur sehr kurze Zeit an, so dass man den Process unliebsam oft zu wiederholen hat. Kam es darauf an, rasch am lebendigen etwas festzustellen, so gelangte das Compres- sorium, und zwar wegen seines grossen (Gesichtsfeldes und der Möglichkeit unter starken Vergrösserungen zu beobachten, das For'sche zur Anwendung. Gewiss ist die Methode, ein Thier so lange zwischen zwei Glasplatten zusammenzuquetschen, bis es sich nicht mehr regen kann oder durchsichtig genug ist, eine recht rohe Methode, eine solche, die nur Zerrbilder liefert; aber bei der Orientirung kann sie gleichwohl grosse Dienste leisten, und deshalb ist es zu bedauern, dass das Compressorium ein immer seltener werdendes Instrument darstellt. Unvergleichlich Besseres leistet nun aber für die Beobachtung im frischen Zustande diejenige Methode, welche ich mir nach ihrem Erfinder, dem Conservator der Zoologischen Station, als »Logsanco'sche Betäubungsmethode« oder auch als »Seewasser-Alcohol- methode« zu bezeichnen erlaube. Ihre gute Wirkung beruht auf der Thatsache, dass unsere Thiere durch Zusatz von einer gewissen Menge Alcohol in einen lange andauernden anästhe- tischen Zustand übergeführt werden können, ohne dass dabei der Fortgang, respective die Wiederherstellung der Organfunctionen aufgehoben würde. Lopranco, der dieses Verfahren zur Conservirung verschiedener Thiere benutzte, liess ursprünglich in den das Object (nebst einer gewissen Menge Seewassers) enthaltenden Behälter vorsichtig eine Mischung von See- wasser, Alcohol und Glycerin einströmen, so dass das auf dem Seewasser schwimmende Gemisch nur sehr allmählich zum Präparate gelangen konnte. Weiterhin erwies sich sowohl der Zusatz des Glycerins, als auch (in den meisten Fällen wenigstens) die allmähliche Beimengung des Alcohols überflüssig, indem durch directe Uebertragung der 'Thiere in das Gemisch (etwa 394 Anhang zum Anatomisch-Histologischen Theil. 90 Theile Seewasser und 10 Theile 70° Alcohol) ebenso gute Resultate erzielt werden konnten. Diese Resultate bestehen aber in allen Fällen darin, dass die betreffenden Thiere nach kurzer Zeit willenlos und unbeweglich ausgestreckt liegen und im wahren Sinne des Wortes »Alles mit sich anfangen lassen«e Die Wahrnehmung dieses (wie wir sehen werden, auch für die ITerstellung von Schnittmaterial einzig günstigen) Zustandes hat mich eben auf den Gedanken gebracht, seine Verwendbarkeit bei der Untersuchung des lebenden Organismus zu erproben. Und, wie gesagt, meine Erwartungen wurden übertroffen. Bringt man ein derart betäubtes hier unter das Mikroskop, so findet man seine Durchsichtigkeit vollständig erhalten; kein Gewebe zeigt irgend welche pathologische Veränderungen, die Flimmerthätigkeit ist nicht unterbrochen, nur die Muskulatur scheint wie gelähmt; merkwürdig genug, wenn man bedenkt, dass demselben T'hierchen durch Zusatz solcher Mengen von Curare, die einen Ochsen zu Falle brächten, nicht beizukommen ist. Man kann daher selbst unter Anwendung von starkem Deckglasdrucke in aller Ruhe das Object durchmustern, und, wenn sein Wiedererwachen erwünscht ist, so genügt es, von der Seite des Deckglases etwas reines Seewasser zufliessen zu lassen, sowie auch, wenn das erwünschte Stadium etwa überschritten worden sein sollte, durch Zusatz des Gemisches wieder die Rückkehr in den früheren Zustand eingeleitet werden kann. Auf diese Weise hat man es dann in der Hand, die Organsysteme nach Belieben in relative Ruhe oder Function zu versetzen, und es braucht nicht erst hervorgehoben zu werden, welche Erleichterung schon damit sowohl der anatomischen, als physiologischen Forschung geboten ist. Was aber diese Methode noch mehr auszeichnet, ist die durch sie gegebene Möglichkeit, den eingeschläferten Thieren die Hautdecken zu öffnen und so ihre einzelnen blosgelegten Organe im fortlebenden Zustande unter dem Mikroskope zu studiren; denn auch in diesem Falle hat man es in seiner Gewalt, durch abwechselnden Zustrom von Seewasser, oder See- wasser-Alcohol das Präparat in den beweglichen, oder unbeweglichen Zustand überzuführen. b. Herstellung topographischer Präparate. Wenn es sich um die Feststellung der äusseren Organisationsverhältnisse handelt, so leistet die Conservirung der 'Thiere in Liquor Merkel, Sublimat oder Osmium gute Dienste. Aber die schönste Erhaltung der Formen wird durch vorhergehende Betäubung in Seewasser-Alcohol erreicht, und danach kann die Abtödtung entweder sofort in mittel- starkem Alcohol oder zunächst in Sublimat erfolgen. Für viele Fragen, insbesondere für die Lagerungsverhältnisse der Nephridien, Genital- schläuche ete., reichen die frischen Flächenpräparate, deren im vorigen Abschnitte Erwähnung geschah, nicht aus. Es gelingt trotz der Nachgiebigkeit der Wandungen doch nicht, die, sei es vom Rücken oder vom Bauche aus gespaltenen Körperwandungen so flächenhaft unter dem Deckglase ausgespannt zu erhalten, wie es für das Studium dieser schwierigen Verhält- nisse nothwendig ist. Um dies zu erreichen, bin ich zur Herstellung ähnlicher Dauer- präparate geschritten. Wenn die betreffenden 'Thiere hinlänglich in Seewasser-Alcohol Präparations-Methoden. b. Herstellung topographischer Präparate. c. Herstellung von Schnittpräparaten. 295 betäubt sind, so werden (im selben Gemische, und zwar in einer Wachsschale) durch einen Median- schnitt ihre Bauch- oder Rückenwandungen geöffnet, mit Hülfe zweier Pincetten etwas ausein- andergezogen, und durch Nadeln festgesteckt. Sodann giesst man das Gemisch ab und ersetzt es rasch durch concentrirte Sublimatlösung. Da die Würmer gar nicht Zeit haben zu erwachen, so geschieht die Fixirung nahezu momentan. Sobald die (durch einen weissen Anflug gekenn- zeichnete) Reaction des Sublimates eingetreten, ersetzt man letzteres durch reines Seewasser, in welchem das Präparat etwa '% Stunde verbleibt, spült es dann mit Süsswasser ab, und nun kann es gefärbt und in Glycerin eingeschlossen oder, was vorzuziehen, nach Art der Schnitte weiter behandelt werden. Zu letzterem Behufe wird das (durch die Sublimatbehandlung ganz steif gewordene, 'Thier von der Wachsschale abgelöst, von den seiner Unterfläche etwa anhaften- den Wachspartikelchen befreit und mit nicht oxydablen Stiften (ich bediente mich der Cactus- dornen) auf ein dünnes Holzplättchen geheftet. Hat das Object eine bedeutende Länge, so thut man im Interesse der leichteren Manipulation gut, es schon jetzt an einer oder mehreren passenden Stellen entzwei zu schneiden und die Stücke der Reihe nach nebeneinander zu be- festigen. An den Holzplatten muss oben und unten Raum für je einen Streifen von ausge- walztem Bleie verbleiben; letzteres soll nämlich das Schwimmen der Platten verhindern. So vorbereitet kommen nun die Präparate in die Farbflüssigkeit, als welche das Boraxcarmin am meisten empfohlen werden kann. Ein Verweilen von '% Stunde genügt meist. Hierauf spüle man das Object zunächst mit schwachem, indifferentem Alcohol ab und bringe es dann in 70%, angesäuerten. Im letzterem muss es mindestens '/, Stunde verbleiben, damit eine distincte "ärbung erzielt werde. Hierauf bringe man es in der für Schnittpräparate üblichen Dauer in reinen 70 %, sodann 90 % und schliesslich in absoluten Alcohol. Zur Entfernung des Alcohols verwandte ich mit bestem Erfolge ein Gemisch von Terpentinöl und Creosot (4: 1), welches, bevor das Object in Canadabalsam eingeschlossen wird, einmal gewechselt werden muss. Man hüte sich, die Nadeln während des Ueberganges von Alcohol zu Alcohol oder von Alcohol zu ätherischem Oele zu entfernen; das Präparat würde sich aufrollen und unbrauchbar werden. Erst im Momente der Uebertragung in Balsam löse man das Object von der Holzplatte ab, und dabei hat man kein Aufrollen mehr zu befürchten. Solche Präparate lassen sich nun, wenn sie gelungen sind, ganz wie Schnitte mit starken Vergrösserungen studiren. Nicht nur alle topographischen, sondern auch viele histologische Verhältnisse offenbaren sich, indem die Erhaltung der Gewebe eine vorzügliche ist. c. Herstellung von Schnittpräparaten. Von den zahlreichen Reagentien, die ich anfangs durchprobirte, haben sich in histo- logischem Sinne Jodalcohol, Sublimat und Osmiumsäure am besten erwiesen. Aber bei Anwendung auch aller dieser Mittel hat man mit den für die Herstellung wohl orientirter Schnitte so lästigen, durch die ungleiche Vertheilung der contractilen Gewebe hervorgerufenen Bie- gungen der betreffenden Stücke zu kämpfen, und wenn es selbst gelingt, diese Biegungen 396 Anhang zum Anatomisch-Histologischen "Theil. durch nachträgliches Dehnen und Fixiren einigermaassen auszugleichen, so bleiben doch die durch die krampfhaften Contractionen der Stammesmuskulatur hervorgerufenen Zusammen- pressungen der Räume, Organe und Gewebselemente bestehen; anstatt des normalen Bildes erhalten wir ein verzerrtes. Alle diese Nachtheile waren mit einem Schlage durch die An- wendung der Seewasser-Alcohol-Methode überwunden. Die derart betäubten Thiere lassen sich in jede beliebige, also auch in die normale Lage bringen. Sollte es für irgend eine Frage erwünscht sein, so kann man sie auch durch ganz leichten Zug unschwer auf das Doppelte ihrer normalen Länge ausdehnen. Selbst für den Fall, dass diese Methode histologisch wenig oder Nichts leistete, so wäre sie doch allein für das Studium der topographischen Anatomie schon unschätzbar. Mit welchem Prädicate soll man sie nun aber anerkennen, in Anbetracht, dass sie im Grossen und Ganzen auch histologisch weitaus das Beste leistet, dass keine andere, insofern die befriedigende Conservirung aller Gewebe in Betracht kommt, mit ihr wettzueifern vermag? Nur ein Beispiel: Die so ausserordentlich zarten und vergänglichen Sinneshaare der Seitenorgane wurden durch alle die zahlreichen in der heutigen mikroskopischen Technik üblichen Reagentien mit Ausnahme der Osmiumdämpfe zerstört, oder doch nur in einzelnen Trümmern erhalten; die meisten meiner Seewasser-Alcohol-Präparate dagegen zeigen diese Haare unversehrt, oder doch nur wenig verändert! Es wird daher Niemand wundern, dass ich nach solcher Erfahrung, wo nicht specielle histologische Fragen Controlle verlangten, mich aus- schliesslich an das Seewasser-Alcohol-Gemisch hielt. Auch ist die Procedur so einfach. Man bringt die eingeschläferten 'T'hiere direet in 70% Alcohol, indem man nur dafür Sorge trägt, dass sie gerade ausgestreckt zu liegen kommen. Sodann fixirt man sie, respective die einzubettenden Stücke, auf den im vorhergehenden Abschnitte erwähnten Holzplättchen (2 Nadeln genügen), färbt, und lässt sie, wie es für die Flächenpräparate beschrieben wurde, den Gang durch die verschiedenen Alcoholsorten und ätherischen Oele machen. Auch während des mehrstündigen der definitiven Einbettung vorausgehenden Verweilens in dem (auf der constanten T’emperatur von etwa 60° gehaltenen) Paraffine müssen die Stücke auf ihre Holztäfelchen geheftet bleiben, da sonst leicht nachträglich noch Verbiegungen vorkommen könnten. Sodann kann man aber in aller Ruhe das Object ablösen und im Kästchen oder Rahmen orientiren, da nach so langem Verweilen in der warmen Lösung keine Biegung mehr zu befürchten ist. Zur Färbung in toto habe ich mit bestem Erfolge Boraxcarmin und Hämatoxylin (nach KLEINENBERG) angewandt. Krsterer Farbstoff lässt niemals im Stiche und giebt, wenn nur richtig durch angesäuerten Alcohol ausgezogen worden war, schöne Bilder; letzterer ist nicht so zuverlässig, wird dagegen im gelungenen Falle, was Distinctheit und Durchsichtigkeit der Färbung betrifft, von wenig anderen 'Tinctionsmitteln übertroffen. Für die Bewältigung schwer tingirbarer Gewebe, wie zum Beispiel der Nervenfibrillen des Bauchstranges, haben sich endlich besonders gut die alcoholstarken Carmine von P. Mayer bewährt. Präparations-Methoden, d. Herstellung von Macerationspräparaten. 297 d. Herstellung von Macerationspräparaten. Als bestes Verfahren zum Herauspräpariren ganzer Organe habe ich das mehr- stündige Einlegen der Thiere in 1%, Essigsäure kennen gelernt. Will man störende Uon- tractionen vermeiden, so thut man gut, diesem Einlegen die Betäubung in Seewasser-Alcohol vorausgehen zu lassen. Derartig isolirte Körpertheile können sodann gefärbt und in Glycerin oder Farrantliquor oder auch, nach der üblichen Aleoholbehandlung, in Harze eingeschlossen werden. Behufs Isolirung von Gewebselementen erwies sich, je nach der Beschaffenheit der Organe, bald die eine, bald die andere der so zahlreich bekannten Macerationsflüssig- keiten als empfehlenswerthere. Da aber in der Tafelerklärung für jede Figur das Herstellungs- verfahren angegeben ist, so glaube ich, auf diese Erklärung und die Abbildungen verweisend, eine besondere Aufzählung dessen, was für jedes Organ gut befunden wurde, unterlassen zu können. Bezüglich eines Reagens, und zwar des zumeist von mir angewandten, kann ich jedoch nicht umhin, einige Bemerkungen zu machen. Nicht als ob es sich um ein neues Mittel oder um neue Kunstgriffe dabei handelte — nein, nur ein Beitrag zur Rehabilitirung ist beabsich- tigt. Wer etwa, bevor er dies las, einen Blick auf meine "Tafeln und speciell auf die abge- bildeten isolirten Elemente geworfen hatte, weiss, dass ich das Kali bichromicum im Sinne habe. Ich constatire, dass dieses Macerationsmittel, wenn es sich um die Isolirung feinster Ausläufer oder complieirter Zusammenhänge zwischen Gewebselementen handelte, weitaus das Beste leistete. Es wurden zur Controlle stets auch andere Methoden herangezogen; aus dem Vergleiche der bezüglichen Figuren mag man aber ersehen, in wie hohem Grade durch- schnittlich die durch die Wirkung des Kalisalzes gewonnenen Präparate vor den anderen sich auszeichnen. Dass mit den vorzüglichen Leistungen des genannten Salzes gelegentlich Quel- lungen, Schrumpfungen oder Varicositäten einhergehen, lässt sich nicht leugnen, und ich ver- stehe daher sehr wohl, dass ihm Diejenigen, denen das Studium der Zellen-Biologie obliegt, vielfach den Abschied gegeben haben; aber suchen wir denn etwa immer die Elementar- organismen um ihrer selbst willen zu isoliren, oder sind es nicht vielmehr in den meisten Fällen ihre Beziehungen zu einander, auf die es uns in erster Linie dabei ankommt? Was liest am Schrumpfen oder Quellen des Protoplasmas, an der besseren oder schlechteren Er- haltung des Kernnetzes etc., wenn es sich beispielsweise darum handelt, den logisch für nothwendig erachteten, auf Schnitten vielleicht angedeutet gefundenen Zusammenhang zwischen den Ausläufern der Hautfadenzellen und denjenigen des darunter gelegenen Ganglienzellen- plexus greifbar oder doch mindestens sichtbar darstellen zu können ? Ich fand für das Einlegen zahlreicher ganzer T'hiere Lösungen von 1’, und für dasjenige von einzelnen Individuen oder Theilen von ihnen Lösungen von (in beiden Fällen reichlich) am günstigsten wirkend. Uebrigens bildet ja gerade Das eine der Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Cafitelliden, 38 I98 Anhang zum Anatomisch-Histologischen Theil. grössten Annehmlichkeiten unseres Reagens, dass auf die Concentration und Zeitdauer seiner Einwirkung nicht so viel ankommt. Lange habe ich (da sie alle brauchbare Resultate lieferten) zwischen Lösungen von '/,'/, und 2°, hin und her geschwankt, bevor solche von 1, respective '/,/, als die durchschnittlich am besten wirkenden erkannt wurden, und was die Einwirkungsdauer betrifft, so genügt es hervorzuheben, dass ich in vielen Fällen von 'Thieren, die Jahre hindurch im Reagens gelegen hatten, ebenso gute, ja zuweilen bessere Präparate erhielt als von solchen, die erst Tage oder Monate lang seinem Einflusse ausgesetzt waren. Werden zahlreiche 'Thiere eingelegt, und ist eine längere Aufbewahrung beabsichtigt, so empfiehlt es sich, nach etwa 24 Stunden die Flüssigkeit zu wechseln und zur Verhinderung von Pilzbildung ein paar Thymolkrystalle hinzuzufügen. Beim Isoliren verfuhr ich entweder so, dass die betreffenden Organstückchen in der Macerationsflüssigkeit zerzupft, durch einen unter dem Deckglase hergestellten Capillarstrom mit Glycerinwasser ('/, Glycerin, '/), Wasser) ausgewaschen, gefärbt, wieder ausgewaschen und schliess- lich in Glycerin oder Farrantliquor eingeschlossen wurden, oder ich wusch und färbte das betreffende Stück in toto und nahm die Zerzupfung in der definitiven Einschlussflüssigkeit vor. Beide Methoden haben ihre Vortheile und Nachtheile. Bei Anwendung ersterer isolirt man leicht, riskirt aber häufig, dass das Beste weggeschwemmt oder zerrissen wird; bei Anwen- dung letzterer ist umgekehrt das Isoliren erschwert, dagegen die Gefahr des Verlustes ver- mindert. Unter allen Umständen ist es rathsam, die Isolirungen zunächst im Macerations- liquor vorzunehmen und erst nach Feststellung der so gewonnenen Resultate an das Färben und Einschliessen zu gehen. Als Farbstoff kann ich nach langer Erfahrung eine kräftige wässrige BEosinlösung empfehlen. her) Theil. B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologis Die im vorhergehenden Theile je für alle Gattungen anatomisch durchgearbeiteten Organsysteme sollen im nachfolgenden der Reihe nach vom vergleichend -anatomischen und morphologischen Standpunkte aus betrachtet werden. Den zu behandelnden Stoff habe ich folgendermaassen gegliedert: die einzelnen auf- einanderfolgenden Kapitel werden mit einer vergleichenden Zusammenfassung des innerhalb der Capitellidengruppe gewonnenen Thatsachenmaterials eingeleitet; dieser Zusammenfassung schliesst sich sodann je eine Erörterung der verwandten Verhältnisse innerhalb der Anneliden- classe an, und je den Schluss bildet die Erwägung etwaiger Homologien mit adäquaten Bil- dungen aus dem Bereiche anderer Thierclassen. I. Haut. l. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.’ Auch hier empfiehlt es sich, die zwei Componenten der Haut: Cutieula und Hypodermis wegen ihrer so verschiedenartigen Beziehungen einer getrennten Betrachtung zu unterwerfen. Als dem Gedankengange meiner Darstellung besser entsprechend, werde ich aber, umgekehrt oO oO >) {e) wie vorigen Theile, mit der Hypodermis beginnen. a. Hypodermis. Die Mächtigkeit der zelligen Hautschicht wurde, je nach den Gattungen und Körper- regionen, sehr bedeutenden Schwankungen unterliegend befunden. Bei Notomastus, Dasy- branchus und Mastobranchus erreicht diese Schicht im "Thorax eine so bedeutende Ausbildung, dass ihr Durchmesser fast dem der gesammten Muskulatur gleichkommt, während im Abdomen 7) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 19—29. 171. 207---208. 232—233 und 252—254. 300 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. umgekehrt ihr Durchmesser zu einem Bruchtheile der genannten Muskulatur herabsinkt. In den Gattungen Heteromastus und Capitella ist kein so ausgeprägter Gegensatz der genannten Regionen vorhanden; überhaupt erscheint bei ihnen das gesammte Eetoderm zu Gunsten respiratorischer Thätigkeit stark verschmächtigt. Was die Structur der Hypodermis betrifft, so hat sich ergeben, dass zwei stark von einander abweichende Zellformationen ihr im frischen Zustande so schwer definirbares Ansehen bedingen. Die Elemente der einen Formation stellen entweder Platten dar, welche aus pallisadenartig nebeneinander geordneten Fäden sich aufbauen und meistens ihrer Kerne verlustig gegangen sind, oder spindelförmig erscheinende Körper, welche sich durch ebenso geformte Kerne und von diesen ausgehende basale Ausläufer (geschwänzte Kerne, auszeichnen, oder endlich com- paetere Gebilde mit breiten protoplasmatischen Leibern und ähnlichen Ausläufern ihrer Kerne. Ich fasste alle diese Elemente unter dem Namen Fadenzellen zusammen. Diejenigen der anderen Formation bestehen aus hüllenlosen, flaschenförmigen Plasma- körpern sehr verschiedener Grösse, deren meist überaus vergängliche Substanz bald homogen, bald aus Kügelchen oder Stäbchen zusammengesetzt erscheint; ich nannte diese letzteren, in der Regel mit Kernen ausgerüsteten und je mit den zugespitzt endenden 'Theilen in einen Cntieulaporus eindringenden Elemente Plasma- oder Drüsenzellen. Die beiden Zellenarten sind derart angeordnet, dass die Fadenzellen vermöge ihrer zahlreichen Ausläufer ein Gerüstwerk darstellen, in dessen Fächer oder Alveolen die Drüsen- zellen zu liegen kommen. Die Individualität dieser Drüsenzellen wird demnach, in Erman- gelung eigener Membranen, ausschliesslich durch das sie umspinnende Netzwerk der Faden- zellen bedingt; ohne letzteres würden sie zu einem Syneytium verschmelzen müssen. Aber auch diese Individualität ist nur eine sehr relative; zahlreiche 'Thatsachen sprachen nämlich dafür, dass die Plasmazellen jeweils in toto in der Schleimproduction aufgehen, um durch jüngere nachwachsende ersetzt zu werden. Meine diesbezügliche Auffassung gipfelte in dem im vorigen Theile bereits ausgesprochenen Satze, dass hier weniger die Drüsenzelle, als viel- mehr die gesammte Haut das Drüsenindividuum darstelle, und dass dieser Auffassung gemäss die Fadenzellen die Rolle eines Stromas, die Plasmazellen diejenige einer Pulpa und die Cuticula diejenige eines polystomen Ausführungsganges spielten. Ein von dem im Vorhergehenden geschilderten abweichendes Verhalten behauptet die Haut im nachwachsenden Schwanzende. In dieser sich hinsichtlich aller Organsysteme unfertig, respective embryonal verhaltenden Region erscheint auch die Haut in der Form eines ganz einheitlichen Plattenepithels. Abweichungen anderer Natur werden durch locale Anhäufungen der Drüsenzellen, mit denen auch noch Modificationen letzterer einhergehen können, hervorgerufen. Auf einfacher Häufung der Plasmazellen beruht zum Beispiel das eigenthümliche Ansehen der Hautaus- buchtungen von Heteromastus. Mit der ausserordentlichen Vermehrung derselben Elemente im Bereiche der Genital- schlauchporen sowie der Copulationsdrüse der Capitella geht schon eine totale Um- l. Haut. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. a. Hypodermis. 301 wandlung ihrer Substanz in Secretbläschen oder Körnchen einher, eine Umwandlung, welche das auffallend drüsige, an den Gürtel der Oligochaeten erinnernde Ansehen ersterer Hautstelle verursacht. In den entsprechenden, die Mündungen der Genitalschläuche vermittelnden Hautfort- sätzen oder Porophoren des Tremomastus erreicht ferner diese Modification einen noch höheren Grad, indem hier die ursprünglichen Plasmazellen nicht nur eine Häufung und Sub- stanzveränderung erfahren, sondern zu ganz neuen Einheiten, nämlich zu colossalen, vielker- nigen, bewandeten Drüsenschläuchen mit überaus complicirten Filomen heranwachsen. Alle diese, sei es stabilen, oder im periodischen Wechsel gewisser Functionen auf- tretenden Umbildungen werden nun aber, sowohl an Ausdehnung, als Tragweite der Wirkung, von den an Olistomastus zur Zeit der Geschlechtsreife sich abspielenden Hautmetamor- phosen übertroffen, Metamorphosen, welche, wie im speciellen Theile ausführlich geschildert wurde, dahin führen, dass an Stelle der gesammten ursprünglichen Eetodermelemente des Abdomenrückens sehr umfangreiche, mit dieken Membranen versehene, einen ganz veränderten Inhalt führende Drüsenbecher treten, und welche damit enden, dass die in solcher Metabolie sich erschöpfende Haut der betreffenden '[hiere einer ähnlichen histolytischen Degeneration anheimfällt, wie der Darm. Auch die Fadenzellen können durch Häufung oder einseitige Ausbildung zu einer Veränderung des ursprünglichen Verhaltens führen. So treffen wir fast bei allen Gattungen einzelne Hautstellen des Thorax ausschliesslich aus solchen Zellen bestehend und daher ein überaus compactes Ansehen darbietend. Dass diese Einseitigkeit in erster Linie durch das Bedürfniss grösserer Widerstandsfähigkeit zur Entwickelung gelange, wird durch das Verhalten der Capitella sehr wahrscheinlich gemacht, indem bei den ©’ dieser Form diejenige Haut- stelle, welche die Ein- und Ausstülpung des mächtigen Copulationsapparates zu vermitteln und in Folge dessen starken Zerrungen zu widerstehen hat, ausschliesslich aus kräftigen, dicht aneinander gereihten Fadenzellen aufgebaut ist. Nur selten und in geringer Ausdehnung habe ich Haut- und Ringmuskulatur scharf voneinander abgegrenzt oder gar durch eine besondere Stützmembran geschieden angetroffen; in den meisten Fällen dagegen scheinen die beiden Schichten durch ein sehr complieirtes Fasernetz auf's Innigste miteinander verbunden zu sein. Die histologische Analyse dieser häufig der Cutis verglichenen, oder in die Rubrik »Bindegewebe« verwiesenen Grenz- schicht hat ergeben, dass sie aus sehr verschiedenartigen Elementen besteht; nämlich erstens aus zahlreichen von der Stammesmuskulatur sich ablösenden und mehr der Haut zugerückt verlaufenden Muskelbündeln, also aus Rudimenten einer Hautmuskulatur; zweitens aus trans- versal gerichteten, die gesammte Stammesmuskulatur passirenden, mit Ausläufern der Faden- zellen verschmelzenden Muskelfibrillen, welch’ letztere dadurch zu Stande kommen, dass im Coelom fungirende Muskeln, wie zum Beispiel die Parapodretractoren, die contractilen Ele- mente der Nierenplatten (transversale Muskulatur) sowie der Septa sich zum Behufe des An- satzes in die Stammesmuskulatur einsenken und dabei in ihre Fibrillen zerfallen: drittens 302 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. endlich aus Spinalnerven sowie aus einem nahezu continuirlichen, zwischen Haut und Mus- kulatur eingeschobenen Ganglienzellenplexus und dessen zahlreichen nach der Haut zu gerich- teten Ausläufern. Ich habe schon im speciellen Theile mit Nachdruck auf die so auffallende Verbindung von Muskelfibrillen und Fadenzellen hingewiesen. Würde es nur auf einen Ansatz dieser Muskeln im gewöhnlichen Sinne ankommen, so wäre nicht einzusehen, warum die betreffenden Bündel in ihre Fibrillen zu zerfallen und letztere sich je distinet mit Ausläufern der Faden- zellen zu verbinden hätten: dieser Ansatz könnte auf dem viel einfacheren, auch sonst im Körper zur Anwendung gelangenden Modus erreicht werden. Jene Anordnung wird sich demnach zweifellos im Dienste anderer Functionen entwickelt haben. Als solche habe ich die Einstülpung ganz localer Hautpartien in’s Auge gefasst, welche sich so oft an den ver- schiedensten Körperstellen unserer 'T'hiere constatiren lassen, und welche wahrscheinlich mit der partiellen Schleimabsonderung im Zusammenhange stehen. Man muss sich nämlich daran erinnern, dass die Drüsenelemente der Haut, in ihrer Eigenschaft nackter Plasmaklümpchen, >edingungen zu spontaner Entleerung des Secretes nicht in sich tragen, und dass daher die zu solcher Thätigkeit nothwendige Kraft aus anderer Quelle stammen muss. Die Abson- derung grösserer oder kleinerer Hautflächen kann durch einfache Contractionen der Stammes- muskulatur entsprechender Leibesabschnitte bewirkt werden, die Entleerung einzelner Haut- drüsen dagegen lässt sich kaum anders, als durch die Contractionen dieser mit den Fadenzellen verschmolzenen transversalen Muskelfibrillen erklären. Sodann aber entsteht die Frage, wie wir uns das Zustandekommen dieser innigen Verbindung von transversaler Muskelfibrille einer- und Fadenzellenfortsatz andererseits vorzustellen haben. Am einfachsten wäre die Annahme, lass diese Fibrillen, anstatt sieh an einer Stützmembran oder zwischen der übrigen Muskulatur zu befestigen, weiterwachsen, um eben schliesslich mit je einem Zellfortsatz zu verschmelzen. Zur Zeit, als ein solches Auswachsen centripetaler T'heile und deren secundäre Verbindung mit centrifugalen plausibel erschien, hätte man sich wohl auch mit dieser Annahme genügen lassen können: heute aber, da Alles mehr für eine ursprüngliche Einheit selbst örtlich weit von einander getrennt zu liegen kommender Componenten spricht, dürfen wir nicht unter- lassen Möglichkeiten in’s Auge zu fassen, welche auch für die in Frage stehende Verbindung mehr im Sinne der letzteren Vorstellungsweise Anhaltspunkte bieten. Eine solche Möglichkeit drängte sich mir aber auf, als ich das Vorkommen von Epithelmuskelzellen — deren Kennt- niss bis dahin auf den Coelenteratentypus beschränkt geblieben war — am Darmkanale un- serer Thiere zu constatiren hatte. Sobald wir nämlich das System der transversalen Mus- kulatur von diesem Gesichtspunkte aus betrachten, so erscheint auch seine Verbindung mit dem Hautepithel (als Neuromuskelzellen) eine natürliche, und wenn die Ausbildung von Epithelmuskelzellen am Entoderm möglich war, warum sollte sich diese Möglichkeit nicht ebenso gut auf das Ectoderm erstrecken können? Der Einwand, dass dadurch die trans- versale Muskulatur bezüglich ihrer Genese zur übrigen Körpermuskulatur (welche ja neueren Angaben zufolge aus dem parietalen Blatte hervorgehen soll) in einen Gegensatz geriethe, J. Haut. 1. Vergleichende Zusammenstellung der Capitelliden. a. Hypodermis. 303 wird durch KLeisengere’s!) bahnbrechende embryologische Untersuchungen, denen zufolge die Muskelplatten als secundäre, und die Peritonealhäute als tertiäre Eetodermabkömmlinge zu betrachten sind, entkräftet. Für die Ansicht, dass die Verbindung von Fadenzelle und transversaler Muskeltibrille nicht einseitig als »Ansatz« der Fibrille aufzufassen sei, spricht auch die Art, wie diese sonst zerstreut stehenden Elemente in den Seitenorganen zu den sogenannten Haarfeldretractoren zusammengerückt sind: es ist damit geradezu ad oculos demonstrirt, dass die Verbindung von transversaler Fibrille und Hautfadenzelle der Aufgabe einer partiellen Hautcontraction Ge- nüge leisten könne. Auch die der Haut zustrebenden Spinalnerven, respective die Aeste solcher pflegen dabei in ihre Fibrillen zu zerfallen. Diese Fibrillen verbinden sich nun aber nicht etwa direct mit den die Haut zusammensetzenden HKlementen, sondern, wie das nebenstehende Schema veranschaulicht, mit Ausläufern eines, Guten zwischen Haut- und Ringmuskulatur eingescho- Houtfudenzelle. benen, überaus dünnwandigen Ganglienzellen- Zur Fadenzelle‘ ge: j richteter Gunglien- plexus. Letzterer besteht aus eminent fort- ne Beachaanele en “ Korn. satzreichen Zellen. Die meisten Fortsätze anasto- | RE n Gunglienzelle des auldrüsenzelle. Hautplexus. mosiren zum Behufe der Plexusbildung, andere stellen die Verbindung mit den Fibrillen der Spinalnerven und noch andere endlich die Ver- Anastomose. Lingmuskulatur. bindung mit den Ausläufern der Fadenzellen Den Gunglienzellen- Plexus inmervirende Spinalnerven-Fibrille. her. Zwischen die Fadenzellen- und Ganglien- zellenfortsätze schieben sich häufig ähnliche kern- Mit dem geschwänzten Kerne verschmolzene transversale artige Anschwellungen ein, wie sie auch in den RER entsprechenden Bildungen des Centralnervensystems und der Seitenorgane angetroffen werden, Bildungen, welche ich den sogenannten Körnern der höheren 'T'hiere histologisch für ver- gleichbar halte. Stellenweise, besonders bei 'Thieren aus der Gattung Dasybranchus, ist das Gewirre der aus dem Ganglienzellenplexus aufsteigenden und aus den Fadenzellen entgegen- kommenden Fäserchen so dicht, dass, im Vereine mit den genannten Körnem, in den Schnitten ein lebhaft an dasjenige entsprechender Bauchstrangpräparate erinnerndes Ansehen zu Stande kommt. Ich habe nur zwischen Fadenzellen und Ganglienzellen Verbindungen constatiren können; wie sollten aber auch zwischen den nackten, allseitig von Fadenzellen umschlossenen, jeweils in der Secretion aufgehenden, also ephemeren Plasmazellen entsprechende Beziehungen zu den Ausläufern des Plexus herstellbar sein? Ueberdies liegt gar kein Bedürfniss zu direeter Inner- vation vor, wenn nur, wie im Vorhergehenden erwogen wurde, die Entleerung des Drüsen- l) KLEINENBERG, N. Die Entstehung des Annelids aus der Larve von Lopadorhynechus etc. Zeit. wiss. Z. 44. Bd. 1886. p. 18. 304 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. secretes, wo es sich um die Betheiligung grösserer Hautstrecken handelt, durch Contraction des Muskelschlauches und, wo es sich um einzelne Punkte handelt, durch Contractionen der mit den Hautfadenzellen verschmolzenen transversalen Muskelfibrillen bewirkt werden kann. Die bei der Vorstellung solchen Functionirens vorausgesetzten Beziehungen zwischen sensiblen und motorischen Elementen sind gegeben, indem es keinem Zweifel unterliegen kann, dass die Fadenzellen, also dieselben Gebilde, welche in den Seitenorganen, wenig modifieirt, ein specifisches Sinnesorgan darstellen, auch da, wo sie der Sinneshaare entbehren und nicht so gehäuft stehen, die Bedingungen elementarer Reizleitung in sich tragen. Eine Complication dieser Verhältnisse muss da eintreten, wo Ausläufer ein und derselben Hautfadenzellen sowohl mit transversalen Muskelfibrillen, als auch mit Fibrillen des Plexus in Verbindung stehen. Ich habe zwar an meinen Hautpräparaten keine Belegstücke für diese Doppelverbindung zu gewinnen vermocht, und es wäre ja möglich, dass diejenigen Fadenzellen, welche vom Plexus aus innervirt werden, nicht zugleich mit Muskelfibrillen verschmelzen, sowie umgekehrt; aber gegen ein solches Verhalten sprechen doch zwei gewichtige 'Thatsachen: einmal sind sowohl die Fortsätze des Plexus, als auch die transversal gerichteten Muskeln, respective ihre Fibrillen so zahlreich, dass die erwähnte Vermeidung doppelseitiger Verbindung schwer durchzuführen sein dürfte, und, was schwerer wiegt, in den Seitenorganen ist ein solcher Connex thatsäch- lich vorhanden. In den Seitenorganen stehen nämlich die Sinneszellen, welche nichts Anderes als modificirte Hautfadenzellen sind, sowohl mit transversalen Muskelfibrillen (hier zum Haarfeldretractor zusammengerückt) als auch mit Fibrillen des Plexus (hier zum llügelganglion angeschwollen) in Verbindung. Wenn aber demzufolge auch in den übrigen Hautpartien aller Wahrscheinlichkeit nach die einzelnen Hautfadenzellen sowohl mit Nerven, als auch mit Muskelfibrillen zusammenhängen, so kann der im Vorhergehenden besprochene Inmnervationsmodus, insofern er bestimmte Hautstellen betrifft, ohne jede Be- theiligung des centralen Systems, das heisst reflectorisch vor sich gehend, gedacht werden; es brauchten nämlich zu diesem Behufe nur einzelne Fortsätze des Plexus Verbindungen mit den transversalen Muskelfibrillen einzugehen. Noch viel einfacher wäre freilich eine directe Uebertragung des Reizes von der Fadenzelle auf die zugehörige Muskelfibrille, wenn eine der- artige Vorstellung angesichts eines so reichen Ganglienapparates sich ohne Weiteres plausibel machen liesse. Einzelne Stellen der Haut können auch dadurch ein vom typischen abweichendes An- sehen gewinnen, dass Theile des centralen Nervensystems unmittelbarinsieübergehen. Bei allen Capitelliden sind es die zwei Endpunkte dieses Systems, nämlich die Augenlappen des (ichirns einer- und die Bauchstrangspitze im nachwachsenden Schwanze andererseits, welche einen derartigen Uebergang aufweisen; bei Heteromastus aber kommt ausserdem noch dem ganzen Abdomen entlang der Bauchstrang in die Haut zu liegen, so dass es schwer wird zu sagen, wo dessen Ganglienzellen aufhören dem Nervensysteme, und wo sie anfangen der Haut anzugehören. indlich pflegt das Integument auch da seinen Charakter etwas zu verändern, wo es sich einstülpt und so am Aufbaue innerer Organe participirt, also im Vorder- und [. Haut. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. a. Hypodermis. b. Cuticula. 305 Hinterdarme, in den Parapodien und Nephridien, sowie in den Porophoren der Genital- schläuche. Die Capitelliden zeichnen sich keineswegs durch auffallende Hautpigmentirung aus. Nur zwei Formen lassen überhaupt eine solche erkennen; es sind die Genera Heteromastus und Capitella. In beiden trifft man zwischen Cuticula und Epidermis gelbe oder bräunliche Körnchen und Bläschen, welche — besonders bei Capitella — stellenweise gehäuft stehen. Durch die lange und intensive Beschäftigung mit unserer Thiergruppe bin ich nun darauf gekommen, dass dieses sogenannte Pigment nichts Anderes ist als ein von den — in beiden Gattungen in die Haut mündenden — Nephridien ausgeschiedenes Exeret (Excretbläschen, Coneretionen). Capitella pflegt ausser dieser braungelben Pigmentirung des Abdomens auch noch eine rothgelbe des Vorderleibes sowie der Schwanzspitze aufzuweisen und diese wird durch (ebenfalls zwischen Hypodermis und Cuticula aufgespeicherte) Blutscheiben, respective durch Partikel solcher verursacht. Solche Blutscheiben kommen wahrscheinlich, nachdem sie in excretorischer 'Thätigkeit erschöpft, die Bedingungen zu weiterer Circulation verloren haben, ähnlich wie das Nephridienexeret an der genannten Hypodermgrenze zur Aufspeicherung, um sodann im Anschlusse an die — von mir allerdings nur vermutheten und nicht beobach- teten — Häutungen zeitweise nach aussen geschafft zu werden. b. Cuticula. Die Cuticula stellt bei allen Capitelliden eine den gesammten Körper überziehende, I—3 p. dicke, im frischen Zustande meist homogen erscheinende Haut dar, welche von zahl- reichen Poren — den Mündungen der Hautdrüsen — durchbohrt ist. Ueberall da wo innere Organe nach aussen münden, oder äussere Organe zur Einstülpung gelangen, participirt diese Haut ebenso wie die Hypodermis an den betreffenden Uebergangsstellen. In den Gattungen Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus erscheint die Cuticula im vorderen Körperab- schnitte durch ein tiefes Furchensystem mosaikartig gefeldert; auch in den hinteren Körper- abschnitten genannter Gattungen sowie bei Heteromastus und Capitella lassen sich hexagonale Furchen — aber nur mit bewaffnetem Auge — nachweisen. In einzelnen Fällen erkennt man schon an der frischen Cuticula ein System zweier rechtwinklig aufeinander gerichteter Streifen; viel deutlicher kommen dieselben nach Behandlung mit gewissen Reagentien zum Vorscheine. Macerationspräparate haben aber gezeigt, dass das Streifensystem auf dem Vor- handensein zweier ebenso angeordneter Lagen von Fibrillen beruht. Diese durch eine Kitt- masse verbundenen Fibrillen sind etwa '% p diek und von rundlichem Querschnitte. Es gelang mir solche bis zur Länge von 200 p. zu isoliren, wobei sich dieselben als ziemlich elastische Gebilde erwiesen. Das im frischen Zustande homogene oder gestreifte Ansehen kommt lediglich dadurch zu Stande, dass die Zwischenräume des Fibrillengitters gleichmässig von der erwähnten Kittsubstanz ausgefüllt werden. Wenngleich der Cuticula neben ihrer grossen mechanischen auch eine nicht unbedeu- Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 39 306 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. tende chemische Resistenz innewohnt, so hat sich doch ergeben, dass letztere nicht an das Chitin heranreicht; die genannte Membran wird nämlich schon durch kalte Kalilauge zur Lösung gebracht. Wie haben wir uns nun die Entstehung dieser, zwar nicht zelligen, aber doch eine gewisse Structur aufweisenden Haut vorzustellen? Bei unseren 'T'hieren ist kein Zweifel darüber möglich, dass es einzig und allein die Hypodermis ist, welche als Mutterboden derselben in Betracht kommen kann, indem ihnen alle solche Drüsengebilde, welche bei anderen Formen etwa zu diesem Behufe heranzuziehen wären, durchaus abgehen. Dann aber kann es sich nur fragen: sind es die Faden-, oder Drüsenzellen dieser hypodermalen Schicht, respective sind es beide zusammen, welche die Cuticula erzeugen? £ Die Structur einzelner Fadenzellen hat etwas sehr Einladendes, sie mit der Cuticula- genese in Zusammenhang zu bringen: ich meine diejenigen Formen, deren Substanz einen totalen Zerfall in Fäden erlitten hat. Man könnte sich nämlich vorstellen, dass diese Fäden über das Hypodermniveau hinaus wachsen und so das Material zu dem fibrillären Bestand- theile der Cuticula liefern. Aber diese Vorstellung reicht nicht weit; denn erstens sind die erwähnten Zellformen doch nur stellenweise vertreten und daher schwer mit dem überaus regelmässigen Fadengitter in einen Causalnexus zu bringen, und zweitens erheischen die Fälle, in denen es sich überhaupt um die Neubildung der cuticularen Bedeckung handeln kann, nämlich nach stattgehabten Häutungen, einen raschen, sich mit einem Schlage auf die ganze Körperfläche erstreckenden Ersatz, wie er wohl als Function secernirender Drüsen, nicht aber als solche allmählich auswachsender Zellfäden gedacht werden kann. Diese Bedingung er- füllen nun die überdies allein für die gesuchte Erklärung noch übrig bleibenden Plasma- oder Drüsenzellen. Die Substanz letzterer haben wir bald durchaus homogen, bald durchaus in Kügelchen zerklüftet gefunden; zuweilen aber zeigte sich auch ein '[heil derselben aus überaus winzigen Stäbchen bestehend, und ebensolche Stäbchen konnten fast ausnahmslos in grossen Mengen in dem von der Haut abgesonderten Schleime nachgewiesen werden‘). Einmal auf dieser Fährte, liess ich mir es angelegen sein, jene glashellen überaus zarten "Tuben zu unter- suchen, mit welchen sich insbesondere Capitella capitata oft auf einen momentanen Reiz hin, meistens aber spontan (wenn ohne Sand gehalten) zu umgeben pflegt, und ich fand diese ephemeren Röhren in der That entweder aus Fäden oder aus solchen durch eine homogene /wischenmasse fest zusammengekitteten Stäbchen verschiedenster Grösse zusammengesetzt). Es gelang mir überdies, mit diesen Röhren durchaus übereinstimmende Membranen auch will- kürlich derart zur Entstehung zu bringen, dass ich 'Thiere mit der Pincette aufhob und wieder fallen liess. Gestützt auf diese Erfahrungen schliesse ich nun, dass die Fäden der Cuticula eben- falls durch eine Stäbchen- oder Faden-Agglomeration zu Stande kommen, indem ich mir vorstelle, dass die Hypodermdrüsenzellen, wenn es auf die rasche Bildung einer ephemeren a) Taf. .36. Fig. 1. b), lat, 36,.,Kio. 2.23, [. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. 307 Membran ankommt, das bezügliche Material discontinuirlich in Form von Stäbchen oder kurzen Fäden ausscheiden und bunt durcheinander verkitten, dass dagegen dieselben Zellen bei unge- störter Abscheidung einer relativ perennirenden Haut, wie die Cuticula, dasselbe Material mehr continuirlich in Form von langen Fäden secerniren, welche unter regelmässiger Neben- und Aufeinanderlagerung miteinander verschmelzen. Zu Gunsten der Möglichkeit einer so regel- mässigen Gitteranordnung, wie sie das Fibrillennetz der Cuticula aufweist, kann auf die ähn- lich regelmässige Anordnung der Plasmazellen hingewiesen werden, wie sie sich zum Beispiel an vielen Stellen in der Vertheilung der Poren als Mündungen dieser Zellen manifestirt, oder auf die überaus regelmässigen Gürtelbildungen, zu welchen dieselben Drüsen zum Beispiel bei Notomastus zur Zeit der Geschlechtsreife hinneigen. In dem nachfolgenden Vergleiche der Capitellidenhaut mit derjenigen anderer Anne- liden sowie anderer Thierformen werde ich noch eine grössere Reihe von 'I’hatsachen an- führen, welche diese meine Ansichten über die Cuticulagenese zu stützen vermögen. Be- züglich der Stäbchen sei betont, dass ich, wie im Physiologischen "Theil gezeigt werden soll, ihre Function durchaus nicht für auf die Bildung cuticularer Membranen beschränkt halte. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. Die genauere Kenntniss der Hypoderm-Structur ist ein Product der letzten zwei Decennien. Noch zu Anfang der Sechziger Jahre begegnen wir in den das damalige Wissens- material repräsentirenden oder recapitulirenden Werken einer Darstellung, welche die für andere 'T'hiergruppen gewonnenen Anschauungen einfach auf die Anneliden überträgt, oder aber über das betreffende Organsystem mit einigen wenig zutreffenden Worten hinwegeeht. So giebt EHters') il seinem, die Kenntniss der. übrigen Organisationsverhältnisse so vielfach fördernden Werke über die Borstenwürmer folgendes Resume über die heutige Hypodermis oder das Ectoderm: »Bei Chitindeeken von der Feinheit, wie sie bei den Würmern meist vorkommen, hält es oft schwer, die Subeuticularschicht zur Anschauung zu bringen. Nach meinen Erfahrungen über dieses Gewebe, welche allerdings nicht die Ausdehnung haben, dass sie eine allgemeinere Geltung beanspruchen könnten, ist es bei den Würmern nicht eine Schicht von selbständigen Zellen, sondern nur eine dünne Lage feinkörniger Masse, welche man als Erzeugerin der Chitindecken ansehen kann, das häufigste Vorkommen; vereinzelt kommen Zellen vor in der Masse eingebettet oder auch zu kleinen Gruppen vereinigte. (JQUATREFAGES” weiss in der anatomischen Einleitung zu seiner kurz nach dem Enters- schen Werke erschienenen, umfassenden Naturgeschichte der Anneliden über die Haut nichts Anderes zu sagen als: »Sa structure est granuleuse et c’est elle qui donne a V’anımal ses couleurs propres«. I) Euvers, Ernst. Die Borstenwürmer. Leipzig 1564. p. 17. opszlürzer Bl p- 29. (1365). 308 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Ja selbst CLAPArepE') noch bringt uns in den Prolegomenes zu »Les Annelides Che- topodes du Golfe de Naples«, als Frucht seiner, über ein so reiches frisches Material er- streekten Untersuchungen nur folgende unbestimmte Schilderung: r »La eouche sous-eutieulaire (hypoderme Weissmann) qui la se tete, peut etre souvent appelee avec M. Kostuıxer du nom d’epithelium, toutefois, dans la plus grande partie des cas, il n’est point possible d’y reconnaitre les limites des cellules constitutives. Les nucleus y paraissent plutöt semes avec une assez orande regularit6 dans une couche granuleuse continue, comme M. Baur Ta vu pour certains Arthropodes.« Und doch war schon geraume Zeit vor Abfassung des Crararepeschen Buches eine Monographie erschienen, in der ziemlich bestimmte Angaben über die Structur der Anneliden- haut in Wort und Bild figuriren; nämlich Leypıc’s?) »Ueber Phreoryctes Menkeanuse. Es wird da nämlich constatirt, dass die Matrix der Cuticula aus kleinen nach unten sich aus- fasernden Zellen bestehe, sowie aus zu Hautdrüsen modificirten Elementen, und wenn ’es auch Levis nicht gelungen ist die Kerne dieser Drüsenkörper zu demonstriren, ja wenn er selbst durch den Versuch, sie zu Sinnesorganen zu stempeln, welche unter dem Bilde einer Drüse auftreten, dieselben wieder aus ihrem eigentlichen Rahmen herausgerückt hat, so blieb doch immerhin das Nebeneinandervorkommen von zweierlei distineten Zellformationen als 'T'hat- sache bestehen. Ausserordentliche Anregung zum Studium der Hypodermstructur hat nun aber wiederum eine Arbeit CLAPAREDES®) gegeben. und zwar dessen »Histiologische Untersuchungen über den Regenwurme Ja, man kann mit gutem Rechte sagen, dass eigentlich erst dessen vielfach angefochtene Schilderung der Lumbrieushaut die betreffenden Forschungen in einen richtigen Fluss gebracht habe. In der betreffenden Abhandlung beschreibt nämlich unser Autor die Hypodermis als ein Wabennetz von Protoplasmalamellen mit eingestreuten Kermen, das sich in der Fläche wie ein Fadennetz ausnehme; die Maschen dieses Wabennetzes, die soge- nannten Wabenräume oder Alveolen, seien mit einer farblosen, bald homogenen, bald in Kügelchen zerfallenen Substanz gefüllt, deren drüsige Natur er zwar für wahrscheinlich hält, der er aber in Folge des Mangels von Kemen einen zelligen Charakter ohne Weiteres doch nicht zuzusprechen wagt, und so kommt er dazu, diese Alveolen, respective deren Inhalt, »intercellulare Drüsenkörper« zu nennen. Eine ganz ähnliche Hautstructur soll verschiedenen anderen Oligochaeten sowie auch gewissen marinen Polychaeten, insbesondere Phyllodociden zukommen. Dass derselbe alveolare Bau auch bei vielen marinen, sedentären Formen durchgeführt sei, dafür lieferte CLAPrarEDE' in seinem letzten Werke noch zahlreiche Belege. Man sieht, CrararepE brauchte nur die Individualität der die Alveolen zusammen- alas 1123, (eo job alas (SH) 2) LeyviG, Fr. Ueber Phreoryctes Menkeanus Horrm. nebst Bemerkungen über den Bau anderer Anne- liden. Arch. Mikr. Anat. 1. Bd. p. 256. (1865.) 3) Crararkpe, E. Histiologische Untersuchungen über den Regenwurm. Zeit. Wiss. Z. 19. Bd. p. 567—571. (1869. AN Recherches sur la Structure des Annelides Sedentaires. p. 12. Geneve etc. 1873. l. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. 309 setzenden Protoplasmalamellen mit eingestreuten Kernen (unsere Fadenzellen) einer- und die Kerne der diese Räume ausfüllenden Plasmakörper (unsere Plasma- oder Drüsenzellen) an- dererseits zu erkennen, um eine richtige Vorstellung über die Hypodermstructur zu gewinnen. Der eine Irrthum, nämlich derjenige bezüglich des Mangels von Kernen, wurde bald von verschiedenen Seiten her corrigirt. Zunächst durch Prrrier'), welcher für Urochaeta das Vorkommen isolirbarer deutlich gekermter Drüsenzellen constatirte, sodann durch Horsr?), der aus Zumbricus isolirte, mit Kernen versehene Drüsenzellen abbildete, endlich auch durch Mossısovics®), der mit Hilfe der Schnittmethode zu demselben Resultate gelangte. Der andere Irrthum Crararepes wurde aber durch dessen ebengenannte Nachfolger nicht nur nicht corıi- girt, sondern im Gegentheil dadurch noch überboten, dass sie dessen Wabennetze, das heisst jene die Alveolen bildenden Protoplasmanetze mit eingestreuten Kernen, zu einer blossen Intercellularsubstanz degradirten °); denn damit war der eine der Hautcomponenten, welchen zwar ÜULAPAREDE falsch interpretirt, aber doch vollauf als besondere zellige Structur gewürdigt hatte, einfach ignorirt worden. In diese Epoche fiel die Publication meines Aufsatzes über die Seitenorgane der Capitelliden‘), in welchem in Folge der nahen, zwischen diesen Sinneswerkzeugen und dem Eetoderm waltenden Beziehungen auch die über die Hautstructur gewonnenen Resultate kurz dargelegt werden mussten. Diese dem Leser aus dem Vorhergehenden bereits bekannten Resultate, welche sich dahin zusammenfassen lassen, dass die Hypodermis aus zwei hetero- genen, aber innig miteinander verschmolzenen Zellenarten: den Plasma- oder Drüsenzellen (Alveolen, Wabenränme, CLararepe) und den Fadenzellen (Wabennetze, Cr.ararkpr) aufgebaut sei, fanden nun bald von verschiedenen Seiten her Bestätigung. Zunächst durch Lankester’), und zwar in ganz unabhängiger Weise, da ihm bei Ab- fassung seiner Mittheilung der bezügliche Inhalt meiner Schrift noch nicht bekannt gewesen zu sein scheint. Folgender Satz enthält das Wesentliche: »Amongst the most important facts established in regard to the Earthworm's epiderm are, firstly, the existence beneath the euticle of a normal cellular matrix, consisting of varied forms of goblet cells and excessively delicate elongate interstitial or »packing« cells, instead of the altogether improbable syneytium deseribed by ULAPAREDE ;« etc. 1) Pereier, E. Organisation des Lombriciens terrestres. Arch. Z. Exper. T. 3. p. 383. (1874.) 2) Horst, H. Aanteekeningen op de Anatomie van Lumbrieus terrestris. L. Academisch Proefschrift. Utrecht 1876. p. 23. 3) MoJsısovics, A. v. Kleine Beiträge zur Kenntniss der Anneliden. Sitz. Ber. Akad. Wien. 76. Bd. PeRaSz7) AN p. 716° cHp: 300:.(1879). 5) LANKESTER, E. Ray. On Intra-Epithelial Capillaries in the Integument of the Medicinal Leech. @. Journ. Mier. Sc. (2.) Vol. 20. p. 303. (1880.) *) MoJsısovics spricht zwar, im Anschlusse an Levyvıc, von Zellen, die nach einer oder nach beiden Seiten zu spitz ausgezogen sind und zwischen denen kolbig verdickte liegen sollen; aber erstere entsprechen sicher- lich nicht den Crararüipe’schen Protoplasmanetzen (unseren Fadenzellen); dieselben gehören im Gegentheil, wie aus des Autors eigenen Abbildungen hervorgeht, ebenfalls zur Kategorie der Drüsenzellen. 310 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Sodann durch SPexGen', indem er die Haut des Oligognathus folgendermaassen schildert: »Unter der Cuticula liegt eine compheirt gebaute Epidermis, die an den meisten Stellen reich an Drüsenzellen ist: . . . . . Zwischen den Drüsenzellen liegen spindel- bis fadenförmige Zellen mit langgestrecktem Kerne«. \ 2 Ferner durch Meyer‘), der von der Haut des Polyophthalmus sagt: »Der histologische Bau des Hypoderms ist im Allgemeinen derselbe, wie er von H. EisıG für die Capitelliden beschrieben worden ist. Es besteht aus eigenthümlichen faserigen Hypodermzellen und zwischen diesen eingelagerten, membranlosen Drüsenzellen, deren gegenseitiges, quantitatives Verhalten sehr varırt« ete. Tımm°) hebt weiter für das Hypoderm des Phreoryctes ausdrücklich hervor: „Niemals grenzen je zwei Hautdrüsen mit ıhren Wänden unmittelbar aneinander: sondern sie sind immer durch mindestens eine (stäbehenförmige, protoplasmareiche Zelle von einander getrennt.« Auch Vemovskr') constatirt für die Oligochaeten: »Derartige fadenartige Gebilde sind aber auch zwischen den gewöhnlichen Hypodermis-Zellen bei Iehynehelmis und den Lumbrieiden sehr verbreitet und können an ihrer Dieke dermaassen abnehmen, dass sie schr feinen Muskelfasern ähnlich sind. Ich bezeichne sie nach dem Vorgange EFısıc’s als Fadenzellen.« v. Drascne£’) endlich berichtet von Spinther: »Die unter der Cuticula gelegene Hypodermis ıst verhältnissmässig sehr schwach ete.«e »Was ihre Struetur anbelangt, so entspricht sie der von EısıG bei den Capitelliden und En. Muyer bei Polyophthalmus beschriebenen.« Die eben mitgetheilten Citate beweisen schon eine ziemlich grosse Verbreitung des für die Capitellidenepidermis festgestellten Structurtypus. Wie ich mich aber durch eigene, wenn auch nur eursorische Prüfung überzeugt habe, ist die Grenze dieser Verbreitung damit nichts weniger als erreicht. Beweis dafür sind mir auch die so vielfach von ihrem Autor missver- standenen und bildlich verstümmelt wiedergegebenen, aber dafür unsere Einsicht doch nicht wenig erweiternden Figuren des posthumen, die sedentären Anneliden behandelnden Werkes von ÜULAPAREDEN). Man braucht viele der an jenem Orte dargestellten Hauttypen, wie beispielsweise die- ‘jenigen von Spirographis, Mywicola, Terebella, Telepsavus, Nerine nur vom Gesichtspunkte der heterogenen zwei Zellformationen aus ins Auge zu fassen, um sofort in jene scheinbar so verwickelten und von dem sonst Gültigen abweichenden Verhältnisse Klarheit und Ueberein- stimmung zu bringen. Wenn ich mich im Vorstehenden bemüht habe, den Nachweis zu führen, dass der an den Capitelliden festgestellte Typus der Hautstructur sich auf einen guten Theil der übrigen Annelidenfamilien erstrecke, so ist dies ein um so triftigerer Grund für mich, einem nahe- I) SrenGen, J. W. Oligognathus Bonellice. eine schmarotzende Eunicee. Mitth. Z. Stat. Neapel 3. Bd. p. 18. (1881.) 2) Meyer, En. Zur Anatomie und Histologie von Polyophthalmus pietus Cnar. Arch. Mikr. Anat. 21. Bd. p. 775. (1882.) 3) Timm, R. Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus Horrmr. und Nais, Arb. Z. Inst. Würzburg. 6...Bd. p: 8. (1883. 1) 1. p.. 236. c. p. 64. (1884. 5) Drasen», R.v. Beiträge zur feineren Anatomie der Polychaeten. I. Heft. Spinther mimaceus. Wien 1555. blauem 208.3 I. Haut. 2. Vergleich der Capitellilen mit anderen Anneliden. a. Ilypodermis. Lil liegenden Missverständnisse vorzubeugen; dem Missverständnisse nämlich, als ob man bei den betreffenden Formen jederzeit und allerorten dem genannten Gewebstypus zu begegnen erwarten dürfte. Haben wir doch schon bei den Capitelliden gesehen, wie an gewissen Körpertheilen die Haut vorübergehend ein einfaches Plattenepithel darstellt, aus welchem sich erst allmählich das definitive, aus zwei Zellformationen aufgebaute Lager entwickelt; wie ferner gewisse Stellen vorwiegend aus Faden-, andere vorwiegend aus Plasmazellen bestehen; wie regionen- weise die Fadenzellen ein saftiges Ansehen gewinnen können; wie die an sich membranlosen Plasmazellen zu umfangreichen, complicirten, deutliche Wandungen aufweisenden Hautdrüsen sich umzubilden vermögen; und wie viele dieser Modificationen durch das individuelle Wachs- thum, andere durch das periodische Fungiren gewisser Organe bedingt werden. So ist natür- lich auch nicht ausgeschlossen, dass bei gewissen Anneliden, sei es vorübergehend, oder dauernd, die Haut, respective Theile derselben in ähnlicher Weise modifieirt auftreten, ohne dass deshalb die principielle Gültigkeit der von mir als einer typischen vertretenen Structur. beeinträchtigt würde. Angesichts des bei den Capitelliden nachgewiesenen, subeutanen, die Fadenzellen inner- virenden Ganglienzellenplexus ist die Frage von Interesse, in wie weit wir auch diesen Theil des Integumentes als einen der Anneliden-Gruppe zukommenden betrachten dürfen. Der Nachweis dieser Elemente ist mit einer so subtilen und zeitraubenden technischen Behandlung verknüpft, dass ich von einer eigenen daraufhin gerichteten, vergleichenden Unter- suchung absehen musste, was ich um so mehr bedaure, als die wenigen in der betreffenden Literatur überdies nur nebenbei gemachten Angaben weit davon entfernt sind, ein brauch- bares Vergleichsmaterial abgeben zu können; im Hinblicke auf künftige Forschungen möchte ich aber diese Angaben gleichwohl nicht unberücksichtigt lassen. LeypiG'!) sagt in seiner Arbeit über Phreoryetes: »Noch meine ich etwas an den Drüsen bemerkt zu haben, was im Verein mit dem von mir an den gleichen Organen beim Regenwurm Beobachteten weiter verfolgt zu werden verdient. An Schnitt- und Zerzupfungspräparaten ist es mir nämlich mehrmals vorgekommen, wie wenn feine Züge einer blassen Sub- stanz — vermuthungsweise Nerven — an dıe Säckchen herangingen ete.« Ferner PERrRIER?): »LEyDıG y trouve des cellules nuclees a prolongements ramifies, telles que celles que nous avons figurees dans la meme region pour les Pericheta, et qui sont peut-etre en rapport avec des fihres nerveuses;« ete. Derselbe Autor’), in seiner Bearbeitung des Pontodrilus: »Entre Vhypoderme et la couche des muscles transverses se trouve une couche granuleuse speciale dont nous laissons l’Ctude de cöte pour le moment. Nous y reviendrons en traitant du systeme nerveux " Sodann Vespovsky"): »LeypıG und Prrrıer haben die directe Verbindung der Hautdrüsen mit Nervenfasern nachgewiesen, NNl.p. 308.6: 9. 298: Di 2 309..0. pr 341: 3) PERRIER E., Etudes sur l’Organisation des Lombriciens Terrestres. IV. Organisation des Pontodrilus. Arch. 2. Exper. T. 9. p. 184, A) =1..1P3,,3,10.... 6.4 P...97. *) Verfasser lässt jedoch in dem betreffenden Kapitel die angekündigte Besprechung ganz ausser Betracht. 312 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. und thatsächlich ist es nicht schwierig, an jedem geeigneten Schnitte durch den Leibesschlauch das Vor- handensein feiner, einfacher oder verästelter Fasern sicherzustellen, welche die unteren Muskelschichten durchtreten und sich mit den Hypodermiselementen in Verbindung setzen. Aber nicht nur die einzelligen Drüsen, sondern auch die Fadenzellen und gewöhnlichen IHypodermiszellen weisen diese Verhältnisse auf« ete. Diese Angaben stehen insofern mit meinen Ergebnissen im Widerspruche, als ich aus- schliesslich nur die Fadenzellen mit den Fibrillen des Ganglienzellenplexus Verbindungen eingehen sah; aber es wäre möglich, dass wenigstens die zu grossen, flaschenförmigen, be- wandeten Drüsenkörpern umgebildeten Plasmazellen im Verlaufe dieser ihrer Modification mit Nerven versorgt werden; ich freilich habe niemals, selbst an so modifieirten Drüsenzellen, irgend welche innervirenden Elemente nachzuweisen vermocht. Erfreuliche Uebereinstimmung mit meinen Resultaten bietet dagegen die von VEIDOVSKY') gegebene Schilderung der Gehirnnerven-Endigungen in der Hypodermis. Sie lautet: »Die einfachen Nervenstämme, die wir bei den meisten Naidomorphen erwähnt haben, zerfasern sich auf dem äusseren Ende, d. h. unterhalb der IHypodermis in mehrere Nervenfibrillen, von denen eine jede direct mit besonderen Elementen der Ilypodermis in Verbindung tritt;.... Dasselbe trifft man auch bei Chaetogaster eristallinus, allen oben habe ich schon bemerkt, dsss bei OA. diaphanus die Nervenäste zuerst in eine Ganglienzelle übergehen, welche sich zuletzt in ein feines Fibrillengeflecht auflöst:; einzelne Fibrillen dringen in die Iypodermis des Kopflappens ein.« Es folgt nämlich aus dieser Beschreibung, dass sich auch bei den Oligochaeten zwischen die Nervenfibrillen und die zu innervirenden Hautelemente ein Ganglienzellengeflecht ein- schiebt. Und dass dieses Geflecht nicht etwa auf die vom Gehirne versorgten Hautpartien des Kopflappens beschränkt bleibt, sondern auch auf die von dem Bauchstrange innervirten Hautstrecken des Rumpfes übergreift, wird durch die nachfolgende Bemerkung desselben Autors?) sehr wahrscheinlich gemacht: »Die feinen Nervenfasern, welche wir an der Basis der Hypodermiszellen, vornehmlich aber auf den Schlauchdrüsen des Gürtels gefunden haben, sind offenbar als die letzten Verzweigungen der Bauchstrang- nerven anzusehen. Dieselben bilden keine Endschlingen, sondern, wie wir an der Basis der Gürteldrüsen gesehen haben, endigen in je eine terminale gangliöse Endplatte.« Ob zwischen dem von Bersn®) beschriebenen Ganglienzellenplexus der Larve des Au- lostoma gulo und dem von mir bei den ausgebildeten Capitelliden nachgewiesenen irgend welche Beziehungen herrschen, ist fraglich, da jener Plexus als Larvenorgan zu Grunde gehen soll. Uebrigens liegen die betreffenden Ganglienzellen nach Bersn bei Aulostoma zwischen den Muskelfasern, wogegen diejenigen der Capitelliden zwischen Muskulatur und Haut ein- geschoben erscheinen. Einen ebenfalls zwischen Muskelfasern gelegenen Ganglienzellenplexus hat Fraıronr') von Polygordius, Protodrilus und Saccoeirrus beschrieben. Die Fortsätze der bezüglichen Ganglien- zellen sollen folgende Verbindungen eingehen: einmal mit den Muskeln, sodann mit Elementen Dal p> 810.ceHp89: 2), ep. SilOkrerpr sd: 3) BERGH, R. S. Undersögelser over Metamorphosen hos Aulostoma gulo. Kjöbenhavn. 1855. p. 11. 4) Frarron®s, J. Recherches sur le systeme nerveux central et peripherique des Archiannelides etc. Arch. Biol. Tome 5. 1884. p. 279 I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. 33 des Bauchstranges und endlich mit Ausläufern von Hypodermzellen. Daraus schliesst ge- nannter Autor: »On peut considerer les prolongements en continuite avec des cellules de l’epiderme comme nerfs sensibles, ceux qui aboutissent aux lames musculaires comme nerfs moteurs, les cellules intermödiaires comme organes centraux. De cette disposition ıl resulte que les muscles ne sont pas exclusivement en relation avec les elements de la moelle. Dans la region dorsale notamment, les impressions recues de lexterieur peuvent etre transmises directement aux cellules ganglionnaires du plexus intermusculaire, sans avoir besoin de passer par les elements centraux de la moelle. Les cellules nerveuses de ce plexus pourraient commander directe- ment les muscles.« Wie man sieht, ist in der von Framont beschriebenen Anordnung etwas verwirklicht, was ich im Vorhergehenden bezüglich der mit transversalen Muskeln verschmolzenen Haut- fadenzellen als Möglichkeit in’s Auge gefasst habe”, nämlich, dass Muskelfasern, mit Umgehung des Uentralnervensystemes, von Haut-, respective von Ganglienzellen aus direct in Erregung versetzt werden können. Immerhin sind folgende nicht unerhebliche Abweichungen in den beiderseitigen An- ordnungen im Auge zu behalten: Erstens sind es bei den Capitelliden nicht wie bei Poly- gordius die Fasern der hauptsächlich der Körperbewegung dienenden Stammeslängsmuskulatur, sondern die Fibrillen der transversalen, vorwiegend als Retractoren fungirenden Muskelstränge, welche die betreffende Verbindung mit Ganglien- und Hautzellen eingehen. Zweitens voll- zieht sich diese Verbindung nicht etwa derart, dass Ausläufer der Ganglienzellen einerseits in Hautzellen und andererseits in Muskelfibrillen übergehen, sondern sie kommt vielmehr auf solche Weise zu Stande, dass die erwähnten Fibrillen direct mit Hautfadenzellen verschmelzen und die Ausläufer der Plexuselemente (wie insbesondere aus den zu Seitenorganen umgewan- delten Hypodermpartien hervorgeht) an dieses Verschmelzungsproduct herantreten. Drittens endlich liegt der Ganglienzellenplexus der Capitelliden nicht innerhalb der Stammesmuskulatur, sondern zwischen dieser Muskulatur und der Haut, und aus diesem seinem Lagerungsverhält- nisse, insbesondere aber aus der Thatsache, dass weitaus die Mehrzahl aller seiner Zellenausläufer in solche der Hautelemente übergehend gefunden wird, lässt sich schliessen, dass der Capi- tellidenplexus in erster Linie sensiblen, jener zwischen den Fasern der Längsmuskulatur ein- gebettete von Polygordius ete. dagegen vorwiegend locomotorischen Bahnen zu dienen be- rufen ist. Wenn wir uns erinnern, einen wie hohen Grad der Entwickelung das Hautnervensystem der Capitelliden repräsentirt, so muss das Aphoristische des von anderen Anneliden darüber bekannt gewordenen sehr auffallend erscheinen. Die Ursache dieses Mangels ist nun aber, wie ich glaube, weniger eine objective, als eine subjective. Die Ursache scheint mir nämlich in der traditionellen Tendenz zu liegen: Alles, was sich zwischen Haut- und Muskelschicht in Form von Fibrillen oder verzweigten Zellen einschiebt, und was meiner Ansicht nach zum guten Theil das Innervationsmaterial des Integumentes darstellt, unter dem Titel »Binde- gewebe« zu begraben. Es liesse sich dafür manches Beispiel ceitiren und somit auch der er- a) Vergl. p. 304. 2ool, Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 10 314 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. wähnte Mangel an Verbreitung eines Hautnervensystemes, insofern er sich in der Literatur aus- drückt — vorausgesetzt, dass meine Vermuthung richtig ist — beseitigen; aber wir würden durch die specielle Aufführung solcher Beispiele schliesslich doch nicht mehr erfahren, als wir auch so schon wissen: nämlich, dass von zahlreichen Autoren die zwischen Haut und Museularis eingeschobene, wahrscheinlich in allen Fällen die Innervationselemente bergende Schicht als sogenanntes Bindegewebe ignorirt wurde. Nur einen Fall möchte ich als Beleg hierfür eitiren, weil entsprechende Abbildungen ohne Weiteres die Sache zu erläutern ver- mögen. ÜCLArPArREDE !) beschreibt in seinem öfters eitirten Werke über die sedentären Anne- liden auch die Hypodermis der Terebella; speciell die verdiekten thoracalen Partien sollen eine ganz besondere, sonst nirgends im Körper vorkommende Structur aufweisen: doch lassen wir ihn selbst reden: »On distingue dans cet hypoderme partieulier une couche superficielle que Jappelle ’hypoderme fibrillaire, et une partie profonde que je designerai sous le nom de tissu connectifstellaire. Ce nom de tissu connectif n’est point deplace, d’abord parce que l’'hypoderme est uni par lui aux autres organes, puis parce quil ne reste pas strietement superficiel, mais quil se glisse, ca et la, entre les organes sous-jacents, parfois jusqu’a une assez grande profondeur. C'est ainsi que les coupes de ces prolongements apparaissent, ca et la, comme des ilots rouges dans les sections des muscles longitudinaux (Pl. IX. fig. 5a). J’ai diffe- rentes pr¶tions oü plusieurs petits ilots semblables se voient a la fois entre les fibres du muscle longi- tudinal inferieur. Ce tissu eonnectif @tant toutefois bien different de celui qu'on trouve ailleurs chez les Annelides, je lui donne l’epithete de stellaire. Il est forme, en effet, par un systeme de cellules &toilees (Pl. IX, fig. 9«), plongees dans une substance intercellulaire amorphe. Toutes ces cellules s’anastomosent entre elles par leurs filaments stellaires. Leurs nueleus sont larges de 3 mier.« Das »hypoderme fibrillaire« Crararenes besteht nun in diesem sowie in den anderen en AO “1: \ . 2 r e reISS 2: Fällen des eitirten Opus lediglich aus Fadenzellen; die dazwischen gelegenen weissen Räume werden oder wurden vielmehr von den (wahrscheinlich während der Conservirung ausgetretenen) Drüsenzellen eingenommen, und im »tissu connectif stellaire« endlich haben wir meiner Ver- muthung nach nichts anderes als Zellen des in dieser Körperregion mächtiger als sonst ent- wickelten hypodermalen Ganglienzellenplexus vor uns, dessen Geflechte noch durch die mancherlei Ausläufer der Fadenzellen sowie durch Muskelfibrillen und Körner verstärkt werden. Jene von ÜLAParkpe gegebene Abbildung (l. c. Pl. IX fig. 9) ist schematisch gehalten; die Analyse der complieirten Structur war ihm eben nicht gelungen, und sodann kann der betreffenden Figur auch kein tadelloses Präparat zu Grunde gelegen haben. Gleichwohl bitte ich, diese Abbildung mit dem von mir unter Fig. 4. Taf. 3 wiedergegebenen Schnittfragmente durch die Haut eines Notomastus profundus zu vergleichen; denn dies wird man wenigstens einsehen, dass bei mangelhafter Conservirung und unzureichender Definirung das complieirte Ansehen der einen schr wohl in das schematische der anderen übergehen kann.*) Von den bei den Capitelliden nachgewiesenen Modificationen der Hypodermis sind Dep. 3087 er pl BIT RS Dass Orararkpe's »tissu conjonctif stellaire« nichts mit Bindegewebe zu thun hat, geht auch aus der durch SAtENnskY (l. p. 80. c. p. 239) verfolgten Entwickelung desselben hervor. Diesem Autor zufolge entsteht nämlich das erwähnte Gewebe aus dem Eetoderm. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. 315 im Hinblicke auf vergleichbare Bildungen insbesondere die Porophore der Genitalschläuche von Interesse. Bei den meisten Capitelliden münden die Genitalschläuche durch schr umfangreiche, insbesondere bei den © zur Zeit der Geschlechtsreife mächtig anschwellende, durchbohrte Höcker (Porophore) nach aussen. Bei der mit nur einem Paare von Genitalschläuchen und in Folge dessen auch nur mit einem Paare solcher Höcker ausgerüsteten Capitella capitata er- reicht die Hypertrophie letzterer eine solche Höhe, dass man unwillkürlich an die Gürtel- bildungen der Oligochaeten erinnert wird. Diese schon im vorhergehenden "Theile erwähnte _Uebereinstimmung möchte ich hier, insofern die Hypodermis dabei betroffen ist, aus dem Grunde einer etwas strengeren Prüfung unterziehen, weil sie im Vereine mit anderen Con- gruenzen bei der Beurtheilung der systematischen Beziehungen unserer Familie von Bedeutung sein wird. Die Porophore der Capitelliden haben sich, trotz ihres so auffällig mit dem übrigen Integumente contrastirenden Ansehens, lediglich als zeitlich und örtlich modifieirte Hypoderm- partien definiren lassen; bei Capitella findet unter Verdrängung der Fadenzellen eine colossale Vermehrung der Drüsenzellen statt und bei Tremomastus etc. kommen, unter ähnlicher Rück- bildung des ersteren Hautcomponenten, weniger zahlreiche, aber dafür um so voluminösere Drüsenschläuche zur einseitigen Ausbildung. Das Clitellum der Oligochaeten wurde zwar von ULAPAREDE'), dem wir die erste ein- gehende anatomische Untersuchung des Gürtels zu verdanken haben, ebenfalls als ein nur eigenthümlich modificirter 'Theil des Leibesschlauches aufgefasst, immerhin erhielt aber die fragliche Bildung vom genannten Autor insofern wieder den Stempel einer Besonderheit auf- gedrückt, als er für sie das Vorkommen zweier, dem übrigen Eetoderme fehlender Schichten, nämlich einer sogenannten Säulenschicht und einer Gefässschicht behauptete. Diese Besonder- heiten bestanden nun aber nicht lange zu Recht, indem Bepparn?) in die Hypodermis der Pleurochaeta auf ähnliche Weise Blutcapillaren eindringen sah, wie es kurz vorher durch L.ANKESTER®) für die Hirudo-Haut beschrieben worden war, und Mossısovics') sowie VEIDOVSKY) den Nachweis führten, dass sich die Elemente der sogenannten Säulenschicht unschwer als Modificationen der auch sonst im Hypoderme vertretenen Zellformationen begreifen liessen. Letzterer Autor‘) fasst denn auch seine auf einem grossen Oligochaetenmateriale basirenden Erfahrungen in dem Satze zusammen; »Im Allgemeinen betheiligt sich an der Herausbildung des Gürtels nur die Hypodermis, indem der 1) 1. p. 308. (Hist. Unters. Regenwurm) c. p. 577. 2) BEpDARD, F. E. On the Anatomy and Histology of Pleurochaeta Moseleyi. Trans. R. Soc. Edinburgh. Vol. 30. p. 484. 3) 1.-p. 309. e. p. 306. 4) 1.p. 309. .c.'p.. 11: 5) 1. p. 236. c. p. 69. 6) 1. p. 236. ce. p.x68. 40* 316 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. grössere Theil der Zellen derselben sich zu einzelligen Drüsen modifieirt, die allerdings durch ihre enormen Dimensionen sich von den gewöhnlichen Hypodermisdrüsen auszeichnen ;« etc. 8 y] Dieser Schluss stimmt aber vollständig mit demjenigen überein, zu welchem ich für die Capitelliden gekommen bin, so dass also, insoweit die Structur in Betracht kommt, einem Ver- gleiche des Clitellums der Oligochaeten und der Porophore der Capitelliden Nichts im Wege steht. Schliesslich bleiben noch die Stäbchen zu betrachten übrig, welche oft in so grossen Mengen in dem von Capitelliden abgesonderten Schleime, oder auch in deren Drüsenzellen selbst, angetroffen wurden und welche, wenn meine Ansicht, dass sie, respective ihr mehr continuir- lich in Form von Fäden zur Ausscheidung gelangendes Material zur Entstehung der Cuticula beitragen, richtig ist, eine so weite Perspective eröffnen. Hier wird uns allerdings bezüglich ihrer lediglich die Frage beschäftigen, in wie fern ähnliche Gebilde bei anderen Anne- liden vorkommen. Ihr Verhältniss zur Cuticula bei den anderen Anneliden soll, wie im ent- sprechenden vorhergehenden Kapitel, gemeinsam mit letzterer Membran zur Erörterung ge- langen, und ebendahin verschiebe ich auch im Interesse des besseren Verständnisses meines Gesammtproblemes die Schilderung mehrerer anderer, zwar feın stehender, aber wie ich glaube doch demselben Kreise angehöriger Bildungen: nämlich diejenige gewisser, fadige Secrete liefernder Drüsen, deren eigentlich vom vergleichend-anatomischen Standpunkte aus ebenfalls schon hier hätte gedacht werden müssen. Die Frage nach der sonstigen Function der Stäbchen — abgesehen also von ihren vom morphologischen Theile der Frage nun einmal nicht trenn- baren Beziehungen zur Cuticula — wird sodann im physiologischen Theile dieser Monographie zur Discussion kommen. Das Vorkommen von Stäbchen ist in der Annelidenklasse so weit verbreitet, %) dass ihrer von M. Mürrer') ab, der sie im Jahre 1852 zuerst beschrieben haben soll, bis heute seitens zahlreicher Forscher Erwähnung geschah; es würde uns aber wenig fördern, diese meist flüchtigen und nur nebenbei gemachten Angaben zu verzeichnen; dieselben können um so unbeschadeter bei Seite gelassen werden, als uns die Schriften zweier Forscher vorliegen, welche nicht nur die Stäbchen als solche in's Auge gefasst, sondern auch unter Berücksich- tigung des von anderer Seite her über sie zur Kenntniss Gebrachten besprochen haben. Der eine dieser Forscher ist Körriker; durch ihn wurde auf die grosse Verbreitung der Stäbchen hingewiesen. Der andere ist ULAPAREDE; er hat in allen seinen Untersuchungen diese Gebilde genau anatomisch verfolgt, und wenn es ihm auch ebensowenig wie KöLLıkEer gelungen ist, das Durcheinander der Facta an der Hand eines leitenden Gedankens zu sichten, oder gar deren Bedeutung durch Auffindung breiter Relationen aufzuhellen, so muss doch anerkannt werden, dass er zu einem derartigen Versuche, wie kein anderer, Material geliefert hat. In der Körrixer’schen Uebersicht?) wird das Vorkommen von Stäbchen bei Gattungen aus nachfolgenden Familien constatirt: Nereiden, Spioniden, Ariciiden, Arenicoliden, Chaeto- a) Taf. 37. Fig. 1—9. l) Mürter, M. Observationes Anatomicae de Vermibus Quibusdam Maritimis. Berolini 1852. p. 29. 2) Körrıxer, A. Kurzer Bericht über einige im Herbst 1864 an der Westküste von Schottland angestellte vergleichend-anatomische Untersuchungen. Würzburger Naturw. Zeitschr. 5. Bd. p. 243. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. b. Cutieula. 317 pteriden, Syllideen, Phyllodociden und Hesioniden. Als Sitz dieser Gebilde wird je nach den Formen angegeben: die Haut, die 'Tentakel, die Cirren, die Ruder oder auch specielle Be- hälter wie Schläuche und Kapseln. In Bezug auf ihr Ansehen werden sie geschildert als: starre feine Nadeln, nadel- oder spindelförmige Körperchen, halbmondförmig gekrümmte Stäbchen, kurze Börstchen, Fäden und endlich auch als verwickelte Knäuel. Seine Ansichten über die Stäbchen fasst KöLniker in folgendem Satze zusammen: »Dem Gesagten zufolge gehören wohl nicht alle Apparate, die man als Bildungsstätten stabförmiger Körperchen hat aufstellen wollen, hierher, vielmehr scheint ein Theil derselben die Natur gewöhnlicher Drüsen zu haben, in welcher Beziehung jedoch auch noch zu zeigen sein wird, dass die betreffenden Organe nie und unter keinen Umständen einen geformten Inhalt führen. Die stabförmigen Körperchen sind, wo sie sich finden, immer in Zellen enthalten, und werden wohl dadurch frei, dass diese Zellen zeitenweise nach aussen sich öffnen. Somit könnte man diese Gebilde wohl auch als einzellige Drüsen bezeichnen. In Betreff der stabförmigen Körperchen selbst bemerke ich, dass es mir nie gelungen ist, einen Faden in denselben zu entdecken, und wird daher für einmal nichts anderes möglich sein, als dieselben jenen anderen Körperchen der Nemertinen ete. von zweifelhafter Bedeutung anzureihen, die ebenfalls der Fäden entbehren, und mit ihnen auch noch das gemein haben, dass sie ebenfalls in Zellen sich entwickeln.« Crararkpe's Resume!) in den Prolegomenes zu »Les Annclides Chetopodes du Golfe de Naples« lautet: »La couche sous-cutieulaire, le derme de M. de Quatrefages, parait renfermer presque toujours des follieules glanduleux, et cela dans toutes les regions, meme dans les cirres et les antennes. Ües follieules se deversent au dehors par les pores glandulaires que je viens de deerire. Les uns ne sceretent qu’un liquide epais; d’autres engendrent des faisceaux de bätonnets dans leur interieur, et je designerai ceux-ci sous le nom de follicules bacıllipares; d’autres enfin seeretent des granules.« Ferner eine Seite weiterhin, nachdem er der Stäbchen-Literatur gedacht: »Certaines familles ont leurs teguments litteralement bourres de follieules bacıllıpares, m&me dans les eirres et les antennes. C'est le cas surtout pour tous les Spiodiens, tous les Ariciens et une grande partie des Chetopteriens. Leur abondance est aussi considerable chez une foule des Phyllodociens et_certains Hesioniens. Chez ces derniers surtout leur groupement et leurs rapports avec les pores excreteurs sont tres- group pl j remarquables. Le röle de ces organes est, il est vrai, encore entierement problematique. Je les aı com- pares autrefois aux cellules pleines d’acieules des Turbellaries, et aux organes urticants des Mollusques apneustes, des Acalephes et des Anthozoaires. C'est toujours une pure hypothese.« Ich selbst habe ausser in den von KörLLıkEer und ULAraRrEDE aufgeführten noch in Gat- tungen folgender anderer Familien das Vorkommen von Stäbchen constatiren können: Aphro- diteen, 'Terebelliden, Alciopiden, Euniciden und Polyophthalmiden. Aus alledem dürfen wir aber schliessen, dass den Stäbchen des Capitelliden-Hautschleimes verwandte Gebilde in der Annelidenclasse ausserordentlich verbreitet vorkommen, was für die im nächsten Kapitel zu besprechenden Verhältnisse von hoher Bedeutung ist. b, Cuticula, An der Zusammensetzung der Capitelliden-Cuticula haben wir zwei Elemente sich be- theiligen sehen; nämlich als Hauptbestandtheil ein durch zwei rechtwinklig aufeinander ge- 1) 1. p. 8. c. p. 14 und 15. 318 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. richtete Lagen feinster Fibrillen zu Stande gekommenes Gitterwerk, und als secundären Com- ponenten eine dieses Gitterwerk allseitig durchdringende Kittmasse. Der Ursprung dieser Cuticula musste bei unseren 'Thieren, in Ermangelung aller anderen hierzu etwa sich eignenden Organe, lediglich in die Hypodermschicht, und zwar in deren Plasma- oder Drüsenzellen verlegt werden‘). Für eine Beantwortung der Frage nach der Entstehung des fibrillären 'Theils schienen mir die in letzteren Zellen oder in dem von ihnen abgesonderten Schleime so massenhaft vorkommenden Stäbchen besonders geeignet Anhalts- punkte zu liefern, indem man sich nur vorzustellen brauchte, dass ein und dasselbe Drüsen- material, je nach Bedürfniss, discontinuirlich (Stäbchen), oder mehr continuirlich (Fibrillen) secernirt werde, um die beiden scheinbar heterogenen Formationen als Producte derselben Werkstätte begreifen zu können. /u Gunsten einer solchen Auffassung konnte ich die bedeutsame Erfahrung anführen, dass jene glasartig durchsichtigen, ephemeren Röhren, welche Capitelliden, die ohne Sand ge- halten werden, abzuscheiden pflegen, und welche man auch derart plötzlich, wenigstens fetzen- artig, zur Entstehung bringen kann, dass man 'T'hiere reizt, etwa an einer Pincette aufhebt, dass sich jene Röhren zum grössten Theile aus Stäbchen verschiedenster Länge aufgebaut erweisen. Hier in diesem Kapitel kommt es mir nun darauf an zu untersuchen: erstens, ob sich auch bei den übrigen Anneliden die CUuticulae derart fibrillär zusammengesetzt erwiesen haben, und zweitens, ob sich für meine Erklärung dieser Zusammen- setzung auch bei anderen Anneliden Anhaltspunkte finden lassen. Die erstere Untersuchung hat sich vorwiegend auf litterarischem Felde zu bewegen; für die letztere dagegen werde ich auch Resultate eigener anatomischer Arbeiten heranziehen können, und wenn sich im Anschlusse an dieselben der Horizont der Folgerungen in über- raschender Weise erweitern, wenn die Genese solcher Organe mit in Frage kommen wird, welche als Objecte nachfolgender Kapitel weit von unserem Ausgangspunkte abzuliegen schienen, so sind das lediglich in der Natur des Problemes gelegene Consequenzen. Ich beginne mit der Structur der Cuticula. Wenn man, wie Verfasser dieser Monographie, das vielfach beschriebene Streifensystem letzterer Membran bei den verschiedensten Anneliden nach entsprechender Maceration auf's Deutlichste in plastische, dem Systeme conform verlaufende Fasern sich hat auflösen sehen; so entschliesst man sich nur ungern dazu, dieses so leicht von jedem Histologen durch den Augenschein zu controllirende, thatsächliche Verhalten erst noch durch Auffahren eines *, Einen für die zwischen den Hypoderm-Drüsenzellen und den Cuticulae waltenden Beziehungen überaus instructiven Fall hat PErkrer (Note sur l’accouplement des Lombrics, Arch. Z. Exper. Tome 4. p. XII.) vom Gürtel des Lumbrieus foetidus beschrieben. Während der Copulation wird nämlich von beiden Individuen je eine die beiden Körper in der Genitalregion fest umschliessende Membran abgeschieden, deren Ansehen in so hohem Grade mit demjenigen der Cuticula übereinstimmt, dass PERRIER zuerst glaubte, die Copulirenden hätten sich gegenseitig in die Cuticulae ihrer Gürtel eingebohrt. Es wäre interessant zu untersuchen, ob diese Pseudocuticeulae, welche nach der Begattung abgeworfen werden, einen fibrillären Bau aufweisen. I. Haut. ?. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. a. Hypodermis. b. Cuticula. 319 Litteratur-Apparates zu erhärten. Und doch konnte ich mir diese Aufgabe nicht schenken, indem einerseits, unbegreiflicher Weise, gerade einzelne derjenigen Forscher, welche sich sehr eingehend mit Anneliden beschäftigt hatten, am hartnäckigsten das Streifensystem der Cutieula als bloss optisches Phänomen, respective als blosse Ornamentik einer im Uebrigen homogenen Membran verfochten haben, und andererseits mir, im Hinblicke auf meinen Erklärungsver- such der Cuticulagenese, viel, sehr viel darauf ankommt zu zeigen, dass ich mit der Behaup- tung, der Haupttheil der Cuticula pflege aus wirklich plastischen Fibrillen zusammengesetzt zu sein, nicht vereinzelt dastehe. Es mögen zunächst die widersprechenden Angaben Gehör finden: D’UÜperkem') sagt: »Chez le lombrie, la surface externe de la eutieule est striee dans deux sens par des hignes formant des losanges.« EHters?) kommt zu dem Resultate: »Die Chitineutieula der Körperwand ist wohl immer aus Schichten zusammengesetzt, welche eine Zeichnung von feinen Linien zeigen, deren Richtungen in den verschiedenen Schichten sich kreuzen.« LeypıG®) berichtet in seiner Phreoryctes-Monographie über die Cutieula dieses Oli- gochaeten: »Auf Querschnitten durch das ganze Thier erscheint sie als heller Saum mit deutlichen Schich- tungslinien.« Ferner: »Die Oberfläche ist nicht glatt, sondern zeigt zwei feine sich kreuzende Furchenlinien.« Sodann von Lumbrieus: »Zu meinen Bemerkungen über die Cutieula habe ich nachzutragen, dass sich auch hier über die Oberfläche des Oberhäutchens weg ein sich kreuzendes Streifensystem erstreckt, das auf Furchungslinien zu beziehen ist.« An derselben Ansicht hält dieser Autor auch noch in einer seiner neuesten Publi- cationen!) zwanzig Jahre später fest; der betreffende Passus lautet: Während ich früher bezüglich des Baues der Cuticula der Wirbellosen bloss anzugeben hatte, dass, abgesehen von den Porenkanälen und der Sculptur, es sich im Uebrigen um homogene Substanz handele, die bei gehöriger Dicke Schichtungsstreifen aufzeige, so wird in neuester Zeit von mehreren Beobachtern gefunden, dass die Cuticula gewisser Anneliden aus Fasern bestehe*). Da unter Anderem auch der Krebsegel, Branchiobdella, welcher mir gerade zur Verfügung stand, als eine jener Gattungen bezeichnet wird, bei der die faserige Cuticula vorkommt, so habe ich die Haut des 'Thieres auf diese Angabe mir angesehen. Es ist einzuräumen, dass das Bild sich so ausnimmt, als ob gekreuzte Faserlagen die Cuticula zusammensetzen. Allein ich vermag mich nicht zu überzeugen, dass die Linien der Ausdruck von wirklichen einzelnen, für sich bestehenden Fasern sind. Vielmehr meine ich zu erkennen, dass die Fäden, ähnlich wie ich es be- züglich der »Fibrillen« in den einfachen oder glatten Muskeln zu erörtern haben werde, nur Verdickungen 1) D’Uperem, M. Memoire sur les Lombriciens. 1°° Partie. Möm. Acad. Se. Belg. T. 35. 1863. p. 19. 2) 1. p. 307. c. Vorrede p. XI. 1864—68. 3) 1. p. 308. ce. p. 255 und 258. (1865.) 4) Leyvic, F. Zelle und Gewebe ete. Bonn 1885. p. 67. *, Hier wird vom Autor speciell »Timm, R. Beobachtungen an Phreoryetes Menkeanus«. Arb. Z. Inst. Würz- burg 1883. citirt; eine Arbeit, auf die ich noch zurückzukommen haben werde. 320 B. Vergleichend-Anatomischer {Morphologischer) Theil. von homogenen Substanzlagen vorstellen und dadurch auch das dunklere Aussehen gewonnen haben. Man könnte sie deshalb manchen Formen von elastischen Fasern vergleichen.« In einer früheren Arbeit!) über dasselbe Thier war aber Leyvıs in seinen Zugeständ- nissen hinsichtlich der Fibrillen weiter gegangen. Nach ähnlicher Betonung der Streifung als blossen optischen Ausdruckes einer Faltenbildung begegnen wir nämlich dem vielsagenden Satze: »Nur etwas macerirte Oberhäutchen lassen mir diese Deutung noch zweifelhaft, denn hier glaube ich einigemale Streifung bedingende Fasern, am Rande vorstehend, gesehen zu haben.« \ 9 ® . .. ® . . . .. ÜULAPAREDE’) fasst seine Ansichten über die Cuticula in den öfters erwähnten Pro- lögomenes zu »les Annelides Chetopodes du Golfe de Naples« folgendermaassen zusammen: »Partout oü la eutieule atteint une certaine £paisseur, elle se montre ornee de deux systemes de stries a angle droit (ou plus souvent 70° environ) deja tres-bien vus par M. KÖLLıker.« Und in einer Anmerkung fügt er hinzu: »M. DE QUATREFAGES, auquel ces stries ne sont point inconnues, y voit lexpression de deux systemes de fibres, opinion discutable pour certains vers.« etc. In seiner bald darauf publieirten Zumbrieus-Monographie bestätigt CLArAREDE”) noch- mals jene Auffassung in den Worten: »Zwei Streifensysteme, deren Neigung zu einander etwa 70 bis 75 Grad betragen mag, verleihen der Membran ihre irisirenden Eigenschaften.« Aehnlich beschreibt Perrıer in seinen zahlreichen Studien über Lumbrieiden die Cuti- cula. Es genügt aus einer dieser Studien '!) die betreffende Stelle zu eitiren; sie lautet: »Le mieroscope n’y revele la prösence d’aucun element cellulaire; mais elle est parcourue par deux series de fines stries paralleles se eroisant sous un angle voisin de 75 ou 50 degres«. Und Ursanın von Sagitella’). »La eutieule est une membrane fine, transparente, assez resistante, unie chez la Sagitelle de KowA- LEVSKI et finement striee chez les deux autres especes.« Und so auch VeEspovsky') in seiner Monographie der Enchytraeiden: »Am optischen Längsschnitt erscheinen bei Anachaeta, wo die Cuticula die dickste ist, dunkle Längs- linien, welche wohl als die, die Cutieula zusammensetzenden Schichten zu betrachten sind. Bei anderen Arten der Gattung Enehytraeus beobachtete ich schwache Andeutungen von schräg sich kreuzenden Länien.« Ferner Meyer’) von Polyophthalmus: »Bei stärkerer Vergrösserung erscheinen auf der Oberfläche der Cutieula zwei sich kreuzende Systeme von Strichen, welche im Grunde nichts anderes sind als mikroskopische Furchen.« Und Mau‘®) von Scoloplos: »Von der Fläche bei sehr starker Vergrösserung gesehen, zeigt die Cutieula von ‚Scoloplos eine ähn- liche Streifung, wie sie von verschiedenen Forschern bei manchen Meeresanneliden beobachtet ist.« 1) Levvic, F. Zur Anatomie von Piseieola geometrica mit theilweiser Vergleichung anderer einheimischer Hirudineen. Zeit. Wiss. Z. 1. Bd. p. 103. (1519). 2). p.8. ce. pro. (18682) 3) 1. p. 308. 'e. P...567. (1869.) 1) 1. p. 309. c. p. 339. (1874.) 5) UrJanın, M. Sur le Genre Sagitella (N. Wacn.). Arch. Z. Exper. Tome 7. p. 10. (1878.) 6) VeJDovsky, F. Beiträge zur vergleich. Morphologie der Anneliden. I. Monographie der Enchytraeiden. 7) 1. p. 310. e. p. 774. (1882,) S) Mau, W. Ueber Seoloplos armiger. ete. Zeit. Wiss. Z. 36. Bd. p. 401. (1882.) tv m I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 3 Endlich Jacosy') von Polydora: »Die Cutieula beider Arten ist nicht wie bei der verwandten Magelona structurlos, sondern lässt schon bei einer minder starken Vergrösserung ein Längs- und Querstreifensystem erkennen, und zwar kreuzen sich die Streifen zumeist unter einem rechten Winkel.« Und nun mögen die zu Gunsten meiner Auffassung hinneigenden Angaben folgen. Zr 5) \ a ’ g In Körnnmer’s“) Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre heisst es: »Die gewöhnliche Form der Cutieula der Anneliden ist die einer nach zwei Richtungen streifigen, gegittert aussehenden Haut, mit oder ohne Poren, und habe ich dieselbe bei den Gattungen Alciopa, Aphro- dite, Sipuneulus, Nereis, Cirratulus, Buniee, Arenicola und Sabella gefunden. Die Streifen dieser Cuticula, die ziemlich unter rechten Winkeln sieh kreuzen, liegen in zwei Lagen und scheinen in gewissen Fällen von Fasern herzurühren, wenigstens lassen sich, z. B. bei Sipuneulus, durch Zerzupfen der Cutieula mit Leich- tigkeit steife Fasern von etwa 0,0005“ Breite erhalten; bei anderen Gattungen dagegen machen dieselben allerdings eher den Eindruck von Falten, ohne dass man zu einem bestimmten Entscheide kommt.« A Ferner: »Von feineren Structurverhältnissen sind zu erwähnen die in gewissen Cutieularbildungen auftreten- den Fasern (Cutieulae der Anneliden und Rundwürmer, Chitinpanzer gewisser Inseeten), die wahrscheinlich einer secundären Spaltung anfänglich homogener Lamellen ihren Ursprung verdanken und dann die Porenkanäle.« (JQUATREFAGES®) schreibt: »Examinde au microscope dans ces diverses especes, elle se montre composce de fibres d’une tenuite extreme, croiseces a angle droit (Eumice).« Ebenso ScHnEiper') von Polygordius: »An der Cutieularschicht unterscheidet man die bekannten gekreuzten Fasern.« Sehr genau hat Grazer’) von der Cuticula des Nephthys-Oesophagus diese Structur beschrieben. Durch Maceration und Zerzupfung der Präparate hat er sich auf's Dentlichste davon überzeugen können, dass die Cuticula aus Bündeln 9 p dicker Fibrillen zusammen- gesetzt ist. Horsr®) bestätigt nach einem historischen Rückblicke: »Ik kan dit vermoeden van Leydig* ten opzichte van Lumbricus volkomen bevestigen. Niet alleen is het gemakkelijk, na maceratie in Münuer’s vocht of osmiumzuur (verkieslijk hier om zijne donkere kleu- ring), horizontaal liggende stukjes der euticula z00 uiteen te scheuren, dat men elkaär kruisende vezels te zien krijgt, maar ick zag ook aan eene doorsnede de horizontale lagen, welke men daaraan meestal kan waarne- men, in duidelijke vezeltjes uitloopen. 7ij hadden eenen doormeter van ongeveer 0,5 Mmm.« Mossısovics’) macht folgende Mittheilungen: »Wie bekannt stellt die Cutieula eine hyalıne ..... Membran dar, die .... durch ein sich häufig 1) Jacosı, R. Anatomisch-histologische Untersuchung der Polydoren der Kieler Bucht. Dissert. Weissen- fels 1883. p. 10. KÖLLıKEerR, A. Untersuchungen zur vergleichenden Gewebelehre angestellt in Nizza ete. Verh. Physik. Med. Ges. Würzburg. 8. Bd. p. 66 und 103. (1858.) 3) 1.ap6.rc.pe28. (11865.) 4) Schweivder, A. Ueber Bau und Entwickelung von Polygordius. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1868. p. 53. 5) Gräser, V. Die Gewebe und Drüsen des Anneliden-Oesophagus. Sitz. Ber. Akad. Wien. 67. Bd. 1873. p. 202. G)Rl.2p29309.: 05 par2ılt., (118116.) MED 309..c. pr. 18. (1.877.) *) Dies bezieht sich auf die p. 320 eitirte Angabe Luyvıg’s über Piseicola: »denn hier glaube ich einigemale 189 Streifung bedingende Fasern, am Rande vorstehend, gesehen zu haben.« Z0ool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 11 299 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. rechtwinklig durehkreuzendes Streifensystem, das nach LryvıG auf Furehungslinien zu beziehen wäre, aus- gezeichnet ist. Wie F. E. ScnuLzs*) zuerst beobachtete, sind die Fasern dieses Streifensystems (zumal nach Behandlung mit Solutio Mülleri) isolirbar und lassen sich an Querschnitten durch die Cuticula zwei ver- schiedene Schichten an derselben unterscheiden; eine dieke, innere circuläre, und eine äussere, aus lüngs- verlaufenden Fasern gebildete.« Auch SpeExGeL') scheint sich, wie aus dem folgenden Citate hervorgeht, vom fibrillären Baue der Cuticula bei den meisten Lumbriconereiden überzeugt zu haben: »Der Oligognathus besitzt im Gegensatze zu den meisten übrigen Lumbriconereiden, welche eine aus mehreren gekreuzten Faserschichten zusammengesetzte, dicke, irisirende Cutieula tragen, eine äusserst zarte Cutieula, in welcher ich keine Structur habe erkennen können.« ; 5 N; ae SR Ferner VEsDovsKY?) bei Sternaspis; denn er sagt: »Namentlich an Längsschnitten gelingt es nicht selten, einzelne Cutieularschichten in Form feiner Fibrillen zu isoliren.« Von ganz besonderer Bedeutung für unsere Frage sind die Untersuchungen Voıgr's"), aus denen ich den folgenden Passus hervorhebe: »Nebenbei will ich hier noch erwähnen, dass die Strichelung der Cuticula von Branchiobdella, wie dies F. E. Scuurzs beim Regenwurm nachgewiesen hat, durch Fasern bewirkt wird, die sich durch gelinde Maceration isoliren lassen. Auch für Piseicola habe ich dasselbe Verhalten nachweisen können. Diese Fasern sollen beim Regenwurm eine innere Ring- und eine äussere Längsfaserschicht bilden, doch habe ich gefun- den, dass dieselben schräg, etwa in einem Winkel von 45° zur Längsaxe des T'hieres verlaufen, und so Systeme sich kreuzender Schraubenlinien bilden, die das Thier vom Kopf bis zum Schwanzende umziehen. Auch habe ich bei Branchiobdella und beim Regenwurm gesehen, dass nicht bloss zwei, sondern mehrere Schichten übereinander liegen, indem immer ein System von rechts gewundenen Schraubenlinien mit einem solchen links gewundener abwechselt.« ‘“ Eine ausführlichere Darstellung dieses Sachverhaltes gab sodann derselbe Autor') in seinen »Beiträgen zur feineren Anatomie und Histologie von Branchiobdella varıansı; dort suchte er auch die mechanische Bedeutung der Fibrillen klar zu machen. /u ähnlichen Resultaten gelangte Tıum° an Phreoryctes, er sagt: »Jenes System sich kreuzender Linien rührt von Fasern her, aus denen die einzelnen Schichten der Cutieula bestehen. Von dieser Thatsache kann man sich allerdings erst bei starker Vergrösserung (Immersion) überzeugen; doch gelingt es ziemlich leicht durch Zerreissen der Cutieula mit einer Nadel an der Rissstelle einzelne Fasern zu isoliren. Die horizontal liegenden Schichten kann man ebenfalls stellenweise mit Hilfe einer Nadel von einander trennen. Wo diese Trennung nicht vollständig vor sich gegangen ist, sieht man, wie eine Schieht mit einem Theil ihrer nun deutlich von einander getrennten Fasern an der anderen hängt.« In ganz übereinstimmender Weise constatirt auch ScHröper‘) für die Nereis diversicolor: »Zerreisst man die Cutieula mit der Nadel, so sind ihre einzelnen Fasern sehr leicht zu erkennen.« " i)) 5 Bull) en 05, ee (SSR) 2) Vrsvovsey, F. Untersuchungen über die Anat. Phys. u. Entw. von Sternaspis. Denkschr. Akad. Wien. 43. Bd. 1881. Sep. Abdr.p. 67. 3) Vorsr, W. Die Varietäten der Branchiobdella astaci Odier. Schluss. Z. Anzeiger 6. Jahrg. (1883.) I) Vorst, W. Beiträge zur feineren Anatomie und Histologie von BDranchiobdella varıans. Arb. Z. Inst. Würzburg 8. Bd. p. 103. (1856.) 5), 1p. ail0..c.up.rA. 6) Scnröper, G. Anatomisch-histologische Untersuchung von Nereis diversieolor. Dissert. Rathenow 1886. p. 7. ‘) Wie aus der Einleitung der MosJsısovics’schen Abhandlung hervorgeht, wurde ihm diese Beobachtung von F. E. Scnusze mündlich mitgetheilt. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 323 Endlich möge noch erwähnt werden, dass ich selbst gelegentlich auf’s Deutlichste Fibrillen in den Cuticulae von Cirratuliden, Polyophthalmiden und Aphroditeen nachzuweisen vermochte. Man wird mir wohl zugeben, dass ich nach alledem berechtigt bin, die erste der eingangs gestellten Fragen, nämlich, ob auch bei anderen Anneliden die Cuticula sich als aus Fibrillen zusammengesetzt erwiesen habe, zu bejahen; denn der von mir ganz objectiv dargestellte /wiespalt der Ansichten lässt sich doch leichter durch die Supposition erklären, dass die Forscher der zuerst citirten Reihe nicht im Stande waren, die im verkitteten Zustande ein Streifensystem vorspiegelnden Fasern zu isoliren, als durch die umgekehrte Unterstellung, der- zufolge die Forscher der zweiten Reihe da isolirte Fibrillen gesehen, wo in Wirklichkeit nur Streifen einer eontinuirlichen Membran vorgelegen hätten. Nach alledem möchte ich nun aber nicht unterlassen hervorzuheben, dass ich weit davon entfernt bin, das Vorkommen nicht fibrillär aufgebauter Cuticulae überhaupt zu leugnen. In Anbetracht, dass die Substanz der Hypodermzellen, also der Cutieula-Genera- toren, bald homogen, bald zu Kügelchen oder Stäbchen geformt auftritt, kann man sich ja vorstellen, dass die Ausscheidung von homogenem Secrete die Bildung structurloser, und die- jenige von Stäbchen- oder Fadensecrete die Bildung fibrillärer Cuticulae bedinge. Die Cuti- culae scheinen aber insbesondere da zu homogener Beschaffenheit hinzuneigen, wo sie sehr dünn sind, also vor Allem bei exquisiten Röhrenwürmern, ferner auch bei parasitisch leben- den. So fand Quarkerases,'!) der ja für die meisten Anneliden eine fibrilläre Zusammen- setzung der Cuticula vertritt, diejenige der Hermella nahezu glatt, und SpexGer?) bezeichnet, wie schon erwähnt wurde, die Cuticula des schmarotzenden Oligognathus im Gegensatze zu den dicken, irisirenden, aus mehreren gekreuzten Faserschichten zusammengesetzten Cuticulae der meisten übrigen Immbriconereiden als äusserst zart und structurlos. Mir kam es eben nur darauf an den Beweis zu liefern, dass die Cuticulae zahlreicher Anneliden in der 'That aus Fibrillen zusammengesetzt seien, indem die Anerkennung dieser Structur, meiner Ansicht nach, für die Anbahnung eines Verständnisses der Cuticulagenese sowohl, als auch für die Vergleichbarkeit scheinbar weitab liegender Gebilde ausschlaggebend ist. Was die oben erwähnte Vermuthung betrifft, derzufolge die homogene oder fibrilläre Beschaffenheit der Cutieulae von der Form abhängen könnte, in der das eutieulare Secret im Z,ellenkörper zur Ausbildung gelangt, so sei erwähnt, dass Brock‘) in der Fussdrüse der Pul- monaten den Inhalt der Secretionszellen ebenfalls in zwei constanten Modificationen angetroffen hat. Im einen Falle zeigt dieser Inhalt die Form eines complieirten Gertistes, in dessen Maschen Körner ähnlicher Beschaffenheit (wie das Gerüste selbst) liegen können, im anderen Falle fehlt ein Gerüst, das Zellplasma ist anstatt dessen von schaumigen Vacuolen durchsetzt, 1) QuarreEraGEs, M. de, Memoire sur la Famille des Hermelliens. Ann. Se. N. (3) Tome 10. p. 30. 2) Ak s Billa nn Nike 3) Brock, J. Die Entwickelung des Geschlechtsapparates der stylommatophoren Pulmonaten ete. Zeit. Wiss. Z. 44. Bd. 1886. p. 381. 41* 394 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. und ausserdem kommen zahlreiche glänzende Körnchen durch die Zelle zerstreut vor. Sämmt- liche Zellen einer Fussdrüse secerniren unserem Autor zufolge immer nur nach dem einen oder dem anderen Typus, nie finden sich Secretionszellen beider Typen gemischt. Andererseits darf aber auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass manche Cutieular- gebilde aus so feinen und so nahe aneinander gedrängten Fibrillen zusammengesetzt sind, dass deren Nachweis überaus schwierig wird. Ich bin daher fest davon überzeugt, dass viele heute für homogen gehaltene Derivate von Hautsecreten sich früher oder später als fibrilläre herausstellen werden. Ich komme nun zum zweiten Theil der mir in diesem Kapitel vorliegenden Aufgabe: nämlich zur Untersuchung der Frage, ob auch andere Vertreter der Annelidenclasse Anhalts- punkte für eine Entstehung der Cuticula liefern, wie sie von mir im Vorhergehenden für die Capitelliden wahrscheinlich zu machen versucht worden ist. Würde es sich hierbei nur um den Nachweis des Vorkommens von Stäbchen in den Hautdrüsenzellen handeln, so könnte ich mich darauf beschränken, einfach auf das vorher- gehende, die Hypodermis behandelnde Kapitel zu verweisen, in welchem ja auf Grund eines breiten Thatsachenmaterials geschlossen werden konnte, dass Stäbchen in den Haut- drüsenzellen der verschiedensten Anneliden vorkommen. Aber nicht darum allein handelt es sich, sondern, wie schon in demselben Kapitel angedeutet wurde, auch um die ITeranziehung einer Reihe scheinbar heterogener, meinem Dafürhalten nach jedoch demselben Kreise zugehöriger Drüsenbildungen: nämlich solcher, deren Aufgabe es ist, ein Secret in Form von mehr oder weniger langen Fäden zu liefern, Drüsen also, deren Function denselben Modus der Absonderung ad oculus demonstrirt, welchen ich bei meinem Erklärungsversuche der Cutienlagenese, zwar gestützt auf die Stäbchen als Vor- läufer der Fäden, aber doch immerhin nur hypothetisch, vertreten konnte. Im Hinblick auf unseren Ausgangspunkt, die Stäbchen, würde es am natürlichsten sein, die Reihe der fraglichen Bildungen derart vorzuführen, dass zunächst solche Fälle in’s Auge gefasst werden, welche das gleichzeitige Vorkommen von Stäbchen und Fäden produ- eirenden Hautdrüsenzellen illustriren, sodann auf solche überzugehen, in welchen die be- treffenden Fadendrüsen unter mächtiger Ausdehnung localisirt sowie in die Leibeshöhle hinein- gerückt erscheinen, und endlich mit jenen zu schliessen, deren Habitus — um es gleich hier vorweezunehmen — zu den Borstendrüsen der Parapodien hinüberführt. Indessen, aus weiterhin sich von selbst ergebenden Gründen, ziehe ich es vor den umgekehrten Weg einzuschlagen, das heisst mit den zuletzt erwähnten Drüsen anzufangen, um von ihnen aus, durch die ver- mittelnden Bildungen hindurch, erst wieder zu den Stäbchen zurückzukehren. Ich beginne daher mit den segmentalen Spinndrüsen des Polyodontes maxillosus. Der mit den Gattungen Aecoötes, Eupompe und Panthalis eine besondere Unterfamilie der Aphroditeen (Acoötea) bildende Polyodontes gehört nebst der Emice gigantea zu den grössten bekannt gewordenen Anneliden. Obwohl fast ausschliesslich Bruchstücke gefischt werden, so lässt sich doch von dem bedeutenden. 3-4 cm erreichenden Breitendurchmesser einzelner I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 325 solcher auf eine Gesammtlänge von mindestens I Meter schliessen. Das Thier ist entschieden selten; denn trotz der in so grossem Maassstabe von Seiten der Zoologischen Station betriebenen Fischerei und trotz ihrer so ausgedehnten Verbindungen mit den Fischern des Golfs pflegen doch nur etwa 4 Exemplare jährlich in ihren Besitz zu gelangen. Der Fang geschieht regel- mässig durch Langleinen (Palangrese), auf deren ungefähr 30 Meter tief versenkten, aus Würmern oder kleinen Fischen bestehenden Köder der mit einem mächtigen Rüssel und o starkem Gebiss ausgerüstete Polyodontes ebenso anbeisst wie die verschiedenen Fische, um deren Fang allein es natürlich den Fischern zu thun ist. Dieser ihrer Seltenheit ist es wohl auch zuzuschreiben, dass unsere Annelide bisher nur von wenigen Forschern, und auch von diesen nahezu ausschliesslich in systematischer Hinsicht untersucht worden ist. Nur ÜrAParkDE), dem während seines Aufenthaltes in Neapel ein Bruchstück unter die Hände kam, macht hier- von eine Ausnahme, indem er einen 'Iheil der Anatomie, wenn auch nur flüchtig, berück- sichtigt hat. Insbesondere haben wir ihm die erste im Ganzen zutreffende Beschreibung der- jenigen Organe, welche uns hier allein interessiren, zu verdanken. Er schildert sie folgen- dermaassen: »A l'ouverture du corps du Polyodonte, l'oeil est frappe d’une partieularite anatomique extremement singuliere et unique jusquieı parmı les Annelides. La cavite de chaque pied renferme un cordon sinueux qui se prolonge sur la paroı ventrale de la cavıte du corps jusque pres de la ligne mediane. La longueur de ces cordons varie de 10 a 15 mm sur une largeur de ®/, mm. Ils sont recouverts par le peritoine et se distinguent par une belle couleur vert-doree a reflets metalliques. Port sous le microscope le cordon se resout en un cheveau de soies dorces extremement tenues. A ce propos, il convient de rappeler que M. Gruss signale chez le Polyodontes gulo, de la mer Rouge, un faisceau de plus de trente soies capillaires porte par la rame superieure, soies quil compare aux franges de poils des Aphrodites. Ne faudrait-ıl pas voir dans l’echeveau du Polyodontes mazillosus quelque chose d’analogue, quand meme les soies sont bien plus tenues et groupces par plusieurs milliers dans chaque @cheveau? Dans ce cas ıl faudrait supposer que ces soles sont completement r£tractiles, et cachees pour l'ordinaire dans la cavite du pied, puisque personne jusquwiei ne les a apercues. A cela s’opposent deux diffieultes: l’absence d’ouverture pour la sortie du faisceau, puis l’absence de muscles destines a le mettre en mouvement. L/ouverture pourrait etre facılement meconnue. Il n’en est pas de meme des museles.« Der Anblick eines vom Rücken geöffneten Polyodontes ist in der "That überraschend; denn die fraglichen, von Segment zu Segment sich wiederholenden, mit dem einen Ende je in der Fussstummelhöhle versteckt liegenden, mit dem anderen je frei in die Leibeshöhle hinein ragenden, vielfach gewundenen, aus einer grossen Zahl überaus dünner Fäden oder 3orsten zusammengesetzten Stränge leuchten {irisiren) in den lebhaftesten Metallfarben®,. Den grössten Umfang erreichen sie vom in der Rüsselgegend, wo sie in Folge dessen zu dichten Knäueln zusammengedrängt legen»); wenige Segmente weiterhin nimmt dieser Umfang schon bedeutend ab, so dass man sich da ohne Weiteres von ihrer segmentalen Anordnung zu über- zeugen vermag, und gegen die Körpermitte®) hin werden die Stränge schon so klein, dass das blosse Auge gerade ausreicht, um ihren Verlauf feststellen zu können. Wie weit sie sich über- oO oO haupt nach hinten erstrecken, vermag ich nicht anzugeben, indem mir noch kein intactes a) Taf. 36. Fig. 9. b) Taf. 36. Fig. 4. e) Taf. 36. Fig. 5. Nalapr8r.cH pe 85. 326 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Thier zu Gesicht gekommen ist, und die Bruchstücke, der Art des Fanges gemäss, eben stets dem Vorderleibe angehören. Durch die gewöhnlichen anatomischen Uebersichtspräparate ist es nicht möglich, einen Einblick in die zwischen dem gelben Strange und dem Parapodium waltenden Beziehungen zu erlangen; es bedarf hierzu unbedingt der, wenn auch nur ganz grob hergestellten Quer- schnitte®). Aus solchen ergiebt sich aber, dass unsere Stränge nicht etwa, wie ÜLAPAREDE meinte, in der Fussstummelhöhle frei enden, sondern dem hämalen "Theile des Parapodiums zustrebend im Bereiche des Cirrus, respective der Elytra, nach aussen münden. Die Lich- tungen dieser durch kurze Eetodermeinstülpungen hergestellten und continuirlich in die Mem- bran des Stranges sich fortsetzenden Mündungen sind \,—1 mm weit, so dass es nicht schwer hält eine Sonde einzuführen. Die Parapodien des Polyodontes sind ähnlich wie diejenigen vieler anderen Aphro- diteen dadurch ausgezeichnet, dass die typischen zwei Aeste (also das hämale und neurale Organ) jederseits fast ganz miteinander verschmolzen sind, dass ferner allein der neurale, ausserordentlich an Grösse überwiegende Ast Borsten trägt, wogegen der im Verhältnisse zum neuralen auf einen Stummel reducirte hämale Ast solcher durchaus entbehrt®). Dass aber der erwähnte Stummel wirklich den hämalen Ast repräsentirt, beweist, wie auch CLAPAREDE nachdrücklich hervorhebt, einmal der über ihm eingepflanzt stehende Rückencirrus, respective die Elytra, sodann die in denselben eindringende, im Verhältnisse zur mächtig entwickelten neuralen allerdings sehr reducirte hämale Acicula®. In denselben das hämale Parapodium repräsentirenden Ast dringt nun aber, was ÜrAPAREDE übersehen hat, auch unser gelber Strang oder die Spinndrüse eind) und derselbe Ast ist Träger der bereits erwähnten Drüsenmündung®). In seinem Verlaufe dahin ist ferner der Strang eine Strecke weit aufs Innigste mit der hämalen Acieula verwachsen), und da letztere von dem neuralen Aste, respective vom neuralen Parapodium aus mit Muskelfasern (Protrusoren) versorgt wird8), so sind auch, ganz im Gegensatze zu Crararkpe's bezüglicher nega- tiver Angabe, alle Bedingungen für ein Nachaussenschieben des Stranges gegeben. Jeder Zweifel hierüber wird übrigens durch die Thatsache beseitigt, dass ich bei einem unserer T'hiere mehrere Stränge verschieden weit nach aussen vorgeschoben sah, allerdings zerfasert, wofür aber weiterhin die Erklärung sich von selbst ergeben wird. Aus allen diesen anatomischen Verhältnissen folgt mit Nothwendigkeit, dass die aus zahlreichen feinen borstenartigen Fäden?) zusammengesetzten gelben Stränge im morphologischen Sinne den Borstenbündeln der stark reducirten hämalen Para- podien entsprechen. Im morphologischen Sinne; denn es ist klar, dass den aus langen, geschmeidigen Fasersträngen bestehenden Organtheilen andere Functionen obliegen müssen, als den Bündeln starrer Borsten; könnten doch erstere trotz ihrer Verschiebbarkeit niemals so a) Taf. 36. Fig. 6. 7. b) Taf. 36. Fig. 6. Pd. n. und Pd. h. c) Taf. 36. Fig. 6. de. d) Taf. 36. Fig. 6. Sp. Dr. e) Taf. 36. Fig. 7. Sp. -Dr.'M. : t) Taf. 36. Fig. 6. und 8. og) Taf. 36. Fig. 6. 8. Pa. P. h) Taf. 36. Fig. 11—14. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Outieula. 327 wie letztere als Stichwaffen oder Locomotionswerkzeuge sich geltend machen. Aber welcher Natur mögen diese Funetionen sein? welche Bedeutung mögen die aus feinsten borstenartigen Fäden zusammengesetzten Stränge haben? und wie können wir uns vorstellen, dass gleich- werthige Organe in dem einen Falle kräftige Borsten, in dem anderen dagegen feine Fäden hervorzubringen im Stande seien ? Viel über diese Frage nachdenkend, benutzte ich natürlich auch die sich mir dar- bietende Gelegenheit, das mit so merkwürdig modificirten hämalen Parapodien ausgerüstete T'hier lebendig zu halten und lebendig zu beobachten. Gleich das erste so gehaltene Exemplar über- raschte mich dadurch, dass es sich in verhältnissmässig kurzer Zeit seiner ganzen Länge nach mit einer grossen Anzahl gelbgrauer, hautartiger Fetzen?‘) umgeben hatte. Unter dem Mi- kroskope stellten sich diese Hautfetzen als aus ungeheuren Mengen dicht ineinander ver- filzter, etwa 2 » dicker Fäden’) zusammengesetzt dar, welche in ihren chemischen Reactionen ganz mit den Borsten des Polyodontes übereinstimmten, indem sie sich eben so wie letztere selbst kochender Kalilauge gegenüber resistent erwiesen, also aller Wahrscheinlichkeit nach aus Chitin bestanden. Wo nahm aber unser 'Thier in so kurzer Zeit das Material zu der so beschaffenen »Pseudoröhre« her? Sofort tauchte in mir die Vermuthung auf, dass zwischen letzterer und den räthselhaften gelben Strängen ein Zusammenhang bestehen möge; haben wir doch beide als aus feinen Fäden oder Borsten zusammengesetzte Gebilde erkannt. Aber wie kann aus jenen in grösster Regelmässigkeit nebeneinander verlaufenden, in eine Membrana propria eingeschlossenen, zwar feinen, aber doch anscheinend spröden borstenartigen Fäden unsere so schmiegsame, weiche Haut zu Stande kommen? Indem ich mich so fragte, zerrte ich an einem der etwas aus seiner Mündung hervorgestreckten gelben Stränge; sofort entstand ein dichtes, mit grosser Zähigkeit der Pincette anhaftendes Fadengewirre, und während meiner Bemühung, das In- strument wieder frei zu bekommen, sah ich vor meinen Augen eine Membran), entstehen, welche sich makroskopisch in Nichts von den im selben Gefässe ausgebreiteten, vom 'T'hiere selbst secernirten Hautfetzen unterschied. Auch die mikroskopischen sowie chemischen Eigenschaften ersterer erwiesen sich als mit den gleichnamigen letzterer durchaus identisch: dieselben feinen, etwa 2 px dicken, verfilzten, gegen heisse Kalilauge resistenten Fäden®). Ja es gelang sogar, selbst derartige gelbe Stränge, welche Jahre lang in Alcohol gelegen hatten und welche theil- weise aus relativ dieken Borsten (4 p) zusammengesetzt waren, noch in ebensolche feine haut- artige Filze zu zerren, wie die frischen. Damit war die Abstammung der Hautfetzen (Wohnröhre) von den gelben Strängen augenscheinlich dargethan, damit war aber auch mit einem Schlage eine Rgihe scheinbar weit voneinander abliegender Bildungen ein- ander nahe gerückt, und damit endlich war auch — für mich wenigstens — eine Einsicht in das Bildungsprineip euticularer Membranen eröffnet, so dass man nun verstehen wird, warum ich unser Thema gerade mit den gelben Strängen des Polyodontes einzuleiten für gut fand. a) Taf. 36. Fig. 16. b) Taf. ‚36. Fig. .17..18. ce). Taf... 36. ‚Fig- ‚LD. d); Tat! 36.-.Eie, 19. 328 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Auch die Function der gelben Stränge oder Spinndrüsen, wie ich sie fortan zu nennen vorschlage, kann nun nicht länger räthselhaft bleiben; sie ist offenbar eine doppelte: eine von mehr passivem und eine von mehr aggressivem Charakter. Erstere gestattet ihrem Träger, sich rasch mit einer schützenden Haut zu bedecken, respective sich rasch eine Wohnröhre zu bauen; denn, dass Polyodontes gelegentlich in solchen lebt, geht daraus hervor, dass der von Grug£E!) beschriebene, unserer Art überaus nahe stehende, insbesondere bezüglich der Spinn- drüsen und des Rüssels mit ihr übereinstimmende Polyodontes gulo Rürr. unfern Suez in einer Röhre gefunden wurde. Letztere dagegen befähigt unseren, wie aus der nahezu einzig dastehenden Entwickelung des Rüssels und der Kiefer sowie aus der Art des Fanges hervor- geht, ausserordentlich räuberischen Wurm, durch Hervorschnellen eines überaus zähe haf- tenden Fadengewirres die in seinen Bereich gelangende, mobile Beute zu lähmen, über- haupt dingfest zu machen. Dass dasselbe in dieser Weise entleerte Secret auch als Schutz- waffe gegen Feinde gebraucht werden könnte, ergiebt sich von selbst. Auf Grund dieser Auf- fassung verstehen wir auch, warum gerade im Bereiche des — mit sehr auffallend entwickelten Sehorganen ausgerüsteten — Kopfes die Spinndrüsen eine so überwiegende Ausbildung er- fahren haben; es können nämlich auf diese Weise die die Beute erspähenden, einfangenden und verschlingenden Organe möglich gleichortig und gleichzeitig zur Thätigkeit gelangen. Es ist ferner denkbar, dass zu dieser überwiegenden Ausbildung die Gewohnheit unseres 'Thieres, sich — wenn auch nur vorübergehend — in Röhren aufzuhalten, beigetragen habe, indem es ja, so auflauernd, sich zunächst nur mit dem vordersten Leibesabschnitte rasch auf die Beute zu stürzen vermag. Es erübrigt noch die Structur dieser Spinndrüsen sowie die Art des Zustande- kommens ihres Secretes in's Auge zu fassen. Dass die sogenannten gelben Stränge im Bereiche ihrer Mündung mit einer Eetoderm-Ein- stülpung®) verschmelzen, wurde bereits erwähnt; von da ab werden sie bis zu ihrem bald spitz ausgezogenen, bald kolbig angeschwollenen, centripetalen Ende von einer dünnen, zwei- schichtigen Membran bekleidet®). Die innere Schicht dieser Membran ist von homogenem Ansehen, die äussere dagegen lässt zahlreiche Kerne erkennen; in ersterer haben wir wohl die Membrana propria, in letzterer den Peritonealsack vor uns. Bis zur Region des erwähnten Endes hin, also fast ihrer ganzen Länge nach, haben die Stränge an jedem beliebigen Punkte dieselbe Beschaffenheit; eine verschieden grosse Zahl mehr oder weniger feiner gelber Fäden oder Borsten®) liegt dicht aneinander gedrängt von der beschriebenen Membran eingeschlossen. In jener Region aber, welche schon makroskopisch@) durch ein dunkelbraunes, drüsiges An- sehen ausgezeichnet ist, verändert sich deren Beschaffenheit sadical. Die immer dünner und blasser werdenden Fäden nehmen rasch an Zahl ab und an ihre Stelle tritt ein von braunen Kügelchen erfülltes Fachwerk ©). Letzteres stellt, darüber kann kein Zweifel herrschen, den a) Tal. 36. Biol. b) Taf. 36. Fig. 12. 13. e) Taf. 36. Fig. 11—14. d) Taf. 36. Fig. 9. e) Taf. 36. Fig. 10. 1) Gruss, E. Beschreibungen neuer oder wenig bekannter Anneliden. Arch. Naturg. 21. Jahrg. p. 54. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 329 Drüsentheil des Organes dar, denjenigen Theil also, in welchem das Secret in Form von Fäden zur Ausscheidung gelangt. Leider haben mir die von zu lange in Alcohol aufbewahrt gewesenen Polyodontes- Exemplaren angefertigten Schnitte keinen befriedigenden Einblick mehr in die feineren Structurverhältnisse dieses Drüsentheiles gestattet; aber eines ergab sich doch sofort: die grosse Habitus-Uebereinstimmung mit den Borstendrüsen der Para- podien. Wie in letzteren die Basen der Borsten, so wachsen in den Spinndrüsen die Basen der Fäden oder Fadenbündel, und wie in den Borstendrüsen continuirlich neue (an Stelle der abgenützten oder abgeworfenen tretende) Borsten angelegt werden (Reserveborsten), so lässt sich auch in den Spinndrüsen ein in Entwickelung befindliches, zum Nachschube bereites Material von Fäden erkennen. Die eingangs statuirte morphologische Uebereinstimmung von Borsten- und Spinndrüsen findet demnach auch in der Art, wie beide ihre Secrete produeiren, eine Stütze. Am bemerkenswerthesten prägt sie sich aber aus in der Identität der beider- seitigen Secrete. Es wurde schon mehrmals des bedeutenden Durchmesserunterschiedes gedacht, welchen die sowohl in den Spinndrüsen gelegenen‘), als die von denselben ausgeschiedenen») Fäden darbieten. Letztere haben in den von den 'Ihieren selbst verfertigten Gespinnsten meistens einen Durchmesser von etwa I1—2 p, daneben findet man aber auch solche von kaum mehr als Yo x Dicke. In Fadengewirren, welche durch künstliches Zerreissen der gelben Stränge zu Stande gebracht werden®), hängt aber die Feinheit der Fasern ganz von der Geduld und dem Geschicke des Präparators ab; sie lässt sich nämlich bis zur Grenze des überhaupt Sicht- baren steigern. In den gelben Strängen selbst finden sich’ im Bereiche der Mündung) meistens Y—1 p dicke Fasern; ebenso feine trifft man vereinzelt im Bereiche der Drüse‘°); der Haupt- theils) des Stranges besteht aber aus einem dichten Bündel 2—4 p dicker, und angesichts dieser fällt es schon schwer von Fäden oder Fasern zu reden, denn sie machen ganz den Eindruck von Borsten. Im Wesentlichen herrscht nun aber zwischen allen diesen Fäden, Fasern und Borsten des gelben Stranges, mögen sie Yo p oder 4 p. dick sein, kein Unterschied: sie haben stets die gleiche homogene, scheinbar spröde Beschaffenheit und sind auch stets von rundlichem Querschnitte. Als eine nothwendige Consequenz dieses Verhaltens ergiebt sich aber, dass die diekeren borstenartigen, in dem gelben Strange eingeschlossenen Fasern nur das (allerdings bereits in parallelen Bündeln nebeneinandergeordnete) Material zum Gespinnste darstellen, aus dem in dem Maasse, als es vom '[hiere vorgeschleudert und gezerrt wird, erst ebenso die feinen Fäden oder Filze entstehen, wie bei der künstlichen Zerrung des gelben Stranges von Seiten des Experimentators. Es wird nicht leicht sein, sich eine Vorstellung darüber zu bilden, wie ein homogener, borstenartiger Faden beschaffen sein müsse, damit er rein durch Zerrung in immer feinere, auch ihrerseits fort und fort wieder ebenso regelmässig abgerundet erscheinende und weiterer Zerlegung fähige Fibrillen gespalten werden könne, wie a) Taf. 36. Fig. 11—14. b) Taf. 36. Fig. 17. 18. ec) Taf. 36. Fig. 15. 19. d) Taf. 36. Fig. 13. e) Taf. 36. Fig. 10. f), Tat. 36- Big, 11. 19 19. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden 42 350 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. er ferner beschaffen sein müsse, um diese Spaltbarkeit nicht nur, sondern auch die Verfilz- barkeit selbst nach jahrelangem Verweilen im Alcohol nicht einzubüssen. Und wie verhält sich nun dem gegenüber die Structur der Borsten? Scheinbar, so lange man nämlich die massiven, spröden Gebilde allein und in toto in's Auge fasst, recht verschieden; untersucht man dagegen durchsichtige Exemplare, oder Schnitte von irgend welchen, so offenbart sich die schlagendste Uebereinstimmung; denn man erkennt dann, dass die Borsten ebenfalls aus einem von einer homogenen Scheide umschlossenen Bündel rundlicher, homogener Fäden zusammengesetzt werden, und zwar von Fäden, welche je nach den Gattungen oder Arten ebenfalls sehr verschiedene Durchmesser aufzuweisen pflegen. Ich habe diese Structur in den entsprechenden Abschnitten des ersten Theils der vorliegenden Monographie für die Borsten aller Capitelliden-Formen constatiren können; die instructivsten jeispiele für den in Rede stehenden Vergleich liefert aber Polyodontes selbst, dessen so ver- schiedenartige Borsten®) von der voluminösen Acicula bis zur feinen Pfrieme herab alle gleicherweise nichts Anderes als Bündel ebensolcher homogener, rundlicher, meist sogar iden- tisch gefärbter Fäden darstellen wie die gelben Stränge der Spinndrüsen, nur mit dem Unter- schiede, dass sich die Fäden letzterer in einem plastischen, weiterer Spaltung fähigen, die- jenigen ersterer dagegen in einem fixen, durch die Scheiden abgeschlossenen Zustande be- finden. Dass aber diese Structur der Borsten durchaus nicht auf die Capitelliden und Aphro- diteen beschränkt ist, dass im Gegentheil die Mehrzahl, wenn nicht alle, ursprünglich dieses Verhalten darbieten, soll in dem den »Parapodien« gewidmeten Kapitel bewiesen werden, in- dem mich an dieser Stelle eine derartige Auseinandersetzung zu weit von meinem eigentlichen I'hema ablenken würde. Ich glaube nach alledem gezeigt zu haben, dass die in morphologischem Sinne gleich- werthigen Borstendrüsen und Spinndrüsen des Polyodontes auch in Bezug auf die Natur ihrer Secrete vollkommen miteinander übereinstimmen, indem im einen Falle solche Fäden secernirt werden, welche unter einer festen Hülle erstarren, um so unter einer bestimmten Form und geraume Zeit hindurch als Stichwaffen oder Locomotionswerkzeuge zu dienen (Borsten, Haken), im anderen dagegen solche, welche ihren plastischen Zustand behalten, um jeweils in der Bildung schützender Membranen oder aggressiver Fang-Gespinnste aufzugehen. Und nun muss es uns interessiren zu erfahren, wie sich gerade bei dieser Annelide die Structur der Cuticula verhält. Im frischen Zustande bildet sie je nach der Körperregion eine sehr verschieden dicke, scheinbar homogene Membran; scheinbar, denn es genügt eine mehrstündige Maceration, um sie in ganz ähnliche Fibrillen zerlegen zu können, wie die Cutieulae der anderen, früher genannten Anneliden. Alle diese Fibrillen stimmen nun aber auch insofern mit denjenigen der Borsten- und Spinndrüsen überein, als sie ebenfalls ein homogenes Ansehen sowie einen rundlichen Querschnitt darbieten und — ebenso wie jene einem Drüsenzellen-Secrete ihre a) Taf. 36. Fig, 20—25. (vergl. die Tafelerklärung.) I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cutieula. 33 Entstehung verdanken. Nur in einem Punkte unterscheiden sich die Cutieulafibrillen von denjenigen der gelben Stränge und Borsten: nämlich im chemischen Verhalten, indem sie durch Kalilauge gelöst werden, wogegen letztere, wie schon hervorgehoben worden ist, sich diesem Reagens geenber durchaus widerstandsfähig erweisen. Auf diese Divergenz wird aber, damit adäquate, im Nachfolgenden noch zu verzeichnende Fälle mitberücksich- tigt werden können, besser erst am Schlusse dieses Kapitels eingegangen; dort sollen dann die Fragen zur Erwägung kommen, in wie weit erstens die »chemische Beschaffen- heit« in vergleichenden Untersuchungen vom Charakter der vorliegenden als Criterium An- spruch auf Berücksichtigung erheben könne, und ob denn zweitens die erwähnte Divergenz überhaupt so ganz unvermittelt dastehe. Dort endlich soll auch dem durch meinen Vergleich zwischen parapodialen und hypodermalen Düsensecreten eventuell provocirten Einwurfe, dass wir es im einen Falle mit ecto- und im anderen mit mesodermalen Producten zu thun hätten, begegnet werden. Zur Kategorie der »gelben Stränge« des Poelyodontes scheinen auch die durch Fr. Mürver', bekannt gewordenen Säckchen der Cherusca \Familie der Ariciiden), welche auf Reiz Borsten entleeren, zu gehören. Mürrer's Beschreibung lautet: »Die übrigen Segmente mit mehreren Büscheln verschiedener starker Haarborsten und im oberen Theile des Ruders mit einem Säckehen voll äusserst zahlreicher loser, in Masse goldglänzender sehr zarter kurzer Borstehen, die bei jedem Reize in Menge entleert werden und mit dem aus dem vorderen Theile des Ruders austretenden Schleime das Thier umgeben.« Aller Wahrscheinlichkeit nach dienen auch diese »Borstchen« der Cherusca zur Her- stellung von Fangnetzen und Wohnröhren; das [hier müsste aber zur Entscheidung dieser Frage erst genauer beobachtet und untersucht werden. Ich komme nun zur dritten der unserem Untersuchungskreise angehörigen Bildungen nämlich zu den, wie sich herausstellen wird, jenen Fäden der Polyodontes-Spinndrüsen eben- falls sehr nahe verwandten Haaren und Haarfilzen der Aphrodita aculeata. Aphrodita ist zwar eine der längst bekannten und als Object zootomischer Uebungen, auch eine der populärsten Chaetopoden, aber die uns hier speciell interessirenden Organi- sationsverhältnisse pflegen doch wenig berücksichtigt, ja in den Lehrbüchern sogar kaum er- wähnt zu werden, so dass es mir geboten scheint den Leser zunächst mit dem Untersuchungs- objecte vertraut zu machen. Zu diesem Behufe bringe ich einen entsprechenden Passus aus (JQuATREFAGES?), Histoire Naturelle des Anneles, zum Abdrucke, in welchem die fraglichen Ge- bilde, wenigstens in Bezug auf Habitus und Vertheilung, anschaulich und correct geschildert werden. Die Stelle lautet: »Independamment des soies simples ou compos6es, un certain nombre d’Aphroditiens portent des poils proprement dits. Ces poils prennent quelquefois naissance sur un mamelon particuhier, place en haut et sur le cöte de lanneau, mais le plus souvent ils tiennent direetement a la rame superieure. Ils peuvent 1) MÜLLER, Fr. Einiges über die Annelidenfauna der Insel Santa Catharina an der brasilianischen Küste. Arch. Naturg. 24. Jahrg. 1858. p. 217. 2) E p: 6. ce. p: 180-181. 332 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. d’ailleurs ötre tres-rares et courts. Dans ce cas, ıls sont implantes seulement au dessus de l’elytre, autour des mamelons setiferes. Mais souvent aussi ils sont excessivement nombreux, tres-fins et tres-longs, et alors ils naissent tout autour de la rame superieure, de maniere a la cacher completement, et descendent jusque sur la rame inferieure. Dans ce dernier cas, les poils les plus lateraux, un peu plus forts et plus raides que les autres, restent libres et flottent parallelement les uns aux autres. Ce sont eux qui forment sur les flancs de certaines Aphrodites ces magnifiques franges irisees qui rappellent, par leur @elat metallique, celui du plumage de certains oiseaux. Les poils nes sur les cötes du dos et sur les flancs sont encore plus fins, plus souples et contournes. A mesure qu'ils poussent, ıls stencheveötrent les uns dans les autres et avec ceux du cöte oppose. Il se forme ainsi au dessus du dos de l’Annelide, une couche feutree, d’epaisseur tres-variable, qui parfois dissimule presqu’entierement les formes et toutes les parties de l’animal, qui, dans tous les cas, recouvre et protege les elytres. Cette espece de vote, tres-serree en dessus, est d’ailleurs toujours ouverte en avant, en arriere et aussi, quoique plus imparfaitement, sur les cötes, a chaque intervalle interannulaire. L’eau peut ainsi penetrer et eirculer librement dans ce canal pour aller baigner les organes respiratoires. Chez les especes depourvues de feutrage, les soies de la rame superieure sont generalement, mais non pas toujours, plus ou moins dirigees en dessus et transversalement, de maniere a ce qu’en se contraetant, ’Annc- lide puisse recouyrir et proteger, jusqu’a un certain point, ces memes organes.« Während also bei Polyodontes die borstenartigen Haare oder Fäden beliebig entleert und zu räumlich vom 'Thiere abgetrennten Fangnetzen und Wohnröhren verfilzt werden können, steht die Secretion der betreffenden Gebilde bei Aphrodita mehr im Banne fester Organi- sationsverhältnisse, indem alle die successive produeirten Borstenhaare und Filze, wenigstens geraume Zeit hindurch, mit dem 'I’hiere in mehr oder weniger festem Verbande bleiben. Ueber die Function der seitlich zwischen den Fussstummeln eingepflanzt stehenden, gröberen, borstenartigen Haare®', durch deren Irisiren die prachtvolle, an das Pfauengefieder erinnernde Farbenwirkung erzielt wird, auch nur eine begründete Vermuthung zu gewinnen, wird schwer halten; wissen wir doch zu wenig von den Lebensbedingungen und Gewohn- heiten des 'T'hieres, um ermessen zu können, in wiefern dieselben hierbei überhaupt in Be- tracht kommen könnten. Dagegen ist das unzweifelhaft, dass der dichte, über den ganzen Rücken des 'Thieres ausgespannte, unscheinbar graue oder braune Haarfilzb) eine Schutzvor- richtung darstellt, und zwar eine ebenso feste als elastische Decke für die unter ihm ge- legene Athemkammer*). Dieser schon durch seinen Habitus auffallend an die Polyodontes-Gespinnste, insbeson- dere an die von den betreffenden 'T'hieren selbst verfertigten Membranen erinnernde Haarfilz erweist sich auch mikroskopisch von ganz ähnlicher Zusammensetzung; er besteht nämlich aus einer ungeheuren Menge innig verflochtener, verschieden langer, homogener Fäden‘) von rund- lichem Querschnitte; nur sind die einzelnen Haare oder Fäden in diesem Falle von einem etwas bedeutenderen 'Breitendurchmesser, indem letzterer zwischen 4 und 8 p gegenüber /u—2 p bei Polyodontes schwankt. Dass aber selbst dieser Unterschied nur ein scheinbarer ist, geht daraus hervor, dass nach Maceration die 4—S p dicken Aphrodita-Fäden sich eben- falls in immer feinere Fibrillen@) zerlegen lassen. a), Taf. 37. Big: 27, Tafı 36. Big. 30. 3® b) Taf. 37. Fig. 27. Taf. 36. Fig. 32. c) Taf. 36. Fig. 33—35. d) Taf. 36. Fig. 36. ) Wie die vorwiegend durch ihr hämales Integument hindurch athmende ApAhrodita rhythmisch Wasser in diese Athemkammer aufnimmt und abgiebt, findet sich ausführlich beschrieben in Crarartpe: 1. p. 8. c. p. 39—Al. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 398 Die irisirenden Haarborsten‘®); erreichen durchschnittlich einen Durchmesser von 24 y. und erweisen sich als Aggregate zahlreicher, kaum I p breiter Fäden. Einen ganz identischen Aufbau zeigen ferner auch hier die typischen Parapodborsten®), indem sie, einerlei ob dicke Aciculae, oder dünne Pfriemen, alle aus ebensolchen feinen, rundlichen, homogenen Fäden wie die vorhergehenden Gebilde aufgebaut sind; nach entsprechender Maceration lassen sich, wie bei Polyodontes, diese Fäden isoliren und in diesem Zustande ist auch ihre Uebereinstimmung mit den Elementen des Haarfilzes ganz unverkennbar. Endlich findet diese Uebereinstim- mung noch einen Ausdruck im gemeinsamen chemischen Verhalten; denn es erweisen sich Parapodborsten, irisirende Borsten und Haarfilz gleicherweise selbst lange andauernder Ein- wirkung von kochender Kalilauge gegenüber vollkommen widerstandsfähig. Die besonders auf der Bauchfläche des 'T'hieres eine bedeutende Dicke erreichende Cuticula lässt schon im frischen Zustande das charakteristische Streifensystem erkennen; nach Maceration geben sich indessen auch hier die vermeintlichen Streifen als Fibrillen®, zu er- kennen. \In Folge ihrer kräftigen Entwickelung kann man sich bei Aphrodita aufs Deut- lichste davon überzeugen, dass diese Membran nicht etwa nur aus zwei, sondern aus einer sehr viel grösseren Anzahl abwechselnd längs und quer gerichteter Fibrillenlager besteht. Auf- fallend ist, dass ausserdem noch diese Fibrillen hier einen so bedeutenden Durchmesser er- reichen wie bei keiner anderen der mir zu Gesichte gekommenen Cuticulae; sie messen nämlich 2 p, so dass sie auch in noch höherem Grade dem Habitus der Parapod- und Spinndrüsen- Fäden gleichkommen, als die entsprechenden Fibrillen anderer Anneliden. Nur in einem Punkte bieten sie, ähnlich denjenigen des Polyodontes, eine bemerkenswerthe Abweichung letz- teren Fäden gegenüber dar, und zwar in ihrer chemischen Resistenz. Es wird nämlich auch die Cuticula der Aphrodita durch Kalilauge zur Lösung gebracht. Wir stehen nun vor der Frage, wo und wie bei Aphrodita diese nicht zu den typischen Parapodborsten gehörigen Gebilde, die sogenannten irisirenden Borsten, sowie der die Athemkammer membranartig bedeckende Haarfilz, zur Entstehung gelangen; insbesondere fragt es sich, ob hier ähnliche Spinndrüsen wie bei Polyodontes vorkommen. Ich habe Aphrodita aculeata genau auf diesen Punkt hin untersucht und bin zur Ueber- zeugung gelangt, dass Bildungen, wie die gelben Stränge des Polyodontes, bei ihr nicht vor- handen sind. Schon bei der Besprechung des letzteren 'Thieres hatte ich hervorzuheben, wie bei vielen Aphroditeen die hämalen und neuralen Parapodien enge zusammenrücken und wie dann meistens die neuralen allein die für die Fussstummel charakteristische Ausbildung aufweisen. Dies gilt auch für Aphrodita. Nur das neurale Parapodium erscheint typisch ausgebildet, das hämale, flächenhaft ausgebreitete dagegen entbehrt der Stummelbildungen und produeirt nur wenige Borsten. Anstatt dessen sehen wir aber die Gesammtmasse der irisirenden Haare sowie den über den Rücken hin sich ausbreitenden Haarfilz von Segment zu Segment aus diesem a) Taf.=36. Fig. 30. 31. b) Taf. 36. Fig. 27—29. ec) Taf. 36. Fig. 26. 334 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil, letzteren Parapodium entspringen®). Es genügt das von dem Haarfilze hergestellte Dach zu spalten und dessen beide Hälften auseinanderzuschlagen. um sich davon zu überzeugen, dass trotz seiner membranähnlichen Continuität die es zusammensetzenden Haare bündelweise in jedem Segmente entspringen und sich erst allmählich zum Dache verfilzen. Die fraglichen Borsten und Haare der Aphrodita sind demnach Producte ihrer hämalen Parapodien, oder besser ihrer hämalen Borstendrüsen, und da wir gesehen haben, dass auch die gelben Stränge oder die Spinndrüsen des Polyodontes im morphologischen Sinne als die hämalen Parapodien (Borstendrüsen) dieses 'Thieres betrachtet werden müssen, so ist damit unsere Frage principiell beantwortet. Die Verschiedenheit der hämalen Drüsen beider Gattungen erklärt sich aus der ver- schiedenen Verwendung der bezüglichen Secrete. Im einen Falle dienen die borstigen Fäden insbesondere zur Herstellung einer schützenden, mit dem Körper im Zusammenhange bleibenden Decke, im anderen Falle dagegen dienen sie zur Herstellung vom 'I'hiere abgelöster Wohn- röhren, Fangnetze etc, mit anderen Worten: Polyodontes hat Spinndrüsen, welche zu jeder Zeit ein reiches Material von Fadensecret nach aussen zu schaffen vermögen, und Aphrodita solche, welche nach Art der Borstendrüsen allmählich das (am Körper haften bleibende) Secret zur Entleerung bringen und ebenso allmählich das Verbrauchte ersetzen. Würde es angesichts der für Polyodontes festgestellten 'Thatsachen überhaupt noch weiterer Beweise für die Einheit von Spinn- und Borstendrüsen bedürfen, so könnte man schwerlich überzeugendere als die durch das Verhalten der hämalen Parapodien der Aphrodita gelieferten verlangen. Nachzuweisen bleibt noch, welcherlei Modificationen im Einzelnen die Structur dieser letzteren Parapodien, oder vielmehr ihrer drüsigen Abschnitte derjenigen der Borstendrüsen gegenüber darbietet, und welcherlei Beziehungen ferner sie zu jener der gelben Stränge er- kennen lässt; denn das was von den Parapodien der Aphrodita bekannt ist, erstreckt sich nur auf ganz äusserliche Merkmale. Als ebenfalls zur Gruppe der Spinndrüsen gehörig betrachte ich die, insbesondere durch Urararkpe') bekannt gewordenen Drüsentaschen der Polydora. Seine Beschreibung dieser Organe lautet: »J’ai &tudie avec soin, chez la P. Agassizü les singulieres poches glanduleuses des parties laterales des segments, poches que j’ai deja signalees, il y a quelques annees, chez une autre espece, et qui paraissent caracteriser le genre dans son entier. Ces poches apparaissent des le septieme segment, e’est-A-dire en meme temps que les branchies et les crochets ventraux. Elles sont piriformes et s’ouvrent ä Vexterieur ä la rame pedieuse inferieure. On les trouve dans les segments 7, S, 9 et 10, oü elles sont fort larges. Puis elles cessent ou du moins ne les retrouve-t-on plus que rudimentaires dans quelques-uns des segments qui suivent immediatement. Chaque poche revele un faisceau de boyaux aveugles, incolores, en forme de larmes ba- taviques, qui sont sans doute des follieules glandulaires. La partie renflee de chaque follieule renferme une sphere homogene, qui, sous le mieroscope, offre une eouleur faiblement rosee, et dont le pouvoir refringent ne s’ecarte guere de celui de l’eau. C'est la sans doute la substance seeretee. Entre les follieules sont 1. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 335 disseminces quelques cellules, larges de 16", a gros noyau spherique. Elles ressemblent a s’y meprendre aux vesicules germinatives de jeunes ovules«. Bei der Polydora flava konnte UtAParEpE') sodann ähnliche, sich vom sechsten Seg- mente ab durch die ganze Länge des Körpers wiederholende Drüsentaschen nachweisen. Neuerdings sind ähnliche Drüsen von Jacogy?’) noch bei zwei anderen Polydora-Arten, nämlich bei P. ciliata und bei P. quadrilobata, aufgefunden und untersucht worden. Seinen Angaben zufolge wiederholen sich diese für das ganze Genus charakteristischen Drüsen bei ersterer Art vom 6. bis zum 18., und bei letzterer vom 6. bis zum 16. Segmente. Aus diesen Citaten folgt zwar, dass wir es mit Drüsen zu thun haben, welche, ähnlich wie bei Polyodontes, in nahen Beziehungen zu den Parapodien stehen, indem beide Autoren gleicherweise constatiren, dass die betreffenden Follikel am unteren Fussstummel-Aste, also am neuralen Parapodium nach aussen münden; darauf allein unseren Vergleich zu stützen würde aber kaum angehen: fehlt doch im einen Falle der wesentlichste Bestandtheil, nämlich das faden- oder borstenförmige Secret. Ja, es fehlt, aber nur in den Beschreibungen und Ab- bildungen CrararkpE's sowie Jacopry's; in Wirklichkeit dagegen ist es, wie ich mich durch die Untersuchung der Polydora Agassizü (also derselben Form, die UrarArEpE vorgelegen hatte wiederholt zu überzeugen vermochte, vorhanden; denn beide Forscher haben übersehen, dass die wasserhellen, kolbenförmigen Follikel distal je in eine Anzahl feiner Fäden oder Borsten aus- laufen, und beiden Forschern ist auch ein gelber, im Centrum der 'lasche gelegener Strang von drüsigem Ansehen entgangen, welcher im Habitus auffallend an die ähnlich gefärbten Drüsenknöpfe der Polyodontes-Spinndrüsen erinnert‘). Besser beobachtet und auch mit Rücksicht auf ihre Beziehungen richtiger beurtheilt hat CLararepeE®) die den vorhergehenden überaus nahestehenden Drüsentaschen des zur selben Familie wie Polydora gehörigen Spio Bombya.") Gleich in dem die Beschreibung der neuen Species einleitenden Abschnitte betont er, im Gegensatze zur früheren Gleichgiltigkeit, das allerdings mit Unrecht als ausnahmsweise hingestellte Vorkommen dieser merkwürdigen Organe folgendermaassen: »Bien que mes observations sur cette espece aient ete faites d'une maniere tres-cursive, et presentent de grandes lacunes, je ne pense pas devoir les passer sous silence. En effet, les filieres que je deerirai tout a l’heure, sont des organes trop exceptionnels pour ne pas meriter d’attirer attention des naturalistes.« Und aus der weiterhin folgenden Schilderung der fraglichen Organe ersehen wir, dass UtAPAREDE durch letztere nicht nur an die Drüsentaschen der Polydora, sondern auch an die gelben Stränge des Polyodontes erinnert wurde. Die betreffende Stelle lautet: a) Taf. 37. Fig. 21. 1) CrAPARkDE, E., Les Annelides Chetopodes du Golfe de Naples. Supplement. Geneve et Bäle. 1870. p. 121. 21 p. 13212c. p. 26% 3) a Von 12 *) Ich hatte die Absicht, eine solche Drüse zur Abbildung zu bringen, wurde aber an dieser Absicht durch die Thatsache verhindert, dass die früher so gemeine Polydora Agassizil in den letzten Jahren sich nicht mehr auf- finden liess. Meine seiner Zeit angefertigten Skizzen sind zwar, was die oben erwähnten von JacoBY und ÜLAPAREDE übersehenen Bildungen betrifft, correet, aber doch nicht exact genug ausgeführt, um uneontrolirt eine Wiederrabe zu gestatten, 336 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. »Du 5"° au 11° segment setigere, on trouve a la base de chaque pied. une vaste poche, comparable a celle des Polydores, mais a contenu bien different. En effet, en outre d’une masse celluleuse, je vois dans chaque poche un &cheveau de soies chitineuses, tenues et @lastiques. Leur diametre n’est que de 3 mier, Lorsque ces soies sont peu longues l’&cheveau trouve a se loger dans linterieur de la poche, en de- erivant seulement quelques sinuosites. Atteignent-elles une plus grande longueur, l’echeveau se recourbe de maniere a former une ou plusieurs boucles. Je ne saurais formuler aueune hypothese sur les fonetions de ces singuliers organes qui doivent evidemment etre rapproches des echeveaux soyeux que jai deerits ailleurs chez le Polyodontes mazillosus. /,u den Spinndrüsen rechne ich ferner die sogenannten schlauchförmigen Drüsen ‘) der Owenia fusiformis“). Auch diese Gebilde sind erst durch Crararepe's!) Untersuchungen genauer bekannt geworden; er schildert sie wie folgt: »Les Owenia possedent des glandes assez partieulieres dont la fonetion est de seereter le tube. Derne Ciase les a deja connues et figurees. Il en represente une seule paire s’etendant a travers plusieurs seg- ments. M. Körriker, le seul qui paraisse les avoir revues depuis lors, en attribue une paire a chaque seg- ment. Pour l'espece de Naples tout au moins, la verite est entre ces deux extremes. Elle en possede quatre paires de longueur tres-inegale. La premiere s’ouvre aupres des soies capillaires ventrales du premieı segment, et son extremite s’etend jusqu’ a larriere du second segment. La seconde s’ouvre aux soies ca- pillaires ventrales du second segment et s’etend, en arriere, jusqu’au meme point que la premiere paire. Elle est, par conscquent, bien plus courte qu’elle La troisieme paire est de toutes la plus longue, elle s’etend dans toute la longueur du troisieme segment et s’ouvre aupres de l’extr@mite dorsale du premier tore unei- nigere. Enfin la quatrieme est fort courte et s'ouvre au second tore uncinigere. Les segments suivants en sont depourvus. Toutes ces glandes sont des tubes eylindriques, large de 0,""17, formees par une membrane homo- gene, tapissce d’epithelium. Les cellules de l’epithelium sont depourvues d’enveloppe et formees par un protoplasma rempli de granules spheriques mesurant 2mier en diametre. Leur nueleus (13 mier) vesicu- laire est parfaitement incolore et depourvu de nucleole. Le calibre du tube est occupe par une substance filamenteuse ressemblant a s’y meprendre a des faisceaux de zoospermes. Toutefois, a la rupture de la glande, on reconnait quil s’agit d’un liquide fort dense, coulant avee diffieulte, et dans lequel des stries sont produites sans doute par les differentes couches du Iiquide seerete.« Durch v. Drascne’) wurden die topographischen Angaben Crararrpe's dahin corigirt, dass nicht 4 sondern 6 Drüsenpaare vorhanden seien, wovon 2 Paare dem Thorax und 4 dem Abdomen angehörten. Ueber die Structur dieser Drüsen und die Natur ihres Secretes schreibt sodann derselbe Autor: »Die Wandungen derselben bestehen von aussen nach innen aus einer feinen Membran, welche zahlreiche, der Länge der Drüse parallel liegende feine Muskeln vereinigt. Auf den Querschnitten erscheint diese Membran perlschnurartig. Nach innen folgt das Epithel der Drüse, das aus kubischen grossen Zellen mit sehr grossen runden Kernen gebildet wird. Von der Fläche gesehen hat das Epithel sechseckige Be- a) Taf. 37. Fig. 19. 20. Fl. p.r 8. c5.p.2449. 2) Drasene, R. v. Beiträge zur feineren Anatomie der Polychaeten. II. Owenia filformis D. Ch. Wien 1855. p- IT. und. 19! *) Owenia fusiformis ist eine von DEnıE CmtasE aufgestellte Art, welehe CrArAripr in seinen »Annelides Chetopodes de Naples p. 446« irrthümlich als Owenia filiformis Dee CnrsE aufführte. Später sah CLArArEDE seinen Irrthum ein und corrigirte denselben in einer Anmerkung der »Recherches sur la Structure des Annelides Sedentaires p. Sd«. Da aber letzteres Werk als vorwiegend histologisches dem Systematiker weniger in die Hände kommt, so benutze ich diese sich mir darbietende Gelegenheit, um zur Wiederherstellung des richtigen Namens beizutragen, I. Haut. 2.Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula, 337 grenzung. Dort, wo die Drüse durch das Hypoderm nach aussen mündet, wird sie von einer feinen Ring- muskulatur bedeckt; ıhr Inneres findet man stets von einer wasserhellen, fadenziehenden Substanz erfüllt, welche CULararkpE gut abbildet. Diese Substanz färbt sich intensiv dureh Methyleriün. Hierzu habe ich zu bemerken, dass meinen Erfahrungen nach das Secret fraglicher Drüsen weder eine fadenziehende Substanz, noch eine vermöge des Wechsels ihrer Dichtig- keit Streifensysteme vorspiegelnde Flüssigkeit darstellt, dass im Gegentheil dieses Secret, ähn- lich wie dasjenige von Polydora und von Spio, in Form sehr dünner Fäden zur Abscheidung gelangt. Allerdings sind speciell hier die Fäden von auffallend klebriger Beschaffenheit, so dass beim Präpariren leicht der Anschein entstehen kann, als ob man es mit einer zwar fadenziehenden, aber im Grunde doch homogenen Masse zu thun hätte; dieser Anschein ist aber ein trügerischer; denn sowohl an frischen, als auch an conservirten Organen lassen sich die Fibrillen jederzeit schon in situ nachweisen. Hierher gehören wahrscheinlich auch die von Crararene als »glandes r6öpugnatoires« beschriebenen Drüsen von Aricia foetida. In seinen »Annclides Chetopodes« sagt genannter Forscher"), dass diese Drüsen an jedem neuralen Parapodium des Hinterkörpers vorkämen:; in seinen »Annelides Sedentaires« dagegen lässt er?) sie auf den Thorax beschränkt sem. Im Hinblick auf unser Thema muss überdies der Inhalt dieser Drüsen noch genauer untersucht werden, da sich ULAPAREDE nur vermuthungsweise über denselben geäussert hat. Dass die Drüsen der zuletzt besprochenen Gattungen, insbesondere diejenigen von Po- Iydora, Spio und Owenia im morphologischen Sinne denjenigen des Polyodontes als gleich- werthig erachtet werden müssen, kann als feststehend betrachtet werden; zeigen sie doch im lagerungsverhältnisse, vor Allem in ihren Beziehungen zu den Parapodien, sowie auch hin- sichtlich der Form, in welcher das Secret zur Ausscheidung gelangt, die auffallendste Ueber- einstimmung, und diese Uebereinstimmung erstreckt sich auch auf die Function; denn, wenn es selbst dahingestellt bleiben mag, ob die Spinndrüsen der genannten drei Formen, ähnlich wie aller Wahrscheinlichkeit nach diejenigen von Polyodontes, Gespinnste zu aggressiven Zwecken (Fangnetze) liefern, so kann doch darüber wenigstens kein Zweifel walten, dass sie zur Ver- fertigung von Röhren dienen. Die im Sande lebende Owenia wird constant in compacten (das heisst durch angeklebte Erdpartikel verstärkten) Röhren angetroffen und die im Schlamme lebenden Spio und Polydora pflegen, sobald man ihnen den Schlamm entzieht, sich mit hya- linen Röhren zu umgeben. In einem Punkte hört nun aber die Uebereinstimmung auf, nämlich im chemischen Verhalten. Die fadigen Secrete von Polydora, Spio und Owenia sind zwar, wie die cuti- cularen Bildungen überhaupt, immer noch von grosser Resistenz, aber diese Resistenz er- reicht nicht mehr jenen den ähnlichen Secreten von Polyodontes und Aphrodita zukommen- den Grad, indem die betreffenden Fäden, ähnlich wie diejenigen der Cutieula, durch Kalilauge zur Lösung gebracht werden. Solcher Wechsel des chemischen Verhaltens ist aber DElSpE 8.2e: pP: 308. 2) 1. p. 308. ec. p. 137. Zoo]. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 13 338 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. gerade für unseren weiter zielenden Vergleich zwischen den fadigen Producten der Borsten- drüsen (Borsten), der Spinndrüsen (Fangnetze, Wohnröhren) und der Hypodermis (Cuticulae) überaus instructiv, indem er das in chemischer Hinsicht contrastirende Verhalten der End- glieder vermitteln hilft. Ausser den im Vorhergehenden betrachteten Formen sind noch einige andere durch im Bereiche der Parapodien gelegene Drüsen ausgezeichnet; aber diese letzteren lassen sich nicht mehr ohne Weiteres mit typischen Borstendrüsen in Zusammenhang bringen. Es gehören hierher vor Allem die bei vielen Nereiden‘) vorkommenden, sogenannten gewundenen Schläuche, knäuelförmig untereinander verwickelte Drüsen, welche bald an der Ruderwandung, bald an den Lippen und Zungen der fortsatzreichen Parapodien nach aussen münden. I\ Die ersten Mittheilungen über diese Organe hat Rare geliefert; er') beschrieb sie von Nereis pulsatoria zunächst als Hoden. In der bald darauf folgenden Bearbeitung von Nereis Dumerili kam er”) aber von dieser Ansicht zurück, da er die Drüsennatur der frag- lichen Körper erkannt hatte. Ke£rerstein®), dem ähnliche Schläuche bei Nereis agilis begegneten, neigte wiederum zur ursprünglichen Auffassung Rarnke's hin, indem er ihre Beziehungen zu Geschlechtstheilen für sehr wahrscheinlich hielt. Dem gegenüber betonte aber CLAPAREDE') das weit verbreitete Vorkommen der Schläuche, ihr Auftreten in beiden Geschlechtern und in Larven, sowie ihren aus Stäbchen und Fäden bestehenden Inhalt, der auffallend an die Stäbchenzellen oder Nesselorgane erinnere. Vollends entschieden wurde aber die Frage erst durch Enters’). Letzterer studirte die Rarnuke'schen Schläuche an Nereis cultrifera und N. limbata und fand ihnen. ähnliche Gebilde auch in einzelnen Partien der Haut, so dass ihr Charakter als Drüsen, und zwar als Haut- drüsen ihm nicht lange zweifelhaft blieb. Er erkannte aber auch das eigenthümliche Secret dieser Drüsen sowie dessen Function, und die nachfolgende Stelle aus des Autors Beschreibung spricht für sich selbst beredt genug dafür, in wie hohem Maasse die Nereis-Organe mit in den Kreis der hier in Betracht kommenden Bildungen hineingehören. Die betreffende Stelle lautet folgendermaassen: »Das Secret dieser Drüsen wird offenbar durch die Porencanäle der Chitinhaut nach aussen ent- leert: ich sah es an lebenden Thieren in Form feiner Fäden, welche in der Mitte knotig verdickt waren, aus der Chitinhaut hervorquellen, welche die Drüsen des Ruders bedeckt, und erkannte deutlich, wie über den Drüsen die Haut von den Porenkanälen durchbrochen war; und auch bei Thieren, welche in Weingeist a, Taf. 37. Fig. 16. 1) Raıuke, H. De Bopyro et Nereide. Riga und Dorpat 1837. p. Al. 2) — Beiträge zur Fauna Norwegens. Nova Acta Leop. Car. Vol. 20. 1843. p. 164. a) la p. Arc.p. 198: 2) 1 p. Arse: pa 52% 5) 1. p. 307. c. p. 466. G I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 339 aufbewahrt waren, fand ich an den gleichen Stellen dasselbe, nur etwas trüber aussehende Secret als eine fadenförmige, durcheinandergewirrte Masse. Da die Fäden dieses Secretes dem Gewebe sehr ähnlich sind, aus dem die Röhren bestehen, welche diese Würmer sich bauen, so kann man diese Ilautdrüsen ihrer Function nach wohl am besten als Spinndrüsen bezeichnen; und die über eine so grosse Strecke der Körperoberfläche ausgebreitete Drüsenmasse wird auch nach allen Seiten hin das Material für die zu bauende Röhre lıefern.« Zu einer ganz übereinstimmenden Auffassung kam endlich Schröper') an Nereis diver- sicolor,; denn auch er sah, und zwar aus den an der Spitze der Parapodfortsätze mündenden Drüsen, ein Secret in Form eines langen, feinen Fadens treten. SCHRÖDER sagt ferner: »Solche Fäden findet man, wenn man die 'Thiere eine Zeit lang hält, über die ganze Schüssel ge- zogen. Oft haben die Würmer sich auch ganz mit Fäden umgeben, wobei sie durch letztere Mud und Sandkörner mit einander verbanden und so nun sich eine Art Röhre bereiteten.« Ganz ähnlich gewundene Schläuche wie bei Nereis finden sich auch in den Fuss- stummeln sowie in den kugligen Rückencirren von Sphaeradorum‘). Nach Crararkne’) ist ein Theil dieser Schläuche mit rundlichen Körnern, ein anderer dagegen mit Stäbchen und Fäden angefüllt. Im Hinblick auf letztere Secretform verglich denn auch genannter Autor schon die Sphaerodorum-Schläuche mit denjenigen der Nereis etc. Endlich hat ebenfalls Crararepe’) gewundene Schläuche in den Parapodien von Pnhyllodoce®) nachgewiesen, was um so interessanter ist, als hier die (blattförmig verbreiterten) Cirren nicht (wie bei Sphaerodorum) Schläuche, sondern einfache Stäbchenzellen enthalten und \ J 9 so die Verwandtschaft aller dieser geformten Secrete auffällig demonstriren. Ich gehe nun zur Besprechung solcher Drüsen über, welche zwar noch tief in die Leibeshöhle hineingerückt erscheinen, aber doch insofern von den bisher in’s Auge gefassten abweichen, als sie sich weder segmentweise wiederholen, noch Beziehungen zu den Parapodien aufweisen, welche ferner, vermöge der Form ihres Secretes, zwischen den Stäbchen der Hautdrüsen und den Fäden der Spinndrüsen ebenso wie die vorhergehenden eine Vermittelung anbahnen. Hierher gehören zunächst die Drüsenkolben oder Schlunddrüsen des Hydrophanes Krohnäi®). ÜLAPAREDEN), dem wir auch die Entdeckung dieser Gebilde zu verdanken haben, hat sie folgendermaassen beschrieben: »Une des partieularites les plus remarquables de ce ver, c'est l’existence de quatre larges boyaux glandulaires qui s’etendent du segment buceal, jusque dans le 4”"° segment. Ces boyaux sont renfles en arriere et s’ouvrent sans doute ä lexterieur au segment buccal, par des pores que je n’ai su deeouvrir, ä moins que les poches exsertiles, deerites plus haut, ne jouent le röle de pores exereteurs. Ües boyaux sont revetus d’une epaisse membrane et renferment, dans leur cul-de-sac, une substance homogene; mais le con- tenu de la plus grande partie de Jorgane est forme par une masse striee, que jai prise, au premier abord, pour une agglomeration de zoospermes. L’existence de ces quatres boyaux, que je tenais pour des spermatophores, semblait done favorable a l’hypothese de M. Gruss, qui fait des Hydrophanes les mäles des Lopadorhynehus. a) Rats 37r.Bıa, 17. b)e Tata. Bigr 18: e), Tatssana Kig. 15. Inl2 p2822.2.c0 p> 10. 2). sp. Ace. 7:00. Sl p- Acer p. DA. A)rl.p: 335. ce. p. 102. - 43* 340 b. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Toutefois, V’examen de ces organes A un fort grossissement, me montra bientöt que les zoospermes supposes ne sont que des hätonnets Iineaires, epais et rigides, tres-semblables a ceux des follieules bacillipares d’autres Annehides, seulement de taille relativement colossale. Leur longueur est en effet de 22 a 5hmier, Les quatre boyaux sont des follicules bacillipares gigantesques. Il ne manque d’ailleurs pas chez les 77y- drophanes de follieules baecillipares mieroscopiques. On les trouve repandus dans le tissu de la trompe, ou, groupes en general deux a deux, ıls viennent s'ouvrir A Vextremite de papilles coniques, semees sur tout le bord de cet organe. Les bätonnets n’ont, il est vrai, plus icı qu’une longueur de 5 a 7mie, Entre ces follieules bacillipares, sont semes d’autres boyaux follieulaires a contenu granuleux.« Durch Kremengere') wurde die vorstehende Beschreibung CrArarkneEs dahin comigirt, dass erstens die Drüsen nicht in der Vier- sondern in der Dreizahl vorhanden sind, und dass zweitens sie nicht nach aussen, sondern in den Schlund münden. Aus desselben Autors”) ausführlicher Arbeit über denselben Gegenstand erfahren wir feiner die für uns wichtige '[Thatsache, dass sich die Drüsen aus Fortsätzen des bleibenden Schlundes, also aus ectodermalen Anlagen entwickeln. Hierher gehört ferner, aller Wahrscheinlichkeit nach, eine aus ganz ähnlichen Follikeln zusammengesetzte, sich in die Mundhöhle öffnende Drüse der Typhloscoleciden. LAnGerHans®), in dessen Beschreibung der Acicularia (T'yphloscolew) ich allein den auch von mir wahrgenommenen Stäbcheninhalt dieser Drüsen betont finde, bemerkt über dieselben: »Die Lippen sind vorstülpbar; mit ihnen eine kegelförmige Zunge, die an der Rückenwand des Munddarmes legt. Auf der Oberfläche dieser offenbar aggressiven Zwecken dienenden Zunge mündet eine Gruppe von Stäbehendrüsen, welche in einem besonderen Sack im Mundsesment über dem Darm sich befinden.« Ich glaube, dass in der That diesen Drüsen, und zwar sowohl denjenigen von Typkloscolex, als auch denjenigen von Hydrophanes eine aggressive Rolle beschieden ist; einerlei ob nun das fadige oder stabförmige Secret blos durch die allen diesen Ausscheidungsproducten eigenthüm- liche Klebrigkeit, oder aber durch Herstellung förmlicher Netze beim Einfangen der Bente zur Geltung kommt, wobei natürlich auch seine Verwendung zur Vertheidigung nicht ausge- schlossen: ist. Im Hinblicke auf die ein stab- oder fadenförmiges Secret ausscheidenden Schlunddrüsen (les Hydrophanes und Tiyphloscolew ist es von nicht geringem Interesse, dass die Rüsselpapillen der nahe verwandten Phyllodociden mit zahlreichen Stäbchen angefüllt sein können. CLararkpe') hat einen solchen Eall bei seiner Eulalia velifera beschrieben. Es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass diesen in dem mächtigen Greiforgane von Eulalia zerstreut liegenden Stäbchen‘) eine ähnlich aggressive Rolle zukommt wie den in den Schlunddrüsen von Hydrophanes ete. angesammelten Secretmassen. a)‘ Taf. 37. Fig. 2. l) KreisenBeRG, N. Sull’ Origine del Sistema Nervoso Centrale degli Anellidi. Atti Accad. Lincei Anno 278. 1880/81 p. 7. 2) 1.2P2803.7.0:-,p2 1158: 3) LaxGermans, P. Ueber Acieularia Virchowü, eine neue Annelidenform. Mon. Ber. Akad. Berlin. 7 12 Pe 72:08 I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 341 Die Typhloscoleciden sind noch durch eine andere Kategorie von Secreten ausgezeichnet, deren Besprechung hier anzureihen ganz im Entwickelungsgange unseres Problems liegt: ich meine jene von den meisten Autoren missverstandenen borsten- und reusenförmigen Stab- oder Fadensecrete der Cirren oder Elytren.?) Wasser!) hielt sie für Nervenstäbchen. LANGERHANS*) spricht von eigenthümlichen Gruppen von Stäbchenfollikeln, welche wie zusammengesetzte Augen aussehen. Ursanın®), der die hierhergehörigen Gebilde sehr eingehend untersuchte, der insbeson- dere erkannte, dass sie in zwei stark von einander abweichenden Formen, nämlich als fächer- artig ausstrahlende und als eylindrisch geschlossene Fadenbündel auftreten, kam zu keinerlei Vorstellung über deren Bedeutung. Er verlegt zwar deren Beschreibung in das Kapitel »Ner- vensystem und Sinnesorgane«, versäumt aber nicht, etwaigen Folgerungen aus dieser Einordnung durch die folgenden Sätze vorzubeugen: »D’autres organes de fonction bien douteuse et que je deeris dans ce chapitre, eonsacre aux organes des sens seulement, parce que je ne sais oüı les classer autre part, se trouvent dans les @lytres des Sagitelles.« Ferner: »Je me borne seulement a deerire ces filaments, quon serait tente, si l’on ne connaissait pas les spermatozoides des Sagitelles, de considerer comme tels. Dans l’etat actuel des nos eonnaissances, je ne trouve pas possible möme de hasarder quelque eonjeeture sur le röle que jouent ces organes Enigmatiques dans l’&conomie des Sagitelles.« Auf einer richtigen Fährte in der Beurtheilung der uns beschäftigenden Fadenaggregate treffen wir allein Greerr. Schon in seiner ersten Mittheilung') über den Gegenstand spricht dieser Autor von Haftapparaten und in der folgenden Abhandlung’) kommt er, nach aus- führlicher Beschreibung des Vorkommens und der Zusammensetzung der betreffenden Gebilde, sowie nach Widerlegung ihrer Auffassung als Sinnesorgane, zu folgendem Schlusse: »So könnte man sie noch immer für Sinnesorgane halten; prüft man aber genauer, so bemerkt man, dass die einzelnen Stäbchen hier und dort über die Scheibe hinaus und oft ganz aus ihrem Bündel nach aussen hervortreten. Sie erweisen sich dann als langgestreckte, anscheinend durchaus hyaline, biegsame, eylindrische Stäbehen, die mit ihrem inneren Ende in einem kleinen gestielten Becherchen sitzen und durch dieses noch auf der Scheibe zurückgehalten werden, indem der Stiel des Becherchens als feiner Faden in das Innere des gemeinsamen Follikels eintaucht. Die Ursache des Hervortretens der Stäbchen beruht auf einer anderen sehr auffallenden Erscheinung, die uns zu gleicher Zeit über die Function der sonderbaren Organe Auf- schluss zu geben vermag. Zuweilen sieht man nämlich eine ganze Stäbchenscheibe oder zu gleicher Zeit mehrere einem anderen Gegenstande, sogar der glatten Glasfläche des Objeetträgers oder Deckglases, einer a) Taf. 37. Fig. 12—14. 1) WaGner, N. Nouveau groupe d’Annelides. Trav. Soc. Natural. St. Petersbourg. Tome 3. p. 344. (ide UJLAnın.) Alp. 3A0. c. p. 128. 3) U. pa 320) er p. 17 4) GREEFF, R. Aeieularia Virchowü LANGERH. 51. Vers. deutsch. Naturf. u. Aerzte in Cassel. Tageblatt Nr.=3.p. 51. 5) — Ueber pelagische Anneliden von der Küste der canarischen Inseln: Aeieularia Virchowü LANGERH. Zeit. Wiss. 2. 32. Bd. ’p. 241, 349 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Saugscheibe ähnlich, angeheftet. Der ganze Follikel ist dann oft nach aussen hervorgezogen und erhebt sich blasenartig um das mit den äusseren Enden fest aufgesetzte Stäbehenbündel. — Ich glaube hiernach die fraglichen Organe zunächst als Haftapparate in Anspruch nehmen zu dürfen; die Stäbehen selbst, namentlich ihre äusseren Enden sind offenbar von klebriger Beschaffenheit, wodurch die Anheftung der äusseren Scheibe unterstützt, wenn nicht allein bewirkt wird. Durch diese Klebrigkeit wird auch andererseits wohl das oben erwähnte Hervortreten der einzelnen Stäbchen nach aussen hervor- gerufen. Zum Theile indessen mag auch durch inneren muskulären Druck auf den Follikel das Austreten der Stäbchen erfolgen, ich sah dieselben häufig ohne eine sichtbare äussere Veranlassung, d. h. ohne dass sie anscheinend durch Ankleben hervorgezogen worden wären, plötzlich aus dem Follikel hervorschnellen. Ob diese Organe zu gleicher Zeit auch Nesselorgane sind, was mir nach dem Obigen wohl wahrscheinlich ist, lässt sich zunächst schwer entscheiden.« Später freilich wurde GrEEFF!) durch das Studium conservirten Materials dazu bewogen, ddas Präcise seiner ursprünglichen Deutung durch folgendes Zugeständniss wieder abzuschwächen: »Auf Grund meiner früheren Beobachtungen habe ich sie mit Bestimmtheit für nesselartige Haft- organe erklärt, da ich eine darauf hinweisende 'Thätigkeit bei den lebenden 'Thieren wahrnahm, und im Rückblick hierauf wüsste ich den sonderbaren Gebilden auch jetzt noch keine bessere Deutung zu geben. Doch halte ich auch immerhin für möglich, dass sie Sinnesorgane darstellen, namentlich unter Berücksich- tigung des von mir in den Cirren aufgefundenen ausserordentlichen Nervenreichthums« ete. Würden die Stäbchen- und Fadenbündel des T'yphloscolew ausschliesslich in der flächenhaft borsten- oder fächerförmigen Form auftreten, oder würde auch selbst nur die zweite mehr ge- schlossene Form zu einer weniger regelmässigen Anordnung neigen, insbesondere nicht so scharf abgeschnittene Flächen aufweisen, so wäre es Niemanden eingefallen, sie für Sinnes- organe zu halten. Zu dieser Ideenassociation hat allein die 'Thatsache geführt, dass durch die erwähnte regelmässige Anordnung der Stäbchen oder Fäden ein an Facettenaugen er- innerndes Ansehen entsteht. Diese regelmässige Anordnung (welche übrigens nur bezüglich der scharf abgeschnittenen Endflächen der Fäden vereinzelt dasteht, indem die meisten Faden- secrete im Uebrigen ähnlich regelmässig angeordnet zu sein pflegen) findet nun aber ihre zu- reichende Erklärung in Grerrrs ursprünglicher Deutung der fraglichen Gebilde als Haft- apparate. Ich schliesse mich dieser Deutung durchaus an, freilich nicht in dem Sinne, dass ich an Apparate zum Festkleben ihrer (pelagisch lebenden, '[räger, sondern an solche zum Festkleben von Beute denke. Während das Secret der Spinndrüsen, insofern letztere als Fang- apparate in Betracht kommen, von den zugehörigen 'Ihieren entleert wird, bleibt eben dieser Auffassung gemäss das entsprechende Secret des Zyphloscolee im Körper eingeschlossen, um nur je an der Mündung der betreffenden Drüsen, respective im Bereiche derselben zum Fest- kitten von Beute bereit zu liegen. Mit dieser zweiten Kategorie von Fadensecreten des Zyphloscolew sind wir wieder zu Producten der IHypodermis zurückgekehrt; denn alle Autoren stimmen darin überein, dass die betreffenden Stäbchen- und Fadenbündel je in einzelnen Zellen zur Entwickelung gelangen, sowie dass das durch letztere Zellen zusammengesetzte Cirrus-Gewebe der Hypodermis zuzu- rechnen sei. Wie aber dem auch sein mag, zur Vermittelung der Rückkehr zu unserem Ausgangspunkte, den Stäbchen der Hypodermis, steht uns ein noch viel eclatan- I) Greene, R. TZypAhloseolexe Müller W. Busen. Nachtrag ete. Zeit. Wiss. Z. 32. Bd. p. 668, I. Haut. 1. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 343 teres Objeet zu Gebote: nämlich Chaetopteriden, welche in unzweifelhaften Hy- podermzellen sowohl an die Secrete der Borsten- und Spinndrüsen erinnernde Fäden, als auch einfache Stäbchen zu secerniren vermögen. Es sind die oft eitirten »Annelides Chetopodes du Golfe de Naples«, in welchen auch diese Fälle registrirt stehen. Von den Stab- und Fadensecreten des Phyllochaetopterus socialis®) zunächst macht UrAPAReDE') folgende Angaben: »Les tissus de cette Annclide, comme en general de tous les Chetopteriens que j’ai etudies, sont d’une delicatesse extreme, et, malgre l’emploi de divers rcactifs, je ne suis pas amve a en faire une etude satis- faisante. Toute lextremite anterieure de Vanimal (segment buceal et tentacules) jouit de la propriete, lorsquw'on Virrite, d’emettre une multitude de tres-longs filaments aussi tenus que des cils vibratiles, et legere- ment ondules. Je n’ai jamais surpris ces filaments in situ, ni assist6 direetement a leur mission. ‚'melinais meme dans llorigine a penser que cette foret de filaments, surgissant au bout de peu de temps autour de Vextrömite anterieure de lanimal examine est le resultat de la eoagulation d'un mueus seerete par la region anterieure. Toutefois cette opinion a e@de devant Vexamen du Ph. fallax, ou, comme nous le verrons, ces filaments sont plus gros et plus facıles a etudier. Des follicules glandulaires, bacillipares et non bacillipares, sont repandus un peu partout dans lanı- mal: ainsi un groupe de follieules spheriques a la base de la rame superieure dans la region posterieure; ainsı encore des follieules eylindriques, beaucoup plus petits, dans la paroi interne et cilice de tentacules, bien plus epaisse que lexterne«, etc. Und weiterhin von denjenigen des Phyllochaetopterus fallas’): »Chez cette espece, comme chez les preeedentes, la partie anterieure du corps, surtout le lobe eepha- lique et le segment buccal, dechargent pendant la manipulation des miliers de filaments. Ces elements sont beaucoup plus gros que chez le Ph. socialis, et il est facile de siassurer quil ne Sagit pas seulement de stries dans un mueus coagul6, car on peut les isoler facilement. Leur longueur varie de 0"", 11 a 0.19. Le diametre moyen est de 0"", 0011, mais une des extr&mites est toujours un peu renflce, Yautre au con- traire tres tenue. Ces fils gisent &pars en tous sens autour de l’animal, formant des anses et des bouceles. L’extremite renflee parait etre la derniere a sortir de la peau. Il ne faut pas les eonfondre avec les follieules fusiformes dissemines ca et la dans le tissu des tentacules. Ces follieules sont en effet simplement bacıllipares.« Und endlich von denjenigen der Ranziana sagittaria'): »Les tissus de la Ranzania sagittaria renferment un grand nombre de follieules bacillipares et pre- sentent comme ceux de tant d’autres Chetopteriens la partieularit@ de decharger une foule de filaments con- tournes des que Vanımal est irrite.« Dieses gleichzeitige Vorkommen von Stäbchen und Fäden in unzweifel- haften, gleichwerthigen Hypodermzellen hätte vielleicht für sich allein schon ge- nügen können, die zweite der in diesem Kapitel gestellten Hauptfragen, nämlich die, ob sich für meine Erklärung der fibrillären Zusammensetzung der Cuticula auch bei anderen Anneliden Anhaltspunkte finden lassen, zu bejahen. Aber, nicht umsonst habe ich vermieden, direct auf dieses Ziel loszuschiessen. Erscheint doch der durch die Chaetopteriden repräsentirte Fall von ganz anders überzeugender Kraft, nachdem wir zu- al Taf.) 37. Big. 10. IT. 1) 1. p. 8. c. p. 349. 2)AIN Pr SINE pe 392: 3.1. pr, 330. 20. pr128. 2344 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. vor erfahren haben, dass ähnlich fibrilläre Gebilde, wie die Cuticula, nämlich die Membranen von Wohnröhren, Schutzdecken und Fangnetzen, sowie die Borsten nachweislich durch solche in Drüsenzellen entstehende Fäden gebildet werden. Und, wenn auch die Heranziehung dieser Producte von Borsten- und Spinndrüsen in erster linie im Interesse der Beantwortung unserer Hauptfrage geschah, so wird doch dem Leser nicht lange entgangen sein, wie dadurch zugleich unverkennbare Beziehungen zwischen diesen scheinbar so verschiedenen Bildungen angebahnt wurden, Beziehungen von viel grösserer Tragweite als jene ursprünglich allein in's Auge gefassten: nämlich die morphologische Einheit aller dieser Drüsen und somit auch die- jenige aller ihrer Secrete. Dieser meiner Ueberzeugung, dass die Fadensecrete der Borstendrüsen (Borsten), der Spinndrüsen (Fangnetze, Wehrnetze, schützende Decken, Wohnröhren) und Hypodermis (Cuticulae) genetisch verwandte oder, wenn man will, homologe Gebilde darstellen, Ausdruck zu verleihen bot sich schon bei Schil- derung der entsprechenden Organisationsverhältnisse des Polyodontes und der Aphrodita Veran- lassung und dort habe ich auch in Aussicht gestellt, dass die einem solchen Vergleiche im Wege stehenden Schwierigkeiten weiterhin erwogen werden sollten. Als solche Schwierig- keiten wurden aber hervorgehoben: erstens, die Divergenz des chemischen Verhaltens der Cuticula einer- und der Borsten etc. andererseits, und zweitens, der nahe- liegende Einwurf, dass wir es im einen Falle mit Producten des Ecetoderms und im anderen Falle mit solchen des Mesoderms zu thun hätten. Fassen wir zunächst die erstere in’s Auge. Ich könnte mich der Sache schr bequem dadurch entledigen, dass ich sie, eingedenk der heutigen morphologischen Richtung, einfach mit dem Bemerken: chemische Beschaffenheit hat Nichts mit vergleichend-anatomischen Problemen zu thun, bei Seite schöbe. Aber, wenn ich auch keineswegs mit denjenigen übereinstimme, die da glauben, je nach dem vermeintlichen Vorkommen oder Nichtvorkommen einer mehr oder weniger charakteristischen Substanz syste- matische Grenzpfähle errichten zu können, so theile ich doch andererseits ebensowenig das exclusive Verhalten vieler Morphologen, weil ich der Ansicht bin, dass bei vergleichenden Untersuchungen nicht Das oder Jenes, sondern Alles, nicht ein Stück vom Organismus, son- dern der ganze Organismus berücksichtigt werden müsse, wenn überhaupt etwas dem Orga- nismus Adäquates wieder dabei herauskommen soll, und zum Organismus gehört nun eben ein- mal auch die chemische Qualität seiner Gewebe. Von Anfang der Fünfziger bis zu Anfang der Achtziger Jahre hielt man, gestützt auf die Angaben von Schamipr') und LEUucKART?”), nicht nur die Borsten, sondern auch die Cutieulae der Anneliden für aus Chitin bestehend. Die Cuticulae, wie sich in vielen Fällen herausgestellt hat, jedenfalls mit Unrecht. Schon die in diesem Sinne negativen Resultate der I) Mitgetheilt in Grugz£, 1. p. 2. (Familie der Anneliden) e. p. 5 und 15. 2) Leverart, R. Ueber das Vorkommen und die Verbreitung des Chitins bei den wirbellosen Thieren. Arch. Naturg. Jahrg. 1852. p. 22. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 345 durch KrurEnsBerG') an der Wohnröhre von Spirographis und durch ScHmiepEBErRG*) an derjenigen von Onuphis angestellten Untersuchungen mussten Zweifel erregen, indem jene älteren Analysen sich gerade auch auf solche Röhren erstreckt hatten. Es liessen denn auch widersprechende Angaben, speciell in Bezug auf die Cuticulae, nicht mehr lange auf sich warten. So begegnen wir in der Arbeit von Mau?) über Scoloplos folgenden Sätzen: »Gegen die gewöhnlichen äusseren Einflüsse scheint die Cutieula also widerstandsfähiger zu sein als die übrigen Gewebe. Aehnlich verhält sie sich gegen Kalilauge und coneentrirte Mineralsäuren. Sie löst sich jedoch in diesen Reagentien beim Erwärmen auf.« Ferner sagt 'Tımm'): »Die Cuticula von Phreoryetes besteht sicherlich nicht aus Chitin: sie löst sich leicht in Kalilauge.« Und von derjenigen von Nais constatirt derselbe Autor’): »Uebrigens löste sie sich bei den von mir darauf hin untersuchten Exemplaren (N. elingens) in Kalılauge.« Endlich berichtet VoieT®): »Das Verhalten gegen Kalilauge zeigt also, dass weder die Cutieula, noch die Cocons der Branehro- bdella aus echtem Chitin bestehen.« Und: »Auch beim Regenwurm erwies sich dessen Cuticula als löslich in Kalilauge. Die dünne Cutieula von Aulostomum dagegen zeigte sich unlöslich, als ich sie darauf untersuchte.« Man sieht, diese Resultate stimmen (abgesehen von Aulostomum) vollständig mit meinen im Vorhergehenden über die Cuticulae der Capitelliden, Aphroditeen, Spioniden etc. mit- getheilten Erfahrungen überein. Wenn sich aber somit jene älteren Angaben hinsichtlich der Cutieulae theilweise wenig- stens als irrthümlich erwiesen haben, so erfuhren dieselben umgekehrt eine Bestätigung, insofern sie sich auf die Borsten erstreckten. Dieselben beiden zuletzt in Betreff der Cuticula citirten Forscher, Tınm und Voigt, machen dahin zielende Angaben. Ersterer”), schreibt: »Beim Kochen mit Kalilauge quellen die Borsten (von Phreoryctes) anfangs etwas; später schruinpfen sie oder zerfasern sich. Dagegen blieben Borsten von Nais auch bei langer Einwirkung von kochender eon- centrirter Kalilauge völlig intaet.« Letzterer‘), der auf Veranlassung Semrer’s die Kiefer und, Borsten mehrerer Anne- liden-Formen auf ihr Verhalten gegen Kalilauge geprüft hat, kam zu folgenden Resultaten: »Nereis. Kiefer. Derselbe kriimmte sich von den Enden her zusammen, diese rollten sich ein. Schliesslich wurde der Kiefer farblos und zerfiel in eine feine Masse, die sich bei 275 facher Vergrösserung aus einzelnen gelblich gefärbten Tröpfehen zusammengesetzt zeigte. Borsten. Kine Anzahl der kleineren Borsten nebst einer Stützborste wurden zugleich in Kahlauge erwärmt. Die Stützborste blieb unverändert, die kleineren krümmten sich vielfach und verloren ihre scharfen Konturen, verschwanden aber nicht, sondern waren noch nach 1'/ystündiger Einwirkung der Kalı- lauge deutlich zu erkennen. 1) Krukengurg, ©. Vergleichend-Physiologische Studien. Fünfte Abtheilung p. 2. ZU SEP-E2URTCH 3) Lıp- 320. ic. p. 400. Al pnsil0.ze. p. 1113. Hop. 310. c. p. 140. 6) 1. p. 322. (Anat. Histiol. Dranchiobdella) e. p. 105. 1) LP. 310.e. »p. 118: 8) 1. p. 322. (Anat. Histiol. Branchiobdella) ce. p. 106. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 14 346 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Aphrodite. Grosse Borsten vom Rücken und kleinere von der Bauchseite des Thieres. Nach '/, Stunde zeigte sich die Kalilauge um dieselben braun gefärbt, man erkannte jetzt an den Borsten eine härtere äussere Schicht und eine weichere innere, welche an den Stellen, wo die Stacheln gebrochen waren, die einzelnen Stücke noch verband. Dieser innere Strang schrumpfte bei längerer Einwirkung der Kali- lauge langsam immer mehr zusammen, ohne dass er jedoch nach 1'/,stündigem Erwärmen verschwunden wäre. Die Gestalt der Borsten blieb erhalten, sie besassen auch zum Schluss noch braune Färbung, aber die kleineren waren sehr hell geworden. Polynoe. Kiefer. Verloren ihre Form, quollen auf und es blieb schliesslich nach I stündigem Er- wärmen eine braune, zähe, formlose Masse zurück. Borsten. Wurden farblos. Nach Istündigen Erwärmen waren sie etwa um die Hälfte verkürzt und um das Doppelte aufgequollen. Unlöslich. Elytren. Die grünliche Färbung des Spiritus-Objectes verwandelte sich in eine braune, dann hellte sich das Ganze auf und zerfiel in einzelne Stücke. Rückstand eine zähe, seifige Masse. Die Cuticularsubstanzen der Wiirmer verhalten sich also sehr verschieden gegen Kalilauge, und selbst an demselben Thier sind nicht selten einzelne Theile löslich, andere aber nicht. Auch diese Resultate stehen durchaus mit dem im Einklange, was ich im Vorher- gehenden über das Verhalten der Capitelliden-, Polyodontes- und Aphrodita-Borsten festgestellt habe; ich könnte daher einfach constatiren, dass unseren Untersuchungen zufolge wenigstens die daraufhin geprüften Annelidenborsten sich in der That wie Chitin verhalten — wenn nicht, und zwar von einer in diesen Fragen viel competenteren Seite her, diametral entgegen- gesetzte Angaben gemacht worden wären. KRrukEnBERG') behauptet nämlich von den Borsten und dem Haarfilze der Aphrodita aculeata, also demselben Objecte, das auch Voısr und mir vorgelegen hatte, Folgendes: »Da die Borsten der Chätopoden nach Lruckarr's Angabe durch ihr Verhalten gegen kaustisches Alkalı mit Chitin übereinstimmen, so versuchte ich das von mir auf der Zoologischen Station zu Triest mühsam präparirte und gereinigte Material, welches mir der Haarfilz und die Borsten der Aphrodita aculeata boten, vor ihrer weiteren Verarbeitung durch Kochen mit verdünnter Natronlauge zu reinigen. Aber es dauerte nicht lange, bis sich fast alles, was an diesen Gebilden organisch war, im der Lauge löste und nur eine wergartige Masse zurückblieb, welche fast ausschliesslich aus anorganischen Stoffen bestand. Ich bin deshalb nur in der Lage, anzugeben, dass die Haare und Borsten der Aphrodita weder aus Chitin, noch aus Tunicin bestehen, vielleicht aber aus einer keratinähnlichen Substanz, worauf ihre völlige Unverdaulich- keit in Pepsin- und Trypsinlösungen ausser ihrem Verhalten zu siedender Natronlauge hinzuweisen schemt.« Dass nach längerem Kochen der Borsten und des Haarfilzes von Aphrodita aculeata nur eine »wergartige Masse« zurückbleibt, ist vollkommen richtig; auch das, was sich mir nach sieben Stunden hindurch fortgesetztem Kochen in concentrirter Kalilauge als Residuum jener Borsten und Haare darbot, war eine »wergartige Masse«. Untersucht man aber diese Masse auch nur mit einer Lupe, so überzeugt man sich, dass sie aus nichts Anderem besteht, als aus denselben Haaren, welche ursprünglich schon den Filz zusammengesetzt hatten; sie erschei- nen nur etwas blasser. Ferner wird man gewahr, dass zwischen diesen Haaren noch alle Borsten von der dicken Acicula bis zur feinen Pfrieme herab zerstreut liegen; auch diese Borsten sind nur grösstentheils ihrer ursprünglichen Färbung verlustig gegangen und an Stelle ihrer anfäng- lichen Sprödigkeit ist eine solche Weichheit getreten, dass man sie unschwer mit der Präparir- nadel in die sie zusammensetzenden Elemente, nämlich in die auch schon an der unveränderten I) 1. p. 345. II. Reihe, Erste Abtheilung. e. p. 54. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 'b. Cuticula. 347 Acicula oder Pfrieme wahrnehmbaren Fäden zerfaseın kann. Ich habe Borsten- und Haar- filzfragmente sowohl nach Präparaten von frischen, respective von in Alcohol conservirten T'hieren, als auch nach solchen, welche die erwähnte Kalibehandlung erfahren hatten, zur Abbildung gebracht, so dass man sich ohne Weiteres davon überzeugen kann, wie kein wesent- licher Bestandtheil dieser Structuren vom letzteren Reagens angegriffen wird®). Auch sei er- wähnt, dass die Borsten beim Erhitzen auf dem Platinbleche nicht schmelzen, sondern mit Beibehaltung ihrer Form und Fadenstructur verkohlen. Wie dem gegenüber KrukExBerG finden konnte, dass sich erstens »fast Alles, was an diesen Gebilden organisch war, in der Lauge löste« (während doch umgekehrt das sich Lösende, nämlich ein Theil der Pigmente und gewisse Kittsubstanzen der Borsten, als verschwindende Bruchtheile jener Gebilde, kaum in Betracht kommen kann), und dass zweitens »nur eine werg- artige Masse zurückblieb, welche fast ausschliesslich aus anorganischen Stoffen bestand« (während doch von bemerkenswerthen anorganischen Stoffen im Laugenresiduum nur solche angetroffen werden, welche den Borsten und dem Haarfilze auch schon im frischen Zustande aufzusitzen pflegen, nämlich Schlamm- oder Sandpartikel), ist schwer zu verstehen. Ich vermuthe indessen, dass die Sache folgendermaassen zusammenhängt. Obwohl gerade KrUkENBERG durch seine Ar- beiten viel zur Einsicht beigetragen, dass den Baustoffen und Stoffwechselproducten der einzelnen Organismen eine überraschend grosse Verbreitung im 'T'hierreiche zukommt, obwohl gerade er') sich besonders scharf gegen den oben erwähnten Versuch, einseitig auf physiologisch- chemische Befunde gestützt zu classificiren, ausgesprochen hat, so verfolgt doch gewissen thierischen Substraten gegenüber auch er wieder eine mit der von ihm bekämpften durchaus übereinstimmende Tendenz. Eines dieser Substrate ist nun aber gerade das Chitin: es soll auf die Arthropoden beschränkt sein. So hat wohl unser Autor, eingenommen von seiner Association: Arthropoden-Chitin, die Untersuchung der Aphrodita-Borsten etc. nicht mit der wünschenswerthen Objectivität und Sorgfalt zu Ende geführt. Ich würde diese Sache keiner so ausführlichen Erörterung unterzogen haben, wenn ich nicht in einer neueren Publication KruURENBERG's’) folgendem Passus begegnet wäre: »Seitdem Rup. L&sucKkarr 1552 das Thierreich auf Chitin durchmustert hat, ıst das Vorkommen des Chitins auch bei Thieren aus anderen als den 4 im Arthropodentypus vereinigten Classen wiederholt be- hauptet, doch nicht einwurfsfrei bewiesen worden. Erst ganz kürzlich wurde auf elementaranalytischem Wege sowie durch Reactionen und durch das Studium der Zersetzungsproducte endgültig entschieden, dass die Rückenschulpen von Loligo vulgaris und die sogenannten Sepienknochen echtes Chitin und zwar sehr reichlich enthalten, dass sich dieses daraus leicht und absolut rein darstellen lässt. Ein gleicher Befund ergab sich weiterhin auch für Lingula anatina, in deren Schalen Hırazr 1867 seltsamerweise kein Chitin, wohl aber sog. Chondrogen nachzuweisen vermochte, während ScnumiEpsBERG 1882 richtig angab, dass die durch Salzsäure und Kalilauge gereinigte organische Substanz der Schalen von Zingula anatina keine Spur von Biuret- oder anderen Albuminoidreactionen gebe, aber alle Eigenschaften und Reactionen des Chitins a) Taf. 36. Fig. 27—36. 1) 1. p. 345. Zweite Abtheilung e. p. 61. l. p. 345. Fünfte Abtheilung e. p. 33. 2) Krukeng&rG, Ü©. Vergleichend-Physiologische Vorträge. IV. p- 200. 44° 2348 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. besitze. Nach abwechselnder Behandlung mit verdünnter kalter Salzsäure und Kalilauge hinterlassen sowohl der Stiel, als auch die Schalen von ZLingula verhältnissmässig reichliche Mengen von Chitin, welches nur in den Schalen von einem gegen Kalilauge ebenso unlöslichen Körper, wahrscheinlich von Conchiolin be- gleitet wird, während eine solche Beimengung in den Stielen vollständig fehlt. Weiteres ist über die Ver- breitung des Chitins ausserhalb des Arthropodentypus zur Zeit noch nicht ermittelt.« Es geht hieraus hervor, dass KrUKENBERG den von ihm um das Chitin gezogenen Kreis nun selbst, und zwar in erster Linie auf Grund seiner eigenen fortgesetzten Untersuchungen, zu Gunsten der Cephalopoden und Brachiopoden durchbrechen musste, dass er aber auch jetzt noch die Anneliden für ausgeschlossen hält. Obwohl es der Richtung des speciell hier angebahnten Vergleiches schnurstracks zuwiderlief, obwohl ich mich selbst dadurch gewissermaassen bekämpfte, so lag mir doch aus tieferen Gründen *) viel daran, zunächst zu zeigen, wie der von mir für eine gewisse Zahl von Anncliden festgestellte Gegensatz des chemischen Verhaltens zwischen Cutieula und Borsten auch von anderer Seite her eine Bestätigung gefunden hat. Würde nun die Lage der Dinge eine derartige sein, dass dieser so scharf hervorge- hobene Gegensatz jeder Vermittelung entbehrte, so stände es, wenigstens insoweit die chemische 3eschaffenheit in Frage kommt, mit unserem Vergleiche recht schlecht: denn auf der einen Seite hätten wir die gegen Kalilauge durchaus resistenten, aller Wahrscheinlichkeit nach aus Chitin bestehenden Borsten, und auf der anderen Seite die in genanntem Reagens löslichen und daher auch jedenfalls aus einer anderen Substanz aufgebauten Cuticulae. Aber so liegen eben die Dinge nicht. Schon in der vorhergehenden Beschreibung der uns hier beschäf- tigenden Structuren wurde zur Sprache gebracht, dass sich die Secrete der Spinndrüsen des Polyodontes (und der Aphrodita) chemisch denjenigen der Borstendrüsen durchaus identisch verhalten; dass dagegen die Secrete der Spinndrüsen von Spio, Polydora und Owenia, als in Kali lösliche Producte, sich viel mehr den Secreten der Hypodermis, nämlich den fibrillären Cutieulae anschlössen. Schon dadurch wird der erwähnte Gegensatz bedeutend abgeschwächt; aber erinnern wir uns auch noch der im Vorhergehenden bereits eitirten®), Erfahrung Vorgr's, der- zufolge die Cuticula von Aulostomum im Gegensatze zu denjenigen der Branchiobdella und des Lum- brieus in Kali unlöslich befunden wurde; erinnern wir uns auch des Schlusssatzes dieses Autors: »Die Cutienlarsubstanzen der Würmer verhalten sich also sehr verschieden gegen Kalilauge, und selbst an demselben 'T'hier sind nicht selten einzelne Theile löslich, andere aber nicht«. Von grosser Bedeutung für unsere Frage ist auch die durch Beobachtungen zahlreicher Forscher festgestellte Thatsache, dass ein und dieselbe Cuticular- oder Gerüstsubstanz je nach ihrem Alter eine verschiedengradige chemische Resistenz, also auch eine verschiedenartige chemische Beschaffenheit darbieten könne. Ich will einige Beispiele anführen: EHters") macht zu dem Satze: »Die Oberhaut besteht wohl ohne Ausnahme bei allen a) Vergl. p. 346. Nlp2 BOT apelogundeniT. - Ich habe dabei die so allgemein anerkannte Verwandtschaft zwischen den Anneliden und den Chitin- thieren »par excellence«, den Arthropoden, im Auge. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden.. b. Cutieula. 349 borstentragenden Anneliden aus einer Substanz, welche zu den Chitinbildungen gehört«, fol- gende Anmerkung: »Unsere Kenntniss dieser Gruppe von Geweben ist noch so unvollkommen, dass eine Sonderune in einzelne Gewebsformen, die sich auf morphologische und chemische Eigenthümlichkeiten stützt, zur Zeit sich noch nicht ausführen lässt. Die Entscheidung, ob zumal membranöse Gebilde aus Chitin bestehen oder nicht, fällt man jetzt meistens nach dem Schichtenbau und der Widerstandsfähigkeit gegen Alkalien. Beides sind Kennzeichen von ungenügendem Werthe; so werden jüngere Schichten einer Chitineutieula nicht selten von kochenden Alkalien angegriffen, während die älteren oberen völlig widerstehen. Ich vermuthe, dass bei allen Würmern die Oberhaut von demselben Gewebe gebildet wird, das zum Kreise des Chitins sehörg ist, wenn es auch chemisch davon abweicht«. (QQuarREFAGES'), von der Entwickelung der Borsten redend, bemerkt: »Quand une de celles-ci doit se developper, il se forme un petit mamelon, d’abord irregulier, mais dont l’extremite se faconne bientöt de maniere a montrer la forme caracterıstique de lextremite de la future sole, sans en posseder encore la composition chimique et la resistance aux agents dissolvants.ı Ferner GEGENBAUR?) in seinen Grundzügen der vergleichenden Anatomie: »Die, wie es scheint, überall da wo Bewimperung fehlt, vorkommende Cutieularschicht zeigt in ihrem Verhalten sehr verschiedene Zustände. Wo sie nur dünne Lagen bildet, ist sie gegen Alkalien meist empfindlicher als dies für das ächte »Chitin« sich trifft. Wo sie in mächtigen Lagen auftritt, verhalten sich die einzelnen Schichten derart verschieden, dass die tieferen weniger, die oberflächlichen mehr die chemischen Eigenthümlichkeiten des Chitin wahrnehmen lassen. Jedenfalls liegt hier eine dem Chitin zwar verwandte, aber nieht überall mit ihm völlig identische Substanz vor, die am meisten mit der tiefsten Schichte des Chitinskelets der Arthroproden übereinkommen dürfte.« Sodann Perrier’) bezüglich der Borsten von Urochaeta: »Tant qu’elles sont jeunes, lacıde acetique faible gonfle leur portion basilaire incolore, nouvellement seeretee, comme cela a hieu pour les soies des Lombries. La partie voisine de Vextremite externe demeure inalteree. .... Le fait nen a pas moins une certaine importance, puisquwil indique un changement dans les proprietes de la substance eonstitutive des soies, a mesure que celles-ci s’eloignent de l’epoque ou elles ont te seeretees.« Einen besonderen Werth lege ich auf die von Levvıs') vor mehr als drei Decennien in seiner Abhandlung über die Räderthiere gemachten Angaben, weil sie zeigen, wie je nach der Lebensweise die chemische Resistenz der Cutieulae verschiedener Arten oder Gattungen Schwankungen unterliegen kann. Die betreffende Stelle lautet: »Wie bereits nach dem optischen Aussehen ein ziemlicher Unterschied in der Stärke, Dicke und Festigkeit der Cutieula herrscht, so ıst es auch mit der Resistenz gegen kaustisches Kali. In den einen Arten, so 2. B. Dinocharis, Noteus, Anuraea, Brachionus, erscheint die Cuticula in ganzer oder nur theil- weiser Ausdehnung als feste, panzerartige Haut, und dann wird sie, selbst nach mehrtägigem Maceriren in Kalilauge, von diesem Reagens nicht angegriffen; in anderen Arten hingegen, wo sie an sich viel dünner und nachgiebiger ist, erblasst sie, ohne sich aber zu lösen; solches ist der Fall z. B. bei Notommata myrmeleo, Notommata Steboldü; sie wird aber in Kalilauge vollständig zum Schwund gebracht in jenen Rotatorien, welche in Gehäusen leben, so bei Stephanoceros, Tubieolaria ete. Das Oberhäutchen ist hier viel dünner, zarter als bei den freien Thieren, wie ungefähr ja auch die Haut des Schwanzes eines in einer leeren ale p.6.1c.. Romesi.p. £ ) GEGENBAUR, Ü. Grundzüge der Vergleichenden Anatomie. Zweite Auflage. Leipzig 1870. p. 168. S)nlep. 309% ep. 398. ) Leyois, F. Ueber den Bau und die systematische Stellung der Räderthiere. Zeit. Wiss. Z. 6. Bd. p. 65. 350 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Buceinumschale hausenden Pagurus um vieles weicher sich zeigt, als das übrige Hautskelet. Auch die Cutieula von Notommata centrura, welches Rotatorium gleichfalls von einer Gallerthülle bedeckt ist, sah ich in der mehrerwähnten Lösung fast vollständig schwinden.« Sodann möge hier auch noch eine unseren Gegenstand betreffende Aeusserung KRrukFN- Berg s') Platz finden. Dieselbe muss um so schwerer in’s Gewicht fallen, als sie das Resultat sehr eingehender, mit Hilfe der so bedeutend vervollkommneten modernen Methoden an den verschiedensten Vertretern des T'hierreichs angestellter Untersuchungen darstellt. Folgende sind seine Worte: »Wir wissen von einer ganzen Reihe thierischer Gerüstsubstanzen, dass sie sich im Jugendzustande gegen chemische Einwirkungen, ja selbst in ihrer chemischen Zusammensetzung anders verhalten als im Alter. So erfuhren wir bereits, dass sowohl beim Cornein wie beim Conchiolin (und dasselbe gilt auch für die Byssussubstanz) die Unlöslichkeit in Alkali meist um so ausgesprochener ist, je mehr diese Stoffe eine gewisse Entwickelung oder ein bestimmtes Alter erreicht haben. Noch auffälliger sind Altersdifferenzen dieser Art bei dem Elastin, und, dem Folgenden vorgreifend, sei auch schon hier bemerkt, dass die kera- tinöse Substanz, welche die Selachiereierschalen bildet, anfangs durch Pepsinsalzsäure leicht zu verdauen, später aber für diese ebenso unangreifbar wie die übrigen Hornsubstanzen geworden ist. Boruey's Analysen weisen bei dem Fibroin, ScuLossbERGERs Befunde bei der Byssussubstanz auch darauf hin, dass beide Materien mit der Zeit nicht nur schwerer angreifbar für chemische Agentien, sondern, wie wahrscheinlich auch die IHormsubstanzen, zugleich stickstoffreicher werden.« In ganz ähnlichem Sinne sprach sich endlich hauptsächlich im Hinblicke auf die Zell- membranen CarxoyY? aus. Nach alledem darf wohl geschlossen werden, dass der chemische Contrast zwischen Cuticulae und Borsten weit davon entfernt ist unvermittelt dazustehen; dass im Gegentheil die ihnen zu Grunde liegenden Substanzen nur als Endglieder einer Reihe von Zuständen aufgefasst werden müssen, innerhalb deren sich ein chemi- scher Typus, nämlich die Cutieular- oder Gerüstsubstanzen, manifestirt. Und nun will ich zum zweiten Einwande übergehen, der gegen meinen Vergleich geltend gemacht werden kann: nämlich zu dem Einwande, dass im einen Falle un- zweifelhafte Producte des Ectoderms und im anderen solche vorlägen, denen namhafte Forscher einen mesodermalen Ursprung zuschreiben. Die Angaben bezüglich der Entwickelungsweise der Parapodien stehen sich auffallend oO te} > widersprechend gegenüber. Einige behaupten mit grosser Bestimmtheit, dass lediglich vom mittleren Keimblatte das zu ihrem Aufbaue erforderliche Material geliefert werde, Andere vertreten mit nicht weniger Entschiedenheit die ectodermale Abstammung des letzteren; nur Wenige nehmen eine vermittelnde Stellung ein oder bekennen, dass sie zu einem bestimmten Urtheile hierüber nicht zu gelangen vermochten. Hören wir zunächst die Vertreter dieser tichtungen und untersuchen wir sodann, welche von ihnen als die prävalirende betrachtet werden kann, respective, welche von ihnen sich am besten mit den dahinzielenden, durch das Studium der Anatomie und Morphologie der Parapodien gewonnenen Ergebnissen in Ein- klang bringen lässt. WER Ze eo 2) Carsoy, J. B. La Cytodierese chez les Arthropodes ete. »La Cellule«. Tome 1. 1885. p. 197. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula. 51 Hören wir zunächst die Vertreter des mesodermalen Ursprunges. Einer der ersten war SEMPER"; auf Grund seiner an den Knospungszonen der Naiden angestellten Beobachtungen erklärt er: »Die Follikel der Bauchborsten entstehen, genau wie im Rumpfe, durch Sonderung bestimmter Gruppen des Mesoderms, nicht durch spätere Einstülpung von der Epidermis her.« Mit ganz besonderer Schärfe hat sich Harscner ’) in seiner Entwickelungsgeschichte des Criodrilus ausgesprochen, indem er nicht nur die Borstensäckchen aus den Mesodermver- dickungen der Hautmuskelplatte ableitet, sondern auch ausdrücklich die Borsten als Mesoderm- gebilde, als »innere Skeletbildungen« betrachtet wissen will. Weniger entschieden äussert sich derselbe Autor) über die Anlagen der ventralen Borstensäcke des Echiurus, von denen er sagt: »Es sind scharf abgegrenzte Zellgruppen, die wohl dicht unter dem Eetoderm liegen, aber meiner Ansicht nach aus der oberflächlichen Lage der Iautmuskelplatte stammen. Ich konnte an der darüber liegenden Ektodermzelle nichts sehen, was auf eine Wucherung hindeutete. ‚Ich muss meine Ansicht hier auf jene Thatsachen stützen, die ich bei Oriodrilus vorgefunden habe.« Auch Görte') kam durch das Studium der Entwickelungsgeschichte von Nereis Dumerilü zu einer ähnlichen Auffassung, denn er behauptet: »Die Hauptmasse der ursprünglichen Mesodermstränge verwandelt sich aber jederseits ın drei hinter- einanderliegende rundliche Ballen, welche dicht über der Bauchseite und auswärts vom Darme dem Eetoderm eng anliegen. Ihre peripherischen Zellen ordnen sich darauf hautartig an, während im Innern sich je 3— 1 dünne und glänzende Stäbchen zeigen, welche von innen nach aussen und hinten convergiren. Dies sind die Anlagen der Borstenbündel in den geschlossenen Borstensäckchen, welche letzteren also von allen seg- mentalen Bildungen und allen mesodermalen Organen zuerst entstehen« ete. Ebenso Satensky auf Grund vergleichend-embryologischer Studien. Wir begegnen zu- nächst in dem der Nereis cultrifera gewidmeten Kapitel’) folgender Auseinandersetzung: »En egard a leur origine et a leur structure, ces soies doivent etre considerees comme des formations euticulaires. On serait tente de ceroire que, comme toute formation euticulaire, elles derivent de l’eetoderme; pourtant leur origine mesodermique est certaine, car jai pu suivre leur mode de,genese dans tous ses details et a partir du debut de la formation du mesoderme. Si les soies etaient d’origine eetodermique, comme leur analogie avec les autres productions cutieulaires le ferait supposer, il faudrait admettre, a priori, qu’au niveau des saes setigeres l’ectoderme sinvagine pour fournir les materiaux necessaires a la formation des soies. Or, jai fait tout mon possible pour decouvrir les traces d’une semblable invagination, mais en vaın, et jal ete amene ainsi A supposer que ces organes se forment exclusivement aux depens du mesoderme.« Weiterhin bemerkt er über Pileolaria sp.?) : »Les bandelettes mesodermiques se divisent en deux portions: une portion ventrale, qui, sur la coupe, parait triangulaire et qui constitue l’ebauche de plaques museulaires, et une portion dorsale affeetant une forme semilunaire et representant les ebauches des plaques laterales et des sacs setigeres.« 1)21.rp2.53., 07 p:, 207. (18:76.) 2) Harscher, B. Studien über Entwicklungsgeschichte der Anneliden. A. Criodrilus. Arb. Z. Inst. Wien. Bd. 1. Sep. Abdr. p. 21. 1878.) 3) Hazschex, B. Ueber Entwicklungsgeschichte von Bekturus ete. Arb. Z. Inst. Wien. Bd. 3. Sep. Abdr. p- 15. (1880.) 4) Görre, A. Untersuchungen zur Entw.-Gesch. der Würmer. Beschreibender Theil. p. 89. Leipzig 1852. 5) Sarenskv, W. Ztudes sur le developpement des Annelides. Premiere Partie. II. Nereis_eultrifera. Arch. Biol. Tome 3. p. 586. (1882.) 6) 1. p. 351. III. Pileolaria. Tome 4. c. p. 161. (1883.) 352 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Sodann über Aricia foetida'): „Apres la scparation de cette lamelle le reste des plaques laterales est employe a la formation de la somatopleure et des sacs setigeres.« Sonderbar erscheinen nun aber, im Hinblicke auf das Vorhergehende, die von unserem Autor”) an der zuletzt aufgeführten Form, an Terebella Meckelü gewonnenen Resultate: bei diesem 'I'hiere sollen nämlich, im Einklange mit UrararepeEs bezüglichen Beobachtungen, die Hakenborsten der neuralen Parapodien ectodermalen und die Pfriemenborsten der hämalen Parapodien mesodermalen Ursprunges sein. Eine derartig zwiespältige Abstammung für Producte ein und desselben Organsystemes zu vertreten, hatte offenbar auch für SaLensky zunächst etwas Bedenkliches. Aber anstatt den in diesem Falle einzig correcten Schluss zu ziehen, nämlich den, dass die beiden sich wider- sprechenden Beobachtungen nicht beide richtig sein können; anstatt zuzugeben, dass, wenn die Haken ectodermal entstehen, aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Pfriemenborsten — wie schr auch der Schein embryologischer Facta dagegen sprechen mag — ebenso entstehen werden, sucht er den Nachweis zu führen, dass die hämalen, Pfriemen erzeugenden Parapodien der Terebella den neuralen, Haken erzeugenden überhaupt nicht homolog seien. Er sagt nämlich: »Si l’on tient compte de l’&norme difference qui existe entre le developpement des plaques uncjales de Terebella et celui des soies du möme Annehde et des autres, ıl nait naturellement un doute au sujet de la justesse d’une pareille homologie. Une comparaison plus detaillee du developpement des pieds ventraux avee celui des tores uneinigeres tranche la question relative a l’homologie de ces formations dans un sens absolument negatif.« Also eine Kategorie von Körperanhängen, an deren Homonomie bisher noch Niemand gezweifelt hatte, weil sie eben Jedem selbstverständlich vorkam, weil sie auf einer so funda- mentalen Einheit zu beruhen schien, dass ihre Infragestellung implicite die Möglichkeit jeder vergleichend-anatomischen Forschung und morphologischen Zurückführung überhaupt ausgeschlossen hätte, diese Körperanhänge werden gleichwohl als durchaus heterogene Organe hingestellt, damit — sich die Pfriemenborsten nur ungestört aus dem Mesoderm entwickeln können. Der ausführliche embryologische Vergleich, dessen Resultat nach Sarensky der Ho- mologie neuraler und hämaler Parapodien von Terebella den 'l'odesstoss versetzen soll, besteht nun aber in Folgendem: Sowohl die neuralen als die hämalen Parapodien der Nereis ent- stehen aus einer gemeinsamen Anlage, welche sich erst nachträglich zweitheilt; dieser ge- meinsamen Anlage der Nereis-Parapodien, ja der freilebenden Anneliden überhaupt entspricht aber allein die (sich nie zweitheilende) Anlage der hämalen pfriementragenden Parapodien der Terebella und aller anderen sedentären Anneliden. Was nun daraus hervorgeht, will ich wieder wörtlich citiren: »Par consequent chez les Annelides sedentaires il ne se forme jamais de pieds homologues aux pieds ventraux des Annelides errants. Tapparition des tores uneinigeres est tout a fait independante du tubercule 1) 1. p. 351. IV. Aricia foetida. Tome 4. c. p. 213. (1883.) 2) 1. p. 351. V. Terebella Meckelü. Tome 4. c. p. 239. (1883.) 9r9 I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cutieula. BI pedal primitif et doit etre consideree comme une formation nouvelle, qui est le resultat immediat de leur adaptation a la vie sedentaire. Toutes les particularitös que presente la structure des Anndlides sedentaires nous amenent ä supposer que ce groupe d’Annchides s’est forme beaucoup plus tard que celui des Annclides errants. Cette hypothöse peut nous expliquer l’absence de erochets chez ces derniers.« Ob es überhaupt zulässig ist, auf ein so dürftiges embryologisches Material hin (nur eine kleine Zahl der Annelidenfamilien ist nach der Richtung hin erforscht) so weitgehende und zugleich anerkannten morphologischen Feststellungen so widersprechende Folgerungen zu ziehen, will ich dahingestellt sein lassen, obwohl schon die weiterhin mitzutheilenden, die Parapod-Entwickelung nicht sedentärer Anneliden in einer von SaLExsky's stark ab- weichenden Weise schildernden Resultate KrLEINENBERG’S?) dazu einladen könnten, solche Be- rechtigung in Zweifel zu ziehen. Ich will vielmehr durch Hervorhebung einiger 'T'hatsachen aus der Systematik und Morphologie zeigen, wie unhaltbar alle die von unserem Autor ge- machten Voraussetzungen sind, indem dadurch allein schon sein Versuch die genetische Ein- heit der Anneliden-Extremitäten aufzuheben hinfällig wird. Erstens sind die Ausdrücke »Annelida sedentaria« und »Annelida errantia« oder »frei- lebende« und »Röhren bewohnende Anneliden,« welche der Verfasser in einem Sinne braucht, als ob durch dieselben zwei sich geschlossen gegenüberstehende, phylogenetisch divergirende Gruppen bezeichnet würden, nichts weniger als systematische im strengeren Sinne. Sie können kaum auf mehr Bedeutung Anspruch machen, als etwa die früher beliebten Eintheilungen in Wasser-, Land- und Luftthiere. Die meisten Anneliden leben gelegentlich in Röhren und gelegentlich frei; nur einzelne Familien sind einerseits exquisit pelagisch und andererseits constant Röhrenbewohner. Hbensowenig lassen sich aber diese beiden Abtheilungen auf Grund der Borsten charakterisiren, indem die Vertreter einzelner ausschliesslich mit Pfriemen- borsten ausgerüsteter Familien ebenso constant im Sande eingegraben gefunden werden, wie Vertreter der Haken tragenden. Zweitens ist die für Sanensky’s Folgerungen nothwendige Voraussetzung, dass bei den se- dentären Anneliden stets die neuralen Parapodien die Haken tragenden seien, durchaus unrichtig. Einzelne Familien verhalten sich allerdings wie Terebella; bei anderen sind aber umgekehrt die hämalen Parapodien die Haken tragenden. Und damit sind die Variations- Möglichkeiten noch lange nicht erschöpft; denn es giebt auch sedentäre Anneliden, welche in der vorderen Körperregion hämal mit Pfriemen- und in der hinteren Region hämal mit Hakenborsten ausgerüstet sind; es giebt ferner solche, bei welchen der eine Körperabschnitt ausschliesslich Pfriemen, der andere ausschliesslich Haken aufweist; auch an solchen fehlt es nicht, welche in einem und demselben Parapodium Haken- und Pfriemenborsten zugleich ab- scheiden; ja — und dieser Fall allein schon wäre hinreichend das Unmögliche jener Theorie darzuthun — es giebt sogar Anneliden, deren später mit Pfriemenborsten ausgerüstete Para- podien im Jugendzustande Haken besitzen! Drittens lassen sich zwischen den Pfriemenborsten erzeugenden Parapodien einer Nereis a). Vergl. p. 347. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 45 354 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. e und den Haken erzeugenden Wülsten einer Terebella alle nur wünschenswerthen vermittelnden Stadien in der betreffenden 'Thierclasse nachweisen. Ja in einer und derselben Familie sogar kann dieser Gegensatz sowie auch dessen Vermittelung zum Ausdrucke kommen, so in der Familie der Capitelliden. Man erinnere sich nur einerseits des ungeheuren Contrastes,. der zwischen den keulenförmigen, weit in die Leibeshöhle hineinragenden, Pfriemenborsten er- zeugenden, thoracalen Parapodien und den flächenhaft ausgebreiteten, scheinbar der Haut ein- verleibten, Hakenborsten erzeugenden, abdominalen Parapodien von Notomastus®) waltet, und andererseits der Einheit, welche die Organisation der Pfriemen- und Hakenborsten tragenden Parapodien der Capitella®), beherrscht. Man erinnere sich auch, wie die genauere Untersuchung zu dem Resultate führte, dass sich trotz ihres grossen Habitus-Contrastes die beiden Parapodien- formen anatomisch-histologisch durchaus ähnlich verhalten‘), wie sich in den Haken tragenden Wülsten sogar noch solche Muskeln vorfinden, welche nur bei den frei in das C'oelom ragen- den, retractilen Parapodien einen Sinn hatten, und wie daher in dieser atavistischen Bildung ein klarer Beweis für die Umwandlung der einen Form in die andere vorliegt. ®) Viertens endlich sind auch die Pfriemen- und Hakenborsten selbst durch so zahlreiche Uebergangsformen vermittelt, dass es, wenn man von den Extremen absieht, schwer halten dürfte, beide als sich gegenüberstehende Gruppen irgendwie scharf zu definiren. Lässt sich nun mit allen diesen T'hatsachen die Vorstellung vereinigen, dass die hämalen Parapodien der sedentären Anneliden den neuralen und hämalen der Errantia zugleich homolog seien und dass die neuralen der ersteren eine Bildung »sui generis« repräsentiren? Schliesslich habe ich noch Drasche') anzuführen, dessen an Pomatoceros angestellten Beobachtungen zufolge die erste Anlage der Borstensäcke im Mesoderm stattfinden soll. Unentschieden über die Abstammung der Parapodien äussert sich SPENGEL?); er sagt nämlich in Bezug auf deren Entwickelung bei Bonellia: »Jede Borste hegt m einem zelligen Sacke.... Ob die zellige Scheide durch eine Einstülpung des Eetoderms entsteht, oder aber sich im Mesoderm unabhängig anlegt, habe ich nicht beobachten können. In den Stadien, welche mir zu Gesicht gekommen sind, ging sie ununterbrochen in die Epidermis über.« Aehnlich Batrour’): „The layer from which the sacs for the setae and the segmental organs spring is still doubtfull.« Eine ectodermale Entstehung der Parapodien hat zuerst KowALEvsKY') in seiner Entwickelungsgeschichte des Euawes constatirt. o) Vergl. p. 99. ß) Vergl. p. 266. +) Vergl. p. 99. 6) Vergl. p. 108. I) Drasene, R. v. Beiträge zur Entwickelung der Polychaeten. Erstes Heft. Entwiekelung von Pomatoceros triqueter 1. Wien 1884, DS. 2) SPENGEL, J. W. Beiträge zur Kenntniss der Gephyreen. I. Die Eibildung ete. der Bonellia. Mitth. 2. Stat. Neapel 1. Bd. p. 392. (1879.) 3) Barrour, F. M. A Treatise on Comparative Embryology. Vol. 1. London 1880. p. 282. 4) Kowarevsky, A. Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. St. Petersburg 1571. p. 19. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cuticula, Br) Sodann leitete Buczinsk1*) die Borstensäcke des Lumbrieus ebenfalls vom Eetoderm ab, da im Eetoderm Vertiefungen an den den Borstensäcken entsprechenden Stellen zu beob- achten seien. Eingehendere Angaben in diesem Sinne hat aber erst Kueinenger@"), im Anschlusse an seine Studien über das Anneliden-Nervensystem, über Zopadorhynehus gemacht. Folgende Sätze enthalten das Wichtigste: »Sommariamente si puö dire che leetoderma d’ognuna delle note si differenzia in due parti, una mediana che diventa il cordone nervoso, ed una laterale per gli organi locomotori. In ogni somite c’@ tre paia d’accenni ben distinti per l’unico paio di parapodi, vale a dire, uno pel eirro ventrale, un altro pel eirro dorsale ed in mezzo di questi un terzo per il corpo propriamente detto del parapodio.« »I parapodi vengono dunque accennati esclusivamente nell’ eetoderma, ma piü tardı ıl mesoderma sottostante si salda cogli accenni ectodermiei e contribuisce efficacemente alla produzione dei tessuti del l’organo perfetto.« Zu letzterem Satze macht Krrınengerg die Anmerkung: »Ciö non vale per tutti i Policheti; nei Chetopteridi p. e. partecipa sin dal prineipio anche ıl me- soderma alla formazione dei parapodı.«*) Eine ganz ähnliche gleichzeitige Betheiligung von Eeto- und Mesoderm hat auch a. DI r. . N 9 Bürow?) in den Keimschichten des wachsenden Schwanzendes von Lumbriculus beobachtet und zugleich constatirt, dass aus den eingewanderten Ectodermzellen die Hakenborsten selbst, aus den hinzugetretenen Mesodermzellen aber die Borstentasche und die die Bewegung ver- mittelnden Muskelfäden entstehen. Ebenso constatirt VEIDOVSKY'): »Die jüngsten Follikel (der Embryonen von Ahynehelmis) communiciren durch eine äusserst feine Oeffnung mit der Aussenwelt; der Innenraum der Follikel ist von mehreren, dunkel sich färbenden Zellen eingenommen, deren Kerne deutlich hervortreten. An dem sich regenerirenden Körperende von Lumbrieulus variegatus kann man dasselbe sicherstellen. Jedes Borstensäckchen entsteht hier als eine Wucherung der IIypodermis, es ist ein flaschenförmiges, mit erobkörnigem Inhalte gefülltes und durch eine Oeffnung nach ) te) ke) je) ie) D aussen mündendes Gebilde, dessen angeschwollener 'Theil tief in die Muskelschichten eindringt.« ep A0RRcH piT: 3) Bürow, ©. Die Keimschichten des wachsenden Schwanzendes von Lumbrieulus variegatus etc. Zeit. Wiss. Z. 39. Bd. p. 88. (1883.) S)El2 pr236..C. np. 15. *) Ich entnehme dies dem Referate, welches der Braun’sche Jahresbericht 1880/81 Arch. Naturg. 47. Jahrg. 2. Bd. p. 510 von der in russischer Sprache geschriebenen Abhandlung Buezinskrs: »Entwickelungsgeschichte von Lumbrieus terrestris« geliefert hat. u) Dieses Kapitel war bereits druckfertig, als KLuınenBerd's ausführliche Arbeit über Zopadorkynehus er- schien; im anderen Falle hätte ich natürlich letztere Arbeit anstatt der vorläufigen Mittheilung des genannten Autors in erster Linie herbeigezogen. Es genüge nun der Hinweis, dass KLEINENBERG von Neuem den rein ectodermalen Ursprung der Parapodien nicht nur für Lopadorhynehus constatirt (1. p. 303. c. p. 152— 157), sondern diesen Ursprung — im Gegensatze zur vorläufigen Mittheilung — auch auf die Alciopiden, Phyllodociden und Chaetopteriden ausdehnt. Von den zahlreichen dieses Hauptresultat begleitenden Angaben seien nur zwei besonders hervorgehoben : Erstens, dass die Borstensäcke von Chaetopterus als deutliche Einstülpungen des Eetoderms auftreten, wogegen die- jenigen der übrigen (vom Verfasser beobachteten) Formen solide Anlagen bilden, die erst später und vorübergehend feine nach aussen offene Kanäle erhalten. Zweitens, die vom Verfasser zum ersten Mal in solcher Schärfe ausge- sprochene und mit meiner Auffassung natürlich durchaus übereinstimmende Scheidung von Borstensack (Borsten- drüse) und Parapodium, 45* 356 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. »Auf dem regenenirten hinteren Körperende von Oriodrilus kann man diese Verhältnisse genauer verfolgen, zumal die Borsten und die Säckchen viel deutlicher auftreten. In den ganz jungen Segmenten erscheinen die Borstenfollikel als birnförmige oder kuglige, aus zahlreichen Zellen bestehende Gebilde, die sich mit Pikrokarmin dunkelroth färben. Die oberflächliche Betrachtung derselben führt zn der Ansicht, als ob diese Zellengruppen durch die Ringmuskelschicht von der Ilypodermis getrennt würden, was auch Harscnhe zu der irrigen Angabe verführt hatte, die Borsten als Mesoblastgebilde zu deuten. Gelingt es aber den Querschnitt direet durch den jüngsten Follikel zu führen, so wird man gewahr, dass derselbe aus zwei Zellenarten besteht. Nach aussen sind die sich dunkel färbenden Mesoblastzellen, im Inneren dagegen nur einige wenige grosse, körnige Zellen, die noch mit der IIypodermis zusammenhängen. In späteren Stadien, vornehmlich durch die mächtigere Entwickelung der Ring- und Längsmuskelschicht des Leibes- schlauches rückt der ganze Follikel tiefer in die Leibeshöhle hinein, so dass der ursprüngliche Zusammen- hang mit der Ilypodermis fast spurlos verwischt wird.« Ferner ist auch Emery') zu ähnlichen Resultaten gelangt. Auf Grund seiner Studien des nachwachsenden Schwanzendes verschiedener Anneliden berichtet er nämlich: »Les soies derivent de l’ectoderme et non pas du mösoderme, comme quelques auteurs Vont affırmd encore tout recemment. J’aı pu me convaincre de ce fait, non seulement sur la Nephthys, mais plus evidem- ment encore sur des coupes de Lumbriconereis et de ÜAsterope candida. Les cellules matrices des soies s’en- foncent successivement, en constituant une sorte de tampon £pithelial solide.« Mit grosser Entschiedenheit gedenkt endlich E. Meryer*) die ectodermale Entstehung der Parapodien zu vertreten. In seinen Beiträgen zur vergleichenden Anatomie und Embryo- logie der Anneliden wird nämlich dieser Forscher auf Grund einer sehr in’s Einzelne gehen- den Untersuchung des P’sygmobranchus den Nachweis führen können, dass die ersten Anlagen (der Borstensäckchen coelomwärts gerichtete Ectodermwucherungen darstellen, denen sich me- sodermale Elemente (zur Bildung der Muskulatur, des Peritoneums etc.) anlagern. Der von Sarensky als Einwand geltend gemachte Mangel einer ectodermalen Einstülpung wird also in l’olge dieser (wie KLEInenBEerg’s) Ergebnisse hinfällig, indem eben die erwähnten Anlagen in einzelnen Fällen nicht durch Einstülpung, sondern durch Sprossung zu Stande kommen. Ferner vermuthet Me£ver, dass GörtEs Angaben insofern auf einem Irrthume beruhen, als die von letzterem (bei Nereis Dumerili) nur für die borstenerzeugenden Drüsen gehaltenen Säckchen in Wirklichkeit die Parapodien und die gesammten Mesodermsegmente darstellen. Anstatt — wie GörtE glaubte — ein sehr frühes, habe ihm umgekehrt ein solches Stadium vorgelegen, in welchem sich die (ectodermale) Abschnürung der Borstendrüsen längst vollzogen hatte. Wenn wir bedenken, dass die Parapodien auch im fertigen Zustande sich aus zwei organologisch und histologisch unterscheidbaren Theilen aufbauen, nämlich aus einem conti- nuirlich in die Hypodermis übergehenden, die Borsten erzeugenden Drüsensacke einer- und aus einer mächtigen Muskulatur nebst Peritonealüberzug andererseits, so wird uns der (wie aus dem Vorhergehenden erhellt) stellenweise zu so scharfem Ausdrucke gelangte Widerstreit der Meinungen bezüglich ihrer Entwickelung begreiflicher erscheinen. Dem Dualismus der Organi- I) Emery, ©. La Regeneration des segments posterieurs du Corps chez quelques Annelides polychetes. Arch. Ital. Biol. Tome 7. 1886. p. 396. ‘) Während ich dieses Kapitel niederschreibe, ist der eitirte Autor noch mit der Zusammenstellung seiner Resultate beschäftigt. Obige mir gütiger Weise mündlich gemachten Mittheilungen werden aber wahrscheinlich lange vor dem Erscheinen dieser Monographie dem wissenschaftlichen Publicum schon in extenso vorliegen. I. Haut. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. b. Cutieula. 3927 sation geht eben auch ein solcher der Entwickelung parallel, und je nachdem die Beobachter nur das eine oder nur das andere Element dieser Entwickelung in's Auge fassten, kamen sie zu ihren exclusiven Anschauungen. Wer vom Parapodium als Ganzes behauptet, es sei eine ectodermale Bildung, drückt insofern etwas Incorrectes aus, als er die der Borstendrüse an- liegenden peritonealen und muskulösen Theile vernachlässigt; die Borstendrüse allein ist ectodermalen Ursprunges. Wer vom Parapodium als Ganzes behauptet, es sei eine mesodermale Bildung, irrt noch bedenklicher, indem er den Haupttheil des Organes, die Borstendrüse ver- nachlässigt; die mit letzterer verbundenen peritonealen und muskulösen Theile allein sind mesodermalen Ursprunges. Frstere Auffassung entstand wahrscheinlich durch die ausschliess- liche Beobachtung jener frühen Stadien, in denen die die künftige Borstendrüse darstellende Ectodermwucherung noch nicht deutlich ihre Mesodermbeziehungen zur Schau trug; letztere wahrscheinlich durch die ausschliessliche Beobachtung jener späten Stadien, in denen die allseitig von dem Mesoderm umhüllte Borstendrüse ihren Ursprung aus und Verband mit dem Ectoderme nicht mehr erkennen liess. Allein richtig haben jedenfalls den Sachverhalt dar- gestellt und somit auch den Widerstreit der Meinungen versöhnt diejenigen Forscher, welche die beiden Componenten des Parapodiums auch in ihren embryologischen Ableitungen aus- einanderzuhalten wussten. Ihren Angaben zufolge ist aber der Theil des Parapodiums, dessen Abstammung uns hier allein interessirt, nämlich die Borstendrüse, un- zweifelhaft als ein Product des Ectoderms zu betrachten. Eine gewaltige Stütze erführt auch diese Auffassung durch die Thatsache, dass die Parapodien vieler Anneliden noch im ausgewachsenen Zustande innige Beziehungen zum Ec- toderme beibehalten, ja dass sich auf's Unzweifelhafteste nachweisen lässt, wie es Hypoderm- zellen sind, auf deren Kosten sich die Reserveborsten entwickeln. Insbesondere sind es die Haken tragenden Parapodien, welche in Folge ihrer flächenhaften Anordnung die Feststellung solcher Beziehungen ohne Weiteres gestatten. Im anatomischen Theile dieser Monographie habe ich beschrieben, wie die Spiralen der Hakenwülste, also diejenigen Parapodabschnitte, in denen zeitlebens die Bildung neuer Haken vor sich geht, bei den Capitelliden nicht etwa frei in der Leibeshöhle enden, sondern mit der Hypodermis verschmelzen, und hinzugefügt, dass auf diesem Wege dem Torus beständig hypodermales Zellmaterial zugeführt werde. Ebenso constatirte früher schon CrArarepe", dass das Gewebe der Torusspirale von Terebella aus einer dicken, hypodermalen Schicht bestehe, und dass aus je einer Zelle dieser Schicht sich ein Haken bilde. In ganz übereinstimmender Weise scheint auch nach VE)novskyY’, bei Sternaspis die Borstenbildung (im fertigen 'Thiere) vor sich zu gehen. Er sagt nämlich: »Namentlich auf der Rickenseite kann man immer die Borstenbildung verfolgen; hier findet man auch beständig eine Wucherung der Hypodermis, welche den Ursprungsboden der Borsten darstellt« ete. Endlich möchte ich noch einer für meine Auffassung überaus günstigen Organisations- tl) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) ce. p. 65. 2) p. 322502 p,) 12. 358 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Eigenthümlichkeit gedenken, welche VEıDovsky'!)*) bei Anachaeta, einem Oligochaeten, entdeckt hat. Genannter Autor giebt folgende Beschreibung des Sachverhaltes: »Dieser Wurm trägt an seiner Oberfläche keine Borsten. Kr besitzt aber an den Stellen, wo bei anderen Arten diese Gebilde vorkommen, sehr auffallende Spuren davon. Man sieht nämlich an lebenden Thieren in jedem Segmente 1 grosse, im Leibesschlauche befestigte flaschenförmige Gebilde, die bei den Bewegungen des Wurmes hin und her geworfen werden. Bei genauerer Untersuchung wird man gewahr, dass diese Zellen modifieirte Ilypodermiszellen darstellen, indem sie mittelst ihres verengten Vorderendes mit der Cutieula in Verbindung stehen und sich nach hinten sackförmig erweitern. Sie sind mit einem oranulirten, glänzenden Inhalt gefüllt, in welchem ein grosser Kern und ein an gefärbten Präparaten sehr deutliches Kernkörperchen hervortritt. Jede Zelle ist mit einer dicken, homogenen Cuticularmembran um- geben und mündet, wie eine Hypodermisdrüse, mittels eines engen Kanälchens nach aussen. Aus dieser 'Thatsache ist es ersichtlich, dass diese Zelle bei ihrer enormen Entwickelung stets mit den übrigen Hypo- dermiszellen in Verbindung steht, dass sie die Muskelschichten durchbrach, ohne zu besonderen Differenzirungen der Borstenmuskeln Anlass zu geben. Die cutieulare Umhüllung der Zelle weist daranf hin, dass sie härtere Gebilde, vielleicht chitinöse Gebilde, wie die Borsten bei anderen Gattungen, ausscheiden kann. Die be- sprochenen 4 Zellen in einzelnen Segmenten der Gattung Azachaeta stellen demnach thatsächliche einzellige Hypodermisdrüsen und zugleich Borstenfollikel dar.« Durch diesen Befund, dessen principielle Bedeutung VeEpovsky von Anfang an zu würdigen wusste, wird die Eimheit der Haut- und Borstendrüsen in geradezu schlagender Weise illustrirt. — In diesem Abschnitte hatte ich mir zunächst die Aufgabe gestellt zu beweisen, dass die Cuticulae, ähnlich wie bei den Capitelliden, auch bei den meisten anderen Anneliden aus Fibrillen aufgebaut sind. Sodann galt es, meine für die Capitelliden ausgesprochene Ansicht, dass die Cuticula- Fibrillen ebenso zu Stande kämen wie die stäbchen- und fadenförmigen Secrete der Haut- drüsen, bei anderen Anneliden auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Dies führte zu den Spinndrüsen, indem letztere, ganz der Voraussetzung entsprechend, stab- oder fadenförmige Secrete zu Membranen zu verweben oder zu verfilzen im Stande sind. Als den Spinndrüsen und ihren Secreten innig verwandt, mussten sodann die Borsten- drüsen und ihre Abscheidungsproducte herangezogen werden. Von den Spinndrüsen konnten andererseits auch morphologische Brücken zu den Haut- drüsen geschlagen werden, so dass die scheinbar weit von einander abweichenden Endglieder der Reihe schliesslich vermittelt dastanden. Sollte es mir gelungen sein, auch den Leser davon zu überzeugen, dass Spinn- und Borstendrüsen als umgewandelte Hautdrüsen zu betrachten seien, und dass in Folge dessen auch die Secrete ersterer (die Borsten, Wohnröhren und Fangnetze etc.) in genetischem Sinne eins sind mit den Secreten letzterer (den Stäbchen, Fäden, Cuticulae, ephemeren Röhren etc.), so würde ich mir den etwaigen Vorwurf, allzuweit die einer Monographie wie der vorliegenden für Erörterung principieller Fragen gesteckten Grenzen überschritten zu haben, gerne gefallen lassen. 1)E1.p: 82.0.0. 920. “) Die von Prreer (l. p. 309. c. p. 384) vom Integumente der Urochaeta beschriebenen Hautdrüsen können kaum — wie VEJDovVsKky anzunehmen geneigt ist — als verwandte Gebilde in Betracht kommen, indem ja Urochaeta zugleich wohl entwickelte Borsten besitzt. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen 'Ihierelassen. a. Coelenterata. 359 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. Ich gedenke hier nur solche Bildungen in's Auge zu fassen, welche, ähnlich wie die im Vorhergehenden erörterten Hautzellen und Hautdrüsen, stab- oder fadenförmige Seerete ab- scheiden. Selbst so eingeschränkt würde aber das vorgesetzte Thema, auch wenn ich es nur in der für die Anneliden beobachteten (nichts weniger als erschöpfenden) Weise behandeln wollte, zu einer sehr umfassenden Abhandlung anschwellen, und um das zu vermeiden werde ich mich hier eines in noch höherem Grade cursorischen Verfahrens bedienen müssen. Diejenigen Hautgebilde anderer 'Thiergruppen, welche als meiner Ansicht nach überhaupt vergleichbar in Frage kommen, werden demnach nur kurz hervorgehoben und künftiger Darstellung, respec- tive künftiger Forschung bleibe vorbehalten, je die einzelnen Vergleiche auf Grund strengerer Prüfung gutzuheissen oder zu verwerfen. a. Coelenterata. Erinnern wir uns zunächst der so ausgeprägt „faserigen“ Geflechte oder Gerüste der Hornschwämme:‘). Gegenüber der hauptsächlich durch Max SchurtzE und Oscar Scnamipr vertretenen Ent- stehung der Hornfasern durch »Erhärtung der Sarcode« haben die neuesten Forschungen, ins- besondere diejenigen F. E. Schurze's, wieder die Vorstellungsweise KörLıker's zu Ehren ge- bracht, derzufolge diese Fasern als Ausscheidungen des Schwammparenchyms aufzufassen und den Intercellularsubstanzen und Cutieularbildungen anderer Geschöpfe an die Seite zu stellen sind. F. E. Scnurze') fasst seine Ansicht über den Bildungsprozess der Fasern in dem Satze zusammen: »Die Hornfaser ist eine eutieulare Ausscheidung eigenthümlich modifieirter Bindesubstanzzellen, der Spongoblasten.« Damit hat Scrurze freilich die Genese der Fasern in das Mesoderm verleet; aber ab- fe) eesehen davon, dass die embryologische Dignität des »Spongienmesoderms« noch nicht als 5 ’ no =) 5 festgestellt betrachtet werden kann, so ist dem gegenüber an die ebenfalls von Körrnıker”) constatirte, allerdines noch der Bestätieung bedürftige T'hatsache zu erinnern, »dass bei gewissen ’ 5 > > D > Gattungen die Hornfasern mit verbreiterten Enden in die Cutieula übergehen und untrennbar oO h mit ihr sich verbinden.«**) 1) Schusze, F. E. Unters. über den Bau u. die Entwicklung der Spongien. Zeit. wiss. Z. 32. Bd. 1579. p. 635. 2) Köruıker, A. Icones Histiologieae. Leipzig 1564. p. 54. *) Man vergl. bezüglich der betreffenden Literatur: VoSMAER, G. Porifera in Bronn’s Classen und Ordnungen des Thierreichs. 2. Bd. p. 188. **) Man vergleiche auch die ausführliche Erörterung der hier einschlägigen Verhältnisse in PAGENSTECHER, A. H. Allgemeine Zoologie ete. Vierter Theil. Berlin 1881. p. 229. 360 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Bedeutungsvoll ist, dass die den Schwammfasern hauptsächlich zu Grunde liegende Substanz, das Spongin, zu denselben Gerüstsubstanzen gehört, welche auch die Substrate der adäquaten Ausscheidungsproducte anderer Thiergruppen bilden, nämlich zu den, ausser dem Spongin noch das Chitin, Conchiolin, Cornein und Fibroin umfassenden »Skeletinen« KRUKENBERE'S!). Bedeutungsvoll ist auch, dass das behufs Bildung der verschiedenartigen Schwamm- gerüste zur Abscheidung gelangende Secret ganz ähnliche Schwankungen des chemischen Ver- haltens aufweist. wie solche bei den übrigen Gerüstsubstanzen aufzutreten pflegen. Körner”, der hierauf seine Aufmerksamkeit gerichtet hat, sagt nämlich: »In chemischer Beziehung sind die Hornfasern noch wenig bekannt, und wenn schon Namen, wie Spongin und Spongiolin, für die sie bildende Substanz aufgestellt worden sind, so ist doch sicher, dass die- selbe nicht überall die nämlichen Reactionen darbietet, und namentlich gegen Kalı causticum sehr ver- schieden sich verhält, indem die Hornfasern gewisser Gattungen in diesem Reagens sehr leicht sich lösen, während sie bei anderen selbst in der Wärme nur schwer angegriffen werden«. Wie die im Vorhergehenden erwähnten Schwämme durch ihre fadigen Gerüste, so lassen die übrigen Coelenteraten, die Coelenterata Cnidaria, Cıaus durch die Nesselorgane in den Kreis unserer Betrachtung gehörige Beziehungen erkennen. Der Vergleich zwischen den Stäbchen der Anneliden (überhaupt der Würmer) einer- und den Nesselorganen der Cnidaria andererseits wurde im Allgemeinen schon so viel- fach anerkannt, dass ich auf die Hand- und Lehrbücher verweisen kann. Als Hauptmotiv solcher Gleichstellung pflegt die beiderseitige Entwickelung in Elementen des Integumentes geltend gemacht zu werden. Die speciellere Frage, ob nämlich auch den Stäbchen eine den Nesselorganen ähnliche Bedeutung zukommie, lässt man offen und wird man wohl auch noch wenigstens so lange offen lassen müssen, bis wir in den Besitz einer sehr feinen Reaction auf »Nesselwirkung« gelangt sein werden. Auf Grund meimer Ansicht, dass die Stäbehen (und Fäden) der Anneliden diesen T'hieren einmal dazu dienen, die Fibrillen der Cuticulae sowie diejenigen der (ephemeren) Wohnröhren zu liefern, sodann auch um Fangnetze zum Fest- halten der Beute zu spinnen, oder endlich um diese letztere einfach durch ihre Klebrigkeit festzuhalten, lässt sich nun aber die Frage dahin umdrehen, ob nicht auch die Nesselorgane — unbeschadet ihrer Nesselfuncetion — ähnlich jenen Fadensecreten als Gerüstsubstanzen zu fungiren, oder als Fangnetze, respective als »klebende Körper« zu wirken vermögen. Und so umgedreht können wir die Frage bejahen, indem alle diese gesuchten Eigenschaften den Nessel- organen in der 'I'hat zukommen. Für die Fähigkeit der Nesselzellen, Gerüstsubstanzen zu bilden, liegt ein überaus instructives Beispiel in der Röhrenbildung des Cereanthus vor. Die Feststellung der so interessanten, bisher entfernt nicht ihrer Bedeutung nach ge- würdigten Thatsache, dass die Cerianthus-Röhre fast ausschliesslich aus den auffallend langen Cylinderfäden entladener (ausgestülpter) Nesselorgane (Nematocysten, Haıne) bestehe, aus den- I. Haut. 3. Vergleich mit anderen "lhierelassen. a. Coelenterata. 361 selben Nesselorganen, welche so massenhaft die Haut des 'Thieres erfüllen, haben wir Ham zu verdanken. In seiner, dieser Anthozoengattung vor mehr als dreissig Jahren gewidmeten Monographie entwarf er nämlich folgende Schilderung des Habitus und der Structur der Röhre : »Cette gaine proteetrice, dont l’epaisseur est souvent considerable, a un aspect feutre plutöt que mem- braneux. Elle est formee de couches concentriques peu distinctes et fortement unies entre elles, dont les exterieures se dechirent en lambeaux, tandis que les parois internes du tube sont parfaitement lisses. Lors- qwon cherche a la rompre, on &prouve la meme resistence que quand on veut separer en plusieurs parties une bourre de laine ou une pelote de chanvre, et la dechirure montre quwon a egalement affaire a une sub- stance filamenteuse tres dense; mais ce n’est qu’avec le secours du microscope, et meme en employant des grossissements assez forts, qu’on peut arriver a en distinguer les elements. Je me suis assure par ce moyen que toute la masse de ce tube feutre est uniquement composee de fils extrömement longs et extrömement delies s’enchevetrant de mille manieres, et je n’ai pas tard@ a me rendre compte de la nature et de llorigine de ces filaments. J’ai trouve, en effet, quils tenaient par leur base a de petites coques vides en totalite ou en partie, et qwils constituaient avec elles des organites de tout point semblables aux corps qu’on a deerits dans les Actinies et les Acalephes sous les noms d’organes urticants et de vesieules ou capsules filiferes. Je les appellerai n&ematocystes«. Seit Hame ist dieser Röhre, wie es scheint, nur einmal noch Aufmerksamkeit ge- schenkt worden, und zwar durch v. Heimer?). Letzterer aber kam, wie aus dem folgenden Citate hervorgeht, zu einem ziemlich entgegengesetzten Resultate; er sagt nämlich: »Die von Cerianthus in klarem, reinem Seewasser gebildete Hülle ist eine bis 1 mm dicke, gelblich durchscheinende gallertige Membran und entsteht aus concentrischen Lagen eines von den Drüsen des Eetoderms der Körperwand abgesonderten glasigen Schleims, der nach kurzer Zeit etwas erhärtet. Unter dem Mikroskope zeigt derselbe keine ihm eigenthümlichen Elemente, wohl aber sind in der Hülle zahlreiche Nesselkapseln in allen Stadien der Entladung suspendirt. Die Nesselfäden durchkreuzen sich darin in allen Richtungen und mögen auch ihren Theil zur relativen Festigkeit der Hülle beitragen, ich bin jedoch nicht der Meinung, dass sie ausschliesslich von jenen gebildet wird, wie andere Untersucher angaben*). Der Schleim dürfte bei ihrer Bildung wohl das Primäre und die von der Körperwand abgeschossenen Nessel- kapseln ebenso wie der Sand und Schlamm als secundär hinzugekommene Fremdkörper zu betrachten sein.« Ich habe, nicht etwa nur im Hinblicke auf diesen Widerstreit der Angaben, sondern auch gedrängt von dem Wunsche, diese so merkwürdige Bildung durch den eigenen Augenschein kennen zu lernen, die Röhren verschiedener Cerianthus-Exemplare genau untersucht. Das Ergebniss dieser Untersuchung fiel vollkommen zu Gunsten Hamr’s aus. Die Cerianthus- Röhren bestehen in der T'hat nahezu ausschliesslich aus (zum grössten Theile entladenen, nur zu kleinem Theile nicht oder nur halb entladenen) Nesselorganen, deren überaus lange, röhren- artige Fäden zu einem dichten Gewebe?) verfilzt, respective verklebt sind. Stellenweise ist das Gewirre dieser 3—10 » dicken Fäden so dicht, dass für irgendwie nennenswerthe Mengen einer Zwischensubstanz überhaupt der Raum fehlt; immerhin wird man auch hier kaum in der Voraussetzung einer Kittsubstanz irre gehen. Aber selbst bei dem Zugeständnisse einer a) Taf. 37. Fig. 22. 1) Harz, J. Memoire sur le Cerianthe |Cerianthus membranaceus). Ann. Sc. N. (4) Tome 1. p. 354. (1854.) 2) Heıper, A. v. Cerianthus membranaceus Haııme. Ein Beitrag zur Anatomie der Actinien. Sitz. Ber. Akad. Wien. 79. Bd. p. 16. (1579.) *) v. HEIDER verweist hier ausser auf HaımE auch noch auf Mırwe Epwarnps, Hist. Nat. des Coralliaires. 1857. p. 307, und auf Gosse, British Sea Anemones. 1860. p. 269; die Angaben der letzteren zwei Autoren scheinen aber lediglich auf denjenigen HaımE's zu beruhen. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 46 362 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. viel copiöseren Antheilnahme einer solchen Zwischenmasse, einerlei ob sie sich mit dem von Heiner erwähnten erhärteten glasigen Schleime deckt oder nicht, bliebe es immer noch un- erklärlich, wie genannter Autor zu der HımeE und dem wahren Sachverhalte so durchaus widersprechenden Ansicht gelangen konnte, dass erhärteter Schleim den Hauptbestandtheil der Röhre, die Nesselkapseln dagegen, ähnlich wie der aussen anhängende Sand und Schlamm, nur secundär hinzugekommene Fremdkörper bildeten. Wer auch nur einmal eine solche Röhre mit der Präparirmadel zu zerzupfen versuchte und auf den allen fadigen sowie filzigen Geweben eigenen Widerstand stiess, kann schwerlich die Meinung festhalten, dass jener vorwiegend ein homogenes Substrat zu Grunde liege. Ich vermag mir die Sache nicht anders zu erklären, als dass v. Hzıper die Unter- suchung vollkommen ausgebildeter Röhren unterlassen und sich darauf beschränkt hat, jenen allerdings glasigen, nur wenig Nesselorgane beigemengt enthaltenden Schleim zu prüfen, welchen beunruhigte 'Thiere in den Zuchtaquarien oder Untersuchungsbehältern abzuscheiden pflegen. Dass übrigens die Nesselkapseln auch bei anderen Actinarien zur Bildung von Wohn- röhren benutzt werden, ersehe ich aus folgender Bemerkung von Mörıus'): »Edwardsia duodeeimeirrata Sars umgiebt, wie alle Arten von Ilyanthiden, ihren Leib mit einer aus Nesselkapseln bestehenden Hülle, an welcher stets Sandkörner oder andere Bruchtheile des Bodens festhängen. « Schon Hame?) ist die grosse mechanische und chemische Widerstandskraft der Röhren aufgefallen; er betont, wie eine gewisse Kraft dazu gehöre, um deren Gewebe zu zerreissen, und wie er dieselben mehrere Monate hindurch in Seewasser gehalten habe, ohne dass sich ihre ursprüngliche Beschaffenheit irgendwie verändert hätte; auch diese für die cutieularen Membranen, überhaupt die Gerüstsubstanzen charakteristische Eigenthümlichkeit kann ich für Cerianthus bestätigen. Ebenso betonte Mögıus’), die grosse Dauerhaftigkeit der Nesselkapseln im Allgemeinen. In viel präciserer Weise ist aber diese zwischen der Cerianthus-Röhre und den Gerüst- substanzen waltende Uebereinstimmung durch die Resultate einer von KRUKENBERG!) ausge- führten chemischen Untersuchung zum Ausdrucke gekommen. Dieser Untersuchung zufolge liegt nämlich dem Hauptbestandtheile der Röhre eine dem Spirographin chemisch sehr nahe stehende Substanz zu Grunde. Da das Spirographin den wesentlichen organischen Bestand- theil der Spürographis-Röhre ausmacht, so wäre damit zugleich auch von chemischer Seite her eine Stütze für den Vergleich der Coelenteraten- und Anneliden-Hautsecrete, oder zwischen den Stäbchen (Fäden) der einen und den Nesselorganen der anderen gewonnen. KRUKENBERG freilich scheint sich kaum bewusst gewesen zu sein, dass er in der Analyse der Cerianthus- Röhre auch zugleich eine solche der Nesselorgane geliefert hatte, indem er mit Rücksicht auf das »Morphologische der Hülle« einfach auf die Arbeit v. Heier's verwies. 1) Möstvs, K. Ueber den Bau, den Mechanismus und die Entwickelung der Nesselkapseln einiger Polypen und Quallen. Abh. Naturw. Verein Hamburg. 1866. p. 12. 2), 1..,P. 861.20. P-..357% 3), 12 p2 862, veap. 1: 4) 1. p. 345. I. R. 1. Abtheilung. e. p. 54. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. a. Coelenterata. 363 Die Einsicht, dass die Nesselorgane in erster Linie Haftorgane sind, haben wir Mösıvs!) zu verdanken. Er zeigte das Irrige der Vorstellung, derzufolge die Nesselorgane Waffen in dem Sinne darstellten, dass sie sich in die Gewebe des Feindes oder der Beute einbohrten, an der Hand unzweideutiger Experimente und erwies statt dessen als allein richtig, dass sie vermöge ihrer kräftigen Adhäsion (ich glaube Klebrigkeit!) den Feind, respective die Beute festhalten. Wer seine Finger zwischen Seerosententakel hält — schreibt Mösrus — hat eine ähnliche Empfindung, wie Spinnfäden hervorbringen, wenn sie die Haut berühren. Ich kann auf Grund zahlreicher in der Zoologischen Station angestellter Beobachtungen die Auffassung von Mößıvus vollauf bestätigen. Dass eine solche Auffassung die Nessel- oder die Giftwirkung nicht ausschliesst, braucht kaum hervorgehoben zu werden; aber letztere Wirkung ist eben eine begleitende, bald kräftig, bald schwach, bald kaum nachweisbar entwickelte; die Hanptfunction ist und bleibt diejenige eines »Fangapparates«, also dieselbe, welche auch bei den entsprechenden Gebilden der Anneliden ursprünglich wohl allein oder doch wenigstens in erster Linie zur Ausbildung gelangt zu sein scheint. Im Vorhergehenden habe ich, auf die Lehrbücher der Zoologie und vergleichenden Anatomie hinweisend, hervorgehoben, wie sich die morphologische Einheit von Stäbchen und Nesselorganen einer ziemlich allgemeinen Anerkennung erfreue, wie ferner als ausschlaggebend für solchen Vergleich die 'Thatsache hingestellt zu werden pflege, dass beide Bildungen Pro- ducte des Integumentes darstellen. Dem gegenüber darf nun nicht unerwähnt bleiben, dass gerade in Bezug auf die hier zur Sprache gekommenen Cnidaria, nämlich die Cerianthiden und Actiniden, auf Grund neuerer eingehender Forschungen behauptet wird, Nesselzellen ent- ständen sowohl im Ecetoderm als im Entoderm. v. Heer?) spricht sich noch sehr reservirt über die Sache aus, dagegen erklären die Brüder Herrwis®) mit grosser Bestimmtheit: »Die Nesselzellen sind sowohl im Eetoderm als im Entoderm verbreitet, in ersterem sind sie am reichlichsten an den Tentakeln und Randsäckchen, in letzterem an den Mesenterialfilamenten und an den Acontien angehäuft. In beiden Blättern treten sie in verschiedenen Modificationen auf.« Dieselben Autoren constatiren aber an einer anderen Stelle‘) des citirten Opus, die Auffassung v. Hriver’s (derzufolge die Mesenterialfilamente wegen der grossen Aehnlichkeit ihrer Epithelzellen mit denjenigen des Schlundrohres eetodermalen Ursprunges sein sollen) bekämpfend, Folgendes: »Ein derartiger Rückschluss aus der histologischen Beschaffenheit auf die Entwiekelungweise lässt sich nicht rechtfertigen, bei den Actinien am wenigsten, da die detaillirte Analyse, welche wir vom Ecto- derm und Entoderm dieser Thiere gegeben haben, mit Sicherheit erkennen lässt, dass beide Körperschichten sich hinsichtlich ihres histologischen Charakters fast gar nicht von einander unterscheiden.« Ich möchte dem gegenüber nur bemerken, dass Thiere wie die Actinien, »bei denen Ve Pr362..c. p. 12: D)El-aprBolleuc. pP. 24, : 3) Herrwıc, ©. und R. Studien zur Blättertheorie. Heft I. Die Actinien. Jena 1879. p. 176. Alam. 208% c. p. 123. 4n* 364 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. sich Eeto- und Entoderm hinsichtlich ihres histologischen Charakters fast gar nicht von ein- ander unterscheiden«, jedenfalls kein geeignetes Object darstellen, um Relationen, welche sich zum Theil gerade auf die (bei den meisten übrigen '['hieren) distinete Beschaffenheit der beiden genannten Schichten stützen. in Frage stellen zu können. Es scheint mir umgekehrt die Thatsache, dass bei Actinien Eeto- und Entoderm sich histologisch decken, selbst ein noch der Aufklärung bedürftiges Factum darzustellen. b. Echinodermata. Auch aus diesem 'Thierkreise habe ich nur einen unser Gebiet berührenden Fall vor- zuführen, aber einen kaum weniger interessanten als den vorhergehenden: es sind die soge- nannten Cuvıerschen Organe der Holothurien. Diese von Cuvier entdeckten und von JoHANnNEes MÜLLER nach ersterem benannten drüsigen Anhänge des Holothurien-Enddarmes treten nur bei einzelnen Arten oder Gattungen dieser Gruppe auf, besonders bei den mit sogenannten Wasserlungen (Kiemen) ausgerüsteten. Sie bestehen meist aus eimer grossen Anzahl cylindrischer Schläuche, welche entweder ge- meinsam mit den Kiemen, oder doch in deren Bereiche in die Cloake einmünden. Lange Zeit hindurch standen sich die Deutungen dieser problematischen Organe in auffallendem Widerspruche gegenüber. Cuvier hielt sie für Hoden; JÄGER, Carus und LEyDıG glaubten in ihnen Harnorgane zu erkennen; Bronx endlich dachte wegen ihrer Vergesell- schaftung mit den Wasserlungen oder Kiemen an eine respiratorische Function. Alle diese Muthmaassungen waren gleicherweise verfehlt. Erst Semper') hat, gestützt auf seine zahlreichen Beobachtungen an lebenden Thieren, deren wahre Function erkannt; er sah nämlich, wie die Cuvier'schen Organe nicht nur ausgestülpt und wieder eingezogen werden können, sondern wie sie auch im Stande sind massenhaft klebrige, im Wasser ungemein stark aufquellende Fäden zu entladen, und erklärte sie daher für zur Vertheidigung gegen Feinde“) be- stimmte Waffen. Dieser Auffassung schlossen sich alle diejenigen Forscher, welche sich in der Folge mit den Cuvier’schen Organen beschäftigten, einstimmig an; so namentlich GREEFF, JOURDAN, Hamann und Ber. GREEFF?) hat die Art, wie sich die 'Thiere dieser Waffen bedienen, sowie auch das Verhalten des dabei in Betracht kommenden fadigen Secretes so anschaulich beschrieben, dass ich im Interesse derjenigen Leser, welche das Object nicht aus eigener Anschauung kennen, seine Schilderung wörtlich zum Abdrucke bringe: »Die Cuvirr’schen Organe habe ich vor einigen Jahren auf den canarıschen Inseln (Lanzarote) an l) Seurer, K. Reisen im Archipel der Philippinen. II. Wissensch. Resultate. 1. Bd. Holothurien. p. 139. 2) Greerr, R. Ueber den Bau der Echinodermen. Vierte Mittheilung. 2. Ueber die Cuvrer'schen Organe der Holothurien. Sitz. Ber. Ges. Naturw. Marburg. 1876. p. 29. “) Ich entnehme dies aus Citaten anderer Autoren: das Srmrer’sche Werk steht mir leider nicht zur Verfügung. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. b. Echinodermata. 365 einigen der dortigen Holothurien, namentlich Holothuria Poli und einigen anderen beobachtet. Versuchte ich eines dieser in der Nähe der Küste zwischen und unter Steinen und in Felslöchern sehr häufig vorkommenden 'Thiere zu ergreifen, so fuhr bei den ersten Berührungen ein Strahl zahlloser milchweisser Fäden aus dem After hervor, die sich vertheilend und lang ausziehend augenblicklich das Wasser in der ganzen Umgebung erfüllten und sich an alle hier befindlichen Gegenstände anhefteten. Namentlich wurde die das 'Thier ergreifende Hand von dieser äusserst klebrigen Fadenmasse sogleich umsponnen. Es kostete Mühe und Geduld, die bei jedem Versuch, sie zu entfernen, immer von Neuem an den Fingern fest an- klebenden und sich in feine und feinste Fäden spinnwebartig ausziehende Substanz los zu werden. Man sah deutlich, dass, wenn die Fäden mit Gewalt hervorgeschleudert wurden, sie sich lang aus- streckten und allmählich wieder verkürzten. Diese Elastizität, namentlich die grosse Ausdehnbarkeit in feine Fäden bildet neben der überaus intensiven Klebrigkeit bei der ersten Prüfung die hervortretendste Eigenschaft dieser Gebilde, die, wie die genauere Untersuchung der Thiere, von denen sie herrührt, lehrt, nichts Anderes als die Cuvirr’schen Organe sind. Selbst bei denjenigen Exemplaren, die unter meinen Augen eine sehr reichliche Menge dieser Organe entleert hatten, fand ich in der Regel bei der Oeffnung der Leibeshöhle noch dieke Convolute von einfachen d. h. unverästelten weissen Fäden der Cloake anhängen. Ich kann somit meinerseits, namentlich nach den oben erwähnten Beobachtungen auf den Canaren, der, soviel ich weiss, zuerst von C. SEMPER ausgesprochenen Ansicht, dass die Cuviur'schen Organe der Holothurien Waffen darstellen, die zum Zwecke der Vertheidigung nach aussen hervorgeschleudert werden, nur beistimmen. Bert!) gebührt das Verdienst, die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt wieder auf eine (schon von SEMPER zu Gunsten seiner Auffassung erwähnte) in Cornwall vorkommende Holothurie gelenkt zu haben, bei welcher die Cuvier’schen Organe in einer so ausserordent- lichen Weise entwickelt sind und in Folge dessen auch das fadige Secret so copiös entleert wird, dass ihr von den Fischerleuten der Name »Cotton Spinner« (auch »Nigger« wegen der schwarzen Farbe des Thieres) beigelegt wurde. Bern hat ferner darauf hingewiesen, wie schon Peach im Jahre 1845 sich über die Bedeutung des Secretes (allerdings ohne dessen Abhängig- keit von den Cuvirr'schen Organen zu kennen) in einer mit Semrer durchaus überein- stimmenden Weise ausgesprochen und sie sogar durch Mittheilung entsprechender Erfahrungen gestützt habe. Gegenüber dem so lange über die Bedeutung der Cuvier’schen Organe herr- schenden Dunkel ist es von hohem Interesse, diese so exacten, schon vor mehr als 40 Jahren über deren Secret gemachten Beobachtungen kennen zu lernen. Pracn? äussert sich fol- gendermaassen: »This Holothuria is very common in deep water off the Deadman in certain localities (rocky ground), and is called by the fishermen a »Nigger‘, and at times a »Cotton Spinner« it is held by them in great detestation, from its throwing out what they call »ceotton«, of which more by and by, and from its slimy nature, and also because where the »Niggers« are numerous and get into the crab pots, it is very rarely that either crabs or lobsters are caught, and therefore they kill all they come near with their knives, because they do not like to touch them.« »It is extremely irritable, and on being touched or disturbed, throws out a bunch of white tapered threads about an inch in length and one-eighth in thiekness; these soon become attenuated, either by the agitation of the water or the coming into contact with something, and are drawn into very long threads of great tenacity, they stick to everything they touch, and from these the animals are called »cotton spinner« 1) Brur, JEFFREY F. Studies in the Holothuroidea. IV. On he Structural Characters of the Cotton Spinner Holothuria nigra) ete. Proc. Z. Soc. London. 1884. p. 372. ‘ 2) PeacHh, W. C. On the »Nigger« or »Cotton Spinner« of the Cornish Fishermen. Ann. Mag. N. H. Mol. 115.31845. p. 171. 366 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) 'Theil. by the fishermen. This small bunch is drawn into a large mass of threads, so small that the finest sewing- cotton is not equal to it, and is no doubt one of the means of defence provided for its preservation; for J have seen a crab so completely entangled in it as not to be able to move, and a fish only able to get away after a long struggle.« Berr') fügt den eben citirten Angaben seines Vorgängers noch folgende nicht weniger interessante, seinerseits an dem Secrete des »Cotton Spinner« gemachte Erfahrungen hinzu: »It is not to be thought that so small a portion of the tubes would not be of some size in the water, for 2—5 mm of one of these tubes may, even after nearly twenty years’ preservation in spirit, be stretched out to a lensth of more than 30 mm, and this attenuated thread swells up so much in water that, while measuring one division of the mierometer when dry, it occupies seven divisions after treatment with distilled water for ten minutes. We can thus understand that an anımal at whom these threads are thrown should, as it attempts to escape, lengthen the threads which, at the same time, coming into contact with the water, would be swollen out transversely as they were extended longitudinally«. Muss man sich angesichts dessen nicht der gelben Stränge oder Spinndrüsen des Polyodontes erinnern, welche nach vieljähriger Conservirung in Alcohol noch ebenso in immer feinere und feinere Fäden gespalten werden können wie im frischen Zustande? Ferner überzeugte sich BerL?) von der ausserordentlichen — wie es scheint allen Faden- secreten eigenthümlichen — Resistenz dieser Holothuria-Gespinnste, indem 6 überaus dünne »when so thin as to be barely visible«) Fäden ein Gewicht von 50—60 Gramm (ba weight of between S00 and 1000 grains«) zu tragen vermögen. Ich selbst hatte viele Jahre hindurch Gelegenheit das Functioniren der Cuviersschen Organe zu beobachten. Von gewissen Fangplätzen des neapolitanischen Golfes wird man selten das Schleppnetz heben können, ohne dass sich unter dem erbeuteten Materiale auch Exem- plare der ziemlich gemeinen Holothuria Polü finden, und das Erste was zu geschehen hat ist, diese 'Thiere aus den Gefässen zu entfernen, indem sie sonst mit ihrem überaus reichhaltigen und anhaltend zur Secernirung, gelangenden Fadensecrete alle übrigen Insassen derart um- spinnen, dass man nachträglich die grösste Mühe hat, letztere wieder von ihren Fesseln zu befreien. Aber es lebt im Golfe noch eine mit viel reizbareren und entwickelteren Cuvier'schen Organen ausgerüstete Seewalze, nämlich (nach Losgıanco's Bestimmung) die Holothuria Sanctori. Beunruhigt man ein frisch eingefangenes Exemplar dieser Art, so entleert es grosse Mengen relativ voluminöser Schläuche, und diese letzteren sind von so ausserordentlicher Quellbarkeit, dass sie sich spontan nach allen Richtungen hin auszudehnen und zugleich in immer feinere Stränge zu zertheilen vermögen; dabei bäumen sich die Fäden auf und man kann sich ange- sichts dieses Vorganges kaum des Gedankens erwehren, dass schon der blosse Anblick so vieler beweglicher, nach allen Richtungen hin schiessender Fäden einem etwaigen Feinde der Holo- thurie gewaltige Angst einjagen müsse. Darin scheint die Holothuria Sanctori viel mit der H. nigra gemein zu haben; denn Berr’) hatte von der Art, wie letztere die Fäden auswirft, eben- L)=p.28365 05 p31: 2) BELL, JEFFREY F. A Rare British Holothurian. Nature Vol. 30. 18S4. p. 147. 3) 1. p. 366. e. p. 147. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. b. Echinodermata. 367 falls den Eindruck erhalten, dass sie jedes in ihrem Bereiche befindliche Geschöpf mit Furcht erfüllen müsse. Der Ansicht, dass die Cuvirr'schen Organe Vertheidigungswaffen darstellen, kann ich demnach auch auf Grund meiner eigenen Erfahrungen sehr wohl beitreten; nur möchte ich die Frage aufwerfen, ob diese Waffen eventuell nicht auch in aggressivem Sinne gebraucht werden. Dass kleinere Fische, Krebse oder Schalenthiere, welche sich einer etwa auflauernden Holothurie unvorsichtig genähert und die Entladung ihrer nicht erschöpften Cuvier’'schen Organe entgegengeschleudert erhalten hatten, in vielen Fällen zur Fortbewegung untauglich sein werden, ist unbestreitbar; aber — so wird man mir entgegnen — die Holothurien ernähren sich von Detritus. Wenn ich selbst dahingestellt sein lasse, ob das für alle Fälle richtig ist, denn Pracr') sagt von der Holothuria nigra: »Ihey eat portions of dead fish, shells ete. (I have reasons for believing Terebella) I have found in their intestines a Biceinum incrassatum, with the animal in it, portions of Balani, Echini, Nullipora, sand« ete., so steht doch dem Nichts im Wege, dass die Holothurie, welche eine Beute mit dem Secrete ihrer Cuvier'schen Organe ein- gesponnen hat, deren Decomposition abwartet, um sie sodann zu verzehren. Für den Fall, dass diese Vermuthung richtig wäre, so bestände eine auffallende Ueber- einstimmung des Functionirens zwischen den Cuviue’schen Organen einer- und den Spinndrüsen des Polyodontes andererseits. Mit der Structur dieser merkwürdigen Anhänge des Seewalzen-Hinterdarmes haben sich früher SEmrEr und GREEFF und neuerdings eingehender Jourpan?) und Hamann’) / beschäftigt. Leider herrscht noch keineswegs Klarheit in der Interpretirung der etwas complieirten Ver- hältnisse. So viel scheint mir aber aus einem Vergleiche der verschiedenen Beschreibungen hervorzugehen, dass die einzelnen Schläuche der Cuvirr'schen Organe vom Peritoneum über- zogene Drüsenkörper darstellen, deren Zellen das eigenthümliche im Schlaucheentrum ange- häufte Fadensecret ausscheiden. Eine besondere Muskulatur hält im Verein mit der peritonealen Membran die spiralig aufgerollte Fadenmasse fest; auch mag diese Muskulatur beim Aus- stossen der Schläuche betheiligt sein. Indem die Schläuche in’s Freie gelangen, verlieren sie ihre peritoneale Hülle, die sie bis dahin einengende Muskulatur wird gelockert und nun quellen die Fäden auf, um in der oben geschilderten Weise ausgesponnen zu werden. Die fernerhin sich etwa mit der Structur der Cuviersschen Organe beschäftigenden Forscher müssten ihr Hauptaugenmerk auf das Verhältniss der Drüsenzellen zu ihrem Secrete, den Fäden, richten, indem gerade über diesen wesentlichsten Punkt so gut wie Nichts bekannt ist. Auch wäre es von hohem Interesse, die Entwickelungsweise dieser Organe kennen zu lernen, sowie den Modus und das Tempo ihrer Regeneration. Vlaps Bborsc. p-217: 2) Jowrpan. Et. Recherches sur Histologie des Holothuries. Ann. Mus. H. N. Marseille Tome 1. 1883. p. 41. 3) Hamann, OÖ. Beiträge zur Histologie der Echinodermen. II. Mittheilung. 2. Die Gvvrer'schen Organe. Zeit. Wiss. Z. 39. Bd. 1883. p. 314. 368 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Nach KrukengBerG!) enthalten die Cuvier'schen Organe der Holothuria Polü Trypto- collagen, ausserdem vielleicht auch etwas Mucin. Demnach würden die fadigen Secrete der Seewalzen — wenigstens ihrer chemischen Natur nach — ziemlich weit von denjenigen der Würmer abstehen. Auch an einen morphologischen Vergleich ist vorläufig nicht zu denken. Wissen wir doch nur wenig von der Structur, noch weniger von der Ontogenie und gar Nichts über die Phylogenie dieser Organe. Wenn man nun aber fragt, warum ich trotz alledem die Cuvier’- schen Organe hier erwähnt habe, so antworte ich: wegen der so auffallenden Ueberein- stimmung, die ihre fadigen Secrete mit denjenigen der Spinndrüsen von Anneliden ete. dar- bieten. Immer von Neuem werden die »unleugbaren Beziehungen« zwischen Anneliden und Echinodermen hervorgehoben; wenn aber diese »Beziehungen« mehr als Phrase bedeuten sollen, so können damit nur gemeinsame Abstammung oder Blutsverwandtschaft gemeint sein, und sind die Gruppen blutsverwandt, so müssen sich früher oder später auch die Organe auf- einander oder auf etwas gemeinsames Drittes zurückführen lassen. Diese Zukunft habe ich im Auge, wenn ich nicht davor zurückschrecke, auch Relationen solcher Organe in’s Auge zu fassen, deren morphologische Dignität erst noch festzustellen ist. c. Vermes excl. Annelides. Den Uebergang von den Nematocysten (Nesselorganen) der Cölenteraten zu den Stäb- chen und Fadensecreten der Anneliden vermitteln in einer den strengsten Anforderungen der Morphologie Genüge leistenden Weise die entsprechenden Integumentproducte der Turbellarien. In Folge ihres gleichzeitigen Besitzes einfacher Stäbchen und voll- kommen ausgebildeter Nesselorgane war es gerade diese Plathelminthengruppe, welche zuerst zu einem Vergleiche der Annelidenstäbchen mit den Nematocysten der Cnidaria heraus- forderte. Eine ziemlich reiche Literatur hat sich schon über diesen Gegenstand angesammelt und als Resultat derselben darf constatirt werden, dass sich die meisten Forscher zu Gunsten der Homologie der beiderseitigen Hautproducte ausgesprochen haben. Von neueren Autoren war es insbesondere v. GrArr, der die hier einschlägigen Fragen anhaltend verfolgte. In seiner Monographie der »Rhabdocoelida« gab derselbe eine so umfassende Darstellung alles des die Morphologie und Physiologie der Plathelminthen-Stäbchen Betreffenden, dass es für unseren Zweck genügt, allein dieses Opus, in welchem überdies die gesammte bezügliche Literatur zusammengefasst wird, ins Auge zu fassen. GRArF?) sondert die stäbchenförmigen Integument- einschlüsse der 'Turbellarien in folgende vier Gruppen: »Nematoeysten, Sagittocysten, Rhabditen und Pseudorhabditen. Nematoeysten sind solche, den gleich- namigen Organen der Coelenteraten völlig gleichgebaute krug- oder eiförmige Gebilde, welche in ihrem Inneren einen durch Druck oder auf Reiz nach aussen ausstülpbaren Faden bergen. Die Länge dieses Fadens 1) 1. p. 345. 2. R. 1. Abtheilung e. p. 47 und 73. 2) Grarr, L. v. Monographie der Turbellarien. I. Rhabdocoelida. Leipzig 1882. p. 49. I. Haut. 2. Vergleich mit anderen Thierclassen. c. Vermes excl. Annelides. 369 kann sehr verschieden sein, derselbe muss aber stets mit der Wand der Cyste an der Einstülpungsstelle zu- sammenhängen. Die Sagittocysten unterscheiden sich dadurch von den Nematocysten, dass sie statt des Fadens eine feine, völlig selbständige Nadel einschliessen, die bei der Entladung ausgeworfen wird und nicht mit der Wand der Cyste zusammenhängt. Unter dem Namen der Rhabditen vereinige ich die stark licht- brechenden, glasartig homogenen Stäbchen, welche weder einen Faden noch eine Nadel einschliessen und dureh ihre glatte Oberfläche, regelmässige Gestalt und ihren Glanz auffallen. Dagegen erscheinen die Pseudorhabditen weniger regelmässig gestaltet, von unebener Oberfläche, aus feinkörniger Substanz bestehend und daher des Glanzes entbehrend.« Die weiteste Verbreitung haben die Rhabditen, also dieselbe Stäbchenformation, welche (neben den Pseudorhabditen und Fäden) auch bei den Anneliden vorwaltet. Besonders angehäuft pflegen die Stäbchen am Vorderende der damit ausgerüsteten 'Thiere aufzutreten; sodann bei platten Formen hauptsächlich an den Rändern. Besonders bemer- kenswerth ist ihr Vorkommen im Rüssel einzelner Arten. Sie entstehen zu je mehreren in besonderen Epithelzellen. Rücken letztere tief in das Körperparenchym, so werden die Stäb- chen durch die sogenannten Stäbchenstränge, das heisst durch protoplasmatische Fäden, welche directe Fortsätze der nackten Bildungszellen darstellen, nach aussen befördert. Die meisten Autoren haben die Plathelminthenstäbchen für mesodermale Gebilde er- klärt; nur Harıez verfocht deren ectodermale Abstammung; v. GrArFF gelangte nun zu dem gleichen Schlusse wie Harrzz, indem er annimmt: »dass die Rhabditen ursprünglich in Epidermiszellen entstehen, und dass die Bildungszellen, welche später im Parenchym gefunden werden, nichts anderes seien, als aus dem Verbande des Epithels der Haut nach innen gerückte, dislocirte Zellen, die ihren Zusammenhang mit dem Epithel bloss noch durch die Stäbchenstränge aufrecht erhalten.« Uebrigens hat, wie derselbe Autor hervorhob, auch Serenka bei Polycladen den Nach- weis einer solchen Entstehung der Stäbchen in ectodermalen Nesselzellen erbracht. v. GRAFF spricht sich schliesslich rückhaltslos zu Gunsten der schon durch M. MÜrLer und Levcrarr angebahnten Homologie zwischen Stäbchen und Nesselorganen aus, indem er insbesondere auf die zahlreichen zwischen diesen beiden Endgliedern vorkommenden Uebergangsformen hinweist. In einer Anmerkung auf p. 57 seines citirten Opus erwähnt v. Grarr die von zahl- reichen Autoren gemachte, aber neuerdings durch v. Stein als unrichtig bezeichnete Angabe, dass gewisse Infusorien auf Reiz feine Fädchen auswerfen, welche als Nesselorgane anzusehen seien, und fügt dem hinzu: »Wie es sich mit den stäbchenförmigen Hauteinlagerungen der Chaetopoden verhält, ıst aus der vor- handenen Literatur nicht zu ersehen.« Es scheinen demnach v. Grarr die im vorhergehenden Abschnitte ceitirten Schriften Körıker’s und CLAPrarepe's unbekannt geblieben zu sein. Auf die von unserem Autor über die physiologische Bedeutung der Stäbchen und Nesselorgane ausgesprochenen Ansichten werde ich in einem anderen Theile meiner Mono- graphie*) zurückzukommen haben. «) Vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Haut. Zool, Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 47 370 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Dass auch den Seeplanarien (Polyeladen) stäbehenförmige Integumentein- lagerungen zukommen, ist schon dureh verschiedene ältere Untersuchungen erwiesen worden; neuerdings hat aber Lana‘) in den »mikroskopischen Waffen von Anonymus virilis« einen Fall verzeichnet, der mehr als irgend ein anderer geeignet ist, nicht nur dieses Vor- kommen zu illustriren, sondern auch die Vergleichbarkeit dieser Bildungen insbesondere nach der Annelidenseite hin zu erhöhen. Im ganzen Körperparenchym des Anonymus, besonders reichlich aber am Vorderende finden sich erstens echte Nesselkapseln, zweitens stachel- oder spindelförmige Kapseln mit einer soliden Nadel, drittens solide Nadeln, und viertens freie Nadeln, an welchen ein Faden spiralig aufgerollt ist. Diese verschiedenartigen Waffen, welche im Parenchym entstehen und auf besonderen, den Stäbchenstrassen der Rhabdocoelen vergleichbaren Bahnen der Körper- obertläche zugeführt werden, finden sich derart zu Watffenlagern oder Batterien vertheilt, dass je Bündel zahlreicher rhabditenähnlicher Nadeln von einzelnen Hohlstacheln und Nematocysten durchsetzt oder umgeben werden. Was aber uns hier hauptsächlich interessirt, weil dadurch sowohl diese Gebilde, als auch die verwandten der Rhabdocoela den Stäbchen oder Fäden secernirenden Drüsen der Anneliden noch viel näher gebracht werden, ist der folgende Schluss, zu dem Lang bezüglich der anatomischen Definition dieser seiner »Waffenlager« gelangt ist: »Alle diese Einrichtungen scheinen mir wie mit einem Schlage verständlich zu werden, sobald man die Watfenwerkstätten wie die Stäbehenbildungszellen als Hautdrüsen, die Waffenstrassen wie die Stübehen- strassen als die Ausführungsgünge dieser Drüsen und die Watten wie die Stäbchen als geformte Drüsen- seerete auffasst. Die Watlen werden in den Watflenstrassen ganz so weiter befördert, wie das Secret irgend einer Drüsenzelle im Ausführungsgang derselben, und sie werden wahrscheinlich nach Einwirkung gewisser Reize ganz so nach aussen entleert, wie unter ähnlichen Verhältnissen das Secret irgend welcher Drüsen.« In noch höherem Grade werden wir aber an die Fadenseerete der Anneliden - Drüsen durch die schon von Daıyenn?) an seiner Planaria felina gemachte Beobachtung er- innert, derzufolge dieses Thier, um sich von der Wasserfläche auf den Boden sinken zu lassen, Fäden spinnt. Dawyerrs Schilderung lautet: »it seems to exereise a faculty belonging to the caterpillar, of spinning a silken thread« etc. Ferner: »a complete view of its effect may be obtained by including a plant of Veronica, erowded with planariae, within a tall glass jar. "Their numerous descents from the upper leaves quickly form a perceptible column, owing to the infinity of glutinous or silken lines.« SCHNEIDER‘) hat dann die Darverr'sche Beobachtung dahin ausgedehnt, dass viele Rhab- docoeliden aus jenen Fäden auch förmliche Netze spinnen und so zum Fange ihrer Beute {) Lane, A. Die Polyeladen des Golfes von Neapel. NIIL. Monographie herausg. von der Zool. Station zu Neapel. Leipzig 1SS4. p. 60. 2) Darvere, G. J. Observations on Some Interesting Phenomena etc. of Planariae. Edinburgh 1814. p. 46. 3) SCHNKiDER, A. Untersuchungen über Plathelminthen. 14. Jahresb. Oberhess. Ges. f. Natur- und Heilkunde. Giessen 1873. p. 24. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. c. Vermes exel. Annelides. d. Arthropoda. 371 benutzen; auch constatirte er, dass die Ausscheidung des betreffenden Secretes durch besondere, in einer ventralen Zone der 'Thiere gehäuft stehende »Spinndrüsen« bewirkt werde‘). Es ist kaum zu bezweifeln, dass wir in diesen hauptsächlich bei den räuberisch lebenden Mesostomeen entwickelten Drüsen Bildungen vor uns haben, welche gewissen zur Anfertigung von Fangnetzen dienenden Spinndrüsen der Anneliden vergleichbar sind. Durch Max Mürrer') wurde das gleichzeitige Vorkommen von Stäbchen und Nessel- organen auch bei einer Nemertine (Meckelia sp.?) beobachtet und zwar ausschliesslich am Rüssel dieser gefrässigen 'Thiere. Husrecnt? hat sodann dieselben Gebilde in der Rüsselwandung fast aller unbewaffneten Nemertinen nachzuweisen vermocht: »Sie sind — sagt IHuprecrhn — allerdings von sehr verschiedener Grösse und werden als Stäbchen ausgeworfen, nachdem der Rüssel ausgestülpt ist. Alle diese Stäbehen lassen je einen Nesselfaden hervor- treten, welche sich sodann zu Ilunderttausenden in das umgebende Seewasser verbreiten.« Ihr ausschliessliches Vorkommen am Rüssel spricht sehr dafür, dass auch bei den Nemertinen die Stäbchen und Nematoeysten zum Einfangen oder Festkleben der Beute dienen (abgesehen von einer überdies möglicherweise statthabenden Nesselwirkung). Dass bei Plattwirmern auch fibrilläre Cuticulae vorkommen, ersehe ich insbesondere aus den die Histologie der Cestoden betreffenden Schriften. So schreibt z. B. Steupeser®: »Bei allen von mir untersuchten Cestoden habe ich die Outieula aus zwei Schichten gebildet ge- funden, von denen die äussere am stärksten entwickelt ist und sich als vollkommen homogene, strukturlose Membran von grosser Klastieität darstellt. Unter derselben liegt eine zweite sehr diinne und mit der oberen fest verbundene faserige Schicht. Dieselbe besteht aus sehr feinen Fasern, welche dicht gedrängt in querer Richtung verlaufen.« Viel entwickeltere Fibrillen finden sich aber an den wie es scheint häufigen Häutungen unterliegenden Nematoden; und unter ihnen zeichnen sich insbesondere die Gordiiden durch die Zahl und Deutlichkeit der Faserschichten aus. VrsnovskY '), von dem diese Familie zuletzt bearbeitet wurde und der auch die bezügliche Literatur revidirt hat, berichtet: »Die Dicke der faserigen Cutieula ist somit sehr bedeutend und misst bei den ' von Gordius tolosanus 14 yw, bei den @ 12%. Die Quer- und Längsschnitte beweisen, dass die Cutieula der Z' aus 14, die der © aus 11 über einander liegenden Schichten der Fasern besteht.« d. Arthropoda. In keiner anderen T'hiergruppe kommen die Cuticularbildungen, sei es in Form schützender Membranen oder fadiger Gespinnste, zu so hoher Geltung wie in dieser. Da nun 1) 1. p: 316, e. p. 28. 2) Huprecut, A. Vorläufige Resultate fortgesetzter Nemertinen- Untersuchungen. Z. Anzeiger. Jahrg. 1879. p. 475. 3) Steupener, F. Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Bes. abgedr. aus; Abh. Nat. Ges. Halle. 13. Bd. 1877 p. 7. 4) VespovskY, F. Zur Morphologie der Gordiiden. Zeit. Wiss. Z. 43. Bd. 1886. p. 374. *) Ich entnehme — da mir die eitirte Schweıper'sche Schrift nicht zugänglich ist — diese Notizen der Monographie v. Grarr’s ]. p. 368. e. p. 59. u. p. 294. 4,” 32 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. überdies die schon frühe auf Grund morphologischer Einsicht stabilirten phylogenetischen Be- ziehungen zwischen Gliederfüsslern und Ringelwürmern eine vielseitige und seitdem immer mehr vertiefte Anerkennung erfahren haben, so muss die Frage, in wiefern speciell die von mir in’s Auge gefassten Integumentbildungen hier noch den »Annelidencharakter« bewahrt haben, respective sich aufeinander zurückführen lassen, ein erhöhtes Interesse darbieten. Die relativ intensive Durchforschung gerade dieses 'Thierstammes ist geeignet die Hoffnung zu erwecken, dass es für ihn leichter sei, als für irgend einen anderen derartige Beziehungen auf- zudecken; aber diese Hoffnung erweist sich als eine trügerische, indem gerade über die unser Problem berührenden Verhältnisse wie: Structur und Entstehung der Cuticula, Zustandekommen und Beziehungen der Gespinnste, morphologische Dignität und embryologische Herkunft der die verschiedenartigen Fadensecrete liefernden Drüsen, nur sehr vereinzelte, nichts weniger als ausreichende Daten vorliegen. So begegnet man in den neueren Schriften immer wieder der Angabe, dass die Cuticula eine geschichtete, von Porenkanälen durchsetzte Membran dar- stelle; dagegen keiner auch noch so flüchtigen Andeutung von fibrillärer Structur. Und doch müsste der Nachweis solcher Structur hier besonders in's Gewicht fallen, weil bei den Arthro- poden (im Gegensatze zu gewissen Anneliden, bei denen die Producte der Spinndrüsen aus Chitin und die Cuticulae aus einer anderen Gerüstsubstanz |Onuphin, Spirographin?] sich auf- bauen) gerade die Cuticulae aus Chitin, die Spinnsecrete dagegen aus anderen Gerüstsubstanzen (Fibroin) zu bestehen pflegen, so dass sich daraus allein schon ergäbe, wie alle diese zwar chemisch differenten, aber doch eine verwandte Reihe bildenden Cuticularsubstanzen sich gegenseitig zu substituiren vermögen. Glücklicherweise finden sich aber wenigstens bei einzelnen älteren Autoren Anhalts- punkte dafür, dass sich auch die Arthropodencuticula in einzelnen Fällen conform dem für die Anneliden aufgestellten Structurtypus, also fibrillär verhalte.. In Köruıker’s!) Unter- suchungen zur vergleichenden Gewebelehre stiess ich nämlich auf den Satz: »Einen faserigen Bau der Chitinlagen hat zuerst H. Mryer bei Zucanus cervus beschrieben, was später C. ScHhmipr für die Flügeldecken vieler Käfer und LsypıG für diejenigen des Hirschkäfers und von Scarabaeus stercorarius und typhaeus bestätigt hat. Ich kenne diesen Bau von den Flügeldecken des Dytiscus marginalis und war es mir hier für die Deutung der Fasern besonders wichtig, dass dieselben nicht in Form diekerer Stäbe, wie bei Zucanus cervus, sondern in derselben Weise, wie bei den Anneliden erscheinen, so nämlich, dass sie eine dichte, feine, in drei Richtungen sich kreuzende Streifung bedingen.« Ferner ersehe ich aus Horsr's?) Dissertation über Lumbrieus, dass auch von Harrıng’) eine fibrilläre Structur der Insecten-Cuticula beschrieben worden ist. Gleiches gilt für den Krebspanzer. Obwohl schon vor Decennien von einzelnen Forschern die unverkennbare Streifung der Schale als auf dem Vorhandensein faseriger Bildungen beruhend hingestellt wurde*), so hat doch die Mehrzahl derselben zu allen Zeiten jene Streifung als eine durch die Porenkanäle verursachte Erscheinung aufgefasst. B) pP. 309. .e.- pP. 22. Harrıng. Leerb. v. d. Grondbeg. der Dierk. 3. Bd. Afd. II. St. I. bladz. 158. (fide Hosr.) ) Nach Turtzere (l. p. 373. c. p. 7.) sind folgende Autoren dafür eingetreten, dass die Streifen des I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 3183 In Bezug auf diese Arthropoden-Abtheilung befinde ich mich aber insofern in einer viel günstigeren Lage, als mir wenigstens eine neuere, speciell auf die hier in Betracht kommenden Verhältnisse gerichtete Untersuchung zu Hilfe kommt, deren Ergebnisse die fibrilläre Structur des Urustaceenpanzers in evidenter Weise bestätigen. Es sind das Turuserg’s') Studien über den Hummerpanzer. Seine hierhergehörigen Resultate sind in folgenden Sätzen enthalten: »Die Ursache dieser Streifung ist, wie oben erwähnt, höchst verschieden erklärt, indem einige Ver- fasser dafür gehalten, dass diese Streifen von Fasern gebildet sind, während die meisten der Ansicht gewesen, dass sie von Kanälchen in der Chitinmasse gebildet werden. Diese zuletzt genannte Ansicht scheint auch begründet zu sein, da Querdurchschnitte, aus trockenen Schalen hergestellt, von deutlich mit Luft gefüllten Kanälchen durchzogen erscheinen. So weit ich habe finden können, sind es jedoch nicht diese Kanälchen, die das gestreifte Ansehen herbeiführen, welches Schnitte von nicht getrockneten Schalen zeigen. Durch Kochen in Königswasser ist es mir nämlich gelungen, das Chitin in der mittleren Schicht des Hummer- panzers und im äusseren Theile der innersten Schicht in wirkliche Fasern aufzulösen, und dasselbe Resultat hat v. Narnustus-KÖNIGsBoRN durch Kochen in Natriumlauge erreicht. Eine andere Art und Weise dieser Fasern isolirt zu erhalten ist die, wenn man mit Präparirnadeln dünne Querschnitte entkalkter Schalen zerlegt. Diese werden in der Richtung der Lamellen leicht aufgeritzt, wodurch aus der Zwischensubstanz lange Stücke dieser Fasern herausgezogen werden, welche Stücke wie eine Franse die Ränder bekleiden, die durch das Zerreissen gebildet worden sind.« Ferner von der äusseren Schicht: »Auch dieser Theil des Panzers scheint demnach von Fasern gebildet, obgleich diese hier äusserst fein sind und deshalb schwer zu entdecken, und sich wenigstens bei den von mir gemachten Versuchen nicht isoliren liessen. Wenn nun die innersten Theile des Panzers Fasern enthalten, so ist wohl anzu- nehmen, dass dieses Verhältniss auch in der äussersten Schicht stattfindet, obschon ihre Fasern noch feiner sein dürften, besonders da, nach Braun’s Angabe, diese Schicht bei den Höckern der Krebsscheeren, wo sie sehr dick ist, sich gestreift zeigt.« Wenn also dem Vorhergehenden zufolge selbst in dem grossentheils aus Kalksalzen aufgebauten Hummerpanzer der organische Schalenbestandtheil noch die fibrilläre Structur er- kennen lässt, so ist das eine starke Stütze zu Gunsten jener vereinzelten älteren Stimmen, welche eine ähnliche Zusammensetzung für den Tracheatenpanzer vertreten haben; ich zweifle denn auch nicht daran, dass künftige Untersuchungen in dem Sinne entscheiden und damit die von mir betonte morphologische Einheit der Cuticulae und Fadensecrete stützen werden.“ Krebspanzers gänzlich oder wenigstens zum Theil von dem Vorhandensein faseriger Bildungen in der Schale her- rühren: Hasse, E. C. Observationes de sceleto Astaci fluviatilis et marini. Dissertatio. Lipsiae 1833. LavAute. Sur le test des Crustaces decapodes. Ann. Sc. N. (3) Tome 7. 1847. p. 352. Huxrey, T. H. Tegumentary Organs. Topp’s Cyclopaedia Vol. 5. 1859. p. 473. und NarHkusıus-KönIGsBorn, W. v. Unters. über nicht celluläre Organismen etc. Berlin 1977. 1) Tuitzere, F. Studien über den Bau und das Wachsthum des Hummerpanzers und der Mollusken- schalen. Svenska Akad. Handl. 19. Bd. No. 3. p. 8 und 9. *) So sehr ich mit Tusvser@ bezüglich der fibrillären Structur des Hummerpanzers ete. übereinstimme, in einem eben so grossen Gegensatze befinde ich mich zu diesem Forscher hinsichtlich seiner Vorstellungen über die Genese der Cuticularsubstanzen. TULLBERG betrachtet nämlich, ähnlich wie Huxtey, diese Substanzen als directe Umwandlungsproducte integrirender Zellentheile, wogegen meine Auffassung, wie sich ja aus allem Vorher- gehenden schon zwingend von selbst ergiebt, mit der hauptsächlich durch ©. Schwmipr, KÖLLIKER, LeyDıG, Häckeı, SEMPER u. A. angebahnten und man kann sagen in neuerer Zeit herrschend gewordenen Lehre zusammenfällt, der- zufolge die Cutieulargebilde Ausscheidungsproducte der betreffenden Zellen darstellen. Geht man auf meinen zwischen den stab- und fadenförmigen Secreten der Hypodermzellen einer- und den 374 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Und nun zu den Spinndrüsen. Würden die hier — meiner Ansicht nach als vergleichbare — in Betracht kommenden Organe insgesammt morphologisch so distinete Relationen aufweisen, wie etwa die Spinndrüsen des Polyodontes oder die Borstendrüsen überhaupt, so wären uns der Anhaltspunkte viele ge- boten, von denen bei dem fraglichen Vergleiche ausgegangen werden könnte. Dem ist aber nicht so, indem einerseits die Spinndrüsen vieler Arthropoden hinsichtlich ihrer morpholo- gischen Dignität noch nicht erforscht sind und andererseits auch bei den Anneliden schon constatirt wurde, wie viele fadige Secrete liefernde Drüsen, im Gegensatze zu den ge- nannten Borstendrüsen, bald in der Haut zerstreut, bald im Bereiche des Munddarmes sich öffnend, auftreten können. So viel haben aber die vorhergehenden Untersuchungen doch er- geben, dass alle jene Drüsen als Hautdrüsen zu betrachten sind, und demzufolge würde für einen Vergleich der Anneliden- und Arthropoden-Spinndrüsen in Ermangelung anderer Criterien, zunächst wenigstens, das eine in der Frage: sind die Spinndrüsen der Arthropoden ebenfalls Hautdrüsen? ausgedrückte Criterium zur Verfügung stehen. Schon die Thatsache, dass die Speicheldrüsen und Serieterien der Insectenlarven in den Vorderdarm münden, macht ihre ectodermale Herkunft überaus wahrscheinlich; Levoıs') rechnete sie denn auch, wahrscheinlich im Hinblicke auf diese ihre Mündungsverhältnisse, zu den Hautdrüsen. Aber zur Entscheidung konnte die Frage doch nur auf Grund embryolo- gischer Einsicht gebracht werden; und eine solche ist auch nicht ausgeblieben. HarscHeX?) wies in seiner Entwickelungsgeschichte des Bombyxw nach, dass die Spinn- drüsen durch Einstülpungen des Vorderdarmes (der selbst durch ectodermale Einstülpung zu Stande kommt) angelegt werden und dass die Speicheldrüsen als Hautdrüsen im engeren Sinne aufzufassen seien. Josern’) kam umgekehrt durch seine an Blatt- und Schlupfwespenlarven angestellten Untersuchungen dazu, »die Spinndrüsen als beziehungsweise primäre Differenzirung des In- tegumentes, als Hautdrüsen, die Speicheldrüsen dagegen als abhängig von der Existenz des Munddarmes, also als beziehungsweise secundäre Differenzirung aufzufassen.« Einerlei aber, ob die Speichel- oder Spinndrüsen das Primäre darstellen, für uns genügt es, dass beide Forscher die Serieterien als Producte des Ectoderms, respective als Hautdrüsen erkannt haben. ähnlich geformten der Spinndrüsen stabilirten Vergleich andererseits ein, lässt man die zwischen den fibrillären Cntieulae und zwischen den ebenfalls aus Fasern bestehenden Wohnröhren, Fangnetzen, Borsten ete. angenommenen Beziehungen gelten, so kann fortan von einem derartigen Widerstreite der Meinungen in Betreff der Genese der Cuti- eulargebilde keine Rede mehr sein. Das Problem ist sodann vielmehr in den Elementarorganismus der Zelle hinein- verlegt und lautet: Wie, wo, wann und wodurch kommen in Haut- oder Hautdrüsenzellen klebrige, stab- und faden- förmige Cutieularelemente zur Ausbildung? 1) Leypie, F. Lehrbuch der Histologie. Frankfurt 1557. p. 117. 2) Hasscner, B. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Lepidopteren. Jena. Zeit. Naturw. 11. Bd. 1877. p. 126. 3) Josern, G. Innervation und Entwickelungsgeschichte der Spinnorgane von Raupen, Blatt- und Schlupf- wespen etc. Jahr. Ber. Nat. Sect. Schles. Ges. Vat. Cult. 1881. p, 117. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 375 Auch 'TıcHomiror') hat auf Grund seiner eingehenden embryologischen Beobachtungen an Bombyx die ectodermale Entstehung der Spinndrüsen constatirt. Sie entstehen nach diesem Forscher gleichzeitig mit den Tracheen und gleichen ihnen anfangs vollständig. Ebenso sollen nach Parren?) bei den Phryganiden die Spinn- und Speicheldrüsen durch specielle Ectodermeinstülpungen, erstere im Bereiche des zweiten Maxillenpaares, letztere im Bereiche der Mandibeln zur Anlage kommen. Endlich hat sich auch Grassı’) in seiner Entwickelungsgeschichte der Biene zu Gunsten derjenigen ausgesprochen, welche eine ectodermale Entstehung der Spinndrüsen dieses Thieres vertraten. Durch wahrhaft colossal entwickelte Spinndrüsen *, ist Peripatus ausgezeichnet. Alles was diese Zwischenform, deren hohe phylogenetische Bedeutung in ihrer Erhebung zu einem besonderen »Protracheatenstamme« Ausdruck fand, bezüglich unseres Problemes er- kennen lässt, darf auf eine besondere Würdigung Anspruch machen, indem darüber nur eine Stimme herrscht, dass sie, wie einerseits zu den Arthropoden, so auch andererseits zu den Anneliden die vielseitigsten und unleugbarsten Beziehungen zur Schau trage. Dieser ihrer so unverkennbaren vermittelnden Stellung haben wir es wohl auch zu verdanken, dass gerade für sie durch eine Reihe morphologischer und embryologischer Untersuchungen die speciell uns hier interessirenden Fragen diejenige Aufklärung erfahren haben, welche wir für die genuinen Arthropoden als noch zum guten "Theile ausstehend zu beklagen hatten. Die von GrugE für Hoden gehaltenen Spinndrüsen des Peripatus wurden zuerst als solche erkannt durch MosererY'). Seine Beschreibung dieser Organe (von P. capensis) erinnert so sehr an einzelne der im Laufe meiner Darstellung von adäquaten Gebilden aus anderen Gruppen mitgetheilte Schilderungen, dass ich — trotz ihrer Ausdehnung — nicht umhin kann, dieselbe wörtlich wiederzugeben, indem dadurch allein schon das allen »klebrige Fadensecrete« secernirenden Drüsen Gemeinsame auch für Peripatus scharf charakterisirt wird. MoseLey sagt: »When suddenly handled or irritated, they shoot out fine threads of a remarkably viscid and tena- cious milky fluid. The threads of fluid are emitted with such remarkable suddenness that it is almost im- possible to observe their passage from the animal’s head; but on close observation with a lens, especially in the case of large specimens, they may be seen to be projected from the tips of the oral papillae. The threads cross one another in various direetions, and form a sort of meshwork, often of considerable com- 1) Tıcmomskor, A. Ueber die Entwickelungsgeschichte des Seidenwurms. Z. Anzeiger. Jahrg. 1579. p. 66. —— Die Entwickelungsgeschichte des Seidenspinners. Arb. Labor. Zool. Mus. Moskau. 1. Bd. (Russisch. Ich entnahm meine Angabe dem Zool. Jahresb. der Zool. Station für 1882. 2. Abth. p. 143.) 2) Parıen, W. The Development of Phryganids etc. @. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 24. 1885. p. 583. 3) Grassı, B. Studi sugli Artropodi. Intorno allo Sviluppo delle Api nell’Uovo. Dagli Atti dell’Accad. Gioenia Sc. Nat. Catania (3) Vol. 18. 1884. p. 33. 4) Moserey, H. N. On the Structure and Development of Peripatus capensis. Phil. Trans. Vol. 164. 1574. p. 759. *) Von Seiten der englischen Forscher werden diese Drüsen »slime-glands«, von Seiten der deutschen »Schleimdrüsen« genannt. Ich bezeichne sie mit dem Namen »Spinndrüsen« und hoffe, dass wenigstens alle diejenigen, welche mit mir von deren Homologie mit den gleichnamigen Organen der Insectenlarven sich überzeugt haben, diesen Terminus adoptiren werden. 376 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. plexity, which suddenly appears, as ıf by magic, suspended from objects lying in front of the animal, and having the appearance presented by a bit of spider's web with the dew upon it. When examined under the microscope the threads are seen to be fine and hyaline, with variously sized highly refractile spindle- shaped globules situate at intervals upon them. They are thus very like the viscid threads of the spider's web. The fluid of the globules is seen under a high power to contain a few fine granules. As it dries under the mieroscope, it forms into a tenacious mass, showing extremely fine lines pervading the threads in the direction of their length, and giving them a fibrillated appearance. The fluid is not perceptibly irritant when applied to the tongue, but has a slightly bitter and at the same time somewhat astringent taste. Small specimens of Peripatus soon exhaust their immediate supply of the fluid, and cannot be induced to make more than two or three discharges at one time even when squeezed hard; but large specimens can make at least a dozen discharges one after another. 'The animals evidently use the fluid as a means of defence; for when they are pricked with a needle or forceps about the side or middle of the body, they turn their head round and aim their discharge at the place at which the injury is being received. The tenacity of the threads formed by the fluid is so great and their viscidity so remarkable, that the meshwork of them thrown out over an inseet or other such enemy would entangle it, and render it powerless for some time, even if it were of considerable size. The fluid adheres most tenaciously to the fingers, just like bird- lime; and when a large Peripatus, when first found and handled, shots out its fluid over its own back and the fingers of the finder, it requires a very hard shake to free it from the hand. Whilst I am writing several flies have walked into some of the fluid which I caused a large Peripatus to discharge upon a glass slide in order that I might test the action of the fluid on my tongue. The flies are helplessly stick fast; and I believe that the fluid is quite sticky enough to hold small birds, though it dries too rapidly to be used for that purpose.« Eine noch viel mächtigere Ausbildung scheinen die Drüsen bei P. torquatus zu erreichen. Nach KexneL!) gehört deren Secret zu dem klebrigsten, was er kennt; es werde mit unglaublicher Gewalt bis in eine Entfernung von mehreren Fuss entladen; die Wirkung sei geradezu verblüffend. Alles in der Nähe werde von dem erstarrenden Secrete mit dichten Netzen übersponnen; nur an der Haut des Peripatus selbst hafte es nicht. Kenner glaubt, dass das Secret zunächst zum Fangen, respective Festhalten der Beute diene, indem gefangene Exemplare zufällig entleerte Tropfen desselben auffrassen; er stellt sich vor, »dass der Peripatus, der bei seinen langsamen Bewegungen mit seinen Fresswerkzeugen ein Thier weder fangen noch gut festhalten könnte, sobald er mit seinen Tentakeln eine Beute berührt, sie mit seinem Leim bespritzt, und dann in Gemächlichkeit diese und jenen zusammen aufzehrt.« Kein Zweifel, die Spinndrüsen des Peripatus dienen sowohl als Waffen, wie auch zum Fangen der Beute; im ersteren Falle verblüffen sie den Angreifer, im letzteren halten sie die Beute durch Fangnetze fest; und auch das liegt sehr nahe, dass ein solches Secret eventuell zur Anfertigung von Wohngespinnsten verwandt werden könnte. Somit bieten diese Drüsen in physiologischem Sinne ein Verhalten dar, welches einerseits an die parapodialen Spinn- drüsen der Anneliden (besonders Polyodontes!) und andererseits an diejenigen der Insecten- larven erinnert. Weiterhin werden wir aber sehen, wie gerade hier bei dieser Form sich auch zu Gunsten der morphologischen Einheit der beiderseitigen Bildungen entscheidende Indiecien erkennen lassen. Nachdem Mos£rey entwickelungsgeschichtlich festgestellt hatte, dass die Mundpapillen, durch welche die Peripatus-Spinndrüsen ausmünden, Modificationen des zweiten Extremitäten- 1) Kenner, J. Biologische und faunistische Notizen aus Trinidad. Arb. Z. Inst. Würzburg. 6. Bd. 1853. p. 254. I. Haut. 2. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. RT Paares darstellen, zog er den gewiss sehr berechtigten Schluss‘): »['he glands |nämlich die Peripatus-Slime-glands| are probably homologous with the silk glands of cater- pillars and the poison glands of Scolopendra.« Auch Barrour?) hat diesen Vergleich gebührend erwogen. Ausserordentlich wichtig im Hinblicke auf diesen Vergleich war aber Barrour's") Richtig- stellung eines anderen Drüsenpaares des Peripatus: nämlich der Speicheldrüsen. Diese letzteren, schon von GruBE und Moserry gesehenen, aber missverstandenen Drüsen stellen ein Paar verschieden langer, unverzweigter Schläuche dar, welche (ähnlich wie auch bei vielen Insectenlarven) durch einen gemeinsamen Stamm auf der Höhe des ersten Bein- paares in die Mundhöhle einmünden. Wie nun Moserey die Peripatus-Schleimdrüsen den Spinndrüsen, so verglich Batrour die Peripatus-Speicheldrüsen den gleichnamigen Organen der Tracheaten, speciell denjenigen des /ulus und fügt hinzu: »If I am correct in regarding it as homologous with the salivary glands so widely distributed amongst the 'Tracheata, its presence indicates a hithertoo unnoticed arthropodan affinity in Peripatus.« Von nicht minderem Belange endlich war — wenigstens im Hinblicke auf die in dieser Monographie ins Auge gefassten parapodialen Spinndrüsen der Anneliden — Barrour's‘) Ent- deckung noch einer anderen und zwar segmental angeordneten Drüsenkategorie des Peripatus. Diese von Barrour »Additional Glandular Bodies in the Legs« oder »Crural Glands«, von den deutschen Autoren aber »Schenkeldrüsen« genannten Gebilde treten bei P. capensis an allen Beinpaaren mit Ausnahme des ersten in je einem Paare auf. Sie stellen drüsige, je ventral an den Parapodien auf besonderen Papillen nach aussen mündende Schläuche dar, welche in beiden Geschlechtern (mit Ausnahme des letzten Paares der J') ein durchaus gleiches Verhalten zeigen. Das erwähnte Paar der O' ist nämlich enorm vergrössert, erstreckt sich vom 17. bis zum 9. Beinpaare durch die Leibeshöhle, und, da es im Bereiche der Geschlechtsorgane nach aussen mündet, so bezeichnete es Batrour als »accessorische männ- liche Drüse«. Auffallenderweise sind diese Drüsen bei einer anderen Peripatus-Art, dem P. Edwardsü, wie GAFFRoN’) nachgewiesen hat, nur bei den J' vorhanden, und auch bei diesen treten sie nur am Hinterleibe bald an 2, bald 7 oder S vor dem Genitalsegmente gelegenen Bein- paaren auf, wozu noch kommt, dass einzelne Segmente anstatt mit einem, mit zwei Drüsen- paaren ausgerüstet sein können*). Endlich fehlen auch dem P. Edwardsi die vergrösserten Pr 83102... pP. 7069. DI. 2) 1. p. 346. ec. p. 342. 3) Batrour, F. On Certain Points in the Anatomy of Peripatus Capensis. Proc. Cambridge Phil. Soc. Vol. 3. 1879. p. 6. (Man vergl. auch die posthume, weiterhin eitirte Schrift Batrour's: Q. Journ. Mier. Se. (2) Vol. 23. 1883. .p. 224.) 4) Barrour, F. The Anatomy and Development of Peripatus capensis. Q. Journ. Mier. Se. (2) Vol. 23. 1883. p. 249. 5) Garrron, E. Beiträge zur Anatomie und Histologie von Peripatus. II. Theil. Zoologische Beiträge herausg. von A. Schseiper. Bd. 1. Heft 3. p. 157. (1885.) *) Vergl. p. 391. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 48 378 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Schenkeldrüsen des letzten Beinpaares. Es bieten also diese Drüsen ungewöhnlich weitgehende Schwankungen im Auftreten sowohl bei verschiedenen Arten, als auch innerhalb ein- und derselben Art dar, eine 'Thatsache, auf die ich noch zurückzukommen haben werde. Die im Vorhergehenden mitgetheilten, sich hauptsächlich auf anatomische Unter- suchungen stützenden Ergebnisse sind nun durch die neuesten embryologischen Forschungen, insbesondere durch die alle Organsysteme so eingehend berücksichtigenden Kexxer's in har- monischer Weise bestätigt und zugleich in ungeahnter Weise erweitert worden. Zunächst interessirt uns, dass sich nach Kexxen') das erste Extremitätenpaar zu den Kiefern und das zweite \wie auch Moserrv festgestellt hatte) zu den Papillen der Spinn- drüsen umwandelt. Ferner entwickeln sich letztere Drüsen unserem Autor?) zufolge in Form von Eetodermeinstülpungen, welche anfangs kurze, keulenförmige Säckchen dar- stellen und erst allmählich durch eine ganze Reihe von Segmenten hindurchwachsen, um zuletzt an ihrem Hinterende zahlreiche secundäre Sprosse zu treiben. Auch Sepewick) giebt an, dass sich die Spinndrüsen aus dem Eetoderm entwickeln; sie erscheinen diesem Autor zufolge zunächst als Einstülpungen der Mundpapillengipfel. Erwachsene Peripatus ptlegen in allen mit Fussstummeln ausgerüsteten Segmenten je ein Paar mehr oder weniger entwickelter, ganz nach dem Typus der gleichnamigen Anneliden- organe aufgebauter Nephridien zu besitzen. Kenner‘) zeigt nun, dass diese Organe aus zwei getrennten Anlagen entstehen; nämlich aus einer mesodermalen, welche lediglich den Trichter, und aus einer ectodermalen, welche das Material für den gesammten übrigen Theil liefert. Er zeigt ferner, dass diese Organe vielfache Functionswechsel eingegangen sind; so stellen die ausführenden Abschnitte der Genitalorgane umgewandelte Nephridien dar. Uns interessiren aber hier mehr die Functions- wechsel der vordersten Paare. Kexxer hat nämlich gefunden, dass im Embryo das erste und zweite Rumpfsegment, also diejenigen, deren Extremitäten sich in Kiefer (Kieferseg- ment‘, respective Oralpapillen der Spinndrüsen \Öralpapillen-Segment) umwandeln, eben- solche Nephridiumanlagen besitzen wie die nachfolgenden. Die Beziehungen des Kiefer- nephridiums bedürfen noch weiterer Aufhellung; sie haben indessen mit unserem Thema speciell weniger zu thun. Um so vollständiger hat die Entwickelungsgeschichte der Nephridien des zweiten Rumpfsegmentes, der uns hier vorzugsweise interessiren- den, verfolgt werden können; aus ihnen gehen nämlich die Speicheldrüsen‘) hervor. Dieses einen so überraschenden Functionswechsel repräsentirende Nephridienpaar wird ganz so in Form paariger ectodermaler Hauteinstülpungen einer- und mesodermaler Trichter I) Kesser, J. Entwickelungsgeschichte von Peripatus etc. I. Theil. Arb. Z. Inst. Würzburg. 7. Bd. 18S4. p. 167. 2) Kenner, J. Entwickelungsgeschichte von Peripatus etc. II. Theil. ibid. S. Bd. 1SS6. p. 33. 3) Sepswick, A. The Development of Peripatus Capensis. From the Proe. R. Soc. London. Vol. 38. 1885. p. S. 4) 1. p. 378. UI. Theil. c. p. 38. 5) 1. p. 378. II. Theil. c. p. 41. I. Haut. 2. Vergleich mit anderen Thierelassen. d. Arthropoda. 379 andererseits angelegt wie die übrigen. Nur werden, noch bevor die beiden Anlagen sich in offene Verbindung gesetzt haben, durch Umwallung der Kiefer die betreffenden Ketoderm- einstülpungen in die definitive Mundhöhle derart hineingezogen, dass sie schliesslich mit einem gemeinsamen Kanale sich in diese Höhle öffnen. Sodann kommt es zur Verschmelzung der beiden das Nephridium constituirenden 'Theile, so dass also die späteren (bereits in die Mundhöhle sich öffnenden) Speicheldrüsen durch Trichter mit der Leibeshöhle in Verbindung stehen. Ja diese letztere Verbindung soll nach Krxner sogar noch im Beginne des freien Lebens existiren und die künftige Speicheldrüse daher auch noch wie die übrigen Nephridien vorerst an der excretorischen 'Thätigkeit sich betheiligen. Weiterhin allerdings verliert der Trichter in dem Maasse, als die Drüse sich nach hinten ausdehnt, seine Communicationen, bleibt aber auch an erwachsenen 'Thieren als Blindsack an seiner ursprünglichen Stelle er- halten. Den 'T'heil der Speicheldrüsen, der im fertigen Zustande im Lateralsinus fast die ganze Länge des 'Thieres durchzieht, hält Kexser für nahezu ausschliessliche Epidermisbildung, nämlich für die über den Vereinigungspunkt mit dem Segmentalrichter hinaus nach hinten gewachsenen Eetodermeinstülpungen der ursprünglichen Nephridiumanlagen ‘). Dass sich das Nephridienpaar des Mundpapillen-Segmentes in die Speicheldrüsen um- wandelt, wird auch von Sepswick ') constatirt. Am Schlusse seiner Abhandlung bringt endlich Kenxxer?) noch einen Satz, in dem er, gewissermaassen nur nebenbei, eine 'Thatsache constatirt und die Möglichkeit eines Vergleiches in's Auge fasst, welche beide zusammengenommen von ausserordentlicher Tragweite sind. Dieser Satz lautet: »Die sogenannten Schenkeldrüsen, welche bei P. Edwardsii nur beim Männ- chen an einer Anzahl der vor dem Genitalsegment liegenden Beinpaare, in ver- schiedener Zahl vorkommen, sind Epidermiseinstülpungen und dürften am ehesten der grossen Schleimdrüse |Spinndrüse!| des II. Rumpfsegmentes verglichen werden, wenn ihre Ausführungsgänge auch an anderer Stelle münden.« Ep 3787.€. pP 2), 1..p: 878. Il. Theil. c. p.. 74. *) Ich halte es für wichtig genug, darauf hinzuweisen, dass dieser Functionswechsel der Nephridien, respec- tive ihre Umwandlung in Speicheldrüsen, schon im Kreise der Anneliden zum Ausdrucke kommt. VespDovsKkY war es (l. p. 320. e. p. 28 und ]. p. 236. c. p. 106), der die Homologie der betreffenden Organe insbesondere in der Gruppe der Enchytraeiden festgestellt hat. Auch hier pflegen sich diese in den Schlund mündenden Drüsen durch mehrere Körpersegmente zu erstrecken und dabei zu verästeln. Wenn auch der für Peripatus so entschei- dende embryologische Nachweis für die Anneliden noch nicht geliefert werden konnte, so stehe ich doch nicht an zu erklären, dass die von VeEspovsky geltend gemachten anatomischen und morphologischen T'hatsachen keine andere Interpretirung zulassen als die, dass wir in den fraglichen Drüsen umgewandelte Nephridien vor uns haben. Ohne die Verdienste Krxser's um die Klarstellung dieser Verhältnisse schmälern zu wollen, möchte ich auch hervorheben, dass VEIDOYSKY, lediglich auf Moserry's Beschreibung gestützt, schon die Ansicht vertrat, dass die Speicheldrüsen des Peripatus mit denjenigen der Enchytraeiden übereinstimmten und ebenso wie letztere aus Nephridien hervorgegangen seien. Im Hinblicke darauf, dass die ursprünglich getrennten Ausführungsgänge des sich in die Speicheldrüsen 48” 380 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Bevor ich noch diesen Passus in Kexxer's Schrift zu Gesicht bekommen hatte (und ich erwähne dies nicht etwa deshalb, um des genannten Autors unantastbare Priorität zu schmälern, sondern lediglich, um das Plausible des fraglichen Vergleiches hervorzuheben), war ich ange- sichts der von ihm gelieferten Darstellung der Spinndrüsen-Entwickelung einer- und des Ver- haltens der Schenkeldrüsen andererseits zu demselben Schlusse gekommen. Die Schenkel- drüsen haben unzweifelhafte Beziehungen zu den Fussstummeln, ebensolche documentiren die Spinndrüsen; denn ursprünglich stellen sie ectodermale Einstülpungen der Extremität des II. Rumpfsegmentes dar, und diese Extremität selbst wird (als Mundpapille) der Ausführungs- gang der erst nachträglich so ungeheuer vergrösserten und sich fast durch den ganzen Leib hinziehenden Drüse. Dazu kommt nun noch, dass die Schenkeldrüsen sich ebenso wie die Spinndrüse als Eetodermeinstülpungen entwickeln. Ich gehe aber weiter, indem ich die Schenkeldrüsen des Peripatus den parapo- dialen Spinndrüsen der Anneliden vergleiche; Drüsen, welche, wie wir gesehen haben, in einzelnen Gattungen dieser T'hierclasse eine ungeheure Entwickelung erreichen (Polyodontes‘, bei anderen nur in einzelnen Segmenten auftreten (Spio, Owenia) und bei anderen ganz fehlen; Drüsen, welche eine überaus nahe Beziehung zu den Borstendrüsen der Parapodien aufweisen, Ja, wahrscheinlich letzteren als Ausgangspunkt ihrer phylogenetischen Entwickelung ge- dient haben. Dass Peripatus ursprünglich an allen Beinpaaren Schenkeldrüsen besass, geht aus dem Verhalten des P. capensis hervor, welche Art sie noch heute so erhalten zeigt; durch das ungeheure Vorwiegen des einen (dem zweiten Rumpfsegmente angehörigen) Paares, durch seine Steigerung zur Spinndrüse »par excellence« wurden aber die nachfolgenden immer weniger in Gebrauch gezogen, und in Folge dessen im Verhältnisse zu ihrer ursprünglichen Be- deutung rudimentär, oder zu Gunsten anderer Functionen in Anspruch genommen. Charak- teristisch ist in dieser Hinsicht das schon erwähnte Verhalten des P. Edwardsü und P. torquatus, bei welchen Arten die Schenkeldrüsen, ganz im Einklange mit der auch sonst an rudimen- tären Organen gemachten Erfahrung, sogar in den einzelnen Individuen derselben Species Schwankungen in Zahi und Modus des Auftretens darbieten. In Bezug auf das Ueberwiegen der einen Spinndrüse im Bereiche des vorderen Körperendes möchte ich auch noch an die übereinstimmenden Verhältnisse des Polyodontes erinnern, bei welcher Annelide sich die vor- dersten parapodialen Spinndrüsen, gegenüber den nachfolgenden, in ausserordentlicher Weise vergrössert zeigten. Ich suchte als Motiv dieser einseitigen Ausbildung (abgesehen von dem umwandelnden Nephridienpaares von Peripatus später mit einem gemeinsamen Gange ausmünden, erinnere ich ferner an folgendes Vorkommen bei Anneliden. In der Familie der Serpuliden (vergl. CLarArkDe, 1. p. 335. c. p. 135 undl.p. 308 (Rech. Annel. Sed.) ec. p. 132) mündet das erste Nephridienpaar bei den zur Tribus der »Sabellidae« gehörigen Formen normal jederseits an der Fussstummelbasis nach aussen; bei den zu den Triben »Eriographidae« und »Serpulidae s. str.« gehörigen Formen dagegen verschmelzen die Ausführungsgänge dieses ersten Paares zu einem ge- meinsamen, hämal an der Basis der Kiemen nach aussen mündenden Gange. Auch hier scheint mit dieser Modification der Nephridien eine solche ihrer Drüsenthätigkeit einherzugehen. CwıraRkDE bezeichnet wenigstens dieses erste Paar bei genannten Formen als »glandes tubipares.« I. Haut. 2, Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 381 gelegentlichen Bewohnen einer Röhre) die 'Ihatsache geltend zu machen, dass auf solche Weise das T'hier die den Feind oder die Beute erspähenden, fangenden oder abwehrenden und ergreifenden Organe möglich gleichzeitig in Function treten lassen könne, und ich sehe nicht ein, warum sich dasselbe Motiv nicht auch auf die conforme einseitige Ausbildung der Peripatus- und 'Tracheaten-Spinndrüsen anwenden lassen sollte. Dem Vorhergehenden zufolge hätten wir als Ausgangspunkt der Speichel- drüsen und Spinndrüsen der Protracheaten und Insectenlarven zwei Kategorien segmentaler oder metamerer Annelidenorgane zu betrachten; nämlich die Ne- phridien (ein vorderstes Nephridienpaar vergrössert sich unter Functions- wechsel zu den Speicheldrüsen) und die parapodialen Spinndrüsen (ein vor- derstes Paar vergrössert sich unter Functionssteigerung zu den Spinndrüsen oder Sericterien). Es ist hier der Ort, sich zu erinnern, dass auch früher schon einzelne Forscher, zwar von embryologischen 'Thatsachen ausgehend, aber doch vorwiegend auf theoretischem Boden dazu kamen, metamere Annelidenorgane mit den Speicheldrüsen und Sericterien von Arthro- poden in Zusammenhang zu bringen, so Bürschti') und P. Maver?. Diese Versuche konnten natürlich zu keiner vollständigen Lösung führen, indem ihnen eben der erst durch Kexxer an Peripatus erwiesene dualistische Ursprung der beiden Drüsengattungen unbekannt war; aber ich lege trotzdem auch heute noch jenen Hinweisen einen um so höheren Werth bei, als KeEnneL°) aus mir unbegreiflichen Gründen den durch seine eigenen thatsächlichen Resultate geradezu aufgedrängten, von Moserey und Barrour überdies schon gezogenen Schluss, dass die Sericterien und Speicheldrüsen des Peripatus den gleichnamigen Organen der Arthropoden homolog seien, mit der Bemerkung von der Hand weist: »Es scheint mir mindestens kühn, die grossen Schleimdrüsen des Peripatus zu homologisiren mit den Spinn- drüsen der Raupen oder mit den Giftdrüsen der Scolopendriden, bevor wir mit voller Sicher- heit wissen, aus welchen Embryonalanlagen diese entstehen, und bevor der Nachweis geliefert ist, dass diese Anlagen, mögen sie später werden, was sie wollen, identisch sind.« Ich möchte dem gegenüber zunächst bemerken, dass die Frage, ob man zwei Dinge miteinander vergleichen könne, oder nicht, weniger eine Frage grösserer oder geringerer Kühnheit, als vielmehr des Grades der Einsicht und der darauf begründeten Ueberzeugung darstellt. Und: ist es weniger kühn, wenn KexxeL die Schenkeldrüsen des Peripatus mit den Spinndrüsen des letzteren vergleicht? oder wenn er die Augen des Peripatus mit Nephridien in Zusammenhang bringst? oder wenn er so ganz im Allgemeinen Peripatus als einen »Ueber- gang« von Anneliden zu Tracheaten hinstellt? Aber abgesehen von alle dem: der wichtigste der Nachweise, von denen Kexxer die Zulässigkeit des fraglichen Vergleiches abhängig macht, ist thatsächlich geliefert; denn wir wissen, dass die Sericterien und Speicheldrüsen der In- ) Bürscuts, ©. Zur Entwickelungsgeschichte der Biene. Zeit. Wiss. Z. 20. Bd. 1570. p. 550. MAYER, P. Ueber Ontogenie und Phylogenie der Insecten, Jena. Zeit. Naturw. 10. Bd. 1876. p. 209. ap 3708.. 11. Theil ec. p. 15. 382 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. sectenlarven in der Form ectodermaler Einstülpungen angelegt werden®).. Will Kenner etwa erst dann sein Placet geben, nachdem die sämmtlichen Beziehungen der Kopf-Mundtheile von Anneliden, Protracheaten und Arthropoden bis in's Einzelne hinein morphologisch und embryo- logisch festgestellt sind? Er müsste wohl noch lange warten und, wie ich glaube, so würde ihm auch das nicht einmal helfen, indem für den Fall, dass sein auch von mir adoptirter Vergleich zwischen Serieterien und Schenkeldrüsen richtig ist, aller Wahrscheinlichkeit nach es nicht stets und allein das so und so vielte Schenkeldrüsenpaar zu sein brauchte, welches sich einseitig zu Sericterien ausbildete. Ja, wir werden weiterhin sehen, dass meiner Auf- fassung nach bei einzelnen Arthropoden-Classen (nämlich bei den Myriopoden und Arachnoideen) in der That ebenso hintere Schenkeldrüsen (oder wie die von mir für homolog gehaltenen, metameren Drüsen dort heissen: Coxaldrüsen) einseitig zu Spinnorganen ausgebildet wurden, wie bei Peripatus (und den Insectenlarven) vordere. Mit welcher Vorsicht aber in dieser Frage gerade die Ergebnisse einzelner anato- mischer Untersuchungen zu verwerthen sind, geht aus einer Abhandlung von ScHiEMmExz') über die Speicheldrüsen der Biene hervor. Diesem Autor zufolge bildet sich von den fünf unter- schiedenen Systemen dieser Drüsen »System drei innerhalb der Propria des ersten T'heiles der larvalen Spinndrüsen. System zwei und fünf bilden sich vom System drei oder vielmehr von dessen Ausfuhrkanale her. System eins und vier sind vollständige Neubildungen und ent- stehen durch Einstülpung der Epidermis.« Ferner constatirt er: »Die Speicheldrüsen zeigen sowohl bezüglich der Arten als auch der Geschlechter grosse Abweichungen, und es steht sicher zu vermuthen, dass ihre Function eine höchst mannigfache ist.« Nachdem ich im Vorhergehenden zunächst dasjenige, was über die Spinn-, Speichel- und Schenkeldrüsen des Peripatus einer- und die Spinn- und Speicheldrüsen der Insecten- larven andererseits, sei es auf vergleichend-anatomischem, oder auf embryologischem Wege festgestellt werden konnte, zusammengefasst habe, will ich nun auch auf die übrigen Arthro- podengruppen kurz eingehen. Obwohl es sich bei einzelnen letzterer um solche 'Thierfamilien handelt, welche dem Peripatus (und den Anneliden) zweifellos viel näher stehen als die in erster Linie in’s Auge gefassten Insecten, so kann ich doch in Anbetracht des wenig befrie- digenden Grades unserer Einsicht in die hierbei in Betracht kommenden morphologischen und embryologischen Verhältnisse nicht umhin zu erklären, dass dem Nachfolgenden (nothgedrungen) des Hypothetischen mehr, als mir lieb ist, anhaften wird. Aber für den Fall, dass sich auch Vieles mit der Zeit als verfehlt herausstellen sollte, so glaube ich doch unter allen Umständen dazu Einiges beizutragen, dass eine heute zusammenhangslos nebeneinander aufgeführte Organ- gruppe unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt und damit eben zugleich auch dem Verständ- nisse (so oder anders) näher gerückt wird. Betrachten wir vor Allem die hierhergehörigen Drüsengebilde der Myriopoden. a; Vergl. p. 374. 1) SCHIEMENZ, P. Ueber das Herkommen des Futtersaftes und die Speicheldrüsen der Biene etc. Zeit. Wiss. Z. 38. Bd. 1883. p. 125. I. Haut. 2. Vergleich mit anderen Thierelassen. d. Arthropoda. 389 Diesen Drüsen muss im Hinblicke auf unsere Probleme schon aus dem Grunde eine ganz besondere Bedeutung beigemessen werden, weil sie in viel höherem Grade, als diejenigen irgend einer anderen Arthropodenabtheilung, noch den metameren Charakter bewahrt haben; sodann aber auch im Hinblicke darauf, dass der gesammte Organismus der Tausendfüssler sich durch die auffallende Homonomie der Segmente enger als derjenige seiner Stammesgenossen den wahrscheinlich gemeinsamen Ascendenten (Anneliden — Peripatus) anreiht. Die betreffenden Drüsen gelten seit langer Zeit, wie es scheint, widerspruchslos als Hautdrüsen. So führte Leypic!) schon in seinem Lehrbuche der Histologie die durch die foramina repugnatoria mündenden Wehrdrüsen des Zulus unter den Hautdrüsen auf. SoGrAar?), ferner hat entwickelungsgeschichtlich festgestellt, dass die Coxal-, Pleural- und Analdrüsen des Lithobiuus in Form ectodermaler Einstülpungen angelegt werden. Tönösvary®) endlich kam durch das Studium der Pleural- und Afterdrüsen 'Spinndrüsen) des Geophilus zu einer ähnlichen, in nachfolgendem Satze ausgedrückten Ueberzeugung: „Aus diesem Baue und aus der histologischen Beschaffenheit der einzelnen Theile lässt sich ganz sicher der Schluss ziehen, dass die Spinndrüsen zusammengesetzte Hautdrüsen sind, welche aus dem Eetoderm durch Einstülpung entstanden sind.« Der Drüsen am Myriopodenleibe sind vielerlei. Uns interessiren natürlich in erster Linie diejenigen, an welchen sich, sei es durch ihre Lagerungsverhältnisse, sei es durch die Natur ihres Secretes, Beziehungen zu den Spinndrüsen der Anneliden, sowie zu den Spinn- und Schenkeldrüsen von Peripatus erkennen lassen. Verfolgen wir zunächst die durch die Secretnatur sich verrathenden Anklänge; denn, wie schon aus dem vorhergehenden Citate ersichtlich: auch bei den Myriopoden spricht man von Spinndrüsen. Die ersten Angaben über das Spinnen von Myriopoden rühren, so weit ich sehe, von A FABrE') her. Er berichtet, wie die von ihm gefangen gehaltenen J' von Geophilus convolvens kleine Netze aus Spinnfäden verfertigten, um in deren Mitte ihre Spermatophoren zu be- festigen. Er sagt jedoch Nichts über die Herkunft der Fäden, respective über das Organ, welches den Spinnstoff liefert. Durch Socrar’) erfuhren wir sodann, dass das Secret zur Anfertigung des Gewebes, Del pP: a 7Assc. ps lli6r 2) Socrar, N. Materialien zur Kenntniss der Embryonalentwickelung von Geophilus ete. Nachr. Ges. Freunde Naturk. Anthr. u. Ethn. Moskau, 43. Bd. 1883. p. 44. Russisch. (Ich verdanke die betr. Mittheilung einem des Russischen mächtigen Collegen.) ’ . “7. r 3) Tömösvary, E. Ueber den Bau der Spinndrüsen der Geophiliden. Math. Nat. Ber. Ungarn. 2. Bd. 1884. p. 445. 4) Fapre, M. Recherches sur l’Anatomie des Organes Reproducteurs etc. des Myriapodes. Ann, Se. N. (4) Tome 3. 1855. p. 304. 5) Socrar, N. Anatomie von Lithobius forficatus. in: Arb. Zool. Museum Moskauer Universität. 1. Bd. 1880. Heft 2. Russisch. (Obige Notiz habe ich dem Zool. Jahresberichte der Zool. Station pro 1880. Abtheil. 2. p- 97 entnommen.) 384 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. mit welchem Lithobius seine Wohnplätze polstert und auch (bei einigen Arten) die Eier ein- hüllt, wohl aus den Coxaldrüsen stamme. Derselbe Autor') berichtete kurz darauf, wie Geophilus & ihre Eier durch ein Gespinust dünner Fäden (der Absonderung aus den Anal- und den hintersten Coxaldrüsen) zu einem Hänfchen verbinden und bis zum Ausschlüpfen der Jungen hüten. Ich stiess ferner bei Larzen?) auf folgende hierhergehörige Bemerkung: »Manche Lithobien, so besonders Z. grossipes C. Koch, spinnen, wenn man sie fängt, einen oder mehrere Fäden, die sich um die Analbeine wickeln, und welche aus den Hüftporen hervorzukommen scheinen.« Auch durch Fanzaco°) wurde constatirt, dass Geophilus, und zwar aus den unpaaren ventralen Poren, ein klebriges, an der Luft erstarrendes Secret abscheide, aus dem sich Fäden ziehen liessen. Die chemische Untersuchung ergab, dass die betreffende Substanz in einigen ihrer Reactionen mit der Seide übereinstimme. Faxzaco glaubt, dass dieses fadige Secret zur Anfertigung der den 'Thieren zum Aufenthalte dienenden, unterirdischen Wohnröhren benutzt werde. Er konnte zwar speciell bei Geophilus kein distincetes Fadengeflecht durch Entfernung der Erdpartikel isoliren, bezieht sich aber darauf, dass er und Cavanna einen von einem Chilognathen (Zysiopetalum carinatum) gesponnenen Seidecocon (bozzolo sericeo) gefunden haben. Bald darauf beschrieb auch Faxzaco!) ein von einem Geophilus flavus verfertigtes Nest, ohne jedoch Genaueres über den organischen Bestandtheil desselben anzugeben. Wie schon aus der eben mitgetheilten Notiz Faxzaco's, dass er einen von Lysiopetahnn gewonnenen Cocon aufgefunden habe, hervorgeht, fehlen die fadigen Gespinnste auch in der Abtheilung der Chilognathen nicht. Aehnliche Gespinnste hat auch Larzer’) und früher schon Waca°) bei den den Lysiopetaliden nahe verwandten Craspedosomen oder Chordeumiden beobachtet. »Hier, wie in den von Fanzaco beobachteten Fällen«, sagt LATzEL, »waren es Larven, die sie nämlich die Cocons| behufs Häutung und Ueberwinterung hergestellt hatten.« Ausser diesen Fällen *) ist, so weit mir bekannt, nur noch eine die Chilognathen be- treffende Beobachtung gemacht worden, welche das hier behandelte ‘Thema streift, und zwar durch Dewırz. Letzterer’) beobachtete nämlich, als er Exemplare von Glomeris in seine Hand nahm, ee Zug = i L. 1) 1. p. 383. (Embryonalentwickelung von GeopAilus) c. (Meine obige Notiz habe ich dem Zool, Jahresbe- richte der Zool. Station pro 1883. Abtheil. 2. p. 90 entnommen.) 2) Larzen, R. Die Myriopoden der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie. Erste Hälfte. Wien 1880. p. 34. 3) Fanzaco, F. Sulla Secrezione ventrale del Geophilus Gabrielis. Atti Ist. Veneto Se. (5)-Tomo 7. 1581. 4) Fanzaco, F. Sul Nido del Geophilus Flavus. Estr. Atti Ist. Veneto. Sc. (6) Tomo 2. 184. 5) -Larzen, R. Die Myriopoden der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie. Zweite Hälfte. Wien 1884. e p. 51 und 173. 6) Waca. Revue -Cuvierienne de Guerin. I. 1839. p. 78. (fide LAzzer.) 7) Dewruz, H. Ueber das durch die Foramina repugnatoria entleerte Secret bei Glomeris. Biol. Centralbl. 4. Bd. 1885.- p.- 202. * Die © von Polydesmus bewachen ihre Eier in glockenförmigen Nestern; letztere werden aber.nach einer) Beobachtung ScHLEcHTENnDAT's (Zeitschr. Naturw. Vereines f. Sachsen u. Thür. 56. Bd. 1883. p. 223. fide Larzer) mittels des ausgestülpten Afters aus flüssigen Massen des eigenen Kothes hergestellt, nachdem dieselben feuchte Erde als Baustoff durch den Mund in sich aufgenommen haben. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. d. Arthropoda. 389 dass aus den unpaaren, dorsalen foraminibus repugnatoriis (Saftlöchern) klare, stark klebende Tropfen zum Vorschein kamen. Drehte er das zusammengekugelte Thier in seiner Hand, so dass diese von einem Tropfen benetzt wurde, und liess er es einige Zeit in dieser Lage, so war dasselbe so festgeklebt, dass es nicht herabfiel, wenn er die Hand umdrehte. Er vermuthet, dass das klebende Secret dazu diene, die Fallgeschwindigkeit eines zusammengekugelten und ins Rollen gekommenen Glomeris abzuschwächen, oder durch Festhalten von Steinchen etc. Unebenheiten der Kugel hervorzurufen, welche die letztere zum Stehen bringen. An diesen im Vorhergehenden resumirten Beobachtungen über die Fadensecrete der Myriopoden vermissen wir vor Allem in der für uns wichtigsten Frage, nämlich bezüglich der Herleitung des Secretes, die wünschenswerthe Einheit. Bei den Chilopoden zunächst sollen es bald die Coxal- und Afterdrüsen, bald die pori ventrales sein, durch welche der Spinn- faden nach aussen tritt; bei den Chilognathen sodann fehlen da, wo Gespinnste bekannt ge- worden sind, alle Angaben über die Herkunft des bezüglichen Secretes und, wo die Quelle des letzteren festgestellt wurde, da scheint es sich zwar um einen Klebe-, aber nicht um einen Faden- oder Spinnstoff zu handeln. Dem Versuche, diesen Widerspruch aufzuklären, muss natürlich eine Orientirung über die in ihrer Zahl und Vielseitigkeit geradezu verwirrenden Drüsengebilde der Myriopoden vorausgehen, um so mehr, als kein existirendes Lehrbuch in dieser Hinsicht auch nur entfernt ausreicht. In der Voraussetzung also, dass so wie seiner Zeit ich, auch viele meiner Leser Schwierigkeiten finden dürften, sich in dieser Hinsicht ohne Weiteres Aufklärung zu schaffen, gebe ich zunächst eine hauptsächlich auf das systematische Specialwerk von Larzer) sich stützende, kurze Zusammenstellung aller äusserlich wahrnehmbaren Drüsen, respective Drüsen- poren von Tausendfüsslern. A. Chilopoda. Ausser den Speicheldrüsen sowie den Giftdrüsen des zweiten Kieferfusspaares können drüsige Organe auftreten, respective münden: a. in den Hüften der 4—-5 letzten Beinpaare: Hüft- oder Coxaldrüsen, Hüft- oder Coxalporen. b. in den Pleuren des letzten fusstragenden Segmentes: Pleuraldrüsen, Pleuralporen. c. im Aftersegmente: Analdrüsen, Analporen. d. in den Bauchschilden: Drüsen der sogenannten Bauchporen oder pori ventrales. Von diesen Drüsen sind (immer abgesehen von den Speichel- und Giftdrüsen) folgende je in den einzelnen Familien vertreten: I. Scutigeridae: Drüsen a—d fehlend'*). 11. pP 384. cc. *) Die unpaaren dorsalen Stomata von Seutigera stellen die verschmolzenen, sonst paarig an den Pleuren auftretenden Stigmen dar, und haben daher Nichts mit den Poren der Hüft- oder Pleuraldrüsen der übrigen Chilo- poden zu thun. LAtzen tritt zwar noch nicht ganz entschieden zu Gunsten ihrer trachealen Natur ein, aber nach den neueren Arbeiten von VoGEs, Haase und Tömösvarv können in dieser Hinsicht kaum mehr Zweifel walten. Auch Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora. Golf von Neapel. Capitelliden. 49 386 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) ‘Theil. 2. Lithobiidae: Coxaldrüsen an den 4—5 letzten Beinpaaren, sowie Pleuraldrüsen und Analdrüsen vorhanden. 3. Scolopendridae: Pleuraldrüsen sehr entwickelt. 4. Geophilidae: Pleuraldrüsen und Analdrüsen vorhanden. Ausserdem die Reihe un- paarer durch die pori ventrales mündender Drüsen. B. Chilognatha. Ausser den Speicheldrüsen können drüsige Organe auftreten, respective münden: a) in den Hüften der Beine: Poren oder ausstülpbare Säckchen = Coxaldrüsen. b) zu beiden Seiten der Rückenschilde, oder aber unpaar in deren Mittellinie vom 4., 5. oder 6. Segmente an: Stink- oder Wehrdrüsen, glandulae odoriferae oder repugnatoriae, Saftlöcher, Wehrporen, foramina odorifera oder repugnatoria. Von diesen Drüsen sind (abgesehen von den Speicheldrüsen) folgende je in den ein- zelnen Familien vertreten: l. Glomeridae: Wehrdrüsen, deren Mündungen in die Mittellinie des Rückens hinauf- gerückt sind, also scheinbar einreihig. Polydesmidae: Wehrdrüsen jederseits auf den Kielen der Schilde mündend. [80 3. Chordeumidae oder Craspedosomidae: Die Hüften eines Theiles der Beine sind durchbohrt = Poren von Coxaldrüsen. 4. Lysiopetalidae: Das Hüftglied des 3.—16. Beinpaares besitzt ausstülpbare Wärzchen — Coxaldrüsen. Wehrdrüsen jederseits am Rücken mündend. Iulidae: Wehrdrüsen seitlich mündend. Di 6. Polyzonidae: Wehrdrüsen seitlich mündend. Versuchen wir nun vor Allem festzustellen, was sich von diesen verschiedenartigen Drüsengebilden je auf einen Typus zurückführen, respective mit einander vergleichen lässt. Was zunächst die Chilopoden betrifft, so scheint es mir unzweifelhaft, dass Coxal-, Pleural- und Analdrüsen zusammengehören, und zwar als Spinndrüsen*). Dafür spricht erstens ihre metamere Aufeinanderfolge. Zweitens die Ansicht, dass die Pleuren die Hüften des letzten Beinpaares repräsentiren. Drittens der Nachweis Tömösvarv's'), dass die Pleural- und Analdrüsen der Geophiliden den Hüftdrüsen oder Coxaldrüsen der Lithobiiden im Baue sehr ähnlich seien. Viertens endlich die '['hatsache, dass diese drei P. MayEr — dessen Literatur- und Sachkenntniss der Arthropoden ich ausser dieser, auch noch viele andere Auf- klärungen zu danken habe — hat sich, gefälliger mündlicher Mittheilung zufolge, auf's Bestimmteste von der respira- torischen Function fraglicher Stomata überzeugen können. 1) 1.pr 383.2c. p. 445. *) Als Spinndrüsen hat auch Tömösvary (l. p. 383. c. p. 446) speciell die Pleural- und Analdrüsen von Geophilus bezeichnet. Indem er sich darauf bezieht, dass die © Thiere dieser Gattung ihre Eier mit einer spinn- gewebeartigen Substanz zu einem Klumpen verbinden und die g! ihre Spermatophoren an ebensolche Fäden reihen, constatirt er: »Diese Fäden, welche die Eier und die Spermatophoren zusammenhalten, sind das Product der oben beschriebenen Drüsen, deren flüssiges Seeret — ebenso wie das der Spinnen oder Seidenraupen — an der Luft erhärtet.« I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 387 Drüsengruppen gleicherweise Spinnstoff produciren; denn wie aus dem Vorhergehenden erhellt? , haben Sosrar und Larzer bei Lithobius die Hüftdrüsen, ferner SoGrar bei Geophilus die Coxal- und Analdrüsen als diejenigen erkannt, welche das fadige Secret liefern. Im Widerspruche hierzu steht allein die ebenfalls im Vorhergehenden enthaltene?) An- gabe Fanzaco’s, derzufolge dieses Secret bei Geophilus aus den durch die pori ventrales mün- denden Drüsen stammen solle. Wenn man aber bedenkt, dass durch Fanzaco das betreffende Thier lediglich systematisch, durch Sosrar dagegen anatomisch und embryologisch untersucht wurde, wenn man ferner in Erwägung zieht, dass nach Larzer's') ausdrücklicher Angabe durch diese pori ventrales ein »flüssiges Secret« entleert wird, so erscheint die Annahme wohl nicht zu gewagt, dass sich Fanzaco geirrt habe. Ob die Giftdrüse des zweiten Kieferfusspaares der Chilopoden in den Kreis der Coxal- oder Spinndrüsen gehört, ist fraglich. Dafür spricht ihre Beziehung zu einer Extremität; dafür spricht auch, dass nach 'Tömös- vary?) ihr Bau demjenigen der Pleural- und Anal-, also auch der Coxaldrüsen sehr ähnlich ist. Dagegen spricht die Beschaffenheit ihres Secretes. Die unpaaren, durch die »pori ventrales«e mündenden Drüsen (der Geophi- liden) haben Nichts mit den Coxal- oder Spinndrüsen gemein, gehören vielmehr wahrscheinlich zur Kategorie der (insbesondere bei den Chilognathen entwickelten glandulae repugnatoriae oder Wehrdrüsen. Zu Gunsten einer solchen Auffassung möchte ich betonen, dass die Coxal- oder Spinn- drüsen bei keinem Myriopoden jemals ihre bilaterale Anordnung im Bereiche der Extremitäten aufzugeben scheinen, wogegen es auch bei den, in der Regel seitlich am Rumpfe mündenden, Wehrdrüsen der Chilognathen vorkommt, dass ihre Mündungen nach der Medianlinie (dann allerdings der dorsalen) rücken, respective mit einander verschmelzen. Gehen wir nun zu den Chilognathen über. Die durchbohrten Hüften der Chordeumiden und die ausstülpbaren Wärz- chen der Lysiopetaliden entsprechen den Spinndrüsen (Coxaldrüsen) der Chi- lopoden. Gegenüber dem bei den Chilopoden nahezu in allen Familien (sei es in der Form von ‘oxal-, Pleural- oder Analdrüsen) constatirten Vorkommen von Spinndrüsen ist in der Gruppe der Chilognathen dieser Drüsentypus, wie es scheint, nur mangelhaft ausgebildet und — vor Allem wenig bekannt. Dass die erwähnten Poren und Säckchen als Coxal- oder Spinndrüsen zu betrachten seien, dafür scheint mir erstens ihre Lagerung im Bereiche der Hüften, und zweitens der Umstand zu sprechen, dass die von Waca und Larzenr) sowie von Fanzaco®) ) Vergl. p. 383 und 384. ) Vergl. p. 384. ) Vergl. p. 384. ) Vergl. p. 384. l. p. 384. 1. Hälfte. ce. p. 159. IS p. 383.e. p. 445. vemnzs AIz 388 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. und Cavansa aufgefundenen Cocons gerade Gattungen aus diesen beiden mit Hüftporen und Hüftsäckchen ausgerüsteten Chilognathenfamilien angehören. Die durch die foramina repugnatoria mündenden Wehrdrüsen haben Nichts mit Spinndrüsen zu thun; ihnen entsprechen wahrscheinlich die durch die »pori ventrales«e mündenden Drüsen der Geophiliden. Während bei den Chilopoden die Spinndrüsen in hervorragender Ausbildung erscheinen, und die Wehrdrüsen wahrscheinlich nur in den sogenannten »pori ventrales« der Geophiliden ihre Vertretung finden, rücken, wie wir eben gesehen haben, umgekehrt bei den Chilognathen die Spinndrüsen in den Hintergrund und erreichen die Wehrdrüsen eine ausserordentliche Entwickelung. Dass die Wehrdrüsen der Chilognathen nicht auf die Spinndrüsen (Coxal-, Pleural- und Analdrüsen) der Chilopoden zurückgeführt werden können, geht einmal daraus hervor, dass einzelne Chilognathenfamilien ausser den Wehrdrüsen auch Coxaldrüsen besitzen (Chordeu- midae, Lysiopetalidae), sodann daraus, dass Einer Chilopodenfamilie, nämlich den Geophiliden, ausser den Spinndrüsen auch noch eine Reihe unpaarer, den Wehrdrüsen der Chilognathen offenbar gleichwerthiger Drüsen zukommt. Ferner steht einer derartigen Zurückführung die Thatsache im Wege, dass die Mündungen der Coxaldrüsen nie (wie diejenigen der Wehr- drüsen) nach den Medianlinien des Körpers hin zusammenrücken, respective verschmelzen. Endlich kann auch noch hervorgehoben werden, dass das Secret der Wehrdrüsen in der Regel keinen Spinnstoff, sondern eine stinkende oder ätzende, in erster Linie zur Abwehr geeignete Flüssigkeit darstellt. Ich sage in der Regel, in Anbetracht der oben erwähnten“) Beobach- tung von Drwirz, derzufolge das klebende Secret des Glomeris aus den Wehrporen jenes 'Thieres entleert worden sei. Uebrigens ist hier auch von Spinnstoff nicht gerade die Rede, da genannter Autor nur von klaren, stark klebenden Tropfen spricht. Abgesehen von diesem einen Falle wird nun, wie gesagt, der Inhalt der Wehrdrüsen von Allen, die ihn zu Gesicht bekamen, als ein von dem Secrete der Spinndrüsen überaus abweichender geschildert. So bezeichnet denselben Leyvic') von Zulus als »eine hellgelbliche Flüssigkeit, mit einzelnen fettähnlichen Tropfen«, respective als veine intensiv gelbe, stark conturirte zähflüssige Masse«. WEBER?) schildert das blausäurehaltige Secret’) der Paradesmus- (Fontaria-) Wehrdrüsen als »eine wasserklare Flüssigkeit von ölartiger Natur.« Und Larzen‘) sagt von dem Safte der Wehrdrüsen im Allgemeinen, dass er übel rieche, von öliger Consistenz sei und zuweilen die menschliche Haut ähnlich wie grüne Wallnüsse färbe. Es entspricht denn auch, wie schon der Name »Wehrdrüse« es ausdrückt, der allge- meinen Auffassung, dass diese letzteren Drüsen — im Gegensatze zu den vorwiegend der Her- a) Vergl. p. 384. pre: 2) Weser, M. Ueber eine Cyanwasserstoffsäure bereitende Drüse. Arch. Mikr. Anat. 21. Bd. 1882. p. 472. 3) GULDENSTEEDEN-EGELING, C. Ueber Bildung von Cyanwasserstoffsäure bei einem Myriopoden. Arch. Phys. Pflüger 28. Bd. 1882. p. 576. 4) 1. p. 384. 2, BRältte.ic..p.252. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 389 stellung fadiger Secrete dienenden Coxal- oder Spinndrüsen — zur Absonderung einer ledig- lich für die Vertheidigung ihrer Träger bestimmten Flüssigkeit bestimmt sind. Und was speciell die so merkwürdige Blausäure-Abscheidung des Paradesmus betrifft, so schloss sich auch WEBER dieser herrschenden Auffassung an, indem er sie ohne Weiteres als zum Schutze des Thieres geschehend hinstellte und treffend hinzufügte, wie man sich die schützende Wirkung nicht allein in der Weise vorzustellen habe, dass eine verfolgte Fontaria (Paradesmus) den verfolgenden Feind bloss durch den Geruch abschrecke, sondern auch in einer solchen, dass sich (ähnlich wie den Heliconiden gegenüber) in den respectiven Feinden die Ungeniessbarkeit der Beute als Erfahrung befestigt und vererbt habe. Wir haben also nach alledem in der Classe der Myriopoden zwei Kategorien metamerer Drüsen zu unterscheiden: nämlich die Coxal- oder Spinndrüsen und die Wehrdrüsen. Die Coxaldrüsen sind hauptsächlich in der Ordnung der Chilopoden entwickelt, dafür besitzen aber jene Chilognathen, welche dieser Drüsen ganz verlustig gegangen sind, die Fähig- keit, sich (anstatt aus dem Spinnstoff von Spinndrüsen) aus dem eigenen Rothe *) Nester zu bauen. Die Wehrdrüsen sind (abgesehen von Geophilus) ganz auf die Chilognathen beschränkt, dafür sind aber die Chilopoden mit einer Giftdrüse ausgerüstet. Dass ich die Coxaldrüsen (Spinndrüsen) der Myriopoden den Schenkel- und Spinndrüsen des Peripatus und somit auch den Spinndrüsen der ÄAnneliden für homolog halte, bedarf nach dem Vorhergehenden kaum noch besonderer Hervorhebung. Aber eine andere Frage ist, wohin die zweite Drüsenkategorie, wohin die Wehrdrüsen gehören. Die Wehrdrüsen der Myriopoden sind meiner Änsicht nach umgewandelte Nephridien. Abgesehen davon, dass sich kein anderes Annelidenorgan für ihre Ableitung geeignet erweist, können noch folgende Erwägungen zu Gunsten eines solchen Vergleiches herangezogen werden. Erstens wissen wir von den Anneliden und von Peripatus, dass sich genuine Nephri- dien unter Functionswechsel zu heterogenen Drüsen, nämlich zu Speicheldrüsen, umwandeln können; warum sollte das, was einem Nephridiumpaare möglich ist, nicht auch einer Mehr- zahl derselben möglich sein? Zweitens treffen wir die bei einzelnen Myriopodenfamilien auf- tretende mediane Verschmelzung aller Wehrdrüsen auch schon an den Ausführungsgängen einzelner typischen Anneliden-Nephridien) und, was eben so wichtig, an den Speicheldrüsen der Anneliden sowie des Peripatus etc. durchgeführt. Drittens endlich darf darauf hingewiesen werden, wie auch die Speicheldrüsen des Peripatus nur vorübergehend ihre nephridiale Abstam- mung durch das Vorhandensein der respectiven Wimpertrichter bekunden, und wie wir von der Entwickelungsgeschichte der Wehrdrüsen noch so gut wie Nichts wissen, so dass also eine ähnliche Recapitulation in der Entwickelungsgeschichte letzterer als Möglichkeit wenigstens noch nicht ausgeschlossen ist. a) Vergl. p. 379. Anmerkung. * Auch bei Anneliden kommt die Verwendung des Kothes zum Röhrenbaue vor. 390 B. Vergleiehend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Ob die Giftdrüse der Chilopoden in den Kreis der Coxaldrüsen (Spinndrüsen, oder in denjenigen der Wehrdrüsen (Nephridien) gehört, muss, wie ich schon im Vorhergehenden be- tont habe”), vorläufig noch fraglich bleiben. Allein die Entwickelungsgeschichte wird uns darüber aufklären können. Ich komme nun zu der den Myriopoden einer- und den '[hysanuren andererseits nahe stehenden, die einzige Gattung Scolopendrella enthaltenden Gruppe der Symphyla. Von Seolopendrella ist längst ein im Körperende gelegenes Drüsenpaar bekannt, welches an der Luft erstarrende Fadensecrete abzusondern vermag. Diese Drüsen münden durch jenes Paar durchbohrter, stilettförmiger, ebenfalls am Körperende befestigter Anhänge, die als Griffel bezeichnet werden. Dass wir es hier in der 'I’hat mit einer Spinnstoff secernirenden Drüse zu thun haben, scheint ausgemacht zu sein. Es sagt z. B. Larzen): Dee FR an deren Spitze [nämlich an der Spitze der Griffel] der Ausführungsgang je einer schlauchförmigen Drüse mündet, welche einen klebrigen Saft absondert, der sofort ausfliesst, wenn man die Thiere beunruhigt, und der alsbald in der Luft erstarrt, so dass man diese Thierchen beim Fangen an einem Faden in die Höhe heben kann. Wir dürfen diese Organe somit als Spinnorgane bezeichnen, wie dies bereits MENGE erkannt hat.« Ferner Grass1?): »La papilla pud, com’e noto, produrre un lungo filo sericeo. questo filo serve probabilmente all’ani- male come mezzo di difesa; penso cio@ che la Scolopendrella impacei i nemiei avvolgendoli coi suoi fili. Certi fatti da me ripetutamente osservati mi fanno inoltre supporre che la Scolopendrella prima di allon- tanarsı dalla sua abitazione, vi fissi un capo d’un filo e poi, man mano che si allontana, allunghi questo filo, badando di non romperlo; cosi se crede ritornare all’abitazione, il filo le serve di guida per trovar ıl cammıno.« Ich halte diese terminalen Spinndrüsen der Scolopendrella den Hüft- oder Spinndrüsen der Myriopoden, speciell den Pleuraldrüsen der Chilopoden für homolog. Dieser Vergleich leuchtet ohne Weiteres ein, wenn man die sogenannten Spinngriffel der Scolopendrella als umgewandelte Extremitäten gelten lässt. Wie sich eine solche Voraus- setzung auch, ganz abgesehen von den aus dem Vorhandensein der Drüsen hergeleiteten Mo- tiven, lediglich im Hinblicke auf die Griffel selbst aufdrängt, geht aus folgender Erwägung Larzer’s°®) hervor. »Wegen der Paarigkeit dieser Organe des Endsegmentes [nämlich der Griffel] könnte man versucht sein zu glauben, dass dieselben durch Umwandlung der Parapodien und Beine des letzten Körperringes ent- standen seien.« Ausser diesen terminalen, sehr stark entwickelten Spinndrüsen hat Scolopendrella noch an allen Körpersegmenten, mit Ausnahme der vordersten und hintersten, metamer angeordnete, an der Basis der Beine gelegene, drüsige Täschchen, welche wahrscheinlich ebenfalls hierher- a) Vergl. p. 387. 1), 1. p. 384. 2. Hälfte c. p. 10. 2) Grassı, B. I Progenitori degli Insetti e dei Miriapodi. Morfologia delle Seolopendrelle. Mem. Accad. Torino (2) Tomo 37. 1886. (Estr.) p. 12. 3) 1. p. 384. 2. Hälfte c. p. 2. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. d. Arthropoda. 391 gehören. Früher, als die Stigmata der 'Tracheen noch nicht bekannt waren, wurden diese 'Täschechen mit dem Respirationsapparate in Verbindung gebracht. Davon kann fortan nicht mehr die Rede sein. Was nun aber die wirkliche Bedeutung der fraglichen Organe betrifft, so hat Woop Mason!) zuerst folgende Vermuthung darüber ausgesprochen: These openings [nämlich der erwähnten Täschchen] possibly lead into glands, which are homolo- gous with the nephridia of Peripatus and with the glandular pouches of Machilis and (ampodea; their exact morphological value is only to be determined by means of sections, which I hope shortly to have an oppor- tunity of making. They are no doubt the apertures mistaken by RypeEr for the stigmata, and which are stated by ScuppEr to be big enough to admit the tips of the legs.« Grassi’), der sodann dieselben Organe genauer untersucht, insbesondere ihre Aus- und Einstülpbarkeit nachgewiesen hat, kam zu diesem Schlusse: »Il Woop-Masox ha tentato dı paragonare le vescicole segmentali delle Scolopendrelle cogli organi segmentali (nefridi) del Peripato. Io inclino a credere che le vescicole segmentali trovino riscontro sul Peripato, ma non nei nefridi, sibbene nelle cosi dette glandulae coxales: eredo che queste ghiandole sian fabbricate sul tipo delle vescicole segmentah: risulta ciöd almeno paragonando le figure e le deserizioni da me fornite con quelle del Peripato date dal BaLrour e dal Garrron. Üerto © perö che, per la posizione, le vescicole addominalı risponderebbero piuttosto aglı organı segmentali, che alle glandulae coxales.« Wie schon aus diesen Citaten hervorgeht, sind mit den drüsigen Täschchen (vescicole ventrali oder segmentali Grassi) der Scolopendrella durchaus übereinstimmende Bildungen auch von den Thysanuren, speciell von Campodea, Machilis und Nicoletia bekannt geworden. Auch hier treten die Täschchen in einer grossen Anzahl von Segmenten, in der Regel streng metamer — nur bei gewissen Arten von Machilis sollen je zwei Paare in einzelnen Zo- niten vorkommen *) — auf, und können wie bei Scolopendrella aus- und eingestülpt werden. Ab- weichend verhalten sie sich letzterer Form gegenüber nur insofern, als sie in keinen so nahen Beziehungen zu den Extremitäten stehen, indem sie zwischen den Beinen nach aussen münden **). Was die Vorstellungen betrifft, welche man sich über die Bedeutung dieser Organe, speciell bei den Thysanuren, gebildet hat, so hegte man ursprünglich ebenfalls die Vermu- thung, dass sie der Respiration dienen. Was Woop-Mason von ihnen hält, ergiebt sich aus der angeführten Stelle seiner Abhandlung über Scolopendrella, in der er sie sammt den Täsch- chen dieser letzteren Form den Nephridien des Peripatus vergleicht, von selbst. Grass hält die Täschehen der Scolopendrella ebenfalls denjenigen der 'Ihysanuren für gleichwerthig. Wie aus dem vorhergehenden Citate erhellt, schwankte dieser Autor, ob die Täschchen der Scolopendrella, wie Woop-Masox will, auf die Nephridien, oder aber auf die Coxaldrüsen von Peripatus zurückzuführen seien, und damit ist implieite auch seine Ansicht über 1) Woop-Mason, J. Notes on the Structure, Postembryonice Devel. etc. of Scolopendrella. Ann. Mag. N-SHr2 (5) Vol» 112..1883..p> 61. 2). 1. p> 390. ep. 12 und 22. *) Auch bei Peripatus Edwardsii sollen die (wie ich glaube diesen Säckchen oder Coxaldrüsen der Thysa- nuren homologen) Schenkeldrüsen in einzelnen Segmenten in zwei Paaren auftreten können. Vergl. p. 377. **) In dieser Hinsicht ist die Thatsache von Interesse, dass auch bei Spinnen die (meiner Ansicht nach diesen Säckehen der Thysanuren homologen) Coxaldrüsen bald an der Basis der Coxae, bald zwischen den Coxae nach aussen münden können. Vergl. p. 398. 392 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. die Täschchen der 'Thysanuren eigentlich schon ausgedrückt. Gleichwohl finden sich in der nahezu gleichzeitig erschienenen Japyx und Campodea betreffenden Abhandlung Grassr’s! die Sätze: »Le vescicole, retraendosı nella cavita addominale, avvizziscono e tornano poi a gonfiare quando tornano a fare ermia. Io non so che funzione possono aver glı organı in discorso. Mi pare che non possano servir bene alla respirazione. Se si retraessero e sporgessero ritmicamente, ciö che in realta pero non accade, sı potrebbe sospettare che servissero a regolare la circolazione. Ho anche sospettato che servissero all’animale per attaccarsı alla superficie delle pietre.« Ohne, wie es scheint, die vorausgegangenen, zum "Theil auf ähnliche Resultate hinaus- laufenden Arbeiten Woop-Masovn’s und Grassis zu kennen, verglich auch Nassoxow?) die Drüsensäckchen der Thysanuren als sogenannte Abdominalröhrchen den Nephridien der Würmer. »Die blinden Röhren auf den Bauchsegmenten der Campodea staphylinus«, sagt NAssonow, »ent- = n r ANSKET z\ S v . Si sprechen ihrer Lage nach vollkommen den äusseren Enden der Segmentalorgane. Wahrscheinlich eben deshalb fehlen diese Röhrehen den Segmenten, wo die Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane sich öffnen.« Bezüglich meiner Ansicht über diese ausstülpbaren Säckchen oder Röhrchen der Sym- phylen und Thysanuren kann, wer das Vorhergehende gelesen hat, kaum im Zweifel bleiben. Wer dächte nicht sofort auch an die durchbohrten Hüften der Chordeumiden und die aus- stülpbaren Wärzchen der Lysiopetaliden? das heisst an die offenbar in Rückbildung befind- lichen Hüft- oder Spinndrüsen jener Chilognathen? Dass die eben ceitirten Forscher, bevor sie ihre Vergleiche im Gebiete der Würmer und des Peripatus suchten, nicht an diese so viel näher liegenden Myriopodenorgane dachten, scheint mir lediglich auf dem beklagenswerthen Mangel einer die Anatomie dieser interessanten Drüsensysteme vergleichend zusammenfassenden Arbeit zu beruhen. Es sind also nach meinem Dafürhalten die ausstülpbaren Säckchen der Symphyla und Thysanura ähnlich den ausstülpbaren Wärzchen der Lysiopetalida (Chilognatha) als in Rückbildung befindliche Hüft- oder Coxaldrüsen zu be- trachten. Zu Gunsten dieser Auffassung spricht vor Allem die T'hatsache, dass Scolopendrella in den sogenannten Griffeln, welche offenbar ein hinterstes Extremitätenpaar repräsentiren, sehr entwickelte Spinndrüsen besitzt. Wie bei den Chilopoden auf 4 oder 6 hintere Körper- segmente, so hat sich eben bei den Symphylen das Vorkommen fungirender Spinndrüsen auf ein solches Segment beschränkt; nur mit dem Unterschiede, dass, während bei ersteren die vor den einseitig ausgebildeten Organen gelegenen Drüsen total (?) eingegangen sind, bei letzteren dieselben Organe nur eine Rückbildung, möglicherweise zugleich auch einen Functionswechsel erfahren haben. 1) Grassı, B. I Progenitori degli Insetti e dei Miriapodi. ZL’Japyxr e la Campodeu.. Dagli Atti. Accad. Gioenia Se. Nat. Catania (3) Vol. 19. 1885. Estr. p. 53. Man vergleiche ferner: I Progenitori dei Miriapodi e degli Insetti, Contrib. allo Studio dell’ Anat. del genere Mackilis. ibid. Estr. p. 19. 2) Nassovow, N. Welche Insecten-Organe dürften homolog den Segmentalorganen der Würmer zu halten sein? Biol. Centralbl. 6. Bd. 1886. p. 458. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 393 Gehören aber die Säckchen der Symphylen und 'Thysanuren in den Bereich der Coxal- oder Spinndrüsen, so ist die Vergleichbarkeit ersterer mit Nephridien principiell ausgeschlossen, indem ja die Nephridien einer- und die Spinn- oder Coxaldrüsen andererseits zwei gleich fundamentale Kategorien metamerer Annelidenorgane darstellen. Durch den im Vorhergehenden enthaltenen Versuch festzustellen, wie sich die Spinn- drüsen der Anneliden zu den Spinn- oder Schenkeldrüsen des Peripatus und letztere wieder zu den Spinn- und Coxaldrüsen der Myriopoden, Symphylen und 'Thysanuren verhalten, ist nun auch, wie ich glaube, der Weg für ein besseres Verständniss der adäquaten Drüsen der Arachnoidea angebahnt. Das Vorkommen von Spinnstoffen und die verschiedenartige Verwendung solcher (zu Fangnetzen, zum Nestbau, zum Verkleben und zur Locomotion) für diese 'Thiergruppe im Besonderen nachzuweisen, kann ich mir ersparen. Kennt doch Jedermann sowohl Gespinnste, als auch Webermeister aus eigener Erfahrung, und ist es doch unbestritten, dass auch die im vorliegenden Falle in so vollkommener Ausbildung auftretenden Fäden ein an der Luft er- starrtes Drüsensecret darstellen, dessen wesentlicher Bestandtheil, das Fibroin, seiner chemischen Natur nach zu den Gerüst- oder Cutieularsubstanzen gehört. Für die Beurtheilung der morphologischen Bedeutung der so exquisiten Spinndrüsen der Araneiden ist ihr Lagerungsverhältniss, das heisst ihre Concentrirung auf den Hinterleib, im Bereiche des Afters nicht wenig hinderlich gewesen. Sie münden zwar an dieser Stelle vermöge mehrgliedriger Fortsätze; ob aber diese letzteren, die sogenannten Spinnwarzen, als eben so viele modificirte Extremitäten aufgefasst werden dürfen, dies schien bis vor Kurzem noch überaus fraglich. Und doch ist die Entscheidung dieser Frage von grosser Wichtigkeit; denn, sind erst einmal ihre Spinnwarzen als Homologa der übrigen Rumpfanhänge nach- gewiesen, so können wir auch mit um so mehr Recht und um so mehr Aussicht auf Zustim- mung die Spinndrüsen der Araneiden den Coxal- oder Spinndrüsen der Myriopoden etc. vergleichen. Wenn wir die Spinnwarzen nur im fertigen Zustande in’s Auge fassen, so drängt meiner Ansicht nach schon der »vergleichend-anatomische Instinet« dahin, sie als umgebildete Glied- maassen, als Ueberbleibsel eingegangener Zoniten zu betrachten, besonders im Hinblicke darauf, dass die kurzleibigen Araneiden so viel reicher gegliederte Blutsverwandte haben. Indessen dieser Instinet hat sich da zu bescheiden, wo die Entwickelungsgeschichte einzusetzen vermag, und so entschloss sich denn mit mir gewiss noch manch Anderer, wenn auch ungern, jener Auffassung der Spinnwarzen gegenüber Zweifel zu hegen, nachdem er in Barrours') Aranel- den-Embryologie gelesen hatte: The four rudimentary appendages have disappeared, unless, which seems to me in the highest de- gree improbable, they remain as the spinning mammillae, two pairs of which are now present.« Aber auch mit der Leuchte der Entwickelungsgeschichte ausgerüstet, trifft man nicht 1) Barrovr, F. Notes on the Development of the Araneina. @. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 20. 1850 p. 153. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 50 394 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. immer gleich das Richtige; denn neuerdings belehren uns Locv!) sowie Morm?) auf Grund ihrer ebenfalls an Araneiden gemachten embryologischen Beobachtungen, dass die Spinnwarzen aller- dings aus embryonal angelegten Extremitäten hervorgehen. Locy sagt: »At least two pairs of provisional appendages are modified into as many large spinning mammillae.« Sa Be »The mammillae therefore, are appendages, of abdominal somites, homodynamie with the cepha- lothoraeie appendages, and there are consequently six somites condensed into the space between the posterior pair of mammillae and the anus«. Morw’s Beschreibung lautet: »Das dritte und das vierte Paar Abdominalanhänge verwandeln sich in Spinnwarzen, wie es schon von SALENSsKY beobachtet wurde. In jeder Spinnwarzenanlage stülpt sich in ihrem Centrum das Ektoderm ein. Aus diesen Ektodermeinstülpungen entwickeln sich die Spinndrüsen.« Und so ist denn in diesem Falle das auf vergleichend-anatomische Erwägungen sich stützende Schlussverfahren kein trügerisches gewesen und Nichts steht im Wege, die Spinn- drüsen der Arachnoideen mit den Coxal- oder Spinndrüsen der Myriopoden und Symphylen zu vergleichen. In beiden Fällen sehen wir nämlich eine ursprünglich metamere, dem grösseren Theile des Körpers entlang in engem Anschlusse an die Extremitäten sich wiederholende Drüsenreihe auf wenige in ihrer Function einseitig gesteigerte, den hintersten mehr oder weniger modifi- cirten Zoniten angehörige Paare beschränkt. Bei den genuinen Myriopoden sind zwar die meisten mit Drüsenporen ausgerüsteten Beinpaare, sowie die respectiven Körpersegmente den vorhergehenden noch ähnlich, aber das die sogenannten Pleuraldrüsen enthaltende Zonit zeigt doch schon auffallende Modificationen; insbesondere sind seine Anhänge, die sogenannten Analbeine, den übrigen Beinpaaren gegen- über auffällig abweichend gebaut. In noch viel höherem Grade erinnern die bei den Sym- phylen herrschenden Verhältnisse an diejenigen der Araneiden, indem ganz wie bei letzteren mehrere, so bei ersteren Ein Paar terminaler Körperanhänge zu eigenthümlichen, von den Ausführungsgängen der mächtigen Spinndrüsen durchbohrten Warzen oder Griffel modificirt sind. Der Satz, dass die terminalen Spinndrüsen sowohl der Myriopoden und Symphylen, als auch der Araneiden die einseitig gesteigerten Paare einer ursprünglich in den meisten Körpersegmenten sich metamer wiederholenden Reihe darstellen, bedarf (was die Araneiden betrifft) noch der Begründung. Bei den Chilopoden pflegen an d—6 hintersten Beinpaaren Coxal- oder Spinndrüsen vorhanden zu sein; wahrscheinlich sind selbst von diesen Drüsen nur ein Theil, und zwar die letzten Paare, als Spinnorgane thätig, die vorhergehenden dagegen reducitt. Bei den Chilognathen (und zwar bei denjenigen, von welchen allein Gespinnste be- kannt sind) finden sich anstatt terminal gelegener, einseitig gesteigerter Spinndrüsen eigen- thümliche, ausstülpbare Drüsensäckchen an den Hüften einer grossen Anzahl von Rumpfex- 1) Locy, A. Observations on the Development of Agelena naevia. Bull. Mus. Harvard College Vol. 12. 1886. p. 82. 2) Moris, J. Zur Entwickelungsgeschichte der Spinnen. Biol. Centralbl. 6. Bd. 1887. p. 662. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 395 tremitäten (so bei ZLysiopetalum vom 3.—16. Segmente). Es kann kein Zweifel darüber wal- ten, dass diese Säckchen der Lysiopetaliden sowie auch die sogenannten Poren an den Hüf- ten der Chordeumiden modificirte, respective zurückgebildete Coxal- oder Spinndrüsen dar- stellen. Ebendahin rechnete ich die ausstülpbaren (fälschlich mit Nephridien verglichenen Säckchen der Symphylen und 'Thysanuren. Es fragt sich nun, ob auch von den Arachnoideen ausser den einseitig gesteigerten, terminalen Coxal- oder Spinndrüsen, noch solche modificirte oder rückgebildete in anderen Körperregionen bekannt geworden sind. Dank einer Reihe im letzten Jahrzehnte vorwiegend durch Lankesters Bemühungen um den Nachweis der Arachnoidennatur des Limulus hervorgerufener, dieses unser Problem intensiv berührender Forschungen sind wir in der erfreulichen Lage, die vorstehende Frage in befriedigender Weise beantworten zu können. Zum Behufe eines vollen Verständnisses der Sachlage hat aber die nachfolgende Be- trachtung, dem Gange der Thatsachen-Erforschung entsprechend, ihren Ausgang von Limulus zu nehmen. Den Anstoss zur Beachtung dieser uns interessirenden Organe gaben die von PacKkArD an diesem Thiere im Bereiche der Hüften eines vorderen Beinpaares entdeckten und unter dem Namen »brick-red glands« beschriebenen Drüsen. Packarp hielt die ziegelrothen Kör- per, an denen er keinen Ausführungsgang zu finden vermochte, für exeretorischer Natur und erklärte sie für Homologa der Antennendrüsen gewisser Crustaceen. Möglicherweise, so meinte ferner dieser Autor, repräsentirten sie auch das Bosanus’sche Organ der Mollusken, oder auch die Drüsenportion der Wurm-Nephridien. Für ihre Vergleichbarkeit mit Kapseln der Vertebraten-Nebennieren dagegen liege kein zureichender Grund vor. Diesen durch Packarp stabilirten Vergleichen gegenüber verhielt sich LAnkester’) in seiner bekannten Monographie des Limulus zunächst ablehnend. Nicht nur stelle der soge- nannte ziegelrothe Körper keine Niere dar, sondern es sei selbst dessen Drüsennatur nichts weniger als erwiesen. Aber bald darauf kam Lankester®’) zu einer anderen Ansicht, indem er sich durch Untersuchung frischen Materiales davon zu überzeugen vermochte, dass der brick-red body des Limulus allerdings einen drüsigen Bau aufweise, und überdies die wichtige Entdeckung machte, dass beim Scorpione ebenfalls ein solches ganz wie bei Limulus im Bereiche der Bein-Hüften gelegenes Organ vorkomme. Dieses letztere, an dem sich zunächst ebensowenig wie an dem- jenigen des Limulus irgend ein Ausführungsgang nachweisen liess, war zwar von älteren Autoren schon gesehen, aber fälschlich als ein Adnex des Darmkanales betrachtet worden. LANKESTER betont natürlich die Homologie dieser Scorpioniden- und Xiphosuren-Drü- 1) PaAckARD, A. jun. On an undescribed Organ in Limulus, supposed to be Renal in its Nature. Ann. Mag. N.2H. (4) Vol. 15.1875. p. 255. 2) LANKESTER, E. Limulus an Arachnid. Q. Journ. Mier. Se. (2) Vol. 21. 1882. p. 633. 3) On the Coxal Glands of Scorpio hitherto undeseribed and corresponding to the Brick-red Glands of Limulus. Proc. R. Soc. London Vol. 34. 1882/83. p. 95. 50* 396 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. sen und fasst zugleich die Möglichkeit in's Auge, beide mit den Nephridien des Peripatus zu vergleichen. Uns interessirt aber in höherem Grade die 'Thatsache, dass derselbe Autor hier zum ersten Male für die fraglichen Drüsen den Namen Hüftdrüsen oder Coxaldrüsen (coxal olands) in Anwendung bringt; denn, wie selten, wurden in diesem Falle, durch Anwendung eines treffenden Terminus, zahlreiche unverständliche Organe mit einem Schlage einer einheit- lichen Kategorie subsumirt. Es ist nicht Schuld dieses glücklich gewählten Namens, wenn gleichwohl die damit zwingend indieirten Beziehungen bis heute sorgfältig vermieden wurden. Am Schlusse dieser seiner Abhandlung konnte Lankester noch die folgenreiche Mit- theilung machen, dass er auch bei gewissen Araneiden (Mygale) ein Paar Coxaldrüsen auf- gefunden habe. Das Vorkommen von Coxaldrüsen im Kreise der Arachnoideen wird zunächst dadurch erweitert, dass MicHaeL') übereinstimmende Gebilde von Milben beschreibt. Auch in diesem Falle war der Nachweis von Ausführungsgängen noch nicht gelungen, und auch dieser Autor vergleicht die Coxaldrüsen der Milben, des Scorpions sowie des ZLimulus mit den Nephridien (der Würmer) und der Antennendrüse der Urustaceen. Sodann schilderte LAnk&ster?) ausführlich die Anatomie und Structur der Coxaldrüsen von Mygale und Limulus. Aus ihrer Structur ergebe sich, dass die Coxaldrüsen einen activen secretorischen Apparat darstellten. Im Ganzen sprächen die Facta für einen Vergleich mit der Antennendrüse der Crustaceen. Ihre Entwickelung geschehe möglicherweise auf Kosten des sogenannten skeleto-trophischen Gewebes. Endlich wird auch durch Gurzanp®) eine äussere Mündung, und zwar für die Coxal- drüsen sehr junger Limulus nachgewiesen. Dieselben haben ihre Lage an der Basis der Coxen des fünften Beinpaares, bei erwachsenen Thieren finden sich an den entsprechenden Stellen nur noch Vertiefungen. Es ist bemerkenswerth, dass ähnliche Vertiefungen auch an den übrigen Beinpaaren vorkommen. Das Lumen der Drüse soll im Inneren des Körpers frei mit den Räumen des zwischen ihr und dem ventralen Blutsinus gelegenen Bindegewebes communiciren, und diese Communication eine »innere Oeffnung« repräsentiren. In einer dieser Abhandlung seines Schülers beigefügten Note zieht LankEster‘') auf Grund der mitgetheilten Thatsachen den Schluss, dass die Coxaldrüsen des Limulus die essen- tiellen Eigenschaften der Wurm- und Peripatus-Nephridien aufwiesen, dass sie möglicher- weise das einzige übrig gebliebene (modificirte) Paar einer ursprünglichen Reihe solcher Organe darstellten, dass die Umwandlung jugendlicher mit Mündungen versehener Drüsen in ausge- wachsene solcher Mündungen entbehrende, in der durch Weıvon erschlossenen Entwickelung I) MicHaet, A. Observations on the Anatomy of the Oribatidae. Journ. R. Mier. Soc. London (2) 1883. p. 20. 2) Lankeszer, E. On the Skeleto-trophie Tissues and Coxal Glands of Limulus, Scorpio, and Mygale. Q. Journ. Mier. Sc. (2) Vol. 24. 1884. p. 151. 3) Gurzanp, G. Evidence in favour of the View that the Coxal Gland of Zimulus and of other Arachnida is a modified Nephridium. Q@. Journ. Mier. Se. (2) Vol. 25. 1885. p. 511. 4) —— ibid. p. 515. Volsa% I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. 397 der Vertebraten-Nebenniere einen ihr ganz parallel verlaufenden Vorgang finde, ja dass die Coxaldrüse des Limulus wahrscheinlich nicht nur morphologisch, sondern auch physiologisch der Nebenniere vergleichbar sei. Ferner weist LANKESTER von Neuem darauf hin, wie sich auch die Antennen- und Schalendrüsen der Crustaceen möglicherweise als umgewandelte Nephridien auffassen liessen und wie letztere, die Schalendrüse, dadurch sich auch zugleich den Coxaldrüsen von Limulus und den Arachnoideen anschlösse, dass sie in Ähnlicher Weise an der Basis des fünften Extre- mitätenpaares (zweiten Maxillenpaares) nach aussen münde. Trotzdem erwägt hier LAnkEster, nachdem er noch die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Geschlechtsgänge von Nephridien abstammen, hervorgehoben, die Frage: »Is every tubular structure opening from coelom to exterior necessarily to be considered as be- longing to one category — the nephridium?«*) Gleichzeitig mit Gurzann hat auch Kıssster ') die Ausführungsgänge der Coxaldrüsen in Jugendstadien des Limulus aufgefunden. Letzterer Autor nennt hier die betreffenden Drüsen schlechtweg Nephridien und zieht die Schalendrüse der Crustaceen auf Grund des von ihm gelieferten Nachweises ihrer correspondirenden Mündungsverhältnisse in denselben Organkreis. Bevor die Ausführungsgänge der Coxaldrüsen des Limulus entdeckt waren, hatte schon BERTKAU?) ebensolche Gänge an den gleichnamigen Drüsen von Araneiden, und zwar zunächst gleichfalls lediglich an ganz jugendlichen Exemplaren (von Atypus piceus) aufgefunden. Der erwähnte Ausführungsgang mündet nach BErrkau bei Afypus in der Verbindungs- haut zwischen Brustplatte und Hüftglied des dritten Beinpaares. Halbwüchsige Exemplare von Atypus liessen den Ausführungsgang bereits vermissen. Bemerkenswerth ist, dass ge- nannter Autor bei allen einheimischen Spinnen, bei denen er darnach suchte, die Coxaldrüsen auffand und dass er auch bei denjenigen des Euscorpius italicus eine Mündung am Hüftgliede des dritten Beinpaares zu sehen glaubte. Was die Bedeutung der Drüsen betrifft, so hält sie BERTKAU für embryonale Organe excretorischer Natur. Die an den Hüften des ersten und zweiten Beinpaares sich wiederholenden Ausbuchtungen stellten möglicherweise Andeutungen von segmental wiederkehrenden Ausmündungsstellen dar, so dass Laxkester's Vergleich mit Nephridien nahe liege. 1) Kınestey, J. Notes on the Embryology of Limulus. @. Journ. Mier. Sc. (2) Vol. 25. 1885. p. 548. 2) Berrkav, Ph. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. Correspbl. Naturh. Ver. d. Preuss. Rheinl. u. Westf. 1884. p. 74. Ueber den Verdauungsapparat der Spinnen. Arch. Mikr. Anat. 24. Bd. 1555. p. 435. *) Ich habe diesen Satz Lankesrer’s in gesperrter Schrift wiedergegeben, um damit auszudrücken, welche Bedeutung ich dem Inhalte desselben speciell im Hinblicke auf meine hier vorgetragene Auffassung beilege. Denn, aus diesem Inhalte folgt, dass Lankester, trotz der gerade von ihm mehrfach vertretenen Vergleichbarkeit von Coxaldrüsen und Nephridien, doch andererseits auch nicht die Möglichkeit von der Hand wies, dass noch eine Kategorie anderer Annelidenorgane für die Herleitung jener metamer angeordneten Arthropodendrüsen in Betracht kommen könnte. Auf die Anerkennung einer solchen zweiten Kategorie von Annelidenorganen (nämlich der Spinn- drüsen) ist aber die durch dieses ganze Kapitel hindurch sich erstreckende Kette von Schlussfolgerungen basirt, mit ihr stehen und fallen auch diese Folgerungen. 398 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. In einer folgenden Publication machte sodann Berrkau') die interessante Mittheilung, dass ausnahmsweise auch bei erwachsenen Exemplaren von Afypus die Coxaldrüsen Aus- führungsgänge erkennen liessen, und dass selbst in den Fällen, in welchen diese Gänge ge- schwunden seien, sich doch stets noch ihre spaltförmigen Oeffnungen an den Hüften vorfänden, ja dass sich ganz ähnliche Spalten auch an den entsprechenden Stellen der Hüften des ersten Beinpaares wahrnehmen liessen. Bezüglich der Mündungsstellen der Coxaldrüsen einer anderen Spinne (Scurria) wird die morphologisch wichtige Thatsache constatirt, dass hier der betreffende Spalt nicht (wie bei Atypus) im Hinterrande der zugehörigen Hüfte, sondern bereits in der zarten Haut zwischen diesem und dem Vorderrande der Hüfte des folgenden Beinpaares liege‘. Das vereinzelte Auftreten eines Ausführungsganges bei erwachsenen Spinnen lässt nach BErrkau eine doppelte Erklärung zu. Es ist nämlich entweder ein normal verkümmertes Organ im fraglichen Falle abnormer Weise entwickelt, oder aber es liesse sich denken, dass der Ausführungsgang zeitweise zur Regeneration gelange, in welchem Falle sodann die Coxal- drüse kein schlechtweg rudimentäres Organ darstellte. Berrkau ist geneigt, die zweite dieser Alternativen für die wahrscheinlichere zu halten, und zwar aus dem Grunde, weil die Drüsen- mündung auch dann erhalten bleibt, wenn der Ausführungsgang geschwunden ist. Das Vorkommen äusserer Mündungen wurde endlich auch noch durch KowArEvsky und Scaursın’) für die embryonalen Coxaldrüsen des Skorpions (Androctomus ornatus, constatirt. Können wir nun auf Grund der eben mitgetheilten 'Thatsachen die zuletzt gestellte Frage, ob nämlich auch bei den Arachnoideen ausser den einseitig gesteigerten, terminalen Coxal- oder Spinndrüsen noch deren modificirte oder rückgebildete in anderen Körperregionen vorkommen, bejahen? Ich glaube unbedingt. Nicht nur bei Limulus und den Scorpionen, sondern auch bei denjenigen Arachnoideen, welche allein noch mit terminalen, fungirenden Spinnapparaten ausgerüstet sind, nämlich bei den Araneiden, haben sich segmental angeordnete, im Bereiche der Hüften mündende Drüsen (respective Poren) vorgefunden, welche von LAnkEsTer selbst als Coxaldrüsen bezeichnet wurden. Was liegt angesichts dieser im Bereiche der Hüften mündenden Drüsen näher, als sich vor Allem der einzigen Arthropodengruppe zu erinnern, von welcher längst schon ähnlich gelegene, ja ebenso genannte Drüsen und Poren bekannt sind? Was kann mehr zu einem Vergleiche mit den Coxaldrüsen der Arachnoideen herausfordern, als die adäquaten Drüsen der Myriopoden? Dass dieser Vergleich durchaus unberücksichtigt blieb, dass selbst ein so vielfach mit 1) Bertkav, Ph. Ueber die Coxaldrüsen der Arachniden. Sitz. Ber. Niederrhein. Ges. Bonn. 1885. p- 13 (Bericht pro 1884.) 2) KowALEvsky, A., M. und Scnurgin Zur Entwickelungsgeschichte des Skorpions. Biol. Centralbl. 6. Bd. 1886. p. 532. *) Vergl. Anmerkung p. 391. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen, d. Arthropoda. 399 Arthropoden beschäftigt gewesener Forscher wie Packarn') sagen konnte: »We are next to look for their occurrence (nämlich der Coxaldrüsen) in the Myriopods. Possibly the repu- gnatorial pores of Chilognath may be found to be these glands, which open above the inser- tions of the legs«, auch dies lässt sich nur dann verstehen, wenn man den schon einmal be- tonten, so überaus beklagenswerthen Mangel jedweder die vergleichende Anatomie dieser Myriopodenorgane zusammenfassenden Arbeit in Erwägung zieht. Und hinsichtlich des Vergleiches mit ursprünglicheren Bildungen: was liegt näher, als an die ebenfalls im Bereiche der Extremitäten nach aussen mündenden Schenkeldrüsen (crural glands) des Peripatus zu denken, welche eben so wie die Nephridien in metamerer Folge auf- treten und sich durch ihr gleichzeitiges und gleichortiges Vorkommen neben den Nephridien als eine Reihe durchaus selbständiger Organe zu erkennen gaben? Anstatt dessen sehen wir nahezu in allen Fällen, theilweise sogar mit Umgehung des Peripatus auf die Nephridien recurriren, ja sogar auf die Antennen- und Schalendrüsen der Crustaceen, wobei doch nur ein Unbekanntes mit einem noch Unbekannteren in Beziehung gebracht wird. In Anbetracht, dass diese Vorliebe, die Coxaldrüsen (der Arachnoideen) mit Nephridien zu vergleichen, meiner Ansicht nach, zum guten T'heil auf der geringen Erforschung der Myriopoden, also auf einem zufälligen Factor beruht, und ich vielleicht hoffen darf, durch die Gesammtheit meiner Darlegungen den Zusammenhang aller Coxal- oder Spinndrüsen von den Anneliden bis zu den Arthropoden herauf anerkannt zu sehen (wodurch die Vergleichbarkeit dieser Drüsen mit Nephridien von selbst ausgeschlossen wäre), dürfte ich mir vielleicht die Discussion der zu Gunsten der Abstammung der Coxaldrüsen von Nephridien vorgebrachten Motive ersparen; indessen, ich könnte mich in meiner Zuversicht getäuscht sehen, so dass es sich empfiehlt, diese Motive nicht ganz unberücksichtigt zu lassen. Die metamere Anordnung gilt zwar für Nephridium- wie Spinndrüsen-Derivate gleicher- weise; aber es ist doch unverkennbar, dass durch ihre speciellen Lagerungsverhältnisse, durch ihr zähes Festhalten der Mündung im Bereiche der Extremität, die Coxaldrüsen sich enger an die Spinndrüsen, als an die Nephridien anschliessen. In dieser Hinsicht ist auch bemerkens- werth, dass sich schon bei Anneliden und ebenso bei Peripatus (vorausgesetzt, dass man bei letz- terem die Homologie von Spinndrüse und Schenkeldrüse anerkennt) eine ebenso einseitige Ausbildung, respective ein ähnlich schwankendes Verhalten im serialen Auftreten der Spinn- drüsen zu erkennen giebt, wie bei den Arthropoden im Auftreten der Coxaldrüsen. Haben wir doch gesehen®), dass die bei Peripatus capensis nahezu in allen Segmenten und in beiden Geschlechtern auftretenden Schenkeldrüsen bei der anderen Art, nämlich bei P. Edwardsü, auf das männliche Geschlecht beschränkt sind und auch hier bald nur in 2, bald in 7 oder S vor dem Genitalsegmente gelegenen Beinpaaren vorkommen, dass also in dieser Form nicht nur im Bereiche der verschiedenen Species, sondern auch im Bereiche der Individuen sehr weit- gehende Schwankungen sich geltend machen. 1) Packard, A. jun. The Coxal Glands of Arachnida and Crustacea. Amer. Natural. Vol. 17. 1883. p. 797. a) Vergl. p. 377. 400 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Aus der Structur der (nicht mehr als Spinnorgane fungirenden) Coxaldrüsen lässt sich weder pro, noch contra Entscheidendes entnehmen; denn die in der Regel mit dem Wachs- thume einhergehende Rückbildung der Ausführungsgänge spricht deutlich dafür, dass die be- treffenden Drüsen rudimentäre Organe oder, was wahrscheinlich besser zutrifft, durch Func- tionswechsel modifieirte Organe darstellen. Wenn sich nämlich der Functionswechsel nach- weislich der Nephridien in so hohem Grade bemächtigen kann, dass aus ihnen Speicheldrüsen und Geschlechtsgänge hervorgehen, so steht doch wohl auch dem Nichts im Wege, dass sich auf Grund desselben Wechsels eine Spinndrüse allmählich in eine mehr oder weniger hetero- gen gebaute und fungirende Bildung umwandele. Als charakteristisch in dieser Hinsicht, möchte ich an die Thatsache erinnern, dass sich an den Schenkeldrüsen von Peripatus capensis Q' thatsächlich ein solcher Functionswechsel am letzten Paare vollzogen hat, indem letzteres die enorm vergrösserte, sogenannte accessorische Drüse darstellt. Sehr zu beachten wäre, ob die jugendlichen, noch mit Ausführungsgängen versehenen Coxaldrüsen nicht vorübergehend Spinn- stoffe liefern, indem dadurch einmal das Stattfinden der durch den Schwund der Ausführungs- gänge schon indieirten Verkümmerung, respective Modification eine weitere Stütze erhielte und zugleich die Einheit von Coxal- und Spinndrüsen auch im Kreise der Arachnoideen sich functionell manifestiren würde. Obgleich vorläufig, wie erwähnt, aus der Structur der fraglichen Arachnoideen-Drüsen wenig für oder wider ihre Herleitung vom einen oder anderen Typus geschlossen werden kann, so möchte ich doch nicht unerwähnt lassen, dass sich für die von LAnkEstEer und Berrkau als riesig bezeichneten Kerne wohl in den Spinndrüsen der Insectenlarven, nicht aber in irgend welchen Derivaten von Nephridien ein Seitenstück findet. Den hauptsächlich von Berrxau betonten Mangel eines Nachweises von Harnsäure will ich nicht zu meinen Gunsten anführen, da in der angeregten Frage weder das Fehlen, noch das Vorhandensein dieser Säure etwas zu entscheiden vermag. Erstens braucht nämlich das Excret einer supponirten Niere nicht gerade Harnsäure zu sein, und zweitens ist die Thatsache, dass ein stickstoffhaltiges Excret in einem Organe vorkommt, noch lange kein Beweis für seine nephridiale Natur. Ich habe in dieser Monographie Belegstücke genug da- für geliefert, wie ausser den Nieren par excellence (den Nephridien) auch in den Parapodien, dem Peritoneum, dem Blute ete. eine überaus lebhafte excretorische 'Thätigkeit stattfinden könne. Aus demselben Grunde darf auch die Färbung der Coxaldrüsen der Arachnoideen in keinem derartigen Sinne verwerthet werden, wozu überdies kommt, dass die Spinn- drüsen der Anneliden ebenfalls reichlich mit Pigmenten, und zwar mit solchen, welche viel mit den excretorischen Pigmenten der Nephridien gemein haben, ausgestattet zu sein pflegen. Was endlich die sogenannten inneren Mündungen der Coxaldrüsen des Limulus be- trifft, so wäre ja der Nachweis von 'Trichtern geradezu entscheidend; aber was Gurzann als innere Mündung bezeichnet, ist doch davon weit entfernt und lässt sich wohl auch noch in anderer Weise interpretiren. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. d. Arthropoda. 401 Nach alledem wären also die Coxal- oder Spinndrüsen der Arachnoideen in erster Linie den Coxal- oder Spinndrüsen der Myriopoden, Symphylen und Ihysanuren und, was die entfernteren Beziehungen betrifft, den Spinn- und Schenkeldrüsen des Peripatus sowie den Spinndrüsen der Anneliden homoloe. Was die Giftdrüsen der Araneiden betrifft, so lässt sich wohl vorläufig über ihre Abstammung, respective Zugehörigkeit ebenso wenig aussagen, wie über die gleichnamigen Drüsen der Myriopoden. Nachdem wir gesehen haben, wie einerseits bei denjenigen Arthropoden, welche ledig- lich im Bereiche des Körperendes mit wohlausgebildeten Spinndrüsen ausgerüstet sind, letz- teren offenbar homologe Drüsen, nämlich sogenannte Coxaldrüsen, auch in anderen Regionen des Körpers vorkommen, und wie andererseits bei Peripatus, dessen einseitig ausgebildete Spinndrüsen umgekehrt am Vorderende liegen, ebenfalls Reihen von je nach den Arten mehr oder weniger geschlossen metamer sich wiederholenden Schenkeldrüsen nachgewiesen sind, können wir nun noch einmal auf die Hexapoden zurückkommen, insbesondere auf die gleich Peripatus allein am Vorderende mit fungirenden Spinndrüsen versehenen Insecten- larven, und fragen, ob sich sei es bei den Larven sei es bei den Imagines ausser diesem einseitig zu Spinnapparaten entwickelten vorderen nicht auch noch con- secutive, modificirte Drüsenpaare, das heisst ähnliche Coxaldrüsen wie bei den Arachnoideen vorfinden. In dieser Hinsicht scheinen mir folgende Worte BerrkAau’s"; von Interesse zu sein: »Möglicher Weise entbehren aber auch die Inseeten dieser Drüsen nicht [nämlich der Coxaldrüsen|, wenigstens wenn die Drüse, die nach Say's Entdeckung an den Seiten des Prothorax von Amisomorphus buprestoides ausmündet, und die nach Scupper Gemeingut aller Phasmiden ist, hierhergezogen werden kann. Bei Mantis religiosa fand ich ebenfalls eine geknäuelte Drüse an der Hinterseite der Vorderhüfte ausmünden, konnte aber bei den stark defekten Exemplaren, die mir zur Verfügung standen, nichts Genaueres über ihre Natur ermitteln.« Wenn auch das Vorstehende nur hinreicht, um es wahrscheinlich zu machen, dass bei den Hexapoden ähnliche Verhältnisse zwischen Spinn- und Coxaldrüsen herrschen wie bei den Arachnoideen etc., so bin ich doch fest überzeugt, dass genaue auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen zu identischen Resultaten führen werden. An Drüsen fehlt es wahrlich auch im Bereiche der Hexapoden nicht. Man schlage beispielsweise pagina 699 der 4. Auflage des Lehrbuches von Craus auf. Da ist ausser den bekannten typischen Drüsen die Rede von: Analdrüsen der Käfer, Formiciden etc., von der unpaaren, birnförmigen Drüse im Metathorax der Bettwanze, von den neben den Mittelbeinen mündenden Drüsen der Baumwanzen, von den sich paarweise wiederholenden, ein salycilsäurehaltiges Secret abscheidenden Drüsensäck- chen der Larven und Puppen der Chrysomela populi, von ähnlichen Säckchen gewisser Bom- bycidenraupen, von einem ansehnlichen Drüsensacke im Prothorax der Raupe von Harpyia etc. Es wird sich der Mühe verlohnen, in diesen und anderen Fällen nachzuweisen, ob wir RS p2 3982 ep. 16. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 51 402 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. es in den betreffenden Drüsen mit einfachen Hautdrüsen, oder aber mit solchen zu thun haben, welche in die Kategorie der Speicheldrüsen (Nephridien), oder endlich mit solchen, welche in die Kategorie der Coxaldrüsen (Spinndrüsen) gehören. Während innerhalb aller anderen grossen Arthropodenabtheilungen von mehr oder weniger zahlreichen Vertretern Gespinnste nachgewiesen werden konnten, ist, meines Wissens, in der Classe der Crustaceen. abgesehen von dem sogenannten Cemente der Cirripedien, nichts Derartiges bekannt geworden. Die 'Ihatsache, dass die Cementdrüsen der Lepadiden und Balaniden ein an- geblich chitinähnliches, an der Luft erstarrendes (fadiges?) Secret absondern, ist jedenfalls geeignet, sie als mögliche Abkömmlinge von Spinndrüsen in's Auge zu fassen; aber die mangelhafte morphologische Kenntniss dieser Drüsen, sowie ihre isolirte Stellung in der Classe lassen vorläufig noch keine über Vermuthungen hinausreichende Deutung zu. Ebensowenig bin ich — trotz der vielen, zum "Theil so eingehenden Arbeiten über die betreffenden Drüsen, und trotz des Eifers, mit dem man sie bald auf Nephridien, bald auf Coxaldrüsen zurückzuführen versuchte — in der Lage, mich auf Grund unserer heutigen Kenntnisse darüber zu entscheiden, in welche der beiden grossen Kategorien von Absonderungs- organen die Antennen- und Schalendrüse zu stellen seien. Die Mündungsverhältnisse der Schalendrüse sind sicherlich ihrer Auf- fassung als Coxal- oder Spinndrüse günstig, aber es lässt sich andererseits auch nicht leugnen, dass bei der (homologen?) Antennendrüse Vieles zu Gunsten einer nephridialen Abstammung angeführt werden kann. Noch sei, sowohl in Anbetracht ihrer Lage im Bereiche der Extremitäten, als auch in Anbetracht der Natur ihres Secretes, auf die von Dourn') beschriebenen Kittdrüsen der Pycenogoniden (Pantopoden) als möglicher Derivate von Coxal- oder Spinndrüsen hingewiesen. Was das ausschliessliche Vorkommen dieser Drüsen im männlichen Geschlechte betrifft, so findet sich hierzu ein Seitenstück in den Schenkeldrüsen des Peripatus, welch’ letztere bei der Species P. capensis in beiden Geschlechtern, bei der Species P. Edwardsü dagegen nur im männlichen vorkommen. Auch dies ist bezeichnend, dass bei den ©' von P. capensis Ein Schenkeldrüsenpaar (die sogenannten accessorischen Drüsen) Beziehungen zum Genitalapparate eingeht. Schliesslich will ich noch, zur besseren Uebersicht meiner in diesem Abschnitte darge- legten Ansichten über die zwiespältige Abstammung der Arthropoden-Drüsen, die beiden respectiven Kategorien nach Thiergruppen nebeneinander geordnet aufführen. 1) Dours, A. Die Pantopoden des Golfes von Neapel ete. Herausg. v. d. Zool. Station zu Neapel. Leipzig 1881. p. 33 und p. 97. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. d. Arthropoda. e. Mollusca. 403 Aus den Spinndrüsen der Anneliden haben sich entwickelt: Bei den Anneliden: die Borstendrüsen. Aus den Nephridien der Anneliden haben sich entwickelt: Die Speicheldrüsen und Geschlechtsgänge. Bei den Onychophoren (Peripatus): die Spinn- Die Speicheldrüsen und Geschlechtsgänge. drüsen und Schenkeldrüsen (crural glands. Bei den Myriopoden: die Spinn- und Coxal- Die Speicheldrüsen, Geschlechtsgänge (und drüsen; letztere theilweise = sogenannte Wehrdrüsen? ausstülpbare Drüsensäckchen. Bei den Symphylen (Scolopendrella): die Spinn- Die Speicheldrüsen und Geschlechtsgänge. drüsen und sogenannten ausstülpbaren Drü- sensäckchen = Coxaldrüsen. Bei den Thysanuren: die sogenannten ausstülp- Die Speicheldrüsen und Geschlechtsgänge. baren Drüsensäckchen = Coxaldrüsen. Bei den Insecten: die Spinndrüsen (und Coxal- Die Speicheldrüsen (und Wehrdrüsen?. drüsen ?) Bei den Arachnoideen: die Spinndrüsen und Die Speicheldrüsen und Geschlechtsgänge. Coxaldrüsen. Unbestimmbar ist vorläufig, von welcher der beiden Kategorien die Giftdrüsen der Myriopo- den und Araneiden, sowie die Cement-, Antennen- und Schalendrüsen der Crustaceen abzuleiten sind. e. Mollusca. Trotz ihres durch die mineralischen Einlagerungen so stark modificirten Habitus würden die verschiedenartigen Molluskengehäuse schon frühe als Hautgebilde erkannt, und heute bezweifelt sogar (verschwindende Ausnahmen abgerechnet) Niemand mehr deren specielle Zugehörigkeit zu denjenigen Hautdrüsensecreten, welche unter dem Namen »Cuticularsub- stanzen« zusammengefasst zu werden pflegen. Besteht auch der organische Bestandtheil dieser Gehäuse nur in einzelnen Fällen aus Chitin — die schon durch LeuckArr') constatirte chitinige Beschaffenheit der Cephalopoden-Schulpe und -Kiefer wurde neuerdings durch KruKENBERG* bestätigt; ferner wies Letzterer’) nach, dass auch die Gehäuse von Spirula und Nautilus chitin- haltig sind — so stellt doch das an seine Stelle tretende Conchiolin offenbar eine verwandte (wie jenes zu den Krukexgerc’schen »Skeletinen« gehörige) Gerüstsubstanz dar. Ueberaus lehrreich in diesem Sinne ist die Thatsache, dass nach Krurenperg’) bei Lingula und nach SCHMIEDEBERG'!) bei Lepas Chitin und Conchiolin nebeneinander vorkommen. DRl.ap. 3A4.ze. p. 25. 2) KRUKENBERG, Ü. Ueber das Conchiolin und über das Vorkommen des Chitins bei Cephalopoden. Ber. Deutsch. Chem. Ges. 18. Jahrg. 18$5. pP 992% 3) Ueber das Vorkommen des Chitins. Z. Anzeiger. Jahrg. 1855. p. 412. A122 Pp2 20.04 p. 392. 404 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) 'Theil. Auch entwickelungsgeschichtlich wird diese Auffassung gestützt; denn nach einstimmiger Angabe aller Embryologen*) entsteht die sogenannte Schalendrüse (in welcher, einerlei, ob im erwachsenen Zustande ein Gehäuse vorhanden ist, oder nicht, bei allen Embryonen eine provisorische Schale secernirt wird, und von der aus auch die definitive Gehäusebildung unter allen Umständen ausgeht) in Form einer ectodermalen Einstülpung. Für uns ist nun aber die weitere Frage von Belang, ob auch diese Cuticulargebilde eine fibrilläre Structur erkennen lassen. Weitaus die meisten Forscher, welche sich mit der Entstehung der Mollusken- schalen beschäftigt haben, sprechen auch hier, soweit der organische Bestandtheil in Be- tracht kommt, von homogenen oder geschichteten Membranen. Eine entgegengesetzte Auf- fassung vertrat nahezu ganz allein, aber dafür mit um so seltenerer Ausdauer von NArHusius- Königsporn')**); er erkannte dank seinen mit Hilfe einer überaus vervollkommneten Technik angestellten Untersuchungen ***) die unzweifelhaft fibrilläre Zusammensetzung der Weichthier- gehäuse. Sehr zu Statten kommt mir, dass auch in diesem Falle (so wie für den Crustaceen- panzer) wenigstens eine der neuesten von Seiten anderer Forscher unternommenen Bearbei- tungen des Gegenstandes zu einem mit v. Narnusıus durchaus übereinstimmenden Resultate geführt hat: ich meine diejenige F. Mürrer’s?). Er kommt zu dem Resultate: »Die lamellöse Muschelschale wird während der grossen Metamorphose, welche die Muscheln an den Kiemen und Flossen der Fische durchmachen, fibrillär angelegt; die lamellöse Structur ist eine secundäre Bildung, die wahrscheinlich erst mit der Verkalkung eintritt. Die fibrilläre Anlage erfolgt zugleich mit der Entwickelung und Differenzirung der sich an die Schale setzenden Muskeln.« Ein überaus instructives Beispiel für die fibrilläre Structur der Cuticulargebilde von Mollusken stellt auch der von Brock®) beschriebene Kiefer?) einer jungen Agriolimaw dar. Die Fibrillen (oder die Längsstreifen, um Brock’s Ausdrucksweise beizubehalten) der Mund- Epithelzellen, welche den Kiefer absondern, scheinen sich hier direct auf den in der Bildung begriffenen Kiefer fortzusetzen. In gutem Einklange mit diesem Verhalten steht auch, dass es in der Haut gewisser a) Dat. 37. Big. 23. l) Narnvstus-KÖNIGsBorn, W. v. Untersuchungen über nicht celluläre Organismen etc. Berlin 1877. p. 46. 2) Mürter, Ferıx. Ueber die Schalenbildung bei Lamellibranchiaten. Dissert. Breslau 1855. p. 35. 3) 1. p. 323. c. p. 380. Anmerkung 4. ‘) Man vergl. die bezüglichen Arbeiten von STEPHANOFF, LANKESTER, RABL, HATSCHER und ZIEGLER. **) Wenn ich auch mit den genannten Autoren hinsichtlich der Thatsache üibereinstimme, dass der cuticulare Theil der Molluskengehäuse aus Fibrillen bestehe, so befinde ich mich doch in vollkommenem Wiederspruche mit ihnen bezüglich der Interpretirung dieses Factums. Mürter schliesst, »dass die Muschelschale kein Secretions- product sein kann, sondern belebt ist und durch Intussusception wachsen muss« (l. ec. p. 35), v. NarHuusıus, »dass es sich bei ihnen wirklich um lebende und wachsende Organisationen und nicht um mechanisch geformte Secretionen handelt.« (1. e. p. 115). Als Resultat meiner Untersuchungen ergiebt sich umgekehrt der mit der herrschenden Auffassung der Gerüstsubstanzen durchaus im Einklange stehende Satz, dass die Cutieularbildungen Secrete, und zwar fadige Secrete darstellen. Man vergl. Anmerkung p. 373. ***) Die Gründlichkeit dieser Untersuchungen wird auch von einem der letzten, einen durchaus entgegen- gesetzten Standpunkt einnehmenden Bearbeiter der Schalenbildung: EHRENBAUM, Ersst. Unters. über die Structur und Bildung der Schalen ete. Zeit. Wiss. Z. 41. Bd. 1885. p. 6. anerkannt. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thiercelassen. e. Mollusca. 405 Mollusken zur Ausbildung ebensolcher Stäbchen und Nesselorgane kommt, wie solche im Vorhergehenden insbesondere von Anneliden und Coelenteraten, speciell in ihrem Verhält- nisse zu fadenförmigen Secreten in’s Auge gefasst wurden. Als vor nun mehr als vierzig Jahren durch Arper und Hancock das so überraschende Vorkommen förmlicher Nesselbatterienin den Rückenanhängen einzelner Aeolidier constatirt wurde, mag es wohl manchem in der damaligen 'Typentheorie Befangenen schwer geworden sein, an eine vollkommene zwischen diesen und den bekannten Coelenteratengebilden waltende Uebereinstimmung zu glauben. Und doch haben die darauffolgenden Untersuchungen, vor allen diejenigen von BERGH, Mryer, Mögıus und 'TrıncHese, neben der weiten Verbreitung dieser Nematocysten in der betreffenden Molluskenabtheilung auch deren unzweifelhafte Iden- tität mit denjenigen der Coelenteraten erwiesen. Sie entstehen ebenfalls in besonderen Bil- dungszellen, und wenn auch der entscheidende embryologische Nachweis noch aussteht, so kann doch dem ganzen anatomischen Verhalten der Nesselsäcke nach über den ectodermalen Ursprung letzterer kaum ein Zweifel herrschen. Weniger befriedigend ist das, was über die Bedeutung der Nesselorgane speciell im Haushalte dieser 'Thiergruppe bekannt geworden ist. Die einzigen, welche sich überhaupt mit der Frage beschäftigt zu haben scheinen, sind ALper und Hancock, sowie BERGH. Erstere') schildern, wie die Aeolidier, gereizt oder erschreckt, ihre Papillen aufrichten, heftig schütteln und dabei eine milchweisse Flüssigkeit aus deren Spitzen entleeren, welcher Flüssigkeit wahrscheinlich Nesselorgane beigemischt seien. Daraus lässt sich folgern, dass jene Autoren letztere Organe wohl für Waffen zur Vertheidigung ihrer Träger zu halten geneigt waren. BERGH?) spricht sich umgekehrt mehr zu Gunsten einer aggressiven Function aus, indem er sich vorstellt, dass die Nesselorgane eine giftige Wirkung auf die Haut der Beutethiere ausüben. Eingehendere Beobachtungen werden zu entscheiden haben, ob nicht auch hier die Nema- tocysten (entsprechend anderen klebrigen Drüsensecreten) in erster Linie als Fang- oder Haft- apparate dienen; überhaupt ob sie nicht auch noch ähnliche Cuticularbeziehungen aufweisen, wie deren so schlagende in der Genese der Cereanthus-Hülle erhalten blieben. Neben den exquisiten Nesselkapseln mit aufgerollten inneren Fäden und Härchenspirale fehlt es auch nicht an minder ausgebildeten‘), sowie solchen, die eines Fadens überhaupt ent- behren und dadurch in die Kategorie der hauptsächlich bei den Würmern so verbreiteten »Stäbehen« oder Rhabditen rücken. Solche Stäbchen wurden auch von Senper‘) in den Hautdrüsen der Pulmonaten be- ALDER, J., and A. Hancock. A Monograph of the British Nudibranchiate Mollusca. London Ray Society 2) Bercu, R. Anatomiske Bidrag til kundskab om Äolidierne. Särskilt aftıykt. Danske Vid. Selsk. Skrift. (5) Bind 7. 1864. p. 47. 3) Man vergl. besonders Ber6n, R. 1. e., sowie KEFERSTEIN und EHters, Zoologische Beiträge etc. Leipzig 1861. p. 97, ferner BErGH, R. Notizen über Pleurophyllidia Loveni. Mal. Blätter (2) 1. Bd. p. 82. 4) SEemeer, C. Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pulmonaten. Zeit. Wiss. Z. S. Bd. 1857. p. 341. 406 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. obachtet und sodann von Seiten Leyoig’s'!) genauer beschrieben. Letzterer Autor verglich sie den stabförmigen Gebilden der Anneliden sowie den Nesselkapseln der Coelenteraten. Die zusammengerollten Fäden, welche er in einzelnen Hautdrüsen wahrnahm und welche sich auch noch im ausgetretenen Schleime erkennen liessen, verglich er den Byssusfäden der Muscheln. Endlich finden auch bei den Mollusken die adäquaten Beziehungen darin ihren Aus- druck, dass specifische Spinndrüsen zur Ausbildung gelangt sind, welche ganz ähnlich klebrige, in der Luft oder im Wasser erstarrende Fäden zu secerniren vermögen wie die gleichnamigen Drüsen der Anneliden und Arthropoden. Bei den Lamellibranchiaten ist das betreffende im Bereiche des Fusses gelegene Organ unter dem Namen „Byssusdrüse” bekannt. Die erste wissenschaftlich befriedigende Bearbeitung dieser Drüse haben wir A. MÜLLER?) zu verdanken; er stellte den auch heute noch gültigen Satz auf: »Die Byssus ist nicht organisirt, sondern das erhärtete Secret einer Drüse, welches die (nicht wesent- liche) Form von den muskulösen Weichtheilen des Thieres erhält.« Ferner den anderen uns interessirenden: »Die Byssus steht also physiologisch dem Gespinnste der Insecten am nächsten, und es ist nur der Unterschied, dass das Insecten-Gespinnst nicht mit dem Körper in steter Berührung bleibt, also bei ihm keine Verbindungsmaterie Statt haben kann. Sie ist auch ebensoweit der Materie zu vergleichen, womit die Rossia palpebrosa. ein Cephalopod, nach Ross’ Beschreibung ihre Eier aneinanderheftet, welche ebenfalls Secret einer Drüse ist.« Was diese »Verbindungsmaterie« betrifft, so ist zu bemerken, dass MÜLLER zwei Secret- formen unterschied: nämlich ein aus der Drüse selbst stammendes als Byssusmaterie, und ein von der Höhle, in der die Byssus sitzt, abgeschiedenes als Verbindungsmaterie; letztere sollte nur dazu dienen, die Byssus am T'hiere zu befestigen. Durch TuLLser@’) wurde aber nach- gewiesen, dass sich MÜLLER in diesem Punkte geirrt hatte, indem die ganze Byssus von gleich- artigen Drüsen abgesondert wird. 'TULLBERG seinerseits wurde dann insofern durch CARRIERE! corrigirt, als letzterer zeigte, dass ausser der Byssusdrüse auch die Byssushöhle (wenigstens bei den mit stark ausgebildeter Byssus versehenen Formen) betheiligt sein könne. Eine genaue anatomisch-histologische Untersuchung des Organs hat sodann Barroıs’, geliefert. Für meine Zwecke genügt es hervorzuheben, dass auch den Resultaten dieses Autors zufolge die Byssus als Drüsensecret betrachtet werden muss; er drückt seine Ueber- zeugung in den Worten aus: »Il est hors de doute maintenant que le byssus est un produit glandulaire, et bien aveugle serait celui qui persisterait encore a le considerer comme forme de fibres musculaires dessechees ou chitinisces.« Wie schon vor A. Mürrer einzelne Forscher*. ohne genauere Kenntnisse über die l) Leyvı, F. Die Hautdecke und Schale der Gastropoden etc. Arch. Naturg. Jahrg. 1576. p. 220—22S. 2) MüLtLeR, A. Ueber die Byssus der Acephalen ete. Arch. Naturg. Jahrg. 3. 1837. 1. Bd. p. 1 und 34. 3) TuLLBERG, F. Ueber die Byssus des Mytilus edulis. Nova Acta Reg. Soc. Ups. (3) 1877. 4) CARRIERE, J. Die Drüsen im Fusse der Lamellibranchiaten. Arb. Z. Inst. Würzburg 5. Bd. 1582. p. 56. 5) Barroıss, Th. Les Glandes du Pied et les Pores Aquiferes chez les Lamellibranches. Lille 1555. *) Man vergl. bezüglich des Historischen Barroıs 1. c. p. 1—8. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. e. Mollusca. 407 anatomischen Verhältnisse des betreffenden Organes zu besitzen, mit richtigem Tact die Byssus als ein zu Fäden erstarrtes Drüsensecret erklärt, so fehlte es auch nicht an solchen, welche einen entgegengesetzten Standpunkt vertreten hatten. Von grösstem Einflusse war die Auffassung Bramvirze's'), derzufolge die Byssus ein Büschel vertrockneter Muskelfasern darstellen sollte, von um so grösserem, nachdem diese Auffassung sich auch noch der Zustimmung eines Leyvıc ?) rühmen konnte. So sehen wir denn auch (abgesehen von v. Naruusıus-KÖNIGsBorN, der natür- lich seinem ganzen Standpunkte entsprechend die Byssus als ein »organisirtes Gebilde« be- trachten muss) in einer Abhandlung jüngsten Datums diese Auffassung wiederkehren. Nach F. Mürter®) soll nämlich nur die äussere unelastische Rindenschicht der Byssus ein Secretions- product sein, die inneren elastischen Fasermassen aber, welche so continuirlich in die Muskel- fasern des Fusses übergehen, hält er mit Leyvis für chitinisirte Muskelfasern. Nach den im Vorhergehenden erwähnten, ausführlichen, in der Hauptsache durchaus übereinstimmenden Arbeiten von A. MÜLLER, 'TULLBERG, CARRIERE und Barroıs (welche Reihe leicht noch durch Namen solcher Forscher vermehrt werden könnte, die sich mehr nebenbei mit dem Thema befasst haben) darf aber diese Bramvirre-Levvie'sche Auffassung als ein für alle Mal widerlegt betrachtet werden; die Byssus ist nichts Anderes, als ein zu Fäden er- starrtes Drüsensecret. Was nun die Function‘) dieser Lamellibranchier-Spinndrüsen betrifft, so kann kein /weifel darüber walten, dass deren Secret in erster Linie dazu dient, die Thiere an einem festen Gegenstande anzukitten. Diejenigen mit sehr stark entwickelten Drüsen (wie Pinna und Mytius) spinnen sehr umfangreiche Bärte, welche sie wohl freiwillig nie mehr während ihrer Lebensdauer ablösen. Andere dagegen mit weniger entwickelten Drüsen spinnen nur wenige Fäden zu zeitweiliger Befestigung. So Pisidium, um sich von schwebenden Wasser- linsen herabzulassen; das 'Thier bleibt Stunden lang an seinem Gespinnste hängen, um dann an eben demselben wieder emporzusteigen; ähnlich Lepton und Crenella. Auch zur Fortbe- wegung an senkrechten Flächen scheint die Byssus gelegentlich benutzt zu werden’). Mehr Anklang an die Fadensecrete anderer 'Thiergruppen bietet die Verwendung der Byssus zum Nestbau. Eine ganze Reihe von Bivalven verkittet mit Hilfe der klebrigen Byssus- fäden pflanzliche oder mineralische Partikel zu Wohnbehältern. Besonders interessant ist in dieser Hinsicht Modiola vestita, welche den Beobachtungen Pririrrs zufolge ihre Schale in einen Sack hüllt, der innerlich aus einem Filze grauer Fäden, äusserlich aus Steinchen, Schalentrümmern und dergleichen besteht. Broxn") fügt dem hinzu: »Byssus scheint dem t) De Bramviste. Manuel de Malacologie. Paris 1825. p. 115. 2) Pe. 374205 pr 140. 3) 1. p. 404. c. p. 34. 4) Man vergl. Bronx, H. G. Die Klassen und Ordnungen der Weichthiere.. 3. Bd. I. Abth. Acephala. Leipzig u. Heidelberg 1862. p. 436. 5) Tryox, G. W. Structural and Systematie Conchology. Vol. 1. Philadelphia 1882. p. 110. sale. p., Aa. 408 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Ganzen als Bindemittel oder Grundlage zu dienen“ ich glaube aber, dass der Filz grauer Fäden ebenfalls aus der Byssusdrüse stammen wird. Die Byssusdrüse wird schon lange ganz allgemein als Hautdrüse betrachtet. Mırne Epwarps!), sagt in diesem Betreffe: »On peut ranger aussi dans la categorie des glandes cutanes les organes qui produisent le byssus des moules« etc. Und GEGENBAUR?) »Zu den selbständiger entwickelten Drüsenorganen des Integumentes gehört die Byssusdrüse der Lamellibranchiaten« etc. Embryologisch wurde diese Auffassung allerdings erst vor Kurzem durch eine Arbeit ZiEGLER'S®) sanctionirt, indem die früheren entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen speciell hierüber keine volle Klarheit geschaffen hatten. Dagegen haben letztere Untersuchungen von Anfang an eine andere, für die morphologischen Beziehungen dieser Drüsen meiner Ansicht nach überaus bedeutsame 'T'hatsache aufgedeckt: nämlich die, dass das im erwachsenen Thiere unpaare Organ im Embryo, respective im Jungen paarig erscheine. Dieser wie es scheint zuerst von (JUATREFAGES!) für Anodonta bildlich dargestellte Sach- verhalt stiess zunächst auf Zweifel’). Mit Unrecht; denn alle nachfolgenden an Acephalen vorgenommenen embryologischen Untersuchungen haben die doppelte Anlage der Byssusdrüse bestätigt. So zunächst LeyniıG‘) an Cyelas: »Als ein besonderes embryonales Gebilde hat sich im hinteren Theil des Fusses die Byssusdrüse gebildet, ich zähle deutlich zwei Byssusfollikel.« Ferner konnte CARRIERE’) noch an einem bereits ",; mm langen Cyeclas-Embryo »ein sehr deutliches zweitheiliges Ansehen der Drüse« constatiren. Endlich wurde durch ZiEGLer‘) ebenfalls an COyelas die ursprünglich doppelte Zellenanlage der Byssusdrüse nachgewiesen. Von grosser Bedeutung für die morphologische Werthschätzung des Organes waren auch die durch CArRIERE") inaugurirten vergleichend-anatomischen Untersuchungen, welche zum Resultate führten, dass eine grosse Anzahl solcher Lamellibranchiaten, welche man einer Byssus entbehrend erachtete, eine solche — allerdings in mehr oder weniger rudimentärem Zu- Viele dieser sich unter der Form von Drüsen, Säcken oder Spalten dar- stellenden rudimentären Byssusorgane sollen bisher irrthümlich für Poren zur Wasseraufnahme in das Gefässsystem angesehen worden sein. ÜARRIERE kommt auf Grund seiner vergleichend- 1 Er Epwarps, H. Lecons sur la Physiologie et l!’ Anatomie compar&e etc. Tome 10. Paris 1872. p. 140. 2 p- c. p. 348. 3 Pr; E. Die Entwickelung von Cyelas cornea Lam. Zeit. Wiss. Z. 41. Bd. 1885. p. 546. < Tome 5. 1836. p- 321. SIEBOLD, C. Tu. Lehrbuch der vergl. Anatomie. Erster Theil. Berlin 1848. p. 294. EYDIG, F. Ueber C'yelas cornea Lam. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1855. p. 62. ) Bi / 4) QuATREFAGES, A. de. Memoire sur la vie intra-branchiale de petites Anodontes. Ann. Sc. N. (2) 18 5) p. 408. c. p. 547. L l.=p2 406.2e.2p. 215: ie 12 p-A06-2c.p2 83. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. e. Mollusca. 409 anatomischen Reihe (und im Hinblicke auf Cyelas, »wo sich die Umwandlung einer zwei- theiligen Byssusdrüse in einen rundlichen Sack vor unseren Augen vollzieht«) zu dem Schlusse: »dass das Byssusorgan ein ursprünglich sämmtlichen Lamellibranchiaten ge- meinsames ist, welches im Laufe der Zeit bei vielen ausser Gebrauch kam und dann der Rückbildung anheimfallend mehr oder weniger tiefgreifende Verände- rungen erlitt.« Carriere's Angaben fanden eine durchgreifende Bestätigung in den gleichzeitig ausge- führten Arbeiten von Barroıs'). Letzterer Forscher kam aber überdies durch seine an einem umfassenden Materiale gewonnenen Erfahrungen dazu am Lamellibranchiatenfusse zwei Drüsen- kategorien zu unterscheiden): die eine stets im Vordertheile gelegene nennt er Schleim- drüsen, die andere meist die mittlere Region einnehmende Byssusdrüsen. Wir werden weiterhin sehen, wie sich die Unterscheidung dieser beiden Drüsenformen beim Vergleiche mit den entsprechenden Gastropodendrüsen überaus folgenreich bewährt hat.“) Dass auch die Gastropoden im Stande sind Fäden zu spinnen ist eine lange be- kannte Thatsache. Neuerdings hat aber erst Einer’) durch Beschreibung seiner Beobachtung einer sich an einem »Schleimfaden« von dem Blatte eines Maulbeerbaumes auf die Erde herab- lassenden Limaw agrestis wieder die Aufmerksamkeit auf »fadenspinnende Schnecken« gelenkt. Seiner Aufforderung bezüglich Mittheilungen früherer Beobachtungen ist v. Marrexs!) nach- gekommen. Wohlbewandert in der betreffenden Literatur, gibt derselbe eine ganze Reihe hauptsächlich Pulmonaten betreffender, theilweise bis zum 17. Jahrhundert zurückreichender Beispiele. Indem ich auf diese Zusammenstellung*) verweise, beschränke ich mich darauf, Einen (auch in ihr erwähnten) Fall etwas ausführlicher mitzutheilen, weil er geeignet ist ein interessantes Licht auf die Beschaffenheit des Spinnsecretes, respective auf dessen Ueberein- stimmung mit demjenigen anderer 'Thierabtheilungen zu werfen. Rand’) erhielt eine Anzahl der fadenspinnenden Litiopa, nachdem sie 15 Monate in Alcohol (liqueur) gelegen hatten, zur Untersuchung. Sobald er mit der Scalpellspitze eine unter dem Fusse dieser Thiere gelegene schleimige Masse berührte, so klebte die Spitze fest und er konnte zu mehreren Malen bis 1'% Fuss lange Fäden ausziehen. »Chaque individu«, so schliesst der genannte Autor, »nous ayant offert la m&me particularite, nous avons pense que ce produit etait celui dont Yanimal se servait pour se fixer aux plantes marines, lorsquil sen ecartait pour quelques instans.« @) Vergl. p. 413. 1) Die Resultate der verschiedenen hierhergehörigen Abhandlungen des Autors findet man in dem. p. 406. c. Opus p. 7. aufgeführt. 2) p. A06.rc. p. 86. 3) Eimer, Th. Ueber fadenspinnende Schnecken. Z. Anzeiger Jahrg. 1878. p. 123. ) Martens, E. v. Zur Kenntnis der fadenspinnenden Schnecken. Z. Anzeiger Jahrg. 1878. p. 249. 3) Rang, M. Notice sur le Litiope ete. Ann. Sc. N. Tome 16. 1829. p. 303. *) Mit Unrecht vermisst v. Martens die Erwähnung fadenspinnender Schnecken in dem Nachschlagewerk KEFERSTEIN’s (Broxnn’s Classen und Ordnungen 3. Bd. 2. Abth.). Auf pag. 1068/69 stehen mehrere Fälle, darunter auch der oben ausführlicher mitgetheilte von Raxs, aufgeführt. Vergl. auch pag. 934 des KEFERSTEIN'schen Werkes. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 52 410 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Demnach würde das Fadensecret der Gastropoden ähnlich den Byssusfäden gewisser Bivalven eine vorwiegend locomotorische Bedeutung haben; denn auch beim Kriechen von Land- und Wasserschnecken scheint es, wie Sımror#'!) ermittelt hat, als »Schleimband« eine wichtige Rolle zu spielen. Die relativ geringe Beachtung, welche bisher der Biologie niederer Thiere geschenkt zu werden pflegte, muss uns in der Entscheidung der Frage, ob die Fadensecrete der Gastro- poden nicht auch noch anderen Zwecken dienen, vorsichtig machen. Von Interesse in dem Sinne ist jedenfalls die Beobachtung RouGzmonr's?), derzufolge Vermetus copiöse »Schleimmassen« absondert, eine Zeit lang schleierartig im Wasser ausgespannt hält, und sodann sammt allem, was daran kleben blieb, verschluckt. Rouczemoxt glaubt, dass sich das 'Thier auf diese Weise die zu seiner Nahrung dienenden kleinen Organismen »fischt«. Während bei den Lamellibranchiaten in Folge der bei einzelnen Gattungen zeitlebens bestehen bleibenden Verbindung zwischen Thier und Secret die Ursprungsstätte des letzteren ohne Weiteres offenbar wurde, hat sich bei den Gastropoden die Kenntniss der die Faden- secrete liefernden Organe nur langsam Bahn zu brechen vermocht. Allein von Pulmonaten waren lange Zeit hindurch zwei an entgegengesetzten Stellen des Fusses mündende Drüsen- formen bekannt geworden: nämlich die Fussdrüse und die Schwanzdrüse, und auch von diesen hat die erstere — trotzdem gerade sie allein eine genaue anatomische Bearbeitung’) erfahren hatte — bis vor Kurzem hinsichtlich ihrer Function zu Controversen Veranlassung gegeben. Die letztere dagegen wurde — obwohl lange nicht so genau erforscht — schon früher in bestimmtere Beziehungen zur spinnenden 'Thätigkeit dieser Thiere gebracht; ich ersehe wenigstens aus Mine Epwarps‘), dass verschiedene ältere Beobachter fadenspinnender Schnecken speciell diese Drüse als Quelle des erstarrenden Secretes bezeichnet hatten. Einen erheblichen Fortschritt bildete die Entdeckung CARRIERE'S’), derzufolge der Wasser- porus auf der Mittellinie des Prosobranchierfusses nichts mit einem Wassergefässsysteme zu thun habe, dagegen die Mündung einer Drüse darstelle, sowie, dass ausser dieser Drüse bei jener Gastropodengruppe noch sehr allgemein eine andere grosse Schleimdrüse in dem Vorder- ende des Fusses vorkomme. Dieses Vorkommen von zweierlei Drüsen am Prosobranchierfusse wurde sodann durch Sımror#®) an Valvata bestätigt, indem letzterer Forscher zugleich die vor- dere Drüse mit der Fussdrüse der Pulmonaten verglich und die hintere als diejenige be- zeichnete, welche die Fäden liefere, an denen sich die betreffenden Thiere von Gegenständen im Wasser in die 'liefe hinabliessen. 1) Sımkoru, H. Ueber die Bewegung und das Bewegungsorgan des Cyelostoma elegans ete. Zeit. Wiss. Z. 36. Bd. 1882. p. 28 und 40. 2) RovgEmoxt, Ph. de. Note sur le grand Vermet. Bull. Soc. Se. N. Neuchätel. Tome 12. p. 94. SEMPER, C. 1. p. 405. c. p. 351. A) Ep. 13lee. p0139. 5) CARRIERE, J. Das Wassergefässsystem der Lamellibranchiaten und Gastropoden. Z. Anzeiger Jahrg. 1881.90. 433. 6) Sımroru, H. Die Fussdrüsen der Falvata piscinalis. Z. Anzeiger Jahrg. 1881. p. 527. l. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. e. Mollusca. 411- In einer folgenden ausführlicheren Untersuchung kommt auch CArrıEerE!) zu einer präeisen Unterscheidung der zwei Drüsenkategorien; er nennt nämlich die vorn im Bereiche des Mundes gelegene Drüse »Lippendrüse« und die hintere »Drüse der Fusssohle.« Die Lippendrüse der Prosobranchier vergleicht er mit Sınror# der Fussdrüse der Pulmo- naten und als auf ein mögliches Homologon der Fusssohlendrüse weist er (allerdings zögernd) auf die Schwanzdrüse von Arion hin. Ganz im Einklange mit dieser Auffassung unterschied sodann auch Houssay?) in einer vorwiegend dem Deckel der Gastropoden gewidmeten Untersuchung zwei distincte Drüsen am Gastropodenfusse, nämlich eine vordere als »glande supra-pedieuse« und eine hintere als »glande pedieuse«; letztere sei es, welche ausschliesslich das Secret für die Spinn- fäden liefere. Auch die Drüsen des Gastropodenfusses werden von den meisten Forschern als Hautdrüsen betrachtet; freilich fehlt in diesem Falle der embryologische Nachweis, der für die Lamellibranchiaten wenigstens an einer Form erbracht wurde, gänzlich. Wenn wir aber bedenken, dass der Fuss selbst in Form einer Ectodermverdickung angelegt wird, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch die so innig mit ihm verbundenen Drüsen sich als ectodermalen Ursprunges erweisen werden, dass mit anderen Worten die Entwickelungsge- schichte die vergleichend-anatomische Interpretation früher oder später bestätigen werde. Und nun sind wir hinlänglich vorbereitet, um die Frage ins Auge zu fassen, ob sich die Fadensecrete liefernden Drüsen der Lamellibranchiaten und Gastropoden auch im morphologischen Sinne mit einander vergleichen lassen, ob sie als homo- loge Gebilde betrachtet werden können. Die Kenntniss dieser Homologie war nicht wenig dadurch erschwert worden, dass LovEn in seinen bekannten, noch heute einflussreichen embryologischen Studien die Byssusdrüse dem Gastropodendeckel verglichen hatte. Obwohl es keineswegs an vielfachem Widerspruche gefehlt hatte, so blieben doch selbst so namhafte Forscher wie Huxrey und Barrour dieser Auffassung durchaus günstig gesinnt. Die erste Andeutung eines (im morphologischen Sinne semeinten‘ Vergleiches zwischen den Byssusdrüsen der Lamellibranchiaten und den Spinn- drüsen der Gastropoden finde ich bei Kerrersrein®) in dem Satze: »Auf dem Rücken des Metapodiums bildet sich bei den Gastropoden der Deckel, bei den Muscheln, wo solche Ausbildung des Fusses nicht stattfindet, entsteht, aber doch am hinteren Ende desselben, der Byssus und es hätte danach etwas Verführerisches sich Lovkx anzuschliessen, der den Deckel der Gastropoden dem Byssus der Muscheln entsprechend ansieht. Aber auch diese Meinung darf man nicht bewahren, denn bei mehreren Gastropoden, z. B. Cerithidea, Rissoa u. s. w., kommt neben dem Deckel auch noch ein Byssus am Fusse vor, dessen genauer Ursprung und Entstehung mir aber nicht bekannt ist, und überdies ist es auch 1) Carkrüre, J. Die Fussdrüsen der Prosobranchier und das Wassergefässsystem der Lamellibranchier und Gastropoden. Arch. Mikr. Anat. 21. Bd. 1882. p. 391—399 und p. 426. 3) Houssay, F. Recherches sur l’Opereule et les Glandes du Pied des Gasteropodes. Arch. Z. Exper. (2) Tome 2. 1884. p. 248 und p. 264. 3) 1. p. 403. e. 3. Bd. 2. Abth. Cephalophora p. 934. 412 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. oar nicht erforderlich, dass der Deckel durchaus bei den Muscheln eine Vertretung finden müsste, da man ihn, wie ja auch die Schale selbst nicht als ein wesentliches Erforderniss ansehen darf.« Sodann sprach sich im Hinblicke auf die Uebereinstimmung der bezüglichen Secrete in ähnlichem Sinne Levis!) aus; er verglich, wie sich später zeigte ganz richtig, speciell die Schwanzdrüse der Pulmonaten mit der Byssusdrüse. Einen auf die (ja erst ganz neuerdings erschlossenen) morphologischen 'T'hatsachen sich stützenden, wenn auch noch nicht recht bestimmten Ausdruck fand aber dieser Vergleich erst in jener schon im Vorhergehenden erwähnten Abhandlung CArrIErRF'S?), in welcher er die zwei Drüsenkategorien des Gastropodenfusses schärfer zu präcisiren suchte. Er sagt nämlich: »Etwas sehr lockendes hat schon auf den ersten Blick die Vergleichung der beiden Prosobranchier- Drüsen mit den Fussdrüsen der Byssusmuscheln, beziehungsweise der Muscheln mit rudimentärer Byssus- drüse. Denn hier finden sich auch zwei Drüsen, deren eine nahe der Spitze des Fusses durch einen kleinen Querspalt ausmündet, und deren andere bei den Muscheln mit rudimentärem oder fehlendem Byssus auf Quer- und auch auf Längsschnitten oft eine frappante Aehnlichkeit mit der Drüse der Fusssohle zeigt. Ich verweise zur Vergleichung ....... « »Man wird mir zugeben müssen, dass die Uebereinstimmung grösser ist, als dass man sie bei so ver- hältnissmässig nahen Verwandten dem reinen Zufall zuschreiben könnte: und wenn man eine direkte Be- ziehung zwischen Lamellibranchiaten und Gastropoden annimmt, dann wird man nicht umhin können, die Drüse der Fusssohle als ein von den Byssusmuscheln überkommenes Erbtheil zu betrachten.« Aehnlich bedingt sprach sich sodann Sarasın?), das Vorkommen der Fussdrüsen bei einem Opisthobranchier constatirend, aus; der betreffende Satz lautet: »Es erscheint somit wahrscheinlich, dass die Fussdrüse fast allen Gastropoden zukommt, und es ist ferner zu vermuthen, dass sie der Byssusdrüse der Muscheln homolog ist.« Viel schärfer formulirt wurde dagegen die fragliche Homologie in der bereits citirten Arbeit Houssay's®). Nachdem letzterer auf Grund einer vergleichenden Untersuchung des Gastropodendeckels zur Einsicht gekommen war, dass dieses Organ weder Einer der Lamelli- branchiaten-Schalen, noch deren Byssus homolog erachtet werden könne, dass es im Gegentheil als eine distincte, vorläufig auf keine andere beziehbare Bildung betrachtet werden müsse, fasst er als Homologon der Byssusdrüse im Einklange mit Carrıerz die hintere Drüse des Gastropodenfusses folgendermaassen in’s Auge: »Il me semble que par leur structure, leur position dans le pied et meme dans certains cas par leur facon de fonctionner, ces glandes doivent etre rapprochees de celles qui produisent le byssus chez les Acephales.« Und weiterhin: »Dans la glande du byssus on retrouve toutes les parties de la glande pedieuse des Gasteropodes plus developpees a la verite, mais il n’y a pas des parties importantes surajoutees.« Endlich hat sich auch Barroıs’) in seiner vorwiegend der Acephalen -Spinndrüse ge- Il p. 406. cp. 227. Alp Aller Pr A2R 3) Sarasın, P. B. Ueber drei Sinnesorgane und die Fussdrüse einiger Gastropoden. Arb. Z. Inst. Würz- burg. 6. Bd. 1883. p. 105. 4) 1. p. 411. ce. p. 278—281. 5) 1.,p. 406:..e2 pP. 9 2 I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. e. Mollusca. 413 « widmeten Monographie, wie aus nachfolgendem Passus Kurvorgeht, sehr zu Gunsten dieser Homologie ausgesprochen: »Que les glandes pedieuses de Houssay, les Drüsen der Fusshöhle de CArRrIERE soient absolument les homologues des glandes byssogenes, cela ne me parait pas faire le moindre doute, et mes devanciers l’ont trop bien prouve pour que jinsiste sur ce sujet.« Derselbe Autor hat aber auch diese Homologie dadurch vervollständigt, dass er die (von ihm erst scharf unterschiedenen*) vorderen Drüsen der Lamellibranchiaten (die Schleim- drüsen) den vorderen Drüsen der Gastropoden (den Lippendrüsen) verglich. »Tout plaide en faveur«, so schliesst Barroıs, »de ce rapprochement, et ces deux ordres de glandes sont absolument comparables entre eux, tant par leur situation que par leurs caracteres physiques et m&me par leurs fonctions physiologiques«. Wir hätten also, dem Vorhergehenden zufolge, bei den Lamellibranchiaten sowohl, als bei den Gastropoden zwei Drüsenkategorien zu unterscheiden, welchen im Laufe ihrer Erfor- schung so verschiedene Namen beigelegt worden sind, dass ich letztere zur besseren Ueber- sicht zunächst einander gegenüberstellen will: Vordere Drüsen: Hintere Drüsen: | Pulmonata: Fussdrüse Aut. Schwanzdrüse Aut. Gastropoda \ (| Lippendrüse CARRIERE. Fusssohlendrüse CARRIERE. Prosobranchia: j ni h vn | | Glande supra-pedieuse Hovssav. Glande pedieuse Houssav. Lamellibranchiata Schleimdrüsen Barrois. Byssusdrüse Aut. Es würde sich vielleicht empfehlen, fortan die erste Gruppe, also die vorderen Drüsen, insgesammt als »>Schleimdrüsen« und die andere, die hinteren Drüsen, als »Spinndrüsen« zu bezeichnen. Uns interessiren vorwiegend letztere, die Spinndrüsen; insbesondere das Factum, dass sich solche Drüsen ganz allgemein bei Lamellibranchiaten und Gastropoden vorgefunden haben, indem dadurch, sowie durch die anerkannte Homologie derselben, auch hier die alte Errungenschaft ectodermaler Fadensecrete documentirt wird. Viel bleibt freilich in dieser Hinsicht noch aufzuklären: so das eventuelle Verhalten dieser Drüsen in den übrigen Molluskengruppen. HüusrzcHr!) hat ja seiner Zeit in der Hinsicht erfreuliche Hoffnungen er- weckt, indem er von seiner »Proneomenia« schrieb: »Rechts und links vom After findet sich noch ein ebenfalls mit Drüsenepithel versehenes Gebilde, welches von einer mächtigen Muskelmasse eingeschlossen wird und in das Vestibulum nach aussen mündet. Feinfaserig ausgezogene Massen, welche augenscheinlich von dieser Doppeldrüse secernirt werden, machen es nicht unwahrscheinlich, dass hierin eine der Byssusdrüse ähnliche Bildung vorliegt.« Aber aus einer nachfolgenden Abhandlung?) erfahren wir, dass ihn ein genauerer Ver- gleich mit den Byssusdrüsen in jener Deutung wiederum wankend gemacht habe. Das geht indessen mit Sicherheit aus Husrecnr's Beschreibung hervor, dass in dem rectalen, unverkenn- a) Vergl. p. 409. 1) HugrecHt, A. Proneomenia Sluiteri gen. et sp. n., eine neue archaische Molluskenform aus dem Eis- meere. Z. Anzeiger Jahrg. 1550. p. 589. 2) —-— Proneomenia Sluiteri gen. et sp. n. ete. Niederl. Arch. Z. Supplem. Bd. 2. 18S1. p. 10. 414 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. bare Beziehungen zum Ectoderme darbietenden Drüsenpaare der Proneomenia (und Neo- menia) eine exquisite Fadendrüse, respective ein Spinnorgan vorliegt, und es würde sich verlohnen diesem Organe eine speciellere (auch biologische) Untersuchung zu Theil werden zu lassen. Ebenso müssten die am Fusse dieser T'hiere vorkommenden Drüsen eingehend er- forscht und so ihre Beziehungen zu den »Fussdrüsen« anderer Mollusken klargestellt werden. Es kann zwar bei unserer jetzigen noch lückenhaften Kenntniss der Mollusken-Spinn- organe, sowie unserer geringen embryologischen Einsicht noch nicht daran gedacht werden, sie mit entsprechenden Organen anderer 'T'hierkreise in speciellere Beziehungen zu bringen; wer aber mit mir an eine gemeinsame Abstammung der Metazoen glaubt, wem die Begriffe » Blutsverwandtschaft« und »genetische Uebereinstimmung« wirklich das bedeuten, was sie sollen: der wird zugeben, dass gerade die Verfolgung solcher Beziehungen einzelner Organe zur Aufgabe des Morphologen gehört. Die so voluminösen »Byssus« einzelner Muschelthiere haben natürlich öfters Veran- lassung zur chemischen Untersuchung von Molluskengespinnsten gegeben, und wenn auch noch keine vollständige Uebereinstimmung über deren Zusammensetzung erzielt werden konnte"), so scheint doch aus dem bisher Ermittelten so viel hervorzugehen, dass der Byssus (ebenso wie der Molluskenschale) eine conchiolinähnliche Substanz, also eine Gerüst- oder Cuticular- substanz zu Grunde liest. f. Vertebrata. Wohl Mancher, der diese meine vergleichende Untersuchung stab- und fadenförmiger Hautsecrete bis hierher verfolgt hat, wird es zunächst auffallend finden, dass dieselbe am höchsten 'Thierkreise angelangt nicht Halt macht. Wo sollen da fibrilläre Cuticulae, Stäbchen, Nesselzellen, Fadendrüsen, Spinndrüsen und Homologa versteckt sein? Wer vindicirte jemals diesem Typus derartige Erbstücke aus uralter Ahnenreihe? Und doch fehlt es auch bei ihm keineswegs an solchen Documenten; so wenig als es an einzelnen Forschern fehlte, deren Bestreben darauf hin gerichtet war, die Natur und Tragweite dieser Documente in das rich- tige Licht zu setzen. Ich möchte vor Allem auf die hauptsächlich durch die fortgesetzten Bemühungen y\ Leyvig's‘) erschlossenen Cuticularbildungen hinweisen; denn, wenn sich auch schliesslich einzelne von ihnen als verhornte epitheliale Producte herausgestellt haben, so bleibt doch immer noch eine so erkleckliche Zahl unbestreitbarer Fälle übrig, dass der Satz: »auch von niederen Wirbelthieren werden cuticulare Bildungen ausgeschieden« zu Recht besteht. Eine viel höhere Bedeutung würde allerdings — allen vorhergehenden Abschnitten meiner Dar- 1) Vergl. KRUKENBERG, C. 1. p. 347. e. p. 208. 2) Leyvıc, F. Ueber die allgemeine Bedeckung der Amphibien. Arch. Mikr. Anat. 12. Bd. 1876. p- 120—138 I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thiercelassen. f. Vertebrata. 415 stellung zufolge — diesen Fällen zukommen, wenn auch für sie die fibrilläre Structur nach- gewiesen wäre. Abgesehen von den ceuticularen Membranen bergen nun aber gewisse Vertebraten noch ein anderes, seine Beziehungen viel schlagender offenbarendes Document, angesichts dessen die Version am Platze sein möchte, »man solle die T'hatsachen wägen, nicht zählen«. Dieses Document besteht aber in den in der Haut sowie in den sogenannten Schleimsäcken der Myxinoiden vorkommenden Nessel- oder Fadenzellen:®), deren allmähliche Erforschung wir nun Schritt für Schritt verfolgen wollen, indem sich an der Hand einer solchen Dar- stellung das im Hinblicke auf unsere Probleme Vergleichbare von selbst ergeben wird. FEintdeckt wurden diese Gebilde schon im Jahre 1824 durch Rerzıs'). Aber erst die »Vergleichende Anatomie der Myxinoiden« brachte genauere Aufschlüsse, indem sie zugleich das Auffallende der Erscheinung scharf hervorhob. Jom. Mürzer?) beschrieb zunächst bei Mywine und Bdellostoma das Vorhandensein zweier, zu beiden Seiten des Bauches gelegener Reihen von metamer angeordneten Schleimsäcken. Weiterhin’; spricht er vom Inhalte dieser Säcke; er nennt ihn »höchst merkwürdig« und »bei Wirbelthieren einzig in seiner Art«. Ebenda gibt er folgende Schilderung der Säcke: »Diese Säcke enthalten nämlich eine grosse Anzahl ovaler Körper, welche aus einem in unzähligen Windungen aufgewickelten Faden bestehen. Die Materie, woraus dieser Faden besteht, heftet sich sehr leicht an alle Körper, die damit in Berührung kommen, an, worauf sich die Körperchen zu langen klebrigen Fäden abwickeln. Die Grösse der gewickelten Fadenkörper beträgt im grösseren Durchmesser 0,0047 Zoll, der Durchmesser der Fäden ist 0,00008. Wenn man eine lebende Myzine anfasst, oder durch die Hände durchgehen lässt, so sind die Hände bald über und über von diesen klebrigen Fäden umsponnen.« Nach Jon. Mürrer hat erst LeypıG') wieder den Gegenstand aufgenommen. Zu den Hautbildungen, welche früher, in Verkennung ihrer nervösen Natur, unrichtigerweise als »schleimabsondernde Apparate« angesehen wurden, rechnet Leypıs auch die Schleimsäcke der Myxinoiden, hinzufügend, dass ähnliche Säckchen auch am Kopfe von Accipenser und Petro- myzon vorkämen. An einem einzigen ihm zur Verfügung stehenden Spiritusexemplare von Myxine constatirt nun ferner Leyvıc, dass die ovalen Körper Mürrer’s, zu Hunderten in eine granulirte, im Leben wahrscheinlich gallertige, mit Faserfragmenten durchsetzte Masse einge- bettet, die Säcke ausfüllen. An den Körperchen selbst entdeckte er eine kleine nach aussen mündende Höhle, und was ihre Bedeutung betrifft, so möchte er »in Berücksichtigung der histologischen Verhältnisse des Schleimkanalsystemes der übrigen Fische in dem Faden, der sich zum Körperchen aufwickelt, einen Nervenfaden wittern« denn, sollte sich diese Ver- muthung bestätigen, »so wären die Schleimsäcke der Myxinoiden aus ihrer exceptionellen Stel- lung gerückt«. Immerhin kann Leypıe nicht umhin, dem hinzuzufügen: »dass die Contouren a) Taf. 37. Fig. 24—26. 1) Reızıus, A. Kongl. Vetensk. Akad. Handl. 1824. (fide Jom. MÜLLER.) 2) Mürter. Jom. Vergleichende Anatomie der Myxinoiden ete. Abh. Akad.. Berlin 1834. p. 83. 3) —— Untersuchungen über die Eingeweide der Fische ete.e Abh. Akad. Berlin 1842. p. 119. Al Pr 83745 c. p. 197. (1857.) 416 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. des die Körperchen bildenden Fadens eine noch viel grössere Aehnlichkeit mit dem frischen Byssusfaden haben, wie ihn die aus den Kiemen genommenen Embryonen von Anodonta anatina darbieten.« Wenige Jahre später werden die Schleimsäcke und deren Inhalt von KörLıker'!) vor- wiegend in histologischer Beziehung untersucht. Selbst an Spiritusexemplaren fand dieser Autor Säcke, in denen alle Körperchen mehr oder weniger aufgerollt und zu einer zusammen- hängenden Masse verklebt waren; ja einzelne rollten sich beim Auseinanderzupfen dieser Masse noch weiter auf. Das Vorhandensein der von Leypıs an den Körperchen entdeckten Höhle konnte auch KörLıker nachweisen, und da letzterer in dieser Höhle zugleich constant einen Kern antraf, so wurde er auf den Gedanken gebracht, »dass der ganze Mürrzer’sche Körper die Bedeutung einer einfachen Zelle mit eigenthümlichem Inhalt habe.« Von diesem Gesichts- punkte aus untersuchte nun KörrLıker die Wandungen der Säcke, sowie das Epithel der äusseren Körperoberfläche frischer 'Thiere und kam so zur Feststellung der wichtigen 'That- sache, dass sich erstens die Fadenzellen aus dem Epithel der Schleimsäcke ent- wickeln und zweitens ebensolche Zellen auch in dem übrigen Körperepithel zer- streut vorkommen. Die für diese Zellen durch Leyvıs angebahnten Beziehungen zum Nervensysteme hält KörLLiker für unmöglich; er denkt eher an solche zu Nesselorganen. Der betreffende Passus ist so charakteristisch, dass ich ihn im Wortlaut mittheile: »Bei den Fadenzellen der Myxinen kommt einem ferner auch der Gedanke an Nesselorgane, die ja auch innerhalb von Zellen sich entwickeln, es ist jedoch, so viel mir bekannt, nichts von nesselnden Eigen- schaften des Schleimes der Fische bekannt. Man möchte sich beinahe entschuldigen, dass auch solche Möglichkeiten erwähnt werden, allein wenn man überlegt, dass nichts weniger als klar ist, welche Rolle diese Organe als Haftapparate spielen, so wird man begreiflich finden, dass man nach allen Seiten hin sich umsieht.« Die von Köruıker festgestellten Thatsachen wurden auf Grund einer Nachuntersuchung von Seiten Max ScHuLtzE's’) (wie sich später herausstellte, theilweise wenigstens sehr mit Unrecht) beanstandet. Nach letzterem entständen die Fadenzellen keineswegs im Epithel der Schleimsäcke, da diese mit gar keinem Epithel ausgekleidet seien; ihr Inneres sei dagegen dicht ausgefüllt von einer grosszelligen, an das Gewebe der Chorda dorsalis erinnernden Masse, und zwischen ihren Elementen entständen auch die Mürrrr'schen Körper, deren Zellennatur auch ScHULTzE zugiebt. Dass in der Epidermis ähnliche Fadenzellen wie in den Schleimsäcken zur Entwickelung gelangten, hielt Schurtze ebenfalls für eine Täuschung Körrıker’s; aber schon in einem seiner betreffenden Schrift beigefügten Zusatze musste ersterer, nach mittlerweile vorgenommener Prüfung der Präparate des letzteren, anerkennen, dass eine Täuschung seiner- seits stattgefunden habe, indem in der Haut der Mywine allerdings Zellen vorkämen, welche sich theilweise in einen Faden abwickeln lassen. 1) KörLıker, A. Ueber den Inhalt der Schleimsäcke der Myxinoiden und die Epidermis der Neunaugen. Würzburger Naturw. Zeitschr. 1. Bd. 1860. p. 1—10. 2) Scuurtze, Max. Die kolbenförmigen Gebilde in der Haut von Petromyzon ete. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1861. p. 292—302. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. f. Vertebrata. 417 Die Fadenzellen der Mywine hörten auf im Vertebratenkreise so isolirt dazustehen, nachdem EsgerıH') in den Zellen der untersten Epidermislagen von Froschlarven ebenfalls stab- und fadenförmige Gebilde aufgefunden hatte. Letztere bestehen aus einer homogenen, colloidähnlichen, von Reagentien schwer angreifbaren, ziemlich festen Substanz und treten als Abscheidungsproducte des Zellprotoplasmas meist zuerst in der Umgebung des Kernes auf. Ueber die Bedeutung der betreffenden Körper ist sich Eserr# nicht klar geworden; er dachte an pathologische Bildungen, vermuthete Verbindungen mit Nerven; aber weder das eine, noch das andere liess sich mit den Thatsachen in Einklang bringen, und schliesslich blieb er dabei stehen, »dass es sich wohl um verwandte Bildungen handle wie sie in der Haut der Petromyzonten vorkommen«, indem er hinzufügt. »vielleicht gehören hierher auch die Zellen mit fadenförmigem Inhalte in der Oberhaut der Myxinoiden« Eserrm konnte zwar die späteren Schicksale dieser Stäbe und Fäden nicht vollständig erforschen, kam aber doch zur Einsicht, dass sie, die so zahlreich bei Larven, nur noch überaus selten in ganz jungen Fröschen und niemals bei erwachsenen '[hieren angetroffen werden. Es scheint — so schliesst er — dass die Epithelien, welche diese Bildungen liefern, später zu Grunde gehen oder sich abstossen. In seiner hauptsächlich der Erforschung der Organe eines sechsten Sinnes gewidmeten Monographie kommt LevvıG?), namentlich in Anbetracht dessen, was er über verwandte Haut- organe bei Batrachiern sah, von seiner früheren Vermuthung, dass die Fadenzellen der Myxi- noiden nervöser Natur sein könnten, zurück, indem er sich noch mehr der anderen gleichzeitig ausgesprochenen nähert, derzufolge sie »viel grössere Aehnlichkeit mit dem frischen Byssus- faden haben«. Interessant ist die beigefügte Mittheilung Leyvıc’s, dass nach Sunpevanı eine einzige Mywine in zwei Stunden drei bis vier Cubikschuh Wasser ganz schleimig mache, so dass man es mit einem Stabe, wie einen Schleier, aufheben könne. Von Interesse ist auch, dass MıLse Epwarps’) unsere Fadenzellen den Nesselorganen der Coelenteraten vergleicht. Aber noch mehr als alles dies interessirt — wie jeder, der den Gang dieser meiner Abhandlung aufmerksam verfolgt hat, zugeben wird — die nun folgende Beobachtung Harr- MANNS, derzufolge Mywine glutinosa in kurzer Zeit eine Menge Schleim von sich giebt und daraus ein Nest spinnt. Mir steht leider die Harrwmanv'sche Schrift!) nicht zur Verfügung, so dass ich auf die erwähnten paar Worte des 'Troscher’schen Jahresberichtes’) angewiesen bleibe; aber sie genügen, um die so überraschende Uebereinstimmung der fadigen 1) EBertH, C. J. Zur Entwickelung der Gewebe im Schwanze der Froschlarven. Arch. Mikr. Anat. 2. Bd. 1866. p. 499. 2) Leypis, F. Ueber Organe eines sechsten Sinnes etc. Nov. Acta. Leop. Car. 34. Bd. 1568. p. 15. Bel p-mA408%e. px 78. .(1872.) 4) Sitz. Ber. Ges. Nat. Freunde Berlin 1576. p. 166. (fide Troscher. Jahresber. 5) TroscHer, F. H. Bericht über die Leistungen in der Ichthyologie während des Jahres 1876. Arch. Naturg. 43. Jahrg. 2. Bd. p. 159. 2001. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 53 418 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Secrete der Myxinoiden einer- und derjenigen vieler im Vorhergehenden betrachteten Wirbel- losen andererseits darzuthun. Höchst bemerkenswerth spricht sich auch nach dieser Richtung hin Leypıs'); in einer seiner neueren Abhandlungen aus. Indem er Zellen aus der Oberhaut der Larven von Pelo- bates fuscus und Hyla arborea mit ähnlichen fadigen Bildungen, wie solche auch EBErTH bei einer anderen Batrachierart gesehen hatte, beschreibt, kommt er zur Erwägung der Frage, »welchen anderen bekannteren 'Theilen man die fadigen Körper vergleichen solle«. Seiner Meinung nach könnten »Klümpchen von unregelmässiger Gestalt und mattglänzendem Aus- sehen«, welche er als Zelleninhalt aus der Epidermis der Reptilien beschrieben hat, etwas Verwandtes sein; auch wird er an gewisse Zellen des Epithels der Schleimkanäle erinnert und endlich vermuthet er, dass auch jene Zellen der Mywine, »welche sich in einen feinen Faden abwickeln lassen«, mit den betreffenden Batrachierzellen etwas Gemeinsames haben. »Es lassen sich aber auch«, so fährt Leyvıc fort, »Anknüpfungen nach den Gruppen wirbelloser 'Thiere hin finden.«< Und in dem, was nun folgt, offenbart sich eine so grosse principielle Ueberein- stimmung mit dem von mir vertretenen Standpunkte, dass ich, erstens froh in Leypıs diese Stütze*) zu finden, und zweitens vom Wunsche beseelt, des genannten Forschers Bemühungen um die Lösung dieser Probleme in das richtige Licht zu setzen, es für das Beste halte, den ganzen betreffenden Passus seinem Wortlaute nach mitzutheilen. Derselbe lautet fol- gendermaassen: Es lassen sich aber auch Anknüpfungen nach den Gruppen wirbelloser Thiere hin finden. Die sogenannten Schleimdrüsen in der Haut der Gastropoden sind Umbildungen von Epithelzellen und ihr Inhalt 1) Leyvıg, F. Neue Beiträge zur anatomischen Kenntniss der Hautdecke und Hautsinnesorgane der Fische. Festschrift d. Naturf. Ges. zu Halle. 1879. p. 4—6. *) Zur Vermeidung etwaiger Missverständnisse darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass LeyvıG in der Frage nach der Herkunft und Bedeutung der Cutieularsubstanzen zwei, gelinde gesagt, schwer miteinander vereinbare Standpunkte einnimmt. Einmal gehört er zur Reihe derjenigen Forscher, durch deren Arbeiten die Erkenntniss, dass das Cutieulargewebe ein Abscheidungsproduct sei es epithelialer Membranen, sei es besonderer Drüsen darstelle, in erster Linie gefördert wurde, sodann aber stellt er sich zu allen seinen diese Lehre vertretenden Mitarbeitern dadurch in scharfen Gegensatz, dass er diese als Secrete definirten Integumentgebilde zugleich als Bindegewebe auf- fasst, ja geradezu mit einzelnen Typen dieses letzteren Gewebes in Beziehung zu setzen sucht. Dieser seiner in- congruenten Doppelstellung ist denn auch die sonderbare Thatsache zuzuschreiben, dass LeyDIG seit mehr als drei Decennien in zahlreichen unserer Frage gewidmeten Abhandlungen, je nachdem man den einen oder den anderen seiner Standpunkte in’s Auge fasst, bald als Begründer der Secretionstheorie gefeiert, bald als Gegner dieser Theorie bekämpft wurde. In Anbetracht des meiner ganzen Arbeit zu Grunde liegenden Ausgangspunktes habe ich wohl kaum nöthig, besonderen Nachdruck darauf zu legen, dass die oben betonte Uebereinstimmung mit LeypıcG nur so weit geht, als dieser Gelehrte die seeretorische Natur der Cuticularsubstanzen und ihre Vergleichbarkeit in den verschiedenen Ab- theilungen des Thierreiches vertreten hat. Nicht nur halte ich es für einen speciellen Fehlgriff, diese Substanzen dem Bindegewebe zuzurechnen, sondern es scheinen mir auch Gründe allgemeinerer Natur dafür zu sprechen, dass unsere Aufgabe letzterem Gewebe gegenüber viel mehr darin bestehen müsse, dasselbe seines morphologischen Begriffes zu entkleiden, respective dasselbe auf andere bekannte und definirbare Componenten zu redueiren, als es durch Heranziehung heterogener Bildungen in jenem seinem Begriffe noch mehr zu complieiren. Es ist mir beispielsweise bei den Capitelliden gelungen, alles das, was man gemeinhin bei den Anneliden Bindegewebe nennt, auf die morphologisch oder embryologisch begründeten Gewebstypen oder Blätter zurückzu- I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. f. Vertebrata. 419 von verschiedener Art; mitunter entwickelt das Protoplasma eigenartige, spindelförmige Körper, so bei Arion, Limax, Helix: oder die Zellsubstanz wandelt sich um in eine glänzende, bald rein homogene Masse, bald zerlegt sie sich, so bei Ayalina, ın fadige Elemente. Die stäbehenartigen Körper in den Hautdrüsen zahl- reicher Anneliden mögen ebenfalls verwandte Bildungen sein, nicht minder die Nesselkapseln der Zoophyten. Auf diesem Wege der Betrachtung sehen wir uns somit dahin geführt, die fadigen Bildungen in der Haut der Batrachierlarven den Byssusfäden und Nesselfäden an die Seite zu setzen. Schon mehrmals habe ich die Ansicht geäussert, dass die scharfrandigen Körperchen im Hautsecret der Batrachier die ätzende giftige Wirkung dieses Stoffes vermitteln mögen, ähnlich wie ein Zusammenhang zwischen den Nesselkapseln der Zoophyten und der betreffenden Beschaffenheit des Hautschleimes wohl ausser Zweifel steht. Hier bei den Batrachieren — kann man sich vorstellen — übernimmt zur Zeit des Larvenlebens, in welcher noch nicht Hautdrüsen aufgetreten sind, die einfach flächenhaft ausgebreitete Ober- haut die Abscheidung der »Byssusfäden.« Später nach Einsenkung der Oberhaut zu Hautdrüsen geht von letzteren die Absonderung des klebrigen Saftes aus, ohne aber selbst noch fadıge Theile zu entwickeln. Der Kürze der Bezeichnung halber kann es sich vielleicht empfehlen, den besagten, in der Haut der Batrachierlarven vorkommenden Elementen den Namen Byssuszellen einstweilen beizulegen.«*) Den von Levyvıs vorgeschlagenen Terminus »Byssuszellen« halte ich, in Anbetracht, dass als »Byssus« das Secret einer ganz bestimmten Thierabtheilung bezeichnet zu werden pflegt, nicht für einen glücklich gewählten. Für die Stab- und Fadensecrete sollten fortan allgemeinere, möglich auf das ganze T'hierreich ausdehnbare Bezeichnungen in Aufnahme kommen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit, gestützt auf den Gesammtinhalt dieses sich ja vorwiegend mit solchen Secreten und respectiven Drüsen beschäftigenden Kapitels, folgende Nomenclatur vorschlagen: Erstens Stabsecrete: Stäbchen (Rhabditen GrArr, gebildet in mehr oder weniger modificirten Hautzellen — Stäbchenzellen. Stäbchenzellen entweder in der Haut zerstreut liegend oder besondere Drüsen bildend — Stäbchendrüsen. Zweitens Fadensecrete: Einfache Fäden (Nemata, oder Fäden mit Cysten (Nematocysten, Nesselfäden, Nesselorgane) gebildet in mehr oder weniger modificirten Hautzellen = Fadenzellen. (In den Fadenzellen kann je nur ein Nema oder Nematocyst, oder aber, was die Regel ist, es können in ihnen je viele solcher zur Ausbildung gelangen.) Fadenzellen entweder in der Haut zerstreut liegend, oder besondere Drüsen bildend = Fadendrüsen. Zur Kateeorie der Fadendrüsen gehören die Borstendrüsen und Spinndrüsen. > oO P führen. Das fadige Netzwerk zwischen Haut- und Stammesmuskulatur (also die sogenannte bindegewebige Cutis) erwies sich als ein Gemisch von Ausläufern der Hautfadenzellen sowie von Muskel- und Nervenelementen ; die sogenannten sternförmigen Bindegewebszellen sind in den meisten Fällen verzweigte Muskel- oder Ganglienzellen und das Bindegewebe par excellence, hier die sogenannte blasige Bindesubstanz, besteht lediglich aus saftig gewordenen Elementen des Peritoneums, respective aus localen Wucherungen dieser Membran. Ich gebe gerne zu, dass in vielen anderen Thiergruppen eine solche Zurückführung des Bindegewebes vor- läufig noch nicht mit Erfolg in Angriff genommen werden kann; immerhin sollte aber unsere Tendenz auf diese seine Zurückführung und nicht auf seine Befestigung als Gewebskategorie gerichtet sein. *%) Achnlich hatte sich LeyvıG auch schon in früheren Publicationen, so in 1. p. 128. c. p. 235, ferner in l. p. 141. ec. p. 214—219 ausgesprochen. 93 420 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Selbstverständlich haben diese zwei Kategorien nur einen systematischen, die Verstän- digung erleichternden Werth, indem ja eine scharfe Grenze zwischen Stab- und Fadensecreten sich gar nicht ziehen lässt und überdies meiner ganzen Auffassung nach beide nur verschieden geformte Producte ein- und derselben Werkstätte darstellen können. Aber nun zurück zu den Schleimsäcken der Mywine. Es bleibt nur noch ein Autor zu erwähnen übrig. Broxriern') hat speciell die Haut und die Schleimsäcke der Mywine einer genaueren histologischen Untersuchung unterworfen, und wenn auch diese Untersuchung nicht gerade neue Thatsachen*) an’s Licht brachte, so füllte dieselbe doch eine empfindliche Lücke aus, indem durch ihre, mit Hülfe der neueren, so vervollkommneten Technik erzielten Resultate die seiner Zeit zwischen Köruıker und Max ScHurtzE bestehen gebliebenen Differenzen hauptsächlich zu Gunsten Körniker’s entschieden wurden. Nach Bronriero stellen nämlich die Schleimsäcke von Mywine Hautdrüsen dar, welche als solide Integument-Einstülpungen betrachtet werden müssen, indem alle Elemente der Drüse sich continuirlich in die Haut fortsetzen. Als Inhalt der Drüsen werden die be- kannten Fadenzellen nebst einem sie umfassenden Stroma aus »spider cells« beschrieben; letz- tere fallen offenbar mit den chordaähnlichen Zellen Max SchuLtze's zusammen. Am wich- tigsten ist die Beobachtung, dass sich in jungen Drüsen, in welchen die Elemente noch nicht herangereift sind, die Entwickelung der Fadenzellen aus gewöhnlichen Epidermiszellen ver- folgen lasse. Auch in der Haut hat Brouriero den Fadenzellen ähnliche Gebilde angetroffen; er scheint aber die (bereits von KörLzıker und Max Schurnsze gesehenen) Fäden derselben nicht wahrgenommen zu haben. Mit diesen Fadenzellen der Haut vergleicht nun Broxwrıeıp die sogenannten »Kolbenzellen«**) von Petromyzon, worin ich ihm vollkommen beistimme. Allem Vorhergehenden zufolge müssen die sogenannten Schleimsäcke der Myxinoiden als Hautdrüsen, und zwar als Spinndrüsen betrachtet werden: denn ähnlich wie letztere, so secerniren auch sie, respective die sie zusammensetzenden Zellen ein klebrig-fadiges Secret, dessen Bedeutung in der Oeconomie des Thieres uns zwar noch nicht vollständig bekannt ist, von dem wir aber doch wenigstens so viel wissen, dass es zum »Spinnen eines Nestes« ver- wandt wird, wodurch allein schon die den gleichnamigen Drüsen anderer Thierclassen adäquate Function ihren Ausdruck findet. Wie bei gewissen Anneliden Fadensecrete zugleich in be- 1) BromrıerLp, J. E. The Thread-Cells and Epidermis of Myxine. Q. Journ. Micr. Se. (2) Vol. 22. 1882. p. 355. *) Am Schlusse seiner Abhandlung sagt BLomrIELp: »It seems a matter for surprise that these eurious cells should have hitherto escaped description, but as far as Iam aware, there is only one drawing of them, which occurs in Leyvis's »Manual of Histology« (French translation, p. 225), in which they are figured with threads appended to their tails and described as nerve cells, the thread being regarded as the fine termination of a nerve.« Aus meiner vorhergehenden Darstellung der Entwickelung unserer Kenntnisse von den Schleimsäcken und den Faden- zellen der Myzine mag BromrieLD ersehen, in einem wie grossen Irrthume er sich befand, als er voraussetzte, dass sich ausser Lrypıs Niemand mit dem Gegenstande befasst habe. “*, Bezüglich dieser Kolbenzellen, über welche eine ziemlich ausgedehnte Literatur existirt, vergleiche man Leyvie 1. p. 146. e. p. 12—1$; Man findet da alle vorhergehenden Arbeiten berücksichtigt. I. Haut. 3. Vergleich mit anderen Thierelassen. f. Vertebrata. 421 sonderen Drüsen (Spinndrüsen, Fadendrüsen) und in einzelnen Zellen der Haut (Fadenzellen) zur Ausbildung gelangen, so weist auch Mywine in der ganzen Epidermis ähnliche zerstreut stehende Fadenzellen auf, wie solche in ihren Schleimsäcken gehäuft vorkommen. Während aber bei den Anneliden das klebrige Fadensecret meist in der Form einfacher Fäden (Nemata) zur Abscheidung gelangt, wird das entsprechende Secret der Mywine vorwiegend aus Fäden mit Uysten (Nematocysten zusammengesetzt und erinnert insofern auffallend an die Nesselorgane der Coelenteraten. Wenn man sich indessen daran erinnert, dass auch diese Nematocysten in Hautzellen gebildet werden und in erster Linie als Haftapparate”) dienen, ja wenn man der Thatsache gedenkt, dass gewisse Actiniden ihre Nematocysten zu ähnlichen Wohnröhren verfilzen, wie es gewisse Anneliden mit den Nemata ihrer Spinndrüsen thun, so wird man diesem Unterschiede keine allzugrosse Bedeutung beimessen. Im Hinblicke auf das » Nest- spinnen der Mywine« verweise ich übrigens auf Fig. 24. Taf. 37, welche eine nach BrLonrieno angefertigte Uopie der aus den Schleimdrüsen der Mywine entleerten Fadenzellen darstellt: die Uebereinstimmung dieser Fäden und Cysten mit denjenigen der Cereanthus-Hülle (vergl. Fig. 22. Taf. 37) ist wahrlich unverkennbar. Was nun die morphologische Definition dieser Mywine-Schleimsäcke betrifft, so befinde ich mich in einer schwierigen Situation. Die ectodermale Natur der Säcke, ihre metamere Anordnung, die Beschaffenheit ihres Secretes, Alles erinnert an jene Hautdrüsen, auf welche auch die Spinn- und Borstendrüsen der Anneliden zurückgeführt werden konnten; gleichwohl ist es mir klar, dass sich eine Homologie mit letzteren vorerst noch nicht begründen lässt, indem gerade die Organisation der Cyclostomen noch grossen Controversen unterliegt und zu- gleich über die Entwickelungsgeschichte speciell der Schleimsäcke noch grosses Dunkel herrscht. Zu alledem kommt ferner, dass letztere auch mit den sogenannten Schleimkanälen der Fische in Zusammenhang gebracht worden sind: das würde zwar an sich jene älteren Beziehungen keineswegs ausschliessen, indem die zwischen dem sogenannten Schleimkanal- und Seitenorgan- systeme bestehenden durchaus nicht so primär zu sein scheinen, wie man wohl in der ein- seitigen Betonung des nervösen Elementes stillschweigend annimmt?). Aber auch nach dieser Richtung hin lässt sich in Anbetracht unserer geringen Kenntnisse der respectiven Thatsachen vorläufig noch kein Schritt machen. Erst wenn die ganze Reihe derjenigen Bildungen, welche man bei den Cyclostomen, Selachiern, 'Teleostiern etc. als »Schleimkanäle« etc. zusammenzufassen pflegt, embryologisch und vergleichend anatomisch zugleich erforscht, und erst nachdem die Beziehungen dieser Kanäle zu den Seitenorganen in's rechte Licht gesetzt sein werden, können wir daran denken, die oben angedeuteten Ableitungen von Wirbellosen, respective von Anne- liden auch im Hinblicke auf sie (die Schleimkanäle, weiter zu verfolgen. a) Vergl. p. 363. 3 Vergl. diesen Theil, Kapitel Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. II. Muskulatur. Da ich über die Muskulatur der Anneliden weder vergleichende Untersuchungen ange- stellt. noch irgend ein auf sie bezügliches Problem im Speciellen verfolgt habe, so beschränke ich mich darauf, eine Zusammenfassung dessen zu geben, was im vorigen "Theile für die ein- zelnen Gattungen der Capitellidengruppe festgestellt wurde. Ich glaubte mir diese Beschrän- kung um so mehr gestatten zu dürfen, als schon von CrLAPAREDE') in seinem posthum erschie- nenen Werke das über die topographisch-anatomischen Verhältnisse der Polychaeten bekannt Gewordene zusammengestellt, als ferner von VEpovskY?) Aehnliches für die Oligochaeten ge- leistet und als endlich in einer vor Kurzem erschienenen Arbeit Ronpe's’) auch das Histo- logische unter Berücksichtigung aller seiner Vorgänger eingehend untersucht worden ist. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.” Wie bei den meisten übrigen Anneliden, so besteht auch bei den Capitelliden die Stammesmuskulatur aus zwei innig mit dem Integumente verbundenen Schichten, nämlich aus einer äusseren Ringfaser- und aus einer inneren Längsfaserschicht. Ausser diesen zu dem sogenannten Hautmuskelschlauche gehörigen Lagen rechne ich aber auch noch die in den verschiedenen Gattungen sehr verschiedengradig entwickelten transversalen Bündel zur Musku- latur des Stammes, indem ihre Contractionen wesentlich zu den Gestalts- und wahrscheinlich auch zu den Ortsveränderungen des Gesammtkörpers beitragen können. Die Ringmuskulatur erreicht bei allen Formen ihre grössten Durchmesser im "Thorax, wogegen sie dem ganzen Abdomen entlang auf eine äusserst dünne, der Längsmuskulatur gegenüber verschwindende Schicht reducirt ist. Die Längsmuskulatur bietet noch auffallendere Gegensätze in den beiden Körper- #) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 29—36, 171—172, 208—210, 233—234 und l. p. 236. c. p. 70—13. 5. 1) 1. p. 308 (Rech. Annel. Sed.) c. p. 39—64. ) 3) Ronpe, M. Die Muskulatur der Chaetopoden. Zool. Beiträge herausg. von A. ScHNEIDER. 1. Bd. S. 164. II. Muskulatur. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 423 theilen, Gegensätze, welche aber mehr auf verschiedener Anordnung, als auf Zu-, respective Abnahme der Massen beruhen. Im "Thorax besteht nämlich diese Muskulatur aus einer grossen Anzahl gleichmässig um die Körperaxe angeordneter Bündel, daher (im Vereine mit der mächtig ausgebildeten Ringmuskulatur) der regelmässig eylindrische Querschnitt; im Ab- domen hingegen verschmelzen diese Bündel zu wenigen, überaus umfangreichen, in den successiven Regionen ein sehr wechselndes Verhalten zeigenden Strängen, daher ein im Ge- gentheil überaus unregelmässiger und veränderlicher (Querschnitt. In allen Gattungen, mit Ausnahme von Heteromastus und Capitella, fällt der Eintritt des eben gezeichneten Gegensatzes von Thorax und Abdomen mit den übrigen diese zwei Körperabschnitte charakterisirenden Grenzscheiden (also mit dem Wechsel der Para- podien, sowie mit dem Uebergange des Oesophagus in den Magendarm) zusammen, so dass demgemäss auch das Verhalten der Muskulatur mit zur Definition der beiden Regionen ver- wandt werden kann; bei Heteromastus und Capitella dagegen tritt die Verschmelzung der Längsbündel (sowie der Borstenwechsel) schon in weiter vorn gelegenen, noch zum Thorax gehörigen Segmenten ein, so dass in diesen beiden Gattungen die Uebergangsstelle des Oeso- phagus in den Magendarm als einziges Criterium für die Begrenzung der beiden Stammes- abschnitte übrig bleibt. In Bezug auf Capitella ist überdies noch hervorzuheben, dass in Folge der starken, wahrscheinlich durch das Respirationsbedürfniss verursachten Reduction des ge- sammten Hautmuskelschlauches der in Rede stehende Gegensatz überhaupt nur sehr wenig zum Ausdrucke kommt. An dem Culminationspunkte der Verschmelzung, an der Anfangsstrecke des Abdomens, pflegen, je nach den Gattungen und Arten, ja zuweilen sogar je nach den Individuen schwan- kend, bald nur ein hämaler und ein neuraler, bald zwei solcher Längsmuskel-Stränge jeder- seits vorhanden zu sein. Im letzteren Falle unterscheiden wir dann sowohl an den neuralen, als hämalen Längsmuskeln je einen dorsalen und ventralen Strang. Ueberaus charakteristisch für unsere Familie (Capitella ausgenommen) ist das sich dem ganzen Abdomen entlang stetig verändernde gegenseitige Massenverhältniss dieser Stränge. Im Anfange des genannten Körpertheiles ragen (in besonders hohem Grade bei Notomastus und Mastobranchus, weniger bei Dasybranchus und Heteromastus) die neuralen Stränge bis zu den Flanken des Rückens herauf, wogegen die Erstreckung der hämalen auf die Rücken- fläche beschränkt bleibt. Weiterhin nehmen aber letztere immer mehr an Umfang zu und erstere in demselben Maasse ab, so dass schon in der Mitte des Abdomens Gleichgewicht in ihrer Vertheilung eintritt, und gegen das Abdomenende hin stellt sich (Hand in Hand mit dem an das Verhalten des Thorax erinnernden Zerfall der Stränge in zahlreichere Bündel) ein geradezu umgekehrtes Verhältniss ein, indem die hämalen Stränge die neuralen bedeutend an Umfang überwiegen. Wenn wir daher die wenigstens im Abdomen durch einen breiten Spalt jederseits bezeichneten Grenzlinien der zwei Längsmuskel-Regionen (nämlich der neuralen und hämalen) projieiren, so entsteht eine am Abdomenanfange zunächst stark ansteigende und von da allmählich immer tiefer sinkende, also S-förmig gekrümmte Linie. Diese Linie, in welcher 424 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. die Seitenorgane eingepflanzt stehen, die transversalen Muskeln sich ansetzen und im Ab- domen wenigstens) auch die 'neuralen, Parapodien, respective die Hakentaschen enden, fällt zusammen mit der sogenannten Seitenlinie, und es ist einleuchtend, dass mit der Lagever- änderung dieser Linie auch eine solche aller der genannten Organe einhergehen muss. Ab- weichend hiervon verhält sich, wie erwähnt, Capitella, indem bei ihr die neurale und hämale Längsmuskulatur vom Körperanfange bis zum Körperende nahezu gleiche Halbbogen um- spannt, und demgemäss auch die Seitenlinie geradlinig vorläuft. Ausser diesen weitaus auffälligsten Spalten zeigt aber die Muskulatur auch noch weniger regelmässig verlaufende; vor Allem pflegen überall da, wo sich die Längsstränge theilen, mehr oder weniger tief einschneidende Furchen aufzutreten, also besonders zahlreich im Thorax und im Abdomenende; auch die reifartigen Unterbrechungen der Ringmuskulatur sind hierher zu rechnen. Wichtiger aber als diese sind zwei ähnlich den Seitenlinien constant, wenn auch nicht continuirlich auftretende mediane Furchen. Die eine liegt median-hämal, die andere median-neural und beide scheiden so die entsprechenden Längsmuskelstränge in zwei Hälften; aus der hämalen Furche entspringt das Mesenterium des Darmes, aus der neuralen dasjenige des Bauchstranges. Aber, wie gesagt, keine dieser Furchen verläuft so continuirlich wie die seitlichen es thun, indem (insbesondere bei Heteromastus und Capitella) die hämalen Längsmuskelstränge streckenweise zu einer einzigen, continuirlichen Schicht verschmelzen können. Bezüglich Heteromastus ist noch das auffällige Verhalten der ventralen neuralen Längs- muskelstränge zu betonen; letztere Stränge behalten nämlich im Gegensatze zu allen übrigen Capitelliden) bis zum Körperende ihre hervorragende Entwickelung bei, so dass ihnen gegen- über in letzterer Region die gesammte übrige Muskulatur nahezu verschwindet. Diese ein- seitige Ausbildung ermöglicht jene gewaltsamen, partiellen Contractionen, welche den be- treffenden 'Thieren das so eigenthümliche perlschnurförmige Ansehen verleihen. Der grosse, in den verschiedenen Körperregionen im Ansehen der Längsmus- kulatur herrschende Gegensatz beruht also lediglich auf der Verschmelzung und Wiedervertheilung der sie zusammensetzenden Bündel und sowohl die topographisch- anatomische, als auch die mikroskopische Untersuchung ergibt, dass diese einzelnen Bündel continuirlich vom Kopf- bis zum Schwanzende hinziehen, also Glieder eines einzigen Systemes ausmachen. Die transversalen vom Bereiche der neuralen Medianlinie zur Seitenlinie hin ver- laufenden Muskelstränge pflegen erst vom fünften Körpersegmente an aufzutreten, indem weiter vorn ihrer Ausbildung die Rüsselmuskulatur im Wege steht. In der Untergattung Chistomastus kommen die transversalen Muskeln überhaupt zu keiner vollkommenen Ent- wickelung; nur einzelne im Bereiche der hinteren Segmentgrenzen vorhandene Stränge legen Zeugniss dafür ab, dass sie auch hier einst vorhanden waren. In Folge dieser Rück- bildung konnten denn auch die sonst in den Nierenkammern, also tief neural gelegenen Nephridien hier in die Darmkammer heraufrücken. Bei der Untergattung Tremomastus und allen übrigen Gattungen dagegen sind die transversalen Muskeln dem ganzen Körper entlang II. Muskulatur. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 425 sehr vollkommen entwickelt und durch die ihre Lücken bedeckenden peritonealen Membranen erhalten sie den Charakter einheitlicher, die Nierenkammern ziemlich vollkommen abschliessen- der Platten. Während sich die neuralen Ursprünge dieser transversalen Bündel bei allen übrigen Gattungen in den Hautmuskelschlauch einsenken, umfassen sie bei Mastobranchus den Bauch- strang; wahrscheinlich hängt damit die in letzterer Gattung so bedeutend gesteigerte Aus- bildung der Neurochorde zusammen, indem auf diese Weise das Bäuchstranggewebe den Zerrungen jener Muskulatur gegenüber geschützt bleibt. Was die Structur betrifft, so hat sich ergeben, dass sowohl die Ring- als die Längs- muskulatur von einer grossen Anzahl spindelförmiger Muskelzellen zusammengesetzt wird. Der Querschnitt dieser Zellen ist meist cylindrisch oder prismatisch. Die Beschaffenheit ihrer Substanz erscheint im frischen Zustande homogen; erst durch Behandlung mit gewissen Reagentien tritt ein deutlich fibrillärer Zerfall ein. Bei den Gattungen Notomastus, Dasy- branchus und Capitella lassen die Zellen deutliche Sarcolemme erkennen, deren (sesammtheit sich in Querschnitten (durch Längsbündel) als Fachwerk scharf von der contractilen Substanz abhebt. Die Muskelkerne können sowohl centrad, als excentrisch liegen; auch im Sarcolemma werden Kerme angetroffen. Dieser ganzen Anordnung gemäss kann hier keine Rede von Primitivbündeln sein; der ganze Muskelstrang, wie umfangreich er auch sein mag, stellt viel- mehr nur eine Vielzahl unmittelbar aneinandergrenzender Zellen dar, deren äusserste Wan- dungen (Sarcolemma) eben zugleich auch die Aufgabe eines Perimysiums erfüllen. Ganz im Gegensatze zu den vorher genannten Gattungen lassen die Muskelzellen von Mastobranchus und Heteromastus keine Scheiden erkennen; wenigstens ist nichts dem Sarco- lemmafachwerke Aehnliches wahrzunehmen. Auch in anderer Hinsicht noch bieten letztere zwei Formen Abweichungen dar. Bei Mastobranchus nämlich sind die die neuralen Längs- muskelstränge des Abdomens constituirenden Zellen nicht von rundlichem oder prismatischem, sondern von dachziegelförmigem Querschnitte und überdies reihenförmig untereinander ge- ordnet, so dass (im Schnitte) eine ziekzackförmige Projectionslinie zu Stande kommt. Ausserdem sind diese Zellen nicht wie diejenigen der übrigen Muskulatur von gleich- mässiger Beschaffenheit, sondern die centralen Theile der Halbkanäle, oder um das vom Quer- schnitte gebrauchte Bild beizubehalten, die Kuppen der Ziegel bestehen allein aus contractiler (fibrillärer) Substanz und die Seitentheile aus wahrscheinlich unverbrauchtem Protoplasma. Eben diese protoplasmatischen Ränder sind es, welche untereinander verschmelzen und so die wellenförmige Projectionslinie verursachen. Eine ähnliche reihenförmige Anordnung zeigen die Längsfasern, und zwar ebenfalls hauptsächlich die neuralen von Heteromastus; aber sie sind im Querschnitte nicht dachziegel-, sondern spindelförmig; auch lassen sie keine Spur von protoplasmatischen Rändern erkennen. Die transversale Muskulatur unterscheidet sich histologisch dadurch von der im Vorher- gehenden geschilderten, dass die sie zusammensetzenden Zellen aufs Mannigfachste durch Aus- läufer zu anastomosiren und eine viel grössere Anzahl von Kernen zu enthalten pflegen, dass Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel, Capitelliden, 54 426 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. a ferner unverbrauchte Substanz, sei es, wie stellenweise bei Mastobranchus, in Form von innig mit den Zellen verbundenen Streifen, sei es, wie bei den übrigen Gattungen, in Form von zwischen den Zellen zerstreut liegenden Ansammlungen, niemals angetroffen wird. Was übrigens die Verzweigung der transversalen Muskelzellen und die Anastomosirung ihrer Aus- läufer betrifft, so verdient hervorgehoben zu werden, dass Aehnliches auch in der Ringmus- kulatur vorkommt; insbesondere in derjenigen von Dasybranchus Gajolae konnte ich ein der- artiges Verhalten öfters constatiren. Hervorgehoben zu werden verdient auch, dass die transversalen Muskelstränge unter Zerfall in ihre Fibrillen die Längs- und Ringmuskulatur durchsetzen und mit Ausläufern der Fadenzellen verschmelzen können. Ich habe schon im speciellen 'Theile die Frage erwogen, ob diese Anordnung in der T'hat als nachträgliche Verschmelzung, oder aber als ursprüngliche Einheit aufzufassen sei, und ob wir im letzteren Falle etwa diese transversalen Muskeln (ähnlich wie diejenigen des Darmkanales) zur Kategorie der Epithelmuskelzellen rechnen dürfen. Während ich in der Stammesmuskulatur von Notomastus, Dasybranchus, Heteromastus und Capitella nur das Vorhandensein zahlreicher Nervenfibrillen constatiren konnte, ist es mir bei Mastobranchus geglückt in der Längsmuskulatur motorische Nervenendigungen in Form von Endplatten aufzufinden. Diese den betreffenden Muskelzellen breit aufsitzenden, mit mehreren Kernen ausgerüsteten, protoplasmatischen Platten schemen vorwiegend in der mitt- leren Region der Zellen vorzukommen; wie aber der mit ihnen in Verbindung stehende Nervenast sich ihnen gegenüber verhält, das heisst die letzten Endigungen des Nerven, habe ich nicht festzustellen vermocht. III. Darmkanal. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.‘ Am Darmkanal sämmtlicher Capitelliden hessen sich drei sowohl topographisch-anato- misch, als auch histologisch wohl charakterisirte Abtheilungen unterscheiden, nämlich erstens der Rüssel, zweitens der Oesophagus und drittens der abdominale Darm oder Magendarm. a. Der Rüssel. Dieser auffallendste Theil des ganzen Tractus erstreckt sich von der neural an der Kopflappenbasis gelegenen Mundspalte durch die drei ersten Körpersegmente. Sein Umfang ist so bedeutend, dass er im Vereine mit den ihm zugehörigen Retractoren diese Segmente sowie das nächstfolgende nahezu ganz ausfüllt und so deren Dissepimente zu keiner voll- kommenen Ausbildung gelangen lässt. Von den zu den Gattungen Notomastus, Dasybranchus, Mastobranchus und Heteromastus gehörigen 'I’hieren wird der Rüssel rhythmisch aus- und eingestülpt. Die Ausstülpung wird in geringem Grade durch mehrere Protrusoren, hauptsächlich aber durch den (vom Schwanze nach dem Kopfe zu gerichteten) Hämolymphstrom bewirkt; die Einstülpung da- gegen durch mächtige, sich einerseits an der Rüsselbasis, andererseits an dem ersten 'Thorax- septum sowie an der Stammesmuskulatur ansetzende Retractoren. Der durch die handschuh- fingerförmige Ausstülpung des Rüssels zu Stande kommende Doppelsack wird durch die ein- dringende Blutwelle jeweils zu einem keulenförmigen, überaus lebhaft roth gefärbten, festen Körperanhange geschwellt, mit Hilfe dessen die betreffenden 'Thiere im Sande zu bohren vermögen. Ausser dieser locomotorischen Bedeutung des Rüssels kommt aber auch noch diejenige in Betracht, welche ein so andauernder Contact einer relativ bedeutenden, nur durch sehr dünne Wandungen vom äusseren Medium getrennten Blutmenge für die Respirations- thätigkeit haben muss. a) Man vergleiche: »Anatomisch - Histologischer Theil« p. 36—51. 172—176. 210—212. 234—235 und 255—259. 428 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Im Gegensatze zu den genannten übrigen Gattungen stülpt Capitella ihren Rüssel (der auch hinsichtlich seines relativen Umfanges jenen gegenüber etwas zurücksteht) nur selten aus, was wohl mit ihrem Aufenthalte im Schlamme zusammenhängt; dass aber auch bei ihr das Organ ursprünglich eine ähnliche Rolle wie bei den im Sande bohrenden Verwandten gespielt haben müsse, beweist die noch unverändert fortbestehende hohe Ausbildung seiner Retractoren. Was die Structur des Rüssels betrifft, so lassen sich (in seinem ausgestülpten Zustande) von aussen nach innen folgende Schichten unterscheiden: erstens eine Cuticula, zweitens eine epitheliale Lage, drittens eine aus Ring- und Längsfasern bestehende Muscularis und viertens ein peritonealer, das Organ nach der Leibeshöhle zu begrenzender Ueberzug. Alle diese Schichten gehen continuirlich in die gleichnamigen, in derselben Reihenfolge angeordneten Strata des Hautmuskelschlauches über, als dessen Einstülpung sich auch der vorderste Darm- abschnitt in unverkennbarer Weise darstellt. Insbesondere hat sein cuticularer Theil diesen integumentalen Charakter bewahrt; denn wie die Oberfläche des Thorax, so erscheint auch diejenige des Rüssels durch ein System tief einschneidender Furchen mosaikartig gefeldert, nur mit dem Unterschiede, dass sich die abgeschnürten Felder am ersteren als wenig vor- springende Polygone, am letzteren dagegen als ziemlich selbständige Papillen geltend machen. Bezeichnend für die erwähnte Uebereinstimmung ist ferner, dass die Rüsseloberfläche sämmt- licher Capitelliden mit ebensolchen becherförmigen Organen ausgerüstet ist wie deren Oberhaut, und zwar pflegt jede Papille mit einem solchen Organe versehen zu sein. Auch das Rüsselepithel bekundet noch dadurch seine Abstammung von der Hypo- dermis, dass sich die Componenten letzterer, die Hautfaden- und Hautdrüsenzellen, wenn auch etwas modificirt, doch unschwer wiedererkennen lassen. Es erscheinen nämlich die Faden- zellen durchweg saftiger, die Drüsen- oder Plasmazellen dagegen umgekehrt schmächtiger, als in der Haut; letztere Zellen haben auch ihre Drüsenfunction im Rüssel offenbar eingebüsst, da sie, anstatt in Form enghalsiger Flaschen nach aussen zu münden, vielmehr als überaus mannigfaltig gestaltete Schaltzellen zwischen den Fadenzellen eingeschlossen liegen. Es fehlen endlich auch die an den Hautfadenzellen so zahlreich vorhandenen Nervenendigungen nicht, und zwar werden die Rüsselzellen ebenso wie jene der Hypodermis durch einen beson- deren Ganglienzellenplexus innervirt. Zusammenhänge dieses Plexus mit dem Centralnerven- systeme nachzuweisen ist mir zwar nicht gelungen, aber die T'hatsache, dass einerseits mehrere Nerven die Rüsselwandung durchsetzen und andererseits ebensolche vom Gehirn nach den vordersten Tractuspartien hin gerichtet verlaufen, macht doch das Vorhandensein solcher Ver- bindungen sehr wahrscheinlich. Stark abweichend von derjenigen des Hautmuskelschlauches ist die nun folgende Schicht, die Muscularis; denn an Stelle der langgestreckten, relativ dicken, zu mächtigen Bündeln eruppirten Fasern, treffen wir am Rüssel (sowie auch in den übrigen 'Tractusportionen) dünne, vielfach verzweigte Fibrillen, welche als überaus schmächtige Längs- und als ebensolche Ring- lage verlaufen. II. Darmkanal. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. a. Der Rüssel. b. Die Speiseröhre. 429 Das Peritoneum dagegen bietet hier so wenig, als in den übrigen Darmabschnitten wesentliche Abweichungen von der gleichnamigen parietalen Membran dar. Sehr eigenthümlich erweisen sich die so mächtig ausgebildeten Rüsselretractoren auf- gebaut. Ihre kräftigen Muskelelemente erscheinen nämlich so reich verzweigt und so viel- fach durch Ausläufer anastomosirend, dass ein schwammartiges Gerüstwerk zu Stande kommt. Das Auffallendste ist aber, dass der grössere "heil dieses Gerüstwerkes von multipolaren Ganglienzellen ausgefüllt wird, deren Fortsätze theils zur Verbindung untereinander, theils zur Innervation der Muskelfasern verwandt werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir in diesem Ganglienzellenplexus der Rüsselretractoren das vor uns haben, was bei anderen Anneliden als »Schlundnervensystem« bezeichnet zu werden pflegt. Leider habe ich auch für diesen nervösen Apparat eine Verbindung mit dem centralen Systeme (durch Präparation) nicht darzustellen vermocht; aber es gilt für die fragliche Verbindung dasselbe, was im Vorhergehenden in Bezug auf diejenige des Plexus der Rüsselwandungen vorgebracht worden ist. b. Die Speiseröhre. Der Uebergang des Rüssels in den Oesophagus ist ein sehr unvermittelter, indem letzterer seiner ganzen Länge nach ein eylindrisches, kaum den halben Durchmesser des ersteren er- reichendes Rohr darstellt. Je nach den Gattungen zeigt dieses Rohr eine sehr verschiedene Erstreckung; es durchsetzt nämlich (nebst dem Rüssel) bei Notomastus, Mastobranchus und Heteromastus die ersten zwölf, bei Dasybranchus die ersten vierzehn und bei Capitella die ersten neun Körpersegmente, um sodann (viel allmählicher als in den vorhergehenden) in den nach- folgenden, wenig breiteren Darmabschnitt überzugehen. Wir haben gesehen, dass diese Grenze zwischen Oesophagus und Magendarm mit derjenigen zwischen Vorder- und Hinterleib oder zwischen Thorax und Abdomen zusammenfällt, und dass sie sogar das einzig verlässliche Crite- rium zur Feststellung der letzeren zwei Regionen bildet, indem sich hierfür die übrigen Cri- terien (Parapodien und Muskulatur) zwar bei Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus, nicht aber bei Heteromastus und Capitella stichhaltig erweisen. Hinsichtlich der Structur ist zu bemerken, dass die innere Wandung des Oesophagus ein von derjenigen des Rüssels stark abweichendes Ansehen darbietet, indem an Stelle der gleichförmigen Cuticulatäfelung des letzteren eine vielfach gewulstete, mit sehr langen Cilien bedeckte Schleimhaut tritt, durch deren energische Flimmerthätigkeit die für die ganze Familie so charakteristischen, ovalen Speiseballen zu Stande gebracht werden. Trotz dieses Habitus-Contrastes lassen sich aber im Oesophagus die sämmtlichen den Rüssel aufbauenden Schichten in continuirlicher Fortsetzung wiederfinden. Am meisten erweist sich von letzteren verändert und am meisten trägt daher auch zum veränderten Habitus des Gesammtorganes bei: die epitheliale Schicht. An Stelle der wenig umfangreichen Faden- zellen des Rüssels sehen wir nämlich sehr voluminöse keulen- oder trichterförmige Gebilde 430 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. treten, deren protoplasmatische, Cilien tragende Köpfe synceytiumartig aneinanderstossen und deren Basen in ein oder mehrere, häufig Kerne einschliessende Fäden auslaufen, Die Zwischen- räume dieser eilientragenden Zellen werden von tiefer gelegenen cylindrischen oder sichel- förmigen Schaltzellen eingenommen; wahrscheinlich dienen auch einzelne dieser letzteren Zellen zum Ersatze der ersteren. Der in die Rüsselwandungen eingebettete Ganglienzellenplexus erstreckt sich auch auf den Oesophagus, und wie dort so lassen sich auch hier Verbindungen zwischen Ausläufern von Ganglien- und Epithelzellen nachweisen. Ein besonders günstiges Object für solchen Nachweis stellte Dasybranchus caducus dar. Der Oesophagus von Capitella bietet den anderen Gattungen gegenüber einige bemer- kenswerthe Eigenthümlichkeiten dar: derselbe erweitert sich nämlich unmittelbar hinter dem Rüssel (im zweiten und dritten Körpersegmente) kropfartig und sein Epithel verflacht sich jederseits zu einer Rinne; im vierten Segmente verschmelzen diese seitlichen Rinnen zu einer median-neuralen, welche sich bis zur Mündung des Nebendarmes hin verfolgen lässt. Ich habe diese Rinne, im Gegensatze zur Hinterdarmrinne, mit dem Namen Vorderdarmrinne bezeichnet. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass auch bei den übrigen Capitelliden nicht nur im Oesophagus, sondern auch im Magendarm die neurale Medianlinie durch einen Epitheleinschnitt ge- kennzeichnet ist; aber davon ist doch noch weit bis zu der so ausgeprägten Rinne der Capitella, und bezüglich der seitlichen Rinnen am vorderen Oesophagusende steht letztere unter allen Umständen einzig in der Familie da. c. Der abdominale Darm. (Hauptdarm und Nebendarm.) Der abdominale Darm oder Magendarm beginnt, wie schon aus dem Vorhergehenden zu entnehmen ist, bei Notomastus, Mastobranchus und Heteromastus im dreizehnten, bei Dasy- branchus im fünfzehnten und bei Capitella im zehnten Körpersegmente. Bei allen Gattungen wird durch dieses sein Auftreten zugleich der Anfang der hinteren Leibesabtheilung, des Ab- domens, gekennzeichnet. Die Uebergangsstelle des Oesophagus in den Magendarm erleidet bei allen Capitelliden, in besonders hohem Grade aber bei Clstomastus, in Folge der kräftigen Entwickelung des letzten thoracalen Septums eine beträchtliche Einschnürung. Unmittelbar hinter dieser Verengerung schwillt aber der Tractus wieder bis zum Umfange der Speiseröhre an, um dieses Kaliber bis zum Abdomenende hin, von wo ab wiederum eine allmähliche Ver- jüngung eintritt, beizubehalten. Nur Capitella bietet insofern Abweichungen von diesem Verhalten dar, als ihr Magen- darm im Anfange seines Auftretens einen viel bedeutenderen (nahezu zweimal so grossen) Durchmesser, als der Oesophagus aufweist; von der Abdomenmitte ab erleidet aber derselbe auch hier eine allmähliche Abnahme dieses Volumens. In seiner Lage erhalten wird der abdominale Darm, der Länge nach, durch ein hämales und ein neurales Mesenterium, durch Bänder, welche als Duplicaturen des Peritoneums zu IDarmkanal. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. ce. Der abdominale Darm. 431 betrachten sind. Während sich das neurale Band, durch dessen Spaltung in zwei Blätter das Dach der Bauchstrangkammer (die Genitalplatte) hergestellt wird, in voller Continuität dem ganzen Hinterleibe entlang verfolgen lässt, erweist sich das hämale umgekehrt an zahlreichen Stellen unterbrochen; wır haben aber wohl diese Continuitätsstörung als secundäre (wahr- scheinlich durch den Blutkreislauf bedingte) Erscheinung aufzufassen. Der Quere nach tragen zur Befestigung dieses Darmabschnittes vorwiegend die Septa bei, deren Ansatz indessen, abgesehen von Capitella, keine bemerkenswerthe Einschnürung zur Folge hat. Ausserdem findet man je in den unvollkommen ausgebildeten Segmenten des nachwachsenden Schwanz- endes noch eine Anzahl ebenfalls quer sich am Darme inserirender Stränge, welche aber in dem Maasse, als die Organe zur Ausbildung gelangen, wiederum verdrängt werden. Im frischen Zustande bietet der Magendarm bei allen Formen eine sehr auffallende, gelbrothe oder gelbgrüne Färbung dar, welche im anatomischen Theile — im Hinblicke auf künftige physiologische Forschungen — eingehend besprochen wurde. Hier genüge es hervor- zuheben, dass diese Färbung zum 'Iheil durch Pigmentpartikel des Darmepithels, zum "Theil durch solche des visceralen Peritoneums bedingt wird. Erstere Partikel spielen sicherlich eine Rolle bei der Verdauung (da man im Darmlumen häufig eine ähnlich gefärbte Flüssigkeit antrifft); letztere sind wahrscheinlich excretorischer Natur (indem sie häufig auffallend mit den Excretbläschen übereinstimmen). Von innen betrachtet, bietet der Magendarm in noch viel höherem Grade, als der Oesophagus das Ansehen einer Schleimhaut dar, denn es kommt — besonders im Anfange des Abdomens — zu einer so bedeutenden Oberflächenvermehrung seiner zelligen Wandung, dass letztere in Form sehr umfangreicher Wülste und Papillen in das Lumen vorspringt. Nur in der neuralen Medianlinie pflegen solche Vorsprünge zu fehlen, indem sich an dieser Stelle das Epithel dem ganzen Magendarme entlang (abgesehen von der Hinterdarmrinne) etwas verflacht und so zur Entstehung eines medianen Einschnittes Veranlassung giebt. Das Studium der Structur hat ergeben, dass sich alle vom Rüssel-Oesophagus her bekannten Schichten in derselben Reihenfolge in den Magendarm fortsetzen. Von der äussersten dieser Schichten, von dem peritonealen Ueberzuge oder Darm- faserblatte, ist hervorzuheben, dass dessen Elemente, insbesondere bei Mastobranchus und Hetero- mastus stellenweise zu einem saftigen, drüsigen Ansehen neigen, von der innersten, der Cuticula, dass sie gegenüber derjenigen des thoracalen Darmabschnittes stark verdünnt erscheint. Wesentlichere Abweichungen zeigen aber allein die mittleren Schichten, nämlich die Muscu- laris und das Epithel. Die Muskulatur des Magendarmes erscheint vor Allem gegenüber derjenigen des Rüssels und Oesophagus stark reducirt, indem nur eine äussere Ring- und eine innere Längs- faserlage vorhanden ist und überdies die dieselben constituirenden Fasern meistens in weitem Abstande voneinander verlaufen. Bei nahezu allen Gattungen ferner ist der Durchmesser dieser Fasern ein so geringer, dass sie eher an Nervenfibrillen als an Muskeln erinnern; nur Dasybranchus macht hiervon eine Ausnahme, weshalb sich auch gerade sein Darm am besten zur Unter- 432 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ‚4 suchung dieser Gebilde eignet. In beiden Lagen erweisen sich die so beschaffenen Muskel- fasern vielfach verzweigt und untereinander anastomosirend. Kerne werden bald ihrer Sub- stanz eingelagert, bald seitlich aufsitzend angetroffen. Im letzteren Falle pflegen sie von einer mehr oder weniger grossen Menge körnigen Protoplasmas umhüllt zu sein, welches ich zunächst nur für ähnliche Reste von Myoplasten, wie auch in der Stammesmuskulatur angetroffen wurden, zu halten geneigt war. Bald aber fanden sich Protoplasma-Ansammlungen von so bedeutendem Umfange und so grosser Uebereinstimmung mit demjenigen von Magendarmzellen, dass ich zu der unerwarteten Vermuthung gedrängt wurde, die Darmmuskeln möchten Epithelmuskelzellen sein, also einem Gewebstypus angehören, der bisher auf die Gruppe der Cölenteraten beschränkt schien. Diese Vermuthung erwies sich denn auch weiterhin als eine begründete, indem es mir bei Notomastus und Capitella, besonders entscheidend aber bei Dasybranchus gelang, mit unverkennbaren Darmzellen zusammenhängende Muskelfasern blosszu- legen. Da diese Zellen den Fasern nicht nur an ihren Polen, sondern auch häufig, in relativ geringem Abstande voneinander, seitlich aufsitzen, so müssen wir schliessen, dass die con- tractilen Ausläufer der einzelnen Darmelemente miteinander verschmelzen, um so längere Fäden herzustellen; dadurch erklärt sich auch die häufige Verzweigung und Anastomosirung dieser Muskulatur. Die zuerst erwähnten geringeren Plasmaansammlungen im Bereiche der seitlichen Muskelfaserkerne werden wir demnach entweder als Bruchstücke theilweise (bei der Präpara- tion) abgefallener Darmzellen, oder aber als kleine, respective junge Darmzellen aufzufassen haben, in welch’ letzterem Falle sie natürlich zugleich als Bildungszellen nachwachsender Muskeln (Myoplasten) in Betracht kämen. Gegen einen solchen Ursprung der Darmmus- kulatur könnte geltend gemacht werden, dass von Seiten der Embryologen die Ausbildung letzterer in das Mesoderm, respective in das Mesenchym verlegt, oder dass für die betreffende Muskulatur und das viscerale Peritoneum ein gemeinsamer Ursprung angenommen werde. Diesem Einwande lässt sich aber, ohne im Geringsten an den ihm zu Grunde liegenden 'Thhat- sachen zu rütteln, begegnen. Bei zahlreichen Anneliden nämlich ist die äussere Darmmuskulatur innig mit dem Peritoneum und die innere ebenso innig mit dem Epithel verbunden und zwischen beiden existirt ein mit Blut erfüllter Zwischenraum, der sogenannte Darmsinus. Aus diesem Verhalten lässt sich schliessen, dass in der That den zwei Muskelschichten ein verschiedener Ursprung innewohnen könnte, indem eben die eine im Anschlusse an das Darmfaserblatt und die andere im Anschlusse an die Elemente des Entoderms gebildet würde. In dieser Hinsicht wäre es von Werth festzustellen, ob bei jenen Formen die Voraussetzung zutrifft, dass die dem Darme anliegenden contractilen Elemente den Typus der Epithelmuskelzellen und die dem Peritoneum anliegenden einen anderen zur Schau tragen, indem ja eine solche Untersuchung nur da Aus- sicht auf Erfolg hat, wo die zwei Muskelschichten so scharf getrennt verlaufen wie bei den mit solchem Darmsinus ausgerüsteten Familien. Ich betone dies um so mehr, als — wie wir weiterhin sehen werden — auch eine der Capitellidengattungen Andeutungen eines Darmsinus III. Darmkanal. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. c. Der abdominale Darm. 433 erkennen lässt, und es so scheinen könnte, als hätte die von mir bearbeitete Gruppe schon Gelegenheit zur Beantwortung der angeregten Frage geboten, wogegen aber zu bemerken ist, dass sich jener unvollkommen ausgebildete Sinus umgekehrt für eine solche Untersuchung nicht hinreichend günstig erwies. Die Zellen des Magendarm-Epithels bieten hinsichtlich des Umfanges und der Form eine grosse Mannigfaltigkeit dar; ihre Substanz ist meist reich an körnigen Einlagerungen und häufig treten die Kerne in der Mehrzahl auf. Diese Kerne pflegen von rundlichem An- sehen zu sein und in der Zellsubstanz eingebettet zu liegen; geschwänzte Kerne, überhaupt Elemente vom Typus der Fadenzellen werden in diesem Darmabschnitte nicht mehr ange- troffen. Wie die Zellen der vorhergehenden Tractuspartien, so sind auch diejenigen des Magendarmes durchaus nackt und wie an jenen, so lassen sich auch an diesen verschiedenartige Ausläufer wahrnehmen. Ein Theil dieser Ausläufer vermittelt den Zusammenhang mit den Muskelfasern, ein anderer denjenigen der Zellen untereinander und ein dritter endlich ist auf die Verbindung mit dem noch weiterhin zu erwähnenden Ganglienzellenplexus zu beziehen. Die Magendarmzellen stehen in einem überaus innigen Verbande; häufig gelingt es, Gruppen solcher blosszulegen, von denen man den Eindruck erhält, dass es sich hier nicht etwa nur um eine Verbindung ursprünglich unabhängiger Individuen, sondern um eine viel innigere Asso- ciation handeln müsse. Es sind das grössere Zellen, auf deren Ausläufern mehrere kleinere knospenförmig aufsitzen, oder Complexe von ähnlicher Grösse, welche aus einer gemeinsamen syneytiumartigen Masse zu entspringen scheinen. Ich betrachte denn auch diese Zellver- bindungen als Producte einer Sprossung oder Knopung und bemerke, dass ich auch aus dem Rüssel- sowie aus dem Oesophagusepithel ganz ähnliche Spross-Colonien isolirt habe. Dass die gesammte Innenfläche des Magendarmes bei allen Gattungen mit einem Cilien- kleide ausgerüstet ist, stimmt durchaus mit dem Verhalten der übrigen Anneliden überein. Einen auffallenden Gegensatz zu letzteren bieten aber die Capitelliden dadurch, dass nicht selten auch die Aussenfläche des Darmes stellenweise flimmernd getroffen wird. Letztere Erscheinung blieb mir — da das Peritoneum weder in seinem parietalen, noch vi- sceralen Abschnitte jemals Cilien aufweist — so lange unverständlich, bis ich festgestellt hatte, dass unsere Thiere im Stande sind, Fortsätze ihrer Magendarmzellen nach dem Cölom hin auszustrecken. Die fraglichen Fortsätze, welche ich ihrer wahrscheinlichen Function gemäss als Iymphatische Zelldivertikel bezeichnet habe, schieben in der Regel das Peri- toneum vor sich her; häufig reisst aber auch letzteres ein, so dass die Zellsubstanz frei zu liegen kommt, und diese Fälle sind es, in denen der Magendarm cölomwärts stellenweise in Flimmerthätigkeit befunden wird. E Lymphatische Zelldivertikel habe ich am constantesten und ausgebildetsten bei den Gattungen Dasybranchus und Mastobranchus getroffen, seltener bei Notomastus, nie bei Hetero- mastus und Capitella. Dass aber auch das Magendarmepithel der letzten beiden Gattungen, wenigstens in geringem Grade, der Leibeshöhle zu gerichtete Zellportionen auszustülpen ver- möge, scheint mir die auch bei ihnen zuweilen an der Aussenfläche des abdominalen Darmes Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 55 .> 434 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. stellenweise auftretende Flimmerung zu beweisen. Bei Dasybranchus und Mastobranchus pflegen die Divertikel weite Strecken des 'Tractus in Form eines dichten Zottenkleides zu besetzen; aber es sind nicht etwa stets dieselben Stellen, sondern je nach den Individuen die allerver- schiedensten. Daraus allein schon könnte man den Schluss ziehen, dass wir es in den Diver- tikeln nicht etwa mit fixen, sondern mit ephemeren Anhängen zu thun haben, also mit Zell- portionen, welche vom 'Ihiere willkürlich ausgestreckt und wieder eingezogen werden können. Zu Gunsten dieser Auffassung sprechen aber auch die Ergebnisse der histologischen Unter- suchung; man kann nämlich die Divertikel, einerlei ob sie nur als ganz kurze, kernlose Höcker, oder als lange, keulenförmige, mit Kernen versehene Schläuche auftreten, stets bis zu ihren Mutterzellen hin verfolgen; mit anderen Worten: die betreffende Zelle besteht aus einer intra- und aus einer extraintestinalen Portion und jede dieser Portionen kann für sich allein eben nur als Zellfragment in Betracht kommen. In die Divertikel von Notomastus und Dasybranchus habe ich niemals gefärbte Bestand- theile übergehen sehen, weshalb sie sich auch bei diesen Gattungen scharf von dem pigmen- ‘ tirten Darmepithel abheben; bei Mastobranchus dagegen fehlte es nicht an Fällen, in denen die extraintestinalen Zellportionen ebensolche gefärbte Elemente aufwiesen, wie die intra- intestinalen. Bezüglich letzterer Gattung ist auch noch zu bemerken, dass niemals Divertikel da zur Ausstülpung gelangen, wo die Magendarmwandungen zur Herstellung eines Sinus aus- einanderweichen. Die schon aus den vorhergehenden Darmpartien beschriebenen Ganglienzellen häufen sich am Magendarme zu einem überaus dichten, der Muscularis aufliegenden Plexus an. Insbesondere bei Notomastus ist es mir gelungen, grössere Strecken dieses Plexus in situ zu isoliren, und die nach solchen Präparaten angefertigten Zeichnungen geben am besten eine Idee von der reichlichen Verzweigung und Anastomosirung seiner Elemente. Während vom Rüssel und Oesophagus häufig Epithel- und Ganglienzellen im Zusammenhange isolirt werden konnten, ist mir solches am Magendarm nicht geglückt; aber die häufigen Nervenendigungen der abdominalen Darmzellen sprechen doch dafür, dass sie ebenfalls von Seiten des Plexus Fort- sätze erhalten. Auch für diesen Plexus des Magendarmes, der wohl als ein sympathisches Nervensystem angesehen werden darf, habe ich keine Verbindungen mit dem centralen Nervensysteme nachzuweisen vermocht. Selbst die in Schnitten durch die vorderen Darm- regionen so häufig auftauchenden, wahrscheinlich eine derartige Verbindung mit dem Sensorium vermittelnden Längsnerven sucht man in solchen durch die hinteren Regionen vergebens. Ein Darmsinus findet sich, wie schon im Vorhergehenden erwähnt werden musste, allein in der Gattung Mastobranchus und auch bei ihr nur in den hämalen Partien des die Abdomenmitte einnehmenden Hauptdarmes ausgebildet. Er kommt an diesen Stellen durch eine scharfe Trennung der zwei Muskellagen zu Stande, und zwar derart, dass sich die Ring- faserlage dem Peritoneum, die Längsfaserlage aber dem Epithel anschmiegt. Der dadurch ge- schaffene, hinsichtlich seines Volumens überaus grossen Schwankungen unterliegende Hohlraum ist von einer gelblichen oder röthlichen, coagulirbaren Flüssigkeit erfüllt, welche im Gegen- Ill. Darmkanal. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. c. Der abdominale Darm. 435 satze zu anderen Anneliden hier nichts mit Blut zu schaffen hat. Wenn demnach der Sinus von Mastobranchus offenbar als rudimentäre Bildung betrachtet werden muss, so ist er doch auch als solche von nicht geringer morphologischer Bedeutung, indem sich auf Grund seiner Existenz schliessen lässt, dass die heute der Gefässe entbehrenden Capitelliden früher wahr- scheinlich solche besessen haben. Von der bei allen Capitelliden hämal inmitten eines rundlichen Wulstes gelegenen Afterspalte aus lässt sich ein starker, kopfwärts gerichteter Flimmerstrom bis zur hinteren Mündungsstelle des Nebendarmes hin verfolgen. Die betreffende Darmpartie ist durch zwei sehr hohe, lange Cilien tragende Epithelwülste ausgezeichnet, welche eine median -neurale, im Bereiche der hinteren Nebendarmmündung endigende Rinne einschliessen. Diese von mir als Hinterdarmrinne bezeichnete Bildung hat allem Anscheine nach die Aufgabe, Wasser in den Nebendarm einzuführen ; über diese ihre Function wird indessen in einem anderen Theile dieser Monographie Aufschluss zu geben versucht werden. Die Zellen der Hinterdarmrinne erinnern viel mehr an diejenigen des Oesophagus, als an diejenigen des Magendarmes, indem sie deutlich geschwänzte Kerne erkennen lassen. Noch durch eine andere Anordnung ist die Rinne ausgezeichnet: stellenweise durchsetzen nämlich grosse, blasse, flaschenförmige, mit ihren Bäuchen frei in das Cölom ragende Zellen die peritoneale und muskulöse Schicht der Rinnen- wand derart, dass sie eine vom Darmepithel ziemlich scharf gesonderte Lage bilden. Bei Dasybranchus, in welcher Gattung die betreffenden Zellen ihre höchste Entwickelung erfahren, liess sich ferner in den Zwischenräumen der Epithelwülste ein ganz an das Bauchstranggewebe erinnernder Fibrillenstrang erkennen. Ich halte nun die erwähnten Zellen für Ganglienzellen und den Fibrillenstrang für deren Ausläufer; letztere sind ihrerseits offenbar dazu bestimmt, die Elemente der Hinterdarmrinne zu innerviren, und demgemäss hätte diese Rinne eine besondere, von derjenigen des Magendarmplexus stark abweichende Nervenversorgung. Der Magendarm aller Capitelliden ist durch einen median-neural verlaufenden Anhang ausgezeichnet, welchen ich, im Hinblicke auf ein ähnliches, vom Intestinum der Seeigel zuerst beschriebenes Organ als Nebendarm gedeutet habe; letzterem gegenüber wird sodann der eigent- liche abdominale Theil des Tractus als Hauptdarm bezeichnet. Der Nebendarm wiederholt den Hauptdarm vollständig im Kleinen; denn er stellt ebenfalls ein eylindrisches Rohr dar, welches durchschnittlich etwa ein Fünftel des Hauptdarm-Durchmessers erreicht, stellenweise aber auch bis zu einem Drittel, ja der Hälfte dieses Durchmessers wachsen kann, welches ferner alle die am Hauptdarme nachgewiesenen Gewebsschichten in derselben Reihenfolge, nur entsprechend der geringeren Grösse redueirt, wiedererkennen lässt. Der Nebendarm mündet sowohl vorn als hinten in den Hauptdarm. Bei Notomastus, Dasybranchus, Mastobranchus und Heteromastus erfolgt die vordere Einmündung noch im letzten Thoraxsegmente, also an der Grenze von Oesophagus und Magendarm, bei Capitella dagegen ist diese Einmündung in das erste Abdomensegment, also mehr in den Anfang des Magendarmes verlegt. In letzterer Gattung, welche allein durch eine deutliche, median-neu- rale Oesophagusrinne (die von mir sogenannte Vorderdarmrinne) ausgezeichnet ist, lässt sich 55* 436 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. unschwer nachweisen, dass die vordere Nebendarmmündung eine Abschnürung dieser Rinne darstellt. Die übrigen Formen haben an Stelle der Vorderdarmrinne nur einen medianen Epitheleinschnitt, der keine so auffallenden Beziehungen mehr zur genannten Mündung erkennen lässt; aber es kann kaum ein Zweifel darüber walten, dass das bei Capi- tella Festgestellte auch für die anderen Gattungen zutreffend sein werde. Hinten mündet der Nebendarm bei allen Capitelliden im Bereiche derjenigen Stelle, an der die Hinterdarmrinne endigt, oder besser gesagt sich zu dem (im ganzen Magendarme mehr oder weniger deutlich nachweisbaren) medianen Epitheleinschnitte verflacht. Auch diese hintere Mündung bietet durchaus den Charakter einer, von der betreffenden Rinne aus erfolgten Abschnürung dar. Bei Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus verläuft der Nebendarm bald dem Hauptdarme genähert, bald weit von ihm abstehend, und im letzteren Falle werden beide Kanäle durch ein vom Peritoneum hergestelltes Mesenterium verbunden. Bei Heteromastus und Capitella dagegen schmiegt sich der Nebendarm seiner ganzen Länge nach dem Haupt- darm auf's Innigste an, und da an der Berührungsstelle beider der Hauptdarm in Folge des bei diesen Gattungen tiefer greifenden medianen Epitheleinschnittes sehr leicht einreisst, so erscheint dann (in Querschnitten) der Nebendarm häufig als eine dem Hauptdarme zu breit geöffnete Rinne. Der Nebendarm fällt gegenüber dem Hauptdarme stets durch ein viel helleres An- sehen auf, was dem Umstande zuzuschreiben ist, dass seine Epithelzellen entweder der ge- färbten Bestandtheile durchaus entbehren (Notomastus, Mastobranchus und Heteromastus), oder deren doch nur ganz vereinzelte enthalten (Dasybranchus und Capitella,. Das Epithel der genannten, im Uebrigen durchaus mit den entsprechenden Elementen des Magendarmes über- einstimmenden Zellen kann auch hier stellenweise eine starke Oberflächenvermehrung er- fahren und in Folge dessen papillenartig in das Lumen des Kanales vorspringen; auch ist es überall mit — allerdings sehr kleinen, oft schwer nachweisbaren — Cilien ausgerüstet. Im Nebendarme werden niemals Nahrungsbestandtheile angetroffen; da- gegen erscheint sein Lumen zuweilen ähnlich wie dasjenige des Hauptdarmes von einer spongiösen Masse ausgefüllt, die besonders in der Schnittfläche das Ansehen eines Pflanzenparenchymes darbietet.*) Ich habe bei Notomastus feststellen können, dass diese Obstruction der Darmlumina dadurch zu Stande kommt, dass sich successive proximale Theile der Epithelzellen abschnüren, Kugelform annehmen, mit Membranen bedecken und innig aneinanderlegen. Indem weiterhin die Substanz dieser Kugeln resorbirt wird, respec- tive an deren Stelle ein wässeriges Fluidum tritt, entsteht schliesslich das in Schnitten so auffällige Ansehen eines aus homogenen Blättern aufgebauten (scheinbar leeren) Fachwerkes. *) Dieses Verhalten erinnert an die so auffällige Thatsache, dass der ursprünglich mit einem Lumen aus- gerüstete Oesophagus (und Magen) der Fischembryonen im Laufe seiner fortschreitenden Entwickelung vollständig solide wird. Barrour (l. p. 346. Vol. II. e. p. 50 und 624) vermuthet allerdings, dass dieser Prozess mit dem einstigen Vorhandensein von Kiemenspalten zusammenhänge. III. Darmkanal. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 437 Ich habe schliesslich noch der regressiven Metamorphose zu gedenken, von welcher der Darmkanal einer Capitellidenart, nämlich von Notomastus lineatus, im geschlechtsreifen Zustande ergriffen wird. Ausschliesslich am abdominalen 'Tractus, und zwar gleicherweise am Haupt- wie am Nebendarme spielen sich diese mit einer vollen Degeneration endigenden Vor- gänge ab. Imaugurirt werden letztere derart, dass sich einzelne Partien der Kanäle unter entsprechender Verdünnung ihrer Wandungen bedeutend verlängern, und dass sich die Gewebs- elemente, insbesondere diejenigen des Epithels, unter starker Kernwucherung neu gruppiren. Die ursprünglichen Darmzellen vereinigen sich nämlich, unter gleichzeitiger Diffusion des grössten Theiles ihrer Substanz in das Darmlumen, zu 20—40 x grossen, homogenen Blasen, welche in voller Ausbildung nur noch schwer ihren Ursprung offenbaren. Weiterhin diffundirt auch der Inhalt dieser Blasen, ihre Umrisse werden undeutlich und schliesslich erscheint an Stelle der früheren, compacten, drüsigen Schleimhaut eine diaphane, zerreissliche, kaum 2 dicke Membran. Da sich diese Metamorphosen lediglich an der einen Capitellidenart abspielen, so ver- weise ich auf die ausführliche im ersten "Theile dieser Monographie gegebene Beschreibung derselben und erinnere hier nur noch daran, dass alle dort erwähnten degenerativen Vorgänge in letzter Instanz durch die Art, wie COlistomastus seine Geschlechtsproducte entleert, bedingt zu werden scheinen. Bei letzterer Form kommen nämlich Eier und Sperma nicht wie bei den übrigen Capitelliden durch Genitalschläuche, sondern durch Abreissen der geschlechts- reifen Abdomina, respective durch Abreissen von Portionen solcher, zur Ablage. Wahrscheinlich gaben die — in Ermangelung natürlicher Ausfuhrkanäle — sich im Abdomen so massenhaft anhäufenden Geschlechtsproducte Veranlassung zur allmählichen Degeneration seiner Organe und die eingetretene Degeneration ihrerseits hat wohl zur Gewohnheit der Thiere geführt, im Interesse der Erhaltung ihres regenerationsfähigen Vorderleibes den der Necrose verfallenen, nur noch als Behälter der Fortpflanzungskörper dienenden Hinterleib abzuschnüren. Ein speciell im Dienste dieser Abschnürung stehendes Organ glaubte ich in dem bei Clistomastus so abweichend von allen anderen Gattungen sich verhaltenden Dissepimente des letzten Thorax- segmentes erkennen zu dürfen. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. Es sollen hier nur einige der interessanteren Organisationsverhältnisse des vorigen Ab- schnittes zur Sprache kommen, nämlich: der Nebendarm, die Iymphatischen Zelldivertikel, der Darmsinus und die Histolyse des Chstomastus-Darmes. Beginnen wir mit letzterer, das heisst mit der Frage, in wieweit von anderen Anneliden dieser Darm-Histolyse vergleichbare Vorgänge bekannt geworden sind. CLAPAREDE') weist in seiner Beschreibung der Geschlechtsorgane von Polyophthalmus Delsspnorzer pe 21. 438 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. darauf hin, wie die Leibeshöhle zur Zeit der Geschlechtsreife durch Ansammlung von Eiern oder Samen in so hohem Grade ausgefüllt werde, dass der betreffende Abschnitt des Darm- kanales zu einem dünnen Faden zusammengedrückt erscheine. Die folgenden Bearbeiter dieser Thiergattung Meyer!) und Lxssona?) haben zwar diese Verhältnisse nicht beachtet, jedoch constatirte letzterer, wenigstens für die Q', das Vorkommen von drei Paar Sexualporen, so dass an eine Ablage der Keimstoffe nach Clistomastus-Art kaum gedacht werden kann. Ein ganz ähnliches Verhalten bietet nach Crarar£peE®) der Magendarm bei den geschlechts- reifen 9 von Paedophylaw claviger; aber auch bei dieser Annelide wird das Vorhandensein von Ausfuhrkanälen besondeıs hervorgehoben. Endlich machte CrararepE') auch noch eine entsprechende Beobachtung an Nereis, und zwar an der heteronereiden Generation; er sagt: »La plupart des Heteronereides, ne prenant aucune nourriture, ont lintestin comprime par les el&ments sexuels et reduit a un 6troit ruban, dilat@ pourtant aux points d’insertion des dissepiments.« Ueber den Ablagemodus der Keimprodukte bei diesen 'Thieren scheint aber Nichts bekannt zu sein. Wenn auch die im Vorstehenden citirten Fälle vorläufig noch keine Feststellung ihrer Beziehungen zu den bei Olistomastus auftretenden Degenerations-Erscheinungen gestatten, so habe ich doch aus dem Grunde auf sie hingewiesen, weil sich bei ihnen immerhin verwandte Pro- zesse abspielen könnten, auf die bei künftigen Untersuchungen der betreffenden T'hiere zu achten wäre. In hohem Grade scheint dagegen mit Notomastus lineatus folgendes durch EHLers’) von Glycera capitata beschriebene Verhalten übereinzustimmen. »An drei weiblichen Thieren der @Z. capitata (Örd) beobachtete ich einen eigenthümlichen Einfluss, den die grosse Anhäufung von Eiern auf den Körper des T'hieres ausübt. Die Leibeshöhle war auf's Aeusserste von Eiern gefüllt, welche theils in grösseren Packeten zusammen, theils locker, aber auf’s Dich- teste neben einander lagen. Dazwischen fanden sich kürzere oder längere strangartige Gebilde von schwarzer Färbung, die aus einem feinkörnigen, scheinbar im Zerfall begriffenen Gewebe bestanden. Diese Massen hatten offenbar einen nicht unbeträchtlichen Druck auf die Wandung des Körpers und Darmes ausgeübt und dadurch in der Musculatur dieser Theile eine Atrophie hervorgerufen, durch welche diese in auffallend- stem Grade verringert war. Die longitudinalen Muskelbänder der Körperwand waren zu feinen Platten verschmächtigt, welche leicht zu bandartigen Strängen auseinanderfielen, die Körperwand war in Folge dessen ringsum gleichmässig dünn und fast durchsichtig; der Bauchstrang des Nervensystems, welcher sonst bei der Ansicht von der inneren Fläche her verdeckt ist, lag offen vor. Noch beträchtlicher war der Einfluss auf die Wand des Darmrohres: dieses war zu einem feinen, äusserst leicht zerreissbaren Strange zusammen- geschrumpft, welcher wie eine Längsaxe durch die Kiermassen lief. Die Musculatur des Rüssels, und am auffallendsten die so starke Wandung des Kieferträgers und der Kieferwülste war völlig dünnhäutig geworden und nach aussen schienen als eine schwarze Conceretion die Kiefer durch, welche ganz eng ineinander ge- schoben waren. Der ganze Zustand des Darmrohres deutete darauf hin, dass während dieser Zeit der Nele: 310. c. 2) Lessona, M. Sull’Anatomia dei Polioftalmi. Estr. Mem. Accad. Torino (2) Tomo 35. 1883. p. 18. 3, laps sep 212: t) 1. p., 335» cp. 56. d) 1. p. 302.0. p- 69%. II. Darmkanal. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 439 © höchsten geschlechtlichen Entwickelung die Nahrungsaufnahme unterbrochen sei. In diesem Falle erleidet also das Thier in seinem ganzen Körper die Vorgänge, welche bei den Syllideen nur in den hinteren selb- ständig werdenden Segmenten erfolgen oder bei den epitoken Nereis-Arten die Umgestaltung des Körpers hervorrufen; die Anhäufung der Eiermassen wirkt aber bei G/ycera atrophisch, während sie in jenen Fällen zu Neubildungen anregt.« Es ist um so wahrscheinlicher, dass die Ablage der Keimstoffe bei dieser Annelide in derselben Weise wie bei Clistomastus vor sich geht und demgemäss die Degeneration der Ge- webe durch ebendiese Evacuationsweise bedingt werde, als Genitalporen, respective Genital- schläuche oder so fungirende Nephridien Glycera ebenfalls abzugehen scheinen. Aber auch in diesem Falle bedarf es weiterer, speciell auf diesen Punkt gerichteter Untersuchungen, bevor ein endgültiges Urtheil abgegeben werden kann. Dass die in dem Magendarme von Mastobranchus stellenweise auftretenden Hohlräume morphologisch dem Blutsinus anderer Anneliden (Serpuliden, Terebelliden, Cirratuliden, Chae- topteriden, Ammochariden) vergleichbar seien, wird durch die ganz übereinstimmende Lage des letzteren erwiesen. ÜLAPAREDE'), dem wir die ausführlichsten Mittheilungen über diesen Gegenstand verdanken, verlegt nämlich den Sinus ganz allgemein zwischen die zwei Muskel- schichten des Darmes, also zwischen dieselben Strata, welche auch den rudimentären Sinus von Mastobranchus begrenzen. Ich habe schon im vorigen Abschnitte erwähnt, wie die Thatsache, dass dieser blutführende Hohlraum gerade zwischen die zwei Muskellager zu liegen kommt, möglicherweise zu einer Versöhnung meines Befundes entodermaler Epithel- muskelzellen mit den Angaben über mesodermale Entstehung der Darmmuskulatur führen könne, unter der Voraussetzung nämlich, dass die äussere Muskellage (also die dem Peri- toneum anliegende) aus dem Darmfaserblatte, die innere (also die dem Darme anliegende) dagegen aus dem Entoderme stamme. Zu Gunsten dieser Auffassung spricht aber, dass E. Me£yer’s?) Beobachtungen zufolge der Sinus embryonal nicht etwa durch nachträgliche Abspaltung der bereits mit dem FEntoderme verschmolzenen Splanchnopleure zu Stande kommt, sondern umgekehrt durch die von Anfang an nicht eintretende Verschmelzung der beiden Blätter. Als Schwierigkeit macht sich nur geltend, dass, demselben Autor zufolge, schon vor der Sinusbildung einzelne Mesoderm- oder Mesenchymzellen sich den entsprechenden Entodermpartien anlagern und somit den Einwand zulassen, dass aus ihnen die fragliche Muskellage hervorgehen könnte. Ich glaube aber, dass die betreffenden Mesodermelemente vielmehr das Material für die zwischen den beiden Sinuswandungen ausgespannten (wahr- scheinlich contractilen) Faserzellen’) liefern. Für die meisten Anneliden wird angegeben, dass von den zwei Schichten der Darm- muskulatur die innere (dem Epithel zunächst liegende) aus Ring- und die äussere aus Längs- = fasern bestehe. Bei den Capitelliden nun, speciell bei Mastobranchus, an deren Intestinum sich ja, dank den sinusähnlichen Spalträumen, allein die beiden Faserlagen scharf unterscheiden 1) 1. p. 308. (Rech. ’Annel. Sed.) ce. p. 101. 2)NL. pP. 856.0. 3) Vergl. CLararkor, 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) c. p. 101. Taf. 7. Fig. 8 und 9a. 440 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. lassen, herrscht gerade die umgekehrte Anordnung; es liegen nämlich die Längsfasern dem Epithel und die Ringfasern dem Peritoneum an. Ich vermuthete anfangs, dass diese Ab- weichung von der Regel mit der epithelialen Entwickelungsweise der inneren Faserschicht zusammenhängen könnte, fand aber sodann, dass auch CLArArEpE') schon einen ähnlichen Fall bei Mywicola infundibulum vegistrirt hat, so dass jene wohl etwas traditionell angenommene »Regel« kaum mehr zu Recht bestehen kann. Die im vorigen Abschnitte bezüglich ihres Verhaltens bei den verschiedenen Capitelliden besprochenen Iymphatischen Zelldivertikel müssen Jeden, der mit der Organisation der Anneliden vertraut ist, an die sogenannten Chloragogen- oder Leberzellen der Oligochaeten erinnern. Für mich war diese Reminiscenz um so bedeutsamer, als ich, wie im systematischen Theile dieser Monographie dargelegt werden soll, die Capitelliden mit den Oligochaeten für nahe verwandt halte. Aber, wie gross auch auf den ersten Blick hin die Achnlichkeit zwischen einem durch’ die Chloragogenzellenregion von Lumbriceus geführten Querschnitte einer- und einem solchen durch die Zelldivertikelregion von Dasybranchus andererseits erscheinen möge, so führt doch die strengere Prüfung des Sachverhaltes zum Resultate, dass jene Ueberein- stimmung lediglich auf unwesentlichen Habituscoineidenzen beruht. Denn, erstens sitzen die Chloragogenzellen stets der äussersten Darmschicht, dem Peritoneum, auf, ohne jemals durch diese Schicht hindurch mit dem Darmepithel in Verbindung zu treten; zweitens trifft man diese Zellen immer im Besitze von Kernen, und Nichts spricht für deren fragmentarische, ephemere Natur; drittens enthalten sie vorwiegend gefärbte, an Excretstoffe erinnernde Elemente, und viertens endlich werden mit den Chloragogenzellen ganz identische Gebilde auch an den Wandungen der verschiedenen Blutgefässe angetroffen. Auch die Ansichten, welche sich allmählich über die Function der Chloragogenzellen herausgebildet haben, sprechen, wie aus dem Folgenden hervorgeht, durchaus gegen ihren Vergleich mit den lymphatischen Zelldivertikeln. Mit dem Bekanntwerden der Chloragogenzellen*) haben sich bezüglich ihrer Bedeutung zwei Auffassungen geltend gemacht; der einen zufolge sollten sie die Rolle einer Leber spielen (daher der synonym gebrauchte Terminus »Leberzellen«), der anderen zufolge — und diese legte das Hauptgewicht auf deren gleichzeitiges Vorkommen an den Blutgefässen — sollten sie dazu bestimmt sein, verbrauchte Stoffe aus dem Blute aufzunehmen und fortzuschaffen, also einer excretorischen Function dienen. Letztere Auffassung hat sich, insbesondere seitdem auch noch die innigen Beziehungen zwischen Chloragogen- und Peritonealzellen, respective die gleicherweise mesodermale Entstehung beider, hinzugekommen waren, immer mehr be- festigt und man kann sagen, dass sie durch die Ergebnisse einer der letzten über diesen Gegenstand veröffentlichten Untersuchungen, nämlich diejenigen KükexrHar's? vollends ent- schieden wurde. Letzterem Forscher zufolge sind die Chloragogenzellen überhaupt gar keine i) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) e. p. 100. 2) KürentmaL, W. Ueber die lymphoiden Zellen der Anneliden. Jena. Zeit. Naturw. 18. Bd. 1885. *) Da in zwei neueren Publicationen, nämlich in Vrspovsky's öfter erwähnter Lumbrieiden -Monographie (l- p- 236. e. p. 110) und in der im Vorstehenden eitirten Abhandlung KürkEntHars (p. 343) die die Chloragogen- III. Darmkanal. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 441 integrirenden Bestandtheile des Darmes, sondern stammen vielmehr aus der Lymphe. Lym- phoide Zellen befestigen sich an den Blutgefässwandungen (und zwar sowohl an frei liegenden als an intestinalen Gefässen) und werden durch Aufnahme gelbbrauner, excretorischer Körper- chen zu sogenannten Chloragogenzellen. Letztere lösen sich sodann wieder los, schwimmen eine Zeit lang in der Leibestlüssigkeit umher und zerfallen schliesslich in einen schwärzlichen Detritus.. Da sich nun bisweilen ganz ähnlicher Detritus in den Nephridien vorfindet, so ver- muthet KÜkEnTHat, dass eben diese Organe die Ausfuhr der Chloragogenzellen-Excrete besorgen. Wie man aus des genannten Autors eigener historischer Uebersicht ersehen kann, harmonirt das von ihm für den Lebensgang der Chloragogenzellen entworfene Bild, was die Function und das endgültige Schicksal dieser Zellen betrifft, sehr wohl mit dem durch seine Vorgänger Fest- gestellten. Leypıs und Crararepe hatten gleicherweise die innigen Beziehungen zwischen Chloragogenzellen und Blutgefässen, sowie auch die offenbare Aufgabe ersterer, Excrete aus dem Blute fortzuschaffen, betont, und 'Iımam hatte ebenso wie Kürentmar das Loslösen der Chlora- gogenzellen beobachtet, sowie auch die Ausfuhr ihres Excretes durch die Nephridien vermuthet. Bezüglich des Ursprunges der Chloragogenzellen wird aber die Küxextuarsche Darstellung auf's kräftigste durch das Verhalten der Capitelliden gestützt, indem sich, wie wir gesehen haben, die Hämolymphe einzelner Arten in ungeahntem Grade an der excretorischen 'Thätig- keit zu betheiligen vermag. Seitdem ich!) das Vorhandensein eines Nebendarmes bei Capitelliden nachgewiesen habe, ist ein solches Organ nur noch bei Angehörigen Einer anderen Annelidenfamilie bekannt geworden *). SPENGEL?) hat zunächst bei Oligognathus, sodann aber auch bei anderen Euniciden einen dem Darme neural anhaftenden Kanal entdeckt, der in seinem Aufbaue, abgesehen von dem Mangel einer Muscularis, ganz mit demjenigen des Darmes selbst übereinstimmt. Eine Mündung dieses Kanales in den Hauptdarm konnte SrPENGEL nur vorne feststellen und hier ist dieselbe, anstatt wie bei den Capitelliden an der Uebergangsstelle des Oesophagus in den Magen- darm, beträchtlich weiter dem Kopfe zu, nämlich an der Vordergrenze des Kiefersackes ge- legen. Eine hintere Einmündung vermochte jener Autor überhaupt nicht aufzufinden, indem sowohl bei Oligognathus, als auch bei Halla der Kanal blind zu endigen scheint. Trotz dieser Differenzen kann aber, wie ich mich durch eigene Beobachtungen zu überzeugen vermochte, nicht der mindeste Zweifel darüber herrschen, dass der fragliche Kanal der Euniciden einen Nebendarm vorstellt, um so weniger, nachdem inzwischen durch KLEiwexger@®) an Larven derselben Familie das Vorhandensein einer vorderen und einer hinteren Mündung des Nebendarmes constatirt wurde. zellen betreffende Literatur ziemlich vollständig aufgeführt ist, so habe ich mich im Hinblicke darauf beschränkt, die zwei sich gegenüberstehenden Auffassungen summarisch wiederzugeben. 1) Eısıc, H. Der Nebendarm der Capitelliden und seine Homologa. Z. Anzeiger Jahrg. 1578. p. 148. 2) Ep31 08 c: > 25. 3).1. p. 303. ce. p. 222. *) Ob der von Nıcoras Wasser (Die Wirbellosen des weissen Meeres etc. Leipzig 1885 p. 55) an Stauro- cephalus endeckte Kanal, welcher eine zweite Communication zwischen Oesophagus und Magendarm herstellt, in morphologischem Sinne als Nebendarm aufgefasst werden kann, bedarf erst noch des Nachweises. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 56 442 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Was nun die so auffällige Thatsache betrifft, dass der Nebendarm, der, wenigstens bei den Capitelliden, selbst heute noch eine nicht unbedeutende physiologische Rolle zu spielen scheint, lediglich in zwei von den zahlreichen Annelidenfamilien bis jetzt nachgewiesen werden konnte, so gebe ich Folgendes zu bedenken: Stellt der Nebendarm ein Abschnürungsproduct der neuralen Darmrinne dar, wofür Alles spricht, dann fehlt auch denjenigen Anneliden, die eines Nebendarmes entbehren, die homologe Bildung nicht; wir haben nämlich bei diesen Anne- liden die genannte Rinne als nicht zur Abspaltung gelangten Nebendarm zu betrachten. Dass die Selbständigkeit des letzteren Organes sehr verschiedene Grade erreichen kann, hat sich ja auch schon im Kreise der Capitelliden offenbart, indem bei einzelnen ihrer Gattungen Haupt- und Nebendarm weit voneinander abgerückt, bei anderen dagegen innig miteinander ver- schmolzen erscheinen. Im letzteren Falle fanden wir die die beiden Kanäle voneinander trennende Scheidewand überdies so stark verdünnt, dass sie in Folge eines leichten Zuges schon einzureissen pflegte. Wie dem aber auch sein mag: schon durch sein Vorkommen in zwei so weit von- einander abstehenden Familien wie Capitelliden und Euniciden bekundet der Nebendarm, dass in ihm ein dem Annelidentypus inhärentes Organ vorliegt, und zu demselben Schlusse werden wir auch auf Grund viel ausgedehnterer morphologischer Relationen gedrängt, nämlich auf Grund der Erkenntniss, dass Homologa des Nebendarmes auch noch in anderen Thierclassen vorhanden sind. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. Allein der Nebendarm wird uns in diesem Abschnitte beschäftigen. In der bereits erwähnten Publication‘) habe ich dieses Organ, was die Wirbellosen betrifft, mit ähnlichen Darmadnexen gewisser Echinodermen und Gephyreen verglichen und constatirt, wie durch solch gemeinsamen Besitz ein neues Bindeglied zwischen diesen ohnedies schon so vielfach verwandten Gruppen hergestellt sei. Seitdem sind durch mehrere eingehen- dere Arbeiten unsere Kenntnisse über den Nebendarm sowohl bei Echinodermen, als auch bei Gephyreen bedeutend gefördert worden; ich kann mir aber das Referat hierüber ersparen, da in einer kürzlich erschienenen Publication von Enrters?) (auf die weiterhin noch zurückzu- kommen sein wird) alle bezüglichen Angaben mitgetheilt worden sind. Nur das möchte ich hervorheben, dass die fortgeschrittenen Einsichten in die Verhältnisse des Nebendarmes bei Echinodermen und Gephyreen einer- sowie bei Anneliden andererseits die Homologie dieser ihrer Darmanhänge immer mehr zu befestigen geeignet sind. Es sei in der Hinsicht insbe- Ua ziehe a 1 2) Enters, E. Nebendarm und Chorda dorsalis. Nachr. Ges. Wiss. Göttingen. Nr. 12. 1885. p. 390. III. Darmkanal. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. 443 sondere auf die T'hatsache hingewiesen, dass bei den Capitelliden derjenigen Strecke des Hauptdarmes entlang, welche mit dem Nebendarme ausgerüstet ist, ein median-neuraler Epitheleinschnitt verläuft. Gestützt auf diese T'hatsache kann nämlich die nach Spexser ') den Nebendarm auf seiner ganzen Länge begleitende Wimperrinne von Echiurus aller Wahr- scheinlichkeit nach als ähnlicher, nur weiter ausgebildeter Epitheleinschnitt aufgefasst und so die typische Continuitätsbeziehung zwischen genuiner Hinter- oder Vorderarmrinne einer- sowie Nebendarm andererseits, respective die Möglichkeit der Herleitung des letzteren aus der primären Magendarmrinne aufrecht erhalten werden. Von nicht geringer Bedeutung ist das Vorkommen eines allem Anscheine nach dem Nebendarme vergleichbaren Gebildes bei Balanoglossus, und da Enrers die be- treffenden Angaben nicht mehr berücksichtigen konnte, so möge dies hier nachgeholt werden. Nach Bareson’) kommt an der neuralen Region des Pharynx von Balanoglossus ein allmählich nach hinten wanderndes Rohr zur Abschnürung. Dieses Rohr bleibt zeitlebens mit dem Darme in Communication und zu ihm gesellt sich noch ein Divertikel der davor gelegenen Pharynxwandungen. Früher schon obliterirt das Lumen dieses hypodermalen Rohres, indem das Gewebe seiner Wandungen vacuolisirt wird und schliesslich der »für die Chorda- substanz charakteristischen Degeneration« unterliegt. Baresox bezeichnet denn auch die frag- liche Bildung schlechtweg als Chorda dorsalis. Ja, anstatt dass genannter Autor zur Legi- timation und Stütze seiner versuchten Homologie auf die auch durch Enters erwogene Homo- logie von Nebendarm und Chorda recurrirte und sich einstweilen beschied, den hypodermalen Anhang von Balanoglossus mit in das Schicksal des Nebendarmes anderer Wirbellosen zu ver- flechten, umgeht er diese Schwierigkeit, indem er das, was bewiesen werden soll, für bewiesen annimmt, das heisst, indem er mit kühnem Ruck Balanoglossus um 180° dreht. Nachdem Bareson auf so einfachem Wege den Balanoglossus zum Wirbelthiere zurecht gedreht, sieht er natürlich mitleidig auf alle jene Versuche herab, welche darauf hinausliefen, für die Chorda dorsalis bei Wirbellosen Anknüpfungspunkte zu finden: »for it is impossible«, sagt er’), »to take seriously such suggestions as, for example, that the notochord may be compared to generally, the sacs (?) of the Capitellidae, the siphons of any of various Invertebrates, the giant fibres of Earthworms, or the crystalline style of Antedon.« Warum es unmöglich ist, solche Versuche ernsthaft zu nehmen, sagt uns freilich Bareson nicht. Vielleicht ist der Grund in nachfolgendem Satze '; enthalten: »On the hypothesis of Annelid descent the facts of the morphology of the notochord are inexpli- cable; for, seeing, that no homologue of the notochord exists among Annelids, on the theory that Vertebrates are their descendants, the notochord must have arısen subsequently to that segmentation, to account for which the Annelid ancestor is postulated. If this were so the notochord by every rule of phylogenetic 1) SPENGEL, J. W. Beiträge zur Kenntniss der Gephyreen. Zeit. Wiss. Z. 34. Bd. p. 493. 2) Bareson, W. The later Stages in the Development of Balanoglossıs Kowalevskii ete. @. Journ. Micer. Sc. (2) Vol. 25. 1885. p. 94. 99 und 112. 3) The Ancestry of the Chordata. Q. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 26. 1886. p. 537. 4) l. p. 443 (Ancestry Chordata) c. p. 550. 56* 444 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. interpretation, might be expected to arise late in development, and to exhibit marked segmentation, instead of which it is almost the earliest organ formed, and is absolutely unsegmented.« Baresox scheint sich der hiermit ausgedrückten »Petitio prineipii« ebensowenig wie der vorhergehenden bewusst geworden zu sein. Zuerst wird der ausführlich begründete Versuch, die Chorda aus dem Nebendarme der Anneliden etc., also aus einem ursprünglich unsegmen- tirten Organe der Wirbellosen herzuleiten, als »impossible to take seriously« bei Seite ge- schoben, respective es wird behauptet, dass kein Homologon der Chorda bei Anneliden existire, und auf Grund dieser unbewiesenen Behauptung wird sodann dedueirt: da bei den Anneliden kein Homologon der Chorda existirt, so müsste letztere, wenn die Vertebraten als Desendenten der Anneliden entstanden wären, nach jener Segmentirung aufgetreten sein, zur Erklärung welcher, unserem Autor zufolge, die Annelidenabstammung postulirt wird! Dass Baresox gerade die Chorda, also gerade dasjenige Organ, für welches schon bei den Anneliden ein unsegmentirtes Homologon im Nebendarme aufgestellt worden war, in die Nothlage versetzte, sie müsste segmentirt sein, wenn sie von den Anneliden abstammte, wird weniger auffallend erscheinen, wenn wir bedenken, dass sein ganzes Bestreben dem Beweise gilt, dass die Vertebraten keinen segmentirten Vorfahren nothwendig hatten, indem Balano- glossus (ein unsegmentirtes T'hier nach Barzsox) für diese Stammvaterrolle allein die nöthigen Garantien biete. Die Praxis dieses Autors, Alles was am Wirbelthiere segmentirt ist als secun- däre Wiederholungen ursprünglich einheitlicher Bildungen plausibel zu machen, und anderer- seits Alles was nicht segmentirt ist als Beweise gegen die Abstammung von gegliederten Formen zu verwerthen, möge aber der Leser aus dem Originale ersehen, indem ich es hier nur mit der Chorda, respective dem Nebendarme zu thun habe. 1\ Der Weisheit letzter Schluss gipfelt nun aber in dem Satze') Bareson’s: »All that can be said is that the notochord of Balanoglossus suggests, that it arose as a supporting structure and not as a modification of something else.« Also die Chorda dorsalis der Wirbelthiere ist nicht etwa aus einem ursprünglich anders fungirenden Organe eines Wirbellosen in Folge allmählichen Functionswechsels entstanden, sondern sie entsprang angesichts des (plötzlich eingetretenen?) Bedürfnisses nach einer »supporting structure« fix und fertig dem Blute des Balanoglossus etwa so wie Pegasus demjenigen der Medusa. Angesichts solchen dem Causalgesetze entrückten Geschehens darf man ja nicht nach dem »Wie« fragen und auch ich will nicht nur alle indiscrete Wissbegierde unterdrücken, sondern überdies unseren Autor auch noch vor dem Verdachte schützen, als ob sich sein zuletzt eitirter Satz etwa gegen den Vergleich von Chorda und Nebendarm gerichtet haben könnte; weiss man ja doch schon: »it is impossible to take seriously such suggestions«. Jener Satz betrifft vielmehr die von HüuBrREcHT vertretene Homologie zwischen der Chorda dorsalis der Vertebraten einer- und der Scheide des Nemer- tinenrüssels andererseits. Wir anderen haben aber wenigstens den Trost, nun zu wissen, welcherlei Natur die Vergleiche zu sein haben, damit sie Baresox wenigstens einer Wider- l) 1. p. 443 (Ancestry Chordata) c. p. 565. III. Darmkanal. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. 445 legung für werth hält, das heisst, nachdem er uns mitgetheilt hat »what is impossible to take seriously« wissen wir nun auch »what is possible to take seriously«. Sonderbar nur, dass mir gerade da ernsthaft zu Muthe bleibt, wo Bareson den Ernst vermisst und — natürlich auch umgekehrt. In der mehrfach erwähnten Publication über den Nebendarm habe ich letzteren mit dem subchordalen Strange der Vertebraten verglichen‘). Entscheidend für den Ver- gleich waren die Lagerungsverhältnisse dieses Stranges sowie seine Beziehungen zum Darm- kanale. Wenn man einmal den hypochordalen Strang in’s Auge gefasst hatte, so lag es im strengsten Sinne des Wortes »nahe«, auch an die Chorda zu denken, und ich darf wohl ohne missverstanden zu werden hervorheben, dass ich auch die Vergleichbarkeit letzterer wohl er- wogen hatte. Zwei Schwierigkeiten standen aber solchem Vergleiche (abgesehen von der grösseren Uebereinstimmung der Lagerungsverhältnisse zwischen subchordalem Strange und Nebendarme) zu jener Zeit im Wege: erstens die (im Jahre 1578) durchaus noch nicht all- gemein anerkannte hypodermale Entstehung der Chorda und sodann die vielfach angenommene Vergleichbarkeit letzterer mit den sogenannten riesigen Fasern oder Neurochorden der Anne- liden. Beide Schwierigkeiten können jetzt als beseitigt gelten; denn wie in dieser Mono- graphie endgültig bewiesen wird, stellen die Anneliden-Neurochorde lediglich Scheiden dege- nerirter Nervenfasern dar und an der hypodermalen Abstammung der Wirbelthierchorda ist nicht weiter zu zweifeln. In Folge dessen bin ich denn auch mehr als früher geneigt, mich der Auffassung von EHLers anzuschliessen, der inzwischen den Vergleich zwischen Nebendarm und Chorda dorsalis durchgeführt hat. Freilich sinkt damit der hypochordale Strang aufs Neue in sein räthselhaftes Dunkel zurück; denn ob Erters in seiner Vermuthung?): »dieser Strang möge zur Chorda und zum Darme die morphologischen Beziehungen haben, welche die Flimmerrinne des Darmes von Echiurus zu diesem und zum Nebendarme besitzt, das Richtige trifft, ob sein weiterer Satz: »die Bildung der Chorda löst gleichsam aus dem Darme einen zweiten Bestandtheil, der Flimmerrinne vergleichbar, heraus, der bald völlig verschwindet« wirklich die Bedeutung jenes Stranges erschöpfend würdigt, muss ja erst an der Hand ein- gehender, speciell bei Vertebraten anzustellender Untersuchungen erwiesen werden. Nicht wenig Ausschlag gebend für meine Anerkennung der Homologie zwischen Nebendarm und Chorda war die Art, wie sich letztere nach Harscher’s Beschreibung bei Amphiowus entwickelt; hier könnte man gewisse Stadien des Organes wahrlich ebensogut »Nebendarm« als »Chorda« nennen und ähnlich überzeugend sind die, insbesondere durch Hormann bekannt gewordenen Verhältnisse bei gewissen Reptilien. Aber dies, sowie über- haupt Alles, was auf Grund der bis heute erlangten Resultate aus dem Gebiete der Morpho- logie und Entwickelungsgeschichte für und wider die Homologie der beiderseitigen Organe vorgebracht werden kann, hat Enters schon zur Discussion gebracht, und indem ich in dieser NET PRAAL. cp. 149. 2) Ip. Aa2r Te.ip., 403: 446 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Hinsicht auf des genannten Autors Abhandlung verweise, beschränke ich mich darauf, hier das Problem von einem anderen Gesichtspunkte aus zu behandeln, nämlich von dem in der Frage ausgedrückten, wie man sich die Verwandlung des Nebendarmes in eine Chorda vorstellen könne. Grundbedingung einer solchen Erörterung ist die Kenntniss der Function des Neben- darmes. Wersich mit den den Darmkanal der verschiedenen Capitelliden-Gattungen behandelnden Kapiteln des ersten 'Theiles vertraut gemacht hat, weiss, dass ich durch die zwischen den Darmrinnen und dem Nebendarme waltenden Beziehungen, insbesondere durch die für die Hinterdarmrinne constatirte Wassereinfuhr dazu gekommen bin, in dem Nebendarme ein im Dienste der Respirationsthätigkeit entstandenes Organ zu erblicken. Als bekannt und aner- kannt muss gelten, dass der Annelidendarm sich derart äusserst wirksam an der Respirations- thätigkeit zu betheiligen vermag, dass ein Wasserstrom seine reichlich mit Blutgefässen ver- sorgten (oder von der Hämolymphe umspülten) Wandungen durchströmt. Im Anschlusse an das Bedürfniss, diesen Strom auch dann zu unterhalten, wenn der Tractus zeit- und stellen- weise von Speisen angefüllt ist, denke ich mir zunächst die neurale Wimperrinne entstanden, durch deren mehr oder weniger vollständigen Abschluss gegen den verdauenden Magendarm die Bildung eines exclusiv respiratorischen Tractusabschnittes eingeleitet war. Im weiteren Verlaufe dieser so angebahnten Differenzirung kam es zur vollständigen Abschnürung der neu- ralen Rinne, so dass nun ein besonderes (nur hinten und vorn in den Darm mündendes) Rohr, der Nebendarm, zur eventuellen Fortleitung des respiratorischen Wasserstromes geschaffen war. Keine Function des 'Thierleibes ist so wenig conservativ, wie die respiratorische. Sie tritt scheinbar unvermittelt an einem Punkte auf, um ebenso wieder zu verschwinden; rück- sichtslos bemächtigt sie sich, insofern ihr nur Gelegenheit geboten wird, der heterogensten Organe und Körperstellen, immer flüssig und bereit dahin zu folgen, wo der belebende Sauer- stoff ein plus verspricht. Diese proteusartige Disposition, für die sich allein aus dem Kreise der Anneliden schon überaus zahlreiche Beispiele anführen liessen, ist nun unter Umständen nicht wenig verwirrend für den Morphologen. Viele haben sich zwar schon derart an die Sache gewöhnt, dass sie es durchaus nicht mehr auffallend finden zu lesen: das Genus A unter- scheidet sich von dem Genus B durch den »Besitz wohl entwickelter Kiemen«, und doch über- setze man diesen Passus einmal in das Gebiet gewisser Vertebraten, bei denen dieselben Organe, dank ihrer Gebanntheit in unangreitbare, fixe Organisationsverhältnisse, mit zu den zuverlässigsten systematischen Merkmalen zählen! Ich hielt diese Abschweifung für geboten, um die Willkür zu rechtfertigen, welche scheinbar darin gelegen ist, wenn ich in der Weiterentwickelung meiner vorhergehenden Erörterung, nachdem kaum die respiratorischen Bahnen reconstruirt, an deren Hand der Nebendarm sich ausbilden sollte, diese Bahnen ohne Weiteres auch wieder verküm- mern lasse. Ja, nachdem ein guter Theil des ursprünglichen Darm-Respirationsstromes in den Neben- darm verlegt war, kam es zu neuen Differenzirungen, welche damit endeten, dass bei den - II. Darmkanal. 3. Vergleich mit anderen Thierclassen. 447 meisten Formen auch letzterer wieder der Aufgabe, Athemwasser aus- und einzuführen, ent- hoben wurde. Bei den meisten Echinodermen, Anneliden und Gephyreen wurde wohl diese Ablösung durch eine erhöhte Wirksamkeit der Haut- sowie der specifischen Kiemen-Respi- ration vermittelt; bei den Urwirbelthieren dagegen fiel die Ausschaltung des Nebendarmes wahr- scheinlich mit der Concentrirung der Athemthätigkeit auf den vorderen Darmabschnitt zu- sammen. War aber einmal der Nebendarm seiner respiratorischen 'T'hätigkeit verlustig ge- gangen, so konnte sich zweierlei mit ihm ereignen: entweder er erlag der Rückbildung oder er wurde zu anderen Aufgaben herangezogen. Erstere Wendung vollzog sich bei den heu- tigen Echinodermen, Gephyreen und Anneliden; denn wir finden ja bei allen diesen Gruppen das Organ nur noch in einzelnen Fällen functionsfähig, meistens dagegen in rudi- mentärem Zustande oder ganz fehlend. Letztere Wendung vollzog sich bei den Wirbel- thieren, respective bei ihren annelidenartigen Vorfahren; denn aus dem Nebendarme wird die Chorda dorsalis. Wie aber aus dem Nebendarme eine Chorda dorsalis zu werden vermöge, das können wir am besten an der Hand des »Functionswechsel-Principes« verstehen. Man gebe nur zu, dass, wie die Haut, der Bauchstrang und der Hauptdarm, so auch der Nebendarm, unbeschadet seiner »respiratorischen« Hauptfunction, eine, wenn auch noch so unbeträchtliche »stützende« Nebenfunction von Anfang an ausgeübt habe (dass dies kein absurdes Postulat, beweist ja die vielfache derartige Inanspruchnahme genannter Organe; so hat beispielsweise der Bauchstrang häufig der mächtigen transversalen Muskulatur als Ansatzpunkt zu dienen), und lasse dann in dem Maasse als die ursprüngliche Hauptfunction zurücktritt, die ursprüngliche Nebenfunction an ihre Stelle treten. Man vergegenwärtige sich, wie dieser Umschwung ganz allmählich er- folgen kann, wie ferner Nichts im Wege steht, sich alle möglichen Uebergangsstufen vorzu- stellen, indem weder der Nebendarm »Chordafunction« noch die Chorda »Nebendarmfunction« ausschliesst. Sehen wir doch auch heute noch die Chorda zunächst als entodermales Rohr ‘oder Strang) entstehen, deren entodermale Zellen erst nachträglich die für die Chordasubstanz charakteristische Modification erfahren. Auf Grund dieser Auffassung können wir also, ohne die geringste Störung der Functions- Continuität zu postuliren, die Chorda von dem Nebendarme, den Nebendarm von der Wimper- rinne und letzteren endlich von einem der elementarsten Organe des 'T'hierkörpers, nämlich von dem Darmkanale ableiten. Und in solcher Ableitung, die Schritt für Schritt Rechenschaft über das »Wie«, respective über die physiologische Möglichkeit der Organ-Umwandlung zu geben vermag, sehe ich nicht etwa nur eine erwünschte Beigabe der embryologisch oder morphologisch angebahnten Homo- logie, sondern ich halte sie für ein unerlässliches Kriterium derselben. Andernfalls gerathen wir auf die Bahn jener Morphologie der Schnitte und Schemata, welche »rein« und »abstract« nach den sogenannten »Lagerungsverhältnissen« die Organe, gleich als ob es sich um absolute, weder zeitlich, noch örtlich bedingte Einheiten handelte, durcheinanderwirft oder voneinander ableitet, während wir es doch in Wahrheit stets mit integrirenden Theilen continuirlich lebens- 448 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. fähig vorzustellender Organismen zu thun haben. Oder, wir gerathen auf den allerdings viel weniger bedenklichen und zugleich sich durch die Einfachheit und Bequemlichkeit aus- zeichnenden anderen Abweg der »Neubildung«. Ein Satz wie der Barzsow’s: »All that can be said is that the notochord of Balanoglossus suggests that it arose as a supporting structure and not as a modification of something else« hätte nie erwogen, geschweige gedruckt werden können, wenn sich dessen Verfasser der Verpflichtung bewusst gewesen wäre, die physiolo- gische Möglichkeit eines solchen Vorganges nachweisen zu müssen. Wir können einsehen, wie in einem Darme, den zugleich Speisen und Respirationswasser passiren, allmählich für letzteres eine neurale Rinne zur Differenzirung gelangt, wir können verstehen, wie diese Rinne weiterhin zum Kanal abgeschnürt wird, es wird uns auch nichts Absurdes zugemuthet, wenn wir zugeben sollen, dass im allmählichen Wechsel seiner Function dieser Kanal das Lumen einbüsst, respective dass sich seine Zellen zu Chordasubstanz umwandeln. Unbegreiflich bleibt dagegen, wie diese Chorda, dieses mächtige, ontogenetisch so frühe auftretende Organ, aus sich selbst heraus, lediglich an der Hand des Bedürfnisses »zu stützen« hätte zu Stande kommen sollen, da sie doch erst dann zu stützen vermochte, nachdem sie (oder »something else« da war. Gegen die intestinale Abstammung der Chorda dorsalis ist ein Einwand geltend ge- macht worden, den ich noch kurz zur Sprache bringen will. CuxnınGHam') schrieb nämlich in diesem Betreffe Folgendes: »Now, the notochord in the course of evolution never could have arisen from the intestine, for this reason: the dorsal aorta of Vertebrates is homologous with the subintestinal vein of an Annelid, the blood in both flows the same way and the two have the same relations to the intestine. Therefore, if the noto- chord had been evolved from the wall of the intestine the aorta would in the Vertebrate have been on the dorsal side of the notochord, not, as it actually is, on its ventral side.« Dem gegenüber ist zu erwiedern, dass sich CunxinGHAm vor Allem in einem grossen Irrthume befindet, wenn er glaubt, dass das von ihm bei den Anneliden supponirte Verhalten des neuralen Gefässstammes als typisch festgestellt zu gelten habe. Vom Blutgefässsysteme dieser Thierclasse wissen wir nämlich noch sehr wenig. Und wie ungeeignet dieses Wenige ist, in Fragen wie der von CUNNnInGHAM erwogenen irgend Etwas entscheiden zu können, mag man daraus entnehmen, dass erst vor Kurzem die embryologisch längst beobachtete Doppel- anlage des Rückengefässes auch als in ausgewachsenen Anneliden fortbestehend erkannt wurde. * Ferner ist gerade bezüglich des hier im Vordergrunde stehenden Bauchgefässes zu erinnern, dass Fälle bekannt sind, in denen ausser dem unpaaren, zwischen Darm nnd Bauchstrange gelegenen Stamme noch ein seitliches Paar vorhanden ist, so bei dem mit einem Nebendarme 1) CunsinGHAam, J. The significance of Kuprrer’s Vesicle with remarks on other Questions of Vertebrate Morphology. @. Journ. Mier. Sc. (2) Vol. 25. 1885. p. 11. *) Man vergleiche: BEDDARD, F. Note on the paired dorsal Vessel of Certain Earthworms. Proc. Physic. Soc. Edinburgh Vol. 8. 1885. p. 424; ferner VEIDovsKY, F. 1. p. 236. c. p. 120. III. Darmkanal. 3. Vergleich mit anderen 'Thierclassen. 449 ausgerüsteten Oligognathus (nach SpenxGer') und bei Hesione (nach Eısıs?). Woher weiss CUNNINGHAM, dass es nicht diese paarigen neuralen Annelidengefässe sein könnten, welche den (embryonal doppelten) Aorten der Vertebraten entsprechen? Aber selbst für den Fall, dass man an der Verpflichtung, über das Schicksal des zwischen Darm und Bauchstrang gelegenen unpaaren Gefässstammes der Anneliden Rechenschaft geben zu müssen, festhalten wollte, so würde doch daraus niemals die von CuxnınGHam hergeleitete Schwierigkeit erwachsen können: emfach deshalb nicht, weil auch bei den Vertebraten ein Blutgefäss zwischen Chorda und Nerven- system eingeschaltet verläuft. Dieser Gefässstamm ist (gefälliger Mittheilung P. Mayer's zu- folge) die Art. spinalis media. 1) 1. p- B10.he.2p.) 47% Taf. 11! Fig. 38. 2) Eısıs, H. Ueber das Vorkommen eines schwimmblasenähnlichen Organs bei Anneliden. Mitth. Z. Stat. Neapel 2. Bd. 1880. p. 266. Su or Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. IV. Gentrales Nervensystem. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.”® a. Das Gehirn. Wie schon gelegentlich der Beschreibung des Notomastus-Nervensystemes hervorgehoben wurde, betrachte ich mit LeyvıG die oberen Schlunc ganglien, den Schlundring und die unteren Schlundganglien als Componenten des Gehirnes. Nachdem aber so diese hauptsächlich für morpho- logische Fragen allgemeinerer Natur in Betracht kommende Auffassung einmal anerkannt ist, glaube ich mich, ohne Missverständniss zu erregen, dem herrschenden Sprachgebrauche fügen zu können, demzufolge der Ausdruck Gehirn auf die oberen Schlundganglien beschränkt bleibt. Das Gehirn in diesem engeren Sinne zeigt bei den verschiedenen Gattungen unserer Familie überraschend grosse Schwankungen der Formverhältnisse; so grosse, dass wir, ohne die Blutsverwandtschaft der damit ausgerüsteten Träger zu kennen, sicherlich Organe weit vonein- ander abstehender Familien vor uns zu haben glauben würden. Das Verständniss dieser Divergenz wird nun aber dadurch erleichtert, dass die in ihren Extremen so unvermittelt dastehenden Gehirn- formen von Dasybranchus einer- und von Capitella andererseits, durch Notomastus, Mastobranchus und Heteromastus vermittelt werden, indem sich von Form zu Form in der genannten Reihen- folge eine immer weiter gehende Verschmelzung ursprünglich getrennter Theile erkennen lässt. Dass diese Reihenfolge in der 'That als eine absteigende, vom Complieirteren zum Ein- fachen, also von Dasybranchus zu Capitella gerichtete und nicht als eine umgekehrte betrachtet werden muss, ergiebt sich als Resultat der vergleichenden Anatomie aller Organsysteme. Das Dasybranchus-Gehirm, als complicirtestes, besteht aus drei Ganglienpaaren, nämlich aus einem vorderen, hinteren und seitlichen Paare. Alle diese Ganglien erfreuen sich einer grossen Selbständigkeit, indem sie nahezu ausschliesslich durch ihre centralen, das Material für die Schlundeommissuren liefernden Faserkerne zusammenhängen. Die mächtigste Aus- bildung zeigen die vorderen Ganglien oder Lappen (wie ich sie im Hinblicke auf ihre ge- ringere Selbständigkeit bei den übrigen Formen genannt habe), indem ihr Volum demjenigen «) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 54—70. 176—179. 212—217. 235—237 und 259— 260. IV. Centrales Nervensystem. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. a. Das Gehirn. 451 aller übrigen zusammen genommen gleich kommt. Aus diesen vorderen Ganglien entspringen zahlreiche nach dem Kopflappen zu gerichtete Nerven und in den zum Theil verschmolzenen Wurzeln letzterer liegt das Sehorgan in Form sogenannter Pigmentflecke eingebettet. Auch die hinteren und seitlichen Ganglien geben zahlreichen Nerven Ursprung, von denen die meisten zur Innervation der Wimperorgane dienen, einige dem Rüssel-Oesophagus zustreben und einige endlich hinsichtlich ihrer Bestimmung unbekannt blieben. Das durchschnittlich etwa halb so grosse Gehirn von Notomastus besteht nur aus zwei Paar annähernd gleich voluminöser Ganglien oder Lappen. Diese bringen zwar ebenfalls ihre Individualität noch zu scharfem Ausdrucke, aber Dasybranchus gegenüber doch insofern in geringerem Grade, als die einzelnen Lappen nicht nur durch die Faserkerne, sondern auch durch breite Zellbrücken in Zusammenhang stehen. Von jedem der vorderen Lappen ist durch eine tiefe, distal-seitlich verlaufende Furche ein kleiner Theil abgeschnürt, welchen ich als Träger der sogenannten Pigmentflecke Sehlappen genannt habe; ausserdem wurde noch ein unpaarer, median-neural gelegener Anhang als ventraler Lappen unterschieden. Auch die vorderen Lappen von Notomastus entsenden (abgesehen von den Sehlappen) alle ihre Nerven in den Kopflappen. Die hinteren Lappen erschöpfen sich nahezu in der Versorgung der Wimperorgane; nur wenige, schmächtige Nerven verlaufen dem visceralen Systeme zu gerichtet. Die Thatsache, dass diese hinteren Lappen eben so gross sind als die vorderen (bei Dasy- branchus dagegen hintere und seitliche zusammen erst den vorderen an Volum gleichkommen), legt den Schluss nahe, dass die hinteren Lappen von Notomastus den hinteren und seitlichen von Dasybranchus entsprechen, mit welcher Auffassung auch die Ueberein- stimmung der beiderseitigen Innervationsbahnen in gutem Einklange steht. Das Gehirn von Mastobranchus schliesst sich insofern enge demjenigen von Notomastus an, als sich ebenfalls zwei hintereinandergelegene, annähernd gleich grosse Lappenpaare er- kennen lassen, von denen die vorderen Augen und Kopflappen und die hinteren in erster Linie die Wimperorgane versorgen. Aber dieses Gehim bietet doch dadurch einen starken Habituscontrast dar, dass die Selbständigkeit seiner Ganglien gegenüber Notomastus stark ein- geschränkt erscheint. Nur ein tiefer vorderer und ein wenig einschneidender hinterer Spalt erinnern an die ursprüngliche (relative) Selbständigkeit der zwei Ganglienpaare in der Rich- tung der Längsaxe, und rechtwinklig auf diese Axe ist die einstige Trennung kaum noch durch schwache Furchen angedeutet. Bei Heteromastus kann von hintereinandergelegenen Lappen überhaupt nieht mehr die Rede sein, da die Verschmelzung der beiden Paare, parallel der Queraxe, vollkommen zur Durchführung gelangt ist; conform der Längsaxe dagegen kommt auch hier durch einen vor- deren und hinteren Spalt die bilaterale Symmetrie noch zum Ausdrucke. Auffallend ist die starke Längserstreckung dieses Gehirnes, respective sein Auslaufen in zwei mächtige, den Kopf- lappen versorgende Schenkel. Ferner verdient hervorgehoben zu werden, dass die Wimper- organe nicht wie bei Notomastus und Dasybranchus aus dem hinteren, sondern aus dem vor- deren Gehirmabschnitte ihre Nerven erhalten, sowie dass nur in der Jugend ähnlich wie bei 452 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. den vorhergehenden Formen gelegene Augen angetroffen werden, indem diese allmählich degeneriren und ein Paar in der Gehirmmasse eingebettete an ihre Stelle treten. Höchst charakteristisch endlich für Heteromastus ist der Ansatz zweier kräftiger Muskelstränge im proximalen Bereiche seines Gehirmes. Capitella schliesst sich Heteromastus auf's Engste an; auch bei ihr treffen wir nur noch eine bilaterale Scheidung der Lappen, ferner einen ähnlichen Ursprung der Wimperorgan- nerven und endlich auch das Degeneriren des jugendlichen Auges. Nur erscheint das Oapitella- Gehirn bedeutend verkürzt und an Stelle der zwei Muskelstränge tritt Ein solcher Strang. Aus der Combination verschieden gerichteter Schnittserien ergab sich, dass das Gehirn bei allen Capitelliden aus einer peripherischen (nur neural unterbrochenen) Zellenhaube und aus einem centralen Faserkerne besteht. In den Gattungen Dasybranchus und Noto- mastus bieten frontal durch diesen Kern geführte Schnitte in Folge der Selbständigkeit der Ganglien ein schmetterlingsförmiges Ansehen dar; in den übrigen Gattungen dagegen erscheint in Folge der Verschmelzung aller Ganglien, ähnlich wie das Gesammtgehirn, auch genannter Kerm in einfach rundlichem oder ovalem Umrisse. Diese Zellen- und Fasermasse wird von einer doppelten Membran umhüllt: näm- lich von einer äusseren peritonealen und einer inneren cuticularen Ansehens. Letztere, welche trotz dieses Ansehens durch den Besitz von Kernen einen zelligen Ursprung verräth, haben wir als das eigentliche Neurilemma zu betrachten und gegenüber dem Bauchstrange fällt hier die geringe Mächtigkeit dieser Haut, insbesondere die geringe Ausbildung ihrer zwischen die Zellen- und Fasermassen sich einschiebenden Fortsätze auf. Die Ganglienzellen sind ähnlich wie diejenigen des Bauchstranges durchaus nackt und in den meisten Fällen unzweifelhaft multipolar; je nach dem Gehimtheile schwanken sie in Form und Grösse. Unschwer lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Ausläufern dieser Zellen und den den centralen Faserkern zusammensetzenden Fibrillen erkennen. Letztere stellen feine, sich nach allen Richtungen hin verzweigende und anastomosirende Fäden dar, welche denjenigen des Bauchstranges gegenüber eine compactere Anordnung und einen weniger gestreckten Verlauf zeigen. An der neuralen, von Zellen entblössten Fläche des Gehirnes entspringen bald mehr pro- ximal, bald mehr distal (je nach den Gattungen), und zwar lediglich aus dem Faserkerne, die Commissuren des Schlundringes. Diese verfolgen nach kurzer horizontaler Erstreckung jeder- seits einen schräg nach hinten und neural gerichteten Verlauf und vereinigen sich nach Um- fassung des Oesophagus zum unteren Schlundganglion. Die Schlundringcommissuren bestehen ausschliesslich aus Fibrillen, welche im Gegen- satze zu denjenigen des Gehimes einen gestreckten Verlauf einhalten. Zuweilen gesellt sich besonders bei Notomastus und Dasybranchus) zur Hauptcommissur jederseits eine dünnere Nebencommissur, so dass in diesen Fällen der Schlundring eine doppelte Bildung darstellt. Die von diesem Gehirntheile abgehenden Nerven begeben sich zum kleineren "Theile in den Kopflappen, zum grösseren Teile aber versorgen sie den Rüssel-Oesophagus. IV. Centrales Nervensystem. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. a. Das Gehirn. 459 Kurz vor ihrer Vereinigung tritt an jeder Schlundringeommissur ein seitlich-neuraler Ganglienzellenbelag auf, der in dem Maasse, als die zwei Stränge sich einander nähern, immer mehr an Masse und Ausdehnung zunimmt, bis er schliesslich die verschmolzenen Commissuren haubenförmig umhüllt (nur hämal bleiben letztere unbedeckt) und so das untere Schlund- ganglion herstellt. Aechnlich den Ganglienzellen der oberen, entsenden auch diejenigen des unteren Schlundganglions Fortsätze in den Faserkern, so dass letzterer hier wie in allen nachfolgenden Knoten der Bauchkette sowohl aus Fibrillen des Gehirnes s. str., als auch aus solchen des eigenen Zellenbelages zusammengesetzt wird. Das untere Schlundganglion über- ragt die folgenden Ganglien des Bauchstranges etwas an Grösse, unterscheidet sich aber im Uebrigen in nichts Wesentlichem von jenen, so dass es am besten als erstes Ganglion des Bauchstranges gemeinsam mit letzterem in’s Auge gefasst wird. Bei allen Gattungen mit Ausnahme von Capitella nimmt das Gesammt- gehirn den Kopflappen nebst den zwei ersten Körpersegmenten ein. Die oberen Schlundganglien oder das Gehim s. str. oceupiren den proximalen Abschnitt des Kopflappens sowie den vorderen hämalen Abschnitt des ersten Körpersegmentes; durch mehrere Muskel- platten wird für diesen Gehirntheil eine besondere Cölomabtheilung, die sogenannte Gehirn- kammer, hergestellt. Der Schlundring verläuft im hinteren Abschnitte des ersten und im vorderen Abschnitte des zweiten Körpersegmentes, und der hintere neurale Theil des letzteren Segmentes endlich enthält das untere Schlundganglion. Es gehören demnach die oberen Schlundganglien dem Kopflappen und ersten Körpersegmente, der Schlundring dem ersten und zweiten Körpersegmente und das untere Schlundganglion dem zweiten Körpersegmente an. Bei Capitella dagegen erstreckt sich das Gehirn ausser dem Kopflappen nur auf das erste Körpersegment, indem die oberen Schlundganglien total in den Kopf- lappen und der Schlundring nebst unterem Schlundganglion gemeinsam in das erste Körper- segment zu liegen kommen. Dieser zwischen Capitella und den übrigen Capitelliden herrschenden Abweichung ist nun aber keine principielle Bedeutung beizumessen, indem sie allem Anscheine nach durch den Ausfall eines Zoniten, respective durch die Verschmelzung eines solchen mit dem Kopflappen zu Stande gekommen ist. Während nämlich bei allen übrigen Gattungen das erste Körper- segment oder Mundsegment borstenlos erscheint, ist bei Capitella schon dieses erste Segment mit Borsten ausgerüstet, und daraus, sowie aus der auffallenden Mächtigkeit des Kopflappens schliesse ich eben, dass das in Wahrheit erste (borstenlose) Segment bei Capitella mit dem Kopflappen verschmolz und dass in Folge dessen ihr scheinbar erstes Segment, in morphologischem Sinne wenigstens, als zweites betrachtet werden müsse. Mit Ausnahme von Heteromastus haben bei sämmtlichen Formen der Familie alle Gehirn- theile ihre Lage innerhalb der Leibeshöhle; bei genannter Gattung hingegen verlaufen die Schlundringeommissuren zwischen Ringmuskulatur und Haut. Wir werden sehen, dass sich diese acölomatische Lage auch auf den ganzen Bauchstrang dieser Form erstreckt. o 45 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologiseher) Theil. 45 o \ 1} = b. Der Bauchstrang. Auch dieser '[heil des Centralnervensystemes zeigt in den verschiedenen Gattungen nicht unerhebliche Abweichungen. Die auffälligste betrifft seine Lagerungsverhältnisse. Bei Dasybranchus, Notomastus und Mastobranchus liegt nämlich der ganze Strang (mit Ausnahme des nachwachsenden Schwanzendes) frei in der Leibeshöhle, speciell in der Bauch- strangkammer; bei Heteromastus dagegen rückt derselbe sammt Schlundring und unterem Schlund- ganglion zwischen Ringmuskulatur und Haut. Capitella endlich vermittelt diese Extreme, indem bei ihr der Bauchstrang im 'Ihorax eine durchaus cölomatische Lage behauptet, im Anfange des Abdomens dagegen mit seinen Connectiven zwischen Muskulatur und Haut herabrückt und weiterhin in die Haut selbst eingebettet zu liegen kommt; die Ganglienknoten gehen zwar im Abdomen ebenfalls eine innige Verwachsung mit dem Hautmuskelschlauche_ ein, rücken aber nie unter die Muskulatur, so dass also im hinteren Körpertheile dieser Gattung die Ganglien eine cölomatische und die Connective eine acölomatische Lage aufweisen. Da das Gesammtverhalten aller Organsysteme dazu zwingt, Heteromastus und Capitella als die am stärksten modifieirten, respective jüngsten Capitellidenformen zu betrachten, so folgt daraus, wie wenig berechtigt es ist, die acölomatische Lage des Bauchstranges als Merkmal ursprüng- lichen Verhaltens zu deuten (Archiannehden!). Die durch die beiden Commissuren des Schlundringes eingeleitete bilaterale Sym- metrie kommt bei den einzelnen Gattungen zu sehr verschiedengradigem Ausdrucke. Stets sind es die Connective, welche die ursprüngliche Zweitheilung am hartnäckigsten bewahren, wogegen in den Ganglien die Tendenz zur Verschmelzung vorherrscht. Bei Notomastus und Dasybranchus pflegen die sämmtlichen Connective des Thorax durch entsprechende Neurilemm- Abtheilungen zweigetheilt zu erscheinen; weiterhin im Abdomen treten dagegen Hand in Hand mit der kräftigeren Wucherung des Neurilemmas an Stelle der zwei Stränge deren drei oder vier auf, und schliesslich lässt sich überhaupt keine Regelmässigkeit mehr in Zahl und Verlauf der Fibrillenbündel constatiren. Umgekehrt weichen die Connective bei Capitella gerade im Abdomen, also in derjenigen Körperpartie, in der sie unter die Muskulatur rücken, am stärksten auseinander, so stark, dass an den entsprechenden Stellen der Anschein eines Strickleiter-Nervensystemes entsteht, welche Illusion freilich nicht lange währen kann, indem die zwei divergirenden Stränge von Segment zu Segment in den Knoten je wieder zur Ver- schmelzung oder doch zur innigen Aneinanderlagerung kommen. Bei Heteromastus, in welcher Form der Bauchstrang in noch viel ausgedehnterer und innigerer Weise mit dem Hautmuskel- schlauche Beziehungen eingeht, ist die Zweitheilung der Connective dem ganzen Körper ent- lang nur sehr schwach angedeutet, woraus hervorgeht, dass die Erhaltung oder Verwischung der bilateralen Symmetrie mit der cölomatischen oder acölomatischen Lagerung des Bauch- stranges nichts zu thun hat. Dafür spricht auch das Verhalten von Mastobranchus, in welcher Gattung der abdominale Abschnitt der Bauchkette bei rein cölomatischer Lage jede Spur IV. Centrales Nervensystem. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. b. Der Bauchstrang. 455 bilateraler Anordnung einbüsst. In diesem Falle ist es lediglich das colossale Wuchern des Neurilemmas, respective die einzig dastehende Ausdehnung der von ihm abstammenden Neu- rochorde, denen die Störung der ursprünglichen Symmetrie zugeschrieben werden muss. Im Bauchstrange aller Capitelliden herrscht insofern eine streng segmentale An- ordnung, als in jedem Zoniten stets ein Ganglienknoten vorhanden ist. Die Form und das Lagerungsverhältniss dieser Knoten wechselt natürlich je nach den Körpertheilen und Gattungen, insbesondere je nach der cölomatischen oder acölomatischen Lage. Immerhin lässt sich im Allgemeinen bezüglich der Formverhältnisse sagen, dass dem Bauchstrange ein rundlicher Querschnitt eigen zu sein pflegt, und bezüglich der Lagerungsverhältnisse seiner Knoten, dass dieselben meistens im Bereiche der hinteren Segmentgrenzen, also auf gleicher Höhe mit den Parapodien, Sinneshügeln etc. angetroffen werden. Auffallende Abweichungen hiervon weist nur Mastobranchus auf, indem sich am abdominalen "Theil seines Bauchstranges erstens die Ganglienknoten nur sehr undeutlich abheben und zweitens die Querschnitte ausgesprochen keilförmig darstellen. Auch diese Abweichung des Genus ist in erster Linie der Hypertrophie des Neurilemmas, respective der Neurochorde zuzuschreiben. Hinsichtlich der Struetur wiederholen sich am Bauchstrange die am Schlundringe und am unteren Schlundganglion eingeleiteten Verhältnisse. Wie jene Commissuren, so bestehen auch die Connective nahezu ausschliesslich aus Fibrillen, und wie das untere Schlundganglion, so zeigt auch jedes nachfolgende Ganglion der Kette einen centralen Faserkern und einen neural-lateralen Zellenbelag. Das Neurilemma des Gehirnes geht continuirlich auf den Bauchstrang über und be- steht am letzteren ebenfalls aus zwei bald scharf voneinander getrennten, bald innig mit- einander verschmolzenen Häuten; nämlich aus einer äusseren peritonealen und einer inneren mehr homogenen (jedoch ebenfalls zelligen' Haut. Nur die letztere Membran, das Neurilemma im engeren Sinne, sendet Fortsätze zwischen die nervösen Elemente. In den Ganglienknoten sind es hauptsächlich die peripher gelegenen, grösseren Zellen, welche in ausgiebiger Weise von diesen Fortsätzen umhüllt werden, wogegen die centrale Fibrillenmasse oder das Mark ähnlich wie im Gehirne nur spärlich von solchen umsponnen wird. Umgekehrt pflegen die mehr gestreckt verlaufenden Fibrillen der Uonnective von einem überaus mächtig entwickelten Neurilemm-Fachwerke durchsetzt zu sein, und in diesem Falle hält es oft schwer, die feinsten Ausläufer des letzteren von denjenigen der nervösen Substanz zu unterscheiden. Regel ist, dass das Neurilemma eine um so höhere Ausbildung aufweist, je freier der Bauch- strang gelegen ist und je mehr er zugleich contractilen Elementen Ansatzpunkte zu liefern hat. Erstere Bedingung ist bei Notomastus und Dasybranchus gegeben; wir treffen daher das Neurilemma kräftig entwickelt; beide Bedingungen erfüllt Mastobranchus, und das Neurilemma seines Bauchstranges bietet in Folge dessen so riesige Dimensionen dar, dass der Habitus total modificirt erscheint. Umgekehrt finden wir in den fest mit den Leibeswan- dungen verwachsenen Strängen von Heteromastus und Capitella das Neurilemm-Fachwerk kaum angedeutet. Hand in Hand mit der Ausbildung des Neurilemmas geht diejenige 456 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. der Neurochordröhren, was in Anbetracht, dass letztere als Derivate des ersteren erkannt wurden, nicht auffallend erscheinen kann. Die Ganglienzellen sind durchaus nackt und von auffallend geringer Consistenz; die grösseren, peripher gelegenen pflegen birnförmig und scheinbar unipolar, die kleineren centralen dagegen mehr unregelmässig geformt und multipolar zu sein. Die Fortsätze ent- springen bald aus der Zellsubstanz, bald aus den Kemen. Letztere sind stets mit deutlichen Membranen versehen. In dem hinteren Abschnitte des Abdomens von Heteromastus, wo der Bauchstrang ganz in die Haut herausrückt, verlaufen zwar die Connective noch immer scharf von der Haut (durch eine Neurilemmplatte) getrennt, die Ganglienknoten dagegen, insbesondere ihre peri- pheren "Theile, verschmelzen derart mit der Haut, dass eine Unterscheidung von Nerven- und Hypodermzellen nicht mehr möglich ist; die vorhergehende Beschreibung der Ganglien- zellen kann daher auch für Heteromastus keine Giltigkeit beanspruchen. Ausser den normalen, durchschnittlich 10—14 x messenden Ganglienzellen treffen wir in den Gattungen Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus, also in den mit wohl ausge- bildeten Neurochorden versehenen Formen, auch solche von wahrhaft riesigen Dimensionen. Diejenigen von Notomastus messen zum Beispiel 50—60, ihre Kerne 12 und ihre Kern- körperchen 3 p, so dass also die Kerne allein die Grösse der Normalzellen erreichen. Von entsprechend bedeutendem Umfange sind auch die Fortsätze dieser Zellen. Ihre Lage haben sie stets in der neuralen Medianlinie des Bauchstranges, und zwar kommen sie nicht nur in den Ganglien, sondern auch (allerdings seltener) in den Connectiven vor. Während sich solche Riesenzellen bei Notomastus und Dasybranchus hauptsächlich in der vorderen Leibes- region und auch hier nur in schr geringer Zahl vorfinden, treten deren bei Mastobranchus in sämmtlichen Ganglien der Kette je vier bis sechs auf. Die 'TThatsache, dass diejenigen Formen, bei welchen die Neurochorde fehlen (Capitella) oder wenig ausgebildet sind (Hetero- mastus), auch der Riesenzellen entbehren, die Thatsache ferner, dass gerade Mastobranchus mit seinen so hervorragend voluminösen Neurochorden diese Zellen am zahlreichsten aufweist, lassen an dem genetischen Zusammenhange beider kaum einen Zweifel aufkommen. An ein- zelnen Präparaten von Mastobranchus war überdies der nach den Neurochorden hin gerichtete Verlauf der Riesenzellenfortsätze klar zu erkennen. Im Gegensatze zu diesen durch ihre Grösse ausgezeichneten Elementen enthält nun der Bauchstrang auch solche, welche durch ihre Kleinheit auffallen. Es sind entweder rund- liche oder plattgedrückte, 3—D5 p. messende, kernartige Gebilde, an welchen sich stets mehrere Ausläufer nachweisen lassen. Ich betrachte diese (auch das Ganglion der Seitenorgane zu- sammensetzenden) Gebilde als Kerne, welche der (individualisirten) Zellsubstanz entbehren, und nenne sie im Hinblicke auf ähnliche Retinaelemente »Körner«. Diese Körner finden sich sowohl im zelligen, als auch im faserigen Theile der Ganglien; im ersteren pflegen sie compacte Nester zu bilden, im letzteren dagegen pflegen sie mehr zerstreut in den Maschen des Fibrillengerüstes zu liegen. In ähnlicher Weise zerstreut kommen sie auch im Faser- IV. Centrales Nervensystem. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. b. Der Bauchstrang. 457 Gerüstwerke der Connective vor, wo sie bisher zu nicht geringer Erschwerung unserer Erkenntniss der bezüglichen Structurverhältnisse ebenso wie in den Knoten übersehen worden sind. Die Marksubstanz der Ganglien, sowie die Connective bestehen (abgesehen von den erwähnten Körnern und vereinzelten Riesenzellen) ausschliesslich aus Fasern oder correcter ausgedrückt aus Fibrillen, da es sich um Fäden handelt, deren Durchmesser selten 1 p. überschreitet. Diese Fibrillen, von denen ich bis 200 p lange Stämmchen zu isoliren vermochte, haben bald einen geraden, bald einen mehr welligen Verlauf und enthalten stellenweise Kerne oder Körner eingeschaltet. Sie geben reichlich Zweige ab, welche sich unter entsprechender Abnahme ihres Durchmessers ihrerseits wieder verästeln, um schliesslich mit Aestchen benach- barter Stämme in Verbindung zu treten. So verhalten sich hauptsächlich die gestreckten, durchgehenden Faserelemente des Bauchstranges; die Hauptmasse der Fibrillen dagegen ver- zweigt sich und anastomosirt nach den verschiedensten Richtungen hin, so dass ein überaus dichtes, schwammartiges Gerüstwerk zu Stande kommt, dessen 2—6 » grosse Maschenränme theils von Plasma, theils von Körnern ausgefüllt werden. Von letzteren, das heisst von dem Plasma und von den Körnern, pflegen in den fixirten Präparaten nur körnige Gerinnungs- respec- tive Zerfallsproducte zurückzubleiben, und diese sammt den entfärbten Excretbläschen sowie den punktförmig erscheinenden Durchschnitten der Fibrillen erwecken dann den Eindruck einer nicht weiter aufzulösenden Punktsubstanz. So entstand der Leyvig’sche Begriff »fibrilläre Punktsubstanz«, welcher dem Vorhergehenden zufolge lediglich den Zustand der todten, durch Reagentien veränderten, nicht aber denjenigen der lebenden, fungirenden Nervengeflechte ausdrückt. Ich habe schon bei der Beschreibung des Notomastus-Nervensystemes, welches allein in dieser Hinsicht einer eingehenderen Untersuchung unterworfen wurde, betont, wie dieser Leypig’sche Name »fibrilläre Punktsubstanz« jede Vorstellung eines organischen Zu- sammenhanges ausschliesse und wie sich doch ein solcher für die im unveränderten Zustande allein vorhandenen Nervenelemente, nämlich die Fibrillen, Zellen und Körner, so leicht nach- weisen lasse. Ich verweise auf die betreffende Stelle des ersten Theiles, in der auch das zu- sammengestellt ist, was ich über die Gesammtbeziehungen der Zellen und Fasermassen des Bauchstranges zu erkennen vermochte. Jeder Ganglienknoten des Bauchstranges entsendet je nach den Gattungen und je nach den Körperregionen zwei bis vier Paar Seitennerven (Spinalnerven), deren Structur sich enge derjenigen der Connective anschliesst. Ein Paar derselben versorgt ausschliesslich die Seiten- organe und die Haut und ist daher als sensibles zu betrachten; die übrigen Paare verzweigen sich hauptsächlich in der Muskulatur und repräsentiren daher vorwiegend motorische Bahnen. Auch aus den Connectiven entspringen in jedem Segmente je nach den Gattungen ein bis zwei Nervenpaare; es gelang mir aber nicht deren Innervationsbezirke aufzudecken. Bezüglich des Ursprunges der die Spinalnerven constituirenden Fibrillen verweise ich ebenfalls auf die betreffende Beschreibung von Notomastus. Es wurde bereits hervorgehoben, dass nur in denjenigen Gattungen, deren Bauchstrang 2o0l. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. Br) 458 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. frei in der Leibeshöhle gelegen ist, das Neurilemma sowie die Neurochorde zu kräftiger Ausbildung gelangen. Diese Gattungen sind Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus. Bei Notomastus und Dasybranchus verhalten sich die Neurochorde ziemlich ähnlich. Sie stellen im frischen Zustande verschieden weite Schläuche oder Röhren dar, welche sich meistens in wechselnder Anzahl vom Schlundringe oder vom unteren Schlundganglion an bis zum Schwanzende verfolgen lassen. Der im Verlaufe der Neurochorde statthabende Wechsel ihrer Zahl, besonders aber die T'hatsache, dass sie stellenweise ganz verschwinden, um kurz (darauf wieder aufzutreten, legen nahe, dass wir es mit mehreren und zwar wahrscheinlich mit der Verzweigung fähigen Gebilden zu thun haben. Als Inhalt führen die Neurochorde bei diesen zwei Gattungen stets eine wasserähn- liche Flüssigkeit, in der Reagentien nur spärliche Niederschläge hervorzurufen vermögen; im conservirten Zustande erscheinen sie daher, abgesehen von einzelnen feinkörnigen Flocken, stets durchaus leer. Die Wandungen der Neurochordröhren zeigen einen geschichteten Bau und zahlreiche Kerne bekunden einen zelligen Ursprung. Häufig entsenden diese Wandungen ähnliche Fortsätze in das Röhrenlumen wie die Hauptblätter des Neurilemmas in das Nerven- mark, und dann entsteht eine überraschende Habitusübereinstimmung beider. Stellenweise entspringen aber auch von der Aussenseite der Neurochordwandungen solche Fortsätze, die continuirlich in das Neurilemmfachwerk übergehen, so dass die betonte Uebereinstimmung nicht etwa nur als eine habituelle, sondern als eine genetische betrachtet werden muss. Ins- besondere bei Dasybranchus sind die Verbindungen zwischen dem Neurilemmfachwerke einer- und den Neurochordröhren andererseits stellenweise so innige, dass sich letztere eigentlich nur als Lücken des Nervenmarkes geltend machen, und wenn nur die betreffenden Lücken von Fibrillen des Nervengewebes ausgefüllt wären, so würden die Neurochorde an jenen Stellen als durchaus integrirende "Theile des Neurilemmas erscheinen. Durch dieses exceptionelle Verhalten der Neurochorde von Notomastus und Dasybranchus war ich daher so weit gekommen, constatiren zu können, dass ihre Wandungen, wie unab- hängig sie auch im grössten Theile ihres Verlaufes den übrigen Elementen des Bauchstranges gegenüber erscheinen mögen, vom Neurilemma abstammen, respective als Theile des Neu- rilemmas, wenn auch stellenweise als stark modificirte, betrachtet werden müssen. In noch viel evidenterer Weise werden aber diese Beziehungen durch diejenige Gattung, in der, wie schon hervorgehoben wurde, das Neurilemmgerüste sowohl, als auch die Neu- rochorde zur mächtigsten Entwiekelung gelangen, nämlich durch Mastobranchus zum Ausdruck gebracht. In der abdominalen Bauchstrangpartie dieser Form sind die Neurochordröhren häufig von einem so reichen Gerüstwerke durchsetzt und hängen so continuirlich mit demjenigen des sie umgebenden Neurilemmas zusammen, dass sich an solchen Stellen eine scharfe Grenze beider gar nicht mehr feststellen lässt. Nur wenn grössere, auch charakteristisch modifieirte Stellen der Neurochorde einschliessende Partien des Stranges bei der Durchsicht herangezogen werden, kommt auch in jenen weniger modifieirten Stellen die Continwtät einigermaassen zum Vorschein. IV. Centrales Nervensystem. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. b. Der Bauchstrang. 459 Mastobranchus diente aber nicht nur dazu, die schon an den beiden anderen Gattungen bezüglich der Neurochordröhren erkannte Genese zu bestätigen, sondern lieferte auch das Material zum Verständnisse des Inhaltes dieser Röhren. Letztere enthalten nämlich nicht wie bei Notomastus und Dasybranchus durchgehends eine wasserähnliche Flüssigkeit, sondern nur an einzelnen Stellen. An anderen sind sie durchaus von Bündeln zarter, relativ breiter, spiralig verlaufender Fasern erfüllt, welche jederseits zahlreiche, sich weiter ver- zweigende und anastomosirende Aeste abgeben. Dieses verhältnissmässig noch wenig verän- derte Stadium der Neurochordnerven., in welchem die Neurochordröhren sehr dünne, wenig Ausläufer entsendende Wandungen aufweisen, trifft man selten. Viel häufiger wird das folgende angetroffen, in welchem die betreffenden Fasern nicht mehr als geschlossene Bündel gestreckt verlaufen, sondern in den mannigfachsten Schlangenwindungen vereinzelt hin- und herziehen. Häufig vereinigen sich die die Windungen herstellenden Abschnitte der Fasern schleifenförmig, kommen zur Abschnürung und stellen dann Gebilde dar, welche auffallend mit denjenigen der bekannten Myelintropfen übereinstimmen; die Röhrenwandungen zeigen jetzt schon einen mehr geschichteten Bau und zahlreichere, in das Lumen vorspringende Fort- sätze. In einem folgenden Stadium endlich ist von den Fasern als solchen keine Spur mehr zu sehen; anstatt ihrer werden die Röhren von einer Flüssigkeit erfüllt, in der ausser streifigen und flockigen Massen nur noch die früheren myelinähnlichen Gebilde suspendirt sind. Letztere haben aber inzwischen ein viel festeres (geschichtetes) Gefüge erhalten und erinnern nun auffallend an die sogenannten Corpora amylacea. Während des Schwundes der Fasern hat umgekehrt die Dicke und Verzweigung der Neurochordröhren bedeutend zugenommen, so dass sie jetzt ihrer Aufgabe, als hermetisch abgeschlossene Röhren Flüssigkeit zu führen, gewachsen sind. Durch das Verhalten von Mastobranchus ist somit endgiltig entschieden, dass die Neurochorde, welche bisher eine so verschiedenartige Deutung erfahren haben, ursprünglich als wesentlichsten Bestandtheil Nervenfasern enthalten. Diese Nervenfasern degeneriren allmählich undan ihre Stelle tritt, unter gleich- zeitiger Umwandlung der entsprechenden Neurilemmpartien in Schläuche oder Röhren, eine wasserähnliche Flüssigkeit. Diese unter dem Bilde der fettigen Degeneration auftretende Metamorphose lässt sich noch an erwachsenen Exemplaren von Mastobranchus, und zwar Schritt für Schritt an ein und demselben 'Thiere, beobachten, während alle übrigen Capi- telliden (sowie die Mehrzahl aller Anneliden), im erwachsenen Zustande wenigstens, nur die letzten Stadien der Umbildung aufzuweisen pflegen. Höchst auffallend sind nun die zwischen diesen Neurochordnerven und dem übrigen Nervengewebe des Bauchstranges bestehenden Verschiedenheiten. Erstere stellen im unveränderten oder wenig veränderten Zustande langgestreckte, überaus ver- gängliche, an die markhaltigen Nerven der höheren 'Thierelassen erinnernde Fasern dar, welche im Verhältnisse zu dem übrigen Marke als riesige bezeichnet werden müssen; letzteres dagegen erscheint als ein Gerüstwerk feinster, allseitig verzweigter Fibrillen. Ich habe daher schon in Be} 460 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. der speciellen Beschreibung von Mastobranchus vorgreifend betont, dass wir im Bauchstrange fortan zwei ganz verschiedene Fasersysteme zu unterscheiden haben: nämlich das in den meisten Fällen) provisorische der Neurochordnerven, und das defi- nitive des Fibrillengerüstes; ja dass diesen beiden Faser- auch zwei Zellen- systeme entsprechen: nämlich dem Fibrillengerüste die zahlreichen, kleineren Elemente der Ganglienknoten, und den Neurochordnerven die vereinzelten Riesenzellen. Wenn es mir auch nicht gelungen ist, speciell die Verbindung von Neurochordnerven und Riesenzellen durch Präparate zu demonstriren, so kann doch eine solche in Anbetracht der Thatsache, dass die Fortsätze jener Zellen den betreffenden Nerven zustreben, kaum einem Zweifel unterliegen, besonders wenn man noch in Erwägung zieht, wie die riesigen Zellen mit der Ausbildung, respective Rückbildung der Neurochorde gleichen Schritt halten. Schwer zu verstehen ist das Factum, dass die je in einer Neurochordröhre vereinigten Nervenfaserbündel jederseits zahlreiche sich verzweigende Aeste in das sie umgebende Mark entsenden. Stellen die in einer Röhre enthaltenen Fasern riesige Axencylinder dar, und ist in Folge dessen der die Röhre ausfüllende Complex erst als das »Faserindividuum« zu be- trachten? dienen ferner diese Neurochordnervenäste zur Verbindung mit Elementen des fibrillären Gerüstwerkes, oder vermitteln sie den Uebergang in die (sich vielleicht ähnlich verzweigenden) Riesenzellen? wo liegt endlich das Innervationsgebiet dieser Fasern und durch welche Bahnen wird es vermittelt? Alles das sind Fragen, welche sich vielleicht durch ein sehr eingehendes Studium von Mastobranchus werden beantworten lassen. Vor einer solchen Beantwortung müssen wir uns aber über die Bedeutung des provisorischen Nervensystemes sowie über seine Beziehungen zum definitiven jeden Urtheiles enthalten. Im Hinblicke auf das Verwirrende der vielfachen Bezeichnungen für ein und dasselbe Ding wäre es gut, sich fortan über eine Nomenclatur dieser Bauchstrangtheile zu einigen. Ich habe schon in dem dem Mastobranchus-Nervensysteme gewidmeten Kapitel des vorhergehenden Theiles vorgeschlagen und wiederhole hier: Neurochord (nach VE)DoVskY) für die Gesammt- heit der modifieirten oder degenerirten Bildungen; als Theile derselben wären zu unterscheiden: die Neurochordröhre und die Neurochordflüssigkeit. Für die normalen Gebilde sodann würden sich die Namen: Neurochordnerven, Neurochordscheide und Neurochord- zellen empfehlen. Schliesslich bleibt mir noch hervorzuheben übrig, dass der Bauchstrang aller Formen, wie er sich auch im Uebrigen dem Cölom gegenüber verhalten möge, im nachwachsenden Schwanzende mit der Hypodermis verschmilzt. Bei Dasybranchus, der sich für die Untersuchung dieser Verhältnisse allein günstig erwies, konnte ich feststellen, dass sein Bauchstrang mit einem Ganglion abschliesst, welches sich durch die letzten drei noch unvollkommen ausgebildeten Schwanzsegmente erstreckt. Eine Grenze zwischen den Elementen dieses Ganglions und der Haut existirt nicht, überhaupt erscheint das Zellmaterial noch nicht scharf individualisirt, indem sich nur zahlreiche, sehr [V. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. a. Das Gehirn. 461 dicht aneinandergereihte Kerne und eine spärliche Zwischensubstanz erkennen lassen. Auch der Faserkern dieses terminalen Ganglions weicht vom definitiven Ansehen stark ab; die ein- zelnen Fäserchen verlaufen nämlich ganz gestreckt und dicht gedrängt; von gerüstartiger Ver- zweigung ist noch nichts wahrzunehmen, ebenso fehlt noch jede Andeutung des Neurilemmas, der Neurochorde und der Körner. Auch weiterhin oralwärts (das heisst im hinteren Ab- schnitte des Abdomens) zeigt der Bauchstrang zeitlebens bei allen Formen noch ein ähnliches embryonales Verhalten, welches nur allmählich (in dem Maasse als man weiter vorn gelegene Segmente untersucht) in das definitive übergeht. Die Untersuchung dieses Bauchstrangab- schnittes ist insofern von hoher Bedeutung, als wir es da mit Nervenfibrillen zu thun haben, denen fast noch gar keine Elemente des Neurilemmas beigemengt sind, und wir so unsere an anderen, fertigen Stellen des Bauchstranges über die Beschaffenheit seiner Fibrillen gebildeten Ansichten controliren können. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden sowie auch mit anderen Thierclassen. a. Das Gehirn. Das Gehirn von Dasybranchus mit seinen drei Ganglienpaaren steht einzig in der Annelidenclasse da; kein anderes kann hinsichtlich der Complieirtheit, insbesondere aber hin- sichtlich des Volumens und der Selbständigkeit der Ganglien einen Vergleich mit ihm aus- halten. Wenn wir diejenigen Gattungen herausgreifen, welche gewöhnlich als Träger hoch entwickelter Gehirne angeführt zu werden pflegen, also Nereis, Eunice, Serpula, Phyllodoce, Polyophthalmus, so besteht schon ein auffallender Unterschied; wenn wir aber gar solche mit wenig entwickelten Gehirmen, wie Terebella, Aremicola oder Lumbricus gegenüberstellen, so ist der Abstand ein gewaltiger. Höchstens liesse sich das Gehirn von Nephthys damit vergleichen, so wie es Quarkerages') als Complex von drei (ausser dem median gelegenen Hauptlappen vorhandenen) Ganglienpaaren beschrieben hat, welcher Vergleich aber ebenfalls dadurch hin- fällig geworden ist, dass es keinem der Nachfolger des genannten Autors, weder ÜLAPAREDE?), noch Euters®), noch Pruvor') gelungen ist, jene drei Ganglienpaare wiederzufinden. Angesichts dieses an hochentwickelte Insecten und Mollusken erinnernden, vielgang- ligen Dasybranchus-Gehirnes wird die von Laxkester’) ausgesprochene Vermuthung: »In the 1) Quarrerages, A. de. Etudes sur les 'Types införieurs de l’Embranchement des Anneles. Mem. sur le Systeme Nerveux des Annelides. Ann. Sc. N. (3) Tome 14. 1550. p. 352. 2) 1IpA82 cp. 119: a). 1..p., 307.,(c.11P.., 610. 4) Pruvor, G. Recherches Anatomiques et Morphologiques sur le Systeme Nerveux des Annelides Polychetes. Arch. Z. Exper. (2) Tome 13. 1885. p. 225. 5) Lankester, E. Ray. Observations and Refleetions on the Appendages and on the Nervous System of Apus cancriformis. @. Journ. Mier. Sc. (2) Vol. 21. 1881. p. 372. 462 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Chaetopoda, the prae-oesophageal ganglion appears always to remain a pure archi-cerebrum« hinfällig. Ebenso Harscner’s") Revocation: »Ich habe in meiner Arbeit über die Arthropoden die irrthümliche Vermuthung aufgestellt, dass schon den Anneliden secundäre Gehirn- ganglien zukämen.« Einen besseren Anschluss an das Verhalten der übrigen (höher organisirten) Anneliden- gehimme bieten schon die aus nur zwei Ganglienpaaren zusammengesetzten Gehirne von Noto- mastus sowie Mastobranchus. Und in den fast zu einer continuirlichen Masse verschmolzenen oberen Schlundganglien von Heteromastus und Capitella endlich liefert unsere Familie auch Ver- treter der einfachsten Gehirnformation. Diese so verschiedengradige Entwickelung des Gehirnes innerhalb der Capitelliden- familie ist in hohem Grade auffällig. Man könnte, im Hinblicke darauf, dass Dasybranchus die Gattungsgenossen so sehr an Grösse. übertrifft, annehmen, dass letztere für die hervor- ragende Ausbildung seines Gehirnes entscheidend war. Aber dagegen spricht die 'Thatsache, dass die Gehirme sehr grosser anderer Anneliden, so diejenigen von Arenicola und Aphrodita, viel weniger ausgebildete obere Schlundganglien besitzen als beispielsweise die kleinen Syllideen, Polyophthalmus ete. Auch die Lebensweise hilft zu keiner Erklärung; denn Heteromastus und Capitella führen ein viel bewegteres Leben als Dasybranchus, und von den ganz ähnlich existi- renden Cirratuliden und 'Terebelliden haben die ersteren sehr complicirte, die letzteren dagegen überaus einfache Gehirne. Ja, nicht einmal die Relationen zwischen Sensorium und Sinnesorganen vermögen unsere Einsicht zu fördern, indem gegenüber den complicirten, aus- schliesslich mit Wimperorganen und sogenannten Pigmentflecken ausgerüsteten Gehirnen von Dasybranchus und Cirratulus diejenigen von Syllideen, Nereiden und Alciopiden, welche doch so hoch entwickelte Augen versorgen, relativ einfach erscheinen. Aus den Organisations- und Lebens- verhältnissen der heutigen Anneliden lässt sich in der 'That jenes auffällige Factum nicht erklären. Mir scheint, es bleibt nur die Annahme übrig, dass in jenen vereinzelten Formen mit hervor- ragend ausgebildeten Gehirnen (insbesondere wenn, wie bei Dasybranchus, die Lebensweise in gar keinem Verhältnisse dazu steht) Erbstücke aus einer Epoche vorliegen, in der die (Vorfahren der heutigen) Anneliden eine beziehungsreichere Lebensweise und somit auch eine höhere Organi- sation besassen. Wenn wir auch nicht einzusehen vermögen, warum gerade diese oder jene Form solche Erbstücke bewahrt hat, ja wenn es selbst paradox erscheinen muss, dass gerade ein im Sande bohrender, also sicherlich im Hinblicke auf das Gebiet der Sinnesempfindungen beschränkt dahinlebender Vertreter sich darin auszeichnet, so kann doch daran erinnert werden, dass es auch bezüglich anderer Erbstücke einst reicherer Organisation oft eine ähnliche Bewandtniss hat. Denn, ist es etwa leichter zu begreifen, warum nur die Capitelliden und Polyophthalmiden die Seitenorgane bewahrt haben, oder warum allein bei den Capitelliden und gewissen Euniciden noch ein Nebendarm angetroffen wird, oder endlich warum allein bei l) HarscHer, B. Beiträge zur Entwickelungsgeschichte und Morphologie der Anneliden. Sitz. Ber. Akad. Wien. 74. Bd. 1876. Sep. Abdr. p. 13. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. a. Das Gehim. 4693 gewissen Capitelliden, Euniciden und Aphroditeen die Neurochordnerven noch mehr oder weniger functionsfähig erhalten blieben? Von dem Gesichtspunkte aus, dass die heutigen Anneliden ihren Vorfahren gegenüber (welche wahrscheinlich eine viel bevorzugtere Stellung im Haushalte der Natur einnahmen) relativ herabgekommene Organismen darstellen, erscheint dann auch das beispiellose, jeden Versuch einer darauf zu begründenden Systematik aus- schliessende Variiren des Gehimes (und wie wir schen werden auch des Bauchstranges) ver- ständlicher, indem eben Organe, die nicht mehr vollkräftig und correlativ fungiren, oder mit anderen Worten Organe, die zum Rudimentärwerden neigen, in erhöhtem Maasse der Varla- bilität unterworfen zu sein pflegen. Ich habe schon im speciellen Theile auf die grosse Uebereinstimmung hingewiesen, welche die Gehirne von Heteromastus und Capitela mit denjenigen gewisser Oligochaeten, speciell mit denjenigen von Nais und Bohemilla darbieten. Jedem, der meine Figuren mit den entsprechenden VrpovskY's!) vergleicht, wird die frappante Achnlichkeit auffallen; ganz be- sonders bezeichnend ist, dass beiderlei Formen gleicherweise mit den so charakteristischen, von letzterem Autor als »cerebroparietale Muskeln« bezeichneten Strängen ausgerüstet sind. Ich würde in Anbetracht, dass dem Vorhergehenden zufolge dem Gehirne (sowie dem Nerven- systeme überhaupt) ein nur sehr zweifelhafter Werth bei der Entscheidung systematischer Beziehungen beigemessen werden kann, auf die erwähnte Uebereinstimmung kaum irgend welches Gewicht gelegt haben, wenn nicht zugleich zahlreiche andere Anhaltspunkte für eine engere Verwandtschaft der Capitelliden und Oligochaeten gegeben wären, worauf aber erst in einem anderen Theile in zusammenhängender Darstellung eingegangen werden soll. Was die zuweilen bei Notomastus vorkommende accessorische Schlundringceommissur betrifft, so möchte ich hervorheben, dass auch von LeyviG?) bei Zumbrieus agricola und Chae- togaster diaphanus van der einzelnen Commissur Spuren einer gewissen Duplieität« beobachtet wurden, und dass ferner Quarkerages?) an Nereis regia (sowie auch an anderen Arten dieser Gattung) eine zweite, schwächere, allerdings nicht mit dem Gehirme in Verbindung tretende Commissur wahrgenommen hat. Für die Capitelliden konnte als Regel festgestellt werden, dass das untere Schlund- ganglion seine Lage im zweiten Körpersegmente habe. Bei den meisten Anneliden scheint es sich ähnlich zu verhalten. Aber doch nur bei den meisten: denn es existiren zahlreiche die verschiedensten Gattungen und Familien betreffende Angaben, welche auch das Schwan- kende dieser Verhältnisse bekunden. So hat nach Enwers!) das untere Schlundganglion von Goniada, einer Glyceride, im ersten Körpersegmente seine Lage. Im ersten oder im zweiten 1) 1. p. 236. c. p. 80. Taf. 2. Fig. 5. 17 und 28. 2) Leyvis, F. Vom Bau des thierischen Körpers. Handbuch der vergleichenden Anatomie. Erster Band. Tübingen 1864. p. 143. 3) 1. p. 461. c. p. 341. ) Anl. p. 307% 6. p- 716. 464 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Segmente wird es Erters') und Pruvor?) zufolge je nach den Gattungen bei den Euniciden angetroffen; ebenso soll es nach Enters®) bei gewissen Nereiden-Formen im ersten, bei anderen im zweiten gelegen sein. Das erste und zweite Segment nimmt Vrmovsky') zufolge das untere Schlundganglion von Slavina appendieulata, einer Naidee, ein. Zwischen dem zweiten und dritten Segmente liegt es nach Pruvor’) bei Ammotrypane, im vierten, nach demselben Autor"), bei Ophelia, sowie Nephthys Hombergi; von einer anderen Nephthys-Species (N. caeca) giebt Entwers’) das sechste Segment als dasjenige an, in dem sich die Commissuren zum unteren Schlundganglion vereinigen. Ja, GruBE*) zufolge soll diese Vereinigung bei Pleione, einer Amphinomide, sogar erst im fünften bis siebenten Körpersegmente erfolgen. Ich zweifele nicht daran, dass nach eingehender vergleichend-anatomischer und em- bryologischer Untersuchung sich einst alle diese Lagerungsverschiedenheiten als secundäre Vorgänge werden begreifen lassen, mit anderen Worten, dass es möglich sein wird, das Seg- ment zu bestimmen, dem die unteren Schlundganglien ursprünglich und typisch angehören. Kennen wir doch schon viele Beispiele von nachträglicher Verschmelzung ursprünglich getrennt angelegter Zoniten sowie auch solche von nachträglicher Verschiebung. Was insbesondere in letzterer Hinsicht möglich ist, dafür liefern uns gewisse Oligochaeten interessante Beispiele. Nach Vrspovsky’) rückt nämlich »das entwickelungsgeschichtlich immer in dem Kopflappen entstandene Gehirnganglion später in den hinteren Kopftheil, nicht selten aber auch in das zweite, bei Dendrobaena rubida sogar an die Grenze zwischen das dritte und vierte, bei jungen Würmern von Allolobophora foetida in das dritte, bei Urochaeta nach der Angabe Prrrier's bis in das vierte Körpersegment zurück.« Wenn aber auch in alledem nur secundäre Modificationen vorliegen sollten, so schien es mir doch geboten, einmal diese Fälle, die ja das bekannte Material kaum erschöpfen werden, zusammenzustellen, um insbesondere die Aufmerksamkeit derjenigen auf diesen Punkt zu lenken, welche bei Discussion der Innervation von Anhängen des Articulatenkopfes auf Anneliden Bezug zu nehmen haben. b. Der Bauchstrang. Im vorhergehenden Abschnitte wurde betont, welch’ auffallende Lageveränderungen der Bauchstrang im kleinen Kreise der Capitellidengattungen darbietet. Wir sahen nämlich, dass 1) 1202 3022 0. 9.269. 2) 12, p- SA Xc. pP. 255. 3) 1. p. 307. e. p. 443. AS pr 236. ep. Sil. 5) 1. p. 461. e. p. 306. 6) 1. p. A61. ec. p. 233 und 311. N NE Sllizie (03 195. Bla 8) 1. p. 236.,c. p. 80. ‘) Ich ersehe dies aus QuarrErAGES 1. p. 461. c. p. 335. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. b. Der Bauchstrang. 465 er mit Ausnahme des Schwanzendes seiner ganzen Länge nach entweder frei in der Leibes- höhle, oder aber zwischen Muskulatur und Haut eingebettet verläuft, sowie dass bei einer Form diese beiden Extreme vermittelt werden, indem der Bauchstrang in ihrem Vorderleibe eine cölomatische und in ihrem Hinterleibe eine acölomatische Lage behauptet. Es ergab sich hieraus der Schluss, wie verfehlt es ist, die in so engen Grenzen variirende cölomatische oder acölomatische Lage dieses Organes bei Erwägungen phylogenetischen Inhaltes als ursprüng- lichen oder nicht ursprünglichen Charakter verwerthen zu wollen. Diese an den Capitelliden gemachte Erfahrung wird nun durch das Verhalten zahl- reicher anderer Anneliden bestätigt. Fine Aufzählung der betreffenden Fälle kann hier unter- bleiben, da durch ULAPArEDE"), SEMPER?) und M’Ixtosm®) die meisten derselben schon zusammen- getragen wurden. Nur eine der von SemPpEr beschriebenen Formenreihen möchte ich wegen ihrer grossen Uebereinstimmung mit der Capitellidenreihe (wozu noch kommt, dass sie eben- falls in ein und dieselbe Familie, ja sogar in dieselbe Gattung fällt) hervorheben. Bei Terebella sp. (von Helgoland) liegt nämlich genanntem Autor zufolge der Bauchstrang ausser- halb der Muskulatur, bei Terebella conchilega dagegen liegt er innerhalb derselben und bei Terebella zostericola soll er eine zwischen den beiden vorhergehenden vermittelnde Lagerung aufweisen. Ich habe betont, dass bei allen Capitelliden der Bauchstrang insofern eine streng segmentale Anordnung erkennen lässt, als er in jedem Segmente zu einem Ganglienknoten anschwillt. Man pflegt dieses Verhalten als das für die Anneliden typische zu betrachten, und wenn die Mehrzahl der Fälle den 'Typus bestimmt, gewiss mit Recht. Aber im Hinblicke auf manche allgemeinere Fragen sollte doch nicht ausser Acht gelassen werden, dass bei einer grossen Anzahl weit voneinander divergirender Formen ein abweichendes Verhalten constatirt wurde, und zwar abweichend erstens in dem Sinne, dass je in einem Segmente mehr als ein Ganglion vorhanden ist, oder aber zweitens in solchem, dass sich der Zellen- belag überhaupt nicht segmentweise zu Ganglienknoten anhäuft. Was zunächst die erstere Abweichung vom typischen Verhalten betrifft, so hat schon Raruke!) an Amphietena (Amphitrite) die Beobachtung gemacht, dass der Bauchstrang (mit Ausnahme der vordersten und hintersten) in jedem Körperringel zwei ziemlich weit voneinander abstehende Knoten, nämlich einen grösseren vorderen und einen kleineren hinteren, erkennen lasse. Ja, nach ULararepE’) sollen bei der sehr nahe verwandten Peetinaria neapolitana sogar drei Knoten in oO jedem Zoniten vorhanden sein. Ebenfalls zwei Ganglien in jedem Segmente, wovon je das l. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) e. p. 124. 1. ;p- 534Ie..ip: 145. M'’Intosu, W. ©. On the Arrangement and Relations of the Great Nerve Cords in the Marine Anne- lids. Proc. R. Soe. Edinburgh. 1876/77. 4) Rarnke, H. Beiträge zur vergl. Anat. u. Physiol. Reisebem. aus Skandinavien ete. Neueste Schriften der Naturf. Ges. Danzig. 3. Bd. 18142. p. 75. 5). 19-28. .6,4P.2382. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 5 466 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. vordere das stärkere darstellt, hat Quarrerages!) von der strickleiterförmigen Bauchkette der Hermella beschrieben. Sodann wurden durch SpexGen? in ihrer Grösse nahezu überein- stimmende Doppelganglien von Oligognathus bekannt; wogegen diesem Autor zufolge den nahe verwandten Gattungen Halla, Arabella und Lumbriconereis accessorische Ganglien durchaus abgehen. Nach mündlicher Mittheilung E. Meyer’s bildet ferner das Vorkommen von zwei bis drei Knoten in je einem Segmente in der Familie der Serpuliden die Regel. In der Gruppe der Oligochaeten endlich hat Leyvis®) bei Phreoryctes vom dritten Knoten der Bauch- kette an Andeutungen je einer vorderen und hinteren Abtheilung bemerkt, und diese Doppel- anschwellungen sind nach Timm!) besonders im Schwanzende scharf ausgeprägt. Es sollen umgekehrt der Ganglienknoten durchaus entbehren: die Bauchstränge von Euphrosyne und Polynoe pellucida nach Envers®), diejenigen von Polynoe lunulata*) und Arenicola nach ULAPaREDE®), derjenige von Naccocirrus nach BoBRETZKY’), ferner diejenigen von Terebella, Ammotrypane und Maldane nach SEMPER°), diejenigen von Polygordius und Oriodrilus nach Har- SCHEK®) und Fraımoxr!), derjenige von Terebellides nach Stern"), derjenige von Owenia nach Drasche ®), und derjenige von Ophelia nach Pruvor"). Nur in der hinteren Körperregion, im Bereiche des sogenannten Bauchschildes, schwillt der Bauchstrang, den Angaben VEDoYskY's") zufolge, bei Sternaspis zu Ganglien an, und bei Chaetopterus, nach CLArarepe ®), umgekehrt nur in der vorderen. Weder Ganglien noch Seitennerven liessen sich am Bauchstrange von Saccoeirrus nach BoBREIZKY!") sowie an demjenigen von Otenodrilus nach Kexxer”) beobachten. Ganz und gar fehlen soll endlich der Bauchstrang, Vespovsky’s'®) Untersuchungen zufolge, bei Aeolosoma. Nach alledem bietet die Topographie des Bauchstranges ebenso variable Verhältnisse dar wie das Gehirn. Der geringe systematische Werth des Annelidennerven- systemes musste natürlich Jedem, der sich mit vergleichenden Studien desselben beschäftigte, auffallen; es haben sich denn auch Urararepe"”) und Semper®) schon sehr bestimmt darüber ausgesprochen. Wenn ich hier noch einmal darauf zurückkam, so geschah es einmal in An- betracht der Verschiedenheit der speciell von mir in's Auge gefassten Gesichtspunkte und 1) 1. P. 3232 °C. p.48. 11) Sreen, J. Anat.-Histol. Unters. von Tere- 2). P.310. .c> Pr. bellides Stroemü. Dissert. Jena 1883. p. 35. 3)’ 1. p.. 308. e. p. 266. 12),1. D. 336. c. p- 13. A apealurrer nd 18) 12 p. Ab1r ec p:2310. S)RLAp- 3 Offene pad undels: 1A) p> 3222 cp ls: SEE ir (5 105 Van DER) 15) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) e. p.. 127. 7) Marıox et Borrerzey. KEtude des Anne- 16) Ip. Abbe. pr lides du Golfe de Marseille. Biblioth. Ecole Hautes 17) Kenner, J. Ueber Ctenodrilus pardalıs ete. Etudes. Seet. Sc. Nat. T. 13. 1875. p. 75. Arb. Z. Inst. Würzburg 5. Bd. 1882. p. 380. Sin Sp 932: c.2ps1 44, SEES p- Rabeze sp lid 9) 1. p. 351 (Stud. Entw. Gesch. Annel.) c. 19) 1..p- 308. (Rech. Annel. Sed.) c. p. 112. pe59. 2A 0) I ET an en 9 (Melk 1021. 92912 2.292289: ‘) Crararıpe zufolge sind in der Gruppe der Polynoiden in der Regel keine Ganglienknoten vorhanden. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 467 sodann auch im Hinblicke darauf, dass trotz solcher längst gemachter Erfahrungen doch immer wieder auf Grund einzelner Organsysteme phylogenetische Beziehungen klarzustellen versucht werden, ein Fehlgriff, dem kaum anders als durch fortgesetzte Betonung von 'Thatsachen wie die im Vorhergehenden erörterten begegnet werden kann. Im ersten "Theile sowie (zusammenfassend) im vorhergehenden Abschnitte dieses Theiles habe ich meine Ansichten über die Structur des Nervenmarkes der Capitelliden, und zwar hinsichtlich desjenigen Punktes, in dem sie von der vielfach herrschenden Lehre abweichen, so scharf hervorgehoben, dass ich nicht unterlassen darf, nun auch des entsprechenden Ver- haltens der übrigen Anneliden (respective Wirbellosen) zu gedenken. In Folge der Unmög- lichkeit, die betreffende Frage auf eine Gruppe einzuengen, mit anderen Worten, in Folge der grossen Uebereinstimmung des Nervenmarkes aller Wirbellosen, kommt eine so bedeutende Litteratur in Betracht, dass eine erschöpfende sachliche Darstellung hier nicht gegeben werden kann, was um so weniger als Mangel empfunden werden dürfte, als ja in mehreren Special- schriften neueren Datums derartige Uebersichten schon zusammengestellt worden sind‘) Ich werde also nur einige der zahlreichen Arbeiten, und zwar insbesondere derjenigen, welche die Punktsubstanz berücksichtigen, herausgreifen, in erster Linie natürlich diejenigen l.Ex DIG’S. Kann man doch ohne Uebertreibung sagen, dass nahezu alle in den letzten Jahrzehnten über die histologische Zusammensetzung des Nervensystemes der Wirbellosen erschienenen Schriften bewusst oder unbewusst durch LeyvısG beherrscht wurden. Mit Recht; denn dieser Forscher hat nicht nur das betreffende Wissensgebiet zum guten [heil erschlossen, sondern auch wie kein anderer zu dessen Ausbau beigetragen. Solch’ capitalen Leistungen gegenüber will es nicht viel sagen, wenn wir sie, auf bessere Forschungsmethoden gestützt, in Einzelheiten zu bekämpfen haben, was ich vorausschicke, damit das Nachfolgende im richtigen Lichte erscheine. Wie aus dem Vorhergehenden hinlänglich bekannt ist, halte ich speciell Levpic’s Ansichten über die Structur des Nervenmarkes, respective seine Definition des letzteren als »fibrillärer Punktsubstanz«, für durchaus verfehlt. Wenn wir die zahlreichen Schriften, in denen von der fibrillären Punktsubstanz die Rede ist, auch nur oberflächlich mit einander vergleichen, so werden wir gewahr, dass selten ein Autor eben dasselbe darunter versteht wie der andere. Proteusartig verwandelt sich diese Substanz unter den Augen der verschiedenen Beobachter, und die von ihr gegebenen Beschreibungen oder Abbildungen pflegen ebenso unfassbar zu sein wie der Begriff selbst. Daran ist nun vor Allem Leyviıc selbst schuld, indem er die fibrilläre Punktsubstanz so schwankend und widersprechend definirt hat, dass man sehr Verschiedenes und, was schlimmer, total Entgegengesetztes darunter verstehen konnte. Es lässt sich dies nicht anders, als durch wörtliche Anführung der betreffenden Definitionen beweisen und ich wähle zu diesem Behufe dasjenige Werk, in dem Leyvis wohl die ausführlichste Darstellung gegeben hat, nämlich sein Handbuch der vergleichenden Anatomie. *) Eine sehr eingehende derartige Uebersicht hat Vıcnar, W., in seinen Recherches Histologiques sur les Centres Nerveux de quelques Invertebrös. Arch. Z. Exper. (2) Tome 1. 1883. p. 267 gegeben. 59* 465 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Gelegentlich der Schilderung der Anneliden-Ganglienkugeln sagt er"): »Ich finde nämlich, dass die Ausläufer der centralen Ganglienzellen nicht unmittelbar als Nerven- fasern peripherisch gehen, sondern sich zunächst gegen ebenfalls central gelegene Anhäufungen einer fein - körnigen Substanz*) richten. Ehe sie in dieselbe eintreten, lösen sie sich in sehr feine Fibrillen auf, der Art, dass die breiten Stiele grosser Ganglienkugeln in eine Menge von Fäserchen zerfallen, die viel feiner als die Primitivfasern der peripherischen Nerven sind. Diese Elemente entstehen erst jenseits der moleculären Centralmasse und sind wahrscheinlich als neue Einheiten einer Anzahl der verschmolzenen Fäserchen zu betrachten. Die directe Beziehung, welche die sich auffasernden Fortsätze der Ganglienkugeln zu der centralen Punktmasse haben, erklärt auch die Erscheinung, dass man sich zwar die Stiele der Ganglienkörper bei jeder Präparationsart ohne Mühe zur Anschauung bringen kann, dass sie aber, will man sie weiter verfolgen, immer abreissen, was eben da geschieht, wo sie in die Punktmasse einsetzen. Daraus ergiebt sich also, dass ausser den Ganglienkugeln und den Nervenfasern noch als drittes nervöses Element eine Punktsubstanz anzunehmen ist, in welche die Fäserchen der Stiele der Ganglien- körper sich auflösen und aus welcher die eine Primitivfaser bildenden Fäserchen hervorgehen. Noch scheint mir bezüglich der eigentlichsten Zusammensetzung der Punktmasse durch Reagentien und starke gute Vergrösserungen ferner zu erforschen, ob nicht die Körnehen dieser Substanz durchweg linear ge- ordnet sind. Jedenfalls liess sich ein Uebergang der die sog. Primitivfasern zusammensetzenden Streifen in reine Punktmasse schon jetzt verfolgen« ete. Sodann bei Beschreibung?) der Nerven: »Die Nerven wirbelloser 'Thiere zeigen häufig eine sehr geringe Differenzirung zu faserigen Kle- inenten, so dass man für solche Fälle auch besser von eimer fibrillären Punktsubstanz, anstatt von eigentlichen Nervenfasern spricht. Und speciell von den Nerven der Lumbrieinen): ».. 2... so begegnet man bei den Lumbrieinen diesen scharf ausgeprägten Fibrillen nicht, sondern der Inhalt der peripherischen Nerven besteht aus einer Mischung feiner Fäserchen und einer Punktsubstanz, die allerdings zum "Theil wieder fıbrillär geordnet sein kann.« Ferner in dem Kapitel Arthropoden'): »Bei den Iuliden z. B. hat das Bauchmark nicht blos die mehrmals erwähnte Aehnlichkeit mit dem der Lumbrieinen, sondern wie diese auch in den Nerven keine eigentlichen Fıbrillen, sondern nur fibrilläre Punktsubstanz. Die eben genannte Substanz ist der eigentliche Grundstoff der Nervenfasern, die wesentliche Nervenmaterie. Zwischen ihr und den Neıvenfasern besteht der Unterschied, dass bei den Nervenfasern Längszüge der fibrillären Punktsubstanz zu neuen Einheiten sich zusammenthun, wobei die Abgrenzung gegeneinander, ähnlich wie am Protoplasma der Ganglienkugel, nur durch festere Rindenbildung erfolgt, oder durch Auftreten von Nervenscheiden, die aber der Nervenmaterie fremde "Theile und Bindesubstanz sind.« Eine Seite weiterhin’): „Ausser den Ganglienkugeln der einfach fibrillären Materie und den daraus zusammengesetzten Nervenfasern giebt es noch einen dritten elementaren Formbestandtheil der Nervenmasse: es ist Punktsub- stanz von netz- oder geflechtartig gestricktem Charakter. Dieselbe gehört den Nervencentren, dem Gehirn und Bauchganglien an. Sie nimmt die Mitte der Ganglien ein; gegen diese centrale Punkt- substanz richten sich die Stiele der Ganglienkugeln, um ihre fibrilläre Materie dort beizumengen, und aus l. p. 463. c. p. 152 und 153. 1792 469. cap. 103 l. p. 463. c. p. 154. l. p. 463. c. p. 225. Sr epmA6sirepe 226: *) Diese sowie die meisten der folgenden Hervorhebungen durch gesperrten Druck rühren nicht vom citirten Autor, sondern vom Verfasser der vorliegenden Monographie her. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 469 diesen centralen Herden von Punktmasse geht erst die einfach streifige Substanz der peripherischen Nerven hervor.« öndlich im Kapitel Nervengewebe' »Ich glaube mich nämlich mehrmals und zwar am ehesten an Glycerin-Präparaten überzeugt zu haben, dass der Punktsubstanz insofern eine gewisse Structur zukommt, dass die sie zusammen- setzenden Körnchen zu netzförmig gestrickten Fäserchen, mit anderen Worten zu einem Gewirr feinster Fäserchen geordnet seien.« Wenn wir allein die in den ersten Citaten enthaltenen Epitheta wie »feinkörnige Sub- stanz«, »moleculäre Centralmasse«, »centrale Punktmasse« und » Punktsubstanz« in’s Auge fassen, so können wir keinen Augenblick darüber im Zweifel bleiben, was wir uns darunter vorzu- stellen haben, nämlich eine aus discreten, kleinen Körperchen bestehende Masse. Auch von »Körnchen der Punktmasse, die durchweg linear geordnet sind«, kann sich jeder ein Bild ent- werfen. Wie aber »Punktsubstanz von netz- oder geflechtartig gestricktem Charakter« zu Stande kommen, wie aus »Körnchen der Punktsubstanz« netzförmig gestrickte Fäserchen oder Gewirre feinster Fäserchen entstehen sollen, habe ich wenigstens niemals einzusehen vermocht. Faser, Netz, Geflecht drückt Continuität — Punkt, Korn, Molekel drückt das Gegentheil davon aus. Hierin liegt der erwähnte Widerspruch und der stillschweigenden Fortpflanzung eben dieses letzteren ist es zuzuschreiben, dass unter der Haube der fibrillären Punktsubstanz durch- aus Eintgegengesetztes, Wahres und Falsches so lange nebeneinander existiren konnte. Leyvıc mag zu dem Gegensatze etwa so gekommen sein: er fand zunächst auf Schnitten, überhaupt an stark durch Reagentien veränderten Präparaten das trügerische Bild der Punktsubstanz, sodann traf er auch an besseren Präparaten das allein Richtige, dem lebenden Zustande Entsprechende, nämlich das von geflechtartig gestricktem Charakter, und um beide zu versöhnen, hat er eben letzteres seiner unveräusserlichsten Merkmale, der Continuität, entkleidet, indem er ihm an Stelle der Faser den Punkt zu Grunde legte. Wie dem aber auch sein mag, ich habe mich stets an den Namen gehalten und unter »Punktmasse« oder »Punktsubstanz« (unbekümmert um das angehängte, in der Combination unmögliche Prädicat »fibrillär«) Punkte verstanden, und in diesem Sinne habe ich einer bereits im Jahre 1879 veröffentlichten Abhandlung die Anmerkung beigefügt?) »Ich werde in dem Kapitel » Nervensystem« der später erscheinenden Monographie zu beweisen ver- suchen, dass die von LeypıG und Anderen sogenannte »fibrilläre Punktsubstanz« dadurch zu Stande kommt, dass diese in dem Fasergerüste gelegenen, überaus vergänglichen Körner zerfallen und unter der Form einer fein granulirten Substanz die durch die vielfach verzweigten Nervenfibrillen zu Stande kommenden Maschen ausfüllen «. Wie aber viele Autoren, trotzdem sie von » Punktsubstanz« reden, wenigstens bezüglich der Continuität der Fibrillen, einer ähnlichen Auffassung huldigen, dafür will ich nur zwei Beispiele anführen: Dierw®) schreibt: Vekop-rA6s3zc. p. Il. 2) 12 p..76.:e. p. 288: 3) Dısww, M. Unters. über die Organisation des Gehirns wirbelloser Thiere. 1. Abtheilung. Sitz, Ber. Akad. Wien. 77. Bd. 1878. p. 487. 470 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. »In der Regel ziehen die Ausläufer der Zellen in jene eigenthümliche centrale Partie, die von Leyvıs Punktsubstanz genannt wurde. Soweit ıch meine Erfahrungen darüber befragen kann, stellt diese Punkt- substanz stets ein gröberes oder feineres, unentwirrbares Netzwerk feinster Fibrillen vor. Leyvıc selbst wollte den Ausdruck »Punktsubstanz« nicht wörtlich genommen wissen, er deutet sie in gleicher Weise«. Ferner Krieger"): »Doch was ist diese Punktsubstanz? Meine Untersuchungen haben mich zu demselben Resultate geführt, zu dem Leyvıs und Diers kamen, das weiter von H. Scnurrzs und BeLvoxcı bestätigt wurde. Die Punktsubstanz ist ein Netzwerk, oder vielleicht richtiger ein Filz von feinsten Fasern.« Kann man die Verwirrung weiter treiben? Diers findet, dass das Nervenmark, nicht wie Leyvis will, aus so oder so angeordneten Molekeln, sondern aus einem unentwirrbaren Netz- werke feinster Fibrillen bestehe, meint aber, Leyvıs sei nicht so wörtlich zu nehmen, indem er schliesslich dasselbe wolle, und Krırser, der nun wiederum Diers bestätigt, führt Leyvıs geradezu in einer Reihe mit denjenigen auf, die das Nervenmark als Netzwerk oder Filz feinster Fasern gedeutet haben! Es fehlte aber auch nicht an solchen, die ihre Befunde bestimmt und correct dar- stellten. So erklärte Hermann’) in seiner bekannten Arbeit über das Nervensystem von Hirudo: »Aus dem nun Angeführten ist zu ersehen, dass ich betreffs des Baues der Nervenfaser mit WALDEYER insbesondere hier des Blutegels — eine feine Fibrille ist. Der Durchmesser derselben beträgt ®/,— 1 u. Diese Fibrille finde ich auch bei anderen wirbellosen Thieren als letzten Formbestandtheil« ete. darın übereinstimme, dass das letzte Formelement der Nerven wirbelloser Thiere Und Micners®) konnte es, nachdem er die fibrilläre Structur des Insecten-Bauchmarkes erkannt hatte, offenbar eben so wenig wie ich fertig bringen, diese seine Auffassung mit der conträren Leypic's in Einklang zu setzen, oder Levyvis gar als Vertreter eines ihm total ent- gegengesetzten Standpunktes zu eitiren; vielmehr hebt er, den 'I'hatsachen entsprechend, die Divergenz beider Standpunkte scharf hervor. Er sagt nämlich: »Obwohl bei Behandlung des Bauchmarkes mit Glycerin und Kalilauge unter Anwendung eines ge- ringen Druckes auch hier ein ähnliches Bild entsteht, wie es LuypıG von anderen Insekten abbildet, so scheint mir doch der Name »Fasersubstanz« zutreffender, weil ich nach Anfertigung von Längs- und Quer- schnitten eine molekuläre Punktmasse, wie LeypıG sie von den Nervencentren der Arthropoden beschreibt, nicht habe auffinden können, vielmehr immer nur mannigfach sich durchsetzende Längs- und Querfaserzüge wahrzunehmen im Stande gewesen bin.« Eben so ablehnend erklärte sich endlich der Punktsubstanz gegenüber, wie aus der weiterhin folgenden Darstellung“) noch hervorgehen wird, Harzer. In seinem neuesten etwa 20 Jahre nach dem Erscheinen der Vergleichenden Anatomie veröffentlichten Werke über »Zelle und Gewebe« hat uns Leypıc mit einer total veränderten Darstellung der Structur des Nervensystemes überrascht. Das Wesentliche ist in folgenden Sätzen enthalten: a) Vergl. p. 474. l) Krieger, K. Ueber das Centralnervensystem des Flusskrebses. Zeit. Wiss. Z. 33. Bd. 1880. p. 540. 2) Hermann, E. Das Oentral-Nervensystem von ZHirudo Medieinalis. München 1875. p. 55. 2 ) Micners, H. DBeschr. des Nervensystems von Oryetes nasicornis ete. Zeit. wiss. Z. 34. Bd. 1880. p. 675 IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 471 »Für'!) mich hat es sich vor Allem darum gehandelt, an die Wahrnehmungen anzuknüpfen, welche ich bezüglich des Abganges der Nerven von den grossen Ganglienzellen des Gehirns bei Gastropoden ge- macht hatte. Dort nämlich wurde erkannt, dass im Innern der Abgangsstelle eines bandartig platten Nerven- fortsatzes, nach der Lagerung der Faserlinien zur Nervensubstanz der wesentliche weichere Theil der Nerven- materie als Fortsetzung anzusehen ist jener homogenen, fast weichen Substanz — Hiyaloplasma — welche zwischen dem Balkennetz des Spongioplasma sich befindet; und ebenso, dass die stofflich festeren Streifen- zuge im Nerven nur zum Gerüstwerke dienen.« »Bei?) Aulostomum gewähren unter Anwendung der gewöhnlichen Linsen die Nervenfasern den tindruck einer körnigstreifigen Materie. Die jetzt möglichen Vergrösserungen lassen aber finden, dass das »Streifige« von Längszügen eines schwammigen Gerüstes herrührt und das »Körnige« auf die Knotenpunkte eines feineren Zwischennetzes zu deuten ist. Die Haupt- und Längszüge des Maschenwerkes rufen die Abgrenzung in »Fibrillen« hervor, aber zwischendurch zieht ein zartes Schwammgefüge, in dessen Räumen die homogene, eigentliche Nervensubstanz enthalten ist.« »Die3) »Fibrillen« sind Gerüstbildungen und Umwandlungen des Spongioplasma, die »interfibrilläre Substanz« ist die eigentliche Nervenmaterie und Fortsetzung des Hyaloplasma.« Nachdem ich diese neue Auffassung Leypie’s kennen gelernt, insbesondere nachdem ich den Passus »dass das Streifige von Längszügen eines schwammigen Gerüstes herrührt und Oo das »Körnige« auf die Knotenpunkte eines feineren Zwischennetzes zu deuten ist« gelesen hatte, schien mir damit die »fibrilläre Punktsubstanz« von ihrem Urheber selbst endgültig ver- lassen. Wo sollte auch in dem nun als Spongio- und Hyaloplasma definirten Nervenmarke Raum für die frühere Punktsubstanz sein? Ich hatte mich getäuscht, denn wenige Seiten weiterhin ') ist zu lesen: »Die Darstellung, welche ich früher über die Weise des Zusammenhanges zwischen Ganghenkugeln und Nervenfasern gab, halte ich auch jetzt noch durchaus aufrecht, insbesondere auch Dasjenige, was ich über die im Gehirn und dem Bauchganglion gleichsam dazwischen geschobene Molecularmasse ausgesagt habe. Ich bezeichnete dieselbe wegen des Aussehens im Allgemeinen als Punktsubstanz und gab ausdrück- lich an, dass sie von netz- oder geflechtartig gestricktem Charakter« sei; sie nehme die Mitte der Ganglien ein, die Ganglienkugeln richteten die Stiele gegen gedachte Partie, um ihre fibrilläre Materie ihr beizu- mengen, und aus diesen centralen Heerden von Punktmasse gehe die einfach streifige Substanz der peri- pherischen Nerven hervor. ‚Wie das letztere geschehe, habe ich mit den zu Gebote stehenden ILülfsmitteln und den vorangegangenen Erfahrungen jetzt näher zu bestimmen vermocht. Sowohl an frischen, als auch an Härtungspräparaten ist das protoplasmatische Netz- oder richtiger Schwammwerk deutlich zu erkennen, und so viel mich die vergleichende Beobachtung bei Insecten aus ver- schiedenen Ordnungen gelehrt hat, sind die Maschenräume so ziemlich von gleichem Durchmesser; das Netz ist überall eng und dicht. Wo nun Nervenursprünge gesetzt sind, ordnet sich das Balkenwerk zu Längs- streifen, die zwischen sich die homogene Grundsubstanz ebenso aufnehmen, als es in dem sich durch- kreuzenden Maschenwerk geschehen war. Feinste Zäckchen an den Streifen weisen dabei immer noch darauf hin, dass das Fachwerk, welches jetzt die eigentliche Nervensubstanz aufgenommen hat, einfach Kort- setzung und Umbildung des schwammigen Protoplasma ist.« Die Möglichkeit des Versuches, das nun als continuirliches Netz- oder Schwammwerk erkannte Nervenmark mit der »fibrillären Punktsubstanz« in Einklang zu bringen, ist lediglich der früheren, schwankenden und widersprechenden Definition der letzteren zuzuschreiben. LeyvıG beruft sich eben darauf, dass er ausdrücklich angegeben habe, die Punktsubstanz It pe3l9. ce px 165: IEprzaikdrr c.2p..166. Iapr Ser p. 173. kepe 319, ©. p. 178. 473 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. sei von netz- oder geflechtartig gestricktem Charakter! Würde es sich fortan nur um LeypıG handeln, so könnten wir uns ja beruhigt fühlen, da er nun trotz Beibehaltung des alten Terminus in der Sache wenigstens dasselbe meint wie wir; aber die Anderen, die weniger Eingeweihten, werden, dem Gesetze der 'Trägheit gemäss, auch weiter in allen Cultursprachen fortfahren, das Nervenmark mit dem bequemen Auskunftsmittel »fibrilläre Punktsubstanz« ab- zuthun. Doch lassen wir nun diese Substanz bei Seite, um uns mit der neuen, die bisherigen Ansichten über das Nervenmark zum guten Theil in Frage stellenden Interpretirungen Leyvig’s, wie sie in obigen Auszügen enthalten sind, zu beschäftigen. Ich erkläre zunächst, dass ich auf Grund meiner Erfahrungen diese neue Lehre vom Spongio- und Hyaloplasma für ebenso verfehlt halte, wie diejenige von der fibrillären Punkt- substanz; um so nachdrücklicher erkläre ich das, als es sich hier nicht etwa nur um die Nervenmarkstructur dieser oder jener Annelide, sondern um diejenige aller Wirbellosen, ja sogar um ein gutes "Theil derjenigen der Wirbelthiere handelt; denn Levyvıs') dehnt die im Vorhergehenden wiedergegebenen Ansichten auch auf die »graue Substanz« des Verte- bratennervensystemes aus, so dass die hier in Frage kommenden Verhältnisse sich unmittelbar denjenigen anschliessen, welche den alten Streit um die histologische Dignität der »Neuroglia« hervorgerufen haben. Bevor ich zur Mittheilung dessen übergehe, was diesen Widerspruch zu rechtfertigen hat, sei noch erwähnt, dass Nansen zu ganz ähnlichen Resultaten wie Leyvıs gekommen ist. In seiner Monographie des Myzostomum?) erklärt er nämlich: The fibrillar appearance of the commissures, as well as that of peripherie nerves, is occasioned by the spongioplasm which encloses, and isolates, the hyaloplasm into tubes. J think, therefore — as Leyvis states — that the French designation »tubes nerveuses« is a more correct one than »die Fibrillen« of the German scientists «. Ferner: »I'he fibrillar mass of the longitudinal commissures is composed of nervous tubes, passing, transver- sally, into the nerves, and, longitudinally, along the whole length of the commissures; and also, of a fibrillar reticulation extending throughout the commissures, but especially situated in their centre. This fibrillar reti- eulation is constructed, I believe, partly ofthe fibrils or branchlets, issuing from the cell-prolongations passing direetly into the nerves, and partly, from the cell prolongations loosening themselves up into this retieulation, one of whose purposes is, I think, to promote communication between the various tubes and the different parts of the nervous system. I am not disposed to assume that this retieulation has such a spongious nature as LeypıG supposes. 1 think that there are more-isolated fibrils, or slender tubes, constructed in much the same way as the tubes of the nerves, with a cord of hyaloplasm enelosed in spongioplasm: these fibrils are, however intimately, interlaced with each other and between the longitudinal and transversal nervous-tubes, and have thus, a very complex course which, in transverse sections give rise to a spongious appearance.« Ganz ähnlich sollen sich diesem Autor’) zufolge die entsprechenden Theile des Nerven- systemes von Ascidia und Mywine verhalten. Würden Leyvis und Nansen das Richtige treffen, so wäre die grosse Mehrzahl aller NEE Ieres pre 2) Nansen, F. Bidrag til Myzostomernes Anatomi og Histologi. Bergens Museum. Bergen 18S5. English Resume p. 74. 3) Nansen, F. Preliminary Communication on some Investigations upon the Histological Structure of the Central Nervous System in the Ascidia and in Myzxine glutinosa. Ann. Mag. N. H. (5) Vol. 18. 1886. p. 209. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. b. Der Bauchstrang. 479 bisherigen Schriften über die Structur des Nervenmarkes insofern elementar verfehlt, als in ihnen die »bindegewebigen Nervenröhren« oder das Spongioplasma irrthümlich für Nerven- fibrillen gehalten und der Inhalt dieser Röhren, die eigentliche Nervensubstanz oder das Hyalo- plasma, übersehen, respective nicht gewürdigt worden war. Dasselbe gälte natürlich für meine im ersten Theile dieser Monographie gegebene Beschreibung des Nervenmarkes aller Capitelliden. Was ich wörtlich und bildlich als Nervenfibrillen-Netz dargestellt habe, wären in Wirklichkeit keine Nervenfibrillen, sondern bindegewebige Röhren. Nur könnte man in diesem Falle nicht sagen, dass ich mich gegen den in den Maschen des Netzwerkes enthaltenen Theil, der als Hyaloplasma allein den nervösen darstellen soll, gleichgültig verhalten hätte. Wurde doch ausdrücklich wiederholt von mir hervorgehoben, dass die Maschen des Netzwerkes theils von Plasma, theils von sogenannten Körnern ausgefüllt zu sein pflegen und dass es gerade die Gerinnungs- und Zerfallsproducte dieses Inhalts seien, welche nebst den Excretbläschen und Fibrillenquerschnitten die »fibrilläre Punktsubstanz« vorspiegelten. Fermer kann, wenn bei den Capitelliden von bindegewebigen Structuren die Rede sein soll, nur das Neurilemma in Frage kommen, da die Ganglienzellen durchaus nackt sind und ebenso wie das Mark ausschliesslich vom Neurilemma umhüllt werden. Im Hinblicke auf unseren speciellen Fall spitzt sich also die Frage dahin zu, ob das Fibrillennetz des Markes, welches ich als continuirlich sowohl mit den Ausläufern der Ganglienzellen, als mit den Fibrillen der pert- pherischen Nerven zusammenhängend fand, in Wahrheit ein feinstes Neurilemm- gerüste darstelle und ob das, was dieses vermeintliche Gerüste einschliesst, erst als die wahre nervöse Substanz zu betrachten sei. Abgesehen von der schon hervorgehobenen Thatsache, dass ich als Inhalt des vermeint- lich bindegewebigen Gerüstes keine nervöse Substanz, kein mit den zelligen Elementen zu- sammenhängendes »Hyaloplasma«, sondern abwechselnd Körner, Excretbläschen und eine nicht näher zu definirende, gerinnbare Flüssigkeit (Plasma) antraf, gebe ich nun folgende andere, mit der Leypıc-Nansensschen Auffassung durchaus unvereinbare Punkte zu bedenken. Erstens: Wenn wir auch angesichts von Bildern wie Fig. 2, Tafel 21 oder Fig. 5, Tafel 9 zweifelhaft bleiben können, wo das Gerüstwerk des Neurilemmas aufhört und das Netzwerk der Nervenfibrillen anfängt, so ist doch ein solcher Zweifel zum Beispiel Fig. 15, Tafel 9 gegenüber ausgeschlossen; denn an dem dieser Figur zu Grunde liegenden, vom Abdomenende eines Notomastus stammenden Präparate ist das Neurilemma nur als dünnes, den ganzen Bauch- strang umhüllendes Blatt erkennbar, von welchem noch gar keine Fortsätze in das Mark hinein gewuchert sind. Die mit der Entwickelung des Neurilemmas stets gleichen Schritt haltenden, weiter vorm so mächtig auftretenden Neurochordröhren sind denn auch dementsprechend nur ganz geringfügig vertreten. Gleichwohl zeigt das Mark schon dasselbe fibrilläre Netzwerk wie da, wo das Neurilemmfachwerk vollständig ausgebildet ist. Wo sollte in diesem Falle das fibrilläre Netzwerk, wenn es bindegewebiger, respective neurilemmatischer Natur wäre, herkommen? Dasselbe gilt für das Nervenmark des acölomatisch gelegenen Bauchstranges von Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 60 474 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Heteromastus \und theilweise auch Capitella), wo trotz des fast gänzlichen Mangels von Neu- rilemma-Scheidewänden dieselbe netzförmige Structur der Nervenfibrillen durchgeführt ist. /weitens: Ich habe sowohl netzförmig verflochtene, als auch mehr gestreckt ver- laufende Fibrillen isolirt (letztere bis zu einer Länge von 200 p); wie wäre das möglich, wenn die Fibrillenmaschen geschlossene Nervenröhren, respective ein das Hyaloplasma einschliessendes Fachwerk darstellten ? Drittens: Die Ausläufer der gewöhnlichen Ganglienzellen (also abgesehen von den Neurochordzellen oder Riesenzellen) pflegen selten | x im Durchmesser zu überschreiten, ebenso die aus dem Marke entspringenden, nahezu gerade verlaufenden Seitennerven-Ursprünge, wo- gegen die Maschen des Netzwerkes (die also das vermeintliche Hyaloplasma oder die eigent- oO liche Nervensubstanz einschliessen sollen) zwischen 2 und 6 pe schwanken. Wie ist eine Verbindung zwischen diesen I p nicht überschreitenden Ganglienzellenausläufern und den 1 selten erreichenden Seitennerven-Anfängen einer- und den 2—6p messenden Maschen andererseits denkbar? Unschwer begreift sich dagegen diese Verbindung, wenn man die Fibrillen des Netzes als den nervösen Bestandtheil gelten lässt, da ihre Durchmesser vom Unmessbaren bis I p schwankend befunden werden. Hierzu kommt noch, dass ich mit Fibrillen des Netzwerkes in Verbindung stehende Ganglienzellen und Körner zu isoliren vermochte, was doch, wenn dieses Netzwerk bindegewebiger Natur wäre, unmöglich hätte gelingen können. Es bleibtalso nach alledem gegenüber dem LeyvıG-Nansen’ schen Versuch, das Fibrillennetz zu einer bindegewebigen Bildung herabzudrücken, die alte, wenigstens für das Nervenmark der Wirbellosen herrschend gebliebene Auf- fassung, derzufolge dieses Netz einen rein nervösen Charakter darbietet, zu Recht bestehen. Seit der Publication von Leyvig’s »Zelle und Gewebe« sind nur noch zwei Arbeiten erschienen, welche sich in speciellerer Weise mit der Structur des Nervensystemes (von Wirbellosen) beschäftigt haben; die eine ist die schon erwähnte von Nansen, die andere ist von HALtER. Während sich Nansen ganz auf den Standpunkt Leyvig’s stellt, kommt Hatver um- gekehrt zu total entgegengesetzten Ansichten, und zwar, wie ich gleich constatiren will, zu solchen, die mit den in dieser Monographie vertretenen in erfreulicher Weise übereinstimmen; ich sage in erfreulicher Weise, weil das Untersuchungsobjeet Harzer’s in Mollusken, das meinige in Anneliden bestand und demgemäss das übereinstimmende Verhalten eine allge- meinere Geltung der gewonnenen Resultate verbürgt. Harver') kommt nämlich auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen über das Nervenmark, welches er als »centrales Nervennetz« bezeichnet, zu dem Schlusse: »Demnach findet sich im Kerntheile des Centralnervensystemes der Rhipidoglossen weder sogenannte I) Harver, B. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. II. Textur des Centralnervensystemes und seiner Hüllen, Morph. Jahrb. 11. Bd. 1886. p. 361. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 475 Punktsubstanz, noch die bei den Vertebraten vorkommende Vircrmow’sche Neuroglia vor, sondern das Ganze wird von einem subtilen Nervennetze ausgefüllt, dessen Ursprung die Ganglienzellen sind.« In einer neuesten Mittheilung versucht freilich derselbe Autor!) die Gegensätze dadurch zu vermitteln, dass er die » Leypie’'sche Punktsubstanz« mit den bindegewebigen T'heilen des Nervensystemes identificirt. Was damit bezweckt werden soll oder kann, habe ich mich ver- gebens einzusehen bemüht. In Anbetracht der von mir den Körnern beigelegten Bedeutung ist es von Interesse zu erfahren, dass auch andere Forscher, und zwar von Nervensystemen sehr verschiedener Thiergruppen, ähnliche Elemente beschrieben haben. In einer früheren Mittheilung?) wurden bereits dahin einschlagende Arbeiten von Rankt und Oraus, beide Heteropoden betreffend, erwähnt; heute füge ich aus der inzwischen so stark angewachsenen Literatur nur zwei weitere sich (trotz des systematischen Abstandes der Objeete) durch schlagende Uebereinstimmung aus- zeichnende Belege an. Krieger’) führt als dritte Kategorie von Ganglienzellen des Flusskrebses auf: ‚Sehr kleine kernartige Elemente mit Fortsätzen. Protoplasma ist überhaupt nicht mehr nachzu- weisen. Inhalt stark liehtbrechend, mit feiner Körnelung, aber ohne besonders hervortretende Kernkörperchen. Bilden keine Lager, sondern finden sich in der Rinde verschiedener Punktsubstanzballen.« Lang!) schreibt von dem Nervensysteme der Seeplanarien: »So finden wir ferner solche Ganglienzellkerne, wo kein Plasmabeleg mehr unterscheidbar ist und die Faser direct an den Kern herantritt, der indess immer seine scharfen Contouren beibehält. Ausser den verschiedenartigen Ganglienzellen kommen noch verschiedene Qualitäten von Faserkernen vor, unter denen wir hier besonders charakteristische körnige Kerne hervorheben, die sich stärker färben, rund sind, keine Kernkörperchen besitzen und die, an den Ursprungsstellen der Sinnesnerven in grosser Zahl vorhanden, jene vorderen, gelappten, feinkörnigen Anhangsmassen des Gehirnes bilden, welche Kurkrsrein entdeckte, ohne über ihre Bedeutung in’s Klare zu kommen. Auch der kleinen, den Ausläufern der Ganglienzellen anlıe- genden Kerne müssen wir, als allgemein vorkommend, Erwähnung thun.« Bezüglich des so vielfach discutirten Ursprunges der peripherischen Nerven möchte ich an dieser Stelle nur hervorheben, dass meinen Erfahrungen nach diese Nerven sowohl direet aus Ganglienzellen, als auch aus dem Marke Fibrillen zugesandt erhalten, ein Resultat, welches mit den Ergebnissen der neueren und eingehenderen in Betracht kommenden Arbeiten durchaus übereinstimmt. Ich gehe nun zum Vergleiche der Neurochorde über und zwar zunächst im Kreise der Anneliden. SPENGEL°) hat in einem wichtigen, vor mehreren Jahren publieirten Beitrage zur vor- liegenden Frage das bis dahin bekannt Gewordene in Form einer chronologisch geordneten Litteraturliste zusammengestellt. Er begründet diesen Modus mit den Worten: »Statt einer 1) Hatter, B. Untersuchungen über die sog. Levyvıs'sche Punktsubstanz im Centralnervensystem. Morph, Jahrb. 12. Bd. 1886. p. 325. 2) 1. p. 76. e. p. 288. Anmerkung 2. Sl. p. A70r.e. p., 536. 4) 1. p- 370. e. p. 183. Selen. S10r.c. p. Al, 60* 476 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. eingehenden Darstellung der historischen Entwickelung unserer Kenntnisse von diesen Gebilden, welche kein dem beanspruchten Raume entsprechendes Resultat liefern würde, gebe ich eine Zusammenstellung der darauf bezüglichen Litteratur in chronologischer Anordnung mit kurzen Hinweisen auf die von dem jedesmaligen Verfasser acceptirte Deutung respective Be- zeichnung« etc. Ich habe keine Veranlassung von diesem Modus abzuweichen, indem sich auch heute noch alle die über die Neurochorde zum Ausdruck gekommenen Ansichten auf die von meh- reren tonangebenden Forschern vertretenen zurückführen lassen. Indem ich also auf die erwähnte SpexGersche, bis 1SS0 reichende Liste verweise, gebe ich im Nachfolgenden eine bis heute reichende Fortsetzung des mir zu Gesicht Gekommenen, wobei ich auch die vier Autoren berücksichtige, welche schon Levypis') zur Vervollständigung des betreffenden Ver- zeichnisses aufgeführt hat. Von SpeEnGer übersehen wurde: 1871. Kowauevsky, A. Embryologische Studien an Würmern und Arthropoden. Separatum aus Mem. Acad. Se. Petersbourg (7) Tome 16, p. 20. Euazxes. »Chorda dorsalis. Entwickelung aus Mesoblast«. 1879. ScHULTZE, H. Die fibrilläre Structur der Nervenelemente bei Wirbellosen. Arch. Mikr. Anat. 16. Bd. p. 106. Zumbrieus. »Riesige dunkelrandige Fasern mit centralem Fibrillenbündelc. Fortsetzung der SpenGerschen Liste: 1550. Burscrmnsky, P. Ueber die gemeinschaftlichen Züge in der Bildung des Nervensystems der Wirbel- thiere und der Ringelwürmer. Notizen k. Neurussischen Universität. 31. Bd. Lumbrieus. »Chorda«. (Russisch.) Zur Frage über die Entwickelung des Regenwurmes. Not. Neuruss. Naturf. Ges. 7. Bd. »Chordac. »Entwickelung aus Mesoblast«. (Russisch.) LS831.2 — PERRIER, BP. ütudes sur V’Organısation des Lombriciens terrestres. IV Pontodrilus. Arch. 2. ‘per. Tome 9. p. 228. Pontodrilus. »Chorda«. Ex l VEIDOVSKY, F. Unters. über die Anatomie, Physiologie und Entwickelung von Sternaspis. Sepa- ’ o >- ratum aus Denkschr. Akad. Wien. 43. Bd. p. 21. Poly- und Öligochaeten. »Neurochord«. 1553. Brpparn, F. E. On the Anatomy and Histology of Pleurochaeta Moseleyi. Trans. R. Soc. Edin- bourgh Vol. 30. Part. 2. p. 499. Pleurochaeta. »Longitudinal tubes«. Bünow, C. Die Keimschichten des wachsenden Schwanzendes von Zaumbrieulus variegatus etc. Zeit. wiss. 7. 39. Bd. p. 92. Oligochaeten. »Nicht nervöser Natur; dienen dem Körper als elastische Stütze; der Chorda dorsalis nicht homolog«. Jacopy, R. Anat.-histol. Unters. der Polydoren der Kieler Bucht. Dissert. p. 24. Polydora. »Mit nervensubstanzähnlicher Masse angefüllte Röhrenfasern«. STEEN, F. Anat.-IHistol. Unters. von Terebellides Stroemü. Dissert. p. 37. Terebelhdes. »Neuralkanäle«. VIGNAL, W. Recherches Hıstol. sur les Uentres nerveux de quelques Invertebres. Arch. Z. Exper. (2) Tome 1. p. 107. Oligochaeten. »Tubes nerveux Geants; Nervenreaction; stehen in Beziehung mit dem fibrillären Theil des Bauchstranges«. 1554. Vnspovsky, F. System und Morphologie der Oligochaeten. Prag. p. 56, S7, 92 und 93. Oligo- chaeten. »Neurochord; ursprünglich bindegewebiger Strang: der Chorda dorsalis IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 477 nicht homolog; Function: Accommodationsapparat, welcher zur Erhaltung des Bauch- stranges in einer starreren Lage während der Krümmungen und Zusammenziehungen des Körpers dient; Entwickelung aus Mesoblast«. 1885. Levoıs, F. Zelle und Gewebe, Neue Beiträge zur Histologie des Thierkörpers. Bonn. ZLum- brieus. »Riesige Nervenfasern«. en Pruvor, G. Recherches Anatom. et Morphol. sur le Systeme nerveux des Annelides Poly- chetes. Arch. Z. Exper. (2) Tome 3. p. 239 Nephthys, p. 264 Hyalinoeeia, p. 282 Eunice, p. 315 Sabella. »Canaux«, »tubes göantsc. 5 CUNNINGHAM, J. The significance of Kurrrer’s Vesiele with remarks on other questions of Verte- brate Morphology. Q. Journ. Mier. Se. (2) Vol. 25. p. 12. Lambrieus. »Chorda dorsalıs«. 1556. Ronpse, E. Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Chaetopoden. Separatum aus Sıtz.-Ber. Akad. Berlin. 39. Bd. Aphroditeen (Aphrodite, IHHermione, Sthe- nelais, Sigalion, Polymoe). »Colossale Nervenfasern; Verbindung mit colossalen Ganglienzellen«. Levis, F. Die riesigen Nervenröhren im Bauchmark der Ringelwürmer. 7. Anzeiger Jahrg. 1SS6. p. 591. Emhält nichts wesentlich von den früheren Ansichten des Autors Abweichendes. ee Emery, C. La Regeneration des segments posterieurs du Corps chez quelques Annelides poly- chetes. Arch. Ital. Biol. Tome 7. p. 396. »Fibres tubulaires colossales« von Nephthys. Stellen unter sich ecommunicirende Röhren dar, welche in metamerer Folge Seiten- äste abgeben. Sie haben Nichts mit Nervengebilden zu thun, stellen vielmehr wahrscheinlich eine Art von Lymphgefässen dar«. Wenn wir nun die vorstehende Liste im Anschlusse an die durch SpExGErL zusammen- gestellte überblicken, so lassen sich folgende vier bis auf den heutigen Tag unabhängig neben- einander hergehende Auffassungen über die Natur und Bedeutung der Neurochorde constatiren. Nach der ersten durch Leypıs begründeten stellen sie Nervenfasern, und zwar riesige, dunkelrandige, markhaltige Nervenfasern dar. Einer zweiten von Kowarevsky herstammenden, sich vorwiegend auf die Lagerungs- verhältnisse und die Entwiekelungsweise der Neurochorde stützenden Doctrin zufolge haben wir es mit Gebilden zu thun, welche functionell und genetisch der Chorda dorsalis der Verte- braten zu vergleichen sind. Eine dritte von CrArarkde imaugurirte und weiterhin vorwiegend von Enters aufge- nommene Richtung betont die Kanalnatur der Neurochorde und bringt das Problematische unserer Kenntnisse über dieselben durch Namen wie Axenkanäle, centrale Kanäle, Neural- kanäle etc. zum Ausdrucke. Die schärfste Betonung fand jedoch dieser Standpunkt von Seiten SEMPER's, der, nachdem er ursprünglich die Neurochorde ebenfalls der Chorda dorsalis ver- glichen hatte, diesen Vergleich wieder aufgab und sich zur selben Zeit auch gegen ihre ner- vöse Natur aussprach. Besonders hervorgehoben zu werden verdient, dass er, sowie später SPENGEL, die Frage aufwarf, ob in Anbetracht ihrer grossen Structur- und Lagerungsver- schiedenheiten alle die hierhergerechneten Bildungen in der 'That zusammengehören, ob ins- besondere diejenigen der Polychaeten so ohne Weiteres mit denjenigen der Oligochaeten (welche er speciell als Leypic’'sche Fasern bezeichnet) identificirt werden können. Eine vierte endlich bestreitet ähnlich Kowarevsky, auf die mesodermale Abstammung 478 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. der Neurochorde gestützt, deren nervöse Natur, und sieht in ihnen ebenfalls chordaähnliche Stützorgane; nur mit dem Unterschiede, dass diese Aehnlichkeit (in Anbetracht der entoder- malen Herkunft der Wirbelthierchorda) als Analogie und nicht als Homologie gedeutet wird. Vertreter dieser Ansicht sind Bürow und VEJIDOVSKY. Wie ist es möglich, so kann man fragen, dass bis in unser Jahrzehnt herein trotz so vollkommener Methoden und Hilfsmittel, trotz des so leicht zu beschaffenden Materiales ein derartiger Zwiespalt der Meinungen sich hartnäckig forterhalten konnte? Wie ist es möglich, dass der Eine von demselben Dinge als Chorda oder chordaähnlichem Organe spricht, welches der Andere bestimmt als Nerv bezeichnet hatte? Wie kam man dazu, ein und dasselbe Object bald als Kanal, bald als Strang oder Faser zu bezeichnen? Ein guter Theil dieser Widersprüche beruht darauf, dass die Neurochorde stets nur nebenbei, niemals ihrer selbst willen, und vor Allem nie vergleichend untersucht worden sind: ein anderer aber liegt sicherlich in der wandelbaren Natur des Objectes selbst begründet, eine Wandelbarkeit, die wir ja an Mastobranchus hinreichend kennen gelernt haben. Leyvis gebührt das Verdienst, dass er, gestützt auf den reichen Kreis seiner Erfahrungen, das nervöse Element an den Neurochorden herausfand und allen Anfechtungen gegenüber zähe daran festhielt. An- dererseits kann ihm aber auch der Vorwurf nicht erspart bleiben, dass er das mit seinen An- sichten Unvereinbare vielfach ignorirte, sowie dass er in der histologischen Deutung des ihm Vorliegenden gewaltsam verfuhr. Besonders scharf trat dies in seiner ersten Darstellung‘) und Abbildung der Zumbrieus-Neurochorde, welche die Degeneration so klar zur Schau tragen, hervor. Da diese in Allem und Jedem den Habitus der dunkelrandigen Nervenfasern der Wirbelthiere wiederholen sollen, so übersieht Leyvıs ganz und gar die Neurochordscheide, respective macht aus ihr eine Mark- oder Fettscheide des Nerven. Und auch in seiner zwanzig Jahre später gegebenen Beschreibung?) desselben Objectes, welcher er eine ganz treffende Zeichnung eines (fettig degenerirten) Neurochord-Nervenstückes beigiebt, versucht er in ganz unmöglicher Weise die nun besser unterschiedene neurilemmatische Scheide nebst ihren in das Lumen der Neurochordröhre ragenden Fortsätzen als integrirenden Theil der Nervenfaser, und zwar als »dunklere Rinde von längsgeschichtetem Wesen« festzuhalten. Urararene hat sich in Bezug auf die Deutung der Neurochorde stets sehr reservirt gehalten; er stellt sich zwar, Leyvie’s Autorität in histologischen Fragen anerkennend, auf dessen Standpunkt, jedoch nicht ohne die durch abweichende Erfahrungen in ihm gereiften Bedenken geltend zu machen. So hebt er in der Monographie des Zumbrieus®) hervor, dass der Inhalt der Röhrenfasern, Leypig’s Axencylinder, auf ihn stets den Eindruck einer vollkommen homo- genen Flüssigkeit gemacht und dass er nie das feinstreifige Ansehen wahrgenommen habe, welches LeypiG zu erkennen glaubte. Auch zweifelt er an der nervösen Natur der Leyoic’schen Markscheide (Neurochordscheide). 1) 1. p» 463. ce. p. 155. Taf. 5. Bis, 1, 2) 1: p. Sllgrce. p. 11672 Tate 6. Kies 133: 3) 1. p. 308. (Hist. Unters. Regenwurm) e. p. 590. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 479 Urararepe's Zweifel wuchsen noch in dem Maasse, als der Kreis der von ihm über- sehenen Annelidenformen sich ausdehnte. Lernte er doch durch Bearbeitung der sedentären Anneliden!) Neurochorde kennen, welche dem freien Auge sichtbar sind, Neurochorde von so riesigem Durchmesser, dass sie denjenigen des gesammten Bauchstranges übertreffen (Mywi- cola)! Sollen das auch Nervenfasern sein? Urararepe kam denn auch zu dem Bekenntnisse: »Je me borne a cet expose anatomique. Faire des hypotheses sur les fonctions de ces singu- lieres fibres tubulaires me semble parfaitement superflu.« Die Verfechter der Chorda-Homologie oder -Analogie verfielen in das entgegengesetzte Extrem: sie betonten einseitig die Neurochordscheiden, also den vom Neurilemma abstammenden Bestandtheil, und kümmerten sich nicht, oder doch nur einseitig um den Inhalt. Es ist ja richtig, dass dieser Inhalt in den meisten Fällen eine wässerige Flüssigkeit darstellt; aber daneben existirten auch die so bestimmten Angaben Leypiıg’s und Anderer, denen zufolge bei gewissen Formen wenigstens sich nervöse Elemente an Stelle der Flüssigkeit vorfinden sollten; es waren überdies entsprechende Gebilde der Arthropoden, besonders des Flusskrebses bekannt, über deren nervöse Natur ja kaum ein Zweifel walten konnte. Wer das Neurochord als Homologon der Chorda dorsalis proclamirte, musste sich zugleich mit diesen Angaben abfinden, und wer gar fortfuhr, diesen Standpunkt einzunehmen, durfte auch andere, allmählich in der Litteratur zum Ausdruck kommende, mit diesem Standpunkte schwer vereinbare 'Thatsachen nicht ausser Acht lassen. So die T'hatsache, dass die Neurochorde bis in den Schlundring, ja bis in das Gehirn eindringen, ferner dass sie im Strickleiternervensysteme symmetrisch in beiden Strängen vorkommen, endlich, dass sie sich im Bauchstranggewebe zuweilen in mehrere Aeste spalten. Ja allein das durch Crarareoe?) bekannt gewordene, allerdings noch der Be- stätigung harrende Factum, demzufolge sich in den Cirrusnerven von Hermadion fragile ähn- liche Riesenfasern wie im Bauchstrange finden sollen, war geeignet, den ganzen Vergleich mit der Chorda in Frage zu stellen. So lagen die Dinge, als die schon erwähnte Srexsersche Arbeit erschien. Durch sie wurde zum ersten Mal das Vorkommen riesiger, in Neurochordröhren einge- schlossen verlaufender Nervenfasern in histologisch befriedigender Weise für Anneliden constatirt; durch sie wurden ferner auch riesige Ganglienzellen be- kannt, als deren Fortsätze eben jene Fasern sich darstellen. Aber wenn auch SpENGEL so der längst von Leyvıc vertretenen Ansicht zu ihrem Rechte verhelfen konnte, so verschloss er sich doch nicht gegen diejenigen Fälle, die sich unter dem Schema einer Nervenfaser nun einmal schlechterdings nicht begreifen lassen: nämlich gegenüber den im Vergleiche mit den bei Euniciden beobachteten, unzweifelhaften riesigen Nervenfasern auch ihrerseits wiederum colossal erscheinenden Neurochorden gewisser Röhrenwürmer. Und den '[hatsachen ent- sprechend kommt er zu dem Schlusse®): »Es muss daher einstweilen unentschieden bleiben, ob 1) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) ce. p. 112. DE IEEBEES-Kee pe 168 Sal pesillexe- pe 40. 480 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. die von einem blassen weichen Inhalte erfüllten Röhren, welche das Bauchmark so vieler Anneliden durchziehen und sich zum "Theil bis in die Schlundeonnective und das Gehirn er- strecken, sämmtlich von gleichem Werthe oder vielmehr Bildungen verschiedener Art sind.« Hier setzen num meine Studien ein. In Bezugnahme auf das im ersten "Theile der Monographie Mitgetheilte darf ich wohl aussprechen, dass damit die vorhin betonten Gegen- sätze zur Versöhnung gebracht sind. Durch das Verhalten von Mastobranchus insbesondere ist erwiesen, dass die Neurochorde ursprünglich durchweg Nervenfasern, respective Complexe solcher darstellen. Diese Fasern degeneriren aber, so dass zuletzt nur eine wässerige Flüssigkeit nebst Trümmern der nervösen Substanz übrigbleiben. Gleichzeitig wandeln sich die von Anfang an vorhandenen, aus dem Neurilemma stammenden Scheiden der riesigen Fasern in mächtige, allseitig geschlossene Röhren (Neurochordröhren) um, die bei einzelnen Formen (so bei Mastobranchus stellenweise und bei gewissen Serpuliden durchweg) den gesammten übrigen Bauchstrangim Umfange übertreffen können, und letztere mit Flüssigkeit ge- füllte Röhren dienen zweifellos als Stützorgane, die man functionell der Chorda dorsalis vergleichen mag, die aber genetisch sicher Nichts mit ihr zu thun haben; schon aus dem einfachen Grunde nicht, weilsich die Neurochordröhren ursprüng- lich als integrirende Theile des Bauchstrangneurilemmas zu erkennen geben; ihre spätere Selbständigkeit ist eine relative, jedenfalls eine secundäre. Dazu kommt, dass die entodermale Abstammung der Chorda keinem Zweifel mehr unterliegen kann, und dass ich, was speciell die Anneliden betrifft, mit Envers im Nebendarme ihr Homologon anerkenne. Ueber die Zusammengehörigkeit der riesigen Ganglienzellen und riesigen Nerven- fasern oder (nach der von mir vorgeschlagenen Nomenclatur) der Neurochordzellen und Neurochordnerven kann kein Zweifel mehr herrschen. Ich habe zwar bei Capitelliden den Zellenfortsatz nur bis in die Nähe der Faser verfolgen, also den direceten Uebergang nicht demonstriren können, aber SrexGer's Befund an Euniciden ist in dieser Hinsicht entscheidend und —- derselbe wird überdies in der bereits citirten vorläufigen Mittheilung Ronpes an Aphroditeen bestätigt. Durch Leypıs und ULAPAREDE wurde schon nachgewiesen, dass sich die Neurochord- nerven, insbesondere im Bereiche der vordersten Bauchstrangpartie, sowie auch im Schlund- ring zu verzweigen vermögen. Dem gegenüber ist zu betonen, dass dieselben Gebilde umgekehrt auch verschmelzen. können. SrenxseL!) berichtet in dem Sinne Folgendes von Halla: »Die Zahl der grösseren Röhren scheint ziemlich constant zu sein, und es ist daher anzunehmen, dass dieselben durch Vereinigung mehrerer entstanden sind und auch die kleineren aufnehmen«. Dies stimmt vollständig mit meinen an den Capitelliden gemachten Befunden überein. Bei letzteren scheinen mir die Verschmelzungen mit der Umwandlung der Neu- 1) 1 p. 310.0, pP. 38. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. b, Der Bauchstrang. 481 rochordscheiden in Neurochordröhren, respective der Neurochordnerven in Neurochordflüssigkeit einherzugehen, und zwar nicht etwa gleichzeitig ihrer ganzen Länge nach, sondern stellenweise, so dass wir bald ein sehr mächtiges Rohr, bald mehrere solche geringeren Durchmessers an- treffen. Ich möchte nun die Frage anregen, ob in jenen Fällen, in denen, wie bei gewissen Serpuliden, die Neurochordröhren so ausserordentliche Dimensionen aufweisen, nicht ebenfalls eine solche mit der Metamorphose einhergehende Verschmelzung ursprünglich getrennt ver- laufender Nerven in Betracht kommt; jedenfalls wäre bei künftiger Bearbeitung darauf zu achten. Bei Mastobranchus konnte ich, wie dem Leser erinnerlich sein wird, feststellen, dass die Neurochordnerven (im nicht oder wenig degenerirten Zustande) beiderseits zahl- reiche, sich auf’s Reichste verästelnde Nerven abgeben. Dass sich diese Aeste in das angrenzende Bauchmark begeben, ist klar; unbekannt blieb aber, ob diese Aeste und /weige mit ähnlich verästelten Ausläufern der Neurochordzellen, oder mit dem Fibrillennetze des Bauchstrangmarkes in Verbindung treten, oder ob sie endlich das Material für besondere peripherische Bahnen bilden. Im Hinblicke darauf ist es von Interesse, dass auch VIGNAL') Beziehungen zwischen den Neurochordnerven und dem übrigen Bauchstrangmarke wahrge- nommen hat. Wir erfahren freilich nicht viel über das »Wie«, indem sich genannter Autor auf die Angabe beschränkt: . »J’ai vu que ces tubes taient en rapport avee les colonnes de fibres nerveuses. Si on examine un grand nombre de coupes, on verra certainement sur quelques unes d’entre elles un fin tube, venant des colonnes, deboucher dans un ou dans lautre tube geant.« Sonderbarerweise vermuthet VıisnarL, dass diese von ihm wahrgenommenen Aeste dazu dienen möchten, dem Bauchstranggewebe ein solideres Gefüge zu geben, sonderbar, weil VıGnAt unmittelbar vorher den Neurochorden einen lediglich nervösen Charakter zuspricht. Von grösserer Bedeutung in der Hinsicht ist folgende Mittheilung Ronpe's?): »Bei Polynoe tritt ausserdem in Uebereinstimmung mit Sthenelais in jedem Segmente jederseits je eine enorm grosse Ganglienzelle auf, welche ihren kolossalen Nervenfortsatz quer durch den Bauchstrang in den letzten der in jedem Segmente abgehenden drei Nerven sendet, mit welchem er gemeinsam zur Peripherie verläuft.« In bestem Einklange hiermit steht die bereits erwähnte Angabe Urarareoe's’), derzu- folge die Cirren von Hermadion viesige Fasern enthalten sollen. Crararepe selbst scheint freilich diesem Factum keinen sonderlichen Werth beigelegt zu haben, da es ihm bei Ab- fassung seiner Annelides Sedentaires®) so wenig gegenwärtig war, dass er schreiben konnte: »Les grosses fibres appartiennent donc exelusivement aux parties centrales du systeme nerveux.« In den Ronpe’schen Fällen entspringen die segmentalen peripheren Neurochordnerven (unabhängig von den übrigen im Bauchstrange verlaufenden) aus besonderen Neurochordzellen. e. p. 403. 1 1 ierip.n784: DD — ao fl: >) Pe ww Sun Ir © © l. p. Ip. 16. 4) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) e. p. 117. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 61 482 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Euwery') hat nun aber bei Nephthys nachgewiesen, dass der den Bauchstrang seiner Länge nach durchsetzende Neurochordnerv in jedem Segmente ein paar Aeste abgiebt. Es konnten zwar diese Aeste nicht über den Bauchstrang hinaus verfolgt werden, aber die Art ihres Auftretens spricht doch sehr zu Gunsten eines peripherisch gerichteten Verlaufes. Hier wäre auch der bereits in SpenGer's Abhandlung erwähnten Angaben von Uraus’) zu gedenken. Diesem Autor zufolge mengen sich bei den Phronimiden den fibrillären Faser- zügen der Seitennerven auch breite bandförmige, aus Riesenzellen entspringende Nervenfasern bei, ein Verhalten, welches durchaus mit dem von Ronpe für Polynoe und Sthenelais festge- stellten übereinstimmt. Die von CUraus versuchte Deutung dieser Zellen als motorischer schien Spenseı, zunächst der Begründung zu entbehren; im Hinblicke auf das mehrfach erwähnte Ver- halten der Hermadion-Cirven könnte man nun aber weiter gehen und der Craussschen Deutung die entgegengesetzte als die wahrscheinlichere substituiren. Ein weiterer Beweis endlich für die Fähigkeit der Neurochordnerven, seitliche Aeste abzugeben, liegt in der Angabe Leynic's’), derzufolge »in den Nerven der Gliedmaassen von Dysdera und Segestria gedachte Bildungen deutlich vorhanden seien und das Aussehen von Röhren geben, die mit heller Substanz er- füllt sind« ete. Ich bin zwar über den Verlauf der von den Neurochordnerven von Mastobranchus ab- gehenden Aeste nicht in's Klare gekommen, aber unter den im Vorhergehenden erwogenen Mösglichkeiten ist doch die, dass jene Aeste in erster Linie zur Herstellung von Beziehungen mit dem fibrillären Theile des Bauchmarkes dienen werden, die wahrscheinlichste, und in dieser Hinsicht verdient noch eine Beobachtung Ronpe's über die Endigungsweise der Neu- rochorde hervorgehoben zu werden, indem dieselbe solche Beziehungen zwischen dem Neu- rochord-Systeme einer- und dem fibrillären andererseits sehr wahrscheinlich macht. Dieser Autor‘) sagt nämlich: »In den letzten Segmenten (von Sthenelais) wird die Scheide stetig dünner und die dicht von ihr umschlossene Nervenfaser immer deutlicher granulirt. Schliesslich hört die Scheide ganz auf. Nach kurzem Verlauf verschwindet auch die Nervenfaser, ohne merklich dünner geworden zu sein. An ihrer Stelle er- kennt man im Querschnitt feine Punkte in unbestimmter Anordnung. Die kolossale Nervenfaser hat sich also in feine Fäserchen aufgelöst.« Wenn wir nun auch nach alledem dur€h die neueren Forschungen in der Erkenntniss der Anneliden-Neurochorde etwas weiter gekommen sind, so reichen doch dieselben noch lange nicht dazu aus, um uns über die Bedeutung der Neurochordzellen und -nerven eine befrie- digende Vorstellung liefern zu können. Weitere, insbesondere vergleichende Untersuchungen werden hierfür unerlässlich sein, um so mehr als meiner Ansicht nach kaum noch ein Annelid existiren dürfte, welches (im erwachsenen Zustande) das Neurochordsystem in vollkommener Aus- bildung und Function darböte. Wem dieser Ausspruch übertrieben erscheint, der möge bedenken, dass selbst bei Formen wie Halla und Sthenelais (also Formen, die das System in bisher unbe- 11220229562 0.092239. 2) Craus, ©. Der Organismus der Phronimiden. Arb. Z. Inst. Wien. 2. Bd. 1579. p. 50.und 5l. 3) l.0p m 31l9ge-5pe1109: a)el.op. Au c-p25184. 1V. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 483 kannt guter Erhaltung aufweisen) meinem Dafürhalten nach die Neurochordnerven stellenweise schon der Degeneration verfallen sind. Ich schliesse dies aus der T'hatsache, dass nach SPEnGEL?) bei ersterer Form der von der Neurochordzelle entspringende Fortsatz, also der Neurochordnerv, »nur im vorderen Theile seines Verlaufes deutlich zu erkennen war, während weiter nach hinten die röhrenförmigen Hüllen nur ein meist unregelmässig contourirtes Ge- rinnsel zu umschliessen schienen«; ferner aus den Angaben Ronpe's?), denen zufolge bei letz- terer Form die faserige Scheide der kolossalen Faser anfangs dicht anliegt, weiterhin sich aber abhebt, um allmählich einen enormen Durchmesser zu erlangen«, denen zufolge überdies »auch die Nervenfaser, welche in ihrer weiten Scheide fast ganz verschwindet, wesentlich modificirt erscheint.« Auf Eine von mir schon im Vorhergehenden betonte T'hatsache möchte ich aber bei dieser Frage nach der Bedeutung der Neurochordnerven noch einmal zurückkommen, weil sie möglicherweise mit zum besseren Verständnisse beitragen kann: ich meine die 'Thatsache, dass wir im Nervensysteme der Anneliden fortan zwei Bestandtheile zu unterscheiden haben. Den einen bildet das dauernde, aus feinsten Fibrillen und zahlreichen kleinen Ganglienzellen sich aufbauende System, den anderen bildet das allmählich der Degeneration unterliegende, aus breiten Nervenfasern und wenigen riesigen Ganglienzellen zusammengesetzte. Die Elemente des ersteren Bestandtheiles wurden in Anbetracht ihres histologischen Verhaltens öfters der »grauen Substanz« der Vertebraten- Centren verglichen — vielleicht dürfen wir diejenigen des letzteren der »weissen Substanz« gegenüberstellen. Viel länger als von Anneliden sind Neurochord-Nerven und -Zellen von Arthro- poden bekannt. In zahlreichen Abhandlungen ist ihrer von Seiten verschiedener Forscher gedacht worden, aber doch nur nebenbei. Leypıc allein hat die betreffenden Gebilde anhaltend im Auge behalten, und das Meiste, was wir von denselben wissen, ist denn auch vor Allem seinen Arbeiten zu danken. Genannter Forscher hat in seiner Vergleichenden Anatomie’) sowie im seinem Werke über Zelle und Gewebet) das von ihm und von anderer Seite Geleistete zu- sammengestellt, so dass ich mir die Darlegung des Wissensstandes ersparen kann. Für un- umgänglich halte ich dagegen, die von Leypıc in diesen Werken auch für die Arthropoden festge- haltene Beurtheilung des Neurochordsystemes von meinem der Frage gegenüber eingenommenen Standpunkte aus in’s Auge zu fassen, indem die Neurochorde dieser 'Thiergruppe unzweifelhaft ähnliche Degenerationsprocesse wie diejenigen der Anneliden durchmachen und sich durch die Würdigung dieser Processe hier wie dort alle Widersprüche und Schwierigkeiten in befriedigender Weise erklären lassen. Es muss mir auf den Nachweis dieser Erscheinungen um so mehr UAlsp. 310. e: DB. 38. 2. pP. ATI. c. p> 182: 3) 1. p. 463. c. p. 224—226 4) 1. p. 319. ec. p. 169—173. 61° 484 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ankommen, .als ich der Vermuthung nicht widerstehen kann, dass sie zu Leynic’s neuen, im Vorhergehenden besprochenen, principiellen Ansichten über die Structur des Nervenmarkes, nämlich zu seiner Lehre vom Spongio- und Hyaloplasma, sowie zur Betonung des »Flüssigen« nicht wenig beigetragen haben. Da mir das, was bewiesen werden soll, auf’s Unzweideutigste aus Leypig’s eigenen Schilderungen hervorzugehen scheint, so halte ich für das Zweckdienlichste, einige dieser wörtlich zum Abdrucke zu bringen, und zwar wähle ich eine von Crustaceen und eine von Insecten handelnde. Hinsichtlich der ersteren schreibt Leyoıc'): »Um zunächst auf die colossalen Nervenfasern des Astaeus fluviatilis zurückzukommen, so weisen mir dieselben im lebenden Zustande nichts von einer Sonderung ihres hellen Innern auf und bei vielen tritt selbst nach Einwirkung von Reagentien kaum Weiteres zu Tage. In manchen hingegen erscheint alsdann, nachdem sie z. B. in Pikrinsäure über Nacht gelegen, das von REmAK zuerst angezeigte und auch von mir dargestellte innere Faserbündel. Dasselbe aufmerksam betrachtet besteht aus Körnchen, Krümelchen, auch Stiftehen oder walzigen Stückchen, die eine etwelche regelmässige Lagerung, sei es nach der Quere oder in die Länge annehmen können. Das ganze Faserbündel kann auch in einer krümeligen Wolkenbildung untergegangen sein, was vielleicht erst Folge der Kniekung und Zerrung beim Ierausnehmen des Nerven ist. In Erwägung aller dieser Erscheinungen geht man eben wohl kaum fehl mit der Annahme, dass es sich um Gerinnungsformen der Nervensubstanz handelt, wobei jedoch immer zugestanden werden muss, dass von vorne herein in der Mischung schon eine Sonderung bestanden haben muss, zufolge welcher ein inneres Faserbündel durch Reagentien zum Vorschein gelangen konnte.« Hinsichtlich der letzteren ?): »Mit Rücksicht auf jene Punkte im Bau der Nerven, welche schon oben bei den Hirudineen hervor- gehoben worden waren, habe ich jetzt hauptsächlich die Nerven von Carabus auratus und Dytiseus mar- ginalis geprüft. Bei ersterem Coleopteren nehmen sich die hellen, breiten, anscheinend röhrigen Elemente, wie ich sie früher nannte, thatsächlich im Leben ganz wie Röhren aus, gefüllt mit hellem Inhalt, und das röhrige Wesen wird auch dadurch angedeutet, dass vom Rande her eine Spur jenes röthlichen Schimmers sichtbar ist, wie er z. B. an den contractilen Blasen der Infusorien auftritt. Die homogene Inhaltsmasse steht nach ihren physikalischen Eigenschaften entschieden dem Flüssigen näher als dem Festen. Beginnt das Absterben der Nerven, so tauchen wieder Bilder auf, welche zu der Ansicht hinleiten, dass einspringende Scheidewände zugegen seien. In der vorquellenden Substanz, nachdem sie sich körnig getrübt hat, gehen von den Körnchen bei hoher Vergrösserung Spitzen, Zacken und selbst zarteste verbindende Fädchen weg. Dieses feinste Netz- wesen mit Knotenpunkten möchte ich aber nicht dem ım Bisherigen erörterten Gerüstwerk vergleichen, sondern ich wäre geneigt, darin ein Homologon des inneren Faserbündels zu erblicken, welches in den entsprechenden Nervenfasern des Flusskrebses ebenfalls aus Körnchen, Krümelchen und Stiftehen besteht. Noch sei bemerkt, dass die Balken oder vielmehr Blätter des grossen oder eigentlichen Fachwerkes sehr weit auseinander stehen können. Man sucht mitunter auf weite Strecken vergeblich nach einspringenden sildungen, vielmehr zeigt sich der ganze Inhalt hell und homogen; dann kommt plötzlich eine Zeichnung, die auf fächeriges Wesen deutet. Es liesse sich zur Erklärung annehmen, dass die Lichtbrechung der Bälk- chen zu gering ist, um sie von der eingeschlossenen hellen Materie allerorts abzuheben. Das blasige Aus- sehen, welches im absterbenden Nerven auftritt, mag wohl aus dem Bau, wie er ım Voranstehenden hinge- stellt wurde, sich erklären lassen.« Ist es denkbar, dass in dem was hier Leypıs beschreibt functionsfähige Nerven vorliegen? Giebt es Nerven, die »aus Körnchen, Krümelchen und Stiftchen« bestehen, oder aus »walzigen Stückchen, die eine etwelche regelmässige Lagerung sei es nach der Quere Vlepr Side. p.2169: 2) ap allge paul: IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 485 oder in die Länge annehmen«? Kann das ganze Faserbündel durch Knickung und Zerrung beim Herausnehmen eines Nerven »in einer krümeligen Wolkenbildung« untergehen und lässt sich alles dies als »Gerinnungsform der Nervensubstanz« auffassen? Nein, gewiss nicht; aber alle diese Bilder (die mir von den Anneliden her wohl bekannt sind) erklären sich, wenn wir die verschiedenen mit der fettigen Degeneration einhergehenden Stadien der Neurochordnerven- Modification zu Grunde legen. Wie es von Mastobranchus demonstrirt wurde, so finden sich eben auch bei Arthropoden die Neurochordnerven stellenweise noch wenig verändert, an anderen Stellen dagegen in fettigem Zerfall und an noch anderen endlich von der Neurochord- flüssigkeit substituirt. Riesige Ganglienzellen und riesige Nervenfasern fehlen auch im Kreise der Verte- braten nicht. LeyoiG!) hat auf dahin zielende Angaben von Sranntus und Reicnerr (Petromyzon), sowie von Ussow (Teleosteer) aufmerksam gemacht. Dahin gehören wohl auch die von Frirscn‘) aus der Medulla oblongata von Zophius und die von Paurn Mayer’) aus dem Rückenmarke von Scyllium-Embryonen beschriebenen Riesenzellen. Letzterer Autor hielt diese Elemente für Abkömmlinge des Mesoderms‘), wogegen KLEINENBERG !) wohl mit Recht für ihre nervöse Natur eintrat, indem sich ihm bezüglich ihrer ebenso wie bezüglich der Riesenzellen der Anneliden die Vermuthung aufdrängte, dass wir es mit »Bestandtheilen des primären Ganglien- geflechtes der Subumbrella« zu thun haben, dass »so wie bei den Anneliden auch bei den lHai- fischen die Bildung des bleibenden Centralorganes durch einen ausserhalb desselben befind- lichen larvalen Ganglienzellenapparat eingeleitet wird.« Die Neurochorde sind allem Vorhergehenden zufolge ursprünglich Nervenfasern. Die nervöse Substanz letzterer Fasern verfällt aber einer so eingreifenden Degeneration, dass sie schliesslich einer wässerigen Flüssigkeit Platz macht; der neurilemmatische Theil dieser Fasern erfährt umgekehrt einen so bedeutenden Zuwachs, dass an Stelle der vielfach durchbrochenen Scheide ein hermetisch geschlossenes Rohr tritt. Wir haben uns also die als Stützorgane fungirenden Neurochorde durch Functionswechsel entstanden zu denken. Es giebt nun aber noch einen anderen Modus, nach dem sich am Bauch- strange von Anneliden Stützorgane entwickeln können, und zwar durch directe Hypertrophie seines Neurilemmas. Neurilemmwucherungen dieser Art finden sich insbesondere bei solchen Formen, deren freiliegender Bauchstrang einer mächtigen transversalen Muskulatur Ansatz zu bieten hat und zugleich wenig entwickelte Neurochorde besitzt. So bei Nephthys und Glycera, wo Deiep- silor e.p: 175. 2) Fritsch, G. Ueber einige bemerkenswerthe Elemente des Centralnervensystems von Lophius piscatorius L. Arch. Mikr. Anat. 27. Bd. 1886. p. 13. 3) Mayer, P. Die unpaaren Flossen der Selachier. Mitth. Z. Stat. Neapel 6. Bd. 1885. p. 228 und 229. 4) 1. p. 303. ce. p. 220 und 221. *) Mündlicher Mittheilung zufolge ist jetzt auch P. Mayer, besonders seitdem er ähnliche Zellen bei Embryonen verschiedener Teleosteer gefunden hat, geneigt, die nervöse Natur derselben anzuerkennen. 486 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. die betreffende Neurilemmverdickung stellenweise das ganze übrige Bauchstranggewebe an Umfang übertrifft. Bei Glycera war dies schon Lankester") aufgefallen, indem er seimer Zeit schrieb: »The disposition of the muscles in relation to the sheath of the nerve-cord in G/ycera has some interest in this respect, since these parts are seen, in suitably prepared sections, to have generally the same relations as have the muscles and neural sheath, ineluding the notochord, of a vertebrate.« Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die in Rede stehenden Neurilemmwucherungen einer ähnlichen Stützfuncetion dienen wie die Neurochorde; aber, da erstere zugleich mit letzteren vorkommen (so bei Nephthys und Glycera), da sie ferner keine mit Flüssigkeit gefüllte Röhren, sondern massive Stränge, und da sie endlich nicht an der Hand eines Functions- wechsels aus Nerven respective Nervenscheiden, sondern direct aus dem Neurilemma heraus sich entwickeln, so müssen wir beide auseinanderhalten, um so mehr als, wie aus dem Folgenden her- vorgehen wird, sehr charakteristische und relativ selbständige Adnexe des Bauchstranges gewisser Insecten sich auf ähnliche Neurilemmwucherungen zurückführen lassen. Ich schlage daher für letztere Wucherungen den Namen »Lemmatochord« vor; er betont gegenüber »Neurochord« den rein neurilemmatischen Ursprung, drückt aber doch zugleich die identische Function aus. Ich darf, da als Beispiel von Anneliden-Lemmatochorden gerade Nephthys angeführt wurde, den eigenthümlichen, zuerst von EHters?) beschriebenen sogenannten »Bandapparat« dieser Form nicht unerwähnt lassen. Grenannter Autor schildert die fragliche Bildung folgendermaassen: »Auf der Innenfläche der Bauchwand läuft in der Medianebene über dem Bauchstrange des Nerven- systemes ein schmales, flach aufliegendes Band, von welchem in der Mitte eines jeden Segmentes auf der Wölbung der Nervenknoten unter spitzem Winkel jederseits zwei gleiche Bänder zur Seitenwand des Körpers sehen, das eine nach vorn, das andere nach hinten. Diese Bänder bilden in jedem Segmente einen auf der Bauchfläche hegenden sechsstrahligen Stern, der mit dem des Nachbarsegmentes durch das längslaufende Band zusammenhängt. Der Kreuzungspunkt dieser sternförmigen Bänder ist auf dem Nervenknoten be- festigt, die Enden der lateralen Bänder sind, so viel ich gesehen habe, an die Körperwand geheftet. Am vorderen Ende des Bauchstranges theilt sich das längslaufende Band, begleitet nun die Schenkel des Schlund- ringes, und giebt nur lateralwärts zur Körperwand Seitenbänder ab. Alle diese Bänder zeichnen sich durch einen starken seidenartigen Glanz aus; unter stärkerer Vergrösserung zeigen sie ein eigenthümliches Aus- sehen, erscheinen wie gewirkt oder als wären zwei oder mehrere Fasern regelmässig zu einem plattgedrückten Strange verflochten. Ich bin weder über die Bedeutung dieser Bänder, noch über deren Verhältniss zu den übrigen 'Theilen der Körperwand zum Abschluss gekommen.« Die vorstehende Beschreibung wurde sodann durch LAnGErHANs®) im Wesentlichen be- stätigt und vielfach erweitert; insbesondere erfuhren wir durch ihn, dass der Bandapparat aus zwei Längszügen besteht, dass zwei Sterne in jedem Segmente vorhanden sind, sowie dass durch Theilung und Wiedervereinigung der Aeste auch noch zwei seitliche Reihen von Sternen zu Stande kommen, und endlich, dass sowohl von den mittleren, als auch von den seitlichen Sternen lange Bänder in die Ruder eintreten, um an der Ursprungsstelle der Borstenbündel zu enden. I) Lankester, E. Ray. Summary of Zoological Observations made at Naples ete. Ann. Mag. N. H. (4) Vol: 11. 187300.992, 2) 1.1P2.8074.c.1P:1.000. 3) LANGERHANS, P. Die Wurmfauna Madeiras I. Zeit. Wiss. Z. 33. Bd. 1850. p. 303. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 487 LAnGERHANS erklärte diesen Bandapparat für eine Art von innerem Skelet, dessen Centraltheile zwar genau die Lage der Chorda einnehmen, welches sich aber in der Gliederung, sowie in der Entwickelung seitlicher Aeste doch so weit von der Chorda entfernt, »dass sich kaum andere als freund-vetterliche Beziehungen werden aufrecht erhalten lassen.« Sodann hat von diesem Apparate noch Pruvor') eine Beschreibung geliefert, welche von den vorhergehenden insofern abweicht, als ausser einem medianen, dorsal vom Bauch- strange verlaufenden Bande deren noch zwei seitliche, der Basis der Parapodien entlang laufende vorhanden sein sollen. Bezüglich der Bedeutung des Apparates sagt Pruvor: »La nature et les fonetions de ce singulier organe sont encore problematiques, mais, quoi quil en soit, ıl est sans connexion aucune avec le systeme nerveux.« 3 D Vor allen Dingen möchte ich klar stellen, dass, was immer auch die Natur und Rolle dieses Bandapparates sein möge, er doch nur als Adnex des eigentlichen Stützapparates in Frage kommen kann, indem allein an letzterem, nämlich an der bereits von mir als »Lemma- tochord« hervorgehobenen Neurilemmwucherung sich auch bei Nephthys die so mächtigen transversalen Muskelplatten ansetzen. Der Bandapparat bedarf sicherlich noch der ein- gehenderen Bearbeitung, vorzüglich im Hinblicke auf seine Structur und sein Verhältniss zum Bauchstrange, respective zum Neurilemma; aber, gestützt auf das, was mir eine flüchtige Untersuchung desselben ergab, stehe ich nicht an, das Ganze auch jetzt schon für einen modi- fieirten Muskelapparat zu halten‘). An ganz correspondirender Stelle hat VEsDovsKY?) einen Längsmuskelstrang von Sternaspis beschrieben, und ähnlich verlaufende Muskelstränge kommen auch in Verbindung mit den Lemmatochorden der Arthropoden vor‘‘,, mit denen wir uns nun zu beschäftigen haben. Zu den Lemmatochorden rechne ich nämlich das, was in den letzten Jahren mit so viel Eifer und so wenig Gründen als Chorda dorsalis der Arthropoden verkündet wurde. Den ersten Anstoss zu diesen Bestrebungen gab das bekannte, erst von Leypıs richtig gewürdigte sogenannte Bauchgefäss der Lepidopteren. Leypıc®) zeigte nämlich, dass dieses auf der Rückenseite des abdominalen Bauchmarkes befestigte Organ kein Blutgefäss, sondern einen soliden, bindegewebigen Strang darstelle, an dem sich beiderseits zahlreiche von der inneren Fläche der Bauchwand entspringende Muskeln ansetzen. Die genauere Untersuchung ergab, dass der Strang eine unmittelbare Fortsetzung des Neurilemmas, und zwar des äusseren I Tops Ablc. pp. 236. 2311. 1H4132210ep.e19. 3) Leypıs, F. Das sog. Bauchgefäss der Schmetterlinge und die Muskulatur der Nervencentren bei In- seeten. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1862. p. 565. (Enthält auch die eingehendste historische Darstellung unserer Kenntnisse vom sog. Bauchgefässe.) Vergl. ferner desselben Autors Vergl. Anatomie p. 211 und 218, sowie Tafel 6. Fig. 1. *) Zu einer ähnlichen Auffassung scheint auch neuerdings Em&ry (l. p. 356. e. p. 395) gelangt zu sein, denn er sagt: »Je decrirai dans une autre note la disposition et le d@veloppement d'un systeme special de fibres museulaires striees de la Nephthys, qui a &t& apercu par d’autres auteurs et consideree ü tort comme un systeme de ligaments (EHters) ou comme un squelette (LANGERHANS). en Man vergl. die auf pag. 488 eitirte Schrift Burger’s p. 105. 488 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Neurilemmas, »man könnte sagen eine Wucherung desselben« bildet. Dementsprechend ist auch der Strang aus zellig-blasigem Bindegewebe zusammengesetzt‘). Schliesslich sagt Leyoie: »Der ganze Strang erinnert auf seinem Durchschnitt lebhaft an die Chorda dorsalis der Wirbelthiere.« Auffallenderweise hat es über zehn Jahre gedauert, bis dieses so interessante Gebilde einer vergleichenden Untersuchung unterworfen wurde, und wieder war es Leyvıs, der dazu den Anstoss gab, indem die betreffende Arbeit Burgers!) unter seiner Leitung ausgeführt wurde. Den Ergebnissen dieser Arbeit zufolge kommt der fragliche Strang oder die »Chorda supraspinalis«, wie ihn Burger zu nennen vorschlägt, den Lepidopteren ziemlich allgemein und im Wesentlichen in ähnlicher Ausbildung zu; jedoch nur im Imagozustand, indem die Raupen keine Spur derselben erkennen lassen. Auch bei einer Puppe (Vanessa Urticae 1.) des vierten Tages war von dem Organe noch nichts zu sehen, wogegen es sich bei einer solchen des sechsten schon vollkommen ausgebildet zeigte. Auch BurGer kommt zu dem Resultate: »dass die Chorda supraspinalis der Lepidoptera in directem Zusammenhang mit dem äusseren Neuri- lemma des Bauchmarkes steht und von diesem eine Wucherung ist« ferner, dass sich das Organ in den meisten Fällen aus blasig-zelligem, in einigen dagegen aus gallertigem Binde- gewebe aufbaue, und endlich, dass es »eine einfache Neurilemm-Ausbreitung ist, bestimmt um den Bauchstrangmuskeln der Orthoptera, Hymenoptera und Diptera analogen Quermuskeln zur Insertion zu dienen. Letzteres, fährt der Verfasser fort, beweisen auch die Befunde bei Saturnia Carpini und Cidaria bilineata, wo die Muskeln sich, indem die Chorda fehlt, unmittelbar dem Neurilemm inseriren.« Eine wiederholte Untersuchung erfuhr diese Chorda supraspinalis durch Carrıe?). Die Resultate dieses Forschers bilden im Wesentlichen eine Bestätigung seiner Vorgänger; nur der eine Befund verdient hervorgehoben zu werden, dass nämlich die über den Commissuren so mächtige Chorda sich im Bereiche der Ganglien zu einem schmalen lateralen Saume verdünne. Bis hierher lässt sich das, was als Chorda der Arthropoden, respective der Lepidopteren hingestellt wurde, klar übersehen; in durchaus correcter Weise wurde ein Organ auf seine Structur- sowie Lagerungsverhältnisse untersucht und — verglichen. Denn, wenn auch heute, meiner Ansicht nach, von einer Homologie zwischen der Chorda dorsalis der Vertebraten und der Chorda supraspinalis der Lepidopteren keine Rede mehr sein kann, wenn auch vielmehr letzteres Gebilde fortan denjenigen Neurilemmwucherungen, respective Stützorganen einverleibt l) Burcer, D. Ueber das s. g. Bauchgefäss der Lepidoptera ete., mitgetheilt aus dem Nachlasse des Ver- storbenen von Ü. K. Horrmann. Niederl. Arch. Z. 3. Bd. 1876. p. 97. 2) CArrıE, J. Beiträge zur Kenntniss der Chorda supra-spinalis der Lepidoptera etc. Zeit. wiss. Z. 35. Bd. 1881. p. 304. ‘) Das Verhalten der Anneliden zeigt, dass das äussere Neurilemma nichts Anderes, als die peritoneale Hülle des Bauchstranges ist; die Elemente der peritonealen Membran können auch bei diesen 'Phieren stellenweise ein saftiges, ganz an das zellig-blasige Bindegewebe der Arthropoden erinnerndes Ansehen darbieten. | \ [V. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. b. Der Bauchstrang. 489 werden muss, die auch schon bei Anneliden als vorhanden nachgewiesen und mit dem Namen lemmatochorde bezeichne‘ wurden: so ist doch anzuerkennen, dass zur Zeit, als sich Leyvie mit dem neurilemmatischen Strange der Lepidopteren beschäftigte, und auch noch zur Zeit BurGer’s jener Vergleich mit der Chorda dorsalis durchaus berechtigt war. Weder die Neuro- chorde, noch überhaupt sonst irgend welche damals bekannte ähnliche Bildungen konnten sich, in Anbetracht der damals geläufigen Ansichten über die mesodermale Abstammung der Chorda dorsalis, mit dem Leypig’schen Strange hinsichtlich solcher Vergleichbarkeit auch nur entfernt messen. Von nun ab wird aber die Frage durch zwei vorläufige Mittheilungen Nuspaum’s in ganz grund- und haltlose Beziehungen verwickelt. In der ersten »über die Chorda der Arthro- poden« betitelten Mittheilung') sagt dieser Autor im Hinblicke auf die Versuche seiner Vor- gänger, bald die sogenannten riesigen Nervenfasern der Anneliden, bald den neurilemmatischen Strang der Lepidopteren *) in genetische Beziehungen zur Chorda dorsalis zu bringen, dass von solcher Homologie so lange keine Rede sein könne, als die embryologischen 'T'hatsachen fehlten. In Besitz dieser Thatsachen glaubt aber Nuspaum während seiner Beschäftigung mit der Entwickelungsgeschichte der Geschlechtsorgane von Blatta germanica gelangt zu sein, und zwar auf folgende Weise: Gleichzeitig mit dem Auftreten der Höhlungen in den lateralen Mesodermsomiten treten aus dem Dotter Zellen hervor, um eine Entodermzellenschicht zu bilden, welche sich den oberen Wänden der Mesodermsomiten und der oberen Fläche des Bauchnervenstranges sehr nahe lagert. Median über dem Bauchstrange findet sodann der Länge des ganzen Mesenteron nach eine Anhäufung dieser Entodermzellen in der Form eines zelligen Stranges statt, und dieser Strang ist die Chorda. Hätte Nusgaum hier Halt gemacht, das heisst, wäre es ihm nicht gelungen, die Schick- sale dieses Stranges weiter zu verfolgen, so würde man nicht umhin gekonnt haben, seiner Entdeckung, vorausgesetzt natürlich, dass sich dieselbe als richtig erwies, Beachtung zu schenken; konnte man ja in dem entodermalen, sich zwischen Darm und Nervensystem ein- schiebenden Strange ein dem Nebendarme ähnliches Gebilde vermuthen; kurz, dem Hinweise auf die Chorda dorsalis lag eine verständliche embryologische 'T'hatsache, einerlei ob eine richtige oder falsche, zu Grunde. Aber Nusgaum selbst schneidet wenige Zeilen weiterhin jede derartige Erwägung dadurch gründlich ab, dass er den fraglichen Strang oder die Chorda in der Ausbildung des Neurilemmas aufgehen lässt; er sagt nämlich: »Die Elemente der Chorda verbreiten sich seitwärts und in Form einer einschichtigen Zellhaut, hüllen anfänglich von oben, dann von den Seiten und von unten die Ganglien ein, ein äusseres sogenanntes Neuri- lemm bildend. Dann wachsen die Elemente der Chorda zwischen Mark- und Rindensubstanz hinein, um ein inneres, dem äusseren ganz ähnliches und ebenso aus einer Schicht flacher Zellen bestehendes Neurilemm zu bilden, das die Rinden- von der Punktsubstanz sondert.« Gestützt auf diese Beobachtung konnte doch Nusgaum nicht mehr und nicht weniger 1) Nussaum, J. Vorläufige Mittheilung über die Chorda der Arthropoden. Z. Anzeiger. Jahrg. 1883. p. 291. *) Nussaum referirt, LeyDıG hätte diesen Strang bei Z/ulus gesehen; das ist nicht richtig. Leypıc hat diesen Strang ebenso wie seine Nachfolger lediglich von Lepidopteren beschrieben und abgebildet. 2ool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 62 490 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. schliessen, als dass bei Blatta das Neurilemma sonderbarerweise aus dem Entoderme entstehe, und zwar, indem es zunächst einen massiven Zellstrang bilde. Was hat die Chorda dorsalis mit dem Neurilemma zu thun? Glaubt denn Nussaum wirklich, dass Blatta, respective ihre Vorfahren zuerst nur eine Chorda und keinen Bauchstrang, später aber einen Bauchstrang und keine Chorda mehr besassen? respective, dass mit dem Auftreten ihres Bauchstranges sich die Chorda in ein Neurilemma verwandelte? Und wie und aus was hat sich die Chorda der Vertebraten (mit der doch allein von den bei den Wirbellosen in's Auge gefassten Gebilden noch der Strang von Blatta nach Nuspaums eigener Versicherung in Homologie-Beziehungen gebracht werden könne) entwickelt? aus dem Strange? wo bleibt dann das Neurilemma? aus dem Neurilemma? wozu dann der Strang? Die moderne Morphologie und Entwickelungsgeschichte muthet unserem physiologischen Gewissen so häufig Starkes zu, dass ohne eine gewisse Rlastieität schwer durchzukommen ist; die Vorstellung aber, dass in einem integrirenden Bestandtheile des Arthropoden - Nerven- systemes, nämlich in seinem tausendfach verästelten inneren Neurilemma, der Ausgangspunkt einer Chorda dorsalis liege, ist denn doch allzu stark. Geht man aber selbst auf die Vorstellung ein, so muss man sich fragen, worin denn nun eigentlich noch der Unterschied zwischen der von Nussaum perhorreseirten Chorda supraspinalis der Lepidoptera und seiner Arthropoden-Chorda bestehe, wenn erstere ein Derivat des Neurilemmas darstellt und letztere geradezu mit dem Neurilemma zusammenfällt? Doch diesen Einwand hat wenigstens der Autor vorgesehen und die Art, wie er dem- selben vorzubeugen sucht, ist wirklich originell. In einer Anmerkung sagt er nämlich: »Die hier als inneres und äusseres Neurilemm bezeichneten Gebilde stellen genetisch ein und das- selbe Organ dar, und dürfen nicht verwechselt. werden mit dem, von anderen Autoren gewöhnlich eben so genannten inneren und äusseren Neurilemm, von welchem nur das erstere — die eigentliche Nervensystem- hüllmembran, das letztere aber — die benachbarten, das Nervensystem von aussen umhüllenden Gewebe (zelliges Bindegewebe z. B. bei JZulus, nach Lwyvıs) bezeichnen. Die beiden von uns hier beschriebenen Iüllen stellen also die Derivate des gewöhnlich als inneres Neurilemm bezeichneten Gebildes dar; sie sind das eigentliche Entoskelet, während äusseres Neurilemm der Autoren wahrscheinlich ein Mesoskelet ist.« Also Blatta besitzt zwar wie alle anderen Gliederthiere ein inneres und ein äusseres Neurilemm; aber ihr äusseres Neurilemm ist nicht das äussere, sondern das innere Neurilemm der Autoren! Und warum soll Blatta kein äusseres Neurilemm der Autoren haben? warum soll ihr äusseres Neurilemm, im Gegensatze zu allen anderen Arthropoden, dem inneren der Autoren entsprechen? Damit das Entoskelet von Blatta oder, wie es NusBßaum eingangs nennt, ».die Chorda der Arthropoden« nicht in den Verdacht kommt, eins zu sein mit anderen der Chorda dorsalis verglichenen Neurilemmgebilden, die nun als Derivate des »äusseren Neuri- lemmas der Autoren« respective als »Mesoskelet« in den erwünschten embryologischen Gegen- satz zu dem »Entoskelete« gebracht werden können. Man könnte nun über Nusgaum hinweg vermuthen, dass sich die Sache anders verhalte, dass der von ihm beschriebene Strang nichts mit dem Neurilemma zu thun habe und in Wahrheit verschwinde. Für den ersten Theil der Vermuthung spräche die Darstellung, welche IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. b. Der Bauchstrang. 49| Korornerr') von der Entwickelung des Neurilemmas bei Gryllotalpya gegeben hat. Indem nämlich letzterer die Nussaumssche Herleitung ablehnt, constatirt er, »dass besondere wan- dernde amöboide Zellen sich zwischen dem Eetoderme und dem Bauchdiaphragma hindurch direct zu den Nervenzellen hineindrängen und hier, wie die innere, so auch die äussere Scheide (Neurilemma) bilden«. 7u Gunsten des zweiten Theiles der Vermuthung könnte die Darstellung Ticnonmkorrs? herangezogen werden, derzufolge bei Bombyx der Dotter, wenn er sich vom Embryo abhebt, drei Zellwülste zurücklasse. von denen der mittlere über dem Bauchstrange liege. Das auf diese Weise entstehende Bild erinnert sehr stark an die Anordnung des Entodermes eines ent- sprechenden Stadiums bei denjenigen Wirbelthieren, für welche die Entstehung der Chorda aus dem Entoderme bewiesen ist. Aber — weiterhin erfahren wir von 'TıcHomirorr, dass die Zellen dieses mittleren Stranges allem Anscheine nach zur Bildung des Neurilemmas und Fettkörpers verbraucht werden. Grasse”) konnte den entodermalen Strang bei der Biene überhaupt nicht nachweisen und zweifelt an der Richtigkeit von Nusgaum’s Beobachtung. Die zweite Mittheilung Nusgauus!) ist der Frage gewidmet, welches Verhältniss zwischen dem von ihm beobachteten embryonalen Organe und dem neurilemmatischen Strange der Lepidopteren, den er »Leyvig'sche Chorda« nennt, bestehe. Hier kommt nun der im Vorher- gehenden charakterisirte, willkürlich angenommene Gegensatz zwischen Dlatta-Neurilemm und Autoren-Neurilemm zur Nutzanwendung: »In dem untersten Theile dieses Gebildes«, nämlich der Leyoıg'schen Chorda sagt Nussaum, »ist der Bauchnervenstrang sammt seinem wohl entwickelten inneren Neurilemm versteckt, so dass das ganze Organ als ein sehr stark differenzirtes und ausgewachsenes äusseres Neurillemm zu betrachten ist. Das innere Neurilemm entsteht während des embryonalen Lebens des Seidenspinners; seine Entwickelungsart konnte ich zu meinem Bedauern nicht beobachten, da ich kein entsprechendes Material hatte. Ich vermuthe aber, auf meine Beobachtungen bei anderen Insecten (vornehmlich bei Dlatta) mich stützend, dass es auch hier ein Product der entodermalen Chorda des Embryo sei.« Also das entodermale Organ, respective die Chorda, welche bei Blatta äusseres und inneres Neurilemm liefert (das äussere ist freilich in diesem Falle, wie wir uns zu erinnern haben, auch zugleich inneres!), gibt bei Bomby® nur dem inneren Neurilemm Ursprung: dies oO konnte zwar nicht entwickelungsgeschichtlich nachgewiesen, aber doch, auf Beobachtungen an Blatta gestützt, vermuthet werden. Wie sich Nussaum bei dieser Gelegenheit auf die Angaben von 'T'ıcHonmirorr berufen konnte, ist schwer zu verstehen, da letzterer, so weit ich sehe, nirgends die Ansicht vertritt, dass nur das innere Neurilemma aus dem fraglichen Strange entstehe. Es folgt nun eine Beschreibung der Structur und Entwickelung der Leypis'schen Chorda, die 1) Korornerr, A. Die Embryologie von Gryllotalpa. Zeit. wiss. Z. 41. Bd. 1855. p. 590. 2) 1. p. 375. e. p. 63 der russischen Abhandlung. a)alapine7d.ie. pP. 57T. 4) Nussaum, J. Bau, Entwiekelung und morphologische Bedeutung der Leypıg’schen Chorda der Lepi- dopteren. Z. Anzeiger. Jahrg. 1884. p. 17. 492 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ich nicht weiter zu berücksichtigen habe; dagegen mögen noch die resümirenden Schlussworte hier Platz finden: »Aus allem hier Gesagten kommen wir zum Schlusse, (dass die Leypis’sche Chorda ein Mesoskelet ist, dass sie als ein Analogon, nicht aber als ein Homologon der Chorda der Vertebraten betrachtet werden kann und dass wir überhaupt bei den Arthropoden, so wie bei den Vertebraten, zwei morphologisch differente Theile in dem inneren Skelete unterscheiden müssen: 1) Ein Entoskelet (entodermale Chorda und ihre Producte), 2) ein Mesoskelet (z. B. die Lsyvıg'sche Chorda).« Ich stimme mit dem Autor bezüglich des ersten 'Theiles seines Resume’s vollständig überein; die sogenannte Leyvic’sche Chorda (Lemmatochord) ist der Chorda dorsalis der Verte- braten nicht homolog, sondern analog. Die Nussaum’sche Chorda dagegen ist meiner Ansicht nach der Chorda dorsalis weder homo-, noch analog; dieselbe ist weder ein Ento-, noch ein Mesoskelet; vielmehr entspricht sie, ja fällt zusammen mit dem, was wir bisher Neurilemma ge- nannt haben und hoffentlich auch fernerhin so nennen werden. Welche Bewandtniss es mit dem fraglichen hypodermalen Strange habe, ist eine andere Frage. Künftige Untersuchungen werden erst noch seine Existenz zu bestätigen und seine eventuellen Schicksale klarzustellen haben. Nachdem das Vorhergehende bereits niedergeschrieben war, kam mir eine weitere vor- läufige Mittheilung Nussaun’s') zu Gesicht, in der folgende unser 'Ihema betreffende Sätze enthalten sind: »Au milieu, entre les Iimites internes de deux moities du diaphragme s’accumulent les cellules mösodermiques formant dans la partie thoracique de l’embryon un petit cordon solide, qui croit vers l'interieur du systeme nerveux sous forme d’un coın, pour donner ensuite icı les muscles et les elements du tissu conjonctif, quoique ces derniers prennent aussi naissance aux depens des cellules mesodermiques isolees de la cavite du eorps. Ce cordon cellulaire solide ne peut etre compare qu’avec les formations mesodermiques des Vers et des Arthropodes, situces au dessus de la chaine nerveuse ventrale, et nommees fibres geantes (riesige Faser) et corde. Comme les faits confirment de plus en plus l’existence de memes formations chez les divers J j l Invertebres, il est d&ja temps, selon moi, de rejeter la crainte, pas assez motivee, montree de la part de quelques observateurs, qui s’obstinent a ne pas homologuer ces diverses formations avec la corde dorsale des Vertebres. Nachdem also Nusgaum in seinen vorhergehenden Aufsätzen ausdrücklich alle Versuche, die mesodermalen Adnexe des Bauchstranges wie: KowaLewsky’sche Chorda, Leypigc’sche Chorda, Semrer'sche Chorda, mit der Chorda dorsalis der Vertebraten zu homologisiren, verworfen, nachdem er für eine mit diesem letzteren Organe in genetischem Sinne zu vergleichende Bildung die peremptorische Forderung entodermaler Herkunft geltend gemacht, nachdem er für das von ihm willkürlich Entoskelet genannte innere Neurilemma, weil einzig und allein jener Forderung genügend, auch allein die Berechtigung, mit der Chorda dorsalis in morphologischem Sinne verglichen werden zu können, in Anspruch genommen, nachdem er endlich in Folge dessen diese seine vermeintlich allein legitime Chorda zu all den genannten anderen, nach ihm nur analogen Bildungen, in den denkbar schärfsten Gegensatz gebracht hatte: nach alledem wirft derselbe Verfasser in obigem Satze diese kurz vorher so scharf auseinandergehaltenen Gebilde wieder als »Formationen des Mesoderms« zusammen, indem er hinzufügt, wie es an der Zeit sei, dass ängstliche oder obstinate Forscher sich zur Anerkennung dieser Homologie bekehren, also zur Anerkennung derselben Homologie, die Nusgaum selbst kurz zuvor für immer 1) Nuspaum, J. L’Embryologie d’Onisceus murarius. Z. Anzeiger Jahrg. 1886. p. 454. IV. Centrales Nervensystem. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. b. Der Bauchstrang. 493 begraben zu wollen schien. Und Alles dies wird uns hier so nebenbei mitgetheilt, ohne dass Nusgaum auch nur mit einem Worte seiner früheren Aufsätze gedächte. Hat er etwa deren Existenz vollständig vergessen, oder beabsichtigt er, dieselben in dieser Weise stillschwei- gend zu desavouiren? Es bleibt mir noch übrig, derjenigen Chorda zu gedenken, welche SEMPER') von den Naiden beschrieben hat. Dieser Forscher hielt ursprünglich, in Uebereinstimmung mit An- deren, die sogenannten riesigen Fasern des Bauchstranges, also die Neurochorde, für Homologa der Wirbelthierchorda, gab aber nach genauerer Untersuchung jener Fasern diese Ansicht auf. Anstatt ihrer sollte nun ein von ihm bei den Naiden wahrgenommener mesodermaler Zell- strang das gesuchte Organ darstellen, indem dieser Strang »eine Axe in den neu angelegten Seg- menten des T'hieres bezeichnet, welche zu den aus Mesoderm und Ectoderm allmählich sich abglie- dernden Theilen genau in derselben morphologischen Lagerungsbeziehung steht, wie die Chorda dorsalis der Embryonen der Wirbelthiere und Ascidien«. Zur Zeit als Semper dies nieder- schrieb, war für ein der Chorda zu vergleichendes Gebilde die mesodermale Entstehung un- erlässlich; heute ist für einen derartigen Vergleich diese Entstehung ebenso hinderlich. Aber selbst diese Erwägung ist überflüssig, da KLEINENBERG?) gezeigt hat, dass jene von SEMPER für ein Homologon der Chorda dorsalis gehaltenen mesodermalen Zellen oder Zellcomplexe die Anlagen des Neurilemmas darstellen, weil ferner auch Bürow°) feststellen konnte, dass jene Zellen dort verschwinden, wo die Anlage des Neurochords beginnt, was auf dasselbe heraus- kommt, indem ja, wie wir gesehen haben, die Neurochordröhren ursprünglich integrirende Theile des Neurilemmas darstellen. Es sind somitalle jene im Bereiche des Nervensystemes gelegenen Bildungen, welche der Reihe nach der Chorda dorsalis verglichen wurden, als Modificationen und Wucherungen des Neurilemmas zu betrachten. Im Hinblicke auf ihre Func- tion können diese Bildungen auch fernerhin der Chorda dorsalis gleichgestellt werden, genetisch haben sie aber Nichts mit derselben zu thun. Für ein Homologon dieser Chorda halte ich nun aber mit Enrters den Nebendarm der Anneliden, weil er allein den für die Zulässigkeit einer solchen Homologie heute entscheidenden Grundbedingungen Genüge leistet. Darüber habe ich mich indessen im vorhergehenden Kapitel schon so aus- führlich ausgesprochen, dass ich hier nur darauf hinzuweisen brauche. 1). 1.,p.,53. e..p...168 und‘.186. 2) Kreinengerg, N. Sullo Sviluppo del Zumbrieus Trapezoides. Napoli 1875. p. 51. a). pr BAr.rc. p. 92. V. Sinnesorgane. l. Die Augen. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.”) Die Sehorgane der Capitelliden treten in jener einfachsten als Pigmentflecke bezeich- neten Form auf. Jene Einfachheit ist allerdings nur eine scheinbare, indem das, was bei oberflächlicher Betrachtung einen gefärbten Fleck darstellt, sich bei genauerer Untersuchung als relativ complieirte Struetur erweist. Die Augen liegen bei allen Capitelliden im Kopflappen, innig mit dem Gehirne ver- bunden, und zwar in den meisten Fällen an derjenigen Stelle, an der das nervöse Central- organ mit dem Ketoderme verschmilzt. Ihre höchste Ausbildung erfahren sie im Genus Notomastus, indem hier jederseits ein besonderes Ganglion vorhanden ist, welchem als sogenanntem Sehlappen die zahlreichen Ocellen aufsitzen. Auch bei Dasybranchus sind zahlreiche FEinzelaugen vorhanden; aber sie werden nicht durch einen compaeten, ausschliesslich ihrer Function dienenden Gehirnlappen, sondern durch die Basen der vielfach verzweigten Kopflappennerven innervirt. In Folge dessen tritt denn auch das Schorgan hier weniger unter der Form eines Pigment-Streifes oder -Fleckes (wie bei Notomastus), als vielmehr unter derjenigen zerstreut stehender Pigmentpunkte auf. Mastobranchus ist zwar, ähnlich wie Notomastus, mit besonderen Schlappen ausgerüstet, aber, entsprechend der bei ihm angebahnten Verschmelzung der einzelnen Gehirnabtheilungen, kommen auch jene Lappen zu keiner so scharfen Abgrenzung, so dass ein grosser Theil der Ocellen in die Gehirnmasse, speciell in die vorderen Lappen derselben, zu liegen kommt. Heteromastus ist nur im Jugendzustande durch eine Vielzahl von distal den beiden Gehirn- schenkeln eingepflanzten Ocellen ausgezeichnet; im Laufe des Wachsthumes bilden sich diese zurück und an ihre Stelle tritt Bin durch Grösse hervorragendes, der verschmolzenen Gehirn- masse seitlich aufsitzendes Paar. Capitella endlich hat von Anfang an nur Ein solches an den äussersten Enden seiner 9) Man vergleiche : »Anatomisch-Histologischer Theile p. 70—71. 179—150. 218. 237 und 261. V. Sinnesorgane. 1. Die Augen. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 495 Gehirnschenkel gelegenes Paar, welches bei jugendlichen 'Thieren in die Haut hineinragt, bei älteren dagegen etwas tiefer zu liegen kommt. Was nun die Structur dieser Augen betrifft, so ist zu bemerken, dass sowohl Elemente des Betodermes, als solche des Gehimes am Anfbaue der Einzelorgane betheiligt sind. Bei Notomastus, dessen Sehorgane auch in histologischem Sinne die höchste Ausbildung erreichen, treffen wir zu äusserst die Cutieula stärker als an den angrenzenden Partien des Kopflappens hervorgewölbt. Die IHypodermis ferner ist in der Augenregion dadurch ausgezeichnet, dass Plasma- oder Drüsenzellen durchaus fehlen, und dass die allein vorhandenen ladenzellen (ähnlich wie bei den übrigen Sinnesorganen) palissadenartig regelmässig nebeneinander gereiht stehen. Auf der Grenzscheide zwischen Haut und Gehim liegt sodann eine Schicht pantoffelförmiger Körper, deren vorderer, homogener, glasartig durchsichtiger Abschnitt zwischen den Hadenzellen, und deren hinterer, pigmenterfüllter Abschnitt zwischen den Ganglienzellen eingebettet liegt. Diese eigenthümlichen, zur Sagittalebene etwa 45" ge- neigt stehenden, häufig an beiden Polen in Fäden auslaufenden Gebilde enthalten zuweilen degenerirte Kerne und geben sich so als Abkömmlinge von Zellen zu erkennen. unetionell genügen sie wahrscheinlich zugleich der Aufgabe von Linse und Choroidea, . - . R el: Cuticula weshalb ich sie liehtbreehende Zellen nenne. Ob sie modificirte Haut-, a ° an . II, Hadenzelle oder aber modifieirte Ganglienzellen darstellen, dürfte schwer zu entscheiden er sein; diese Frage ist aber insofern irrelevant, als ja die lichtbrechenden Zellen Lichtbrechende gerade da auftreten, wo Gehirn und Haut miteinander zur Verschmelzung Koh gelangen. In den Kinzelaugen scheinen mir nun die eben aufgeführten Klemente in folgender Weise mit einander verbunden zu sein: mehrere mit der Cutienla (N Korn verschmolzene Fadenzellen umfassen mit ihren Ausläufern die liehtbrechenden Zellen, und letztere vermitteln die Verbindung mit den Körnern und Ganglien- ) fü Ganglienzelle zellen des Sehlappens conform nebenstehendem Schema. es Von ganz ähnlicher, nur nicht so deutlich ausgeprägter Structur sind die \/ F mehr zerstreut stehenden Ocellen von Dasybranchus. Bei Mastobranchus sind die liehtbrechenden Zellen nicht pantoffel- sondern Schema zur Demonatra ee . . . . .p 1. tion dosZusammenhunges kugelförmig; auch lassen dieselben, wegen ihrer grossentheils tieferen Einsenkung «do lichtbrochenden und ; liehtpereipirenden Ble mente dos NAolomastus in das Gehirn, nicht immer so klare Beziehungen zu den ectodermalen Elementen BON E) fo) Aug erkennen. Auch im definitiven Anugenpaare von Heteromastus, sowie in demjenigen von Capitella, sind die liehtbrechenden Zellen nach dem Typus des Mastobranchus-Auges, also kugelförmig gebaut. Wenn man sich der hoch organisirten Augen anderer Anneliden, wie der Alciopiden, Nereiden, Eunieiden ete. erinnert, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir es bei den Capitelliden mit rückgebildeten Sehorganen zu thun haben. Was sollten auch diese gegenwärtig, wie es scheint, ganz und gar auf die dunkele Sand- oder Schlammexistenz be- schränkten Wesen mit reich ausgestatteten Augen anfangen? Bemerkenswerth in der Hinsicht 496 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ist jedenfalls die gerade bei unserer Familie so einzig gesteigerte Entwickelung der übrigen Sinnes- apparate, insbesondere der mehr nach dem Principe der Gehörorgane aufgebauten Seitenorgane. In Anbetracht, dass es sich beim Fortschreiten unserer Erkenntnisse der Morphologie aller Sehorgane vorläufig noch um die Feststellung cardinaler Fragen handelt, und dass solche Feststellungen wohl durch ursprünglich-einfache, nicht aber durch degenerativ-einfache Organisationsverhältnisse gefördert werden können (indem letztere erst durch das Verständniss dessen, von dem sie abfielen, selbst verständlich zu werden vermögen‘, unterlasse ich jeden Versuch, das unter der Form von Pigmentflecken erscheinende Capitellidenauge mit gleich- namigen Organen, sei es von Anneliden, sei es von anderen 'l'hiergruppen zu vergleichen. Für einen späterhin möglichen derartigen Vergleich glaube ich aber dadurch Einiges beige- tragen zu haben, dass ich die relative Complieirtheit dessen nachwies, was man gemeinhin als »Pigmentflecke« zu bezeichnen pflegt. 2. Die Wimperorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden :). 3ei allen Capitelliden liegen in der Mitte oder an der Basis des Kopflappens seitlich- hämal ein paar Querspalten, durch deren jede ein keulenförmiges, kräftig wimperndes Organ handschuhfingerförmig hervorgestreckt werden kann. Da die Function dieser Organe schwerlich mit derjenigen von Tastorganen oder 'Tentakeln zusammenfällt, da ferner ihre Natur als (Geruchsorgane zwar viel wahrscheinlicher®), aber doch noch nicht ausgemacht ist, so habe ich beide diese für sie in Anwendung gebrachten Namen vermieden und anstatt ihrer die indifferentere Bezeichnung »Wimperorgane« beibehalten. In ihrem ausgestülpten Zustande communiciren die Hohlräume der Wimperorgane mit demjenigen der Leibeshöhle, und in Folge dessen können alle Contenta letzterer, insbesondere das Blut, in jene Hohlräume hinein gelangen. Lediglich die Kraft des Hämolymphstromes ist es auch, welche die Organe zur Ausstülpung bringt, wogegen ihre Einstülpung durch zahl- reiche Retractoren bewirkt wird. Im eingestülpten Zustande kommen die Wimperorgane als hohle Taschen oder Schläuche in besondere Abtheilungen des Kopflappens oder des Mundsegmentes, und zwar in die sogenannten Wimperorgankammern, hämal vom Gehirne, zu liegen und dann enthalten ihre Lumina nicht Blut, sondern Seewasser. Zwischen den Wimperorganen und dem Gehirne herrschen so innige Beziehungen, dass in einzelnen Gattungen die ersteren als continuirliche Anhänge des letzteren erscheinen. Dies gilt besonders für Notomastus, bei welcher Form sich die hinteren Gehirmlappen wie mit den Wimperorganen verschmolzen darstellen; erst bei genauerem Zusehen überzeugt man %#) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 71—76. 180. 218. 237—238 und 261. n 3 2) Man vergl. den Physiologischen Theil, Kapitel Sinnesorgane. V. Sinnesorgane. 2. Die Wimperorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden, 497 sich, dass es in Wahrheit mehrere kräftige Nervenstämme sind, welche diese Verbindung be- werkstelligen. Bei Dasybranchus lässt sich letzteres Verhältniss ohne Weiteres erkennen; nur dass hier ausser den hinteren auch die seitlichen Lappen zur Innervation beitragen. Da aber hintere und seitliche Lappen von Dasybranchus aller Wahrscheinlichkeit nach den hinteren Lappen von Notomastus entsprechen, so ist dieser Divergenz keine allzu grosse Bedeutung beizulegen. Mastobranchus stimmt so wie hinsichtlich seines Gehimes auch hinsichtlich seiner Wimperorgane in allen wesentlichen Punkten mit Notomastus überein. In hohem Grade abweichend von allen diesen drei Gattungen verhalten sich dagegen Heteromastus und Capitella. Da in diesen beiden Formen die Gehirnganglien gleicherweise zu einheitlichen Massen verschmolzen sind, so kann auch von besonderen, die Wimperorgane innervirenden Lappen nicht mehr die Rede sein. Genannte Organe erhalten vielmehr nur je einen Nerven, und dieser entspringt nicht, wie man im Einklange mit dem Verhalten der anderen Capitelliden voraussetzen müsste, aus dem hinteren Abschnitte des nervösen Central- organes, sondern umgekehrt aus dem vorderen. Daher die V erschiebung der Wimperorgane nach vorn und daher auch ihre Mündung auf der Mitte des Kopflappens anstatt an dessen Basis. Für das Studium der Structur unserer Organe haben sich die Gattungen Notomastus und Dasybranchus, bei welchen sie die höchste Entwickelung erreichen, am geeignetsten er- wiesen. Ich habe mich aber davon zu überzeugen vermocht, dass auch diejenigen der übrigen, schwerer zu bearbeitenden Formen in ganz ähnlicher Weise aufgebaut sind. Zu äusserst (wenn man von dem ausgestülpten Zustande ausgeht) werden die Wimper- organe von einer Outicula begrenzt, welche continuirlich in die gleichnamige Haut des Kopf-Mundsegmentes übergeht. Im Gegensätze zu derjenigen des übrigen Körpers fehlen dieser Cutienlaportion die (den Hautdrüsen als Mündungen dienenden) Poren; anstatt dessen ist dieselbe von zahlreichen kleineren, den Cilien Durchgang gestattenden Spalten durchbohrt. Unter der Cutieula liegt in Form einer sehr dicken, vielfach gefalteten Schleimhaut das Epithel, dessen Elemente durch ihre langgezogenen, in Fäden auslaufenden Kerne (ge- schwänzte Kerne) auffallend den Fadenzelltypus zur Schau tragen. Nur stellen die Köpfe dieser Fadenzellen im Gegensatze zu denjenigen der Haut sehr plasmareiche Keulen oder Sicheln dar und erinnern daher noch viel mehr an die entsprechenden Zellen des Oesophagus- epithels. Auch darin stimmen sie mit denjenigen des Oesophagus (sowie auch des übrigen Darmtractus) überein, dass sie durch zahlreiche Ausläufer untereinander verbunden sind. Während aber im Darme nur stellenweise solche, wie ich glaube, durch Sprossung zu Stande kommende Complexe nachgewiesen werden konnten, vermochte ich umgekehrt in den Wimper- organen überhaupt keine Zellen zu isoliren, indem sich letztere insgesammt in einem unauf- lösbaren Verbande befinden. Die Ausläufer dieser Zellen stehen mit zahlreichen Nervenfibrillen im Zusammen- hange, welch’ letztere an der Basis ein reiches, häufig durch Körner unterbrochenes Geitlecht darstellen. Die den Zellen abgewandten Ausläufer dieses Geflechtes gehen aber nicht direet Zool. Station z, Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 63 498 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. in die betreffenden Nerven über, sondern diese Vermittelung wird (ähnlich wie in der Haut und im Darme) durch einen Ganglienzellenplexus bewerkstellig. An wenig anderen Körperstellen herrscht ein so ausserordentlicher Nervenreichthum wie in den Wimperorganen, was nicht auffallend erscheinen wird, wenn man bedenkt, dass beispielsweise bei Notomastus die sämmtlichen aus den hinteren Lappen entspringenden Nerven in der Versorgung jener Organe aufgehen. Auf die Nervenschicht folgt eine solche von Ringmuskelfasern und schliesslich die das Organ nach innen zu begrenzende peritoneale Hülle, an welcher sich die bereits er- wähnten Retractoren ansetzen. Auf Grund seiner entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen hat KrEınengers') festgestellt, dass die im fertigen Annelidenkörper so selbständig erscheinenden Gehimganglien an der Hand theils provisorischer, theils bleibender Sinnesorgane zur Ausbildung gelangen, dass also das Annelidengehirn, phylogenetisch betrachtet, ein Aggregat darstellt. Wenn wir unter diesem Gesichtspunkte, dessen Bedeutung Jedem einleuchten wird, das so auffällige Inner- vationsverhältniss der Wimperorgane, insbesondere von Notomastus und Mastobranchus, be- trachten, so erscheint dasselbe viel verständlicher. Wir haben gefunden, dass in beiden Gattungen die hinteren Gehimnganglien vollständig in der Innervirung der Wimperorgane auf- gehen, dass somit jene Ganglien geradezu als »Ganglien der Wimperorgane« bezeichnet werden konnten. Nun, zugegeben, dass sich diese Ganglien im Anschlusse an die von ihnen innervirten Sinnesorgane entwickelt und erst nachträglich mit den vorderen Ganglien ver- einigt haben, so repräsentiren die Gehirne von Notomastus und Mastobranchus die dem ur- sprünglichen Zustande (unter den Capitelliden) noch am nächsten kommenden Stadien. Dasybranchus entfernt sich schon dadurch etwas von jenem Zustande, dass von den hinteren (und seitlichen) Ganglien, nebst den Wimperorganen, auch andere Organe innervirt werden, und bei Heteromastus sowie Capitella endlich sind in Folge der totalen Verschmelzung aller Ganglien die ursprünglichen Verhältnisse gänzlich verwischt. Dieselbe Ueberlegung lässt sich auch auf die Augen ausdehnen: Notomastus und Mastobranchus haben noch besondere Ganglien für die Sehorgane, nämlich die Sehlappen. ei Dasybranchus sind solche Lappen nicht mehr vorhanden, die Ocellen liegen vielmehr im Bereiche der von den vorderen Lappen abgehenden Kopfnerven; bei Heteromastus (im er- wachsenen Zustande) sowie bei Capitella tritt an Stelle der zahlreichen Ocellen Ein Paar solcher, welches im ersteren Falle der Gehirnmasse, im letzteren den Gehirnschenkeln aufliegt. b. Vergleich mit anderen Anneliden. In seiner Abhandlung über Oligognathus hat SPENGEL?) alles das zusammengetragen, was bis dahin über die Wimperorgane von Anneliden bekannt geworden war. Aus dieser, 1). 1. pP. 3032 e. p. 662und 87. 2) 1. p. 310. .c. p. 29—36. V. Sinnesorgane. 2. Die Wimperorgane. b. Vergleich mit anderen Anneliden. 499 wie mir scheint, ziemlich vollständigen Zusammenstellung geht hervor, dass bei folgenden Familien mit solchen Organen ausgerüstete Vertreter nachgewiesen wurden: Euniciden, Nereiden, Phyllodociden, Syllideen, Polyophthalmiden, Typhloseoleeiden und Sabelliden (? ferner bei den sogenannten Archianneliden oder Polygordiiden (Polygordins, Protodrilus und Saccoeirrus); sodann bei Otenodrilus und bei Tomopteris. Dieser Liste wären noch beizufügen: die Familie der Cirratuliden und aus der Gruppe der Oligochaeten: Aeolosoma'). Prüfen wir diese eben aufgezählten Familien hinsichtlich ihrer Zusammengehörigkeit, so fällt sofort auf, dass wir es mit einer sehr heterogenen Reihe zu thun haben, und dass daher die Wimperorgane innerhalb der Annelidenclasse in sehr weiter Verbreitung auf- treten. Freilich sind es nicht immer so mächtige Organe wie bei Notomastus und Dasy- branchus, höchstens die Euniciden haben etwas Achnliches aufzuweisen. In vielen Fällen, ja vielleicht in den meisten, scheinen diese Organe der Rückbildung anheimgefallen zu sein, indem an Stelle der umfangreichen, ein- und ausstülpbaren Schläuche mehr oder minder tiefe Gruben ge- treten sind. Daher auch die so schr voneinander abweichenden Benennungen von Seiten der verschiedenen Autoren. Bald wird nämlich von Nackenwülsten, Nackengruben, Wimper- gruben oder knopfförmigen Wülsten, bald von Nackentaschen, Wimpertaschen oder Räderorganen gesprochen. Wie wenig aber solche Schwankungen im Grade der Ausbildung sowie auch im Lagerungsverhältnisse die Einheit aller dieser Gebilde in Frage zu stellen geeignet sind, geht aus der 'T'hatsache hervor, dass auch innerhalb ein- und derselben Familie schon entsprechende Variationen sich geltend machen können. Nicht nur haben wir gesehen, wie die bei den Gattungen Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus umfangreichen, üppig innervirten, an der Basis des Kopflappens gelegenen Organe bei den Gattungen Heteromastus und Capitella als unansehnliche, von einem dünnen Nerven versorgte 'Täschchen nach der Mitte des Kopflappens vorrücken, sondern wir haben auch durch SpexGen?) erfahren, dass, ganz dem Verhalten dieser Capitelliden entsprechend, in der Familie der Lumbriconereiden die Wimperorgane bei den meisten Gattungen wohlausgebildete, retractile, auf der Grenze zwischen Kopflappen und Mundsegment mündende Schläuche, bei dem schmarotzenden Genus Oligo- gnathus dagegen weit nach vorn gerückte, kaum mehr der Ausstülpung fähige Gruben darstellen. Von den Wimperorganen der meisten im Vorhergehenden aufgezählten Familien ist zwar lediglich das Vorkommen festgestellt, aber von denjenigen Einer Familie, nämlich der FEuniciden, wissen wir doch, dank den Arbeiten von Enters und SPENGEL, genug, um auch hinsichtlich der Innervationsverhältnisse sowie der Structur in allen wesentlichen Punkten eine Uebereinstimmung mit den Wimperorganen der Capitelliden constatiren zu können. SPENGEL?) sprach im Hinblicke darauf, dass die der Wimperorgane entbehrende Arenicola am Schlundringe zwei Gehörorgane besitzt, die Vermuthung aus, dass letztere aus ursprüng- lichen Wimperorganen hervorgegangen sein möchten. Zur Unterstützung dieser seiner Auf- I) Vergl. Vesvovskr 1. p. 236. e. p. 18. 2) ap. 310.0. pr Sl. 3)el. p. 310... p. 34. 500 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. fassung erinnerte er an das Factum, dass sich die bei Aricia acustica LANGERHANs vorhandene Reihe der Gehörorgane nach hinten in eine Reihe von Wimpergrübchen (die Vorläufer der Gehörkapseln nach Langernans) fortsetze. Ich kann mich dieser Vermuthung SpenGers nicht anschliessen, da meiner Ansicht nach (wie aus den nachfolgenden Abschnitten ersichtlich, die Wimperorgane der Anneliden auch in anderen T'hierelassen durch homologe Bildungen vertreten, die Gehörorgane dagegen, insbesondere diejenigen von Aricia acustica, als specielle Errungenschaften ihrer "Träger zu be- trachten sind. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. Wer die von mir gegebenen Abbildungen der Gehirne und Wimperorgane von Noto- mastus oder Dasybranchus und die gleichnamigen Organe‘) von Nemertinen') auch nur einem flüchtigen Vergleiche unterzieht, wird nicht umhin können zuzugeben, dass hier eine grosse Uebereinstimmung zum Ausdrucke kommt. In beiden Fällen haben wir es nämlich mit innen bewimperten Taschen zu thun, welche einerseits innig dem Gehirne anliegend, respective in sehr ausgiebiger Weise von ihm innervirt und andererseits mit der Aussenwelt communicirend erscheinen. Dass letztere Communication bei den Nemertinen mehr canalartig und mehr seitlich, als hämal erfolgt, dass ferner bei ihnen eine Ausstülpung der Organe, wie es scheint, unterbleibt, das sind Abweichungen, welchen in Anbetracht, dass auch ım Kreise der Anne- liden nicht unbedeutende Differenzen der Lagerungsverhältnisse und Ausstülpbarkeit vorkommen, kein allzugrosses Gewicht beizulegen sein dürfte. Es hat denn auch nicht an Forschern gefehlt, welchen diese Uebereinstimmung ohne Weiteres einleuchtete und welche daher die Wimperorgane der Anneliden mit denjenigen der Nemertinen und Turbellarien zu vergleichen für gut fanden. lange bevor man sich auf ein in befriedigender Weise durchforschtes Vergleichsmaterial stützen konnte, hob schon ÜUrararede?) hervor, wie die Wimperorgane von Polyophthalmus an die »fosses vibratiles« der Nemertinen erinnerten. 1) Man vergleiche: Husreent, A. Untersuchungen über Nemertinen aus dem Golf von Neapel. Niederl. Arch. 27.09, Bd. 1875. Tat. 9. Rio 2. 2)E por cepnile *) Von den zahlreichen Namen, die den fraglichen Organen der Nemertinen je nach ihrer vermeintlichen Function oder je nach einseitiger Berücksiehtigung ihrer Mündungen, oder aber ihrer Beziehungen zum Gehirne in den verschiedenen Sprachen beigelegt wurden, ist keiner weniger passend und zugleich mehr zur Erzeugung von Missverständnissen geeignet, als der von KErERSTEIN eingeführte, in deutschen Schriften leider so verbreitete Ter- minus: Seitenorgane. Denn unter dem Namen Seitenorgane figurirt ja bereits eine ganz heterogene Kategorie von Sinnesapparaten, nämlich diejenige der sogenannten Seitenlinie. Ich kann die Uebertragung dieser Bezeichnung auf Nemertinenorgane, für welche sich bei Anneliden Homologa finden, um so weniger unangefochten lassen, als ja gerade in dieser Monographie zugleich so viel von Sinneshügeln die Rede ist, welche meiner Ansicht nach den Seitenorganen der Vertebraten vergleichbar sind. Um also Verwechslungen mit letzteren zu vermeiden, nenne’ich die fraglichen Organe der Nemertinen und 'Turbellarien, ebenso wie diejenigen der Anneliden, Wimperorgane. V. Die Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 501 Von neueren Forschern ist sodann in erster Linie Kenner!) zu nennen. Ihm zufolge sind die Seitengrübchen von Ütenodrilus ebenso gewiss den complieirteren Kopf- oder Nacken- gruben (Wimperorganen) anderer Anneliden homolog, als die ebenso primitiven Kopf- und Wimpergrübchen der Rhabdocoelen und mancher Dendrocoelen denen der Nemertinen. Sodann VEDovskY?), indem er erklärt, dass die Wimpergruben von Aecolosoma als Sinnes- organe zu betrachten und offenbar den entsprechenden Bildungen der Turbellarien, Nemer- tinen und Polychaeten gleichzustellen seien. Zu Gunsten einer Vergleichbarkeit der Wimpergruben der Turbellarien mit den Wimper- organen der Nemertinen hat sich endlich auch Braun’) ausgesprochen. Noch sei erwähnt, dass Samt-Loup ') auf Grund seiner (mit den neueren anatomischen, ihm allem Anscheine nach unbekannt gebliebenen Arbeiten Mac Inrosms und Husreenrt's schwer vereinbaren) Wahrnehmungen an verschiedenen Nemertinen, die Wimperorgane letzterer morphologisch den Nephridien (insbesondere der Hirudineen) für vergleichbar hält. Diese ihre morphologische Natur soll, unserem Autor zufolge, die Wimperorgane befähigen, nahezu allen jenen so verschiedenen, ihnen im Laufe der Zeit zugeschriebenen Functionen gerecht werden zu können. Ein Vergleich, der dahin führt, so ausserordentlich auseinandergehende Meinungen über die Function eines Organes auf morphologischem Boden zu versöhnen, ist gewiss von hohem Interesse und so wurde denn auch der Fall ernstlich von mir erwogen. Aber weder habe ich in den betreffenden Organen, noch in des Verfassers Darstellung irgend Etwas zu entdecken vermocht, was die Voraussetzung jener Versöhnung, nämlich die nephridiale Natur der Wimperorgane, zu stützen geeignet wäre. 3. Die Seitenorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden>). Mit Ausnahme von Capitella haben alle Vertreter der Familie nahezu dem ganzen Körper entlang in jedem Segmente ein Paar rundlicher Hügel, deren freie Pole mit zahlreichen feinen, starren Haaren besetzt sind. Da sich aus ihrer Structur ergab, dass sie Sinnesorgane dar- stellen, so nannte ich dieselben Sinneshügel oder Seitenorgane, indem ich sie den gleichnamigen Bildungen höherer 'Thiergruppen für homolog erachtete. Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 76—95. 180— 181. 218—219. 238 und 261—262. UFl.p- A466. c. p. 22. 2) 1. p. 236. c. p. 96. 3) Braun, M. Beiträge zur Kenntniss der Fauna Baltica. I. Ueber Dorpater Brunnenplanarien. Arch. f. Naturk. Liv-, Esth- und Kurlands. 9. Bd. 1881. (In Ermangelung der Originalabhandlung habe ich obige Angabe dem Jahresberichte der Zool. Station pro 1882. 1. Abth. p. 215 entnommen.) 4) Sarsı-Lour, R. Sur les fossettes c&phaliques des Nemertes. Compt. Rend. Tome 102. 1886. p. 1576. 502 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Im Vorderleibe oder Thorax können die Hügel total in Hautfalten zurückgezogen werden, und in diesem Falle treten an Stelle der Hügel von Lippen begrenzte Spalten als Oeffnungen der die retrahirten Organe umschliessenden Höhlen (Seitenorganhöhlen). Diese Spalten wurden früher irrthümlich für Poren zur Ausfuhr der Geschlechtsproducte, oder aber für die Mündungen von Nephridien gehalten. Die Seitenorganhöhlen sind keine constanten Gebilde, indem sie lediglich durch die Contrac- tion des Thorax unter Mitwirkung einzelner transversaler Muskelfäden zu Stande kommen und sich bei Expansion dieses Körpertheiles auch wieder ausglätten. Da der Thorax hauptsächlich die Fort- bewegung im Sande vermittelt, so ist es begreiflich, dass die mit so zarten Sinneshaaren ausgerüsteten Hügel, in Ermangelung anderer Schutzvorrichtungen, der Retractilität theilhaftig geworden sind. Im Abdomen sind die Hügel nicht retractil; anstatt dessen pflegen sie, wo die Haken- taschen (Riemen) kräftig entwickelt sind, im Winkel dieser Organe geschützt zu liegen und, wo solche Taschen nicht zu besonderer Ausbildung gelangen, tiefer in die Haut hineinzurücken. An den Sinneshügeln beider Körperabtheilungen kann ferner der freie mit den Sinneshaaren besetzte Pol, das sogenannte Haarfeld, durch einen besonderen Muskel eingestülpt werden und darin liegt offenbar eine weitere Schutzvorrichtung für die so zarten, die Em- pfindung vermittelnden Sinneshaare. In diesem Zustande erscheinen die Hügel wie von spalt- förmigen Oeffnungen durchsetzt, und als solche durchbohrte Körperfortsätze wurden denn auch unsere Organe am Abdomen von meinen Vorgängern missverstanden. Ihre höchste Ausbildung erreichen die Seitenorgane im Genus Notomastus; sodann folgen Dasybranchus und Mastobranchus; bei Heteromastus tritt die bemerkenswerthe Reduction ein, dass nur bis zur Abdomenmitte Hügel zur vollen Entwickelung gelangen, und Capitella endlich besitzt, wie schon erwähnt, keine Spur mehr derselben. Da das borstenlose Mundsegment der Seitenorgane entbehrt, so kommen den mit 12 Thoraxsegmenten ausgerüsteten Gattungen Notomastus, Mastobranchus und Heteromastus je Il, und dem 14 solche Segmente zählenden Dasybranchus 15 retractile Seitenorganpaare zu. Wo die abdominalen Sinneshügel, anstatt frei von der Haut abzustehen, mehr oder weniger in das Hypodermgewebe hineinrücken (und das coineidirt, wie gesagt, mit der Re- duction der Hakentaschen), also bei Notomastus fertilis, Dasybranchus Gajolae, Mastobranchus und Heteromastus, da herrscht auch kein so auffallender Gegensatz zwischen retractilen thora- calen und nicht retractilen abdominalen Seitenorganen. Die Lage dieser Organe ist vom Anfange bis zum Ende des Körpers eine relativ ganz constante. Wir treffen sie nämlich stets im Bereiche der hinteren Segmentgrenze auf derselben Ebene wie die Parapodien, und zwar so ziemlich in der Mitte zwischen den hämalen und neuralen Bündeln jederseits. Im Hinblicke auf die Queraxe lässt sich deren Position noch genauer präcisiren, indem es gerade die Grenzlinie der neuralen und hämalen Längsmuskulatur, also die Seitenlinie ist, in der sie eingepflanzt stehen. Da die Grenzlinie dieser Muskulatur am Anfange des Abdomens hoch hämal heraufrückt, weiterhin wieder eine mittlere, derjenigen des T'horax entsprechende Lage einnimmt und gegen das Abdomenende umgekehrt tief neural V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 503 herabsinkt, da demgemäss die Seitenlinie vom Körperanfange bis zum Körperende eine S-förmige Biegung beschreibt, so müssen selbstverständlich auch die in ihrem Bereiche gelegenen Seiten- organe diese relative Lageveränderung mitmachen. Am schärfsten kommt die S-förmige Krümmung der Seitenlinie, und damit auch der Gegensatz der Seitenorgan-Position in den verschiedenen Körperregionen, bei Notomastus zum Ausdrucke; bei Dasybranchus erscheint dieser Gegensatz in Folge des geringeren Ansteigens der neuralen Längsmuskulatur am Abdomen- anfange schon etwas abgeschwächt; bei Mastobranchus ferner herrscht zwar in den vordersten Segmenten des Abdomens eine ganz Notomastus-ähnliche Anordnung, aber in den hinteren sinkt die Seitenlinie nie so tief wie bei der typischen Gattung, und bei Heteromastus endlich hört dieser Gegensatz nahezu ganz auf, weil die neurale Muskulatur des Abdomens weder viel höher ansteigt, noch viel tiefer herabsinkt als diejenige des Thorax. Die Form der Hügel varıirt weniger nach den Gattungen, als nach den Lagerungs- verhältnissen. So pflegen die thoracalen Organe der Haut breit aufzusitzen und conisch oder knospenförmig auszulaufen ; die freistehenden abdominalen dagegen pflegen umgekehrt von der Basis zum freien Pole hin anschwellende Keulen elliptischen Umrisses darzustellen, und die mehr in die Haut hineingerückten abdominalen endlich demgemäss abgeflachter zu erscheinen. Die abdominalen, elliptischen Hügel sind constant derart angeordnet, dass ihre grossen Axen rechtwinklig auf der Längsaxe der T'hiere stehen. Conform den langen Axen dieser Hügel erstrecken sich auch in mehreren Reihen die Sinneshaare oder, wie ich den betreffenden, vorwiegend die pereipirenden Elemente enthaltenden heil des Hügelpoles nannte, das Haarfeld. Schnitte parallel seiner langen Axe treffen daher die Elemente des Sinnes- organes flächenhaft, solche parallel der kurzen Axe dagegen treffen sie quer. An den gleichmässig rundlichen Hügeln des Thorax ist natürlich kein derartiger Gegen- satz zu constatiren; wie die Hügel selbst, so sind auch die Haarfelder (nebst den darunter gelegenen Sinneszellen) kreisförmig begrenzt. Diese Form der Hügel, welche als die normale bezeichnet werden kann, ist nun aber keine unveränderliche. Sowohl bei den retractilen thoracalen, als auch bei den nicht retractilen abdominalen können, wie schon hervorgehoben wurde, vermöge der Wirkung besonderer Retractoren die freien Pole oder die Haarfelder eingestülpt werden, und in dem Maasse als sich dieser Einstülpungsprozess vollzieht, verwandeln sich unsere Organe aus soliden, mit relativ langen Haaren besetzten Knospen oder Keulen in scheinbar von Spalten durchbohrte Körperanhänge. Hierzu kommt noch, und dies gilt allerdings nur für die freier stehenden Organe des Abdomens, dass sich sowohl von der Ring-, als auch von der Längsmuskulatur des Stammes einzelne Bündel in adäquater Richtung zu den Basen der Sinneshügel begeben, um in erster Linie, je nach der Wirkung des einen oder des anderen, dem llügel eine Lagever- änderung conform der Längs- oder Queraxe mitzutheilen, in zweiter Linie. aber auch die Formen dieses Hügels mehr oder weniger zu modifieiren. Die abdominalen Hügel pflegen die thoracalen an Grösse durchschnittlich zu über- treffen; nur Heteromastus verhält sich in dieser Ilinsicht abweichb nd, indem bei ihm umgekehrt 05 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. )2 5 \ L 5 die thoracalen Organe entwickelter erscheinen. Da aber bei letzterer Gattung Sinneshügel überhaupt nur bis gegen die Abdomenmitte hin zur Ausbildung gelangen, so erklärt sich das abweichende Verhalten als Folge einer zum allmählichen Eingehen ihrer abdominalen Seiten- organe führenden Rücekbildung, einer Rückbildung, wie sie sich wahrscheinlich in ähnlicher Weise seiner Zeit auch an der heute des Seitenorgansystemes (wenigstens im erwachsenen Zustande) durchaus entbehrenden Capitella abgespielt hat. Innerhalb der thoracalen Reihe nehmen die Sinneshügel von vorn nach hinten ganz allmählich an Grösse zu; innerhalb der abdominalen nehmen sie umgekehrt in derselben Richtung ebenso allmählich an Grösse ab. Es messen beispielsweise die Diameter der rund- lichen thoracalen Notomastus-Hügel vorn 60, hinten 80 p, und diejenigen der elliptischen abdominalen vorn 160, hinten S0 g, in welch’ letzteren Maassen allein die grossen Axen be- rücksichtigt sind. Das Körpervolumen hat auf die Grösse der Hügel keinen Einfluss. So maassen die ersten abdominalen Seitenorgane eines 50 Centimeter langen Dasybranchus caducus in ihren langen Axen 120 p, also um 40 px weniger, als die entsprechend gelagerten eines jenem Riesen gegenüber zwerghaft erscheinenden Notomastus. N Hinsichtlich der Structur verhalten sich die Seitenorgane aller Gat- Sınneshaare I | tungen im Wesentlichen ähnlich; ich gebe daher eine gedrängte Darstellung Ä ihres Verhaltens bei Notomastus, dessen Arten sich für ihr Studium am 4 NN günstigsten erwiesen. | | | I} | \ Re Die Sinneshaare, jene mit dem äusseren Medium in Contact stehenden Endigungen des pereipirenden Apparates, welche schon im frischen, nicht DE näher untersuchten Hügel das Sinnesorgan verrathen, sind überaus zarte Ge- e> le c bilde. Ihre Zahl mag auf grösseren Hügeln mehrere Hundert betragen. Bei | Nervenfibrille vom ar Kornerganglıon | \ zurSpindelgerchtet einer Länge von 40—60 p erreichen sie an ihrer Basis kaum die Breite von | | ge; gegen ihr freies Ende hin spitzen sie sich, jedoch wenig merklich, zu. () ZrensversaleMuskel NLıse . . .. N fihrlledes Haar Als Träger dieser Haare und zugleich als äusserste Bedeckung des leldretnactors “ N en = 2 A N Amen, ganzen Mügels treffen wir zunächst die Cuticula, eine homogene, diaphane, I Baielerdindung N JzwschenSpat continuirlich in die gleichnamige Körperbedeckung übergehende Membran, | \= ner SinNeSOrgan 2 I. &y Paul welche entsprechend dem Mangel der Drüsenzellen der Poren entbehrt. Im EN N / . . . . . = / / Mrventiönlledsdas Bereiche des Haarfeldes aber wird sie von zahlreichen feinen Spalten durch- / / r f Seutenonzan despueöereasiss setzt, durch welche hindurch sich die Basen der Sinneshaare verfolgen lassen. Schema zur Demonstration das) Zupamnenkangos@der Ausserhalb des Haarfeldes folgt auf die Cuticula eine Schicht ziemlich die Seitenorgane consti- tuirenden Elemente. niedriger Hypodermzellen. Im Bereiche des Haarfeldes dagegen herrscht eine hiervon sehr abweichende Anordnung. Wir treffen nämlich der Cuticula zunächst und den Sinneshaaren parallel mehrere Reihen regelmässig nebeneinander geordneter Stäbchen, deren Gesammtheit auf Durchschnitten auffallend an das Bild einer Retina erinnern. Die Substanz dieser in den thoracalen Hügeln 3—4 und in den abdominalen 12—14 u langen Stäbchen ist, ähnlich derjenigen der Sinneshaare, blass und homogen; ihr Querschnitt ist prismatisch; V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 505 nur an dem der Hügelbasis zu gerichteten Ende laufen sie conisch aus. Durch die Cuticula- spalten hindurch treten die Sinneshaare mit den Stäbchen in Verbindung, und zwar derart, dass durchschnittlich zwei Haare auf ein Stäbchen zu stehen kommen. Auf die Stäbchen folgt, ebenfalls innerhalb der Grenzen des Haarfeldes, eine Schicht dunklerer, spindelförmiger Körper, welche in den abdominalen Hügeln eine Länge von 6—8, in den thoracalen dagegen eine solche von 13—20 p. und in beiden eine grösste Breite von 2 » erreichen. Die abdominalen Spindeln enden an beiden Polen fadenförmig; jeder distale Faden tritt mit einem Stäbchen und jeder proximale mit einer Fibrille des Retractors in Zusammenhang. Die thoracalen Spindeln laufen nur proximal in Fäden aus, distal hingegen pflegen sie sich breit abgestutzt mit den Stäbchen zu verbinden, so dass hier das Ganze (Stäbchen und Spindel) den benachbarten Fadenzellen überaus ähnlich erscheint. Die tiefste Stelle im Haarfelde nimmt die an Masse alle vorhergehenden übertreffende Schicht der Körner ein; rundliche oder plattgedrückte, kernartige Gebilde von 2—4 p» Durch- messer, deren Gesammtheit in Folge zahlreicher ihnen aufsitzender Excretbläschen im frischen Zustande ein gelbliches Ansehen darbietet. Diese Körner, an welchen sich meist 2 oder 3 Fortsätze erkennen lassen, von denen ein Theil zur gegenseitigen Verbindung dient, sind nicht wie die vorhergehenden Elemente auf den Kreis des Haarfeldes beschränkt, sondern ragen im Gegentheil, jene Elemente haubenförmig umfassend, bis zu der ausserhalb des ge- nannten Feldes liegenden Hügeldecke herauf. Aehnliche Gebilde werden überall da angetroffen, wo Innervationen erfolgen, also im Ganglienplexus der Haut, sowie des Darmes; besonders zahlreich finden sich aber Körner in den Ganglienknoten des Uentralnervensystemes, wo sie hauptsächlich die inneren Lagen der zelligen Hauben bilden helfen. Wir können demnach die Körnerhaufen der Seitenorgane als Ganglien auffassen, und zwar als solche, welche der grossen peripherischen Zellen, sowie des Neurilemmas entbehren. Die Körner selbst sind sodann hier ebenso wie im Centralnervensysteme als multipolare, der Zellsubstanz verlustig gegangene Ganglienzellen, respective als multipolare Ganglienkerne zu betrachten. Schon an lebenden, comprimirten T'hieren oder Portionen solcher können wir einen in der Leibeshöhle dorsoventral gerichteten Strang, den sogenannten Haarfeldretractor, bis in die Centra der (abdominalen) Hügel hinein verfolgen. Entsprechende Schnitte bestätigen dieses Verhalten und belehren uns ferner darüber, dass der betreffende, pinselförmig in seine Fibrillen zerfallende Strang das Körperganglion central durchsetzt, um mit den oben erwähnten basalen Ausläufern der Spindeln in Verbindung zu treten, und zwar derart, dass je eine Fibrille des Stranges continuirlich in je eine Spindel übergeht. Meine erste Vermuthung war natürlich die, dass dieser Strang den das Sinnesorgan ver- sorgenden Nerven darstelle. Diese Vermuthung hat sich aber, wie sehr auch der Anschein, dafür sprechen mochte, nicht bestätigt, indem die Elemente des betreffenden Stranges voll- ständig mit denjenigen gewisser Muskeln, nicht aber mit denjenigen irgend welcher Nerven übereinstimmten. Ueberdies stand allen Einrichtungen des Sinnesapparates entsprechend zu erwarten, dass der ihm etwa zustrebende Nerv nicht so wie der fragliche Strang das Ganglion Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 64 506 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. durchsetzen, und sich direct mit den Sinneszellen verbinden, sondern, dass er im Gegentheil sich in diesem Ganglion erst auflösen und von da aus die Imnervation der percipirenden Elemente vermitteln werde. Vollends entschieden wurde die Frage in diesem Sinne durch den Nachweis der Herkunft, respective des basalen Ansatzes unseres Stranges. Derselbe gab sich nämlich als einer jener transversalen Muskeln, durch welche die Leibeshöhle mehr oder weniger vollständig in Darm- und Nierenkammern abgetheilt wird, zu erkennen. Dieser Muskel nun ist es, durch dessen Contraction das Haarfeld eingestülpt werden kann, wogegen die Ausstülpung theils durch die Elastiecität der Hügelwandungen, theils durch den Druck des Hämolymphstromes bewirkt wird. Das Eindringen dieses Haarfeldretractors, sowie auch dessen Functioniren ist dadurch ermöglicht, dass die (abdominalen) Hügel in der die neurale und hämale Längsmuskulatur voneinander scheidenden Spalte, also in der Seitenlinie ihre Lage haben. Hierzu kommt noch, dass im Bereiche der Seitenorgane auch die Ringmuskulatur nach allen Seiten hin ausweicht und dass endlich die Hügel an ihrer Basis ausgehöhlt sind. Wir haben gesehen, dass die thoracalen Hügel keine so directen Beziehungen zur Leibeshöhle aufweisen, indem erstens die am Vorderleibe so mächtige Ringmuskulatur nicht in ähnlicher Weise ringförmig im Bereiche der Seitenorgane ausweicht und zweitens die Seiten- linie bei weitem keine so breite Spalte darstellt. In den thoracalen Hügeln wird denn auch die Retraction jedes Haarfeldes nicht durch einen Ast der transversalen Muskulatur, sondern durch die distale Portion eines Pa- rapod-Protrusors bewerkstelligt, und ‚zwar ist es ein Protrusor des hämalen Parapodiums, der in jedem Segmente zugleich die Rolle des Haarfeldretractors übernimmt. Anstatt wie gewöhnlich in breiter Ausstrahlung die Stammesmuskulatur zu durchsetzen und mit normalen Fadenzellen der Hypodermis in Verbindung zu treten, verlaufen die Fibrillen dieses Protrusors in mehr geschlossener Anordnung zum Seitenorgane, um dort ebenso mit den basalen Aus- läufern der thoracalen Spindeln zu verschmelzen, wie die Fibrillen des transversalen Muskels mit denjenigen der abdominalen. Wenn sich die Parapod-Protrusoren contrahiren, so werden demnach gleichzeitig mit der Ausstreckung der Fussstummel die Haarfelder eingestülpt, so dass gleichsam reflectorisch mit dem Functioniren der Locomotionsorgane die Einstülpung der Haarfelder erfolgt. Wir dürfen wohl in dieser Einrichtung eine nützliche Relation zum Schutze der zarten, speciell am Thorax mehr exponirten Sinneshaare erblicken. In der Beschreibung des Centralnervensystemes wurde schon hervorgehoben, wie von den 3—4 jederseits aus den Ganglienknoten der Bauchkette entspringenden Spinalnerven die vorderen und hinteren Paare sich hauptsächlich in der Muskulatur ausbreiten, wie das mittlere Paar dagegen diese Muskulatur durchbricht, um zwischen ihr und der Haut, speciell innerhalb der Parapodkiemenhöhle, bis zum Bereiche der neuralen Hakentaschen oder Kiemen aufzu- steigen. Hier angelangt spaltet sich dieser Nerv in zwei Aeste, deren einer sich zur Kieme und deren anderer sich zum Seitenorgane begiebt. Während der frei in der Leibeshöhle auf- steigende Haarfeldretractor den Hügel basal trifft, central durchbohrt und im Hügelcentrum V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 507 fächerförmig in seine Fibrillen zerfällt, trifft und durchbohrt der der Parapodkiemenwand entlang verlaufende Seitenorgannerv den Hügel seitlich (und zwar an der äusseren, der Kieme zugewandten Seite), zerfällt auch ebenda in seine Fibrillen, um sodann durch letztere sich mit den am meisten peripher gelegenen Körnern des Hügelganglions successive in ver- schiedenen Ebenen in Verbindung zu setzen. Das auf diese Weise durch den Spinalnervenast mit dem Centralorgane in Zusammen- hang stehende Hügelganglion entsendet nun an seiner inneren, den Sinneszellen zugewandten Seite auch seinerseits wieder zahlreiche, überaus dichte, an das fibrilläre Bauchstranggewebe erinnernde Nervengeflechte, und Ausläufer dieses letzteren sind es, welche die Sinneszellen bald mehr im Bereiche der Stäbchen, bald mehr im Bereiche der Spindeln innerviren. Wie das Hügelganglion selbst, so umfasst auch das erwähnte aus ihm entspringende Nerven- geflecht haubenförmig die dem Haarfeld conform angeordneten Sinneszellen, und eine Folge dieser Anordnung ist, dass (in den abdominalen Hügeln) dieses Nervengeflecht in parallel dem Haarfelde geführten Schnitten kaum zum Vorschein kommt, wohl aber in rechtwinklig darauf geführten. Es stehen nach alledem die Stäbchen und Spindeln oder die Sinneszellen der Seitenorgane mit zwei ganz heterogenen Fasergebilden in Zusammenhang: nämlich basal mit Fibrillen eines Muskels*) und höher oben mit solchen eines Nervengeflechtes. Wie merkwürdig auch dieses Factum an sich bleiben mag, so kann doch zum besseren Verständnisse des speciell hier vorliegenden Falles daran erinnert werden, dass * ) Diese schon in meinem früher publieirten Auszuge (l. p. 76. ce. p. 289 —291 und p. 295—299) be- schriebene Verbindung von Muskelfibrillen und Sinneszellen (Fadenzellen) wurde von Hatrver (l. p. 551 [Rhipidoglossen | c.p.59) in Zweifel gezogen. Obwohl ich meinerseits alle Mittel der Forschung aufgeboten, ja selbst schon die möglichen Einwürfe anticipirt hatte, um zu erweisen, dass der im Seitenorgane aufsteigende Strang wirklich ein Muskel sei, und obwohl HALLER seinerseits die fragliche Anordnung nicht durch eigene Untersuchung kennen gelernt hatte, so glaubte er doch folgenden (genau mit des Autors Interpunctionszeichen wiedergegebenen) Satz drucken lassen zu müssen: »Mir scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Muskel, dessen Fasern an die »Sinneszellen inseriren sollen (!), wohl der vermisste Nerv ist. Wäre es denn möglich, dass ein so subtiles Gebilde, wie diese Sinneszellen, noch auch als Insertionspunkt für grobe Muskelwirkung dienen sollte !« Nun, seitdem ist der (wie ich früher schon vermuthete) an einem ganz anderen Orte den Hügel durch- brechende Nerv von mir aufgefunden und damit auch dem »a priori-Einwande« Harrer's jede Basis entzogen worden, so dass sich Letzterer fortan (sowie seiner Zeit ich) an den Gedanken wird gewöhnen müssen, dass es allerdings möglich ist, »dass so subtile Gebilde, wie diese Sinneszellen, auch noch als Insertionspunkte für grobe Muskel- wirkung« dienen können. Vielleicht wird uns beiden die Vorstellung dieser Muskelwirkung etwas leichter, wenn wir sie nicht für gar so »grob« halten. Für HAtLEr liegt ferner (wie ich bei dieser Gelegenheit nachholen möchte) in der Thatsache, dass ich aus den Seitenorganen der Capitelliden keine »Stützzellen« beschrieben habe, ein »histologisch so verschiedenes Verhalten«, dass er glaubt, eine spätere Untersuchung« werde auch bei diesen Thieren andere Verhältnisse aufdecken«. Auch be- züglich dieses Punktes hatte aber HALLEr mit seiner »a priori-Prophezeihung« wenig Glück; denn diejenigen beiden Forscher, welche Anneliden-Seitenorgane nach mir nicht etwa ex cathedra abgeurtheilt, sondern an der Hand ent- sprechender Methoden untersucht haben, nämlich E. Meyer und Lessona, konnten beide gleichzeitig und durchaus unabhängig von einander meine Darstellung in allen wesentlichen Punkten bestätigen. Aber ganz abgesehen davon möchte ich fragen, worin denn eigentlich die grosse morphologische Bedeutung der Deckzellen begründet liegen solle, da doch gerade diese Zellen, wie schon ihr Name sagt, das allerunwesentlichste Element der Sinneshügel ausmachen ? 64* 508 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. auch für die Hautfadenzellen schon eine derartige Doppelverbindung constatirt wurde, dass also an den nichts Anderes, als modificirte Hypodermelemente darstellenden Sinneszellen der Seitenorgane nur dasselbe local concentrirt und zu specifischen Leistungen gesteigert erscheint, was auch sonst in der Haut, allerdings diffus, und functionell weniger eingeengt, ange- troffen wurde. Schon durch rein topographische Verhältnisse geben sich die Seitenorgane als ecto- dermale Gebilde zu erkennen. Während, soweit als im Hügelumkreise das Ganglion reicht, unter der Cuticula gewöhnliche, nur etwas plattere Hypodermzellen liegen, finden sich im Bereiche des Haarfeldes unter derselben Cuticula keine anderen Elemente als die Sinneszellen: Beweis dafür, dass diese Sinneszellen als die entsprechenden, allerdings modificirten Haut- elemente zu betrachten sind. Fir diese Auffassung spricht auch die Entwickelung der Seiten- organe am nachwachsenden Schwanzende. Sie stellen nämlich hier anfangs nur hügelige An- schwellungen desselben Materiales dar, aus welchem sich auch die umgebenden Hautpartien aufbauen; höchstens wäre das Vorwalten der Kerne gegenüber der Zellsubstanz als ein für die Anlagen der Seitenorgane bezeichnender Umstand hervorzuheben. Was die Umwandlung von Hautfadenzellen in Seitenorgan-Sinneszellen betrifft, so fällt, besonders wenn man die weniger modificirten Elemente der thoracalen Hügel berücksichtigt, die Zurückführung der einen auf die anderen nicht schwer. Im Stäbchen haben wir den sonst bald mehr plasmatischen, bald mehr faserigen oder blätterigen Leib der Fadenzelle vor uns, und in der Spindel ihren geschwänzten Kern. Für die Sinneshaare habe ich an den gewöhnlichen Fadenzellen kein Aequivalent aufzufinden vermocht, womit aber durchaus noch nicht ausgemacht ist, dass einzelne, in weniger ausgebildete Sinneshaare aus- laufende Fadenzellen ganz und gar fehlen oder früher nicht vorhanden waren. Dagegen finden sich den das Ganglion zusammensetzenden Körnern durchaus ähnliche Gebilde auch sonst in der Haut zerstreut, und wie im Hügel die Innervation der Sinneszellen, so wird durch sie auch diejenige der Hautfadenzellen vermittelt, nur mit dem Unterschiede, dass sich zwischen die einzelnen Körner und den Spinalnerv in den gewöhnlichen Hautpartien noch ein flächen- haft ausgebreiteter Ganglienzellenplexus einschiebt. Die Ganglien der Sinneshügel sind denn auch nicht etwa durch Anhäufung von Elementen dieses letzteren zwischen Haut und Musku- latur hinziehenden Plexus, sondern durch Anhäufung jener im Bereiche der Haut selbst gele- genen Körner zu Stande gekommen. Das Fehlen des Seitenorgansystemes bei Capitella ist dem gesammten anatomischen Verhalten dieser Form gemäss als Folge regressiver Körperveränderungen zu betrachten. Vor Allem scheint die mit der Einbusse der Kiemen von der Haut ibernommene Respirations- thätigkeit, respective die durch diese Thätigkeit verursachte bedeutende Verschmächtigung der Haut zu solcher Rückbildung den Anstoss gegeben zu haben. Diese Auffassung findet auch darin eine Stütze, dass bei Heteromastus, dessen Körper sehr verschiedenartige, und zwar vor- wiegend regressive Modificationen des Capitellidentypus aufweist, die Seitenorgane (wenigstens diejenigen des Abdomens) im Schwunde begriffen sind. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. b. Vergleich mit anderen Anneliden. 509 b. Vergleich mit anderen Anneliden. Wir haben gesehen, wie das bei einzelnen Capitelliden-Gattungen in so hoher Aus- bildung auftretende Seitenorgansystem bei anderen Gliedern derselben Familie entschiedene Anzeichen der Rückbildung aufweist, ja bei einer Gattung sogar vollständig eingegangen ist. Diese Erfahrung ist insofern belangreich, als sie uns darauf vorbereiten kann, auch bei den übrigen Anneliden das erwähnte Organsystem bald mangelhaft, bald gar nicht mehr ausgebildet zu finden. Dass aber dieses System auch in den übrigen Familien unserer 'Thier- classe, sei es nun in vollkommener, sei es in unvollkommener Weise vertreten ist oder war, daran mochte ich um so weniger zweifeln, als es ja schon a priori wenig einleuchtend erschien, dass die hinsichtlich ihrer Existenzbedingungen nichts weniger als zu so einseitigen Anfor- derungen geeignet erscheinenden Capitelliden spontan einen so vollendeten Sinnesapparat erworben haben sollten. Und doch hatten meine ersten allerdings ganz cursorischen Prüfungen verschiedenster Ringelwürmer nahezu ein negatives Resultat zur Folge. Ich fand nämlich nur noch bei einer Familie, nämlich bei den weiterhin zur Sprache kommenden Glyceriden, etwas den Seiten- organen Vergleichbares und — selbst dieser eine Fall liess sich nicht ohne Weiteres anreihen, weil er Modificationen darbot, die sich zwar späterhin, nach Anbahnung einer tieferen Er- kenntniss der hierhergehörigen Homologien, von unschätzbarem Werthe erwiesen, die aber damals, ohne gleichzeitige Kenntniss dieser später zu erörternden Beziehungen, dem beab- sichtigten Vergleiche eher hindernd im Wege stehen mussten. Unter solchen Umständen war es mir natürlich nicht wenig erfreulich, als der Nach- weis von Seitenorganen, wenigstens für noch zwei weitere Polychaeten-Familien, von anderer Seite her erbracht wurde, und zwar zunächst für die Polyophthalmiden durch E. Me£yer'). »In allen borstentragenden Segmenten, mit streng metamerer Anordnung«, sagt dieser Autor, »besitzt Polyophthalmus ferner eine Reihe von Organen, die ihrer Function nach den Tastorganen wohl am nächsten stehen; es sind dies Sinnesorgane, welche sowohl ihrem Baue, als ihrer Lage nach den von H. Fısıs für die Capitelliden beschriebenen Seitenorganen entsprechen« ete. Sodann in vollkommenem Einklange mit dem vorigen, wenigstens was das Wesentliche betrifft, auch durch Lessona?). Es genüge auch hier nur den folgenden allgemein bestätigenden Satz hervorzuheben: Oltre agli organi visivi, i Polioftalmi posseggono ancora altri organi di senso, e appunto della stessa natura, anzi pressoche identiei a quelli che recentemente furono scoperti per la prima volta nella classe degli anellidi, nei Capitellidi, dall’Eısıs, e da lui chiamati organi laterali.« Durch den Nachweis des gleichzeitigen Vorkommens von Seitenorganen und segmen- talen Augen bei Polyophthalmus, sowie in Anbetracht der durchaus von einander abweichenden Lagerungs- und Structurverhältnisse der beiden Organgruppen wird die von BaLrour’) gehegte p-, 310. ep. 79. p- 438. ce. p. 14. p. 346. Vol. 2. c. p. 443. 510 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Vermuthung, dass die erwähnten Augen des Polyophthalmus eine specielle Modifi- cation der mehr indifferenten Sinnesorgane (Seitenorgane) der Capitelliden dar- stellten, hinfällig. Die andere Familie, an welcher der Nachweis von Seitenorganen allerdings nur im Bereiche der ersten und letzten Körpersegmente — gelang, ist die der Amphicteniden (Pectinaria). Durch ihren Entdecker, E. Meyer, werden diese Organe seiner Zeit ausführlich in einer dieser Familie gewidmeten Monographie beschrieben werden; hier genüge es das für uns wichtige Factum des Vorkommens im Einverständnisse mit genanntem Forscher zu constatiren. Bevor ich meine Befunde über das Seitenorgansystem der Capitelliden summarisch zur Mittheilung brachte), hatte schon Semrer’) einen Zellstrang der Naiden als Seiten- linie beschrieben und dem Seitenorgansysteme der Vertebraten verglichen. Von diesem auf der Grenze der neuralen und hämalen Muskulatur gelegenen Zell- strange erfolgt nach Semrer in der Kopfzone die Einwucherung der Sinnesplatte, welche man daher als directe Verlängerung der »Seitenlinie« betrachten könne. Letztere bleibe bei allen Naiden in der ganzen Körperlänge bestehen und gehe vorn in den Schlundring über. Würden die Zellen dieser Seitenlinie sich, wie die des Schlundringes, in einen Nerven zum 'Theil umwandeln, so würde man bei den Naiden geradezu von einem Seitennerven sprechen können, welcher, zwischen dorsaler und ventraler Muskulatur liegend, dem Seitennerven der Fischseitenlinie vergleichbar wäre. Ausser einem Theile des Schlundringes und Gehirnes soll die seitliche Einwucherung aus der Seitenlinie möglicherweise auch Muskelfasern zu erzeugen im Stande sein. In der erwähnten Mittheilung’, habe ich mir es angelegen sein lassen diesen von SEMPER in's Auge gefassten Vergleich auf seine Stichhaltigkeit zu prüfen, und der Eifolg dieser Prüfung war, dass die dem Vergleiche zu Grunde gelegten Voraussetzungen schwer mit den 'T'hatsachen in Einklang zu bringen wären. Es ist nicht meine Absicht, diese Auseinandersetzung hier in extenso zu reproduciren; es genüge hervorzuheben, dass ich in erster Linie die mangelhafte Prägnanz des Ausdruckes »Seitenlinie« betonte, mit welchem Namen allein die Grenzlinie neuraler und hämaler Mus- kulatur bezeichnet werden sollte, dass ich ferner darauf hinwies, wie das, was SEMPER Seiten- linie der Naiden nannte, auf keinen der scharf definirten Bestandtheile des Seitenorgansystemes, also weder auf die Sinneshügel, noch auf die Seitennerven, noch auf die Seitenorgankanäle sich beziehen liesse, und dass daher der fragliche Zellstrang der Naiden ein vorerst noch durchaus problematisches Gebilde darstellte. Dass diese meine Auffassung nicht unberechtigt war, ergab sich aus einer kurz darauf erfolgten Publication Vriovskv's'), aus der ich den unsere Frage betreffenden Passus im Nach- folgenden zum Abdrucke bringe: Valesparnbase: 2) 1. p-532.e. p- 21922247 231.2304. 3) 1. p. 76. c. p. 320—326. 4) VEspovsky, F. Vorläufige Mittheilungen über die fortgesetzten Oligochaetenstudien. Z. Anzeiger Jahıg. 1879. p. 184. V, Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. b. Vergleich mit anderen Anneliden. 511 »Die von Semper bei Naiden entdeckten »Seitenlinien« verfolgte ich in ihren Verzweigungen bei Chaetogaster, Nais, Tubifex, Psammoryctes, Limnodrilus und Lumbrieulus. Bei den zur Untersuchung über- haupt ungünstigen Enchytraeiden konnte ich die »Seitenlinien« — oder besser Seitenstränge — lange nicht finden. Bei Anachaeta bohemica kann man aber sowohl an lebenden, als auch noch genauer an gefärbten Präparaten die Verbreitung der Seitenstränge verfolgen. Dieselben nehmen ihren Ursprung im Endsegmente als ein- oder multipolare glänzende Zellen und ziehen zu beiden Seiten des Körpers in der Linie zwischen den Borstendrüsenreihen und dem Bauchstrange hin. Aus diesen Strängen entspringen die aus wenigen, mit langen Stielchen versehenen Zellen bestehenden Seitenzweige zu den Borstendrüsen, Dissepimenten und Segmentalorganen. Höchst reiche Verzweigung der Seitenstränge findet in den Genital- und Kopfsegmenten statt. Hier bilden die Nervenzellen namentlich an den Insertionsstellen der Bulbusmuskeln eigenthümliche gangliöse Anhäufungen und fungiren wahrscheinlich als motorische Nerven. Selbst die vom Gehirn aus- gehenden und sich an der Leibeswandung inserirenden Muskeln werden von den genannten Seitensträngen versorgt. Am Kopflappen sind die Zellen sehr verbreitet.« »Auch auf der Rückenseite der Magendarmpartien, die der Chloragogenzellen entbehren, namentlich in den Genitalsegmenten, findet man einen aus gleichen Zellen bestehenden Strang, der dem chloragogen- losen Darmendothel hart anliegt und hier und da seitliche Zweige entsendet. Die, die besprochenen Stränge zusammensetzenden Zellen gleichen vollständig jenen des Bauchstranges.« »Diesen Umständen nach muss man annehmen, dass die von Semper beobachteten »Seitenstränge« von Nais und COhaetogaster keine »problematischen Zellenstränge« darstellen (Eısıc), sondern dass dieselben als echte Sympathici aufzufassen sind. — Die aus den Schlundeommissuren ausgehenden Nervenäste dürfte man als N. vagus bezeichnen. Aber in noch viel entscheidenderer Weise wurde die Richtigkeit meiner Beurtheilung der Senper’schen Seitenlinie durch eine spätere Publication Vrspovsky’s, nämlich durch dessen Monographie der Oligochaeten erwiesen; denn in diesem Werke berichtet genannter Autor ') über die von ihm an verschiedenen Gattungen der Lumbriculiden entdeckten, vollständig mit denjenigen der Capitelliden übereinstimmenden Sinneshügel. Diese Hügel sind ebenfalls Träger von Sinneshaaren, liegen genau wie die der Polychaeten in der Grenzlinie der neuralen und hämalen Stammesmuskulatur (also in der Seitenlinie) und treten endlich eben- falls streng segmental in je einem Paare auf. Warum VrpovsKkY diese Organe (anstatt Seiten- organe) becherförmige Organe nennt, ist mir unverständlich, ebenso, warum er die zwei bei den Oligochaeten wie bei den Capitelliden nebeneinander existirenden Organsysteme so bunt durcheinander wirft, worauf übrigens weiterhin”) noch zurückzukommen sein wird. In dieser seiner Monographie beschreibt auch Vepovsky?) ausführlich die Semrer'schen Zellstränge (Seitenlinien). Er nennt sie »Ganglienzellstränge« und glaubt, dass sie als allge- meiner Charakter der Oligochaeten zu betrachten seien. Ausser den in der eitirten Mit- theilung aufgezählten Organen sollen auch noch die Augen sowie die Tasthügel von Slavına durch diese Stränge innervirt werden, so dass, wenn Vze)povsky’s Beobachtungen zutreffen, diese Ganglienzellstränge geradezu ein zweites Nervensystem darstellen. Wenn auch die Srmrer’schen Zellstränge nicht als Homologa des Seitenorgansystemes betrachtet werden können, so liegt doch in ihnen unzweifelhaft eine Bildung von hohem «@) Vergl. p. 549 und 558. DRl-p 2362 €. p. IT. 2) le pr 2362 ch p. 99. 512 B. Vergleichend-Anatomischer 'Morphologischer) Theil. Interesse vor. Auf Grund des bis jetzt bekannt Gewordenen lässt sich zwar noch kein defi- nitives Urtheil über die Bedeutung der fraglichen Bildungen fällen, immerhin scheint mir aber die erste Idee Vrspovsky's, derzufolge sie als sympathisches Nervensystem aufzufassen seien, viel Wahrscheinlichkeit für sich zu haben. Allem Vorhergehenden zufolge wurden also Seitenorgane bis heute im Kreise der Anneliden erstens bei den Capitelliden, zweitens bei den Polyophthalmiden, drittens bei den Amphicteniden und viertens endlich bei den Oligochaeten in ganz übereinstimmender Weise als metamere, im Bereiche der Seitenlinie eingepflanzte Sinneshügel nachgewiesen. Würde die eben aufgezählte Reihe stark von einander divergirende Typen umfassen, so wäre man berechtigt, auf Grund ihrer eine weite Verbreitung des Seitenorgansystemes inner- halb der Annelidenclasse zu constatiren. Dem ist aber nicht so. Capitelliden und Polyoph- thalmiden sind unzweifelhaft nahe verwandte Familien, und aus dem systematischen 'Theile dieser Monographie wird sich ergeben, dass auch die Oligochaeten in den Capitelliden ihre nächsten Blutsverwandten haben. Es bleiben daher allein die so eigenthümlich organisirten Amphicteniden übrig, auf die wir als stark von allen vorhergehenden contrastirende Formen hinweisen können, und damit sind wir wiederum auf einen Fall reducirt, und zwar auf einen nicht vollauf beweiskräftigen, weil die Sinneshügel von Peetinaria nur am Kopf- und Schwanz- ende ausgebildet sind. Von Neuem stehen wir daher der Frage gegenüber, ob es wahrscheinlich, ob es denkbar sei, dass das bei einigen nahe mit einander verwandten Annelidengruppen in so hoher Voll- kommenheit auftretende Seitenorgansystem in der langen Reihe der übrigen Familien dieser Thierclasse keinerlei Homologa besitze, ob man sich vorstellen dürfe, dass entweder alle diese letzteren das genannte System verloren, oder aber, dass es allein erstere für sich erworben haben. Ich für meinen Theil konnte mich mit diesen letzteren Vorstellungsweisen niemals be- freunden und gab daher auch zu keiner Zeit die Hoffnung auf, dass bei den meisten Ringel- würmern sich noch Seitenorgane oder aber Homologa solcher nachweisen lassen werden. Und dieser Nachweis dürfte gelungen sein. Vor mehreren Jahren, als KLEinexßer6 noch mit der Ausarbeitung seiner vor Kurzem publieirten entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen über Lopadorhynchus etc. beschäftigt war, sagte mir derselbe bei einer persönlichen Begegnung, dass ihm die von mir beschriebenen Seitenorgane den Cirren der anderen Anneliden zu entsprechen schienen. Mir wollte damals die Sache nicht ohne Weiteres einleuchten und auch KrEIsENBERG fand, wie er mir später mittheilte, Schwierigkeiten in der anatomischen Begründung, so dass er davon Abstand nahm, die fragliche Homologie in seiner Schrift zur Erwähnung zu bringen. Als ich nun aber vor Kurzem eben diese Schrift studirte und daraus lernte, wie die bisher lediglich als Adnexe der Parapodien aufgefassten, hinsichtlich ihrer Form, Structur und Function so vielfach variirenden Cirren ganz unabhängig von den Parapodien angelegt werden, wie sie ferner nach dem Modus der Antennen sich entwickeln, und von Anfang an mit dem Bauch- strange in Zusammenhang stehen, also ursprünglich Sinnesorgane darstellen — da erinnerte V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. b. Vergleich mit anderen Anneliden. 513 ich mich der KreimexgerGschen Idee, und je länger ich darüber nachdachte, um so mehr wurde ich für sie eingenommen. Wenn auch die Cirren der Anneliden in vielen Fällen sehr beträchtliche Modificationen erlitten haben, wie beispielsweise bei den Aphroditeen und Phyllodociden, wo sie theilweise blattförmige Anhänge darstellen, oder bei Halla, wo sie als Kiemen fungiren, so wurden sie doch bisher typisch allgemein als Sinnesorgane aufgefasst. Da im Hinblicke auf die uns be- schäftigende Homologie diese Auffassung von der allergrössten Bedeutung ist, weil die Um- wandlung von Cirren in Seitenorgane sofort plausibel erscheint, wenn ersteren ursprünglich schon die Fähigkeit Sinnesempfindungen zu vermitteln innewohnte, so soll es zunächst meine Aufgabe sein die zwar allgemein angenommene, aber im Speciellen doch weniger bekannte sensitive Natur der Annelidencirren an ein paar prägnanten, der Litteratur entnommenen Fällen nachzuweisen. So hat Crararkpe!) schon anfings der sechziger Jahre gefunden, dass nahezu alle Anhänge des Kopfes, insbesondere aber die Cirren von Polynoe impar mit »Tastpapillen« be- setzt seien, und dass aus den an der Spitze dieser Papillen befindlichen Grübchen zarte, dünne, starre Haare hervorragen?). Enters?) fasste seine betreffenden Erfahrungen in dem Satze zusammen: ‚Sehen wir zunächst von Gesichts- und Gehörapparaten ab, so haben wir evidente Nervenendigungen in den Rückeneirren und Fühlern am Kopflappen, und zwar hat es hier den Anschein, als ob die nervöse Markschicht in diesen Organen frei zu Tage treten kann, oder mit einem Besatz feiner Härchen endet (Polynoe, Nereis, Glycera).« Weitere instructive Fälle hat sodann Crararepe in seinen »Annelides Chetopodes« be- kannt gemacht. Zunächst beschreibt er?) die Rückencirren von Hermione hystriw als mit einem centralen Nerven ausgerüstete und ähnlich wie bei Polynoe mit Tastpapillen besetzte Gebildeb). Ferner gedenkt er‘) der Rückencirren von Hermadion ‚fragile, welche ebenfalls ihrer ganzen Länge nach von einem Nerven durchzogen werden, und zwar von einem Nerven, der zahlreiche Aeste in die mit starren Sinneshaaren ausgerüsteten Tastpapillen abgiebt ®). Endlich werden auch noch mit ähnlichen nervösen Endapparaten ausgerüstete Anhänge verschiedener Nereiden und Syllideen beschrieben’). Es genügen zwar diese Fälle, um darzuthun, dass die Cirren unzweifelhaft zur Ver- mittelung von Sinnesempfindungen befähigt sind; aber den Sinneshügeln gegenüber macht sich doch als nicht unbeträchtlicher Unterschied geltend, dass die letzten freien Endigungen des pereipirenden Nerven, anstatt radienförmig am freien Pole eines kurzen Stummels, in Inter- a) Taf. 37. Fig. 28% und 28°. b) Taf. 37. Fig. 29. c) Taf. 37. Fig. 30% und 30°. NWnlp. Aue: ip. 60. al a elle (106 68) SL Ip. 8.2c.p. 06. AU lan 9a, Ka Kos ya GR 5) 12 p. 8. c. p. 160 und 220. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 65 514 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. vallen rings um einen langen Fortsatz nach aussen zu treten pflegen. Sollen die Hügel aus Cirren hervorgegangen sein, so muss man sich vorstellen, dassin dem Maasse als bei letzteren die Verkürzung in der Richtung der Längsaxe vor sich ging, auch die Sinneshaare, respective die sogenannten Tastpapillen, immer mehr nach dem freien Pole hin concentrirt wurden. Eine derartige Vorstellung hat gewiss nichts Gezwungenes oder dem Verlaufe sonstiger organischer Adaptionen Widersprechendes; immerhin würde sie einleuchtender erscheinen, wenn man in der Lage wäre, Reihen vorzuführen, die einzelne Etappen der fraglichen Umwandlung noch verkörpern, Reihen, die einerseits in einem unzweifelhaften Rückeneirrus wurzeln und andererseits in einem ebenso unzweifelhaften Seitenorgane auslaufen. Nun, eine Reihe, die den eben gestellten Anforderungen in ziemlich hohem Grade Genüge leistet, existirtin der That, und zwar innerhalb der schon ein- gangs hervorgehobenen Familie der Glyceriden. Bevor ich aber diese Verhältnisse zur Sprache bringe, muss ein wichtiger morphologischer Punkt hinsichtlich der Cirren klar gestellt werden. Die Capitelliden gehören zu den wenigen Annelidenfamilien, bei denen die Parapodien in jedem Segmente in zwei örtlich weit von einander getrennten Paaren, nämlich einem neuralen und hämalen, auftreten. Stellen die Seitenorgane umgewandelte Cirren dar, so müssen es, der Lage ersterer entsprechend, dorsale Cirren neuraler Para- podien sein, welche unter gleichzeitigem Abrücken (Höherrücken) von letzteren Parapodien diese Umwandlung erfahren haben. Alle anderen (früher vorhanden ge- wesenen) parapodialen Anhänge sind sodann als eingegangen zu betrachten. Auch für Polyoph- thalmus gilt diese Bedingung, da die Sinneshügel jederseits zwischen den beiden überaus nahe zusammengerückten, rudimentären Parapodien, also dorsal von den neuralen, ihre Lage haben. Die Glyceriden dagegen zeigen hinsichtlich ihrer Parapodien dasjenige Verhalten, welches für die Mehrzahl der Anneliden gilt; es ist nämlich an jedem Segmente jederseits nur eine Fussstummelmasse vorhanden, welche indessen durch den Besitz zweier Aciculae und zweier Borstenbündel (ähnlich wie die vorhergenannten Aphroditeen, Nereiden und Syllideen) vielfach als das Verschmelzungsproduct der einst auch hier weiter von einander abstehend ge- wesenen neuralen und hämalen Parapodien betrachtet wird. Es würde mich zu weit von meinem gegenwärtigen Thema abführen, hier schon die Frage zu erörtern, ob alle Thatsachen mehr dafür sprechen, dass den Anneliden ursprünglich zwei Paare, oder aber nur Ein Paar von Parapodien zugekommen, respective, ob die zuletzt erwähnten (Andeutungen von Zweitheiligkeit aufweisenden) Fussstummel als Producte einer Verschmelzung, oder aber als solche einer unvollkommenen Theilung zu betrachten seien; erst in einem späteren Kapitel®) kann hierauf eingegangen werden. Wie dem aber auch sein a) Vergl. diesen Theil, Kapitel Parapodien. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. b. Vergleich mit anderen Anneliden. 515 mag, diese Fussstummel der Glyceriden sowie auch diejenigen der meisten anderen soge- nannten uniremalen Familien verhalten sich in Einem uns hier vor Allem interessirenden Punkte so, als ob sie nur Einem Parapodium jederseits entsprächen: es ist nämlich nur Ein Rücken- und auch nur Ein Baucheirrus vorhanden. Durch, KreısengerG haben wir überdies erfahren, dass bei Lopadorhynchus (welche Form sich bezüglich der Parapodien den uniremalen Anneliden anschliesst) diese Cirren ganz unabhängig von den Parapodien angelegt und dass ihre so nahen Beziehungen zu letzteren erst nachträglich hergestellt werden, dass in Folge dessen auch bei einer etwaigen Verschmelzung von Parapodien das typische Cirrenpaar sich unschwer den veränderten Lagerungsverhältnissen anpassen könnte. Auf Grund aller dieser Erwägungen müssen wir, da bei den Capitelliden nur an den neuralen Parapodien noch einer der Cirren muthmaasslich als Seitenorgan erhalten ist, die ganze Fussstummelmasse der Glyceriden etc. (einerlei ob nun bei letzteren das Verschmelzungs- product hämaler und neuraler, oder aber, ob umgekehrt bei den Capitelliden das vollkommenere Theilungsproduct ursprünglich uniremaler Parapodien vorliegt) lediglich den neuralen Para- podien der Capitelliden gleichsetzen. Für diesen Fall müsste es aber auch der dorsale Rückeneirrus der Glyceriden sein, welcher die angedeutete Umwandlung in ein Seitenorgan aufweist. Unddemist, wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird, ın. der That so. Betrachten wir nun das Verhalten dieses Cirrus an der Hand der von Erters und ÜULAPAREDE gelieferten Darstellungen. In Bezug auf Glycera capitata®) sagt Enters'): »Der Rückencirrus ist kurz knopfförmig und steht fast um die Höhe des Ruders von diesem ent- fernt am Seitenumfang des Segmentes auf dem hinteren Ringel.« Von Glycerab) tesselata?): »Der Rückeneirrus ist an den vorderen Rudern fast fadenförmig, beinahe dreimal länger als dick, weiterhin wurde er kürzer und eichelförmig; am lebenden 'Thiere war sein abgerundetes Ende mit spärlichen kurzen starren Härchen besetzt. Er steht dicht über der Ruderbasis.« Von Glycera folliculosa’): »Der Rückenceirrus ist an den vorderen Rudern ein Faden, welcher etwa zwei Mal so lang als dick ist, weiterhin ist er kürzer und endet knopfartig; er steht nahe über der Ruderbasis, tief am Seitenumfange des hinteren Segmentringels.« Von Glycera unicornis®) endlich '): »Der kleine Rückeneirrus steht unmittelbar über der Ruderbasis; er besteht aus einem Wurzelgliede, aus welchem, wie aus einer Scheide, das knopfförmige, mit Härchen besetzte Endglied hervorragt.« Sodann ÜULAPAREDE von seiner Glycera \Rhynchobolus) siphonostoma’°): a) »Dat.(37.nEıg. 31. b) Tat-ı97. Riea92r e)) Taf.97. Big. 38. NSlEp 2307,07. 650. 21.17 p2 300. ec. p- 656. ol. p= 30/7.c. p. 660. 4) 129.302. cp. 667. D)El-Spr18-c.p. 182, 65* 516 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. »Le cirre ventral, renfle a la base, est soude a la rame inferieure dans la plus grande partie de sa longueur. Sa pointe libre ne depasse pas l’extremite du pied dans la region moyenne, mais l’excede nota- blement dans la r&gion posterieure. Ce cirre est herisse a sa base de petits cils roides et courts. Le cirre dorsal est orne a son sommet de cils semblables mais plus longs.« Und von Glycera®) (Bhynchobolus) convoluta'): »Le eirre dorsal, en forme de mamelon eylindrique, porte un faisceau de cils« ete. In der Familie der Glyceriden ist also die Umwandlung des dorsalen Rücken- ceirrus in ein Seitenorgan ganz dem theoretischen Postulate entsprechend noch heute durch verschiedene Stadien vor Augen geführt. Denn erstens treffen wir diesen Cirrus bei einzelnen Formen (wie Glycera tesselata und folliculosa) an den vorderen Rudern lang fadenförmig und erst weiterhin kürzer eichel- oder knopfförmig; zweitens kann dieser in solcher Umwandlung begriffene Cirrus (so bei Glycera capitata) weit vom zugehörigen Para- podium abrücken, und drittens endlich finden wir als eine der wichtigsten 'Transformationen an diesen knopfförmigen Cirren oder Hügeln die freien Nervenendigungen ganz ebenso auf den apicalen Pol zusammengerückt, wie bei den complet ausgebildeten Seitenorganen. Die Glyceriden stimmen darin mit den Capitelliden überein, dass sie der Blutgefässe entbehren und dass in Folge dessen ihr hämoglobinhaltiges Blut mit der Lymphe gemischt frei in der Leeibeshöhle circulirt. Ferner haben auch die Glyceriden retractile Hämolymph- kiemen und diese Kiemen stehen ganz ebenso angeordnet wie diejenigen der neuralen Para- podien der Capitelliden (man vergleiche beispielsweise Fig. 37. Taf. 31 und Fig. 22. Taf. 14), nämlich dorsal vom Parapodium und ventral vom Rückencirrus, respective vom Seitenorgane. Mir scheint, in dieser completen Uebereinstimmung der beiderseitigen Lagerungsverhältnisse liegt ein weiteres sehr beweiskräftiges Indicium einmal für die Homologie des Glyceriden- Cirrus mit dem Capitelliden-Seitenorgane, und sodann für die Richtigkeit der Voraussetzung, dass die Ruder der ersteren Familie mit den neuralen Parapodien der Capitelliden zu ver- gleichen sind. Ich habe mir natürlich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die Glyceriden des Golfes von Neapel selbst auf die uns beschäftigenden Verhältnisse hin zu prüfen, und ge- funden, dass die Angaben von Enters und UraParkoe durchaus correct lauten. Die äusserlich am meisten interessirenden Gebilde, nämlich die Sinneshaare der Cirren oder Seitenorgane, stimmen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und Anordnung durchaus mit denjenigen der Capi- telliden überein; sie sind nur viel kürzer, indem ihre Länge 20 px (gegenüber 40—60 der- jenigen der Capitelliden) beträgt. Zum Vergleiche der Hügelstructuren habe ich auch Schnitte (durch Glycera siphonostoma und convoluta) angefertigt; die Uebergänge des Cirrusgewebes in dasjenige des complicirteren Sinneshügels darzustellen würde aber hier zu weit führen; überdies müsste einer solchen Darstellung das vergleichende Studium der Annelidencirren vorausgehen. Es genüge daher hervorzuheben, dass zwischen den vollkommen ausgebildeten Seitenorganen a) las. 37. Bio 35% 1)lop. SezceH palauk V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. b. Vergleich mit anderen Anneliden. 517 der Capitelliden und den noch mehr eirrusartigen Hügeln der Glyceriden ein ziemlich weiter Structur-Abstand herrscht, dass insbesondere letztere an ihrer Basis nicht ebensolche Ganglien aufweisen wie erstere, indem der innervirende Nervenstrang direct in die betreffenden Hügel eindringt. Dagegen sind die Glyceriden mit sogenannten Verstärkungs- oder besser mit Parapodialganglien ausgerüstet und von diesen ventral-proximal in der Fussstummelhöhle ge- legenen Ganglien schien mir der die Cirren oder Seitenorgane versorgende Nerv auszugehen. Nach KreimenBer@!) ist zwar (bei Lopadorhynchus) der Parapodialnerv sammt Ganglien anfangs völlig von den beiden Cirrusnerven geschieden, aber später vereinigen sich alle drei Nerven wenigstens eine Strecke weit zu einem einzigen Stamme. Durch diese, wenn auch secundäre Vereinigung von Cirrus- und Parapodialnerven ist aber die Möglichkeit gegeben, dass das ursprünglich lediglich für die Extremität bestimmte Parapodialganglion allmählich in den Dienst des Rückencirrus gezogen werden kann. Man braucht sich nämlich nur vorzustellen, dass die Extremität oder das Parapodium rudimentär, der Cirrus hingegen einseitig zum Sinnes- organe ausgebildet wird. Diese Vorstellung trifft nun aber gerade bei den zwei Familien, in denen hoch entwickelte Seitenorgane vorhanden sind, nämlich bei den Capitelliden und Polyoph- thalmiden zu, indem ja die äusseren parapodialen Anhänge nahezu ganz eingegangen und die Rückencirren zu jenen complicirten Sinnesapparaten gesteigert erscheinen. Da nun überdies sowohl die Capitelliden, als auch die Polyophthalmiden keine anderen im Bereiche der Extre- mitäten gelegenen Ganglien besitzen, als die an der Basis der Seitenorgane befindlichen, so scheint mir der Schluss nahe zu liegen, dass die Seitenorgan-Ganglien der Capitelliden und Polyophthalmiden als Homologa der Parapodialganglien zu betrachten seien. Wir werden weiterhin sehen, wie die Anerkennung dieser Homologie Folgerungen von grosser Tragweite einschliesst. Die Zurückführung der Seitenorgane auf dorsale Cirren neuraler Parapodien ist, wie mir scheint, von nicht geringer Bedeutung; denn, wie schon einmal hervorgehoben wurde, durch KLEINEnBERG haben wir erfahren, dass diese Cirren zu den ältesten, ganz unabhängig von den Parapodien sich anlegenden, streng segmentalen Annelidenorganen gehören und dass sie sich ursprünglich schon wie exquisite Sinnesorgane verhalten. Angesichts dieser ihrer elemen- tareren, aber sich bereits in ähnlichen functionellen Bahnen bewegenden phylogenetischen Vorläufer erscheinen aber auch die so einseitig und hoch ausgebildeten Sinnesapparate des Seitenorgansystemes verständlicher und — was nicht weniger von Interesse: die metamere An- ordnung dieses Systemes hat mit seiner Zurückführung auf ursprüngliche, segmentale Anneliden- anhänge einen tieferen Sinn und noch mehr Berechtigung zur Verwerthung in morphologischen Fragen erhalten. WDLSp803.2e p. 1.12. 518 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. Nachdem wir im vorigen Abschnitte auf Grund gewichtiger Thatsachen zu dem Schlusse gelangt sind, dass die Seitenorgane der Anneliden als umgewandelte Rückencirren zu betrachten seien, muss hier vor Allem die Frage entschieden werden, was bei eventuellen Vergleichen mit anderen T'hiergruppen den Ausgangspunkt zu bilden habe, ob die ursprünglichen Rücken- cirren mit ihren zahlreichen, diffus angeordneten, noch wenig differenzirten Sinneszellen und Sinnespapillen, oder aber, ob die Derivate jener, nämlich die Sinneshügel mit ihren aggregirten Sinneszellen und specifischen Ganglien. Legen wir die ersteren Gebilde zu Grunde, so lässt sich zwar eine metamere An- ordnung, nicht aber die Beschränkung auf Ein Organ-Paar für jedes Segment als Kriterium festhalten; gehen wir hingegen von den letzteren aus, so bildet nicht nur die metamere An- ordnung, sondern auch die — wenigstens als ursprüngliche Anlage nachzuweisende — Zwei- zahl in jedem Segmente die nothwendige Vorbedingung jeder Vergleichbarkeit. Da von einem Seitenorgane erst dann die Rede sein kann, wenn es sich zum specifischen Sinneshügel schon consolidirt hat, so scheinen mir auch nothgedrungen lediglich diese Hügel das Vergleichsobject abgeben zu können. Dann aber bleiben von den zahlreichen mit den Capitellidenhügeln übereinstimmenden und theilweise auch ausdrücklich schon von einzelnen Forschern für homolog erklärten Sinnesapparaten anderer 'Thiergruppen thatsächlich nur die- jenigen weniger, ja, vorläufig wenigstens, sogar nur die einer einzigen als zum strengeren Vergleiche geeignet übrig. Ich zweifle durchaus nicht daran, dass sich früher oder später eine ganze Reihe anderer als ebenso gleichwerthig noch herausstellen wird; gegenwärtig aber lässt sich von dieser Reihe — es handelt sich meist um solche Hügel, die zwar metamer, aber nicht in der Zweizahl auftreten und für die auch die ursprüngliche Zweizahl nicht nachgewiesen werden konnte — noch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob wir Gebilde vor uns haben, die auf die ursprünglichen Tastpapillen, oder auf die becherförmigen Organe, oder endlich auf die Seitenorgane zurückzu- führen sind. In Anbetracht dessen habe ich mich entschlossen diese Reihe zweifelhafter Fälle gesondert, und zwar erst nachdem die becherförmigen Organe (als zweite, scharf definirte Sinneshügelkategorie) in's Auge gefasst worden sind, zur Sprache zu bringen. Diejenige 'Thiergruppe aber, welche meiner Ansicht nach heute allein den erwähnten Bedingungen Genüge leistet, ist ebendieselbe, von der ich den Namen Seitenorgane für die Sinneshügel der Capitelliden seiner Zeit entlehnt habe, nämlich die der Vertebraten. Die hauptsächlichen Motive, welche für mich bei dem Vergleiche des Capitelliden- und Vertebraten-Seitenorgansystemes entscheidend waren, sind in einem vor bald zehn Jahren veröffentlichten Auszuge!) dieser Monographie dargelegt worden. Auch heute noch stehe ich auf dem damals eingenommenen Standpunkte; wenig habe ich zurückzunehmen, Vieles dagegen 1) 1. p. 76. ec. p. 310—320. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierelassen. 519 hinzuzufügen. Und so halte ich es für das Beste, zunächst den betreffenden Abschnitt jener früheren Mittheilung unverändert (das heisst abgesehen von unerlässlichen typographischen Modificationen) zum Abdrucke zu bringen, um sodann, gestützt darauf, Alles zu erwägen, was seitdem sowohl von anderer Seite, als auch von mir selbst, sei es für, sei es wider, an That- sachen oder Ansichten hinzugekommen ist. Meine frühere Darstellung lautete nun folgendermaassen: Die Seitenorgane der Capitelliden folgen einer streng metameren Anordnung; wie verhalten sich dem gegenüber die gleichnamigen Organe der Vertebraten? Als ich mich mit dieser Frage zu beschäftigen begann, war ich der Meinung, dass die hierauf be- züglichen Verhältnisse bei den Fischen klar gestellt seien, musste dann aber erfahren, dass, abgesehen von einigen nebenbei gemachten Angaben von Sranxıvs !), in der mir zugänglichen Fachlitteratur sowohl, als auch in den Handbüchern die Beziehungen des Seitenorgansystemes zur Körpergliederung fast so gut wie unberücksichtigt geblieben waren *). In Anbetracht dessen war es mir in hohem Grade erwünscht, dass ge- rade zur Zeit, als ich vergebens nach Anhaltspunkten zur Beantwortung der aufgestellten Frage suchte, eine auf dieselbe vielfach Bezug nehmende Arbeit MAarsranc's?) zur Veröffentlichung gelangte. Marsranc kommt aber zu dem Resultate, dass dem ursprünglichen Plane gemäss bei den Amphibien die Vertheilung der Seiten- organe der Segmentation des Leibes angepasst zu sein scheine. Auch bei den Fischen ist seiner Ansicht nach an der principiellen Gliederung des Seitenorgansystemes nicht zu zweifeln, »weil die segmentalen Ab- theilungen, wenn auch ihre Grenzen durch die Vervielfältigungen im Endapparate verwischt seien, sich mindestens in dem leitenden Bestandtheile erhalten haben«. Zu Gunsten des letzteren Satzes beruft sich Marsranc hauptsächlich auf die oben citirte Angabe von Srannıus, derzufolge bei Anguilla und bei den Haien die vom N. lateralis Vagi zu dem Seitenorgansysteme tretenden Zweige den intermuskularen Bän- dern entsprechend, also metamer, auftreten sollen. Eine endgültige Entscheidung der Frage nach der seg- mentalen Anlage des Seitenorgansystemes versprach sich MALsranc aus dem Studium von Embryonen, wozu er aber keine Gelegenheit hatte. In Bezug auf die Fische erfuhren wir nun durch eine kürzlich erschienene Publication SoLGEr’s®), dass die freien Seitenorgane des erwachsenen Stichlings (Gasterosteus pungitius), im Einklange mit Mausrane's Vermuthung, genau nach den Segmenten des Leibes vertheilt seien: »so zwar, dass entweder nur ein ein- ziges oder, mehr gegen den Kopf hin, je zwei Organe einem Metamer entsprechen **). Entwickelungsgeschichtlich ist das Seitenorgansystem unter Berücksichtigung seiner Beziehungen zu den Leibessegmenten — so weit ich sehen kann — nur von BAaLrour®), und zwar an Selachiern unter- sucht worden. Seiner Beschreibung nach wird jenes System in Form einer linearen, jederseits auf der Höhe der Chorda am Epiblast auftretenden Verdiekung angelegt, welche sich allmählich zu einem Kanale aushöhlt und in demselben Maasse, als dieser Process sich abspielt, von der Hautoberfläche nach innen rückt. Hierauf erst beginnt die Bildung segmentaler Oeffnungen: »In stage P. the first indication of segmental apertures to the exterior make their appearance, vide Pl. XII. Fig. 4. The lateral line forms a canal situated completely below the skin, but at intervals (corresponding with segments) sends upwards and outwards pro- longations towards the exterior«. Dieses Verhalten der Selachier spricht anscheinend nicht zu Gunsten eines ursprünglich segmen- talen Charakters der in Rede stehenden Organe. Dem gegenüber ist aber Folgendes zu berücksichtigen: 1) Sransıus, H. Das peripherische Nervensystem der Fische. Rostock 1849. p. 101. 2) Marsranc, M. Von der Seitenlinie und ihren Sinnesorganen bei Amphibien. Zeit. Wiss. Z. 26. Bd. 1876. p. 24. 31. 34. 35 und 38. 3) SoLGER, B. Ueber die Seitenorgane der Fische. Leopoldina. 14. Heft 1878. p. 77. 4) Batrour, T. A Monograph on the Development of Elasmobranch Fishes. London 1578. p. 141—144, *) Dieselbe Enttäuschung scheint auch Margranc (vergl. 1. p. 519. e. p. 47) erfahren zu haben. **) Ich selbst habe mir ebenfalls eine grössere Anzahl junger Seefische allerdings nur flüchtig und ohne J die Arten, denen sie zugehörten, bestimmt zu haben — auf die Vertheilung ihres Seitenorgansystemes angesehen und habe bei mehreren, am Rumpfe wenigstens, eine segmentale Vertheilung gefunden. Besonders deutlich scheinen mir auch die jetzt so leicht zu beschaffenden Maeropodus im Jugendzustande diese Vertheilung aufzuweisen. 520 B. Vergleichend-Anatomischer |Morphologischer) Theil. JALFOUR scheint weniger die Entwickelung der Seitenorgane, das heisst der Sinneshügel, als vielmehr die Entwickelung der Seitenkanäle verfolgt zu haben; die Seitenkanäle aber, auf welche allein sich seine An- gaben beziehen lassen, sind, eine wie grosse Bedeutung sie auch allmählich erlangt haben mögen, doch, gegenüber den Sinneshügeln, als das Secundäre zu betrachten. Ein besseres Object zur Lösung unserer Frage von Seiten des embryologischen Standpunktes werden jedenfalls Teleostier und Amphibien abgeben, indem bei ihnen, genauer bei vielen von ihnen, in der Jugend der wesentliche Theil des Seitenorgansystemes, nämlich die Sinneshügel, frei stehen, und sich das — bei Selachiern offenbar schon ım Embryo anlegende — Kanalsystem erst in den heranwachsenden Larven ausbildet. Leider ist eine solche embryologische Untersuchung auch heute noch blosses Desiderat. Darf nun nach diesen immerhin dürftigen Angaben die eingangs gestellte Frage als in bejahendem Sinne beantwortet betrachtet werden? Ich glaube allerdings. Mir scheint wenigstens zufolge der Angaben von STANNIUS, MALBRANC und SOLGER der ursprünglich allgemein segmentale Charakter des Seitenorgan- systemes nicht mehr bezweifelt werden zu können. Die Störung der Metamerie, welche sich hauptsächlich in einer Vermehrung der Seitenorgane in den einzelnen Segmenten bekundet (bei den Amphibien — und unter den Fischen bei den Schollen — sind drei Seitenlinien die Regel), muss als ein secundärer Vorgang betrachtet werden. Diese Betrachtung wird gewiss nicht gezwungen erscheinen, wenn man bedenkt, dass Mausrane’s !) Entdeckung zufolge die Seitenorgane der Amphibien sich durch Theilung zu vermehren im Stande sind, dass also noch heute an diesen Thieren sich ein Process nachweisen lässt, der zur Ausbildung der Dysmetamerie Mittel und Wege dargeboten haben kann. Auch an Motiven, welche eine Vermehrung der Seitenorgane begünstigt haben mögen, fehlt es nicht: Vor Allem ist einleuchtend, dass angesichts aller der störenden Einflüsse, welche die wenig geschützte Haut dieser 'Thiere zu bedrohen vermögen, Individuen mit einer Mehrzahl von Seitenorganen, gegenüber solchen mit einer Minderzahl, allgemein im Vortheil sein werden; sodann liegt vielleicht in der speeifischen Function ein Factor, der insbesondere die Vermehrung der Organreihen (Seitenlinien) begünstigt haben mag. MauLsraxe?) hat zuerst nachdrücklich auf die Gesetzmässigkeit hingewiesen, welche die Stellung der Seitenorgane be- herrscht. Querstellung des einzelnen Seitenorganes in der oberen und Längsstellung desselben in der mittleren und unteren Reihe ist Regel, und da sich die Sinneszellen durchweg conform der grösseren Achse des Ovals aufgereiht zeigen, so erscheinen auch ihre Reihen ın den bezüglichen Linien auf einander senkrecht gestellt. MALsRANG deutet nun dieses Factum zu Gunsten der von F. E. Scuusze über die Function der Seitenorgane aufgestellten Hypothese, der zufolge diese Organe dazu dienen sollen, Strömungen und gröbere Wellenbe- wegungen als Schallschwingungen innerhalb des Wassers zu pereipiren. Er ist der Ansicht, »dass die un- gleichen Wirkungen auf zwei coordinirte, senkrecht gegen einander gestellte Organe eombinirt ein deutlicheres Bild von der Richtung und Kraft, z. B. der affieirenden Wellenbewegung, zur Anschauung bringen«. Die Seitenorgane von Notomastus liegen auf der Höhe der die hämale und neurale Längsmuskulatur von einander scheidenden Furche (Seitenlinie). Im Abdomen ist dieses Lagerungsverhältniss überaus klar, indem hier bei der geringen Entwickelung der Ringmuskulatur die Seitenorgane mit ihren Basen geradezu in diese Furchen hineinragen; im Thorax ist dasselbe Verhältniss weniger auffällig, weil sich dort, zwischen Längsmuskulatur und Seitenorgane, eine mächtige Ringmuskulatur einschiebt. Wenn es nun gestattet ist dieser Furche oder Grenzlinie diejenige zu vergleichen, welche die hämale und neurale Masse des Seiten- muskels bei den Vertebraten von einander scheidet, so ergiebt sich auch in dieser Hinsicht eine bezeich- nende Parallele zwischen den Switenorganen der Vertebraten und denjenigen der Capitelliden. Bei den Vertebraten scheinen nämlich überall, wo die Verhältnisse einigermaassen ursprünglich geblieben sind, sowohl die Seitennerven, als auch die Seitenorgane im Bereiche dieser Linie zu verlaufen. Sranntus>), der diese Seite der Morphologie des Seitenorgansystemes bei den Vertebraten am genauesten verfolgt hat, kommt zu fol- gendem Schlusse: »Bei den Fischen und bei den meisten nackten Reptilien, sowie bei den Larven der Ba- abgesehen von seinen, ausser bei den Fischen trachier, verläuft der eigentliche Stamm der Seitennerven auch bei den Reptilien vorkommenden grösseren oberflächlichen Aesten — constant zwischen den beiden Massen des Seitenmuskels«. Zur selben Erfahrung haben auch die embryologischen Forschungen geführt. Va. Bl), 3 je, loc 2). 13 p& SIySespells: 3) 1. p2519.e2 pe 109% 4 V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. ce. Vergleich mit anderen "Thierclassen. Ho GörreE!) hat nämlich am Unkenembryo für die Seitenorgane und BaLrour?) am Selachierembryo für den Seitennerven das Hineinrücken der bezüglichen Anlagen zwischen die hämale und neurale Masse des Sei- tenmuskels auf's Unzweideutigste festgestellt. Bis zu dem Erscheinen von Leypie’s®) bahnbrechenden Untersuchungen wurde — abgesehen von den Selachiern — das Seitenorgansystem der Vertebraten allgemein für einen Schleim absondernden Apparat gehalten; daher der ja noch heute vielfach gebrauchte Name »Schleimkanäle«. Durch Leyvıs's Entdeckung der innerhalb des Kanalsystemes gelegenen Nervenknöpfe (Sinneshügel) wurde zuerst der allein wesent- liche Theil des Systemes demonstrirt, und der Kanalapparat infolge dessen als secundärer Schutzapparat zu- gleich in sein richtiges Licht gesetzt. F. E. Scuusze') zeigte sodann, dass bei gewissen Fisch- und Amphibien-Larven zunächst nur frei stehende Sinneshügel auftreten, deren empfindhiehster Theil, das Haarfeld, durch eine hyaline Röhre ge- schützt wird, und dass das Kanalsystem erst nachträglich durch Entstehen einer Rinne und lippenartiges Aneinanderlegen ihrer Ränder um diese Hügel herum zur Ausbildung gelangt. Weiterhin fand derselbe Forscher), dass es bei Gobius minutus niemals zur Entwickelung von Kanälen kommt, dass vielmehr die Sinneshügel dieser Thiere zeitlebens frei stehend bleiben. SoLGERN) hat sodann gefunden, dass nicht nur Gobius, sondern auch der Stichling und der Hecht im erwachsenen Zustande die freistehenden Seitenorgane — wenigstens am Rumpfe — bewahren; derselbe Autor hat ferner die Ansicht vertreten, dass freie Seitenorgane wahrscheinlich allen Knochenfischen mit un- deutlicher oder nicht sichtbarer Seitenlinie eigen seien, sowie, dass dieselben allen Teleostiern, auch wenn sie später Seitenorgane in Kanälen besässen, in einem gewissen Stadium ihrer Entwickelung zukämen. Diesem Verhalten der Fische und Amphibien entspricht nun augenfällig dasjenige der Capitelliden: Notomastus hat am Abdomen frei stehende Hügel: sie sind vergleichbar den zeitlebens frei bleibenden Hü- geln von Gobius, Gasterosteus und dem Hechte, oder den vorübergehend frei stehenden der Larven. Die bei den Vertebraten in diesem Falle vorhandenen hyalinen Röhren werden bei Notomastus durch die ge- schützte Lage der Organe im Winkel der Kiemen ersetzt. Am Thorax hat Notomastus in Höhlen mit verschliessbaren Lippen zurückziehbare Hügel; sie sind den in Höhlen oder Kanälen der Haut eingeschlossenen Seitenorganen der Vertebraten vergleichbar. Dass diese die Hügel beschützenden Hohlräume im einen Falle nur jeweils nach Bedürfniss zu Stande kommen, im anderen Falle dagegen fixirte Bildungen repräsentiren, wird wohl keinen Einwand gegen die Parallelisirung der beiderseitigen Anordnungen ausmachen können, um so weniger, als ja auch bei den Vertebraten die Ausbildung des Seitenkanalsystemes verschiedene Abstufungen zwischen blossen die Hügel umrahmenden Hautwällen (Petromyzon, Amphibien) *) und mit Skeletvorrichtungen versehenen, complieirten Röhrensystemen (gewisse Teleostier) aufweist **). 1) Görtz, A. Die Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. p. 605. 2) l. p. 519. ce. p. 144. 3) Leypis, F. Ueber Organe eines sechsten Sinnes etc. Nova Acta Leop. Car. 34. Bd. 1565. Vergl. besonders Abschnitt I. Historisches ete. 4) Schürze, F. E. Ueber die Nervenendigung in den sogenannten Schleimkanälen der Fische ete. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1861. p. 759. . Ueber die Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen u. Amphibien. Arch. Mikr. Anat. 6. Bd. 1570. p. 64. 5) Deep Dil ep Un. *) Die sogenannten Epithelgruben von Ammocoetes und Petromyzon, Höhlen, in deren Grunde die Sinnes- hügel stecken (vergl. LanGerHans, P. Untersuchungen über Jetromyzon Planeri, Freiburg 1873. p. 8. Taf. 1. Fig. 5, 6), nähern sich von allen bei Vertebraten bekannt gewordenen, dem Seitenorgan-Kanalsysteme zugehörigen Bildungen am meisten den »Seitenorganhöhlen« der Capitelliden; man vergleiche die erwähnten Fig. 5 und 6 von LANGERHANS mit unseren schematisch gehaltenen Holzschnitten e. u. d. p. 92. Kaum weniger übereinstimmend mit unseren I'hieren verhalten sich sodann die Amphibien, bei denen ja die Sinneshügel ebenfalls nur in einfachen Epidermishöhlen stecken, welch’ letztere sich spaltförmig nach aussen öffnen. Man vergleiche unsere Fig. 12. Taf. 10 mit Mausranc's 1. p. 519. e. Taf. 3. Fig. 35 oder mit LanGEr- HANS, Ueber die Haut der Larve von Sulamandra maculosa. Arch. Mikr. Anat. 9. Bd. 1873. Taf. 31. Fig. 7. **) Bezeichnend für das schwankende und accommodative Verhalten dieser Vorrichtungen ist die von Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 66 522 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Ilinsichtlich der Form der Seitenorgane herrscht zwischen Vertebraten und Capitelliden vollkom- mene Uebereinstimmung; sowohl von Fischen, als von Amphibien werden die das eigentliche Sinnesorgan repräsentirenden Theile als solide, rundliche, sich in nichts Wesentlichem von den Notomastus-Sinneshügeln unterscheidende Ilügel oder Knospen beschrieben. Vollkommene Uebereinstimmung beiderseits herrscht auch in dem wichtigen Punkte, dass sowohl die Sinneshügel der Vertebraten, als diejenigen der Capitelliden rein epidermoidale Bildungen darstellen. Bezüglich der Vertebraten wird diese Auffassung der Hügel von allen Autoren, welche sich überhaupt mit der Histologie dieser Organe beschäftigt haben, ohne Ausnahme vertreten, und was die Capitelliden betrifft, so haben wir, insbesondere an den thoracalen Hügeln von Notomastus gesehen, in welch’ hohem Grade das Prädicat »epidermoidal« (oder hypodermal) berechtigt ist. Dies führt uns auf den Vergleich der Structur der beiderseitigen Hügel. Zunächst ist hervorzu- heben, dass man bei den einen, wie bei den anderen einen centralen, aus den eigentlichen nervösen EBle- menten sich aufbauenden "Theil (Spindeln und Stäbchen: Capitelliden, Birnzellen oder Nervenzellen: Verte- braten) von einer peripherischen, aus mehr oder weniger modifieirten Epidermiselementen sich zusammen- setzenden, jedoch die Spitze des ITügels freilassenden Hülle (Ilypodermzellen: Capitelliden, Schalt- oder Deck- zellen: Vertebraten) unterscheiden kann. Durch dieses Verhältniss kommt der, sich auch äusserlich sofort in der von uns als » Haarfeld« unterschiedenen IHügelkuppe manifestirende Eindruck zu Stande, dass der Hügel mit einem Ueberzuge gewöhnlicher, oder wenig modificirter Epidermiszellen bekleidet sei, der nur am Pole, so weit sich das Ilaarfeld erstreckt, eine Unterbrechung erleidet. Bei Nofomastus hat sich ergeben, dass die den Körper und den basalen Theil des HHügels be- deekende Cutieula, trotz des Mangels der Ilypoderinzellen, auch iiber das Haarfeld hinweg ziehe; es fragt sich nun, wie sich — wo überhaupt eine Cutieula vorhanden ist — diese Haut bei den Vertebraten verhält, ob sie nämlich, wie bei den Capitelliden, ebenfalls allein über das Haarfeld wegzieht, oder nicht. Mausranc!) sagt, dass es ihm bei Amphibien nie gelungen sei die Cuticula als eigene Deckschicht auf der Krone eines Organes nachzuweisen; er glaubt, dass die langen Zellen des Seitenorganes zwar eine schützende Decekschicht aussondern, dass aber diese nicht gerade der allgemeinen Cuticula der Epidermis äquivalent sei. LAnGernmans?) dagegen hält es für wahrscheinlich, dass über die Sinneshügel der Petromy- zonten die Körper-Cutieula hinwegziehe. Die auffallendste und bemerkenswertheste Struetur-Aehnlichkeit zwischen den Sinneshügeln der Capitelliden und denjenigen der Vertebraten besteht nun aber darin, dass bei beiden die central gelegenen Nervenzellen (Spindeln und Stäbchen: Capitelliden, birnförmige Zellen: Vertebraten in feine, starre, frei in das umgebende Medium ragende Ilaare auslaufen *. Zahl und Beschaffenheit dieser Haare wechselt schon innerhalb des Vertebratenkreises. F. BE. Scnunzn ®) LANGERHANS 1. p. 521. (Unters. Petromyzon) c. p. 13 gemachte Angabe, dass — im Gegensatze zu den Teleostiern — bei der Larvenform des Neunauges die Seitenorgane geschützter lägen als beim ausgebildeten Thiere. LANnGEr- HANS fasst diese Abweichung — wie mir scheint ganz richtig — als eine Anpassungserscheinung auf, indem Ammocoetes im Schlamme, Petromyzon dagegen frei schwimmend oder an festen Körpern angesaugt, lebt. UM Pr o19c. 93,04, 2) 1. p. 521. (Unters. Petromyzon\ c. p. 11. 3) 1. p. 521. (Nervenendig. Schleimkaniäle) ec. p. 7683. *) Zwischen Leyvie und F. E. Schusze, also denjenigen zwei lorschern, welche sich wohl am ein- gehendsten mit dem Seitenorgansysteme beschäftigt haben, zieht sich nun schon seit länger als einem Decennium eine Differenz in der Auffassung der Sinneshügelstructur hin, welehe bis auf den heutigen Tag zwischen ihnen noch nicht vollständig zum Ausgleiche gekommen ist. Nach F. E. Sonurze stellen die frei stehenden Sinneshügel der Amphibienlarven, @obius etc. solide Knospen dar, auf deren Kuppen zahlreiche, von einer hyalinen Schutzröhre umgebene Sinneshaare ausstrahlen; nach LrypıG sind dieselben Hohlkörper, in deren Grunde sich eine Zellmasse befindet, an denen sich aber weder die von Scnusnze beschriebenen Sinneshaare, noch die hyaline Röhre er- kennen liessen. Was die Frage nach der Solidität der Hügel betrifft, so würden sich die beiden von einander abweichenden V, Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen 'Vhierclassen. 925 giebt zum Beispiel von der Perea-Larve 30—50 als auf einem Ilügel stehend an, von Gobius minutus‘) nur 20-10. Bei jungen Triton-Larven fand derselbe Forscher?) 1—6 Sinneshaare auf je einem Ilügel und bei älteren Larven begegnete er Hügeln mit 15—20 Haaren, woraus also hervorginge, dass bei den Amphibien die Zahl der Sinneshaare mit dem Alter zunimmt. Mauskaneo") ferner fand diese Haare bei den Larven aller Amphibien starr und derb, bei ausgewachsenen Proteus-, Siredon- und Priton-Individuen dagegen fand er ebendieselben zart: die erstere Kigenthümlichkeit ist mit dem Besitze, und die letztere mit dem Mangel einer hyalinen Umhüllungsröhre verbunden. Aber bei allen diesen Variationen stimmen die Sinneshaare der Weleostier- sowie der Ampbhibien- Seitenorgane nach den gleichlautenden Angaben F. B. Senunzu's und Mansan s doch darın uberein, dass sie ausnahmslos die Länge von 14 w aufweisen, ein Umstand, welchen Senunzw, gewiss mit Recht, als von grosser Bedeutung, im Ilinblieke auf die Function der Seitenorgane, hervorhebt. Als bemerkenswertheste Punkte, in denen nun die Sinneshaare der Ilügel beider Gruppen sich von einander unterscheiden, wären hervorzuheben: Erstens, dass sie bei den Capitelliden nicht wie bei den 'Te- leostiern und Amphibien an ihrer Basis conisch verbreitert sind, um sodann drehrund in einem bis zum üussersten, querabgestutzten Ende völlig gleichen Durchmesser zu verlaufen, dass sie vielmehr bei den Capitelliden sich gleichmässig von der Basis bis zum Ende hin verschmälern und so eine mehr den soge- nannten Hörhaaren ähnliche Form darbieten. Zweitens, dass sie bei den Capitelliden in einer erheblich grösseren Anzahl auftreten, und drittens endlich, dass sie bei ebendenselben eine viel bedeutendere Länge, als bei den Vertebraten erreichen, wobei aber zu bemerken ist, dass die Länge von 10-60 p. bei den ersteren ebenso constant für einen gegebenen Hügel sowohl, als für die verschiedenen Ilügel eines und desselben 'Ihieres Vertebraten. sowie auch für die IHügel verschiedener Thiere ist, als die Länge von I4 u für diejenigen der Ich habe beschrieben, wie die Kuppen der Capitellidenhügel, soweit sie mit Sinneshaaren besetzt sind, also die Haarfelder, ein- und ausgestülpt werden können; in der mir bekannten Lätteratur habe ich nun keine Angaben aufzufinden vermocht, die eine ähnliche Retraetilität des Hlaarfeldes bei den Seiten- organen der Vertebraten ausdrücklich eonstatirten; dagegen bin ich auf zahlreiche, die Form der Ilügel- kuppen dieser 'Thiere betreffende Beschreibungen gestossen, aus welchen sich eine ähnliche Fähigkeit der Vertebraten-Hügel mit Wahrscheinlichkeit folgern lässt. Wir finden z. B. in F. E. Sonunzw's!) Beschreibung der Seitenorgane junger Barsche folgende Sätze: . ... . . »so sieht man an allen denjenigen Stellen, wo die sogenannten Schleimkanäle liegen, eigenthümliche, in der Mitte mit einer Concavität versehene, zellige Hügel und aus dieser Concavität eine Menge starrer, parallel stehender Haare in das umgebende Wasser hinausragen« ete. Bei Gobius minutus besitzt demselben Autor?) zufolge der Sinneshügel eine anfangs ganz allmählich ansteigende, nach oben zu aber mehr bauchig vortretende Seiten- und eine quer abgestutzte Gipfelfläche. »Diese letztere setzt sich mit einer leicht concaven Randpartie gegen die Seitenfläche ab, während sie im Uebrigen eben oder selbst schwach eonvex erscheint«. An einer anderen Stelle") desselben Angaben versöhnen lassen, wenn sich unsere Vermuthung bestätigte, dass auch den Vertebraten die lähigkeit zu- komme, die Haarfelder ihrer Sinneshügel ein- und ausstülpen zu können, und Leyvıs eben diese Hügel mit retrahirtem Haarfelde als Hohlkörper angesehen, Scnunzs dagegen nur Hügel mit vorgewölbtem Haarfelde vor Augen gehabt hätte. Bezüglich der Sinneshaare aber kann, nachdem die Scenurze'schen Angaben übereinstimmend von LANGER- HANS, Manprano und Sorazr bestätigt worden, wohl kein Zweifel mehr darüber herrschen, dass das Missverständniss oder der Irrthum auf Seiten Leyvıg’s und nicht auf Seiten Scuusze’s zu suchen ist. In seiner neuesten, auf diese Fragen Bezug nehmenden Publication (l. p. 414. ec. p. 169) beschreibt übrigens LeynıG selbst früher überschene, den Sinneszellen der Hügel aufgesetzte Stiftehen oder Stäbehen, welche wahrscheinlich mit den Sinneshaaren iden- tisch sein werden, 7 I) 1. p. 521. (Sinnesorgane Seitenlinie) c. p. 67. 2) 1. p. 521. (Sinnesorgane Seitenlinie) c. p. 78 und 79. d)rl.2pl51d.ve. p. 78. 4) 1. p. 521. (Nervenendig. Schleimkanäle) e. p. 762. 5) 1. p. 521. (Sinnesorgane Seitenlinie) c. p. 64. l. p. 521. (Sinnesorgane Seitenlinie) e. p. 66, 66” 5924 B. Vergleichend-Anatomischer (Morhpologischer) Theil. Aufsatzes sagt Scuuzze: »Gewöhnlich sind die Haare einer Gruppe ganz parallel und rechtwinklig zur Ober- fläche ihres Standortes gerichtet, doch sah ich sie zuweilen auch ein wenig nach aussen divergiren. In diesen letzteren Ausnahmefällen schien die Hügelendfläche nicht vollständig eben, sondern leicht convex vorgewölbt zu sein.« In einer ebenfalls die Seitenorgane von Gobius behandelnden Arbeit giebt Wintuer!) an, dass auf den Hügelspitzen die Hautbekleidung eine Oeffnung zeige, welche in das Innere des Hügels führe, und diese Oeffnung soll sich bald erweitert, bald zu einer länglichen Spalte ausgezogen darstellen können * Endlich berichtete auch SOLGER?) vom Seitenorgane von Gobius, dass es von den Epidermiszellen »bis auf einen der Spitze der Knospe entsprechenden Spalt von spindelförmiger Gestalt vollständig umschlossen werde«, und dass nach 24 stündiger Einwirkung von Osmiumsäure dieser Spalt häufig sternförmig erscheine. Auch von den Seitenorganen der Amphibien wurden formveränderliche Gruben oder Spalten be- schrieben; am nachdrücklichsten von LeyvıG®). Er äussert sich hierüber folgendermaassen: »In der ganz frischen, vom lebenden Thiere abgeschnittenen Haut sind diese Zellen so gruppirt, dass der rundliche Ballen **), den sie im Ganzen erzeugen, oben eine helle Lücke lässt, die unter gleichen Umständen bald rundlich er- scheint, bald auch zu einer engen Querspalte verengt, wie wenn abermals auch diese Zellen Contractilität besässen. « Alle diese von den eben eitirten Autoren gemachten Angaben liessen sich nun ohne Weiteres er- klären, unter der Voraussetzung, dass auch an den Sinneshügeln der Vertebraten die Kuppen ein- und aus- stülpbar seien; bei künftigen Untersuchungen wird auf diese Verhältnisse Rücksicht zu nehmen sein. Wenn sich aber unsere Vermuthung bestätigen sollte, so würde dadurch nicht nur eine weitere Uebereinstimmung zwischen den Seitenorganen der Vertebraten und denjenigen der Capitelliden ausgedrückt, sondern auch zugleich eine bereits (auf p. 522 Anmerkung) hervorgehobene Divergenz der Ansichten über den Bau der Vertebraten-Sinneshügel ausgeglichen werden. Es bliebe nun noch zu untersuchen übrig, in wiefern die Innervatıons-Verhältnisse der Capitelliden- Seitenorgane mit dem Seitennervensysteme der Vertebraten verglichen werden können. Aber, ganz abge- sehen von der principiellen Vorfrage einer solchen Vergleichbarkeit, müssen wir schon aus dem Grunde vorläufig auf jeden derartigen Versuch verzichten, weil unsere Kenntnisse über die Art der Innervation der Gapitelliden-Sinneshügel, wie die bezüglichen vorhergehenden Abschnitte gezeigt haben, durchaus proble- matisch geblieben sind ***). Wie aus der vorstehenden Reproduction hervorgeht, habe ich beim Vergleiche der Capitelliden- und Vertebraten-Seitenorgane von Anfang an grosses Gewicht auf die beiderseits zu so scharfem Ausdrucke kommende metamere Anordnung der betreffenden Organe gelegt. Wenn aber das Factum dieser beiderseitigen Metamerie schon an und für sich als Criterium einen hohen Werth beanspruchen durfte, so wurde jedenfalls dieser Werth, wie schon an 1) Winauer, G. Udvendige Smagspapiller hos Gobius niger. Nat. 'Tidsskrift. 9. Bd. 18574. p. 185. 2) SotLser, B. Zweite Mittheilung über Seitenorgane der Knochenfische. Centralbl. Med. Wiss. Jahrg. 1977. p 3). pres2ilencap.oll. *) WintHer scheint bei der Abfassung seiner Arbeit nieht nur die dasselbe Object behandelnden, ein- ww gehenden Untersuchungen von F. E. Schurze, sondern auch die bereits ziemlich ausgedehnte übrige Litteratur über die Seitenorgane so gut wie nicht gekannt zu haben, sonst hätte er den Seitenorganen unmöglich — unter Ignorirung der ihnen von LryYvıG und ScHhuszE beigelegten Function — dieselbe physiologische Bedeutung vindiciren können, welche allen mit dem Thema vertrauten Forschern, als längst den becherförmigen Organen zugeschrieben, bekannt ist. **) Mit »der rundliche Ballen« ist der Sinneshügel gemeint. ***) Dieser Schlusssatz ist dadurch, dass mir inzwischen (wie ja aus den betreffenden Kapiteln dieser Mono- graphie schon hervorgeht) die Eruirung der fraglichen Innervationsverhältnisse bei den Capitelliden geglückt ist, gegenstandslos geworden. Im Nachfolgenden werden denn auch die Beziehungen des Anneliden- und Vertebraten- Seitennervensystemes eingehend zur Sprache gebracht werden. - V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierelassen. 525 anderer Stelle hervorgehoben wurde, dadurch noch bedeutend gesteigert, dass mit der Zurück- führung der Anneliden-Seitenorgane auf Annelidencirren besagte Metamerie eine ursächliche Begründung erhielt, insofern nämlich, als die Rückencirren nicht nur in je einem Paare in Jedem Zoniten zur Anlage kommen, sondern auch diese ihre segmentale Natur bei allen aus- gebildeten Anneliden bewahren. Es soll daher meine erste Aufgabe sein, das in's Auge zu fassen, was seit meiner ersten Mittheilung über den Gegenstand für und wider die segmentale Natur der Seitenorgane vorgebracht worden ist. Wir haben gesehen, dass die bei den Vertebraten in so vielen Fällen constatirte Störung der segmentalen Anordnung (insofern anstatt eines Sinneshügels ihrer mehrere je auf einem Segmente angetroffen werden) in der 'Theilungsfähigkeit der Sinneshügel ihre Erklärung fand. Zur Zeit meiner ersten Veröffentlichung war einziger Gewährsmann für diese Angabe ihr Entdecker: Marsranc. In Anbetracht der grossen Bedeutung dieser Angabe, in Anbetracht. dass sie das als einen unter unseren Augen sich abspielenden Prozess hinstellt, was wir als nothwendig voraussetzen müssen, um an der ursprünglichen, strengen Metamerie überhaupt festhalten zu können, empfiehlt es sich vor Allem den Stand dieser Vorfrage zu prüfen, ins- besondere festzustellen, ob und welche weitere, zu Gunsten der Mansranc’schen Entdeckung sprechende Beobachtungen gemacht worden sind. Enery ') sagt in seiner Monographie über Fierasfer: »L’origine dei gruppi segmentali © tuttavia in molti punti oscura. Ho potuto convincermi che gli elementi di un gruppo si moltiplicano per seissione; almeno io non saprei interpretare diversamente l’osser- vazione fatta piü volte di due bottoni incompletamente separati o assai vieini fra loro, nei gruppi segmentali ventrali di giovanı Flerasfer.« Ferner MERKEL?): »Doch möchte ich nicht versäumen zu bemerken, dass bei verschieden alten Individuen von Mugil cephalus die Zahl der auf je einer Schuppe stehenden Hügel verschieden ist; und zwar habe ich bei jun- gen, etwa fingerlangen Exemplaren in jeder Schuppenkerbe nur einen einzigen finden können, während bei ausgewachsenen deren gewöhnlich drei zu zählen sind. Es scheint also hier eine ganz ähnliche Thei- lung der Organe vor sich zu gehen, wie es MaLprano für die Hügel bei Amphibienlarven beschreibt. « Und weiterhin derselbe Autor’): »Indem ich Marsrane's übrige Beobachtungen als in voller Uebereinstimmung mit den meinigen ganz übergehe, möchte ich nur noch hervorheben, dass auch ich mich von der Anwesenheit einer hyalinen Röhre bei Larven überzeugt habe, sowie dass ich in Bezug auf den Modus der Vermehrung der Hügel durch Theilung ganz mit ıhm übereinstimme. « Sodann BODENSTEIN ): »Bei einem anderen Exemplar (von Cottxs gobio) theilt sich auf der linken Körperseite ın der Re- gion der hinteren Rückenflosse der Hauptkanal in zwei Arme; beide Arme verlaufen eine Strecke gesondert nebeneinander und vereinigen sich dann wieder: auf jedem der getrennten Zweige finden sich zwei Aus- ) Emery, ©. Le specie del Genere Fierasfer nel Golfo di Napoli. Leipzig 1850. p. 41. ) MeErk£r, F. Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. p. 35. 1ap3 9252. cz p: 98. BoDENSTEIN, E. Der Seitenkanal von Cottus gobio. Zeit. wiss. Z. 37. Bd. 1882. p. 124. 526 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. er führungsgänge. Es hat hier demnach eine Verdoppelung der Nervenendorgane stattgefunden, indem auf ein Ligamentum intermusculare zwei Endhügel in dorsoventralen Abständen zu liegen kommen. « Endlich BeArD'!): »I have found that the number of sense organs is increased in the embryo (of Salmo) by division of the primitive segmental ones.« Nur von einer Seite her ist die 'Theilungsfähigkeit der Seitenorgane, wenn auch nicht widerlegt, so doch in Zweifel gezogen worden, und zwar von Asassız und WhHımman?). Sie erklären nämlich: »The observations of Mausranc and Brarv, according to which more than one pair of these organs may occur in a single segment as the result of a division of a primary pair, we have not been able to con- firm. We have seen cases in which there were apparently two of these organs in close proximity, neither of which was perfeetly developed. In no case have we found two well developed side by side. The oc- eurrence of three lateral lines in some Flounders, and the oecurrence of the same number, as a rule (Mar- BRANG), in Amphibians, is not easily explained as a result of the division of one line, but is precisely what might be expected if the view above suggested is correct.« »['he view above suggested« besteht aber in der späterhin noch zu erörternden“ Ansicht Wanrruan’s, dass nicht Wirbellose mit Einem Reihenpaare von Sinneshügeln (wie die Capi- telliden), sondern solche mit mehreren (wie die Hirudineen) als ursprünglicher Zustand des Seitenorgansystemes zu betrachten seien, und dass wir in Folge dessen, um das Auftreten mehrerer sogenannter Seitenlinien zu erklären, nicht erst nöthig hätten eine Vermehrung der Sinneshügel durch 'Theilung anzunehmen. Es ist ganz natürlich, dass in Folge dieser ihrer theoretischen Erwägungen die in Rede stehenden Autoren der Frage nach der 'Theilbarkeit der Seitenorgane nicht mehr ganz objectiv gegenüberstanden. Gleichwohl sagen sie in einem dem citirten fast unmittelbar nachfol- genden Passus: »Although we have seen no direet evidence of a multiplication by division among these organs, from the studies of Marsranc on Amphibia, such a mode of development is very probable.« Wie aber auch Acassız und Wnrmman dieser Frage gegenüberstehen mögen, durch die so bestimmten Marsranc bedingungslos bestätigenden Angaben aller der vorhergenannten Forscher scheint mir das Factum, dass sich die Seitenorgane der Vertebraten durch Theilung zu vermehren im Stande sind, ein für alle mal festgestellt. Nach solcher Erledigung der Vorfrage können wir nun zur Hauptfrage, nämlich zur Erörterung dessen, was seit 1878 für und wider die segmentale Natur der Vertebraten-Seiten- organe vorgebracht worden ist, übergehen. /unächst begegnen wir einer dahin zielenden Aeusserung Leypig's’). Sie lautet: ‚Bezüglich der Frage, ob die Seitenorgane der Knochenfische metamerisch am Rumpfe auftreten, a). Vergl. p. 559. 1) Auditory organ. Z. Anzeiger. Jahrg. 1884. p. 125 Anmerkung. BEARD, J. On the Segmental Sense organs of the lateral line, and on the Morphology of the Vertebrate 2) Acassız, A., and Wnrrman, ©. The Development of Osseous Fishes. I. The pelagie Stages of young Fishes. Mem. Mus. Harvard Coll. Vol. 14. 1885. p. 31. 3) 1. pP. ALS-Terp: 1167. / V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen l'hierclassen. 927 möchte ich noch die Bemerkung anschliessen, dass mir die Untersuchung von Salmenbrut diese Ansicht zu bestätigen scheint. Winzige, noch unpigmentirte und mit grossem Dottersack versehene Fischchen zeigen an der Seitenlinie etwa 30 Sinneshügel; sie sind so vertheilt, dass je eines unmittelbar hinter einem Septum intermuseulare zu stehen kommt, mithin immer ein Stück einem Wirbelabschnitte entspricht. Es sind alle diese Sinneshügel noch freie Seitenorgane, bestehend aus Gruppen birnförmiger, nach aussen zusammennei- sender Zellen« ete. Ganz allgemein bestätigend äusserte sich sodann Merker') in den Worten: »Die von Leyvıc gestellte Frage, ob die Seitenorgane metamerisch auftreten, ist im Allgemeinen zu bejahen.« Ferner berichtete SorGer?) in einer dem Seitenorgansysteme der Selachier gewidmeten Abhandlung: »Die soeben mitgetheilten Untersuchungen der Seitenorgane von Sceyllium und Acanthias haben zu dem Ergebnisse geführt, dass am Rumpfe dieser Selachier stellenweise (ob durchaus, muss erst noch con- statirt werden) eine ausgesprochene Metamerie dieser Sinnesorgane herrscht, und zwar ın der Weise, dass auf jedes Körpersegment eine Endknospe, ein zugehöriges Nervenstämmchen und ein Querkanälchen trifft. « Und derselbe Autor‘) fasste seine an den Knochenfischen gewonnenen Erfahrungen dahin zusammen: »In weitaus den meisten Fällen lässt sich eine streng regelmässige Anordnung der Endapparate des Seitenorgansystems nachweisen, so dass man, ganz im Gegensatz zu der Vertheilung der becherförmigen Organe, dieses Merkmal geradezu als charakteristisch für die Seitenorgane bezeichnen muss. Diese Regel- mässigkeit spricht sich aus einmal in dem reihenweisen Auftreten der Organe (Kopf von Gobius, Rumpf von Esox u. s. w.) und ist namentlich bei Amphibien und deren Larven gar nicht zu verkennen, sodann ZWwei- tens in der so häufig zu beobachtenden, metameren Vertheilung längs der sog. Seitenlinie, die bei gleichem Abstande, gleicher Richtung und segmentalem Auftreten der Organe die denkbar vollkommenste Reihe darstellt. « Sodann Bopexstein!) vom ausgewachsenen und embryonalen Seitenorgansysteme von Cottus gobio: »Wie im ausgewachsenen Stadium ist auch hier nämlich im embryonalen die Anzahl der Nerven- endorgane den Ligamenta intermuscularia in gleicher Strecke gleich, und zwar steht in diesem Stadium je ein Endorgan in einer Hauteinziehung, welche im gehärteten 'Thiere durch ein Ligamentum hervorgebracht wird; dabei nehmen bereits die spindelförmig gestalteten Sinneshügel mit ihrer Längsausdehnung die Rich- tung des späteren Kanals ein. Eine solche segmentale Anordnung der Nervenendorgane wurde, wie schon erwähnt, von mehreren Autoren bei Fischen konstatirt, welehe sich noch im embryonalen Stadium befanden. « Ferner Horrmanx’) von Salmen- und Forellen-Embryonen: »Die so streng segmental auftretenden, in kegelförmige Elemente umgebildeten Zellen der Grund- schicht stellen uns wohl unzweifelhaft die in der Anlage begriffenen Sinneshügel vor « etc. Endlich wurde die Metamerie der Seitenorgane, ausgehend vom embryologischen Studium des Forellenembryos, mit ganz besonderem Nachdrucke von Brarn", betont. Ja, die Thatsache 1) 1. p. 525. e. Vorwort. 2) SoLGER, B. Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. U. Die Seitenorgane der Selachier. Arch. Mikr. Anat. 17. Bd. 1850. p. 472. 3) Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. III. Die Seitenorgane der Knochenfische. Arch. Mikr. Anat. 15. Bd. 1550. p. 359. 4) 1. p. 525. ce. p. 140. 5) Horrmans, C. Zur Ontogenie der Knochenfische. Arch. Mikr. Anat. 23. Bd. 1554. p. 93. 6). 1. p.. 926. ce. p. 125. 528 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. dieser Metamerie schien genanntem Autor von so einschneidender Bedeutung, dass er es, wie aus Nachfolgendem hervorgeht, für nothwendig hielt, den alten Namen »Seitenorgane« in den- . ® \® At . . jenigen von »segmentale Sinnesorgane« umzutaufen. Er sagt nämlich: »For the elucidation of these problems it must be noticed that developmentally the sense organs of the lateral line are segmental, — in every segment of the body one pair of these sense organs is de- veloped. No segment of the body, from the first segment of Van Wısur backwards, is an exception to this rule. Later more than one pair may be developed in some or all segments, some may disappear, the arran- gement also, may become complieated, but in all cases in the embryo the organs are segmental. Hence we may call these organs the segmental sense organs. « Auf Grund aller dieser im Vorhergehenden mitgetheilten Feststellungen von Seiten so verschiedener Autoren dürfen wir wohl das, was in meiner ersten Mittheilung über den Gegen- stand nur als wahrscheinlich hingestellt werden konnte, jetzt als Thatsache hinstellen, nämlich, dass die Seitenorgane der Vertebraten ursprünglich streng segmental angelegt werden. Und mit Hilfe dieser 'Thatsache, sowie derjenigen der 'Theilungsfähigkeit der Hügel lassen sich nun, meiner Ansicht nach, auch alle von der ursprünglichen Metamerie abweichenden Fälle als secundäre erklären. So kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, dass, nachdem für einzelne Stellen des Rumpfes von Scyllium und Acanthias die streng segmentale Anordnung der Hügel durch SotGEr festgestellt worden ist, das Verhalten von Mustelus (bei welchem Haie demselben Autor!) zu- folge auf je ein Rumpfsegment drei Nervenstämmehen kommen) als das secundäre Verhalten betrachtet werden muss. So kann ferner, nachdem gerade bei Mugil durch Merker die Vermehrung der Hügel nachgewiesen worden ist, Niemand mehr daran denken, das iberraschende, ebenfalls durch Merken’) festgestellte Factum, dass bei Mugil (und einigen anderen Teleostiern) fast jede Schuppe des Körpers mit Sinneshügeln besetzt ist, als einen primären Zustand zu deuten. Eine eigenthümliche Auffassung hat bezüglich der Metamerie der Seitenorgane Exery'’) in seiner Monographie des Fierasfer geltend gemacht. Das Seitenorgansystem dieses aberranten Fisches weist im erwachsenen Zustande erheb- liche Modificationen auf, welche aber Exmery, im Hinblicke auf die beobachtete Theilungs- fähigkeit der Hügel, ohne Weiteres als secundäre anerkennt. Auch befindet er sich darin im Einklange mit seinen Vorgängern, dass zahlreiche Fischlarven eine streng metamere An- ordnung der Seitenorgane erkennen lassen. Jedoch nur Larven von 15 mm Länge an sollen sich in der Regel so verhalten; bei gewissen Larven unter dieser Grösse hingegen (wie zum Beispiel bei denjenigen von Fierasfer und Labrax lupus) lasse die Anordnung dieser Organe keinen segmentalen Charakter erkennen. Und daraus schliesst nun Ewerv: »Se dobbiamo dunque argomentare dai fatti noti finora, @ d’uopo ammettere che gli organi laterali 7. (Selachier) e. p. 473. 4) 29, ec. p. 37—50. Q ge} V. Sinnesorgane. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. 529 dei vertebrati hanno in origine una distribuzione irregolare, la quale, piü tardi diventa segmentale; piü tardı ancora il carattere segmentale puö obliterarsi, formandosi gruppi segmentali che finiscono per confondersi in- sieme. In questi punti, gioverebbe ricevere nuovi lumi dall’ embriologia. Perö il processo si spiega benissimo; quello che costituisce la segmentalita, nel corpo dei vertebrati, sono le vertebre primitive, cio@ una parte determmata del mesoderma, con glı organı che ne derivano; altre parti di questo foglietto e degli altrı foglietti embrionali sono influenzati meccanicamente dallo sviluppo dei derivati delle vertebre primitive, in ispecie dei muscoli segmentali: cosi la corda dorsale, lasse cerebro -spi- nale, la cute. Nei giovani embrioni e nelle larve di pesci poco sviluppate, como mostrano bene i taglı tras- versi, lo strato ialino che sta sotto l’epidermide ha spessezza ragguardevole, rispetto allo strato muscolare. poco eresciuto ancora. Organi epidermicı che si sviluppano in questo periodo avranno a risentire poco V'in- fluenza dei segmenti vertebrati, mentre se, piü tardi, questi stessi organi si suddividano per moltiplicarsi, 0 pure se ne formino nuovi, quando le masse muscoları abbiano acquistato maggior potenza, la distribuzione di questi organi dovra risentire Tinfluenza dei miocommi e dei loro setti che si attaccano alla cute, dovra quindi divenire segmentale. La distribuzione degli organi laterali sarebbe verosimilmente fin da prineipio segmen- tale, qualora questi organi venissero ad accennarsi, per la prima volta, in un periodo meno precoce dello svi- luppo embrionale. « Man sollte nun vermuthen, dass die Vertheilung der Sinneshügel jener Larven unter |5 mm, welche Every zur Begründung eines Gegensatzes von solcher Bedeutung veranlassten, diffus über den ganzen Körper vertheilt standen. Dem ist aber nicht so. Der Unterschied zwischen Larven unter 15 mm und solchen über 15 mm läuft allein darauf hinaus, dass erstere nur an einzelnen Körpersegmenten, letztere dagegen an allen Körpersegmenten mit Hügeln ausgerüstet sind. Ich kann daher den Gegensatz von »segmental« und »nicht seg- mental« in diesem Falle überhaupt nicht anerkennen, glaube vielmehr, das abweichende Ver- halten der betreffenden Stadien nur dahin interpretiren zu müssen, dass bei gewissen Fisch- larven die Ausbildung des Seitenorgansystemes lange Zeit für sich in Anspruch nimmt. Dass dieses Factum auffallend ist, dass es interessant sein wird, an der Hand der Entwickelungs- geschichte der bezüglichen Formen den Modus der ersten Anlage des so retardirten Systemes festzustellen, will ich ohne Weiteres zugeben, in der festen Ueberzeugung jedoch, dass hier eine Modification, nicht aber ein Gegensatz des typischen Verhaltens vorliegt. So haben es auch Acassız und Wnrrwman'), welchen ebenfalls derart relativ weit fortgeschrittene Larven mit wenigen, nicht streng metamer angeordneten Hügeln begegnet sind, aufgefasst. Dass übrigens Enerv selbst durch seine an jenen Fischlarven unter 15 mm gemachten Beobachtungen noch nicht so ganz von der ursprünglich dysmetameren Anordnung des Seiten- organsystemes überzeugt wurde, geht aus diesen seinen Worten hervor: » Potrebb’ essere intanto che, nei pesci primitivi, glı organi lateralı fossero distribuiti secondo 1 seg- menti; pero, ad asserire ciö, bisognerebbe avere in appoggio datı di fatto, che finora mancano, tratti a pre- ferenza dalla ontogenia dei Fisostomi addominali o meglio ancora dei Ganoidi e degli Elasmobranchi. Con ceiö non & quindi esclusa la possibilita della omologia degli organi laterali dei vertebrati con quelli deseritti da Eısıs nei Capitellidi. Per me, ritengo questa omologia soltanto possibile, ma tutt’ altro che dimostrata. Laffinita dei vertebrati con gli anellidi deve essere cercata molto piü indietro e, se esiste realmente, in forme animali in cui la metameria era appena accennata.« Diese ontogenetischen Nachweise sind aber inzwischen (wie aus dem Vorhergehenden zu ersehen war) erbracht worden. Alle diejenigen, welche sich embryologisch mit unserem 1 1.>p. 526. c. p. 30: Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 67 530 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. / Thema beschäftigt haben, constatiren die ursprünglich streng metamere Anlage der Seiten- organe, und weil damit die nothwendige Voraussetzung Ewery's (nämlich die von Anfang an dysmetamere oder diffuse Anlage der Hügel) hinfällig wird, so glaube ich auch auf das, was seiner Ansicht nach aus solcher vermeintlicher Anlage heraus die Metamerie erst hervor- gebracht haben soll (nämlich auf die Urwirbel oder das Mesoderm), nicht eingehen zu müssen. Dies ist mir aus dem Grunde erfreulich, weil ich sowohl hinsichtlich der Bedeutung der Segmen- tirung und ihrer Beziehungen zum Mesoderm, als auch bezüglich der Frage nach der Ab- stammung der Wirbelthiere einen principiell sehr abweichenden Standpunkt einnehme und daher im anderen Falle eine ziemlich lange Discussion hätte Platz greifen müssen. Auch Ransom und 'TTuomrsox') versuchen die metamere Anordnung des Seitenorgan- systemes der Vertebraten als eine secundär zu Stande gekommene Einrichtung begreiflich zu machen, indem sie dabei von der 'T'hatsache ausgehen, dass Petromyzon zwar einen wohl aus- gebildeten Seitennerven, aber keine segmental angeordnete Sinneshügel besitze. Die unregel- mässig vertheilten Hügel von Petromyzon sollen nun — doch lassen wir die Autoren selbst reden: » The scattered hair-cells of Amphioxus are irregularly grouped in Petromyzon, and it is only in higher Chordata that a definite segmental arrangement obtains and a corresponding relation to the spinal ganglıa. The close relation of ganglion to sense-organ, which is asserted in some developmental histories, is probably therefore secondary. And if we remember how in Selachii the lateralis nerve, still Iying deeply seated and elose to the spinal nerve-roots, sends long branches through the intermuscular septa to the sense-organs of the skin, we perhaps get an idea of a condition contributing to the segmental arrangement of the latter.« Hiergegen ist vor Allem einzuwenden, dass, nachdem die ursprünglich metamere An- ordnung des Seitenorgansystemes sowohl embryologisch, als auch vergleichend-anatomisch in einer nicht unbeträchtlichen Reihe von Fällen festgestellt und überdies die nachträgliche Störung der Metamerie, durch die Fähigkeit der Sinneshügel sich zu theilen, genügend erklärt werden konnte, es nicht mehr angeht, die Metamerie so schlechtweg als nicht vorhanden zu be- trachten. Es hätte zum Mindesten die Entwickelung dieser Hügel verfolgt werden müssen, bevor dem fertigen Zustande eine derartige Interpretirung zu Theil wurde. Ferner ist es (ohne gründliche Nichtbeachtung alles dessen, was über die verschiedenartigen Hautsinnes- organe von Wirbellosen und Wirbelthieren vorgebracht worden ist) nicht möglich die Seiten- organe der Fische so ohne Weiteres aus den Sinneszellen des Amphiowus herzuleiten. Und somit fehlt auch hier der Voraussetzung zu so weitgehenden Folgerungen die unerlässliche Begründung. Wenn endlich die citirten Autoren (ähnlich wie Emery in den Urwirbeln oder im Mesoderm) in der segmentalen Anordnung der versorgenden Nerven das primäre, ursäch- liche Moment für die Metamerie des Seitenorgansystemes erkennen zu müssen glauben, so weicht auch dies so weit von meinem in dieser Frage eingenommenen Standpunkte ab, dass eine Discussion besser unterbleibt. Ueberdies wird ja im Nachfolgenden der Leser auch diesen meinen Standpunkt kennen lernen und so selbst in der Lage sein, ihn mit den anderen zu vergleichen. 1) Ransom, W. and THuompson, D’Arcy. On the Spinal and Visceral Nerves of Cyclostomata. Z. Anzeiger. Jahrg. 1886. p. 421—426. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. 531 Ich gehe nun zur Frage nach der Vergleichbarkeit der beiderseitigen Innervations- verhältnisse über, zu einer Frage also, welche in meiner ersten Mittheilung, wegen Mangels zureichender Beobachtungen, dahingestellt bleiben musste. Wenn sich, bei alleiniger Berücksichtigung des Ursprünglichen und Wesentlichen hinsichtlich der Lagerungsverhältnisse, der Structur sowie der Genese, die zwischen dem Seiten- organsysteme der Anneliden und demjenigen der Vertebraten herrschende Uebereinstimmung in unverkennbarer Weise offenbarte, so lässt sich in Bezug auf die beiderseitigen Innervations- verhältnisse nichts weniger, als eine ähnlich einleuchtende Relation behaupten. Bei den Anneliden (Capitelliden) werden die Seitenorgane von Segment zu Segment je durch einen Ast eines segmentalen Nerven des Bauchstranges, also durch einen Spinal- nervenast innervirt. Bei den Vertebraten dagegen erhalten nur die theilweise vergänglichen Seitenorgane des Kopfes, respective des vordersten Rumpfabschnittes eine ähnlich segmentale Versorgung, wogegen weiterhin die zu den einzelnen Sinneshügeln verlaufenden Nerven, selbst für den Fall, dass sie streng metamer aufeinanderfolgen, nicht aus Spinalnerven, sondern aus einem einheitlichen, vom hinteren Gehirnabschnitte abgehenden, längs des ganzen Rumpfes verlaufenden Nerven, nämlich dem »Ramus lateralis*) Nervi Vagi« entspringen. Wir haben nun zu untersuchen, ob sich diese veränderte Anordnung im Rumpfe der Vertebraten als eine secundäre erweisen lässt, das heisst, ob erstens durch die anatomische und embryologische Forschung solche 'Thatsachen bekannt geworden sind, welche dafür sprechen, dass die Seitenorgane ursprünglich auch im Rumpfe der Vertebraten durch Aeste von Spinalnerven innervirt wurden, und ob zweitens zureichende physiologische Motive denk- bar sind, durch deren Inkrafttreten die Umwandlung dieses primären Zustandes in den secun- dären eingeleitet und durchgeführt werden konnte. Die einfachste Voraussetzung wäre die, dass in dem Maasse als das Gehirn seine Func- tion als Centralorgan im werdenden Wirbelthiere auf Kosten der relativen Selbständigkeit der segmentalen Ganglienknoten des Anneliden-Bauchstranges auszuüben fortführ (denn auch bei den muthmaasslichen Anneliden-Vorfahren war ja diese Prävalenz der Gehirnganglien schon bis zu einem gewissen Grade angebahnt), sich zwischen den Aesten der die Seiten- organe innervirenden Spinalnerven, zum Behufe einer direeteren Leitung der Erregungen, successive Anastomosen ausbildeten, mit anderen Worten, dass der Seitennerv oder Ramus lateralis Vagi nach dem Principe eines Collectors zu Stande kam. Diese Voraussetzung bedarf als solche nicht erst der Rechtfertigung; denn wir sehen sie (und zwar offenbar hervorgerufen durch dasselbe Bedürfniss direeterer und einheitlicherer Leitung) an gewissen anderen Spinalnervenästen verwirklicht. Man vergleiche zum Beispiel in dieser Hinsicht die so instructiven, durch Mayer"! für die unpaaren Selachierflossen klargestellten Delsp Asse p. 285. Tata 1isnund..1i9: *| Ich fasse hier allein den in der Seitenlinie verlaufenden Hauptstamm des Ramus lateralis in's Auge, da sich ja auf die übrigen, nachweislich secundären Aeste dieses Stammes dasselbe Erklärungsprineip anwenden lässt. 67* 532 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Fälle, in denen Dutzende der die unpaaren Flossen versorgenden Spinalnervenäste durch Collectoren verbunden sind. Man vergleiche ferner die im Hinblicke auf unsere Frage noch instructiveren, durch Srannıus') bekannt gewordenen Verhältnisse des bei gewissen Teleostiern, ähnlich wie der Ramus lateralis Vagi dem ganzen Rumpfe entlang verlaufenden »Ramus lateralis Trigemini«. Letzterer Ramus stellt sich geradezu als Collector dar, indem er in jedem Segmente, in welchem er Flossen etc. innervirt, durch einen »Ramus communicans« auch mit dem respectiven Spinalnerven in Zusammenhang steht. Soweit ginge die Sache ganz gut. Aber, was sowohl am Ramus lateralis Trigemini, als an den erwähnten Selachiernerven sofort die Collectoren-Natur verräth, nämlich die Existenz von »Rami communicantes« (zu den Spinalnerven), das scheint zu fehlen oder doch in der Regel nicht vorhanden zu sein beim Ramus lateralis Vagi. Aeltere Forscher haben nämlich, wie ich aus Srannıus?) ersehe, das Vorhandensein solcher Verbindungen behauptet. So liess Cuvier den Seitennervenstamm (des Vagus' bei Perca von allen Spinalnerven Fäden empfangen, welche von den Intercostalnerven verschieden sein sollten, und ähnlich Büchser bei der Barbe. Srtannıus pflichtete dagegen E. H. WEBER darin bei, »dass der Rumpf- und Schwanztheil des 'Truncus lateralis Vagi in keiner directen Verbindung steht mit den Spinalnerven und dass dieser Umstand ihn sehr wesentlich von dem R. lateralis N. trigemini unterscheidet «. Neuerdings haben sich dagegen wiederum Stimmen zu Gunsten einer solchen Ver- bindung geltend gemacht. Ransom und 'Tnomrsoxn®) sagen nämlich in ihrer vorläufigen Mit- theilung über die Spinal- und Visceralnerven der Cyclostomen: »T'he dorsal rami of the posterior roots [der Spinalnerven]| Iikewise pass up to the skin of the back, but appear also to send fibres into the lateralis. (For this statement we at present rely only on sections, but we hope shortly to test it by dissections of the large P. marinus).« Aber für den Fall auch, dass die genannten beiden englischen Autoren diese so wich- tige Entdeckung bestätigen könnten, und für den Fall auch, dass damit das Vorhandensein solcher Rami communicantes, welche den Lateralis des Vagus als Collector aufzufassen ge- statten, in einem Falle erwiesen würde, so stände doch nach wie vor Eine grosse Schwierig- keit im Wege, diesen Collector als einen ähnlich wie die anderen Collectoren zu Stande ge- kommenen zu begreifen, und diese Schwierigkeit liegt in dem so auffallenden Modus sei- ner Entwickelung. Als ich meine erste Mittheilung publicirte, standen sich hinsichtlich der Entwickelungs- weise des N. lateralis zwei widersprechende Auffassungen gegenüber. Nach der einen (ver- treten durch GöTTE und SEMPER) sollte der genannte Nerv direct aus dem Ectoderme, respec- tive aus dem die Seitenorgane aufbauenden Zellmateriale hervorgehen, nach der anderen (vertreten durch Barrour, sollte er unabhängig von der Anlage der Seitenorgane, ähnlich wie Dekep22o10 ze p 92er Tate: 211. p2 5192cH pP. 96. 1.5P21530.270:5 p.2422E V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. ce. Vergleich mit anderen Thierclassen. 535 die anderen Nerven, nach hinten auswachsen. Mir erschien damals’) die letztere Auffassung als die wahrscheinlichere. Bald aber wurde die erstere durch van W1HE? an Selachiern und durch Horrmarn’) an Teleostiern bestätigt und es wäre kaum mehr ein Zweifel darüber entstanden, dass GöTTE und SEMPER das Richtige getroffen hatten, wenn nicht neuerdings BEarD') mit grosser Bestimmtheit behauptet hätte, dass bei 'TTeleostiern (Salmo fario) der Seitennerv zu keiner Zeit innerhalb der Epidermis liege, dass er sich nicht, wie van WiuHE und Horrmann mit GöTTE und SEMPER annehmen, vom Ectoderme abspalte, sondern dass er sich, so wie es BaLrour vertrat, ganz nach Art der anderen Nerven entwickele. Indessen ein Jahr später zog Brarp’) diese Angaben als irrige Interpretationen zurück und vertrat nun, gestützt auf seine Beobachtungen an Selachiern, die gemeinsame Anlage und Entwickelung von Seiten- organ und Seitennerv intensiver, als irgend ein Forscher vor ihm. Wenn es demnach als feststehend zu betrachten ist, dass sich der N. lateralis Vagi gemeinsam mit den Seitenorganen oder in Abhängigkeit von den Seitenorganen aus dem Zell- materiale des Ectodermes entwickelt, so kann er unmöglich als Collector muthmaasslicher Spinalnervenäste gedeutet werden. Hingegen sprechen alle Momente dieser seiner Entwickelung dafür, dass der N. la- teralis als Collector der Seitenorgane oder Sinneshügel zu Stande kam, dass sich mit anderen Worten die »Rami communicantes« anstatt von Nerv zu Nerv, von Hügel zu Hügel aus dem Zellmateriale des Ectodermes entwickelt haben. Zu Gunsten einer derartigen Phylogenie des Seitennerven sprechen auch folgende ana- tomisch festgestellte 'Thatsachen. SoLGER®) hat an Forellenembryonen die Beobachtung gemacht, dass die metameren Sinneshügel der Seitenlinie durch streifige Elemente der Epidermis miteinander verbunden sind. Gleichzeitig wurde auch durch MerkerL’) als neu auftretende Eigenthümlichkeit der unteren Seitenlinie von erwachsenen Cobitis fossilis eine Linie erwähnt, welche die einzelnen Nerven- hügelgruppen mit einander verbindet. Genannter Autor vermuthete, dass hier ein erster An- fang oder ein letzter Rest eines Seitenkanales zu suchen sei. Kurz hierauf unterzog SoLGEr‘) ebenfalls erwachsene Thiere einer speciell auf diesen Punkt gerichteten Untersuchung und fand denn auch, dass in den dem Kopfe entnommenen Kanalstücken von Acerina cernua je zwei Sinneshügel durch einen Strang miteinander in Ver- bindung stehen. Dasselbe Verhalten fand er an jungen Exemplaren von Lota fuviatilis, und ETEep. 760. p. 7324, 2) Van WuHe, J. Ueber die Mesodermsegmente und die Entwicklung der Nerven des Selachierkopfes. Verh. Akad. Amsterdam 22. Deel. 1852. p. 35. Sep DT. Fer np-m 92" 4) 1. p. 526. c. p. 5) Bearv, J. The System of Branchial Sense Organs and their associated Ganglia in Ichthyopsida etc. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 26. 1885. p. 114. 6 7. (Knochenfische) c. p. 394. p- 52 Pr 925°°c..p. 27. 1. 1. S) SoLGEer, B. Ueber den feineren Bau der Seitenorgane der Fische. Sitz. Ber. Nat. Ges. Halle. Jahrg. 1550. 53 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. zwar sowohl am Kopf-*) als Rumpfabschnitte des Seitenorgansystemes. Speciell an Acerina konnte aber SoLGEr feststellen, dass besagter Strang aus marklosen, von kermführenden Schwannschen Scheiden umschlossenen Nervenfasern bestehe. Und er schliesst daher: »Wir hätten also somit eine nervöse Leitung von einem Endorgane zum andern zu statuiren, die entweder aus dem intraepithelialen Nervenplexus ihren Ursprung nimmt, oder mit den Ausläufern der Birn- zellen (Sinneszellen) im Zusammenhange steht. Da auf solche Art alle Endorgane oder doch eine grössere Anzahl derselben mit einander verknüpft sind, so werden auch isolirt einwirkende Reize gleichzeitig grössere Reihen derselben in Mitleidenschaft ziehen. Dass die Empfindlichkeit des ganzen Apparates dadurch wesentlich erhöht sein wird, bedarf keiner weiteren Ausführung. « Sodann hat auch Bopexstem'!; an erwachsenen Cottus gobio beobachtet, dass je zwei benachbarte Seitenorgane durch einen feinen Faden unter einander in Verbindung stehen. Der Faden entspringe je aus dem centralen Theile eines Endorganes, verlaufe in der unteren Schicht des Kanalepithels, und bestehe aus feinen Fasern mit eingelagerten, langgestreckten Kernen. Endlich erinnerte SorLGer?), im Hinblicke auf diese durch BopvenstEein gemachten An- gaben nochmals an seine eigenen Beobachtungen und schlug bei dieser Gelegenheit für jene nervösen Verbindungen zwischen den Seitenorganen den Namen: »Seitenorganketten « vor. Ich betrachte nun diese bei einzelnen 'Teleostiern sowohl im embryonalen, als auch im erwachsenen Zustande vorkommenden nervösen Verbindungen der Sinneshügel als Residua der im Vorhergehenden zur Erklärung der Genese des N. lateralis Vagi vorausgesetzten Rami communicantes, respective als Residua des abgespaltenen N.‚lateralss. Zur Zeit als Bearp°) die ursprüngliche Metamerie des Seitenorgansystemes auch auf den Rumpf ausgedehnt sein liess, dachte er in seinem Erklärungsversuche des N. lateralis ebenfalls an eine Verwerthung der Sorser'schen Seitenorganketten, allerdings, wie aus nach- folgendem Citate hervorgeht, in einer durchaus anderen Weise. » The dorsal branches«, sagt BEARD, »of segmental nerves in the body, in accordance with Donkx’s principle of change of function, gradually lost their function of innervating segmental sense organs, and this function was taken up by the lateral nerve formed from the vagus complex. This change was probably assisted by an anastomosis between some of the terminal fibres of neighbouring dorsal sensory branches. Some remains of this anastomosis perhaps still exist ın the fibres described by BoODENSTEIN and SOLGER as connecting neighbouring sense organs. « Auf seinem neuen Standpunkte giebt natürlich BrEarp‘) dieser seiner früheren Inter- pretation der Sorger'schen Ketten den Abschied. 1.072, 5259:c.,9.2196- P-ro2b.rcHepe 142% p: 533. ce. p. 139. *) Da sich neueren Forschungen zufolge auch für die das Seitenorgansystem des Kopfes versorgenden Nerven 1) 2) SorGer, B. Bemerkung über die Seitenorganketten der Fische. Z. Anzeiger. Jahrg. 1882. p. 660. ) ) - der für den N. lateralis festgestellte Bildungsmodus (nämlich die Entstehung direct aus dem Ectoderme, respective aus dem auch die Sinneshügel producirenden Zellmateriale) als zutreffend erwiesen hat (vergl. vav WIJHE 1. p. 533. c. p. 35), und somit alle im Vorhergehenden über die Genese des Ramus lateralis Vagi angestellten Betrachtungen sich gleicherweise auf die Genese dieser Kopfnerven erstrecken, so ist es auch für unsere Zwecke von gleichem Belange, ob diese Verbindungen am Seitenorgansysteme des Kopfes oder aber an demjenigen des Rumpfes zur Beobachtung kamen. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. Vergleich mit anderen Thierclassen. 535 Lässt man den Seitennerven als Collector gelten, und zwar als solchen Collector, der sich nicht von Nerv zu Nerv, sondern von Seitenorgan zu Seitenorgan ausgebildet hat, dann er- scheint nicht nur seine so abweichende Entwickelung direct aus dem Ectoderme, respective auf Kosten des auch den Anlagen der Sinneshügel zu Grunde liegenden Zellmateriales ver- ständlich, sondern man begreift auch, dass zu den Spinalnerven verlaufende Rami communi- cantes an diesem Collector in der Regel nicht mehr recapitulirt werden. Denn, wo ein Col- leetor von Nerv zu Nerv zu Stande kommt, ist es nothwendig, dass diese Nerven, als seine Voraussetzung (einerlei ob sie nachträglich bestehen bleiben oder nicht) immer wieder ange- legt werden: wo dagegen ein Collector von Organ zu Organ sich herausbildet, da können die betreffenden segmentalen Nerven, weil sie zur Herstellung der einheitlichen, zum Centralor- gane führenden Leitung zu keiner Zeit mehr beizutragen haben, allmählich eingehen. Sie können eingehen, sie müssen es aber nicht, und so ist denn auch a priori gar nichts gegen ‚die Vermuthung einzuwenden, dass hier und da noch Spuren derjenigen Spinalnervenäste, welche ursprünglich die Seitenorgane metamer innervirten, aufgefunden werden möchten, eine Vermuthung, die ja zur T'hatsache wird, sobald Raınsom und THomrson ihre bereits erwähnte Entdeckung an Petromyzon bestätigen können. Eine der eben dargelegten total entgegengesetzte Auffassung des Seiten- organsystemes hat die Entdeckung der Thatsache hervorgerufen, dass sich bei Wirbelthieren mehrere der im Bereiche gewisser Hirnnerven gelegenen Ganglien im engsten Anschlusse an (sei es nur provisorisch auftretende, sei es längere Zeit hindurch bestehen bleibende) Seitenorgane ausbilden, respective von letz- teren abspalten. Diese 'Thatsache ist nahezu gleichzeitig von Brarn an Fischen, von FRoRIEP an Säuge- thieren und von SpENcEr an Amphibien in einer im Wesentlichen übereinstimmenden Weise festgestellt worden. An sich interessant, gewinnt dieser Nachweis der genannten drei Autoren eine um so höhere Bedeutung in Erwägung der gleichzeitigen Entdeckung KLEINENBERG'sS'), der- zufolge bei Anneliden ein wesentlicher Theil der Gehirnganglien, sowie auch Elemente des Bauchstranges in Abhängigkeit von provisorischen sowohl, als auch von dauernden Hautsin- nesorganen gebildet und erst nachträglich den Centralorganen einverleibt werden. Es war BrarD?, der die erstere Entdeckung speciell für das Seitenorgan- system verwerthete und dabei zu Resultaten gelangte, welche eine ganz neue Lehre von der Function, Morphologie und Phylogenie dieses Systemes involviren. Auch der von mir vertretene Vergleich zwischen den Seitenorgansystemen der Anneliden und Vertebraten wird von dieser neuen Lehre mehrfach berührt, so dass ich mich mit letzterer um so mehr auseinanderzusetzen gezwungen bin, als sie bereits in das WiEDErsHEm'sche Lehr- buch übergegangen ist. Ich gebe zunächst in gedrängter Weise die betreffenden Stellen der Bearp'schen Darstellung wieder. 536 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. I) So wie früher BEArD seiner Anerkennung der Homologie von Anneliden- und Vertebraten- Seiten- organen dadurch einen scharfen Ausdruck gab, dass er, auf eines der gewichtigsten Criterien dieser Homo- logie, nämlich auf die beiderseitige metamere Anordnung sich stützend, den Namen »Seitenorgane« in »seg- mentale Sinnesorgane« (segmental sense organs) umwandelte, so hält er es auch für geboten, seine neue Ueberzeugung durch einen neuen Namen zu inauguriren. Der Terminus »Seitenorgane« passe nicht, weil damit nur die an der Seitenlinie des Rumpfes befindlichen Sinneshügel bezeichnet seien, welche ja nur einen Theil des ganzen Systemes ausmachen. Der Terminus »segmentale Sinnesorgane« ferner passe aus dem Grunde nicht mehr, weil, selbst für den Fall, dass die Organe ursprünglich metamer auftreten oder später- hin am Rumpfe je in einem Paare vorhanden sind, ihr Erscheinen gleichwohl zuerst auf die mit Kiemen ausgerüstete Körperstrecke beschränkt sei und sich erst später auf den Rumpf ausdehne. Im Hinblicke da- rauf also, dass ursprünglich je ein Organ nur im Bereiche je einer Kieme angetroffen werde, heissen sie jetzt »Kiemen-Sinnesorgane« (p. 97). Ueberdies meint Brarp im Hinblicke auf diesen Namen »es sei klar«, dass die sogenannten Seiten- organe in irgend einer physiologischen Beziehung zu den Kiemen ständen, weil sie gleichzeitig mit letzteren sich bildeten und weil von ihren Ganglien aus Nerven einerseits zur Kiemenmuskulatur und andererseits zum Gehirne verliefen (p. 137). In dem Kapitel: »Physiology of the Branchial Sense Organs« constatirt BEARD zunächst: »Of this nämlich der Physiologie der Seitenorgane| we really know nothing«. Weiterhin hält er aber die von MAyser- und Emery vertretene Ansicht, dass diese Organe eine niedere Form von Gehörorganen darstellten, für sehr möglich. Und dass sie an der Perception von Wellenbewegung betheiligt seien, erhelle (is obvious enough) aus ihrer Structur. Ausserdem haben nun aber dieselben Organe |von deren Physiologie wir eigentlich nichts wissen sollen] in ihrer Eigenschaft als Kiemen-Sinnesorgane noch die Function, den Kiemenspalten Gefahren anzuzeigen und sie so zum Verschlusse zu bewegen ip. 147). 2 a. In seiner Schilderung der Entstehung derjenigen Gehirnnerven, welche dem S.—11. Kopf- segmente entsprechen sollen, nämlich des Vaguscomplexes (p. 107—116), kommt Brarp auf die Entwickelung des Seitennerven zu sprechen. Gleichzeitig mit der Ablösung der Vagus-Ganglienmasse von der Haut be- ginnt die sensorielle Verdiekung (sensory thickening) letzterer längs der Seitenfläche des Rumpfes nach hinten zu wachsen. Diese Verdiekung ist das Rudiment der sogenannten Seitenlinie, die nun ganz im Ein- klange mit GöTTE, SEMPER, vAN WisHE und Horrmann beschrieben wird. Auf Grund eigener Beobachtungen wird aber betont, dass die Verlängerung der Seitenlinie, aus der sowohl die segmentalen Hügel, als auch der N. lateralis entstehen, nicht etwa auf Umwandlung des jeweils hinter dem Wachsthumspunkte gelegenen Eetodermmateriales, sondern auf selbständigem Auswachsen dieser Linie beruhe. Das indifferente Epiblast- gewebe werde nämlich bei Seite geschoben und gehe wahrscheinlich allmählich verloren. b. Die 'Thatsache, dass sich an der Anlage der Seitenlinie die suprabranchialen (dorsalen) Äste von mindestens vier segmentalen Nerven betheiligen, erkläre vollkommen ihre Länge, welch’ letztere allein (nebst der verschiedenen Wachsthumsrichtung, die Seitenlinie von den übrigen »Kiemensinnesorganen« unterscheide. Die Wachsthumsrichtung dieser Sinnesorgane und Nerven scheine eben vom Nutzen oder von der Nothwendig- keit abzuhängen, auch in anderen Körperregionen als denjenigen, wo sie primär vorkommen nämlich gerade über den Kiemen', »Kiemensinnesorgane« zu haben. c. In Folge dessen besteht auch nach Brarv kein Grund mehr, der zur Annahme drängte, dass jemals wahre Spinalnerven mit Seitenorganen in Verbindung standen. Die ganze Entwickelungsgeschichte der Seitenlinie scheint vielmehr Brarn dafür zu sprechen, dass diese Linie (respective das Seitenorgansystem), so wie auch einst Barrour glaubte, ursprünglich auf den vorderen Körpertheil beschränkt gewesen sei. Doch erkennt BEarn darin ein sehr merkwürdiges Factum curious fact) an, dass die Seitenorgane längs des Rumpfes der Teleostier metamer angeordnet stehen. 3, Nachdem BEArD schon vorher |p. 116) constatirt hatte, dass, seinen Untersuchungen zufolge, ein grosser Unterschied zwischen Gehirn- und Spinalnerven herrsche, kommt er auf p. 142 ausführlicher auf die Be- ziehungen des Kopfes zum Rumpfe, respective auf den Vergleich von Gehirn- und Spinalnerven zurück. Das Vorhandensein vorderer und hinterer Wurzeln bei Gehirnnerven sei zweifelhaft; aber selbst für den Fall auch, dass das Vorhandensein beider nachgewiesen würde, so bliebe die Homologie der Kopf- und Rumpfnerven gleichwohl fraglich, weil die Spinalnerven in frühen Stadien keine Hautverbindung besässen und ihre Wurzeln nie mit Kiemenspalten oder Sinnesorganen in Verbindung träten. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. 537 4) Auf p. 116 und p. 145 endlich bespricht Bzar» die Beziehungen der Seitenorgane von Vertebraten und Capitelliden. Diese zwei Stellen halte ich für geboten wörtlich zu eitiren. Die erste (p- 116) lautet: »At one time I believed with Eısıs and others that great morphological importance could be attached to this fact [nämlich der metameren Anordnung der Seitenorgane], but I feel now compelled to adopt Bar- FOURS view, and in discussing the morphology of these sense organs shall strongly urge that in face of the facts of development here recorded, the morphological connection between these branchial sense organs of Vertebrates and the »Seitenorgane« of Capitellidae, first suggested by Eısıs, becomes of a very doubt£ul nature. And here again may be permitted to remind the reader that Batrour long ago rejected the exis- tence of any homology between these two sets of organs.« Und die zweite (p. 145): »Eisıs first suggested that these two sets of organs were homologous. Since then no one has added anything to the grounds for this homology furnished by Eısıe. Until now it may truly be said that we knew nothing of the morphology of these branchial sense organs of Vertebrates. Now we do know a little, and this appears to me to place the homology of the »Seitenorgane« of Capitellids with the branchial sense organs in a very doubtful light. We have seen that primitively these branchial sense organs are not found in all segments of the body but are limited to the head, that they have special ganglıa, and are special sense organs of the gill-clefts. « Ich gehe nun zur Besprechung der im Vorhergehenden enthaltenen Hauptpunkte der BrAarpsschen Darstellung über. ad 1). Es scheint mir vor Allem, so lange als nicht ein wirklicher Nothstand vorliegt, unthunlich einen alten, eingebürgerten Namen in einen neuen zu verändern. Wen nicht der Respect für die Tradition oder der historische Sinn davon abhält, der sollte doch wenigstens bedenken, wie viele Ideenassociationen an einem solchen Namen hängen und wie diese durch die Veränderung der Bezeichnung mit einem Schlage verwischt werden. Lag nun aber in diesem Falle auch nur entfernt so etwas wie ein Nothstand vor? Hat uns Brarp von der Nothwendiskeit des wiederholten Umtaufens überzeugen können? Als negativen Grund erfahren wir, der Name Seitenorgane sei schlecht, weil damit nur ein Theil des ganzen Systemes ausgedrückt werde. Nun, in der Thatsache, dass ein Organcomplex nach einem seiner markirtesten Bestandtheile benannt ist, scheint mir wahrlich keine Gefahr für irgend welche bedenkliche Missverständnisse zu liegen; weiss doch schon hinlänglich Jedermann, dass unter dem Begriffe »Seitenorgansystem« sowohl die Sinnesorgane des Kopfes, als auch diejenigen des Rumpfes zu verstehen sind. Aber Bearp führt auch positive Gründe an. Weil die Seitenorgane zuerst im Bereiche der Kiemen auftreten, weil sie sich gleich- zeitig mit letzteren bilden und weil von ihren Ganglien Nerven zur Kiemenmuskulatur ver- laufen, so »sei es klar«, dass sie in irgend einer physiologischen Beziehung zu den Kiemen stehen. Hier liegt doch, was zunächst die aus den Lagerungsverhältnissen entnommenen Motive betrifft, ein eclatantes »post hoc ergo propter hoc« vor. Wo kämen wir hin, wollten wir alle Organe, die im Bereiche anderer, oder gleichzeitig mit anderen angelegt werden, auf dieses Factum hin in gegenseitige physiologische Abhängigkeitsverhältnisse bringen? Auch bei den Capitelliden liegen die Seitenorgane im Bereiche der Kiemen, und zwar in der Seiten- linie; bei Polyophthalmus dagegen, bei welchem die Seitenorgane genau ebenso in der Seiten- linie eingepflanzt stehen, sind Kiemen überhaupt nicht vorhanden. Was aber näher liegt: Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 68 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. 538 [0 0) Längs des Rumpfes der Vertebraten giebt es und gab es auch nach Bearn zu keiner Zeit Kiemen, und doch ist jedes Segment dieses Körpertheiles ursprünglich mit einem Seitenorgane ausgerüstet! Aber das erklärt ja Bearp so einfach »als eine Folge des Nutzens oder der Nothwendigkeit auch in anderen Körperregionen, als denjenigen, wo sie primär vorkommen, Kiemensinnesorgane zu haben«. Also dem Bedürfnisse der im Bereiche des Kopfes gelegenen Kiemen nach mehr specifischen Sinnesorganen haben die Seitenorgane des Rumpfes bis zur Schwanzspitze ihre Entstehung zu verdanken! Das ist ein morphologisch-physiologischer Weitsprung, den wohl so leicht nicht Viele mit- oder nachmachen werden. Nachdem ich gelesen hatte, dass Brarn die Seitenorgane für specifische Kiemensinnesor- gane hält, also denselben eine ganz neue Function beilegt, war ich gespannt darauf, wie er sich mit den bisher über die Bedeutung dieser Organe gehegten Vorstellungen auseinandersetzen werde, da ich der Meinung war, dass diese Sinnesorgane ebensowenig wie irgend welche andere gleichzeitig mehreren specifischen Perceptionen gerecht zu werden vermöchten. Brarn dagegen scheint darin keine Schwierigkeit gefunden zu haben; denn, dass die Seitenorgane (ausser ihrer Eigenschaft als Kiemensinnesorgane) eine niedere Form von Gehörorganen darstellen, hält er »für möglich«, dass sie ferner an der Perception von Wellenbewegung betheiligt seien, ist »obvious enough«, und zu alle dem kommt noch, dass auch Nase und Ohr als Derivate dieser vielseitigen Organe aufgefasst werden müssen. Brarp hat seine Auseinandersetzungen über die Physiologie der Seitenorgane damit eingeleitet, dass er constatirt, eigentlich wüssten wir nichts darüber. Das ist nicht ganz richtig; denn so viel wenigstens wissen wir über die Function dieser Organe, um einsehen zu können, dass Hypothesen wie die eben besprochenen unmöglich sind. Da nach alledem von BEArp weder in morphologischer, noch in physiologischer Hin- sicht irgend ein stichhaltiger Grund dafür vorgebracht wurde, dass die Seitenorgane specifische Sinnesorgane der Kiemen sind oder waren, so verhalte ich mich gegen den neuen Namen » Kiemen-Sinnesorgane« ebenso ablehnend wie gegen den früher substituirten »segmentale Sinnes- organe«, behalte vielmehr den alten Terminus »Seitenorgane« nach wie vor bei. Wenn ich mich der Mühe unterzog, die Berechtigung des von Brarn gebrauchten Namens ausführlich zu erwägen, so möge man das nicht für einen »Streit um Worte« halten; denn man braucht nur Bearv’s Abhandlung zu lesen, um sich davon zu überzeugen, dass mit dem Namen nicht etwa nur ein Wort verändert ist, sondern, dass vielmehr mit dem neuen Begriffe » Kiemen-Sinnesorgane« derart verfahren wird, als ob er das Facit anerkannter und unumstösslicher morphologisch-physiologischer 'Thatsachen repräsentirte. ad 2) a. Insofern als Brarp den Ausgangspunkt des sich entwickelnden Seitennerven in die »sensorielle Hautverdickung«, also in den Seitenorgan-Complex, von dem sich die Vagus-Ganglien abspalten, verlegt, entfernt er sich nicht von denjenigen seiner Vorgänger, welche die ectodermale Entstehung von Sinneshügel sowie Seitennerv, und zwar in einer vom Kopfe nach dem Schwanze zu verlaufenden Wachsthumsrichtung vertraten. Mit der Behaup- tung jedoch, dass die genannte Verdickung ganz selbständig ohne jede Betheiligung des je- V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierelassen. 539 weils hinter dem Wachsthumspunkte gelegenen Rumpfectodermes auswachse, geht er weit über alle seine Vorgänger hinaus. Weder GörtE'), noch SEMPER?, weder van WisHE®), noch Horrmann') haben darüber bestimmte Angaben gemacht. Lediglich die ectodermale Abstam- mung des Seitennerven, die Betheiligung der Seitenorgane an seinem Aufbaue, sowie das caudal- wärts gerichtete Wachsthum wurde betont. Für die Auffassung BEArv’s, derzufolge ursprünglich das Seitenorgansystem auf den Vorderleib beschränkt gewesen sein soll, passt ja der von ihm geltend gemachte Entwickelungsmodus; von meinem Standpunkte aus dagegen wird es mir schwer, diesen Modus für wahrscheinlich zu halten. Und in diesem Sinne darf ich wohl daran erinnern, dass BEARD°) nur ein Jahr früher mit der allergrössten Bestimmtheit und im Gegen- satze zu allen im Vorhergehenden aufgezählten Forschern die conträre Darstellung Bar- FouRS vertreten hat: »My researches«, sagte Bearp damals, »lead me to accept the con- clusion of Barrour that the lateral nerve arises just as all the other nerves do, and not as a splitting off of a portion of the epiblast«. Woraus wir wohl zum mindesten den Schluss ziehen dürfen, dass die Beobachtung in diesem Falle mit recht schwierigen Verhältnissen zu kämpfen haben müsse, mit solchen, über die das letzte Wort so ohne Weiteres sich nicht sprechen lässt. ad 2) b. Derjenige Forscher, der sich vielleicht am intensivsten und erfolgreichsten mit dem Systeme der Seitenorgane beschäftigt hat, nämlich Sransıus®), schrieb seiner Zeit die folgenden, von der 'Tiefe seiner Einsicht Zeugniss ablegenden Worte: »Dass bei den niederen Wirbelthieren nicht-motorische Nerven vorhanden sind, welche im Hirne, oder vielmehr im verlängerten Marke wurzeln, um peripherisch längs dem ganzen Rumpfe, bis zum Schwanz- ende hin, sich zu erstrecken, ist eine der interessantesten Thatsachen, welche die Anatomie aufzuweisen hat.« Brarp’) auf seinem früheren Standpunkte hat die Bedeutung dieser Thatsache eben- falls zu würdigen verstanden; denn auch er betonte: »The backward growth of the lateral nerve along the whole length of the body is one of the most curious eircumstances in Vertebrate Embryology. How comes it that anerve which is a branch of a cranıal nerve complex, innervates a region comprising the greater number of the segments of the body?« BEARD auf seinem neuen Standpunkte dagegen findet an demselben Factum gar nichts mehr sonderbar. Der Umstand, dass sich an der Anlage der Seitenlinie Aeste von vier seg- mentalen Nerven betheiligen, erkläre in befriedigender Weise die Länge der Seitenlinie, und zureichender Grund ihrer Wachthumsrichtung sei »die Nothwendigkeit oder der Nutzen auch in anderen Körperregionen, als denjenigen, wo sie primär vorkommen, Kiemen-Sinnes- organe zu haben «. Nein, das sonderbare Factum, dass Gehirnnerven dem ganzen Rumpfe entlang seg- Mel pP: 521. c.,p. 672. 2) SEMPER, ©. Das Urogenitalsystem der Plagiostomen ete. Arb. Z. Inst. Würzburg. 2. Bd. 1975. p. 398. 3) 1. p. 533. c. p. 34 4). 1. p. 527. ec. p. 88. 5) 1. p. 526. c. p. 123. 6) 1. p- 519. c. p. 108. 7) 1 p- 526. c. p. 125. 65* 540 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. mental angeordnete Sinnesorgane versorgen, bleibt nach wie vor als Problem bestehen und, wie hoch man auch die BEarp-FroriEr-Spexcer'sche Entdeckung von der Abspaltung der Ge- hirnnerven-Ganglien schätzen mag, zur Erklärung dieses Problemes hat sie nichts beigetragen und kann sie nichts beitragen; denn das wird doch Brarn selbst zugeben müssen, dass in seiner Umschreibung, der Seitennerv erstrecke sich deshalb nach hinten, weil es für die Kiemen nützlich oder nothwendig sei, keine Erklärung enthalten ist. Und stellt denn etwa der R. lateralis Vagi den einzigen Gehirnnerven dar, der sich durch den Rumpf erstreckt? Thut der R. lateralis Trigemini in gewissen Fällen nicht ganz dasselbe? Und doch innervirt letzterer Ast nirgendwo » Kiemensinnesorgane «, so dass er auch nicht zu Nutz und Frommen solcher Organe seine Ausdehnung erhalten haben kann. Dagegen giebt sich der R. lateralis Trigemini dank seinen Spinalnervenästen noch heute ohne Weiteres als Collector zu erkennen, und der R. lateralis Vagi wird ebenfalls von dem Momente ab verständlich, in dem wir ihn als Collector, allerdings nicht als Collector der ursprünglich innervirenden Spinalnervenäste, sondern als solchen der Seitenorgane, gelten lassen. In diesem Falle haben wir auch nicht nöthig, die Seitenorgane mit neuen Functionen auszustatten und zu Hilfshypothesen zu greifen wie die, dass es für die im Bereiche des Kopfes gelegenen Kiemen nützlich oder nothwendig sei, dem ganzen Körper entlang » Kiemensinnesorgane« zu besitzen. ad 2) c. Aus der Art, wie sich das Seitenorgansystem entwickelt, schliesst Bearv, dass ursprünglich dasselbe auf den Vorderleib beschränkt gewesen sei. Damit ist nun aber wieder nichts erklärt, damit wird vielmehr nur eine ontogenetische Thatsache willkürlich, das heisst ohne Berücksichtigung aller im Wege stehenden Schwierigkeiten ins Phylogenetische übersetzt. Die fundamentale Schwierigkeit lag aber darin, plausibel machen zu können, wie denn eigentlich dieses ursprünglich allein am Kopfe entwickelte Seitenorgansystem dazu kommen sollte, sich secundär, in segmentaler Anordnung, auf den Rumpf auszudehnen, auf denjenigen Körpertheil, der doch — das wird auch BrArp zugeben — notorisch als der phylogenetisch ältere und einfachere zu betrachten ist. Dass »die Nothwendigkeit oder der Nutzen auch an anderen Körperregionen, als wo sie primär auftreten, Kiemensinnesorgane zu haben«, auf das Prädicat »Erklärung« nicht Anspruch erheben könne, musste im Vorher- gehenden schon genugsam constatirt werden. Von meinem Standpunkte aus kann man nun aber in befriedigender Weise erklären, warum sich die Seitenorgane ontogenetisch vom Kopfe aus, oder von vorm nach hinten ent- wickeln, und zwar kann man dies erklären ohne zu Hilfshypothesen wie die, dass ursprünglich das System nur am Kopfe oder nur am Rumpfe vorhanden gewesen sei, seine Zuflucht nehmen zu müssen. Lässt man nur den Seitennerven als Collector gelten, und zwar als einen Collector, der im Eetoderm von Organ zu Organ phylogenetisch zur Ausbildung gelangte, so ist nicht nur die Thhatsache der gemeinsamen ectodermalen ontogenetischen Entwickelung von Seiten- organ und Seitennerv, sondern auch diejenige 'Thatsache ohne Weiteres verständlich, dass jene gemeinsame Entwickelung in der Richtung von vorn nach hinten stattfindet; sie findet nämlich aus dem Grunde in dieser Richtung statt, weil in dem der Abspaltung des N. lateralis voraus- V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. ce. Vergleich mit anderen Thierclassen. 54l gegangenen »Organkettenstadium« alle je hinten gelegenen Organe von ihren nächst vorderen (und so fort bis zu dem ersten direct mit dem Gehirne oder Gehirnnerven verbundenen) hin- sichtlich der Leitung abhängig geworden waren. Mit anderen Worten: der alte Zustand, in dem die Seitenorgane unabhängig voneinander an allen Segmenten auftraten, wird in Folge der Rückbildung ihrer einstigen segmentalen Innervation nicht mehr recapitulirt; vielmehr ent- wickeln sich diese Organe jetzt, entsprechend ihrer directen Innervation vom Gehirne, gemeinsam mit ihrem Collectornerven vom Bereiche des Gehirnes aus, der Reihe nach von vorn nach hinten. Da sich Brarv’s Ansicht zufolge das Seitenorgansystem erst secundär auf den Rumpf ausdehnte, so liegt für ihn auch kein Grund mehr zur Annahme vor, dass die Seitenorgane jemals mit wahren Spinalnerven in Verbindung gestanden hätten. Ich dagegen gehe umgekehrt davon aus, dass die Seitenorgane des Rumpfes einst (ebenso wie noch heute ein Theil derjenigen des Kopfes) lediglich durch Spinalnerven inner- virt wurden, und dass dieser ursprüngliche Modus der Innervation erst nachträglich, Hand in Hand mit der Ausbildung des Collectors (N. lateralis), zurücktrat. Hier liegt nun ein Punkt vor, an dem vielleicht unsere so entgegengesetzten Auf- fassungen bald ihre Stichhaltigkeit zu prüfen Gelegenheit finden werden. Nach meiner Auf- fassung müssen zwar nicht, können aber doch noch Spinalnervenäste atavistisch im Bereiche des N. lateralis zur Ausbildung gelangen; wie wollte dagegen Bearp das Auftreten solcher Aeste erklären? Wie sollten die erst secundär vom Kopfe aus sammt ihrem Gehirnnerven dem Rumpfe einverleibten Seitenorgane nachträglich noch zu Spinalnervenästen kommen? Bestätigt sich die schon mehrmals erwähnte Entdeekung von Ransom und 'THoMmPson, derzufolge bei Petromyzon Aeste von Spinalnerven Fasern an den N. lateralis abgeben sollen, so wird dadurch allein schon die Vorstellung, dass das Seitenorgansystem ursprünglich auf den Vorderkörper beschränkt gewesen sei, hinfällig. ad 3). Anstatt sich durch die lange gehegte, so vielfach begründete und über alle modernen Streitfragen erhabene Grundvorstellung von der principiellen Einheit des Verte- bratenkopfes (oder doch des grössten 'Theiles dieses Kopfes) und Vertebraten-Rumpfes davor bewahren zu lassen, das diesen beiden Körpertheilen gleicherweise zukommende Seitenorgan- system in einen unversöhnlichen Gegensatz zu bringen, wählte Brarn den umgekehrten Weg; er glaubte, gestützt auf diesen vermeimtlichen Gegensatz des Seitenorgansystemes, auch die Einheit des Gesammtkörpers opfern zu dürfen. Nach Brarp herrscht nämlich ein grosser Unterschied zwischen Gehirm- und Spinalnerven; insbesondere sei die Homologie dieser beiderlei Nerven deshalb fraglich, weil die Spinalnerven in frühen Stadien keine Hautverbin- dungen aufwiesen und ihre Wurzeln nie mit Kiemenspalten oder Sinnesorganen in Verbin- dung träten. Es ist natürlich nicht meine Absicht, hier in die gerade jetzt von so zahlreichen sach- verständigen Forschern geführte Discussion über die Natur der Beziehungen von Gehim- und Spinalnerven irgendwie akademisch eingreifen zu wollen; nur das möchte ich nicht unerwähnt 542 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. lassen, dass sich der von Dourn'; eingenommene Standpunkt, demzufolge weder die Hirn-, noch die Rumpf-, noch die Schwanznerven als »T[ypus« des Spinalnervensystemes zu betrachten seien, demzufolge vielmehr alle drei Arten nur Varianten eines in den heutigen Wirbelthieren nicht mehr vertretenen 'Themas darstellen, auch angesichts der hier ventilirten Fragen als derjenige erweist, von dem aus man den meisten 'Thatsachen gerecht zu werden vermag. Es muss dagegen speciell der Punkt von mir erörtert werden, auf den sich BEaArn zum Behufe der Perhorreseirung der Homologie von Gehirn- und Spinalnerven stützt: nämlich die T'hatsache, dass die Spinalnerven nicht ebenso wie die Hirnnerven mit Hautsinnesorganen (Seitenorganen), respective mit Ganglien solcher in Verbindung träten. Um so mehr muss dieser Punkt hier in’s Auge gefasst werden, als ich davon überzeugt bin, dass die in ihm enthaltenen Probleme auf dem Boden der Vertebraten-Morphologie allein nicht gelöst werden können, indem es sich um Verhältnisse handelt, welche phylogenetisch so weit zurückliegen, dass uns nur die den vermuthlichen Ascendenten der Vertebraten näher stehenden Wirbellosen noch Anhaltspunkte für den Ausgang und die Richtung der bezüglichen Entwickelungen zu bieten vermögen. Wenn die Spinalnerven gegenwärtig nicht mehr ähnlich wie die Hirnnerven mit Sei- tenorganen, respective mit Ganglien solcher im Bereiche der Haut in Verbindung treten, se frage ich zunächst Brarp, woher er denn weiss, dass dies auch früher nie der Fall gewesen sei, ferner frage ich ihn, ob er irgend einen triftigen Einwand gegen die Vorstellung beige- bracht hat oder beibringen kann, dass die Ganglien der hinteren Spinalnervenwurzeln möglicher- weise den Seitenorgan-Ganglien der Hirnnerven entsprechen? Wie berechtigt diese Frage ist, geht daraus hervor, dass nicht etwa nur 'I'hatsachen der Vertebraten-, sondern auch solche der Anneliden-Morphologie zu Gunsten einer solchen Vorstellung oder Hypothese sich an- führen lassen. Bezüglich der Anneliden hat vor Kurzem KLEINENBERG?), gestützt auf die Ho- mologie von Bauchstrang und Rückenmark, den folgenden bemerkenswerthen Satz ausgesprochen. »Auch die Spinalganglien dürften ihre Homologie bei den Anneliden finden, und zwar in den Pa- rapodialganglien. Dreht man die Fig. 47, Taf. XI um, so wird die Uebereinstimmung nicht entgehen. Der Unterschied liegt nur darin, dass die Spinalganglien bei ihrem Auftreten dicht am Rückenmarksrohr liegen oder in dasselbe eingezogen sind. Die hintere Wurzel — das am besten gekannte Beispiel der Entstehung eines Nerven bei den Wirbelthieren — bildet sich gerade so wie der mediane Parapodialnerv, und die vor- dere Wurzel dürfte dem Muskelnerven, der sich mit jenem zu einem Stamm verbindet, gleich zu setzen sein. « Wenn man sich erinnert, dass ich ganz unabhängig von der vorliegenden Frage dazu ge- kommen bin, die Seitenorganganglien der Anneliden von den Parapodialganglien der Anneliden abzuleiten ®), so wird man einsehen, dass unserem weiteren Schlussverfahren schon der Weg vorge- zeichnet ist. Es entsprechen nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach im Vertebraten- rumpfe die Spinalganglien den Seitenorganganglien (Parapodialganglien) der @) Vergl. p. 517. 1) Donrs, A. Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. X. Zur Phylogenese des Wirbelthier- auges. Mitth. Z. Stat. Neapel. 6. Bd. 1885. p. 472. 2))1. 9.7303. 0.942208 V. Sinnesorgane, 3. Die Seitenorgane, c, Vergleich mit anderen Thierclassen. 543 Anneliden. Und auch die Frage, warum denn erstere Ganglien bei den Vertebraten nicht mehr so wie diejenigen der Hirnnerven zu der Haut, respective den Seitenorganen ontoge- netische Beziehungen aufweisen, lässt sich beantworten. Derselbe durch die Concentrirung des Kopfes oder Gehirnes hervorgerufene Process, der an den übrigen Bestandtheilen des Seitenorgansystemes so tiefgreifende Veränderungen hervorrief, nämlich die Anbahnung einer einheitlichen und direeten 'Gehirn-) Leitung an Stelle der segmentalen, hat auch die ursprüng- lichen Hautbeziehungen der Seitenorganganglien Spinalganglien) allmählich zum Schwinden gebracht. Nachdem einmal die directe Leitung zwischen dem Gehirne und dem Seitenorgan- systeme des Rumpfes hergestellt, und die Innervation durch Spinalnerven zurückgetreten war, so lag auch keine Veranlassung mehr für Verbindungen zwischen Spinalnerven und Haut vor, und so können wir einsehen, dass die nunmehr für ihre Sinnesorgane ebenfalls bedeutungslos gewordenen Seitenorganganglien des Vertebratenrumpfes immer unabhängiger von den Seiten- organen und schliesslich den Spinalnervenwurzeln, respective dem Rückenmarke einverleibt wurden. Alles das ist zwar — es sei wiederholt — vorläufig noch durchaus hypothetisch, aber es gewänne schon in dem Momente solideren Boden, wo in der Entwickelungsge- schichte der Spinalganglien irgend eines Vertebraten noch Anzeichen von Hautverbindungen nachgewiesen würden, und wer möchte behaupten, dass unsere Kenntnisse bereits hinreichen, um die Existenz-Möglichkeit einer derartigen Recapitulation a priori verneinen zu können ? Wie dem aber auch sei, diese auf 'Thatsachen beruhende Hypothese zeigt, dass es angesichts der so verwickelten Verhältnisse doch nicht an Anhaltspunkten für eine mögliche Lösung fehlt, und die Aussicht auf eine mit Schwierigkeiten verbundene Lösung ist doch erfreulicher, als die auf gar keine. Gar keiner Aussicht auf Lösung kommt aber die Auffassung Brarp's gleich, welche, da sich zwischen Rumpf und Kopf zahlreiche Divergenzen ausgebildet haben, die Vergleichbarkeit beider überhaupt in Frage stellt. ad 4). Im Jahre 1884 schrieb Bearp'): »Thus it appears that in Vertebrates there are segmental sense organs or Seiten-Organe which were primitively innervated by special segmental branches of the segmental nerves, that many of these special branches have disappeared, and the innervation has become complex; but that in the segmental character of the organs, in the persistence of many of the dorsal branches supplying these organs, in the conditions of nerve supply obtaining in embryonie BElasmobranchu and in the essential histological agreement between the Vertebrate side organs and those of Annelida, especially Capitellidae (Eısıs), there seems to be evidence sufficient for the opinion, first put forward by Eısıs, that the Vertebrate side organs and those of Annelida are fundamentally homologous. « Im Jahre 1885 dagegen ist demselben Autor diese Homologie aus folgenden Gründen überaus zweifelhaft geworden: Erstens seien die Seitenorgane der Vertebraten ursprünglich auf den Kopf beschränkt, zweitens hätten sie specifische Ganglien, drittens stellten sie specifische Sinnesorgane der Kiemenspalten dar und viertens endlich hätte sich auch Barrour gegen die Homologie ausgesprochen. Da das Vorhergehende implicite schon eine Widerlegung fast aller dieser Punkte ein- 544 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. schliesst, so kann ich mich hier kurz fassen; brauche ich doch nur die bereits gesponnenen Fäden zusammenzuziehen. Was zunächst den zuletzt erwähnten Einwand betrifft, auch Barrour habe die Homo- logie seiner Zeit nicht anerkannt, so finde ich es sonderbar, dass sich BEArn erst neuerdings dieser T'hatsache erinnert, obwohl sie doch auch schon damals existirte, als er die fragliche Homologie so eifrig vertrat. Barrour's Widerspruch war doppelten Ursprunges. Einmal glaubte er, die Seitenor- gane der Capitelliden seien die Homologa der Seitenaugen von Polyophthalmus, sodann, und dies war entscheidender, hielt er zur Zeit, als er sich über unsere Frage äusserte, nicht mehr wie ursprünglich Anneliden-, sondern Nemertinenähnliche Geschöpfe für die wahrscheinlichen Vorläufer der Wirbelthiere. Mit ersterer Annahme, durch die ja zutreffenden Falles die mor- phologische Dignität der Anneliden-Seitenorgane bedeutend herabgesetzt worden wäre, befand sich BALrour, wie ich schon an anderer Stelle zu constatiren hatte”), im Iırthume, indem seitdem nachgewiesen worden ist, dass Polyophthalmus ausser Seitenaugen auch noch Seiten- organe besitzt. Ob derselbe Forscher mit seinem Glauben an die Nemertinen- Abstammung der Vertebraten der Wahrheit näher gekommen war, ob er, wenn es ihm noch mit uns weiter zu forschen vergönnt gewesen wäre, nicht seine ursprüngliche Ableitung von den Anneliden früher oder später wieder aufgenommen hätte, dies zu entscheiden steht mir, der ich selbst zu den Anhängern letzterer Anschauungsweise gehöre, gewiss nicht zu. Aber einerlei, Bar- rours Widerspruch habe ich von dem Augenblick an, in dem er sich prineipiell zu Gunsten der Nemertinen entschieden hatte, als nothwendige Consequenz verstanden; denn auch mir würde es nicht einfallen die Homologie dieses oder jenes Organsystemes als solchen anzuer- kennen, wäre ich nicht von der principiellen Total-Uebereinstimmung der Anneliden- und Vertebraten-Organisation überzeugt. Was ich aber weder heute begreife, noch früher zu be- greifen vermochte, das ist, wie man auf ein anatomisches Factum hin im Jahre 1884 die Stammesverwandtschaft zweier grosser 'Thiergruppen intensiv vertreten, und im Jahre 1885 auf ein anderes solches Factum hin dieselbe Verwandtschaft womöglich noch intensiver von sich abzuweisen vermag, da es sich doch hierbei nicht um äusserliche, beliebig zu gruppirende Merkmale, sondern um überaus complicirte, von einander unzertrennliche, genetische Relationen handelt oder — handeln sollte. Was nun die sachlichen Einwände Brarv's betrifft, und zwar speciell den ersten, dem- zufolge die Seitenorgane der Vertebraten ursprünglich auf den Kopf beschränkt gewesen seien, so glaube ich nachgewiesen zu haben, dass genannter Autor dafür auch nicht ein einziges überzeugendes Factum beizubringen vermocht hat. Dieser Einwand stützt sich vielmehr lediglich auf die falsche Interpretirung eines ontogenetischen Prozesses. Der zweite Einwand, dass nämlich die Vertebraten-Seitenorgane specifische Ganglien hätten, ist kein Einwand; denn auch die Capitelliden-Seitenorgane haben ihre Ganglien und 0) Vergl. p. 509 und 510. V. Sinnesorgane. 3. Die Seitenorgane. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. 545 welch’ grosse Uebereinstimmung zwischen diesen beiderseitigen Ganglien hinsichtlich ihrer Lagerungsbeziehungen herrscht, mag man aus nebenstehenden Holzschnitten ersehen, von denen der eine (Copie nach Brarp) das Verhalten der Vertebraten, und der andere dasjenige der Capitelliden demonstrirt. Ich bitte es nicht für ein Paradoxon zu halter, wenn ich die Zuver- sicht äussere, dass das, was Brarn in erster Linie als mit der Homologie der beiderseitigen Sinnesapparate für unverträglich halten zu müssen glaubte, umgekehrt eine der kräftigsten Stützen derselben zu werden verspricht; denn lediglich die Ganglien der Capitelliden-Seiten- organe waren es, für die, als ich die fragliche Homologie zu begründen unternahm, bei den Vertebraten das Paradigma fehlte, und nun ist es dank Berarpn, Frorırr und SPENCER gefunden. Wie aber Brarp in seinen Erwägungen das Factum, dass auch bei den Capitelliden im Bereiche der Sinneshügel Ganglien vorkommen, so consequent ignoriren konnte, ist mir unverständlich. 5. LM.n. C,H.uDB.M. LM. Schematischer Querschnitt durch die Abdomenregion einer mit retractilen Kiemen ausgerüsteten Capitellide.e Der Schnitt ist in die »Vertebratenlage« gebracht. Diagrammatie transverse section through the gill-bearing region of an Elasmobranch or other Ichthyopsid. Nervous system not yet elosed in. On the left side the gill muscle plate is shown, and on the right the gill-cleft. C., H. und R. M. Cuticula, Hypodermis und Ringmuskulatur h. c. Head-cavity. n. s. Nervous system. p. r. Posterio, vereinigt dargestellt. Z.M. n., L. M. ı. Neurale und hämale root. n. Notochord. p. br. 0. Branchial sense organ. br. gl Längsmuskulatur. 7. M. Transversale Muskulatur. 2. Bauch- Branchial ganglion. I. m. Lateral muscle plate. p. n. Post- strang. Sp. ae Spinalnerv. 5. N. ‚Seitenorgannerv. S. Seiten- branchial nerve. al. c. Alimentary canal. — Copie nach Bearp, organ. $. @. Seitenorgan-Ganglion. X. Kieme (links ausgestreckt, 1. p. 533. e. Taf. 10. Fig. 50. rechts retrahirt). Nm. Nephridium. Z. D. Hauptdarm. N. D. Neben- darm. P. Gpl. Peritoneum, Genitalplatte. Von dem dritten und letzten Einwande endlich, nämlich von dem, dass die Seiten- organe der Vertebraten specifische Sinnesorgane der Kiemen darstellen, könnte ich ebenfalls sagen, dass er gar kein Einwand sei, indem ja auch bei den Capitelliden die Seitenorgane im Bereiche von Kiemen liegen; aber das schlösse ja eine Anerkennung der Brarp'schen Behauptung ein, von der ich im Vorhergehenden hinlänglich gezeigt zu haben glaube, wie sie von jedem Gesichtspunkte aus gleich willkürlich und unbegründet ist. Die Seitenorgane sind weder Sinnesorgane von Kiemen noch Sinnesorgane von Kiemenspalten. Zusammenfassend bemerke ich, dass BEArp’s Auffassung dahin führt, Kopf und Rumpf der Wirbelthiere in einen principiellen, unversöhnlichen Gegensatz zu bringen; die metamere Anordnung der Seitenorgane des Rumpfes ferner wird zu einem unerklärlichen Factum, und nicht nur die Einheit des Seitenorgansystemes, sondern auch alle zwischen den Nerven der Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 69 546 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. beiden Regionen bestehenden Beziehungen werden, lediglich um die abweichende Innervation der Seitenorgane des Rumpfes zu erklären, geopfert. Durch meine Auffassung hingegen wird Niemandem der Glaube an einen derartigen principiellen Gegensatz zugemuthet; die einzige Voraussetzung, die ich mache und deren Be- rechtigung wohl Niemand zu bestreiten vermag, ist die, dass sich mit der Differenzirung seiner beiden Körperabschnitte im Wirbelthier-Organismus tief greifende Modificationen vollzogen haben. Dies zugegeben, folgt dann bei mir in nothwendiger und continuirlicher Folge eine Veränderung aus der anderen, ohne dass ich Organsysteme unmotivirt auf Körperabschnitte aus- wachsen zu lassen brauchte, wo sie vorher angeblich nicht waren, und ohne dass ich ferner Sinnesorgane, ausser den ihnen bereits zugetheilten Functionen, noch mit einer neuen auszu- rüsten gezwungen wäre. Es bleibt noch übrig mit ein paar Worten der sogenannten Seitenkanäle oder Schleim- kanäle zu gedenken. In meinem früher voröffentlichten Auszuge habe ich, ausgehend von der 'Thatsache, dass sowohl bei den Capitelliden, als auch bei den Vertebraten frei stehende, sowie in Haut- höhlen, respective in Kanälen eingeschlossene Sinneshügel vorkommen, die Schleimkanäle als eine secundäre, speciell für diese Sinnesorgane zu Stande gekommene Schutzvorrichtung auf- gefasst. Seitdem bin ich nun aber bezüglich des secundären oder specifischen Charakters dieser Schutzvorrichtung hinsichtlich der Vertebraten zweifelhaft geworden; ich‘ neige viel- mehr jetzt der Ansicht zu, dass die Schleimkanäle von Organen abstammen, welche ursprüng- lich unabhängig von den Sinneshügeln und gleichzeitig mit ihnen schon vorhanden waren, dass mit anderen Worten die Schleimorgane sich nicht als Schutzvorrichtung der Hügel erst ausgebildet, sondern, dass sich die Hügel zum Schutze in die Schleimorgane zurückgezogen haben. Auch Donrx ist, wie mir durch gefällige mündliche Mittheilung bekannt geworden ist, auf Grund seiner embryologischen Studien zur Annahme gelangt, dass in den Schleim- organen eine Bildung vorliege, welche ursprünglich nichts mit den Seitenorganen zu thun hatte, vielmehr erst nachträglich in ihren Dienst gezogen wurde. Ich würde diese für irgend welche erfolgreiche Discussion noch lange nicht reife Frage hier keineswegs zur Sprache gebracht haben, wenn ich nicht in einem früheren Ka- pitel®) die sogenannten Schleimsäcke der Myxinoiden, welche ja von Srannıus') und Levpig?) als in den Kreis der Schleimkanäle gehörige Bildungen betrachtet wurden, hinsichtlich dieser ihrer Beziehungen zu erwähnen gehabt hätte. Diese segmentalen Schleimsäcke der Myxinoiden zeigen nämlich in ihren fadenförmigen Secreten höchst merkwürdige Beziehungen zu gewissen Hautdrüsen von Anneliden (und Cöl- enteraten), nämlich zu Hautdrüsen, auf die auch die segmentalen Spinn- und Parapodial- drüsen der Anneliden zurückgeführt werden konnten. Ich habe am eitirten Orte schon hin- a) Vergl. p. 421. 1) Sransıus, H. Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere. Berlin 1854. p. 103. 2) 18 p- 52% ce. P- 15% V. Sinnesorgane. 4. Die becherförmigen Organe. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 547 länglich betont, wie dieser Vergleich oder Hinweis ein in hohem Grade hypothetischer sei, und auch hier sei wiederholt, dass ich ihn vorläufig nur als einen der möglichen Ausgangs- punkte für den Weg andeute, auf dem wir vielleicht hoffen dürfen einstens dem phylo- genetischen Ursprunge des Schleimkanalsystemes näher zu kommen. Zum Schlusse sei constatirt, dass ich in Erwägung alles des seit meiner ersten Publ- cation sei es durch Andere, sei es durch mich weiter über die Seitenorgane der Anneliden und Vertebraten bekannt Gewordenen die Homologie der beiderseitigen Organsysteme nicht nur nicht für erschüttert, sondern umgekehrt für bedeutend gekräftigt halte. Gleichwohl wird Niemand bereiter sein, als ich, auch heute noch wirklichen Einwänden gegenüber nach- zugeben; aber begründete Einwände müssten es sein und nicht etwa blosse Behauptungen oder gar ad hoc geschmiedete Hypothesen. 4. Die becherförmigen Organe. a. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. °) Im Gegensatze zu den streng metamer angeordneten Seitenorganen zeigen die becher- förmigen Organe eine von der Körpersegmentirung durchaus unabhängige, also diffuse Ver- theilung. Bei Notomastus, Dasybranchus und Heteromastus beschränkt sich diese Vertheilung auf Kopflappen, Thorax und Rüssel, bei Mastobranchus und Capitella dagegen erstreckt sich dieselbe auch noch auf das Abdomen. Ausserordentlich gesteigert erscheint denn auch die Zahl dieser diffusen Sinneshügel gegenüber den metameren, indem dieselben allein schon am Kopflappen nach Hunderten ge- schätzt werden mussten. Auch die becherförmigen Organe bieten die Form rundlicher oder conischer Hügel dar, Hügel, welche ähnlich den retractilen Seitenorganen in Hauthöhlen oder Becher zurück- gezogen werden können. Diese Becher stellen ebensowenig fixirte Gebilde dar, wie die sogenannten Seitenorganhöhlen, kommen vielmehr wahrscheinlich so wie letztere nur anläss- lich der Retraction der bezüglichen Sinnesorgane, also vorübergehend, zu Stande. Die Grösse dieser Sinneshügel schwankt im Durchmesser zwischen 9 und 10 p, be- trägt demnach nur ungefähr ein Zehntel derjenigen der Seitenorgane. Was die Structur der becherförmigen Organe betrifft, so sind auch bei ihnen als auffallendste Theile die auf den Hügelkuppen concentrirten, frei in das Medium hinausragenden Sinneshaare hervorzuheben. Diese Haare sind etwa 4 p. lang, wenig zahlreich und überall gleich breit, also stäbchenförmig. So wie bei den Seitenorganen durchsetzen sie die die Hügel überziehende Cuticula, um in ein Bündel central gelegener, langgestreckter Sinneszellen überzugehen. In letzteren Sinneszellen erkennt man ohne Weiteres den Typus der Haut- 98, 181, 219, 238 und 262. 69* «@) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 95 ns 48 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. o fadenzellen wieder, indem an ihnen jene Modification in Stäbchen und Spindeln entfernt nicht so prägnant durchgeführt erscheint, wie an den Sinneszellen der Seitenorgane. Auch die Körner fehlen nicht; nur stehen dieselben hier nicht so dicht und zahlreich, dass von einem Ganglion die Rede sein könnte; vielmehr verhalten sie sich ähnlich wie diejenigen der übrigen Haut, respective diejenigen des integumentalen Ganglienzellenplexus. In Anbetracht ihrer grossen Zahl und diffusen Vertheilung ist es schon a priori als kaum wahrscheinlich zu erachten, dass den becherförmigen Organen eine Ähnlich specifische Innervation wie den Seitenorganen zukommen werde. Meine bezüglichen Nachforschungen hatten denn auch keinerlei derartiges Resultat zur Folge, so dass wir wohl annehmen müssen, dass die Sinneszellen der Becherorgane ebenso wie die Fadenzellen der Haut von dem inte- gumentalen Ganglienzellenplexus aus mit Nervenfibrillen versorgt werden. b. Vergleich mit anderen Anneliden. Wie hinsichtlich der Seitenorgane, so werde ich auch hinsichtlich der Becherorgane in diesem sowie in dem folgenden Unterabschnitte nur diejenigen von Anneliden, respective anderen 'Thierclassen bekannt gewordenen Sinnesapparate zum Vergleiche heranziehen, deren verwandte Natur sich in entschiedener Weise kundgiebt. Als eines der verlässlichsten Criterien betrachte ich aber das Vorkommen unserer Organe in der Mundhöhle, da, so weit wir wissen, keine anderen Sinneshügel ausser den Becherorganen in derartige Beziehungen zum vordersten Abschnitte des Verdauungstractus getreten sind. In Anbetracht solcher Einschränkung ist aber auch in diesem Falle im Auge zu behalten, dass sich wahrscheinlich noch ein erheb- licher Theil der zweifelhaften, im nächsten Abschnitte aufzuführenden Sinneshügel als hierher- gehörig herausstellen werde, womit sodann für diese Sinnesorgane ebenso wie für die Seiten- organe zugleich eine viel weitere Verbreitung constatirt würde. Vor Allem sei hervorgehoben, dass LeyvıG'!) das Verdienst gebührt nicht nur zuerst das Vorkommen becherförmiger Organe bei Wirbellosen erkannt, sondern auch deren Ver- gleichbarkeit mit den ebenfalls von ihm entdeckten, gleichnamigen Sinnesapparaten der Fische zuerst vertreten zu haben. Diejenigen Sinneshügel, durch deren Studium genannter Forscher vor nun bald drei Decennien zur Aufstellung gedachter Homologie veranlasst wurde, nämlich die Augen und augenähnlichen Becherorgane der Hirudineen, werden aber aus weiterhin zu erörternden Gründen erst in einem der nächsten Abschnitte, nämlich unter den Sinneshügeln, deren Verhältniss zu Becher- und Seitenorganen erst noch endgiltig festzustellen ist, von mir in's Auge gefasst werden. Unzweifelhafte Becherorgane kamen im Kreise der Anneliden in erster Linie bei Oli- gochaeten zur Beobachtung. Zunächst erfuhren wir durch Mossisovics?), dass F. E. SchurzE an gewissen Stellen der 1) Leypis, F. Die Augen und neue Sinnesorgane der Egel. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1861. p. 600. 2) 1. ps 09c pls: V. Sinnesorgane. 4. Die becherförmigen Organe. a. Vergleich mit anderen Anneliden. 549 Cutieula des Kopfsegmentes, zumal der Oberlippe von Lumbricus unregelmässig zerstreute Poreninseln wahrgenommen habe, durch deren überaus feine Kanälchen Poren) zarte Härchen hindurchträten. Jede solche Insel entspreche aber einer »Geschmacksknospe «. Sodann beschrieb unter anderen, weiterhin noch zu berücksichtigenden Sinnesorganen von Oligochaeten VeEsDovskY') auch becherförmige Organe. Während er, F. E. SchurzE be- stätigend, die Hügel der Lumbrieiden unter letzterem Namen aufführt, figuriren die unzweifel- haft demselben Kreise zugehörigen Gebilde der Chaetogastriden und Enchytraeiden als » Tast- papillen«. Diese bereits von Hrxte und Buchnorz beobachteten Becherorgane stehen zwar besonders zahlreich am Kopflappen, kommen aber auch unregelmässig auf den Körperseg- menten zerstreut vor. Sie sind wie diejenigen der Capitelliden sehr klein (6 x im Durchmesser), retractil und mit kurzen, starren Borsten besetzt. Nach VespovskY gehört jedes Organ nur einer einzigen Hypodermiszelle an und erfolgt die Innervation der am Kopfe gelegenen durch feinste Fibrillen von Hirnnerven. Gegenüber der ersteren dieser Angaben kann ich nicht umhin meine Zweifel zu äussern, da bei den im Uebrigen sich so übereinstimmend verhalten- den Becherorganen der Capitelliden die Vielzelligkeit eine evidente ist. Von Polychaeten wurden durch Crarartpe?) Büschel feiner, aus den Rüsselpapillen von Nephthys scolopendroides vagender Sinneshaare beschrieben, welche durch die Stelle und den Modus ihres Auftretens ohne Weiteres sich auf Becherorgane beziehen liessen, wenn nicht die Art der Vertheilung sowie die relativ bedeutende Länge der Haare von dem in dieser Hinsicht sonst stattfindenden Verhalten auffallende Abweichungen darböte. Jedenfalls muss der Fall erst einer wiederholten Untersuchung unterzogen werden, bevor er definitiv in die Rubrik »Becherorgane« aufgenommen werden kann. Unzweifelhafte Becherorgane hat dagegen SrEnGEL®) aus der Mundhöhle von Euniciden, und zwar von Lumbriconereis und Halla beschrieben. Bei letzterer Gattung erreicken sie genanntem Autor zufolge eine so beträchtliche Ausbildung, dass er dieselben als empfehlens- werthes Object zum genaueren Studium bezeichnen konnte. Es wäre meiner Ueberzeugung nach durchaus unzutreffend, wollte man aus der 'That- sache, dass bis heute nur von so wenigen Familien Becherorgane. bekannt geworden sind, den Schluss ziehen, dass ihr Vorkommen innerhalb der Annelidenclasse ein beschränktes sei, indem mir eben dieser Mangel von bezüglichen Angaben weniger darauf zu beruhen scheint, dass den jeweils zur Untersuchung gelangten 'Thieren die Becherorgane fehlten, als vielmehr darauf, dass sie vom Untersuchenden unbeachtet blieben. Diese Vermuthung wird um so berech- tigter erscheinen, wenn man bedenkt, dass in den meisten Fällen nur die Beobachtung des lebensfrischen Objectes für die Auffindung dieser so kleinen und zarten Sinnesorgane Gre- währ bietet. NFl.>p: 2) Ib 100 es Mrftie S)el-=p., 310.7 c..P..21: 550 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. Bei Zugrundelegung unseres oben erwähnten Criteriums kommen hier nur wenige 'Thiergruppen in Betracht, nämlich die Gephyreen, Mollusken und Vertebraten. Was zunächst die Gephyreen betrifft, so hat Leyvıc') schon am selben Orte, wo er die später zu erörternden Sinnesapparate der Hirudineen mit Becherorganen verglich, darauf hingewiesen, dass gewisse durch Ke£rErsteiın und EHters von Sipunculus und durch Quarke- FAGES von Echiurus bekannt gewordene Integumentgebilde ebenfalls in den Kreis letzterer Organe hineingehören dürften. In den zahlreichen seitdem über diesen Gegenstand veröffent- lichten Schriften wurden sodann die fraglichen Bildungen bald im Einklange mit Leypıc als Sinnesorgane (meistens als Tastorgane), bald dagegen als Hautdrüsen beschrieben. Indem ich auf den ausführlichen, in der weiterhin zu citirenden Arbeit von Axpreaz enthaltenen Littera- turbericht verweise, beschränke ich mich darauf hier nur einige der neueren, auf die mor- phologischen Beziehungen der betreffenden Organe Rücksicht nehmenden Untersuchungen heranzuziehen. SPENGEL?) hat auf den in Querreihen um den Körper stehenden Papillen von Echiurus zwischen Drüsenzellen becherförmige Organe wahrgenommen, die er den gleichnamigen Sinnes- apparaten der Capitelliden für vergleichbar hält. Sinneshaare hat er nicht zu erkennen ver- mocht; da aber seine Untersuchungen an conservirtem Materiale angestellt worden waren, so hält er doch deren Vorhandensein für nicht ausgeschlossen. Ueber die eventuelle Erstreckung dieser Organe auf das Kopfsegment und in die Mundhöhle hinein, von der ja unserer An- sicht nach vorläufig ihre Anerkennung als Becherorgane abhängig gemacht werden muss, machte SpenseL keine Angaben; aber diese Lücke wurde bald darauf durch Anprrar ausgefüllt. Dieser Autor’) fand nämlich bei Sipunculus ähnlich wie bei Echiurus zwischen den Drüsenzellen gelegene »Nervenendorgane«, und zwar sowohl im Rüssel, als auch im eigent- lichen Körper unregelmässig zerstreut. Diese Nervenendorgane sollen nun nach ANDREAE das Ansehen von Bechern darbieten und sehr lebhaft an die Seitenorgane der Fische erinnern. Ich vermuthe in diesem »Seitenorgane« einen lapsus calami, da ja die Uebereinstimmung mit den Becherorganen ausser aller Frage steht. Das gleichzeitige Vorkommen solcher Organe sowohl im Rüssel, als auch im übrigen Körper wurde ferner durch ScHArrr') an Priapulus und Halicryptus nachgewiesen. Auch bei diesen Gephyreen stehen die Becher den Hautpapillen eingepflanzt, welch’ letztere im Rüssel eine Anordnung nach Längsreihen, im Körperstamme dagegen eine solche nach Querreihen 1) 1. p. 548. c. p. 604. 2) 1. p. 443. e. p. 465. 3) ANDREAE, J. Beiträge zur Anatomie und Histologie des Sipuneulus nudus L. Zeit. Wiss. Z. 36. Bd. 1882. p. 219. 4) ScHArrF, R. On the Skin and Nervous System of Priapulus and Halieryptus. @. Journ. Micr. Se. (2) Vol. 25. 1885. p. 197. V. Sinnesorgane. 4. Die becherförmigen Organe. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. 551 aufweisen. Besonders hervorgehoben zu werden verdient ferner, dass hier endlich das Vor- handensein freier Nervenendigungen, respective der Sinneshaare constatirt werden konnte. Auch ScHARFF vergleicht die Hautsinnesorgane der Gephyreen (anstatt mit den Becherorganen) mit den Seitenorganen, und da in diesem Falle, in Anbetracht des längeren Begründungsversuches, an einen »lapsus« nicht gedacht werden kann, so muss ich diesen Vergleich ausdrücklich als einen von irrthümlichen Voraussetzungen ausgehenden bezeichnen. Hinsichtlich der Mollusken hat seiner Zeit Borr') nachgewiesen, dass die Rüsselspitze von Pterotrachea mit becherförmigen Organen besetzt sei. Ausserdem betonte jener Forscher das Vorkommen ähnlicher Organe »an einigen besonders begünstigten Hautstellen, wie Ten- takel, Mantelrand, Umgebung des Mundes, vorderer Rand des Fusses« der Gastropoden. Bald darauf gelang Freunmse’ der Nachweis ebensolcher an den Tentakeln des Fuss- randes, an den Fühlern, dem Kopfe und Mantelrande von Trochus cinerarius sowie an den Tastern des Mantelrandes von Anomia. Besonders wichtig war sodann, dass Tonaro°), das Vorkommen dieser Organe auch in der Mundhöhle von Pferotrachea nachweisen und constatiren konnte, dass hinsichtlich der Structur vollständige Uebereinstimmung zwischen diesen »Geschmacksorganen« der Heteropoden und denjenigen der Säugethiere herrsche. Weiterhin wurde durch Harrer!) das Vorhandensein becherförmiger Organe in der Mundhöhle von Chiton constatirt. Und sehr ausführlich beschrieb kurz darauf derselbe Autor’) ähnlich gelegene Organe von Rhipidoglossen. Ich hebe aus dieser Beschreibung hervor, dass Harrer die becherförmigen Organe der Mollusken denjenigen der Anneliden *) J 1) Borz, F. Beiträge zur vergl. Histiologie des Molluskentypus. Arch. Mikr. Anat. Supplement 1869. p. 59 und 50. 2) Fremming, W. Zur Anatomie der Landschneckenfühler etc. Zeit. Wiss. Z. 22. Bd. 1872. p. 370. 3) Toparo, F. Sopra gli organi del gusto degli Eteropodi. Communicazione preliminare. Transunti Accad. Lincei (3) Vol. 3. 1879. 4) Harzer, B. Die Organisation der Chitonen der Adria. Arb. Z. Inst. Wien. 5. Bd. 1883. Sep. Abdr. p. 8. 5) N) Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. Erste Studie. Morph. Jahrb. 9. Bd. 1884. p. 73. In dem von mir über die Seiten- und Becherorgane veröffentlichen Auszuge hatte ich bezüglich letzterer Organe constatirt, dass sie am Kopflappen, Thorax und Rüssel zerstreut stehen (l. p. 76. c. p. 306). Die Organe jedes dieser Körpertheile, also auch diejenigen des Rüssels wurden besonders beschrieben (p. 309). Vom Rüssel wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass er ganz wie eine Einstülpung der äusseren Körperwandungen erscheine. - In dem Abschnitte: »9. Vergleich der becherförmigen Organe der Capitelliden mit den becherförmigen Organen der Vertebraten.« (p. 326) figuriren die Sätze: »Sowohl bei den Capitelliden, als bei den Teleostiern treten die becherförmigen Organe am Kopf, in der Mundhöhle und über den Rumpf verbreitet auf.« »Bei beiden stehen sie in der Mundhöhle und an den Lippen dichter als am Rumpfe.« In dem Abschnitte: »10. Vergleich der becherförmigen Organe mit den Seitenorganen.« (p. 330) sage ich ferner: »Der Hauptverbreitungsbezirk der Seitenorgane ist der Rumpf, die becherförmigen Organe dagegen suchen mit Vorliebe den Kopf mit seinen Anhangsgebilden, sowie die Mundhöhle auf.« In dem Abschnitte: »12. Die Function der becherförmigen Organe.« endlich (p. 336) steht zu lesen: »Im Gegensatze zu den Seitenorganen, für welche wir gezwungen waren einen Leitfaden zur Beurtheilung ihrer Function in den homologen Apparaten einer anderen Thiergruppe zu suchen, bieten die becherförmigen Organe 552 - B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. und Vertebraten für vergleichbar hält. Eine andere uns hier interessirende Angabe HArLEr's, dass nämlich bei den Rhipidoglossen ausserhalb der Mundhöhle keine Becherorgane vorkämen, ist unzutreffend, da ja Fremmine längst schon deren Vorkommen gerade bei Trochus (an den Tentakeln des Fussrandes, an den Fühlern, dem Kopfe und Mantelrande) nachgewiesen hatte. Dieses für die Beurtheilung der weiterhin in's Auge zu fassenden “) »Seitenorgane« der Rhipidoglossen wichtige Factum hat denn auch FremmmnG!) gegen Harrer geltend gemacht, und bei dieser Gelegenheit wurde von Ersterem noch auf mehrere andere Vertreter aus dem Kreise der Gastropoden und Lamellibranchiaten hingewiesen, welche ebenfalls ausserhalb der Mundhöhle Becherorgane aufweisen. FLEMMING constatirt schliesslich die grosse Verbreitung der Becherorgane bei Mollusken und vergleicht sie mit denjenigen der Vertebraten. In dem schon mehrfach citirten, im Jahre 1578 publicirten Auszuge?), aus dieser Mo- nographie habe ich bereits versucht, die becherförmigen Organe der Capitelliden mit denjenigen der Vertebraten zu vergleichen. Da ich nun bezüglich des Wesentlichen dieses Vergleiches ebensowenig Veranlassung hatte inzwischen meinen Standpunkt zu ändern, wie bezüglich des der Capitelliden in der Thatsache ihrer Vertheilung selbständig einen Wink dar, dessen Geeignetheit zum Aus- gangspunkt solcher Beurtheilung kaum übersehen werden könnte. Ich meine die Thatsache, dass die becherförmigen Organe nicht nur am Rumpfe und am Kopflappen, also auf der äusseren Körperfläche angebracht sind, sondern auch über das Epithel der Mundhöhle, wo wir sonst den Geschmackssinn localisirt finden, verbreitet stehen. Wenn wir daraus den nahe liegenden Schluss ziehen, dass die becherförmigen Organe, deren Natur als Sinnesorgane sich uns ja schon aus der Structur offenbart hatte, speciell als Geschmacksorgane zu betrachten seien, und bedenken, dass zwischen den genannten Organen des Schlundes, Kopflappens und Rumpfes keine irgendwie bemerkenswerthen Unterschiede sich feststellen liessen, so ergiebt sich von selbst die Folgerung, dass die Capitelliden nicht nur mit der Mundhöhle, sondern auch mit der ganzen Körperoberfläche, so weit sie mit solchen Organen ausgerüstet ist, zu schmecken im Stande sein müssen.« Dieser meiner doch schwer misszuverstehenden Darstellung gegenüber schrieb nun HarvEer Folgendes als Einleitung seiner Schilderung der becherförmigen Organe der Rhipidoglossen (l. p. 551. e. p. 73). »Ueber becherförmige Organe ist bei Wirbellosen nur wenig bekannt, und wenn wir manchmal eine allge- meine Verbreitung dieser Gebilde angedeutet finden, so liegen positive Beobachtungen nur zu wenige vor. Als eine solche ist H. EısıG’s Entdeckung der becherförmigen Organe der äusseren Haut in der Nähe der Mundöffnung bei Capitella aufzufassen. An die polychaeten Anneliden würden dann die oligochaeten sich anreihen. A. v. Mossısovics theilt uns eine Beobachtung F. E. Schurze’s mit, welcher zufolge becherförmige Organe am Mundrande bei LZum- brieus sich vorfinden sollen.« »Leider werden wir in beiden Fällen über die genaue Textur dieser Organe der Anneliden nicht weiter unterrichtet. Auch ist das Mundhöhlenepithel nicht weiter untersucht worden, so dass wir heute in Unkenntniss darüber sind, ob jene becherförmigen Organe nur in der äusseren Haut der Lippengegend etc. sich finden, oder ob sie auch auf das ectodermale Epithel der Mundhöhle sich fortsetzen.« Aus dieser Gegenüberstellung folgt mit Nothwendigkeit, dass HaALLER meine Arbeit zwar kritisirt — aber nicht gelesen hat. Ich beschränke mich darauf, dieses Factum zu constatiren, indem ich der Meinung bin, dass es hin- länglich durch sich selbst charakterisirt wird. a) Vergl. p. 562. 1) Fremums, W. Ueber Organe vom Bau der Geschmacksknospen an den Tastern verschiedener Mollusken. Arch. Mikr. Anat. 23. Bd. 1884. p. 141. 2) 1. p. 76. ec. p. 326—329. V. Sinnesorgane. :4. Die becherförmigen Organe. c. Vergleich mit anderen Thierclassen. 553 Vergleiches der Seitenorgane, so kann ich auch in diesem Falle meine ursprüngliche Begrün- dung nahezu unverändert zum Wiederabdrucke bringen. Sie lautete: Die becherförmigen Organe wurden im Anfange der fünfziger Jahre von Leyvis ! in der Oberhaut der Knochenfische entdeckt und sodann von F. E. Schutze?) genauer untersucht. Seitdem haben die Ar- beiten dieser beiden Forscher nieht nur vielfache Bestätigung und Erweiterung erfahren, sondern es sind auch den becherförmigen Organen homologe Bildungen in rascher Aufeinanderfolge bei Selachiern, Amphibien, Reptilien und Säugethieren nachgewiesen worden. So ist eine nicht unbeträchtliche Litteratur über diesen Gegenstand bereits angewachsen. In besonders raschem Tempo ging aber dieses Anwachsen vor sich, nach- dem durch ScuwAaLsE und Lovkx becherförmige Organe von der Zunge des Menschen beschrieben worden waren. Im vorliegenden Vergleiche werde ich mich ausschliesslich an die Teleostier halten, indem sie in Bezug auf die uns beschäftigenden Organe unzweifelhaft den ursprünglichsten Zustand bei den Vertebraten darstellen, und weil ferner, wenn es nur gelingt, die Homologie zwischen den becherförmigen Organen der Capitelliden und denjenigen der Teleostier plausibel zu machen, damit an sich schon auch diejenige mit den becherförmigen Organen der höheren Vertebraten ausgedrückt ist, indem ja die meisten Bearbeiter der letzteren deren Homologie mit den entsprechenden Teleostiergebilden vertreten haben. Sowohl bei den Capitelliden, als bei den Teleostiern treten die becherförmigen Organe am Kopfe, in der Mundhöhle und über den Rumpf verbreitet auf. Bei beiden ist ihre Stellung am Rumpfe ohne jede Beziehung zur Körpergliederung. Bei beiden stehen sie in der Mundhöhle und an den Lippen dichter als am Rumpfe *). Bei beiden sind die einzelnen Organe auf Vorsprüngen angebracht. Sowohl bei den Fischen, als bei den Capitelliden bildet endlich das eigentliche Sinnesorgan einen soliden Hügel oder eine solide Knospe. Die Durchmesser dieser Knospen scheinen bei den ersteren durchschnittlich eine bedeutendere Grösse aufzuweisen als bei den letzteren: So giebt Leyvıs’) von Gobius 0,024” und von Oyprinus 0,016" als Grössen an; nach Zıncox£‘) können die Hügeldurchmesser bei Mullus 0,112—0,24 mm erreichen; bei Motella stellte aber derselbe Autor 0,1 als Längen- und 0,06 mm als Breiten-Durchmesser fest, Maasse, welche sich schon weniger von den Grössenverhältnissen der Capitelliden-Organe (0,006 —0,01) entfernen **). Die becherförmigen Organe der Capitelliden sind retractil, sie können, wie die thoracalen Seiten- organe, so weit in Höhlen zurückgezogen werden, dass in der Profillage Nichts mehr von ihnen wahrzu- nehmen ist. Eine ähnlich geschützte Lage kommt nun bei den Fischen dadurch zu Stande, dass die Organe nicht frei, sondern mit Ausnahme ihrer Gipfel in der Oberhaut eingebettet liegen. Dass aber diese Lagerung auch bei den Fischen keine ganz fixirte ist, dass auch bei ihnen wenigstens der proximale Theil des Hügels bis zu einem gewissen Grade eingezogen werden kann, geht aus einer nicht misszuverstehenden Beobach- tung Lryvig’s hervor. Die Structur der becherförmigen Organe der Süsswasserfische beschreibend, sagt dieser Autor’): »Die Zellen haben eine gewisse Aehnlichkeit mit muskulösen Faserzellen (KöLLıker), und es scheint mir allerdings nach Beobachtungen an Cobitis barbatula diesen Epidermisbechern eine Contracti- lität zuzukommen. Schneidet man nämlich einer lebenden Grundel einen Bartfaden ab und betrachtet denselben ohne Deckglas bei starker Vergrösserung, so werden die fraglichen Gebilde nicht als Becher ge- 1} Leyvig, F. Ueber die Haut einiger Süsswasserfische. Zeit. Wiss. Z. 3. Bd. 1551. p. 1. 2) Schuzze, F. E. Ueber die becherförmigen Organe der Fische. Zeit. Wiss. Z. 12. Bd. 1863. p. 218. 3), 1229205532 :c. Pp- or 4) Zıwcoxe, A. Össervazioni anatomiche su di aleune appendici tattili dei Pesci. Rend. Accad. Napoli. Vol. 115. 11876. p. >. 5) 1. p. 553. e. p- 3. *) Vergl. hierüber, was die Teleostier betrifft, F. E. Schuzze 1. p. 553. c. p. 219. **) Noch mehr würde mit letzteren der von JoBERT JOBERT, M. Etudes d’Anat. comp. sur les Organes du Toucher ete. Ann. Sc.. N. (5) Tome 16. 1$72. p. 41) mitgetheilte Grössendurchmesser der becherförmigen Organe von Mullus übereinstimmen (0,01 mm); aber nach den vom gleichen Objecte gemachten Angaben Zincone's liegt es nahe anzunehmen, dass diese von JOBERT gegebene Zahl irrthümlich sei, oder auf einem Druckfehler beruhe. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 70 554 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. sehen, sondern statt einer Mündung erblickt man sie über die Oberhaut warzenförmig verlängert. Nach einiger Zeit kommen aber statt der warzenförmigen Verlängerungen Oeffnungen zum Vorschein, welche Veränderung wohl durch eine Contraction der faserähnlich verlängerten Zellen, durch eine Art Einstülpung vor sich gegangen ist. Auch bei einer lebenden Aalraupe sah ich die Becher auf der Hautbrücke, welche die Nasenöffnung in zwei theilt, anfangs warzenförmig vorstehen. Die nachher entstandenen Oeffnungen des Bechers waren 0,002—0,006” gross«. Aus diesen Beobachtungen LryoıG’s folgt aber auch noch, dass die mit den Sinneshaaren ausge- rüstete Hügelspitze, das Haarfeld, ein- und ausgestülpt werden kann, ähnlich wie ich es von den Seiten- organen der Capitelliden sicher, von den becherförmigen Organen derselben jedoch (wegen der Kleinheit der Organe) nur vermuthungsweise angeben konnte. Unter der Voraussetzung dieser Retractilität des Haar- feldes erklärte sich auch der Widerspruch, dass die uns beschäftigenden Sinnesorgane bald als ausgehöhlte Becher oder Glocken, bald als massive Hügel oder eiförmige Körper beschrieben werden. Massiv sind diese Gebilde zu jeder Zeit; das Bild eines Bechers entsteht aber, wenn das Haarfeld eingestülpt wird. Dass diese Ein- und Ausstülpung des Haarfeldes, sowie die Vorstreckung und Zurückziehung des Gesammthügels, auf einer Contractilität der das Organ constituirenden Zellen beruhe, ist sehr unwahr- scheinlich; ich glaube vielmehr, dass zu diesem Behufe ähnliche Anordnungen an den becherförmigen Or- ganen der Fische getroffen sind und sich früher oder später werden nachweisen lassen, wie ich an den einer ähnlichen Retractilität und Einstülpbarkeit fähigen Seitenorganen der Capitelliden aufgefunden habe. Auch F. E. Schutze) hat schon die Unwahrscheinlichkeit hervorgehoben, dass den Zellen des Organes eine solche Contraetilität zukomme. Scnurze konnte sich überdies von jenen seitens Le£ypıG beschriebenen Vortreibungen und Einziehungen der Organe nicht überzeugen, denn er sagt: ». ..... die seichte Concavität, die man häufig an ihrer äusseren Oberfläche (besonders wenn man sie in ihrer natürlichen Lage im Epithel ansieht) bemerkt, scheint mehr durch den Niveauunterschied dieser Endfläche des Organs gegen die sich seitlich etwas über jene hinüberschiebenden benachbarten Zellen des geschichteten Epithels hervorgebracht zu werden« Eine Concavität besteht aber demnach auch Scuurze’s Beobachtungen zufolge; spätere, speciell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen werden zu entscheiden haben, ob Lrypıs’s — in so hohem Maasse mit dem Verhalten der Capitelliden übereinstimmende — Angaben das Richtige getroffen haben oder nicht. Bei den Fischen sowohl, als bei den Capitelliden sind die becherförmigen Organe rein epidermoidale Gebilde; die Cutispapillen, denen in der Regel bei ersteren die genannten Organe aufgelagert sind, gehen in keiner Weise in die Zusammensetzung der Becher ein; übrigens kommt es auch bei Fischen vor, dass die becherförmigen Organe — so wie diejenigen der Capitelliden — nicht die ganze Hautschicht durchsetzen *). Auch bezüglich der Struetur herrscht in den allgemeinsten Verhältnissen Uebereinstimmung; in beiden Gruppen bauen sich die becherförmigen Organe aus peripherisch gestellten, mehr oder weniger modificirten Epidermiszellen, und aus central liegenden Sinneszellen auf. Die grösste Bedeutung hat aber, für diesen unseren Vergleich, die Thatsache, dass sowohl bei den Fischen, als bei den Capitelliden jenen Sinneszellen kurze, frei in das Medium ragende Haare **) aufgesetzt sind. Scnurz#:) beschrieb diese Bildungen zuerst von Fischen als in der Zahl von 20—40 auf je einem Organe stehende kleine, starre, leicht conisch sich zuspitzende, 0,002 mm lange Härchen oder Borsten. Abweichend würden sich dieser Schilderung zu- folge die Haare der Capitellidenhügel nur insofern verhalten, als sie nicht conisch zugespitzt, sondern viel- mehr überall gleich breit, dass sie ferner nicht 0,002, sondern 0,004 mm lang sind, und endlich, dass sie in einer geringeren Zahl auftreten. Die Innervation mit in den Bereich des Vergleiches zu ziehen ist bei diesem Organsysteme vor- läufig noch nicht möglich, indem ja, wie aus dem vorhergehenden, beschreibenden Theil erinnerlich sein wird, bei der einen der zu vergleichenden Gruppen, bei den Capitelliden, für die Frage nach der Nerven- versorgung der becherförmigen Organe eine befriedigende Antwort nicht gefunden werden konnte. 1), 1. p. 553... sp. 219. 2) Schutze, F. E. Epithel- und Drüsenzellen. Arch. Mikr. Anat. 3. Bd. 1867. p. 153. *) Vergleiche Zıncone 1. p. 553. c. p. 8. **) Das Vorkommen dieser Haare wird bald bestätigt, bald bestritten. Begreiflich für Jeden, der die ausserordentliche Empfindlichkeit‘ dieser Gebilde kennen gelernt hat. Dt V. Sinnesorgane. 5. Vergleich der becherförmigen Organe mit den Seitenorganen. 55 Seit Niederschrift des Vorstehenden wurde das Vorkommen becherförmiger Organe noch für eine grosse Zahl verschiedenster Wirbelthiere nachgewiesen, und auch die Ansicht, dass diese Organe speciell dem Geschmackssinne dienen, erfuhr durch unzweideutige Experimente wiederholt Bestätigung. Diese speciell dem Vertebratenkreise gewidmete Läitteratur zu be- sprechen liegt aber nicht im Kreise der mir hier gestellten Aufgabe, weshalb ich mich mit dem Hinweise auf ein Resume von GortscHnau'‘) begnüge, in dem die wichtigsten Punkte dieser Litteratur, wenigstens bis zum Jahre 1852, zusammengestellt sind. 5. Vergleich der becherförmigen Organe mit den Seitenorganen. In meinem früher veröffentlichten Auszuge?) hatte ich hierüber Folgendes geschrieben: Wir haben die Frage zu erörtern, in welchem Verhältnisse zu einander Seiten- und Becherorgane stehen. Betrachten wir zunächst das die beiden Unterscheidende: Die Seitenorgane sind bei den Capitelliden zeitlebens und bei den Vertebraten wenigstens der An- lage nach segmentale Organe, wogegen die becherförmigen Organe, wo immer sie auch angetroffen werden mögen, nie eine andere, als eine diffuse Vertheilung aufweisen. Der Hauptverbreitungsbezirk der Seitenorgane ist der Rumpf, die becherförmigen Organe dagegen suchen mit Vorliebe den Kopf mit seinen Anhangsgebilden, sowie die Mundhöhle auf. Das Vorkommen von Seitenorganen ist ausschliesslich auf im Wasser lebende Thiere beschränkt, becherförmige Organe werden sowohl bei Wasser-, als auch bei Landthieren angetroffen. Die Sinneszellen der Seitenorgane sind (bei den Vertebraten) kurz und birnförmig, die Sinneszellen der becherförmigen Organe dagegen sind lang und fadenförmig. Den Sinneszellen der Seitenorgane sind (bei den Capitelliden) lange, mit den Hörhaaren überein- stimmende Haare aufgesetzt, die Sinneszellen der becherförmigen Organe dagegen enden in kurze, mehr den Riechhaaren ähnliche Börstchen oder Stäbchen. Die Seitenorgane werden (bei Vertebraten) hauptsächlich versorgt von Zweigen des N. vagus, die becherförmigen Organe hauptsächlich von solchen des N. glossopharyngeus. Die Seitenorgane betrachtet man als vorzugsweise geeignet zur Perception mechanischer, die becherförmigen Organe dagegen als mehr geeignet zur Perception chemischer Einwirkungen. Heben wir nun das den beiden Gemeinsame hervor: Sowohl die Seitenorgane, als auch die becherförmigen Organe sind rein epidermoidale Bildungen. Beide Sinnesorgane treten in Form rundlicher, solider Hügel oder Knospen auf, um welche herum aus dem benachbarten Epidermisgewebe Schutzvorrichtungen sich bilden können, und welche entweder in toto, oder doch an ihren Spitzen Haarfeldern) eine Zurückziehung, respective eine Einstülpung gestatten *). 3ei beiden bestehen die Hügel oder Knospen aus einem Mantel wenig modifieirter Epidermiszellen, und aus einem central gelegenen Bündel eigenthümlich gestalteter »Sinneszellen«. Bei beiden endlich innerhalb des Vertebratenkreises) laufen diese Sinneszellen einerseits, und zwar basal, in Fortsätze aus, welche muthmaasslich mit den Fibrillen des jenen Zellen als seinen Endorganen zustrebenden relativen Nerven in Verbindung treten, andererseits, und zwar distal, in Härchen, welche als die den Reiz aufneh- menden Theile des Organes angesehen werden. 1) Gorzschau, M. Ueber Geschmacksorgane der Wirbelthiere. Biol. Centralbl. 2. Bd. 1882/83. p. 240. 2) 1. p. 76. ec. p. 330—332. *) Bei den Vertebraten bedarf diese Retractions- respective Einstülpungs-Fähigkeit der Sinneshügel aller- dings noch weiterer Bestätigung. 70% 556 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Man sieht, es fehlt weder an Momenten, welche zu Gunsten einer Zusammengehörigkeit, noch an solchen, welche zu Gunsten einer Trennung der beiderseitigen Bildungen verwerthet werden können, und zwar auch dann nicht fehlte es an solchen, wenn man den Vergleich von einem ausschliesslich morpholo- gischen Standpunkte aus zu führen gezwungen würde. Es haben denn auch — für die Vertebraten — die beiden Auffassungen ihre Vertreter gefunden: LeypıG!) fasst Seitenorgane, becherförmige Organe, sowie einige andere noch problematischere Sinneswerkzeuge als »Organe eines sechsten Sinnes« zusammen. »Ueberbliekt man Alles«, so drückt er sich in einer seiner neueren Publieationen? aus, »was bisher von mir und Anderen über die eigenthümlichen Organe, wie sie in der äusseren Haut, dann in der Schleim- haut der Mund- und Rachenhöhle bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugethieren vorkommen, ermittelt wurde, so wird wohl Niemand bestreiten können, dass sie alle verwandtschaftlich zusammengehören, etwa in der Sprache systematischer Aufstellungen als Familie einer Organgruppe: ebenso klar ist aber auch, dass sie unter sich Verschiedenheiten aufzeigen, welche uns berechtigen können, sie wieder in Untergruppen zu zerlegen. « F. E. Scuurze3) dagegen ist mit diesem Zusammenwerfen von Seitenorganen und becherförmigen Organen nicht einverstanden. Indem er das die betreffenden Organe Unterscheidende hervorhebt, kommt er vielmehr zur Vertretung einer scharfen Trennung beider, und dieser Auffassung hat sich MaLsranc! auf Grund seiner eigenen Erfahrungen angeschlossen. Das Problem stellt sich nun aber, unserer Ansicht nach, in der Erwägung folgender Möglich- keiten dar. Erstens: Von den diffus angeordneten, als Geschmackswerkzeuge*) fungirenden becherförmigen Or- ganen haben sich einzelne, und zwar in jedem Segmente ein Paar, unter allmählicher Umbildung ihrer Function, in segmentale Seitenorgane umgewandelt. Oder zweitens: Aus segmentalen, als eigenthümliche Tastapparate fungirenden Seitenorganen sind unter allmählicher Veränderung ihrer Function, mit Hülfe eines Vermehrungsprocesses, zahlreiche diffus angeordnete becherföürmige Organe hervorgegangen. Oder drittens: Die als eigenthümliche Tastapparate fungirenden Seitenorgane, sowie die die Rolle von Geschmackswerk- zeugen spielenden becherförmigen Organe haben sich unter allmählicher Differenzirung und specifischer In- nervation, die einen segmental, die anderen diffus, aus indifferenteren Sinneshügeln heraus entwickelt. Oder endlich viertens: Seitenorgane und becherförmige Organe sind beide unabhängig von einander, die einen segmental, die anderen diffus, aus ihrem gemeinsamen Mutterboden, aus der Epidermis heraus, ent- standen. Für das Eingetretensein der ersten, sowie der zweiten der erwogenen Möglichkeiten lassen sich — ganz abgesehen von der schwer vorstellbaren physiologischen Seite eines solchen Umwandlungsprocesses — nicht die geringsten Anhaltspunkte finden; gerade bei den Capitelliden, bei welchen wir doch gegenüber den Vertebraten ursprünglichere Zustände voraussetzen müssen, gerade bei ihnen, sind Seitenorgane und becherförmige Organe, wo immer sie neben einander vorkommen, so scharf unterschieden, dass man nie einen Augenblick darüber in Zweifel sein kann, welcherlei Vertreter von beiden man vor sich habe. Ueber die dritte der in's Auge gefassten Eventualitäten könnten, da unter den heutigen Capitelliden- formen keine mit solch indifferenten Hügeln ausgerüstete Arten mehr erhalten zu sein scheinen, vielleicht Erfahrungen aus der Ontogenie entscheiden; aber, weder von Vertebraten, noch von Capitelliden ist das Geringste über die Entwickelungsgeschichte der becherförmigen Organe bekannt, und auch das, was über die Entstehung der Seitenorgane (bei Vertebraten) erforscht worden ist, gewährt uns noch keinen Einblick in das Wesen der Anlage dieser Organe. Die Zulässigkeit der Ansicht, dass Seitenorgane und becherför- mige Organe von neutraleren Sinneshügeln abstammen, müssen wir demnach dahingestellt sein lassen, so dass allein noch der vierte der von uns erwogenen Fülle übrig bleibt, welcher nichts präjudieirt, sich auf Rp Alzeep: 2) ARE pH ep lie 3) 1. p. 521 (Sinnesorgane Seitenlinie). e. p. 81. Alel.spe BOSCH 25 *), Bezüglich der Function der Seitenorgane und becherförmigen Organe vergleiche man: Physiologischer Theil, Kapitel Sinnesorgane. V. Sinnesorgane. 5. Vergleich der becherförmigen Organe mit den Seitenorganen. 557 eine unbestreitbare Thatsache (Abstammung vom FEetoderme stützt, und sich daher auch unserer Ansicht nach — vorläufig wenigstens — als der für die weitere Erforschung der beiden Organgruppen fruchtbarste Standpunkt allein zur Annahme empfiehlt. Wie man aus dieser Reproduction ersieht, habe ich mich seiner Zeit hinsichtlich der Frage nach den Beziehungen von Seiten- und Becherorganen denjenigen For- schern angeschlossen, welche eine strenge Scheidung, sei es auf Grund physio- logischer oder morphologischer Criterien befürwortet hatten. Dabei war für mich in erster Linie das Factum maassgebend, dass sich bei zwei so weit von einander abstehenden Thiergruppen, wie die Capitelliden einer- und die 'Teleostier andererseits, die betreffenden zwei Organsysteme gleicherweise in unverkennbarem Dualismus manifestiren. Ferner hielt ich dafür, dass eine befriedigende Erklärung der Gesammter- scheinungen eher dadurch erreicht werden könne, dass wir an der durch diese Fälle so klar ausgedrückten Divergenz festhalten, als durch das entgegengesetzte Bestreben, sei es nun dass man, wie Leypiıs, alle Sinneshügel für Variationen eines und desselben Themas hielt, sei es dass man, wie Toparo, JoBerT und Zincone, speciell den Becherorganen neben ihrer Func- tion von Geschmacks- auch noch solche von Tastorganen zuerkannte. Auch heute noch bin ich der Ansicht, dass die in erster Linie von Seiten F. E. Scnurze's vertretene Zwiespältigkeit der beiden Organsysteme nicht nur der weiteren Forschung mehr genützt, als geschadet habe, sondern, dass sie auch für gewisse T'hiere nach wie vor in vollstem Maasse zutreffend sei. Für gewisse 'Thiere, aber, wie neuere, im nächsten Abschnitte zu besprechende Erfahrungen gezeigt haben, nicht für alle; und darin liegt Ein Motiv, meinen früheren Standpunkt, der auf der Voraussetzung basirte, dass sich im ganzen 'Thierreiche alle Sinneshügel auf die eine oder andere Kategorie, das heisst entweder auf Becher- oder auf Seitenorgane zurückführen liessen, zu modificiren. Das zweite Motiv hierfür liegt sodann in der Herleitung der Anneliden - Seitenorgane aus Anneliden-Cirren, respective in der Herleitung der aggregirten Hügel aus ursprünglich zerstreut stehenden Sinnespapillen. Aus dieser Herleitung folgt nämlich zwingend, dass nicht, wie ich früher glaubte, die vierte der oben für die Phylogenese der zwei Organsysteme erwo- genen Möglichkeiten, sondern vielmehr die dritte, nach welcher sich sowohl Becher-, als Seitenorgane unter allmählicher Differenzirung, die einen diffus, die an- deren segmental aus indifferenteren Organen heraus entwickelt hätten, als die zutreffendere betrachtet werden muss. gegenüber der früheren so einfach auf oO Von diesem Standpunkte aus erscheint zwar ein »Entweder — Oder« hinauslaufenden Alternative die Frage gewaltig complieirt; aber andererseits vermögen wir nun auch dank einem so viel weiteren Gesichtskreise den neueren Thatsachen viel leichter gerecht zu werden. Wenn nämlich Becher- und Seitenorgane nur divergente Zweige jener neutraleren, schon bei niedersten Thieren zur Ausbildung gelangten Sinnes- oder 'Tastpapillen darstellen, so ist leicht einzusehen, dass diese beiden Zweige nicht die einzigen zu sein brauchten, die 558 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. sich aus jenen heraus entwickelt haben, dass vielmehr erstens indifferente Sinnespapillen wenig verändert bestehen bleiben, respective als solche sich fortentwickeln, oder zweitens, dass solche auch noch in anderer Weise (als zu Becher- und Seitenorganen) modifieirt werden konnten. In’s Physiologische übersetzt: Gegen das Vorhandensein solcher Sinneshügel, die weder gleich den exquisiten Becherorganen dem Geschmacks-, noch gleich den exquisiten Seitenorganen dem (für das Wasserleben modificirten) Tastsinne dienen, vielmehr Perceptionen anderer Natur vermitteln, lässt sich a priori nichts mehr einwenden. Diese Einsicht wird uns aber für das Verständniss der im nachfolgenden Abschnitte zu betrachtenden Fälle von grösstem Nutzen sein. 6. Sinneshügel, welche sich vorläufig weder in die Kategorie der Seiten- organe, noch in diejenige der becherförmigen Organe einreihen lassen. Beginnen wir mit den Anneliden. Es sind ausschliesslich durch VEsDovsky von Oligochaeten bekannt gewordene Sinnes- hügel, mit denen wir uns zu beschäftigen haben. Die Lumbriculiden (Lumbriculus, Claparedilla, Rhynchelmis) haben diesem Forscher') zufolge an einer grossen Zahl von Segmenten je ein Paar retractiler, in der Seitenlinie ge- legener, mit Sinnesborsten ausgerüsteter Hügel, welche aus zarten Fadenzellen mit spindel- förmigen Kernen aufgebaut sind. VEsDovsky nennt diese Organe Tastorgane, führt sie unter den becherförmigen Organen auf und vergleicht sie mit den Seitenorganen der Capitelliden. Kein Zweifel, diese Sinneshügel der Lumbriculiden erinnern durch ihre Lagerungs- verhältnisse auffallend an die Seitenorgane der Capitelliden; aber zum Behufe ihrer definitiven Einordnung in diese Gruppe müssten doch erst exactere Angaben, insbesondere auch über die Structur-, Grössen- und Innervationsverhältnisse gemacht werden, als die jetzt vorliegen- den, und aus diesem Grunde habe ich sie auch hier unter den Organen »incertae sedis « aufgeführt. Noch fraglicher hinsichtlich ihrer Einreihung sind die durch VespovskyY?) von Naido- morphen, speciell von Slavina appendiculata, als Tasthügel beschriebenen Organe. Letztere wiederholen sich auf allen Segmenten zu je 15—20 in gürtelförmiger Anordnung, entbehren der Retractilität und werden von den sogenannten Ganglienzellsträngen (also nicht vom Üen- tralnervensysteme) aus innervirt. Um diese pseudometameren Hügel von Slavina den Seitenorganen anreihen zu können, müsste zuvor die Fähigkeit letzterer Organe sich zu vermehren auch bei den Anneliden (wo V. Sinnesorgane. 6. Sinneshügel, welche sich vorläufig weder in die Kategorie der Seitenorgane, ete. 559 wir sie ja bis jetzt ausschliesslich paarweise an jedem Segment angetroffen haben) nachge- wiesen sein. Sie ferner als Becherorgane gelten zu lassen, würde die {erst noch zu begrün- dende) Voraussetzung erheischen, dass die diffuse Anordnung letzterer Organe sich in eine pseudometamere verwandeln könne. Es bleibt daher auch drittens, vorläufig wenigstens, die Möglichkeit bestehen, dass wir es in den segmentweise in ringförmiger Anordnung sich wie- derholenden Hügeln von‘ Slavina mit weniger einseitig differenzirten Fortbildungen jener neu- traleren Sinnespapillen zu thun haben, aus welchen sich einerseits die diffusen Becher- und andererseits die streng metameren Seitenorgane entwickelt haben. Zu ganz ähnlichen Erwägungen führen gewisse Sinneshügel der Hirudineen. \ Sie wurden von LeyviG') entdeckt und, wie ich bereits früher hervorzuheben hatte”), waren es gerade diese Organe, welche genannten Forscher zuerst zum Vergleiche mit den Becherorganen der Fische bewogen haben. Was für diese 'Thiergruppe von vornherein schon die Frage nach der Bedeutung der Hügel oder Becher erschwerte, war der so überraschende Nachweis Leyvig's, dass die in un- mittelbarer Nachbarschaft von den Bechern gelegenen Augen sich nicht nur ganz ähnlich gebaut, sondern auch aus denselben Kopfnerven innervirt zeigten. Aber nicht genug damit; nachdem Lrvvis hinsichtlich der Verbreitung der Becher constatirt hatte, dass sie haupt- sächlich am Kopfe und an den Lippen gedrängt stehen und dass die Körperringe jenseits der Augen tragenden Segmente nur noch einzelne aufweisen, trat Wrrrman?) mit der Entdeckung hervor, dass ähnliche Organe an allen Körpersegmenten, und zwar in der Regel 6—S dorsal und 6 ventral an jedem Segmente vorkommen. Ihre Anordnung ist polymetamer ringförmig und zugleich derart symmetrisch, dass eine bestimmte Zahl von Längsreihen unterschieden werden kann. Auf Grund dieser gesetzmässigen Längsvertheilung gelang es sodann Wnrrman festzustellen, dass die Augen auch diesen segmentalen Papillen, wie Autor die Organe des Rumpfes nennt, serial homolog seien. WHırtman ist nun der Ansicht, dass wir, der Structur nach, wenigstens drei verschiedene Classen von Sinnesorganen bei den Hirudineen zu unterscheiden hätten. Nämlich erstens die segmentalen Papillen des Körpers und Kopfes nebst den nicht segmentalen, über der Kopf- fläche zerstreut stehenden Sinnesknospen; zweitens die von den segmentalen Papillen abstam- menden Augen und drittens die becherförmigen Organe der Lippen. Hinsichtlich der Function betrachtet derselbe Autor die zuletzt genannten Organe als solche, welche zugleich dem Geschmacks- und Tastsinne dienen, und die segmentalen Pa- pillen sollen ähnlich wie die Augen Perceptionen des Lichtes, nebenbei aber auch solche des Geruches vermitteln können. a) Vergl. p. 548. Il. p. 548. ce. p. 599., 1. p. 463. c. Tafeln., 1..p. 319. c. p.. 100. 2) Wurrman, C. External Morphology of the Leech. Proc. Amer. Acad. Boston. Vol. 20. 1884. p. 76—87. —— , The Leeches of Japan. Part I. Q. Journ. Mier. Sc. (2) Vol. 26. 1886. p. 392—410. Man vergleiche auch Acassız und Wuırman 1]. p. 526. ec. p. 30—32. 560 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Man sieht, dass trotz der so eingehenden Darstellungen Leypie’s und Wnırwans, welche ich, da ja hier nur einzelne Hauptpunkte hervorgehoben werden konnten, in den Originalen nachzulesen bitten muss, hinsichtlich der Beziehungen dieser Hirudineen-Sinnesorgane sowohl untereinander, als auch mit denjenigen anderer 'T'hiergruppen noch nicht erwünschte Klar- heit herrscht. Am leichtesten liessen sich noch die an den Lippen der Egel befindlichen Hügel ein- ordnen, da sie einmal durch ihre Beziehungen zum Munde und sodann durch ihren seitens Levpıc’s nachgewiesenen Besitz von Sinneshaaren entschieden an Becherorgane erinnern. Ich hätte sie auch ohne Weiteres dieser Hügelkategorie zugetheilt, wäre nicht gerade durch Leyois auch ihre generelle Uebereinstimmung mit den benachbarten Augen hervorgehoben worden. Und was die segmentalen Papillen Whrrman’s betrifft, so ist die Sache noch viel verwickelter; denn diese Papillen sollen nicht nur morphologisch und physiologisch den Augen gleich- werthig sein, sondern auch durchweg der Sinneshaare entbehren. Unter solchen Umständen kann meiner Ansicht nach, vorläufig wenigstens, an einen Vergleich zwischen den polymetameren Hirudineen-Papillen und den Seitenorganen der Anne- liden, respective der Vertebraten noch nicht gedacht werden, um so weniger, als auch die landbewohnenden Egel jene Organe besitzen. Und wenn schon dadurch dem Versuche Whıt- MANS, die Mehrzahl der Seitenlinien bei Vertebraten auf eine ursprüngliche pseudometamere Anordnung der Seitenorgane zurückzuführen, die Basis entzogen wird, so liesse sich dieser Versuch noch weniger aufrecht erhalten, eingedenk des im Vorhergehenden gelieferten Nach- weises, demzufolge bei den Vertebraten die erste Anlage der Seitenorgane in streng meta- merer Weise erfolgt, sowie eingedenk der mit Unrecht von Wnırman in Zweifel gezogenen Thatsache, dass diese Organe einer nachträglichen Vermehrung durch 'Theilung anheimfallen können. Bestätigt sich Wnırmans Annahme, dass die pseudometameren Sinnespapillen der Hiru- dineen ebenso wie diejenigen des Kopfes in erster Linie Lichtperceptionen zu vermitteln haben, so wäre als vergleichbarer Bildungen in erster Linie der — allerdings streng metamer sich wiederholenden — Seitenaugen von Polyophthalmus zu gedenken und weiterhin zu erwägen, ob sich ebenso wie die Seitenorgane und Becherorgane auck diese mehr oder weniger streng segmental angeordneten Augen als Derivate jener neutraleren Sinnespapillen auffassen lassen. Diese Erwägung wäre um so mehr am Platze, als wir ja auch noch bei gewissen Vertebraten (neben Seiten- und Becherorganen) sogenannte Seitenaugen antreffen. In Anbetracht der neuerdings wieder, insbesondere durch die Forschungen Laxg’s, in den Vordergrund gestellten Beziehungen zwischen Hirudineen und Plathelminthen, ist es von Interesse, dass auch bei letzteren, speciell bei den Tricladen, am vorderen Körpertheile neben zahlreich zerstreuten Augen an Becherorgane erinnernde Sinnesapparate vorkommen. Lang), Ü) Lang, A. Untersuch. zur vergl. Anat. und Histol. des Nervensystems der Plathelminthen. IV. Das Nervensystem der Tricladen. Mitth. Z. Stat. Neapel. 3. Bd. 1881. p. 64. V. Sinnesorgane. 6. Sinneshügel, welche sich vorläufig weder in die Kategorie der Seitenorgane etc. 561 der diese von Moserey an conservirtem Materiale entdeckten Organe in frischem Zustande untersucht hat, schrieb Folgendes über dieselben: »Interessant werden nun aber die Beziehungen des Gehirns zu besonderen Sinnesorganen, die Mo- SELEY als »ciliated sacs« bezeichnet. Es kommen nämlich im Kopftheile von Bipalium ausser den an seiner ganzen Rückseite zerstreuten, zahllosen Augen am vorderen Rande noch flaschenförmige Einstülpungen des Epithels in das darunter gelegene Parenchym vor, welche dem Vorderrande des Kopftheils parallel im Halb- kreise, zwischen besonderen Papillen liegend, angeordnet sind. Der Bauch des flaschenförmigen Organes trägt nach Moserey einen Besatz mit Cilien, die in das Lumen der Höhle vorspringen. Ich vermuthe, dass diese Cilien wirkliche Sinneshaare sind. Da Moserey sie nur an conservirtem Material untersucht hat, so ist eine solche Vermuthung wohl erlaubt. Bestätigt sie sich, so haben wir hier Organe vor uns, die mit den becherförmigen Organen der Hirudineen und Anneliden in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen ; denn Moserey hat nachgewiesen, dass von dem Boden eines jeden der »ciliated sacs« ein Nerv entspringt und die Zone fremden Gewebes, welche das Gehirn vom Körperrande trennt, durchsetzt, um in's Gehirn selbst einzutreten. « Diese Sinnesapparate der Tricladen können natürlich noch viel weniger ohne Weiteres mit Becherorganen verglichen werden, als diejenigen der Hirudineen; vielmehr entsteht auch ihnen gegenüber die Frage, ob wir es nicht mit solchen Organen zu thun haben, die sich direct aus aggregirten Sinneszellen oder aus Sinnespapillen entwickelt haben. In besonders auffälliger Weise sind die Chaetognathen mit Sinneshügeln ausgerüstet. Hinsichtlich der Zahl, Form, Grösse und Vertheilung sind diese Hügel je nach den Arten und Altersstadien ungewöhnlich grossen Schwankungen unterworfen. Gleichwohl lassen sich in hi- stologischer Beziehung alle auf den für solche Nervenendapparate giltigen Typus zurückführen ; insbesondere fehlen niemals die so charakteristischen Sinneshaare. Auf diese Hügel ist zwar schon von zahlreichen älteren Forschern hingewiesen worden, aber eine eingehendere Unter- suchung haben sie doch erst in den letzten Jahren erfahren. Zunächst durch LAnGErHANs'), der ihren Aufbau aus centralen Sinneszellen und einem indifferenten peripheren Epithel con- statirt und zugleich hervorhebt, dass sie bald in zahlreichen Querringen, bald longitudinal, bald endlich weniger regelmässig angeordnet ständen. Sodann durch ©. Herrwis?), der die Hügel als Tastorgane bezeichnet und ähnlich wie LANGERHANS deren meist regelmässige Anordnung zu Querringen und Längsreihen betont. Die aussergewöhnlich entwickelten Organe von Spadella sollen sich im Wesentlichen weder morphologisch, noch physiologisch von den gewöhnlichen 'Tasthügeln unterscheiden. Endlich durch Grassr®), der die von den eben genannten Autoren vertretene regel- mässige Anordnung der Sinneshügel als eine nur scheinbare bestreitet. Was uns hier aber in höherem Grade interessirt: Grasst hält diese Hügel ebenfalls für Tastorgane und vergleicht sie mit den Seitenorganen der Anneliden und Vertebraten. Nach allen vorhergehenden Auseinandersetzungen wird es einleuchten, dass ich auch diesem Vergleiche vorläufig noch nicht beistimmen kann, indem ja Grassts eigenen Angaben zufolge die Hügel der Chaetognathen nie anders, als in diffuser Anordnung angetroffen werden. 1) LAnGERHANs, P. Das Nervensystem der Chaetognathen. Monatsber. Akad. Berlin 1878. p. 193. 2) Herrwıs, O. Die Chaetognathen ete. Eine Monographie. Jena 1880. p. 19. 3) Grassı, B. I Chetognati etc. Fauna und Flora, Golf von Neapel. Leipzig 1883. p. 6l und 109. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 71 562 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Die Beantwortung der Frage, ob hier Beziehungen zu den Seitenorganen oder Becher- organen vorhanden sind, oder aber, ob sich die Hügel unabhängig von beiden aus Sinnespa- pillen entwickelt haben, muss daher so wie in den früheren Fällen vorerst unentschieden bleiben. Nur als Beitrag zur Kenntniss der grossen Verbreitung dieser unserer Sinnesorgane sei erwähnt, dass sie auch bei den Bryozoen vorkommen; denn Vocr'!) hat von Loxosoma Ein Paar Sinneshügel beschrieben, welche alle wesentlichen Merkmale dieser Organe, vor Allem die Sinneshaare aufweisen. An die Erörterung der morphologischen oder physiologischen Beziehungen dieser Hügel kann natürlich auch noch nicht gedacht werden. Sodann sind hier auch die Mollusken zu erwähnen. Abgesehen von den in dieser Gruppe so weit verbreiteten und durch ihre Erstreckung in die Mundhöhle so scharf charakterisirten becherförmigen Organen wurden von HALLEr?) gewisse Sinneshügel der Rhipidoglossen als Seitenorgane beschrieben. Diese Hügel liegen bei Fissurella basal von den Zöttchen, oder sogenannten Seitentastern zu je 22—24 jeder- seits; bei Trochus sind entsprechend der Reduction der Seitentaster auch die Hügel auf 4 jederseits reducirt. Sowohl die Zöttchen, als die Seitenorgane werden von den oberen Nerven der Pedalstränge innervirt, und zwar derart, dass der Nerv, an der Zottenbasis angelangt, ein Ganglion bildet, von dem ein Ast zur Zotte und ein anderer zum Hügel verläuft. In Anbetracht, dass Haıver diese Hügel mit den Seitenorganen der Anneliden und Vertebraten vergleicht, hätte man erwarten sollen, dass er in erster Linie die fundamentale morphologische Frage, nämlich die Beziehungen zur Körpersegmentirung in's Auge fasste und uns darüber aufklärte, in welcher Weise sich die typischen für die Anneliden und Verte- braten festgestellten Verhältnisse mit der Mollusken-Organisation in Einklang bringen lassen. Aber wir suchen vergebens nach etwas Derartigem; der ganze Vergleich dreht sich um die Erörterung der »Sinneszellen« und »Stützzellen«, als ob in morphologischen Fragen dieses Kalibers das histologische Detail einseitig zu entscheiden vermöchte. Wenn ich diese an den Zöttchen der Rhipidoglossen gelegenen Hügel hier aufführe, so geschieht es im Hinblicke darauf, dass ihre wahre Natur erst noch der Feststellung bedarf. Abgesehen von ihren fraglichen Beziehungen zu Seitenorganen kommen auch solche zu den Becherorganen in Betracht; denn wir haben schon in einem vorhergehenden Abschnitte ge- sehen *,, wie die Behauptung Harrer's, dass die Becherorgane der Rhipidoglossen auf die Mund- höhle beschränkt seien, durch FrEuminG zurückgewiesen wurde, indem Letzterer an denselben Zöttchen, von denen Harrer die Seitenorgane beschreibt, auch das Vorhandensein von Becher- organen constatiren konnte. Harzer kannte zwar die Hügel der Zottenbasis (die von ihm so- genannten Seitenorgane,, nicht aber die Becherorgane der Zotte, FiLemmınG kannte dagegen nur letztere und nicht erstere, und so bleibt erst noch festzustellen, ob denn nicht beide eines und dasselbe sind. a) Vergl. p. 552. l, Vocr, C. Sur le Loxosome des Phascolosomes etc. Arch. Z. Exper. Tome 5. 1876. p. 312. 2) 1. p. 551. (Rhipidoglossen) e. p. 44. V. Sinnesorgane. 6. Sinneshügel, welche sich vorläufig weder in die Kategorie der Seitenorgane ete. 563 Endlich muss auch noch hervorgehoben werden, dass in wenig anderen "T'hiergruppen die neutralen Sinneszellen und Sinnespapillen so massenhaft und so verbreitet vorkommen wie gerade bei den Mollusken, und dass in Folge dessen gerade bei ihnen in jedem ge- gebenen Falle auch die Frage nahe liegt, ob wir es mit neutralen Papillen, respective mit solchen Derivaten derselben zu thun haben, die weder mit Seiten-, noch mit Becheror- ganen zusammenfallen. Nur nebenbei möchte ich in diesem Sinne erwähnen, dass die so massenhaften Augen gewisser Lamellibranchiaten und Gastropoden in dem Momente aufhören für den Morphologen so verwirrend zu sein, in dem wir auch sie als einseitige Entwickelungen dieser an sich schon massenhaft über den Körper zerstreut stehenden, neutralen Sinnespapillen auffassen, das heisst derselben Elemente, die auch nach anderer Richtung hin sich in speeifische Sinnesapparate, nämlich in Becher- und Seitenorgane differenzirt haben. Schliesslich haben wir noch der Eehinodermen zu gedenken. Es sind speciell die Syn- aptiden, von deren Körperfläche bereits SEMPEr') eigenthümliche » Tastpapillen« beschrieben hat. Genauer wurden sodann diese Papillen durch Hamann’) untersucht. Ausserdem entdeckte Letzterer eine zweite Kategorie von Sinnesorganen auf der Innenseite der Tentakel jener Thiere, welche er als Sinnesknospen beschrieb und als mögliche Geschmacksorgane deutete. Semon°) schloss sich dieser Auffassung an, indem nicht nur die Lage, sondern auch der Bau der betreffenden Organe dafür spreche, dass man es mit »becherförmigen Geschmacksorganen« zu thun habe. Auch ich halte für wahrscheinlich, dass die an der Innenseite der Tentakel gelegenen »Sinnesknospen« Haumanxs sich als in die Kategorie der Becherorgane gehörig herausstellen werden; wie es sich dagegen mit den auf dem Körper zerstreut stehenden »Tastpapillen« verhält, ob sie als »neutrale Sinnespapillen« zu betrachten sind, oder aber anderen Sinneshügeln ent- sprechen, das lässt sich vorläufig noch nicht entscheiden. ) 1. p. 364. ec. p. 153 (fide Hamann). ) Hamann, O. Beiträge zur Histologie der Echinodermen. Heft 1. Die Holothurien. Jena 1884. p. 18—24. ) SEmon, R. Beiträge zur Naturgeschichte der Synaptiden des Mittelmeeres. Mitth. Z. Stat. Neapel. 1 2 7. Bd. 1887. p. 286. VI. Parapodien. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.’ Die Parapodien der Capitelliden erscheinen gegenüber denjenigen der meisten anderen Polychaeten sehr wenig ausgebildet. Dies gilt aber nur für die äusseren einfach warzen- oder wulstförmigen, aller Anhänge entbehrenden Stummel; die wesentlichen Theile dagegen, die Borstendrüsen, zeigen sich auch in unserer Familie in sehr vollkommener Weise entwickelt. Das an sich geringe äussere Relief, wenigstens der thoracalen, sowie der in gewissen Gattun- gen ähnlich gebauten abdominalen Parapodien kann zeitweilig dadurch ganz und gar zum Ver- schwinden kommen, dass die erwähnten Organe in die Körperhöhle hineingezogen werden, was auch einzelne Autoren zu dem Iırthume veranlasst hat, unseren Thieren den Besitz von Fuss- stummeln überhaupt abzusprechen. Mit Ausnahme von Capitella erstrecken sich die Parapodien bei allen Gattungen vom zweiten Körpersegmente in ununterbrochener Reihe bis zu dem (gleich dem ersten oder Mundsegmente borstenlosen) Aftersegmente. Es sind nur, ähnlich allen anderen Organen, auch die Parapodien um so unvollständiger ausgebildet, je mehr man sich dem Endsegmente nähert. Das abweichende Verhalten von Capitella ist insofern von keiner besonderen morpho- logischen Bedeutung, als gewisse Lagerungsverhältnisse insbesondere des Centralnervensystemes dafür sprechen, dass bei ihr das eigentliche Mundsegment als mit dem Kopflappen ver- schmolzen und daher auch ihr erstes Körpersegment als dem zweiten aller übrigen Formen gleichwerthig betrachtet werden müsse. Bei allen Arten und Gattungen sind die betreffenden Segmente je mit zwei symmetrisch angeordneten Paaren, nämlich einem hämalen und einem neuralen, ausgerüstet und diese Paare sind im Gegensatze zu vielen anderen Anneliden sowohl hinsichtlich der äusseren Stummel, als der inneren Drüsen stets vollkommen unabhängig von einander ausgebildet. Abgesehen von den vorderen Thoraxsegmenten, deren topographische Verhältnisse durch die gewaltige Entwickelung der Rüsselmuskulatur verschiedenartige Modificationen erfahren haben, liegen die Parapodien stets an den Segmentenden in einer und derselben Ebene mit %) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil« p. 98—110, 181—1S6, 219—221, 238—240 und 262—269. VI. Parapodien. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 565 den Seitenorganen. Bezüglich der Queraxe liegen die neuralen stets unterhalb und die hä- malen stets oberhalb der Seitenlinie, so dass also die Drüsenabschnitte der ersteren in die Nieren- und diejenigen letzterer in die Darmkammern hineinragen. Zu dem insbesondere bei den Gattungen Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus ausgeprägten Gegensatze von Vorder- und Hinterleib oder Tho- rax und Abdomen tragen nicht wenig die Parapodien bei. Im Thorax haben sie die Form massiver, ausschliesslich Pfriemenborsten als geschlossene Bündel umfassender, tief in die Leibeshöhle hineinragender Keulen, welche sich hämal und neural ganz ähnlich verhalten und in geradliniger Reihe (ebenfalls ohne Veränderung ihres Habitus) aufeinanderfolgen. Im Abdomen dagegen machen sie sich als oblonge, wulstförmige, ausschliesslich Haken (in reihenförmiger Anordnung) tragende, nur indirect durch die Para- podhöhlen mit der Leibeshöhle in Beziehung stehende Erhebungen des Hautmuskelschlauches geltend, die sich sowohl neural und hämal, als auch dem genannten Körperabschnitte entlang bezüglich der Grösse und des Lagerungsverhältnisses sehr verschieden verhalten. Im Abdo- menanfange übertreffen nämlich die neuralen Parapodien die hämalen um ein Mehrfaches an Grösse; erstere erstrecken sich vom Bereiche der neuralen Medianlinie bis zur Rückenfläche und die hämalen kommen in Folge dessen ganz auf die letztere Fläche zu liegen. Weiterhin aber nehmen die neuralen Parapodien allmählich an Umfang ab und in dem Maasse, als sie nicht mehr so hoch zum Rücken hinauf reichen, vielmehr die ventralen Flanken einnehmen, rücken auch die hämalen auf die dorsalen Flanken herab, bis gegen das Körperende hin hä- male wie neurale Parapodien gleich grosse und gleich weit von den Körperaxen entfernt ge- legene Bogenstücke des Leibesumfanges einnehmen. Der Grössen- und Lagerungscontrast dieser Parapodien hängt wesentlich mit der im Abdomenanfange genannter Gattungen so ungeheuer gesteigerten und im weiteren Verlaufe wieder zu normalerem Umfange herabsinkenden neu- ralen Längsmuskulatur zusammen. Wo die Grenzlinie dieser Muskulatur oder die Seitenlinie bis zur Rückenfläche heraufreicht, da erstrecken sich auch die neuralen Parapodien so hoch hinauf: wo sie nur bis zur Mitte des Leibesumfanges ansteigt, da bleiben auch diese Organe auf solche Ausdehnung beschränkt; kurz die Erstreckung der abdominalen Parapodien von Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus wechselt ganz im Einklange mit derjenigen der Muskulatur oder, wenn man die Parapodien als das Wirksame betrachtet, umgekehrt. . Notomastus und Dasybranchus haben im Thorax ausschliesslich Pfriemenborsten und im Abdomen ausschliesslich Haken; Mastobranchus führt zwar in den thoracalen Parapodien eben- falls nur Pfriemen, in seinen S0 ersten hämalen des Abdomens dagegen kommen Pfriemen und Haken gemischt vor, so dass schon dieses Verhalten einer Charakterisirung von Thorax und Abdomen allein nach der Borstenform im Wege steht. In noch höherem Grade aber wird diese Charakterisirung, wenigstens für die Familiendiagnose, hinfällig gegenüber dem Ver- halten der anderen Gattungen. Heteromastus hat nämlich im Thorax nur vom 2.—6. Segmente Pfriemen, im 7.—12. dagegen Haken (welche allerdings noch sehr an Pfriemenborsten erinnern; Capitomastus scheint sich Heteromastus enge anzuschliessen und Capitella endlich ist in den 566 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ersten 6 Parapodpaaren ihres auf 9 Segmente reducirten Thorax nur mit Pfriemen, im 7. mit Haken und Pfriemen in regelloser Mischung zugleich, und im 8. und 9. lediglich mit Haken (welche vollständig mit den abdominalen übereinstimmen) ausgerüstet. In jugendlichen 'Thieren dieser Gattung erstrecken sich auffallender Weise die Haken sogar noch auf weiter nach vorn gelegene Segmente. Wir treffen nämlich bei 1I—3 mm langen juvenes nur in den 3 ersten Thoraxsegmenten Pfriemen, im 4. Pfriemen und Haken gemischt und vom 5.—9. nur Haken; bei 3—5 mm langen in den 4 ersten Pfriemen, im 5. Pfriemen und Haken und vom 6.—9. nur Haken; bei 5—10 mm langen in den 5 ersten Pfriemen, im 6. Pfriemen und Haken und vom 7.—9. nur Haken; von da ab endlich tritt die für die Erwachsenen geschil- derte definitive Vertheilung ein. Eine weitere Eigenthümlichkeit dieses Genus liegt darin, dass bei den männlichen 'Thieren die hämalen Parapodien des 8. und 9. Segmentes zur Bil- dung eines Copulationsapparates herangezogen werden. Nachdem solche 'Thiere eine Länge von S—10 mm erreicht haben, beginnen sich die erwähnten, bis dahin mit den übrigen voll- ständig übereinstimmenden Parapodpaare mächtig auszudehnen und an Stelle der normalen Haken treten colossale, eylindrische, spitz und gekrümmt endigende Genitalborsten, welch’ letztere als solche neben den normalen, provisorischen zur Anlage und Entwickelung gelangen. Der für die drei ersten Gattungen so bezeichnende Gegensatz zwischen den Parapo- dien des Thorax und des Abdomens, sowie auch derjenige zwischen den neuralen und hämalen Toris letzterer Körperabtheilung hat bei Heteromastus viel von seiner Schärfe verloren, indem dessen abdominale Organe an keiner Stelle so flächenhaft ausgedehnt sind. Und bei Capitella hört dieser Gegensatz nahezu ganz auf; thoracale und abdominale, hämale und neurale Organe stellen gleicherweise bewegliche, Pfriemen oder Haken führende Keulen dar. Entsprechend diesem Mangel der langgezogenen "Tori finden wir denn auch in letzteren beiden Gattungen kein solches Ansteigen der Seitenlinie im Abdomenanfange; diese Linie verläuft vielmehr in nahezu gerader Richtung von dem einen Körperende bis zum anderen, das heisst die hämalen und neuralen Längsmuskelstränge nehmen an allen Stellen des Körpers ungefähr gleiche Theile des Leibesumfanges ein. Während sich Mastobranchus hinsichtlich des Gesammthabitus der Parapodien den zwei ersten und Heteromastus der fünften Gattung anschliesst, haben die zwei genannten Formen allen anderen gegenüber das unter sich gemein, dass die T,ocomotionsorgane der hintersten Körperabtheilung auf neuralen und hämalen Segmentfortsätzen eingepflanzt stehen. Was die Structur betrifft, so ergiebt sich an den thoracalen Parapodien von Notomastus und Dasybranchus, sowie an den dem ganzen Körper entlang einen ähnlichen Typus zur Schau tragenden von Heteromastus und Capitella ohne Weiteres, dass wir zwei Theile zu unterscheiden haben: nämlich einen sehr umfangreichen, proximalen, borstenerzeugenden, welcher stets in der Leibeshöhle eingeschlossen liegt, und einen viel kleineren distalen, die freien Borsten um- schliessenden, welcher nach aussen ragt. Von diesen beiden ganz continuirlich in einander übergehenden 'Thheilen haben wir den ersteren als das Aequivalent der Borstendrüse und den letzteren, allein von der Hypodermis bedeckten als dasjenige des Fussstummels zu betrachten. VI. Parapodien. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 567 Auf diesen Fussstummel gehen nun die benachbarten Schichten des Hautmuskelschlauches nicht continuirlich über; denn, abgesehen von der Längsmuskulatur, welche ja gar nicht in Betracht kommt, da die Locomotionsorgane in der ihre Bündel scheidenden Spalte liegen, weicht auch die Ringmuskulatur vor und hinter jedem Parapodium halbkreisförmig aus, so dass eine lediglich vom Stummel und seiner hypodermalen Decke eingenommene Lücke im Muskelschlauche entsteht. Dadurch aber, dass die Hypodermis nicht glatt auf den Stummel übergeht, sondern zuvor eine tiefe in das Cölom hineinragende Falte bildet, ist im Vereine mit der ringförmigen Durchbohrung des Muskelschlauches die Aus- und Einstülpung der thoracalen Parapodien allein ermöglicht. Die Hauteinstülpung des Parapodiums hebt sich ziemlich scharf von dem Fussstummel ab, wogegen letzterer, wie erwähnt, ganz continuirlich in die Borstendrüse übergeht, von der er sich nur durch seinen terminalen Hautüberzug unterscheidet. An der Borstendrüse unterscheiden wir zu äusserst einen peritonealen Sack, welcher bis zu ihrem terminalen, von der Hypodermis überzogenen Abschnitte hinzieht, um hier in das parietale Blatt überzugehen. Auf diesen peritonealen folgt ein ihm enge anliegender zweiter, ebenfalls zelliger Sack, welcher die Membrana propria des Organes darstellt. Von letzterer Membran entspringen nun zahlreiche, das Lumen der Drüse in den verschiedensten Richtungen durchziehende Lamellen,'"um so ein Fachwerk zur Aufnahme des Zellmateriales herzustellen. Ursprünglich entspricht wohl jedem einzelnen Zellkörper eine Caverne dieses Fachwerkes; in dem Maasse aber, als die an der Basis der Drüse sich entwickelnden Borsten auswachsen, durchbohren und verdrängen sie die Cavernen und wir treffen dann im Bereiche der Borsten allein die nackte Zellsubstanz. Nur ein Theil der Borsten ragt frei nach aussen, ein anderer, in der Entwickelung be- griffener liegt ganz und gar als Reserveborstenbündel seitlich in der Drüse eingeschlossen. Bei grösseren Exemplaren von Dasybranchus kann die Zahl der in einem thoracalen Parapodium enthaltenen Pfriemen bis 100 betragen, wovon Y, auf die fungirenden und '/; auf die Reserve- borsten kommen mag. Wenn wir nun gegenüber diesen thoracalen die exquisit abdominalen Parapodien in's Auge fassen, so ergiebt sich, dass der so grosse Contrast beider lediglich auf topographischen Differenzen beruht, und dass hinsichtlich der Structur, wenigstens in den wesentlichen Ver- hältnissen, auffallende Uebereinstimmung herrscht. Da diese abdominalen Parapodien nur in verschwindendem Maasse vorgestreckt oder zurückgezogen werden können, so sind auch die bei den thoracalen so hervorragend ent- wickelten Hauteinstülpungen stark reducirt, und dasselbe gilt natürlich auch für die den. Fuss- stummeln anderer Anneliden entsprechenden terminalen, nach aussen ragenden Theile der Borstendrüsen. Letztere stellen hier den langgezogenen, schmalen, äusseren Toris ähnliche, der Leibeshöhle zu gerichtete Wülste dar, welche gleichwie die keulenförmigen thoracalen von einer Membrana peritonealis und einer Membrana propria umhüllt werden. Auch hier entspringen aus der zuletzt genannten Membran zahlreiche Lamellen zur Herstellung eines 568 Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Fachwerkes für das Zellmaterial, nur mit dem Unterschiede, dass entsprechend der langge- zogenen Form der Drüse, sowie entsprechend der reihenförmigen Anordnung der Haken, diese Lamellen ganz regelmässig zwischen je zwei Haken hinziehen und dass diese Blätter erster Ordnung in ähnlicher Weise rechtwinklig auf ihren Verlauf weiter abgetheilt werden. Dadurch, dass das Zellmaterial hier nahezu auf einen basalen Streifen zusammengedrängt wird, kann der darüberliegende 'Theil des Fachwerkes vorwiegend zur Fixirung der einzelnen Haken ver- wendet werden. Zu ähnlichem Zwecke verlaufen auch mehrere von der Ringmuskulatur sich abzweigende Faserbündel den Hakenreihen entlang; diese dienen insbesondere dazu, die Haken- reihen in ihrer Gesammtheit gerichtet zu halten. Wie bei den thoracalen Parapodien im proximalen Ende der Keule, so geht bei den abdominalen in einem der Enden ihrer Wiilste die Entwickelung der Ersatzborsten vor sich. Das betreffende Wulstende hebt sich von dem im Uebrigen fest mit dem Hautmuskelschlauche verwachsenen 'Torus ab und ragt spiralig gedreht als sogenannte Hakenspirale in die Leibes- höhle hinein; hier endigt aber die Spirale nicht etwa frei, sondern verschmilzt vielmehr mit der Hypodermis. Gerade an dem Punkte, an dem die Verschmelzung vor sich geht und an dem unverkennbar eine Einwanderung von Hautzellen stattfindet, nimmt auch die Ent- wickelung der reihenförmig nachwachsenden Ersatzhaken ihren Ausgangspunkt: ein für die ectodermale Natur dieser Gebilde gewiss bezeichnendes Factum. Mit Ausnahme von Dasybranchus sind es stets die dorsalen Enden der Hakenwülste, welche in die Spiralen auslaufen; bei genannter Gattung aber verhalten sich nur die neuralen Parapodien dieser Regel entsprechend, wogegen die hämalen im Gegensatze hierzu die Spiralen ventral entwickeln. Die hämalen Parapodien der einen Dasybranchus-Species, nämlich von D. Gajolae, sind noch durch eine andere Eigenthümlichkert ausgezeichnet. Ihre Parapodspiralen sind nämlich etwa vom 20. Abdomensegmente ab an ihren äussersten Spitzen (da wo diese in die Ecto- dermfortsätze umbiegen) jederseits mit einem im ausgebildeten Zustande keulenförmigen, lang- gestielten, drüsigen Anhange versehen, welchen ich wegen seiner innigen Beziehungen zur Spirale als Parapodspiraldrüse bezeichnet habe. Im Anfange ihres Auftretens stellen diese Drüsen kleine (in Entwickelung begriffene‘ Knoten dar, nehmen weiterhin immer mehr an Grösse und Ausbildung zu, um schliesslich in der Schwanzregion wiederum zu unschein- baren Anhängen herabzusinken; die unvollkommene Beschaffenheit letzterer beruht aber nicht wie diejenige der vorderen auf unvollständiger Entwickelung, sondern im Gegentheil auf kückbildung. Die Parapodspiraldrüsen werden nur von einer (kernhaltigen) Membran umschlossen; der sonst alle in der Leibeshöhle gelegenen Organe bedeckende Peritonealüberzug fehlt, wenn er nicht etwa als mit der ersteren Membran verschmolzen zu betrachten ist. Von dieser Membran verlaufen nun ähnlich beschaffene Lamellen in den verschiedensten Ebenen nach dem Lumen der Drüse hin und bilden so ein Fachwerk, dessen einzelne Räume ganz wie die der Parapodien die Zellsubstanzen einschliessen. Keinerlei Kanal ist im Inneren der Drüse VI. Parapodien. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 569 wahrzunehmen; als solcher fungirt lediglich der ihre Verbindung mit den Spiralen bewerkstel- ligende, oft zu bedeutender Länge anwachsende Stiel. Die Zellsubstanz dieser Drüsen kann sehr auffallende Modificationen erleiden; sie erscheint nämlich bald in der Form eines homo- genen Plasmas, bald in derjenigen überaus zahlreicher, 4—S » langer und I—2 p breiter Stäbchen oder Fäden. In ausgebildeten Drüsen sucht man oft in einzelnen Fächern oder Zellen vergebens nach Kernen, in jugendlichen dagegen sind solche regelmässig vorhanden. Der continuirliche Zusammenhang, sowie auch die grosse Uebereinstimmung des Baues zwischen Drüse und Parapodium legen es nahe, in den Drüsen lediglich Auswüchse der Parapodspiralen zu erblicken; insbesondere da, wo erstere nur knospenförmige Anhänge dar- stellen, erscheint eine solche Auffassung naheliegend. Von welcherlei Art aber auch ihre morphologische Bedeutung sich noch erweisen mag, auffallend bleibt die 'Thatsache ihres auf die eine Dasybranchus-Species beschränkten Vorkommens. Die thoracalen Parapodien von Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus sowie die durchweg mehr oder weniger nach dem thoracalen Typus aufgebauten von Heteromastus und Capitella haben eine sehr einfache Muskelversorgung. Zahlreiche sich einerseits im Bereiche der Keulenbasis inserirende und andererseits radienförmig den Hautmuskelschlauch durch- setzende Bündel fungiren als Protrusoren, indem durch ihre Contraction das Parapodium nach aussen gedrängt wird. Die entgegengesetzte Bewegung, das heisst die Zurückziehung dieser Parapodien, wird durch die sogenannten Interbasalmuskeln besorgt, durch Stränge, welche zwischen je einem hämalen und neuralen Parapodium jederseits ausgespannt verlaufen. Kraft dieser Anordnung können denn auch die l,ocomotionsorgane der einen oder anderen Seite eines gegebenen Segmentes nicht anders, als simultan retrahirt werden. Viel compli- eirter stellt sich nun die Muskulatur der exquisit abdominalen Parapodien dar. Von Muskeln, welche zur Gesammtbewegung des Torus, respective zur Gesammtbewegung der Hakenreihe dienen, sei zunächst ein transversaler, sich im Bereiche der Spirale inserirender erwähnt; seine Contraction hat eine Spreizung der sämmtlichen, in der Ruhelage enge aufeinander gerückten Haken in der Querebene zur Folge. Zur Bewegung der einzelnen Haken in einer auf jene Ebene rechtwinklig gerichteten (also parallel der Längsaxe) setzen sich an dieselben sowohl schwanz-, als kopfwärts aus der Ringmuskulatur entspringende Fasern an, und zwar derart, dass bald nur ein, bald auch mehrere Haken von je einem Muskelstrange umfasst werden. Es ist klar, dass durch die Combination dieser zwei in ihrer Zugrichtung rechtwinklig aufeinander verlaufenden Muskelsysteme den Haken sehr vielseitige Excursionen ermöglicht sind; den Pfriemenborsten gegenüber sind sie aber besonders dadurch ausgezeichnet, dass sie einzeln in Action gesetzt werden, wogegen jene nur gemeinsam als Bündel zur Thätigkeit ge- langen können. Von grossem Interesse ist die 'Thatsache, dass auch den abdominalen Parapodien Inter- basalmuskeln zukommen. Denn, da bei diesen Parapodien keine Rede mehr von Aus- und Einstülpung sein kann, welcher Function ja die thoracalen Interbasalmuskeln allein dienen, so dürfen wir aus dem Vorhandensein solcher Muskeln schliessen, dass die heute so ab- Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 12 570 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. weichenden, mit dem Hautmuskelschlauche fest verwachsenen Tori einst unabhängiger und als Gesammtorgane beweglicher, kurz dass sie einst den thoracalen Parapodien ähnlich waren. Bezüglich der Habitusveränderungen der Borsten innerhalb der verschiedenen Gattungen und Arten verweise ich auf die entsprechenden Kapitel des vorhergehenden Theiles. Hier sei nur erwähnt, dass sowohl die Pfriemen- als auch die Hakenborsten aus einer homogenen Scheide und einem faserigen Inhalte bestehen. Bei den Haken kann aber auch der Schaft ganz oder theilweise von einer körnigen, an die Excretbläschen erinnernden Masse ausgefüllt sein. Die Entwickelung der einzelnen Borsten geht stets von einer einzelnen Zelle aus, und zwar wird zunächst der distale "Theil ausgebildet, wogegen der Schaft allmählich nachwächst. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. In dem der Haut, speciell der Cuticula gewidmeten Kapitel®) mussten, wegen ihrer innigen Beziehungen zum Integumente, die wichtigsten T'hatsachen aus dem Gebiete der Pa- rapodien-Morphologie schon zur Sprache gebracht werden. Im Anbetracht dessen beschränke ich mich hier darauf die dort begründeten Resultate, insoweit als sie sich auf die Parapodien erstrecken, kurz zu wiederholen, um sodann noch mehrere solche Fragen zu erörtern, bezüg- lich derer in anderen Kapiteln hierher verwiesen wurde. Als Hauptresultat jener vergleichenden Untersuchung hat sich ergeben, dass die Borstendrüsen, also diejenigen Theile der Parapodien, in welchen die Borsten erzeugt werden, als modificirte Hautdrüsen zu betrachten sind, und zwar als Derivate solcher Hautdrüsen, deren Aufgabe schon vorher darin bestanden hatte, stab- oder fadenförmige Secrete von der Beschaffenheit cuticularer Fi- brillen zu liefern. Als diesen ihren Vorläufern noch näher stehend und in Folge dessen zwischen Haut- und Borstendrüsen eine Vermittelung anbahnend, haben wir die sogenannten Spinndrüsen kennen gelernt, Drüsen, welche bald (so bei Polydora, Spio, Owenia etc.) im Bereiche der Parapodien gelegen sind, bald aber auch (so bei Polyodontes und Aphrodita) in morpho- logischem Sinne mit den Borstendrüsen als identisch angesehen werden müssen. Das Secret dieser Spinndrüsen bildet nämlich in den meisten Fällen nicht solche durch Scheiden fixirte Fibrillenbündel wie dasjenige der Borstendrüsen, sondern wird im Gegentheil zur Anfertigung von Fangnetzen, Wohnröhren und schützenden Decken verwendet, und durch die Art des Zustandekommens dieser letzteren wurde eben auch eine Einsicht in das Bildungsprineip so- wohl der fixirten fibrillären Cuticulae, als auch der fixirten fibrillären Parapodborsten gewonnen. Es wurde ferner gezeigt, wie diese Gesammtauffassung in der Entwickelungsgeschichte ® ces Dee 5 » . . y 29 . D 5 . pe ihre Bestätigung findet, indem die ectodermale Abstammung desjenigen Parapodtheiles, auf a) Vergl. p. 317—358. VI. Parapodien. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 571 den es dabei allein ankommt, nämlich der Borstendrüse, als ein für allemal festgestellt be- trachtet werden kann. Auch die chemische Zusammensetzung der Cuticeulargebilde vermochte mit dieser Auf- fassung in Einklang gebracht zu werden, indem zwar die Borsten sich stets wie Chitin, die Secrete der Spinndrüsen dagegen sich bald wie Chitin, bald ähnlich den Cutieulae (in Kali löslich) verhalten, indem aber andererseits auch Cuticulae in einzelnen Fällen die Widerstands- fähigkeit der Borsten erreichen, und indem endlich auch die Gerüstsubstanzen im Allgemeinen ein bedeutendes Schwanken der chemischen Beschaffenheit darbieten können. Für die Ein- heit der stab- oder fadenförmige Secrete (Cuticulae) abscheidenden Hantdrüsen, sowie der Fangnetze und Wohnröhren abscheidenden Spinndrüsen einer- und der Borsten abscheidenden Parapoddrüsen andererseits sprach auch in nicht geringem Grade die Einsicht, dass wir im sogenannten Parapodium das secundäre Verschmelzungsproduct dreier mehr oder weniger heterogener, respective unabhängig von einander zu Stande ge- kommener Theile vor uns haben. Erster und wesentlichster dieser Theile ist die in das Cölom hineinragende, allein für die Erzeugung der Borsten in Betracht kommende Borsten- oder Parapoddrüse, ein reines Ectoderm- oder Hautdrüsen-Derivat; zweiter ist der nach aussen ragende, die Extremität re- präsentirende Fussstummel, eine mehr oder weniger fortsatzreiche Ausstülpung des Hautmus- kelschlauches, und dritter Theil endlich ist das hämal und neural an diesem Stummel einge- pflanzt stehende Cirruspaar, Sinnesorgane, die in vielen Fällen Complicationen und Functions- wechsel erfahren haben. Auf die Heterogenität, respective auf die relative gegenseitige Unabhängigkeit von Borstendrüse und Fussstummel hatte ich gelegentlich der anatomisch-histologischen Beschrei- bung der verschiedenen Capitelliden-Parapodien schon mehrmals hinzuweisen; aber nicht nur die topographische und mikroskopische, sondern auch die vergleichende Anatomie liefert An- haltspunkte hierfür. Vor Allem sei wiederholt auf den Befund Verwovsky’s”) hingewiesen, dem- zufolge Anachaeta, eine Oligochaete, zwar keine Parapodien, respective keine Borsten, dafür aber an allen jenen Stellen, an denen diese Organe sonst aufzutreten pflegen, je eine bedeutend vergrösserte, den Muskelschlauch durchbrechende Hautdrüsenzelle besitzt. Sodann auf des- selben Autors!) Beobachtung, dass ein Theil der abdominalen Borsten von Sternaspis das In- tegument durchbricht, ein anderer Theil dagegen, und zwar diejenigen des S.—15. Segmentes, lebenslang in rudimentärem Zustande unter der Haut, respective zwischen der Muskulatur, verborgen bleiben *. Eine weitere überaus beweiskräftige Stütze der Ansicht, dass die Parapodien nicht als Differenzirungen ursprünglich einheitlicher Anlagen, sondern umgekehrt als Complexe ursprüng- «) Vergl. p. 350. D)al2 pr 32220, p..4. *) Solche Erfahrungen zeigen hinlänglich, wie der Mangel an Borsten (Polygordius, Histriodrilus ete.) nicht 3 5 € E 3 49 so ohne Weiteres als »Archianneliden-Charakter« verwendet werden kann. —ı 157 * 572 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. lich selbständiger [heile aufzufassen seien, haben wir endlich der embryologischen Forschung zu verdanken. KreisexßerG' hat nämlich festgestellt, dass die so typischen Anhänge des Parapodiums, die Cirren, ganz unabhängig von den Fussstummeln angelegt und erst secundär diesen (als bleibende Sinnesorgane) einverleibt werden. KreinenBerG bringt diesen Vorgang dadurch zu scharfem Ausdrucke, dass er die Anneliden-Extremität minus Cirren als » Chaeto- podium « und diejenige plus Cirren als »Parapodium« bezeichnet. Wie derselbe Autor auch die Unabhängigkeit des dritten Parapodbestandtheiles, nämlich diejenige der Borstendrüse vertritt, habe ich bereits früher hervorgehoben”). — In einem vorhergehenden Kapitel wurde im Hinblicke auf die morphologische Her- leitung des Seitenorgansystemes der Frage gedacht ?), ob den Anneliden in jedem Seg- mente zwei, oder aber nur Ein Parapodienpaar typisch zukomme, und bemerkt, dass hier auf das betreffende Problem als solches zurückgekommen würde. Die bekannten Thatsachen sind kurz folgende: Die Vertreter gewisser Familien haben in jedem Segmente zwei relativ weit von einander getrennt liegende Parapodienpaare, nämlich ein hämales und ein neurales (distiche Anordnung). Die Vertreter anderer lassen zwar ebenfalls zwei getrennte Borstenbündel jederseits erkennen, aber diese zwei Bündel liegen nicht mehr durch weite Zwischenräume voneinander getrennt, sondern bilden eine mehr oder weniger verschmolzene äussere Fussstummelmasse (monostiche, biremale Anord- nung). Endlich giebt es auch solche Vertreter, bei denen nur Ein Borstenbündel, respective ein ganz einheitlicher Fussstummel jederseits vorhanden ist (monostiche, uniremale An- ordnung.) Man hat bisher ziemlich allgemein die monostiche Anordnung aus der distichen abgeleitet. So sagt beispielsweise GEGENBAUR’) in seinem Grundrisse: »Zuweilen sind dorsale und ventrale Parapodien jeder Seite einander sehr genähert, von welchem Zustande an alle Uebergänge bis zur völligen Verschmelzung zu einem einzigen Paare sich kundgeben (Syllideen). « Und ähnlich Mırnz Epwarps’). »Tantöt les deux rames sont tres &cartees entre elles; d’autres fois elles se confondent par leur base, tout en restant distinctes dans leur portion terminale, et dans quelques cas leur union est encore plus in- time, de facon que le pied semble etre forme d’une rame seulement: mais ce tuberceule simple porte presque toujours deux faisceaux de soies et deux cirres, ’un superieur ou dorsal, l’autre inferieur ou ventral.« Zu Gunsten dieser Auffassung lassen sich auch schwer wiegende Facta anführen. Wir finden nämlich erstens innerhalb der monostichen Formengruppe die die fraglichen Parapodien repräsentirenden zwei Aeste in nahe verwandten Familien bald weit von einander abstehend Nephthydeen), bald sehr genähert (Glyceriden,; wir finden ferner innerhalb dieser Gruppe rgl. p. 347 Anmerkung. rgl. p. 514. p- 303. e. p. 33 und 100. P- YEcH P- 143. pr 408. ep lite VI. Parapodien. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 573 Familien, welche biremale und uniremale Gattungen zugleich umfassen, so zum Beispiel die Euniciden und Hesioniden; wir finden endlich auch solche Familien, deren Gattungen sehr verschiedene Grade des Zusammenriückens der zwei Ruder demonstriren, so die Aphroditeen und Syllideen. Was nun aber die allgemeine Gültigkeit dieser vergleichend-anatomisch so begründet erscheinenden Auffassung wieder in Frage stellt, das sind gewisse Ergebnisse der Entwicke- lungsgeschichte. Nach KLE£inenBEerG') werden die distich angeordneten Parapodien der Capitelliden und nach E. Meyer*) die ebenso angeordneten der Terebelliden und Serpuliden ganz unabhängig von einander angelegt. Man sollte nun erwarten, dass, wenn die monostich angeordneten Parapodien durch allmähliches Zusammenrücken ursprünglich disticher zu Stande kamen, sich in der Ontogenie noch Anklänge dieses Prozesses vorfinden würden. Dem ist aber nicht so. Die im erwachsenen Zustande monostichen und uniremalen Parapodien von Lopadorhynchus werden KLEISENBERG’S’) Beschreibung zufolge auch als solche einreihig und einruderig angelegt und die ebenfalls monostichen, aber biremalen Parapodien von Nereis entstehen nach SALENsKY') nicht etwa durch Verschmelzung zweier getrennter Anlagen, sondern umgekehrt durch Zwei- theilung einer einheitlichen. Sehr bezeichnend in diesem Sinne sind auch die Ergebnisse, zu denen ALsBerr'), durch das Studium der Entwickelung der Pubertäts- oder Schwimmborsten knospender Syllideen gelangt ist. Er schliesst nämlich, »dass die Zweitheilung der Parapodien — wenigstens bei den Syllideen — ein secundärer Zustand gegenüber der Einheit derselben ist.« . toltir) Es kann nach alledem auch die Möglichkeit nicht von der Hand gewiesen werden, dass die monostichen biremalen Parapodien, anstatt durch Verschmel- zung disticher, umgekehrt durch Theilung ursprünglich uniremaler entstan- den sind. Bevor wir aber einen solchen Dualismus der Parapodien, betreffe er auch nur die Zahl ihrer Paare, wirklich anerkennen, muss jedenfalls das embryologische Thatsachenmaterial erst noch ein reichhaltigeres sein und, was nicht minder nothwendig, es muss erst das Verhalten nicht nur der Anneliden-Extremität, sondern auch dasjenige ihrer Anhänge, der Cirren und Kiemen, einer gründlichen vergleichend-anatomischen Prüfung unterzogen werden, indem sich vielleicht aus letzterer allein schon zwingende Motive für die eine oder andere Auffassung ergeben könnten. Da ein derartiges Problem nichts weniger als durch eursorische Untersuchungen zu bewältigen ist, so beschränke ich mich darauf, dasselbe als solches hervorzuheben. Mel=p- 303.02 p. 194 2) 1. p. 303. ce. p. 152. 3) 1. p. 351. c. II. Nereis cultrifera. Tome 3. p. 581. 4) AuBerT, F. Ueber die Fortpflanzung von Haplosyllis spongicola Gr. Mitth. Z. Stat. Neapel. 7. Bd. 1886. p. 19. ) Laut gefälliger mündlicher Mittheilung. 574 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) 'Theil. Für die so auffallenden Contraste in der Borstenvertheilung, und der Parapod-Con- figuration der Capitelliden finden sich die meisten Anklänge in der Gruppe der Oligochaeten, und da bei den Oligochaeten in dieser Hinsicht keine so klaren Beziehungen zwischen primären und secundären Zuständen mehr obwalten wie bei den Capitelliden, so kann das Verhalten letzterer für die Beurtheilung desjenigen ersterer entscheidende Anhaltspunkte liefern. Bei den Capitelliden haben wir gesehen, dass in einzelnen Gattungen die Parapodien, einerlei ob Pfriemen oder Haken tragende, dem ganzen Körper entlang jederseits als ziemlich gleich grosse und ziemlich gleich weit von einander abstehende Bündel aufeinanderfolgen, dass dagegen in anderen Gattungen insbesondere die Haken tragenden Parapodien des Hinterleibes zu verschieden grossen, flächenhaft ausgebreiteten Wülsten verlängert erscheinen, welche stellenweise nahezu den ganzen Leibesumfang einnehmen. Die meisten Oligochaeten sind mit vier Hakenreihen ausgerüstet und es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese vier Haken in jedem Segmente den zwei Parapodienpaaren der distichen Polychaeten entsprechen. Gewisse Oligochaeten zeigen nun aber eine hiervon scheinbar wesentlich abweichende Borstenvertheilung. So Perichaeta, an deren Hinterleib die Haken unter bedeutender Steigerung ihrer Zahl je ringförmig fast den ganzen Körper- umfang einnehmen, ferner Pleurochaeta, bei welcher Gattung die ähnlich angeordneten Haken- ringe neural und hämal statt durch Furchen durch breitere Lücken unterbrochen sind. Von denjenigen Autoren, welche sich in der Neuzeit am intensivsten mit der Frage beschäftigt haben, nehmen zwei, nämlich PERRIEr!) und VEIDovVsKY”) gleicherweise an, dass diese sowie auch alle anderen im Kreise der Oligochaeten sich noch darbietenden Variationen der Borsten- vertheilung insgesammt auf das distiche Verhalten von Lumbricus, respective der Polychaeten zurückgeführt werden müssen. Ein dritter dagegen, nämlich BEpparn’), meint, dass das distiche Verhalten eben so gut durch Reduction der bei Perichaeta etc. bestehenden Anordnung zu Stande gekommen sein könne. Perrrer’s und VEIDoVsKY's Ansicht findet nun aber eine wesentliche Stütze in dem oben gegenübergestellten Verhalten der Capitelliden. Wenn zum Beispiel im Abdomenanfange von Notomastus die Ausdehnung der Tori nur noch eine geringe Zunahme erführe (eine Zunahme, der die zwischen den neuralen und hämalen Parapodien eingepflanzten Kiemen und Seitenorgane im Wege stehen), so käme ein mit Perichaeta durchaus übereinstimmendes Verhalten, nämlich ein continuirlicher, nur neural und hämal linear unterbrochener Hakenring zu Stande, und bei Notomastus kann doch kein /weifel darüber aufkommen, dass diese nahezu continuirlichen Hakenringe eine secundäre Modification der distichen Anordnung darstellen, aus dem einfachen Grunde nicht, weil, ab- gesehen von dieser auf den Abdomenanfang beschränkten Steigerung, noch heute in allen davor und dahinter gelegenen Segmenten die typische, distiche Anordnung erhalten ist. D=l2P2309 cp ,3952undal.spallirgersp- 138: 2) 1.%p.'236..c. p. 74. 3) BEDDARD, F. Preliminary Note on the Nephridia of a New Species of Earthworm. Proc. R. Soc. London. Vol. 38. 1885. p. 464. VI. Parapodien. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 51 Eines der äusserlich für die Capitelliden bezeichnendsten Merkmale be- steht darin, dass je nach den Gattungen entweder alle Segmente des Thorax, oder aber nur dessen vorderste ausschliesslich mit Pfriemenborsten ausgerüstet sind. Es findet sich zwar bei gewissen Polychaeten etwas Aehnliches, so bei den Amphi- cteniden und Hermelliden, aber die betreffenden Verhältnisse liegen doch bei letzteren insofern anders, als an den bezüglichen allein mit Pfriemen ausgerüsteten Segmenten der Amphicteniden nur die neuralen Parapodien entwickelt, und als im T'horax der Hermelliden die pfriemen- ähnlichen Borsten der neuralen und hämalen Parapodien abweichend voneinander gestaltet sind. Ein in viel höherem Grade mit demjenigen der Capitelliden übereinstimmendes Ver- halten bieten nun aber gewisse Oligochaeten, nämlich die so interessante Gattung Aeolo- soma dar. Bei zwei Arten derselben, und zwar bei A. Ehrenbergü und A. quaternarium, sind die Borsten aller Bündel pfriemenförmig, bei einer dritten dagegen, bei A. tenebrarum, ent- halten nach VzsDovsky') nur die vordersten Parapodien ausschliesslich Pfriemenborsten, die hinteren dagegen Pfriemen und Haken gemischt. Diese letztere Species zeigt daher hin- sichtlich der Borstenvertheilung ein durchaus mit Mastobranchus übereinstimmendes Verhalten. Bezüglich der Borstenentwickelung möchte ich unter Hinweis auf die von SPENGEL?) im Jahre 1880 gelieferte vergleichende Darstellung des Gegenstandes hervorheben, wie meine an den Capitelliden gewonnenen Resultate mit den wichtigsten der vom genannten Autor da- mals festgestellten Punkten übereinstimmen. Als Hauptpunkte sind aber hervorzuheben: erstens, dass die Entwickelung jeder Borste von einer Zelle des Borstenfollikels, respective der Borstendrüse ausgeht, und zweitens, dass das Wachsthum der Borste lediglich an ihrer mit der Bildungszelle zusammenhängenden Basis vor sich seht. Dass diese zunächst für Echiwrus ermittelten Punkte gleicherweise für die Polychae- ten gelten, konnte seitdem auch SPEnxGen®) selbst durch das Studium von Oligognathus fest- stellen, und dass sie sich auch für die Oligochaeten bewähren, geht aus den übereinstimmenden Angaben Prrrier’s') sowie Vrıpovsky’s’) hervor, indem durch letztere Forscher die so abwei- chenden Schilderungen Crarartpe's‘) (Betheiligung des Gefässsystemes an der Erzeugung der Borstenfollikel) und Bürow’s’) (Betheiligung mehrerer Follikelzellen an der Bildung jeder Borste) als widerlegt betrachtet werden können. Durch das Studium der Ersatzborstenbildung bei den Capitelliden bin ich nicht nur zur Ueberzeugung gekommen, dass die Entwickelung jeder Borste von Einer Mutterzelle aus- geht, sondern eigenthümliche Hypertrophien und Formveränderungen des Kernes brachten Del Pr 2362 c. pa Alb. 2) 1. p. 443. c. p. 478. S)alepr Sl. pz 19. 4) 1. p. 309. e. p. 344. a) 12 Pr 236. c. p. 16. 6) 1. p. 308. (Histol. Unters. Regenwurm) ce. p. 583. zu ep waArnere. pe 9er 576 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. mich auch zur Vermuthung, dass speciell der Kern es sei, von dem der Prozess sei- nen Ausgangspunkt nehme. Diese meine Vermuthung gewinnt nun insofern an Halt, als PErRIER!) an Zumbrieus und Craparepe’) an Terebella Beobachtungen gemacht haben, welche ebenfalls auf eine solche Antheilnahme des Kernes schliessen lassen. Jedenfalls ver- dient die Sache bei künftigen Untersuchungen beachtet zu werden. Im Hinblicke auf meine Herleitung der Borstendrüsen aus Spinndrüsen ist es von Be- deutung festzustellen, ob die von mir bei den Capitelliden, Aphroditeen etc. nachgewiesene fibrilläre Zusammensetzung der Borsten auch von anderen Anneliden bekannt geworden ist. Die durch die Fibrillen verursachte Längsstreifung wurde zwar in zahlreichen Fällen be- schrieben und gezeichnet, aber meistens als Ausdruck einer blossen Ormamentik betrachtet. Nur bei drei Forschern habe ich die fibrilläre Structur ausdrücklich hervorgehoben gefunden, und zwar bei SrenGer, VEIDovskY und NansEn. SPENGEL°) sagt von Echiurus: » Bei mikroskopischer Untersuchung tritt aber ferner in der ganzen Borste eine äusserst feine Längsstreifung hervor; dieselbe erscheint nicht nur bei Betrachtung der intacten Borste von der Oberfläche, sondern auch, und zwar besonders deutlich an Längsschnitten, die sich bei der ziemlich geringen Consistenz der Borste leicht herstellen lassen. Solche Längsschnitte beweisen, dass diese Streifung nicht durch zarte Rippung der Oberfläche bedingt, sondern der Ausdruck einer Zusammensetzung der Borste aus feinen Längs- fasern ist, deren Verbindung allerdings eine sehr innige ist: die Fasern zu isoliren gelang mir nicht. « VEIDOVSKY'!) von Sternaspis: »Im Inneren dieser chitinösen, structurlosen Scheide hegt aber der wesentliche Bestandtheil der orste, das Mark, schon auf der Oberfläche durch eine sehr deutliche Längsstreifung erkennbar. Es sind dies feine Längsfasern, sehr innig mit einander verbunden und namentlich auf den Querschnitten sehr zier- lich hervortretend. Man sieht an solchen Schnitten, dass die Borstenfasern in regelmässigen Reihen liegen und wahrscheinlich durch eine homogene Substanz verbunden sind. Doch gelang es mir nicht, die Fasern zu ıisoliren.« Ferner von Oligochaeten ’): »Den feineren Bau kann man nur an stärkeren Borsten von Criodrilus und Lumbrieiden verfolgen. Jede Borste besteht aus inneren, dicht zu einander anliegenden, sehr feinen Fibrillen, die deutlicher an alten und vornehmlich an verbrauchten Borsten zum Vorschein kommen;« etc. Nansen®) endlich von Myzostoma: »' The hooks are not, as GrAFF states in his monograph, hollow, but consist of two layers: an outer, somewhat homogeneous layer, and an inner one composed of a fibrous substance ........ « The inner fibrous mass consists of colourless fibres, which are thickest in the centre of the hook and, in transverse sections exhibit a distinct hexagonal form.« ete. Was das von den beiden ersteren Autoren hervorgehobene Misslingen der Isolirung von Borstenfibrillen betrifft, so weiss man aus meiner vorhergehenden Darstellung, dass diese Isolirung bei Anwendung heisser Kalilauge spontan erfolgt. El pr B0I9Te3p. 3472 2) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) c. p. 66. sr l.epr A4d.erpn 479. ATTEpEB22. CH pr: d)L1.p. 236.20. pr 4, OL ISEp SATA pen: VI. Parapodien. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. Du Schliesslich möchte ich noch als auf möglicherweise den sogenannten Parapod-Spiral- drüsen von Dasybranchus Gajolae vergleichbare Bildungen auf die von Prrrıer ') beschriebenen »glandes posterieures« von Urochaeta hinweisen. Ob auch die eigenthümlichen, im Bereiche der Borsten mündenden Drüsen von Phreoryctes (welche PERRIER mit den »glandes postörieures« von Urochaeta verglichen hat) hierhergehören, müssen künftige Untersuchungen lehren, da sich weder aus der Monographie Leypig’s’) noch aus derjenigen Tınm’s’) das Bestehen solcher Beziehungen folgern lässt. Lt) 1. p. 309. c. p. 442. 2) 1. p. 308. c. p. 283. S)r la pr 310.2c. pP. 138. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. VH. Respirationsorgane. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.”) Wie bei den übrigen Anneliden, so stehen auch bei den Capitelliden die Respirations- organe, insofern als darunter speciell der Athmung dienende Körperanhänge verstanden werden, in engster Beziehung zu den Parapodien, und zwar in der Regel zu den Parapodien der hin- teren Leibesabtheilung oder des Abdomens. Dass aber die Beschränkung dieses Vorkommens nicht dem ursprünglichen Verhalten entspricht, dafür legt Notomastus formianus Jeugniss ab, der allein unter allen Arten der Familie in seinen zwei letzten 'Thoraxsegmenten noch ähn- liche Kiemenanhänge wie in seinen abdominalen aufweist. Ueberhaupt lässt sich nicht ver- kennen, dass in der Capitellidengruppe die Tendenz vorwaltet, die Kiemen immer weiter nach hinten zu verlegen, und das Ende einer solchen Tendenz muss natürlich mit dem Eingehen der Kiemen zusammenfallen. Wie Mastobranchus eine Ftappe des nach hinten Wan- derns darstellt, so bietet die aller äusseren Anhänge verlustig gegangene, nur durch das In- tegument und den Tractus athmende Capitella ein Beispiel für das Endresultat dieses Prozesses. Die Kiemenbildungen treten in unserer Familie in zweierlei Form und An- ordnung auf, und zwar können beide in ein und derselben Art zugleich vorkommen. Die eine Form beruht lediglich auf einer zipfelförmigen Ausstülpung des an sich schon blutführenden und daher für die Respirationsthätigkeit geeigneten Parapodhohlraumes oder (da wir es fast ausschliesslich mit den abdominalen, torusartigen Organen zu thun haben) des Hakenwulstes. Diese meist wenig retractilen Zipfel nenne ich einfache Parapod- kiemen oder Hakentaschen. Sie können sowohl an neuralen, als auch an hämalen Pa- rapodien zur Ausbildung gelangen, und während ihr Auftreten bei ersteren stets auf das dor- sale Ende des 'Torus beschränkt bleibt, kommen sie bei letzteren sowohl einseitig, als auch beiderseitig entwickelt vor. Die andere Form giebt zwar durch ihr den Parapodien entsprechend streng segmentales, bilaterales Auftreten, sowie durch ihren Ursprung aus dem Bereiche jener Organe ganz ähn- liche Beziehungen kund, aber der ersteren gegenüber herrscht doch eine viel grössere Selb- «) Man vergleiche: »Anatomisch - Histologischer Theil« p. 108-110, 186—190, 221—222, 240—241 und 269—270, VII. Respirationsorgane. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 579 ständigkeit und zugleich eine vollkommenere Ausbildung, indem wir es mit vielfach ver- zweigten, total in das Cölom retrahirbaren Anhängen zu thun haben. Ich nenne diese zweite Form verzweigte Parapodkiemen oder Kiemen schlechtweg. Anusschliesslich Hakentaschen finden sich im Genus Notomastus und Heteromastus; L: N a. b. En e d. De N a a Page: N 1% ri hämales Parapod. 27 EI Dr SS / Neifenorgun. \ | neurales Parapod. \ / \ / / YL EN A % 7 , in It Ber > RE N e2 l N = himales Parapod ge N N —Änpf L neurales Parapod. \ \ « Pen: Darstellung der Kiemen-Vertheilung durch schematische Schnitte: 1. Notomastus. a. Notomastus lineatus und N. Benedeni. Querschnitt durch das Abdomen. Nur die neuralen Parapodien sind mit wenig retractilen, einfachen Kiemen (Hakentaschen) ausgerüstet. db. Notomastus fertilis und N. profundus (letztere Form zeigt dieses Verhalten nur im Abdomenanfange). Querschnitt durch das Abdomen. Ausser den neuralen, sich wie bei a. verhaltenden Parapodien, partieipiren auch die hämalen derart an der Respirationsthätigkeit, dass in einen an ihrer Basis gelegenen, mit dem Cölom communieirenden Hohlraum abwechselnd Blut ein- und ausfliesst. c. Notomastus profundus. Querschnitt durch das Abdomenende. Sowohl die neuralen, als die hämalen Parapodien sind mit einfachen, ziemlich retractilen Kiemen besetzt, und zwar die ersteren nur einseitig dorsal, die letzteren dagegen beiderseits, also dorsal und ventral. d. Notomastus formianus. Querschnitt durch das Abdomen, Verhält sich dem ganzen Abdomen entlang ähnlich wie N. profundus nur am Ende dieses Körpertheiles; mit dem Unterschiede jedoch, dass auch die hämalen Kiemen nur einseitig, und zwar ventral, eingepflanzt stehen. 2% . Heteromastus. a. Querschnitt durch den Abdomenanfang. Nur die neuralen Parapodien lassen sehr schwach entwickelte, nicht retractile, einfache Kiemen (Hakentaschen) erkennen. b. Längsschnitt durch das Abdomende. Die Parapodien befinden sich an den Basen schuppenförmiger Hautfortsätze. Diese mit dem Colom eommunieirenden Fortsätze sind respira- torisch wirksam. 3. Dasybranchus. Querschnitt. Die neuralen Parapodien laufen dorsal in wenig entwickelte, nicht rotraetile, einfache Kiemen (Hakentaschen) aus, und an der Basis letzterer entspringen Jie verzweigten, total in das Cölom retrahirbaren Kiemen. Die hämalen Parapodien können sich ebenfalls (so wie Ib.) an der Athemfunction betheiligen. 4. Mustobranchus. «. Querschnitt durch den Abdomenanfang. Nur an den neuralen Parapodien kommen sehr wenig umfangreiche, nicht retraetile, einfache Kiemen (Hakentaschen) zur Ausbildung. b. Querschnitt, ce. Längsschnitt durch das Abdomenende. Die Parapodien sind in diesem Körpertheile, wie bei Heteromastus, auf schuppenförmigen Hautfortsätzen angebracht. Unter und hinter den hämalen Fortsätzen liegen die verzweigten, total in das Cölom retrahirbaren Kiemen. Capitella. Weder einfache, noch verzweigte Kiemen sind vorhanden ; dem Respirationsbedürfnisse wird durch die Haut und den Darmkanal Genüge geleistet, 73* D 580 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Hakentaschen und Kiemen zugleich bei den Gattungen Dasybranchus und Mastobranchus. /,wischen diesen Gattungen sowohl, als auch zwischen ihren Arten herrschen nun aber bezüg- lich des Ausbildungsgrades und der Lagerungsverhältnisse der beiderlei Kiemenformen bedeutsame Schwankungen, die wir der Reihe nach an der Hand umstehender Holzschnitte in’s Auge fassen wollen. Ich beginne mit der Gattung Notomastus. Den einfachsten Zustand repräsentiren Notomastus lineatus und N. Benedeni. Sie haben nur neurale Hakentaschen, zipfelförmige Ausbuchtungen der Tori, deren Lumina continuirlich mit den Parapodhöhlen und durch diese mit der Bauchstrangkammer communiciren. Diese Parapodkiemen (so wie auch die entsprechenden aller übrigen Capitelliden) zeigen als blosse Ausstülpungen des Hautmuskelschlauches einen diesem letzteren durchaus entsprechenden Bau; wir finden Haut und Muskulatur in derselben Anordnung, nur stark verdünnt. Dank ihrer Muskulatur vermögen sich die Hakentaschen kräftig zu contrahiren und sich so des geath- meten Blutes zu entledigen: die Wiederfüllung, respective Ausdehnung, wird durch den Druck des Hämolymphstromes bewerkstelligt. Mehrere von der Stammesmuskulatur entspringende, in der Parapodkiemenhöhle aufsteigende, sich an den Wandungen der Hakentaschen inseri- rende Muskelbündel ermöglichen es den Thieren, die distalen Portionen letzterer eine Strecke weit einzustülpen oder zurückzuziehen. Im Gegensatze zu dem allgemeinen Verhalten der espirationsorgane erreichen speciell die neuralen Hakentaschen ihre höchste Entwickelung im Abdomenanfange; in besonders hervorragender Weise bei N. lineatus. Von da nehmen sie gegen (las Körperende hin allmählich an Länge ab, um schliesslich ganz zu verschwinden. Als Anhänge der neuralen Parapodien machen sie natürlich alle Lageveränderungen der Seitenlinie mit. Notomastus fertilis und N. profundus verhalten sich bezüglich der neuralen Parapod- kiemen ähnlich den vorigen. Ausserdem sind aber bei ihnen auch noch die hämalen Tori zum Respirationsgeschäfte herangezogen. Diese Tori sind nämlich, wie die neuralen, in Folge eines zwischen Parapod und Hautmuskelschlauch ausgebildeten, mit dem Cölom communi- cirenden, bluterfüllten Hohlraumes kissenartig angeschwollen. Durch Zweige der Stammes- muskulatur können auch diese hämalen Parapodkiemenhöhlen contrahirt und so ihres Inhaltes jeweils entleert werden. Während es bei N. fertilis dem ganzen Abdomen entlang lediglich diese hämalen Parapodhöhlen selbst sind, welche sich an der Athmung betheiligen, herrscht bei N. profundus nur etwa bis zum 40. Segmente ein so einfaches Verhalten. Von da ab finden sich nämlich an seinen hämalen Parapodien ganz ähnliche Ausstülpungen oder Hakentaschen wie an den neuralen, und diesen gegenüber ist hervorzuheben, dass die hämalen nicht ein- seitig, sondern auf beiden Seiten eines jeden 'Torus auftreten. Auch diese hämalen Haken- taschen wiederholen in ihrem Aufbaue die Structur des Hautmuskelschlauches, von dem sie Ja nur verdünnte Ausstülpungen darstellen. Ihr Hohlraum communieirt zunächst mit der Parapodhöhle und durch diese mit dem Cölom. Die Blutfüllung und Leerung geht ähnlich wie bei den neuralen Taschen vor sich; auch können sie, und zwar in etwas höherem Grade als letztere, zurückgezogen werden. VII. Respirationsorgane. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 5s1 N. formianus endlich bietet ein dem N. profundus ähnliches Verhalten schon im Ab- domenanfange dar; nur mit dem Unterschiede, dass bei ihm die hämalen Hakentaschen (welche ebenso wie die neuralen auffallend stark und selbständig ausgebildet sind), nicht in der Zwei- zahl, sondern in der Einzahl, und zwar an der ventralen Seite jedes Parapodiums auf- treten. Die so interessante 'Thatsache, dass auch die hämalen Parapodien der zwei letzten Thoraxsegmente mit solchen respiratorischen Zipfeln ausgerüstet sind, wurde schon hervorge- hoben; hier möchte ich noch hinzufügen, dass diese weniger ausgebildeten thoracalen Zipfel in noch grösserer Unabhängigkeit von den entsprechenden Parapodien erscheinen, als die abdominalen. Was die zweite, ausschliesslich mit Parapodkiemen im engeren Sinne ausgerüstete Gattung, nämlich Heteromastus betrifft, so ist zu bemerken, dass nur noch vom Abdomen- anfange bis zur Abdomenmitte, und zwar allein an den neuralen Parapodien Hakentaschen zur Entwickelung gelangen, Taschen, welche überdies nie den Ausbildungs- und Retractilitäts- grad derjenigen von Notomastus erreichen. Im Abdomenende kommen der Athmung noch jene zungenförmigen Segmentfortsätze zu Hilfe, auf welchen zwar die Parapodien eingepflanzt stehen, die man aber als Cölomdivertikel nicht ohne Weiteres mit den Parapodkiemen (Diver- tikeln der Parapodhöhlen) vergleichen kann, um so weniger, als ja bei Mastobranchus die Kiemen von ganz ähnlichen, die Parapodien tragenden Zungen erst ihren Ausgangspunkt nehmen. Ich komme nun zu den mit einfachen Parapodkiemen (Hakentaschen) und verzweigten Parapodkiemen (Kiemen schlechtweg) zugleich ausgerüsteten Gattungen. Den höchsten Grad der Ausbildung beider repräsentirt Dasybranchus. Die Hakentaschen finden sich nur an den neuralen Parapodien, insbesondere am Ab- domenanfange, wogegen es in den hämalen, ähnlich wie bei Notomastus fertilis, allein zur Ausbildung bluterfüllter Parapodhöhlen kommt. Auch hinsichtlich der neuralen Taschen ist zu bemerken, dass’ nur ein Theil der Exemplare von D. caducus dieselben so kräftig wie Notomastus entwickelt zeigt, ein anderer dagegen kaum Andeutungen derselben erkennen lässt ; ferner dass sie bei D. Gajolae überhaupt nie anders, als in so wenig ausgebildeter Form angetroffen werden. Auch die verzweigten Kiemen von Dasybranchus sind auf die neuralen Parapodien beschränkt, und zwar liegen sie jederseits an der Basis der bezüglichen Hakentaschen, da wo diese in den Torus übergehen. Im ausgestülpten Zustande treffen wir sie hier als blutrothe, in zahlreiche Fäden zerspaltene Stämmchen, im (handschuhförmig) eingestülpten, retrahirten Zustande dagegen kommen sie vollständig in die Nierenkammern der Leibeshöhle zu liegen. An der Körperoberfläche entsteht natürlich, sobald sich die Kieme total eingestülpt hat, em Porus oder eine Kiemenspalte, durch welche die äusseren Wandungen der Kiemenfäden nach wie vor mit dem umgebenden Medium im Zusammenhange stehen, ebenso wie ihre inneren Wandungen nach wie vor von Hämolymphe umspült bleiben. Bei D. caducus pflegen die ersten Kiemen ungefähr im 20., bei D. Gajolae dagegen erst im 40. Abdomensegmente auf- 582 B. Vergleichend-Anatomischer Mionpkolapischen) Theil. zutreten, um sich bis zum Körperende hin segmental in je einem Paare zu wiederholen. Grupge hat aber auch ein Exemplar der ersteren Species unter den Händen gehabt, in dem die Kiemen schon vom ersten Abdomensegmente an vorhanden waren, woraus geschlossen werden kann, dass sich dieselben ursprünglich wohl allgemein so weit, oder noch weiter nach vorm erstreckt haben. Im Anfange ihres Auftretens bestehen die Kiemenbüschel nur aus wenigen Fäden, weiterhin vermehrt sich aber deren Zahl bei D. caducus bis auf 20, um gegen das Abdomenende hin wieder auf die anfängliche Zahl zurückzusinken. Bei D. Gajolae sind auch in der Region ihrer höchsten Ausbildung nie so viele Fäden wie bei der typischen Art vorhanden; dafür aber sind die einzelnen Fäden viel voluminöser. In Folge ihrer Lage zwischen Parapodium und Hakentaschen haben diese Kiemen mit den beiden genannten Organen die Lageveränderung der Seitenlinie mitzumachen. Wir treffen sie daher im Anfange ihres Auftretens entsprechend der Erstreckung der neuralen Längs- muskulatur etwa auf der Höhe des halben Leibesumfanges, weiterhin rücken sie auf die neuralen Flanken herab und schliesslich, am Abdomenende kommen sie auf die neurale Körper- fläche zu liegen. Wie die Hakentaschen, so lassen sich auch die Kiemen von Dasybranchus als Aus- respective als Einstülpungen des Hautmuskelschlauches auffassen; denn wir treffen alle Schichten dieses letzteren in derselben Reihenfolge, nur entsprechend verdünnt. Am Ansatzpunkte der Kiemen biegt die Stammesmuskulatur so weit ringförmig aus, dass der für die Ein- und Aus- stülpung ersterer nöthige Raum zu Stande kommt. Die Kiemenretractoren, deren Geflechte sich an den einzelnen Fäden inseriren, entspringen hier aus der transversalen Muskulatur. Die Ausstülpung wird wie bei den partiell retractilen Hakentaschen in erster Linie durch die Kraft des Hämolymphstromes bewirkt. Bei Mastobranchus fallen die beiden Kiemenformen insofern nicht mehr in demselben Grade wie bei Dasybranchus örtlich zusammen, als die (sehr schwach entwickelten) Haken- taschen nur im Abdomenanfange, die retractilen, verzweigten Kiemen dagegen nur im Ab- domenende vorkommen, als ferner erstere zwar, wie bei Dasybranchus, im Bereiche der neu- ralen, letztere aber, im Gegensatze zu jener Gattung, im Bereiche der hämalen Parapodien entspringen. In der hinteren Region des Abdomens laufen die Segmente (ähnlich denjenigen von Heteromastus) je in vier zungenförmige Fortsätze aus, nämlich in ein Paar hämaler und in ein Paar neuraler. Auf den Basen dieser Fortsätze stehen die Parapodien, unter ihnen, und zwar unter den hämalen, liegen die Kiemen. Eine Folge dieser Ano-dnung ist, dass letztere Organe auch im ausgestülpten Zustande uns nur theilweise zu Gesicht kommen. Die ersten Kiemen treten etwa im S0. Segmente auf und von da wiederholen sie sich Je in einem Paare bis zum Körperende. Anfangs einfache Stämmchen, verzweigen sie sich weiterhin bis zu 6 Fäden, um am Schwanze wieder auf die ursprüngliche Einfachheit herab- zusinken. Auch bei Mastobranchus wird die Einstülpung der Kiemen durch rundliche Lücken in der Stammesmuskulatur ermöglicht. Als Anhänge hämaler Organe kommen sie im retra- VII. Respirationsorgane. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 583 hirten Zustande nicht wie diejenigen von Dasybranchus in die Nieren-, sondern in die Darm- kammern zu liegen; auch weicht der Vorgang der Einziehung dadurch von demjenigen der anderen Gattung ab, dass nicht die einzelnen Fäden eingestülpt, sondern das ganze Organ in die Leibeshöhle hineingezogen wird. Als Retractoren fungiren Fortsätze der hämalen Längs- muskulatur; die Ausstülpung wird auch hier vorwiegend durch den Hämolymphstrom besorgt. Histologisch endlich herrschen zwischen diesen und den Dasybranchus-Kiemen keine wesent- lichen Unterschiede. Bei der aller Kiemenanhänge entbehrenden Capitella wird die Respirationsthätigkeit ausschliesslich durch das Integument und den Darmträactus besorgt, also durch zwei Organ- systeme, welche auch bei den kiementragenden Gattungen nicht wenig zur Oxydation der Körperflüssigkeiten beitragen. Entsprechend den gesteigerten respiratorischen Anforderungen finden wir denn auch den Hautmuskelschlauch von Capitella auffallend verdünnt, wozu noch kommt, dass die betreffenden Thiere häufig längere Zeit hindurch, ähnlich wie gewisse limicole Oligochaeten, ihren Hinterleib peitschenförmig im Wasser hin und her bewegen. Auch im Darme macht sich die erhöhte Leistung durch entsprechende Modificationen oder Steigerungen des gewöhnlichen Verhaltens geltend. So lässt sich gerade bei Capitella das Verschlucken grosser Wassermengen sei es durch den Mund, sei es durch den After leichter, als bei irgend einer anderen Annelide nachweisen. Der durch die Hinterdarmrinne in den Nebendarm führende Flimmerstrom ferner erweist sich bei keiner der übrigen Capitellidenformen von solcher Energie wie hier, und endlich ist das Darmrinnensystem noch durch eine ösophageale, in der Schlundregion sich gablig theilende Vorderdarmrinne ausgezeichnet. Es entsteht nun die Frage, welches Verhältniss zwischen den einfachen und verzweigten Parapodkiemen herrscht. Würden beiderlei Organe in einzelnen Gattungen nicht zugleich an denselben Seg- menten neben einander vorkommen, so läge es nahe, die verzweigten Kiemen als die ihrem Baue wie ihrer Function nach vollkommeneren, sowie auch den Parapodien gegenüber relativ selbständigeren, von den einfachen (Hakentaschen) abzuleiten, respective beide als Glieder einer Entwickelungsreihe zu betrachten. Da indessen aus dem angeführten Grunde daran nicht zu denken ist, so können wir zu fragen fortfahren, welche dieser zwei Kategorien von respiratorischen Anhängen als die ursprünglichere zu betrachten sei, welche eventuell das typische Respirationsorgan repräsentire. Die viel grössere Abhängigkeit der einfachen Parapodkiemen, gegenüber den ver- zweigten, scheint ohne Weiteres zu Gunsten letzterer zu entscheiden. In der That kann man sich angesichts der durch die Arten des Genus Notomastus erhaltenen Entwickelungsreihe kaum des Eindruckes erwehren, dass man es nur mit secundären, von der Umbildung der Parapodien in Hakenwülste abhängigen Bildungen zu thun habe. Aber — das einzige Factum, dass Notomastus formianus an den letzten zwei 'Ühoraxsegmenten, also an nicht zu Toris modi- fieirten Parapodien, ganz ähnliche respiratorische Anhänge besitzt wie an den abdominalen Toris, wirft auch diese Schlussfolgerung über den Haufen. 584 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Es bleibt daher nur das folgende Bekenntniss übrig: Weder lassen sich die zwei Kategorien von Parapodkiemen auf einander zurückführen, noch genügt unsere sinsicht in die Morphologie dieser Organe, um entscheiden zu können, welche von beiden Kategorien als die ursprünglichere, respective typische zu betrachten sei. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. Wir haben gesehen, dass in der der Blutgefässe ermangelnden Familie der Capitelliden Kiemen zur Ausbildung gelangt sind, welche sich dadurch von denjenigen der meisten übrigen (mit Blutgefässen ausgerüsteten) Anneliden unterscheiden, dass in ihnen nicht nur das hämo- globinhaltige Blut, sondern auch die gemeinsam mit letzterem in der Leibeshöhle circulirende I,ymphe zur Respiration gelangt. Wir wollen diese der Gefässe entbehrenden, Hämolymphe athmenden Parapodkiemen als »Lymphkiemen« und jene mit Gefässen versorgten, aus- schliesslich der gefärbten Blutflüssigkeit Zugang gestattenden als »Blutkiemen« bezeichnen. Beschäftigen wir uns vor Allem mit der Frage, ob auch noch andere Anne- liden solche Lymphkiemen aufweisen, und wenn dem so ist, ob diese den ein- fachen, oder aber den verzweigten der Capitelliden (welche wir ja nicht auf einander zurückzuführen vermochten, sondern vorläufig wenigstens als unabhängig von einander ent- standene gelten lassen mussten) gleichzustellen seien. Sodann wird zu untersuchen sein, ob sich zwischen den verschiedenen Lymph- kiemen einer- und den Blutkiemen andererseits. in morphologischem Sinne irgend welche Beziehungen erkennen lassen, oder aber, ob beide als Körper- anhänge verschiedenen Ursprunges betrachtet werden müssen. Im Hinblicke auf die erstere Frage muss man sich sofort einer Annelidenfamilie er- innern, deren Gattungen sich zwar von denjenigen der Capitelliden durch den Besitz tentakel- artiger Kopfanhänge, durch sehr entwickelte Kiefer, sowie durch monostich angeordnete, kräftig ausgebildete, lediglich Pfriemenborsten führende Fussstummel unterscheiden, aber doch darin mit unserer Familie übereinstimmen, dass auch ihre Rückeneirren zum Theil die Um- wandlung in Seitenorgane erfahren haben und — was hier mehr in Betracht kommen muss — dass auch sie kein Blutgefässsystem, dagegen hämoglobinhaltige Scheiben und Leucocyten in der peritoneal circulirenden Leibestlüssigkeit besitzen: ich meine die Familie der Glyceriden. Die Glyceriden*) sind denn auch in der T'hat die einzigen Anneliden ‘*), von welchen ähnliche, im engsten Anschlusse an die Parapodien ausgebildete, die gesammte Perivisceral- flüssigkeit athmende Lymphkiemen bekannt geworden sind. Auch stimmen diese insofern in *) Bezüglich des Vorkommens und Baues dieser Kiemen verweise ich auf Euvers, 1. p. 307. e. p. 638— 722. **) Ob die von ÖrArarkpe (l. p. 8. ec. p. 92) als Lymphkiemen betrachteten Anhänge der Sigalioniden hierhergehören, lässt sich vorläufig nicht entscheiden, da die Anatomie dieser Aphroditeentribus gerade in dieser Hinsicht erst noch der Aufklärung bedarf. VII. Respirationsorgane. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 55 bemerkenswerther Weise mit denjenigen der Capitelliden überein, als sie erstens je nach den Gattungen, ja, je nach den Arten, vorhanden sein oder fehlen, zweitens einfach oder ver- zweigt, drittens retractil oder nicht retraetil und viertens endlich sowohl hämal, als auch hämal und neural zugleich ausgebildet sein können. Mit welchen Parapodkiemen der Capitelliden aber diejenigen der Glyceriden zu ver- gleichen sind, ob mit den einfachen, unvollständig retractilen, oder mit den verzweigten, complet retractilen, lässt sich vorläufig noch nicht entscheiden; speciell hierauf gerichtete Studien müssen zu diesem Behufe angestellt werden. Es ist indessen wahrscheinlich, dass auch bei den Glyceriden beide Kategorien von Lymphkiemen vertreten sind; dafür spricht wenigstens das Vorkommen einfach schlauchförmiger, nicht retractiler, inmitten der Fuss- stummel eingepflanzter bei gewissen Arten von G/ycera, zum Beispiel bei Glycera convoluta‘), und dasjenige vielfach verzweigter, total einziehbarer bei anderen Arten derselben Gattung, zum Beispiel bei Glycera americana**). Fixstere erinnern an die einfachen Parapodfortsätze (Hakentaschen) von Notomastus, letztere an die verzweigten, retractilen Anhänge von Dasybranchus. Ich komme nun zur zweiten der im Vorhergehenden aufgeworfenen Fragen, nämlich zu der über die Beziehungen von L,ymph- und Blutkiemen. Wie die vielgebrauchten Namen Kopfkiemer und Rückenkiemer es ausdrücken, bilden die mit Blutkiemen versehenen Anneliden zwei grosse Gruppen, in deren einer die respirirenden Anhänge als Umbildungen von 'Tentakeln oder Fühlercirren, und in deren anderer die entsprechenden Anhänge als modifieirte Rückeneirren, respective als Aeste solcher Cirren betrachtet zu werden pflegen. Da wir es bei den Capitelliden sowohl, als auch bei den Glyceriden ausschliesslich mit metameren, parapodialen Anhängen zu thun haben, so können wir von den ersteren, den Kopfkiemern, hier wenigstens absehen; nur die ebenfalls mit metameren, stets im Be- reiche der Parapodien gelegenen Athemwerkzeugen ausgerüsteten Rückenkiemer können in Betracht kommen. Entscheidend für diese Beziehungen ist das Verhältniss des respirirenden Anhanges zum Rückeneirrus. Die Blutkiemen bestehen nun entweder aus dem umgewan- delten Rückencirrus selbst (so zum Beispiel bei Halla und Hermella), oder aber aus einem Aste dieses Cirrus (so bei Eunice). Die Lymphkiemen dagegen zeigen weder bei den Capitelliden, noch bei den Glyceriden irgend welche Beziehungen zum Rückeneirrus, einerlei ob letzterer in seiner Fadenform erhalten, oder aber zum Seitenorgane umgebildet erscheint. Dass an solche Beziehungen zu den Rückeneirren bei den Lymphkiemen nicht gedacht werden kann, geht aber auch schon daraus hervor, dass sie (ganz abgesehen von den distichen Capıi- telliden, bei denen sie ja an den hämalen und nenralen Parapodien zugleich auftreten können) auch bei den monostichen Glyceriden in einzelnen Fällen (G/ycera dibranchiata) sowohl hämal, als auch neural vorhanden sind. *) Man vergl. Eıters, 1. p. 307. c. p. 664. Taf. 24. Fig. 29, und Crararkpe, 1. p. S. ec. p. 187. Taf. 16. Fig. 3. **) Man vergl. Enters, 1. p. 307. ce. p. 669. Taf. 23. Fig. 43—45, und diese Monographie Taf. 37. Fig. 34. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 74 586 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. An eine Homologie zwischen Lymph- und Blutkiemen ist in Folge dessen nicht zu denken und so hätten wir hiermit einen weiteren Beleg für den folgenden von mir’) schon früher in der Schilderung der schwimmblasenähnlichen Anhänge von Hesione ete. ausgesprochenen Satz: »Die Annelidenkieme lässt sich morphologisch noch gar nicht scharf definiren, sie ist kein typischer Anhang. Typische Extremitäten für das Annelidensegment sind, abgesehen von den Fussstummeln, der dorsale und ventrale Cirus. Zur Kieme ausgebildet werden kann aber entweder der Rückeneirrus selbst, oder ein Spross desselben und in einzelnen Fällen kann dieser Spross Selbständigkeit gewinnen und auf den Rücken des Körpers heraufrücken.« Nur müssen wir den Satz dahin erweitern, dass ausser den Cirren und ihren Sprossen auch verschiedene Stellen der Parapodwandung Ausgangspunkte respirirender Fortsätze werden können, und überdies nicht ausser Acht lassen, dass es bei den sogenannten Kopfkiemern nicht parapodiale Cirren, sondern Tentakel und Fühlereirren sind, welche die Umwandlung in Kiemen erfahren. Wir haben in der so kleinen und scharf umschriebenen Capitellidengruppe nicht nur Formen mit sehr verschiedengradig ausgebildeten Kiemen, sondern auch solche angetroffen, welche der specifischen Athemwerkzeuge ganz entbehren. Diese im Hinblicke auf die meisten anderen Thiergruppen unerhörten Schwankungen des Respirations- systemes stehen in der Annelidenclasse nicht vereinzelt da. Haben wir doch schon hervor- gehoben, dass, was zunächst die Lymphkiemen betrifft, einzelne Gattungen, ja selbst Arten von Glyceriden solche Kiemen besitzen, andere dagegen nicht, und hinsichtlich der Blutkiemen braucht nur an die Euniciden erinnert zu werden, welche neben reichlich mit Kiemen versorgten Gattungen (Kunice etc.) auch solche einschliessen, die nicht nur der speciell respiratorisch thätigen, sondern auch aller anderen parapodialen Anhänge verlustig gegangen sind (Lum- briconereis etc.). An derjenigen Capitellidengattung, welche eine vollständige Einbusse der respiratorischen Anhänge erfahren hat, an Capitella, liess sich eine sehr auffällige Verdünnung des Haut- muskelschlauches, sowie eine bedeutende Steigerung des für die Fortbildung des respiratorisch wirksamen Wasserstromes bestimmten Darmrinnen-Systemes, mit anderen Worten eine be- deutend gesteigerte Haut- und Darmathmung feststellen. Was zunächst die letztere Athmungsweise betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, wie sie auch in anderen Fällen sich besonders da als gesteigert erwies, wo es sich um kiemen- lose Formen handelte. In dem bereits erwähnten Aufsatze?) habe ich nämlich constatiren können, dass respiratorische, mit Gas gefüllte Darmanhänge (oder zu ähnlichem Zwecke be- stimmte Gasansammlungen im Darmkanale selbst) hauptsächlich bei den Hesioniden, Syllideen, Phyllodociden und Nereiden vorkommen, also bei Familien, welche der specifischen Kiemen- anhänge durchaus entbehren. VII. Respirationsorgane. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 587 Und auch hinsichtlich der Hautathmung hat sich ergeben, dass ganz besonders bei solchen Anneliden das Integument auffällig verdünnt oder schr reich mit Blutgefässen versorgt erscheint, welche der Kiemen entbehren, so bei gewissen Chaetopteriden, Nereiden und Maldaniden *). Hinsichtlich des phylogenetischen Verhältnisses zwischen der Respiration durch Darm und Haut einer- und derjenigen durch specifische Kiemenanhänge andererseits habe ich in der vorerwähnten Abhandlung') seiner Zeit Folgendes geäussert: »Wenn uns nun über die Ausdehnung des Vorkommens der Anneliden-Schwimmblasen auch nur wenig bekannt ist, so glauben wir doch so viel für ausgemacht annehmen zu dürfen, dass die Darmathmung eine der ganzen Annelidengruppe in höherem oder geringerem Grade zukommende Fähigkeit bilde, ja dass sie neben der Hautathmung die ursprünglichste Form der Respirationsthätigkeit darstelle. In diesem Falle können wir uns aber vorstellen, dass so wie die vorwiegende HHautathmung zur Entwickelung der äusseren Anhänge in Kiemen, die vorwiegende Darmathmung zur Entwickelung von Blasen geführt habe, und Aus- läufer einer so alten und verbreiteten Function werden wir uns wohl hüten müssen, ohne Weiteres für einseitige Anpassungsphänomene zu halten.« Auch heute noch bin ich der Ansicht, dass wir die diffuse Darm- und Haut- athmung als den ursprünglichen Respirationsmodus zu betrachten haben, der einer- seits zur Bildung integumentaler und andererseits zur Bildung entodermaler Anhänge von mehr specifischem Charakter geführt hat. Aber daraus darf doch nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass alle jene Formen, welche der Kiemen entbehren und lediglich vermittelst Haut und Darm athmen als ursprüngliche zu betrachten seien. Im Gegentheil: Alles spricht dafür, dass zum Beispiel die aller Anhänge entbehrende Capitella, sowie die sich ähn- lich verhaltende Gattung ZLumbriconereis nicht etwa den Ausgangspunkt repräsentiren, von dem ihre reicher ausgestatteten Verwandten abgeleitet werden können, sondern umgekehrt durch secundäre, zum Theil stufenweise verfolgbare Degradation zu dieser Einfachheit zurück- gekehrt sind. Es muss dies aus dem Grunde betont werden, weil in so vielen Fällen Anneliden in Folge dieser Verwechslung von »ursprünglicher« und »degenerativ erworbener« Einfachheit in die fraglichsten systematischen Relationen gebracht wurden; ich erinnere nur an die soge- nannten »Archianneliden«. Schliesslich möchte ich noch ausdrücklich betonen, dass das, was ich im Vorher- gehenden über die Respirationsorgane der Anneliden vorgebracht habe, keinerlei Anspruch darauf erhebt, das Thema irgendwie befriedigend aufgeklärt zu haben; wurden ja die Probleme viel mehr hervorgehoben, als zur Lösung gebracht. Eine Lösung wird aber erst dann ver- sucht werden können, wenn die verschiedenen Annelidenfamilien auf alle Körperanhänge vergleichend-anatomisch (und theilweise wenigstens auch embryologisch) untersucht sind. Einer solchen Untersuchung würde sich naturgemäss diejenige der Parapodien anzuschliessen haben. 1) 1. p. 449. c. p. 295. *) Man vergl. QuATREFAGES, 1. p. 6. ec. Tome 1. p. 70, und CLAPAREDE, 1. p. 8. c. p. 452. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.’) In der Familie der Capitelliden haben wir provisorische und definitive Nephridien zu unterscheiden. Erstere dürfen aber nicht mit den Larven-Excretionsorganen oder Kopf- nieren verwechselt werden, indem sich kein durchgreifender morphologischer Gegensatz zwischen provisorischen und definitiven Nephridien stabiliren lässt. Das Attribut provisorisch bezieht sich eben nur darauf, dass die betreffenden Organe allein in jugendlichen 'Thieren (nicht Larven) functionirend angetroffen werden, wogegen sie bei Erwachsenen entweder ganz fehlen oder doch nur noch als Rudimente wahrgenommen werden. Regel ist, dass die provisorischen Nephri- dien im Vorderleibe oder 'Thorax zur Entwickelung gelangen, also in einem Körperabschnitte, in dem sich (abgesehen vom letzten seiner Segmente) niemals definitive Nephridien vorfinden. Darauf beschränkt sich, was allgemein von der Familie ausgesagt werden kann; denn die Nephridien ihrer Glieder stellen nicht etwa Variationen eines Themas dar, lassen sich nicht als phylogenetische Stadien ohne Weiteres auf einander zurück- führen, sondern zeigen vielmehr einen von den übrigen Verwandtschaftsbeziehungen in hohem Grade unabhängigen Wechsel der Uebereinstimmungen oder Abweich- ungen. Arten einer Gattung können engere Beziehungen zu Arten einer anderen aufweisen als zu ihren Schwesterarten, und diese hin und her schwankenden Relationen drehen sich durch- aus nicht um secundäre Punkte, nein cardinale Organisationsverhältnisse, wie Auftreten, Lagerung, Form, Mündungen und Structur, kommen dabei in Betracht. So bleibt mir denn auch in dieser vergleichenden Zusammenfassung bei Besprechung genannter Organisations- verhältnisse nichts Anderes übrig, als die einzelnen Arten, Untergattungen oder Gattungen gleicherweise zu berücksichtigen. Ich beginne mit dem Auftreten oder der Vertheilung der Nephridien nach Ort und Zeit. Bei erwachsenen '[hieren der Untergattung COlistomastus kommen functionsfähige Nephridien allein im Abdomen vor. Hier pflegen sie in einem der ersten Segmente zu be- 0) Man vergleiche: »Anatomisch- Histologischer Theil« p. 111—132, 190—199, 222—225, 241—243 und 270—280. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 589 sinnen und sich bis zur Schwanzregion von Segment zu Segment in je einem Paare zu wieder- holen. Ausnahmsweise können aber auch in einzelnen Zoniten die Organe fehlen, oder umgekehrt durch mehrere Paare vertreten sein. Bei jugendlichen 'T'hieren findet man nicht nur in denjenigen Segmenten des Abdomen- anfanges, welche bei erwachsenen keine Nephridien mehr enthalten, sondern auch in den hintersten 'Thoraxsegmenten Rudimente von Nierenorganen, und zwar erscheinen diese Rudi- mente in einem um so weniger degenerirten Zustande, je jünger die Thiere sind und je weiter vorn gelegene Zoniten man in's Auge fasst. Diese Rudimente repräsentiren aber die provisorischen Nephridien, welche sich in eben dem Maasse zurückbilden, als die defini- tiven, hinteren zur Ausbildung gelangen. In der Untergattung Tremomastus treten bei erwachsenen 'Thieren ausgebildete Nephri- dien stets vom ersten Abdomensegmente an auf und wiederholen sich streng segmental bis zur Schwanzregion. Auch bei den jüngsten mir zu Gesichte gekommenen fanden sich keine Spuren mehr von provisorischen Nephridien, woraus aber nicht geschlossen werden darf, dass solche überhaupt fehlen; vielmehr ist es wahrscheinlich, dass sie hier nur viel früher und vollständiger degeneriren, als bei Olistomastus. Die Arten der Untergattung Tremomastus sind dadurch ausgezeichnet, dass in beiden Geschlechtern vom zweiten Abdomensegmente ab die Nephridiumtrichter von 5 (N. Benedeni), 9 (N. profundus), oder 20 (N. fertilis) successiven Zoniten in sogenannte Genitalschläuche (Copulations- und Evacuationsorgane) übergehen und zeitlebens mit diesen von den Trichtern aus zur Entwickelung gelangten, selbständig nach aussen mündenden Schläuchen in Verbindung bleiben. Bei Clistomastus, bei dem weder Begattung, noch Evacuation der Sexualkörper durch besondere Poren stattfindet, kommen Genitalschläuche nur rudimentär vor, und zwar nicht im Abdomenanfange, sondern in den letzten 3 'Thoraxsegmenten. Die 'Thatsache, dass gerade in dieser Untergattung späte Stadien jugendlicher 'Ihiere noch Reste provisorischer Nephridien im Thorax erkennen lassen, legt den Schluss nahe, dass auch diese mehr oder weniger rückgebildeten Genitalschläuche ursprünglich mit Nephridien im Zusammen- hange standen, respective sich von den Trichtern solcher aus entwickelt haben. Bei Dasybranchus treten die Nephridien in streng segmentaler Folge auf; nie habe ich mehr als ein Paar in je einem Zoniten angetroffen. Sie beginnen, sei es ausgebildet, sei es in Form von Rudimenten, meistens im letzten oder vorletzten Thoraxsegmente, um sich, abgesehen von den weiterhin zu besprechenden Fällen, bis zum Schwanze fortzusetzen. Da mir keine jugendlichen Thiere zur Untersuchung vorgelegen haben, so kann ich auch nicht angeben, ob und in wie vielen weiter nach vorn gelegenen 'T'horaxsegmenten etwa noch Reste provisorischer Nephridien zu finden sind. Auch die beiden Arten von Dasybranchus sind durch den Besitz zahlreicher (30-40)Genitalschlauch-Paare ausgezeichnet,unddieseOrgane beeinflussen denModus des Auftretens der Nephridien je nach Altersstufe, Individuen und Arten nicht wenig. 590 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Betrachten wir zunächst den wenigstens innerhalb der Speciesgrenze sich einheitlich verhaltenden D. Gajolae. Bei ihm finden wir, ähnlich wie bei Tremomastus, eine Anzahl von Nephridien, deren '[richterpartien continuirlich in Genitalschläuche übergehen; aber es sind nicht wie bei jener Untergattung stets dieselben Segmente, in denen diese Verbindung wahr- genommen wird, sondern je nach dem Alter der betreffenden Individuen weiter vorn oder weiter hinten gelegene. Während nämlich bei Tremomastus sowohl die Genitalschläuche, als auch die Nephridien je nach den Arten in einer bestimmten Anzahl von Segmenten das ganze leben hindurch functionsfähig mit einander verbunden bleiben, kommen bei D. Gajolae in dem Maasse, als weiter nach hinten gelegene Nephridien Genitalschläuche pro- duciren, vordere Nephridien zur Rückbildung, so dass schliesslich eine ganze Reihe von Segmenten nur noch Genitalschläuche, eine zweite in Bildung be- sriffene Genitalschläuche und Rudimente von Nephridien, und eine dritte endlich Nephridien mit Genitalschlauchanlagen enthält. Wie sich dieser Prozess im Ein- zelnen nach Grösse der 'Thiere und Zahl der Segmente abspielt, ist oben pag. 193 ff. nach- zusehen. D. caducus ist durch ein dimorphes Verhalten ausgezeichnet. Bei gewissen Individuen kommen nämlich die Genitalschläuche ganz wie bei D. Gajolae successive auf Kosten der Nephridien zur Ausbildung (Typus D. caducus-Gajolensis), bei anderen hingegen (Iypus D. caducus s. str.) finden wir in allen respectiven Segmenten sowohl Nephridien, als auch Genitalschläuche vollkommen unabhängig neben einander entwickelt; nur die innige Nach- barschaft von Nephridiumtrichter und vorderem Genitalschlauchzipfel lässt auch hier die zwischen den beiden Organen herrschenden genetischen Beziehungen erkennen. Bezeichnend für dieses dimorphe Verhalten sowie für die grosse Variabilität des be- treffenden Organsystemes ist, dass auch Individuen von D. caducus vorkommen, welche sich keinem dieser beiden I'ypen einfügen lassen; Ausführliches darüber ist ebenfalls im Anatomischen Theile pag. 198 nachzusehen. Mastobranchus ist im Gegensatze zu den vorhergehenden Formen in der Regel nur in den letzten 30—40 Abdomensegmenten mit Nephridien, und zwar mit einem Paare in jedem Segmente ausgerüstet. Im der Regel; denn ich habe ein Individuum dieser Form unter den Händen gehabt, welches fast dem ganzen Abdomen entlang mehr oder weniger ausgebildete Nephridien erkennen liess, und zwar waren letztere um so mehr rückgebildet, je mehr man sich dem Abdomenanfange näherte. Da mir keine jugendlichen Exemplare zur Verfügung standen, so konnte ich auch nicht entscheiden, ob noch bei allen Individuen dem Abdomen entlang Nephridien zur Anlage kommen, oder nicht. Im ersteren Falle hätten wir die rück- gebildeten Organe in den Kreis der provisorischen Nephridien zu ziehen, im letzteren dagegen hätten wir das aberrante Thier unter dem Gesichtspunkte des Atavismus zu beurtheilen. Wie aber dem auch sein mag, so viel lässt sich unter allen Umständen aus dem interessanten Falle schliessen, dass ursprünglich auch Mastobranchus dem ganzen Abdomen entlang mit Nephridien ausgerüstet war, dass also die heutige Beschränkung auf das Ab- VII. Nephridien /Segmentalorgane). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 591 domenende einen secundären Zustand darstellt.: Ja, das Vorkommen von Genital- schläuchen im 7.—12. 'Thorax- und 1.—3. Abdomensegmente berechtigt sogar zur An- nahme, dass sich die Nephridien einst durch den grössten Theil des Thorax erstreckt haben, unter der Voraussetzung nämlich, dass auch hier die Entwickelung der Genitalschläuche (phylogenetisch wenigstens) von Nephridiumtrichtern ausgegangen ist. Bei jugendlichen 'Thieren könnten sich übrigens selbst heute noch provisorische Nephridien im Thorax vorfinden und so die erwähnte Abhängigkeit der Genitalschläuche auch noch ontogenetisch zum Ausdruck bringen. Auch bei Heteromastus ist das Vorkommen von Nephridien (wenigstens im erwachsenen Zustande) auf das hintere Drittel des Abdomens beschränkt. Hier wiederholen sie sich in Je einem Paare von Segment zu Segment. Obwohl das nicht, so wie bei der vorhergehenden Form, durch ein aberrantes, erwachsenes Exemplar ad oculos demonstrirt werden konnte, ob- wohl mir ferner auch hier keine jugendlichen Individuen, die vielleicht den Zustand noch recapituliren, zu Gesichte kamen, so stehe ich doch nicht an, auch hier die Reduction der Nephridien als secundäre Erscheinung aufzufassen. Allein die Thatsache, dass Hetero- mastus im 9.—12. Thoraxsegmente Genitalschläuche besitzt, spricht schon dafür, dass sich ur- sprünglich die Nephridien nicht nur durch das Abdomen, sondern auch durch einen 'Theil des Thorax erstreckt haben. Während bei den erwachsenen 'Thieren der vorhergehenden beiden Gattungen nur im hinteren Abschnitte des Abdomens Nephridien angetroffen werden, treten solche bei voll- kommen ausgebildeten Exemplaren der Gattung Capitella umgekehrt nur im Abdomen- anfange auf, und zwar je nach Grösse oder Alter der Thiere vom 10. bis ungefähr 23. Leibes- segmente oder vom 1.—13. Abdomensegmente. Was bei Olistomastus ausnahmsweise vor- ee 5 . . n x x kommt, nämlich das Auftreten mehrerer Organe in einem und demselben Seg- mente, ist bei Capitella zur Regel geworden; 2—3 Nephridien pflegen in den vor- dersten, 3—5 in den mittleren und 5—6 in den hintersten Zoniten jederseits enthalten zu sein. Mit dem Wachsen ihrer Zahl rücken die Organe immer näher aufeinander, so dass sie zuletzt compacten Drüsenkörpern ähnlich erscheinen; auch kommen zwischen benachbarten Organen nicht selten verbindende Sprossen (in denen der Flimmer- strom vom vorderen zum hinteren gerichtet verläuft zur Ausbildung. Von diesen definitiven Nephridien ist bei ganz jungen T'hieren noch keine Spur zu sehen; anstatt dessen entwickeln sich bei ihnen vom 5.—11. Segmente (abgesehen vom S. die Genitalschläuche enthaltenden Segmente!) provisorische, welche, in dem Maasse als die defi- nitiven zur Ausbildung gelangen, wieder der Degeneration verfallen. Nur für das 10. und 11. Leibessegment, welche beide allein durch den gleichzeitigen Besitz provisorischer und definitiver Organe ausgezeichnet sind, ist es zweifelhaft, ob nicht auch erstere in den er- wachsenen Zustand mit herüber genommen werden. Ausführliches über alle diese Verhält- nisse ist im Anatomischen Theile pag. 275 ff. nachzusehen. Während sich bei allen vorhergehenden Formen die provisorischen Ne- phridien den definitiven ähnlich verhalten, herrscht bei Capitella zwischen 592 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. beiden ein bedeutsamer Gegensatz: die provisorischen treten nämlich stets in der Ein- zahl in jedem Segmente auf (abgesehen natürlich vom 16. und 11., in welchen beiden sich zu- gleich definitive ausbilden) und jedes Organ participirt an zwei Zoniten, wogegen von den definitiven, wie wir gesehen haben, stets mehrere in je einem Segmente sich ausbilden, alle aber auf das betreffende Segment beschränkt bleiben. Von Genitalschläuchen kommt bei Capitella nur Ein Paar im 8. Seg- mente zur Entwickelung, und zwar geschieht die Anlage gleich in deren charakteristischer Form, indem dieses Segment zu keiner Zeit Spuren von Nephridien erkennen lässt. Trotzdem dürfen wir, gestützt auf das insbesondere bei Tremomastus und Dasybranchus so klar erkennbare Abhängigkeitsverhältniss der beiderseitigen Organe und in Anbetracht der unzweifelhaften starken Modificationen, von denen sowohl die provisorischen, als die definitiven Nephridien von Capitella betroffen wurden, schliessen, dass ursprünglich auch bei letzterer Form das 8. Segment ein Nephridienpaar besass, von dessen Trichtern aus die Genitalschläuche ihren Ursprung nahmen. Wie hinsichtlich ihres Auftretens, so sind auch hinsichtlich ihrer Form die Nephridien grossen Schwankungen unterworfen. Diejenigen von Olistomastus stellen an ihrer Umbiegungsstelle mit einander verwachsene Schleifen, respective zweischenklige Keulen dar; der eine Schenkel (der centripetale) führt zur inneren, der andere (der centrifugale) führt zur äusseren Mündung. Aehnlich gestaltet sind die Nephridien von Dasybranchus caducus; nur kommt es bei dieser Form zu keiner Verwachsung des Schleifenkopfes. Dasybranchus Gajolae unterscheidet sich dadurch von der vorigen Art, dass der Schleifenkanal überall ziemlich gleich diek ist, dass die Schenkel in weitem Abstande von einander verlaufen und dass die Bildung eines von den Kanälen sich mehr oder weniger ab- setzenden Körpers unterbleibt. Ebenso verhalten sich die Nephridien von Mastobranchus. Die definitiven von Capitella zeigen theilweise eine grosse Uebereinstimmung mit den Organen von Clistomastus, indem sie ebenfalls in der Form zweischenkliger Keulen auf- zutreten pflegen; aber diese Uebereinstimmung ist doch nur eine scheinbare, da bei Capitella beide Schenkel centrifugale oder ausführende Organe darstellen. Ein anderer Theil der de- finitiven sowie alle provisorischen Nephridien von Capitella bilden einfache Keulen, deren pro- ximaler (angeschwollener) Abschnitt den Trichter aufnimmt und deren distaler (verjüngter) sich zur Mündung begiebt. Aehnliche Keulen kommen auch bei Heteromastus dadurch zu Stande, dass die zu den Mündungen abbiegenden Schenkel nur ganz kurze und ziemlich scharf abgesetzte Por- tionen des Organes für sich in Anspruch nehmen. In total abweichender Form erscheinen die Nephridien der Untergattung Tremomastus. Sie bilden nämlich je nach den Arten ovale oder nierenförmige Kuchen, aus denen die ein- und ausführenden Schenkel scharf abgesetzt entspringen. VII. Nephridien (Segmentalorgane). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 593 In Folge eines meist den Excretbläschen, seltener der Zellsubstanz anhaftenden Farb- stoffes bieten die Nephridien aller Capitelliden eine auffallende und für die einzelnen Formen constante Färbung dar. Gelbbraun bis schwärzlich erscheinen diejenigen von Clistomastus und Dasybranchus caducus; goldgelb bis orange diejenigen von Dasybranchus Gajolae, Masto- branchus, Heteromastus und Capitella; hellgelb bis tief orange endlich diejenigen von Tremomastus. Die Grösse der Nephridien wächst oder sinkt mit derjenigen der Gattungen und Arten. Wir treffen daher die umfangreichsten Organe bei Dasybranchus caducus und die kleinsten bei Heteromastus. Innerhalb der einzelnen Arten wird ihr Volumen nur bis zu einer gewissen Grenze des Wachsthumes durch dasjenige des Körpers bedingt, so dass kleinere (erwachsene) Thiere umfangreichere, oder doch mindestens eben so umfangreiche Nephridien haben können, als grössere. In den einzelnen Thieren verhält sich die successive Zu- und Abnahme der Organe verschieden je nach den Gattungen oder Arten. So wachsen die Nephridien bei Olistomastus und Dasybranchus caducus stetig bis zur Abdomenmitte, um von da bis zum Abdomenende sich annähernd gleich zu verhalten. Bei Tremomastus dagegen nehmen sie vom Anfange bis zum Ende des Abdomens continuirlich zu, so dass die letzten Organe den doppelten Durch- messer der ersten erreichen. Auch die Nephridien von Mastobranchus und Capitella wachsen stetig von vorn nach hinten an, wenn auch nicht in so beträchtlicher Weise wie diejenigen von Tremomastus. In der Schwanzregion nehmen die Nephridien gleicherweise bei allen Arten sehr unver- mittelt an Grösse ab, indem sie sich wie die übrigen Organe in einem noch unfertigen Zu- stande befinden. Hinsichtlich der Lage der Nephridien herrscht ein sehr bemerkenswerther Gegensatz. Die provisorischen Organe von Capitella nämlich erstrecken sich je auf zwei successive Zonite derart, dass ihr proximaler Abschnitt mit dem Trichter einen Theil des respectiven vorderen und ihr distaler Abschnitt mit der äusseren Mündung einen Theil des zunächst folgenden hinteren Segmentes einnimmt; die definitiven Organe von Capitella hingegen sowie diejenigen der sämmtlichen übrigen Gattungen, einerlei ob provisorische oder definitive, sind ganz und gar auf die Segmente beschränkt, denen sie zugehören. Innerhalb der einzelnen Segmente nehmen die Nephridien bei allen Capitelliden die neuralen Flanken des Körperumfanges, und zwar die als Nierenkammern unterschiedenen Räume der Leibeshöhle ein. Clistomastus macht nur eine scheinbare Ausnahme, indem bei ihm in Folge der Rückbildung der transversalen (die Nieren- von den Darmkammern schei- denden) Muskulatur die Nephridien nachträglich in die Darmkammern hinaufgerückt sind. Da die die Nierenkammern abgrenzenden transversalen Muskelstränge sich distal im Bereiche der Seitenlinie inseriren, so haben bei denjenigen Formen, bei welchen die genannte Linie dem Abdomen entlang eine Lageveränderung erleidet, wie die Nierenkammern selbst, so auch die Nephridien diese Veränderung mitzumachen. Wir treffen daher letztere Organe bei den Gattungen Notomastus und Dasybranchus im Abdomenanfange auf der Höhe des halben Körper- Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 19: 594 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. umfanges oder noch höher, im Abdomenende dagegen tief neural gelegen. Rücksichtlich ihrer Beziehungen zur Längsaxe ist zu bemerken, dass die langgestreckten Nephridien von Olisto- mastus, Dasybranchus caducus, Heteromastus und die ähnlich geformten provisorischen von Capitella dieser Axe parallel verlaufen und daher den grössten Theil der Segmentlänge einnehmen. Die weniger gestreckten Organe von Dasybranchus Gajolae und Mastobranchus dagegen verlaufen mehr rechtwinkelig zu dieser Axe und nehmen dabei die Segmentmitten ein. Aehnlich recht- winkelig ist der Verlauf der definitiven, den grössten Theil der bezüglichen Segmente ocen- pirenden, vielzähligen Organe von Capitella. Im Bereiche der hinteren Segmentgrenzen gelegen treffen wir endlich die breit kuchenförmigen Organe von Tremomastus. Sehr verschieden verhalten sich auch die Nephridien hinsichtlich ihrer Abhängigkeit gegenüber den Leibeswandungen. Am meisten von diesen Wandungen abgelöst und des grössten Maasses von Beweglichkeit theilhaftig erscheinen diejenigen von Olistomastus; sie haben diese ihre freie Lage zum Theile wenigstens dem Schwunde der transversalen Muskulatur zu danken. Aechnlich unabhängig vom Hautmuskelschlauche stellen sich die Organe von Dasy- branchus, sowie die provisorischen von Capitella dar; nur kann hier in Folge der kräftigen Entwickelung der transversalen Muskulatur von keiner solchen Beweglichkeit innerhalb der l.eibeshöhle die Rede sein wie bei Cbstomastus. Ganz im Gegensatze hierzu bleiben die Nephridien aller übrigen Formen, also diejenigen von Tremomastus, Mastobranchus, Heteromastus, sowie die definitiven von Capitella (abgesehen von den Mündungen), zeitlebens fest mit den l.eibeswandungen verwachsen, und zwar derart, dass die untere Fläche der Organe der neuralen Längsmuskulatur und die obere dem Peritoneum anliegt. Letztere Membran bildet daher nicht wie bei der vorhergehenden Gruppe einen besonderen, das Organ allseitig bedeckenden Ueberzug, sondern verläuft vielmehr glatt über dasselbe hinweg; kurz die Nephridien dieser Gruppe haben eine retroperitoneale Lage. Ich komme nun zu den inneren Mündungen. Wäre die nahe Verwandtschaft aller Capitelliden nicht anderweitig sichergestellt, aus dem Verhalten dieser Theile würde man sie nimmer erschliessen können, so abweichend haben sich letztere von einander gestaltet. Bei Olistomastus werden die genannten Mündungen einfach durch die terminalen, trichter- förmig erweiterten Abschnitte der centrifugalen Schenkel repräsentirt, und im Gegensatze zur freien Lage der Organe sind diese Trichter auf ihrer Unterseite fest mit dem Peritoneum ver- wachsen. Bei Tremomastus, Dasybranchus und Mastobranchus dagegen stellen sie scharf von den centripetalen Schenkeln abgesetzte, pantoffel- oder löffelförmige Körper dar, welche ab- geschen von einzelnen sie an der Leibeswand festhaltenden, mesenterialen Fäden eine durchaus freie, vom Peritoneum unabhängige Lage haben. Bei der der centrifugalen Schenkel über- haupt entbehrenden Capitella sodann erscheinen sie unter der Form sehr kleiner, kurz ge- stielter, den Organen meist im proximalen Bereiche eingepflanzter Gabeln. Nur die provi- sorischen Nephridien von Capitella folgen dem Gesetze, dass jedes einzelne Organ auch Einen Trichter besitzt, wogegen die definitiven je mehrere ausbilden können, welche dann meist in ziemlich weiten Abständen von einander in den Ausfuhrkanal münden, VII. Nephridien (Segmentalorgane). l. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 595 Bei Heteromastus endlich habe ich die inneren Mündungen nicht aufzufinden vermocht. Das Vorhandensein eines, wenn auch wenig ausgebildeten, centripetalen Schenkels legt aber nahe, dass sich diese Gattung bezüglich der Trichter den vorhergehenden und nicht etwa Capitella anschliesst. Ausneben- stehenden schemati- schen Zeichnungen, in welchen ich die inneren und äusseren Mündungen der Ne- phridien sämmtlicher Capitelliden bezüglich ihrer Lage zur Längs- und Queraxe zusam- mengestellt habe, ist zu ersehen, dass sich in dieser Hinsicht die ersteren Mündungen (im Gegensatze zu letz- teren) ziemlich ein- heitlich verhalten. Wir treffen sie nämlich, was zunächst das Verhält- niss zur Längsaxe be- trifft, abgesehen von Capitella, bei allen For- men im Bereiche der vorderen Segment- grenze. Diejenigen der provisorischen, sich durch zwei Segmente erstreckenden Organe von Capitella haben umgekehrt ihre Lage Il Lunere Mündungen : Aussere Müindungen : Pd. 4. Iı > 4 Chistomastus Olistomastıs. 4 $ N y) --- Dasybranchus caducus Ab- domenanfung. Dasybranchus Gajolae. Mastobranchus. Ge- nitalschläuche aller Gut- tungen. Capitella definitive* Tremomastus. Dasybranchus von Abdomenmitte ab. Heteromastus. Tremomastus. Mastobran- chrus. Dasybranchus. Hetero- mastus. Cuapitella proviso- rische, Paz, y N. Capitella provisorische und definitive. R. MM. 2. Tremomastus. Dasybranch. Clisto- Mastobranchus. Capitella nastus. pas star. Ieteromastus. provisor, \ en He Aussere Mündungen: —T—- .——— zur Eu Sm | —> kopf. z_ Pi. An P B |? | | | Innere Mündungen: —— —— nn — ee Capitella provisorische Clistomastıus. Tremomastus. Dasybranchus Mastobranchns Heteromastus Keduetion der inneren und äusseren Nephridium-Mündungen sämmtlicher Capitelliden aufeinen schematischen Längs- und ebensolehen Querschnitt. Die Lage der betreffenden Mündungen ist durch Punkte angedeutet. Bezüglich der Bedeutung der Buchstaben vergleiche man die der Tafelerklärung vorgesetzte Liste, 1. Reduction auf einen Querschnitt. 2. Reduction auf einen Längsschnitt ziemlich weit hinten und die "Trichter der definitiven Organe dieser Gattung erstrecken sich natürlich ebenso wie die Organe selbst durch den grössten Theil. der Segmentlänge. Ebenso herrscht in Bezug auf die Queraxe für die meisten Formen Uebereinstimmung: Die "Trichter *) Die doppelten Linien bei Capitella bedeuten, dass sich entsprechend der Vielzahl ihrer definitiven Nephridien auch die zugehörigen Mündungen je durch den grössten Theil des Segmentes (Fig. 2) respective durch einen ge- wissen Bogenabschnitt der Nierenkammer (Fig. 1) erstrecken. -ı or 596 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. von Tremomastus, Dasybranchus, Mastobranchus und wahrscheinlich (nach dem Verlaufe des centripetalen Schenkels zu urtheilen) auch derjenige von Heteromastus liegen nämlich gleicher- weise in der die dorsalen und ventralen neuralen Muskelstränge von einander scheidenden Spalte. Eine ähnliche Lage behaupten auch die inneren Mündungen der provisorischen Organe von Capitella, wogegen diejenigen von Clistomastus (entsprechend der Lageveränderung der gesammten Nephridiumkörper) viel höher gegen die Seitenlinie hinauf gerückt sind. Die Trichter der definitiven Capitella-Nephridien endlich werden in Folge ihres vielzähligen, reihen- förmig unter einander geordneten Auftretens sowohl hoch wie diejenigen von Olistomastus, als auch tief wie diejenigen der übrigen Gattungen angetroffen. Wie die inneren Mündungen (Capitelfa ausgenommen) als Endigungen der centripetalen, so erscheinen die äusseren Mündungen als Endigungen der centrifugalen Schenkel. Letztere haben um nach aussen zu münden die Wandungen des Hautmuskelschlauches oder, wo sie den Spalten der Längsmuskulatur folgen, doch wenigstens die Ringmuskulatur und die Haut zu durchbrechen. Im der Regel stellen die Mündungen einfache Poren dar; bei Dasybranchus dagegen sind sie auf niedrigen Warzen und bei einzelnen Ckstomastus-Individuen sogar auf hohen Schornsteinen angebracht. Warzen und Schornsteine bestehen aus einem äusseren, von der Haut abstammenden, und aus einem inneren, dem Nephridium zugehörigen Theile; am Porus der Mündungen gehen beide continuirlich in einander über. Die Lage der äusseren Mündungen bietet grössere Abweichungen innerhalb der Familie dar, als diejenige der inneren. Im Hinblicke auf die Längsaxe finden wir die Schornsteine von Olistomastus auf der Grenze des ersten und zweiten Drittels der Segmentlänge; in der Segmentmitte münden die Nephridien von Dasybranchus sowie die provisorischen von Capitella und in der Nähe der hinteren Segmentgrenze diejenigen von Tremomastus, Mastobranchus und Heteromastus. Die Mündungen der definitiven Organe von Capitella erstrecken sich natürlich, ebenso wie die "Trichter, entsprechend der Vielzahl von Nephridien in allen Segmenten, fast auf die ganze Länge dieser letzteren. In Bezug auf die Queraxe nehmen die äusseren Mündungen von Olistomastus die höchste Lage ein; sie durchbrechen nämlich beträchtlich oberhalb der Seitenlinie den Hautmuskelschlauch, während bei allen übrigen Capitelliden jene Mündungen im Bereiche dieser Linie oder viel tiefer liegen. Auch diese Abweichung der Okistomastus-Nephridien ist dem Eingehen der trans- versalen Muskulatur, respective der Nierenkammern zuzuschreiben. Die nächst hohe Lage bieten die äusseren Mündungen von Dasybranchus caducus (im Abdomenanfange), Dasybranchus Gajolae und Mastobranchus dar, indem sie im Bereiche der Seitenlinie durchbrechen. Sodann kommen die auf der Grenze der dorsalen und ventralen neuralen Muskelstränge gelegenen Mündungen von Dasybranchus caducus (Abdomenmitte bis Abdomenende), Tremomastus und Heteromastus. Am tiefsten endlich liegen diejenigen von Capitella, nämlich auf der neuralen Körperfläche. Wie die Parapodien, Seitenorgane und Kiemen, so werden auch die äusseren Mündungen der Nephridien (unbeschadet ihrer relativ constanten Position) von den öfter er- wähnten Lageveränderungen der Seitenlinie beeinflusst. VII. Nephridien (Segmentalorgane). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 597 Bezüglich Heteromastus und Capitella ist noch zu bemerken, dass die centrifugalen Schenkel nicht wie bei den übrigen Formen die Haut durchbrechen, sondern in der Haut selbst enden, und zwar bei den provisorischen Organen von Capitella sowie bei denjenigen von Heteromastus einfach zugespitzt, bei den definitiven von Capitella dagegen zu- weilen gabelig getheilt. Von dem Münden in die Haut habe ich mich insbesondere bei Ca- pitella durch Carminfütterungsversuche überzeugen können, indem dieser Farbstoff ganz so wie das specifische Excret in die Haut hinein abgeschieden wurde. Gegenüber den vielfachen sonstigen Divergenzen herrscht, wenigstens in den wesentlichen Punkten, relative Einheit der Structur. Die Nephridien sind nämlich in allen Gattungen nach dem Schema cavernöser Drüsen aufgebaut. Von einer äusseren homogenen, das Organ umhüllenden Membran entspringen nach allen Richtungen hin Lamellen, so dass ein Fachwerk zu Stande kommt, dessen einzelne Räume die Zellwände darstellen. Inmitten dieses Fachwerkes verläuft ein flimmernder Kanal, nämlich der zu den Mündungen führende Ausfüh- rungsgang. Dieser kann entweder durch ein besonderes Epithel von Flimmerzellen gebildet werden, wie bei Tremomastus, oder kann (und dies gilt für alle übrigen Capitelliden) einfach von den benachbarten Wandungen des Fachwerkes seine Begrenzung erhalten, in welchem Falle auch die Cilien den zunächst liegenden Zellen des Fachwerkes entstammen. Mit an- deren Worten, der Ausführungsgang stellt entweder eine nackte Durchbohrung des cavernösen Gewebes dar, oder eine von einem besonderen Epithel ausgekleidete. Die Zellsubstanz sowie auch die Kerne zeichnen sich (abgesehen von Dasybranchus caducus) durch grosse Vergänglichkeit aus. In den meisten Zellen pflegt sich das specifische Excret in Form sehr verschiedener Bläschen und Concretionen anzuhäufen, und es ist hauptsächlich dieses Excret, das den Nephridien ihre charakteristische Färbung verleiht. Ausser den genannten Theilen ist noch eine peritoneale Hülle zu erwähnen, welche die frei im Cölom liegenden Organe allseitig, die mit der Unterfläche an die Leibeswandungen festgewachsenen dagegen nur auf ihrer freien Fläche umhüllt. Die excretorische 'Thätigkeit ist in dieser Annelidengruppe nicht auf die specifischen Nierenorgane beschränkt; denn bei allen Formen betheiligen sich auch die Blutzellen, und zwar die gefärbten, an der Ausscheidung des Un- brauchbaren. Diese Zellen enthalten nämlich ganz ähnliche Excretbläschen und Concre- tionen wie die Nephridiumzellen ; oft in solcher Menge, dass sie allmählich ihre nu- tritiv-respiratorische Function einbüssen und schliesslich in der Nebenfunction erschöpft zu Grunde gehen. Einen ganz ähnlichen Antheil nimmt das Peritoneum; denn auch in seinen Elementen finden wir zahlreiche, für die excretorische 'Thätigkeit Zeugniss ablegende Excret- bläschen. Bei denjenigen Gattungen, bei welchen die Nephridien auf das Abdomenende be- schränkt sind (Mastobranchus, Heteromastus), kommt es sogar zu metameren Wucherungen des parietalen Blattes, zu Wucherungen, welche man angesichts der massenhaft in ihnen 595 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. enthaltenen, für die Nierenfunction so charakteristischen Concretionen geradezu als Nephri- dien ohne Ausführungsgänge bezeichnen könnte. Wenn wir die nahen zwischen Nephridien, Peritoneum und Blutzellen herrschenden genetischen Beziehungen erwägen, so wird uns diese vicariirende Nierenthätigkeit der beiden letzteren um Vieles verständlicher erscheinen. Wie schon im Eingange des Abschnittes hervorgehoben wurde und wie es die ver- sleichende Uebersicht bestätigt hat, zeigt dieses Organsystem eine so grosse Varia- bilität, ein von den übrigen Verwandtschaftsverhältnissen so unabhängiges Divergiren und Congruiren innerhalb der verschiedenen Gattungen, ja Arten, dass jeder Versuch einer phylogenetischen Ableitung auf grosse Schwierig- keiten stösst. Stimmen doch — um nur das Eine hervorzuheben — die Nephridien des als Clstomastus unterschiedenen Notomastus lineatus viel, viel mehr mit denjenigen von Dasy- branchus caducus, als mit denjenigen seiner in der Untergattung Tremomastus vereinigten Schwesterarten N. BDenedeni, profundus und fertilis überein. Und doch kann nicht der geringste /weifel darüber herrschen, dass alle die genannten Notomastus-Arten im Ganzen sich näher stehen, als Dasybranchus, dass sie mit anderen Worten letzterem gegenüber ein wohl definir- bares Genus bilden. Immerhin lässt sich aber die allgemeinere Frage erwägen, welche Nephridienvertheilung innerhalb der Capitellidengruppe als die ursprünglichere und welche als die modificirte zu betrachten sei. Wenn es schon a priori wahrscheinlich ist, dass die metamere sich fast durch den ganzen Leib erstreckende Anordnung, wie sie Notomastus und Dasybranchus darbietet, dem typischen Verhalten entspricht, so wird das zur Gewissheit angesichts der 'T'hatsache, dass in der einen der Formen, welche in der Regel nur im Abdomenende Nephridien besitzt (Mastobranchus), Exemplare auftreten, welche dem ganzen Abdomen ent- lang noch Rudimente solcher Organe erkennen lassen. Und wenn die Beschränkung der Nephridien auf das Abdomenende bei Mastobranchus und Heteromastus als secundärer Vorgang feststeht, so dürfen wir wohl auch die Beschränkung derselben Organe auf den Abdomenanfang bei Capitella als eben solchen Vorgang betrachten. Die 'Ihatsache, dass alle Capitelliden, deren Jugendstadien zur Untersuchung gelangten, auch im Vorderleibe, wo bei Erwachsenen nie Nephridien angetroffen werden, solche Organe (sogenannte provisorische Nephridien) be- sitzen, zeigt überdies, dass bis zu einem gewissen Grade sich in der ganzen Familie die Neigung zur Reduction der Nephridien geltend macht. Als unzweifelhaft secundäre Erscheinung muss auch das Auftreten einer Mehrzahl von Nephridien in einem und demselben Segmente betrachtet werden; die Tendenz zu solcher Vermehrung und damit die Möglichkeit der allmählichen Heraus- bildung eines Zustandes, wie ihn Capitella repräsentirt, kommt schon in einer der sich in der Regel streng metamer verhaltenden Formen, nämlich in Okstomastus, zum Ausdrucke, indem bei ihr in dem einen oder anderen Zoniten eine Vielzahl von Organen auftreten kann. Entschieden als secundäre, im Hinblicke auf das Nephridium degenerative VII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 599 Modification ist endlich auch das in die Haut Münden der Nierenorgane von Heteromastus und Capitella aufzufassen. Ob die freie cölomatische Lage wie bei Clistomastus und Dasybranchus, oder die re- troperitoneale wie bei den übrigen Formen den ursprünglicheren Zustand respräsentire, lässt sich auf Grund der hier in Betracht kommenden Facta allein nicht entscheiden. Die 'That- sache aber, dass innerhalb ein und derselben Gattung (Notomastus) beide La- gerungsverhältnisse vertreten sind, beweist, eine wie geringe morphologische Bedeutung diesem Gegensatze zukommt. Wahrscheinlich liegt hier ein ähnliches Ver- hältniss vor wie im Bauchstrange, der ja ebenfalls innerhalb ein und derselben Familie bald cölomatisch, bald acölomatisch angetroffen wird. Schliesslich bleibt noch desjenigen Gegensatzes zu gedenken übrig, der durch die pro- visorischen, an zwei Körpersegmenten partieipirenden Nephridien von Capitella einereits und die auf je ein Segment beschränkt bleibenden aller übrigen Gattungen (sowie auch der sich ähnlich verhaltenden definitiven von Capitella) andererseits ausgedrückt wird. Zur Entscheidung der Frage, was in diesem Falle den primären und was den secundären Modus darstelle, reicht aber die vergleichende Prüfung der Capitellidengattungen, mit der wir es in diesem Abschnitte allein zu thun haben, nicht aus; ja, es dürfte sogar die über die Grenze unserer Familie hinaus- gehende vergleichende Untersuchung ohne den Beistand der Embryologie nicht zum gewünschten Ziele führen ®). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. Entsprechend meiner ursprünglichen Absicht, die Nephridien der Anneliden einer ver- eleichend-anatomischen Untersuchung zu unterwerfen, habe ich im Laufe der Jahre ein ziemlich reiches, theils auf Angaben Anderer, theils auf eigenen Beobachtungen beruhendes Material von 'Thatsachen angesammelt. Wollte ich aber dieses Material hier zur Darstellung bringen, so würde das zu einer nicht unbedeutenden weiteren Anschwellung der vorliegenden Mono- graphie führen, und um das zu vermeiden, werde ich mich darauf beschränken, allein solche Verhältnisse des Nephridiensystemes anderer Anneliden heranzuziehen, welche als speciell den- jenigen der Capitelliden vergleichbare in Betracht kommen. Alle für die im nächsten Ab- schnitte zu erwägenden Vergleiche ausserdem noch in Frage kommenden vergleichend -ana- tomischen Facta sollen erst dort im Anschlusse an die bezüglichen Probleme aufgeführt werden. Ich constatire vor Allem, dass bis heute keine andere Annelidenfamilie bekannt ge- worden ist, deren Nephridien auch nur entfernt ähnlich weit gehende Schwankungen hinsichtlich des Auftretens, der Form-, Grösse-, Lagerungs- und Structurverhältnisse, sowie der Beziehungen zum Geschlechtsapparate aufwiesen, wie diejenigen der Capitelliden. Wir müssen, um ähn- a) Vergl. p. 600. 600 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. lichen Divergenzen zu begegnen, schon so viel selbständigere und in sich abgeschlossener dastehende Gruppen wie etwa die Oligochaeten oder die Hirudineen in's Auge fassen. Und doch besteht, wie ich das schon mehr als einmal zu betonen hatte, die Familie der Capitelliden nicht nur aus nahe verwandten Gattungen, sondern dieselbe lässt auch so unverkennbare Beziehungen zu verschiedenen anderen Polychaetenfamilien erkennen, dass an ihre "Trennung von letzteren gar nicht gedacht werden kann. Die Capitelliden sind nun aber auch diejenigen Anneliden, welche mehr als irgend welche andere Gruppen Vermittelungen zwischen den Poly- und Oligochaeten anbahnen und — da es vorwiegend das zwiespältige Verhalten des Urogenital- apparates ist, auf Grund dessen die genannten zwei Anneliden-Abtheilungen eine so scharfe Gegenüberstellung erfahren haben, so wird es einleuchten, wie gerade im Hinblicke auf diese Verwandtschaftsverhältnisse der Capitelliden die Vielseitigkeit ihres uropoötischen Apparates ein besonderes Interesse gewinnt. Ich will nun zur Besprechung, respective zum Vergleiche einzelner hervorragender Eigenthümlichkeiten im Verhalten der Nephridien übergehen. Das Vorhandensein provisorischer Nephridien, das heisst solcher, die zwar (im Gegen- satze zur Kopfniere) zur Kategorie der bleibenden Nephridien gehören, aber nur in jugend- lichen 'Thieren in mehr oder weniger zahlreichen Segmenten des Vorderleibes auftreten, um sich im Laufe des Wachsthumes wieder zurückzubilden, finde ich nur noch für Oligochaeten hervorgehoben. Vespovsky') berichtet nämlich, dass sich bei den Embryonen von Rhynchelmis die Excretionsorgane in allen Segmenten wiederholen, sodann aber in den ersten fünf Zoniten degeneriren, so dass man von ihnen bei jungen Würmern dieser Gattung keine Spur mehr antrifft. Die T'hatsache ferner, dass bei den meisten Oligochaeten die ersten 4—6 borstentra- genden Segmente der Excretionsorgane entbehren, legt den Schluss nahe, dass das Auftreten provisorischer Nephridien einen der Gruppe allgemein zukommenden Charakter darstelle. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass das Vorkommen solcher provisorischer Nephridien lediglich auf die Capitelliden und Oligochaeten beschränkt sei; denn die genauere Erforschung anderer Polychaeten, insbesondere der Jugendstadien, dürfte auch bei ihnen noch zum Nachweise solcher vorübergehend in den vorderen Segmenten auftretenden Excretions- organe führen. Es ist die Annahme sehr verbreitet”), dass das Anneliden-Nephridium in der Regel an zwei Leibessegmenten participire, dass nämlich der "Trichter das oralwärts gelegene Septum desjenigen Segmentes, in dem das eigentliche Organ nebst äusserer Mündung seine Lage hat, durchbohre und demgemäss mit der Leibeshöhle des nächst vorderen Zonites communicire. So verhalten sich in der That in der Regel die Nephridien der Oligochaeten, also der- jenigen Anneliden, die den Ausgangspunkt unserer Kenntnisse hinsichtlich dieses Organsystemes . 1) 1. p. 236. e. p. 124 und p. 129. *) So sagt z. B. Bavrour (l. p. 346. e. p. 563) bezüglich der Nephridien der Chaetopoden: »Each tube has an internal opening, placed as a rule in the segment in front of that in which the greater part of the organ and the external opening are situated«. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 601 abgegeben haben. Mit Unrecht wurde nun aber dieser für die Oligochaeten giltige Typus auf die Polychaeten ausgedehnt, indem ganz im Gegentheil weitaus bei den meisten dieser Anneliden jedes Nephridium auf ein Leibessegment beschränkt bleibt und diejenigen Fälle, in denen ein Uebergreifen der Trichter in je vorhergehende Segmente stattfindet, als Ausnahmen von der Regel erscheinen. Diese Ausnahmen werden, soweit mir bekannt ist, repräsentirt durch die sogenannten Archianneliden (Polygordius, Saccocirrus, Protodrilus, Histriobdella), ferner durch die Familien der Alciopiden und Typhloscoleciden und endlich durch gewisse Nereiden und Spioniden. Die Frage, welches Verhalten als das typische oder ursprünglichere zu betrachten sei, scheint nicht viel erwogen worden zu sein; denn mir sind nur zwei speciell das Problem berührende Aeusserungen bekannt geworden, und diese widersprechen sich. Die eine rührt 5 5 von PErrıEr') her und lautet: »L’embryogenie nous montre encore chaque tube eilie fix& des son origine a la cloison anterieure du segment qui le eontient, a travers laquelle il se prolonge seulement plus tard, sous forme d’un entonnoir eili& qui souvre dans l’anneau preeedent. — Le mode de formation de lorgane segmentaire permet de se rendre compte de la constance de cette disposition, qui a &t&e constatee chez tous les Oligochetes etudies jusquiei. Tl est a remarquer que, bien quil paraisse etre un organe commun Aa deux anneaux Cconsccu- tifs, c'est uniquement aux depens de la masse embryonnaire contenue dans un seul anneau que lorgane segmentaire se forme. Il appartient done en propre a lanneau sur lequel se trouve son orifice externe.« Die andere stammt von Beren?’); derselbe sagt: »So hat denn hier (nämlich bei den sogenannten Archianneliden) jedes Segmentalorgan gewöhnlich Beziehungen zu zwei aufeinander folgenden Segmenthöhlen: der Trichter öffnet sich in die vordere hinein, der Haupttheil des Organs liegt aber in der hinteren und öffnet sich im Bereiche dieses Segments nach aussen. Die Beziehung zu der hinteren ist, wie der Vergleich mit den erwähnten niederen Formen lehrt, eine secundäre, während das Offensein des Wimpertrichters gegen die vordere Segmenthöhle als eine pri- märe Eigenthümlichkeit der Segmentalorgane gelten muss.« Würde Prrkıers Aneabe, derzufolee sich der präseptale Theil jedes Nephridiums bei SEE =) \ Dero in demselben Segmente entwickele wie der postseptale, sich als allgemein giltig erwiesen haben, so wäre damit die Frage zu seinen Gunsten entschieden gewesen. Die nachfolgenden embryologischen Untersuchungen führten aber zu einem entgegengesetzten Resultate. Sowohl Harscher®), als auch VespovskY') betonen nämlich, dass bei den Oligochaeten die Nephridien ursprünglich schon innerhalb zweier successiver Segmente zur Anlage kommen und nicht erst secundär die Septen durchbohren. Da sich nun andererseits bei denjenigen Anneliden, bei welchen die Excretionsorgane zeitlebens nur Ein Leibessegment einnehmen, diese Organe von Anfang an lediglich in den respectiven Segmenten ausbilden, so kann die Entwickelungs- geschichte hier überhaupt nichts entscheiden; es lässt sich nur constatiren, dass bei gewissen Familien oder Gattungen der eine und bei anderen der andere Modus sowohl in der Ent- wickelung, als auch im fertigen Zustande zum Ausdruck kommt. Dafür aber, dass diesem 1) Perrıer, E. Histoire Naturelle du Dero obtusa. Arch. Z. Exper. Tome 1. 1872. p. 88. 2) Bere, R. S. Die Exeretionsorgane der Würmer. Kosmos 17. Bd. 1555. p. 105 3) 1. p. 351. (Stud. Entw. Gesch. Annel.) c. p. 20. p- 236. ce. p. 123. He ap Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 76 602 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Gegensatze überhaupt keine grosse morphologische Bedeutung beizumessen sei, scheint mir auch in entschiedener Weise das Verhalten von Capitella zu sprechen, deren vordere, nur im Jugendzustande fungirende Nephridien nach Art derjenigen der Oligochaeten an zwei Körper- segmenten participiren, während ihre hinteren, bleibenden ähnlich denjenigen der meisten Poly- chaeten ganz und gar auf je ein Segment beschränkt bleiben. Zur Zeit als ich bei gewissen Capitelliden das Auftreten einer Mehrzahl von Ne- phridien in einem und demselben Segmente zu constatiren hatte, stand dieser Befund einzig in der Annelidenclasse da; seitdem ist nun aber über ähnliche Vorkommnisse, und zwar aus dem Kreise der Oligochaeten, von Seiten BEppArp's') berichtet worden. Er schildert den be- züglichen Sachverhalt wie folgt: »In the most anterior part of the body, and oceupying segments 3 and 4, is a large gland on either side composed of a number of these glandular tufts aggregated together. Eısıs has recently shown ın the Capitellidae that there may be more than a single segmental tube to each segment; and, assuming that the glandular tufts of Typheus are really the homologues of the segmental organs of other worms, which seems very probable, this genus presents another example of the same phenomenon. It is possible that this structure corresponds to the “glande a mucosite” described by PERRIER as coexisting in Urochaeta with segmental tubes of the normal type.« Wie man sicht, bedarf dieser mit den Capitelliden verglichene Fall, insbesondere im Hinblicke auf das Verhalten der äusseren und inneren Mündungen, noch weiterer Aufklärung. Aber es ist durch BEpvAarp?) vor Kurzem noch bei einer anderen Oligochaete, nämlich bei Acanthodrilus, ein ähnliches Vorkommen festgestellt worden, und dieses lässt, wie aus nachfolgender Beschreibung des Autors hervorgeht, nicht den geringsten Zweifel darüber zu, dass wie bei den Capitelliden, so auch bei den Oligochaeten entweder nur ein, oder aber mehrere Paare von Nephridien in einem und demselben Segmente auftreten können. BEDDARD's Schilderung lautet: »Each of the segments of the body in this species, instead of possessing only a single pair of ne- phridia, is furnished with four pairs, a single nephridium corresponding to each of the eight setae; the setae are not disposed in four series of pairs as in Zumbrieus, but in eight longitudinal rows of a single seta, each separated by nearly equal intervals.. On making a dissection of a large example (12 inches in length) it was quite easy to observe the two nephridia of the dorsally placed pair of setae, and to trace by help of a lens the duct which perforates the body-wall in the immediate neighbourhood of the setae; each of these nephridia appeared to be quite distinet from its neighbour; the nephridia belonging to each of the ventrally placed pair of setae, on the other hand, form a continuous mass closely adherent to the in- tersegmental Septum.« Auch für das mit dem typischen Verhalten des Anneliden-Nephridiums so stark con- trastirende Vorhandensein einer Mehrzahl von Trichtern, wie es die definitiven Organe von Capitella capitata in der Regel aufweisen, haben sich allein bei Oligochaeten Anklänge ge- funden. VEspovskY°’) berichtet nämlich von seiner Anachaeta bohemica: »Das Exeretionsorgan des 21. Segmentes ist normal, aber mit zwei Trichtern versehen, von denen I) Bepparv, F. Note on some FEarthworms from India. Ann. Mag. N. H. (5) Vol. 12. 1883. p. 223. I Dres 1 AS: ap 236- ge ap. w VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 603 der eine in die Höhle des 20. Segmentes hineinragt, der andere aber in dem unteren Theile, seitlich am Postseptale angebracht ist.« . Obgleich dieser eben eitirte Fall nur eine vereinzelt zur Beobachtung gekommene Ab- weichung darstellt, so glaube ich doch, dass ihm eine hohe morphologische Bedeutung inne- wohnt, indem eben durch ihn bewiesen wird, dass das, was bei Capitella zur Regel geworden, auch sonst gelegentlich zur Ausbildung gelangen kann. Wer sich mit dem Kapitel » Excretionsorgane« in Banrour's') vergleichender Embryo- logie vertraut gemacht hat, erinnert sich vielleicht des folgenden unsere Frage betreffenden Satzes: »It may be noted however that the internal opening [des Chaetopoden-Nephridiums] may be absent, and that there may be several internal openings for each organ (Polynoe).« Worauf sich Barrour bei dieser letzteren, dem wahren Sachverhalte durchaus wider- sprechenden Angabe stützte, ob er dabei die irrthümliche Beschreibung von Wirnıams?) im Auge hatte, ist um so schwerer zu sagen, als Letzterer zwar den proximalen Theil des Aphro- diteen-Nephridiums vielfach verästelt, aber auch zugleich jedweder Mündung in die Leibes- höhle entbehrend darstellte, als ferner Euters’) zwar — wie Bourne und Haswert gezeigt haben) — diese Nephridien ebenfalls verkannt, aber doch als mit nur Einer inneren Mündung ausgerüstet beschrieben hatte. 'Thatsache ist, dass sich die Nephridien von Polynoe, ganz dem typischen Verhalten entsprechend, mit nur Einem Trichter in das Cölom öffnen. Aehnlich wie bei Capitella die einzelnen Nephridien mit mehreren inneren, so können sie auch mit mehreren äusseren Mündungen verschen sein und diese letztere, durch eine Verzweigung der ausführenden Schenkel verursachte Abweichung vom normalen Verhalten finden wir bei anderen Anneliden häufiger wieder, als die erstere. In der Literatur freilich bin ich nur Einer dahinzielenden, an 'T'yphloscoleeciden gemachten Beobachtung begegnet; aber ich selbst konnte mich von solchen Verzweigungen der excretorischen Ausfuhrgänge ausserdem noch an Vertretern von Aleciopiden und Polyophthalmiden überzeugen. Die die Typhloscoleciden betreffende Notiz rührt von ULsanın') her und lautet: »Chez la Sagitella praecox je nm’aı pu decouvrir qu’une forme d’organes segmentaires, notamment celle representee par la figure 27 de la planche IV. L’organe segmentaire de cette espece consiste en un tube tres-etroit et se divisant en trois branches de presque egale longueur, termindes, ä-ce quil parait, en eul-de-sac. N’ayant apercu ces organes que sur le dernier des deux exemplaires de la Sagitelle precoce tombes entre mes mains, je n’ai pu, malheureusement, les etudier d’une maniere plus suivie.« Was UwLsanın hier beschrieben hat, ist lediglich ein Theil, und zwar ein Theil des centrifugalen Abschnittes vom Nephridium; letzterer Abschnitt spaltet sich aber nicht etwa nur in drei Gänge, sondern diese Gänge erliegen einer weiteren Verästelung, so dass sie schliess- lich in Form zahlreicher, feinster Kanälchen in der Haut enden. Diese Verhältnisse sind so a) Vergl. p. 604. 1) 1. p: 346. c. p. 563. 2) Wırvıans, T. Researches on the Structure and Homology of the Reproductive Organs of the Annelids. Phil. Trans. Vol. 148. 1858. p. 135. Er S)ul.=p. 307.02 p- 116. 4) 1. p. 320. c. p. 24. 604 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. schwer festzustellen, dass ich trotz wiederholt vorgenommener Untersuchung noch zu keiner klaren Uebersicht derselben gelangt bin; für den vorliegenden Zweck genügt aber die 'T'hat- sache, dass bei gewissen Typhloscoleciden die centrifugalen Schenkel der Nephridien in zahl- reiche Aeste gespalten münden. Was die Alciopiden betrifft, so habe ich eine gabelige Zweitheilung der centrifugalen Schenkel bei A. Cantrainü beobachtet. Und unter den Polyophthalmiden endlich ist es die typische Gattung, nämlich Polyoph- thalmus, bei der ich eine ähnliche Spaltung dieser Schenkel wahrnahm. Von den ersten Be- arbeitern genannter Gattung, (JUATREFAGES und CLAPAREDE, sind die Nephridien gleicherweise unberücksichtigt geblieben; erst in der Abhandlung E. Mryver's') wurde ihr Vorhandensein nachgewiesen. Da aber letzterer Autor bei seinen Untersuchungen ganz auf conservirtes Material angewiesen war, so mussten ihm die lediglich am frischen Objeete wahrnehmbaren Endigungen der ausführenden Schenkel unbekannt bleiben. Auffallend könnte dagegen er- scheinen, dass auch Lessona?), dem lebende T'hiere zur Verfügung gestanden hatten, nichts über diese äusseren Mündungen zu berichten wusste. Dem gegenüber sei aber bemerkt, dass das Studium der Gesammtbeziehungen dieser Nephridien mit ebenso grossen Schwierigkeiten verknüpft ist, wie bei den 'Typhloscoleeiden. Durch eine Mehrzahl äusserer Mündungen sollten nach Eaters‘®) auch die Nephridien einer Aphroditeengattung, nämlich diejenigen von Polynoe, ausgezeichnet sein. Diese Angabe hat sich aber als eine irrthümliche herausgestellt. Nachdem sich schon CrArarkpe!) vergeblich bemüht hatte zwischen den Wimperrosetten (welche nach Enters diese äusseren Mündungen begrenzen sollten) einer- und den Nephridien andererseits irgend welche Beziehungen zu ent- decken, wurde neuerdings gleichzeitig durch Bourne?) und Haswer‘) nachgewiesen, dass diese tosetten in der That nichts mit den Nephridien zu thun haben, letztere vielmehr in ganz typischer Weise mit einem einfachen Gange nach aussen münden. Eine besonders auffällige Eigenthümlichkeit der Capitelliden-Nephridien liegt darin, dass die centrifugalen Schenkel bei zwei Gattungen (Heteromastus und Capitella) nicht nach aussen durchbrechen, sondern in dem Gewebe der Hypodermis endigen. Fs ist daher die Erfahrung von Interesse, dass auch bei anderen, wenn auch aberranten Anneliden ähn- liche Abweichungen vom normalen Verhalten vorkommen. Nach Vespovsky’) sollen nämlich den Nephridien von Sternaspis äussere Mündungen abgehen und daher die Vorgänge der Aus- scheidung ähnlich wie bei Capitella sich abspielen. lea 100, era (os na Leulish l.op. 438. cp. 18. 1. p. 307. c. p. 44 und 116. 1pP28.2e. pas64. Bourne, A. On certain Points in the Anatomy of the Polynoina ete. Trans. Linn. Soc. London (2) Fe RI "Vol. 2. 1883. p. 553. 6 ss ELL, W. A Monograph of the Australian Aphroditea. Proc. Linn. Soc. N-S-Wales Vol. 7. 1883. p. 256. I le pr S222eC 923% VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 605 Es bleibt mir noch übrig der so interessanten, zwischen Excretions- und Genital- organen herrschenden Beziehungen zu gedenken. Fassen wir zunächst das im Kreise der Polychaeten Vergleichbare in’s Auge. Auf Grund einer grossen Anzahl von in der Literatur aufgespeicherten Angaben kann als feststehend betrachtet werden, dass bei weitaus den meisten Anneliden die Evacuation der Sexualproducte durch die Nephridien vermittelt wird. Letztere können, ohne irgendwie ihren vorwiegend durch die excretorische Thätigkeit bestimmten Habitus zu verändern, zeitweise in den Dienst der Sexualorgane treten, oder aber sie können, so lange dieser Dienst andauert, auch vorübergehende Veränderungen erfahren. Auf diese temporären, hauptsächlich durch Schwellungen der Gesammtorgane oder einzelner "Theile derselben bedingten Veränderungen gedenke ich indessen hier nicht einzugehen; vielmehr sollen nur diejenigen Fälle berück- sichtigt werden, in denen sich an den Nephridien in Folge ihrer Relation mit den Sexual- organen dauernde, organische Umwandlungen vollzogen haben. ° Und selbst von diesen Fällen scheide ich noch diejenigen aus, in welchen es sich nur um (dauernde) Vergrösserung ein- zelner 'Theile*) handelt, so dass nur solche Nephridien übrig blieben, an welchen unter dem Einflusse genannter Relation, ähnlich wie bei denjenigen der Capitelliden, morphologisch in Betracht kommende Veränderungen, respective Complicationen hervorgerufen wurden. Zu er- wägen wird dann sein, inwieweit diese Complicationen durch das Verhalten der Capitelliden Aufklärung erfahren können. Die ersten Erfahrungen darüber, dass sich auch bei den Polychaeten einzelne Nephridien als in die Sphäre sexueller Functionen gezogen und dementsprechend modificirt darstellen können, wurden an der Familie der Alciopiden gemacht. In einer dank der Correctheit ihrer Angaben bis heute unübertroffenen Dissertation hat Herına') den Nachweis geführt, dass bei verschiedenen Gattungen, respective Arten dieser Familie die Nephridien der 9' etwa vom 15. Segmente ab dadurch von den übrigen (rein excretorisch thätigen) ausgezeichnet sind, dass sie im Bereiche der "Trichter einen mit reifem Samen gefüllten, blasenförmigen Anhang besitzen. Herına hielt dafür, dass in diesen Anhängen 1) Herıns, ©. De Aleioparum partibus genitalibus organisque excretoriis dissertatio. Lipsiae 1860. *) Solche dauernde Vergrösserung erlangen bei mehreren Familien in erster Linie die Trichter einer Anzahl hinten gelegener Nephridien, wodurch sodann letztere (als vorwiegend für die Evacuation der Sexualproducte be- stimmte) zu den vorderen (ausschliesslich excretorisch wirksamen) in einen gewissen Gegensatz gerathen. Cosmovicı (Glandes genitales et organes segmentaires des Annelides polychetes. Arch. Zool. Experim. Tome S. 1550 p. 233) hat zwar bei Terebelliden etc. diese Vergrösserung der Trichter hinterer Nephridien erkannt, irrthümlicher Weise aber den vorderen die Trichter ganz abgesprochen. Erst eine demnächst erscheinende Abhandlung E. Merver’s wird über diese Fragen die wünschenswerthe Aufklärung bringen. Was Cosmovıcrs Versuch betrifft, den morphologischen Begriff Nephridium oder Segmentalorgan derart auf- zuheben, dass er das bisher (ohne Rücksicht auf die Function) darunter Subsumirte in einen rein excretorisch fun- girenden (Bosaxus’scher Körper) und in einen ausschliesslich geschlechtsthätigen (Segmentalorgan) spaltet, so würden diesem Beginnen selbst für den Fall unüberwindliche Hindernisse im Wege stehen, dass alle Beobachtungen, auf die sich genannter Autor dabei stützt, richtig wären, was viele leider nicht sind. Ich beschränke mich darauf, hier gelegentlich diese Bemerkung einzuflechten, da der so sonderbaren Theorie Cosmovicrs schon durch PeErrıer und Bosrk£ErtzKy die verdiente Kritik ausführlich zu Theil geworden ist. le} 606 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. der Samen bis zur Copulationsthätigkeit aufbewahrt werde, und nannte sie daher »Samenblasen « 'Vesiculae seminis). Fermer hielt er dafür, dass die Nephridien (unbeschadet ihrer exere- torischen Aufgaben) im männlichen Geschlechte als Samen- und im weiblichen als Eileiter fungiren. Die © fand er überdies dadurch ausgezeichnet, dass sie je nach den Arten in einem oder zwei ihrer vordersten Körpersegmente je ein Paar kugeliger oder zweitheiliger, mit reifem Sperma gefüllter Taschen enthielten, die er als »Samentaschen« (Receptacula seminis) be- zeichnete. Diese Angaben Herıng’s wurden von Seiten CLAPAREDEsS') vollauf bestätigt. Zugleich haben wir Letzterem die ersten Abbildungen der modifieirten Nephridien von Alciopiden J' zu danken, sowie den Nachweis, dass bei einzelnen Formen (so bei Asterope candida) die Vesiculae seminales nicht in Form besonderer Anhänge auftreten, dass vielmehr in diesem Falle einfache Erweiterungen des Nephridiumkanales die Aufgabe von Samenbehältern übernehmen. Bezüglich der Apparate der @ hingegen kam CrAraArEDE nicht nur über seinen Vorgänger nicht hinaus, sondern seine Aeusserungen repräsentiren im Gegentheil einen Rückschritt. Er constatirt nämlich nur, dass er bei Alciopa Cantraini und Asterope candida die mit Sperma gefüllten Receptacula geschen habe, ohne über die Form- und Lagerungsverhältnisse letzterer irgend etwas anzugeben oder sie, wie er es für die entsprechenden Gebilde der © gethan hatte, zu illustriren. Und während Herıss im IHinblicke auf das Vorhandensein von Receptacula seminis einer- und dasjenige von Vesiculae seminis andererseits gewiss mit Recht das Statthaben einer Copulation als selbstverständlich annahm, so bleibt es für CLAPAREDE ein Räthsel, wie bei der Abwesenheit besonderer Copulationsorgane und bei der Vielzahl männ- licher Ejaculationsorgane das Sperma in die Receptacula der Weibchen gelangen solle. Ab- geschen davon, dass hier Schwierigkeiten in’s Auge gefasst werden, die gar nicht vorhanden sind (indem sich ja ohne Weiteres einsehen lässt, wie die als Samenleiter fungirenden Ne- phridien der J' das in den Vesiculae seminales angehäufte Sperma in die Receptacula der & überführen können), so ist die aus der Natur der Geschlechtsgänge erschlossene Annahme einer Copulation überdies durch zwei weitere Erfahrungen in entscheidender Weise bestätigt worden. Der eine, von ULAPAREDE?) mit Unrecht in Zweifel gezogene und irrthümlich auf Hermaphroditismus bezogene Fall beruht auf einer Abbildung Krrersteiv’s’), in welch’ letzterer (einen Theil von Alciope Reynauldü 2 darxstellend) Spermaballen neben Eiern im Bereiche der Fussstummelhöhle wiedergegeben sind. Den anderen Fall verdanken wir einer vor Kurzem zur Veröffentlichung gelangten Untersuchung Grerrrs'). Letzterer fand nämlich die Ne- phridien von Rhynchonerella fulgens S' im 10.—13. Segmente zu umfangreichen, mit Sperma er- 1) 1. p. 335. c. p. 106 und 113. 2) 1. p. 335. c. p. 114 und p. 115 Anmerkung. 3) Kerersteiın, W. Einige Bemerkungen über Tomopteris. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1861. Taf. 9. lie. 7. 00. und £. 4) GREEFF, R. Ueber die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Zeit. Wiss. Z. 42. Bd, 1885. p. 451, VII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 607 füllten (offenbar den Vesiculae seminales der übrigen Alciopiden entsprechenden) Schläuchen erweitert und auf besonderen zapfenförmigen Anhängen der Fussstummel nach aussen mün- dend. Da diese Zapfen von Rhynchonerella offenbar Copulationsorgane (Penes) darstellen, so ist auch dem von ÜULAPAREDE für nöthig erachteten Nachweise Genüge geleistet. Was nun die morphologische Bedeutung der im Vorhergehenden erörterten Nephridium- Modificationen von Alciopiden betrifft, so ergiebt sich ohne Weiteres, dass im männlichen Geschlechte der Typus der betreffenden Organe unverändert erhalten blieb. Die Vesiculae seminales stellen lediglich Erweiterungen der Fxcretionskanäle dar und die als Penes fungi- renden Zapfen von Rhynchonerella können als Steigerungen jener auch bei anderen Anneliden vor- kommenden, die äusseren Mündungen tragenden Papillen betrachtet werden. Ebensowenig hat die Ausübung der Eileiterfunetion am Nephridium der Weibchen bemerkenswerthe Ver- änderungen hervorzurufen vermocht. Anders verhält es sich aber mit den lediglich in den vordersten Segmenten der Weibchen auftretenden »Receptacula seminis«. Bezüglich ihrer ent- steht die Frage, ob wir es mit umgewandelten Nephridien, oder aber nur mit 'Theilen solcher zu thun haben. Enrers') meinte zwar seiner Zeit, auf die gerade in dieser Hinsicht unzu- reichende Beschreibung Herısd’s sich stützend, die Frage dahin entscheiden zu können, dass hier rein äussere (?) Anhänge und nicht etwa umgewandelte Nephridien vorlägen; dem gegen- über muss aber für damals geltend gemacht werden, dass für eine derartige Entscheidung alle Anhaltspunkte fehlten, und heute können wir auf Grund der an den Capitelliden ge- machten Erfahrungen als möglich hinstellen, dass diese Samentaschen der Aleiopiden-Weibehen eine den Genitalschläuchen der Capitelliden vergleichbare Bildung darstellen. Endgiltig lässt sich aber heute die Frage ebensowenig entscheiden, wie zu der Zeit, als Enters sein Urtheil abgab, und zwar aus dem Grunde, weil wir von den fraglichen Receptacula nicht viel mehr, als die Existenz kennen. Künftiger Forschung muss vorbehalten bleiben zu eruiren, ob diese Organe im Anschlusse an (weiterhin degenerirende) Nephridien, respective im Anschlusse an die Trichter solcher sich heranbilden, oder ob sie neben den 'Trichtern von Nephridien an- gelegt werden, oder ob sie endlich (so wie die Genitalschläuche von Capitella) überhaupt alle Beziehungen zu Nephridien in der ontogenetischen Entwickelung eingebüsst haben. Von mehreren Syllideen ist, seitdem Enters?) hierauf hingewiesen hat, bekannt, dass ihre Nephridien zur Zeit der Geschlechtsreife bedeutend anschwellen. Die 'Thatsache, dass Eine Form aus dieser Familie, nämlich Syllis vivipara, einer von Enters®) mitgetheilten Beobach- tung Kromw’s zufolge, lebendige Junge gebiert, legt auch die Vermuthung nahe, dass einzelne Nephridien hierhergehöriger 'T'hiere die zur Vollziehung der Begattung nothwendigen Um- bildungen erfahren haben werden. Aber vorläufig sind wir fast ganz auf diese Vermuthung angewiesen, indem sich zwar die Systematik der Syllideen gerade in der letzten Zeit einer mehrfachen Revision und Bereicherung zu erfreuen hatte, die Anatomie dagegen solch er- Drlep= 307.2c. p. AD. 2), ep 807.1 c..p. 215: 3) 1. p. 307. c. p. XV (Vorrede). 608 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. neuerter Bearbeitung noch entgegensieht. Einen Fall nur hat Crararepe') angedeutet, der von starken Umbildungen der Nephridien Zeugniss ablegt; derselbe betrifft Paedophylaw_ claviger. Vom 11. Segmente ab sollen nämlich bei den ©' dieser Form die Nephridien zu mit Sperma an- gefüllten Säcken (Vesiculae seminales) verschmolzen sein. Die innere Oeffnung dieser Säcke ist CrAPAREDE unbekannt geblieben; nach aussen sollen dieselben jederseits an der Basis der Parapodien münden. Um aber diese Nephridium-Modificationen von Paedophylaw verstehen und eventuell mit denjenigen der Capitelliden vergleichen zu können, ist eine genauere anato- mische Untersuchung unerlässlich. Auch für einzelne Spioniden hat CrAararene?) festgestellt, dass ihre Nephridien zur Zeit der Geschlechtsreife an Volumen bedeutend zunehmen und die Geschlechtsstoffe zum Behufe der Evacuation in sich aufnehmen. Besonders interessant für uns ist aber das Verhalten von Spio Meeznikowianus, indem, wie ÜULAPAREDE und Mecznıkow®) gezeigt haben, die O' dieser Art in den Nephridien ihrer mittleren und hinteren Körperregion Spermatophoren erzeugen. Dieser bisher unter den Polychaeten einzig bekannt gewordene Fall von Spermatophoren- bildung hört fortan auf isolirt dazustehen, indem ja, wie aus dem Vorhergehenden erinnerlich, auch Capitella dadurch ausgezeichnet ist. Wie bei Capitella in den Genitalschläuchen, so kommen bei Spio in den Nephridien die Spermatophoren vermöge einer spiraligen, durch die Cilien hervorgerufenen Drehung des Spermamateriales unter gleichzeitigem Hinzutritt einer Absonderung aus den Kanalwandungen zu Stande. Während aber die fertigen Spermatophoren von Capitella. nur regelmässig geformte, verkittete Spermamassen darstellen, kommt es bei Spio zur Ausbildung besonderer Kapseln, in denen neben den Samenfäden auch noch eine quell- bare Substanz eingeschlossen liest. Durch das Aufquellen dieser letzteren wird das Bersten der Spermatophormembran und das Hinausschleudern der Samenfäden bewirkt. Die ge- nannten Autoren konnten nicht ermitteln, ob die Spermatophoren als solche in die Ge- schlechtsapparate der & eingeführt werden, halten dies aber in Ermangelung besonderer Co- pulationsapparate für unwahrscheinlich. In Anbetracht, dass die & ihre Eier in die eigenen Wohnröhren ablegen, sei vielmehr anzunehmen, dass auch die Spermatophoren dahin abgelegt werden, und so die Befruchtung ausserhalb des Körpers vor sich gehe. Da sowohl bei Capitella, als auch bei den so vielfach mit Spermatophoren ausgerüsteten Oligochaeten die Copulation und innere Befruchtung als festgestellt betrachtet werden kann, so scheint mir das diesbezügliche Verhalten der Spioniden noch weiterer Prüfung zu be- dürfen. Eingehendere, speciell hierauf gerichtete Untersuchungen dürften nämlich auch bei Angehörigen dieser letzteren Familie noch zur Entdeckung besonderer Copulations- apparate führen. Gerade in dieser Hinsicht erregte eine zu der (den Spioniden so nahe verwandten) MAlEp2 SSreH 7.2102 2) 1-p2 82.0. p. 217. 3) CLAPAREDE, C. und Meczxıkow, E. Beiträge zur Entwiekelungsgeschichte der Chaetopoden. Zeit. Wiss. 2. 19. Bd. 1869. p. 171. VII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 609 Familie der Ariciiden gehörige Form meine Aufmerksamkeit, und zwar Scoloplos armiger. Mau') hat nämlich von dieser Form kurze, auf besonderen Höckern nach aussen mündende Röhren beschrieben, welche in beiden Geschlechtern die Evacuation der Fortpflanzungsproducte besorgen sollen. Insbesondere bei den & fand er zur Zeit der Reife die Höcker stark ange- schwollen und von weissem (drüsigem) Ansehen. Vergleicht man die Abbildungen Mau's (Taf. 27, Fig. 2S und 29) mit den entsprechenden meinigen, so kann man kaum darüber im Jweifel bleiben, dass Scoloplos durch den Besitz ähnlicher Genitalschläuche sowie ähnlicher Porophore ausgezeichnet ist, wie die Capitelliden, und dass in Folge dessen bei ersterem ebenso Copulation und innere Befruchtung statthabe wie bei letzteren. Zu eruiren bleibt aber, wie bei den Ariciiden die fraglichen Genitalschläuche zu Stande kommen, insbesondere ob ihnen nor- male Nephridien vorangehen; denn darüber suchen wir bei Mau vergebens nach Aufklärung. Während einige Vertreter der sogenannten Archianneliden überaus einfach gestaltete Nephridien aufweisen (Polygordius, Protodrilus), zeichnen sich andere dadurch aus, dass ihre Excretionsorgane im Dienste der Geschlechtsthätigkeit sehr tief eingreifende Veränderungen erlitten haben. Zu letzteren gehört vor Allem der durch Bosrerzky’) bekannt gewordene Saccoeirrus papillocereus. Bis zum 13. oder 14. Segmente, von wo ab Ovarien und Hoden aufzutreten beginnen, besitzt Saccocirrus in beiden Geschlechtern ausschliesslich normale, excretorisch fungirende Nephridien. Weiterhin erfahren die Kanäle letzterer bei den Q' eine bedeutende Erweiterung, und die 'Thatsache, dass diese Erweiterungen zur Zeit der Geschlechtsreife mit Sperma ange- füllt werden, ist Beweis dafür, dass sie als Vesiculae seminales dienen. Ausserdem münden diese so modificirten Nephridien der J' nicht wie die normalen durch einfache Hautspalten, sondern auf retractilen Papillen. Bosrerzky betrachtet diese Papillen gewiss mit Recht als Penes und in Folge dessen die zugehörigen Nephridiumkanäle als Vasa deferentia. Bei den @ erstrecken sich die normalen Nephridien ebenfalls auf die hintere, die Ge- schlechtsproducte bergende Leibesregion. Aber von dieser Region (also vom 13. oder 14. Seg- mente) ab gesellen sich zu ihnen je noch Ein Paar ventral ausmündender, zur Zeit der Brunst mit reifem Sperma gefüllter Taschen (poches copulatrices), deren Mündungen als Vaginae zu betrachten seien. Die Evacuation der Eier erfolge dagegen durch die normalen Nephridien. Bogrerzky schliesst nun, dass zwar sowohl die Oviducte der Q, als auch die Vasa deferentia der Q' als umgewandelte Nephridien, hingegen die abweichend gelegenen und ab- weichend mündenden Begattungstaschen (poches copulatrices) der & als Neubildungen auf- gefasst werden müssten, wenn man sie nicht, der Theorie LANkESTER’s entsprechend, auf das hypothetische zweite dem Annelidensegmente ursprünglich zukommende Nephridiumpaar (welches in diesem Falle in den vorderen Segmenten der @ und in allen der © als abortirt zu betrachten wäre) beziehen wolle. NElzp: 320. cp 423. 2) p. 466. cc. p. 69: 5 Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 77 610 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Ich glaube nun, dass sich die eben geschilderten Organisationsverhältnisse von Sacco- eirrus, gestützt auf die ihnen entsprechenden der Capitelliden, einfacher erklären lassen. Das Verhalten der J' ist klar; wir sehen bei ihnen, ähnlich wie bei den Alciopiden, eine Anzahl von Nephridien derart umgebildet, dass der auf den Trichter folgende Theil jedes Organes als Samenblase, der darauffolgende als Samenleiter und der äusserste Theil endlich als Penis fungirt. Bei den @ sind die normalen Nephridien in allen Segmenten erhalten und im Gegensatze zu BOBRETZKY bin ich der Ansicht, dass dieselben, wie im vorderen, so auch im hinteren Körperabschnitte lediglich als Excretionsorgane und nicht als Oviducte thätig sind. Die Evacuation der Eier scheint mir vielmehr durch die sogenannten Begattungstaschen besorgt zu werden, deren innere Mündungen zwar BoBrETZkY nicht gesehen hat, die er aber gleich- wohl selbst für vorhanden anzunehmen geneigt ist. Ausserdem dienen diese Taschen zur Auf- nahme der 9' Copulationsorgane, respective des zur Befruchtung der Eier bestimmten Sper- mas, so dass sie neben ihrer Eileiterfunction auch noch diejenige von Vaginae und Receptacula seminis auszuüben haben. Darin stimmen sie nun aber vollkommen mit den Genitalschläuchen der Capitelliden überein, und wenn wir weiter bedenken, dass auch bei den Capitelliden Genitalschläuche und normale Nephridien in einem und demselben Segmente nebeneinander vorkommen können, und dass in diesem Falle die Genitalschläuche ebenfalls eine von den Nephridien abweichende Lagerung und Mündung aufzuweisen pflegen, so erscheint diese Uebereinstimmung noch schlagender. Als Abweichung wäre nur hervorzuheben, dass, während bei den Capitelliden in beiden Geschlechtern Genitalschläuche zur Ausbildung kommen, bei Saccocirrus das Auftreten solcher Schläuche auf das @ Geschlecht beschränkt bleibt, indem eben bei den J' wenig modificirte Nephridien deren Rolle übernehmen. Fasst man demgemäss die »poches copulatrices« von Saccoeirrus als den Genitalschläuchen der Capitelliden entsprechende Bildungen auf, so haben wir weder nöthig sie als Neubildungen zu betrachten, noch brauchen wir sie auf ein hypothetisch zu setzendes zweites Nephridium- paar zu beziehen. Es entsteht nur die Frage, ob sich diese Taschen nach dem Gajolensis-Typus im Anschlusse an Nephridiumtrichter), oder aber nach dem Typus von Dasybranchus caducus ‚also relativ unabhängig von Trichtern) entwickeln; zur Beantwortung dieser Frage bedarf es aber erst einer eingehenderen Untersuchung des Thieres. Sehr eigenthümliche Umbildungen haben durch ihre Beziehungen zu den Geschlechts- organen die Nephridien von Histriobdella homari erfahren. Durch ForTrıNGeEr'), der in dieser früher irrthümlicherweise den Hirudineen zugetheilten Form, auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen, eine Archiannelide erkennen zu müssen glaubt, haben wir gelernt, dass sowohl die 9\, als auch die @ vor dem Geschlechtssegmente zwei, und hinter diesem Seg- mente Ein, also im Ganzen drei Paar typischer (excretorisch thätiger) Nephridien besitzen. Im Geschlechtssegmente der @ liegt Ein Paar bewimperter, sich in das Cölom öffnender Schläuche, die zunächst in ein oder zwei meist mit Sperma gefüllter Blasen übergehen, um 1) FoETTINGER, A. Recherches sur Vorganisation de Zistriobdella homari etc. Arch. Biol. Tome 5. 1554. p- 467—490. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 6ll sodann durch einen Kanal nach aussen zu münden. FOorTTInGEr ist im Zweifel darüber, ob diese Apparate der & als modificirte Nephridien, oder aber als Neubildungen zu betrachten seien. Im Geschlechtssegmente der Q' sollen Ein Paar Penes und ausserdem Ein Paar distal- median verschmolzener, auf einem Vorsprunge nach aussen mündender Kanäle vorhanden sein, welche proximal jederseits in einer (nach der Leibeshöhle zu geöffneten?) Blase endigen. Noch weniger glaubt FoETTINGER, dass diese Q' Apparate etwas mit Nephridien zu thun haben; denn gegen eine solche Ableitung der Kanäle spräche das mediane Verschmelzen ihrer distalen Theile, sowie der Mangel |?) cölomatischer Oeffnungen; ferner das Vorhandensein der Penes, wenn man nicht letztere, ähnlich wie bei den Oligochaeten, als Receptacula seminis betrachten wolle. Aus FoErrınGer's Beschreibung schliesse ich, dass in den Kanälen der Histriobdelia & unzweifelhaft ein Paar modificirter Nephridien, oder aber ein Paar Genitalschläuche vorliegen, deren Mündungen als Vaginae, deren blasenförmige Erweiterungen ferner als Receptacula se- minis und deren Gesammtheit endlich als Oviducte dienen. Die Apparate der J' dagegen lassen sich nicht so ohne Weiteres deuten. Es ist möglich, dass die von FOETTINGER als Penes bezeichneten Organe Genitalschläuche darstellen; aber als was sind die median verschmolze- nen Kanäle zu betrachten? stellen sie (ähnlich wie bei Paedophylax) ein Paar verschmolzener Nephridien dar? und wie ist es dann um die Function dieser beiderseitigen Q' Organe be- stellt? Zur Beantwortung aller dieser Fragen werden wohl embryologische Nachweise uner- lässlich sein, da wir es in Histriobdella offenbar mit einer stark modificirten und rückgebil- deten Form und nicht etwa mit einer »Archiannelide« zu thun haben. Interessante Relationen zwischen excretorischem und sexuellem Systeme hat ferner BoBrE1TZkY') an zwei Vertretern aus der Familie der Hesioniden, nämlich an Microphthalmus fragilis und M. similis nachgewiesen. Microphthalmus verhält sich, ähnlich anderen Hesioniden, hermaphroditisch, und zwar birgt sein vorderer Leibesabschnitt nur J', sein hinterer nur @ Keimstoffe. Vermischung dieser beiderlei Stoffe, respective Selbstbefruchtung ist durch die geringe Ausbildung der Leibeshöhle sehr erschwert. Im @ Abschnitte dieser Thiere finden sich in jedem Segmente Ein Paar weiter, mit Sperma angefüllter, sowohl in die Leibeshöhle, als auch nach aussen mündender Säcke, die als Receptacula seminis und als Oviducte dienen. Diese Säcke ergeben sich ohne Weiteres als modificirte Nephridien, da in jugendlichen T'hieren an ihrer Stelle ähnliche Nephridien angetroffen werden, wie solche in den meisten Segmenten des Q' Abschnittes zeitlebens vor- handen bleiben. Nur Ein Segment des J' Abschnittes (das dritte) enthält anstatt solcher Nephridien Ein 1) Bosrerzky, N. Ueber die Geschlechtsorgane der Anneliden. Ber. der Kiewer Nat. Ges. 6. Bd. 1880. (Russisch). —— Ueber Copulationsorgane von Mierophthalmus. Verh. Zool. Sect. VI. Vers. Russ. Naturf. in: Z. Anzeiger 3. Jahrg. 1850. p. 139. Ute: 612 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. als Samenleiter fungirendes Paar von Kanälen, welche jederseits auf einer zwischen zwei fleischigen Lippen angebrachten, conischen Papille nach aussen münden; letzteres als Penis fungirendes Organ kommt erst zur Zeit der Geschlechtsreife zur Ausbildung. Die morpholo- gische Deutung dieser Samenleiter findet Boprerzky dadurch ausserordentlich erschwert, dass im Gegensatze zu den Nephridien) ihre äusseren Mündungen an der vorderen, und ihre inneren Mündungen an der hinteren Grenze des respectiven Segmentes gelegen sind. Diese Schwierigkeit kann nun aber, gestützt auf die bei Capitelliden gemachten Er- fahrungen, in befriedigender Weise erklärt werden. Haben wir doch gesehen, dass die äusseren Mündungen der Genitalschläuche (einerlei ob nun letztere selbständig, oder in Con- tinuität mit Nephridien zur Ausbildung gelangen) ebenfalls an der vorderen Segmentgrenze durchbrechen, wogegen die äusseren Mündungen der zugehörigen Nephridien viel weiter hinten und vberdies mehr neuralwärts zu liegen pflegen. Die Samenleiter von Microphthalmus sind offenbar als den Genitalschläuchen der Capitelliden entsprechende Gebilde zu betrachten und damit ist (einerlei, ob sie sich relativ unabhängig nach dem Typus von Dasybranchus caducus, oder in Abhängigkeit von Nephridien, also nach dem Typus Gajolensis entwickeln) auch ihre morphologische Natur, nämlich ihre nephridiale Abstammung entschieden. Auf die vergleichenden Bemerkungen BoBrErzkv's, welche (im Hinblicke auf die ihm sowohl bei Saccocirrus, als auch bei Microphthalmus begegneten Schwierigkeiten, die Geschlechts- apparate auf einen einheitlichen Typus zurückzuleiten) zu dem Schlusse führen, dass diese Apparate bei den verschiedenen Anneliden ganz unabhängig von einander entstanden (nicht homolog) seien, noch weiter einzugehen, scheint mir, nachdem ich schon im Einzelnen zu zeigen versuchte, wie sich diese Schwierigkeiten allerdings erklären lassen, nicht nothwendig. Glaube ich doch annehmen zu dürfen, dass auch BoBrErzKv, nach Kenntniss des für die Capitel- liden festgestellten Verhaltens, die Möglichkeit der Zurückführung aller Anneliden-Geschlechts- kanäle auf den Typus des Nephridiums und somit auch die genetische Einheit beider zugeben wird. Die Tomopteriden verleugnen auch im Verhalten ihres Urogenitalapparates die nahen Beziehungen zu den Polychaeten nicht. LeuckAarr und PAGENSTECHER') schon haben, allerdings nicht ganz correct, die Nephridien, von Tomopteris onisciformis beschrieben; auch gelang es diesen Forschern, auf der Bauchseite des Thieres am 4. und 5. Segmente je Ein Paar von wulstigen Rändern umgebener Querspalten als Geschlechtsöffnungen nachzuweisen. Dass bei den J' die Nephridien als Samenleiter und Vesiculae seminales dienen, ist sodann durch VE- Dovsky?) bekannt geworden; dagegen gelang es Letzterem nicht, die von LEUCKART und PAGENSTECHER abgebildeten Querspalten aufzufinden. Aufgeklärt wurden aber alle diese Ver- hältnisse erst durch die Arbeiten GRrEEFF's®). Derselbe konnte nämlich nachweisen, dass bei 1) LEUCKART, R. und PAGENSTECHER, A. Untersuchungen über niedere Seethiere. Arch. Anat. Phys. Jahrg. 1858. p. 591. 2) Vrsnovsky, F. Beiträge zur Kenntniss der Tomopteriden. Zeit. wiss. Z. 31. Bd. 1878. p. 91. 3) GREEFF, R. Ueber die rosettenförmigen Leuchtorgane der Tomopteriden ete. Z. Anzeiger Jahrg. 1882.p. 384. l. p. 606. c. p. 437—447. VIIl. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 613 Tomopteris Rolasi vom 6.—11. und bei T. Mariana vom S.—11. Segmente, und zwar in beiden Geschlechtern, je Ein Paar Nephridien vorhanden ist. Bei den J' traf er der inneren Ne- Organe als Samenleiter fungiren. Sodinn fand aber auch GrEerr, dass die @ in weiter nach phridium-Oeffnung häufig ee. ansitzend, was dafür spricht, dass auch hier diese ee N E = . n 3 ci . vorn gelegenen Segmenten, nämlich im\4. und 5., ganz ähnliche Querspalten besitzen, wie sie von LEUCKART und PAGENSTECHER längst beschrieben worden waren. Diese Spalten sollen nach GrEEFF zur Entleerung der Eier dienen \und schon bei den jungen Thieren »als noch ge- schlossene Querleisten« angelegt werden. \ In Anbetracht, dass VespovskyY bei deı J' die Nephridiumkanäle zu Samenblasen er- weitert fand, halte ich es nun für wahrscheinlich, dass auch bei Tomopteris Begattung statt- findet, und in diesem Falle hätten die Querspäilten nicht nur die Rolle von Eileitern, sondern auch die von Vaginae zu spielen. Ferner halle ich für wahrscheinlich, dass diese Querspalten mit Genitalschläuchen in Zusammenhang stehj:n *), und wenn sich diese Vermuthung bestätigen sollte, so wäre weiter zu beachten, ob diese [Schläuche im Anschlusse an Nephridiumtrichter (wie bei Notomastus und Dasybranchus), oder [aber unabhängig von solchen (wie bei Capitella) entstehen. Erneuerte Untersuchung wird didse Fragen zu entscheiden haben. Wie sich aus dem Vorstehenden erg?ebt, basirten unsere bisherigen Kenntnisse von den zwischen Excretions- und (Generationsorganen von Polychaeten herrschenden Beziehungen grösstentheils auf zusammenhangslosen Erfahrungen der letztvergangenen Jahre. Anders verhält es sich mit den Beziehungen derselben Organe von Oligochaeten. Nicht nur wurden an Vertretern aus dieser Annelidengruppe ähnliche Beziehungen schon vor mehreren Decennien in's Auge gefasst, sondern die Erörterung ihrer morphologischen Bedeutung hat auch frühe schon einen scharfen Widerstreit der Meinungen hervorgerufen, einen Widerstreit, der seinerseits wiederum nicht wenig zur Förderung unserer Einsicht in das 'T'hatsachenmaterial beitrug. Trotz solchermaassen gesteigerter Einsicht konnten aber jene Controversen bis auf den heutigen Tag noch nicht zum Ausgleiche gebracht werden, so dass die aus dem Verhalten der Capitelliden resultirenden Aufschlüsse gerade im Hinblicke darauf ein besonderes Interesse für sich in Anspruch nehmen dürfen. Der Untersuchung, in wieweit unsere Aufschlüsse zur Entscheidung der betreffenden Streitfrage beizutragen ver- mögen, muss aber eine kurze Darlegung der Entwickelung letzterer vorausgehen. Wirrıams, dem wir die zu so ausserordentlicher Bedeutung gelangte Aufstellung des Begriffes »Segmentalorgan« verdanken, gebührt auch das Verdienst, zuerst erkannt zu haben, dass dieselben Organe in den Dienst der Geschlechtsthätigkeit zu treten vermögen. Schon in *) Nachdem Obiges schon niedergeschrieben war, hatte ich Gelegenheit eines der grossen [über 3 Cen- timeter langen) © von T. scolopendra zu untersuchen, und fand meine Vermuthung vollauf bestätigt. Was GREEFF als äussere Spalten gezeichnet, sind in Wahrheit im Cölom gelegene Behälter (Genitalschläuche). Die wirklichen äusseren Mündungen erscheinen (im Verhältnisse zu diesen irrthümlich nach aussen projieirten optischen Schnitten der Schläuche) sehr klein, so etwa, wie sie LEUCKART und PAGENSTECHER dargestellt haben. 614 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. einer im Jahre 1852 erschienenen Abhandlung!) hatte er diese Auffassung angedeutet und weiterhin schärfer in dem Satze formulirt?): »..... . that the generative structures |von Nais| were developed upon one, two or more of the segmental organs common to almost every ring of the body.« Bald nach Wirııaus hat auch GEGENBAUR®) constatirt, dass bei Tubifex wahrscheinlich »ein Paar durch ihre Grösse ausgezeichneter Schleifenkanäle als Samenleiter fungiren «. Und unabhängig von diesen Autoren ist sodann ULAPAREDE!) durch Untersuchung mariner Oligochaeten, speciell von Pachydrilus, zur Einsicht gekommen, dass die Samenleiter als Homologa der Nephridien zu betrachten seien, indem beide sowohl hinsichtlich der Form, als auch des Lagerungsverhältnisses vollkommen mit einander übereinstimmten. Wie bedeutsam aber auch diese vereinzelten Feststellungen als Ausgangspunkte für weitere Forschungen sein mochten, so liessen sie doch noch keine Generalisationen zu. Eine grössere Zahl von Oligochaeten musste vielmehr zu diesem Behufe erst genauer Prüfung unter- zogen, alle Theile des Geschlechtsapparates mussten berücksichtigt und insbesondere musste auch der schon damals als von dem der Naiden so abweichend bekannte Urogenitalapparat der Lumbrieiden vom Gesichtspunkte der stabilirten Homologie aus in's Auge gefasst werden. Allen diesen Anforderungen suchte nun ÜLAPAREDE’) durch seine kurz nach der oben er- wähnten Abhandlung erschienenen » Anatomischen Untersuchungen über die Oligochaeten« zu genügen, durch Untersuchungen, welche die Grundlage für alle nachfolgenden das Problem behandelnden Schriften geworden sind. Zunächst erweitert ULAPAREDE den von seinen Vorgängern aufgestellten Satz dahin, dass nicht bloss Ein, sondern mehrere Nephridiumpaare in Samenleiter umgewandelt werden können, und dass ferner auch die Oviducte sowie die Samentaschen (Receptacula seminis) als Homologa von Nephridien zu betrachten seien. Während sich die Abstammung der Samen- und Eileiter aus ihrer grossen Uebereinstimmung mit Nephridien ohne Weiteres ergebe, seien die Be- ziehungen zwischen Nephridien- und Samentaschen keine so evidente, indem letztere als ge- schlossene Säcke und nicht als Trichter aufträten. Indessen die T'hatsache, dass da, wo Receptacula vorhanden sind, Nephridien fehlen, und dass überdies beiderlei Organe in ent- sprechender Weise münden, lasse doch über ihre genetische Zusammengehörigkeit keine Zweifel aufkommen. Um ferner den differenten Habitus der Receptacula zu verstehen, brauche man sich nur vorzustellen, dass letztere nicht je einem ganzen Nephridium, sondern nur je einem postseptalen 'Theile (also Nephridium minus Trichter) entsprächen, welcher Auffassung die Lagerungsverhältnisse der Receptacula durchaus günstig seien. Wie aber die Receptacula als 1) Wırzıans, T. Report on the British Annelida. Rep. 21.. Meet. Brit. Ass. Adv. Se. 1852. p. 265. 2) 1. p. 603. e. p. 94. ) GEGENBAUR, C. Grundzüge der Vergleichenden Anatomie. Leipzig 1859. p. 183. ) Ep 3mcp3230: 5) CLararkEDE, E. Recherches Anatomiques sur les Oligochetes. Extr. Mem. Soc. Physiq. H. N. Geneve. Geneve et Paris 1862. p. 61—70. VII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 615 postseptale, so seien die bei einzelnen Gattungen auftretenden accessorischen Samenleiter (doppelten Trichter der Samenleiter) als anteseptale Theile je eines Nephridiums zu betrachten. Die Fähigkeit solcher Nephridium-Hälften, in zwei successiven Segmenten unabhängig von einander aufzutreten und verschieden von einander sich umzubilden, lasse endlich auch das Nebeneinandervorkommen von Samenleitern und Receptacula in einem und demselben Seg- mente verständlich erscheinen. Nachdem CrAPAREDE so den Vergleich für alle Theile des Geschlechtsapparates der- jenigen Oligochaeten, welche bis dahin als »Naideen« zusammengefasst zu werden pflegten, in befriedigender Weise durchgeführt zu haben glaubte, erwog er, wie nahe es liege, die be- treffenden Generalisationen auch auf die ganze Gruppe, insbesondere auf die höher organisirten »Lumbrieiden« auszudehnen, um so mehr, als ja auch bei gewissen Polychaeten die Ausfuhr der Geschlechtsproducte unzweifelhaft durch Nephridien bewerkstelligt werde. Aber wie nahe sie auch läge, so wäre doch eine derartige Generalisation durchaus verfehlt, und zwar aus folgenden Gründen. Bei den sogenannten Naideen kommen (da sich ja die entsprechenden Nephridien in die Geschlechtsgänge umgewandelt haben) in denjenigen Segmenten, welche die Geschlechtsgänge enthalten, nie zugleich Nephridien vor; bei den Lumbriciden dagegen fand CLAPAREDE, dass die mit Samen- und Eileitern, sowie Samentaschen ausgerüsteten Segmente stets auch zugleich wohlausgebildete, normale Nephridien enthalten. Angesichts dieses so un- erwarteten Befundes schloss nun CLararEDE, dass die Geschlechtsgänge der Lumbriciden unmöglich Homologa von Nephridien darstellen und daher auch mit den entsprechenden Gängen der übrigen Oligochaeten nichts zu thun haben könnten. Die beiderseitige Verschie- denheit ergebe sich auch daraus, dass die Samen- und Eileiter der Lumbriciden an ganz anderen Stellen als die Nephridien, diejenigen der Naideen dagegen in ganz übereinstimmender Weise ausmündeten. CLAPAREDE hielt diesen Gegensatz im Verhalten des Geschlechtsapparates für so funda- mentaler Natur, dass er (in Berücksichtigung auch noch mehrerer anderer Organisations-Eigen- thümlichkeiten) darauf eine Trennung der Oligochaeten in zwei Hauptgruppen begründete, nämlich in »limicole« (frühere Naideen) und »terricole« (Lumbriciden). Wenn man bedenkt, in wie hohem Grade die Geschlechtsorgane der »Terricola« hin- sichtlich der wesentlichen Punkte mit denjenigen der »Limicola« übereinstimmen, wenn man ferner erwägt, dass insbesondere die Samenleiter der ersteren den Nephridiumtypus ebenso unverkennbar zur Schau tragen, wie diejenigen letzterer, wenn man endlich auch noch berück- sichtigt, dass sich die beiden Gruppen trotz aller geltend gemachten Unterschiede als überaus nahe stehende erweisen: so wird man es nicht auffallend finden, dass der nächste diesen Gegen- stand bearbeitende Forscher, nämlich LANKEsTter, mit der Art, wie CLArAREDE das Problem zu lösen versucht hatte, nicht einverstanden sein konnte. Das von ÜLAPAREDE constatirte zwie- spältige Verhalten der Geschlechtskanäle in den beiden Oligochaetengruppen musste ja Lax- KESTER als Thatsache anerkennen; aber trotz dieser Anerkennung hielt er doch auch an der unabweisbaren Homologie der beiderlei Kanäle fest, und um die dieser Homologie im Wege 616 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. stehende Schwierigkeit, nämlich die Coexistenz von Nephridien und Geschlechtsgängen bei den »lerricolen « zu beseitigen, stellte er') die Hypothese auf, dass bei den Oligochaeten ursprünglich jedes Segment typisch mit zwei Paar Nephridien ausgerüstet gewesen sei, dass aber von diesen Paaren bei den Limicolen stets, und bei den Terricolen in der Regel nur Ein Paar zur Aus- bildung gelange, mit Ausnahme der Geschlechtssegmente letzterer, in denen eben allein die zwei typischen Paare erhalten blieben. Wenn auch LankestEr seine Hypothese ursprünglich auf keine andere 'T'hatsache zu stützen vermochte, als auf das gleichzeitige Vorkommen von Nephridien und Geschlechts- kanälen, also auf dieselbe 'Thatsache, um deren Erklärung es sich handelte, so war doch das Recurriren auf diese 'Thatsache insofern berechtigt, als ja die nephridiale Natur, insbesondere der Samenleiter, auch bei den 'lerricolen unverkennbar war, und behält man nur dies im Auge, so muss man jene Hypothese nicht nur als eine zulässige, sondern auch als eine im Sinne des damaligen Wissensstandes überaus zutreffende bezeichnen. Unter allen Umständen aber war sie für die nachfolgende Forschung ein ergiebigerer Ausgangspunkt, als der Pessimis- mus CLAPAREDES, welch’ Letzterer, an der Lösung des Problemes verzweifelnd, den Knoten überhaupt nicht mehr zu lösen, sondern vielmehr derart entzwei zu hauen versuchte, dass er die Geschlechtskanäle der Terricolen als Bildungen »sui generis« hinstellte. ÜLAPAREDE?) trat, wie nicht anders zu erwarten war, bei nächster Gelegenheit gegen die Lankesrer’'sche Hypothese auf. Nicht nur sei bisher kein Fall eines doppelten Paares unzweifelhafter Nephridien in ein und demselben Segmente bei Anneliden bekannt geworden, sondern auch »die Lage der äusseren Mündung könne in zweifelhaften Fällen zur Entscheidung, ob man mit der einen, oder mit der anderen der beiden vermeintlichen Organreihen zu thun habe, nicht benutzt werden«, da CLArArEDE diese Lage bei Lumbricus terrestris höchst variabel fand. In einer Reihe sehr eingehender Arbeiten, welche nicht wenig zur Erweiterung unserer Kenntnisse der Oligochaeten-Anatomie beigetragen haben, fasste PERRIER wiederholt auch das uns hier beschäftigende Problem in’s Auge, insbesondere machte er sich zur Aufgabe, an immer neuen Thatsachen die Stichhaltigkeit der Lankester'schen Hypothese zu prüfen, um sich schliesslich nach gebührender Erwägung des Für und Wider in bestimmter Weise auszusprechen. PERRIER stand Lankester's Hypothese, die er als »ingenieuse« bezeichnete, zunächst sympathisch gegenüber und seine erste Abhandlung’) war denn auch bestrebt, die Thatsachen in solchem Sinne zu deuten. Er fand nämlich, dass bei gewissen Lumbrieiden die Nephri- dien im Bereiche der dorsalen, bei anderen dagegen im Bereiche der ventralen Borsten nach aussen münden, und schloss daraus: »On peut done se croire en droit de considerer les orifices occupant cette seconde disposition, comme appartenant morphologiquement a un autre systeme d’organes segmentaires que les premiers, et des lors on peut considerer comme tres probable I’hypothese de Ray LAnkester« ete. 1) LAnkester, E. The Anatomy of the Earthworm. Q@. Journ. Mier. Sc. Vol. 5. 1865. 2) 1. p. 308. (Hist. Unters. Regenwurm) c. p. 619. (1869.) 3) PERRIER, E. Recherches pour servir ä l’Histoire des Lombrieiens Terrestres. Arch. Z. Exper. Tome 1. 1872. p. LXXII. ” # BL & FAUNA UND FLORA DES GOLFES VON NEAPEL UND DER UNOHTUAUFEHIUNUHIUTITETLESTSEETUNINLURTERWEUKURLENUNENSERTELFLTRLETERTELERTELELLLEALEEALULLLLULEE DEE IVITHIRVENNUHDENITEUITETEUSTTERUNTENKENN, [i SnTasn dann gannann mn SER TITTTTT Sn Here IT rt ANGRENZENDEN MEERES-ABSCHNITTE HERAUSGEGEBEN ) VON DER ZOOLOGISCHEN STATION ZU NEAPEL. XVI. MONOGRAPHIE: DIE CAPITELLIDEN VON DR. HUGO EISiG. MIT 37 TAFELN IN LITHOGRAPHIE UND 20 FIGUREN IM TEXT. 2, Stück: pag. 617-906 u. 37 Tafeln. BERLIN, VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN 1887. re eerIITrITT a $ H i u 4 Hi 3 hy aa VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 617 Zum vollständigen Nachweise der Giltigkeit letzterer gehörte nur noch, meinte PERrkrıer, dass Fälle nachgewiesen würden, in denen die zwei Nephridiensysteme noch unmodificirt nebeneinander existiren. Ein Jahr später aber war PErRIEr') auf Grund folgender neuer Erfahrungen und Er- wägungen jener Auffassung gegenüber sehr wankend geworden. Die 'T'hatsache vor allem, dass zwischen der Lagerung der äusseren Mündungen der Nephridien einer- und derjenigen der Borsten andererseits ein Abhängigkeitsverhältniss herrsche, lasse sich einfach derart erklären, dass die ausführenden Nephridiumschenkel, um die Leibeswandungen zu passiren, die von den Borstenfollikeln geschaffenen Spalten benutzen, und als durchaus irrelevant müsse daher betrachtet werden, ob so oder anders gelegene dieser Spalten zu solchem Dienste herange- zogen würden. Ferner lasse sich auf Grund der Laskesrer'schen Hypothese das Verhalten der Samenleiter von Plutellus nicht begreifen; denn in den von diesen Kanälen durchlaufenen Segmenten mündeten die Nephridien alternirend, und wollte man daher die Samenleiter als Verschmelzungsprodukt mehrerer Nephridien betrachten, so müsste man an dieser Verschmelzung Glieder aus den beiden supponirten Nephridiensystemen sich betheiligen lassen, und wollte man im Gegentheil die Samenleiter als ein umgewandeltes Nephridienpaar auffassen, so wäre es unmöglich festzustellen, welches Paar überhaupt diese Umwandlung erfahren habe. Endlich spreche auch noch gegen diese Hypothese das Verhalten der Samentaschen. Diese Organe kämen nämlich bei Eudrilus (und ebenso verhalte sich ein Paar derjenigen von Plutellus) nicht nur in ein und demselben Segmente mit Nephridien vor, sondern mündeten auch genau in derselben Borstenreihe wie letztere, so dass auf sie die Voraussetzung zweier abweichend gelegener Nephridiensysteme gar keine Anwendung finden könne. Prrrirr gelangt denn auch in dieser seiner Abhandlung zum Schlusse, dass die Voraussetzung von zwei Nephridiensystemen nur als Möglichkeit gelten, dass ferner allein die Samenleiter als Umwandlungsprodukte von Nephridien in Betracht kommen könnten, dass hingegen die Samentaschen als specifische, vom Nephridialsysteme durchaus unabhängige Organe betrachtet werden müssten. Erschien Prrrıer in der eben referirten Schrift bezüglich seiner Anerkennung der Laxkester'schen Hypothese wankend, so finden wir seinen Standpunkt in einer neuen, wiederum ein Jahr später erschienenen Monographie?) hauptsächlich in Folge der an Urochaeta gemachten Erfahrungen jener Hypothese gegenüber durchaus ablehnend. Urochaeta weist im Vorderkörper eine ähnliche Borstenvertheilung auf wie Lumbrieus, nämlich in vier Doppelreihen, wogegen weiterhin diese Vertheilung eine quincunciale Form annimmt. Die im Vorderkörper im Bereiche der dorsalen Borsten gelegenen äusseren Mün- dungen der Nephridien leisten nun nicht etwa (wie bei Plutellus) der Deplacirung der Borsten Folge, sondern behaupten im Gegentheil ihre Lage unverändert den ganzen Körper hindurch. Hieraus folgt, dass die Beziehungen zwischen Borsten und äusseren Nephridiummündungen \ N I) Pereıer, E. Ktude sur un Genre nouveau de Lombriciens (Plutellus). Arch. Z. Exper. Tome 2. 1873. p. 264—268. 2) 1. p. 309. c. p. 397. 433 und 519 (1874). Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Gulf von Neapel. Capitelliden, -ı EL 618 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. keine gesetzlichen sind, und dass ebenso wie bei Urochaeta die Borsten unabhängig von den Nephridien, so auch bei Plutellus die Nephridien unabhängig von den Borsten deplacirt werden konnten. Muss man daher ursprünglich einreihig angeordneten Nephridien die Fähigkeit nachträglicher Deplacirung zugestehen, so hört das Verhalten von Plutellus auf eine Stütze der Lankester'schen Hypothese zu bilden, und diese Hypothese wird, so folgert PErrIErR, fortan nutzlos, um so nutzloser, als sie — wie PERRIER in seiner vorhergehenden Abhandlung nach- gewiesen zu haben glaubt — auch die Coexistenz von Geschlechtskanälen und Nephridien nicht zu erklären vermag. Seinem nunmehrigen Standpunkte zufolge stellt er denn auch den dem Lankester'schen entgegengesetzten Satz auf: »... . que chez les Lumbriecina comme chez les Naidea, il n’existe dans chaque anneau quune seule paire d’organes segmentaires, dont les orifices peuvent affecter des positions differentes«. Die Samentaschen von Urochaeta münden nicht nur ähnlich denjenigen von Eudrilus etc. in ein und derselben Borstenreihe wie die Nephridien, sondern auch in unmittelbarer Nähe letzterer, was nach PERRIER einen weiteren Beweis dafür biete, dass wenigstens bei den Terricolen keine Rede von einer Homologie zwischen den beiderlei Organen sein könne. Gegen eine solche Homologie spreche auch, dass sich die Samentaschen und "Nephridien durchaus unabhängig von einander entwickeln. Ja selbst bei den Limicolen stehe es mit dieser Homologie sehr zweifelhaft. Dieselbe wurde für diese Oligochaetengruppe durch ÜCLAPAREDE lediglich darauf begründet, dass mit Nephridien ausgerüstete Segmente nie auch zugleich Samen- taschen enthalten, sowie dass die Mündungen der beiderlei Organe identische Lagerungsver- hältnisse aufweisen. Bei den 'Terricolen, bei denen Samentaschen und Nephridien in ein und demselben Segmente neben einander vorkommen und bald in derselben Borstenreihe, bald in verschiedenen solcher münden, hielt CLArArEpE eine solche Homologie für ausgeschlossen. Nun fand aber PErRIER ein unzweifelhaft zu den Terricolen gehöriges Genus (Pontodrilus), in dem die Samentaschen in den respectiven Segmenten nicht, wie es für diese Gruppe Regel ist, zugleich mit Nephridien, sondern ähnlich wie bei den Limicolen unabhängig von Nephri- dien auftreten. Wollte man für dieses Genus die betreffende Homologie geltend machen, so müsste man dasselbe zu den Limicolen rechnen, was in Anbetracht seiner Gesammtorganisation unzulässig ist, und wenn sich demnach Vertreter der Terricolen ähnlich wie solche der Limi- colen verhalten können, so lasse sich auch die zwiespältige Beurtheilung der beiderseitigen Geschlechtsorgane nicht länger aufrecht erhalten. Entweder nämlich müsse man die von ÜLAPAREDE auf die Limicolen beschränkte Homologie auch auf die Terricolen ausdehnen, oder man müsse umgekehrt, wie UtAPAarEDE für die Terricolen, nun auch für die Limicolen die Giltigkeit der Homologie verneinen. Und Prrrıer hält die letztere Alternative für die allein annehmbare. Die Auffindung des so überraschenden Verhaltens von Pontodrilus bezeichnet in der Geschichte unserer Frage einen interessanten Wendepunkt: die, scharfe Scheidung der Oli- gochaeten in »Terricola« und »limicola« und damit natürlich auch der angebliche Gegensatz im beiderseitigen Verhalten des uropoötischen Systemes hatten nämlich einen bedenklichen VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 619 Stoss erlitten. Und dieser Stoss blieb nicht vereinzelt. Hatte PErrıEr in Pontodrilus einen Terricolen erkannt, bei dem die Beziehungen zwischen Geschlechts- und Nierenorganen sich dem Typus der Limicolen entsprechend verhalten, so wies in der Folge VespovskY') m En- chytraeus umgekehrt einen Limicolen nach, bei dem in den respectiven Beziehungen der Typus der Terricolen zum Ausdrucke gelangt. VxEspovskY machte nämlich die wichtige Entdeckung, dass bei den Enchytraeiden bis zur Zeit der Geschlechtsreife in allen Körpersegmenten (vom 5. ab) lediglich Nephridien vorhanden sind, dass ferner erst mit dem Eintritte der Geschlechts- reife die Geschlechtsgänge und Samentaschen zur Ausbildung gelangen, und dass endlich Hand in Hand mit der Entwickelung letzterer die Nephridien in den entsprechenden Segmenten im 12. und 13.) zur Degeneration gelangen. Damit war der früher so scharf dahin betonte Gegensatz, dass bei den 'Terricolen Nephridien und Geschlechtsgänge zugleich, bei den Limi- colen dagegen allein Geschlechtsgänge in den respectiven Segmenten vorkämen, hinfällig ge- worden; nur der verhältnissmässig unwesentliche Unterschied konnte fortan für die beiden Gruppen geltend gemacht werden, dass in der einen die Nephridien auch noch zur Zeit der Geschlechtsreife neben den Geschlechtsgängen erhalten bleiben, in der anderen dagegen nicht. Die Schlüsse, die nun VEIDoVsKY aus diesen seinen Befunden ziehen zu müssen glaubte, fielen ganz und gar zu Ungunsten der von ÜULArarEDE und LAnkEster vertretenen Homologien aus, ja sie bilden den Höhepunkt der gegen diese Homologien zum Ausdrucke gelangten Opposition. Die Samen- und Eileiter können nach Vespovsky schon aus dem Grunde nicht als Homologa von Nephridien betrachtet werden, weil sie sich ganz unabhängig von letzteren aus der Peritonealmembran entwickeln. Gegen eine solche Homologie speciell der Samengänge spreche auch, dass zum Beispiel bei RhAynchelmis die äusseren Mündungen dieser Gänge hinter, diejenigen der Nephridien dagegen vor den Bauchborsten gelegen sind; ferner, dass sich bei Anteus und Rhynchelmis dieselben Gänge durch mehrere der Nephridien vollständig entbehrende Segmente erstrecken. Auch die Samentaschen hätten durchaus Nichts mit Nephridien zu thun, indem erstere als Einstülpungen der Leibeswand entstehen, und zwar in solchen Seg- menten, in welchen gleichzeitig unveränderte (Pachydrilus) oder zu Speicheldrüsen umge- wandelte (Enchytraeus etc.) Nephridien existiren, indem ferner die Samentaschen dorsal vom Darme liegen und in den Intersegmentalfurchen im Bereiche der Rückenborsten ausmünden, die Nephridien dagegen ventral vom Darme gelegen sind und auf der Segmentfläche im Be- reiche der Bauchborsten nach aussen durchbrechen. Lag der Schwerpunkt der eben besprochenen Veipovsky’schen Entdeckung vorerst in dem Nachweise, dass der vermeintliche Gegensatz zwischen Limicolen und 'Terricolen, in der Schärfe wenigstens wie man angenommen hatte, gar nicht existirt, so habe ich jetzt einer gleichzeitig zur Veröffentlichung gelangten Beobachtung zu gedenken, die zunächst mehr für die theoretische Auffassung des Problemes von Bedeutung sein musste: ich meine den von 620 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. mir!) gelieferten Nachweis, dass bei Notomastus lineatus zuweilen, und bei Capitella capitata in der Regel mehrere Nephridienpaare in ein- und demselben Segmente vorkommen. Schien doch dadurch die Voraussetzung zu LAankester’s Hypothese in einer mit den Oligochaeten nahe verwandten Annelidengruppe thatsächlich erwiesen, war doch damit diejenige Schwierigkeit, welche sowohl von CrArArEpe, als auch von PERRIER seiner Zeit in erster Linie gegen die Lankester'sche Hypothese geltend gemacht wurde, hinweggeräumt. Ich kam denn auch damals zu Folgerungen, welche den gleichzeitigen VEDoskY's genau entgegengesetzt waren. Wenn wir, so schloss ich nämlich, den Laxkester'schen Satz, »dass jedes Segment bei den Oligochaeten (oder Anneliden?) typisch mit zwei Paaren von Segmentalorganen ausge- rüstet sei, wovon stets nur eines bei den Limicolen und in der Regel auch nur eines bei den Terricolen vorkomme, mit Ausnahme jedoch der Geschlechtssegmente, wo das zweite Paar als Leitungsapparat auftrete« dahin einschränken, dass wir anstatt »jedes Segment« »gewisse Seg- mente«, anstatt »Oligochaeten, respective Anneliden«, »gewisse Oligochaeten, respective Anne- liden« und endlich anstatt »zwei Paare« »mehrere Paare« setzten, so bestände er fortan zu Recht. Zur Zeit als ich mich derart aussprach, waren mir die in dieser Monographie ge- schilderten Beziehungen zwischen Genitalschläuchen und Nephridien erst in sehr unvollstän- diger Weise bekannt, was im Hinblicke auf meinen heute der Frage gegenüber eingenommenen Standpunkt nicht unerwähnt bleiben möge. In einer von der bisherigen durchaus abweichenden Weise versuchte Barrour?) das gleichzeitige Vorkommen von Nephridien und Geschlechtsgängen bei Oligochaeten zu erklären. Er meinte nämlich, dass ähnlich wie der ursprünglich zugleich geschlechtlich und excretorisch thätige Vornierengang (segmental duct) der Vertebraten sich in die Worrrschen und MÜLLER- schen Gänge, so auch die in den Geschlechtssegmenten der Oligochaeten ursprünglich sowohl excretorisch, als sexuell fungirenden Nephridien sich in die zwei differenten Gänge gespalten haben könnten. Noch einmal lässt sich PERrRIER®) unsere Frage betreffend in einer ausführlichen, jener interessanten Zwischenform » Pontodrilus« gewidmeten Abhandlung vernehmen. Er ergänzt seine früheren Angaben bezüglich des »limicolen Habitus« dieser »terricolen Oligochaete« dahin, dass nicht nur in den die Samentaschen enthaltenden Segmenten, sondern auch in denjenigen, welche die Hoden, Ovarien, Eileiter sowie die Anfänge der Samenleiter enthalten, keine Nephridien vorhanden sind, wenigstens keine ausgebildeten. Möglicherweise seien aber zwei Paar Drüsenknäuel im Hinblicke auf ihre correspondirende Lage als Rudi- mente früher vorhanden gewesener Nephridien zu betrachten. Prrrıer fasst hier die Resultate aller seiner früheren Arbeiten zusammen und kommt unter Hinzuziehung der durch Ver povsky an den Enchytraeiden gemachten Erfahrungen zur Bestätigung seiner zuletzt mitge- theilten Auffassung, der zufolge weder die Samen- und Eileiter, noch die Samentaschen der NEL 16er pe leg: 2) 1. p. 346. c. Vol. 2. p. 617 (1881). 3) 1. p. 311. e. p. 202242 (1881). VII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 621 Oligochaeten irgend etwas mit Nephridien zu thun hätten, der zufolge denn auch die von CLAPAREDE für die »Limicola« und von LAnkEster für die »Terricola« aufgestellten Homologien als unhaltbar nachgewiesen seien. Früher hätten allerdings die Nephridien, ähnlich wie heute noch bei vielen Polychaeten, auch bei den Oligochaeten sowohl zur Ausfuhr von Excreten, als auch zur Ausfuhr von Geschlechtsprodukten gedient; aber nachdem sich die Geschlechts- drüsen bei letzterer Gruppe auf wenige Körpersegmente concentrirt hatten, seien die Nephri- dien für eine solche Doppelfunction nicht mehr ausreichend gewesen, neue Organe hätten sich zur Ausfuhr der Geschlechtsprodukte ausgebildet. Während PERRIEr seine langjährige und in vielen Hinsichten so fruchtbare Bearbeitung der Oligochaeten-Morphologie, im Gegensatze zu seinem Ausgangspunkte, mit einer kategori- schen Verneinung aller der zwischen Excretions- und Genitalorganen supponirten Homologien abschloss, finden wir umgekehrt VE)DovsKY') in seiner die Oligochaetengruppe zusammenfassend behandelnden Monographie als Vertreter der früher von ihm bekämpften Richtung wieder. Die wichtige, früher lediglich für die Enchytraeiden festgestellte 'T’hatsache, dass vor Ausbildung der Geschlechtsorgane auch in den mit den Geschlechtsgängen ausgerüsteten Segmenten (weiterhin degenerirende) Nephridien vorhanden sind, konnte VErpovsky auch für eine Reihe anderer, früher zu den sogenannten Limicolen gerechneten Familien, nämlich für die Chaetogastriden, 'Tubificiden und Lumbriculiden als giltig nachweisen. Meistens kommen erst nach dem Schwunde der respectiven Nephridien die Geschlechtsdrüsen nebst Geschlechts- gängen und Samentaschen zur Ausbildung; in einzelnen Fällen aber können auch die Nephri- dien oder '[heile solcher neben den Geschlechtsorganen erhalten bleiben, so dass dann solche Thiere in ihrem uropoötischen Systeme ein Verhalten darbieten, welches man früher irrthüm- licher Weise als für die sogenannten Terricola charakteristisch ansah. Auf Grund der neueren von ihm und von Anderen gelieferten Aufschlüsse kam, wie gesagt, VEIDOVSKY zur Anerkennung der früher von ihm bekämpften Homologien. Insbesondere seien die Samenleiter durchweg als umgewandelte Nephridien zu betrachten. Die Eigenthüm- lichkeit ersterer, sich durch mehrere Segmente zu erstrecken, könne nicht als Einwand gegen den Vergleich geltend gemacht werden, indem auch genuine Nephridien in einzelnen Fällen (Phreatothrix) eine Mehrzahl von Segmenten oceupiren. Die Oviducte und Samentaschen sollen nur Theilen von Nephridien entsprechen, und zwar erstere den centripetalen (Trichter), letz- tere den centrifugalen (Atrium). In sehr zuversichtlicher Weise wurde sodann die Homologie von Nephridien und Ge- schlechtsgängen, und zwar mit Zugrundelegung der Laxkester'schen Ansichten, durch BEDDARD in seinen Abhandlungen über Acanthodrilus vertreten. Zunächst erinnert BEppArD?), wie schon die alternirende Lage der Nephridien von Plutellus zu Gunsten der Lankesterschen Hypothese gesprochen habe, und meint, dem von PERRIER 1) 1. p. 236. c. p. 120—161 (1884). ö 2) Bepparp, F. Note on the Nephridia of a species of Acanthodrilus. Z. Anzeiger. Jahrg. 1555. p. 259. 622 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. zu geltend gemachten Einwande gegenüber, dass, wenn nur das Verhalten von Acanthodrilus vor demjenigen von Plutellus bekannt gewesen wäre, man Lankester’s Hypothese als nahezu be- wiesen hätte anerkennen müssen. Denn bei Acanthodrilus, dessen Nephridienmündungen ein ganz ähnliches Alterniren der Lage wie diejenigen von Plutellus darbieten, münden die Samen- taschen und Samenleiter gewisser Individuen nicht wie bei P/utellus in einer Reihe mit den Nephridien, sondern alternirend mit denselben, also ganz so wie es die Theorie erheischt. Ferner legt Bepparn in diesem Sinne grosses Gewicht auf die Thatsache, dass die Nephridien der dorsalen Reihe durch gewisse, im Bereiche ihrer Mündungen sich geltend machende anatomische Abweichungen von denjenigen der ventralen unterschieden werden können. In einer ausführlicheren Mittheilung über eine andere Species von Acanthodrilus con- statirt Bepparn') die ebenso tiberraschende als wichtige 'Thatsache, dass diese Oligochaete in allen Körpersegmenten, anstatt mit Einem Paare, mit vier Paar Nephridien ausgerüstet sei und dass ein jedes dieser acht Nephridien je in der Nähe von einer der acht Borsten des respectiven Segmentes nach aussen münde. Die Borsten sind nämlich, anstatt wie bei Lum- brieus in vier doppelten, hier in acht einfachen Reihen angeordnet. Die zwei dorsalen Ne- phridienpaare fand Bepvarnp ganz unabhängig von einander, die ventralen dagegen bildeten eine continuirliche, innig mit dem Septum zusammenhängende Masse. Durch diese Befunde wurde Bepvarnp veranlasst, LAnkEsters Satz dahin zu erweitern, dass jedem Oligochaetensegmente typisch nicht vier, sondern acht Nephridien (nämlich für jede Borste eines, zukomme. Die Reduction auf zwei Paare erfolge dann, wenn, wie zum Beispiel bei Zumbricus, die acht Borstenreihen zu vier Doppelreihen zusammenrücken. Be- trachte man den Besitz von vier Nephridienpaaren als Typus, so liessen sich auch alle in deı Oligochaetengruppe festgestellten und von PERrRIER mit Unrecht gegen Lankester verwertheten Variationen erklären. Auch in der letzten für uns in Betracht kommenden Arbeit, nämlich in Bexnanw’s?) Zusammenstellung des erforschten Oligochaetenmateriales, wird die Homologie von Nephridien und Geschlechtskanälen im Einklange mit Lankester vertreten. BexHam geht aber nicht mit BEDDARD über seinen Lehrer hinaus, sondern hält an dem Satze, wie er ursprünglich von Letzterem aufgestellt worden war, fest. Er sagt nämlich: »Evidence is continually accumulating for LAnk&ster’s theory of the presence originally of two pairs of nephridia in each somite, and the modification of those of one series, in the genital somites, to serve as genital ducts.« Zur Stütze dieses Satzes werden sodann die hier schon mehrfach erwähnten, je nach den Gattungen variirenden Lagerungsverhältnisse der Nephridium-Mündungen, respective das Alterniren letzterer von Segment zu Segment geltend gemacht. Was speciell den Umbildungs- modus von Nephridien zu Geschlechtskanälen betrifft, so hält Bexnam dafür, dass erstens eine Reihe von Nephridien unter einander verschmelzen, dass zweitens Theile eines Nephridiums 1) 1. p. 574. c. p. 459 (1885). 2) Benmam, W. Studies on Earthworms. Quart. Journ. Micr. Sc. (2) Vol. 26. 1886. p. 265. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 623 eingehen und dass drittens endlich die äusseren Mündungen Lageveränderungen erleiden können. Beim Zustandekommen der Samenleiter sollen alle drei Factoren betheiligt gewesen sein, indem in den die Trichter enthaltenden Segmenten der centrifugale, in den mit den Mündungen ausgerüsteten der centripetale und in den dazwischen gelegenen beide Nephridium- abschnitte zum Ausfalle, alles Uebriggebliebene dagegen zur Verschmelzung gelangt sei. Bei den Oviducten habe sich der Umwandlungsprozess auf eine starke Verkürzung und gleich- zeitige Erweiterung der zwischen "Trichter und äusserer Mündung gelegenen Nephridiumportion beschränkt. Die Samentaschen endlich müsse man lediglich als Nephridiumtheile, und zwar als die angeschwollenen centrifugalen Abschnitte der ursprünglichen Nierenorgane betrachten. Uebrigens böte gerade die Zurückführung dieser Taschen grosse Schwierigkeiten, indem bei Mierochaeta deren sechs bis acht in ein und demselben Segmente auftreten können. Vielleicht, so meint BEnHam, liessen sich diese Schwierigkeiten durch die Annahme aus dem Wege räumen, dass die Samentaschen lediglich den durch Einstülpung des Integumentes zu Stande kommenden, also den weniger wesentlichen Endabschnitten von Nephridien entsprächen. Nachdem ich im Vorhergehenden den Stand der Frage, so weit als dies, jenen meist sehr ausführlichen Abhandlungen gegenüber, in so engem Rahmen überhaupt möglich war, gekennzeichnet habe, will ich nun untersuchen, in wiefern die an den Capitelliden gewonnenen Aufschlüsse zur Lösung des Problemes beizutragen vermögen. Wir haben gesehen, dass sich hinsichtlich der Beurtheilung der morphologischen Natur von Geschlechtsgängen und Samentaschen zwei Auffassungen geltend gemacht haben. Die eine verwirft diese Homologie ganz und gar: PERrRIER in seinen späteren und VEpovsKkY in seinen früheren Arbeiten, oder verwirft sie nur für einen Theil der Oligochaeten, nämlich die sogenannten Terricola: CLAPAREDE. Die andere erkennt diese Homologie an, und zwar entweder nur für einen "Theil der Oligochaeten, nämlich die sogenannten Limicola: CrAPAarüne, oder für alle: LANKEster, PERRIER in seinen früheren und VEDovskY in seinen späteren Arbeiten, sowie BALFoUR und endlich, conform LAxkEster, dessen Schüler Bepparp und BexHam. Nachdem einmal der von CrArarepe seiner Zeit aufgedeckte Zwiespalt zwischen »Limicola« und »Terricola« als ein nur scheinbarer nachgewiesen war, vereinfachte sich auch der Gegensatz der Meinungen dahin, dass von allen genannten Forschern nur noch Einer übrig blieb, der der Formulirung seines Standpunktes entsprechend nach wie vor die Ge- schlechtskanäle der Oligochaeten als Neubildungen zu betrachten fortfahren konnte, nämlich PERRIER, und mit ihm allein hat man es daher auch zu thun, insoweit als die genetische Ein- heit von Nephridien und Geschlechtskanälen als solche in Frage kommt. Die principiell ablehnende Haltung Perrıer's ist ein instructives Beispiel dafür, wie durch Versenkung in das Detail der Sinn für das Allgemeine zuweilen getrübt werden kann; denn was wollen die von ihm geltend gemachten einzelnen Abweichungen und Schwierigkeiten gegenüber den fundamentalen Thatsachen und Beziehungen, die sich zu Gunsten der be- strittenen Homologie geltend machen lassen, besagen? Ist doch die Aehnlichkeit zwischen einzelnen 'Theilen des Geschlechtsapparates, insbesondere den Samenleitern einer- und den 624 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Nephridien andererseits eine so grosse, dass sich weder der Form, noch der Lagerung, noch der Entwickelung nach beide irgendwie auseinanderhalten lassen. Hat doch Perrier selbst den ersten Beitrag zur Erkenntniss geliefert, dass der vermeintliche Gegensatz von » Terricola « und »Limicola« in Wahrheit gar nicht existirt. Haben wir doch ferner gesehen, wie auch schon im Kreise der Polychaeten in zahlreichen Fällen Nephridien als Ausfuhrkanäle für die Geschlechtsprodukte dienen, und dabei nicht unbeträchtliche Modificationen in Form und Lagerung erleiden können. Und nicht nur im Kreise der Anneliden, nein, auch in verschie- denen anderen 'T'hierclassen führte man ja mit Recht längst schon ähnliche Kanäle auf den Typus des »Nephridiums« zurück. Aber, wenn schon im Hinblicke auf alle bis heute be- kannten T'hatsachen Prrrier's principieller Widerspruch unberechtigt war, so muss er fortan endgiltig verstummen gegenüber dem Einen an Capitelliden festgestellten Factum, dass Ge- schlechtskanäle im Anschlusse an fungirende Nephridien sich ausbilden und mit letzteren zeitlebens in organischer Verbindung bleiben können; denn damit ist ja die principielle Einheit beider geradezu ad oculos demonstrirt. Also nicht mehr um die Frage kann es sich feınerhin handeln, ob wir es in den beiderseitigen Organen überhaupt mit homologen zu thun haben, oder nicht, sondern vielmehr nur um die, in welcher Weise man sich speciell die Umwandlung der einen in die anderen vorzustellen habe. Und in diesem Sinne sind, wie ebenfalls aus dem Vorhergehenden erhellt, folgende Auffassungen geltend gemacht worden: für Lankester ist das Oligochaetensegment typisch nicht mit Einem, sondern mit zwei Paar Nephridien ausgerüstet, und dieses zweite hypothetisch angenommene Paar ist es eben, welches in den Geschlechtssegmenten, zu Evacuations- organen umgebildet, erhalten geblieben sein soll. Bepparn sodann setzt, um die Hypothese mit den weiterhin bekannten Thatsachen in besseren Einklang bringen zu können, statt zwei, vier Paare als typisch für ein Segment. Barrour denkt sich die Geschlechtskanäle der Oligochaeten, ähnlich wie den MÜLLER- schen Gang aus dem der Vorniere, durch Spaltung aus Nephridien entstanden. VeEspovsky endlich betrachtet die Geschlechtskanäle als ganz unabhängig (ad hoc) zu Stande gekommene, aber den Nephridien oder T'heilen solcher homologe Gebilde. Mit dieser letzten Annahme haben wir uns, da sie ein Eingehen auf das »Wie« an sich ausschliesst, nicht weiter zu beschäftigen. Ebenso kann die Barrour’sche Ansicht fortan ausser Betracht bleiben, indem sie speciell den Contrast im Verhalten der Terricola erklären sollte und ja dieser Contrast als ein nur scheinbarer erkannt worden ist. So bleibt denn allein die durch Bepparp erweiterte Hypothese Laxkester's noch als Erklärungsversuch übrig. Insofern diese Hypothese ausdrückt, dass dem Vorkommen von Geschlechtskanälen und Nephridien in ein und demselben Oligochaetensegmente eine ursprüngliche Vielzahl von Nephridien in ein und demselben Segmente zu Grunde liegen könne, steht sie im besten Einklange mit den Thatsachen. Aber der Lankesterssche Satz in seiner ursprünglichen Fassung sagt nicht bloss dies, sondern er geht weit darüber hinaus, indem er erstens die VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 625 Vermehrung der Nephridien, anstatt facultativ für gewisse, obligatorisch oder typisch für alle Segmente setzt, und zweitens diese Vermehrung hinsichtlich der Zahl auf zwei, respective vier Paare (Bepparn) determinirt. Ich hatte, wie schon erwähnt, in einer früheren Publication dem Lankester'schen Satze anstatt dieser bestimmt formulirten jene allgemeinere, in dem, was er behauptet, sodann unbestreitbare Wendung gegeben und, da lange Zeit kein Wider- spruch erfolgt war, diese Modification als zugestanden betrachtet. Darin hatte ich mich aber gründlich geirrt, indem ja vor Kurzem erst der fragliche Satz durch Bexmam ganz der wr- sprünglichen Fassung LAnkEster's entsprechend und durch BEepnpAarn in etwas erweiterter Form als nahezu bewiesen hingestellt wurde. Es gilt also zunächst die Unhaltbarkeit des Satzes in dieser seiner ursprünglichen Fassung ein für allemal darzuthun. Sowohl Lank&£ster, als auch Brpparn suchen ihre Behauptung, dass jedem Oligochaeten- segmente typisch eine bestimmte Vielzahl von Nephridien zukam, in erster Linie durch ge- wisse zwischen der Lage von Nephridiummündungen einer- und derjenigen von Parapodien andererseits stattfindende Relationen zu begründen. Wir haben in der vorhergehenden historischen Uebersicht gesehen, dass gewisse Oligochaeten in der That ein solches Alterniren in der Lagerung der Nephridiummündungen aufweisen, wie es die Hypothese verlangt; aber wir haben auch gesehen, dass eine grosse Zahl von Gattungen ein solches Alterniren ver- missen lässt. Ein und dieselbe Form kann sogar im Vorderkörper dies Alterniren, im Hinter- körper dagegen die gewöhnliche Anordnung aufweisen. Bei anderen, wie zum Beispiel Uro- chaeta, kann die Stellung der Borsten eine alternirende sein, ohne dass die Nephridien irgend- wie davon betroffen werden, und für Acanthodrilus muss Benvarp selbst zugeben, dass das Alterniren der Nephridien durchaus nicht constant erfolge. ULAPAREDE, PERRIER und VEIDOVSKY haben denn auch Alle, gleicherweise nachdrücklich betont, wie die Lagerungsverhältnisse der äusseren Nephridiummündungen überaus schwankende seien und in keiner Weise zu jener auf Gesetzmässigkeit sich gründenden Schlussfolgerung berechtigten. Auch bei den Capi- telliden hatte ich zu constatiren, dass die betreffenden Mündungen je nach den Gattungen, ja sogar je nach den Arten sowohl bezüglich der Längs-, als auch bezüglich der Queraxe die verschiedensten Ebenen einnehmen können. Was aber vollends entscheidet: bei den Capitelliden pflegen auch die in ein und demselben Segmente mit den Nephridien gelegenen und mit ihnen (als ihre vergrösserten Trichter) in organischem Zusammenhange stehenden Genital- schläuche sowohl hinsichtlich der Längs-, als hinsichtlich der Queraxe abweichend von den centrifugalen Schenkeln der zugehörigen Nephridien nach aussen zu münden, oder mit anderen Worten, es kann ein und dasselbe Nephridium di:ch zwei ganz heterogene und divergent gelegene Mündungen mit der Aussenwelt communiciren, und dasselbe gilt auch für den Fall, dass die Genitalschläuche unabhängig neben den Nephridien zur Ausbildung gelangen. Nichtsdestoweniger ist die in einzelnen Oligochaeten vorhandene Beziehung zwischen Nephridien und Parapodien, ob nun constant, oder nicht, an sich von Interesse. Hinsichtlich der Erklärung dieser Beziehung scheint mir nun aber Perrier längst das Richtige getroffen zu haben, wenn er vermuthet, dass die Nephridien gewisser Oligochaeten, um die Wandungen Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 79 626 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. des Hautmuskelschlauches zu passiren, die so oder so gelegenen, von den Borstenfollikeln präformirten Spalten benutzen. Wie die Voraussetzung, dass jedem Oligochaetensegmente typisch eine bestimmte Viel- zahl von Nephridien zukomme, an ihren eigenen Consequenzen scheitert, das zeigt am besten das Vorgehen Bepvarp’s. Letzterer constatirte, wie wir schon zu erwähnen hatten, an einer Species von Acanthodrilus das so interessante Factum, dass je in einem Segmente acht Ne- phridien, und zwar ein jedes derselben im Bereiche einer der acht Borsten auftreten, und schloss darauf hin, dass nicht, wie LAnkeEster wollte, zwei, sondern vielmehr vier Paare solcher fortan als typisch für das Oligochaetensegment angenommen werden müssten. Wenn nun, was durchaus im Bereiche der Möglichkeit liegt, früher oder später eine Species von Acanthodrilus oder irgend einer anderen Gattung aufgefunden wird, die nicht acht, sondern zehn und mehr Nephridien in einem Segmente beherbergt, was dann? soll dann die für das Oligochaetensegment angeblich typische Nephridienzahl dementsprechend mitwachsen ? Bepvarn selbst hat übrigens das Material zu einem auf Aehnliches hinauslaufenden Einwande dargeboten. Wie schon in einem früheren Kapitel hervorzuheben war”), hält er es für ebenso wahrscheinlich, dass die zwei-, respective vierreihig bilateral-symmetrische Anordnung der Pa- rapodien sowohl von Poly-, als von Oligochaeten aus der geschlossen ringförmigen Anordnung, wie sie Perichaeta darbietet, abzuleiten sei, als umgekehrt. Ich habe zwar an der eben citirten Stelle schon nachzuweisen versucht, wie durch das Verhalten gewisser Capitelliden die Zu- lässigkeit einer derartigen Alternative ausgeschlossen sei, indem es gar keinem Zweifel unter- liegen könne, dass wir die geschlossenen Borstenringe von Perichaeta, ähnlich wie die in ihrer Zahl so immens gesteigerten Hakenringe der einen grossen Theil des Leibesumfanges einnehmenden Tori von Notomastus als secundäre Bildungen zu betrachten haben, aber gehen wir hier einmal auf die Möglichkeit, dass darin ein ursprüngliches Verhalten vorliege, ein, um gestützt darauf untersuchen zu können, wie es denn bei solcher Voraussetzung mit den typischen acht Nephridien bestellt sei. Brpparn betont ausdrücklich, dass jeder Borste ein Ne- phridium entspreche; daher bei dem mit acht Borsten in jedem Segmente ausgerüsteten Acan- thodrihıs auch acht Nephridien. Daraus würde aber sich weiter ergeben, dass die Stammformen, welche, ähnlich wie heute noch Perichaeta und Pleurochaeta, mit hunderten von Borsten in jedem Segmente ausgerüstet gewesen sein sollen, auch ebenso im Besitze von hunderten von Nephridien gewesen sein müssten, von denen (aus welchem Grunde?) acht als »typisch für die Oligochaeten« übrig blieben. Ich denke, die eben gezogenen Consequenzen sind derart, um beide Voraussetzungen, nämlich die der typischen acht Nephridien sowohl, als auch die der ur- sprünglich ringförmigen Borstenanordnung gleicherweise als fernerhin unmöglich erscheinen zu lassen. Im Bisherigen habe ich lediglich den Satz zu bekämpfen gesucht, demzufolge wir uns das Oligochaetensegment als ursprünglich mit vier oder acht, überhaupt mit einer determinirten 0) Vergl. p. 574. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 627 Vielzahl von Nephridien versehen vorzustellen hätten. Dabei war stillschweigend voraus- gesetzt, dass das Vorkommen einer Mehrzahl von Nephridien gegenüber der streng metameren Einzahl überhaupt als das ursprüngliche Verhalten betrachtet werden könne. Denn, wäre das Gegentheil der Fall, so würde ja jener Satz an sich unmöglich. Wenden wir uns daher nun zu dieser eigentlichen Grundfrage. Vor Allem sei betont, dass in diesem Sinne die Frage nicht mehr eine blosse »Ol- gochaetenfrage « darstellt, indem ja eine trotz ihrer vielseitigen Beziehungen zu den Oli- gochaeten doch allgemein (wegen ihrer ebenso zahlreichen Anknüpfungspunkte) zu den Poly- chaeten gerechnete Familie, nämlich die Capitelliden, ebenfalls in einzelnen ihrer Vertreter eine Vermehrung der Nephridien in bestimmten Segmenten aufweist. Die Frage wird also zur »Annelidenfrage«. Da ich selbst es war, der in der genannten Polychaetenfamilie zum ersten Male das gleichzeitige Vorkommen einer Mehrzahl von Nephridien im Kreise der Anneliden constatiren konnte, so wird man es begreiflich finden, dass auch die Frage, ob man ein solches Verhalten als »typisches«, oder aber als »secundäres« zu betrachten habe, speciell von mir sofort ge- bührend erwogen wurde. Nun ich will gleich mit dem Schlusse herausrücken, zu dem ich ohne Weiteres gekommen war, nämlich, dass die Vermehrung der Nephridien, respec- tive ihr poly- oder dysmetameres Verhalten unzweifelhaft als secundäre Er- scheinung aufgefasst werden müsse. Wie wäre auch anders zu schliessen möglich in Anbetracht, dass unter allen den zahlreichen Polychaetenfamilien einzig die Capitelliden von der sonst so streng durchgeführten Metamerie abweichen, in Anbetracht ferner, dass selbst im Bereiche dieser Familie nur Eine Art jene Abweichung vom segmentalen Verhalten con- stant erkennen lässt, und in Anbetracht endlich, dass sich gerade diese Art durch die Be- schränkung des gesammten Nierensystemes auf den Vorderleib sowie auch durch zahlreiche andere Charaktere als die am meisten um- und rückgebildete der Familie erweist! Und im Kreise der Oligochaeten verhält es sich ja auch nicht anders. Auch dort zeigt die überwiegende Mehrzahl das metamere Verhalten, und allein auf ein oder zwei Gat- tungen ist das dysmetamere beschränkt. Genauere Untersuchungen dieser letzteren Gattungen dürften überdies auch für sie noch solche mit dem dysmetameren Verhalten einhergehende Organisations-Eigenthümlichkeiten offenbaren, welche mehr für ihre secundäre, als für ihre primäre Natur Zeugniss abzulegen geeignet sein werden. Dass es an solchen Eigenthümlich- keiten auch den Oligochaeten nicht fehlt, dafür lassen sich schon jetzt einige Belegstücke anführen. So sollen nach PErrIEr') bei Perichaeta die Nephridien im ganzen Körper nur durch drüsige Anhänge der Septa repräsentirt sein, und P/eurochaeta soll nach BEppArD?’, der Nephridien durchaus entbehren. TZyphoeus soll, wie ich aus BexHanm’s®, Uebersicht entnehme, nur vorn, Titanıs umgekehrt nur hinten (vom 14. Segmente ab) Nephridien besitzen. 1) 1. 3p. Glare pP. ERXVE. und 1. p. 309. ec. p. 439. el. pe ld. cap. 502. 3) 1. p. 622. c. p. 256. 192 628 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Nach alledem kann also der LankEster-BEepDvard'sche Satz, soweit der- selbe das Vorkommen sei es einer bestimmten, sei es einer unbestimmten Mehr- zahl von Nephridien als »typisch« für jedes Oligochaeten- oder Annelidensegment behauptet, nicht aufrecht erhalten werden. Nur wenn wir dem Satze die er- wähnte allgemeinere und zugleich facultative Fassung geben, lässt er sich mit allen Thatsachen in Einklang bringen, und diese Fassung genügt ja überdies auch im Hinblicke auf jene Fälle, zu deren Erklärung er speciell ursprünglich auf- gestellt worden war, nämlich zur Erklärung des gleichzeitigen Vorkommens von Nephridien und Geschlechtskanälen in ein und demselben Segmente. Dass aber selbst zur Erklärung dieser Verhältnisse nicht in allen Fällen so viele Nephri- dien in ein und demselben Segmente vorausgesetzt zu werden brauchen, wie einzelne meiner Vorgänger meinten, dass vielmehr gewisse Theile des Geschlechtsapparates, ähnlich wie bei den Capitelliden, nur T'heilen von Nephridien entsprechen, dies wird sich aus der nun fol- genden Untersuchung der einzelnen das Genitalsystem der Oligochaeten zusammensetzenden Glieder ergeben. Beginnen wir mit den Samenleitern. Wer jemals Samenleiter und Nephridien von Oligochaeten sei es in natura, sei es in Abbildungen mit einander verglichen hat, dem wird es schwer fallen, deren grosse Ueber- einstimmung zu verkennen, und doch hat, trotz dieser so grossen Uebereinstimmung, sowie trotz des Factums, dass auch bei den meisten Polychaeten Nephridien unter mannigfachen Umbildungen die Function von Samenleitern auszuüben vermögen, wenigstens Ein Forscher, nämlich Perrier, die Homologie dieser beiderlei Organe verwerfen zu müssen geglaubt. Als Hauptmotive wurden von PErrIEr geltend gemacht: erstens die »unabhängige Entstehung« der Samenleiter und zweitens ihre verschiedenartigen Abweichungen von Nephridien. In wiefern die unabhängige Entstehung, welche (zur Zeit als er noch die Homologie bekämpfte) auch von VEspovskyY so scharf betont wurde, überhaupt einen Einwurf bilden soll, vermag ich nicht einzusehen, indem ja jeder Samenleiter mindestens Einem Nephridium ent- spricht und ja auch sonst jedes Nephridium unabhängig von jedem anderen entsteht. Die unabhängige Entstehung könnte doch höchstens insofern geltend gemacht werden, als damit die für die bekämpfte Homologie nothwendige Voraussetzung einer Mehrzahl von Nephridien in je einem Segmente getroffen werden sollte, was aber in Anbetracht des thatsächlichen Vorkommens einer solchen Mehrzahl wirkungslos wäre, oder insofern als damit die Un- möglichkeit erwiesen werden sollte, dass die Samenleiter nur Theilen von Nephridien ent- sprechen könnten, was indessen Niemand behauptet hat. Sollte aber mit dem Einwurfe der unabhängigen Entstehung eben das gemeint sein, dass die Samenleiter nicht heute noch in jedem 'Thiere sich aus vorher exclusive excretorisch thätigen Nephridien unter unseren Augen umbilden, so wäre darauf zu erwidern, dass uns derart abgekürzte Entwickelung doch auch sonst nicht Organe als homolog anzuerkennen verhindert, dass überdies, wie VEIDOVSKY')) UP 23602972103: VI. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 629 gezeigt hat, die Entwickelung der Samenleiter ganz entsprechend dem für die Nephridien festgestellten Typus verläuft. Unter den an den Samenleitern auftretenden Abweichungen wurde in erster Linie betont: »ihre Erstreckung durch mehrere Segmente«. Unmöglich kann aber diese 'Thatsache als Einwand gegen ihre nephridiale Abstammung geltend gemacht werden, da ja für Nephridien der verschiedensten Anneliden eine ähnliche Erstreckung durch eine Mehrzahl von Segmenten längst schon nachgewiesen worden ist und ferner auch andere Derivate von Nephridien, nämlich die Speicheldrüsen der Enchytraeiden, sich ebenso durch eine Mehrzahl von Segmenten erstrecken. Letztere Drüsen können zugleich als instructives Beispiel dafür gelten, bis zu welchem Grade die äusseren Mündungen von Nephridien deplacirt zu werden vermögen. Die Thatsache, dass in zahlreichen, im nächsten Abschnitte aufzuführenden®) Fällen normale Nephridien sich durch eine verschieden grosse Anzahl von Leibessegmenten erstrecken können, enthebt mich auch der Nothwendigkeit, die seiner Zeit von PERRIER in der Argumentation gegen LANKESTER und neuerdings wieder von Ben#am erwogene Möglichkeit, dass die Samenleiter durch Verschmelzung mehrerer successiver Nephridien zu Stande gekommen sein sollten oder könnten, im Einzelnen zu widerlegen, indem es doch klar ist, dass das, was schon dem genuinen Nephridium möglich, nämlich sich durch mehrere Segmente zu erstrecken, auch dem modificirten, dem Samenleiter, möglich sein musste. Eine andere Abweichung besteht darin, »dass die Samenleiter mit zwei Trichtern aus- gerüstet sein können«. So lange als dieses Verhalten für typisch galt, mochte man ihm einiges Gewicht bei- legen; aber heute wissen wir, dass diese Zweizahl der Trichter weit davon entfernt ist, eine Regel zu bilden. Allein Zumbricus unter den höheren und gewisse Lumbriculiden unter den niederen Oligochaeten weisen diese Verdoppelung auf. In Anbetracht, dass es Oligochaeten mit zwei Paar Samenleitern giebt (Acanthodrilus und Moniligaster), könnte man die betreffenden Doppeltrichter auf die Verschmelzung zweier Paare zurückzuführen oder anzunehmen ver- sucht sein, dass vom fraglichen zweiten Paare nur die 'Trichterregion übrig geblieben sei. Oder man könnte sich auch diesen zweiten Trichter in ähnlicher Weise wie die Genital- schläuche der Capitelliden entstanden denken, besonders im Hinblicke darauf, dass VeipovskyY ') bei Stylaria die Nephridien in dem die Samenleiter beherbergenden Segmente, nicht wie sonst ganz der Degeneration anheimfallen, sondern in den Trichterabschnitten erhalten bleiben sah; es müsste dann freilich die secundäre Verbindung zwischen Samenleiter und "Trichter nach- gewiesen werden können. Aber selbst für den Fall, dass sich die Verdoppelung der Trichter weder aus der Verschmelzung zweier Samenleiterpaare, noch aus der Verschmelzung Eines Samenleiters mit einem Nephridiumtrichter ableiten liesse, selbst für diesen Fall könnte doch ) 1 ) Vergl. p. 649— 650. Ep 236.2 cup l29: 630 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. aus der Vermehrung der "Trichter keine Schwierigkeit für die Ableitung der Samenleiter von Nephridien erwachsen, einfach darum nicht, weil gelegentlich auch normale Nephridien ange- troffen werden, die anstatt mit Einem mit zwei Trichtern ausgerüstet sind. Dies constatirte Vemovsky') bei Anachaeta und ich bei Notomastus. Auch kann auf die definitiven Nephridien von Capitella verwiesen werden, die ja in der Regel mit mehreren '[richtern ausgerüstet sind. Was endlich die übrigen Complicationen der Samenleiter betrifft, nämlich die im Be- reiche der Trichter gelegenen, bald als Samenblasen, bald als Hoden gedeuteten Säcke, ferner die in den distalen Abschnitten auftretenden Copulationsorgane und Drüsen, so brauchen wir hier um so weniger darauf eingehen, als ihr adaptiver, secundärer Charakter sich einmal in der grossen Verschiedenheit der entsprechenden Adnexe und sodann auch in deren grosser Inconstanz des Auftretens manifestirt. Während die zwischen Samenleiter und Nephridium bestehende Homologie schon durch den beiderseitigen Habitus zu so unverkennbarem Ausdruck gebracht wird, kann in Bezug auf die entsprechende Homologie des Eileiters nicht ein Gleiches behauptet werden; denn in der Regel besteht dieser Leiter nur aus einem mehr oder weniger lang gestielten Trichter. VEmovskY’ hat denn auch schon die Ansicht ausgesprochen, dass die Oviducte der Oligo- chaeten nicht ganzen Nephridien, sondern nur 'Theilen solcher, und zwar speciell den Trich- terregionen entsprechen möchten. Eine solche Ansicht zu hegen war VE)DovskY um so be- rechtigter, als er festgestellt hatte, dass in einzelnen Segmenten von Anachaeta und Tubifex°) anstatt Nephridien lediglich "Trichter vorkommen, ja dass in den Geschlechtssegmenten von Stylaria‘) die Trichter der degenerirenden Nephridien noch eine Zeit lang allein erhalten bleiben können. Den vollkräftigen Beweis für die Richtigkeit einer solchen Auffassung liefert nun aber das Verhalten der -Capitelliden. Haben wir doch gesehen, wie die Genitalschläuche letzterer, welche neben anderen sexuellen Functionen auch diejenige von Eileitern ausüben, insbesondere bei den sich dem »Gajolensis-Iypus« conform verhaltenden Vertretern in der 'Ihat nichts Anderes, als die immens vergrösserten, sich besondere äussere Mündungen schaffenden Trichter ebenso vieler Nephridien darstellen, welch’ letztere entweder neben den so umgewandelten Trichtern, ja in organischer Verbindung mit ihnen zeitlebens fungirend fortexistiren, oder aber in dem Maasse der Rückbildung anheimfallen, als sich die Genitalschläuche ausbilden. Und wenn wir uns weiter erinnern, dass bei denjenigen Capitel- liden, deren uropoötisches System sich nach dem als »Iypus Dasybranchus caducus s. str.« be- zeichneten Modus ausbildet, Nephridien und Genitalschläuche relativ unabhängig von einander zeitlebens angetroffen, sowie, dass bei Capitella die Genitalschläuche schon in den Juvenes als solche (mit Ausschluss von Nephridien) angelegt werden, so ist damit dem auch bezüglich der 1)1.2p: 236 2 pP. 127. 2) 12P 236%. C.2p:01160 3) 1. p. 236. ec. p. 127 4) 1» p. 286-c. p..129: VII. Nephridien (Segmentalorgane). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 631 Eileiter von PerrIErR und Vriovsky (früher!) geltend gemachten Einwande der »unabhängigen Entstehung« jede Berechtigung entzogen, indem eben durch das Verhalten der Capitelliden erwiesen ist, dass sich sexuelle Evacuationsorgane entweder direct aus Nephridiumtrichtern, oder neben solchen, oder endlich (ontogenetisch wenigstens!) unabhängig von solchen aus- zubilden vermögen. Die vorhin erwähnten Beobachtungen *) Veipovsky's, denen zufolge bei gewissen Oligo- chaeten in einzelnen Segmenten allein Trichter vorkommen, insbesondere aber die Stylaria betreffenden, lassen mich vermuthen, dass ähnliche Vorgänge wie bei den Capitelliden sich auch bei den Oligochaeten noch abspielen, mit anderen Worten, dass wenigstens bei einzelnen Vertretern letzterer die Oviducte in ähnlichem Anschlusse an präexistirende Nephridien sich ausbilden wie die Genitalschläuche bei einzelnen Vertretern der Capitelliden. Jugendliche Oligochaeten müssten zum Nachweise eines solchen eventuellen Verhaltens vorwiegend in's Auge gefasst werden. Es bleibt mir noch Ein Glied des Oligochaeten-Geschlechtsapparates zu betrachten übrig, nämlich die so viel und so vielerlei discutirten Samentaschen. Auch für diese Organe haben einzelne derjenigen Forscher, welche überhaupt die be- zügliche Homologie anerkannten, schon geltend gemacht, dass sie nicht je einem ganzen Ne- phridium, sondern nur je einem "Theile eines solchen entsprechen möchten. Wie aus den vorhergehenden Referaten hervorgeht, glaubten Crarartpe und nach ihm VesDovskY, dass es die distalen Abschnitte oder die Atrien von Nephridien seien, welche in den Samentaschen vorlägen, und Bexnnam meinte sogar, lediglich die im Bereiche der Mündungen gelegenen Hauteinstülpungen hätten dafür das Material geliefert. Principiell ist diese Auffassung der Samentaschen so einleuchtend und nahe liegend, dass, wer überhaupt deren Ableitung von Nephridien als Aufgabe der Forschung betrachtet, kaum eine andere, geschweige bessere an ihre Stelle zu setzen sich anheischig machen dürfte. Aber diese Auffassung ist doch bis heute lediglich das Produkt einer Speculation geblieben; keine Thatsache konnte angeführt werden, die den bei dieser Auffassung supponirten Umwandlungsprocess zu illustriren ver- mocht hätte. Und in diesem Sinne glaube ich können wir, gestützt auf das Verhalten der Capitelliden, ähnlich wie für die Eileiter, so auch für die Samentaschen der Oligochaeten eine empfindliche Lücke ausfüllen. Dass Nephridien bis auf die Trichter degeneriren und letztere allein erhalten bleiben, konnte in einzelnen Fällen bei Oligochaeten selbst constatirt werden; nicht aber umgekehrt, dass nur der im Bereiche der äusseren Mündung gelegene Abschnitt fortexistirt. Ebenso *) VEsDoVsKy gibt an (l. p: 236. c. p. 148), dass bei niederen Oligochaeten, besonders bei Enchytraeiden, die Oviducte durch Spalten des Hautmuskelschlauches vertreten sein könnten. Sollten hier nicht (ähnlich wie bei Tomopteris, vergl. p. 613 dieser Monographie) die zugehörigen »Genitalschläuche« übersehen worden sein? Znehy- traeus galba soll, anstatt Eines Paares, vier in consecutiven Segmenten gelegene solche Spaltenpaare besitzen, und darin scheint mir ein starker Anklang an die in ihrer Zahl ebenfalls grosse Schwankungen darbietenden Genitalschlauch- Porophore der Capitelliden zu liegen. 632 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. z sahen wir, dass bei jener so umfangreichen, mit der Ausbildung von Genitalschläuchen einher- gehenden Nephridium-Degeneration der Capitelliden nie ein anderer Theil, als die Trichter- region erhalten, dass nie ein anderer zur Umbildung verwandt wird. Lediglich der "Trichter ist es, der unter bedeutender Zunahme seines Umfanges sich eine neue (sowohl hinsichtlich der Längs-, als Queraxe) von der typischen äusseren Nephridiummündung abweichend gelegene Mündung schafft und nun als sogenannter Genitalschlauch je nach den Gattungen mehr oder weniger unabhängig von seinem zugehörigen Nephridium fortexistitt. Wie die Eileiter, so betrachte ich denn auch die Samentaschen der Oligochaeten als Genital- schläuchen, respective als Nephridiumtrichtern entsprechende Gebilde, indem ich mich dabei auf Folgendes stütze: Erstens üben die Genitalschläuche der Capitelliden neben ihren so verschiedenartigen anderen Functionen auch diejenige von Samentaschen aus; insbe- sondere bei Capitella capitata werden sie den grössten 'Theil des Jahres hindurch in beiden Geschlechtern mehr oder weniger mit Sperma oder Spermatophoren erfüllt angetroffen. /weitens erklärt sich bei solcher Ableitung sowohl das gleichzeitige Vorkommen von Samen- taschen und Nephridien in ein und demselben Segmente, als auch, was bei Oligochaeten das Häufigere ist, das alleinige Vorkommen, respective das »unabhängige Auftreten« der Samen- taschen, indem ja auch bei den Capitelliden die Genitalschläuche entweder zeitlebens mit fungirenden Nephridien in Zusammenhang bleiben, oder allmählich ‘durch Degeneration der Nephridien) unabhängig werden, oder gleich relativ unabhängig neben Nephridien oder end- lich ganz unabhängig (ontogenetisch!) zur Ausbildung gelangen können. Drittens verstehen wir, warum (wenigstens bei der überwiegenden Mehrzahl aller Oligochaeten) die Lage der Samentaschen-Mündungen mit derjenigen der Nephridium-Mündungen sowohl bezüglich der längs-, als auch der Queraxe contrastirt, indem ja auch diejenige der Genitalschläuche bei allen Capitelliden bezüglich beider Axen abweichend befunden wurde. Dass die Samentaschen der Oligochaeten ähnlich den Genitalschläuchen der Capitelliden modificirte Nephridiumtrichter darstellen, wäre dann als vollends bewiesen zu betrachten, wenn zwischen Samentaschen und Nephridien von Oligochaeten ähnliche Beziehungen wie zwischen Genitalschläuchen und Nephridien von Capitelliden aufgefunden würden. Mehrere Angaben lassen mich nun vermuthen, dass auch bei Oligochaeten in der That noch ähnliche Beziehungen erhalten sind, respective recapitulirt werden, und dass sich in Folge dessen früher oder später ein solcher Beweis in der T'hat wird führen lassen. Von diesen Angaben sei in erster Linie diejenige Prrrıer’s') hervorgehoben, nach welcher bei jungen Exemplaren von Urochaeta die Samentaschen kleine, kaum sichtbare, vor den Nephridien gelegene Rudimente darstellen; diese Rudimente könnten nämlich von den 'Irichtern der respectiven Nephridien abstammen. Sodann die andere desselben Forschers?), der zufolge den Samentaschen von Perichaeta, Eudrilus und Plutellus je ein gewundenes, drüsiges Rohr anhänge; in diesen Anhängen haben wir LP. 3097 °P 519: le pr Glieep201% VIII. Nephridien (Segmentalorgane.) 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 633 vielleicht die (ähnlich wie bei den Capitelliden) im Laufe der Trichter-Umwandlung zur Rück- bildung gelangenden Nephridien vor uns. Nun darf aber auch das, was gegen eine solche Ableitung der Samentaschen geltend gemacht werden kann, nicht unerwähnt bleiben. Vor Allem: Die Genitalschläuche der Capitelliden öffnen sich stets (ebenso wie die Nephridiumtheile, von denen sie abstammen, die Trichter) glockenförmig in die Leibeshöhle, während die Samentaschen der Oligochaeten gegen das Cölom hin abgeschlossen sind. Nicht darin, dass sich Nephridiumtrichter im einen Falle zu Glocken ausdehnen, im anderen Falle dagegen zu birnförmigen Säcken schliessen, liegt aber der Schwerpunkt des Einwurfes, sondern vielmehr in dem Verlangen, das Zustandekommen solcher Divergenz physiologisch plausibel machen zu können. Ich glaube nun, dass man dies in der That kann. Die Genital- schläuche der Capitelliden haben nicht bloss als Samentaschen, sondern auch gleichzeitig als Samen- und Eileiter sowie als Copulationsorgane zu fungiren, und mit so vielfachen Fanctionen würde sich ihr Verschluss gegen die Leibeshöhle schlecht vertragen. Bei den Oligochaeten dagegen sind besondere Samen- und Eileiter vorhanden, so dass die ausschliesslich im Dienste der durch ihren Namen ausgedrückten Leistungen stehenden Samentaschen sich (in dem Maasse, als es, wie wir voraussetzen müssen, für den Gesammtmechanismus des Geschlechtsapparates vortheilhaft wurde) cölomwärts schliessen konnten. Mit anderen Worten: das abweichende Ver- halten der Samentaschen hätten wir uns als durch Arbeitstheilung zu Stande gekommene Differen- zirung (der Genitalschläuche) vorzustellen. Was ferner diesen Einwand (des Geschlossenseins) nicht wenig abzuschwächen geeignet erscheint, ist die Thatsache, dass nach PERrrıEr'!) die Samentaschen von Eudrilus als Eileiter fungiren und demzufolge nach der Leibeshöhle hin geöffnet sein sollen. Zweitens könnte gegen unsere Auffassung der Samentaschen eingewandt werden, dass dieselben nach Verpovsky’s’), Untersuchungen als Einstülpungen des Hautmuskelschlauches zur Entwickelung gelangen sollen. Demgegenüber ist aber im Auge zu behalten, dass auch beim Zustandekommen der Genitalschläuche ansehnliche Eetodermeinstülpungen participiren und es daher möglich ist, dass die von VE>povsky gesehenen Anlagen ebenfalls nur die distalen Ab- schnitte der Samentaschen repräsentiren. Drittens endlich wäre noch der 'Thatsache zu gedenken, dass nach Bentam’) bei Microchaeta nicht wie in der Mehrzahl aller Fälle in Einem Segmente je Eine Samentasche, sondern deren mehrere zugleich vorkommen. Dieses Factum kann aber um so weniger einen ernstlichen Ein- wurf bilden, als auch für die Oligochaeten das Vorkommen einer Mehrzahl von Nephridien in ein und demselben Segmente nachgewiesen ist, und Nephridien sind es ja, von denen wir die Samentaschen ableiten, einerlei ob nun der Prozess ontogenetisch recapitulirt wird, oder nicht. Allem Vorhergehenden zufolge können wir schliesslich constatiren, dass trotz der viel- fachen Widersprüche, die sie erleiden, und trotz der zahlreichen Correcturen, die sie erfahren LP. 616. cp. LXRIX. ale pr 236.0, 9.2188. 3) 1. p. 622. e. p. 270. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. so wo 634 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. mussten, die ULAPAREDE-LANKESTER’schen Hypothesen im Wesentlichen das Richtige getroffen hatten, indem eben beide auf solche Voraussetzungen basirt waren, welche die nachfolgende Forschung wenigstens dem allgemeinen Inhalte nach sanctioniren konnte. Crarareoes schöpferischer Antheil an der Aufstellung der Homologie liegt in dem Einfalle, dass gewisse Glieder des Genitalapparatesnicht ganzen Nephridien, sondern Theilen solcher entsprächen, und dieser Einfall hat sich als durchaus zutreffend erwiesen. LAnk£sterss Antheil liegt in dem Einfalle, dass dem Annelidensegmente mehrere Nephridien zugleich zukommen könnten, und auch dieser Gedanke drückte eine Wahrheit aus, indem späterhin in der That das Vorkommen einer solchen Mehr- zahl von Nephridien in gewissen Fällen nachgewiesen werden konnte. Wenn die Vereinfachung der 'Theorien vorzüglich das Wesen des Fortschreitens unserer Einsicht kennzeichnet, so haben wir auch seit CLAPAREDE-LANKESTER wenigstens Einen weiteren principiellen Fortschritt zu constatiren, nämlich den, dass zur Ausbildung von Geschlechts- kanälen Nephridien als solche gar nicht erst der phylogenetischen Umbildung in allen Fällen zu unterliegen haben, indem lediglich Theile derselben, ohne die excretorische Function zu beeinträchtigen und ohne die Verbindung mit dem Mutterorgane aufzugeben, diese Umbildung erfahren können. Nicht nur ist durch diese (bei Tremomastus und Dasybranchus Gajolae etc. zeitlebens erhaltene) Verbindung die Homologie von Geschlechts- und Nierenkanälen über allen Zweifel gestellt, sondern wir haben auch auf Grund ihrer die Einsicht gewonnen, dass »die Natur zuweilen viel einfacher verfährt, als sich der Homologien stabilirende Morphologe vorzustellen wagt«. 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. Auch in diesem Abschnitte gedenke ich mich — im Gegensatze zu meinem ursprüng- lichen Plane — zu beschränken und lediglich den Vergleich mit Einer 'Thierclasse in’s Auge zu fassen, nämlich mit derjenigen der Vertebraten. Schon vor einem Jahrzehnt wurde ich durch eine Abhandlung FÜRBRINGErR's') veranlasst, meine Ansichten über die Beziehungen zwischen den Nierensystemen von Anneliden und Verte- braten darzulegen, und da ich auch heute noch an dem in jener Publication eingenommenen Standpunkte festhalte, so bringe ich zunächst die betreffenden, speciell unserem Vergleiche geltenden Stellen, abgesehen von einigen unwesentlichen Correcturen, unverändert zum Wieder- abdrucke. Ich schrieb damals Folgendes: Durch die bekannten Arbeiten SeEmPER's und Barrour’s wurde eine Homologie zwischen den Ne- phridien der Anneliden und dem Nierensysteme der Vertebraten statuirt. Diese Homologie hat Anhänger 1) FÜRBRINGER, M. Zur vergl. Anat. und Entw.-Gesch. der Excretionsorgane der Vertebraten. Morph. Jahrb. 4. Bd. 1878. p. 104, 2) 1. p. 16. e. p. 94—95 und 108—114. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 335 ji \ D o- } LE und Gegner gefunden. Verfasser dieser Zeilen gehört zu den ersteren. Es beruht aber seine Ueberzeugung nicht bloss auf dem Gewichte dieser einen Relation, sondern auf demjenigen der Gesammtheit aller zwischen diesen beiden Typen erkennbaren Verwandtschaftsverhältnisse. Aus der Reihe der Gegner einer solchen Homologie haben wir nun vor Kurzem eine eingehende Begründung der negativen Instanzen” aufgestellt erhalten. Fürsrınger glaubt am Schlusse einer ausführ- liehen, auf eigene Beobachtungen gestützten Untersuchung gezeigt zu haben, dass es sich bezüglich des SEMPER-Batrour’schen Vergleiches zunächst um nichts weiter als um eine IIypothese handele, die als Beweis für die Homologie der Nephridien von Anneliden und der Umiere von Vertebraten aufgeführt werde. Von einem Beweise und danach von einer wirklichen Theorie könne erst die Rede sein, wenn 1. eine Er- klärung des dysmetameren Verhaltens der Urodelenurniere gegeben, wenn 2. die princi- pielle Differenz zwischen ausführenden Abschnitten der Nephridien und zwischen Ur- nierengang in genügender Weise aufgelöst und wenn 3. der Nachweis geliefert werde, dass die drüsigen Abschnitte sowohl der Nephridien, als der Urniere bei erwachsenen An- neliden und Vertebraten für sich, das heisst ohne Verbindung mit ausführenden Ab- schnitten, als funetionirende Organe vorkommen können. Ich glaube nun Punkt 1. befriedigend und Punkt 3. wenigstens theilweise aufklären zu können, und diesen Zweck hat eben meine heutige Mittheilung. *) Die in den vorhergehenden Abschnitten mitgetheilten Thatsachen zeigen uns, dass die Nephridien, wenn auch bei der grossen Mehrzahl, so doch nicht bei allen Anneliden, metamere Organe darstellen, dass sie bei Notomastus lin. in einzelnen Fällen, und bei ausgewachsenen Capitella cap. in der Regel, vielzählig in je einem Segmente auftreten; ferner dass diese Vielzahl (bei Capitella cap.) nieht eine regelmässig von Seg- ment zu Segment sich wiederholende, sondern eine vom vorderen nach dem hinteren Körpertheile zu sich vermehrende Zahl darstellt, dass also diese Organe auch in einem weiteren Sinne des Wortes sich nicht wie segmentale verhalten. Wenn aber somit die Nephridien schon innerhalb des Annelidenkreises bald metamer, bald dys- metamer aufzutreten vermögen, so kann auch derselbe im Kreise der Vertebraten zur Erscheinung gelan- gende Gegensatz nicht gegen eine Homologisirung dieser Organe in den beiden Thiergruppen geltend gemacht werden, und der erste von FÜRBRINGER erhobene Einwand besteht in Folge dessen nicht mehr zu Recht. Es folgt weiter, dass die äusseren Mündungen der Nephridien fehlen können, und dass demnach der Begriff »Segmentalorgan« nicht die nach aussen führenden vom Eetoderme stammenden) Abschnitte noth- wendig einzuschliessen braucht. Mit dem Nachweise aber von solchen der ausführenden Abschnitte ent- behrenden und zugleich functionirenden Nephridien bei erwachsenen Anneliden, ist auch der unter 3. von FÜRBRINGER gestellten Bedingung, wenigstens was die Ringelwürmer betrifft, Genüge geleistet. Zum völligen Beweise für die Homologie der Anneliden-Nephridien und der Urniere der Verte- braten fehlte demnach — wenn wir fortfahren uns auf den von FÜRBRINGER eingenommenen Standpunkt zu stellen — abgesehen von der unter 3. für die Vertebraten geltend gemachten Forderung, nur noch die Auf- klärung der zweiten Schwierigkeit, nämlich die Auflösung der principiellen Differenz zwischen ausführenden Abschnitten von Nephridien einer- und Urnierengang andererseits. Es ist bekannt, dass BaLrour!), der von Anfang an die cardinale Bedeutung dieses Gegensatzes zu würdigen wusste, den Versuch gemacht hat, den Vornierengang (segmental duct) als ein Entwickelungs- product eines vordersten Nephridiums begreiflich zu machen. ; SEMPER?) hat in seiner letzten Publication die Ansicht aufgestellt, dass die primordialen Schleifen- kanäle der Blutigellarven das Material darstellten, aus dem sich der Vornierengang entwickelt habe. FÜrBRINGER®) endlich weist — im Anschlusse an GEGENBAUR auf das ungegliederte Fxeretions- 1) Barrour, F. On the Origin and History of the Urogenital Organs of Vertebrates. Journ. Anat. Phys. London. Vol. 10. 1876. p. 24—27. 2) PS eye 338.7: S)el..p2 634..c. p. 96. *) Hier folgte im Original (p. 95—108$) eine gedrängte Darstellung der im ersten Theile dieser Monographie ausführlich beschriebenen Nephridien von Notomastus lineatus und Capitella capitata. s0” 636 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. system nicht annulater Würmer hin, als den mit dem Vornierensysteme der Vertebraten die bezeichnend- sten Uebereinstimmungspunkte darbietenden Apparaten. Wie nahe es nun auch läge, diese Erklärungsversuche im Anschlusse an meine obigen Auseinander- setzungen zu discutiren — ich muss das auf die ausführlichere Darstellung verschieben, indem sich eine solche Discussion weit über den Rahmen hinaus ausdehnen würde, der dieser Mittheilung ihrem ganzen Charakter nach gezogen ist; dagegen möchte ich im Nachfolgenden kurz noch einige Punkte hervorheben, welche geeignet sind zu zeigen, eine wie grosse Uebereinstimmung auch in specielleren Verhältnissen, als den bisher betonten, zwischen den Nephridien gewisser Anneliden und den Urnierenkanälchen gewisser Vertebraten herrscht. Die Ansicht, dass nicht nur bei den Vertebraten, sondern auch bei den Anneliden das parietale Peritoneum den Mutterboden für die Bildung der Nephridien (Urnierenkanälchen) darstelle, erfährt durch das Verhalten von Capitella eine entscheidende Bestätigung. Wie aber auch im Differenzirungsmodus dieser Organe innerhalb der beiden Gruppen ähnlich divergirende Wege eingeschlagen werden, zeigt die folgende Thatsache: FÜRBRINGER!) sagt: »Diese (primären) Urnierenstränge bleiben im Zusammenhange mit dem Perito- neum und höhlen sich zu mit der Bauchhöhle communieirenden Kanälen aus (Selachier, Accipenser) oder sie schnüren sich von ihm ab und gehen getrennt von ihm eine weitere Entwiekelung zu Urnierenbläschen und Urmnierenkanälchen ein (Petromyzon, Alburnus, Amphibien, Amnioten)«. Also ein Gegensatz, wie er ähnlich zwischen Notomastus und Capitella besteht; denn wir haben gesehen, dass bei Notomastus die Ne- phridien in der Leibeshöhle flottiren und mit dem Peritoneum nur noch durch die inneren Mündungen eine feste Verbindung unterhalten, wogegen sie bei Capitella ihrer ganzen Länge nach zeitlebens mit dem Peritoneum in Zusammenhang bleiben. Batrour?) hat gezeigt, dass bei Selachiern die Nephridien successiver Segmente durch Sprossen- bildung mit einander in Verbindung treten können; auch Semrper°) hat mitunter bei Selachiern seitliche Sprossen der Segmentalgänge beobachtet und FÜRBRINGER!) constatirt, dass die lateralen Endstücke der se- eundären Urnierenkanälchen nicht direct mit dem Vornierengange, sondern mit den lateralen Abschnitten der primären Kanälchen in offene Communication treten, dass in ganz übereinstimmender Weise ferner die lateralen Endstücke der tertiären Kanälchen in die lateralen Abschnitte der secundären Kanäle einmünden, so dass schliesslich die lateralen Abschnitte der primären Kanälchen Sammelröhren für die primären, se- eundären und tertiären Urnierenanlagen bilden. Auch für dieses Verhalten existiren nun correspondirende Zustände bei den Anneliden, indem, wie ich im Vorhergehenden gezeigt habe, bei Capitella nicht selten zwischen je zwei successiven Nephridien eines gegebenen Segmentes Communicationen durch Sprossen vorkommen können. Viele der bisher darauf untersuchten Vertebraten zeigten eine Neigung der vordersten Nephridien zum Abortivwerden. Bezüglich der Selachier äussert sich SEmPer°) folgendermaassen: »Sie sind [nämlich die Segmentaltrichter] ausnahmslos in bedeutend geringerer Zahl vorhanden, als die der Leibeshöhle entsprechen- den Wirbel; denn obgleich sie ursprünglich mit diesen in fast gleicher Anzahl angelegt werden, so gehen doch ımmer mindestens einige, und zwar zunächst immer die vordersten zu Grunde oder in andere Theile über«e. Ein ähnliches Zugrundegehen der vordersten Nephridien (Urnierenkanälchen) haben ferner SPENGEL®) für Coeeilia lumbrie. und FÜRBRINGER?) für gewisse Urodelen festgestellt. Auch in dieser Beziehung herrscht nun aber Uebereinstimmung zwischen Vertebraten und Anneli- den, indem ich sowohl für Notomastus, als auch für Capitella ein Abortivwerden der vordersten Nephridien (provisorische Nephridien) constatiren konnte. U)El.2pr2634.2 029297 2) 1. p. 519. ce. p. 256—263 3), 12.P2 539. 16-5p.22105 Tel’ 2p-2 634.2 0.509222. o) 1. p. 539%2e. p. 200. und 213. dl. : 6) SPENGEL, J. Das Urogenitalsystem der Amphibien. Arb. Z. Inst. Würzburg. 3. Bd. 1876. p. 9. N er 0 Dil. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 637 SPENGEL!), der überhaupt die ersten Mittheilungen über das aberrante Verhalten der Amphibien- nieren machte, fand in den Coecilien-Larven eine streng segmentale Anlage der Niere, das heisst in jedem Segmente Einen Trichter und Ein Malpighisches Körperchen; in Erwachsenen dagegen traf er nur noch in den vordersten Segmenten (und auch in diesen nicht immer) je einen Trichter und je ein Malpighisches Körperchen, wogegen die übrigen Segmente je eine Vielzahl, oft bis 20 Trichter aufwiesen. Die Uebereinstimmung dieses Verhaltens mit demjenigen von Capitella ist eine schlagende: die Coe- eihia-Larven haben in je einem Segmente ein Nephridium, so auch die Capitella-Juvenes; bei einzelnen reifen Coecilien findet man im vorderen Körperabschnitte Ein Nephridium in je einem Segmente und eine Vielzahl solcher je in den Segmenten des hinteren Körpertheiles, so auch bei Capitella-Individuen gewissen Alters; bei den meisten reifen Coecilien findet man eine Vielzahl von Nephridien in allen Nieren- Segmenten, so auch bei den ausgewachsenen Capitellen. Mannigfach ist auch die Uebereinstimmung zwischen dem Verhalten von Capitella und demjenigen der Urodelen hinsichtlich der Zeitfolge des Auftretens und des Modus der numerischen Zunahme der Ex- eretionsorgane. Man vergleiche zu dem Behufe die von FÜrskınger?) über die Entwickelung der primä- ren*) Urnierenkanälchen von Salamandra maculata aufgestellten Listen mit der meinigen“) und setze dabei nur den Zeitangaben der ersteren die T'hier-Längenmaasse der letzteren gleich. Für eine eingehendere Vergleichung müsste freilich das Nephridium von Capitella in der Entwickelung seiner einzelnen Abschnitte im gegebenen Segmente ebenso genau verfolgt werden können, wie dasjenige von Salamandra; immerhin genügt aber auch der von mir gewählte allgemeinere Ausdruck »Nephridium in Entwickelung begriffen «, um die correspondirenden Stadien erkennen zu lassen. Auch was die Zahlenverhältnisse betrifft, verweise ich zum Vergleiche auf Fürsrınger®). Er fand im Bereiche des 6. Myokomma 1 bis 2 (primäre) Urnierenkanälchen, im Bereiche des 7.—10. 2 bis 3, im Bereiche des 11. 3 bis 4, im Bereiche des 12. 3 bis 5, im Bereiche des 13. 4 bis 5 und im Bereiche des 13.—16. Myokomma endlich 5 bis 6 Urnierenkanälchen. Eine entsprechende allmähliche Zunahme der Nephridien von den vorderen nach den hinteren Seg- menten ergiebt sich aber ganz ebenso aus unserer Liste?) und in dem Fürsrıxsur'schen Satze‘): »Es sind also bei Salamandra maculosa die einzelnen primären Urnierenanlagen nicht in gleichmässiger Weise auf die einzelnen Myokommata vertheilt, sondern zeigen nach hinten zu eine Zunahme ihrer Anzahl« brauchte man nur statt der Worte »Salamandra maculosa« »Capitella capitata« und statt »primären Urnierenanlagen« »Nephridien« zu setzen, damit er das Verhalten unserer Würmer ebenso gut wie dasjenige von Salamandra ausdrücken könnte. Die Anuren-Niere stellt, darüber kann man wohl kaum im Zweifel sein, nur einen weiter fortge- schrittenen Zustand der in der Urodelenniere bereits angebahnten Modification des ursprünglichen Verhaltens {er} 76. ß) Vergl. p. 276. HElSPS1636:2CH pl. 2) 1. p. 634. ec. p. 18. 3) 1. p. 634. c. p: 20. Ele p> 634:er P-R20. * a) Vergl. p. m ww )-Haben wir den primären Urnierenkanälchen von Salamandra sowohl die provisorischen, als auch die definitiven Nephridien von Capitella zu vergleichen, oder nur die letzteren? Vielleicht entsprechen den provisorischen von Capitella allein jene vordersten, zwischen Vorniere und Anfang der Urniere gelegenen abortiven Urnierenstränge? (Vergl. FÜRBRINGER, 1. p. 634. ce. p. 21.) Was die viel später, als die primären auftretenden, secundären und tertiären ete. dorsalen Urnierenanlagen betrifft, welche auf den hinteren Theil der Niere beschränkt, sich in ähnlicher Weise wie die primären anlegen (vergl. FÜüRBRINGER, 1. p. 634 c. p. 20) und in die lateralen Abschnitte der primären Kanälchen einmünden, so will ich hier nur so viel bemerken, dass auch für diese Modification des ursprünglichen Zustandes in Capitella ein ver- gleichbares Verhalten sich vorfindet: ich meine jene schon berührten Fälle, in denen bei ausgewachsenen Thieren die Nephridien einzelner der hintersten Segmente so nahe aufeinander rücken, und so zahlreiche secundäre Spross- bildungen entwickeln, dass ihre Zahl im betreffenden Segmente kaum noch festzustellen ist. 635 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. dar. Besonders auffallend ist die ausserordentliche Anzahl von Trichtern*) (inneren Mündungen) und nur in Bezug auf sie möchte ich eine Bemerkung machen. Es wurde bereits das Factum hervorgehoben, dass sich bei Capitella einzelne der definitiven Ne- phridien eines gegebenen Segmentes nicht mit je Einer, sondern mit je mehreren Wimpergabeln (bis 4) ausgerüstet finden. Daraus geht also hervor, dass die Zahl der inneren Mündungen nicht mit derjenigen der Nephridien (Urnierenkanälchen) zu correspondiren braucht, dass vielmehr diejenige der ersteren viel grösser sein kann, als diejenige der letzteren. Eine ausgewachsene Capitella hat in ihren etwa 10 bis 13 mit Nephridien ausgerüsteten Segmenten gewiss nicht weniger als S0 bis 100 innere Mündungen, wogegen Notomastus in 10 bis 13 entsprechenden Segmenten in der Regel auch 10 bis 13 innere Mündungen besitzt. Dies ist aber ein ebenso grosser Gegensatz wie derjenige zwischen der Niere eines Anuren mit 200 Trichtern und derjenigen eines Selachiers mit nur einem Dutzend solcher. — Auf diese meine Darlegungen hat FÜrBrınGEr') seiner Zeit im Zusammenhange mit einer Gegenerwiderung an SEMPER derart geantwortet, dass mir sofort klar wurde, wie jede Fortsetzung der gegenseitigen Auseinandersetzungen damals auf einen blossen Wortstreit hinaus- gelaufen wäre. Endete doch die zwischen FÜRBRINGER und SEMPER fortgesponnene Polemik **) in der That so, nämlich mit dem Streite um das Verhältniss zwischen Hypothese und Theorie. Sowohl die von FÜRBRINGER, als die von mir geltend gemachten Gründe lagen — so sagte ich mir — scharf präeisirt vor, Jeder konnte sich ein Urtheil darüber bilden und meine ferneren Einwände werden am besten erst dann erhoben, wenn die zu Gunsten der angefochtenen Homologie sprechenden Thatsachen ausführlich und vollständig vorgebracht, insbesondere aber, wenn zugleich die Gesammtheit aller der in dieser Monographie für die Blutsverwandtschaft von Vertebraten und Anneliden gelieferten Nachweise mitgetheilt werden können. In Anbetracht dieses nahezu zehn Jahre hindurch beobachteten Schweigens wird man mir glauben, dass auch die nun folgende Auseinandersetzung mit FÜRBRINGER nicht so sehr die Satisfaction, persönlich Recht zu behalten, als vielmehr die, einige der wichtigeren Streitpunkte klarzustellen, im Auge hat. Bezüglich meines Nachweises, dass auch bei Anneliden Nephridien in poly- oder dysmetamerer Anordnung auftreten können, sagt FÜRBRINGER p. 669/70: »Ich gebe gern zu, dass dadurch mein erster Einwand wesentlich an Bedeutung verloren hat — ich finde aber nicht, dass danach die Hypothese der Homologie der Segmentalorgane und Urnierenkanälchen irgendwie an Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte. Jetzt, nach Eısıg’s Nachweisen, wissen wir, dass sowohl Segmentalorgane wie Urnierenkanälchen in einer — bei Anneliden selbst innerhalb der Species — sehr ver- schiedenen Anordnung vorkommen können. Bei einem derartigen Wechsel hört aber zunächst jede Be- l) FÜRBRINGER, M. Ueber die Homologie der sog. Segmentalorgane der Anneliden und Vertebraten. Morph. Jahrb. 4. Bd. 1878. p. 663—678. *) Man vergleiche mit Rücksicht hierauf Sprenger, J. 1. p. 636. c. p. 83. und Meyer, F. Beitrag zur Anatomie des Urogenitalsystems der Selachier ete. Sitz. Ber. Nat. Ges. Leipzig 1875. **) Bezüglich dieser Polemik verweise ich, abgesehen von den bereits eitirten Schriften, noch auf: SEMPER, C. Sind die Segmentalorgane der Anneliden homolog mit denen der Wirbelthiere? Morph. Jahrb. 4. Bd. 1878. p. 322—327. ——. Erwiderung auf FÜRBRINGER’s Artikel »Ueber die Homologie ete.« Morph. Jahrb. 5. Bd. 1879. p. 395—396. FÜRBRINGER, M. Ueber den principiellen Standpunkt Senrer’s. Morph. Jahrb. 5. Bd. 1879. p. 396—397. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 639 deutung des räumlichen Verhaltens zum Zweck der Begründung von Homologien auf und damit wird auch die Bedeutung jedes auf die metamere Lagerung gegründeten Identitätsbeweises hinfällig, denn es wird doch wohl keinem Morphologen in den Sinn kommen, auf Grund der von Kısıs beobachteten auffallenden Ana- logien in dem Verhalten der Excretionsorgane von Capitella capitata und Salamandra maculata eine speciellere Homologie einerseits zwischen Capitella cap. und Salamandra mac., andererseits zwischen den meisten übrigen Anneliden und Vertebraten zu statuiren.« Dem gegenüber ist vor Allem zu constatiren, dass FÜRBRINGER einen Einwand, von dessen Entkräftung er zuerst ausdrücklich (zum Theil) seine Anerkennung der Homologie zwischen Nephridien und Urnierenkanälchen abhängig gemacht hatte, zwar als erschüttert an- erkennt, aber gleichwohl seinen ursprünglichen Widerspruch in dem Satze: »ich finde aber nicht, dass danach die Hypothese der Homologie der Segmentalorgane und Urnierenkanälchen irgendwie an Wahrscheinlichkeit gewonnen hätte« aufrecht erhält; denn daraus geht klar hervor, dass FÜRBRINGER seine Anerkennung der fraglichen Homologie im gegebenen Falle weniger von der Erfüllung des seiner Zeit von ihm so scharf präcisirten Postulates, als viel- mehr davon abhängig macht, dass er subjectiv und in Folge dessen in einer für Andere un- controlirbaren Weise »findet«, wann und ob die Hypothese an Wahrscheinlichkeit gewonnen habe. Ferner sucht FÜRBRINGER die Tragweite des von mir gelieferten Nachweises dadurch abzuschwächen, dass er in Anbetracht des Wechsels von metamerem und polymetamerem Ver- halten in unter sich so nahe stehenden Formen wie die verschiedenen Capitelliden »zunächst« dem räumlichen Verhalten jede Bedeutung zum Zwecke der Begründung von Homologien ab- spricht und damit auch den auf die metamere Lagerung gegründeten Identitätsbeweis als hinfällig betrachtet. Sonderbar, als FÜRBRINGER') nur das Factum kannte, dass bei einzelnen Amphibien sich die Urniere metamer, bei anderen dagegen poly- oder dysmetamer anlegt, machte er zwar das dysmetamere Verhalten bei Vertebraten als eine dem Vergleiche mit Anneliden im Wege stehende Schwierigkeit geltend, nahm aber zugleich keinen Anstand zu glauben, dass das metamere Verhalten der Urniere als das ursprüngliche, und das dysmetamere als das nachträglich erworbene zu betrachten sei; später, nachdem er das adäquate Verhalten gewisser Anneliden kennen gelernt hat, zieht er nicht etwa seinen Einwurf zurück, und erkennt auch für die Ringelwürmer an, was er für die Wirbelthiere anerkannt hatte, nämlich, dass im dysmetameren Verhalten eine secundäre Erscheinung vorliege, sondern es hört nun das räumliche Verhalten überhaupt auf zum Zwecke der Begründung von Homologien Be- deutung zu haben und — der ganze auf metamere Lagerung gegründete Identitätsbeweis wird hinfällig. Das heisst man doch mit zweierlei Maass messen, und zwar recht pessimistisch messen! Die von FÜRBRINGER hervorgehobene Schwierigkeit, dass es bei Anneliden so nahe ver- wandte Formen, respective Glieder einer Familie sind, die sowohl die metamere, als auch die dysmetamere Lagerung zum Ausdruck bringen, erweist sich zweifach als ungerechtfertigt: denn erstens besitzt ja mein Gegner gar keinen Maassstab zur Schätzung der von den ein- zelnen Capitellidenformen erreichten phylogenetischen Divergenz (sie kann ja ebenso gross wie die der respectiven Amphibiengenera sein!) und zweitens ist es für das, was die Streit- EI, Pprr69347e2 ps 101. 640 Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. frage betraf, absolut gleichgiltig, ob die beiden contrastirenden Lagerungsverhältnisse bei An- gehörigen verschiedener Arten, Gattungen oder Familien nachgewiesen wurden. Einzig und allein darin lag der Schwerpunkt, dass für das ausnahmsweise bei Vertebraten bestehende und als Einwand gegen den Vergleich mit Nephridien geltend gemachte dysmetamere Ver- halten der Urnierenkanälchen auch im Kreise der Anneliden ein Paradigma nachgewiesen werden konnte. Dass auch bei den Anneliden das metamere Verhalten als das typische und das andere als das secundäre zu betrachten sei, ergiebt sich schon daraus, dass von den Dutzenden von Familien allein die Capitelliden — und wie wir im Vorhergehenden®) gesehen haben auch die verwandten Oligochaeten — es sind, welche die Abweichung vom metameren Verhalten überhaupt darbieten, und dass überdies diejenige Capitellide, welche allein diese Abweichung ausgeprägt und constant aufweist, nämlich Capitella, sich in jeder Hinsicht als die am meisten modificirte Gattung erweist. Wir werden also trotz FÜRBRINGER fortfahren können, nicht nur principiell dem räum- lichen Verhalten zum Zwecke der Begründung von Homologien Bedeutung beizumessen, sondern auch speciell an der ursprünglich metameren Lagerung von Nephridien und Urnierenkanälchen als einem der mannigfachen Identitätsbeweise für ihre Homologie festzuhalten. Was nun den Schlusssatz des obigen Citates betrifft: »denn es wird doch wohl keinem Morphologen in den Sinn kommen« etc., so muss ich gestehen, dass mir der Zusammenhang dieses Satzes mit dem Vorhergehenden gar nicht klar geworden ist, dass ich insbesondere nicht einzusehen vermochte, wieso in dem einen die Begründung der Behauptung des anderen enthalten sein solle. Ich sehe daher auch von dem unmotivirten und unverständlichen »denn« ab, und bemerke in Bezug auf den so auf sich selbst reducirten Passus, dass auch ich mich schon damals zu den Morphologen rechnete, und dass es daher auch mir nicht in den Sinn kommen konnte, auf Grund des Verhaltens ihrer Excretionsorgane eine specielle Homologie zwischen Capitella und Salamandra statuiren zu wollen. Was ich wollte, hat FÜRBRINGER sehr gut verstanden und an einer anderen Stelle seiner Schrift (p. 669) ganz correct mit den Worten ausgedrückt: »indessen ist damit der Nachweis geliefert, dass ebenso wie die Urnierenkanäl- chen der Vertebraten auch die Segmentalorgane der Anneliden bald metamer, bald dysmetamer auftreten können.« Auf meinen Nachweis seiner dritten Forderung, dass nämlich die drü- sigen Abschnitte der Nephridien bei erwachsenen Anneliden für sich, ohne Verbindung mit ausführenden Abschnitten, als functionirende Organe vorkommen können, ist FÜRBRINGER sehr ausführlich eingegangen, so dass ich nur seine Hauptsätze an- führen kann. Er sagt zunächst (p. 673—674): »Inzwischen ist von anderer Seite der Versuch gemacht worden, meine Forderung des Nachweises von für sich bestehenden drüsigen Abschnitten der Segmentalorgane zu erfüllen und damit meinen dritten Einwand theilweise zu entkräften. Eısıc (a. a. O. pag. 146, 147 und 150) hat an den Segmentalorganen a) Vergl. p. 602. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierelassen. 641 von Capitella capitata beobachtet, dass dieselben nicht nach aussen münden, sondern zwischen Ringmusku- latur und Haut zugespitzt enden, und ihr Excret in die Haut resp. zwischen Haut und Cutieula entleeren. Dieses geschilderte Verhalten ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Prüfen wir indessen zunächst den thatsächlichen Befund. Thatsache ist nach Eısıc’s Untersuchungen, dass wohl entwickelte äussere Mündungen den Segmentalorganen von Capitella cap. fehlen; wie es aber um deren Beziehungen zur Epidermis (Hypodermis) steht, ist, wie mir scheint, noch nicht genügend aufgeklärt.« Sodann (p. 674): »Nehmen wir aber selbst an, die weitere Untersuchung ergäbe wirklich eine complete Trennung der Segmentalorgane der ausgewachsenen Capitella cap. von der Haut. Dann würde sofort die Frage sich an- schliessen: Ist in dem vorliegenden Falle ein typisches Verhalten ausgedrückt, oder handelt es sich um se- cundäre, zu abortiven oder rucdimentären Bildungen hinneigende Verhältnisse?« Endlich (p. 675): »So lange aber die Beziehungen der Segmentalorgane von Capitella capitata zur Haut nicht end- gültig aufgeklärt, so lange die eventuelle Annahme eines abortiven oder rudimentären Verhaltens derselben nicht ausgeschlossen und so lange die abweichenden Lagerungsbeziehungen dieser Segmentalorgane und der Urnierenkanälchen zur Rumpfmuskulatur nicht auf einen einheitlichen Ursprung zurückgeführt und von da aus erklärt sind, — so lange halte ich mich für berechtigt, meinen dritten Einwand aufrecht zu erhalten.« Die dritte Forderung war von Seiten FÜRBRINGERS'! ursprünglich durch folgende, der Homologie von Nephridien und Urnierenkanälchen seiner Meinung nach im Wege stehende Schwierigkeiten begründet worden: »Im Begriffe eines Segmentalorganes liegt, dass es sich entwickelt durch Verschmelzung eines me- sodermalen drüsigen und eines ektodermalen ausführenden Abschnittes; der Begriff der Urniere hingegen besagt, dass sie aus der Vereinigung zweier mesodermalen Abschnitte, einerseits eines primären ausführen- den (primärer Urmierengang), andererseits secundärer secretorischer (Urnierenkanälchen), besteht und erst als einheitliches Organ in die ektodermale Cloake einmündet. Wenn man eine Vergleichung der beiden Organe geben will, so kann das nur geschehen, dass man die Homologie der beiden Abschnitte, des secretorischen und des ausführenden, jedes Organes feststellt. Streicht man aber einen von diesen Abschnitten, so ist sowohl der Begriff der Urniere, wie des Segmentalorgans zerstört «. »Auch ist meines Wissens weder bei Vertebraten eine functionsfähige Urniere ohne Verbindung mit einem primären Urnierengange, noch bei Anneliden ein functionsfähiges Segmentalorgan ohne ektodermalen ausführenden Abschnitt jemals angetroffen worden. Das beweist genugsam, dass ein Segmentalorgan ohne ausführenden Abschnitt und eine Urniere ohne Urnierengang nach unserer jetzigen Kennt- niss gar keine im ausgebildeten Zustande vorkommenden Dinge vorstellen.« Wenn wir absehen von dem Einwurfe der verschiedenartigen Entstehung der aus- führenden Abschnitte der Nephridien (ectodermal) einer- und des Umierenganges (mesodermal andererseits, von einem Einwurfe, der ja überdies durch die neuerdings nachgewiesene ectoder- male Abstammung des Urnierenganges hinfällig geworden ist, so basiren die von FÜRBRINGER geltend gemachten Schwierigkeiten weniger auf morphologischen, als auf physiologischen Momenten. Dies hat schon Semrer?) gebührend hervorgehoben, und zugleich die Berechtigung zur Herbeiziehung solcher Momente in Frage gestellt. Ich bin in diesem Punkte anderer Meinung. Nicht nur gestehe ich FÜrsBkıngEr die Berechtigung zu, das hier behandelte Pro- blem vom physiologischen Gesichtspunkte aus zu bekämpfen, sondern ich halte, wie ja in dieser Monographie schon mehrfach betont wurde, überdies dafür, dass phylogenetische Ab- 1) 1. p. 634. e. p. 102—103. 2) 1. p. 638 (Morph. Jahrb. 4. Bd.) ce. p. 324. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. s1 642 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. leitungen, die sich allein auf morphologische Vergleichselemente zu stützen und functionelle Nachweise zu vermeiden suchen, stets Gefahr laufen in leeren Formalismus auszuarten. Ich betrachtete es von vornherein als eine Aufgabe derjenigen, welche die Urnieren- kanälchen mit Nephridien verglichen, plausibel machen zu können, wie die eine Anordnung aus der anderen, oder aber wie etwa beide aus einer dritten hervorgegangen sein konnten. Dass segmental mündende Nephridien nicht ohne Weiteres diese Art der Beziehung mit der Anıssenwelt aufzugeben vermögen, um mit einem im Cölom gelegenen Kanale in Verbindung zu treten, ist klar; wohl aber ist ein solcher Wechsel der Beziehungen, oder aber ein derart ursprünglich selbst bei Anneliden schon zu Stande gekommenes divergentes Verhalten denkbar, wenn wir uns sowohl die drüsigen Abschnitte der Nephridien, als auch diejenigen der Ur- nierenkanälchen als selbständige, abgelöst von ihren ausführenden Theilen existenzfähige Bildungen vorstellen dürfen; denn dann war man berechtigt zu schliessen, dass, wie heute noch ontogenetisch der Drüsentheil des Nephridiums mit seinem Eetodermabschnitte und der- jenige des Urnierenkanälchens mit dem Vornierengange erst secundär zur Verschmelzung gelangt, so auch phylogenetisch die beiderseitige Verschmelzung als secundärer Process zu Stande gekommen sein konnte. In diesem Sinne glaubte ich nun der Forderung FÜRBRINGERS durch den Nachweis, dass bei Capitella die Nephridien überhaupt nicht nach aussen münden, vollauf Genüge geleistet zu haben; denn die Hauptschwierigkeit — ich wiederhole, sie ist eine solche physiologischer Natur — sich ein Nephridium ohne äussere Mündung vorzustellen, war doch damit beseitigt. FÜRBRINGER verhält sich aber in diesem Falle ganz wie im vorhergehenden. Er giebt zwar zu, dass das von mir geschilderte Verhalten »von nicht zu unterschätzender Bedeutung sei«, schliesst aber damit, dass er auch seinen dritten Einwand vollständig aufrechterhält. Es tritt somit in diesem Falle ebenfalls klar hervor, wie FÜRBRINGER die Anerkennung der von ihm bekämpften Homologie weniger von der Erfüllung seiner kategorischen drei Forderungen, als vielmehr von einem subjectiven, den Gründen Anderer unzugänglichen Gutdünken ab- hängig macht. Was nun die speciellen von meinem Gegner im Hinblicke auf diesen Nachweis auf- geworfenen Bedenken betrifft, so kann ich mich, da sie dem Vorhergehenden zufolge das Wesen der Frage, meiner Ansicht nach, gar nicht treffen, kurz fassen. Damit die Mündungsverhältnisse der Nephridien von Capitella wirklich seiner Forderung Genüge leisten können, verlangt FÜRBRINGER, dass erst jedweder Zusammenhang zwischen den Nephridienendigungen einer- und der Haut andererseits als ausgeschlossen nachgewiesen sei. Darauf kann ich nur erwidern, dass erstens die betreffenden Mündungen in der That scharf abgegrenzt, ohne jeden nachweisbaren Zusammenhang mit Ectodermelementen in der Haut enden, und dass zweitens, wie gesagt, nicht die Frage, ob sich Ectoderm an der Mündung betheiligt, oder nicht, sondern vielmehr diejenige, ob Nephridien überhaupt der äusseren Mün- dungen entbehren können, oder nicht, das Punctum saliens bildet. Aber, selbst für den Fall, dass auch eine complete 'Irennung von Nephridien und VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierelassen. 643 Haut nachgewiesen wäre, so würde doch sofort die Frage entstehen — meint FÜRBRINGER — ob darin ein typisches Verhalten ausgedrückt sei, oder ob es sich nicht vielmehr um »se- cundäre, zu abortiven oder rudimentären Bildungen hinneigende« Verhältnisse handele. »Die Teratologie«, so sagt er weiterhin (p. 674), »insbesondere soweit es sich um die Defectbildungen handelt, zeigt eine grosse Reihe von Verhältnissen, die niederste Entwickelungsstufen nach- ahmen, aber keinenfalls diesen vergleichbar sind«. Für mich ist jene Frage aus dem Grunde zu keiner Zeit entstanden, weil ich vom ersten Momente der Entdeckung an nicht bezweifelt habe, dass das nicht nach aussen Münden der Capitella-Nephridien eine secundäre, wenn man will, rudimentäre Erscheinung bilde. Wie könnte man auch darüber Zweifel hegen, in Anbetracht, dass die nächsten Verwandten von Capitella normale, nach aussen mündende Nephridien besitzen und dass überdies bei nahezu allen übrigen Anneliden äussere Mündungen nachgewiesen sind? Das hat mich nun aber keineswegs abhalten können, den betreffenden Fund in der geschehenen Weise zu ver- werthen; denn FüÜrsBrınger begnügte sich ja nicht damit, dass ontogenetisch sowohl Nephri- dien, als auch Urnierenkanälchen erst secundär mit ihren ausführenden Theilen zur Ver- schmelzung gelangen; nein, den Nachweis, dass die übrigen Abschnitte der Segmentalorgane auch bei erwachsenen Anneliden für sich, das heisst ohne Verbindung mit ausführenden Abschnitten, als functionirende Organe vorkommen können, machte er als eine der Vorbe- dingungen jedweder Vergleichbarkeit mit Urmierenkanälchen geltend. Derart ohne Verbin- dung mit ausführenden Abschnitten fungirende Nephridien habe ich nun aber nachgewiesen und im Hinblicke auf diesen Nachweis ist die Frage, ob das betreffende Object im phylo- genetischen Sinne als primäres oder secundäres zu gelten habe, durchaus irrelevant; nicht sowohl morphologischer, als vielmehr physiologischer Natur war ja — um es noch einmal zu betonen — von Hause aus FÜrBrRInGEr’s dritter Einwand. Und insofern als es sich um den Nachweis von Möglichkeiten im Geschehen der Organumwandlungen handelt, kann auf einen teratologischen Casus ebensowohl wie auf einen normalen recurrirt werden; denn so wenig als wir noch der naiven Meinung sind, dass die Erklärung der pathologischen Vorgänge einer speciell pathologischen, ebenso wenig sind wir noch der, dass die teratologischen Vorgänge etwa einer speciell teratologischen Physiologie bedürfen. Ganz im Einklange damit steht auch, dass wir sowohl den pathologischen, als auch den teratologischen Objecten selbst eine unter Umständen hohe morphologische Bedeutung zuerkennen, besonders wenn wir uns für berechtigt halten, Consequenzen von Atavismus darin erblicken zu dürfen. Es kam mir darauf an, zunächst nachzuweisen, wie schon durch das Verhalten der Capitella-Nephridien FÜRBRINGER’s dritter Einwurf in der 'That (soweit als die Anneliden dabei betroffen waren) als beseitigt gelten konnte. Nun haben wir aber in dieser Monographie That- sachen kennen gelernt und werden weiterhin noch solche kennen lernen, die in noch viel schlagenderer Weise diesen Einwand beseitigen. Es sei vor Allem daran erinnert, dass bei einzelnen Capitelliden, und zwar bei solchen mit rückgebildeten Nephridien, im Peritoneum segmentweise excretorisch hervorragend thätige Wucherungen aufzutreten pflegen, welche man 8* 644 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. geradezu als Nephridien ohne ein- und ausführende Gänge bezeichnen kann. Ferner erinnere ich an das mehrerwähnte Factum, wie zu Speicheldrüsen umgewandelte Nephridien, anstatt nach aussen zu münden, mit dem Darmkanale in Verbindung treten (Enchytraeus, Peripatus). Endlich weise ich auf das so interessante, in der Folge noch zu berücksichtigende*) Factum hin, dass bei gewissen Terebelliden die Nephridien, anstatt direct nach aussen, in einen im Cölom gelegenen Längskanal münden können. Dies letztere Factum allein wäre schon ge- nügend, FÜRBRINGER'S dritter Forderung Genüge zu leisten, sowie auch alle seine später auf- geworfenen Bedenken zu zerstreuen. Ich habe vorhin kurz angedeutet, wie FÜRBRINGER der fundamental wichtigen Thatsache, dass sich Vornierengang und Urnierenkanälchen getrennt voneinander anlegen, um erst nach- träglich zu verschmelzen, in Bezug auf seinen dritten Einwand keine Beweiskraft zugesteht. Die Art, wie er diesem Factum zunächst überhaupt seine Tragweite zu benehmen sucht, hier darzulegen, würde eine zu lange Abschweifung von unserem Hauptthema beanspruchen; da- gegen soll, bevor ich weiter gehe, zum mindesten Ein Satz aus der betreffenden Erörterung meines Gegners hervorgehoben werden, und zwar folgender: »Jeder, der sich mit embryologischen Fragen beschäftigt hat, weiss, dass die ontogenetische Unter- suchung sich als ein recht gefährliches Werkzeug erweisen kann und dass es höchst bedenklich ist, auf Grund derselben ohne Weiteres Schlüsse in der Richtung der phylogenetischen Erkenntniss zu machen, — denn die ontogenetischen Befunde liefern nur in den allerseltensten Fällen eine reine Wiedergabe der phylogenetischen Entwickelung.« Dieser Satz zeigt nämlich, dass FÜRBRINGER, Ähnlich wie er die seinen Aufstellungen widersprechenden anatomischen Facta durch eine jeweils »ad hoc« betonte in Frage Stellung des Werthes der vergleichenden Anatomie, so auch ihm unbequeme ontogenetische Facta durch entsprechende »ad hoc« betonte in Frage Stellung des Werthes der Entwickelungsge- schichte um deren Beweiskraft zu bringen sucht. In dem im Vorhergehenden wiederabgedruckten Theile meiner Abhandlung hatte ich ausser den speciell zur Erfüllung der Fürgrkınserschen Forderungen |) und 3) mitge- theilten 'Thatsachen auch noch eine Anzahl zwischen den Nephridien gewisser An- neliden und den Urnierenkanälchen gewisser Vertebraten herrschende Ueber- einstimmungspunkte zusammengestellt?), welche von FÜRBRINGER zum grösseren "Theile als nicht zutreffend bezeichnet wurden. Obwohl ich nicht einen einzigen der von meinem Gegner vorgebrachten Einwürfe anzuerkennen vermag, so nehme ich doch von der speciellen Widerlegung dieser Abstand, indem es sich erstens um Verhältnisse handelt, die direct nichts mit FÜrBRINnGer’s ursprünglichen drei Forderungen zu thun haben, und es ferner zu weit führen würde, falls ich alle diese Einwürfe auch nur einigermaassen erschöpfend zur Aus- einandersetzung bringen wollte. Was würde es mir überdies helfen? Beobachtet doch FÜür- BRINGER auch diesen secundären Uebereinstimmungspunkten gegenüber dieselbe Methode wie den seinen drei Forderungen geltenden Nachweisen gegenüber. So sagt er (p. 670): o° a) Vergl. p. 651. ß) Vergl. p. 636—638. VII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 645 »In den unter 3) und 6) angeführten Uebereinstimmungspunkten erblicke ich allerdings auffallende Analogien, die für die Kenntniss der Wachsthumsanalogien bei ursprünglich verschiedenen Thieren von In- teresse sind; für eine Homologie zwischen den Excretionsorganen der Anneliden und denen der Vertebraten erscheinen sie mir jedoch nicht beweiskräftig. « Man sieht: Entweder weiss FÜRBRINGER an den zum Vergleiche herbeigezogenen 'That- sachen etwas auszusetzen und erkennt in Folge dessen den Vergleich nicht an, oder, wenn er die Vergleiche irgendwie anerkennt, so sind es doch nur »Analogien«, respective solche Vergleiche, die »ihm für eine Homologie zwischen den Excretionsorganen der Anneliden und denen der Vertebraten nicht beweiskräftig erscheinen«. Das heisst, auch hier läuft die Sache schliesslich in subjectives Dafürhalten aus. Aber nicht genug damit: auch der andere Wider- legungsmodus FÜRBRINGER's erscheint in diesem Falle mutatis mutandis wieder. Er sucht nämlich die Bedeutung auch dieser einander gegenübergestellten und in Beziehung gebrachten Verhältnisse dadurch in Frage zu stellen, dass er (natürlich »ad hoc«) die Hervorhebung »auffallender Aehnlichkeiten«, also die vergleichende Methode überhaupt, zur Feststellung der betreffenden Verwandtschaftsverhältnisse für wenig geeignet erklärt. Er sagt nämlich (p. 671): »Danach gelingt es allerdings unschwer, aus dieser Mannigfaltigkeit eine Anzahl von Eigenschaften auszusuchen, in denen die Urnierenkanälchen gewisser beliebiger Vertebraten mit den Segmentalorganen gewisser beliebiger Anneliden eine auffallende Aehnlichkeit darbieten. Dass aber damit den Verwandt- schaftsbeziehungen der betreffenden 'Thiere wenig Rechnung getragen wird, liegt auf der Hand. Zum mindesten mit demselben Rechte könnte ich eine Anzahl von Eigenthümlichkeiten anführen, welche nicht minder gerade für die Verschiedenheit der Segmentalorgane und Urnierenkanälchen sprechen« ete. Ob die Entdeckung FÜRBRINGER's, dass man zwischen zwei homologen Organen oder zwischen zwei Organen, deren Homologie durch Hervorhebung gewisser Aehnlichkeiten erst erwiesen werden soll, auch Unähnlichkeiten auffinden könne, im Kreise der wissenschaftlichen Leser den gewünschten Eindruck hervorgebracht hat, weiss ich nicht. Es ist ja richtig, dass, wenn man zum Beispiel einem Laien etwa eine Säugethier-Lunge und eine Teleostier- Schwimmblase zum Vergleiche vorlegte, derselbe wahrscheinlich, allen zwischen diesen Or- ganen von uns als vorhanden erachteten genetischen Beziehungen zum 'Trotze, mehr Unähn- lichkeiten als Aehnlichkeiten herausfinden würde. Aber, schreiben wir etwa unsere Abhand- lungen für Laien? Ist etwa, wenn wir Organe mit einander vergleichen, für uns jede Achnlichkeit und Unähnlichkeit von gleichem Gewichte, derart dass die Frage schliesslich durch Majorität entschieden wird? Ferner möchte ich wissen, auf was wir uns denn eigentlich nach Für- BRINGER bei unseren morphologischen oder phylogenetischen Studien fernerhin noch stützen sollen oder dürfen, nachdem seiner Meinung zufolge erstens »das räumliche Verhalten über- haupt aufhört zum Zwecke der Begründung von Homologien Bedeutung zu haben«, nachdem ferner »die ontogenetische Untersuchung sich als ein recht gefährliches Werkzeug erweisen kann und es höchst bedenklich ist, auf Grund derselben ohne Weiteres Schlüsse in der Richtung der phylogenetischen Erkenniniss zu machen« und nachdem endlich, wie wir zu- letzt gesehen haben, sogar die vergleichende Methode als solche ad absurdum führen soll? So viel scheint mir aus dem zwischen FÜRBRINGER und SEMPER sowohl, als auch aus dem zwischen FÜRBRINGER und mir stattgehabten Gedankenaustausche hervorgegangen zu sein, 646 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. dass hier, wo es gilt Homologien zu begründen, mit den üblichen Schlagwörtern: Hypothese, Theorie, Beweis, Analogie etc. so ohne Weiteres sich nicht wirthschaften lässt. Nicht Semrer und Barrour, die Begründer der fraglichen Homologie, oder ich, der dieselbe weiter zu stützen versuchte, sondern FÜRBRINGER ist zuerst aufgetreten und hat ver- kündet: »indessen muss ich Einsprache dagegen erheben, wenn diese Hypothese als wirklicher Beweis für die Homologie der Segmentalorgane der Anneliden und der Urniere der Verte- braten aufgeführt wird. Von einem Beweise und danach von einer wirklichen Theorie kann eist..dieshedeisein;: wenn Wert 22) m.) ee Ich würde mich wohl gehütet haben, die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Homologie, so wie es FÜRBRINGER that, von diesen oder jenen »Beweisen« abhängig zu machen, da ich zu oft darüber nachgedacht habe, wie in Wahrheit die Anerkennung von Homologien zu Stande kam und — noch zu Stande kommt. Wenn wir nämlich diesem Zustandekommen von Homologien nachspüren, so erfahren wir, dass die meisten nicht etwa ursprünglich von Jemand als solche ausdrücklich hingestellt, das heisst sofort durch ein zwingendes Beweismaterial gestützt, sondern dass sie zunächst nur als Einfälle, als » Intuitionen ähnlicher Beziehungen« ausgesprochen wurden, und dieser Jemand pflegte ein Mann von Autorität zu sein. Solcher Ursprung haftet einzelnen Homologien insofern noch heute an, als ja mancher von der Unrichtigkeit der einen oder anderen Ueberzeugte zunächst viel weniger durch Bekämpfung dessen auszurichten pflegte, was den Inhalt der ver- meintlichen Homologie bildete, als durch erfolgreiche Bekämpfung der Autorität selbst. Daraus kann man zweierlei folgern: einmal, dass es mit dem heiligen Ursprunge der Homologien über- haupt nicht gar so weit her ist, dass sie insbesondere keinen Anspruch darauf erheben können, von Anfang an streng bewiesene Sätze gewesen zu sein, und zweitens, dass Autorität ein zwei- schneidiges Schwert ist. Aber wenn selbst, wie das ja in neuerer Zeit geschieht, Homologien nicht nur intuitiv erfasst und ausgesprochen, sondern auch durch ein reiches Thatsachenmaterial zu begründen versucht werden, ist man selbst dann etwa berechtigt, das Resultat solcher Begründung axiomatisch zu fassen, oder kann, was auf unseren Fall besser passt, irgend Jemand, ohne sich auf einen dem Wesen dieses Resultates und der Natur seines Zustandekommens durchaus heterogenen geistigen Boden zu stellen, kategorisch verlangen: dies und das sind die ver- langten Thatsachen, von deren Nachweis ich die Geltung der fraglichen Homologie ab- hängig mache? Woraus bestehen denn die Elemente, die dem Morphologen bei der Stabi- lirung einer Homologie zur Verfügung stehen? Der eine legt das Hauptgewicht auf die »Lagerungsverhältnisse«, der andere auf Thatsachen der »Ontogenie«, ein Dritter will die »Funetion« gewahrt wissen, ein Vierter verlangt, dass der »phylogenetische Gesichtspunkt« herangezogen werde u. s. w. Ist nun aber unter allen diesen Elementen auch nur Eines, für das irgend Jemand Anhaltspunkte zu einem axiomatischen Gebrauche geliefert hätte? Ja, existirt selbst nur ein Gesetz, welches uns darüber belehrte, wann das accumulative Beweis- verfahren, respective die Zahl und das Gewicht der verschiedenartigen Thatsachen ge- VIII. Nephridien (Segmentalorgane) IE 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 647 nügend angewachsen sei, damit eine Homologie als feststehend betrachtet werden könne, oder nicht? Nicht etwa bloss meinen speciellen Gegner FÜRBRINGEr hatte ich bei Vorhergehendem im Auge; müssen wir doch noch immer bis zum Ueberdrusse von den verschiedensten Seiten her den Einwurf hören oder lesen. dies ist eine Hypothese und keine Theorie! wobei die Betreffenden, sei es bewusst, sei es unbewusst, von der bescheidenen Voraussetzung ausgehen, dass eben nur sie allein im Besitze des philosophischen Geheimnisses sind, das zu einer scharfen Abgrenzung jener beiden Maximen befähigt. Oder, den nicht minder abgedrosche- nen Einwurf: dies ist eine blosse Analogie und keine Homologie! wobei die Betreffenden ebenfalls absichtlich oder unabsichtlich auf unseren blinden Glauben an ihre eigene Unfehl- barkeit in der Werthschätzung der in den Bereich der einen oder der anderen fallenden Be- ziehungen speculiren. Wenn nun aber oft von ebendenselben Autoren gleich vor oder gleich nach jenen »ex cathedra-Verwarnungen« Homologien aufgetischt werden, welche der reinen Lehre conform nur auf die Lagerungsverhältnisse begründet sind, wenn insbesondere zwei Dinge lediglich deshalb mit einander verglichen werden, weil sie, auf ihre Umrisse reducitt, congruente Verhältnisse darbieten, so haben wir Anderen, Verurtheilten, die wir uns weniger sicher binsichtlich der Abgrenzung von Hypothese und Theorie, sowie der von Analogie und Homologie fühlen, den Eindruck, dass es sich dabei weniger um Beziehungen zwischen lebens- fähigen Organismen, als vielmehr um Spiele mit Linien von willkürlichen Schemen handelt. Was nun schliesslich speciell die Homologie zwischen Nephridien und Urnierenkanälchen betrifft, so halte ich dafür, dass zunächst nur von Denjenigen auf Anerkennung zu rechnen sein wird, die die Blutsverwandtschaft von Anneliden und Vertebraten auch in anderen Or- gansystemen zu erkennen glauben; allgemeinere Anerkennung verspreche ich mir aber erst von dem Einflusse der Zeit und der Autorität; denn diese beiden und nicht etwa mathemati- sche Beweisverfahren bilden vorläufig und wohl noch für lange Zeit die Factoren, welche den Glauben an Homologien zu befestigen und zu verbreiten vermögen. Fassen wir nun dasjenige Problem in's Auge, welches in meinem früher publicirten Auszuge unberücksichtigt geblieben ist, nämlich das Problem der Entstehung des Vornie- renganges (primären Urnierenganges, segmental duct.. Zwei Ansichten stehen sich, wenn wir von Sewrer's Ableitung (Hirudineen-Kopfniere abseher, einander gegenüber. Die eine stammt von Barrour!') her: ihr zufolge ist der Vornierengang als das Entwickelungsprodukt eines vordersten Anneliden-Nephridiums zu betrachten. Die andere wurde von GEGENBAUR sowie FÜRBRINGER?) geltend gemacht: 648 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ihr zufolge ist es der Excretionsapparat der Plattwürmer, aus dem, wie die Vor- niere und Urniere, so auch der Vornierengang hervorgegangen sein soll. Die fundamentale Verschiedenheit dieser zwei Auffassungen ist einleuchtend. Bei der ersteren Ableitung, die wir als »Annelidenableitung« bezeichnen wollen, wird der Vornierengang auf dasselbe metamere Annelidenorgan bezogen, auf das auch die meta- meren Abschnitte der Vertebratenniere (die Urnierenkanälchen) schon zurückzuführen ver- sucht worden sind; der für diese Niere so scharf betonte Gegensatz von gegliedertem und ungegliedertem Theile wird principiell aufgehoben, und das Nephridium erscheint dem Vor- nierengange gegenüber als das primäre Element. Bei der letzteren Ableitung — nennen wir sie »Platodenableitung« — wird unter ein- seitiger Betonung des ungegliederten Theiles der Vertebratenniere auf das ungegliederte Pla- toden - Excretionssystem recurrirt, das keine dem gegliederten "Theile der Vertebratenniere entsprechenden Elemente aufzuweisen hat; der gegliederte und ungegliederte Theil der Verte- bratenniere kommen dadurch (einerlei,. ob die Homologie von Nephridium und Urmieren- kanälchen anerkannt wird, oder nicht) in einen scharfen phylogenetischen Gegensatz, und der Vornierengang erscheint als das primäre Element. Barrour hat seine ursprüngliche Auffassung durch die T'hatsachen zu stützen gesucht, dass sich der Vornierengang erstens ähnlich wie die Urnierenkanälchen entwickele, und dass zweitens am proximalen Ende des Ganges bei Amphibien, Cyclostomen und Teleostiern ein den Urnierenkanälchen ähnlicher Drüsenabschnitt (Vorniere) zur Ausbildung komme. Wie er sich die Umwandlung der typischen Anneliden-Anordnung in diejenige der Vertebraten vor- stellte, geht aus nachfolgendem Satze hervor: »We may suppose that some of the segmental tubes first united, possibly in pairs, and that then by a continuation of this process the whole of them coalesced into a common gland. One external opening sufficed to carıy off the entire secretion of the gland, and the other openings therefore atrophied. This history is represented in the development of the dogfish in an abbreviated form by the elon- gation of the first segmental tube (segmental duct of the kidney) and its Junction with each of the posterior segmental tubes.« Diese seine Auffassung hat nun aber BaLrour späterhin zu Gunsten der GEGENBAUR- FÜrBrınger’schen aufgegeben. In seiner vergleichenden Embryologie schreibt er!) näm- lich über die Beziehungen des Excretionssystemes von Wirbelthieren und Wirbellosen Fol- gendes: »The exeretory organs of the Platyelminthes are in many respeets similar to the provisional exere- tory organ of the trochosphere of Polygordius and the Gephyrea on the one hand, and to the Vertebrate pronephros on the other, and the Platyelminth exeretory organ with an anterior opening might be regarded as having given origin to the trochosphere organ, while that with a posterior opening may have done so for the Vertebrate pronephros.« Diese Schwenkung Barrour’s habe ich zu keiner Zeit zu verstehen und daher auch zu keiner Zeit mitzumachen vermocht; einfach deshalb nicht, weil mir die von ihm zur Be- el. p. 346.2Vole 2.202 p2 607. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen "Thierclassen. 649 gründung seiner ursprünglichen Auffassung geltend gemachten Facta und Vorstellungen so viel zwingender und plausibler erschienen, als diejenigen, worauf sich die entgegengesetzte zu be- ziehen vermochte. Ich nehme daher auch die ursprüngliche Auffassung Barrour’s hier in ihrem vollen Umfange wieder-auf, indem ich mich nicht nur auf die schon vom genannten Forscher mitgetheilten Facta, sondern auch auf solche stütze, die noch viel schlagendere Indicien zu Gunsten ihrer Richtigkeit enthalten. Lernen wir zunächst diese Indieien kennen, und fassen wir sodann auch den anderen Erklärungsversuch, nämlich die » Platodenableitung«, in’s Auge. Bei der »Annelidenableitung« des Vornierenganges müssen wir voraus- setzen, dass die in der Regel metamer auftretenden, oder doch nur an zwei Seg- menten partieipirenden Nephridien sich zu verlängern, respective durch einen grossen Theil der Leibeshöhle zu erstrecken vermögen. Dass nun den Nephridien die Disposition zu derartigen Wandlungen in der 'That inne- wohnt, dafür lassen sich selbst an den heute lebenden Anneliden verschiedenster Familien noch Anhaltspunkte erkennen. So sollen nach Envers') die Nephridien von Euphrosyne zwei oder drei Segmente durchziehen. Bei Cirratulus borealis occupirt nach Kerersrein?) das vorderste Nephridienpaar die Segmente 1—4, bei €. filiformis die Segmente I—5 und bei ©. bioeulatus die Segmente S—19. Aehnliche Fälle bieten die 'Terebelliden dar. Es erstrecken sich nämlich nach Crararıpe’) die vordersten Nephridien von Heteroterebella sanguinea durch die ersten S, und Ein Paar der von Melinna palmata nach E. Meyer ') durch die ersten 19 Körpersegmente. Die so interessanten ebenfalls hierhergehörigen Nephridial- gänge gewisser Terebelliden sollen weiterhin ausführlich berücksichtigt werden. Auch von den Oligochaeten sind ähnliche Abweichungen vom normalen Verhalten be- kannt geworden. Schon CrArArepe’) hat die Beobachtung gemacht, dass einzelne Segmente des Hinter- leibes von Tubifex Bonneti der Nephridien entbehren können und dass in diesem Falle die Trichter des zunächst gelegenen Nephridienpaares in die betreffenden Segmente zu liegen kommen. Einen noch viel bezeichnenderen derartigen Fall hat sodann Verpovsky°) von Phreatothriv, einer Lumbriculide, beschrieben. Bei dieser Gattung wiederholen sich im Hinterleibe die Ep-R307. cr pr 118. l. p. 4. ce. p. 120-—123. lapesecap.3lE AN. pP. :850..C. L.ap. 614 -2e. p. 18. bnlEp28brrc pn. 104, Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, Fr. td 650 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Nephridien segmentweise; in der Körpermitte dagegen sind nur wenige zum Theil durch sechs, ja acht Segmente hindurchziehende Paare vorhanden. Eine auffallende Tendenz zu longitudinaler, die ursprüngliche Metamerie aufhebender Erstreckung zeigen ferner diejenigen Nephridien, welche Functionswechsel eingehen, also die zu Speicheldrüsen und Geschlechtsgängen umgewandelten. So pflegen die Samenleiter der Lumbriciden vier Segmente einzunehmen, und zwar derart, dass ihre innere Mündung in das respective vorderste und ihre äussere in das respective hinterste Segment zu liegen kommt (wogegen in den vorher erwähnten Fällen die beiden Mündungen in zwei successive Segmente zu liegen kommen, indem lediglich die Schleife des Organes auswächst). Die Geschlechtsgänge von Peripatus sodann, deren nephridiale Abstammung durch Kensen') nachgewiesen wurde, verlängern sich in dem Maasse, als die betreffenden 'Thiere heranwachsen, ausserordentlich, so dass sie trotz vielfacher Windungen zahlreiche Segmente einnehmen. Die Speicheldrüsen der Enchytraeiden pflegen sich, wie VxpovskY?) gefunden hat, meist durch vier Segmente zu erstrecken und diejenigen von Peripatus nehmen, wie wir schon an anderer Stelle hervorgehoben haben®), im fertigen, respective im umgewandelten Zustande fast die ganze Länge des 'Thieres ein. Bei der Annelidenableitung des Vornierenganges müssen wir ferner vor- aussetzen, dass die Ausmündungen der Nephridien ihre typischen Lagerungs- verhältnisse zu verändern vermögen. Auch, hierfür bieten einzelne Nephridien sowie unzweifelhafte Derivate solcher parallele Erscheinungen dar. Ich habe schon an einer anderen Stelle dieser Monographie auf gewisse Serpuliden hingewiesen?), bei welchen die Ausführungsgänge des ersten Nephridienpaares, anstatt, wie es (die Regel ist, jederseits im Bereiche der Parapodien, gemeinsam an der Basis der Kiemen nach aussen münden. Sodann haben wir in den Speicheldrüsen von Enchytraeiden und Peripatus!) Nephridien kennen gelernt, welche ihre ursprünglichen seitlichen Mündungen am Rumpfe aufgegeben haben, um sich durch einen gemeinsamen Kanal mit dem Vorderdarme in Verbindung zu setzen. Ferner kann auf jene Samen- und Eileiter gewisser Oligochaeten, die ihre genuinen, seitlichen Mündungen aufgeben, verwiesen werden. So münden nach VriDovskY®) die Samen- leiter der Lumbrieuliden und Lumbriciden in der Regel durch eine gemeinschaftliche Oeffnung, \ a) Vergl. p. 379. ß) Vergl. p. 379 Anmerkung. x) Vergl. p. 379. 1)21.2P22878. IEssTheilwe-3p257%. 2) 1.Pp293200c2 pr 28: Sa) pr 286. 2c. p. 142% VII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen, 651 und bei Perichaeta sollen nach PERrRIEr') in ähnlicher Weise die Eileiter verschmelzen. um auf einem gemeinsamen Porus nach aussen durchzubrechen. Auch die Geschlechtsgänge von Peripatus kommen in Betracht, an denen Kenner?) Schritt für Schritt embryologisch verfolgt hat, wie die ursprünglich ganz den übrigen Nephridien conform seitlich gelegenen Mündungen nach der Medianlinie rücken, um zur Verschmelzung zu gelangen. Endlich sei auch noch auf die- jenigen Nephridien der Capitelliden hingewiesen, welche dauernd mit Genitalschläuchen in Zusammenhang bleiben, und somit durch zwei ganz unabhängig von einander entstandene Mün- dungen (nämlich durch den Nephridium- und den Genitalschlauchporus) mit der Aussenwelt communiciren. Wenn wir nun aber auch die Berechtigung jener Voraussetzungen an der Hand ähn- licher, wirklich derart verlaufener Vorgänge nachweisen können, so würde doch unsere Er- klärung noch ganz anders überzeugend wirken, für den Fall, dass es gelänge, noch heute Vertebraten aufzufinden, bei denen die Urnierenkanälchen (sei es auch nur embryonal) segment- weise nach aussen zu münden sich anschicken, respective bei denen vorübergehend metamere, den Nephridien entsprechende Ectodermeinstülpungen auftreten; oder aber wenn uns um- gekehrt Anneliden bekannt würden, deren Nephridien, anstatt direct nach aussen, in einen im Cölom gelegenen Sammelkanal einmünden. Kein der ersteren Anforderung entsprechendes Verhalten konnte bis heute constatirt werden, wohl aber ein der letzteren in hohem Maasse nahe kommendes. Ich meine die von E. Mz£yer’), entdeckten Nephridialgänge gewisser Terebelliden. Während bei den meisten Terebelliden die Nephridien in der für die Anneliden typischen Weise nach aussen münden, fand genannter Forscher zwei Gattungen, bei denen diese Organe mit im Cölom gelegenen Längskanälen in Verbindung treten. Bei Lanice conchilega Parr. stehen sowohl die drei Nephridienpaare der vorderen Thoracalkammer (2.—4. Segment), als die vier Paare der hinteren Thoracalkammer (5.— 8. Seg- ment) jederseits mit Kanälen oder Nephridialgängen in Verbindung. Die Gänge der hinteren Kammer setzen sich bis in das 16. Körpersegment, also durch acht der Nephridien durchaus entbehrende Zoniten hindurch fort, um hier ebenso wie vorn blind zu endigen. Mit der Aussenwelt communiciren diese hinteren Gänge vom 5.8. Segment je durch eine den be- züglichen Nephridien entsprechende Mündung. Die Gänge der vorderen Kammern, welche wohl ursprünglich mit denjenigen der hinteren in Verbindung gestanden hatten, enden eben- falls an beiden Polen blind. Mit der Aussenwelt communiciren sie indessen nicht etwa so wie die hinteren Gänge durch ebensoviele Mündungen, als Nephridien vorhanden sind, sondern nur durch Eine solche, und zwar durch eine dem ersten Nephridienpaare entsprechende. Achnliche Verhältnisse bietet das Nephridiensystem von Loimia medusa Say. dar; ich muss aber bezüglich des Genaueren auf Meyrr’s Abhandlung verweisen. Dee pe allerzessp 2317. 21ER pe Suse Theile: p= 51. SlElap.2an6.ge: B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ler) or 1892 Hier haben wir also Nephridien, die wenigstens theilweise ihre directe segmentale Ausmün- dung aufgegeben haben, um anstatt dessen in einen im Cölom verlaufenden Kanal einzumünden. Dieser Kanal steht allerdings mit der Aussenwelt nicht wie der Vornierengang vermöge des Hinterdarmes, sondern vermöge einer persistirend gebliebenen Nephridiummündung in Communication. Dass auch noch diese Eine segmentale Verbindung aufgegeben werde und der Kanal sich bis zur Afterregion verlängere, liegt nun aber gewiss nicht ausser dem Bereiche der Möslichkeiten. Obwohl ich in diesem Verhalten der Terebelliden einen der stärksten »ad hominem Beweise« für die Richtigkeit der von mir hier vertretenen Herleitung des Vornierenkanales erblicke, so liegt es mir doch ebenso fern anzunehmen, dass Terebella etwa diejenige Anneliden- form repräsentire, von der speciell das Vornierensystem der Urvertebraten abzuleiten sei, als es mir fern lag, Capitella für denjenigen Ringelwurm zu halten, von dem speciell die Urodelen das poly- oder dysmetamere Verhalten der Nephridien geerbt hätten. Ob wir in Terebella überhaupt ein directes Derivat jenes ursprünglichen, auf die Urwirbelthiere übergegangenen oO Verhaltens (und für diesen Fall natürlich ein degenerirtes) vor uns haben, oder aber eine nur parallele, unabhängig von jenem zu Stande gekommene Anordnung, wird sich ja so bald nicht entscheiden lassen; für unseren Zweck kann aber auch diese Frage zunächst dahingestellt bleiben”). Genügt uns doch die unumstössliche Thatsache, dass auch bei Anneliden Nephri- dien, anstatt segmental durch Ectodermeinstülpungen nach aussen, in einen im Cölom gelegenen Kanal von nephridialem Charakter münden können, dass also Vorgänge, die wir behufs Herleitung des Vornierenganges als bei Anneliden stattgehabte voraussetzen mussten, sich in der That an Vertretern dieser T'hier- gruppe abgespielt haben. Die frühe Entstehung des Vornierensystemes bei Vertebraten und die provisorische Existenz desselben (abgesehen von dem mit der Urmiere secundär in Verbindung tretenden Vornierengange) hat einzelne Forscher veranlasst, dasselbe mit der sogenannten Kopfniere der Anneliden zu vergleichen, so SEMPER. Diese Ableitung ist mit der von mir vertretenen unvereinbar. Ganz abgesehen davon, dass mit ihr speciell für den Vornierengang nichts zu erreichen ist, indem es sich ja bei der Kopfniere ebenfalls um ein nach dem Plane von Nephridien gebautes Organ handelt, so ist zu erwägen, dass erstens die Kopfniere der Anneliden in der Regel ausserhalb des Bereiches des Rumpfes liegt, während die Vorniere der Vertebraten mehrere Rumpfsegmente einzunehmen pflegt; dass zweitens die Kopfniere stets auf das Larven- leben beschränkt ist, während die Vorniere lange Zeit hindurch, ja bei einzelnen Vertebraten sogar zeitlebens persistiren kann und überdies Ein "Theil der Vorniere, nämlich der Vor- nierengang, unter allen Umständen erhalten bleibt. Die den Larven der verschiedenen Wirbellosen eigene Kopfniere wird meiner Ansicht a) Vergl. p. 654—655. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen "Thierelassen. 653 nach in der Vertebraten-Ontogenie überhaupt nicht mehr, wenigstens nicht mehr als fun- girendes Organ recapitulirt. Will man zum Behufe der Ableitung des Vornierensystemes specielle Nephridien in’s Auge fassen, so scheinen mir vielmehr die in den vordersten Körpersegmenten gewisser Anneliden (lerebelliden, Cirratuliden, Serpuliden) erhaltenen in Betracht zu kommen, indem ebendiese bei den meisten übrigen Anneliden nur in der Jugend als sogenannte provisorische Nephridien auftreten, um sich im Laufe des Wachsthumes (in dem Maasse, als die weiter hinten ge- legenen zur Ausbildung gelangen) zurückzubilden. Wenn wir so das Vornierensystem der Vertebraten (ähnlich wie das Urnierensystem von einer Reihe hinterer) von einer Reihe vorderer (auch bei Anneliden am frühesten auf- tretender und weiterhin zur Rückbildung neigender) Nephridien ableiten, dann verstehen wir auch die insbesondere bei den Anamnien ausgeprägte metamere Anordnung der Vornieren- kanälchen, sowie die umgekehrt sich besonders bei den Amnioten geltend machende secundäre Verbindung zwischen diesen Kanälchen, respective Bläschen und dem Vornierenkanale. Nicht ausser Acht gelassen werden darf bei Beurtheilung dieser Vorgänge, dass auch einzelne Nephri- dien von Anneliden schon die mannigfachsten Verzweigungen und Sprossungen aufweisen können, indem von diesem Gesichtspunkte aus sich manche in der Vornierenentwickelung auftretenden Eigenthümlichkeiten besser verstehen lassen dürften. Auf Grund der »Annelidenableitung« sind wir endlich auch im Stande, über die ecto- dermale Abstammung des Vornierenganges Rechenschaft geben zu können. Nachdem Hessen, Graf Spree und FremuinG gleicherweise eine Betheiligung des Ecto- dermes bei der Anlage des Urogenitalsystemes von Säugethieren vertreten hatten, wurde vor Kurzem eine derartige Betheiligung auch für die niederen Wirbelthiere, und zwar speciell für den Vornierengang nachgewiesen. Van Wume'!) fand nämlich, »dass sich bei Raja clavata das Ectoderm an der Entwickelung des Segmentalganges betheiligt« und Prr£xyı?), dass sich der Worrr'sche Gang bei Rana esculenta”»aus einer kanalförmigen Abschnürung der inneren Zell- schicht (Nervenplatte) des Ectoderms« entwickelt, sowie, dass sich dieser Gang bei Lacerta »als dichte Zellmasse vom verdickten Ectoderm — oberhalb des zu werdenden Grenzstranges abscheidet». Um die ectodermale Entstehung der Vornierengänge verstehen zu könneh, brauchen wir nur vorauszusetzen, dass bei jenem vordersten Nephridienpaare, welches sich zu diesen Gängen verlängert hat, es speciell die Ectodermein- stülpungen waren, die hierzu das Material abgegeben haben, respective, dass allein diese Einstülpungen nach hinten auswuchsen. Diese Voraussetzung ist nichts weniger, als eine willkürliche: haben wir doch einen i) Van Wume, J. Die Betheiligung des Eetoderms an der Entwickelung des Vornierenganges. Z. Anzeiger Jahrg. 1886. p. 633. 2) Prrknyı, J. v. Die ectoblastische Anlage des Urogenitalsystemes bei Rana eseulenta und Lacerta virıdis. Z. Anzeiger. Jahrg. 1887. p. 66. 654 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. solchen Fall an dem sich zu den Speicheldrüsen umwandelnden Nephridienpaare von Peripatus in der That nachgewiesen gesehen“); haben wir doch durch Kesnern erfahren, wie es aus- schliesslich die ectodermalen Abschnitte des bezüglichen Nephridienpaares sind, welche fast durch den ganzen Leib des 'Thieres hindurch wachsen und dabei den mesodermalen Theil Trichter) noch lange Zeit in Form eines Anhängsels erkennen lassen. Und, was noch näher liegt, auch für die das Umwandlungsprodukt Eines Nephridienpaares darstellenden Geschlechts- gänge von Peripatus konnte Kenner!) feststellen, dass ein sehr ansehnlicher Theil der Anlage vom Ectoderme geliefert wird. Diejenigen, welche fernerhin noch die Frage zu discutiren für nothwendig halten, ob das ganze Urogenitalsystem als »mesodermale«, oder aber als »ectodermale« Bildung zu be- trachten sei, sollten sich doch die ganze 'Iragweite dieses eben erwähnten Verhaltens von Peripatus klar zu machen suchen, da sie zur Ueberzeugung gelangen dürften, wie das wesent- liche Object jeder Discussion, die Frage, in diesem Falle gar nicht existirt. Das Urogenital- system ist in der 'Ihat weder allein ectodermal, noch allein mesodermal, sondern es ist beides zugleich. Doch kehren wir zu unserem eigentlichen Thema zurück. So nahe es auch gelegen hätte, schon bei Beschreibung der Nephridialgänge von Terebella auf die grosse Uebereinstimmung dieses Fundes mit dem von BarLrour hypothetisch als Ausgangspunkt der Vornierenentwickelung angenommenen Ver- halten hinzuweisen, so wollte ich dies doch verschieben, um bei diesem Hinweise auch auf einzelne meiner im Vorhergehenden mitgetheilten Ansichten recurriren zu können. Er- innern wir uns zunächst des folgenden, schon pag. 648 ceitirten Passus Batrour's: »We may suppose that some of the segmental tubes first united, possibly in pairs, and that then by a continuation of this process the whole of them coalesced into a common gland. One external opening sufficed to carry off the entire secretion of the gland, and the other openings therefore atrophied. This history is represented in the development of the dogfish in an abbreviated form, by the elon- gation of the first segmental tube (segmental duct of the kidney) and its junetion with each of the posterior segmental tubes.« Wie hier BaLrour in scharfsinniger Weise einen wirklich möglichen Zustand des Excretionsapparates theilweise erschlossen hatte, zeigt das Verhalten der betreffenden Tere- belliden; denn in der That sehen wir bei diesen eine Reihe successiver Nephridien ver- schmelzen und im einen Falle noch metamer (hintere 'I’horacalkammer), im anderen Falle dagegen durch eine gemeinsame Oeffnung (vordere 'IThoracalkammer) nach aussen münden. Darin weicht aber Barrour’s Voraussetzung von dem durch die Terebelliden verwirklichten Verhalten ab, dass dieselbe dem Vornierengange der Vertebraten eine Verschmelzung der ge- sammten Nephridien der Anneliden gegenüberstellt und das Auswachsen des Ganges als eine auf die Vertebraten beschränkte Entwickelungsverkürzung auffasst; denn auch schon bei den Terebelliden kommt ja nicht nur eine Verschmelzung von Nephridien, sondern auch gleich- a) Vergl. p. 379. DEI. p: 378.011. Theile. pr 572 VII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 655 zeitig die Bildung eines Kanales zu Stande und dieser Kanal kann durch eine grössere Zahl von (der Nephridien entbehrenden) Segmenten hindurch nach hinten auswachsen. Wie schon im Vorhergehenden erwähnt wurde, scheint mir Alles darauf hinzuführen, dass allein die vorderen (auch bei vielen Anneliden provisorischen) Nephridien dem Vornierensysteme entsprechen. Durch Verschmelzung dieser Nephridien kam die Vorniere, und durch Auswachsen Eines Paares derselben kamen die Vornierengänge zu Stande. Bei dieser Auffassung ist der Gegensatz von Vorniere und Urniere bis zu einem ge- wissen Grade schon in die Anneliden zurückverlegt, indem wie die provisorischen vorderen Nephridien den Vornierenkanälchen, so die hinteren definitiven Nephridien den Urmieren- kanälchen entsprechen. Ferner stellt sich bei dieser Auffassung das Auswachsen des Vor- nierenganges und seine secundäre Verbindung mit den Urnierenkanälchen nicht als Ent- wickelungsverkürzung, sondern als getreue Recapitulation der schon bei den annelidenartigen Vorfahren der Vertebraten eingeleiteten Verhältnisse dar. Denken wir uns nur eine Anne- lidenform ähnlich Lanice conchilega, welche ausser dem auf den Vorderleib beschränkten, durch Gänge verbundenen Nephridialsysteme (Vorniere) auch noch im Hinterleibe zahlreiche, metamer für sich ausmündende Nephridienpaare (Urnierenkanälchen) besitzt, denken wir uns weiter, dass diese hinteren Nephridien in dem Maasse, als die Gänge (Vornierengänge) auswachsen, ihre metameren Mündungen aufgeben, um mit den Gängen in Verbindung zu treten, so haben wir in der angedeuteten Weise das Prototyp des Vertebraten-Exeretionsapparates. Als Motive, die zur Verlagerung der ursprünglich metameren Ausmündung der hinteren Nephridien oder Urnierenkanälchen, respective zur secundären Verbindung mit den nach hinten auswachsenden Nephridialgängen (Vornierengängen) geführt haben, möchte ich vor Allem auf die Gefahren hinweisen, die so vielfache Communicationen des Cöloms mit sich bringen, sodann auf die der Homonomie der Segmente entgegenarbeitende Concentration des Körpers, respective seiner Organsysteme. Prüfen wir nun den anderen Ableitungsversuch des Vornierensystemes, nämlich die durch GEGENBAUR und FÜRBRINGER vertretene »Platodenableitung«. Da mir aus den Schriften der beiden Forscher das, was sie vertreten wollen, nicht ganz klar hervorzugehen schien, da ich insbesondere auf schwer vereinbare Widersprüche stiess, so halte ich es für geboten, die in Betracht kommenden Stellen wörtlich zu citiren, um so der schuldigen Objectivität besser gerecht werden zu können. In der zweiten Auflage seiner Grundzüge der vergl. Anatomie verglich GEGENBAUR den Urnierengang der Vertebraten mit den Exeretionsorganen der Nematoden, und im Hın- blicke auf die »von M. Scnurrze angeführte Beobachtung vom Vorkommen wimpernder, rinnen- artiger Organe bei jungen CUyelostomen« meinte er'): »Sollte sie sich rechtfertigen, so wäre eine bedeutungsvolle Uebereinstimmung mit den Schleifen- kanälen der Würmer gefunden, und wir hätten hier wie dort mit inneren Mündungen beginnende Kanäle, o > D II. p. 9. c. ps 865. 656 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. welche an ihrer Wandung einen excretorischen Apparat tragen und neben anderen, vielleicht auf Regulirung einer Wassereinfuhr ete. gerichteten Functionen auch solche zu den Generationsorganen besitzen, indem sie Ausführwege der Geschlechtsproducte herstellen. Als bedeutendste Verschiedenheit ergiebt sich ihr Ver- halten zum Gesammtorganismus. Im gegliederten Körper der Würmer wiederholen sie sich für die einzelnen Metameren, während sie im Organismus der Wirbelthiere jederseits einheitlich bleiben, und der hier be- stehenden Metamerenbildung nur durch Längsstreckung und durch Wiederholung der seitlichen exeretorischen Schläuche (die die Masse der Urnieren zusammensetzen) angepasst sind.« Wir sehen, wie hier GEGENBAUR, sobald nur die Scnurrze'sche Beobachtung der Vor- nierenkanälchen am Vornierengange von Petromyzon sich bestätigen sollte, geneigt ist, zwischen diesen Vornierenkanälchen einer- und den Schleifenkanälen (Nephridien) andererseits »eine bedeutungsvolle Uebereinstimmung« anzuerkennen. Im Grundrisse der vergleichenden Anatomie schreibt aber GEGENBAUR!): »Die als Exeretionsorgane unter den Wirbellosen verbreiteten Einrichtungen erscheinen in ihren wesentlichsten Verhältnissen auch bei den Wirbelthieren und lassen auch darin für den Wirbelthierstamm Verknüpfungen mit niederen, im übrigen weit entfernt stehenden Formen erkennen. Bei Amphioxus hat man zwar bis jetzt vergeblich nach solchen Organen gesucht, aber bei allen Cranioten bestehen sie in ge- meinsamem Typus. Dieser geht erst mit der allmählichen Differenzirung verloren und kann dann nur durch ontogenetische Prüfung erkannt werden. Den einfachsten Zustand repräsentirt ein in der dorsalen Wand der Leibeshöhle verlaufender Kanal, der hinten in der Nähe des Afters nach aussen, und vorne mit ab- dominalem Ostium in die Leibeshöhle ausmündet. Frkennt man in solchem Verhalten bedeutende Ueber- einstimmungen mit den Exeretionsorganen der Würmer, so ist doch mit Hinblick auf die Metamerie des Wirbelthierkörpers die Eigenthümlichkeit nicht zu übersehen, dass dieser Urnierengang kein metameres Organ vorstellt, und damit auch zu den metameren Schleifenkanälen der gegliederten Würmer kein voll- ständiges Homologon abgiebt. Er wird demnach aus einem noch niederern, d. h. einem noch nicht in Metameren getheilten Zustand des Organismus abzuleiten sein und repräsentirt damit, wie die gleichfalls ungegliederte Chorda dorsalis, eines der phylogenetisch ältesten Organe.« Ferner: »Als Grundform dieser Urniere wird ein Längskanal, welcher quere, mit Wimpertrichtern in die 3jauchhöhle geöffnete Kanälchen aufnimmt, angesehen werden dürfen, wie die Anlage des Apparates wesent- lich bei den Selachiern erscheint. Die Verbindung mit der Leibeshöhle, deren epitheliale Auskleidung jedenfalls einen bedeutenden "Theil des Organsystems hervorgehen lässt, erlaubt eine Vergleichung mit den Kxcretionsorganen mancher Würmer, und verweist weit zurück auf jene Formen, in denen diese Organe die einzigen vom Mesoderme umwandeten Hohlraumbildungen sind (Plattwürmer). Die metamere Anordnung der offenen Querkanäle bezieht sich auf die Metamerie des Gesammtorganismus der Vertebraten. Sie ist deshalb nicht mit Schleifenkanälen der Anneliden zusammenzustellen, oder gar davon abzuleiten, weil diese an den Metameren selbst ausmünden und nicht in einen Längskanal. Dieser ist es, der bei den Wirbel- thieren schon durch sein erstes Erscheinen den Typus des gesammten Apparates bestimmt.« Hieraus geht hervor, dass GEGENBAUR, obwohl inzwischen nicht nur die ScHuLTtzE'sche Entdeckung ‚vielfach bestätigt und erweitert, sondern auch durch Semrer und Batrour die Urnierenkanälchen (Nephridien) der Haie entdeckt worden waren, von seinem ursprünglichen Vergleiche zwischen Vornierenkanälchen und Nephridien zurückgekommen ist, weil die Nephridien der Anneliden »an den Metameren selbst ausmünden und nicht in einen Längskanal.« FÜRBRINGER?) äÄusserte sich dann folgendermaassen: »Dass das Vornierensystem von prineipieller phylogenetischer Bedeutung ist, beweist seine auch bei 1) 1. p.349..c. p. 627-629. 2) 1. p. 634, c, p. 95 und 96. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 657 den Wirbellosen constatirbare Existenz. Bekanntlich hat GEGENBAUR schon 1870 in Beurtheilung der von M. Schurzze beobachteten wimpernden rinnenartigen Organe in der Vornierengegend junger Petromyzonten auf die bedeutungsvolle Uebereinstimmung mit den Schleifenkanälen der Würmer hingewiesen. Durch die seitdem genauer erkannte Entwickelung der Exeretionsorgane der Vertebraten und namentlich des Vor- nierensystemes derselben hat dieser Hinweis eine vollkommene Bestätigung erfahren. Bei mehreren Ab- theilungen der Würmer (aber nicht bei den Annulaten) — und seine Spuren sind auch bei anderen Wirbel- losen zu verfolgen — findet sich ein ungegliedertes Exceretionssystem, das im Einzelnen die mannigfachste Anordnung darbietet, das aber in der Hauptsache aus zwei paarigen) Gängen besteht, die einerseits durch mehr oder minder zahlreiche Peritonealeommunicationen (Wimpertrichter, mit der Bauchhöhle communiciren, andererseits mit ihren hinteren Enden in das Ende des Darmes resp. die Cloake einmünden. Damit ist zugleich die Definition des Vornierensystemes der Vertebraten gegeben. Eine Differenz beruht auf dem Mangel von Glomerulusbildungen bei den Wirbellosen. Bedenkt man aber, dass dieselben bei den ver- schiedenen Anamnia in mannigfacher Anordnung existiren, ja dass bei Myzine typische Vornierenglomeruli gar nicht bekannt sind, so liegt es nahe, hierin eine noch nicht fixirte secundäre Differenzirung von neu zum Vornierensystem hinzutretenden Gebilden zu erblicken, nicht alteriren kann. Also hier wie dort ein zu der Leibeshöhle die innigsten Beziehungen einnehmendes ungegliedertes also ein Verhalten, das die primitive Homologie paariges Excretionssystem.« Was ich nun nicht verstehe ist, dass hier FÜRBRINGER in derselben Schrift, in der er Sexmrer’s und Barrour’s Vergleich zwischen Urnierenkanälchen und Nephridien als unbewiesene Hypothese, als blosse Analogie bekämpft. in derselben Schrift, in der er ferner Barrour’s Ableitung des Vornierenganges von einem Nephridium als durchaus unzulässig hinzustellen versucht hat, dass er hier die beiden sich widersprechenden Ausführungen GeGEnBaur’s gleicher- weise so anführt, als ob sie gleicherweise von ihrem Autor aufrecht erhalten worden wären. Nämlich sowohl den (von GEGENBAUR aufgegebenen) Vergleich des Vornierensystemes mit Schleifenkanälen (Nephridien), als auch den Vergleich mit dem ungegliederten Excretions- systeme von Plattwürmern. In Anbetracht, dass Fürsrınger auch noch besonders betont, wie GEGENBAUR zuerst seiner Zeit auf die zwischen der Vorniere von Petromyzon und den Schleifen- kanälen (Nephridien) von Würmern herrschende »bedeutungsvolle Uebereinstimmung« hinge- wiesen, und wie dieser Hinweis durch die seitdem genauer erkannte Entwickelung der Exere- tionsorgane der Vertebraten »eine vollkommene Bestätigung erfahren habe« in Anbetracht ferner, dass er auch die Gephyreen als mögliche Ausgangspunkte für die Ableitung des Vor- nierensystemes in’s Auge fasst), wäre es wirklich trotz seiner so scharfen vorhergehenden Bekämpfung Sewmrer’s und Barrour’s schwer, ausfindig zu machen, ob er nun wirklich allein den späteren Gegengaur'schen Standpunkt, nämlich die »Platodenableitung« vertritt, wenn uns nicht eine spätere Publication darüber Aufschluss gegeben hätte. In der an Semper und mich gerichteten Erwiderung sagt nämlich FÜRBRINGER)): »Ich hatte — im Wesentlichen zugleich im Anschlusse an GEGENBAUR — von den Excretionsorganen der Wirbelthiere nur für dasjenige Homologe bei den Wirbellosen finden können, welches vor resp. unab- hängig von der Metamerenbildung als ein einfaches, ungegliedertes und in der Längsrichtung des Rumpfes erstrecktes Exeretionssystem zur Ausbildung gelangt und welches ich, einen von W. Mütter eingeführten Begriff benutzend, als Vornierensystem bezeichnet hatte (dieses Jahrbuch IV, pag. 83—97); hinsichtlich des «) Vergl. p. 665-—668. 1) 1. p. 638 (Morph. Jahresb. 4. Bd.) c. p. 675. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 83 655 B. Vergleiehend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. erst nach der Metameren-(Urwirbel)-Bildung entstehenden Systemes der Urnierenkanälchen dagegen fand ich kein einziges Moment, das eine Homologie mit dem, allerdings ebenfalls meist metamer angeordneten Systeme der Segmentalorgane der Anneliden erwiesen hätte. In der metameren Anordnung der Urnierenkanälchen und Segmentalorgane sah ich unverkennbare Analogien, aber keine Homologien; nicht einmal hinsichtlich der Metamerenbildung bei Anneliden und Vertebraten erschien mir der sichere Beweis der morphologischen Identität erbracht und die Annahme einer blossen Analogie ausgeschlossen.« Hieraus dürfen wir wohl folgern, dass sich schliesslich Fürsrısser lediglich auf den späteren Gesengaurschen Standpunkt gestellt hat, das heisst auf den, demzufolge allein in dem Excretionsapparate der Platoden Anhaltspunkte für die Ableitung des Vornierensystemes der Vertebraten zu finden seien. Auf was gründet sich nun aber im Wesentlichen dieser Vergleich? GEGENBAUR betont das Ungegliederte des Urnierenganges und dessen Ver- bindung mit der Leibeshöhle, was weit zurück auf jene Formen verweise, sin denen diese Organe die einzigen vom Mesoderm umwandeten Hohlraumbildungen sind (Plattwürmer).« FÜRBRINGER hebt hervor, dass das Excretionssystem der Plattwürmer unge- gliedert sei und aus zwei Gängen bestehe, die einerseits durch Peritonealconm- municationen mit der Bauchhöhle und andererseits durch ihre hinteren Enden mit dem Darme in Verbindung treten. Ganz abgesehen davon, dass es sich bei diesen so ohne Weiteres zum Vergleiche heran- gezogenen Plattwürmern um Thierformen handelt, die man in keiner anderen Hinsicht jemals mit Vertebraten in irgend welche genetische Beziehungen zu bringen vermocht hat, was hilft es uns denn, ein Organ segmentirter T'hiere auf ein solches nicht segmentirter zu beziehen, wenn ja gerade die Thatsache der Existenz dieses ungegliederten Organes im gegliederten Thiere das Problem bildet, um dessen Erklärung es sich handelt? Und wenn der Vornierengang das Wesentliche und Primäre darstellt. wenn er schon so weit zurückreicht wie die Plattwürmer, wie verhält es sich dann mit diesem Gange bei den Anneliden? Was entspricht dann diesem Gange bei den Anneliden, überhaupt bei den segmentirten Wirbellosen, die man doch nicht als divergente Gruppe der einseitig auf einander bezogenen Plattwürmer-Vertebraten-Gruppe wird coordiniren wollen ? Einige erblicken in der Kopfniere*) das betreffende Organ. Ich frage aber, ist die Kopfniere der Anneliden etwas, was auch nur entfernt einerseits dem excretorischen Apparate der Platoden und andererseits dem Vornierensysteme der Vertebraten entspricht? Durchzieht sie etwa den segmentirten Leib? mündet sie in den Darm? persistirt sie überhaupt als Gang? Nichts von alledem. Die Kopfniere der Anneliden tritt meist in Form Eines Paares (selten mehrerer Paare) von im Vorderkörper der Larven gelegenen Kanälen von durchaus nephridium- ähnlichem Habitus auf. Aber, selbst wenn wir auf die Möglichkeit der Platodenableitung eingehen, so stossen a) Vergl. p. 652 und 661. g (Bil VII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierelassen. 6 wir doch sofort auf die fundamentale Schwierigkeit, dass die Vornierenkanäle, also das unge- gliederte Element des Vertebraten-Excretionsorganes doch nur einen Theil dieses Organes aus- machen, dass aber ausserdem auch die metamer angeordneten Vornieren- und Urmierenkanälchen als zum Mindesten gleichberechtigte Bestandtheile vorhanden sind, und wenn für den ersteren Gang das Problem darin besteht, den »ungegliederten« Charakter zu erklären, so besteht es für die letzteren Kanälchen umgekehrt darin, den »gegliederten« Ursprung nachzuweisen, und zwar so, dass sich die beiden Erklärungsversuche nicht gegenseitig widersprechen oder ausschliessen. Wie will ferner speciell FÜRBRINGER, der gegen die Ableitung dieser Kanälchen von Nephridien so scharf aufgetreten ist, bei seiner Auffassung des Vornierenganges die Thatsache erklären, dass Vornierengang und Urnierenkanälchen (sowie Vornierenkanälchen in einzelnen Fällen) getrennt zur Anlage und daher erst secundär zur Verschmelzung gelangen ? Dieses Factum ist, in Anbetracht seiner grossen Constanz und umfassenden Gültigkeit, von so ausserordentlicher Bedeutung, dass FÜrBRINGEr's') Bemühung es »caenogenetisch« aus- zulöschen, daneben nicht aufzukommen vermag. Auch könnte, selbst wer mit FÜRBRINGER den Begriff der Caenogenie für »eine treffllich gewählte Kategorie« zu halten geneigt ist, an dieser Trefflichkeit doch insofern irre werden, als sie, wie in diesem Falle, es zuliess, einem Erklärungs- versuche zu lieb einige verbürgte und weit verbreitete ontogenetische 'Thatsachen willkürlich als gefälscht oder »caenogenetisch« hinzustellen und ihnen ebenso willkürlich die vom Er- klärungsversuche vorausgesetzten phylogenetischen Zustände als »palingenetisch« zu substituiren. Wie endlich kann bei der »Platodenableitung« die ectodermale Abstammung des Vor- nierenganges erklärt werden, da doch sein » mesodermaler Charakter« eine der Hauptstützen des Vergleiches bilden soll? Wenn wir bedenken, dass alle diese Fragen in befriedigender Weise beantwortet werden können und somit alle Schwierigkeiten wegfallen, sobald wir uns die ursprünglich von Barrour vertretene Auffassung des Vornierenganges zu eigen machen, so scheint mir, dass kein Zweifel darüber walten kann, ob der »Anneliden-«, oder aber der »Platodenableitung« die Zukunft gehört. Man kann nicht, wie wir es hier gethan haben, die von GEGENBAUR und FÜRBRINGER seiner Zeit versuchte Ableitung des Vornierensystemes besprechen, ohne zugleich jener neuer- dings hervorgetretenen Richtung zu gedenken, welche das Nephridialsystem der Anne- liden ebenfalls auf das sogenannte Wassergefässsystem der Plathelminthen zurückzuführen bestrebt ist. Gehen auch die Vertreter dieser Richtung von ganz anderen, denjenigen der von den beiden vorher genannten Forschern betonten durchaus widersprechenden Charakteren der Plathelminthenniere aus, so würde doch für den Fall, dass die Vergleiche der ersteren zu- träfen, die letzteren (GEGENBAUR und FÜRBRINGER) insofern principiell wenigstens gerechtfertigt sein, als ja dann die Vertebratenniere, selbst wenn sie, wie ich will, ein Derivat des Nephri- 1) 1. p. 638 (Morph. Jahrb. 4. Bd.) c. p. {er} —ı [592 660 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. dialsystemes der Anneliden darstellte, in letzter Instanz doch von der Plathelminthenniere abstammen würde. Die Vertreter dieser Ableitung des Anneliden-Excretionsapparates sind Fraronr') und Lang“). Ersterer hatte dabei lediglich die Kopfniere der Anneliden im Auge, Letzterer dagegen die Kopfniere und die Nephridien. Inwiefern der Vergleich zwischen Kopf- und Platodenniere berechtigt ist, inwiefern überhaupt zwischen der Kopfniere und dem Nephridium ein principieller Gegensatz aufrecht erhalten werden kann, brauchen wir hier nicht weiter zu untersuchen; anders insofern als die Ableitung der Nephridien in Frage kommt. Ausgangspunkt für Lang war seine Entdeckung der so interessanten pseudometameren Organisationsverhältnisse von Gunda. Er versuchte von dieser Triclade die Hirudineen und vermöge letzterer auch die Anneliden abzuleiten. Der Schwerpunkt seines Versuches lag in der Annahme, dass die paarigen Ausstülpungen des Darmes der Hirudineen einerseits den entsprechenden Ausstülpungen von Gunda, andererseits den Cölomdivertikeln des Urdarmes der Enterocölier homolog seien, in der Annahme also, dass bei den Hirudineen das Cölom noch nicht zur Ausbildung gelangt sei. Diese Annahme, mit deren Zutreffen oder Nichtzutreffen die ganze Theorie stand oder fiel, war nun, wie Lang seitdem selbst zugegeben hat, eine irr- thümliche: die Hirudineen haben eine von ihren Darmdivertikeln ganz unabhängige Leibes- höhle, es sind unzweifelhaft Anneliden, wenn auch mannigfach modifieirte. Ich befinde mich also in Uebereinstimmung*, mit Ber6H®, insofern als er diese Auffassung Laxd’s, sei es im Allgemeinen, sei es speciell im Hinblicke auf die Excretionsorgane, bekämpft hat. Während GEGENBAUR und FÜRBRINGER bei ihrer Ableitung des Vornieren- 1) Fraıront, J. Recherches sur L’Appareil Excereteur des Trematodes et des Cestodes. Arch. Biol. Tome 2. 1881. p. 17—32. 2) 1. p. 370. ec. p. 674—679; man vergleiche auch: Lang, A. Der Bau von Gunda segmentata ete. Mitth. Z. Stat. Neapel 3. Bd. 1881. p. 231—242. 3) 1. p. 601. e. Man vergleiche auch: BERGH, R. S. Die Metamorphose von Aulastoma gulo. Arb. Z. Inst. Würzburg. 7. Bd. 1885. p. 272—277 und 256—289. *, Ich stimme zwar mit BERGH insoweit, als er die Herleitung der Nephridien von Plathelminthennieren und die Zurückführung der Hirudineen auf Trieladen mit Gründen bekämpft, durchaus überein, nicht aber hinsichtlich des Tones, den er gegen seine — und meine — Gegner anzuschlagen für gut findet. In einer unerhörten Weise werden — in derselben Schrift, in der doch BErGH selbst nachweist, wie gerade durch ihre Arbeiten die that- sächlichen Kenntnisse über die Excretionsorgane gefördert wurden — diese Gegner herabzuwürdigen versucht. Ganz besonders hat sich BErGH’s Fanatismus Lang zum Opfer ausersehen. Es liegt mir fern, meinen Freund LanG gegen unpassende Epitheta zu vertheidigen: pflegen doch solche ohnedies früher oder später auf ihre Urheber zurückzu- fallen; ebensowenig beabsichtige ich den Werth der Lang’schen Arbeiten jener harten Verurtheilung gegenüber richtig zu stellen; sprechen ja diese Arbeiten für sich selbst. Nur das halte ich mich für verpflichtet als meine Ueberzeugung auszusprechen, dass ich, obwohl sein wissenschaftlicher Gegner, doch LanG’s Erklärungsversuch für einen geistreichen und streng logisch in sich zusammenhängenden halte, für einen solchen, der dann durchaus zuträfe, sobald man die Prämissen zugeben könnte, was man eben BERGH's und meiner Ansicht nach nicht kann. Muss man aber einem Erklärungsversuche ein solches Zugeständniss machen, dann darf derselbe nicht nur auf Beachtung, sondern auch auf Achtung Anspruch erheben. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 661 systemes diejenigen Platoden in’s Auge fassen, deren excretorische Kanäle in den Darm einmünden, recurrirt Lang umgekehrt auf solche, bei denen diese Kanäle durch eine Mehrzahl seitlicher Aeste mit der Aussenwelt communiciren. Während ferner erstere Forscher in den Cölombeziehungen der Kanäle einen ihrer wichtigsten Vergleichspunkte erblicken, betont Lang umgekehrt den Mangel solcher Cölombeziehungen als entscheidenden Factor für den Vergleich mit den ebenfalls blind endigenden Kopfnieren. Ich kann dem Factum, dass die Kopfniere gegen das Cölom zu abgeschlossen ist, die von Laxc vindieirte Bedeutung nicht beimessen. Ob ein Excretionsorgan in der Leibeshöhle blind endigt, oder nicht, hängt wahrscheinlich allein von physiologisch divergirenden Zuständen ab; überdies zeigen ja auch die genuinen Nephridien nach dieser Richtung hin die verschie- densten Verhältnisse. FEbensowenig kann ich der Thatsache, auf die Lang so viel Gewicht gelegt hat, dass nämlich die Kanäle der Kopfniere gleich denen der Plathelminthennieren Durchbohrungen von Zellen darstellen, also anstatt inter-, intracellulär sind, eine mehr als histologische Bedeutung zuerkennen, da ja auch die Nephridiumkanäle bald inter-, bald intracellulär auftreten. Aber Lang suchte sich bei der Begründung seines Vergleiches noch auf andere 'That- sachen, und zwar auf solche aus dem Gebiete der Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Anneliden zu stützen. Schon Bercn') hat mit Recht die Zulässigkeit Einer dieser T'hatsachen, nämlich des durch Harscnex beschriebenen Längskanales von Polygordius bestritten und auch, soweit als es der damalige Stand der betreffenden Untersuchungen zuliess, die durch LaxG den anderen Facten beigelegte Tragweite in Zweifel gezogen. Ich will nun dieselben That- sachen in’s Auge fassen, indem ich auf Grund weiterer inzwischen gemachter Erfahrungen zeigen kann, wie allerdings keine derselben stichhaltig ist, respective keine im Sinne Land's verwendet werden kann. Eine der Hauptstützen für die Abstammung des Excretionsapparates der Anneliden von demjenigen der Plathelminthen erblicken sowohl Lang, als auch Framont in der Ent- wickelung des Nephridialsystemes von Polygordius. Nach HarscHer?) soll nämlich bei den Larven dieses Thieres aus der Kopfniere zu- nächst jederseits ein wimpernder Längskanal auswachsen und dieser Kanal sodann von Seg- ment zu Segment in einzelne Stücke, nämlich in die nachträglich ihre inneren und äusseren Mündungen erwerbenden, definitiven Nephridien zerfallen. In ganz ähnlicher Weise sollen auch die Nephridien von Criodrüus aus einer ursprünglich continuirlichen Anlage hervorgehen. Spielte sich die Entwickelung der Nephridien in den beiden genannten Anneliden- formen in der That in der von Harscher geschilderten Weise ab, so könnte daraus allerdings auf phylogenetische Beziehungen zwischen dem excretorischen Systeme der Plathelminthen Mel. ps 601.2c#p...118: 2) 1. p. 351. (Stud. Entw. Gesch. Annel.) c. p. 112. 662 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. einer- und demjenigen der Anneliden andererseits geschlossen werden. Wäre doch damit hier wie dort als das Wesentliche und Primäre der ungegliederte Längskanal festgestellt. Freilich müsste man dann, was schon Barrour') betont hat, bedeutende secundäre Modificationen in der supponirten Recapitulation voraussetzen, da ja die Anordnung, wie sie Harscher schilderte, vom Gesichtspunkte der Function aus ganz unverständlich bleibt. Diese Entwickelung verläuft nun aber nicht so, wie sie HarscHerX darge- stellt hat. Von allen denen, die hier in Neapel Polygordiues-Larven untersucht haben, ist es nicht einem Einzigen gelungen den fraglichen Längskanal wiederzufinden. Ich nenne von diesen Untersuchern nur E. MEyvEr, weil er sich sehr eingehend mit der betreffenden Larve befasst hat und weil er, der für die Ableitung der Nephridien von Plathelminthennieren eingenommen war, gewiss als für diese Wiederauffindung disponirt gelten konnte. Nun, auch dieser Forscher erklärte mir mit Bestimmtheit, dass der gesuchte Kanal nicht existire. Auf diese Erklärung lege ich um so mehr Nachdruck, als die vor Kurzem erschienene Monographie Framonxr's?), von der man doch die Entscheidung der Frage zu erwarten berechtigt war, diese Erwartung nicht erfüllt hat. Fraıoxt sagt zwar (p. 72): »Je n’ai pu suivre ni pendant ce stade ni plus tard le developpement des canaux segmentaires dans le mesoblaste.« Und p. 883: »Comme je lai dit plus haut, je n’ai pas pu assister a la formation de ces deux canaux longitudinaux du trone. Quand j’ai observe les premiers organes segmentaires du tronc chez la larve, ils etaient deja isoles les uns des autres dans chaque somite.« Aber, anstatt den einzig in diesem Falle angebrachten Schluss zu machen: was Niemand sehen kann, ist auch nicht da, wird die Harscher’sche Darstellung vorsichtig in frühere Stadien zurückverlegt und ganz so, als ob sie hätte bestätigt werden können, dem Leser ausführlich von Neuem vorgetragen. Diese Vorsicht oder Rücksicht gilt natürlich weniger Harschzx, als dem Längskanale, welch’ letzteren man eben in Anbetracht der von seiner Existenz abhängigen theoretischen Consequenzen ungezwungen nicht zu Grabe bringen will. Ich verstand das und habe mich daher, als weniger in das Schicksal des Ganges Verflochtener, gerne entschlossen, ihm diese letzte Ehre zu erweisen. Auch mit dem Längskanale von Criodrilus steht es nicht anders. Vxpovsky°) bestreitet auf Grund seiner embryologischen Studien das Vorkommen einer einheitlichen Nephridium- anlage bei irgend einer Oligochaete auf das Bestimmteste, und wenn wir noch hinzufügen, dass auch bei keiner anderen Annelide, sei es vor, sei es nach HarscHek, etwas Derartiges in der Entwickelungsgeschichte constatirt wurde, so glaube ich, dass wir auch diese Längskanäle oder Stränge als abgethan betrachten dürfen. l. p. 346. c. Vol. 2. p. 569. FraıponT, J. Le genre Polygordius. Fauna Flora Golf. Neapel 14. Monogr. 1887. 3) 1. p. 236. ec. p. 122. 124. VIII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 663 Als weitere Stütze seiner Ansicht beruft sich Lang darauf, dass die dem Excretions- systeme der Plathelminthen entsprechenden Gänge, welche bei Polygordius nur vorübergehend ontogenetisch auftreten, bei einzelnen erwachsenen Anneliden und Hirudineen erhalten ge- blieben seien. Einen solchen Fall repräsentiren nach Lang die im Vorhergehenden auch von mir — allerdings in ganz anderer Weise verwertheten — durch E. Meyer entdeckten Nephridial- gänge gewisser Terebelliden. Ich habe schon hervorgehoben, wie meiner Ansicht nach das Verhalten dieser Gänge nicht so ohne Weiteres als ursprüngliches gedeutet werden könne. Aus diesem Grunde habe ich auch davon Abstand genommen, die Gänge für meine Ansichten über den Ursprung des Vornierenganges direct zu verwerthen, indem ich mich darauf beschränkte, dieselben, vor- läufig wenigstens, nur als ein meinen Ansichten zu Hilfe kommendes Paradigma zu betrachten, und zwar als ein Paradigma für diejenige Anordnung, welche wir als einen der Durchgangs- punkte in der Vornierenkanal-Entwickelung vorauszusetzen hatten. Ebensowenig, nein noch viel weniger, können nun aber diese Gänge so ohne Weiteres als Residua von Plathelminthennieren hingestellt werden. Und hier ist es daher auch am Platze, kurz die Gründe anzuführen, die gegen die primäre Natur dieser Gänge sprechen. Erstens zeigen sie in auffallender Weise, dass sie, soweit die Nephridien reichen, durch Ver- an schmelzung ebendieser*,, weiterhin aber durch Auswachsen der Endglieder der Reihe, also nach Ausbildung der wie sonst zunächst metamer und unabhängig von einander angeordneten Nephridien zu Stande gekommen sind. Zweitens treten diese Gänge nur bei gewissen Tere- belliden auf, bei anderen dagegen nicht; wohl aber sehen wir auch bei anderen Terebelliden einzelne Nephridien durch eine grosse Anzahl von Metameren hindurchziehen. Drittens ent- wickeln sich auch bei den Terebelliden, wie E. Meyer, der Entdecker der Gänge, selbst zu constatiren hatte, die Nephridien nicht etwa derart, dass zunächst ein Gang entsteht, der sich nachträglich gliedert, sondern die einzelnen Nephridien werden im Gegentheil discret in streng metamerer Folge angelegt, welche 'Thatsache allein schon genügend wäre, den primären Charakter der Gänge auszuschliessen. Nehmen wir überdies noch hinzu, dass auch das Vor- handensein der von Harscnex beschriebenen Kanäle von Polygordius und Criodrilus nicht be- stätigt werden konnte, dass überhaupt die meisten Beobachter eine getrennte Anlage der Nephridien vertreten, so können wir schliessen, dass in den Gängen von Lanice etc. eine zwar hochinteressante Manifestation des Nephridialsystemes, nicht aber ein Residuum von Plathel- minthennieren vorliegt. Einen anderen Fall solcher bei erwachsenen Annulaten erhalten gebliebener Plathel- ) Für diese secundäre Verschmelzung spricht auch, dass die Aussenschenkel (centrifugalen Schenkel nach meiner Nomenclatur) der Nephridien von Pista eretacea auffallend erweitert sind. Eine Fortentwickelung dieser von E. Meyer als parietale Nephridialbehälter bezeichneten Erweiterungen von Pista würde nämlich den bei Zanice und Loima durchgeführten Zustand anbahnen. 664 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. minthenkanäle glaubte sodann Lang in dem Excretionssysteme von Pontobdella er- kennen zu dürfen. Bei dieser Hirudinee sollen nach Bourne's') Beschreibung die Nephridien ein den grössten Theil des Körpers continuirlich durchziehendes Netzwerk darstellen, welches allein durch die inneren und äusseren Mündungen an der Körpermetamerie participirt. Auch in diesem Falle war von vornherein kaum anzunehmen, dass wir es mit einem ursprünglichen Verhalten zu thun haben, indem ja, wie schon Ber6nH°) mit Recht eingewendet hat, die mit Pontobdella so nahe verwandten Gattungen streng segmental angeordnete Nephridien besitzen. Weiter mache ich geltend, dass Nephridiumverzweigungen nicht etwa nur bei Ponto- bdella, sondern auch bei vielen anderen Hirudineen vorkommen, und zwar ohne dass bei letzteren die Metamerie irgendwie dadurch verdunkelt würde, sowie dass auch bei Oligochaeten sowohl die Nephridiumkörper, als auch die Nephridiumkanäle mehr oder weniger der Verästelung unterliegen können. So hat Vespovsky’) an den Nephridiumkanälen von Enchytraeiden un- gemein zahlreiche Verzweigungen constatiren können. Ferner haben wir durch BexHan‘) in Mierochaeta eine Oligochaete mit vielfach gelappten Nephridien kennen gelernt. Und überaus reich verästelt pflegen endlich die zu Speicheldrüsen umgewandelten Nephridien der Enchy- traeiden nach VzpDovskyY’) aufzutreten. Schliesslich gilt hier gleicherweise der für die Terebellidenkanäle geltend gemachte embryologische Einwand. Nicht in der Form von Gängen, die sich nachträglich metamer gliedern, sondern unabhängig voneinander in jedem Segmente werden auch die Hirudineen- Nephridien angelegt. Hieraus geht hervor, dass selbst für den Fall, dass Bourxe’s Beschreibung das Richtige getroffen hätte, doch niemals das, was LanG wollte, daraus gefolgert werden konnte. BöurNE's Beschreibung wird nun aber überdies Widerspruch erfahren. Arııhy, der gegenwärtig nebst anderen Hirudineen auch Pontobdella sehr eingehend anatomisch untersucht, glaubt sich nämlich auf das Bestimmteste davon überzeugt zu haben, dass die Nephridien letzterer nur etwas reich- licher verzweigt sind, als die ihrer Verwandten, dass aber bei der einen so wenig als bei den anderen Communicationen zwischen den Verzweigungen successiver Organe vorkämen. Be- züglich der Begründung dieses mir gefälligst mitgetheilten Resultates verweise ich auf des genannten Forschers demnächst erscheinende Abhandlung. Nach alledem können wir also constatiren, dass der Versuch, den metamer an- geordneten Excretionsapparat der Anneliden von demjenigen der Plathelminthen abzuleiten, als undurchführbar zu betrachten ist, und dass in Folge dessen auch ap% mer | a=} t [3%] Mer) © .0 07,07% las} » t & . p: 28. Taf. 9. Fig. S, Taf. 12. Fig. 2. VII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierelassen. 665 die GEGENBAUR-FÜRBRInGER’sche »Platodenableitung« des Vornierensystemes der Vertebraten von dieser Seite her keine Unterstützung finden kann. Im Gegen- theil, Alles spricht dafür, dass nicht continuirlich den Körper durchziehende Gänge, sondern metamer angeordnete Nephridien als das wesentliche und pri- märe Element des Excretionsapparates gegliederter Thiere betrachtet werden müssen. Es bleibt nun noch, wie soll ich sagen, der Hypothese oder Theorie? zu gedenken, derzufolge wir die Gephyreen als diejenigen Wirbellosen zu betrachten hätten, von denen das Excretionssystem der Vertebraten abstammt. In seiner Schrift über die Excretionsorgane der Vertebraten, und zwar an der Stelle, an der er die drei Nachweise aufzählt, von denen er seine Anerkennung der Homologie zwischen Segmentalorganen von Anneliden und Umierenkanälchen von Vertebraten abhängig macht, sagt FÜRBRINGER'): »Ob dieser Nachweis bei den Anneliden zu führen‘ ist, ob es nicht vielleicht eher die, ungeglie- derte und gegliederte Excretionsorgane besitzenden, Gephyreen sind, welche hierfür Klarheit geben könnten, ob dieser Nachweis je gelingen wird, — oder ob überhaupt die von SEMPER-BALFOUR ge- gebene Richtung die rechte ist, bleibt abzuwarten.« Als ich diesen Passus, namentlich die von mir gesperrt wiedergegebene Stelle desselben seiner Zeit zu Gesicht bekam, war ich nicht wenig überrascht. »Ungegliederte und gegliederte Excretionsorgane« bei Gephyreen, also bei annelidenähnlichen Thieren und eben diese Excre- tionsorgane durch FÜRBRINGER den Excretionsorganen der Vertebraten als möglicherweise ver- gleichbar hingestellt, auf derselben Seite, auf der er dem Srmrer-Barrour'schen Vergleich so scharf zu Leibe geht! Nicht nur wer die Urnierenkanälchen, sondern auch wer die Vornierengänge der Verte- braten von Nephridien ableitet, müsste die Thatsache freudig begrüssen, dass in einer den Anne- liden so nahe stehenden Würmergruppe »ungegliederte und gegliederte« Excretionsorgane aufgefunden worden sind. Freilich für den, der mit der Organisation der Gephyreen ver- traut war, dauerte diese Freude nicht lange; denn worauf konnte sich der FÜRBRINGERr'sche Satz beziehen? Dass mit den »gegliederten « Excretionsorganen der Gephyreen die längst be- kannten, in deren Vorderkörper gelegenen Nephridien gemeint waren, leuchtete sofort ein; aber mit den »ungegliederten«? Lediglich die im Bereiche des Afters mündenden, sogenannten Analschläuche waren ausserdem noch, sei es nun als ein Paar modificirter, hinterer Nephri- dien, sei es als ein eigenthümliches » Wassergefässsystem« mit excretorischen Organen über- haupt in Beziehung gebracht worden, und sie mussten es auch wohl oder übel sein. Wovon nun FÜRBRINGER bei seiner Bezeichnung der Analschläuche als » ungegliederter « Excretionsorgane ausging, war offenbar Folgendes. GEGENBAUR schrieb in der zweiten Auflage seiner Grundzüge: IN 1. p. 1634, cr pa 104. 2) 1. p. 349. c. p. 261—263. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. s4 665 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. »Bei den Gephyreen müssen zwei verschiedene Organe als excretorische unterschieden werden. Ob- wohl beide zugleich in der Regel vorhanden sind, so vertheilen sie sich doch functionell derart, dass immer nur das eine mit exeretorischen Functionen betraut ist, indess das andere zu anderen Organen in Beziehung tritt. Die eine Form der hierher zu zählenden Organe schliesst die Gephyreen an niedere Zustände an, indem ihr Verhalten mit der nicht ausgebildeten oder nur äusserlich entwickelten Metamerenbildung zu- sammenhängt. Diese Organe werden durch Schläuche gebildet, welche in das Ende des Darmes münden und wenigstens da, wo sie am genauesten gekannt sind (Bonellia), mit zahlreichen Wimpertrichtern ausge- stattet sind« etc. »Man kann diese Organe mit den bei Echinodermen vorhandenen in Verbindung bringen, wo dann die geschlossenen Schläuche denen der Holothurien, die mit inneren Mündungen versehenen jenen der Synapten entsprächen. Jedenfalls haben wir in dieser bei den Gephyreen vorhandenen Form der Excretions- organe eine Einrichtung zu erkennen, welche einem grösseren Kreise gemeinsam ist, und von Einer Stamm- form aus auf die Echinodermen eben so wie auf die Gephyreen sich fortsetzt« ete. »Die andere Form besteht aus paarigen, an der Bauchfläche ausmündenden Schläuchen, welche mit den segmentalen Exeretionsorganen — den Schleifenkanälen der Anneliden — verglichen werden müssen, von denen sie einen einfacheren Formzustand vorstellen « etc. »Durch den Besitz der aufgeführten beiden Arten von Fxcretionsorganen nehmen die Gephyreen eine beachtenswerthe Stellung unter den Würmern ein. Wir sind zwar noch nicht im Stande, diese voll- kommen fest zu bestimmen, aber soviel erscheint doch klar, dass das Vorhandensein der einen Art jener Organe ebenso auf die niederen Würmer verweist, wie das Vorkommen der anderen auf die höheren hin- deutet« ete. »Wenn wir in beiderlei Arten von Fxcretionsorganen im Wesentlichen übereinstimmende Einrich- tungen, und nur in den Beziehungen zum Körper, in Lagerung und Verbindung, bedeutendere Verschieden- heiten antreffen, so entsteht die Frage, ob diese Organe homodynam seien. Bei erster Betrachtung ist eine Verneinung am wahrscheinlichsten. Und doch führen manche Erwägungen zum entgegengesetzten Ergebnisse. Die am aboralen Leibesende mündende Form des Organs muss als ursprüngliche betrachtet werden (s. Platt- würmer ete.); die andere paarig mündende, segmentale, als die erst mit der Metamerenbildung erworbene. Stellt man sich nämlich vor, dass mit der allmählichen Anbahnung einer Metamerenbildung in den neuge- bildeten Theilen eine Wiederholung der Organe auftritt, so werden die Organe entsprechend der Correlation zu den neugebildeten Stücken, die zwischen dem Vorder- und Hinterstück des ursprünglichen Körpers auf- traten, in diesen Metameren nicht genau so sich verhalten können, wie in den nunmehrigen terminalen Metameren. In letzteren nämlich, die aus dem primitiven ungegliederten Organismus stammen, können sich Theile in ihrer primitiven Beziehung erhalten, deren neugebildete Homodyname eben durch die Neubildung und Anpassung an intermediäre Metameren modifieirt sind. Was speciell unsere Organe betrifft, so ist es klar, dass bei einer durch die Metamerenbildung bedingten Wiederholung das Schlauchpaar an dem neuen intermediären Segmente nicht mehr mit dem Darme zu einer Cloake sich verbinden kann, sondern dass es eine selbständige Ausmündung gewinnen muss, und damit erhalten wir die segmentale Form des Excretions- apparates.« GEGENBAUR versuchte also die Analschläuche und Nephridien der Gephyreen als Ueber- bleibsel eines ursprünglich einheitlichen excretorischen Apparates verständlich zu machen, respective beide vom Wassergefässsysteme der Platoden abzuleiten, und wie er selbst in dieser Zurückführung nichts Anderes als einen Versuch oder eine Hypothese erblickt, geht doch aus der Art, wie er sich ausdrückt, klar hervor. Wie konnte nun aber daraufhin (und wenn nicht daraufhin, auf was dann sonst?) FÜRBRINGER die Hypothese schlechtweg in ein Factum verwandeln und schreiben: »die ungegliederte und gegliederte Excretionsorgane besitzenden Gephyreen«? und zwar, ich wiederhole, in derselben Schrift, ja auf derselben Seite, auf der er gegen den SEMPER- Barrour’schen Vergleich der Nephridien mit Urnierenkanälchen schrieb: »indessen muss ich VII. Nephridien (Segmentalorgane). 3. Vergleich der Capitelliden mit anderen Thierclassen. 667 Einsprache dagegen erheben, wenn diese Hypothese als wirklicher Beweis für die Homologie der Segmentalorgane der Anneliden und der Urmiere der Vertebraten aufgeführt wird« Mir scheint es nun viel nothwendiger, dagegen Einsprache zu erheben, dass eine Vermuthung (das sind die »ungegliederten « Excretionsorgane der Gephyreen) gleich einer Thatsache hingestellt wird, als dagegen, dass zwei 'T'hatsachen (das sind die Nephridien der Anneliden und die Urnierenkanälchen der Vertebraten) sei es nun mit mehr, sei es mit weniger Recht, aufein- ander zurückgeführt werden. Um so nothwendiger, wenn man bedenkt, welch bedeutende Rolle dieser Fürzrınser'sche Satz in den zwei neuesten und vollständigsten Zusammenfassungen über die Ontogenie und Phylogenie des Vertebraten-Excretionsapparates zu spielen berufen war. Korımann!) kam nämlich zu dem Schlusse: »Die doppelte Natur, die in der Anlage des excretorischen Systemes sich ausspricht, tritt seit jener Zeit schärfer in den Vordergrund der Aufmerksamkeit und män muss offenbar verlangen, dass die Studien über die Homologie sowohl auf die Segmentalorgane als auf die ungegliederten Kanäle Rücksicht nehmen. FÜRBRINGER stellt eine ähnliche Forderung, und deutet auf die Gephyreen, welche gegliederte und unge- gliederte Excretionsorgane besitzen. An diese Gruppe der Würmer wird man zunächst erinnert, sobald die eigenartige Doppelnatur des excretorischen Apparates bei den Wirbelthieren die Frage nach seiner Herkunft wachruft.« Und WiıEDERsHEIM?), wiederholt: »Jene Doppelanlage des Urnierensystemes deutet, um mich der Worte KoLLmann’s zu bedienen, darauf hin, dass es auf Bahnen der Stammesentwickelung erworben wurde, welche entweder früher einmal getrennt waren, oder dass es von Organismen mit in den Bauplan der Wirbelthiere herübergelangte, welche, wie z. B. die Gephyreen, ungegliederte (longitudinale) und gegliederte (transversale, segmentale) Exeretions- organe besassen.« Man sieht, hier werden die »ungegliederten« Excretionsorgane, respective die Anal- schläuche der Gephyreen bereits als » longitudinale« Organe den transversalen gegenübergestellt. Wie nun aber gerade diese Analschläuche der Gephyreen noch ein im morphologischen Sinne viel umstrittenes Object bilden, mag man aus folgender, einer Schrift Berc#’s’) entnommener Zusammenstellung ersehen. Sie lautet: »Sehr verschiedenartig lauten die neueren Ansichten der Verfasser über die Homologien der Exere- tionsorgane der Gephyreen. So findet sich bei einem Verfasser (HarscHsx 1880) die Anschauung vertreten, dass die Kopfniere dem Wassergefässsystem entspreche, während die Analschläuche als den Segmentalorganen homodynam aufgefasst werden. Ein anderer Autor (SPENGEL 1580) sieht es dagegen als wahrscheinlich an, dass nur die Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane Segmentalorgane seien, während möglicherweise die Analschläuche dem Wassergefässsystem entsprechen, trotzdem er auch selbständig die Existenz der Kopf- nieren erkannte. Einem dritten Verfasser (VEspovsky 18S1) zufolge wären nur die Kopfnieren und die Analschläuche als Segmentalorgane zu betrachten, während die Ausführungsgänge der Geschlechtsproducte dagegen Bildungen anderer Art seien. Ich selbst sehe mit Harscher in den Kopfnieren das Homologon des Wassergefässsystemes der Plattwürmer; in den Ausführungsgängen der Geschlechtsproducte und möglicher- weise auch in den Analschläuchen sind Segmentalorgane zu erkennen; für letztere ist jedoch diese Deutung nicht sicher. Nach Eısıc’s Beobachtungen über die Verdoppelung der Wimpertrichter bei Capitella erscheint ihre Möglichkeit indessen nicht ausgeschlossen. « 1) Korumann, J. Ueber Verbindungen zwischen Cölom und Nephridium. Festschr. zur Feier des 300jähr. Besteh. Univ. Würzburg. 1882. p. 35. 2) WIEDERSHEIM, R. Lehrbuch der Vergl. Anatomie der Wirbelthiere. 2. Auflage. Jena 1886. p. 731. SEI. pr 601Ezer p. 18: g4* 668 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Nichtsdestoweniger sei wiederholt, dass ich nicht etwa die Berechtigung des Versuches, die Analschläuche der Gephyreen sei es mit Nephridien, sei es mit Platodennieren zu ver- gleichen, in Frage stellen will; wogegen ich mich wende, ist allein, dass man einen solchen Versuch, eine solche Vermuthung gleich einer Thatsache hinstellt, und sollte es mir gelungen sein, durch Vorstehendes der weiteren Verbreitung der Legende vom Vorkommen »gegliederter und ungegliederter« Excretionsorgane bei Gephyreen Einhalt zu thun, so wäre damit mein Hauptzweck erreicht. IX. Geschlechtsorgane. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.” Sämmtliche Glieder der Familie sind getrennten Geschlechtes. Während sich bei Capitella S' und @, in Folge des schon frühe zur Ausbildung ge- ‘naden Copulationsapparates ersterer, auch im nicht reifen Zustande von einander unter- len lassen, treten bei allen übrigen Gattungen äussere Sexualcharaktere erst mit dem reifen der betreffenden Keimprodukte auf. Als solche Charaktere liessen sich erken- erstens die abweichende (vom Deutoplasma der Eier herrührende) Färbung der &, sowie hypertrophische Porophore, Ausgangspunkt für die Ausbildung sowohl der J', als der @ Fortpflanzungszellen ist allgemein das Peritoneum, und zwar in den Gattungen Notomastus, Mastobranchus, Heteromastus sowie Capitella ausschliesslich das Dach der Bauchstrangkammer, also die Genitalplatte, bei Dasybranchus dagegen betheiligen sich auch noch andere Theile jener Membran, nämlich das hämale Aufhängeband des Darmes, an der proliferirenden Thätigkeit. Für die dem Perito- neum principiell zukommende Fähigkeit, Keimkörper auszubilden, spricht auch die 'Thatsache, dass zwar im Genus Heteromastus solche Körper, wie erwähnt, nur von der Genitalplatte aus zur Reifung gelangen, dass aber daneben gleichzeitig auch locale Partien der Darmmesenterien und Somatopleuren in einen wuchernden, auf der ersten Stufe der Prolification verharrenden Zustand gerathen können. Fungirende Keimstöcke finden sich bei sämmtlichen Formen allein in der hinteren Körperabtheilung, im Abdomen. Bei Notomastus, Dasybranchus, Mastobranchus und Heteromastus bleiben die ersten drei oder vier abdominalen Segmente unfruchtbar, von da ab wiederholen sich dann aber sowohl die J', als die & Anlagen bis zum Bereiche des Schwanzendes von Segment zu Segment. Bei Capitella dagegen pflegen diese Anlagen schon vom ersten ab- dominalen Ringel an aufzutreten und nur bis zur Abdomenmitte zu reichen. Gegenüber dem Vorkommen dieser zahlreichen, fungirenden Keimstätten im Abdomen «) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil« p. 132—147, 199—202, 225—227, 243—44 und 280—287. 670 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ist nun hervorzuheben, dass die Genitalplatte mit Ausnahme von Dasybranchus bei allen Ca- pitelliden auch in einem oder zwei thoracalen Segmenten zu ziemlich umfangreichen, median- neuralen Keimlagern anschwillt, welche letztere aber sowohl bei den &, als bei den J' zeit- lebens in einem Zustande verharren, welcher von den abdominalen nur als Entwickelungs- stadium durchlaufen wird, nämlich im Zustande der Kernvermehrung. Solche sterile, thora- cale Keimstöcke, wie ich sie genannt habe, kommen bei Notomastus, Mastobranchus und He- teromastus je nur in der Einzahl, und zwar bei allen gleicherweise im 12. Segmente vor; bei Capitella dagegen sind sie in zwei Zoniten, nämlich im 5. und 6. (allerdings entfernt nicht so umfangreich wie bei den übrigen, vertreten. Es folgt aus dem Vorhergehenden, dass sich zwischen die vorderen in ihrer Entwickelung gehemmt bleibenden und die hinteren zur Func- tion gelangenden Keimstöcke mehrere ganz unfruchtbare Segmente einschieben, und diese T'hatsache ist von morphologischer Bedeutung, indem sie Anknüpfungspunkte für diejenigen Fälle bietet, in denen es nur noch in einzelnen vorderen Segmenten zur Ausbildung von Ge- schlechtsdrüsen kommt. Zur Zeit der Geschlechtsreife schwillt die bis dahin histologisch durchaus nicht von anderen Partien des Peritoneums abweichende Genitalplatte stark an, ihre Kerne vermehren sich ausserordentlich, und von Zellgrenzen oder Zellterritorien ist Nichts mehr zu sehen; das Ganze bildet vielmehr ein Syneytium, in dem einzelne Kerne durch ihre Grösse auffallen. Diese Kerne sind es auch, die sammt dem um sie gruppirten Zellmateriale die künftigen Oo- und Spermatosporen darstellen. Das Verhalten der Keimstöcke ist in den beiden Geschlechtern insofern verschieden, als sich bei den 9' die Spermatosporen in dem Maasse, als sie zur Ausbildung gelangen, von der Genitalplatte ablösen. um ihre gesammte Entwickelung in der Leibeshöhle zwischen den Hämolymphelementen durchzumachen, wogegen bei den & eine so frühe Ablösung der Fort- pflanzungszellen niemals stattfindet. In Folge dieses zwiespältigen Verhaltens können wir wohl von Ovarien, nicht aber von Hoden wenigstens nicht im strengeren Sinne des Wortes) reden. Und selbst die Ovarien verhalten sich in dieser Hinsicht je nach den Gattungen sehr verschieden. Nur bei Notomastus und Capitella bleiben nämlich die Eier bis zu ihrer an- nähernden Reife segmentweise zu Klumpen vereinigt, indem sich die Genitalplatte in zwei l.amellen spaltet und die Keimkörper sich in der dadurch gebildeten Höhle ansammeln. In dem Maasse als die Keime heranwachsen, werden die Lamellen der ursprünglichen Genital- platte (jetzt Eierstocksmembran) ausgedehnt und die zu äusserst gelegenen (reifsten) Eier werden überdies durch Fortsätze der Eierstocksmembran follikelartig umwachsen. Bald wird der Raum der Bauchstrangkammer für die in immer grösserer Zahl sich ansammelnden Geschlechtszellen zu enge, so dass die Ovarien nach den Darmkammern hin sich ausdehnen und schliesslich in Form von cylindrischen oder kuchenförmigen Körpern den Darm beiderseits umfassen. Hat lie Spannung einen gewissen Grad erreicht, so platzt das Ovar und sein Inhalt (der bei No- fomastus aus sehr verschieden und bei Capitella aus mehr gleichmässig ausgebildeten Eiern besteht) ergiesst sich in die Leibeshöhle. um hier mit dem Blute flottirend vollends auszureifen. IX. Geschlechtsorgane. 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 671 Anders bei den Gattungen Dasybranchus, Mastobranchus und Heteromastus. Bei ihnen kommt es nicht nur zu keiner Spaltung der Genitalplatte, sondern es entwickelt sich viel- mehr in ihrem Inneren eine Muskellage und die Keimbildung geht daher an den Aussen- flächen der Platte vor sich. Haben sich die Eier bis zu einem gewissen Grade angehäuft, so fungirt die erwähnte Muskellage, als eine Art von Rhachis. Nie entstehen aber so volu- minöse Ovarien, wie bei den anderen zwei Gattungen, indem sich die Keime bei dem Mangel einer Eierstocksmembran in dem Maasse, als sie heranreifen, auch jeweils ablösen können. Bezüglich der Eibildung ist als interessantes Factum hervorzuheben, dass die jungen Eier so lange Theile des angrenzenden, steril gebliebenen Syneytiums unmittelbar in sich auf- nehmen, bis sie etwa ein Drittel ihres definitiven Volumens erreicht haben. Dann erst in- dividualisiren sie sich durch Abscheidung einer Membran und dann rückt erst ihre Ernährung in die normalen, endosmotischen Bahnen. Bei allen Gattungen mit Ausnahme von Capitella herrscht von einem sehr frühen Sta- dium ab zwischen Ei- und Keimbläschen-Durchmesser das nahezu constante Grösseverhältniss von 2:1. Das abweichende Verhalten genannter Form wird wahrscheinlich durch die in ihren Eiern auffallend reichliche Ausbildung von Deutoplasma bedingt. Was die absolute Grösse der reifen Eier betrifft, so hat sich ergeben, dass die klein- sten Formen die grössten Eier produeiren. Nachstehende Liste, in der die Species nach der Körpergrösse untereinander geordnet stehen, illustrirt das; besonders wenn man Dasybranchus caducus und Capitella capitata, also die grösste und eine der kleinsten Formen der Familie, mit einander vergleicht. Grösse der reifen oder Grösse ihrer Keim- Sipreercies:: nahezu reifen Eier: bläschen : (Diameter in u) (Diameter in y) Dasubsamehus eadueus a. Teen Notomastus fertilis ie. 00, ee 1) —— HORUNdSE ee 200 I ee. 96 —— limeatus . . . re ala ee _— Beneden. nn 280 a ee... 120 Dasybranchus Gajlae - » 22:10 „2.0 nenn. 88 Mastobranchus Trinchesi ne Al) MOL IE I PR, 60 Heteromastus fihjorms =. .: 2.2... 160 Ira RR ER er er S0 Oral Tun 0 Sa 31 se Wie die Eier im Habitus voneinander abweichen, ist aus Tafel I zu ersehen. Die Spermatogenese geht, wie schon erwähnt wurde, ganz und gar in der Leibes- höhle vor sich. Einzelne Spermatosporen oder Gruppen solcher theilen sich in immer kleinere Zellportionen, die Spermatoblasten, aus welchen die Schwänze der künftigen Spermatozoen auswachsen. Die aus den Spermatosporen hervorgegangenen Spermatoblast- haufen, die Spermatosphären, haben bei allen Capitelliden mit Ausnahme von Capitella 672 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. dieselbe sehr charakteristische, unregelmässige Schollenform; auch die fertigen Spermatozoen- köpfe bieten mit der erwähnten Ausnahme bei allen ein ganz übereinstimmendes birnförmiges Ansehen dar. Bei Capitella nun haben merkwürdiger Weise sowohl die Spermatosphären, als die reifen Spermatozoen ein ganz abweichendes, und zwar auffallend an das Sperma der Lum- brieiden erinnerndes Ansehen. Wie bei letzteren ordnen sich nämlich in den Spermatosphären die in Entwickelung begriffenen Spermatozoen radienförmig und bieten die Köpfe der reifen Samenthierchen ein spindelförmiges Ansehen dar. Als Evacuations- und Copulationsorgane fungiren bei den Capitelliden in beiden Geschlechtern die sogenannten Genitalschläuche, Organe, welche wegen ihrer innigen Be- ziehungen zu den Nephridien schon im vorhergehenden Kapitel berücksichtigt werden mu: Die Genitalschläuche stellen seitlich comprimirte, in je einen vorderen und hinier Zipfel auslaufende Urnen oder Glocken dar, welche an der vorderen Segmentgrenze im Be- reiche der Seitenlinie mit verengertem Halse auf besonderen Hauthöckern oder Poroph« nach aussen münden. Durch eine Anzahl aus der Stammesmuskulatur entspringender trusoren und Retractoren können sie bis zu einem gewissen Grade vorgestülpt und wi zurückgezogen werden. Ihre Grösse verhält sich in den verschiedenen Formen ziemlich gl dagegen pflegen, wo sie vielzählig auftreten, die hintersten bedeutend an Volum abzunehı Im gegebenen Segmente haben sie, ebenso wie die Nephridien, stets ihre Lage in den Niere: kammern, und zwar hängt es von der Art ihrer Relation zu den Nierenorganen ab, ob allein den vorderen Theil eines gegebenen Zonites, oder aber dessen Gesammtlänge einnehmen. Die Structur ist sehr einfach; von der Umenlichtung ausgehend, treffen wir zunächst ein mit zahlreichen, lebhaft schwingenden Cilien besetztes Epithel und darüber, dem Cölom zu, eine peritoneale Hülle; zwischen beiden Membranen lassen sich auch einzelne Ringmuskelfasern erkennen. Die Porophore, also die Träger der Mündungen, stimmen, was ihre Zusammen- setzung betrifft, bei den J' stets und bei den @ ausserhalb der Geschlechtsthätigkeit voll- ständig mit den angrenzenden Hautpartien überein. Bei den geschlechtsreif werdenden © dagegen verändern sie dieses ihr Ansehen bedeutend, indem durch Hypertrophie ihrer drüsigen Flemente umfangreiche, an die Gürtelbildungen der Oligochaeten erinnernde Anschwellungen zu Stande kommen. Die Genitalschläuche sind streng segmental angeordnete Gebilde, welche bald auf den Thorax, bald auf das Abdomen beschränkt bleiben, oder aber in beiden Körperabtheilungen zugleich vorkommen. Nachstehende Liste giebt ein Bild ihrer Vertheilung nach Zahl und Segmenten in den verschiedenen Gattungen und Arten. IX. Geschlechtsorgane. AVien.: tl, Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. Genitalschläuche vorhanden in: Thoraxsegmenten : Abdomensegmenten: 679 Verhältniss der Genitalschläuche zu den Nephridien: Notomastus lineatus Untergattung COhstomastus | Notomastus Benedent (ni Dasybranchus Gajolae profundus ‚Fertilis Untergattung Tremomastus Dasybranchus cadueus Thiere vom Gajolensis- Typus. Dasybranchus eadueus Thiere vom Cadueus- Typus Mastobranchus Trinchesu\ Heteromastus filiformis Capitella capitata 9—12 j) 13—14 13—14 (zuweilen fehlend, 13—14 ‚(zuweilen fehlend) 7—12 9—12 nur im 8. 0 1-25 1-50 (maximum*) 1-50 (maximum*;) 1—3 Sowohl Genitalschläuche, als Nephridien befinden sich in diesen Segmenten in degenerirtem Zustande oder fehlen ganz und gar, Die hinteren Zipfel der Genitalschläuche bleiben zeit- ‚lebens mit den Nephridiumtrichtern der respectiven Segmente in organischem Zusammenhange. Je nach Alter oder Grösse der Thiere finden sich erstens in einer verschieden grossen Anzahl vorderer Segmente aus- schliesslich Genitalschläuche; Genitalschläuche und verschiedengradig degenerirte Nephri- dien, und drittens in einer ebenfalls wechselnden Zahl hinterer Segmente Nephridien Genitalschläuchen. mentzahlen in der Art, dass mit zunehmender Grösse der zweitens in einer folgenden mit verschiedengradig ausgebildeten Es schwanken aber die respectiven Seg- Thiere sich immer mehr Nephridien rückbilden und so zur Entstehung zahlreicherer, unabhängiger Genital- schläuche Veranlassung geben. (Vergl. Liste p. 106). immer Zeigen hinsichtlich der Beziehungen von Genitalschlauch und Nephridium ein mit Dasybranchus Gajolae übereinstim- mendes Verhalten. (Vergl. Liste p. 196). Die Genitalschläuche und Nephridien treten in allen überhaupt mit beiderlei Organen ausgerüsteten Segmenten wohlausgebildet und funetionirend nebeneinander auf, Nur die innige Nachbarschaft von Nephridiumtrichtern und Genital- schlauchzipfeln verräth auch hier genetische Beziehungen. (Vergl. Liste p. 196). Genitalschläuche ganz unabhängig von Nephridien, indem letztere in den ausgebildeten Thieren auf das Abdomenende beschränkt bleiben. Rudimentäre Nephridien im Vorderleibe einzelner Mastobranchus-Individuen machen es aber wäahr- scheinlich, dass in den Juvenes noch Beziehungen zwischen den beiderlei Organen bestehen. Genitalschläuche entstehen ontogenetisch unabhängig von Nephridien. (Vergl. Liste p. 276). Was nun die so interessanten Beziehungen von Genitalschläuchen und Nephridien betrifft, so kann nach unserer ausführlichen Darstellung des Sachverhaltes”) kein Zweifel mehr herrschen, dass die Nephridiumtrichter (sammt angrenzendem Peritoneum) die Herde dar- «) Vergl. diesen Theil, Kapitel Nephridien. *) Diese Zahl bezieht sich auf diejenigen Individuen, in denen ich die meisten Genitalschläuche gefunden habe; in der Regel sind sie nicht so zahlreich vertreten. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 85 674 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. stellen, von denen die Bildung der Genitalschläuche ausgeht. In der Untergattung Tremo- mastus bleibt der Zusammenhang (und die Function) beider Organe zeitlebens erhalten; eine scharfe Grenze zwischen Trichter und Zipfel ist gar nicht festzustellen. Bei Dasybranchus Gajolae und bei D. caducus (Typus Gajolensis) können wir, da sich der Prozess der Genitalschlauchbildung im heranwachsenden 'I'hiere auf eine immer grössere Segmentzahl erstreckt, die Umwandlung von Trichter in Genitalschläuche Schritt für Schritt verfolgen. In dem Maasse, als sich diese Umwandlung vollzieht, verfallen die Drüsenabschnitte der zugehörigen Nephridien der Rückbildung, so dass schliesslich die auf Kosten der Nieren- organe entstandenen Genitalschläuche allein die bezüglichen Segmente einnehmen. 3ei Dasybranchus caducus (und zwar bei denjenigen Individuen der dimorphen Art, deren uropoötisches System sich nicht dem Gajolensis-Iypus conform verhält) treffen wir Ne- phridien und Genitalschläuche in allen (überhaupt mit solchen ausgerüsteten) Segmenten voll- ständig ausgebildet, functionsfähig und relativ unabhängig von einander. "Trichter und Zipfel gehen nämlich nicht (so wie bei Tremomastus) in einander über, sondern bekunden ihre adäquaten Beziehungen nur durch die innige Nachbarschaft. Bei den nur in der vorderen Körperregion mit Genitalschläuchen ausgerüsteten Oksto- mastus, Mastobranchus und Heteromastus liess sich zwar, da (wenigstens im erwachsenen Zu- stande) in dieser Region keine Nephridien mehr zur Ausbildung gelangen, das Abhängigkeits- verhältniss der Genitalschläuche nicht demonstriren; aber in Anbetracht, dass bei jugendlichen Individuen von Olistomastus in den entsprechenden Segmenten rudimentäre Nephridien auf- zutreten pflegen, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sich auch in diesen Formen die Genitalschläuche im Anschlusse, respective auf Kosten von Nephridien ausbilden; nur ist der betreffende Prozess in eine frühe Lebensperiode zurückverlest. Bei Capitella dagegen konnte ich feststellen, dass es in dem einzigen mit Genital- schläuchen ausgerüsteten Segmente zu keiner, selbst auch nur vorübergehenden Anlage von Nephridien mehr kommt, indem die Genitalschläuche hier gleich trichter- oder urnenförmig an- gelegt werden. Das zugehörige Nephridium bleibt ontogenetisch unterdrückt; denn in Anbetracht der completen Uebereinstimmung der Capitella-Genitalschläuche mit denjenigen der übrigen Gattungen einer- und der unzweifelhaften Abhängigkeit der Genitalschläuche von Nephridien bei Tremomastus und Dasybranchus andererseits, kann kein Zweifel darüber herrschen, dass es sich in dem abweichenden Verhalten von Capitella nur um einen (auch schon bei Olistomastus, Mastobranchus und Heteromastus angebahnten) ontogenetischen Ausfall handele, und dass dem- gemäss in phylogenetischem Sinne die Genitalschläuche von Capitella ebenso wie diejenigen der übrigen Formen als im Anschlusse an und in Abhängigkeit von Nephridiumtrichtern ent- standene Gebilde betrachtet werden müssen. Capitella ist im ©' Geschlechte mit besonderen, offenbar der Copulation dienenden Greifwerkzeugen ausgerüstet. Es sind die hämalen Parapodien des 8. und 9. Segmentes, welche in S— 10 mm langen 'T'hieren sich bedeutend vergrössern und zugleich gegen die hämale Medianlinie zusammenrücken. An Stelle der ausfallenden normalen Borsten treten viel um- IX. Geschlechtsorgane. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 675 fangreichere, klauenförmige; die ursprüngliche Parapodmuskulatur wird durch eine viel mächti- gere, die Aus- und Einstülpung des ganzen Apparates bewirkende ersetzt, und zwischen den Copulationsborsten des 9. Segmentes entwickelt sich überdies durch Hauteinstülpung eine Kittdrüse. Interessant ist, dass im Genus Capitomastus auch bei den Weibchen ein derartiger Greifapparat zur Ausbildung gekommen ist. Allein bei Capitella findet Brutpflege statt. Die reifen & bauen nämlich festere Wohn- röhren als sonst, und der inneren Fläche dieser Röhren kleben sie mosaikartig ihre Kier auf. Die Mutterthiere bleiben bis zum Ausschlüpfen der Brut in ihren Gehäusen; niemals findet man letztere verlassen. Bei Ckstomastus treten die Geenitalschläuche zu keiner Zeit functionsfähig auf. Die Entleerung der Geschlechtsprodukte wird bei dieser Untergattung durch die Ablösung der von solchen Produkten überfüllten Abdomina ermöglicht, und gleichzeitig mit dieser Ablösung muss sich auch die Mischung der beiderlei Keimstoffe vollziehen. Mit dieser abweichen- den Entleerung der Geschlechtsprodukte gehen nun bei Clistomastus sehr auf- fallende regressive Metamorphosen der Haut, des Darmkanales und der Dis- sepimente einher, welche schliesslich zu einer vollständigen Degeneration führen, Meta- morphosen, deren Verlauf in den betreffenden Kapiteln des vorhergehenden 'T'heiles schon aus- führlich geschildert wurde, und auf deren Bedeutung im Physiologischen "Theile noch zurück- zukommen sein wird. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. Die Ausfuhrapparate der Geschlechtsprodukte wurden, insofern als es sich um ihre morphologischen Beziehungen handelt, schon im vorhergehenden Kapitel eingehend besprochen, so dass hier nur die Keimbildung zu betrachten übrig bliebe. Da sich nun aber gerade über Ei- und Samenbildung in der letzten Zeit eine sehr reiche Speciallitteratur angesammelt hat, und das betreffende Thema überdies weniger Fragen morphologischer, als histologischer Natur einschliesst, so nehme ich von einer vergleichenden Uebersicht (welche zudem viel mehr auf Nichtanneliden, als auf Anneliden sich zu beziehen vermöchte) Abstand und beschränke mich darauf, zwei Punkte hervorzuheben, nämlich die Abstammung der Keimprodukte und die Zellennatur des Eies. Was zunächst die Abstammung der Keimprodukte betrifft, so haben wir gesehen, dass bei allen Capitelliden lediglich das Peritoneum den Mutterboden für die Ausbildung der Sexualzellen darstellt. Dieses Resultat stimmt durchaus mit demjenigen überein, zu dem auch die grosse Mehrzahl aller anderen Autoren gekommen ist. Wenn wir davon abschen, dass je nach den Gattungen oder Familien bald die peritoneale Decke der Muskulatur, bald die- jenige der Septen, dann wieder der Mesenterien oder auch der Blutgefässe in den proliferirenden 85" 676 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Zustand geräth, so lässt sich auch für die Anneliden der Satz aufstellen: aus dem Peri- toneum entstehen die Keimstoffe. Alle die einzelnen Abhandlungen hier aufzuführen, welche Beiträge zur Begründung dieses Satzes geliefert haben, halte ich nicht für geboten; dagegen glaube ich diejenigen Angaben nicht unerörtert lassen zu sollen, die gegen die Allge- meingiltigkeit unseres Satzes zu sprechen ‚scheinen. In solchem Sinne könnte die Schilderung aufgefasst werden, welche CrararkpeE') von der Keimstoffbildung der Nereiden etc. geliefert hat. Bei den Nereiden und auch bei ge- wissen Terebelliden sind nämlich schon vor der Geschlechtsreife Theile der Gefässe sowie der Leibeshöhle von einem eigenthümlichen, fettähnliche Tropfen enthaltenden Bindegewebe über- zogen, welches nach UrararzpE eine Art Fettkörper darstellen soll. Das betreffende Gewebe nimmt in dem Maasse, als die Geschlechtsreife herannaht, immer mehr an Umfang zu, bis es schliesslich die Leibeshöhle fast ganz ausfüllt. Gleichzeitig bilden sich auf Kosten dieses Fettkörpers die Oo- und Spermatosporen. Was hier Crararepe dem Fettkörper vergleicht, ist nun nichts Anderes, als ein Produkt des die Gefässe und die Leibeshöhle überziehenden Peritoneums, und die Keimbildung der Nereiden etc. entfernt sich daher auch, principiell wenigstens, nicht von der der übrigen Anneliden. Ferner könnte gegen die Allgemeingiltigkeit des obigen Satzes KLeinengerg’s?) Schilderung der Entwickelung der Geschlechtsorgane von Lopadorhynchus geltend gemacht werden. Während man bisher bei Anneliden im embryonalen Zustande noch nie besondere An- lagen von Geschlechtsorganen nachzuweisen vermochte, vielmehr in allen Fällen erst im mehr oder weniger ausgewachsenen Zustande die Keimstoffe von dem Peritoneum aus zur Ent- wickelung kommen sah, giebt KrüiwengerG an, dass bei Lopadorhynchus die Geschlechtsorgane in Form eetodermaler, birnförmiger Einstülpungen oder Knospen angelegt werden. KLEINENBERG selbst hat sich zwar schon, in Anbetracht, dass sein Befund mit allem bisher bekannt Gewordenen so scharf contrastirt, gegen die Unterstellung verwahrt, dass er Anlagen eines anderen Systemes (speciell die am nächsten liegenden der Parapodialganglien) für solche von Geschlechtsorganen gehalten habe — gleichwohl wird man nach einer Be- stätigung dieses Befundes zu verlangen geneigt sein. Aber für den Fall auch, dass man die ectodermale Entstehung der Geschlechtsorgane genannter Anneliden als feststehendes Factum anerkennen muss, so wird doch durch diese Anerkennung die Giltigkeit unseres obigen Satzes nicht ermstlich gefährdet. Nach Kreimex- BERG'S") Auffassung giebt es nur zwei Keimblätter, nämlich Eeto- und Entoderm; was man traditionell als drittes Keimblatt oder Mesoderm betrachtet, besteht in Wahrheit aus genetisch ungleichwerthigen, nur scheinbar zu einer einheitlichen Masse vereinigten Bestandtheilen. »So entsteht«, sagt KLEiengers, »der bleibende Peritonealüberzug des Darmes bei Lopadorhynchus Di P- 8. cp... 105. 2) 1. p. 303. c. p. 166—167. 3)r1-7.23038 ep 19. & IX. Geschlechtsorgane. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden. 677 nicht direct vom Eetoderm, noch weniger aber von einem anderen Keimblatt, sondern aus der Umbildung eines 'Theiles einer ganz specifischen Gewebsanlage, der Muskelplatte. Das Peritonealepithel besteht aus umgewandelten Muskelzellen, und da die Muskelplatten direct vom Ecetoderm herkommen, sind sie in der eben aufgestellten Reihenfolge secundäre, die Peritonealhäute aber tertiäre Eetodermabkömmlinge «. Also liefe nach KreisenBEerg’s eigener Definition der ganze Unterschied zwischen Lo- padorhynchus und den anderen zur Untersuchung gelangten Anneliden darauf hinaus, dass bei ersterem die Geschlechtsorgane embryonal aus dem primären Ectoderme, bei letzteren dagegen erst später aus einem »tertiären Ectodermabkömmlinge« entstehen. Hinsichtlich des zweiten zu erörternden Punktes, nämlich der Frage nach der Zellen- natur des Eies möchte ich nur hervorheben, wie meine an den Capitelliden gemachten Er- fahrungen zu Gunsten der traditionellen, neuerdings wieder von KorscHerr!) gegenüber GörtE und Wir betonten Auffassung sprechen, derzufolge »auch das Ei |der Insekten) durch die Auf- nahme von Abscheidungsprodukten anderer Zellen seine Zellennatur nicht verliert, wenn es auch in Folge der reichlichen Aufnahme fremder Substanz den gewöhnlichen Umfang einer Zelle überschreitet. « Wir haben gesehen, wie bei den Capitelliden die Eibildung derart von statten geht, dass sich die Kerne einzelner Zellterritorien des Genitalplatten-Syneytiums bedeutend ver- grössern (zu Keimbläschen umbilden), und dass die zugehörigen Zellterritorien, so lange bis die Bildung einer Dotterhaut erfolgt, durch unmittelbare Einverleibung angrenzender, steril gebliebener Syneytiumpartien wachsen. Dieser (temporäre) Wachsthumsmodus wurde aus der Thatsache erschlossen, dass Junge Eier kurz vor, oder kurz nach der Dotterhautentstehung innerhalb ihrer bereits wohl individualisirten Zellsubstanz noch mehr oder weniger deutliche Kerne erkennen liessen, welche durchaus mit denjenigen des angrenzenden Synceytiums über- einstimmten. Hier bei unseren Anneliden liegt also das weiterhin, insbesondere bei Insekten, zu so complieirten Prozessen und Einrichtungen führende Verhältniss zwischen »Ei-« und »Nähr- zelle« noch ganz elementar vor, und es kann kein Zweifel darüber herrschen, dass während der ganzen Dauer dieses Verhältnisses das Ei nicht aufhört das zu bleiben, was es war, näm- lich Eine Zelle, die sich auf Kosten ihrer einst gleichwerthigen Nachbarindividuen vergrössert. Das Factum, dass eine Zelle zum Behufe der Ernährung oder des Wachsthumes andere Zellen auffrisst, sollte uns, die wir mitten in der Phagocytenlehre stehen, am wenigsten in unserem Glauben an die Zellnatur des Eies wankend machen können. Und dass man den Vorgang in der That so zu definiren vermag, das zeigt der folgende Passus aus einer Abhandlung y\ unseres besten Kenners der Phagocyten, nämlich MerscHnikorr's’). Er sagt: 1) KorscHett, E. Ueber die Entstehung und Bedeutung der verschiedenen Zellenelemente des Insekten- ovariums. Zeit. wiss. Z. 43. Bd. 1SS6. p. 690. 2) Merschnikorr, EB. Unters. über die intracelluläre Verdauung bei wirbellosen Tbieren. Arb. Z. Inst, Wien 5. Bd. 1883. Sep. Abd. p. 6—7. 678 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. »Als ein weiteres Beispiel von Nahrung aufnehmenden Ektodermzellen können fressende Eierstocks- eier solcher Thiere angeführt werden, bei denen sich die weiblichen Genitalprodukte notorisch aus dem Kktoderm bilden. Dahin gehören z. B. dıe Eier von Tubularia und nach KorornzrrF auch diejenigen von Hydra. Bei dem erstgenannten Ilydropolypen habe ich junge amöboide Kierstockseier ihnen benachbarte Genitalzellen auffressen und auch verdauen gesehen. Bei überwinternden Hydren sollen nach KorornErr die jüngeren Ektodermzellen die ältere Generation auffressen, eine Angabe, welche leider von dem Verfasser ohne Beweis aufgestellt ıst.« Auch für die Auffassung des Verhältnisses zwischen Eizelle und Eifollikel können die von den Capitelliden dargebotenen Erscheinungen aufklärend wirken. Geht doch aus diesen klar hervor, dass die Eifollikel nichts Anderes sind, als Theile derselben Membran, \ aus welchen die Eier selbst ihren Ursprung nehmen. X. Leibeshöhle. Das was bisher über die Leibeshöhle der Anneliden bekannt geworden ist, reicht noch nicht hin, um ein Bild des vergleichend-anatomischen Verhaltens innerhalb der Classe ent- werfen zu können, und aus diesem Grunde beschränke ich mich auf die: Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.” Die Leibeshöhle der Capitelliden ist durch ihre bedeutende Geräumigkeit sowie durch ihre reiche Gliederung ausgezeichnet. Beide Eigenthümlichkeiten beruhen wohl auf dem Mangel eines besonderen, geschlossenen Blutgefässsystemes, indem in Folge dessen das Cölom einerseits ausser der Perivisceralflüssigkeit (Lymphe) auch noch dem gefärbten Blute Raum zu bieten, und andererseits auch für die nutritiv-respiratorische Circulation der zur Hämolymphe vereinigten zwei Blutarten einzutreten hat. Die Unterabtheilung des Cöloms wird in erster Linie durch Fortsätze des Peri- toneums bewerkstelligt, und zwar theils durch Fortsätze des den ganzen Hausmuskelschlauch austapezierenden parietalen, theils durch solche des alle inneren Organe überziehenden vi- sceralen Blattes. Von hervorragender Bedeutung ist zunächst eine aus letzterem Blatte stammende Membran: die Genitalplatte, weil sie dem ganzen Körper entlang die Leibeshöhle in einen neuralen, continuirlichen und in einen hämalen, durch die Septa segmentirten Raum scheidet. Ich habe, nach den in ihnen beherbergten Organen, ersteren Raum Bauchstrangkammer und letztere Räume Darmkammern genannt. Die Darmkammern zerfallen durch die Mesen- terien des Tractus auch noch in rechte und linke Kammern. Durch dorsoventral gerichtete peritoneale Lamellen (Nierenplatten), welche zugleich die transversalen Muskeln einschliessen, kommen ferner mit Ausnahme von COlistomastus jeder- seits nach aussen von den Darmkammern und der Bauchstrangkammer Räume zu Stande, welche ebenfalls in den Bereich der septalen Gliederung fallen, nämlich die Nierenkammern. «) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil« p. 147—153, 202, 227—225, 214—245 und 257. 680 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) "Theil. Sie enthalten die Nephridien und Genitalschläuche.: Der Mangel der Nierenkammern bei Clistomastus ist keine ursprüngliche, sondern eine secundäre Erscheinung, wie daraus her- vorgeht, dass an den hinteren Segmentgrenzen, auch bei genannter Untergattung, noch eine Strecke weit die Nierenplatten erhalten zu sein pflegen. Als secundäre Cölomräume sind noch die im Bereiche der Parapodien und Kiemen gelegenen Parapodkiemenhöhlen zu erwähnen. Neural stellen sie Anhänge der Nieren-, hämal solche der Darmkammern dar. Die neuralen Höhlen sind am kräftigsten ausgebildet bei Notomastus und Dasybranchus, die hämalen bei einzelnen Arten von Tremomastus sowie bei Mastobranchus. Capitella ist, wie der Hakenwülste und Kiemen, so auch dieser Höhlen total verlustig gegangen. Ob die Kammern des hamales Darm -Mesenteruum Paranodium & al Kopflappens, insbesondere abdominales Seitenorgan hamaler Fangsmuskel. diejenigen, welche Gehirn- Hakentasche (.Kıeme) und Wimperorgane beher- bergen, ein besonderes Seg- ß ae ment repräsentiren, oder dem nebst transversaler - Muskulatur Cölom des Mundsegmentes zugerechnet werden müssen, dorsal-neuraler _ La ngsmuslcl lässt sich an den Vertretern unserer Familie um so weni- Nenhridium / auch ger entscheiden, als gerade neurales ‚-" Jaranodium = beiihnen die vordersten Disse- pimente durch die colossale Langsmushel g Entwickelung des Rüssels ver- „. Bauchstrang i Ringmuskulatur drängt worden sind. medtan neuraler Haut ee . Längsmuskel Für Capitella konnte über- aus wahrscheinlich gemacht werden, dass ihr Kopflappen dem Kopflappen plus Mundsegmente aller übrigen Capitelliden entspricht. Dadurch, dass die Bündel der Längsmuskulatur nicht dicht an einander liegen, kommen verschieden tiefe, vom Peritoneum ausgekleidete, mit dem Cölom communicirende Spalten zu Stande, von denen insbesondere Ein Paar medianer sowie Ein Paar seitlicher wegen ihrer continuirlichen Erstreckung hervorgehoben zu werden verdienen. Aus der hämal-medianen Spalte entspringt das betreffende Darmmesenterium, und die seitlichen, die Grenze zwischen der neuralen und hämalen Längsmuskulatur markirenden fallen mit den oft erwähnten Seiten- linien zusammen. Von einem Segmente zum anderen wird mit Ausnahme von Capitella die Communi- cation einzig und allein durch die Bauchstrangkammer hergestellt. Diese mündet nämlich am Ende eines jeden Zonites beiderseits in die Nierenkammern und letztere stehen einerseits mit den Parapod-, andererseits mit den Darmkammern in V erbindung. Bei Capitella dagegen X. Leibeshöhle. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 681 sind die Dissepimente jederseits an der Basis der Nierenkammern von sphincterartigen Oeff- nungen durchbohrt, so dass die Contenta der Darm- und Nierenkammern eines gegebenen Segmentes auch ohne Vermittelung der Bauchstrangkammer in ein davor oder dahinter gele- genes gelangen können. Da Capitella sowohl der specifischen Respirationsorgane, als auch der Parapodkiemenhöhlen entbehrt, so liegt es nahe, die Durchbohrung ihrer Septa mit der aus- schliesslichen Haut- und Darmathmung in Zusammenhang zu bringen; kann doch auf diese Weise das Blut in einen energischeren Austausch mit den beiden respirirenden Flächen ge- rathen, als wenn es nur die Communicationsöffnungen der Bauchstrangkammer zur Ver- fügung hätte. Mit der Aussenwelt steht die Leibeshöhle lediglich durch die Nephridien und die Genitalschläuche in Verbindung; anderweitige Poren fehlen bestimmt. Das Peritoneum stellt bei den Gattungen Notomastus, Dasybranchus und Capitella sowohl in seinen parietalen, als visceralen Abschnitten ein dünnes Epithel dar; nur an einzelnen Stellen, zum Beispiel im Bereiche der Parapodien, finden wir es zuweilen in ein saftigeres Gewebe, nämlich in sogenanntes blasiges Bindegewebe umgewandelt. Anders bei den Gattungen Mastobranchus und Heteromastus. Hier ist nicht nur das gesammte Peritoneum in einem im Vergleiche mit demjenigen der vorigen hypertrophischen Zustande, sondern es kommen auch segmentale, drüsige Anschwellungen zu Stande, von denen ein Theil wenigstens sicher- lich excretorischer Function dient, indem sich in deren Zellen die sonst nur einzeln im Peritoneum zerstreut vorkommenden Excretbläschen angehäuft finden. Dass die peritoneale Membran gerade bei Mastobranchus und Heteromastus in höherem Maasse als sonst zur Nieren- function herangezogen wird, dass sie gerade in diesen Gattungen in zahlreichen Segmenten Wucherungen bildet, welche man Nephridien ohne Ausführungsgänge nennen könnte, erscheint verständlich, wenn man bedenkt, dass in den genannten Formen die typischen Nephridien (wenigstens im erwachsenen Zustande) auf den hinteren Abschnitt des Abdomens beschränkt bleiben. Bei allen Capitelliden können endlich noch gewisse Partien des Peritoneums periodisch ein verändertes Ansehen annehmen; so die Genitalplatte als Keimepithel zur Zeit der Ge- schlechtsreife; dann auch verschiedene Stellen des parietalen Blattes, wenn sie behufs Erzeu- gung von Hämolymphelementen in einen wuchernden Zustand gerathen. Von den das Cölom abtheilenden peritonealen Membranen sind die Nierenplatten und die Dissepimente durch einen deutlich zweischichtigen Bau sowie durch eine kräftige, zwischen den respectiven beiden Blättern verlaufende Muskulatur ausgezeichnet. Die von den Nierenplatten eingeschlossenen contractilen Elemente stellen die transversale Stammesmus- kulatur dar; ihre Fasern entspringen hämal stets aus dem lHautmuskelschlauche, und zwar im Bereiche der Seitenlinie, neural dagegen können sie sich entweder am Bauchstrange ansetzen (Mastobranchus) oder im Bereiche dieses Organes (so wie hämal) im Hautmuskel- schlauche ausstrahlen. Die contractilen Fasern. der Septa entspringen im ganzen Umkreise des Körpers aus der Stammesmuskulatur (respeetive inseriren sich in derselben!); der Zo0ol. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. Sb 682 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Verlauf dieser Fasern ist in den meisten Fällen ein ganz unregelmässiger; nur im Abdomenende von Notomastus kommt es zuweilen vor, dass die betreffende Muskulatur sich gitterförmig anordnet. Die Dissepimente gehören zu denjenigen Organen, welche bei Clistomastus mit in die so eigenthümlichen degenerativen, während der Geschlechtsreife auf- tretenden und in vollkommenen Gewebszerfall auslaufenden Metamorphosen hereingezogen werden. Wie in der Haut und im Darme, so wird auch hier der Prozess durch eine bedeutende Kernvermehrung eingeleitet, die Zellgrenzen verschwinden und die in ihre Fibrillen zerfallenden Muskeln ordnen sich (ähnlich wie es normal am Abdomenende vorkommt) gitterförmig. Gleich nach dieser ihrer Gruppirung werden die Muskeln durch Wucherungen des septalen Epithels schlauchförmig umhüllt, so dass sie nun ein mächtiges Balkenwerk darstellen. Weiterhin schmilzt der periphere Theil jedes Muskelbündels zu einer homogenen Masse, und der centrale, noch erhaltene 'Theil umgibt sich mit einer structurlosen Membran. Sodann schmilzt auch das centrale Bündel, und an Stelle der ursprünglichen Muskel- gitter finden sich je zwei ineinandersteckende Schläuche, deren Inhalt immer mehr das An- sehen einer wässrigen Flüssigkeit annimmt. Schliesslich fällt auch hier das Ganze der Auf- lösung anheim. X1. Blut (Hämolymphe). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden.” Sämmtliche Capitelliden entbehren der Blutgefässe. In ihrer Perivisceralhöhle finden wir daher auch die Lymphe (Perivisceralflüssigkeit) und das gefärbte Blut als »Hämolymphe« vereinigt. Alle übrigen Contenta des Cöloms, wie Geschlechtsprodukte, Excretstoffe etc. er- scheinen als Beimengungen dieser Hämolymphe und circuliren gemeinsam mit ihr. Dieser Mangel an Blutgefässen wird durch die im vorigen Kapitel beschriebene, complicirte Glie- derung der Leibeshöhle einigermaassen aufgewogen. Als Längsgefässstamm fungirt allein die Bauchstrangkammer; denn nur durch sie kann (Capitella ausgenommen) das Blut vom einen Ende des Körpers in das andere hin- oder zurückfliessen. Durch die segmental sich wieder- holenden, die Bauchstrangkammer mit den Nieren- und diese mit den Parapodkiemen- und Darmkammern in Verbindung setzenden Durchbohrungen ist dem Blute die Möglichkeit ge- geben von Segment zu Segment alle diese Räume zu durchfliessen. Als propulsatorisches Organ fungirt, abgesehen von den contractilen Kiemen, allein der Hautmuskelschlauch. Durch mehrere rasch nacheinander am Kopfende auftretende, sich peristaltisch fortpflanzende Contractionen wird das in der Bauchstrangkammer enthaltene Blut schwanzwärts gepresst; aber nur ein kleiner Theil passirt direct diese Kammer, die Haupt- masse fliesst in allen Segmenten je durch die erwähnten Oeffnungen zum Behufe der Athmung in die Parapodkiemenhöhlen, von da in die Darmkammern und aus diesen endlich in die Nieren- kammern und Bauchstrangkammer zurück. Am Schwanzende angelangt, wechselt die Stromes- richtung, indem durch mehrere an diesem Ende beginnende Contractionen das hier aufge- staute Blut in ganz ähnlicher Weise unter Versorgung der segmentalen Cölomräume wieder nach dem Kopfe hin befördert wird. Diese Blutbewegung ist im gesunden '[hiere, wie sich insbesondere an der regelmässigen Füllung und Leerung der Kiemen constatiren lässt, eine rhythmische, so dass die Capitelliden zwar der specifischen Blutgefässe, aber nicht der Bluteirculation ermangeln. Hierzu kommt noch, dass alle faserigen Gewebe in auffallender a) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 153—167, 202—203, 228, 245—246 und & l > 238—289. s6* 684 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Weise von Lücken durchsetzt werden, Lücken, welche man insbesondere in ihren Anfängen, wo sie vom Peritoneum ausgekleidet werden, ebenso den Blutcapillaren vergleichen kann, wie die peritonealen Unterabtheilungen des Cöloms den Blutgefässstämmen. Freilich, ar- terielle und venöse Bahnen zu unterscheiden ist bei solcher Art von Cireulation nicht möglich, da sich ja das in den Kiemen geathmete Blut sofort mit dem übrigen wieder vermischt und überdies Haut und Darm einen sehr wirksamen Antheil an der respiratorischen 'Thätigkeit nehmen. Nur Capitella ist in Folge der sphincterartigen Durchbohrungen seiner Dissepimente in Stand gesetzt, die Blutflüssigkeit ausser auf dem Wege durch die Bauchstrangkammer auch direct von Segment zu Segment fortzuleiten. Diese Acquisition hängt wahrscheinlich mit dem Mangel besonderer Kiemen (und Parapodkiemenkammern) und der dadurch bedeutend ge- steigerten Haut- und Darm-Respiration zusammen. Das Blut der Capitelliden ist durch das Vorwalten der festen Elemente gegenüber dem Plasma ausgezeichnet. Diese Elemente sind zweierlei, nämlich gefärbte und ungefärbte. Die ungefärbten oder weissen Blutkörperchen (L,ymphkörper, Leucocyten) stellen bei allen Capitelliden blasse, formveränderliche, durchschnittlich 10 p grosse Plasmaklümpchen dar. Sie enthalten zahlreiche Körnchen und Vacuolen, sowie auch d4—5 p. grosse, im frischen Zustande oft schwer nachweisbare Kerne. In den meisten Fällen erscheinen sie mit pseudo- podienartigen Fortsätzen besetzt, und zwar bald nur an einer Seite, bald allseitig (stechapfel- förmig). Sobald sie sich (in dem dem lebenden 'T'hiere entnommenen Präparate) berühren, verschmelzen sie zu Plasmodien, welche nun ihrerseits ebenso Pseudopodien aussenden wie früher die einzelnen Körperchen. Ausser den durchschnittlich 10 x im Durchmesser auf- weisenden werden auch bei allen Arten einzelne kleinere, 5—6 x messende angetroffen, welche wahrscheinlich durch 'T'heilung entstandene Entwickelungsstadien darstellen. Unvergleichlich viel zahlreicher als die weissen sind die gefärbten Blutkörper; erstere können letzteren gegenüber in der Regel geradezu verschwindend genannt werden; nur aus- nahmsweise trifft man (aus vorläufig nicht feststellbaren Ursachen) ein anderes Verhältniss der beiden Blutarten. Die Form der farbigen Blutkörper ist die kreisrunder, überall gleich dicker Scheiben. Ihre Substanz ist elastisch, klebrig und anscheinend durchaus homogen; eine Membran ist nicht vorhanden. In dicker Schicht schwankt die Farbe der Blutscheiben zwischen Carmoisin- und /innoberroth; einzeln betrachtet erscheinen sie bei Olistomastus, Dasybranchus und Capitella gelbgrün, bei Tremomastus, Mastobranchus und Heteromastus dagegen citronen- oder schwefelgelb. Bei allen Gattungen der Familie konnte sowohl spektroskopisch, als auch auf chemischem Wege (durch Darstellung des Hämins) das Vorhandensein von Hämoglobin nachgewiesen werden; auch die Krystalle dieses Farbstoffes kamen, sei es durch spontane, sei es durch künstlich provocirte Krystallisation zur Beobachtung. Die Grösse der einzelnen Blutkörper schwankt bedeutend; doch liess sich bei allen Formen eine für die meisten je in einem T'hiere vorkommenden Scheiben constante Mittel- XI. Blut (Hämolymphe). 1. Vergleichende Zusammenfassung der Capitelliden. 685 grösse feststellen, und diese Grösse wurde von der Körpergrösse als durchaus unabhängig be- funden. Auch in den einzelnen Arten nimmt die Blutzellengrösse nicht mit der Körpergrösse zu oder ab, wie am besten Dasybranchus illustrirt, dessen winzige Species D. Gajolae ebenso umfangreiche Scheiben besitzt, wie die riesige Species D. caducus. Dass endlich auch be- züglich der Gattungen keinerlei Abhängigkeitsverhältniss zwischen den beiden Grössen herrscht, geht aus der 'IThatsache hervor, dass trotz des so bedeutenden Contrastes ihrer Körpervolumina Notomastus und Dasybranchus Blutscheiben von gleichem Durchmesser aufweisen; höchstens liesse sich gegenüber Dasybranchus und Notomastus einer- und den folgenden drei Gattungen andererseits eine Abnahme constatiren, wobei aber wieder störend wirkt, dass die eine Dasy- branchus-Species durchschnittlich viel kleiner, als die meisten Notomastus-Species zu sein pflegt. In nachfolgender Liste gebe ich das Mittel zahlreicher an den einzelnen Arten vorge- nommener Messungen (Diameter in p); es folgen die Gattungen der ungefähren Körpergrösse nach untereinander. Die kleinsten Die grössten Maasse der Scheiben messen: Scheiben messen: meisten Scheiben: Dasybranchus 12 24 20 Notomastus : 12 24 20 Mastobranchus 10 20 18 Heteromastus 10 20 16 Capitella ) 20 16 Ausser den scheibenförmigen finden sich bei allen Capitelliden auch einzelne nur 6—S p. grosse, kugelförmige Blutkörper, welche hinsichtlich der Färbung vollständig mit ersteren über- einstimmen; sie stellen wohl Entwickelungsstadien, also Hämatoblasten, dar. Sowohl die Hämatoblasten, als auch die reifen Scheiben sind ausnahmslos mit Kernen versehen. In den Scheiben treten letztere meist als hellere, 4—6 p. grosse, runde Platten hervor; zuweilen aber erscheint auch ihr Contour unregelmässig, wie if zahlreiche Fortsätze auslaufend. Wir haben wohl die letztere Form als das active und die erstere als das ruhende Stadium zu betrachten. Aus einer eingehenden, hauptsächlich an Olistomastus angestellten Untersuchung ihrer Structur hat sich ergeben, dass das homogene Anschen der lebendigen, reifen Blutscheiben nur ein scheinbares ist. In Wirklichkeit erweisen sie sich als aus zwei ganz heterogenen, während des Lebens auf's Innigste untereinander verbundenen Substanzen aufge- baut. Von diesen beiden (durch gewisse Reagentien trennbaren) Bestandtheilen ist der eine farblos und bildet das der Scheibe zu Grunde liegende Gerüstwerk, der andere dagegen ist Träger des Hämoglobins und erscheint normal (sammt Kern) dem Gerüste einverleibt. In Anbetracht der so grossen zwischen den Blutscheiben der Capitelliden einer- und denjenigen der poikilothermen Vertebraten andererseits herrschenden Uebereinstimmung, habe ich auch bei ersteren die beiden Scheibenbestandtheile durch die im Kreise der letzteren ein- geführten Namen Zooid und Oikoid unterschieden. 686 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. Eine der auffallendsten Eigenthümlichkeiten der gefärbten Blutelemente unserer Familie wird durch ihre ausserordentlich rege Theilnahme an der excretorischen Thätigkeit be- dingt. Wir finden nämlich in den Blutscheiben aller Gattungen eine wechselnde Zahl meist dunkler gefärbter, in Grösse, Form und Structur überaus variirender Körperchen, welche nicht nur im Habitus, sondern auch im chemischen Verhalten vielfach mit den Excretbläschen und Concretionen der Nephridien übereinstimmen. Während sie in der Regel nur I—3 p gross auftreten, erreichen sie in einzelnen Arten der Untergattung Tremomastus bis 10 p lange Durchmesser, so dass das Blut der respectiven Formen ein ganz getigertes Ansehen darbietet. Einzelne Scheiben pflegen derart von Excretkörpern angefüllt zu sein, dass ihr Weiterfun- giren (sei es im respiratorisch-nutritiven, sei es im excretorischen Sinne) kaum möglich er- scheint; wir finden denn auch bei allen Formen gelegentlich Klumpen solcher in excretori- scher '[hätigkeit degenerirter Blutkörper im Cölom flottirend, und zwar in der Regel von Leucocyten membranartig eingekapselt. Bei Tremomastus und Heteromastus habe ich häufig solche Blutscheiben-Conglomerate im hinteren Abschnitte der Abdomina segmentweise auf- treten sehen; auch in diesem Falle waren sie membranartig eingekapselt, aber nicht durch die Plasmodien von leucocyten, sondern durch Fortsätze des Peritoneums. Schnitte durch solche Conglomerate erinnern so sehr an diejenigen von Nephrtdien, dass man sie damit ver- wechseln könnte, wenn nicht die typischen Nierenorgane daneben vorhanden wären. Gegenüber einem so beträchtlichen jeweiligen Untergehen von Blutscheiben kann die Thatsache, dass fast bei allen Gattungen Quellen der Neubildung solcher angetroffen werden, nicht auffallend erscheinen. Es sind an sehr verschiedenen Stellen auftretende Wucherun- gen des Peritoneums, aus denen bald mit Leucocyten, bald mehr mit gefärbten Blutele- menten übereinstimmende Zellgebilde hervorsprossen. Daneben findet aber, wie ich mich bei Notomastus lineatus überzeugen konnte, auch Vermehrung der Blutscheiben durch Theilung, und zwar durch indirecte oder mitotische 'T'heilung statt. Bei Capitella capitata begegneten mir nicht selten Fälle von Melanämie. Die in diesem pathologischen Zustande befindlichen 'Thiere (es sind hauptsächlich geschlechtlich erschöpfte sowie lange in Gefangenschaft gehaltene) lassen sich durch ihr vom gesunden, rothen scharf abstechendes grau-braunes Aussehen schon mit blossem Auge unterscheiden. Ihre einzelnen Blutscheiben, in denen die Kerne scharf hervortreten, erscheinen anstatt grünlichgelb, weiss; nur in dicker Schicht entsteht ein schwacher carmoisinrother Schein, der beweist, dass noch Spuren von Hämoglobin vorhanden sind. Die bedeutend vergrösserten Exeretbläschen sind nicht mehr gelb, sondern blaugrün bis schwarz, so dass sich das Gesammtblut wie eine srünschwarz getigerte Masse ausnimmt. In Vorstufen zu dieser Modification habe ich die einzelnen Blutscheiben anstatt weiss, grünlich und die noch gelben Excretbläschen von blau- grünen Höfen umgeben gefunden, woraus hervorgeht, dass die späteren, grösseren, dunkel- blaugrün oder schwarz gefärbten Excretbläschen sich im Anschlusse an die normal bestehen- den, und zwar offenbar auf Kosten des Scheibenhämoglobins ausbilden. Schliesslich sei noch erwähnt, dass die eigenthümliche, an den beiden Körperpolen von XI. Blut (Hämolymphe). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden ete. 687 Capitella auftretende Pigmentirung dadurch bedingt wird, dass (in exeretorischer Thätigkeit erschöpfte) Blutscheiben, respective Partikel solcher zwischen Hypodermis und Cutieula de- ponirt werden. 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden sowie auch mit anderen Thierclassen. Die Capitelliden theilen mit nur wenigen anderen Anneliden, nämlich mit den Gly- ceriden und gewissen Terebelliden (Polyeirriden), die Eigenthümlichkeit typischer Blutgefässe zu entbehren. Gegenüber diesem Mangel der Blutgefässe entsteht nun die Frage, ob darin eine primäre, oder eine secundäre Erscheinung vorliegt, ob mit anderen Worten die genannten Anneliden als solche zu betrachten sind, welche Gefässe überhaupt nicht erworben, oder aber als solche, welche die Gefässe verloren haben. Gegen die erste Alternative spricht: erstens, dass von den so zahlreichen Anneliden- familien nur drei diesen Gefässmangel aufweisen; zweitens, dass die nächsten Verwandten der Gefässlosen (was die Capitelliden betrifft, die Polyophthalmiden, Maldaniden und Oligochaeten und, was die Glyceriden betrifft, die Nephthydiden) Gefässe besitzen; drittens, dass in ein und derselben Familie, nämlich bei den Terebelliden, gefässführende und gefässlose Gattungen (Polyeirrus) nebeneinander vorkommen; viertens endlich die Thatsache, dass Eine Capitelliden- form, und zwar Mastobranchus, Rudimente eines Darm- oder Blutsinus besitzt. Die Bedeutung des zuletzt hervorgehobenen Motives liegt darin, dass der Darm- oder Blutsinus das erste Element des in der Annelidenlarve zur Entwickelung gelangenden Blutgefässsystemes repräsentirt, und dass es, wie SatEnskY') gefunden hat, eben dieser Sinus ist, von dem (bei Terebella) die Bildung der grossen Körpergefässstämme ausgeht. Für die Capitelliden habe ich nachweisen können, wie der Mangel der Blutgefässe bis zu einem gewissen Grade durch die auffallend complieirte Gliederung des Cölomes auf- gewogen wird, und wie es insbesondere diese Gliederung ist, durch die trotz der Gefässlosig- keit eine Art von Bluteireulation zu Stande kommt. Was mag nun aber die Ursache sein, welche dazu geführt hat, dass die ursprünglichen Gefässe sich rückbildeten und das Cölom vicariirend an ihre Stelle trat? Ich glaube, es ist die locomotorische Bedeutung der perivisceralen Flüssigkeit (Lymphe), welche es bewirkt hat, dass sich ihr all- mählich auch die in den Gefässen eingeschlossene Blutart beimischte. Auf diesen Gedanken brachte mich die 'Thatsache, dass sowohl bei den Capitelliden, als auch bei den Glyceriden hauptsächlich die Kraft des Hämolymphstromes den so mächtig entwickelten (als Bohrwerkzeug fungirenden) Rüssel zur Ausstülpung bringt. 1) 1. p. 351. Tome 4. V. Terebella c. p. 252—256, 688 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. ) Während bei allen mit Blutgefässen ausgerüsteten Anneliden der Blutfarbstoff an das Blutplasma gebunden erscheint und in den Gefässen nur ganz vereinzelte, farblose Blutkörperchen vorkommen, finden wir bei den gefässlosen umgekehrt den Blutfarbstoff an eine ausserordentlich grosse Zahl von Blutscheiben gebunden. Dieses Factum war schon ÜULAPAREDE!) aufgefallen; er sagt nämlich in seiner Beschreibung des Grupe'schen Polyeirrus: »Il est curieux de constater lidentite de la composition morphologique de ce sang avec le sang des Glyceres, des Capitelles et des Notomastus. Il semble que la disparition des vaısseaux sanguins chez les Annelides entraine l’apparition dans le liquide periviseeral de globules generalement colores d’un rouge plus ou moins intense.« Eigenthümlich ist dieses Factum auch in der Hinsicht, dass in einem anderen 'Thier- stamme, welcher durch farbiges Blut führende Gefässe ausgezeichnet ist, nämlich bei den Verte- braten, der Blutfarbstoff nicht an dem Plasma, sondern an den Blutscheiben haftet. Die farbigen (hämoglobinhaltigen) Blutkörper der gefässlosen Anneliden zeigen unter sich eine auffallende Uebereinstimmung. Bei den Capitelliden sowohl, als auch bei den Glyceriden und Terebelliden stellen sie gleicherweise kreisrunde, mit Kernen ver- sehene Scheiben dar. Gross ist auch die Uebereinstimmung, welche diese Scheiben mit denjeni- sen der Vertebraten, speciell der Fische darbieten. Nahezu allen Forschern, welche das Blut der betreffenden Anneliden zu untersuchen Gelegenheit hatten, ist diese Aehn- lichkeit aufgefallen. So sagt Quarkerages?) von den Scheiben der Glyceriden: »Ici les globules offrent la plus grande ressemblance avec ceux des Vertebres.« Ferner Van BENEDEN’) von denjenigen der Capitella: . ... . »des globules qui affectent tous les caracteres des glo- bules ordinaires du sang des animaux vertebres.« Und Crararepe!) von den nämlichen: » de petits corpuscules rouges qui ressemblent beaucoup aux corpuscules du sang de Uhomme« etc. Ich selbst habe durch eine eingehende Untersuchung der Blutscheiben von Notomastus den Nachweis liefern können, dass diese Aehnlichkeit nicht etwa nur den Habitus, sondern auch die Structur betrifft. Es genügt in dieser Hinsicht an das Eine Factum zu erinnern, dass durch Einwirkung gewisser Reagentien die Capitellidenscheiben ebenso in die zwei charakteristischen Bestandtheile (Zooid und Oikoid) zerlegt werden konnten, wie die- jenigen der Vertebraten. Wir haben gesehen, dass bei den Capitelliden die rothen Blutscheiben durch Theilung sich vermehren, dass aber ausserdem sowohl solche Scheiben als auch Leucocyten an sehr verschiedenen Stellen des parietalen Peritoneums sich abschnüren können. Eine ähnliche Genese von Blutkörpern aus dem parietalen Peritoneum hat schon Levoi@’) bei durchsichtigen Anneliden beobachtet; er definirte den Vorgang als Knospung. NAEDZ Dre. Pw2iE 2) QUATREFAGES, A. KEtudes sur les T'ypes Inferieurs de !’Embranchement des Annel&s. Sur la circulation des Annelides. Ann. Sc. N. (3) Tome 14. 1850. p. 288. XI. Blut (Hämolymphe). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. 689 Die Mehrzahl der Angaben bezeichnet nun aber die Gefässwandungen als Heerde der Blutkörperbildung. So fasste Kurrrer!) die sogenannten Klappen im Rückengefüsse von Piscicola als blutbereitende Organe auf, und Leyvis?) schloss sich dieser Deutung an. Auch in einer der neuesten Arbeiten über Hirudineen, nämlich in der Bourne’s®), werden die Blut- gefässe, und zwar die capillaren Gefässe, als die Orte vermuthet, an denen die Entstehung von Blutkörpern stattfindet. Ferner kam VenovskY') zu dem Schlusse, dass die Blutkörper- chen der Oligochaeten, ja wahrscheinlich sämmtlicher Annulaten, aus den Zellen der Gefäss- wandungen ihren Ursprung nehmen. Wenn man bedenkt, dass auch die Gefässwandungen vom Peritoneum abstammen, so wird man dem Unterschiede, ob Lymph- und Blutkörper aus dem Leibeshöhlenepithel, oder aber aus den Membranen der Blutgefässe hervorsprossen, keinerlei principielle Bedeutung zuzugestehen vermögen. Haben wir ja überdies durch KÜrenxtHAL°’) erfahren, dass Leucocyten bei Oligochaeten ihren Ursprung gleicherweise aus Zellen der Leibes- wie aus solchen der Gefässwandungen nehmen können. Zu den interessantesten Erscheinungen, welche uns die Hämolymphe der Capitelliden darbot, gehört jedenfalls ihre so rege Antheilnahme an der excretorischen Thätigkeit. Wenn auch hinsichtlich des Maasses dieser Thätigkeit unsere Familie vorerst einzig in der Classe dastehen dürfte, so gilt das doch in keiner Weise für die excretorische Function der Blutkörper überhaupt. Wenig ist zwar das betreffende Gebiet erforscht, aber das Wenige spricht doch für eine weite Verbreitung der fraglichen Vorgänge. Einen eclatanten Fall von excretorischer Thätigkeit bieten die insbesondere durch CrLAParepe's“, Beschreibung bekannt gewordenen, so eigenthümliche Stäbchen enthaltenden Lymphkörperchen von Ophelia. Die Räthselhaftigkeit dieser Körperchen, respective ihrer Stäbchen wurde oft betont, und doch hatte Crararepe die Auflösung des Räthsels schon mehr als angedeutet, indem er von ihnen schrieb: »La valeur physiologique de ces singuliers corps est tres problematique. Peut-etre doit-on y voir des substances exceretionelles. Leur apparence est celle de la Chitine, mais*) leur insolubilite dans l’acıde acetique et l’acıde azotique etendus ou concentres est complete.« Der ganze Unterschied zwischen diesen Ophelia-Leucocyten und den uns von den Capi- telliden her bekannten Hämolymphelementen läuft darauf hinaus, dass in letzteren das Excret in Form rundlicher Concretionen, und in ersteren in Form eigenthümlicher Stäbe zur Aus- scheidung gelangt. Von hervorragender Bedeutung ist sodann der durch KükextHan’) gelieferte Nachweis, l) Kuprrer, C. DBlutbereitende Organe bei den Rüsselegeln. Zeit. Wiss. Z. 14. Bd. 1864. p. 337. 2) 1.2p.2308.2e.2p., 283. 3) 1. p. 664. c. p. 452. AED 3658 pr 19: dl. p. A40Serp. 3371- 6) 1. p. 8. c. p. 287—289. 7) 1. p. 440. c. p. 338. *) Dieses »mais« ist wohl ein lapsus calami? Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. S7 690 B. Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil. dass die sogenannten Chloragogenzellen der Oligochaeten excretorisch wirksame Lymphkörperchen darstellen. Diese Lymphkörper sollen sich nämlich nach KürentnaL an die Wandungen der Blutgefässe ankleben, die auf den Wandungen letzterer befindlichen Körnchen aufnehmen, sich sodann (als Chloragogenzellen) ablösen und zuletzt in einen schwärz- lichen Detritus zerfallen, der durch die Nephridien nach aussen entleert wird. Zu den hämolymphatischen Excretionsorganen rechne ich endlich auch die braunen Stränge oder Schläuche in den Rückengefässen der Terebelliden und Cirratuliden. ÜLAPAREDE'), dem wir die ersten zutreffenden Nachweise über diese merkwürdigen Or- gane zu verdanken haben, kam dieser Deutung schon sehr nahe, indem er folgende, nach Küxentnar's Erforschung der Chloragogenzellen sich um so wahrscheinlicher erweisende Ver- muthung aussprach: »La signification de ces organes est entierement obseure. Il faut peut-etre les assimiler a la sub- stance chloragogene. Il est au moins a noter que les Annelides chez lesquelles on connait jusquiei les masses intravaseulaires, n’ont jamais de revetement externe de chloragogene A leurs vaisseaux. Il y aurait alors des depöts de chloragogene tantöt externes, tantöt internes.« In der That lassen sich diese, wie wir im physiologischen Theile noch. sehen werden, mit Excretionsprodukten erfüllten, aus Zellen zusammengesetzten Schläuche innerhalb der Gefässe am besten den ebenfalls Excretpartikel in sich aufnehmenden Zellen ausserhalb der Gefässe also den Chloragogenzellen vergleichen, und ich schlage daher auch für sie den Namen: intravasale Chloragogendrüsen*), (im Gegensatze zu den extravasalen Chlor- agogenzellen) vor. SıvenskyY?) hat bei Terebella schon im Larvenstadium das Vorhandensein dieser von ihm als »corps cardiaque« bezeichneten Drüse nachweisen können und seine Angaben machen es sehr wahrscheinlich, dass die Chloragogendrüsen aus den Wandungen des Rückengefässes her- vorgehen, also aus denselben Peritonealgebilden, aus denen auch die Hämolymphelemente ent- stehen, womit die Einheit dieser verschiedenartigen excretorisch thätigen Blutzellen und Blut- drüsen auch in morphologischem Sinne gewährleistet wäre. Kenner”), der ein ähnliches, nur viel primitiveres »pigmentirtes Organ«, wie es ULa- PAREDE von Cirratuliden und Terebelliden beschrieben hatte, im Rückengefässe von Ctenodrilus auffand, hält dasselbe ebenfalls für ein Mesodermgebilde. 1) 1. p. 308. (Rech. Annel. Sed.) c. p. 95. 2) 1. p. 351. Tome 4. V. Terebella c..p. 256. 3) 1. p. 466. c. p. 386—388. ‘) »Organe de couleur sombre«, »organe brun«, »corps cardiaque«, »dunkle braunschwarze Masse«, »Herz- körper«, »räthselhaftes Organ«, » charakteristisches Darmorgan«, »pigmentirtes Organ « — diese Blumenlese der bisher gebrauchten Namen wird es rechtfertigen, wenn ich den Wunsch ausspreche, dass man sich doch zu Gunsten des von mir vorgeschlagenen Terminus: »intravasale Chloragogendrüsen« einigen möge. Der Ausdruck »Chlor- agogen« ist nun einmal für die verwandten extravasalen lymphatischen Exeretionszellen schon eingebürgert und der physiologische Nonsens dieses »Chloragogenbegriffes« ist ja für den morphologischen Gebrauch nichts weniger als nachtheilig. Haben wir es mit den betreffenden Organen im physiologischen Sinne zu thun, so hindert ja nichts, von ihnen, so wie es oben geschah, als von »hämolymphatischen Excretionsorganen« zu sprechen. XI. Blut (Hämolymphe). 2. Vergleich der Capitelliden mit anderen Anneliden etc. 691 Horsr'), der Chloragogendrüsen als constantes Vorkommen im Rückengefässe der Chloraemiden nachweisen konnte, ist dagegen geneigt dieselben vom Entoderme abzuleiten, indem er sich dabei auf einen hinten mit dem Darme zusammenhängenden und vorne in das Rücken- gefäss übergehenden, drüsenartigen Körper stützt, der zuerst von Buchnorz und VEIDOVSKY von Enchytraeiden beschrieben wurde. Zu Gunsten der Vergleichbarkeit der »Darmorgane« der Enchytraeiden und der » Herz- körper« der anderen Anneliden hat sich sodann auch Micnaersen’, ausgesprochen, und be- züglich der Function der Herzkörper schliesst sich dieser Autor CraPArtoe an, mit dem er annimmt, dass sie derjenigen der Chloragogenzellen gleich, in der »Reinigung des Blutes von unbrauchbaren, vielleicht schädlichen Stoffen« bestehe. SteEn®), der die in Rede stehenden Organe bei Terebellides aufgefunden hat, vermuthet dagegen, dass sie dazu dienen möchten, »ein etwaiges Zurückströmen des Blutes, welches durch die Contractionen der Kiemen veranlasst werden könne, zu verhindern.« Schliesslich sei noch erwähnt, dass, wie Horsr') mit Recht bemerkt, auch das von E. Meyer’) aus dem Rückengefässe von Polyophthalmus beschriebene »sonderbare Organ « hierher gehört, so dass nach alledem die Chloragogendrüsen in der Classe der Anneliden in ziemlich weiter Verbreitung vorkommen. ) Horst, R. Ueber ein räthselhaftes Organ bei den Chloraemiden. Z. Anzeiger. $. Jahrg. 1885. p. 12—15. ) MicHartsen, W. Ueber Chylusgefässsysteme bei Enchytraeiden. Arch. Mikr. Anat. 25. Bd. 1856. p. 301. ) 1. p. 466. c. p. 42. AU]. p. 691. c. p. 14. Elep- 310. 0.7p. 815. Ö. Physiologischer Theil. Wenn schon in dem vorhergehenden T'heile die einzelnen Organsysteme in sehr un- gleichmässiger Weise Berücksichtigung fanden, so wird dies, der Natur der Sache nach, in noch viel höherem Grade in dem nun folgenden der Fall sein. Nur solche Organe oder Organtheile der in dieser Monographie behandelten 'Thiergruppe, deren Function noch unauf- geklärt ist, sowie solche, bei denen das Studium der Function zu Schlüssen von allgemeinerem Interesse geführt hat, werden uns beschäftigen. I. Darmkanal. 1. Ueber die in den Darmepithelzellen enthaltenen gefärbten Elemente.” In den entsprechenden Kapiteln der vorhergehenden Theile wurde hervorgehoben, dass die Magendarmzellen aller Capitelliden verschiedenartig gefärbte Elemente zu enthalten pflegen. Am auffälligsten in dieser Hinsicht erwies sich Capitella, weshalb ich auch speciell diese Gattung etwas eingehender auf die betreffenden Pigmente hin untersucht habe. In der halbflüssigen, homogenen Substanz von Magendarmzellen solcher Thiere liessen sich folgenderlei gefärbte Körper‘) nachweisen: I) Verschieden grosse, lebhaft gelb oder orange tingirte, hüllenlose Tropfen von öl- artigem Ansehen. 2) Bläschen mit ähnlichem festeren, aus einer oder mehreren Kugeln bestehenden In- halte. (Es kommen auch solche Bläschen mit farblosen Kugeln vor., 3) Unregelmässig geformte Körner, welche gelb, grün oder farblos sein können. Die Häufigkeit dieser Körper ist je nach den Individuen und physiologischen Zuständen %) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil« p. 42, 173, 210, 235 und. 257; ferner: »Ver- gleichend-Anatomischer (Morphologischer) 'Theil« p. 431; endlich auch Taf. 33. a) Taf. 33. Fig. 21—23. I. Darmkanal. 1. Ueber die in den Darmepithelzellen enthaltenen gefärbten Elemente. 693 grossen Schwankungen unterworfen. So findet man die unter 1) und 2) aufgeführten viel zahlreicher in hungernden, als in frisch eingefangenen T'hieren, und die unter 3) aufgeführten bieten insofern einen grossen Wechsel des Auftretens dar, als die grünen Körner in gleicher Menge wie die gelben, oder in viel geringerer Menge, oder endlich gar nicht vorkommen können. Hinsichtlich der chemischen Beschaffenheit hat sich Folgendes ergeben: Gegenüber der Einwirkung von Wasser verhalten sich alle oben aufgezählten Elemente indifferent. Concentrirte Essigsäure bewirkt in vielen Bläschen (2) einen körnigen Zerfall, andere aber erwiesen sich auch nach 24stündiger Einwirkung des Reagens hinsichtlich der Form wie der Farbe unverändert. Die grüne Farbe der Körner (3) wird durch diese Säure zerstört. Zusatz concentrirter Salz- oder Salpetersäure bewirkt bei 1)—3) gleicherweise Ent- färbung und Lösung, respective Zersetzung. Umgekehrt zeigen alle diese Körper den Alkalien gegenüber einen grossen Wider- stand. Sowohl verdünnte, als auch concentrirte Lösungen von Kali caust. oder Ammon lassen, selbst nach langer Einwirkung, die Tropfen, Bläschen und Körner unverändert; die meisten bewahren sogar ihre gelbe, respective grüne Färbung. Alcohol absolutus bringt einen Theil der Tropfen und Bläschen (1) und (2) zur Lösung, ein anderer Theil derselben büsst zwar die Färbung ein, bleibt aber in seinem Stroma erhalten. Die durch Zusammenfliessen der gelösten Tropfen und Bläschen entstandene Flüs- sigkeit erinnert auffallend an das bei Capitella oft so copiös im Darmlumen vorkommende Darmsecret. Ganz im Gegensatze zu den 'Tropfen und Bläschen werden die Körner (3) durch Al- cohol nicht (oder doch nur sehr wenig) angegriffen, so dass man sie in Balsampräparaten (welche einen Tag und mehr in Alcohol gelegen hatten) noch unverändert, höchstens der Farbe beraubt findet. Aber in einzelnen Präparaten hatten sie selbst die (gelbe) Farbe bei- behalten und erinnerten dann sehr an die sogenannten Excretbläschen. Aehnlich wie Alcohol wirkt auch der Zusatz von Chloroform sowie Aether. Schon aus diesen Reactionen ergiebt sich, dass der Gegensatz zwischen den orange- farbigen Tropfen und Bläschen einer- und den gelben oder grünen Körnern andererseits nicht bloss ein morphologisch, sondern auch ein chemisch begründeter ist. Bei frisch eingefangenen, also wohl genährten Thieren, pflegten sich, wie schon erwähnt wurde, im Darmepithele wenig Tropfen und Bläschen, dagegen im Darmlumen reichliche Mengen einer ähnlich gefärbten Flüssigkeit vorzufinden; bei gefangen gehaltenen, also schlecht genährten 'Thieren, pflegte umgekehrt das Darmepithel zahlreiche Tropfen ete., das Darmlumen hingegen nur Spuren solcher Flüssigkeit zu enthalten. Diese Facta legen nun den Schluss nahe, dass wir in den orangefarbigen Tropfen etc., trotz ihres theilweise an Oel oder Fett erinnernden Verhaltens, Elemente vor uns haben, welche bei der Verdauungsthätigkeit eine Rolle spielen, und demgemäss untersuchte ich dieselben auf das Vorkommen der bekanntesten derartigen Körper, nämlich auf Gallensäuren und Gallenfarbstoffe. 694 C. Physiologischer Theil. Die Gumeui’sche Probe fiel bestimmt negativ aus. Dagegen machte sich die Prrrexkorersche Reaction überaus deutlich geltend. Auf Zusatz von concentrirter Schwefelsäure lösen sich die Darmelemente, und die so modificirte Masse färbt sich lebhaft rubin- oder eosinroth. Nach Zusatz von Zucker verändert sich dieses Roth zunächst in Carmoisin und weiterhin in ein immer tiefere Töne zeigendes Blau. Aber diese Reaction kann uns ja zu nichts mehr helfen, seitdem wir wissen, dass sich Fette und Proteinkörper ähnlich wie die Cholate verhalten können. In der That nahm ein mit Stücken des Hautmuskelschlauches von Capitella angestellter Parallelversuch einen dem mit dem Darme angestellten ganz ähnlichen Verlauf; es hatte nur weder der Zusatz von Schwefelsäure eine so lebhafte Roth-, noch die darauf folgende Zuckereinwirkung eine so lebhafte Bläufärbung zur Folge. Wenn ich nun diesen negativen Befund gleichwohl hier registrire, so geschieht es in der Absicht, den Krukexsers'’schen') Satz, »dass zweifellos alle diejenigen Untersucher, welche gestützt auf das Eintreten der Prrreskorer’schen Reaction angaben, dass ihnen der Nachweis von Gallensäuren bei Evertebraten gelungen sei, Fette oder eiweissartige Materien für Cholate gehalten haben«, um eine weitere Instanz zu bereichern. Nach dem Vorhergehenden kann es aber trotz des Mangels von Gallensäuren und Gallenfarbstoffen kaum zweifelhaft sein, dass die unter 1) und 2) aufgeführten pigmen- tirten Körper eine Rolle bei der Verdauungsthätigkeit spielen, und wenn auch nicht als zweifellos, so doch als sehr wahrscheinlich kann ferner angenommen werden, dass die unter 3) aufgeführten Körper Produkte einer excretorischen Thätigkeit dar- stellen. Dafür spricht einmal, dass die letzteren Körper feste Ablagerungen bilden; ferner, dass in jenen Fällen, in denen sie in der Mehrzahl blau gefärbt auftreten, doch nie ähnlich tingirte Secrete im Darmlumen vorkommen, und endlich noch ihre gegenüber I) und 2) viel grössere chemische Resistenz. 2. Ueber Carmin-Verdauung und -Resorption *). Die Wahrnehmung, dass bei Capitella capitata die centrifugalen Schenkel der Nephridien nicht, wie es sonst für die Anneliden Regel ist, den Hautmuskelschlauch durchbohren, sondern im Hypodermgewebe enden, hat mich seiner Zeit veranlasst, Fütterungsversuche mit Farb- stoffen anzustellen. Gelingt es — so schloss ich — einen Farbstoff aufzufinden, welchen die betreffenden Thiere nicht nur verschlucken, sondern auch verdauen und resorbiren, so steht nach Analogie mit höheren Thieren zu erwarten, dass es in erster Linie die Nephridien sein werden, welche die Ausscheidung des Piementes bewirken und — ist meine Beobachtung, ’ > fo) Oo 1) 1. p. 345. II. Reihe, Erste Abtheilung c. p. 179. *), Die Hauptpunkte des in diesem Abschnitte zu erörternden Themas fanden schon in einem im Jahre 1878 von mir veröffentlichten Auszuge (l. p. 16. e. p. 100) Erwähnung. - I. Darmkanal. 2. Ueber Carmin-Verdauung und -Resorption. 695 dass die Nierenexcrete in der Haut deponirt werden, richtig, dann müssen auch die ausge- schiedenen Pigmente in der Haut, und zwar zunächst im Bereiche der Nephridiummündungen wiedererscheinen. Die an diese Experimente geknüpften Erwartungen haben sich in sehr befriedigender Weise erfüllt. Nicht nur erwies sich das Carmin (sogenanntes Carmin des Handels) als ein Farbstoff, welchen Capitella ohne Weiteres verschluckt, löst und resorbirt, sondern die Aus- scheidung nahm auch in der 'That den vom Experimentator vorhergesehenen Weg durch die Nephridien in die Hypodermis. Ueber den Modus und das Tempo dieser excretorischen Vorgänge, sowie auch über die dabei zu beobachtenden Cautelen gedenke ich in dem den Nephridien gewidmeten Kapitel dieses '[heiles“) ausführlich zu berichten; hier möchte ich nur die T'hatsache der Verdauung und Resorption des Farbstoffes, also das was mit dem Darmkanale zu thun hat, kurz be- sprechen; kurz aus dem Grunde, weil ich diesen Prozessen (als Mitteln zu einem anderen Zwecke) entfernt nicht den Grad von Aufmerksamkeit schenken konnte, den sie verdient hätten. Schon nach eintägigem Verweilen in mit pulverisirtem Carmine versetztem Seewasser pflegen sich im Magendarme der Versuchsthiere ansehnliche Mengen des Farbstoffes vorzu- finden, und zwar ein Theil in Form ähnlicher ovaler Speiseballen, wie (durch die Wimper- thätigkeit des Oesophagus) auch aus dem zur Nahrung dienenden Schlamme gebildet werden, ein anderer Theil dagegen in Lösung. Während das zu den erwähnten Speiseballen aggregirte (körnige) Carmin noch den dem Farbstoffe eigenen rothen Ton aufweist, oder doch nur in geringem Grade davon absticht, erscheint das in Lösung übergeführte in der Regel hämatoxylinblau, in seltenen Fällen kirsch- roth. Diese von Seiten des 'Thieres bewirkte, sei es blaue, sei es rothe Lösung tingirt todtes Gewebe ebenso kräftig, wie es künstlich vom Histologen hergestellte zu thun pflegen. Ebenfalls schon nach Verlauf Eines Tages trifft man in zahlreichen Magendarmzellen mehr oder weniger grosse Quantitäten des Farbstoffes, so dass also gleichzeitig mit seiner Lösung, oder doch bald darnach auch seine Resorption erfolgt. Die Magendarmzellen enthalten das Carmin entweder flüssig (und dann in verschieden grossen Bläschen |Vacuolen?| einge- schlossen), oder aber körnig (und dann in Form feinster Partikel in der Zellsubstanz zerstreut). Ob flüssig oder körnig, so erscheint doch der Farbstoff in beiden Fällen, im Gegensatze zum Blau der im Darmlumen enthaltenen Lösung, wiederum »carminroth«, oder wenigstens diesem Roth ähnlich. Nach wenigen Tagen hat die Carminresorption so grosse Fortschritte gemacht, dass der Darmtractus eines entsprechenden Versuchsthieres, einerlei ob man denselben von seiner Aussen- oder von seiner Innenseite betrachtet, wie roth getigert aussieht. Mit den weiteren Schicksalen des Farbstoffes, insbesondere mit dessen Ausscheidung durch die Nephridien etc. wird sich, wie schon erwähnt, das Kapitel »Nephridien« zu beschäftigen haben. Ausschliesslich der Magendarm und auch dieser nur bis zum Bereiche der Schwanzregion a) Vergl. p. 732—746. 696 C. Physiologischer Theil. ist an der Aufsaugung des Farbstoffes betheiligt. Das zur Resorption Ungeeignete wird unter der Form ebensolcher Fäcesballen, wie der zur Nahrung eingeführte Schlamm _ete. entleert. Dass aber auch ein gut 'Theil des gelösten Carmines per os und anum nach aussen befördert wird, geht daraus hervor, dass das mit Carmin versetzte Seewasser, wenn es nicht häufig er- neuert wird, eine immer tiefere Färbung annimmt, eine Färbung, die zu den in Seewasser löslichen Quantitäten des Farbstoffes in gar keinem Verhältnisse steht. Die 'Thatsache, dass in der Zellsubstanz des Magendarmes sowohl flüssiges, als auch körniges Carmin angetroffen wird, könnte die Vermuthung erwecken, dass neben der Auf- saugung des gelösten Farbstoffes auch eine Aufnahme desselben in festem Zustande statthabe, dass mit anderen Worten bei Anneliden »intracellulare Verdauung« vorkomme. Wurde doch vor Kurzem ein solches Vorkommen bei Oligochaeten als wahrscheinlich hingestellt. Howss') sagt nämlich bezüglich des Darmkanales von ZLumbrieus: »I have observed, in cells of the alimentary epithelium teased up shortly after death, the presence of ingested particles of decomposing vegetable matter. In the absence of true digestive glands, and of any knowledge of the physiology of alimentation in this animal, the probability of an intracellular digestion of thıs solidly ingested food material must not be overlooked.« Mir sind dagegen in den Darmzellen normal gefütterter Thiere niemals feste Bestand- theile begegnet, die sich auf unmittelbar vom Darmlumen aus aufgenommene Nahrungskörper hätten beziehen lassen; auch vermochte ich in den Darmzellen solcher Versuchsthiere, welche lange Zeit mit in ihrem Darme unlöslichen Farbstoffen, wie zum Beispiel mit Indigo, ge- füttert worden waren, niemals auch nur eine Spur von den so massenhaft verschluckten Pig- mentkörnchen nachzuweisen. Uebrigens hat auch schon MeErscHnikorr?) in einer seiner ersten über dieses Thema publieirten Abhandlungen die Anneliden mit unter denjenigen hieren aufgeführt, deren Darmzellen »die Fähigkeit Nahrung aufzunehmen vollständig verloren haben.« Er sagt nämlich: »Wenn es auf der einen Seite feststeht, dass es Turbellarien gibt, welche entweder eines geson- derten Verdauungssystems noch ganz entbehren oder im Falle des Vorhandenseins eines solchen noch den ursprünglichen Modus der Verdauung durch die Aufnahme der Nahrungskörper in’s Innere der Darmzellen beibehalten haben, so muss man auf der anderen Seite beachten, dass auch unter den Turbellarien Re- präsentanten existiren, welche die aufgenommene Nahrung auf gewöhnliche Weise verdauen, ohne dieselbe zuerst in die Epithelzellen des Darmkanales gelangen zu lassen. Zu solchen Strudelwürmern muss vor Allem Microstomum lineare gerechnet werden, dessen flimmernde Darmzellen die Fähigkeit Nahrung auf- zunehmen vollständig verloren haben, wie es nach meinen Beobachtungen auch für Rotatorien, Anneliden und viele andere Würmer als Regel gilt.« Wir müssen daher schliessen, dass ein Theil der von den Magendarmzellen aufgesaug- ten Carminlösung, in Folge einer von diesen Zellen selbst ausgehenden Wirkung, wiederum feste Form annimmt. Wie sich die betreffende Zellsubstanz der aufgenommenen Lösung gegen- über nichts weniger als indifferent verhält, geht ja auch schon daraus hervor, dass das in den 1) Howes, G. An Atlas of Practical Elementary Biology. London 1885. p. 49. 2) Murschxikorr, E. Ueber die Verdauungsorgane einiger Süsswasserturbellarien. Z. Anzeiger. Jahrg. 1878. p. 389. I. Darmkanal. 3. Ueber die Function der lymphatischen Zelldivertikel. 697 Magendarmzellen enthaltene Carmin, einerlei ob flüssig oder fest, wiederum die ursprüngliche (anstatt der für die Lösung charakteristischen bläulichen) Färbung aufweist. Auffallenderweise*) nimmt unter allen Capitelliden allein Capitella capitata Carmin so begierig in ihren Darm auf. So zeigten Exemplare von Notomastus lineatus (deren Gewöhnung an längere Gefangenschaft mir unter vielen vergeblichen Versuchen auch zuweilen gelang), selbst wenn sie schon über Einen Monat in mit Carmin versetztem Seewasser gelebt hatten, noch keine Spur von Pigment im Darme. Erst von dieser Zeit ab traf ich bei einzelnen (wohl durch Hunger zum Verschlucken des Farbstoffes getriebenen) Individuen Einen oder mehrere Pigmentballen sowie auch etwas gelöstes Carmin darin an, und nach zwei Monaten erst konnte ich Spuren von solchem in den Nephridien nachweisen. Aehnlich verhielt sich Notomastus Benedeni, von welcher Art ich (ebenfalls nach zahl- reichen vergeblichen Versuchen) einmal eine grössere Anzahl von Individuen über drei Monate hindurch in » Carmin-Seewasser« lebend erhalten konnte; nur mit dem Unterschiede, dass bei dieser Art der Farbstoff wohl in die Darmzellen, nicht aber in die Nephridien übergetreten war. Es ist in der Hinsicht wahrscheinlich von Belang, dass Capitella capitata |wenigstens die neapolitanische Form) im putrefieirenden Schlamme des Hafens lebt und daher bezüglich ihrer Nahrung und sonstigen Existenzbedingungen nicht eben wählerisch sein darf. Auffallend ist auch die Fähigkeit der Capitelliden, insbesondere des Genus Capitella, das Carmin so rasch und so copiös im Magendarme in Lösung überführen zu können. In wie weit diese Fähigkeit verbreitet, oder aber unserer Familie eigenthümlich ist, wird sich indessen erst nach Anstellung vergleichender Untersuchungen entscheiden lassen. Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Zusammensetzung des Carmines (die ja be- kanntlich grosse Schwankungen darbietet) einen nicht geringen Einfluss auf den Gang dieser Experimente ausübt. So zeigte eine der fünf von mir mit Capitella angestellten Versuchsreihen, gegenüber den anderen (unter sich durchaus übereinstimmenden) auffallende Unterschiede hin- sichtlich der Zeit- und Mengenverhältnisse, in denen der Farbstoff verdaut, resorbirt und ausgeschieden wurde. Die betreffenden 'Thiere hatten nämlich nach Verlauf mehrerer Tage kaum ebenso viel resorbirt, als die der anderen Reihen schon nach 24 Stunden. Dieses so viel weniger leicht verdauliche und resorbirbare Carmin der abweichenden Reihe war hier (in Neapel), das der anderen Reihen dagegen war in Deutschland angekauft worden. 3. Ueber die Function der lymphatischen Zelldivertikel.” Bei den meisten Capitellidenformen pflegen verschieden grosse Abschnitte des Magen- darmes gegen das Cölom hin mit einem dichten Lager keulenförmiger Fortsätze bedeckt zu a) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil« p. 44—45, 172, 210-211, 235 und. 257; ferner: » Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 433—434 und 440—441. *, Man kann hinzufügen »glücklicherweise«, da Capitella zugleich die einzige Capitellide ist, die sich ohne Schwierigkeit viele Monate hindurch in Carmin-Seewasser halten lässt. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 85 698 C. Physiologischer Theil. sein. Es entsteht der Schein, als ob die betreffenden Tractuspartien mit zwei Epithellagen, nämlich mit einer intra- und mit einer extraintestinalen ausgerüstet wären. Die naheliegende Vermuthung, dass man es mit peritonealen Gebilden, insbesondere mit sogenannten Chloragogenzellen zu thun habe, erwies sich als durchaus unzutreffend, indem die Divertikel in der Regel vom Peritoneum überzogen sind und, wenn dies nicht der Fall, das heisst wenn sie das Peritoneum durchbrechen, ihre Substanz (ebenso wie diejenige der Darmzellen nach dem Darmlumen) Cilien nach dem Cölom hin ausstreckt. Die genauere Untersuchung hat denn auch ergeben, dass besagte Fortsätze nichts Anderes, als nach der Leibeshöhle zu ausgestreckte Portionen oder Divertikel von Darmzellen darstellen. Die Thatsache, dass (in Schnitten) die meisten dieser Divertikel bis zu ihren mit Kernen ausgerüsteten Mutterzellen (und umgekehrt) verfolgt werden konnten, gewährleistet ihre frag- mentarische Zellnatur, und aus dem Umstande, dass innerhalb ein und derselben Species sehr verschiedene Abschnitte des Magendarmes bald mit Divertikeln besetzt, bald ohne eine Spur solcher angetroffen wurden, ergiebt sich ihr ephemeres Dasein, respective das Periodische ihres Auftretens. Es ist nun die Frage, welcher Function diese das Peritoneum bald vor sich herschie- benden, bald durchbrechenden und dann nackt in das Cölom ragenden Fortsätze der Magen- darmzellen zu dienen haben. Ich glaube, dass ihnen die Aufgabe obliegt, den im Magendarmepithele gebildeten Chylus der Perivisceralhöhle, respective der diese Höhle erfüllenden Hämolymphe zuzuführen; daher auch der von mir gewählte Name »lymphatische Zelldivertikel«. In der Regel wird wohl bei den Anneliden ebenso wie bei den höheren Thieren der Chylus direct von den Gefässen aufgesogen; ist ja bei den meisten mit Gefässen ausgerüsteten Familien gerade der Darmkanal in besonders reichlicher Weise mit solchen versorgt; schwimmt er ja bei vielen geradezu im Blute (nämlich bei den mit einem Darmsinus ver- sehenen Anneliden.. Nun, dem gegenüber ist es gewiss bezeichnend, dass in einer der wenigen Familien dieser Thierclasse, die der Gefässe entbehren, sich eine so merkwürdige Fähigkeit der Darmepithelzellen ausgebildet hat. Zu Gunsten meiner Auffassung spricht auch, dass bei Mastobranchus, so weit als der Darmsinus reicht, niemals Zelldivertikel angetroffen werden. 4. Ueber die Function des Nebendarmes.’) Zum Verständnisse der mit ihm in Zusammenhang stehenden Darmrinnen sowohl, als auch zur Begründung seiner Homologien mit der Chorda dorsalis musste die Function des «@) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 43, 44, 47—48, 110, 173, 175—176, 212, 235 und 256— 258; ferner: »Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 435—436 und 441—449. » I. Darmkanal. 4. Ueber die Function des Nebendarmes. 699 Nebendarmes schon in den vorhergehenden Theilen nothgedrungen zur Sprache gebracht werden. Ich gedenke daher meine an den auf der vorhergehenden Seite citirten Stellen durch entsprechende Thatsachen gestützte Auffassung über seine Bedeutung hier nur kurz wieder- zugeben, um die von anderer Seite her geäusserten Vorstellungen gegenüberstellen zu können. Bei einer grossen Anzahl von Anneliden ist der Haupttheil der respiratorischen Thätig- keit in die Darmwandungen verlegt. Durch die Mund- oder Afteröffnung wird nämlich ab- wechselnd Wasser aufgenommen und wieder entleert und so dem im Bereiche des Darmes eirculirenden Blute Sauerstoff zugeführt. In besonders hohem Maasse ist dieser Respirations- modus bei denjenigen Formen ausgebildet, welche der specifischen Respirationsorgane ent- behren; denn bei ihnen kommt es zu einer förmlichen Ansammlung von Gas (Sauerstoff) im Darme, ja bei einzelnen sogar zur Ausbildung besonderer Reservebehälter (sogenannter schwimmblasenähnlicher Organe) für dieses allem Anscheine nach zur Respiration bestimmte Gas. Man begreift den Nutzen solcher Reservebehälter; kann doch auf diese Weise das Thier zeitweise auf die Wassereinnahme verzichten und so die Darmthätigkeit auf Verdauung und Resorption der Speisen beschränken. Der Collision von respirirender und nutritiver 'Thätigkeit könnte nun aber in noch anderer Weise abgeholfen werden, nämlich durch örtliche Trennung beider; und in der That sehen wir auch diesen Modus durchgeführt. Bei vielen Anneliden ist der Hinterdarm durch eine tiefe neurale Rinne (die soge- nannte Hinterdarmrinne) ausgezeichnet, deren kräftiges Cilienkleid den zur Respiration dienenden Wasserstrom in den Darm einführt. Diese Rinne kann sich nun entweder durch den ganzen Magendarm hindurch als sogenannte Wimperrinne fortsetzen (und damit ist jene Trennung schon angebahnt), oder aber es kann sich der betreffende neurale Theil des Magendarmes zum Rohre oder Nebendarme abschnüren (und damit ist jene Trennung vollständig durchgeführt). Ich betrachte demnach den Nebendarm als ein im Dienste der Respiration stehendes Organ, dazu bestimmt, das Athemwasser mit Umgehung des ver- dauenden und resorbirenden Magendarmes aus dem Hinterdarme direct in den Oesophagus zu schaffen. In hervorragender Weise wird diese Auffassung durch das Verhalten der kiemenlosen und daher ganz auf Haut- und Darmathmung angewiesenen Capitella bestätigt, bei der sich zur Hinterdarmrinne auch noch eine (in den Nebendarm führende) Vorderdarmrinne gesellt, so dass in diesem Falle jene Trennung sich nicht nur auf den verdauenden, sondern auch auf den die Nahrung aufnehmenden und zu Speiseballen formenden Tractusabschnitt erstreckt. Ueber die Function des Nebendarmes von Anneliden und Gephyreen ist bis jetzt, so weit mir bekannt, von anderer Seite her keine Ansicht geäussert worden; wohl aber über diejenige des Nebendarmes von Echinodermen (Echiniden). Acassız') hielt dafür, dass wir es mit einem Absonderungsorgane zu thun hätten, ohne 1) Acassız, A. Revision of the Echini, Illustrated Catalogue Mus. Comp. Zool. Harv. Coll. Part IV. 1872/74. p. 678. 55% 700 C. Physiologischer Theil. freilich irgend welche Thatsachen anzuführen, die jene Auffassung zu stützen im Stande ge- wesen wären. Anders PERRIER!). Auf Grund seiner Beobachtung, dass bei Exemplaren von Psamme- chinus miliaris, welche kurze Zeit in mit Fuchsin gefärbtem Seewasser gelebt, sich zunächst Oesophagus und Nebendarm tingirt hatten, schloss er, dass die Seeigel beständig grössere Quantitäten von Wasser in sich aufnehmen, und dass wenigstens ein Theil hiervon den Neben- darm passire, um durch ihn direct in die zweite Windung des Intestinums transportirt zu werden. Die Ursache dieser Anordnung sieht er darin, dass die erste Windung (als ver- dauender und resorbirender Darmabschnitt) fast immer von Speisen erfüllt sei. Ist es nämlich nothwendig, dass ein Wasserstrom continuirlich durch die zweite Windung hindurchfliesse, so würde dieser Strom, falls er, anstatt durch den Nebendarm, durch die erste mit Nahrungs- bestandtheilen angefüllte Windung seinen Wege nähme, nicht nur verlangsamt und verun- reinigt, sondern es würde auch der Verdauungsprozess dadurch gestört. Was nun den Zweck dieses so aufgenommenen und durch den Nebendarm in den hinteren Darmabschnitt beför- derten Wasserstromes betrifft, so meint PERRIER, es könne kaum ein Zweifel darüber herrschen, dass er der Respirationsthätigkeit diene, indem gerade die Wandungen der zweiten Windung sehr dünn seien und daher einem osmotischen Gasaustausche zwischen dem beständig er- neuerten Seewasser einer- und der Leibesflüssigkeit andererseits Vorschub leisteten. Garn?) endlich schliesst aus seinen an Echinocardium cordatum gemachten Erfahrungen, dass der Nebendarm zur Hinausbeförderung der im Enddarme angesammelten Massen diene. Zu diesem Behufe nehme er (der Nebendarm) das im Sande des vorderen Darmabschnittes enthaltene Wasser auf und leite es, dank dem durch die Contraction dieses Darmabschnittes erzeugten Drucke, in den Enddarm, respective nach aussen. Für die Ansicht von Asassız, dass der Nebendarm ein Absonderungsorgan darstelle, lassen sich weder bei Anneliden, noch bei Echinodermen irgend welche Anhaltspunkte auffinden, und GIarp nimmt wohl eine Wirkung für eine Ursache; denn daraus, dass der den Neben- darm passirende Wasserstrom die im Enddarme angehäuften Materien mit sich fortreisst, folgt doch noch lange nicht, dass der Nebendarm lediglich dazu da sei. Das Richtige scheint mir allein Prrrıer getroffen zu haben, der den Nebendarm der Echiniden (ebenso wie ich denjenigen der Anneliden) für ein im Dienste der Respirations- thätigkeit stehendes Organ hält, und die 'Thatsache, dass PERRIER auf Grund seiner Experimente vor mir) an einer von den Anneliden so weit abstehenden Thiergruppe zu einer ähnlichen Auffassung gekommen ist, wie sie mir durch die Gesammtanordnung des mit dem Neben- darme communicirenden Darmrinnensystemes der Capitelliden aufgedrängt wurde, dürfte nicht wenig zur Anerkennung des Satzes beitragen, dass ursprünglich der Nebendarm überall eine respiratorische Function auszuüben hatte. l) PERRIER, E. Recherches sur l’Appareil Circulatoire des Oursins. Arch. Z. Exper. Tome 4. 1875. p. 634-637. 2) Garn, A. Sur un Amphipode (Urotkoe marinus) commensal de !’Echinocardium cordatum. Compt. Rend. Tome 82. 1876. p. 76. II. CGentrales Nervensystem. Nur die Function eines Bestandtheiles des Nervensystemes, nämlich diejenige der Neu- rochorde*), wird uns beschäftigen. In den vorhergehenden Theilen wurde nachgewiesen, dass die Neurochorde ursprünglich breite, von dem Fibrillennetze des übrigen Bauchmarkes stark abweichende Nervenfasern dar- stellen, welche in der Regel einer allmählichen (fettigen) Degeneration unterliegen. In dem Maasse als sich diese Degeneration an den sogenannten riesigen Fasern abspielt, erfahren auch ihre neurilemmatischen Scheiden eine tiefgreifende Umwandlung: es wachsen nämlich die Durchmesser dieser Scheiden, ihre bis dahin durchbrochenen Wandungen verdicken und schliessen sich zu einheitlichen Röhren (Neurochordröhren), und an Stelle des früheren (de- generirten) nervösen Inhaltes (der Neurochordnerven) tritt eine nahezu wässerige Flüssigkeit (Neurochordflüssigkeit.. Wie also die Neurochordnerven eine regressive, so erfahren die Neurochordscheiden eine progressive Metamorphose, und letzterer gegenüber entsteht nun die Frage, durch welches Bedürfniss sie hervorgerufen worden sein möge, respective welche Leistungen die Neurochorde zu verrichten haben. Von verschiedenen Forschern, welche allein das in seinen nervösen Bestandtheilen de- generirte und in seinen neurilemmatischen einseitig fort- und umgebildete Neurochordsystem vor Augen hatten, ist über die Function des letzteren insofern implieite eine Meinung aus- gesprochen worden, als sie dasselbe der Chorda dorsalis verglichen. Ausdrücklich betont wurde aber diese der Chorda analoge Stützfunction erst von VEsDovskY und BürLow. Ersterer') schrieb darüber folgende Sätze: »Nebstdem aber besitzen die meisten Oligochaeten, mit Ausnahme von Aeolosoma und Branchio- bdella noch einen eigenthümlichen Accommodationsapparat, welcher zur Erhaltung des Bauchstranges in einer starreren Lage während der Krümmungen und Zusammenziehungen des Körpers dient und auch bei sehr vielen Polychaeten bekannt ist. Es ist das Neurochord« ete. »Ich habe sie mehreremals beobachtet und zuletzt als »Neurochord« bezeichnet, als Organ, das analog der Vertebratenchorda zur Erhaltung der Bauchstrangslage während der Krümmungen des Körpers wesentlich beiträgt« etc. a) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil« p. 67—69, 178, 213—217, 237 und 260; ferner: » Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 458—460 und 475—493. Ele 9.2236.2 02 7.2.8688: 102 ©. Fhysiologischer Theil. Letzterer!) drückte seine Ansicht in diesen Worten aus: »Die ‚„Nervenprimitivfasern‘“ oder die „riesigen dunkelrandigen Nervenfasern “ Levpie’s im Bauch- strang der Oligochaeten, also auch die damit synonyme „Neurochorda“ Vrspovsky’s, sind nicht nervöser Natur, sondern dienen dem Körper als elastische Stütze.« Es ist dem Leser schon aus den vorhergehenden Theilen dieser Monographie bekannt, dass ich bezüglich der Neurochordfunction im Wesentlichen mit den eben citirten Autoren übereinstimme. Wenn man bedenkt, wie bei den Wirbelthieren das Centralnervensystem mehr als irgend ein anderes durch knorplige oder knöcherne Decken geschützt wird, so begreift man, dass auch bei Wirbellosen gerade dieses System hinsichtlich der Schutzvorrichtungen gegen Dehnung oder Quetschung eine bevorzugte Stellung einnimmt. Inductiv lässt sich aber Folgendes zu Gunsten dieser Auffassung vorbringen: Erstens finden wir die Neurochorde da wo der Bauchstrang eine cölomatische Lagerung aufweist (so bei Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus) kräftig, hingegen da wo er um- gekehrt dem Hautmuskelschlauche einverleibt liegt (so bei Heteromastus und Capitella) schwach ausgebildet. Zweitens erreicht die Ausbildung der Neurochorde eine noch bedeutendere Stei- gerung, wenn (wie bei Mastobranchus) dem cölomatisch gelegenen Bauchstrange auch noch die Aufgabe obliegt, einer kräftigen (transversalen) Muskulatur Ansatzpunkte zu liefern. Drittens treten die Neurochorde da sehr unscheinbar auf, wo sich (wie bei G/ycera und Nephthys) Stütz- organe direct aus dem äusseren Neurilemma, nämlich sogenannte Lemmatochorde, gebildet haben. Viertens endlich ist nach VEspovskY?) unter den ihm bekannten Oligochaeten das Neurochordsystem »bei solchen Formen am mächtigsten entwickelt, deren Leibesmuskulatur verhältnissmässig schwach ist«. So sollen die gebrechlichen Lumbrieuliden mit überaus kräf- tigen Neurochorden ausgerüstet sein; die umgekehrt mit starren Leibeswandungen versehenen Phreoryctiden dagegen der Neurochorde gänzlich entbehren. /u Gunsten der Ansicht, dass wir es in den Neurochorden mit Stützorganen zu thun haben, spricht auch ihre endgiltige Beschaffenheit; denn Röhren mit festen, elastischen Wan- dungen und einem wasserähnlichen Inhalte sind gewiss geeignet, aller Art von Druck und /ug unter Schonung des benachbarten Nervengewebes Widerstand entgegenzusetzen. In Anbetracht, dass die Neurochorde, wie insbesondere aus dem Verhalten von Masto- branchus hervorgegangen ist, ursprünglich überall Nervenfasern darstellen und erst nach De- generation der nervösen Substanz sowie in Folge einseitiger Ausbildung der neurilemmatischen Scheiden ihre definitive Gestaltung erhalten, müssen wir schliessen, dass hier ein Functionswechsel stattgehabt habe. Ob freilich dieser Wechsel so aufzufassen ist, dass das Bedürfniss »zu stützen« zur Degeneration der Neurochordnerven führte, oder aber, dass umgekehrt die (aus uns unbekannten Gründen erfolgte) Degeneration der Neurochordnerven jene Scheiden für das mögliche Eintreten eines solchen Wechsels erst frei machte — das müssen wir vorerst noch dahingestellt sein lassen. Dr leop-sAnesesp. 92% 2] op 236050 5p 88: III. Sinnesorgane. 1. Die Wimperorgane?’). Sämmtliche Capitelliden sind mit Einem Paare im Bereiche des Kopflappens gelegener, ein- und ausstülpbarer, stark bewimperter Taschen versehen, welche in den vorhergehenden Theilen als Wimperorgane beschrieben wurden. Diese Taschen stehen in so nahen Be- ziehungen zum Gehirne, respective werden in so reicher Weise von letzterem aus innervirt, dass man kaum im Zweifel darüber bleiben kann, Sinnesorgane vor sich zu haben. Nur darum kann sich die Frage drehen, welcherlei Art von Perceptionen speciell diese Organe vermitteln mögen. Wir haben gesehen, dass die Wimperorgane keineswegs auf die Capitelliden beschränkt sind, dass vielmehr eine grosse Anzahl anderer Annelidenfamilien ebenfalls mit solchen, aller- dings meist vielfach rückgebildeten Organen ausgerüstet ist; wir haben ferner gesehen, dass homologe Gebilde im Kreise der 'Turbellarien und Nemertinen vorkommen, und aus dieser ihrer weiten Verbreitung im Wurmtypus können wir schliessen, dass die fraglichen Sinnes- organe nicht etwa specielle sensorische Anpassungen. sondern vielmehr typische Gebilde dar- stellen werden. Da über die Function der Wimperorgane schon vielfache Ansichten ausgesprochen. wurden, so wollen wir diese zunächst zusammenfassen, um im Anschlusse daran auch unsere eigene Meinung geltend zu machen. Was zunächst die Anneliden betrifft, so meinte QuarrErages'!), im Hinblicke auf die Wimperorgane von Polyophthalmus, dass dieselben vorwiegend dazu dienen möchten (ähnlich den Räderorganen der Rotatorien) Strömungen im Wasser hervorzurufen und so die kleinen Nährthiere dem Munde zuzustrudeln. Krrerstein?) bezeichnete die Wimperorgane von Notomastus als Fühler und verglich sie den Tentakeln einer Schnecke. 1} QUATREFAGES, A. de. Memoire sur la Famille des Polyophthalmiens. Ann. Sc. N. (3) Tome 13. 1550. p. 14. 2)" 1.#p.2. cap 124: a) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 71—75, 180, 218, 237 » Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 496—501. 238 und 261; ferner: 704 C. Physiologischer Theil. Eine ähnliche Auffassung hat auch neuerdings wieder FiscHer') bezüglich Capitella geltend gemacht; er sagt nämlich: »Indessen habe ich vom Gehirn nach ihnen [den Wimperorganen]| abgehende Nervenzweige beobachten können und spreche sie demgemäss meinerseits als Tastapparate an.« Die anderen neueren Forscher hingegen, die sich überhaupt über die Function der Anneliden-Wimperorgane ausgesprochen haben, erklären dieselben in übereinstimmender Weise für Riechorgane. Zuerst scheint VEspovsky?) ihnen diese Function beigelegt zu haben, und zwar unter folgender Begründung: »1) Es sind epitheliale Epiblastverdickungen, die mit Flimmerhaaren besetzt sind. 2) Das Medium, in welchem die Wimpern schlagen, ist von sich selbst feucht, und schliesslich 3) stehen die Kopfgruben durch feine Nervenfasern mit dem Kopfganglion in Verbindung.« Sodann sprach sich E. Meyer’) in seiner Abhandlung über Polyophthalmus, nach Wider- legung der Ansicht QuArreraszs’, dahin aus, dass die Wimperorgane Sinnesorgane darstellten, »die etwa nach Analogie von Riechorganen höherer 'Thiere fungiren könnten.« Und KLeisengere!) endlich führt die Wimperorgane von Lopadorhynchus schlechtweg als » Geruchsorgane« auf. Die viel länger bekannten Wimperorgane der Nemertinen haben zu vielfachen, meist durch Missverständniss der Gesammtorganisation hervorgerufenen Deutungen geführt. Wer sich dafür interessirt, findet in der weiterhin citirten Abhandlung Husrechr's: »Zur Anatomie und Physiol. des Nervensystems der Nemertinen« p. 27 eine Zusammenstellung dieser Deu- tungen. Hier genügt es, die Ansichten der neueren Forscher, und zwar speciell diejenigen Mac Istosw's und Husrecars vorzuführen. Ersterer° kam auf Grund seiner eingehenden anatomisch-histologischen Untersuchungen zur Einsicht, dass die Wimperorgane oder »cephalic sacs«, wie er sie nennt, specielle Sinnesorgane darstellen, indem ihre innere Fläche durch den mit Wimpern ausgekleideten Kanal mit dem äusseren Medium und ihre zelligen Wandungen mit dem Centralnerven- systeme in Verbindung stehen. Letzterer‘) vertrat zunächst eine total entgegengesetzte Auffassung. Auf Grund der Thatsache, dass die Hirnganglien vieler Nemertinen hämoglobinhaltig sind, glaubte er nämlich in den Wimperorganen eine specielle Vorrichtung zum Gasaustausche und Stoffwechsel des Gehirnes, also einen »Gehirnrespirationsapparat« sehen zu dürfen. Eine Reihe von diesem Gesichtspunkte aus angestellter Experimente, sowie auch die Angabe mehrerer Forscher, dass N la rlile 2) VEIDOVSKY, F. Vorläufiger Bericht über Turbellarien der Brunnen von Prag etc. Sitz. Ber. Böhm. Ges. Wiss. Prag. 1879. p. 501 (ide: Vesnovsky, F. 1. p. 236. c. p. 96). lep2 si. cp. 796. 4) 1. p. 303. c. p. 61. 63 und 70. 5) Mac Intosu, W. On the Central Nervous System, the Cephalic Sacs, and other points in the Anatomy of the Lineidae. Journ. Anat. Phys. London Vol. 10. 1876. p. 249. RE Ken TR III. Sinnesorgane. 2. Die Seitenorgane. 705 die Wimperorgane als Ausstülpungen der Oesophagealwandung angelegt werden, schienen ihm') diese Auffassung zu unterstützen. Neuerdings aber hat sich Huprecnr’) mehr dem von Mac Ixtos# vertretenen Standpunkte genähert. In einer embryologischen Untersuchung, in der er die ectodermale Abstammung der Wimperorgane constatiren konnte, sagt er nämlich: »In a former publication I have attempted to demonstrate that the cavity [der Wimperorgane]| must be subservient to a curious direet respiratory process of the haemoglobiniferous nerve tissue. Embryology now renders it probable that they may at the same time have a sensiferous significance, as was the more generally accepted, and, in a certain sense, the current hypothesis.« Wenn wir, was die Anneliden betrifft, absehen von den älteren Vorstellungen QuArrE- FAGES’ sowie KEFERSTEIN’S und, was die Nemertinen betrifft, von der ursprünglichen Auffassung HUBRECHT's, so ergiebt sich, dass die Wimperorgane in übereinstimmender Weise als Sinnes- organe, und zwar diejenigen der Anneliden als Geruchsorgane gedeutet werden. Und dieser Auffassung schliesse ich mich an. Fehlen auch noch alle positiven Anhaltspunkte, aus denen speciell auf die Riechfunction geschlossen werden könnte, so lassen sich doch solche negativer Natur geltend machen. Es sind nämlich für alle anderen Sinnesperceptionen (bei den Anne- liden) specifische Apparate nachgewiesen worden, nämlich Seh-, Gehör-, Geschmacks- und Tastwerkzeuge; nur für den Geruchssinn fehlte noch das adäquate Organ. Wenn ich trotzdem in dieser Monographie anstatt » Geruchsorgane« den neutralen Namen »Wimperorgane« brauche, so geschieht es eben, wie schon in einem früheren Theile bemerkt wurde, aus dem Grunde, weil die positiven Nachweise für jene Sinnesfunction erst noch zu erbringen sind. 2. Die Seitenorgane. Ueber die Function dieses Organsystemes habe ich mich in einer früheren Publication ’) folgendermaassen ausgesprochen: Wenn die segmentalen Sinneshügel der Capitelliden isolirt daständen, und wir infolge dessen ge- zwungen wären, einzig aus ihrer Organisation heraus deren Function zu bestimmen, so würden wir wohl so viel als ausgemacht ansehen dürfen, dass sie als eigenthümliche Sinneswerkzeuge betrachtet werden müssen. Da nun gewisse Vertebraten in den Seitenorganen anerkannte Sinnesorgane aufweisen, welche in morphologischer Beziehung mit den Hügeln der Capitelliden eine so grosse Uebereinstimmung besitzen, dass wir den Versuch unternehmen konnten, zwischen den beiderseitigen Bildungen eine Homologie zu statuiren, so liegt die Frage nahe, ob sich diese Uebereinstimmung auch auf die Qualität der durch die beiderseitigen Sinnesapparate vermittelten Sinnesempfindung erstrecke. Hören wir zunächst, welche Ansichten sich über die Leistungen dieser Sinnesorgane der Vertebraten gebildet haben. 1) Hupreont, A. Zur Anatomie und Physiologie des Nervensystemes der Nemertinen. Naturk. Verh. Koninkl. Akad. Amsterdam Deel 20. 1880. Sep. Abdr. p. 27—36. 2) Husreent, A. Contributions to the Embryology of the Nemertea. Quart. Journ. Mier. Se. (2) Vol. 26. 1886. p. 423. 3) 1. p. 76. c. p. 333—336.” Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. sy 706 C. Physiologischer Theil. Leypıs!) vermuthet in dem Seitenorgansysteme ein besonderes für den. Aufenthalt im Wasser be- rechnetes Sinneswerkzeug, welches gegenüber den Organen der bekannten fünf Sinne als Organ eines neuen sechsten Sinnes betrachtet werden könne. »Von welcher Qualität freilich«, sagt Levis, »die Em- pfindung des vom Standpunkt der Morphologie wohl begründeten sechsten Sinnes sei, bleibt vorderhand in demselben Dunkel wie früher ete.« und: »Es lässt sich gegenwärtig nur, wie ich früher schon andeutete, vermuthen, dass dieser sechste Sinn vorzugsweise für den Aufenthalt im Wasser berechnet sein möge: dass er vielleicht ferner am nächsten dem Tastsinn sich anschliesse.« Neben der empfindenden Thätigkeit soll aber diesen Sinnesorganen, welche nach LeyvıG etwas aus der Ferne angesehen das Bild einer Drüse*) wiederholen, auch eine secretorische zukommen; ja es solle vielleicht die erstere nur unter Hilfe der zweiten erfolgen können. Auch F. E. Schurze£?) fasst das Seitenorgan als einen speciell für den Wasseraufenthalt eingerich- teten Sinnesapparat auf, als einen Sinnesapparat, der hinsichtlich der Art der Nervenendigung eine gewisse Uebereinstimmung mit dem Gehörorgane aufweise, als einen Sinnesapparat »geeignet zur Wahrnehmung von Massenbewegungen des Wassers gegen den Fischkörper oder dieses gegen die umgebende Flüssigkeit, so wie von groben durch das Wasser fortgeleiteten Stosswellen mit längerer Schwingungsdauer, als sie den das Gehörorgan afficirenden Wellen zukommt.« Andere Ansichten über die Function der Seitenorgane, als die eben vorgeführten, hauptsächlich auf den Bau der Endapparate begründeten, sind nicht aufgestellt worden; denn die auf physiologischem Wege vorgenommenen Untersuchungen (Durchschneidung oder Reizung der relativen Nerven) haben zu keinerlei verwerthbarem Resultate geführt **). Die Ansicht, dass das Seitenorgansystem der Vertebraten einen für das Wasserleben modifieirten Tastapparat vorstelle, hat durch die äusserst plausibel erscheinende Begründung F. E. Schuzze's — die wir im Originale nachzulesen bitten müssen — zwar einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gewonnen, immer- hin bleibt aber diese Ansicht, so lange ihr der physiologische Nachweis fehlt, eine hypothetische. Bei solcher Sachlage wäre es gewiss erspriesslich, wenn wir den eingangs angenommenen Stand- punkt umdrehen und für das physiologische Verständniss der Vertebraten-Seitenorgane an den gleichnamigen El Ep. 52 Zen. lZund10E 2) 1. p. 521. (Sinnesorgane Seitenlinie) e. p. SO—S6. *) Eigenthümlicherweise that Leypıs, nachdem er mit bestem Erfolge die herrschende Auffassung des Seiten- organsystemes als eines Schleim absondernden Apparates bekämpft und anstatt dessen die nervöse Natur dieses Systemes vertreten hatte, doch wieder selbst insofern einen Schritt nach rückwärts, als er den Seitenorganen, genauer den Organen des sechsten Sinnes, neben der empfindenden auch eine secretorische Thätigkeit zuschrieb. Diese Ver- mengung von Sinnesorgan und Drüse hat von verschiedenen Seiten her, besonders aber von Seiten F. E. Schuuze's und Marsranc’s (deren Einwendungen ich mich vollkommen anschliesse) aus Gründen morphologischer und physio- logischer Natur Widerspruch erfahren. Auch die an den Capitelliden-Seitenorganen gemachten Befunde liefern nicht den geringsten Anhalt für eine solche schwer zu begreifende Doppel-Function. Uebrigens lassen sich ja einige der problematischen Structurverhältnisse, welche LeyDıG zu seiner eigenthümlichen Ansicht gebracht haben, jetzt einiger- maassen erklären. Erstens: Die Höhle der Sinneshügel, an welcher wir mit Levvıc festhalten, ist wahrscheinlich auch bei den Vertebraten eine vorübergehende Bildung und beruht allem Anscheine nach auch bei ihnen, wie bei den Capitelliden, auf einer Einstülpung der Hügelspitze, hat also Nichts mit dem Lumen einer Drüse zu thun. Zweitens: Die Stäb- chen der Sinneszellen sind nicht als ein Secret der letzteren in dem Sinne zu betrachten, dass sie periodisch abge- schieden werden, oder dass ihre Abscheidung eine Function des Organes ausmacht (vergleiche Leyvıc, F. Die Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. Morph. Jahrb. 2. Bd. 1876. p. 305), ihre Vergänglichkeit, welche jene Meinung hervorrief, beruht vielmehr lediglich auf ihrer äusserst zarten Beschaffenheit. Drittens endlich: Die Seitenorgane der Amphibien wandeln sich nicht, wie LeypıG glaubt und zu Gunsten seiner Theorie verwerthet, in Drüsen um, sondern gehen, wie MALBRANc überzeugend dargethan hat, unter. Man vergleiche auch die Anmerkung p. 522. **) Ich kenne nur die bezüglichen Angaben von Srannıus; die Schriften Horrmans’s, FhE's und PoucHEr's standen mir nicht zur Verfügung. Dass aber die Experimente aller dieser Forscher zu keinerlei Resultat geführt haben, erfuhr ich aus der oft eitirten Arbeit MALBRAnc’s, sowie aus dem Referate SoLGER'S. III. Sinnesorgane. 2. Die Seitenorgane. 707 Apparaten der Capitelliden Anhaltspunkte finden könnten. Daran ist aber nicht zu denken; ganz abge- sehen von der Schwierigkeit, an niederen Thieren Experimente solcher Natur anzustellen, schon aus dem Grunde nicht, weil wir ja die Frage nach der Innervation der Capitelliden-Seitenorgane überhaupt nicht zu beantworten vermochten*).. Unsere Aufgabe kann vielmehr nur darin bestehen zuzusehen, in wiefern die Structur der Capitelliden-Sinneshügel ‚einerseits, und die Lebensweise dieser Thiere andererseits mit der herrschenden Ansicht über die Function der Vertebraten-Seitenorgane — und das ist diejenige F. E. Schurze’s — sich vereinbaren lassen. Der erste Theil dieser Aufgabe kann als erledigt betrachtet werden; denn die vorhergehende Dar- stellung hat ja hinlänglich gezeigt, dass im Aufbaue der Sinneshügel beider Gruppen nicht nur eine Ueber- einstimmung im Allgemeinen, sondern auch eine solche der einzelnen Elemente, und ganz vorzüglich der Reiz aufnehmenden Elemente, besteht. In Bezug auf den zweiten 'Theil dagegen haben wir ein Bedenken zu erwägen: Voraussetzung Scuuzze's ist, dass der adäquate Reiz des für das Wasserleben modificirten 'Tastapparates nicht wie beim Tasten im engeren Sinne in einer Massenbewegung fester Körper gegen die Haut des Thieres (oder umgekehrt) bestehe, sondern, dass dieser Reiz vielmehr durch Massenbewegungen des Wassers gegen den Fischkörper (oder umgekehrt), sowie durch grobe Wellenbewegungen ım Wasser, hervorgebracht werde. Lässt sich nun auf die Capitelliden, welche nicht, wie die meisten Fische, im Wasser schweben oder auf dem Boden ruhen, sondern vielmehr im Sande oder Schlamme wühlen, eine solche Vor- aussetzung übertragen? Ist es nicht vielmehr wahrscheinlich, dass, wenn bei diesen Thieren in den Seiten- organen überhaupt ein Tastapparat vorliegt, letzterer eher zum Tasten fester Körper dienen werde? Dem ist nicht so; weit entfernt die Möglichkeit des Statthabens von Tastempfindungen im letzteren Sinne zu bezweifeln — lässt sich doch ein grosser Theil der spinalen Nerven bis zur Haut verfolgen! — müssen wir gleichwohl au£ der ganzen Organisation der Sinneshügel schliessen, dass nicht sie die Vermittler dieser Empfindungen sein können. Die geschützte Lage der abdominalen, die Retraetilität der thoracalen Sinneshügel, die Einstülpbarkeit der Haarfelder, Alles das sind unverständliche Einrichtungen, wenn wir annehmen, dass die Affieirung der Sinneshaare von festen Körpern auszugehen habe; sie sind dagegen in schlagender Weise einleuchtend, sobald wir voraussetzen, dass sie demselben Zwecke dienen, welcher bei den Fischen durch das Vorhandensein einer hyalinen Röhre, durch Entwickelung epidermoidaler Wälle und Kanäle, sowie durch eine ähnliche (jedoch noch zweifelhafte) Retractilität der Haarfelder erreicht wird, dem Zwecke nämlich, die Berührung mit festen Körpern zu verhindern. Nach Beseitigung dieses Bedenkens, welches das einzige ist, das ich aufzufinden vermochte, steht somit der Uebertragung der Scnurze’schen Hypothese auf die Capitelliden Nichts im Wege, und an dem Tage, an dem diese Hypothese die Anerkennung einer unbestreitbaren Thatsache erfahren und so das Seitenorgansystem der Vertebraten eine befriedigende Erklärung gefunden haben wird, wird auch das- jenige der Capitelliden principiell mit erklärt sein. Die dem Vorhergehenden zu Grunde gelegten Ansichten über die Function der Seiten- organe haben kurz nach Veröffentlichung meiner Mittheilung von Seiten Eines Forschers, der die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere vergleichend bearbeitet und daher eine reiche Erfahrung in diesem Gebiete erworben hatte, Widerspruch erfahren. Dieser Forscher ist MERKEL!). Sehen wir zunächst, wie er die Schuzze'sche Lehre präcisirt, und was er im Allgemeinen dagegen einzuwenden hat: »Da nun, wie erwähnt«, sagt MERKEL, »die Nervenhügel bei Wasserbewohnern vorkommen, so hat F. E. Scnurze geschlossen, dass „dieselben einen speciell für den Wasseraufenthalt eingerichteten Sinnes- apparat darstellen, geeignet zur Wahrnehmung von Massenbewegungen des Wassers gegen den Fischkörper.‘ Er sucht diese Anschauung dadurch besonders wahrscheinlich zu machen, dass er die Aehnlichkeit im Bau 1) 1. p. 525. ec. p. 54—58. Diese Frage nach der Innervation konnte zwar, seitdem Obiges niedergeschrieben worden ist, beantwortet werden, aber für das Verständniss der Function liessen sich daraus keinerlei Schlüsse ziehen. 8s9* 708 C. Physiologischer Theil. der Nervenhügel und des Gehörorganes hervorhebt, in welch’ letzterem ja auch die Haare der Sinneszellen durch die Bewegungen einer Flüssigkeit — der Endolymphe — in Mitbewegung versetzt, eine Nervener- regung veranlassten. So ansprechend und schön auch diese Erklärung ist, so scheint sie mir doch nicht hinreichend gestützt zu sein, und ich bin durch meine Beobachtung lebender Thiere, sowie durch die grössere Untersuchungsreihe, die mir für meine Schlüsse vorlag, zu anderen Resultaten gekommen. Aus dem Vorkommen der Nervenhügel in der Haut der Wasserbewohner den Schluss zu ziehen, dass man in diesem Sinnesorgane auch für Empfindung von Wasserschwingungen eingerichtete Organe vor sich habe, ist in jedem Falle unrichtig. Denn man könnte dann ebenso gut behaupten, die Hautnerven- endigungen des Menschen, eines in der Luft lebenden Geschöpfes, seien speciell für die Perception von Luft- wellen eingerichtet, eine Behauptung, an welche doch gewiss Niemand ermstlich denken wird.« Gegen den Schlusssatz möchte ich zunächst geltend machen, dass die Wendung: »man könnte dann ebenso gut behaupten, die Hautnervenendigungen des Menschen, eines in der Luft lebenden Geschöpfes, seien speciell für die Perception von Luftwellen eingerichtet« schlecht- weg unberechtigt ist. Man kann dies nicht nur nicht »ebenso gut« sondern man kann so etwas überhaupt nicht behaupten; einfach deshalb nicht, weil hierfür jedwede Voraussetzung fehlt. Der Vergleich zwischen Seitenorgan- und Gehörorgan-Perception beruht nicht etwa auf einer einseitigen Deduction, sondern auf der grossen — nahezu von allen sachkundigen Forschern anerkannten — Uebereinstimmung im Aufbaue der beiderseitigen Sinnesapparate. Von keiner Seite her ist dagegen jemals eine ähnliche Uebereinstimmung zwischen Haut- nervenendigungen und Gehörorganen sei es des Menschen, sei es anderer Land-Wirbelthiere nachgewiesen worden. Seine eigene Ansicht über die Natur des Reizes und die Qualität der Empfindung formulirt nun MERKEL dahin: . »dass die Sinneshaare der Nervenhügel durch alle Dinge ihren adäquaten Reiz empfangen, welche dieselben in Bewegung versetzen. Es würde demnach ebenso gut eine Wasserwelle, wie ein im Weg liegender Stein oder ein begegnendes lebendes Wesen von diesem Organe gefühlt werden können, und man hätte dann nichts weiter vor sich, als ein Organ des Tastgefühls.« Dass die Sinneshügel des Seitenorgansystemes eventuell auch durch Anstossen an einem Steine oder lebenden Wesen Reize empfangen und Sensationen auslösen werden — wer möchte das leugnen? Auch das Auge zum Beispiel reagirt auf Anstossen an Steinen oder auf Stösse lebender Wesen mit der ihm eigenen Lichtempfindung. Wir hüten uns aber im letzteren Falle, von »adäquatem Reize« zu sprechen. Und was hat bisher die meisten Forscher auch hinsichtlich der Seitenorgane davon abgehalten, die Berührung mit festen Körpern als deren »adäquaten Reiz« gelten zu lassen? War es etwa eine Voreingenommenheit oder eine leere Speculation? Nichts von dem; vielmehr war es die gegen jeden Zweifel sicher gestellte 'That- sache, dass weitaus die grösste Zahl der bekannten Seitenorgane derartige Lagerungsverhält- nisse aufweist, dass eine directe Berührung mit anderen Körpern als Wasser überhaupt aus- geschlossen ist. Es konnte dieses Factum. von MERKEL selbstverständlich nicht ignorirt werden. Die Art aber, wie er sich mit ihm abzufinden sucht, scheint mir eine keineswegs überzeu- gende zu sein. Er sagt nämlich: »Wenn ich oben aussprach, dass wahrscheinlich auch feste Substanzen die Sinneshaare der Nerven- hügel direkt reizen könnten, so kann sich dieser Ausspruch selbstverständlich nicht auf die eben abge- handelten versteckt liegenden Organe beziehen. Betrachtet man aber Anfang und Ende der Reihe der mit III. Sinnesorgane. 2. Die Seitenorgane. 709 den beschriebenen Sinneszellen ausgestatteten Wirbelthiere, Amphioxus und die Amphibien, dann sieht man, dass bei ihnen ebensowenig, wie vielleicht bei einigen Fischarten, die gegebene Erklärung ausreicht. Amphioxus aber ist es gerade, bei welchem die äusserst klaren Verhältnisse der Hautnervenendigun- gen einen sehr guten Einblick in die Art ihrer Function gestatten. Wie es sicher nachzuweisen ist, endet kein Nerv in der Haut dieses Thieres anders, als in haartragenden Sinneszellen, welche sich zum grössten Theil von denen der Nervenhügel in keiner Weise unterscheiden. Studirt man die Lebensweise dieses Fisches, dann sieht man, wie er nur bei Nacht im freien Wasser schwimmt, bei Tage aber in grobem Sande versteckt liegt. Aufgescheucht, windet er sich mit grösster Schnelligkeit und Gewandtheit zwischen den Steinchen durch, um einen neuen Zufluchtsort zu suchen. Da das vollständige Fehlen von Drüsen und Becherzellen in der Haut des Lanzettfisches jede Bedeckung der Haut, und damit auch der Sinneshaare, durch Schleim ausschliesst, so ist gar keine andere Annahme möglich, als die, dass Amphioxus vermittelst seiner, an den festen Körpern auf seinem Wege vorbeistreifenden Sinneshaare sich orientirt, dass mit einem Wort auch von festen Körpern ausgehende Reize die Sinneshaare und damit die Hautnerven erregen können. Ob sich Amphiowus vermittelst seiner an den festen Körpern vorbeistreifenden Sinnes- haare orientirt, ob von festen Körpern ausgehende Reize seine Sinneshaare und damit seine Hautnerven erregen können oder nicht, mag dahingestellt bleiben. Was hat aber diese Frage mit derjenigen nach der Function der Seitenorgane zu thun? Wir alle können ja der Meinung sein, dass die hinsichtlich ihres Aufbaues und ihrer Leistungen so stark divergirenden Sinnes- apparate sich ursprünglich gleicherweise aus indifferenten Sinneszellen des Ectodermes ent- wickelt haben; wird es hingegen irgend Jemand einfallen, die Function eines der bekannten, specifischen Sinnesorgane schlechtweg derjenigen jener neutralen Sinneszellen gleichzusetzen ? Was aber für die Seh-, Gehör-, Geruchs- und Geschmacks-Organe gilt, das gilt auch für die so complieirten Seitenorgane. Und wenn daher Merken betont, dass »die gegebene Erklärung« (das heisst die Erklärung, dass die Seitenorgane nach Art der Gehörorgane pereipiren) für Amphiowus nicht ausreicht, so hat er sich nur die Mühe gemacht eine selbstverständliche Sache besonders hervorzuheben. Der Hauptpunkt, nämlich das oben erwähnte Factum, dass die Seitenorgane bei den meisten Fischen versteckt liegen und daher mit festen Körpern überhaupt nicht in Berührung kommen können, wird aber, wie man sieht, bei diesem Recurs auf Amphiowvus gar nicht be- rührt, geschweige erklärt. Dagegen wollte Merken offenbar die Bedeutung dieses Factums durch nachfolgenden Satz abschwächen: »Wie F. E. Scnhurze zur Aufstellung der Behauptung kommt, dass „eine Berührung der Körper- oberfläche mit festen Körpern bei den meisten Fischen und Amphibienlarven kaum je stattfinde‘, ist mir nicht ersichtlich geworden. Denn eine Beobachtung am Aquarium lehrt, dass im Gegentheil die meisten Fische vielfach mit festen Körpern in Berührung kommen. So liegen alle Selachier ohne Ausnahme beim Ausruhen, welches bekanntlich ziemlich so lange dauert, bis unabweisbares Nahrungsbedürfniss eintritt, mehr oder weniger im Sande vergraben. Keinem Aquariumbesucher wird ferner der komische und doch interessante Anblick in Vergessenheit kommen, wie sich die Pleuroneetiden mit Sand beschütten. Wer weiss nicht, dass die Muränen in alten Töpfen versteckt auf Beute lauern, wer kennt nicht die lange Reihe der Fische, welche wie Angwilla, Cobitis, Silurus, Lophius, u. s. w., den grössten Theil ihres Lebens im Schlamm ver- steckt zubringen; wer denkt nicht an die nestbauenden Stichlingsarten, an den Gänge wühlenden Gobius.« Dem gegenüber ist vor Allem hervorzuheben, dass ein Aquarium, insofern als es sich um die Beurtheilung der Gewohnheiten ganzer Ulassen von in ihm vertretenen Insassen handelt, nichts weniger denn als »Meer im Kleinen« dabei zu Grunde gelegt werden kann, 710 C. Physiologischer Theil. indem ja die Aquarium-Bevölkerung nicht etwa einen Durchschnitt, sondern vielmehr eine Auswahl marinen Lebens zu repräsentiren pflegt. Und wenn man nun überdies erwägt, dass es gerade bei den Fischen in erster Linie die pelagische oder nicht pelagische Lebensweise ist, welche bei dieser Auswahl entscheidet, so wird man einsehen, dass sich einseitig auf Aquarium- Erfahrungen begründete Schlüsse in der vorliegenden Frage nicht ohne Weiteres verwerthen lassen. Aber, selbst wenn man davon absieht, dass von der so überwiegenden Zahl rein pela- gischer Fische nur ausnahmsweise Gattungen oder Arten in Gefangenschaft gehalten werden können, und dass es im Gegentheil die weniger beweglichen Küstenbewohner sind, die sich vor- wiegend hierfür eignen — selbst dann erweisen sich die Behauptungen Merker’s nichts weniger als zutreffend. Ich bin zwar nicht sicher darüber, wo Merket seine Beobachtungen angestellt hat, aber aus dem Passus: »wer weiss nicht, dass die Muränen in alten Töpfen versteckt auf Beute lauern« vermuthe ich, dass es im Aquarium der hiesigen Station der Fall war, indem ich mich noch erinnere, wie der intelligente Wärter dieses Aquariums, geärgert darüber, dass sich die Muränen stets in den Spalten der Felswände verkrochen, eines Tages auf den Einfall kam, ihnen diese Töpfe als Schlupfwinkel anzubieten, um sie so dem Auge der Besucher wenig- stens einigermaassen zugänglich zu erhalten. Ueber die Gewohnheiten der Insassen des hiesigen Aquariums war ich nun aber in der Lage ausgedehntere Beobachtungen *) anzustellen, als MErkEr, und diesen meinen Beobach- tungen zufolge kann ich erklären, dass selbst von den in der Regel hier gefangen gehaltenen Fischen die grosse Mehrzahl (so lange sie wohlauf) in Bewegung oder doch schwebend ange- troffen wird. Wie MrrkEr zu dem Satze kam: »So liegen alle Selachier ohne Ausnahme beim Ausruhen, welches bekanntlich ziemlich so lange dauert, bis unabweisbares Nahrungs- bedürfniss eintritt, mehr oder weniger im Sande vergraben« ist mir absolut unverständlich, indem von Selachiern lediglich Squatina, Raja und Torpedo eine derartige Existenz führen, hingegen Carcharias, Scymnus, Galeus, Mustelus, Centrina und Trygon rein pelagisch leben, und Pristiurus sowie Seyllium (letzterer besonders Nachts) stundenlang in continuirlicher Bewegung angetroffen werden. Nach alledem glaube ich constatiren zu dürfen, dass der von MERKEL angefochtene Satz F. E. Schurze’s, demzufolge »eine Berührung der Körperoberfläche mit festen Körpern bei den meisten Fischen kaum je stattfindet«, in vollkommenem Einklange mit den That- sachen steht, dass hingegen der von MERKEL aufgestellte conträre Satz, demzufolge »die meisten Fische vielfach mit festen Körpern in Berührung kommen «, eben diesen Thatsachen in eben- so vollkommener Weise widerspricht. Merker hat sich zu Gunsten der von ihm vertretenen Ansicht auch darauf bezogen, dass einzelne Fische frei stehende Seitenorgane aufweisen. Er sagt: »Um aber nach dieser Abschweifung wieder zum Thema selbst zurückzukehren, so findet man bei manchen Fischen, welche viel mit festen Substanzen in Berührung kommen, die Nervenhügel ganz frei, und ‘) Man vergleiche: Eısıs, H. Biologische Studien ete. II. Ueber das Ruhen der Fische. Kosmos. 6. Jahrg. 1852. p. 438—442, - III. Sinnesorgane. 2. Die Seitenorgane. zı ich möchte neben Gasterosteus aculeatus und pungitius, ganz besonders Oobitis fossilis hervorheben, wo jede Schutzvorrichtung der sehr zahlreichen Hügel, auch die hyaline Röhre vollständig fehlt.« Ich glaube nun auch dieses Argument als nicht zutreffend bezeichnen zu dürfen, indem meinen vorhergehenden Auseinandersetzungen zufolge) auch die freistehenden Seitenorgane der Fische der Schutzvorrichtungen nicht zu entbehren scheinen. Als solche Schutzvorrichtung betrachte ich aber die Fähigkeit der Sinneshügel, ihren empfindlichsten Theil, nämlich den mit den Sinneshaaren besetzten Pol (das Haarfeld) einstülpen zu können. Für die Capitelliden- Hügel habe ich den Vorgang dieser Einstülpung nachgewiesen, und für die Teleostier-Hügel habe ich denselben aus verschiedenen dahin zielenden Angaben anderer Autoren erschlossen. Schliesslich bezieht sich MErkEL auch noch auf ein Experiment Bucnıons, und zwar mit folgenden Worten: »Bei den erwachsenen Amphibien, welche Nervenhügel tragen, deren Sinneshaare sich sogar durch eine grosse Zartheit auszeichnen, ist wie bei Amphiozus mit Sicherheit zu behaupten, dass die Haare häufig mit festen Substanzen in Berührung kommen müssen, und ich will nicht versäumen, an Busntox’s Versuch zu erinnern, bei welchem er die Hügel des Proteus mit einer Nadel stach und dadurch heftige Fluchtbe- wegungen und Schmerzensäusserungen hervorrief.« Ich muss gestehen, dass mir nicht klar geworden ist, was eigentlich dieser » Bucnıon’sche Versuch« in unserer Frage entscheiden soll, indem doch, wenn etwa Bucnıon den betreffenden Proteus in ein anderes Sinnesorgan, etwa in das Auge oder in das Ohr mit einer Nadel ge- stochen hätte, er dadurch wohl ebenfalls »heftige Fluchtbewegungen und Schmerzensäusserungen« an dem betreffenden 'Ihiere hervorgerufen hätte. MERKEL schloss seine »Physiologische Bemerkungen« mit der Zuversicht: »und so wird man denn den oben ausgesprochenen Satz, dass die Nervenhügel durch alle Dinge ihren adäquaten Reiz empfangen, welche dieselben in Bewegung versetzen, als sichergestellt an- sehen dürfen.« Ich glaube durch das Vorhergehende gezeigt zu haben, wie wenig diese Zuversicht, schon zur Zeit als MERKEL seine Abhandlung verfasste, berechtigt war, wie hingegen schon damals Alles eher dafür sprach, dass die Seitenorgane nur durch Vermittelung des Wassers ihren adäquaten Reiz empfangen. Seitdem ist nun aber in der Erforschung gerade dieser Frage ein bedeutender Schritt vorwärts gemacht worden, und zwar in einem nicht der von MERKEL vertretenen, sondern im Gegentheil in einem lediglich der von ihm bekämpften Auf- fassung günstigen Sinne. Nachdem nämlich EumeryY') in seiner Fierasfer-Monographie auf Grund des anatömisch- topographischen Verhaltens der Seitenorgane ihre grosse Uebereinstimmung mit entsprechenden Anordnungen des Gehörapparates von Neuem eingehend erörtert hatte, trat Mavser?) mit dem Nachweise hervor, dass »Recurrens superior und hintere Acusticuswurzel nach ihrem Austritt aus dem Schädel den Stamm des Nervus lateralis bilden.« l.. p. 525. c. p 48—50. Mayser, P. Vergleichend-anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische ete. Zeit. Wiss. 2. 36. Bd. 1882. p. 309—312. 712 C. Physiologischer 'Theil. Die Schlüsse, die Mayser aus diesem Factum zieht, sind folgende: » Berücksichtigt man aber, dass die Nerven aus dem Tubereulum acusticum, also aus einem zweifel- losen Acusticuskern kommen, dass ihre Wurzel der eigentlichen (vorderen) Acusticuswurzel histologisch durch- aus ähnlich ist, dass nach Sraxxıus’ Untersuchungen bipolare Ganglienzellen in die Fasern eingeschoben sind, wie es Fritsch im Anschluss an M. SchuLtzE für den Stamm des Acusticus angiebt, so hat man gewiss alles Recht, hier zunächst an ein accessorisches Gehörorgan zu denken.« »Somit spreche ich die Ansicht aus, dass die Schleimkanäle der Fische nichts Anderes sind’ als ein weit über die Körperoberfläche ausgebreitetes accessorisches Gehörorgan, von dem ich gerade nicht behaupten will, das es Schallempfindungen zu vermitteln habe, dessen Function aber in den Bereich des zur Zeit noch unvollkommen erkannten Gehörsinns fallen wird.« Sodann ist auch DE Sepe DE Litgoux') auf Grund seiner an Teleostiern angestellten Experimente (Resection des N. lateralis bei gleichzeitiger Blendung) zu Schlüssen gekommen, die wohl mit der Schurze'schen, nicht aber mit der Merker'schen Auffassung im Einklange stehen. Er sagt nämlich: »Ce qu’elle apprecie [nämlich la ligne laterale] par excellence, ce sont les courants, le remous, les mouvements faibles de l’eau. Par elle, le poisson connait sa propre vitesse et peut la regler; mobile dans un element sans cesse agite, il en percoit les moindres deplacements; vivant au milieu d’etres animes qui Ventourent de tous cötes, il devine leur approche aux plus petits mouvements de l’eau.« In meiner früheren (im Vorhergehenden reproducirten) Publication habe ich von der Schurze'schen Ansicht, derzufolge die Seitenorgane dazu dienen »Massenbewegungen des Wassers« sowie »grobe durch das Wasser fortgeleitete Stosswellen mit längerer Schwingungs- dauer, als sie den das Gehörorgan afficirenden Wellen zukommt« wahrzunehmen, als von einer Hypothese gesprochen; die eben mitgetheilten neueren Erfahrungen scheinen mir nun darzu- thun, dass diese Hypothese auf dem besten Wege ist, eine anerkannte Thatsache zu werden. Ferner habe ich jene Mittheilung mit dem Satze geschlossen: . . .. »an dem Tage, an dem diese Hypothese die Anerkennung einer unbestreitbaren Thatsache erfahren haben und so das Seitenorgansystem der Vertebraten eine befriedigende Erklärung gefunden haben wird, wird auch dasjenige der Capitelliden principiell mit erklärt sein.«c Im Hinblicke darauf möchte ich nun zum Schlusse noch hervorheben, dass die Capitelliden zwar im Besitze von Seh-, Geruchs- und Geschmacks-, nicht aber im Besitze von Gehörorganen sind, und dass daher für sie die Definition der Seitenorgane als »accessorischer Gehörorgane« um so zutref- fender erscheinen muss. 3. Die becherförmigen Organe. Auch über die Function der becherförmigen Organe habe ich mich in dem früher publieirten Auszuge?) schon ausgesprochen, und zwar wie folgt: Im Gegensatze zu den Seitenorganen, für welche wir gezwungen waren, einen Leitfaden zur Beur- theilung ihrer Function in den homologen Apparaten einer anderen Thiergruppe zu suchen, bieten die be- ) Stpe DE Lrkovx, P. DE. Recherches sur la Ligne laterale des Poissons osseux. Theses. Paris 1884. p. 71. ) 1 2) 1. p. 76. c. p. 336—338. IH. Sinnesorgane. 3. Die becherförmigen Organe. 713 cherförmigen Organe der Capitelliden in der Thatsache ihrer Vertheilung selbständig einen Wink dar, des- sen Geeignetheit zum Ausgangspunkte solcher Beurtheilung kaum übersehen werden könnte. Ich meine die Thatsache, dass die becherförmigen Organe nicht nur am Rumpfe und am Kopflappen, also auf der äusseren Körperfläche angebracht sind, sondern auch über das Epithel der Mundhöhle, wo wir sonst den Geschmackssinn localisirt finden, verbreitet stehen. Wenn wir daraus den nahe liegenden Schluss ziehen, dass die becherförmigen Organe, deren Natur als Sinnesorgane sich uns ja schon aus der Structur offenbart hatte, speciell als Geschmacksorgane zu betrachten seien, und bedenken, dass zwischen den genannten Or- ganen des Schlundes, Kopflappens und Rumpfes keine irgendwie bemerkenswerthen Unterschiede sich feststellen liessen, so ergiebt sich von selbst die Folgerung, dass die Capitelliden nicht nur mit der Mund- höhle, sondern auch mit der ganzen Körperoberfläche, so weit sie mit solchen Organen ausgerüstet ist, zu schmecken im Stande sein müssen *). Die Beantwortung der Frage nach der Function der becherförmigen Organe der Capitelliden ist aber nicht nur durch das erwähnte, aus der Gruppe selbst sich ergebende Verhältniss erleichtert, sondern es kommt hierzu auch noch der Umstand, dass die entsprechenden Organe der Vertebraten, denen wir sie für homolog halten, in Bezug auf ihre Function eine befriedigende Erklärung gefunden haben. Es ist dem Umstande zu danken, dass die specifische Energie des N. glossopharyngeus, in dessen Verbreitungsbezirke becherförmige Organe als Endapparate nachgewiesen wurden, nicht wie diejenige des N. lateralis im Dunkel liegt, sondern, dass vielmehr diese Energie als im Dienste der Geschmacksempfindung stehend bekannt ist. In der T'hat hat sich die ursprüngliche Erkenntniss der becherförmigen Organe der Vertebraten als Geschmacksorgane nicht etwa so vollzogen, dass man in der Mundhöhle auf becherförmige Organe stiess und auf deren Natur als Endapparate des N. glossopharyngeus schloss, sondern es fand um- gekehrt F. E. Scuurze!), von der Voraussetzung ausgehend, dass, wenn die Fische überhaupt ein Geschmacks- organ besitzen, sich dasselbe in der Schleimhaut des Gaumens, dem Hauptverbreitungsbezirke des N. glos- sopharyngeus vorfinden müsse, nach Verfolgung der peripherischen Aeste dieses Nerven die bereits von der Körperoberfläche her bekannten becherförmigen Organe als dessen Endapparate. Unterstützt wurde noch diese Auffassung der becherförmigen Organe durch die Uebereinstimmung ihrer Sinneszellen mit den sogenannten Riechzellen. Scnhurzs hat dann auch weiterhin, dem Umstande Rechnung tragend, dass die becherförmigen Or- gane bei den Fischen nicht bloss auf die Mundhöhle beschränkt sind, sondern auch auf dem übrigen Körper zerstreut stehen, den unabweisbaren Schluss gezogen, dass bei den Fischen der Geschmackssinn sowohl in der Mundhöhle, als auch ın der Körperhaut seinen Sitz haben müsse. Seitdem wurden becherförmige Organe in der Mundhöhle der verschiedensten Wirbelthiere, ins- besondere auf der Zunge der Säugethiere nachgewiesen, so dass ein Zweifel über deren Function als Ge- schmacksorgane kaum mehr bestehen kann **). ine reiche Lätteratur hat sich über diesen Gegenstand bereits angesammelt?); da es jedoch für unseren Zweck kaum angeht, ausführlich deren — in der Hauptsache übrigens übereinstimmend lautende — Del p2 558.. cp. 218. 2) Eine Zusammenstellung dieser Litteratur findet sich bei Leyvıc 1. p. 414. ce. p. 170 und bei Toparo l2P2 501 c- *) Wie eine solche Verbreitung des Geschmackssinnes — weit davon entfernt paradox zu sein — für im Wasser lebende Thiere vielmehr durchaus einleuchtend erscheinen müsse, hat F. E. Scnurze (l. p. 554. e. p. 154), den ja seine Befunde an den Teleostiern zu derselben Ansicht führten, treffend dargethan. Wir verweisen nachdrücklich auf seine hierauf bezüglichen Sätze, weil sich dieselben in ihrer vollen Ausdehnung auf die Capitelliden über- tragen lassen. **) Nur insofern herrscht ein Auseinandergehen der Meinungen, als einige Autoren in Bezug auf diejenigen Thiere, welche becherförmige Organe sowohl in der Mundhöhle, als auf den Körperwandungen besitzen, diesen Organen neben der Schmeck- auch eine Tast-Function zuzuschreiben geneigt sind, sei es nun, dass sie wie JOBERT (. p. 553. ce.) und Zıscox& (l. p. 553. e.) diese Doppelfunction jedem einzelnen Organe zutrauen, sei es, dass sie, wie Toparo (Toparo, F. Gli Organi del gusto ete. dei Selaci. Ricerche fatte nel Labor. di Anat. etc. di Roma. Roma 1873) gewisse becherförmige Organe für schmeckende, andere, durch ihre Form und Structur sich etwas unterscheidende, für tastende halten. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 90 714 ©. Physiologischer Theil. Resultate aufzuführen, so greifen wir nur Eine Stimme heraus, um die eben aufgestellte Behauptung zu g 5 pvung belegen. ScHhwALBE!) sagt: »Sehen wir uns nun, nachdem wir die Geschmacksorgane der Säugethiere kennen eelernt haben, nach analogen Bildungen in der Wirbelthierreihe um, so fällt uns zunächst die grosse o ) fo} oO ’ > Uebereinstimmune der Schmeekbecher mit den von L&yvıG entdeckten »becherförmigen Organen« der Fische 5 ie) > auf, über deren wahre Natur uns F. E. Scnurze aufgeklärt hat. Er erklärte dieselben, gestützt auf seine histologischen Untersuchungen, zuerst mit Entschiedenheit für Geschmacksorgane. Nach der Auffindung vanz ähnlicher Gebilde an der Stelle der Zunge der Säugethiere und des Menschen, welche von allen Physiologen als schmeckend anerkannt ist, kann wohl über die Bedeutung der »becherförmigen Organe« der Fische auch nicht mehr der leiseste Zweifel herrschen.« Wie ich schon im Morphologischen Theile®) hervorgehoben habe, sind, seitdem das Vorhergehende niedergeschrieben worden ist, becherförmige Organe nicht nur noch in zahl- reichen anderen Abtheilungen der Wirbelthiere nachgewiesen, sondern für ihre Function als Geschmacksorgane sind auch durch unzweideutige Experimente vollends entscheidende An- haltspunkte gewonnen worden. Auch die Ansicht, dass die becherförmigen Organe der Anneliden und anderen 'Thier- classen zur Vermittelung von Geschmacksempfindungen dienen, bricht sich immer mehr Bahn. Nur da können Zweifel aufkommen, wo diese Organe ausser in der Mundhöhle auch noch auf der Körper-Oberfläche zerstreut vorkommen, indem in solchen Fällen eine Verwechselung mit Sinneshügeln möglich ist, welche sich weder zu Seiten-, noch zu Becherorganen differenzirt haben, welche vielmehr die Function der ursprünglichen »'Tastpapillen« beibehalten, oder aber anderweitige Differenzirungen erfahren haben. Im vorhergehenden 'Theile®) habe ich schon darauf hingewiesen, wie die Vorstellung, dass sich aus den functionell noch vielseitigeren Tastzellen und 'Tastpapillen nicht bloss die zwei Kategorien der Becher- und Seitenorgane entwickelt haben, insofern von hoher Bedeutung ist, als wir gestützt darauf auch die augenähnlichen Organe gewisser Würmer, Mollusken und Vertebraten als einseitig entwickelte Derivate jener neutraleren Sinnespapillen betrachten können. Von solchem Gesichtspunkte aus ist dann das Vorkommen vieler Hunderte »accessorischer Sehorgane« nicht mehr und nicht weniger wunderbar, als dasjenige vieler Hunderte »acces- sorischer Gehör- und Geschmacksorgane«. a) Vergl. p. 555. ß) Vergl. p. 557 —563. 1) Schwaner, G. Ueber die Geschmacksorgane der Säugethiere und des Menschen. Arch. Mikr. Anat. 4. Bd. p. 182. IV. Blut (Hämolymphe).” In Anbetracht, dass diejenigen Bestandtheile der Blutkörper, welche hier vorwiegend in Betracht kommen werden, nämlich der Blutfarbstoff und die Blutconcretionen, nicht wenig das anatomisch-histologische Verhalten mitzubestimmen, sowie auch für Relationen morpho- logischer Natur Anhaltspunkte darzubieten vermochten, hatte ich in den betreffenden 'Theilen dieser Monographie schon mehrfach darauf Rücksicht zu nehmen und wegen des Specielleren hierher zu verweisen. Umgekehrt muss ich nun den Leser bitten, sich über Alles, was anatomisch-morphologische Fragen angeht, an der Hand der unten ceitirten Stellen in den vorhergehenden 'Theilen zu orientiren. Fs könnte scheinen, dass speciell die auf p. 157—163 geschilderten Reactionen der Blutscheiben (von Notomastus) besser hier untergebracht worden wären; demgegenüber ist aber in Betracht zu ziehen, dass es mir bei jener Untersuchung nicht so sehr darauf ankam, die chemische Zusammensetzung, als vielmehr die Structur der Scheiben zu eruren. Von jenen Reactionen dürfte hauptsächlich die durch Salpetersäure hervorgerufene, von so eigenthüm- lichen Farbe-Veränderungen begleitete, die Aufmerksamkeit des Physiologen verdienen. Hier soll uns nun zunächst der Nachweis des Hämoglobins, sodann die chemische Beschaffenheit der Blutscheiben-Concretionen, und schliesslich die bei Capitella vorkommende Melanämie beschäftigen. 1. Der Hämoglobin-Nachweis in den Blutscheiben der verschiedenen Capitelliden. Ich habe bereits im Anatomischen Theile dieser Monographie constatirt, dass die rothe Färbung des Capitellidenblutes auf dem Vorhandensein von Hämoglobin beruht. Die beiden für diesen Körper so bezeichnenden Absorptionsstreifen des O. Hg. treten in aller nur wünschenswerthen Deutlichkeit auf. Um übrigens jedem Zweifel zu begegnen, habe ich Ver- a) Man vergleiche: » Anatomisch -Histologischer 'Theil« p. 153—167, 202—203, 225, 245—216 und 288—289; ferner: » Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 683—691; endlich Tafel 35. 90* 16 Ö. Physiologischer Theil. gleichsspektra mit Vertebratenblut hergestellt (es wurde das Blut von Lacerta muralis und das- jenige von Torpedo marmorata zum Vergleiche benutzt) und gefunden, dass die Absorptionslinien der beiderlei Spektra vollständig zusammenfallen. Ich kann daher die Angabe Lankester's'), der das Vorkommen von Hämoglobin speciell bei Oapitella capitata zuerst spektroskopisch nach- gewiesen hat, auch für die sämmtlichen anderen Arten der Familie bestätigen *). Der Nachweis des Blutfarbstoffes gelang aber auch auf noch anderem, als spektrosko- pischem Wege. Durch die meisten der bei den höheren '[hieren zur Anwendung gelangten Mittel lassen sich nämlich auch bei unseren Anneliden die Hämoglobinkrystalle darstellen. So durch vorsichtiges Zusetzen von Wasser, Alkohol oder Aether, ferner durch Behandlung mit Essigsäure und darauffolgendes 'Trocknen, endlich durch vorsichtiges Erwärmen. In allen diesen Fällen erhält man prismatische Stäbchen oder rhombische Plättchen von gelber bis röthlicher Färbung‘). Die Krystalle können auch in beiden Farben schimmern; insbesondere an den durch Erwärmung von Blut hergestellten Krystallen ist mir solcher Dichroismus auf- gefallen. Aber zuweilen bedarf es zur Krystallbildung gar keiner derartigen Eingriffe; der Process tritt spontan auf, und zwar häufiger bei Dasybranchus caducus, als bei den übrigen Arten der Familie. Die Blutscheiben eines der genannten Form zugehörigen 'Thieres, welches verwundet über Nacht in einem Gefässe ohne Circulation gelegen hatte, zeigten bei der Untersuchung nahezu alle »intraglobulär« mehrere rhombische Prismen von. concentrirter Blutfarbe®). Die etwas aufgequollene Substanz dieser Scheiben enthielt meist nur noch Spuren von Farbstoff im vertheilten Zustande, schien aber im Uebrigen wenig durch die Krystallbildung verändert worden zu sein: die Excretbläschen pflegten im Bereiche der Hämoglobinkrystalle ange- sammelt zu liegen. Die vollkommensten Blutkrystalle erhielt ich indessen von einem ebenfalls jener Dasy- branchus-Species zugehörigen Thiere im »extraglobulären« Zustande. Das betreffende Exemplar hatte gleich dem vorher erwähnten eine Nacht über verwundet in einem Behälter ohne Sauerstoff- zufuhr gelegen. Ein der Leibeshöhle zur Untersuchung entnommener Blutstropfen (dem sich etwas Seewasser beigemengt hatte) blieb nun nicht, wie das sonst der Fall, längere Zeit hin- durch unverändert, sondern die Scheiben begannen sofort unregelmässig zu werden und aufzuquellen. Gleichzeitig diffundirte der Blutfarbstoff nach aussen und unter meinen Augen begannen in ihrer Färbung ganz mit dem Blute übereinstimmende Krystalle“) anzu- schiessen. Diese, meist vierseitige Prismen oder rhombische Plättchen darstellend, er- schienen gegenüber allen den durch die üblichen künstlichen Eingriffe hervorgerufenen als wahre Riesen. Man vergleiche Fig. 30° und Fig. 31, 32, welche alle unter gleicher Ver- a), Nat, 35. Bio. 31 und 32. b) Taf. 35... Eile. 29. c) Taf. 35. Fig. 30%. l) Lankester, E. A. Contribution to the Knowledge of Haemoglobin. Proc. R. Soc. London. Vol. 21. US TER, *) Bine tabellarische Zusammenstellung der gesammten Hämoglobin-Nachweise bei wirbellosen T’hieren bis 1552 gab Krukengerg, ©. Vergleichend-Physiologische Vorträge I. 1882. p. 29—32. IV. Blut (Hämolymphe). 2. Ueber die chemische Beschaffenheit der Excretbläschen ete. le. grösserung gezeichnet sind. Das Präparat, aus dem Fig. 30* stammt, enthielt übrigens noch bedeutend grössere Exemplare. Die Krystalle traten bald einzeln, bald in Gruppen auf; eine solche habe ich in Fig. 30° abgebildet. Die Blutscheiben‘) erschienen in diesem Falle durch- aus farblos; nur die Excretbläschen hatten ihr gelbes Colorit unverändert beibehalten. Endlich lassen sich auch aus dem Blutfarbstoffe der Capitelliden sehr leicht die Teıcn- mannschen Häminkrystalle darstellen. Wenn man zu einem eingedampften Blutstropfen, der etwa zur Hälfte mit Seewasser*) versetzt war, einen Tropfen Eisessig hinzufügt und kocht, so entsteht zunächst eine rothbraune Flüssigkeit und nach dem Verdampfen eine dunkelbraune Kruste, in welch’ letzterer die betreffenden Krystalle”) in grosser Menge anschiessen. Sie pflegen von sehr verschiedener Grösse und von rhombischer Blättchenform zu sein; die kleineren erscheinen gelb, die grösseren gelbbraun. Ich habe zum Vergleiche auch Häminkrystalle von Gobius-Blut dargestellt und abgebildet‘); die Uebereinstimmung zwischen diesen und denjenigen der Capitelliden ist eine vollkommene. 2. Ueber die chemische Beschaffenheit der Excretbläschen und Concre- tionen der Blutscheiben. Angesichts ihrer grossen Aehnlichkeit**) mit den Excretbläschen und Concretionen der Nephridien, war es mir von hohem Interesse, das chemische Verhalten der Blutscheiben- Coneretionen kennen zu lernen; denn für den Fall, dass diese Producte der gefärbten Blutzellen nicht nur im Habitus, sondern auch hinsichtlich der chemischen Be- schaffenheit mit denjenigen der Nierenorgane übereinstimmten, das heisst sich ebenfalls als guaninhaltig herausstellten, waren ja überaus folgenreiche Schlüsse für die Stoffwechsel-Beziehungen nahe gelegt. Leider musste im vorliegenden Falle die Untersuchung ganz auf mikrochemische Reac- tionen beschränkt bleiben, so dass auf ein entscheidendes Resultat von vorn herein nicht gerechnet werden konnte. Es wurden hauptsächlich. die Blutconcretionen von Notomastus Benedeni und N. profundus verwandt, indem sich ihr Verhalten besser, als dasjenige der durch- schnittlich kleineren aller übrigen Formen controliren liess. a) Taf. 35. Fig. 30%. b) Taf. 35. Fig. 12, 33 und 44. c) Taf. 35. Fig. 13. *) Die Krystalle treten auch ohne Seewasserzusatz, aber entfernt nicht in so grosser Zahl auf. Offenbar genügen in diesem Falle die Spuren der in der Hämolymphe enthaltenen Salze ftir das Zustandekommen der Hämatinverbindung. ‘*) Man vergleiche Tafel 34 und Tafel 35. Ferner wird der Leser gebeten, sich gleichzeitig mit dem ersten Abschnitte des nächsten Kapitels: »Ueber die chemische Natur der in den Nephridien enthaltenen Exeret- bläschen und Concretionen« p. 725—732 vertraut zu machen, da im Obigen dessen Kenntniss vorausgesetzt wird. Im Interesse des Gesammtverständnisses musste in diesem Theile das Kapitel »Blut« dem Kapitel » Nephridien« vorangehen. 718 C. Physiologischer Theil. Die Blutscheiben-Concretionen sind in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich. Selbst nach tagelanger Einwirkung dieser Flüssigkeiten, nachdem die Substanz der Scheiben schon ganz zerfallen zu sein pflegt, finden sich die Excretkörper noch ganz unverändert. Mit verdünnter Salpetersäure erwärmt lösen sich die Concretionen und der einge- dampfte eitronengelbe Rückstand wird durch Zusatz von Ammon tief goldgelb, durch solchen von Kali- oder Natronlauge tief braunroth. Nachträgliches Erwärmen hat aber keinen weiteren Farbenwechsel zur Folge. Da sich ebenso behandelte Muskelfragmente ähnlich verhalten, so haben wir hier offenbar eine durch die von den Concretionen eben nicht trennbare Blut- scheibensubstanz verursachte Proteinreaction vor uns, und es lässt sich daher auf Grund dieses Verhaltens im vorliegenden Falle ebenso wenig irgend ein Schluss ziehen, wie auf Grund des entsprechenden Verhaltens der Nephridium-Concretionen?). In verdünnter Essigsäure sind die Concretionen unlöslich; in concentrirter werden zwar die kleineren Exemplare nach längerer Einwirkung angegriffen, aber die grossen bleiben in Farbe und Form scheinbar unverändert erhalten. Gegen Oxalsäure verhalten sich nahezu alle indifferent. Verdünnte Salzsäure greift nur einzelne Concretionen nach längerer Einwirkung etwas an; concentrirte dagegen bringt sie insgesammt, und zwar rasch zur Lösung. Aehnliche Wirkungen hat der Zusatz von Salpeter- und Schwefelsäure zur Folge, das heisst durch die schwachen Lösungen auch dieser Säuren werden die Concretionen nur nach längerer Einwirkung und auch dann nur theilweise angegriffen, wogegen durch die con- centrirten ihre Lösung ebenfalls sofort bewirkt wird. In Ammon-Flüssigkeit sind die Concretionen unlöslich; ebenso verhält sich weitaus ihre Mehrzahl sowohl gegen verdünnte, als auch gegen concentrirte Kalilauge; ja selbst nach längerer Einwirkung von heisser Kalilauge fand sich noch eine bedeutende Anzahl der betreffenden Concretionen intact. Vergleichen wir diese Reactionen mit denjenigen der Nephridium - Concretionen, so giebt sich bis auf die letzte eine ziemlich grosse Uebereinstimmung kund. Nur im Ver- halten gegen Kalilauge macht sich der Unterschied geltend, dass, während von den Nephridium- Concretionen sich nur einzelne gegen diese Lauge resistent verhielten, von den Blutscheiben- Concretionen umgekehrt einer grossen Zahl diese Widerstandsfähigkeit zukommt. Während wir demnach hinsichtlich der ersteren Concretionen, als deren Hauptbestandtheil Gwuanin nachgewiesen werden konnte, zu constatiren hatten, dass nur einzelne einen so hohen Grad von chemischer Resistenz erreichen, wie er sonst allein Chitingebilden eigen zu sein pflegt, so müssen wir für letztere (das heisst für die Blutconcre- tionen) umgekehrt hervorheben, dass eine bedeutende Anzahl derselben diesen chitinartigen Charakter darbietet. Die übrigen mögen, wenn ein solcher Schluss auf Grund der Uebereinstimmung der beiderlei Concretionen im Habitus wie IV. Blut (Hämolymphe). 2. Ueber die chemische Beschaffenheit der Exceretbläschen etc. 719 chemischen Verhalten zu ziehen gestattet ist, ebenfalls aus Guanin oder doch aus einer guaninähnlichen Substanz bestehen. Haben wir uns nun diese auffällige Differenz so übereinstimmender, in ein und dem- selben Organsysteme, ja in ein und derselben Zellformation erzeugter Gebilde als Produkte verschiedener Processe, oder aber — was wohl für die Vorstellung befriedigender — als Produkte einer Metamorphose, bei der chitinähnliche Substanz als End- und guanin- ähnliche als Mittelglied figurirt, vorzustellen ? In dieser Hinsicht ist von Interesse, dass auch UrArarepe') durch die in den Lymph- körpern von Ophelia enthaltenen stabförmigen Concretionen an Chitin erinnert wurde, und dass andererseits auch ein Fall in der Literatur registrirt ist, in dem unzweifelhaftes Chitin in Form von Concretionen zur Ablagerung gelangt. Ich meine die von P. Mayer beschriebe- nen amylumähnlichen, chitinösen Einlagerungen der Scherenschwielen-Cutieula von Hetero- grapsus Lucasü. Genannter Autor?) sagt von diesen Gebilden: »Ein Längsschnitt zeigt direkt unter der derben Outicula eine verhältnissmässig enorm dicke Lage von zarten Chitinhäuten, welche nach innen zu wiederum von einer festeren Chitinlamelle begrenzt werden. Diese letztere ist wellig gestreift und trägt zahlreiche Concretionen von lebhaft gelb gefärbtem Chitin ein- gelagert, deren Gestalt auffällig an die der Stärkekörner erinnert. Es sind sowohl Schichtungen um einen concentrisch oder excentrisch gelegenen Kern als auch Verschmelzungen runder Körner zu biseuitförmigen Gestalten nachzuweisen, so dass man, wenn nicht alle eyemischen Reactionen für Chitin sprächen, versucht sein könnte, ein freilich seltsames Vorkommen von Amylum anzunehmen.« Von welch’ ausserordentlicher Tragweite es ist, wenn wir das Chitin mit unter die stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte rechnen dürfen, das werden \ wir im nächsten Kapitel an mehr als einer Stelle zu erfahren haben‘). Dr 12P>#8.2C..D. 288. 2) Mayer, P. Careinologische Mittheilungen. IV. Die Scherenschwielen von Heterograpsus Lucasü. Mitth. 2. Stat. Neapel. 1. Bd. 1879. p. 51. *) Das Chitin ist diejenige Gerüstsubstanz oder dasjenige Cuticulargebilde, welches bei den Arthropoden den Haupttheil der im Morphologischen Theile dieser Monographie (p. 299—421) durch die verschiedenen Ab- theilungen des Thierreiches hindurch verfolgten Stab- und Fadensecrete ausmacht. Erweist sich daher die obige Auffassung des Chitines (und dasselbe gilt dann natürlich auch für die anderen Gerüstsubstanzen) als richtig, so werden wir künftighin von Stab- und Fadenexcreten reden müssen. Als gemeinschaftliches Band für diese Exerete oder Secrete galt uns die ectodermale Natur oder Abstammung aller Stab- und Fadenzellen sowie aller Stab- und Fadendrüsen. Kommt aber die Exeretnatur des Chitines (sowie der übrigen Cuticularsubstanzen) zur Anerkennung, dann werden wir nicht umhin können, die zwischen Eetoderm und Gerüstsubstanzen herrschenden Beziehungen als secundäre, respective als erworbene aufzufassen. Nicht als Produkte der chemischen Werkstätten ectodermaler Zellen, sondern als Produkte der chemischen Werkstätten von Zellen »relativer Nierenorgane« sind dann nämlich die Gerüstsubstanzen zu betrachten, als Produkte von Nierenorganen, die einer alten, tief eingeerbten Tendenz zu Folge in die Haut deponirt, und eventuell von der Haut oder von besonderen Hautorganen mehr oder weniger modifieirt zur Herstellung stab- und fadenförmiger Gebilde wieder ausgeschieden werden. Eine weitere Consequenz dieser modificirten Auffassung wäre die, dass das Vorkommen von Chitin und anderen Gerüstsubstanzen in inneren Organen (vor allem in »Nierenorganen«) nichts Befremdendes mehr hätte. Wir verständen beispielsweise die Angabe Lankesters (l. p. 396. ce. p. 134), derzufolge in mesoblastischen Ge- weben von Limulus Chitin vorkommen soll. Die Relation Eetoderm-Chitin oder besser Ectoderm-Cutieularsubstanz würde zwar dann 720 ©. Physiologischer Theil. Gross ist auch die chemische Resistenz des die Blutscheiben-Concretionen tingiren- den Farbstoffes. In Präparaten, welche den Gang durch Alkohol und ätherische Oele ge- macht haben, zeigen die Blut-Concretionen ihr gelbes oder braunes Colorit ebenso unverändert wie diejenigen der Nephridien. Auch der Einwirkung schwacher Säuren und Alkalien wider- steht das Pigment in den meisten Fällen, oder es wird doch nur langsam durch sie verändert. Spektroskopisch verhält es sich ebenfalls gleich dem die Nephridium-Concretionen tingirenden, das heisst es bewirkt keine Absorptionsstreifen. Von grossem Interesse für das im nächsten Kapitel zu erörternde Pro- blem der Integument-Färbungen ist die Frage nach der Herkunft des Farbstoffes sowohl der Nephridium-, als der Blutscheiben-Concretionen. In Anbetracht, dass die letzteren nachweislich in der Substanz der hämoglobinhaltigen Scheiben zur Ausbildung gelangen, wird man wohl kaum anderswo, als im Blutfarbstoffe, diese (Juelle zu suchen haben. Der Farbstoff der Concretionen weicht zwar im spektroskopischen und chemischen Verhalten stark von demjenigen des Hämoglobines ab, aber demgegenüber kann darauf hingewiesen werden, dass wir ein unzweifelhaftes Hämoglobinderivat kennen, welches sich ebenfalls sowohl spektroskopisch, als chemisch vom Hämoglobine sehr verschieden erweist, nämlich das Hämatin. Besonders die Thatsache, dass auch das Hämatin in Wasser, Alkohol, Aether und verdünnten Säuren unköslich und in Essig-, sowie rauchender Salzsäure schwer löslich ist, also seine grosse chemische Resistenz gegenüber dem Hämoglobine, kommt hierbei in Betracht. Wie wenig aber dazu gehört, damit zersetzlicher Blutfarbstoff resistent werde, das zeigt das Verhalten von redueirtem Hämoglobin gegenüber Oxyhämoglobin*). Stammt das Pigment der Blutscheiben-Coneretionen vom Hämoglobine ab, so liegt es nahe anzunehmen, dass auch der so ähnliche Farbstoff der in den nicht mehr in der (bisher empirisch angenommenen) strengen Gesetzlichkeit erscheinen, aber doch nicht aufhören, nach wie vor für morphologische Feststellungen inhohem Grade verwerthbar zu bleiben. In einer Hinsicht würde sogar diese Relation vertieft werden, nämlich durch die Möglichkeit der Einsicht, wie sie zu Stande kam. In einem folgenden Kapitel (man vergleiche »Nephridien«, Abschnitt 7) werden wir nämlich zu vertreten suchen, dass der ursprüngliche Zweck oder Nutzen der integumentalen Exeret- ablagerungen in dem grossen mechanisch-chemischen Widerstande dieser Körper begründet ist. *) In seiner Abhandlung »Ueber lichtbeständige Farben der Netzhaut« (Unters. Phys. Inst. Heidelberg 1. Bd. 1578, p. 342) macht Künne folgende in dieser Hinsicht bezeichnende Angabe: »Mit Recht machte vor Kurzem Horr£E-Seyter (Zeitschrift f. physiol. Chem. 1. Bd., S. 121) auf die ausserordentliche Haltbarkeit des redueirten Hämoglobins aufmerksam, die ich bestätigen und mit Rücksicht auf die Lichtwirkung erweitern kann. Ich habe möglichst reine wässrige Hämoglobinlösungen mit durch Wasserstoff reducirtem Eisenpulver und einer äusserst kleinen Luftblase in Glasröhren eingeschmolzen, 9 Jahre conservirt und im Laufe des letzten Jahres im Liehte und in der Sonne liegen lassen, ohne daran spektroskopisch oder durch andere Mittel erkennbare Ver- änderungen eintreten zu sehen. In einigen dieser Röhren, welche ich seit Jahren in meinen Vorlesungen zu zeigen und vor den Spektralapparat zu setzen pflege, befanden sich von Anfang an so verdünnte Lösungen, dass der ein- zige Streifen des reducirten Hämoglobins gerade gut kenntlich war; derselbe ist heute noch mit derselben Deutlich- keit zu sehen. Wie sich das O-haltige Hämoglobin während längerer Zeit gegen das Licht verhalte, liess sich deshalb nicht feststellen, weil die Lösung überhaupt nicht conservirbar ist, ohne die Beschaffenheit des sogenannten Methämoglobins oder des in neuerer Zeit als Peroxyhämoglobin bezeichneten Körpers anzunehmen und schliesslich eingreifender, auch ohne Betheilisung des Lichtes, wie es scheint, zersetzt zu werden. IV. Blut (Hämolymphe). 3. Ueber die bei Capitella auftretende Melanämie. 721 24 Nephridien und im Peritoneum zur Ausscheidung gelangenden Concretionen®) diese Quelle habe. Im Bezug hierauf ist die T'hatsache nicht ohne Bedeutung, dass bei denjenigen Formen, welche zahlreiche und umfangreiche Concretionen in den Blutscheiben aufweisen (Tremomastus), die Nephridien arm an solchen sind, und dass umgekehrt bei den- jenigen, deren Nephridien von Concretionen strotzen (Olistomastus), die Blutscheiben solche nur in geringer Zahl und Grösse zur Ausbildung bringen. Wenn ich es, dem Vorhergehenden zufolge, für wahrscheinlich halte, dass in dem Pigmente aller Excretbläschen und Concretionen ein Zersetzungsprodukt des Blutfarbstoffes, respective ein specifisches Excretionsprodukt der hämoglobinhaltigen Substanz vorliegt, ein Excretionsprodukt, welches ebensowohl an die in den Blutscheiben, als an die in den Ne- phridien, dem Peritoneum oder dem Darme zur Ausbildung gelangenden Excretbläschen und Concretionen gebunden werden kann, so gilt natürlich nicht ein Gleiches für die Substanz der Excretbläschen und Concretionen selbst. Im Hinblicke auf letztere kommen vielmehr die Blutscheiben ebenso als allgemeine, im Dienste des Gesammt-Stoffwechsels stehende Ex- cretionsorgane in Betracht, wie die Nephridien, und auch in dieser Hinsicht ist der vorhin erwähnte Gegensatz zwischen Clistomastus (Nephridien reich, Blutscheiben arm an Coneretio- nen) und Tremomastus (Nephridien arm, Blutscheiben reich an Concretionen), von grossem Belange. Doch auf diese allgemeine excretorische Bedeutung des Blutes kann erst im nächsten Kapitel?), im Zusammenhange mit den übrigen exeretorisch fungirenden Organen eingegan- gen werden. 3. Ueber die bei Capitella auftretende Melanämie. In dem der Hämolymphe von Capitella gewidmeten Kapitel?) habe ich die an den melanotischen Blutscheiben auftretenden Veränderungen wegen ihrer starken Beeinflussung des Gesammthabitus der erkrankten T'hiere bereits beschrieben. Es wurde dort hervorgehoben, wie sich die ersten Anzeichen von Melanämie dadurch kundgeben, dass in einzelnen Scheiben die grünen Farbentöne (gegenüber den gelben) stärker als in den normalen vorwalten, und dass gleichzeitig ein Theil der (dunkelgelben) Excretbläschen mit verschieden breiten, blau- grünen Höfen umgeben erscheinen®). Sodann erfuhren wir, wie im weiteren Verlaufe die sämmtlichen Scheiben ihre Farbe nahezu ganz einbüssen (indem nur noch in dieker Schicht ein röthlicher, Spuren von Hämoglobin verrathender Schein entsteht) und wie die Exeret- bläschen nun ein durchweg dunkel blaugrünes und zugleich viel grösseres Ansehen darbieten®. Schliesslich wurde constatirt, wie auf dem Höhepunkt des Krankheitsprocesses die blaugrüne Tinction der Excretbläschen so sehr an Intensität gesteigert erscheint‘), dass sich das Ge- a) Taf. 35. Fig. 41°. b) Taf. 35. Fig. 41®. c) Taf. 35. Fig. 41°. a) Man vergl. p. 729—730 und 757, ß} Man vergl. p. 751—757. x) Vergl. p. 288—289. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 9 122 C. Physiologischer Theil. sammtblut als schwarzgetigerte Masse darstellt, welche (abgesehen von der fortdauernd er- haltenen Scheibenform der ursprünglich hämoglobinhaltigen Elemente) gewaltig vom Ansehen der normalen Hämolymphe abweicht. In Anbetracht, dass gleichzeitig mit der ersten Ansammlung blaugrünen Pigmentes um die Excretbläschen im normal grüngelben Colorit des Scheiben-Hämoglobins ebenfalls die grünen Töne vorzuwalten beginnen, in Anbetracht ferner, dass in dem Maasse, als sich die melanotischen Schichten um die Excretbläschen herum anhäufen, das Hämoglobin immer mehr aus der Sub- stanz der Scheiben verschwindet, sind wir wohl zu schliessen berechtigt, dass das blau- grüne bis schwärzliche Pigment ein Umwandlungsprodukt des Scheiben-Hämo- slobins darstellt. Dieses Resultat ist in zweifacher Hinsicht von Interesse: einmal allgemein als Nachweis der Abstammung melanotischen Pigmentes von Hämoglobin, sodann im Hinblicke auf den im vorigen Abschnitte“), erörterten Ursprung des die normalen Excretbläschen und Üoncretionen tingirenden Farbstoffes. Ich erblicke nämlich in der 'Ihatsache, dass das pathologisch ver- änderte Hämoglobin von den Excretbläschen oder Concretionen aufgenommen wird, eine weitere Stütze für die an der erwähnten Stelle vertretene Ansicht, derzufolge auch das im Verlaufe der normalen Stoffwechselprocesse den Excretbläschen und Concretionen zugeführte gelbe oder braune Pigment im Blute seine Quelle hat. Angesichts der die Melanose einleitenden Blutscheiben-Verfärbung (Uebergang des Grüngelb in Gelbgrün) liegt es nahe der 'Thatsache zu gedenken, dass es Anneliden- familien giebt, deren Blutflüssigkeit normal anstatt der rothen eine grüne Färbung aufweist, so die Chlorämiden und Serpuliden. Das Blut Einer dieser letzteren Familie zugehörigen Art, nämlich das von Sabella sawicava, hat aber QuArkeraces'!) im Gegensatze zur Regel dunkelroth gefunden. Ich selbst konnte feststellen, dass das grüne Blut einer anderen Sabellide (Amphiglena) nach starker mechanischer Reizung des 'Thieres, sowie nach Chloroformirung oft einen Stich in's Röthliche zeigte, und umgekehrt sah ich einmal das rothe Blut eines ähnlich gereizten Polyophthalmus einen grünlichen Schimmer annehmen. Ob und in wiefern freilich zwischen der bei diesen verschiedenen Annelidenfamilien sich geltend machenden, sowie der vorübergehend auf Reize an ein- und demselben T'hiere sich einstellenden Verfärbung einer- und der die Melanose von Capitella einleitenden andererseits wesentliche Beziehungen herrschen, kann nur durch entsprechende physiologische Untersuchungen der in Betracht kommenden Farbstoffe entschieden werden. Ursprünglich hatte ich die Absicht, wenigstens die elementarsten spektroskopischen und mikrochemischen Prüfungen selbst vorzunehmen, und hauptsächlich aus diesem Grunde wurde der Leser hierher verwiesen; leider kam ich aber nicht mehr dazu, diese Absicht auszuführen. Das Vorhergehende dürfte indessen schon ge- nügend darthun, wie in der Blutscheiben-Melanose von Capitella ein Object vorliegt, aus dessen «) Vergl. p. 720—721. el. 2y:26.2cVol19 p262: IV. Blut (Hämolymphe). 3. Ueber die bei Capitella auftretende Melanämie. 123 eingehendem Studium der Physiologe und Pathologe wichtige Aufschlüsse für das bessere Ver- ständniss der melanotischen Vorgänge bei höheren Thieren erwarten dürfen; denn — Capitella eignet sich erstens, wie die Carminfütterungs-Versuche bewiesen haben, nicht wenig zur An- stellung von Experimenten und bietet zweitens den nicht genug zu schätzenden Vortheil dar, lebendigen Leibes mikroskopisch durchmustert werden zu können. Sollte Jemand die Definition der beschriebenen Blutmetamorphose als »Melanämie« beanstanden, so gebe ich ihm Folgendes zu bedenken: Die betreffende Blutveränderung haben erfahrungsgemäss erstens solche Capitella-Exemplare zu erleiden, welche geschlechtlich er- schöpft sind, zweitens solche, die lange in Gefangenschaft gehalten (und daher auch nicht entsprechend genährt) worden, und drittens solche, die in einem abnormen Medium (zum Beispiel in graduell verdünntem Seewasser) zu leben gezwungen worden waren. Ferner: der Blutfarbstoff der Capitelliden, also diejenige Substanz, welche bei den betreffenden Verände- rungen jedenfalls die Hauptrolle spielt, ist nachgewiesenermaassen identisch mit Hämoglobin. Wir können daher allgemein aussagen, dass sich in Folge verschiedener sei es innerer, sei es äusserer Störungen des Allgemeinbefindens der in dem Blutscheibenstroma von Capitella enthaltene Farbstoff (das Hämoglobin) unter Verfärbung in Blaugrün oder Schwarz auf die zur Ausscheidung bestimmten Excretbläschen als sogenanntes » Pigment« zurückzieht. Was Anderes oder wieviel mehr können wir nun aber von dem als » Melanämie« defi- nirten Zustande der höheren 'Thiere sagen? Man weiss auch hier nur, dass im Gefolge gewisser Krankheiten im Blute ein dunkles »Pigment« zur Ausscheidung gelangt, dessen Ab- stammung vom Hämoglobine (soweit ich die betreffende pathologische Literatur zu übersehen vermag) jetzt ziemlich allgemein angenommen wird, über dessen pathogenetische Bedeutung jedoch nach wie vor grosses Dunkel herrscht. In einer der neueren Abhandlungen über die in Folge von Malariainfection auftretende Melanämie kommen die Verfasser, MarcHtmrava und Cerrıi'), zu dem Resultate: »1l. que le pigment se forme dans les vaisseaux sanguins, et dans le sang en eirculation; 2. quil procede de la substance colorante du globule rouge, et se forme precisement dans le protoplasme de ce globule.« Man sieht, dass dieser am höchsten Wirbelthiere festgestellte Entstehungs- modus des pathologischen Pigmentes durchaus mit demjenigen bei Capitella über- einstimmt. Ich hebe diese Thatsache aus dem Grunde besonders hervor, weil man sich zwar darüber geeinigt zu haben scheint, dass das bei Malaria auftretende Pigment im Blut- scheiben-Hämoglobin seine Quelle habe, nicht aber über den Ort und den Modus der Pigment- bildung. 1) Marcutarava, E. et Cerut, A. Les Alterations des Globules Rouges dans linfection par Malaria et la Genese de la Melan&mie. Arch. Ital. Biol. Tome 5. 18S4. p. 147. (Der mir nicht zugängliche Originalaufsatz ist in den »Memorie della R. Accademia dei Lincei« erschienen.) 91* V. Nephridien. Wenige Organsysteme fanden hinsichtlich ihrer Leistungen so verschiedenartige Beurthei- lungen wie die Nephridien. Bald sollten sie Athemwerkzeuge, bald schleimabsondernde Drüsen darstellen; bald hielt man sie für Ovarien, bald für Hoden, und alle diese ein- ander doch theilweise wenigstens ausschliessenden Auffassungen liefen Jahrzehnte hindurch traditionell nebeneinander her. Erst von den fünfziger Jahren ab — man kann GEGENBAUR’S') und Herıng’s?, Abhandlungen über die Schleifenkanäle und Generationsorgane von Lumbricus als ungefähren Wendepunkt bezeichnen — fingen diese Auffassungen an in den Hintergrund, und zwei neue an deren Stelle zu treten. Gestützt auf die genannten Abhandlungen und auf die nachfolgenden Forschungen von LEYDIG, QUATREFAGES, ÜLAPAREDE, EHLERS u. s. w. wurden nämlich die Nephridien fortan entweder als harnabsondernde Drüsen, oder als Aus- fuhrapparate für die Geschlechtsprodukte hingestellt. Nachdem diese zwei Erklärungsversuche eine Zeit lang einander bekämpft hatten, wurden sie weiterhin durch die Einsicht zur Versöhnung gebracht, dass die Nephridien weder allein der einen, noch allein der anderen Function, dass sie vielmehr beiden zusammen zu dienen haben; sei es nun, dass in einem gegebenen 'lhiere ein 'Theil als Geschlechtskanäle und ein anderer als excretorische Drüsen fungirt, sei es, dass im betreffenden Thiere ein und dasselbe Organ die beiderlei Functionen übernimmt. Insofern als es sich bei der Frage nach der Nephridiumfunction um Leistungen im Dienste der Geschlechtsthätigkeit handelt, hat die bisherige Forschung schon befriedigende Einsicht verschafft. Die im vorhergehenden Theile aufgeführten Fälle, in denen die Nephri- dien solche dauernde Umformungen erfahren haben, welche sie dazu befähigen als Ei- und Samenleiter, ferner als Receptacula seminis und Vesiculae seminales, sowie auch als Vaginae und Penes zu fungiren, lassen keine andere, als jene Deutung zu. «@) Man vergleiche: »Anatomisch-Histologischer Theil« p. 111—132, 190—199, 222—225, 241—243 und 270—250; ferner: » Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 588—66S; endlich Tafel 34. 1) GesEnBAuR, C. Ueber die sogenannten Respirationsorgane des Regenwurmes. Zeit. Wiss. Z. 4. Bd. 1853. p. 221. 2) Hering, ©. Zur Anatomie und Physiologie der Generationsorgane des Regenwurmes. Zeit. Wiss. Z. 8. Bd. 1857. p. 400. or 2: V. Nephridien. 1. Ueber die chemische Beschaffenheit der in den Nephridien ete. Durchaus nicht das Gleiche lässt sich nun aber bezüglich der Natur der Nephridien als harnabsondernder Organe sagen. Worauf man sich hierbei zu stützen pflegt, das sind einmal gewisse Uebereinstimmungen des Baues zwischen Nephridien und anderen nierenarti- gen Organen, und sodann das Vorkommen sogenannter Concretionen. Der entscheidende Nachweis, nämlich das anhaltende Auftreten eines charakteristischen, stickstoffhaltigen Aus- scheidungsproduktes, ist bisher, wenigstens in einigermaassen überzeugender Weise, noch nicht geliefert worden; daher soll uns zunächst dieser Nachweis, das heisst die chemische Natur der in den Nephridien enthaltenen Excretbläschen und Concretionen beschäftigen. Der zweite Abschnitt dieses Kapitels wird sodann über die Ausscheidung des vom Magendarme resorbirten Carmines berichten. Der dritte über die in anderen Organsystemen (als den Nephridien) vor sich gehende excretorische Thätigkeit. Im vierten wird ferner die Frage erörtert, ob die im vorhergehenden hinsicht- lich ihrer excretorischen Thätigkeit untersuchten Organe als »Nierenorgane« gelten können. Im fünften kommt die Entstehung und der Excretionsmodus der Nephridien, sowie deren Verhältniss zu den anderen Nierenorganen zur Sprache. Der sechste Abschnitt ist den Beziehungen zwischen Pigment und Exceret ge- widmet. Der siebente den Beziehungen zwischen Excret-Pigment, Hautskelet und Häutung. Und im achten endlich werden die Excret-Pigmente als Objecte der Zucht- wahl in’s Auge gefasst. l. Ueber die chemische Beschaffenheit der in den Nephridien enthal- tenen Excretbläschen und Concretionen. Im Anatomisch-Histologischen Theile, wo diese Gebilde hinsichtlich ihres Vorkommens und Habitus beschrieben werden mussten, wurde bereits hervorgehoben, wie wir sie nicht nur in den Nephridiumzellen, sondern auch im Nephridiumkanale antrafen, ja, zeitweise nach aussen zur Entleerung kommen sahen, so dass denn auch kein Zweifel darüber herrschen kann, dass diese Bläschen und Coneretionen als das specifische Ausscheidungs- produkt der Nephridien zu betrachten sind. 726 ©. Physiologischer Theil. a. Die Excretbläschen und Concretionen der Untergattung Clistomastus:). Der erste Versuch galt natürlich dem Nachweise von Harnsäure. Die Coneretionen lösten sich zwar in Salpetersäure, aber die abgedampfte oder ein- getrocknete und sodann mit Ammon und Kali behandelte Lösung veränderte ihr gelbliches Ansehen weder in ein purpurrothes, noch in ein blauviolettes, sondern in ein rothbraunes, und wie ich auch die der Reaction dienenden Processe (unter Benutzung aller der in neuerer Zeit empfohlenen Cautelen) variiren mochte, die Murexidprobe fiel stets bestimmt negativ aus. Nachdem so ein Vorhandensein des von allen N-haltigen Exereten am leichtesten nach- weisbaren nicht festgestellt werden konnte, blieb nichts Anderes übrig, als die Concretionen auf die Reihe der übrigen im Thierkörper auftretenden Excretstoffe hin zu prüfen. Wie zeitraubend und wenig versprechend im Allgemeinen derartige ausschliesslich unter dem Mi- kroskope anzustellende Untersuchungen zu sein pflegen, weiss jeder, der sich einmal damit beschäftigt hat; im vorliegenden Falle kamen aber auch noch besondere, in der Natur des Ob- Jectes begründete Schwierigkeiten*) hinzu, und diese sowie meine geringe Uebung im chemi- schen Arbeiten mögen die Dürftigkeit der mitzutheilenden Ergebnisse entschuldigen. Wird eine Anzahl prall mit Concretionen angefüllter Nephridien auf dem Platinbleche erhitzt, so nimmt die Masse rasch ein dunkleres Aussehen an, bläht sich dabei auf und lässt schliesslich einen relativ bedeutenden, vor dem Löthrohre nicht schmelzenden Rückstand. Dieser Rückstand betrug meiner Schätzung nach etwa 50%, der verbrannten Probe. Ein ähnlich behandeltes Stück des Muskelschlauches hinterliess einen relativ viel geringeren Rückstand und dieser schmolz vor dem Löthrohre zu einer braunen, glasigen Masse. Es sind dem- nach in den Conceretionen organische und anorganische Körper enthalten. Untersuchen wir zunächst die organischen. Die Concretionen sind in Wasser, Alkohol und Aether durchaus unlöslich. Auf Zusatz von Essigsäure treten zuweilen einige Gasblasen auf, im Uebrigen bleiben aber die Concretionen, auch wenn man starke Lösungen der Säure längere Zeit hindurch ein- wirken lässt, durchaus unverändert. a) Taf. 34. Fig. 1—6. *) Man bedenke, dass es sich darum handelt, Wochen hindurch Hunderte und aber Hunderte von Ne- phridien frei zu präpariren, und dass — selbst wenn darauf Bedacht genommen wird, nur reichlich Coneretionen enthaltende Organe auszuwählen — sich doch diese Concretionen vom Drüsengewebe nicht isoliren lassen. Als Quellen möglicher Täuschungen hebe ich nach meinen Erfahrungen vor Allem die auf der Verun- reinigung mit Seewasser beruhende hervor. Hat man die (bei der Präparation) in die zu untersuchenden Organe gelangten Salze nicht sorgfältig durch destillirtes Wasser ausgezogen, so erhält man bei der Behandlung mit Säuren ebensolche nadelförmige Krystalle, wie so manches Mal schon schlechtweg als Beweis für das Vorhandensein dieses oder jenes Excretionsproductes von fraglichen Nierenorganen niederer Seethiere beschrieben wurden. Sodann hat man sich vor oxydirten Metallnadeln zu hüten, indem selbst Spuren solcher Oxyde zur Entstehung von Krystallen Veranlassung geben können. Endlich sind die alkalischen Lösungen stets frisch zu bereiten, da ihre Verunreinigung mit Kohlensäure ebenfalls Krystallbildungen hervorruft, die nichts mit dem zu eruirenden Exerete zu thun haben, V. Nephridien. 1. Ueber die chemische Beschaffenheit der in den Nephridien ete, 7 27 Concentrirte Oxalsäure greift zwar die Concretionen an, löst sie aber nicht voll- ständig auf. Nach kurzer Einwirkung derselben entstehen vereinzelte gelblich gefärbte Krystalle, die mit denjenigen von oxalsaurem Kalke grosse Achnlichkeit haben. Verdünnte Salzsäure greift die Concretionen schr wenig an; mit solcher erwärmt schmelzen sie jedoch zu einem gelben, in Wasser schwer löslichen Brei zusammen. Die concentrirte Säure bringt schon im kalten Zustande die Concretionen zum Schmelzen, und während dieses Processes pflegt eine Anzahl überaus kleiner stäbchen- bis nadelförmiger, gelb gefärbter Krystalle aufzutreten. Verdünnte (etwa 20%) Salpetersäure greift die Coneretionen langsam an; in con- centrirter dagegen schmelzen sie rasch unter Entfärbung zu einem Brei, in dem zahlreiche 2—4 p lange, prismatische Krystalle auftreten, die jedoch bald wieder verschwinden. Werden die Concretionen mit verdünnter Säure erwärmt, so lösen sie sich ebenfalls, und der beim Abdampfen entstehende citronengelbe Rückstand löst sich, wie schon erwähnt wurde, in Kali mit tief gelbrother Farbe. Auf Zusatz von Schwefelsäure (sowohl verdünnter, als concentrirter) wird die (ge- wöhnlich homogene) Masse der einzelnen Concremente wie auf einen Schlag körmig, und gleichzeitig schiesst eine grosse Menge von Krystallen an. Diese haben meist die Form feiner Nadeln und Stäbe, sind von gelblichem Ansehen und liegen bald vereinzelt, bald zu Büscheln gruppirt. Neben grossen spiessigen pflegen auch kleine wetzsteinförmige aufzutreten. In ähnlich behandelten Muskelstücken lässt sich keine Spur von solchen Krystallen nachweisen. Bei Anwendung der concentrirten Säure lösen sich die Concretionen, gleich nachdem sie körnig geworden, zu einem dunkelbraunen Schlamme auf, in dem die Krystalle eine Zeit lang erhalten bleiben; bei Anwendung verdünnter erfolgt dieselbe Umwandlung erst nach längerer Zeit. Gegen Ammon -Flüssigkeit verhalten sich die Concremente sehr resistent; es tritt nur sehr allmählich Entfärbung ein, und selbst nach eintägiger Einwirkung des Reagens fanden sich die meisten Concretionen noch intact. Sowohl durch concentrirte, als auch durch verdünnte Kalilauge werden die Uon- cretionen zu einem braunen, sich allmählich entfärbenden Schlamme gelöst, und in diesen Schlamme tritt kurz nach seinem Entstehen plötzlich eine überaus grosse Menge länglicher, theils prismatischer, theils spindelförmiger, 4 p langer und I p breiter Stäbchen auf, welche nach einiger Zeit wieder verschwinden. In dicht daneben befindlichen, ganz derselben Be- handlung ausgesetzten Muskelfragmenten war keine Spur von solchen stäbchenförmigen Kry- stallen wahrzunehmen. Alle diese Reactionen*) der Coneremente, ihre Unlöslichkeit in Wasser, Alkohol und *) In obiger Zusammenfassung der für das Vorhandensein von Guanin sprechenden Reactionen sehe ich ganz ab von dem Verhalten der salpetersauren Lösung gegen Alkalien, indem sich der Rückstand auf Natronzusatz wohl roth färbte, aber — und dies scheint doch für Guanin charakteristisch zu sein — bei nachfolgender Erhitzung keine purpurrothe Färbung annahm. Das Verhalten der salpetersauren Lösung stimmt dagegen so ziemlich überein 728 C. Physiologischer Theil. Aether, ihre schwere Löslichkeit in Ammon, ihre leichte Löslichkeit dagegen in Mineral- säuren und Alkalien, sowie ihre Fähigkeit, mit beiden krystallisirbare Verbindungen einzu- gehen, alle diese Reactionen weisen nun auf Eine als Zersetzungsprodukt von Eiweisskörpern bekannte Substanz hin, nämlich auf Guanin. Betrachten wir nun die anorganischen Bestandtheile der Concretionen. Die im frischen Nephridium nach Zusatz von Essigsäure auftretenden Gasblasen machen es wahrscheinlich, dass in den Concretionen kohlensaurer Kalk enthalten ist; aber jedenfalls nur in Spuren, indem ja die Concretionen durch Zusatz genannter Säure an- scheinend gar keine Veränderung erleiden und überdies die im so geringer Zahl auftre- tenden Blasen eine im Verhältnisse zur Masse nur verschwindende Menge jenes Salzes voraus- setzen lassen. Der bis zum Kochen in Wasser erhitzte Glührückstand der Üoncremente erfährt keine wahrnehmbare Abnahme. Ein paar "Tropfen der klaren, neutral reagirenden Flüssigkeit auf dem Platinblech verdunstet hinterliessen indessen einen geringen Rückstand. Die Frage, mit welchen in Wasser löslichen Bestandtheilen wir es zu thun haben, war, da diese Bestand- theile nur Spuren der ohnehin so geringen Aschenmenge ausmachten, nicht befriedigend zu beantworten. Daraus jedoch, dass ein in die concentrirte Lösung getauchter Platindraht in der nicht leuchtenden Flamme eine intensiv gelbe Färbung hervorbrachte, ging hervor, dass das in die Lösung übergegangene Salz — wenigstens theilweise — ein Natronsalz war. Von dem in Wasser unlöslichen Theile der Asche vermag ich nur anzugeben, dass er in Essigsäure vollständig unlöslich ist, dagegen von Salzsäure gelöst wird. Daraus können wir im Zusammenhange mit den übrigen Reactionen schliessen, dass ein Kalksalz, respective eine Verbindung des organischen 'Theiles der Concremente mit Kalk (Guaninkalk) nicht vor- handen ist. Sehen wir uns unter den übrigen im 'T'hierkörper nachgewiesenen feuerbestän- digen Aschentheilen um, so wäre zunächst an Magnesia zu denken. Aber dies bleibt eine Vermuthung, indem der zu Gebote stehende Glührücksiand — mag man sich auch die Mühe nicht verdriessen lassen, Hunderte von Nephridien zu diesem Behufe zu präpariren — eine so minimale Quantität repräsentirt, dass an die Ausführung einer regelrechten Analyse nicht ge- dacht werden kann. Bezüglich des organischen 'Theiles der Concretionen noch eine Bemerkung. Wenn ich im Vorhergehenden sagte, dass dieser Theil allem Anscheine nach aus Guanin oder aus einer »guaninähnlichen Substanz« bestehe, so lag der Grund hierfür nicht allein in dem Umstande, dass die angeführten Reactionen, weit davon entfernt, die für solche mit demjenigen der Xanthoproteinsäure. So löste sich der gelbe Niederschlag von ähnlich wie die Nephridien be- handelten Muskelstücken auf Alkalizusatz ebenfalls mit gelber (nur etwas tieferer Orange-)Farbe. Wenn man bedenkt, dass sich die Conceretionen zum Behufe solcher Untersuchungen nicht isoliren lassen, also sammt dem ganzen eiweisshaltigen Drüseninhalte der Nephridien behandelt werden müssen, so wird diese Uebereinstimmung nicht überraschen. Die Guaninreaction wird eben bei diesem Verfahren wahrscheinlich durch die vorwaltende Xanthopro- teinreaction verdeckt, respective modifieirt. V. Nephridien. 1. Ueber die chemische Beschaffenheit der in den Nephridien etc. 729 Bestimmungen erwünschte Gewähr leisten zu können, sondern auch in der 'T'hatsache, dass die Concretionen sich den verschiedenen Reagentien gegenüber durchaus nicht alle gleich verhalten. Weitaus die Mehrzahl aller je im einem Nephridium enthaltenen Concremente reagiren gegen Säuren und Alkalien so wie ich es angegeben habe; aber einzelne machen hiervon in vielen Fällen eine Ausnahme. So traf ich Nephridien, in denen eine gewisse An- zahl der Concremente weder durch lange andauernde Einwirkung verdünnter Mineralsäuren., noch durch Salzsäure, noch durch concentrirte Kalilauge angegriffen wurden und hinsichtlich dieser ihrer grossen chemischen Resistenz an Chitin erinnerten. Dieses schwankende chemische Verhalten des uns beschäftigenden Ex- cretes, sowie seine an Chitin erinnernde Modification hatte ich auch für die Concretionen der Blutscheiben zu constatiren, und dort habe ich auch schon auf die Bedeutung hingewiesen?, welche die Auffassung des Chitines als stickstoff- haltigen Zersetzungsproduktes für weiterhin in diesem Kapitel zu erörternde Probleme haben wird. Der den Nephridium-Concretionen anhaftende Farbstoff ist ebenso wie derjenige der Blut-Concretionen®) von grosser chemischer Resistenz. In den meisten Schnitten, welche beispielsweise mit Pikrin-Schwefelsäure und Alcohol absolutus behandelt worden waren, haben die Coneremente ihr gelbbraunes Colorit beibehalten. Die Prüfung auf Blut- und Gallen- pigmente hatte hier ebenso wie bei den Blut-Concretionen einen negativen Erfolg. Dass aber dieser Farbstoff (ebenso wie der der Blutscheiben-Concretionen) aller Wahrscheinlichkeit nach im Hämoglobine seine Quelle haben werde, habe ich bereits im vorhergehenden Kapitel?) zu vertreten gesucht. b. Die Excretbläschen und Concretionen der Untergattung Tremomastus:). In Anbetracht des grossen anatomischen Gegensatzes zwischen den Nephridien von Clistomastus und Tremomastus schien es mir von Interesse zu sein, auch die Concretionen letzterer Untereattung auf ihre chemische Beschaffenheit zu prüfen. Wenn aber schon bei =) 5 Clistomastus, dessen von Concretionen strotzende Nephridien leicht herauspräparirt werden kön- nen, die Untersuchung mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so steigern sich diese Schwierig- keiten noch bedeutend bei Tremomastus, indem hier erstens die Nephridien nur bruchstück- ’ weise von den Leibeswandungen abgetragen werden können, und zweitens nur wenig zahl- reiche sowie wenig umfangreiche Concretionen in je einem Nephridium enthalten zu sein pflegen. Ich musste mich daher auf die Vornahme der elementarsten mikrochemischen Reac- tionen beschränken. a) Bat. 134: Riga UT. a) Vergl. p. 719. ß) Vergl. p. 720. x) Vergl. p. 720. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 92 730 C. Physiologischer Theil. Die Concretionen von Tremomastus sind in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich. In concentrirter Essigsäure schmelzen sie zunächst unter Entfärbung zu einem fest zusammenbackenden Körnchen- oder Stäbchenhaufen, der nach tagelanger Einwirkung des Reagens schliesslich ebenfalls der Auflösung entgegengeht. Aehnlich wirkt Oxalsäure. In Salzsäure (auch in ziemlich verdünnter) lösen sich die Concretionen leicht; dabei nimmt ihre Farbe häufig einen grünlichen 'Ton an und weiterhin pflegen gelbgrüne Stäb- chen und Körnchen aufzutreten. Ebenso wirkt (abgesehen vom Farbenwechsel) verdünnte Salpetersäure. Ammon-Flüssigkeit greift die Coneretionen nur schwer und langsam an, wogegen sie durch Kalilauge sofort zur Lösung gebracht werden. In letzterer Lösung treten sodann zahlreiche gelbliche Körnchen und Stäbchen auf. Wenn wir diese Reactionen den entsprechenden der anderen Untergattung gegenüber- stellen, so machen sich die folgenden Unterschiede geltend: Essigsäure greift die Concretionen der Ckstomastus-Nephridien fast gar nicht an, wogegen dieselbe Säure im vorliegenden Falle (wenn auch erst nach langer Einwirkung) Lösung zu Stande bringt. Ebenso wirkt Salzsäure hier energischer, als dort. Unter den Alkalien besteht bezüglich des Ammon eine Differenz. Wir haben gesehen, dass sich die Concretionen von Notomastus lineatus (Clistomastus) selbst nach tagelanger Einwirkung zu einem grossen "Theile gegen diese alkalische Flüssigkeit indifferent verhalten; diejenigen der verschiedenen Tremomastus-Arten dagegen werden nach solcher lang andauernder Einwirkung umgekehrt der Mehrzahl nach zur Lösung gebracht. Gegenüber diesen Unterschieden lässt sich hinwiederum als allgemein Uebereinstimmendes geltend machen, dass sowohl die Concretionen der COlistomastus-, als auch die der Tremomastus- Nephridien in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich sind, dass ferner sowohl von gewissen Säuren, als auch von gewissen Alkalien die beiderseitigerr Gebilde gelöst werden und dass endlich die in diesen Lösungen auftretenden krystallinischen Produkte in beiden Fällen auf einen Körper hindeuten, der mit Säuren sowie mit Alkalien gleicherweise Verbindungen ein- zugehen vermag. Bei Olistomastus hat die mikrochemische Untersuchung auf Guanin als diesen gesuchten Körper hingeführt; dürfen wir nun auf Grund des Vorhergehenden auch bei Tremomastus Guanin oder eine »guaninähnliche Substanz« als organischen "Theil der Concretionen vermuthen? Nicht unerwähnt darf bleiben, dass auch bei Tremomastus die Concretionen den Reagen- tien gegenüber ein keineswegs einheitliches Verhalten darbieten, indem einzelne wie bei Olisto- mastus durch eine sehr grosse, an Chitin erinnernde Resistenz ausgezeichnet sind. Der die Nephridium-Concretionen von Tremomastus tingirende Farbstoff ist nicht so wider- standsfähig wie der den entsprechenden Concretionen von Clistomastus anhaftende; immerhin pflegen in Präparaten, welche den Gang durch Alkohol und Terpentin gemacht hatten, jene Con- cretionen häufig noch in unveränderter Färbung zu erscheinen. Spektroskopisch verhält sich dieser Farbstoff gleich dem von Clistomastus, das heisst, er bewirkt keine Absorptionslinien. Schliesslich sei noch hervorgehoben, dass, wie im Habitus, so auch im chemischen Ver- V. Nephridien. 1. Ueber die chemische Beschaffenheit der in den Nephridien ete. 131 halten die Blutscheiben-Concretionen von Tremomastus in höherem Grade mit den Üoncre- tionen der Nephridien von Clistomastus, als mit den Concretionen der eigenen Nephridien übereinstimmen. c. Der mikrochemische Guanin-Nachweis durch die qualitative Analyse bestätigt. Auf Grund des mikrochemischen Verhaltens der Nephridium-Concretionen von Noto- mastus lineatus (Clistomastus) glaubte ich als wahrscheinlich annehmen zu dürfen, dass der or- ganische Bestandtheil der meisten dieser Concretionen aus Guanin bestehe. An Stelle dieser bloss wahrscheinlichen Annahme eine bestimmte Angabe treten lassen zu können, musste mir natürlich sehr wünschenswerth sein, und so ging ich denn dankbar auf das Anerbieten des Ende 1880, zur Zeit als ich diese Untersuchungen abzuschliessen im Begriffe war, an der hiesigen Station arbeitenden Herrn Dr. Tr. Weryr ein, eine Analyse in grösserem Maassstabe vornehmen zu wollen. Ich übergab zu diesem Behufe genanntem Physiologen Einen Tubus, der zahlreiche in Alkohol conservirte, intacte Exemplare von Notomastus lineatus enthielt, und einen zweiten kleineren, in dem nur der Nephridien entbehrende sowie auch blutfreie Thoraces solcher Thiere ebenso conservirt enthalten waren. Ich beabsichtigte auf diese Weise einigermaassen den Uebelstand zu eliminiren, dass, anstatt isolirter Nephridien, die Gesammtkörper der be- treffenden Thiere zur Analyse dargeboten wurden. Enthielten nämlich die Nephridien haupt- sächlich das eventuell nachzuweisende Guanin, so durften nur die Gesammtthiere, nicht aber die Thoraces guaninhaltig befunden werden, oder es durften doch letztere gegenüber ersteren nur Spuren solchen Exeretes erkennen lassen. Im Juli 1881 schrieb mir sodann Herr Weyr, dass er den »grossen Tubus« untersucht und guaninhaltig befunden habe. Sein Originalbericht lautet: »Die Capitelliden wurden fein zerhackt, in kochendes Wasser eingetragen und verblieben in diesem 5 Minuten. Dann wurde die Flüssigkeit durch Leinewand colirt und der ausgepresste Rückstand nochmals mit heissem Wasser behandelt. Die vereinigten Filtrate — eirca 2 Liter — wurden zum Kochen erhitzt, filtrirt und mit einer con- centrirten Lösung von Kupferacetat ausgefällt. Nachdem die Mischung bis auf 200 cem eingedampft war, wurde der Kupferniederschlag abfiltrirt, ausgewaschen und unter heissem Wasser mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Das kupferfreie Filtrat gab nach dem Eindampfen Krystalle. Diese wurden abgepresst, in heisser verdünnter Salzsäure leicht gelöst und zur Entfärbung mit Thierkohle gekocht. Das fast farblose Fil- trat ergab beim Eindampfen die charakteristischen Krystalle des salzsauren Guanin. Die Krystalle zeigten die charakteristischen Reactionen mit Salpetersäure und Natronlauge. Sie wurden zur Gewinnung der freien Base mit Ammoniak eingedampft. Der mit Wasser (zur Entfernung von Salmiak) extrahirte Rückstand ergab gleichfalls die Reaction mit Salpetersäure und Natronlauge. Er wurde wieder in Chlorhydrat verwandelt und in das von Carpranıca als für Guanin charakteristisch angesehene Pikrat verwandelt. Berlin, Juli 1881.« Als ich mich vor Kurzem nach dem Untersuchungsresultate der im »kleinen Tubus« enthaltenen T'horaces erkundigte, wurde mir die Antwort zu Theil, dass dieser Tubus verloren gegangen sei. Wenn nun aber auch in Folge dessen der Einwand möglich ist. dass das am Materiale des »grossen 'Tubus« nachgewiesene Guanin auch aus anderen Or- 92* 132 C. Physiologischer Theil. ganen, als den Nephridien stammen könnte, so darf doch demgegenüber an das Ergebniss meiner eigenen Untersuchung erinnert werden, welche ja lediglich an isolirten Nephridien ausgeführt worden war. Das Guanin gehört mit zu den im T'hierreiche am weitesten verbreiteten Excretions- stoffen. Sowohl bei Wirbelthieren, als auch bei Wirbellosen wurde es bald im Harne, bald in den Excrementen, bald in den verschiedenen Gewebesäften, bald in der Oberhaut nach- gewiesen. Was seine Verbreitung im Kreise der Wirbellosen anbelangt, so verweise ich auf die tabellarischen Zusammenstellungen KrukEnBERG’s!), aus denen hervorgeht, dass über das Vorkommen von Guanin bis heute bei Cölenteraten, Echinodermen, Mollusken, Arthropoden und Plattwürmern Angaben gemacht worden sind. Auf Grund der vorhergehenden Unter- suchung kann nun dieser Liste auch noch die Classe der Ringelwürmer einverleibt werden. Dass wir das Guanin als einen typischen Harnkörper zu betrachten haben, scheint mir in besonders schlagender Weise aus folgenden 'Ihatsachen hervorzugehen. In den Dejectionen gewisser Arachnidengruppen findet sich — wie ich aus einer Abhandlung PrarEau's? ersehe — Gwuanin, in denjenigen anderer hingegen Harnsäure, und, was noch bezeichnender, Goro- nowirtscH’, konnte »bei seit I—2 Wochen hungernden Gartenschnecken in den Nieren bald nur reine Harnsäure, bald nur reines Guanin, bald Guanin und Harnsäure nebeneinander nachweisen«. 2. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe bewirkte Ausscheidung des vom Magendarme resorbirten Carmines. Sowohl in einer früheren Publication‘), als auch an mehreren Stellen dieser Mono- graphie”) wurde schon das Hauptresultat einer Reihe von am Ende der siebziger Jahre mit Capitella capitata angestellten Versuchen über Carmin-Fütterung und -Ausscheidung mitgetheilt. Wir haben gesehen, dass das von diesen Capitelliden gefressene und verdaute Carmin, ganz der Voraussetzung gemäss, in erster Linie von den Nephridien aufgenommen und in die Haut hinein ausgeschieden wird, dass also diese Nephridien in der That nicht nach aussen, sondern (wie auch die anatomische Untersuchung ergeben hat) in die Haut münden. a) Vergl. p. 272 und p. 694. 1) 1. p. 345. 2. Abtheilung. ec. p. 17—21. Man vergleiche ferner desselben Autors: Vergleichend-Physiologische Vorträge. I. Die Bedeutung der vergleichenden Methode für die Biologie. Heidelberg 1882. p. 32—33 sowie: Vergleichend-Physiologische Vorträge. V. Grundzüge einer vergleichenden Physiologie der contractilen Gewebe. Heidelberg 1886. p. 386 und endlich: Ewırn, A. und KRUKENBERG, C. Ueber die Verbreitung des Guanin ete. Unters. Phys. Inst. Heidel- berg. 4. Bd. 1882. p. 262—263. | 2) Prareav, F. Recherches sur la Structure de l’Appareil Digestif etc. chez les Araneides Dipneumones. Troisieme Partie. Extrait Bull. Acad. Belg. (2) T. 44. 1877. p. 136. 3) Centralbl. Med. Wiss. Jahrgang 1883. p. 829. Muxk’s Referat über Ewa, A. und KRukENBERG, C. Ueber Besonderheiten der Guaninablagerung bei Fischen. A, erupr 100. j V. Nephridien. 2. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe etc. Tas War es mir auch bei jenen Experimenten hauptsächlich um die Prüfung, respective Feststellung dieses Factums zu thun, so konnte es doch nicht ausbleiben, dass noch andere, zwar im Hinblick auf den. Hauptzweck des Versuches secundäre, aber an sich beachtungswerthe Erscheinungen das Interesse gefangen nahmen. So beispielsweise die Erfahrung, dass sich ausser den Nephridien auch noch andere Organe an der Ausscheidung des verfütterten Pig- mentes betheiligen, ferner der Modus und das Tempo dieser excretionellen Thätigkeit u. s. w. Also nicht allein um das bereits mitgetheilte Hauptresultat durch die betreffenden Nachweise zu erhärten, sondern auch um über die erwähnten sonstigen Erfahrungen berichten zu können, bringe ich die Protokolle über zwei meiner vollständigsten Versuchsreihen in Listenform zum Abdrucke. Zuvor dürften aber ein paar Worte über die bei diesen Experimenten beobachtete Methodik am Platze sein Die Versuchsthiere kamen zunächst in eine je nach ihrer Zahl grössere oder kleinere, flache, halb mit Seewasser angefüllte Glasschale; sodann wurden ein paar Gramm in See- wasser zerriebenen Carmines hinzugefügt. Da sich erstens Spuren von Carmin in Seewasser (sowie auch in Süsswasser!) lösen, da zweitens, sobald die Verdauung des verschluckten Pig- mentes begonnen hat, jeweils ein Theil der Farbstofflösung sowohl durch den Mund (mit dem Respirationswasser), als auch durch den After (mit den Fäces) entleert wird, und da drittens endlich der Farbstoff der Fäulniss nicht widersteht, so muss, will man den Versuch nicht durch Imbibitionserscheinungen etc. gestört sehen, Wasser sammt Carmin täglich mindestens Ein Mal gewechselt werden. Haben die Thiere erst reichliche Mengen des Farbstoffes in ihren Magen- darm aufgenommen, was bei den meisten gewöhnlich schon nach zwei bis drei 'lagen der Fall ist, so kann man sich weiterhin auf den Zusatz ganz geringer Mengen dieses Stoffes be- schränken, ja am besten nach wenigen Tagen ihn ganz unterlassen, das heisst die Thiere behufs der ferneren Beobachtung der Ausscheidungsvorgänge in strömendes Wasser versetzen. Die Erfahrung, dass schon ein so kurzer Aufenthalt in Carmin-Seewasser genügt, habe ich erst dann gemacht, nachdem ich, um jeden Verdacht, dass die excretionelle Hautfärbung auf Im- bibitionsvorgängen beruhen könnte, auszuschliessen, die betreffenden Versuchsthiere, bevor sie noch eine Spur von Hautfärbung aufgewiesen hatten, in fliessendes Seewasser brachte und nun nach einiger Zeit den Farbstoff ebenso in der Haut zur Ablagerung kommen sah, wie bei jenen T'hieren, die längere Zeit hindurch mit dem Pigmente gefüttert worden waren. Wenn ich aber den nachfolgenden Listen anstatt dieser späteren, für das Hauptresultat ent- scheidenderen Versuchsreihen gleichwohl zwei frühere iin denen die betreffenden 'Thiere so lange in Carmin-Seewasser verblieben waren, bis sich die Ausscheidung auch auf die Haut ausgedehnt hatte) zu Grunde lege, so geschieht es im Hinblicke darauf, dass sich jene früheren Reihen auf längere Zeit und auf eine grössere Anzahl von Fällen erstreckten, und daher von höherem allgemeinem Interesse sind. Ueberdies bestätigen auch sie, wie wir sehen werden, das Hauptresultat, nämlich die Ausscheidung des Farbstoffes in die Haut hinein, in der unzweideutigsten Weise. 134 C. Physiologischer Theil. Dass die Beschaffenheit des Carmines für das Gelingen des Versuches nicht wenig ent- scheidend ist (indem gewisse Sorten von den '[hieren nur widerwillig gefressen und nur mangelhaft gelöst werden), habe ich schon im Vorhergehenden, wo von der Darmresorption die Rede war, hervorgehoben); leider bin ich aber ausser Stande, irgend wie näher präcisiren zu können, wie das Carmin sein müsse oder nicht sein müsse, damit es Aussicht auf Erfolg biete. So lange als dieses Produkt selbst, seiner Zusammensetzung nach, ein so schwan- kendes Verhalten darzubieten fortfährt, wird wohl nichts Anderes übrig bleiben, als von Fall zu Fall seine Dienlichkeit für Experimente dieser Art erst empirisch festzustellen. Bei der Untersuchung wurde derart verfahren, dass die 'Thiere (insbesondere die kleinen, durchsichtigen) zunächst in toto unter leichtem Deckglasdruck lebendig beobachtet wurden; es braucht nicht erst hervorgehoben zu werden, welche Vortheile die Möglichkeit einer der- artigen Untersuchung mit sich bringt, indem ja alle Täuschung durch postmortale Vorgänge dabei hinwegfällt. War das Wesentliche am lebenden, sich bewegenden Thiere festgestellt, dann wurde es behufs eingehender Untersuchung sei es durch Chloroform, sei es durch Alkohol-Seewasser anästhetisch gemacht, und den grösseren, weniger durchsichtigen Individuen wurden überdies durch einen neural- oder hämal-median geführten Schnitt die Leibeswandungen geöffnet und beiderseits zurückgeschlagen, um so die Färbung der in der Leibeshöhle befindlichen Organe besser beobachten zu können. Dass trotz aller dieser Proceduren die einzelnen Feststellungen nicht in jedem Falle durchaus gelangen, und sich daher in den nachfolgenden Listen öfters Fragezeichen vorfinden, wird man begreifen, wenn man bedenkt, dass die Präparation so kleiner Thiere mit Schwierig- keiten verbunden ist, wenn man ferner berücksichtigt, dass das Anästhetisiren nur in geringem Grade vorgenommen werden darf, indem das absterbende Gewebe den gelösten Farbstoff sofort imbibirt. Die Versuchsthiere der nachfolgenden Liste A. kamen am 10. Juli 1876 in Carmin- Seewasser und verblieben in solchem bis zum 8. August, also 29 Tage. Hierauf wurden sie in strömendes Seewasser versetzt und 135 Tage hindurch weiter beobachtet, so dass sich dem- nach der Versuch im Ganzen auf 164 Tage oder auf ungefähr 5, Monate ausdehnte. a) Vergl. p. 697. was 4uiul E=] E 2 Se Hautstellen, an Hautstellen ım Ei = en Der Magendarm | Magendarm- ni denen die | Borsten- | Bereiche der Oeso- | Wimper- = &7 en AN Selen. Nephridien: Nephridien Aen: Parapodien Haut- Borsten: ER . 2 |25| zunden: : 5 enden (soge- “| (sogenannte | stellen: RaaSUS: gane: (6) = Tage| Sta. nannte Platten’): | Platten *): Q Carminballen **) | einzelne ge-| nicht gefärbt. | nicht gefärbt. | nicht ge- nicht gefärbt.) nicht einzelne nicht ge- | nicht ge- und gelöstes Car- färbt. färbt. | gefärbt. | schwach ge- | färbt. färbt. min reichlich. färbt. & | 22 ” „ ‚Spuren von Car- | nicht gefärbt. | n * | zahlreiche = Fr min. | gefärbt. juv.| 10 | 2 | — Carminballen u. |einzelne ge- 7 n | F nicht gefärbt. , gelöstes Carmin färbt. | reichlich. Buns30| „|; BE ” rn s> | B: es uv.| 10 | 3 1 ” Br ‚schwach gefärbt. 4 Ir | A 3 Be20| „| 2 F sehr schwach ge- | 5 R es 2 | färbt. | Baal: 47 | 1 7 ä | ir \ einzelne Plat- 5 x | Genital- y „ Di ten sehr | borsten tief, 1aget | schwach ge- andere Fe färbt. \ Borsten theil- muss weiseschwach) Farb | gefärbt. En juv.| 8 32 a | Provisorische, in nicht gefärbt. PB schwach ge- 5 ni “ Degeneration be- färbt. ann griffene des 7. men Segmentes gar lymj nicht, die des Or 9. schwach u. die Be definitiven des beot 10.-14.Segmentes Win stark gefärbt. Der & Heer r zahlreiche | sehr schwach ge- 7 n s schwach no gefärbt. färbt. gefärbt. 37. a0 er) j \ einzelne ge- | provisorische des . = = Genital- | r = färbt. | 9. Segmentes borsten tief, | nicht, definitive | andere | | des 1U.—17. Seg- | Borsten theil- mentes schwach weise schwach : gefärbt. gefärbt. @ |25| 7 | ı |Carminballen u. n ‚einzelne gefärbt. | einz. schwach " Mn | Br gefärbt. r Wiens gelöstes Carmin | gefärbt. | | sehr reichlich. | | | Q 20 » „ Er 5 besonders dieje- einzelne ge- F | | 7 R ? nigen des12.—14. färbt. | Segmentes ge- färbt. SHE20.| 8 1 r einzelne schwach " schwach ge- A 9 gefärbt. färbt. Anyal 10 | ‚|, 7 e die theils provi- | einzelne, be- re einzelne ge- n stark ge- sorischen des |sonders die färbt. färbt. 9.—10.Segmentes | des 9. Seg- | schwach, die de- | mentes stark | finitiven des 11. gefärbt. | bis 16. stark ge- färbt. | oe 3|volı 2 zahlreichege- theilweise stark | einzelne ge- rn a " | Y ? er färbt. gefärbt. färbt. | sch 10 |, 5 ri stark gefärbt. ? . N | ? N 9 © |30 | 13 | — | wenig Carmin. |einz. intensiv einzelne stark ge- | einzelne stark ” er stark gefärbt. | ? [RE gefärbt. färbt. gefärbt. | | reit 3 |10 | „| „ ‚Carminballen u. | einzelne ge-, gefärbt. stark gefärbt. u | ? n stark ge- | gelöstes Carmin färbt. | | färbt. sehr reichlich. | | 8|38 lea “ ® einzelne intensiv " gefärbt. ® x Genital- | iy A gefärbt. borsten tief, andere | | schwach ge- | | | | färbt. | 02172051715: 11 r zahlreiche ge- | ? ? ? * gä theilweise leicht ge- | » färbt. | gefärbt. färbt. 92 712 I» N H | stark gefärbt. | stark gefärbt. gefärbt. gefärbt. r gefärbt. 4 E ei | drü | | nit ein ° *), Als »Platten« bezeichne ich die im Bereiche der Nephridiummündungen und Parapodien gelegenen Hautpartien, an denen es zur reichsten Ablagerun chen, respective von Carmin kommt und von wo aus sich die Färbung allmählich über die ganze Körperhaut ausbreitet. **) Mit »Carminballen« bezeichne ich das unter der Form der gewöhnlichen Speiseballen im Magendarme befindliche, noch ungelöste Carmin. ***) Ein Fragezeichen steht, wo die betreffende Thatsache nicht festgestellt wurde oder werden konnte. A a | Anutstellen, an Aautstellen ım | F- Ei - En Der Magendarm Magendarm- Ne- en Borsten- ren Andere Bent Oeso- | Wimper- Bemer- wasser be- enthält: zellen: |phridien:| snden(soge- | drÜsen: | (sogenannte Hautstellen: phagus: | organe: kungen: Auen | nannte Platten) :| Platten): | h Tage | Std. | f ol mässige Mengen) einzelne | stark stark 2? ? ‚ Haut im Be- ? nicht ® | Carmins. gefärbt. gefärbt. gefärbt. reiche der Plat- \ gefärbt. | | ten gefärbt. | | e“ Carminballen zahlreich | ” gefärbt. gefärbt. ? 2 n gefärbt. | | und gelöstes gefärbt. | | | Carmin reichlich. | | meiste | as Haut im Be- theilweise r | er | | gefärbt. |reiche der Plat- gefärbt. | | ten gefärbt. Mi Y stark Die Färbung der ei z, | \ gefärbt. Platten hat sich | | auf die hintere | | 5 ı Thorax- und die | | , vordere Abdo- | | | | men-Region | | ausgedehnt. 5 R | | | E R a „ | 25 | AR 5 |sehr stark| FE stark | ‚ stark Die Färbung der | 55 gefärbt. | gefärbt. gefärbt. gefärbt. | gefärbt. |Plattenerstreckt | | sich über die | | | | Abdomenmitte | | | hinaus. | ul 4 | % | 5 ” \ Die Färbung der - F | fr | Platten erstreckt »m die übrig gebliebenen Versuchsthiere noch römendes Seewasser versetzt. Das Thier Hautstellen, an Hautstellen im sich über den ganzen Körper, | derart, dass die Platten und ihr | Bereich die tief- ste Tincetion aufweisen. 2 Tage und IS Stunden, also im Ganzen 29 Tage und 18 Stunden in Carmin-Seewasser gehalten worden waı des |hatte sich in er 2 5 n es |strömendem | Der Magendarm | Magendarm-| Ne- denen die | Borsten- | Bereiche der Andere Bo Oeso- | Wimper- Bemer- : 2 ia Nephridien B Parapodien | orsten: SORNEEERE enthält: zellen : phridien: | enden (soge- | Arüsen: | (sogenannte Hautstellen: phagus: | organe: kungen: befunden: nannte Platten): Platten) : Tage | Std. 16 | — | keine Carmin- einzelne stark gefärbt. gefärbt. gefärbt. Haut im Be- 'sehrschwach stark stark |Bei diesem Th ‚ballen, dagegen | gefärbt. | gefärbt. reiche der Plat- | gefärbt. | gefärbt. | gefärbt. |". = Bi | | 2 c {ı | | noch Spuren ge- ten gefärbt. Forache | ‚lösten Carmines. 25 | — | kein Carmin. ; 5 stark stark stark Haut.weit über ; = Zahlreiche carı | gefärbt. gefärbt. gefärbt. | den Bereich der .. | | Platten hinaus Leibeshöhle | gefärbt. >| | ? in Entwicke- | | ‚lung begrif- | | ‚fene Genital- | | haken sehr | | stark, andere | Borsten sehr | | schwach ge- | | | färbt. | | 43 | — einzelne sehr | Haut des ganzen |sehrschwach | R Einzelne carm schwach ve- | T} Aldksa| Karl: | gefärbte, zelle [Bchimwechig | horax und der | gefärbt. | tige Gebilde in färbt. | Abdomenmitte Töiheshohle ar gefärbt. | | der Afterspitze | | gefärbt. Die Th | | | sind abgemage | | | aber lebensfris fa | nicht ge- | | Abgesehen von | nicht ge- | > Thier melanämi | a E | | färbt. | der Schwanz- färbt. | | spitze (die neu- | | | ‚gebildet %) ist die | | | Haut des ganzen | | Körpers gefärbt, | | | und zwar dieje- | | | nige der Platten | | | am stärksten. | | 35 | ur i ( Ns | | Haut dem gan- Pr „ | gefärbt.! | Aaier koohare | Kö | melanämisch; « | zen Körper ent- | zelne Blutschei lang gefärbt; enthielten Carn | | | Platten am körnchen. stärksten. nn u ui Fe u Do; — . 5 Tage hindurch weiter beobachtet. Im Ganzen erstreckte sich also hier das Experiment auf 152 Tage oder auf ungefähr Duste B: ) ı Nachdem die übrig gebliebenen Versuchsthiere in strömendes Seewasser versetzt. noch weitere 3 Tage, also im Ganzen 17 Tage = 2 E En en | Hautstellen, an Hautstellen im 8 |” = \carmin-See-) Der Magendarm | Magendarm-| Ne- denen die | Borsten- | Bereiche der Andere Oeso- | Wimper- zer 2 En Nephridien 2 \ Parapodien Borsten: Sl® E a: ve enthält: zellen: phridien: | enden (soge-: | Arüsen: | (sogenannte Hautstellen: phagus: | organe: 5 > B: Fe nannte Platten): Platten): Er 10 1 2 | wenige Carmin- nicht nicht nicht nicht nicht nicht gefärbt. | nicht gefärbt. | nicht nicht ballen. gefärbt. gefärbt. gefärbt. gefärbt. gefärbt. gefärbt. | gefärbt. juv.| 10 2 3 | mehrere Car- 5 r 5; 5 sehr schwach + sehr minballen und | | gefärbt. schwach Spuren gelösten | | | | gefärbt. Carmins. juv.| 10 3 3 | Carminballen einzelne einzelne : ir | ” Mi 7 und gelöstes |schwach ge-, schwach | Carminreichlich. ° färbt. gefärbt. | ö 18 5 2 5 r f5 | ein in Ent- # schwach | | wiekelung be- gefärbt. | griffener Geni- talhaken tief, \übrige Borsten schwach ge- färbt. ? 15 s 2 : ? schwach Mn einzelne r 7 schwach ge- „ gefärbt. schwach gefärbt. gefärbt. | jur.) 10 El 2 ? BE > ? 5 u ? juv.| 10 14 | 2 zahlreiche Br schwach schwach schwach r schwach gefärbt. gefärbt. gefärbt. | gefärbt. gefärbt. und 2 Stunden in Carmin-Seewasser gehalten worden Geschlecht: Länge des 'Thieres in mın: ' Das Thier Taze hatte sich in strömendem Seewasser befunden: enthält: Std. Der Magendarm | Magendarm- zellen: Ne- phridien: | Hautstellen, an denen die Nephridien enden (soge- nannte Platten): drüsen: Borsten- Hautstellen im Bereiche der Parapodien (sogenannte Platten): Andere Borsten: Hautstellen: Oeso- phagus: Wimper- organe: . = Sl juv. juv. jur. jur. o 12 10 4 26 ss Carminballen und gelöstes Carmin. 4 kein Carmin. zahlreiche gefärbt. zahlreiche gefärbt. einzelne schwach gefärbt. „ nicht gefärbt. gefärbt. sehr stark gefärbt. gefärbt. gefärbt. stark gefärbt. gefärbt. gefärbt. gefärbt. stark gefärbt. theilweise schwach gefärbt. Die Färbung dehnt sich von den Plat- ten auf den Thorax | und die Abdomen- | mitte aus. Die Haut des | ganzen Körpers gefärbt. Platten am stärksten. Abgesehen vom nicht gefärbt. sehr schwach Abdomenende ist gefärbt. | die Haut des gan- zen Körpers ge- färbt. Platten am stärksten. Die Haut des gan- zen Körpers stark | gefärbt. nicht gefärbt. Mit Ausnahme des ; | Abdomenendesdie | Haut mit 2—$ y. grossen Carmin- partikeln und ge- färbten Exeret- | bläschen besät. | Die Haut des gan- | ‚ zen Körpers inten- siv gefärbt; doch | sind die Platten | immer noch unter- | scheidbar. | *, Für diese zweite Versuchsreihe wurde absichtlich eine andere Carminsorte verwandt. nicht gefärbt. gefärbt. stark gefärbt. gefärbt. stark gefärbt. nicht gefärbt. | gefärbt. | 1 138 C. Physiologischer Theil. Zunächst sei constatirt, dass im Ganzen die Resultate der zwei Versuchsreihen wohl miteinander übereinstimmen; denn wie grosse Schwankungen auch in einzelnen Rubriken in der Zeitfolge des Auftretens oder Verschwindens der Färbung sich geltend machen, so würde doch der Gesammtverlauf der Prozesse in graphischer Darstellung durch wenig voneinander abweichende Curven zum Ausdrucke kommen. Auch ergiebt sich, dass durch das Alter, respective durch die Grösse der Thiere, sowie auch durch ihr Geschlecht die Vorgänge der Farbstoff- Aufnahme und -Abscheidung nicht wesentlich beeinflusst werden. Verfolgen wir nun das Auftreten, respective Verschwinden der Färbung in den ein- zelnen Organen. Die Resorption des Farbstoffes von Seiten der Magendarmzellen beginnt bei.einzelnen Thieren schon nach ein-, bei anderen erst nach zwei- bis dreitägiger Fütterung. Von da ab nimmt mit den Massen verschluckten und gelösten Carmines auch die Intensität der Färbung stetig zu, derart, dass etwa nach 14 Tagen der Magendarm sowohl von innen, als auch von aussen ein roth getigertes Ansehen darbietet und ein solches beibehält, so lange sich über- haupt noch erhebliche Mengen des Farbstoffes in seinem Lumen vorfinden. Nachdem die Versuchsthiere in strömendes Seewasser übertragen, also der weiteren Zufuhr von Carmin beraubt worden, finden sich noch 14 Tage bis 3 Wochen hindurch Mengen des Farbstoffes (und zwar von Tag zu Tag geringere) im Darmkanale vor und so lange, ja darüber hinaus hält sich auch die Intensität der Magendarmzellen-Färbung auf der alten Höhe. Sodann sinkt diese Intensität; aber überaus allmählich, da 71 Tage, nachdem sein Lumen frei von Carmin war, noch einzelne Zellen des Magendarmes carminhaltig befunden wurden (Liste 5. No. 12). Die Färbung der (das Carmin in erster Linie ausscheidenden) Nephridien macht sich erst etwa 3 Tage nach Beginn der Darmresorption, und zwar in sehr geringem Grade geltend. Auch von da ab nimmt der Carmingehalt in diesen Organen nur sehr langsam zu, so dass sie erst nach weiteren 14 Tagen also kurz nachdem auch die Magendarmzellen ein getigertes Ansehen aufweisen) stark gefärbt erscheinen. Während sich die 'lincetion der Magendarm- zellen nach der Carminzufuhr richtet, also, nachdem diese Zufuhr aufgehört hat, sich immer mehr verringert und schliesslich verschwindet, hält die starke Färbung der Nephridien bis zum Schlusse des Experimentes an. Ungefähr 3 Monate, nachdem die Versuchsthiere nur noch einzelne Magendarmzellen schwach carminhaltig gezeigt hatten, erschienen die Nephri- dien nach wie vor stark gefärbt (Liste A. No. 19 und 21; Liste B. No. 11 und 13). Und auch nachdem im Darmepithele überhaupt keine Spuren von Carmin mehr zu erkennen waren, konnte noch 1"; Monate später die starke Färbung der Nephridien nachgewiesen werden Liste A. No. 20 und 21). Daraus lässt sich schliessen, dass die Capitelliden, auch nachdem die Carminzufuhr aufgehört hat, noch viele Monate hindurch erhebliche Mengen von solchem in den Nephridien zurückzuhalten vermögen. Hervorzuheben ist noch, dass, insbesondere in der Anfangsperiode, bei einzelnen Indi- dividuen nur ein Theil der Nephridien zur excretorischen Thätigkeit ‘respective zur Farbstoff- - V. Nephridien. 2. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe etc. 139 Ausscheidung) herangezogen wird. Ferner, dass die provisorischen, in Rückbildung befind- lichen Nephridien der Juvenes zu keiner Zeit Färbung aufweisen, also auch hierdurch ihre Leistungsunfähigkeit bekunden. Die Hautstellen,. wo die Nephridien enden (münden), habe ich, weil sich da die Excret- bläschen (auch die carmingefärbten) am dichtesten ansammeln und so zur Entstehung gelber (respective rother) Flecken Veranlassung geben, der Kürze halber, »Platten« genannt. Ganz dem Gange des excretorischen Prozesses gemäss sehen wir erst 1—6 Tage, nachdem die Carmin-Ausscheidung in den Nephridien begonnen hat, die ersten Spuren von Färbung an den »Platten« auftreten und diese Färbung entsprechend jener der Nephridien allmählich zunehmen, um sich so wie die der letzteren Organe bis zum Ende auf einem Maximum von Intensität zu er- halten. Selbst wenn sich die Färbung schon auf die ganze übrige Haut er- streckt hat, lassen sich die Platten (und zwar sowohl die der Nephridien, als auch die der Parapodien) noch immer wohl unterscheiden. Nicht wenig überraschend war die 'Thatsache, dass auch die Borstendrüsen in sehr lebhafter Weise (allerdings erst viel später als die Nephridien) an der Ausscheidung des Farb- stoffes Theil nehmen. Wenn man sich aber erinnert, dass die normalen Ausscheidungsprodukte dieser parapodialen Drüsen, die Borsten, öfters anstatt mit chitinigen Fäden, mit Excret- bläschen erfüllt angetroffen wurden“), also mit einem mit dem charakteristischen Excrete der Nephridien identischen Produkte, wenn man ferner bedenkt, dass auch die durchaus faserigen Borsten in einer ähnlichen gelben bis bräunlichen, gegen Reagentien hochgradig widerstands- fähigen Färbung erscheinen, wie die Excretbläschen und Concretionen, so wird man zur Ein- sicht kommen, dass sich bei ihrer Antheilnahme an der Farbstoffausscheidung die Borsten- drüsen nicht allzuweit von ihren normalen physiologischen Aufgaben entfernen. Umgekehrt können wir aber auch aus diesem Factum den Schluss ziehen, dass die Ausscheidung des Carmines ganz nach Art derjenigen des normalen Excretes vor sich geht und dass daher auch die aus der Beobachtung ersterer gewonnenen Einsichten für letztere Giltigkeit haben werden. Bei den Thieren der Versuchsreihe Liste BD. traten 5 und bei denjenigen der Ver- suchsreihe der Liste A. traten erst 10 Tage, nachdem sich die Nephridien zu färben begonnen hatten, die ersten Carminspuren in den Borstendrüsen auf; von da ab nahm die Färbung dieser Drüsen ganz wie diejenige der Nephridien stetig bis zu einer gewissen Intensität zu, und diese Intensität wurde auch von ersteren ebenso wie von letzteren bis zum Ende des Ver- suches auf gleicher Höhe beibehalten. Wenn auf Grund des Verhaltens der meisten Borstendrüsen constatirt werden musste, dass die Farbstoffausscheidung in ihnen erheblich später, als in den Nephridien zu beginnen pflegt, so müssen hiervon diejenigen ausgenommen werden, welche die mächtigen Genital- haken des J' Copulationsapparates liefern, indem sich diese Haken in Einem Falle schon am a) Vergl. p. 105—106. 740 C. Physiologischer Theil. 4. ‘Liste A. No. 4) und in einem anderen am 5. Tage nach Beginn der Carminresorption, also gleichzeitig mit den Nephridien, gefärbt zeigten. Diese in der Entwickelung begriffenen Borsten müssen als starke Anziehungsmittelpunkte wirken, indem, während sie selbst eine tiefe Färbung aufwiesen, in der umgebenden Zellenmasse der Drüse keine Spur von Farb- stoff wahrgenommen werden konnte. Durch die 'I'hatsache aber, dass diese jungen Haken noch total von der Aussenwelt abgeschlossen in der Basis der betreffenden Borstendrüsen ver- steckt lagen, ist jeder Verdacht einer etwa von aussen her durch Imbibition erfolgten Tinction ausgeschlossen. Dass dagegen die nach aussen ragenden, fertigen Borsten einer derartigen Imbibitionsfärbung unterliegen, werden wir weiterhin zu erweisen suchen. Von dem durch die Borstendrüsen aufgenommenen Farbstoffe kommt jedenfalls nur ein unerheblicher Theil in den Borsten zur Ablagerung, indem — und dadurch bekundet sich eine weitere grosse Analogie des Functionirens mit den Nephridien — wenige Tage, nachdem die ersten Spuren von Carmin in den genannten Drüsen aufgetreten sind, sich die Haut in ihrem Bereiche ebenso zu färben beginnt wie im Bereiche der Nephridium-Mündungen. Mit anderen Worten, auch die Borstendrüsen haben ihre excretorischen »Platten«, und diese Platten nehmen weiterhin, ähnlich wie die Drüsen selbst, derart an Intensität und Ausdehnung der Färbung zu, dass sie bald denjenigen der Nephridien gleichkommen und sich bis zuletzt so wie diese verhalten. Wenn wir von dem Thiere (Liste A. No. 11), dessen Hautdrüsenzellen am Genital- schlauchporus sich leicht tingirt zeigten, absehen, so lässt sich constatiren, dass in den beiden Versuchsreihen bei keinem Exemplare die Haut in den ersten 16—1S Tagen irgend wo ausser an den »Platten« der Nephridien und Borstendrüsen gefärbt erschien. Erst von dieser Zeit ab fängt die Färbung an sich von den Platten der Nephridien und Borstendrüsen als Mittel- punkten nach allen Richtungen hin auszudehnen, so dass zunächst der Thorax und die vordere Abdominalregion und nach weiteren 13 Tagen bei sämmtlichen Thieren der Versuchsreihe Liste 5. die ganze Körperhaut ähnlich roth getigert erscheint wie der Magendarm. Auch unter den 'Thieren der Liste A. begegnete ich schon 11 Tage, nachdem die Platten sich aus- zudehnen begonnen hatten, einzelnen Exemplaren mit total gefärbter Körperhaut (Liste A. No. 16), andere dagegen brauchten noch 1'/ Monate, bis dieser Zustand sich ausbildete. Auch die allgemeine Hautfärbung nimmt bis zuletzt stetig an Intensität zu; doch treten, wie dies schon hervorgehoben wurde, auch dann, wenn der Höhepunkt dieser Färbung er- reicht worden ist, die beiderlei Platten noch immer scharf als dunklere Flecke hervor. Hieraus können wir nun schliessen, dass die Hautfärbung lediglich in den Ausscheidungsvorgängen der Nephridien und Borstendrüsen ihre Quelle hat, und dass daher auch die Nephridien ihre Ausscheidungsprodukte in der Thatin die Haut ablagern. Was dieses letztere Factum betrifft, so habe ich schon erwähnt, wie bei einer meiner Versuchsreihen derart verfahren wurde, dass die Thiere aus dem Carmin-Seewasser in fliessendes - V. Nephridien. 2. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe etc. 741 Seewasser versetzt wurden, bevor noch die Haut irgend welche Färbung sei es an den Platten, sei es sonstwo aufgewiesen hatten, und dass sodann die Hautfärbung gleichwohl ebenso wie bei den anderen sich einstellte. In diesem Falle war aber jede Möglichkeit einer Täuschung durch etwaige Aufnahme des Farbstoffes von aussen ausgeschlossen. Sodann wurde auch schon früher darauf hingewiesen®), wie ich nach Kenntniss der durch den ausgeschiedenen Farbstoff bewirkten Plattenbildung die Wahrnehmung machte, dass bei nicht mit Farbstoffen gefütterten Thieren, da wo die Nephridien enden, ganz ähnliche, aus dem natürlichen Excrete (Excret- bläschen) bestehende »Platten« zu Stande kommen, und dass mir diese Excretablagerungen in der Haut häufig als Anhaltspunkte zur Aufsuchung der Nephridien dienten. Bei den bisher betrachteten Organen hatten wir es erstens mit einem solchen zu thun, das gefärbt war, weil es das Carmin resorbirte, um es cölomwärts wieder abzugeben (Magen- darm), zweitens mit solchen, die es aus der perienterischen Flüssigkeit aufnahmen, um es aus der Körperhöhle hinaus zu befördern ‘Nephridien, Borstendrüsen), und drittens endlich mit einem Organe, in das es (anstatt nach aussen entleert zu werden, deponirt wurde (Haut). Dass die Färbung dieser drei Organsysteme in der That in der erwähnten Reihenfolge vor sich ging, dass also die Thätigkeit des ersten die Färbung der zweiten bedingte, und dass von dem Functioniren dieser letzteren wiederum die Färbung des dritten abhängig war, geht mit Nothwendigkeit aus der Zeitfolge hervor, in der diese Färbung unseren Listen gemäss sich einstellte. Für die anderen in unseren Listen noch als »gefärbt« verzeichnet stehenden Organe dagegen, nämlich für die Borsten, die Wimperorgane und den Oesophagus, lässt sich weder auf Grund ihrer bekannten Function, noch auf Grund der Zeitfolge, in der die Färbung auftritt, eine solche Abhängigkeit sei es von den vorhergehenden, sei es voneinander fest- stellen. Wir haben es in ihnen weder mit normal resorbirenden, noch mit normal excre- torisch-thätigen Organen zu thun, und nachdem dies vorausgeschickt, wollen wir sehen, was sich über die Art des Zustandekommens ihrer Färbung, respective über die Ursachen derselben erschliessen liess. Was zunächst die Borsten betrifft, so haben wir zwei Kategorien zu unterscheiden. Erstens die in Entwickelung befindlichen, in den Drüsensäcken eingeschlossenen, welche, wie schon hervorgehoben wurde, ihre tiefe Färbung nicht anderswoher, als aus den Borsten- drüsen zugeführt erhalten können und daher auch hinsichtlich ihrer Färbung unter den Ge- sichtspunkt derjenigen dieser Drüsen fallen. Zweitens die fertigen, nach aussen ragenden Borsten, welche mit ihren Erzeugern, den Borstendrüsenzellen, nur noch an der Basis zu- sammenhängen, im Uebrigen aber ein »todtes Secret« (oder Excret!) darstellen. Die Fär- bung dieser letzteren Borsten, welche sich gleich am ersten Tage des Experi- mentes einstellte, um weiterhin ganz regellos bald vorhanden zu sein, bald nicht, beruht unzweifelhaft auf Imbibition. Trotz des täglichen Wechselns des Carmin-See- 142 C. Physiologischer Theil. wassers ist nämlich nicht zu vermeiden, dass sich jeweils kleine Mengen des theils durch das Wasser gelösten, theils von den Thieren entleerten Farbstoffes ansammeln, und diese ver- ursachen eben jene Imbibition. Dass dem so sei, geht auch schlagend daraus hervor, dass die Borsten der in fliessendes Seewasser versetzten Versuchsthiere ihre Färbung allmählich ganz einbüssen, wogegen, wie wir schon wissen, die Hautfärbung auch dann noch fortfährt an Intensität zuzunehmen. Im Oesophagus lässt sich die ersten 14 "Tage hindurch keine Spur von Färbung wahr- nehmen. Von dieser Zeit an tritt sodann bei einzelnen '[hieren ein schwacher rother Schein auf; regelmässig und stark tingirt finden wir aber das Organ erst vom 40.—43. Tage ab. Es ist einleuchtend, dass auch diese Färbung weder mit der normalen Darmresorption, noch mit den excretionellen Vorgängen irgend etwas zu schaffen haben kann. Fragen wir aber nach der Quelle der Färbung, so ist darauf leicht zu antworten. Wir wissen, dass sich aus dem Hinterdarme durch den Nebendarm ein wohl nur periodisch unterbrochener, respiratorisch wirksamer Wasserstrom in den Oesophagus ergiesst, und dieser Strom muss, sobald die Auf- lösung des Carmines im Magendarme begonnen hat, nicht unbeträchtliche Mengen des Farb- stoffes mit sich reissen. Nicht so leicht lässt sich aber die weitere Frage beantworten, wie es nämlich kommt, dass das Oesophagusepithel Wochen hindurch der Imbibition oder Resorp- tion widersteht, um schliesslich, sei es auf dem einen, oder auf dem anderen Wege erhebliche Quantitäten des Farbstoffes in sich aufzunehmen. Es wird sich vorläufig schwer ent- scheiden lassen, ob diese Function auf einer Summation normaler Zellen- thätigkeit, oder aber auf allmählichem Nachlassen des (der Imbibition) anfänglich entgegengesetzten Widerstandes, also auf Störungen des normalen Stoffwechsels beruht. Bedenkt man, dass die T'hiere Monate hindurch ohne adäquates Futter in Gefangen- schaft gehalten wurden, und dass sich die meisten Exemplare am Ende des Versuches nicht nur merklich abgemagert, sondern auch melanämisch erwiesen, so liegt es gewiss nahe an eine pathologisch zu Stande gekommene Disposition zu denken. Dagegen spricht freilich die Thatsache, dass sich abgesehen von den Wimperorganen kein anderes (an der Resorption und Excretion unbetheiligtes Organ gefärbt zeigte. Noch viel schwieriger steht es um die Erklärung der Carminaufnahme der Wimper- organe; denn diese zeigten sich bei einzelnen 'Thieren der Liste B. schon nach zwei Tagen schwach tingirt, um sich weiterhin sehr unregelmässig, das heisst bald schwach, bald stark, bald gar nicht gefärbt zu erweisen. Und bei den Thieren der Liste A. finden wir sie anfangs schwach, dann stark, weiterhin weniger stark und schliesslich wieder stark gefärbt. Als Quelle der Färbung kommen hier die Spuren in Seewasser löslichen Carmines, sowie die von den Thieren durch Mund und After entleerten Mengen des im Magendarme gelösten Farbstoffes in Betracht, indem ja die Wimperorgane mit dem äusseren Medium in continuirlichem Contacte stehen. Ob die zum Behufe der Erklärung der Oesophagustinction angestellten Erwägungen auch hierher passen, muss zwar dahingestellt bleiben, immerhin darf in diesem Sinne an die Thatsache erinnert werden, dass die anatomisch-histologische Unter- V. Nephridien. 2. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe etc. 748 t r 5 suchung?) eine auffallende Uebereinstimmung der Structur zwischen Oesophagus- und Wimper- organ-Epithel zu constatiren hatte. Kein Organsystem ausser den in unseren Listen aufgeführten und im Vor- hergehenden besprochenen zeigte während der ganzen Dauer der Experimente irgend welche Färbung; es blieben demgemäss von der Tinction ausgeschlossen: Muskulatur, Nervensystem, Geschlechtsorgane, Peritoneum und Blutzellen. Abgesehen von den in Liste A. unter No. 18 und 19 verzeichneten Befunden, bei denen es unentschieden geblieben war, ob Leucocyten oder Darmzellenpartikel vorlagen, und von No. 21, wo es sich um das Vorkommen von Carminkörnchen in den Blutscheiben eines hochgradig melanämischen Thieres handelte, habe ich nie Spuren des Farbstoffes in den Blut- elementen wahrzunehmen vermocht. In Anbetracht, dass wir gerade in der Familie der Capitelliden für das Peritoneum und für die Blutscheiben eine so ungewöhnliche 'Theilnahme an der excretorischen 'Thätigkeit festzustellen hatten, könnte es auffallend erscheinen, dass sich die doch im Uebrigen der normalen excretorischen Thätigkeit so conform verlaufende Farbstoffausscheidung nicht auch auf die genannten zwei Organsysteme erstreckt habe. Dem gegenüber muss aber daran erinnert werden, dass es nicht etwa das Genus Capitella ist, welches sich durch die excretorische Thätigkeit des Peritoneums auszeichnet, sondern, dass es vielmehr hauptsächlich die Gattungen Mastobranchus und Heteromastus sind; ferner, dass die in den Blutscheiben von Capitella sich abspielenden Excretionsprozesse, nach der geringen Grösse und Zahl ihrer respectiven Excretbläschen zu urtheilen, den sich in den Scheiben von Notomastus (Tremomastus) und Dasybranchus abspielenden gegenüber als ver- schwindend kundgeben. Im Vorhergehenden war zwar von »gefärbten Organen« die Rede, aber die Frage, wie der Farbstoff zur Ablagerung kommt und wie er von Organ zu Organ fortgeleitet wird, fand keine Berücksichtigung. Hierauf wollen wir nun, insoweit als sich diese so schwer zu beobachtenden Vorgänge überhaupt feststellen liessen, noch kurz eingehen. In dem der Farbstoff-Resorption gewidmeten Abschnitte?) wurde mitgetheilt, dass das resorbirte Carmin in den Magendarmzellen in zwei verschiedenen Zuständen angetroffen wird, nämlich theils flüssig in Bläschen oder Vacuolen eingeschlossen, theils fest in der Form feinster in der Zellsubstanz zerstreuter Partikel. Ferner, dass der Farbstoff in beiden diesen Zuständen — im Gegensatze zum Hämatoxylinblau oder Kirschroth seiner im Darmlumen enthaltenen Lösung — wiederum den ihm eigenen Ton angenommen hatte. Diesen Ton behält er nun auch von da ab bis zur endgiltigen Ablagerung in der Haut un- verändert bei. Ganz besonders liess ich mir angelegen sein, darüber in’s Klare zu kommen, wie sich der Farbstoff in den Drüsenzellen der Nephridien verhält, ob er flüssig oder fest, oder aber in a) Vergl. p. 73. ß) Vergl. p. 696. 744 r C. Physiologischer Theil. beiden Zuständen darin vorkommt; sodann ob er zu den Excretbläschen und Concretionen in Beziehung tritt und eventuell in welcherlei. Es könnte scheinen, dass durch Beobachtung eines gelungenen Präparates sich alle diese Fragen im einen oder anderen Sinne ohne Weiteres beantworten liessen. Dem ist aber nicht so; denn trotz zahlreicher guter Präparate blieb ich Wochen hindurch im Zweifel, was ich im Hinblicke auf künftige Untersuchungen nicht anzuführen unterlassen will. Schliesslich bin ich aber zu folgender Ansicht gelangt. Das Carmin ist lediglich in flüssigem Zustande in den Nephridien enthalten und stets an die Excretbläschen gebunden. Anfangs scheint es sich hauptsächlich um die schon vorhandenen gelben, aus dem normalen Nierenexcrete bestehenden Bläschen und Concretionen zusammeln, späterhinjedoch scheinenauch rein von Carminflüssigkeit erfüllte Excretbläschen gebildet zu werden. Was mich besonders in der Ansicht bestärkte, dass das Carmin hier als Lösung, und zwar zunächst im Bereiche der vorhandenen Excretbläschen aufgespeichert werde, war die Erfahrung, dass aus Organen, die sich bereits kräftig gefärbt erwiesen, durch Druck das Carmin herausgepresst werden konnte und dass sodann die vorher roth erschienenen Excretbläs- chen die ihnen sonst eigene gelbe Färbung aufwiesen. Im Anfange des Experimentes findet man bei allen 'Thieren nur einen Theil der Excretbläschen gefärbt; in dem Maasse aber als die Ausscheidung fortdauert, nimmt die Zahl der gefärbten auf Kosten der nicht gefärbten zu und von dem Stadium ab, welches in unseren Listen mit »stark gefärbt« bezeichnet ist, bilden die gelben Bläschen eine verschwindende Minderheit. Ob schliesslich allein reine Carmin-Excretbläschen gebildet werden, oder aber, ob auch noch solche mit gelbem Kerne hinzukommen, dies vermochte ich nicht zu entscheiden. Auch in der Zellsubstanz der Borstendrüsen ist das Carmin in flüssigem Zustande, und zwar in ganz ähnlichen 2—4 » Durchmesser aufweisenden Excret- bläschen enthalten: diese Bläschen erscheinen aber nie anders als roth. Und auch in der Haut endlich begegnen wir dem Farbstoff in den meisten Fällen nicht anders, als flüssig in Form derselben Excretbläschen. In den ersten Tagen der Ausscheidung walten noch die gelben Bläschen vor, weiterhin aber trifft man immer mehr rothe und schliesslich bestehen die »Platten« lediglich aus solchen®). Nur in seltenen Fällen sind mir in den Hautzellen neben den gefärbten Excretbläschen auch feste Carmin- partikel begegnet; wir werden weiterhin erfahren, von woher und auf welchem Wege die- selben dahin gelangt sein mögen. Dass die Färbung der nach aussen ragenden Borsten jedenfalls zum grössten Theil auf Imbibition beruht, wurde schon hinlänglich betont. Die in Entwickelung befindlichen, in den Borstendrüsen eingeschlossenen Borsten, welche den Farbstoff nur von den betreffenden Drüsen, respective von ihren Mutterzellen zugeführt erhalten können, erscheinen ihrer Gesammtmasse nach tief diffus gefärbt, so dass auch hier das Carmin nicht anders als flüssig einverleibt wird. a) Taf. 34. Fig. 32. V. Nephridien. 2. Ueber die durch die Nephridien sowie durch andere Organe etc. 45 In den Zellen des Oesophagus und der Wimperorgane endlich schien mirvder Farb- stoff, ähnlich wie im Magendarme, theils flüssig in Bläschen oder Vacuolen enthalten, theils in Form sehr feiner Partikel vertheilt vorzukommen. Was nun die Mittel und Wege betrifft, vermöge welcher der vom Magendarme resor- birte Farbstoff zu den Nephridien sowie Borstendrüsen und weiterhin zur Haut gelangt, so zeigt eine kurze Ueberlegung, dass bei unseren der Blutgefässe entbehrenden Thieren nur das Cölom. und zwar die seinen Raum erfüllende perienterische Flüssigkeit, die Hämolymphe, als Vehikel in Betracht kommen kann. In den Darmzellen haben wir das Carmin sowohl flüssig, als auch fest (in feinen Partikeln zerstreut) angetroffen, und es fragt sich daher, in welcher Form die Ueberführung geschieht. Was sich T'hatsächliches zu Gunsten der Ueberführung im festen Zustande anführen lässt, ist (bei ausschliesslicher Berücksichtigung der zwei mitgetheilten Versuchsreihen) Fol- gendes: In einem Falle (Liste A. No. 5) habe ich Häufchen unmessbarer bis 1 1 grosser Carminkörnchen zwischen den Elementen der Hämolymphe sowie auch innerhalb des Wimper- trichters eines Nephridiums angetroffen, und in einem anderen (Liste A. No. 21) begegneten mir ebensolche Körnchen in einzelnen hochgradig melanämischen Blutscheiben. Diese Er- fahrungen machen es wahrscheinlich, dass ein Theil des in den Magendarmzellen in festem Zustande enthaltenen Farbstoffes auch so in die Leibeshöhle übergeführt und — wie aus der erwähnten Beobachtung hervorgeht — durch die Nephri- dium-Trichter und -Kanäle in die Haut befördert wird. Diese Erfahrung spricht aber auch, in Anbetracht der Seltenheit, in der sie gemacht wurde, dafür, dass dies nicht die vorwiegende, geschweige die einzige Form sein werde, unter der das Carmin aus den Magen- darmzellen in das Cölom übertritt. Denn unter der Voraussetzung, dass nur feste Carminpartikel aus den Darmzellen austreten und diese Partikel im Cölom erst wieder flüssig werden, um in die (nur durch Osmose zugänglichen) Nephridiumzellen zu gelangen, müssten wir in Anbe- tracht der relativ grossen in jenen Zellen zur Aufspeicherung gelangenden Farbstoffmengen viel, viel häufiger und auch copiöser körniges Carmin in der Leibeshöhle antreffen, als dies der Fall ist. Obwohl sich das — wegen der grossen Verdünnung, respective der grossen Abschwächung der Färbung — nicht mit den Augen controliren lässt, so ist doch der Schluss unabweisbar: Das in den Magendarmzellen flüssig enthaltene Carmin geht auch flüssig in das Plasma der Hämolymphe über und aus diesem Plasma vermögen es die Drüsenzellen der Nephridien (und Borstendrüsen) kraft der ihnen eigenen »exceretorischen« Wirksamkeit auszuziehen. Ich sage aus dem Plasma der Hämolymphe, weil, abgesehen von dem Falle: Liste A. No. 21 (Vorkommen von Carminkörnchen in melan- ämischen Blutscheiben) und von den Fällen: Liste A. No. 18 und 19 (wo es sich um ge- färbte »zellenartige Gebilde« handelt, deren Natur als abgelöste Darmzellportionen oder Leu- coeyten fraglich blieb), niemals feste Blutelemente gefärbt zur Beobachtung kamen. Ich glaube demnach, dass das von den Magendarmzellen resorbirte Carmin auf zweierlei Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 94 746 C. Physiologischer Theil. Weise nach aussen, respective in die Haut abgeschieden wird, nämlich einmal in Form fester Partikel direct durch die Nephridium-Trichter und-Kanäle, sodann flüssig durch Vermittelung der Nephridiumzellen. Während also die Carminpartikel allem Anscheine nach direct aus den Magendarmzellen in die Nephridiumtrichter, respective in die Haut übergehen, vermischt sich das gelöste Carmin als solches mit der Hämolymphe, und wird aus ihr von den Drüsenzellen der Nephridien aufgesogen, in Excretbläschen aufgespeichert und sodann erst durch den Nephridiumkanal in die Haut übergeführt. Selbstverständlich muss den Drüsenzellen der Borstendrüsen eine ganz ähnliche An- ziehungskraft für » Farbstoffexcrete« innewohnen wie den Nephridien. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, wie langsam erstens bei diesen Wür- mern, im Vergleiche mit höheren Thieren, die Prozesse der Aufsaugung und Ab- scheidung vor sich gehen und wie lange zweitens die diese Prozesse verrichtenden Organe Mengen der resorbirten, respective der auszuscheidenden Substanz in ihren Geweben zurückzuhalten vermögen. In einzelnen Magendarmzellen fanden sich noch zwei Monate nachdem im Lumen des Intestinums kein Carmin mehr nachzuweisen war, kleine Mengen von solchem, und die Nephridien boten drei Monate nachdem sich im Magendarme nur noch einzelne Zellen schwach gefärbt gezeigt hatten, fortdauernd die »starke Färbung« dar. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien vor sich gehende excretorische Thätigkeit. - An verschiedenen Stellen dieser Monographie musste schon der Thatsache gedacht werden, dass neben den Nephridien noch andere Organe oder Organtheile mehr oder weniger intensiv an dem Prozesse der Harnausscheidung Theil nehmen. Im Anatomisch-Histologischen Theile kamen diese Prozesse insbesondere da zur Sprache, wo ihr Verlauf zur Ausbildung so ansehnlicher und constanter Ablagerungen führte, dass dadurch der Habitus der betreffenden Organe oder Organtheile in einer für die Beschreibung wesentlichen Weise mitbestimmt wurde. Im Morphologischen Theile fassten wir dieselben Prozesse vorwiegend in denjenigen Fällen in’s Auge, in denen aus dem Vorhandensein des charakteristischen Excretes auf genetische Beziehungen zwischen den verschiedenartigen dieses Excret erzeugenden Geweben oder Organen geschlossen werden konnte. Im vorliegenden Theile endlich hatten wir uns schon mit den Prozessen als solchen, und zwar hauptsächlich da zu beschäftigen, wo der Ausscheidungsmodus des Carmines verfolgt wurde, indem es sich ja herausgestellt hat, dass dieser Farbstoff (ähnlich wie die Harnkörper) nicht ausschliesslich von den Nephridien ausgeschieden wird. Im Nachfolgenden wollen wir nun das, was bisher von so verschiedenen Gesichts- V. Nephridien. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien etc. 747 punkten aus in dieser Monographie nur nebenbei zur Erwähnung kam, lediglich um seiner selbst willen und in ausschliesslich physiologischem Sinne erörtern, und zu diesem Behufe werden wir nicht nur auf einzelne der an den Capitelliden gewonnenen Resultate ausführ- licher einzugehen, sondern auch Seitenblicke auf andere Anneliden, respective andere '[hier- classen zu werfen haben. Es wird sich zeigen, dass durch das Resultat dieser Erörterung die Lösung des im fünften Abschnitte gestellten Problemes, nämlich die Beantwortung der Frage nach der Ent- stehung sowie nach dem Ausscheidungsmodus der Nephridien, nicht wenig beeinflusst wird und ich daher für die Hinausschiebung dieses eigentlichen Problemes meine guten Gründe hatte. a. Die excretorischen Leistungen des Darmes. In den Magendarmzellen von Capitella begegneten mir zuweilen gelbe Bläschen und Körner, welche sich im Gegensatze zu den übrigen (bei der Verdauung eine Rolle spielenden) gefärbten Elementen gegen Alkohol farbenbeständig erwiesen und eine auffallende Aehn- lichkeit mit den Excretbläschen der Nephridien etc. darboten; ich äusserte mich daher auch schon gelegentlich der Beschreibung”) dieser Gebilde dahin, dass sie wahrscheinlich Excre- tionsprodukte darstellen werden. Stände diese excretorische Darmthätigkeit von Capitella einzig in der Annelidengruppe oder gar im 'Thierreiche da, so würde es sich wohl kaum verlohnen sie näher in’s Auge zu fassen; das ist nun aber, wie wir gleich sehen werden, keineswegs der Fall. Was zunächst die Anneliden betrifft, so hat CrAPArEpE zuerst darauf hingewiesen, dass der Enddarm gewisser Syllideen im Gegensatze zu dem weiter vorne gelegenen Magendarme zahlreiche Concretionen eingebettet enthält und daher als »Harndarm« aufzufassen sei. Von Syllis gracilis zum Beispiel giebt Crarartpe!) folgende Beschreibung des Sach- verhaltes: »La partie de lintestin qui oceupe les douze ou treize derniers segments du corps oflre une appa- rence tout autre que celle de l'intestin höpatique proprement dit. La coloration de ce dernier lui fait com- plötement defaut. En revanche, la paroi renferme des cellules pleines de petites conceretions spheriques, refractant fortement la lumiere. Une disposition analogue se retrouve, comme je le montrerai, chez d’autres Syllidiens. Il est probable que cette region de lintestin a des fonetions partieulieres, sans doute des fonctions exeretoires, les coneretions que je viens de deerire pouvant facilement etre elimindes par lanus. C'est ce qui m’engage a designer cette partie de lintestin sous le nom de region urinaire.« Und von Syllis hamata?): »Dans la partie posterieure du corps (7 ou 5 derniers segments), lintestin biliaire passe subitement a lintestin urinaire. Ces deux regions sont separees par une ligne de demarcation brusque. Les cellules de la paroi de lintestin urinaire sont remplies de concretions spheriques et jaunätres. La plupart sont formees de trois secteurs comme le cristallin des animaux superieurs.« -ı a) Vergl. p. 25 LE Ep.28.c. pe al9Ar 2) 1.2 Pp2.8-.2c. pP. 196: 94* 148 C. Physiologischer Theil. Ich kann diese Angaben Urararzpe's vollauf bestätigen. Die Uebereinstimmung der Harn- darm-Concretionen von Sy/lis mit denjenigen der Nephridien von Notomastus oder Dasybranchus ist unverkennbar. Aber nicht bei allen Syllideen ist die excretorische Function des Darmes auf seinen Endabschnitt beschränkt. Ich hatte zum Beispiel Gelegenheit eine kleine, 21 Segmente zählende (leider nicht bestimmte, Art zu beobachten, deren Darm mosaikartig abwechselnd indigoblaue und braune Felder aufwies. Letztere bestanden aber aus Concretionen, die sich von solchen der Notomastus-Nephridien kaum unterscheiden liessen. Ferner wurde ebenfalls durch CrArarepe auf das Vorkommen unzweifelhafter Excre- tionsprodukte im Darmkanale von Aphroditeen aufmerksam gemacht. Zunächst von Polynoe spinifera‘) mit folgenden Worten: »Je completerai la description du systeme digestif en signalant dans la paroi de la partie posterieure de lintestin des cellules atteignant parfois le diametre de 22 micr., et renfermant de nombreuses coneretions spheriques jaunes, le plus souvent soudees deux a deux ou trois a trois. Üette partieularite d’organisation rappelle la region urinaire de lintestin des Syllis« etc. Sodann von Hermadion fragile?): »La paroi de lintestin renferme un grand nombre de cellules dont le diametre est d’environ 23 micer. et dont chacune renferme une gouttelette spherique d’apparence huileuse. C’est peut-etre une couche hepa- tique. Mais la paroi des divertieules intestinaux qui penetrent dans les pieds presente une tout autre ap- parence. Elle renferme des aggregations de corps qu’on prendrait facilement pour des cellules, mais qui ne sont que des masses de protoplasma depourvues de nucleus. Chacune de ces petites masses, rendues souvent polyedriques par la pression reeiproque, renferme une coneretion dure, de couleur jaune. Ces concretions sont formees par des couches concentriques autour d’un, de deux ou de trois centres primitifs. Je n’ai pas examine ces corps durs au point de vue chimique, mais il est probable que ce sont des matieres excremen- titielles, comparables a celles que j’ai deerites dans lintestin urique des Syllidiens et de quelques autres Annelides.« Auch diese Angaben CrArarepes fand ich vollständig zutreffend, und wie in den vor- hergehenden Fällen, so konnte ich auch in diesen die grosse (Habitus-) Uebereinstimmung zwischen den betreffenden Darm-Concretionen einer- und den Nephridium-Concretionen ge- wisser Capitelliden andererseits constatiren. Es werden nun aber nicht bloss in den Darm- Divertikeln von Hermadion solche Concretionen ausgeschieden, vielmehr enthielten diejenigen aller von mir daraufhin untersuchten Aphroditeen, wie Aphrodita, Hermione und Polynoe, deren mehr oder weniger zahlreiche. Neben den Concretionen kommen aber stets auch noch andere gefärbte Elemente in den betreffenden Epithelien vor, Elemente, welche allem Anscheine nach bei der Verdauungsthätigkeit*) eine Rolle spielen, so dass also diesen Darmanhängen der Aphroditeen, ähnlich wie nach der Ansicht einzelner Forscher den Malpighischen Gefässen N SPFS SC pROT. 2) l.2p2 335. ce. p% 12. *) Erst nachdem Obiges schon niedergeschrieben war, bin ich mit der Abhandlung KrRUKENBERE’s (Ueber die Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. Unters. Phys. Inst. Heidelberg 2. Bd. 1882. p- 353—355) bekannt geworden, in der genannter Forscher nachweist, dass in den Darmanhängen der Aphroditeen ein Verdauungssaft abgeschieden wird. »Der in den Leberblasen von Hermione Aystriz und Aphrodite aculeata ent- haltene Verdauungssaft«, sagt KRUKENBERG, »verdaut in thymolisirter alkalischer (2-procentiger Sodalösung) und neutraler wässriger Flüssigkeit rohes und gekochtes Fibrin im Laufe von 1/»—2 Stunden.« V. Nephridien. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien etc. 749 der Insekten sowohl eine secretorische, als auch eine excretorische Rolle zukäme. Obwohl hier nicht der Ort für Speculationen morphologischer Natur ist, so sei doch auf die mannig- fache, auch im anatomischen Verhalten sich kundgebende Uebereinstimmung*), hingewiesen, welche zum Beispiel zwischen den langen, kanalförmigen, stets von Speisen frei bleibenden Darm-Divertikeln von Aphrodita aculeata einer- und den Malpighischen Gefässen gewisser Arthropoden andererseits herrscht. Wie bei den Anneliden, so sind nun auch bei anderen 'Thierclassen Beobachtungen gemacht worden, welche das Statthaben einer excretorischen Darmthätigkeit verbürgen. Was die Plathelminthen betrifft, so erinnere ich an die Entdeckung Lang’s'), der- zufolge am und im Epithele der Darmäste von Gunda, einer 'Trielade, Wimpertrichter oder ; besser Wimperzellen vorkommen, welche sich in nichts von denjenigen des Excretionssystemes unterscheiden und daher auch von genanntem Autor als » Excretionswimperzellen des Darmes« betrachtet werden. Entodermale Flimmertrichter hat auch Cuux? von Siphonophoren beschrieben. Als secernirendes Organ oder »Niere« wurde ferner längst von Leyvıc®, der Enddarm der Rotatorien hingestellt, indem in den betreffenden Zellen Concretionen vorkommen, »wie man sie aus der Niere anderer wirbelloser Thiere kennt.« Leyviıs weist auch bei dieser Gelegenheit auf das ähnliche Verhalten des Darmkanales bei gewissen Orustaceen (C'yclops-Larven, hin. Das Vorkommen excretorisch thätiger Zellen in einem Derivate des Mollusken-Darmes, nämlich in der Gastropodenleber, hat Barrurrk!') vertreten. Er kam nämlich zu dem Schlusse: »Während die Fermentzellen vorzugsweise die seeretorische Leberfunction übernehmen, sehe ich in den Leberzellen Exeretionsorgane, deren Produkte für den Organismus unverwendbar sind.« Im Anschlusse an alles dies darf wohl daran erinnert werden, wie auch der entsprechende Darmanhang einer anderen 'Thiergruppe, nämlich die Leber der Vertebraten, neben ihrem specifischen Secretionsprodukte reich an Excretionsprodukten zu sein pflegt. Und wie endlich auch die als Malpighische Gefässe bezeichneten Ausstülpungen des Darmkanales gewisser Arthropoden hier in Betracht kommen, hatten wir schon Gelegenheit hervorzuheben. Was speciell den Harndarm der Syllideen, sowie die excretorisch thätigen Darmdiver- tikel der Aphroditeen betrifft, so ist es wohl nicht zufällig, dass gerade bei diesen zwei APP. 660. c..p. 207. 2) Cuun, C. Die Gewebe der Siphonophoren. II. Z. Anzeiger. 5. Jahrgang 1852. p. 404. 3) 1. p. 349. e. p. 93. Man vergleiche auch desselben Autors » Naturgeschichte der Daphniden«. Tübingen 1860. p. 26. 4) Barrurın, D. Ueber den Bau und die Thätigkeit der Gasteropodenleber. Arch. Mikr. Anat. 22. Bd. 1883. p. 494. *) Der Annahme einer etwaigen Homologie der beiderseitigen Ausstülpungen steht als Hauptschwierigkeit der Gegensatz im Wege, dass die Darmdivertikel der Aphroditeen wohl unzweifelhaft Gebilde des Mitteldarmes, die Malpighischen Gefässe dagegen, allen bisherigen Angaben zufolge, solche des Hinterdarmes darstellen. 750 ©. Physiologischer Theil. AnnelidenfamiliensowohldasNephridial-,als dasBlutgefässsystem überausschwach entwickelt sind; noch mehr gewinnt aber diese Relation an Bedeutung, wenn man erwägt, dass auch bei den mit excretorischen Darmdivertikeln (Malpighischen Gefässen) ausgerüsteten Arthropoden das Blutgefässsystem nur eine geringe Ausbil- dung aufweist und harnabsondernde Nephridien überhaupt nicht vorhanden sind. Die 'Ihatsache, dass eine der Hauptaufgaben des Darmsystemes schon darin besteht, das für die Aufnahme in den 'Thierkörper Ungeeignete der Nahrung vom Geeigneten abzu- sondern und nach aussen zu schaffen, lässt es auch a priori wohl dafür geeignet erscheinen, die Ausführung der in Folge des Stoffwechsels in den Organen sich ansammelnden Zer- setzungsprodukte mit zu übernehmen. Ebenso verständlich ist es aber auch, dass durch die Vervollkommnung des Blutgefässsystemes und durch die gleichzeitige Ausbildung oder Ver- vollkommnung specifischer Harnorgane der excretorische Prozess in andere Bahnen hinein- gelenkt wird. b. Die excretorischen Leistungen der Borstendrüsen, Was mich zuerst auf den Gedanken einer derartigen Leistung der Borstendrüsen ge- bracht hat, war die Erfahrung, dass die Borsten-Scheiden gewisser Capitellidenformen?) zu- weilen anstatt mit den charakteristischen chitinigen) Fäden, mit ebensolchen Excretbläschen sich angefüllt zeigten, wie solche in den Drüsenzellen der Nephridien etc. als Harnbestand- theile zur Ausscheidung gelangen. Ferner sprach dafür, dass die meisten Spinn- und Borsten- drüsen, besonders aber deren Secrete, die Fäden und Borsten, mit einem Farbstoffe imprägnirt sind, der durch sein Ansehen und durch seine chemische Widerstandsfähigkeit auffallend an die für die meisten Excretbläschen und Concretionen charakteristische gelbbraune Pigmentirung erinnert. Endlich erfuhr diese Nebenfunction der Borstendrüsen durch die — im vorigen Ab- schnitte?) ausführlich besprochene — Erfahrung, derzufolge ein erheblicher 'Theil des vom Magendarme von Capitella absorbirten Carmines durch sie (die Borstendrüsen) nach Art der Nephridien in die Haut ausgeschieden wird, eine entscheidende Bestätigung. Am Schlusse meiner Beschreibung‘) der Parapodien von Notomastus habe ich betont, wie zutreffend der Name »Borstendrüse« für den in der Leibeshöhle eingeschlossenen Theil des Parapodiums gewählt sei, indem wie die Nephridien, so auch diese parapodialen Drüsen aus einem von der Membrana propria abstammenden Fachwerke und aus einem darin befindlichen Zellmateriale bestehen. Nur — so fuhr ich fort — werden im ersteren Falle (Nephridien) die Ausscheidungsprodukte in Form von Excretbläschen durch einen gemeinsamen, stabilen Kanal nach aussen geschafft, wogegen sich im letzteren 'Borstendrüsen) die entsprechenden Pro- dukte in Form von Borsten ihre eigenen, vorübergehenden Ausführungsgänge zu bohren pflegen. «@) Vergl. p. 105. ß) Vergl. p. 739. x) Vergl. p. 108. V. Nephridien. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien etc. 7151 Aus dem im Vorhergehenden über die excretorische Wirksamkeit der Borstendrüsen Gesagten ergiebt sich nun von selbst, dass es mir bei jener eben eitirten Gegenüberstellung nephridialer und parapodialer Drüsen nicht etwa bloss um einen bildlichen Ausdruck des beider- seitigen Functionirens zu thun war, sondern, dass mir im Gegentheil eine principielle Ueber- einstimmung solchen Functionirens vorschwebte. Bedenkt man, dass sowohl Borsten, als Cuticulae nicht Umwandlungs-, sondern Aus- scheidungsprodukte von Zellen darstellen, so wird man es nicht schwer finden, auch sie als » Excrete« gelten zu lassen. Doch hierauf kommen wir erst in einem folgenden Abschnitte dieses Kapitels ausführlicher zu sprechen. c. Die excretorischen Leistungen des Blutes (Hämolymphe). In einem speciell der Hämolymphe gewidmeten Kapitel*) dieses Theiles habe ich nach- zuweisen versucht, dass die in den Blutscheiben der Capitelliden enthaltenen Excretbläschen und Concretionen, vor allen die durch Zahl und Grösse ausgezeichneten der Untergattung Tremomastus, sowohl dem Habitus, als auch der chemischen Beschaffenheit nach, eine grosse Uebereinstimmung mit den Excretbläschen und Concretionen der Nephridien, insbesondere der- jenigen von COlistomastus und Dasybranchus, aufweisen. Für die Concretionen der Nephridien konnte aber als überaus wahrscheinlich hinge- stellt werden®), dass sich die meisten (hinsichtlich des organischen Bestandtheiles, wie Guanin verhalten, einige dagegen chemische Resistenzgrade darbieten, die an Chitin erinnern. Und so werden wir in dem schon durch den Habitus der Concretionen aufgedrängten Schlusse bestärkt, dass sich die Blutscheiben der Capitelliden in hervorragender Weise an der Ausscheidung stickstoffhaltiger Zersetzungsprodukte betheiligen. An allen Stellen, wo vom Peritoneum die Rede war, musste seiner überaus energischen Antheilnahme am Excretionsprozesse gedacht werden und weiterhin werden wir noch speciell darauf einzugehen haben‘). Wie die Nephridien, so stellen nun aber auch die Blutscheiben Abkömmlinge dieser Membran dar, weshalb man von letzteren, als zu individuellem Dasein emancipirten Elementen des Peritoneums, aussagen kann, dass sie neben der erworbenen, specifischen Hauptfunction (Respiration) auch noch ihre alte (vom Peritoneum ererbte) excre- torische Function auszuüben fortfahren. Die Thatsache, dass jede einzelne Blutzelle ähnliche Ausscheidungsprodukte zu Stande bringen kann, wie deren vorwiegend in den specifischen Excretionsorganen in unserem Falle in den Nephridien) gebildet werden, zeigt in instructiver Weise, wie die Zelle für sich ganz allein specifische Ausscheidungsprozesse zu vollziehen vermag, wie also die Organ-Integration wohl für den Modus, nicht aber für das Wesen dieser Prozesse maassgebend ist. und Tafel 35. 152 C. Physiologischer Theil. Gegenüber der so energischen, von den rothen Blutscheiben der Capitelliden ausgeübten excretorischen 'Thätigkeit entsteht nun die Frage, was schliesslich aus den Blutscheiben, was aus dem Excrete wird. Man kann sich vorstellen, dass die zu einer gewissen Grösse herangewachsenen Con- cretionen jeweils von den Blutkörpern ausgestossen und durch die Nephridien fortgeschafft werden, dass also ein und dieselbe Scheibe lange Zeit hindurch excretorisch wirksam bleibe. Was ich zu Gunsten dieser Möglichkeit anzuführen vermag, ist lediglich die Thatsache, dass im Cölom häufig freie Excretbläschen und Concretionen angetroffen werden; dagegen ist es mir nie gelungen, das Ausstossen von Concretionen zu beobachten. Wie dem aber auch sein mag, ob die Blutscheiben Concretionen auszustossen im Stande sind, oder nicht, das heisst, ob ihnen eine längere oder kürzere Functionsdauer zugemessen ist, schliesslich gehen diese Scheiben, wie schon in den vorhergehenden Theilen mehrfach hervorgehoben wurde, zu Grunde. Man findet nämlich bei den meisten Individuen, und zwar bei solchen aller Gattungen zwischen den normalen Hämolymphelementen mehr oder weniger umfangreiche Klumpen rother, mit Concretionen angefüllter und von Leucocyten membranartig eingekapselter Blut- scheiben ?), welche sich nicht anders, denn als in excretorischer Thätigkeit erschöpfte, respective als zur Fortsetzung solcher 'Thätigkeit ungeeignete, auffassen lassen. Dass die Einkapselung dieser abgestorbenen Scheiben durch Leucocyten bewirkt wird, ergab sich nicht so ohne Weiteres aus der Natur der fertigen Kapseln, indem letztere in den meisten Fällen eine ganz membranartige Beschaffenheit darbieten. Ueberzeugend dargethan wurde ihr leucocytärer Ursprung erst durch die Beobachtung melanämischer Thiere, in deren Blute ich die Einhüllung farbiger Scheiben durch plasmodienartig verschmelzende Leucocyten unter dem Mikroskope beobachten und die Umwandlung der Plasmodien in membranartige Kapseln verfolgen konnte. Wir dürfen wohl unzweifelhaft diese Einkapselung der in excretorischer Thätigkeit untergegangenen Blutscheiben vom Standpunkte der MErscHsiKorrschen Phagocytenlehre *) aus beurtheilen, das heisst annehmen, dass die Leucocyten den todten Blutscheiben gegenüber, ähnlich wie sie dies Fremdkörpern gegenüber thun, als »Phagocyten« reagiren. Die eingekapselten Blutscheiben erleiden augenscheinliche Veränderungen; sie schrumpfen nämlich immer mehr ein, bis sie schliesslich nur noch mantelförmig die Concretionen umhüllen. Bewirken die Phagocyten diese Veränderung? oder haben dieselben mit der Einkapselung ihre a) Taf. 35. Fig. 14: 25. 38 und 42. *) Obwohl ich, wie aus Obigem und dem weiterhin Folgenden hervorgeht, keineswegs zu den Gegnern der Phagocytenlehre gehöre, so möchte ich doch in Anbetracht der regen, in dieser Schrift durch so viele Fälle illu- strirten excretorischen Thätigkeit von Peritoneal- und Blutzellen darauf hinweisen, wie künftighin bei der Beurtheilung gewisser Zelleneinschlüsse erst genau festzustellen sein wird, ob man es mit von aussen aufgenommenen (ge- fressenen), oder aber mit von der Zelle ausgeschiedenen Produkten zu thun habe. Insbesondere gilt das für die sogenannten »blutkörperhaltigen Zellen«, da gelbrothe Excretbläschen oder Conceretionen (Pigment) leicht für verändeıte Blutscheiben gehalten werden können. V. Nephridien. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien ete. 153 Rolle ausgespielt? Das sind Fragen, auf die ich um so weniger eine Antwort zu geben ver- suchen möchte, als ich die dafiir maassgebenden Vorgänge keinem speciellen Studium unterzog. Auch über die weiteren Schicksale der eingekapselten Scheiben vermag ich zwar keine bestimmten Angaben zu machen, dagegen lässt sich bezüglich ihrer wenigstens eine Ver- muthung äussern, und zwar die, dass sie schliesslich durch die Nephridien nach aussen geschafft werden. Ich habe nämlich öfters zahlreiche mehr oder weniger modificirte Blut- scheiben in den Nephridien angetroffen®), und ferner sei auch an das Factum erinnert, dass die sogenannte Pigmentirung von Capitella theils durch das in die Haut entleerte Nephridium- Excret, theils durch die zwischen Haut und Cuticula deponirten (excretorisch untergegangenen Blutscheiben bewirkt wird?®). Aber die Einkapselung durch Leucocyten ist nicht die einzige Art, wie excretorisch untergegangene Blutscheiben von der übrigen Hämolymphe getrennt werden. In einer noch viel ausgiebigeren Weise wird das, wie schon in den vorhergehenden 'Theilen erwähnt wurde, durch das Peritoneum besorgt. In der Endregion des Abdomens vieler Individuen von Tremomastus (besonders von Notomastus Benedeni und N. profundus) sowie auch von Heteromastus und Capitella sieht man schon im unverletzten Zustande in jedem Segmente hämal je ein paar dunkelbrauner Körper‘) hindurchschimmern, welche bezüglich ihrer Färbung auffallend an die Nephridien von Clisto- mastus erinnern. Da mir speciell von Tremomastus die Nephridien schon als schwefelgelbe, neural (in den Nierenkammern) gelegene Organe bekannt waren, so hatte dieser Befund zunächst etwas Verwirrendes. Die genauere Untersuchung ergab indessen bald, dass diese braunen Körper nichts mit Nephridien gemein haben, dass sie dagegen aus sackförmig vom Peritoneum umschlossenen Blutscheiben-Conglomeraten bestehen, und diese so eingeschlossenen Blut- scheiben waren insbesondere bei Tremomastus durch die Grösse und Zahl ihrer Concretionen aus- gezeichnet. Dass ausser den typischen Leucocyten auch noch andere Mesodermelemente, insbeson- dere Peritonealzellen die Rolle von Phagocyten spielen können, wurde in Merschxikorr's Auf- sätzen zur Phagocytenlehre mehrfach ausdrücklich hervorgehoben. Auf unseren Fall passt aber besonders eine an Nais gemachte Beobachtung dieses Forschers'), die er folgendermaassen schildert und definitt: »Aber auch die Fremdkörper, wenn sie auf irgend eine Weise in das Gebiet des Mesoderms gelangen, werden von den Zellen des letzteren aufgenommen. Verschiedene Schmutzpartikelchen und andere feste Gegenstände, welche so leicht durch die zarte Körperwand vieler niederen Thiere durchbrechen, werden in Kürze von den nächst liegenden Amöboidzellen des Mesoderms aufgefressen. Viele parasitische Organismen, welche passiv oder activ in den Thierleib gelangen, erleiden dasselbe Schicksal. Sie werden ebenfalls von a) Taf. 35. Fig. 22. Taf 28. Bio. Ir Br. r. ga‘ Vergl. p. 132. ß) Vergl. p. 253 und Taf. 35. Fig. 43. 1) MErscHNIKoFF, E, Ueber die pathologische Bedeutung der intracellulären Verdauung. Fortschritte der Medicin No. 17. 1885. Sep. Abdr. p. 4. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel, Capitelliden. 95 154 C. Physiologischer Theil. Mesodermzellen aufgenommen, wobei sich nicht nur die freien Elemente, sondern sogar die Zellen des Pe- ritoneums betheiligen. Den letzteren Fall habe ich bei Nais proboscidea beobachtet, welche sich durch Mangel von freien Mesodermzellen auszeichnet. Auf das Eindringen einer Gordiuslarve in die Leibeshöhle dieses Ringelwurmes reagirt der letztere durch Ausschicken mehrerer Peritonealzellen, welche eventuell amöboid werden und den Parasiten vollständig umgeben. Die Gordiuslarve bleibt trotzdem aber am Leben; da sie ihrerseits eine chitinöse Kapsel ausscheidet, die ihr als Schutz gegen den Wirth dient.« Da bei den Capitelliden die Leucocyten vom Peritoneum abstammen, so scheint mir die Thatsache, dass excretorisch untergegangene Blutscheiben gleicherweise von Leucocyten wie von Fortsätzen der peritonealen Membran eingekapselt werden, sehr für die Ansicht MerschnIKorrs zu sprechen, derzufolge die Zellen des Peritoneums in solchen Fällen ebenso wie die freien Peritonealzellen als Phagocyten in Betracht kommen. Welche weiteren Schicksale diese vom Peritoneum eingekapselten Blutscheiben erfahren, ob sie zeitlebens im Thierleibe als solche verharren, oder aber früher oder später zerfallen und durch die Nephridien entleert werden, vermag ich ebensowenig wie im entsprechenden vorhergehenden Falle zu entscheiden. Dagegen können wir das als festgestellt betrachten, dass von den hämoglobinhal- tigen, Excrete in sich aufspeichernden Blutscheiben der Capitelliden jeweils zahlreiche zu Grunde gehen, um durch frische sei es durch Theilung entstan- dene”), sei es aus dem Peritoneum hervorgesprosste?) ersetzt zu werden. Ausser den Capitelliden ist im Kreise der Anneliden nur noch die ebenfalls der Blut- gefässe entbehrende Familie der Glyceriden durch den Besitz hämoglobinhaltiger Scheiben ausgezeichnet und in diesen sind denn auch ähnliche, wenn auch kleinere Excretbläschen oder Concretionen enthalten. Zur Kategorie letzterer scheinen mir auch die runden, elliptischen oder eckigen, stark glänzenden Körner zu gehören, welche nach ScHwALBE!) constant in den rothen Blutscheiben von Phascelosoma vorkommen. Diese Körner, über deren Bedeutung genannter Autor im Unklaren geblieben ist, sollen sich nämlich in allen von ihm angewandten Reagentien, ins- besondere in Wasser, Alkohol, Essigsäure und Kalilauge unverändert erhalten haben. Bei einzelnen mit Blutgefässen ausgerüsteten Anneliden kommen Excretbläschen oder Concretionen in den farblosen Blutkörpern oder Leucocyten der perivisceralen Lymphe zur Ausbildung. So in besonders reichlicher und zugleich sehr charakteristischer Weise in den schon mehrfach erwähnten?) von Ophelia. Bei anderen werden Concretionen im unmittelbaren Bereiche der Gefässwandungen an- getroffen. Hauptsächlich bei Hesioniden und Euniciden fand ich diese Wandungen cölom- wärts oft ganz bedeckt mit Excretbläschen. Auch bei vielen Serpuliden ist die perivasale a) Vergl. p. 167. ß) Vergl. p. 228. x) Vergl. p. 689 und 719. l) ScHwALgE, G. Kleinere Mittheilungen zur Histologie wirbelloser Thiere. Arch. Mikr. Anat. 5. Bd. 1869. p. 252. V. Nephridien. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien ete. 155 Excretablagerung so auffallend, dass sie der Aufmerksamkeit der Untersuchenden nicht ent- gehen konnte. So sagt Cosmovicr') über die Blutgefässe von Mywicola: »Enfin, il est a remarquer que d’innombrables culs-de-sae sanguins, couverts de cellules pigmen- taires, font saillie autour des vaisseaux. M. Mırne-Epwaros dit que ce sont probablement des glandes seeretoires. On pourrait plutöt penser que le sang se debarrasse de quelques principes en passant a travers ces cellules« etc. Den eben betrachteten Fällen schliesst sich das nahe an, was man unter dem Namen Chloragogen oder Chloragogenzellen zusammengefasst hat. An zwei Stellen“, des vorher- gehenden Theiles musste schon vorwiegend im Hinblicke auf morphologische Fragen dieser hauptsächlich als äusserer Belag der Blutgefässe von Oligochaeten bekannt gewordenen Zellen eingehend gedacht werden. Es genüge daher hier daran zu erinnern, wie insbesondere durch KüxrentHar's Nachweise entschieden wurde, dass die betreffenden Gebilde ursprünglich Lymph- körper darstellen, welche sich an die Blutgefässwandungen anheften und durch Aufnahme gelbbrauner, excretorischer Körperchen zu sogenannten Chloragogenzellen werden, dass sich sodann letztere wieder loslösen, eine Zeit lang mit der Leibesflüssigkeit umhertreiben, später in einen schwärzlichen Detritus zerfallen, und schliesslich wahrscheinlich durch die Nephri- dien nach aussen entleert werden. Dieser Auffassung gemäss ist Chloragogen gleichbedeutend mit unseren Excretbläschen oder Concretionen, und die Chloragogenzellen sind eins mit den excretorisch thätigen Leuco- cyten; nur mit dem Unterschiede, dass, während letztere (zum Beispiel diejenigen von Ophelia) frei beweglich bleiben und von der Lymphe (Perivisceralflüssigkeit) das Material für ihr Aus- scheidungsprodukt zugeführt erhalten — erstere sich an die das gefärbte Blut enthaltenden Gefässe festsetzen und daher wohl auch dem gefärbten Blute ihre excretorischen Bestand- theile entnehmen. Die Chloragogenzellen ihrerseits führen uns sodann zu den ebenfalls bereits in einem früheren Theile?) vom morphologischen Gesichtspunkte aus eingehend besprochenen, haupt- sächlich in den Rückengefässen der Terebelliden und Cirratuliden in hoher Ausbildung vorkommenden braunen Strängen oder Schläuchen, für die ich im Gegensatze zu den eben be- sprochenen »extravasalen« Chloragogenzellen den Namen »intravasale Chloragogenzellen oder Chloragogendrüsen« vorgeschlagen habe. An der eben citirten Stelle wurde schon hervorgehoben, dass ich diese hinsichtlich ihrer Bedeutung bisher wenig aufgeklärten Gefässdrüsen zu den »hämolymphatischen Excretionsorganen« rechne und dass die Thatsachen, die zu einer solchen Auffassung hin- führten, erst hier dargelegt würden. Worauf ich mich nun stütze, sind die folgenden an Cirratulus filigerus (Audouinia filigera) Cvar. gemachten Erfahrungen. Die intravasale Chloragogendrüse dieses Wurmes besteht in Wirklichkeit weder aus Strängen, noch aus Schläuchen, sondern aus Einem in viele Falten gelegten Bande, welches o) Vergl. p. 440—441 und 690. ß) Vergl. p. 690—691. El pa005.2e.p 328. oo or * 756 ©. Physiologischer Theil. durch die Contractionen und Expansionen des Rückengefässes abwechselnd zusammengedrückt und auseinandergezogen wird. Dem Gefässlumen zu wird dieses ziemlich dicke, gefaltete Band allerseits von einer scheinbar homogenen Membran begrenzt, und das Innere des Bandes erscheint durch zahlreiche in den verschiedensten Richtungen sich kreuzende Lamellen von ähnlich homogenem Ansehen in Fächer abgetheilt, deren jedes Plasma, Einen Kern und zahl- reiche Excretbläschen oder Concretionen enthält. Es entspricht daher jeder Raum des Fach- werkes Einer Zelle und das Ganze giebt sich als eine nach ähnlichem Plane wie die Borsten- drüsen und Nephridien aufgebaute Drüse zu erkenen; nur ist den Nephridien gegenüber der Mangel eines Ausführungsganges zu betonen. Was nun die Hauptsache, nämlich die in den Zellen dieser Drüse eingeschlossenen Excretbläschen oder Concretionen betrifft, so zeigen sie schon hinsichtlich der Form und der Farbe eine so auffallende Uebereinstimmung mit den uns von den Blutscheiben und Nephri- dien der Capitelliden her bekannten, sowie auch mit den in den Nephridien von Cirratulus enthaltenen, dass der Schluss, man habe es wie bei letzteren, so auch bei ersteren mit einem Excrete zu thun, sich von selbst aufdrängt. Die mikrochemische Untersuchung hat denn auch diesen Schluss bestätigt. Die meist 2—4 p Durchmesser aufweisenden, rundlichen, seltener vieleckigen, gelb bis braun gefärbten Concretionen der intravasalen Chloragogendrüsen von Cirratulus sind in Wasser, Alkohol, Aether und Essigsäure unlöslich. Durch Salzsäure werden sie nur schwer angegriffen, in Salpeter- und Schwefelsäure dagegen lösen sie sich sofort zu einem gelben Brei. Ammon bewirkt erst nach längerer Einwirkung Veränderungen an den FEx- cretbläschen, in Kalilauge dagegen lösen sie sich abgesehen von einzelnen hartnäckig Widerstand leistenden — sofort. Das ist also ein Verhalten, welches in hohem Maasse mit demjenigen der Nephridium-Concretionen von Notomastus*) übereinstimmt. Hinsichtlich des Schicksals des von dieser Drüse ausgeschiedenen Excretes ist folgende Gefässanordnung von Interesse. Aeltere Autoren behaupteten, dass das Rückengefäss im Be- reiche des vorderen Körperendes die zwei seitlichen (Aeste zu den Kiemen etc. abgebenden) rücklaufenden Stämme entsendet und sich dann ungetheilt bis in den Kopf hinein fortsetzt, um schliesslich in die Bauchgefässe überzugehen. Ich konnte mich hingegen davon über- zeugen, dass das Rückengefäss kurz nach Abgang der genannten zwei rücklaufenden Seiten- gefässe noch ein Paar schwächerer, nach vorn gerichteter Gefässe entsendet, welches nahezu ganz in der Versorgung des in der Kopfregion gelegenen Nephridienpaares aufgeht. Gerade an der Stelle, an der diese letzteren Gefässe aus dem Vas dorsale entspringen, endet aber die Chloragogendrüse. Bei der mikroskopischen Untersuchung kleiner, intacter 'Thiere vermochte ich nun mehrere Male festzustellen, dass die nach einem auf die Drüse ausgeübten Drucke aus letzterer ausgetretenen Excretbläschen weder in die rücklaufenden Seitengefässe, noch in die Fortsetzung des Vas dorsale übergehen, dass sie vielmehr lediglich von dem zu den Ne- V. Nephridien. 3. Ueber die in anderen Organsystemen als den Nephridien etc. Mal, phridien gerichteten Gefässpaare aufgenommen werden. Welcherlei Vorrichtungen hier ge- troffen sind, um die Stromesrichtung des Excretes derart einzuengen, vermochte ich zwar nicht festzustellen, aber aus dem Mitgetheilten geht doch so viel hervor, dass allem Anscheine nach das in den intravasalen Chloragogendrüsen gebildete Excret (auf eine erst noch genauer festzustellende Weise) in die Nephridien übergeführt wird. Nicht unerwähnt darf ich lassen, dass in der Haut von Cirratulus häufig erhebliche Mengen eines sogenannten Pigmentes an- getroffen werden, dessen Elemente aus nichts Anderem als aus denselben gelben oder röth- lichen Excretbläschen und Concretionen bestehen, welche auch die Nephridien und Chlora- gogendrüsen dieser 'Thiere erfüllen. Es geht aber daraus hervor, dass wenigstens ein Theil des Excretes auch hier in die Haut abgesetzt wird. d. Die excretorischen Leistungen des Peritoneums. Aus der 'T'hatsache, dass, wo und wie immer das Peritoneum in unserer 'Thiergruppe sich darstellen mag, es auch die so charakteristischen Excretbläschen oder Concretionen zur Ausbildung bringt, zogen wir den Schluss, dass diesem Gewebe in besonders hohem Grade eine excretorische 'Thätigkeit innewohnen müsse. Mit diesem Schlusse steht ja auch in bestem Einklange, dass sowohl die Nephridien als auch die ähnlich excretorisch wirksamen Blut- scheiben Entwickelungsprodukte des Peritoneums darstellen. Wie tief dieses letztere von der Tendenz. zu excretorischer Function beherrscht ist, ging auch daraus hervor, dass selbst in den zu specifischen Keimzellen umgewandelten Peritoneal-Abkömmlingen, nämlich in den Eiern? von Mastobranchus, sich oft so zahlreiche Excretbläs- chen ansammeln, dass dadurch die eigentliche Bestimmung des Keimproduktes entschieden gefährdet werden muss. Nester degenerirt aussehender, mit Excretbläschen überladener Eier verschiedenster Stadien, welche oft mitten zwischen normalen Fortpflanzungs- zellen eingestreut angetroffen werden, machen es wenigstens sehr wahrscheinlich, dass sich zahl- reiche solcher Zellen in excretorischer Function erschöpfen. Mehr noch, als durch all das sahen wir aber die excretorische Leistungs- fähigkeit des Peritoneums sich documentiren bei denjenigen zwei Capitel- lidengattungen, deren Nephridien in Rückbildung begriffen sind, das heisst bei denjenigen, bei welchen im erwachsenen Zustande die Nierenorgane anstatt in allen Segmenten, nur noch in den letzten des Abdomens auftreten. = 3\ Bei der einen dieser Formen, bei Mastobranchus‘ \, bietet der grösste Theil des Perito- neums ein hypertrophisches, drüsenhaftes Ansehen dar und die peritonealen Zellen enthalten zahlreiche ebensolche Excretbläschen, wie die auf das Körperende beschränkten Nephridien; in einzelnen besonders mächtigen peritonealen Wucherungen dagegen kommen (im Gegen- a) Vergl. p. 226 und Taf. 33. Fig. 16. 24 2 ß) Vergl. p. 224 und 227 sowie Taf. 33. Fig. 14. 15. 758 ©. Physiologischer Theil. satze zu diesen flüssigen, chemisch weniger widerstandsfähigen Excretbläschen) feste, dunkel- braune Concretionen zu Stande, welche die auffallendste Uebereinstimmung mit den Concre- tionen der Nephridien und Blutscheiben von Notomastus und Dasybranchus zur Schau tragen. Ich konnte nachweisen, dass sich solche mit Excretbläschen und Concretionen geladene Peri- tonealzellen nach Art der Leucocyten ablösen und zu den perivisceralen Hämolymphelementen gesellen. Ä Bei der anderen dieser Formen, bei Heteromastus”), sind die entsprechenden Wucherun- gen durch eine streng segmentale Anordnung ausgezeichnet, so dass man sie, da ihre Zellen überdies ebensolche Excretbläschen wie die (auf das Körperende beschränkten) Nephridien enthalten, mit letzteren leicht verwechseln könnte. Und ausser diesen segmentalen kommen auch hier noch stellenweise solche Wucherungen vor, deren Zellen durch Ausscheidung fester, brauner Concretionen vom Habitus derjenigen der Notomastus-Nephridien etc. ausgezeichnet sind. Wir werden wohl nicht irre gehen in der Annahme, dass alle diese durch das Perito- neum erzeugten Excretbläschen und Concretionen durch die (in beiden Gattungen auf das Abdomenende beschränkten) Nephridien nach aussen geschafft werden. Die 'Thatsache, dass einzelne Mastobranchus-Exemplare®) noch in allen Abdominalseg- menten (allerdings durchaus functionsunfähige) Nephridien erkennen liessen, bürgt dafür, dass in der normalen Beschränkung der Nierenorgane auf das Körperende und in der für ihren Ausfall eintretenden Hypertrophie des Peritoneums keine ursprünglichen Zustände vorliegen, was ich aus dem Grunde besonders hervorheben möchte, weil vielleicht auch bei Vertretern anderer 'Thiergruppen, so z. B. bei Balanoglossus') und Amphiowus, die excretorische Rolle des Peritoneums nicht als ursprüngliche, sondern vielmehr als secundäre (in Folge der Rück- bildung früher vorhanden gewesener Nephridien) wieder erworbene, begriffen werden kann. Ein instructives Beispiel dafür, dass in Folge von Rückbildung des differenzirten Cen- tralorganes die Nierenfunction wieder in andere Körpergewebe verlegt werden kann, bildet das durch TrıncHese’) beschriebene Verhalten von Caliphylla, einer Nackt- schnecke. Bei diesem Thiere finden sich nämlich in dem eigentlichen (rudimentären peri- cardialen) Nierenorgane keine Excretionsprodukte, sondern nur Fetttropfen; dagegen enthalten gewisse subepitheliale, im ganzen Körper zerstreute mesenchymatische Drüsenzellen Concre- tionen, die zum Theil aus Harnsäure bestehen. Auch hinsichtlich der weniger gesteigerten excretorischen Function des Peritoneums, wie sie sich bei den mit wohl entwickelten Nephridien ausgerüsteten Capitellidengattungen geltend macht, steht unsere Familie nichts weniger als vereinzelt da. Wenn die bezüglichen Feststellungen sei es für Anneliden, sei es für andere Wirbellosen nur mangelhaft in der Litteratur vertreten sind, so liegt es daran, dass man entweder den betreffenden Befunden a) Vergl. p. 242 und 244 sowie Taf. 28. Fig. 8. P. W. n. und Taf. 33. Fig. 20. ß) Vergl. p. 223. 1) Man vergl. Baresox ]. p. 443: Ancestry Chordata ce. p. 86. 2) TrıncHese, S. Intorno ad un vero rene diffuso. Rend. Accad. Napoli. Anno 1883. V. Nephridien. 4. Können die im vorigen Abschnitte hinsichtlich ihrer exeretorischen Thätigkeit ete. 759 keine Bedeutung beizulegen, oder dass man sie, was auf dasselbe herauskommt, unter dem nichtssagenden Begriffe » Pigment« zu begraben pflegt. Dass aber das Peritoneum auch noch bei höheren, mit wohl entwickelten Nierenorganen ausgerüsteten Thieren seine excretorische Function auszuüben fortfährt, dafür liefern uns die stark »pigmentirten« Cölom-Auskleidungen der Fische den besten Beweis. 4. Können die im vorigen Abschnitte hinsichtlich ihrer excretorischen Thätigkeit betrachteten Organe als Nierenorgane gelten? Im Aufwerfen dieser Frage liegt schon eingeschlossen, dass sich aus den im vorigen Abschnitte mitgetheilten Thatsachen allein die betreffende Antwort nicht so ohne Weiteres erschliessen lässt. Es mögen daher, bevor ich auf die eigentliche Frage eingehe, zunächst einige Erörterungen allgemeiner Natur gestattet sein. Wenn wir uns auf Grund der über den Gesammt-Stoffwechsel der Organismen ge- wonnenen Erkenntnisse a priori eine Vorstellung darüber zu bilden versuchen, wie oder wo die Excretionsprodukte zu Stande kommen, so wird — einerlei ob wir nun einfache oder complicirte Organismen ins Auge fassen — diese Vorstellung nur die sein können, dass in letzter Instanz dort das Unbrauchbare und Abgenützte entstehen muss, wo auch in letzter In- stanz ernährt, geathmet und specifische Arbeit geleistet wird, nämlich in allen einzelnen Zellen. Wie sehr sich auch im Anschlusse an die Organ-Differenzirung dieser fundamentale Vorgang verändern und complieiren mag — principiell bleibt er doch als solcher bestehen und daher muss er auch Ausgangspunkt aller unserer Speculationen über » Excretion « bleiben. Wie im fortgeschrittenen Zustande nicht mehr jede einzelne Zelle die Aufgabe behält, die Nahrung zu bewältigen und assimilationsfähig zu machen, vielmehr ein Centralorgan — der Darmkanal — sich herausbildet, in dem die Speisen in einen assimilationsfähigen Zustand umgewandelt werden, so muss auch hinsichtlich der Excretion die Differenzirung dahin zielen, dass nicht mehr jede einzelne Zelle damit belastet bleibt, das Auszuscheidende so weit um- zuwandeln, bis es als für den Organismus schlechtweg unbrauchbar und zur Elimination bereit zu gelten hat. Und demgemäss wird jede Zelle die regressive Stoffmetamorphose nur so weit auszuführen bestrebt sein, als es ihrer specifischen Aufgabe dienlich, und einem besonderen Centralorgane wird es überlassen bleiben, diese Metamorphose zu Ende zu führen. Gestützt auf das Vorhergehende können wir nun festzustellen versuchen, wie ein Organ fungiren müsse, damit es auf den Namen » Excretionsorgan« oder »Niere« Anspruch erheben könne, eine Feststellung, die ja für die Beantwortung der diesem Abschnitte vorgesetzten Frage unerlässlich ist. Wesentlich für den Begriff Excretionsorgan scheint mir nun aber zu sein, dass in dem betreffenden Körpertheile nicht etwa nur dieim Anschlusse an 760 C. Physiologischer Theil. seinen eigenen Stoffwechsel zu Stande kommenden Ausscheidungsprodukte sich anhäufen, sondern dass ihm vielmehr ausserdem noch, sei es durch Vermit- telung der perivisceralen Flüssigkeit, sei es durch Vermittelung eines geschlos- senen Blutgefässsystemes die mehr oder weniger weit in der Desintegration fortgeschrittenen Zersetzungsprodukte zur weiteren Spaltung und — Abfuhr zu- geführt werden. Ein Organ wird daher um so mehr als Niere gelten können, je mehr es Vorstufen N-haltiger Zersetzungsprodukte aus anderen Körpertheilen zugeführt enthält, je vollkommener es ferner diese Vorstufen in »Harnstoffe« umzusetzen und je ausgiebiger es endlich diese Stoffe zur Elimination zu brin- gen vermag. Wenn demnach der Begriff Harnorgan ein relativer ist, so werden wir auch darauf gefasst sein müssen, in ein und demselben Thiere verschiedenartige Gewebe oder Organe excretorisch thätig zu finden. Auch werden wir in Folge dessen besser verstehen, warum gerade das »Nierenorgan« im Thierreiche keine ebensolche morphologische Einheit erkennen lässt, wie zum Beispiel das Darm-, Haut- oder Nervensystem. Haben wir es nun, um mit dem Darme zu beginnen, in den in seinen Epithelzellen zuweilen (bei Capitella) vorkommenden Excretbläschen und Concretionen mit Aufspeicherungen von im Anschlusse an seinen eigenen Stoffwechsel entstandenen Zersetzungsprodukten, oder mit solchen einer »Nierenthätigkeit« im eben definirten Sinne zu thun? werden mit anderen Worten nur eigene Zesetzungsprodukte retinirt, oder auch solche aus anderen Organen (durch Vermittelung der Blutflüssigkeit) hier ausgeschieden? Was die Gewebe selbst hoch organisirter Thiere hinsichtlich solcher Retention zu leisten vermögen, das zeigen uns die Selachier, bei denen den neuesten Untersuchungen KrUkENBERG’s!) zufolge, beispielsweise in der Muskulatur, der Procentgehalt an Harnstoff 4°, überschreiten kann. Capitella bietet nun keinerlei Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage; wir müssen es vollkommen dahin gestellt sein lassen, ob ihre Darmeoncremente als Produkte einer Nieren- thätigkeit aufzufassen sind, oder nicht. Dass aber bei anderen Annelidenfamilien gewisse Abschnitte des Darmkanals unzweifelhaft als Nierenorgane zu fungiren vermögen, das be- weisen der Harndarm der Syllideen, sowie die Darmdivertikel der Aphroditeen, bei welchen Familien ja mit dieser Eigenthümlichkeit des Intestinums eine auffallend geringe Ausbildung des Blutgefässsystemes sowie der Nephridien einhergeht. Ganz besonders documentirt sich aber diese Fähigkeit des Darmes Nierenorgane auszubilden durch die Malpighischen Gefässe der Arthropoden, neben welchen Gefässen bekanntlich Nephridien (wenigstens als Excretions- organe) überhaupt nicht zur Ausbildung gelangen. Dagegen betrachte ich die Borstendrüsen als Excretionsorgane im wahren Sinne des l) KrukengerG, C. Die Harnstoffretention in den Organen der Rochen und Haie. Centralbl. Med. Wiss. 25. Jahrg. 1887. p. 450. 3 V. Nephridien. 4. Können die im vorigen Abschnitte hinsichtlich ihrer excretorischen Thätigkeit etc. 761 Wortes. Denn das, was sie normal auszuscheiden berufen sind, die Borsten, besteht zum grössten Theile aus einem Körper, der meiner Ansicht nach zu den stickstofthaltigen Zer- setzungsprodukten gerechnet werden muss, nämlich aus Chitin. Zu Gunsten dieser Ansicht spricht, dass die Borsten zuweilen anstatt mit Chitinfüden, mit Exeretbläschen angefüllt sind; ferner, dass einzelne Excretbläschen oder Concretionen sei es der Nephridien, sei es des Blutes hinsichtlich ihrer chemischen Resistenz an Chitin erinnern‘); endlich, dass auch Chitin in Form von Concretionen zur Ablagerung kommen kann. Was die »Nierenfunction« der Borsten- drüsen weiter bestätigt, das ist das Verhalten dieser Drüsen bei der Carminausscheidung; denn ausser den Nephridien kamen ja lediglich sie als Ausscheidungsorgane in Betracht‘). Schwieriger stellt sich das Problem gegenüber der excretorischen 'Thätigkeit der Blut- scheiben. Wissen wir doch, dass bei allen mit einem Cölom versehenen Thieren (sei es mit, sei es ohne Blutgefässe) gerade das Blut jenes Vehikel darstellen muss, durch welches dem Nierenorgane oder den Nierenorganen die Zersetzungsprodukte aus den verschiedenen übrigen Organen zur weiteren Verarbeitung, respective zur Elimination zugeführt werden. Neben der Möglichkeit, dass die in den Blutscheiben enthaltenen Concretionen ein retinirtes Eigenexcret darstellen, haben wir daher auch noch die in's Auge zu fassen, dass sie von den Scheiben nur behufs Weiterbeförderung als solche aufgenommen sein könnten. Dagegen, dass die Concretionen als solche von den Blutscheiben aufgenommen werden, spricht die oft relativ colossale Grösse ersterer, sowie auch, dass keine Quelle zu bezeichnen wäre, von der sie als solche stammen könnten; dagegen spricht ferner, dass es ja aller Wahr- scheinlichkeit nach (ähnlich wie bei den mit Gefässen ausgerüsteten Thieren) nicht die festen Bestandtheile, sondern die flüssigen sein werden, welche die Ortsveränderung der Excretstoffe zu besorgen haben. Obwohl die rothen Blutscheiben als Vermittler des respiratorischen Gasaustausches unzweifelhaft energische Arbeit verrichten, so wird man sich doch schwer dazu entschliessen, jene im Verhältnisse zu den Scheiben oft geradezu riesigen Concretionen lediglich als retinirte Produkte des in der Scheibensubstanz vor sich gegangenen eigenen Stoffwechsels zu betrachten. Einer solchen Betrachtung stände denn auch sofort .der Einwand gegenüber, warum denn nur bei einzelnen Formen so grosse und so zahlreiche Concretionen in den Blutscheiben gebildet werden, und warum es gerade die sind, deren Nephridien nur sehr geringfügige Concretionen aufweisen, und warum umgekehrt diejenigen Formen, welche massenhaft Nephridium-Con- cretionen darbieten, arm an Blutconcretionen zu sein pflegen. Wir müssen daher diesen Blutscheiben die Fähigkeit zugestehen, (wie die Nephridien), relative Zersetzungsprodukte aus dem Blutplasma anziehen und in die zur Ausfuhr bestimmten Harnkörper umsetzen zu können, um so mehr, als überdies nachgewiesen werden konnte, wie zahlreiche Scheiben in dieser ihrer exceretorischen Thätigkeit untergehen und schliesslich entweder durch Einkapselung a) Vergl. p. 718—719 und 729. Bj Vergl. p. 739—741. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Nrapei. Capitelliden. 96 762 C. Physiologischer Theil. oder durch die Nephridien |?) aus dem Kreislaufe eliminirt werden. Damit steht auch im Einklange, dass die Blutscheiben (ebenso wie die Nephridien) von einem excretorisch eminent leistungsfähigen Organe, nämlich von dem Peritoneum abstammen. In entscheidender Weise wird ferner diese Auffassung der excretorischen Leistungen der Capitelliden-Blutkörper noch durch die an mit Gefässen ausgerüsteten Anneliden gemachten Befunde unterstützt, indem wir erfahren haben, wie insbesondere bei Oligochaeten Lymph- zellen sich an den Gefässwandungen befestigen, um aus dem Blute ein Zersetzungsprodukt in sich aufzunehmen, und dieses in Form eines festen Excretes (sogenannten Chloragogens) in sich aufzuspeichern, wie dieselben Zellen, nachdem sie sich von den Gefässen wieder abgelöst, zerfallen und wie wahrscheinlich ihr Excret schliesslich durch die Nephridien nach aussen abgeführt wird. Und entsprechend diesen extravasalen Chloragogenzellen haben wir bei ver- schiedenen Polychaeten auch intravasale Chloragogendrüsen Blutgefässdrüsen) kennen gelernt, deren Excret eine so grosse Uebereinstimmung mit den Excretbläschen und Concretionen der Capitelliden-Nephridien und -Blutscheiben aufweist, dass wir sie geradezu als » hämolymphatische Excretionsorgane « bezeichnen konnten). Was schliesslich das Peritoneum betrifft, so wird die Vorstellung, dass die in seinen Zellen angehäuften Harnkörper vom Gesichtspunkte der Retention aus zu betrachten seien, um so weniger Platz greifen können, als sich gerade für diese Membran eine besonders intensive Arbeitsleistung, respective ein zur Quantität des aufgespeicherten Excretes auch nur einigermaassen im Verhältnisse stehender eigener Stoffwechsel gar nicht einsehen lässt. Er- innern wir uns zudem, dass zwei der hervorragendsten Nierenorgane, nämlich die Nephridien und Blutscheiben, vom Peritoneum abstammen und dass bei jenen Formen, welche eine Rück- bildung der Nephridien erlitten haben (Mastobranchus und Heteromastus), die excretorische Leistung des Peritoneums in ausserordentlicher Weise gesteigert erscheint, so werden wir der genannten Membran die Fähigkeit, als Nierenorgan zu fungiren, nicht absprechen können. 5. Ueber die Entstehung und über den Excretionsmodus der Nephri- dien, sowie über deren Verhältniss zu den anderen Nierenorganen. Wir haben es hier mit physiologischen Problemen zu thun, welche sich ohne Berück- sichtigung des phylogenetischen Prozesses gar nicht behandeln lassen. Es mögen daher, so wie im vorigen Abschnitte, zunächst einige Bemerkungen allgemeiner Natur gestattet sein. Wozu, so kann man fragen, brauchen Thiere, wenn, wie die Resultate des vorigen Abschnittes ergeben haben, bald der Darm, bald die Borstendrüsen, bald das Blut, bald das Peritoneum als Harnorgane zu fungiren vermögen, auch noch besondere Nephridien? In- sofern als es sich um die blosse Elimination fertiger Excrete aus dem Cölom handelt, konnten 6) Vergl. p. 755-—757. V. Nephridien. 5. Ueber die Entstehung und über den Excretionsmodus der Nephridien, etc. 763 ja blosse Cölomporen, einerlei ob segmentale, oder der Zahl nach eingeschränkte, vollkommen Genüge leisten. Ich glaube, dass dem ursprünglich in der That auch so war, dass nämlich zuerst lediglich das eine oder andere der nicht-nephridialen Nierenorgane oder auch mehrere derselben zugleich der excretorischen Function vorstanden, und dass einfache Poren nebst den Geschlechtsstoffen auch die festen Excretkörper (ab- gesehen von denjenigen des Darmes) nach aussen schafften. Hinsichtlich der Frage, wie wir uns phylogenetisch die Entstehung der Nephridien vorzustellen haben, ist die T'hatsache von Bedeutung, dass bei ihrer (ontogenetischen) Ent- wickelung zwei ganz heterogene Anlagen betheiligt sind, nämlich eine ectodermale Einstül- 'pung und eine mit dieser verschmelzende peritoneale Ausstülpung oder Wucherung. Erstere entspricht nun meiner Auffassung nach dem alten » Excretionsporus«, respective ist als eine kanalartige, cölomwärts gerichtete Fortsetzung desselben zu betrachten, letztere dagegen, die allein excretorisch wirksame, repräsentirt lediglich einen hypertrophischen Ab- schnitt des Peritoneums, der nach seiner Verbindung mit dem Excretionsporus nur fortfährt das zu thun, was er schon vorher that, nämlich die ihm durch das Blut aus anderen Organen zugeführten Vorstufen der Harnstoffe unter Zurückhaltung des Brauchbaren in die Endstufen überzuführen, das heisst der nur fortfährt als Nierenorgan zu fungiren. Diese Auffassung wird auch nicht wenig unterstützt durch die Erfahrung, dass nach Rückbildung ihrer eigentlichen Nephridien bei Mastobranchus und Heteromastus in den bezüglichen Segmenten peritoneale Wucherungen auftreten, die ganz nach Art der Nephridien Concretionen ausscheiden. Damit aber der Excretionsporus nicht nur die festen Excrete der jetzt zu Nephridien individualisirten, mit ihm in Verbindung getretenen peritonealen Nieren, sondern auch die des übrigen Peritoneums sowie des Blutes ete. nach wie vor nach aussen schaffen könne, müssen die Nephridien nicht nur Kanäle, sondern auch Communicationen mit dem Cölom, das heisst Trichter erhalten. Die Nephridien haben daher eine doppelte Function, nämlich erstens die, die durch das Blut ihren Drüsenzellen zugeführten Vorstufen von Excreten in endgültige, durch die Nephridiumkanäle zu eliminirende Excrete überzuführen, und zweitens die, vermöge der Trichter (und derselben Kanäle) feste, in anderen Nieren- organen zur Ausscheidung gelangte endgiltige Excrete aus dem Gölom heraus- zuschaffen. So lange als man bloss reich mit zu- und abführenden Blutgefässen ausgerüstete Ne- phridien in’s Auge fasst, und voraussetzt, dass der ganze excretorische Prozess lediglich in diesen Nephridien sich abspielt, und zwar derart, dass das Blut die Vorstufen zu den Harnstoffen aus dem ganzen Körper ausschliesslich an die Nephridiumzellen zur endgiltigen Verarbeitung 0s- motisch abgiebt — so lange bleiben die cölomatischen Nephridium-Communicationen oder Trichter ein Räthsel, und nicht etwa nur bei den Wirbelthieren bleiben sie ein solches, nein 96* 764 C. Physiologischer Theil. sie sind nicht um ein Jota weniger räthselhaft bei jeder mit geschlossenem Gefässsysteme ausgerüsteten Annelide, deren Nephridien zwar nicht wie die Harnkanälchen mit Malpighi- schen Körperchen, aber doch ebenso mit zu- und abführenden Gefässen reich versorgt sind. Mit dem Nachweise dagegen, dass auch bei solchen Thieren, deren Nephri- dien eine excretorische Gefässversorgung aufweisen, nach wie vor feste (in anderen als Nierenorgane thätigen Geweben zu Stande gekommene undin das Cölom gerathene) Harnprodukte nach aussen geschafft werden müssen, hören die Trichter auf räthselhaft zu sein. Diese meine Erklärung der Trichterfunction, die den Schwerpunkt dieses Abschnittes bildet, steht, wie aus allen den vorhergehenden Abschnitten sich von selbst ergiebt, im besten Einklange mit den Thatsachen, ja sie ist sogar nichts Anderes, als ein Ergebniss eben dieser Thatsachen. Man erinnere sich nur, wie ich erstens zu constatiren vermochte, dass auch da, wo Nephridien als Nieren fungiren und zwar sowohl bei Anneliden mit Blutgefässen, als auch bei gefässlosen), trotzdem zugleich noch andere Nierenorgane derart thätig sind, dass in ihnen feste, mit den Nephridium-Concretionen durchaus übereinstimmende Excrete zu Stande kommen, die (wenigstens insofern als es sich um Blutscheiben- und Peritoneum-Concretionen handelt) in das Cölom gerathen. Und zweitens, dass ich den Uebertritt fester Partikel aus dem Cölom in die Trichter hinein beobachtet habe. Es wird also in letzter Instanz dadurch, dass die den. nicht-nephridialen Nierenorganen aus der Hämolymphe direct oder aus den Blutgefässen osmotisch zugeführten Vorstufen stickstoffhaltiger Zersetzungsprodukte nach ihrer Um- wandlung in feste Verbindungen |Concretionen|) cölomatisch, das heisst mit Umgehung des nephridialen Gefässsystemes. entleert werden müssen, das Vor- handensein der (nicht im Genitalapparate aufgegangenen) Trichter bedingt. Fragt man daher, wozu die Trichter oder Nephrostomata der Vertebraten-Harnkanälchen dienen, so antworte ich nach Analogie mit meinen an Anneliden gemachten Erfahrungen, dass sie wahrscheinlich in ähnlicher Weise noch feste Excrete aus dem Cölom fortzuschaffen haben werden. Dahin zielende Beobachtungen sind zwar bei Vertebraten noch nicht ge- macht, aber ich erinnere an das »pigmentirte« Peritoneum der Fische, dessen excretorische Leistung hierbei vielleicht ebenso in Betracht kommen könnte, wie diejenige des Anneliden- Peritoneums. An die Stelle der Ausbildung fester Harnkörper, welche bei den niederen Thieren die Regel, ist zwar bei den höheren eine vorwiegend flüssige Harnausscheidung getreten, indessen es lassen doch manche theils physiologische, theils pathologische an letzteren gemaähte Be- funde unzweifelhafte Beziehungen zum Ausscheidungsmodus ersterer erkennen. Es scheinen mir nämlich von diesem Gesichtspunkte aus ein erhöhtes Interesse zu gewinnen: der Niereninfarct Neugeborener, die Nieren- und Blasenconcremente, die sei es nach Exstirpation der Nieren, sei es nach nephritischen Erkrankungen sich einstellende Urämie, und endlich auch die mit Arthritis einhergehenden Ablagerungen. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Excret. 765 Wie die Entstehung und Existenz, so lassen sich nun aber auch die Rück- bildung und das Eingehen der Nephrostomen begreifen. In dem Grade nämlich als die Vervollkommnung des geschlossenen Blutgefässsystemes zu einer immer weiter gesteigerten Arbeitstheilung zwischen ernährenden, athmenden und excretorischen Functionen führt, wird auch die Tendenz vorwalten, die »Nierenthätigkeit« auf Ein Organ oder Eine Organkategorie, nämlich die Nephridien (Harnkanälchen) zu concentriren, und dieser Einen Kategorie von Organen werden nun die relativen Excrete aus allen übrigen Körpertheilen flüssig und zu weiterer Modification befähigt zugeführt, um innerhalb deren Zellen in die Endprodukte des Stoffwechsels umgewandelt zu werden. Und selbst in diesen Nephridien oder Harnkanälchen kommt es normal nicht mehr so wie bei den niederen Thieren zur Ausbildung und Anhäufung fester Harnverbindungen (Concretionen), indem kraft einer besonderen Einrichtung, nämlich kraft der Malpighischen Körper ein reichlicher Flüssigkeits- strom constant die Harnkanälchen durchfliesst und so die Harnprodukte fortschwemmt. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Excret. Früher, als man den Pigmenten, auf deren Vorhandensein die Buntheit der äusseren Erscheinung so vieler Organismen beruht, überhaupt keine besondere Bedeutung zuschrieb, machte man es sich auch mit ihrer Erklärung sehr leicht. Lediglich durch Sonnenlicht und Sonnenwärme sollten sie hervorgerufen werden, und wenn Viele seiner Zeit diese Ansicht für thatsächlich erwiesen hielten, so war das nur dadurch möglich, dass sie eine in beschränktem Grade statthabende Wirkung kritiklos generalisirten, das heisst die weitaus überwiegenden mit einer solchen Erklärung unverträglichen Thatsachen vernachlässigten. Das Vorkommen lebhaft gefärbter Thiere in Meerestiefen, in die nie ein Lichtstrahl dringt, die Entwickelung typisch gefärbter Organismen im Dunkel des Erdbodens oder des Mutterleibes, sowie die Pigmentirung innerer Organe, waren allein schon hinreichend, um das Unzureichende jener Erklärung zu erweisen; aber auch das vielgebrauchte und noch heute so populäre positive Motiv der »tropischen Farben« hat sich nach eingehender Prüfung nichts weniger, als in so hohem Grade verwerthbar erwiesen; denn auch in den Tropen soll die Mehrzahl aller Lebewesen schlicht gefärbt sein und der Eindruck des Ueberwiegens der lebhaft gefärbten Arten vorwiegend dadurch zu Stande kommen, dass die Gesammtzahl der Orga- nismen diejenige anderer Himmelsstriche überwiegt). Hauptsächlich Darwıy und Warrace ist es zu danken, dass die frühere Geringschätzung äusserer Färbungen einer gebührenden Würdigung gewichen ist; denn nachdem einmal plau- sibel gemacht worden war, wie durch den Prozess der Auslese bei gewissen Organismen An- 1) Man vergleiche Warrace, A. Die Färbung der Thiere und Pflanzen. Kosmos 4. Bd. 1878. p. 117. 766 C. Physiologischer Theil. passungs- oder Schutzfarben entstehen und sich durch Vererbung befestigen können, so musste man diese Färbungen eventuell auch als Art- oder Rassen-Charaktere gelten lassen. Als besondere Kategorien von durch Auswahl zu Stande gekommenen Färbungen traten sodann die auf geschlechtlicher Zuchtwahl beruhenden in den Vordergrund, ferner die soge- nannten Warnfärbungen und endlich auch die sympathischen, von Seiprırz als »chromatische Function« charakterisirten veränderlichen \subjectiven) Farben-Anpassungen. Freilich die Zahl der Geschöpfe, deren Färbungsmodalitäten man auf solche Weise zu ihren Lebensbedingungen in Beziehung setzen konnte, war nur eine relativ kleine; weitaus für die Mehrzahl musste das Bekenntniss gelten, dass uns selbst die Bedeutung der Färbung noch ganz dunkel ist. Aber für den Fall auch, dass uns die Bedeutung oder der Zweck von den sämmtlichen so vielfach gefärbten Lebewesen bekannt wäre, das heisst, wenn wir auch die gesammten Färbungen in ähnlichem Sinne als für die Lebensbeziehungen der betreffenden Geschöpfe nützlich definiren könnten, wie die vorhin erwähnten Anpassungen etc., so blieben wir doch nach wie vor darüber im Dunkel, woher diese Farbstoffe stammen und warum sie ursprünglich im Integumente etc. zur Ablagerung kamen, indem ja eine Auswahl dieses oder jenes Pigmentes, respective eine So-oder Andersanordnung des- selben erst dann statthaben konnte, nachdem Pigmente überhauptschon vor- handen, respective ihren Trägern schon nützlich waren. Dass durch das Aufdecken der Färbungs-Relationen, sei es zwischen Organismus und Organismus, sei es zwischen Organismus und Medium, das Problem der »Färbung an sich«, das heisst die Frage nach der Entstehung der Pigmente sowie nach ihrem ursprüng- lichen Nutzen für die betreffenden Organismen, gar nicht berührt wird, ist vor kurzem auch von SEMPER scharf hervorgehoben worden. Da nun meine Forschungen gerade an dem Punkte einsetzen, den auch SEMPER als das eigentliche »Pigmentproblem« bezeichnet hat, und mir es überdies erwünscht sein muss, dieses Problem von anderer Seite her schon bestimmt definirt zu sehen, so bringe ich die Hauptsätze des genannten Autors hier zum Abdrucke. In dem dritten, dem Einflusse des Lichtes gewidmeten Kapitel seiner » Natürlichen Existenzbedingungen der '[hiere« sagt SEMPER'): »Ganz besonders aber muss davor gewarnt werden, eine andere hier eintretende Frage durch ihre Untersuchungen als erledigt anzusehen, die nämlich nach der ersten Entstehung des Pigments in den Chro- matophoren, eine Frage, welche oft genug, aber irrthümlich als mehr oder minder identisch angesehen wird mit der andern, wie eine besondere Art der Färbung oder besser der Pigmentvertheilung zu erklären sei. Diese letztere ist ın unserm Falle der chromatischen Function in der That durch Lister und Poucher voll- gültig beantwortet worden. Aber es ist klar, dass die zweite Frage dabei gar nicht berührt wird« etc. »Dabeı bietet uns die Fähigkeit der Chromatophoren, sich zusammenzuziehen, wie schon oben be- merkt, keine weitere Schwierigkeit dar, denn wir wissen, dass membranlose, protoplasmareiche Zellen, wie es die Chromatophoren sind, allgemein diese Fähigkeit besitzen; eine jede membranlose Bindegewebszelle der Cutis könnte zu einem Chromatophor werden, wenn sich in ihrem Protoplasma Pigmentkörnchen ab- 1) SEMPER, C. Die natürlichen Existenzbedingungen der Thiere. Leipzig 1880. Erster Theil p. 120—123. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Excret. 7167 lagerten. Es bleibt also nur diese eine Schwierigkeit: die nothwendige Präexistenz des Pigments. Warum und wie entsteht das Pigment? das ist die Frage, die so wenig durch die neuere darwinistische, wie durch die frühere alte Ansicht von der Entstehung der Farbstoffe durch directe Einwirkung des Lichtes beant- wortet wird« etc. »Die Antwort auf die allein übrig bleibende Frage, wie denn das Pigment wirklich entstand, kann also einstweilen nicht gegeben werden. Und obgleich wir bereits einige Experimente und Beobachtungen besitzen, welche uns die Möglichkeit einer baldigen Lösung in Aussicht stellen, so sind sie doch bei weitem nicht vollständig genug, um hier discutirt werden zu können. Nur das Eine mag jetzt noch kurz bemerkt werden. Sind die Darwın'schen Prineipien die richtigen, so muss man annehmen, dass das Pigment als solehes — nicht durch seine wandelbare Vertheilung — neben der später hinzugekommenen Nützlichkeit für die Erhaltung der Art durch den auswählenden Einfluss der Existenzbedingungen, entweder eine direct nützliche primäre Function für das normale Leben des Individuums haben oder dass es das unvermeidliche Nebenprodukt eines nothwendigen physiologischen Vorganges sein müsse« etc. Seitdem SEnPER dies niedergeschrieben, ist durch intensivere Fortführung der chemisch- physiologischen Untersuchung der Pigmente ein Schritt vorwärts geschehen. Sicherlich haben wir diese hauptsächlich von KrukENBERG cultivirten Untersuchungen als unerlässliche Vor- aussetzung für eine Kenntniss der gegebenen Farbstoffe anzuerkennen; aber — das eigent- liche Problem: woher stammen die (nicht respiratorisch wirksamen) integumentalen Pigmente und welche Bedeutung kommt ihnen zu, bevor sie Object der Auswahl zum Behufe von »Färbungen« werden? hat auch durch diese Untersuchungen keinerlei Aufhellung*) erfahren und wird auch durch derartige Untersuchungen allein niemals eine solche erfahren können, indem es sich dabei weder um rein chemische, noch um rein physiologische, noch um rein morphologische 'T'hatsachen, sondern vielmehr um Beziehungen handelt, denen so lange, bis eine Basis geschaffen ist, nur durch das Studium des ganzen, lebendigen Organismus bei- zukommen sein dürfte. Nachdem ich Jahre lang die Frage erwogen hatte, woher jene Farbstoffe stammen mögen, denen wir im Gegensatze zu den bei der Respiration der 'Thiere 'Hämoglobin und hämoglobinähnliche) und bei der Assimilation der Pflanzen (Chlorophyll und chlorophyllähn- liche) wirksamen keine bestimmte Function zuzuschreiben vermögen, also insbesondere die Pigmente des Integumentes und der Integumentgebilde, machte ich eines Tages die Entdeckung, dass die gelben Excretbläschen und Concretionen der Nephridien von Capitella nicht nach aussen, sondern in die Haut entleert werden und sich derart in letz- terer verbreiten, dass sie eine »gelbliche Pigmentirung« des Thieres hervorrufen. Die Entdeckung, dass ein unzweifelhaftes Nierenexcret in der Haut als so- * / In seinen »Grundzügen einer vergleichenden Physiologie der Farben, vergl. Physiol. Vorträge IIl« p. 157 sagt KRUKENBERG über die Herkunft der Pigmente: »Wir begannen unsere Betrachtungen damit, die Momente ausfindig zu machen, welche sich für eine genetische Beziehung zwischen den einzelnen Farbstoffgruppen verwerthen liessen; dieser Tendenz sind wir bei allen unseren Auseinandersetzungen, wie ich glaube, treu geblieben, und es ergab sich ausser den Resultaten, welche die Tafel auf S. 101 resumirt, weiterhin noch die Thatsache, dass einige natürliche Farbstoffe, obschon äusserlich ein- ander sehr unähnlich 'rothe und violette Farbstoffe der Acrocladien wie der Blüthenblätter, das Pentacrinin und seine grüne Verbindung) doch nichts anderes vorstellen als in dem einen Falle die freie Farbstoffsäure, in dem andern das Salz derselben. Hiermit ist aber alles erschöpft, was sich über die thierischen und pflanzlichen Farb- stoffe in dieser Beziehung sagen lässt.« 768 C. Physiologischer Theil. genanntes Pigment deponirt werden kann, erhellte für mich blitzartig das bis- herige Dunkel des Pigmentursprunges. Denn, so schloss ich, wenn die Haut- pigmentirung Eines Thieres in letzter Instanz ein »Excret« darstellt, warum sollten nicht auch noch viele andere Pigmente ähnlichen Ursprunges und ähn- licher Bedeutung sein können? Nachdem ich die Pigmentfrage unter diesem Gesichtspunkte nach den verschiedensten Richtungen hin verfolgt habe, bin ich nun immer mehr in der Ueberzeugung bestärkt worden, dass in der That eine grosse Anzahl von Farbstoffen nichts anderes als Zersetzungsprodukte oder Excrete von Nierenorganen darstellen. Von grosser Bedeutung für diese Auffassung ist das Factum, dass »Pigment« keinen irgendwie scharf definirten Begriff darstellt, indem man darunter nicht etwa nur diesen oder jenen bestimmten Farbstoff, sondern auch die verschieden- sten bloss so oder anders gefärbten Körper versteht. /Zweitens muss als anerkannte Thatsache in den Vordergrund gestellt werden, dass nicht bloss die Nierenorgane im engeren Sinne, also die Nephri- dien und Harnkanälchen etc. Excrete (Pigmente) abscheiden und nach aussen befördern, sondern dass auch andere Organe, wie insbesondere das Peritoneum und das Blut, als Nierenorgane im weiteren Sinne relative Excrete (Pigmente liefern, die vermittelst der Körperflüssigkeiten (Hämolymphe) in die verschie- denstenGewebedesOrganismustransportirtundhierretinirt werden können. Und nach diesen zwei Feststellungen wollen wir zusehen, in wie weit sich gewisse Thatsachen mit unserer Auffassung vereinbaren, und was für weitere Schlüsse sich noch aus derselben ziehen lassen. a. Nachweis, dass von Seiten vieler Autoren gefärbte Excrete schlechtweg als Pigmente bezeichnet worden sind. Nachdem ich einmal sicher war, dass bei gewissen Capitelliden die gelb gefärbten, wahrscheinlich guaninhaltigen Excretbläschen und Concretionen der Nierenorgane in der Haut, sowie in den Borsten deponirt werden, und dass Jeder, der diesen Ursprung der Haut- oder Borstenfärbung nicht kännte, von »Hautpigment« reden würde, kam es mir vor Allem darauf an, zuzusehen, in wie weit eine derartige Identificirung von Pigment und Excret bei anderen Thieren stillschweigend in der That schon gemacht, das heisst in wie weit der traditionelle Pigmentbegriff (ohne dass dabei an genetische Beziehungen zwischen beiden gedacht wurde) auf gefärbte Excrete schon angewendet worden war. Es kann natürlich nicht meine Absicht sein, hier die Gesammtheit aller solcher in der Literatur zerstreuter, meist nebenbei gemachter Angaben zusammenzutragen; vielmehr sollen nur für die einzelnen Organsysteme je ein paar prägnante Fälle aus verschiedenen Thiergruppen zur Mittheilung gelangen. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Excret. 769 Beginnen wir mit den Nierenorganen im engeren Sinne, und zwar mit den Nephri- dien von Anneliden. ÜULAPAREDE') sagt bezüglich der Nephridien von Polydora hoplura: » L’organe est pigmente de brun dans sa plus grande etendue.« Ferner bezüglich der Mündungen derjenigen von Cirratulus (Audouinia) filigerus: »Chez quelques individus elles sont entoureces d’un cerele de pigment noir et peuvent etre distinguees par suite a l’oewil nuc«. Und nach Kererstem? sind auch die Nephridiumwandungen derselben Art »braun pigmentirt«. Enters®) schrieb über die Nephridien von Polynoe pellueida: »Die Wand des Segmentalorganes ist ziemlich dick, zumal im Halse; in den vorderen Körperringen war sie meist hell und farblos, in den hinteren bekommt sie dagegen im Sacke selbst eine gelbe Pigmen- tirung, indem hier auf ihrer Innenfläche so gefärbte Kugeln einer körnigen Masse von 0,0216 mm Durch- messer aufgelagert sind; die Wand des Halses wie der Ausführungsgänge war auch hier farblos und hell.« Ferner über diejenigen von Sigalion limicola: »Die Wand des Segmentalorganes war an den entwickeltsten Organen gelb pigmentirt und schwarz gezeichnet durch eine Pigmentanhäufung, die in kurzen Querwülsten auf der inneren Wandfläche zu liegen schien « Nach VEsDovsKY') ist der drüsige Theil der Segmentalorgane verschiedener Enchytraeiden »braun pigmentirt«. Ebenso sind die Nephridiumzellen von Tubificiden den Angaben Nassr's’) zufolge mit »bräunlichem Pigment« erfüllt. SPENGEL") endlich berichtete über die Nephridien von Echiurus: »Unter dem Epithel liegen in einer bei den einzelnen Individuen sehr verschiedenen Häufigkeit die uns bereits bekannten Ballen von pigmenthaltigen Zellen, manchmal in so grosser Anzahl, dass man mit unbewaffnetem Auge ein Gefässnetz zu sehen glauben könnte« etc. Bezüglich der Wirbelthiere möge zunächst eine Angabe W. Mürrer's’) über die Urniere von Petromyzon Planeri Platz finden. Sie betrifft zwar in Rückbildung befindliche Harnkanälchen, aber die Gegenüberstellung von lebhaft »braungelb gefärbtem krystallinischem Infarkt« und »gelbem Pigment« verliert dadurch nichts von ihrem Interesse für die von uns hier verfolgte Frage. Mürrer’s Angabe lautet aber folgendermaassen: »Die Urniere persistirt bei Petromyzon Planeri in ganzer Ausdehnung so lange, bis dessen Larven eine Länge von 6 Centimeter erreicht haben. Ist letzteres geschehen, so beginnt die Rückbildung der ge- wundenen Kanälchen und zwar durch das Auftreten eines lebhaft braungelb gefärbten krystallinischen In- farkts, welcher in den Epithelien der Drüsenkanälchen seinen Sitz hat. Das Auftreten dieses Infarkts steht in Zusammenhang mit einer Umwandlung der zwischen den Urnierenkanälchen ursprünglich verlaufenden p- S. ce. p. 319 und 269. 4. c. pP. 122. p. 307. e. p. 117 und 134. P.7320. ce. p. 36. [PO a el ee r > 5) Nasse, D. Beiträge zur Anatomie der Tubificiden. Dissertation. Bonn 1852. p. 11. 6) 1. p. 443. c. p. 501 und 521. 7) Mürter, Wırn. Ueber die Persistenz der Urniere bei Myxine glutinosa. Jena. Zeit. Naturw. 7. Bd. 1872. p. 324. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 97 7170 ©. Physiologischer Theil. venösen Gefässe in ein Geflecht echter kavernöser Hohlräume. In dem Maasse, in welchem der braune Infarkt in den Zellen der Urnierenkanälchen zunimmt, verengt sich deren Durchmesser, bis schliesslich die Infarkt haltenden Zellen dem vollständigen Schwund anheimfallen und der Verlauf einzelner Urnieren- kanälchen nur durch schmale, gelbes Pigment führende Bindegewebszüge noch angedeutet wird.« Ausführlichere Angaben über die »Pigmentirung« der Nephridien oder Harnkanälchen niederer Wirbelthiere hat aber erst in jüngster Zeit SorLser') gemacht. Dieser Autor unter- scheidet zwar immer scharf zwischen dem eigentlichen Excrete und dem mit demselben ver- bundenen Farbstoffe; aber seine Erfahrungen haben ihn doch, wie aus folgender Stelle her- vorgeht, wenigstens dahin geführt, die beiderlei Ausscheidungsvorgänge in recht nahe Beziehungen zu einander zu bringen: »Die zweiten Abschnitte der Harnkanälchen«, sagt nämlich ]l. p. 770. Abh. Nat. Ges. Halle e. p. 425] SOLGER, »die nach HEIDENHAIN von eylindrischen Zellen mit granulirtem Inhalte ausgekleidet sind, liegen nach Nusssaum im dorsalen Theil der Niere, sie sind es auch, die nach dem zuletzt genannten Autor die Ausscheidung des durch das Grefässsystem dem Frosche einverleibte indigschwefelsaure Natron ausschliesslich übernehmen. Es stimmt diese experimentelle Erfahrung vortrefflich zu der Thatsache, dass der Organis- mus sich derselben Strecke des Exeretionsorgans bedient, um unter normalen Verhältnissen physiologischer Pigmente sich zu entledigen. In derselben Abhandlung, und zwar auf p. 421 sagt sodann SorLGEr in einer Anmerkung: »Ich behielt eine Zeit lang die Möglichkeit im Auge, dass vielleicht Hautpigmente durch die Niere ausgeschieden werden möchten. Doch ergaben sich keine Beweise für diese Vermuthung.« Das glaube ich gerne; denn es werden eben meiner Ansicht nach nicht Hautpigmente durch die Niere nach aussen befördert, sondern es stammen umgekehrt die »Hautpigmente« von den »Nierenpigmenten« ab, wobei freilich der Begriff Niere oder Excretionsorgan in jenem weiteren, oben p. 759 definirten Sinne zu verstehen ist. Von den Nierenorganen im weiteren Sinne wollen wir lediglich das Blut in's Auge fassen. Der Inhalt der excretorisch thätigen Lymphzellen wird bald als »Chloragogen «, bald als » Pigment« bezeichnet, und dasselbe gilt für die sogenannten intravasalen Chlora- gogendrüsen, welche ich wegen der grossen Uebereinstimmung, die ihre Absonderungs- produkte mit denjenigen der Nephridien aufweisen, als »hämolymphatische Excretions- organe« betrachte. So sprach Ke£rErstem?) von dem betreffenden Organe als von »Streifen dunkelbraunen Pigmentes«. Und Kenser‘) nannte es bei Ütenodrilus geradezu »pigmentirtes Organ «. Was endlich die Identificirung von Excret und Hautpigment betrifft, so begegnen wir vor allem in den Schriften Levpic’s dahin zielenden Aeusserungen. Ich bringe im Nach- folgenden eine der bezeichnendsten‘'; zum Abdrucke: l, Sorser, B. Beiträge zur Kenntniss der Niere und besonders der Nierenpigmente niederer Wirbelthiere. Abh. Nat. Ges. Halle. 15. Bd. 1882. p. 405—443. Ferner: Zur Kenntniss der Krokodilierniere und der Nierenfarbstoffe niederer Wirbelthiere. Zeit. Wiss. Z. 41. Bd. 1885. p. 605—615. 2) pda pn. 1288 3) 1. p. 466. e. p. 387. 4) 1. p. 414. e. p. 176 und 177. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Exeret. 771 »Bei Reptilien wohl durchgängig vorhanden zeigt sich ein weisses, ebenfalls aus Körnchen gebildetes, nicht irisirendes, in Netzform sich ausbreitendes Pigment : Ich habe bereits an einem anderen Orte geäussert, dass gedachtes weissliche Pigment eine gewisse Verwandtschaft mit einem eigenartigen, gelbweissen Farbstoff in der Haut der Arthropoden zu besitzen scheine, welch letzterer nach meiner Vermuthung auf einer Ablagerung harnsaurer Verbindungen beruht. Ist dies richtig, so mag das nicht irisirende Pigment doch schon nahe verwandt sein mit 4. dem metallisch glänzenden oder irisirenden Pigment, welches von gelbem, weissem, bläulichem oder auch wie bei Dombinator igneus erzfarbenem Schimmer ist. Die Elemente dieses Pigmentes er- scheinen unter den gewöhnlichen stärkeren Vergrösserungen (300—500 mal) als Körnchen; doch mitunter schon mit krystallinischer Zuschärfung; hin und wieder auch von ausgesprochener krystallinischer Form. Da nun ohne Zweifel eine Fortbildung dieser Elemente ins Grosse die bekannten irisirenden Plätt- chen oder Flitterchen des Metallglanzes bei Fischen sind und diese krystallinischen Körper nach BarrEswıL aus Guanin bestehen, so dürfte meine Ansicht über die verwandtschaftliche Beziehung der beiderlei Pig- mente einer weiteren Prüfung werth sein.« Schliesslich möchte ich noch einige Fälle zur Besprechung bringen, in denen die be- treffenden Autoren ein und dasselbe sogenannte Pigment nicht nur in den Nieren- organen, sondern zugleich auch in verschiedenen anderen Körpertheilen eines gegebenen Thieres nachweisen konnten. Vor allem verdienen hier die »braunen Körper« von Echiurus Erwähnung. SPENGEL') schrieb über dieselben: »Ich habe in der Schilderung verschiedener Organe Ballen von Zellen erwähnt, die ein braunes Pigment enthalten, und hätte noch viel häufiger Gelegenheit dazu gehabt, da es in der That kein Organ im ganzen Körper des Echiurus giebt, in welchem diese Gebilde nicht in bald grösserer, bald geringerer Menge vorkommen. So ist namentlich das Grundgewebe des Kopflappens reich daran, ferner die Cutis, sie finden sich in den Darmepithelien, zwischen den Muskelschichten des Darmes; besonders häufig sind sie in den verschiedenen Schichten der Wandung der Segmentalorgane; selbst in den Borstenscheiden fehlen sie nicht. Man sollte danach auf die Vermuthung kommen, es möchten Parasiten sein; doch wüsste ich nicht, auf was für Thierformen ich sie beziehen sollte. Ueber ihren Bau ist nicht viel zu sagen. Manch- mal sind die Zellen, welche das Pigment in grösseren oder kleineren Tropfen oder Körnern enthalten, von einer nur dünnen Membran umhüllt; in anderen Fällen liegen sie in einer derben Kapsel mit zahlreichen spindelförmigen Kernen.« In ganz ähnlicher Weise findet sich ferner nach Anprear?) ein braunes, gegen chemische Agentien ausserordentlich widerstandsfähiges »Pigment« im Söpuneulus-Körper zerstreut. Ge- nannter Autor sagt speciell über die Vertheilung der gefärbten Massen Folgendes: »Diese eben beschriebenen Pigmentballen sind im ganzen Körper des Sipuneulus nudus sehr ver- breitet und scheinen nur an wenigen Stellen ganz zu fehlen. Mit Ausnahme des vordersten Rüsseltheiles und der Tentakel finden sie sich in der ganzen Ausdehnung der Cutis und die grösseren von ihnen sind schon von aussen, durch die beiden obersten Hautschichten hindurch, makroskopisch gut zu erkennen. Ziem- lich verbreitet sind sie ausserdem in den beiden äusseren Muskellagen, im Peritoneum, in der Darmwandung und in der Hülle sowohl wie in der eigentlichen Nervenmasse des Bauchstranges. Vollständig zu fehlen scheinen sie nur den Längsmuskeln und Retraktoren, den »Analschläuchen«, der Wandung des » Darm- divertikels« und der Seitennerven. Während das Pigment in den übrigen Organen ziemlich regellos zerstreut sich vorfindet, ist es in der Cutis mit einer gewissen Regelmässigkeit angeordnet.« 1) 1. p. 443. ce. p. 530. 2). 1» pe Do0n. ce. p. 210. Yn= C. Physiologischer "Theil. 1 1 IS) Auch bei den Hirudineen konnte eine solche Verbreitung des Pigmentes nach- gewiesen werden. So sagt Leypıc!) über dasjenige von Piscicola: »Ich werde im weiteren Verlaufe noch manches von den Pigmenten anzuführen haben, indem Pis- eicola fast in allen seinen Organen mit Pigment versehen ist, was sich zum Theil bei anderen Würmern wiederholt, während C/epsine nur in der Haut Pigment besitzt, und die inneren Organe, bis auf einige spurweise Ausnahmen, davon frei sind.« Und LzuckArr?) über dasjenige von Hirudo: »Ihrer histologischen Bedeutung nach dürften diese Pigmentzellen grösstentheils als Bindegewebs- elemente zu betrachten sein. Nicht bloss dass sie ganz wie die übrigen Bindegewebskörperchen der Hiru- dineen in eine mehr oder minder massenhafte structurlose Zwischensubstanz eingebettet sind: auch sonst existirt zwischen beiderlei Bildungen kein anderer Unterschied, als in der Beschaffenheit des Inhalts. Damit erklärt sich denn auch das Vorkommen der Pigmentzellen (besonders der schwarzen, die ich hier zunächst ım Auge habe) in der Tiefe des Körperparenchyms, zwischen den Muskeln, in der Scheide der Ganglien- kette, der Blutgefässe u. s. w.« Von den einschlägigen an höheren '[hieren gemachten Erfahrungen erregte insbesondere ein durch FırnGa°) beschriebener Fall normaler (physiologischer, Melanose mein Interesse. Bei Gallus lanatus findet sich nämlich das als Melanin definirte Pigment nicht nur in der Haut und in dem Blute (und zwar in der Lymphe sowie in den Leucocyten), sondern auch in den verschiedensten anderen Organen. FiexGa schildert die Pigmentvertheilung folgen- dermaassen: »Aprendo talı polli, vedesi indistintamente, anche in quelli ottenuti per incrociamento con le specie comuni nostrali, come la pigmentazione nera osservatasi esternamente sulla cute ed altre parti esterne, si ripeta egualmente nella massima parte degli organi interni, o per meglio dire in speciali parti degli stessi. Una simile pigmentazione vedesi poco nei muscoli, e quelli del petto costantemente non la mostrano affatto. Ma gli organi che si mostrano bene pigmentati sono: a) I tubo gastro-intestinale, b) le ovaia, c) la milza, d, le glandole linfatiche, e) le glandole lagri- mali ece., f) le sierose e le aponevrosi in generale, g) la trachea ed i bronchi; e poi sono classicamente pigmentati gl’ involucri dell’ asse cerebro-spinale, ed il rivestimento esterno delle ossa.« Sodann verdient! noch eine die Uebereinstimmung zwischen Nierenexcret und Körper- pigment betreffende Angabe Sorcer’s') Erwähnung. Ich mache überdies darauf aufmerksam, wie hier die Begriffe »Farbstoff«, »Excret« und »Pigment« dem objectiven Verhalten ent- sprechend für ein und dasselbe gebraucht werden. »Auf pag. 419 der wiederholt ceitirten Abhandlung*)«, sagt SOLGER, »mache ich auf pigmentirte Harnkanälchen aufmerksam, denen man in der Niere des Hechtes (Esox lueixs) in verschiedenen Schichten derselben begegnet. Der centrale Abschnitt des Epithels jener Strecke enthält Körnchen von gelblicher oder rostbrauner Farbe. Sie bilden dort einen zierlichen, dem Lumen concentrisch verlaufenden Kranz, so jedoch, dass nach innen ein schmales, hyalines Feld freibleibt. Man trifft den Farbstoff häufig auch noch innerhalb des Lumens der Kanälchen an, wo er körnige elep2 820: eH ps#ll06: 2) Levckart, R. Die menschlichen Parasiten etc. 1. Bd. Leipzig und Heidelberg 1863 p. 639. 3) FırnGa, A. Sulla Pigmentazione nera nel Gallus lanatus. Giornale Internaz. delle Scienze Mediche, Napoli 1878. Estratto p. 4. 4) 1. p. 770. (Zeit. Wiss. Z.) c. p. 612. *) Verfasser bezieht sich auf: 1. p. 770. (Abh. Nat. Ges. Halle) c. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Exeret. UT! Massen oder homogene, aus Conerementen bestehende Ausgüsse derselben (der Kanälchen) imprägnirt. Ich kann jetzt diesen Angaben noch beifügen, dass die Ausscheidungsprodukte, die bei dem eben ausgeschlüpf- ten Hechtehen — also zu einer Zeit, in welcher ein Glomerulus überhaupt noch gar nicht existirt (A. Ro- SENBERG) — in dem hinteren, unpaaren Abschnitt des Worrr'schen Ganges angesammelt sind, gleichfalls mit einem blass goldgelben Farbstoff imprägnirt sich zeigen. Der Farbenton des Exerets stimmt, wie ich hervorheben möchte, mit demjenigen der Körnchen in den rostgelben Pigmentzellen, welche zu jener Zeit in dem Bindegewebe der dorsalen Körperhälfte schon aufgetreten sind, genau überein; er ist nur weniger ge- sättigt, als dieser.« Ich glaube, das Vorhergehende genügt, um darzuthun, dass zahlreiche Autoren ohne theoretische Voreingenommenheit, rein durch die Facta bestimmt, »Pig- mente« und »gefärbte Excrete« identifiecirt haben. Und wieviel Empirisches auch einer solchen Art von Beweisführung anhaften möge, so musste ich mich doch, um meinen Zweck zu erreichen, ihrer bedienen. Mein Zweck ist aber nicht etwa die Untersuchung der Pigmente an sich, sondern der Nachweis, dass sie, ebenso wie in den von mir festge- stellten Fällen, auch noch in vielen anderen, Excrete darstellen. Gegenwärtig ist, insbesondere bei höheren 'Thieren, wie der Nierenbegriff traditionell- morphologisch, so auch der Excretbegriff traditionell-physiologisch eingeengt, so dass vorläufig die chemische Analyse nur in den wenigen Fällen, in denen Pigmente (respective Körper, an die solche gebunden sind) mit einem von der Schule als Zersetzungsprodukt anerkannten Stoffe zusammenfallen, zu Gunsten unserer Auffassung zu sprechen scheinen wird. Man vergesse aber nicht, dass diese unsere Auffassung zwei bedeutende Erweiterungen jener Begriffe zur Voraussetzung hat, nämlich erstens die, dass ausser der mit der Aussenwelt communicirenden »Niere« auch noch andere Organsysteme, wie das Blut und das Peritoneum, als » Nieren- organe« zu fungiren vermögen, und zweitens die, dass in solchen secundären Nierenorganen gebildete Excrete oder Vorstufen von Excreten, anstatt durch die eigentliche Niere elimimirt zu werden, in den Geweben, insbesondere im Integumente deponirt werden können. Wird aber erst einmal anerkannt sein, dass sowohl der Begriff Niere, als auch der Begriff Excret ein durchaus relativer ist, dann wird auch die chemische Untersuchung dahin kommen, Re- lationen zwischen anerkannten Zersetzungsprodukten einer-, und »Pigmenten« andererseits aufzudecken. b. Thatsachen, die mit der excretorischen Natur der Pigmente im Einklange stehen. Wenn wir die nicht respiratorisch wirksamen Pigmente als Excrete oder als an Ex- crete gebundene Farbstoffe betrachten, welche ebenso wie in den inneren Organen auch in dem Integumente und seinen verschiedenartigen Anhängen deponirt werden können, so ver- stehen wir alle solche Färbungen, die sei es in Folge ihrer Lagerungsverhältnisse im 'Thier- körper, sei es in Folge der Lebensbedingungen der betreffenden Organismen gar kein Object irgend einer Zuchtwahl darstellen können, das heisst wir verstehen das Pigmentirtsein innerer Organe und das Vorkommen gefärbter 'Thiere im Dunkel der Tiefsee. Ferner verstehen wir, wieso sehr verschiedenartige, an ein und demselben 774 C. Physiologischer Theil. Orte lebende Thiere ganz gleich gefärbt erscheinen können. WALLACE!) meinte, die wahrscheinliche Ursache dieser »analogen Färbung« (die nichts mit Mimiery zu thun hat!) liege in der Gegenwart besonderer Elemente oder chemischer Verbindungen im Boden, im Wasser, in der Atmosphäre, oder in besonderen organischen Verbindungen im Pflanzenreiche, und die Redaction des Kosmos ergänzte diese Ansicht wohl ganz treffend durch die An- merkung: » Vielleicht am meisten dürften Unterschiede in der Nahrung einwirken.« Endlich verstehen wir auch den Einfluss, welchen eben diese Nahrung auf die Färbung so vieler Thiere ausüben soll. Der direkte Einfluss der Nahrung auf die Integumentfärbung ist leider noch nicht — so wie er es verdienen würde — Object streng wissenschaftlicher Forschung geworden. Nicht die Ergebnisse kunstgerechter Experimente, sondern meist nebenbei gemachte Erfahrungen sind es, auf die wir vorläufig angewiesen sind. Von diesen in der Literatur überaus zer- streuten Erfahrungen haben SEnPER? und KRrUKENBERG’) Zusammenstellungen geliefert, und da gerade die Beziehungen zwischen Nahrung und Färbung für meine Erklärung der Natur und Abstammung der Pigmente von grosser Wichtigkeit sind, so erlaube ich mir SEMPER's Zusammenstellung hier zum Abdruck zu bringen. Dieselbe lautet: »Zunächst wären die von WALLACE und anderen gemachten Angaben über Einfluss der Nahrung auf Farben zu erwähnen, da Sripuirz denselben in seinen verschiedenen Arbeiten sehr hohe Bedeutung beimisst, obgleich er, wie mir scheint, dabei etwas als erwiesen annimmt, was es im Grunde genommen doch nicht eigentlich ist. Warracz erzählt nämlich, dass ein brasilianischer Papagei (Chrysotis festiva) ge- zwungen werden kann, das Grün seiner Federn in Gelb und Roth umzuändern, indem man ihn mit dem Fett gewisser welsartiger Fische füttert, eine Methode, welche die Indianer in der That nach ihm in grossem Maassstabe anwenden. Derselbe Reisende giebt ferner an, dass der ostindische prächtig gefärbte Lon rajah seine glänzenden Farben durch eine besondere Fütterungsmethode erhalten soll. Der Gimpel soll schwarz werden, wenn er mit Hanfsamen gefüttert wird; neuerdings hat man eine blendend gelbrothe Varietät des Canarienvogels in den Handel gebracht, von der gesagt wird, dass man sie durch Fütterung gewöhnlicher Exemplare dieses Vogels mit spanischem Pfeffer erzeugt. Allgemein bekannt ist die Behauptung, dass Schmetterlinge, ganz besonders Arten der Gattung Euprepia, eine andere Färbung als die gewöhnliche an- nehmen, wenn ihre Raupen mit ihnen für gewöhnlich nicht zu Gebote stehenden Blättern gefüttert werden; so soll Euprepia caya einfarbig braun werden, wenn man ihre Larven mit Walnussblättern ernährt. Indess ist diesen Behauptungen auch oft genug widersprochen worden; eine systematisch und bewusst auf das Ziel lossteuernde experimentelle Untersuchung ist meines Wissens nie gemacht worden, denn die unzusammen- hängenden, zufällig oder auf gut Glück von Entomologen oft genug unternommenen Fütterungsversuche können in der That nicht als physiologische Experimente gelten. Noch weniger aber können als solche gelten die von Reisenden wie WarrAacE gemachten Angaben, da sie lediglich auf Hörensagen von Seiten roher Indianer beruhen, nicht aber auf den Ergebnissen von ihm selbst angestellter Versuche. Natürlich bin ich weit davon entfernt, zu behaupten, dass ein soleher direet verändernder Einfluss der Nahrung auf die Farbe der Thiere nicht existire oder unwahrscheinlich sei; ich wollte nur betonen, dass wir bis jetzt doch eigentlich nichts Exactes hierüber wissen, und dass im Grunde nur die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit solches Ein- flusses der Nahrung auf die Hautpigmente verschiedener Thiere erwiesen ist. Ueber die Natur dieses 1) 1. p. 765. e. p. 207. Man vergleiche ferner: Wartace, A. On some Relations of Living Things to their Environment. Rep. 46. Meet. Brit. Ass. Adv. Sc. 1576. p. 101—106, wo zahlreiche Fälle analoger Färbung zusammengestellt sind. 2) 1. p. 766. c. p. 81—83. 3) 1. p. 767. ec. p. 159—160. V Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Excret. 119 chemisch-physiologischen Vorganges — was doch das recht eigentlich Wissenswürdige sein möchte — hat man, soviel ich weiss, bis jetzt auch noch nicht einmal eine hypothetische Ansicht geäussert.« Wie man sieht, steht Semrer allen diesen von ihm aufgeführten Erfahrungen überaus kritisch gegenüber und betont auch hier wieder als das eigentlich Wissenswürdige den jenen behaupteten Relationen zwischen Nahrung und Färbung zu Grunde liegenden »chemisch- physiologischen« Vorgang. Ebenso hat KrUKENBERG seine bereits erwähnte Uebersicht der grossentheils auch schon von SEMPER berücksichtigten Fälle mit dem Vorbehalte eingeleitet: »Wie viele von den Be- obachtungen aber, durch welche ein derartiges Abhängigkeitsverhältniss zwischen Farbe und Nahrung erschlossen sein soll, richtig sind, stelle ich späteren Experimentatoren zur Ent- scheidung anheim.« Ich bin weit entfernt davon, dem vorsichtigen Verhalten der beiden Forscher entgegen- treten zu wollen; mit ihnen hege ich vielmehr die Ansicht, dass das zielbewusste Experiment hier erst noch endgiltig zu entscheiden habe, und mit ihnen sehe ich der Inangriffnahme solcher Experimente entgegen. Wenn ich mich nun aber gleichwohl dahin ausspreche, dass meinem Dafürhalten nach wohl die meisten jener behaupteten Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Nahrung und Färbung sich als zutreffend herausstellen werden, so geschieht dies auf Grund eigener dahin zielender Erfahrungen. So habe ich bei einer in einem Schwamme (Reniera aurantiaca) lebenden Syllidee in der Haut und in den Borstendrüsen dasselbe orangegelbe Pigment angetroffen, das auch die Färbung des Schwam- mes bedingt. Auch war schon dem für alles » Biologische« so geschärften Blicke Darveır's') aufgefallen, dass die Färbung einer anderen Annelide, nämlich von Psamathe (Nereis) punctata durch die Nahrung beeinflusst wird. Aber wenn man auch von diesen beiden erst noch genauer zu prüfenden Fällen ab- sieht, so bleibt doch Eine hierhergehörige Erfahrung, für deren Richtigkeit ich einstehen kann, nämlich die gelegentlich der Carminfütterungsversuche an Capitella gemachte. Habe ich doch nachweisen können?), dass Capitella den im Handel als »Carmin« be- zeichneten Körper frisst, löst (verdaut) und resorbirt, sowie dass ein Theil des an diesen Körper gebundenen Farbstoffes theils durch die Nephridien, theils durch die Borstendrüsen in die Haut ausgeschieden wird und da deponirt bleibt. Damit istin Einem Falle wenigstens das Abhängigkeitsverhältniss zwischen Nahrungund Färbung experimentell festgestellt, und was diesen Fall spe- ciellim Hinblicke auf die von mir versuchte Erklärung der Pigmentgenese noch auszeichnet, das ist die Thatsache, dass der resorbirte Farbstoff grösstentheils von den Excretbläschen aufgenommen wurde; denn wie diese Excretbläschen ursprünglich (entsprechend ihrer wahrscheinlich aus dem Blute a) Vergl. p. 694—697 und 732—746. I) Daryeır, J. The Powers of the Creator etc. Vol. 2. London 1853. p. 158. 176 6. Physiologischer Theil. stammenden gelben Eigenfärbung) die gelbe, so bedingen sie jetzt in erster Linie die rothe Hautpigmentirung. Ich habe eben das bei meinen Fütterungsversuchen verwendete »Carmin des Handels« schlechtweg als » Nahrung« bezeichnet, und zwar im Gegensatze zu einem vielfach herrschenden Vorurtheile. Letzteres hat besonders scharf KrUKENBERG") in seiner gegen METSCHNIKOFF ge- richteten Polemik zum Ausdrucke gebracht, indem er den Satz aufstellte: »Darüber, dass ein Stoff (wie Carmin , der sich in allen alkalischen Flüssigkeiten, ja selbst in Wasser leicht löst, zu dessen Lösbarmachung es keiner Enzyme bedarf, streng wissenschaftlich nicht als verdaubar —, welcher Begriff doch lediglich für die Ueberführung unlöslicher Kohlenhydrate und unlös- licher Eiweisssubstanzen in lösliche Stoffe gebräuchlich ist —, sondern nur als resorptionsfähig bezeichnet werden kann, darüber, sage ich, dürfte eine Controverse kaum für möglich gehalten werden.« Dieser Krukengerg’sche Satz wird nun dadurch hinfällig, dass er von einer unzu- treffenden Voraussetzung ausgeht, nämlich der, dass sich » Carmin« leicht in Wasser löse. Das Gegentheil ist der Fall, nur Spuren davon lösen sich, und zwar um so geringere, je besser die Carminsorte. Ob es nun aber vorwiegend alkalische Darmflüssigkeit, oder Enzyme, oder beide sind, die im Capitella-Darm das Carmin zur Lösung bringen, ich wüsste nicht, wie man den Vorgang, dass von einem 'T'hiere ein fester, theilweise aus organischen Bestandtheilen zusammengesetzter Körper gefressen, gelöst und resorbirt wird, anders als » Verdauung« nennen wollte. Aber in noch viel höherem Grade erscheint die Bezeichnung »Nährstoff« für das Carmin gerechtfertigt, wenn wir seine chemische Zusammensetzung berücksichtigen. Pau Mayer?) hat jüngst darauf aufmerksam gemacht, wie verbreitet der Irrthum sei, als ob das von den Histologen zu 'Tinctionszwecken angewandte Carmin eine einfache Verbindung der Carminsäure, wie z. B. carminsaures Ammoniak, darstellte, und ferner auf eine Arbeit LieBEr- MANNS’) hingewiesen, aus der hervorgeht, dass auch die bisherigen Anschauungen über die Zusammensetzung des käuflichen Carmines nichts weniger als zutreffend seien. LIEBERMANN fand nämlich eine Probe Carmin aus 17°, Wasser, 20%, stickstoffhaltigen Substanzen, 7°, Asche“, 56°, Farbstoff und Spuren von Wachs zusammengesetzt und schloss hieraus, dass die unter- suchte, ausgezeichnet schöne und feurige Carminsorte »keine gewöhnliche Verbindung des Farbstoffs mit T'honerde, sondern eine 'IThonerdekalkproteinverbindung des Carminfarbstoftes« darstelle. Paur Mayer ferner bemerkt hierzu: »Man beachte hier zweierlei: erstens, dass LieBErmAnN ausdrücklich die stickstoffhaltige Substanz neben dem Kalk und der T'honerde als mit dem Farbstoffe chemisch verbunden betrachtet, und ferner, dass er in seiner ganzen Arbeit nicht von Carminsäure redet.« Wir haben demnach das gewöhnliche Carmin ebenso wie viele andere sogenannte Pig- mente nicht etwa als einen reinen Farbstoff, sondern als einen »gefärbten Körper« anzusehen. 1) 1. p. 345. U. Reihe. 3. Abtheilung c. p. 123. 2) Mayer, P. Aus der Mikrotechnik. Intern. Mönatsschr. f. Anat. u. Phys. 4. Bd. 1887. 3) Lregermans, CO. Zur Kenntniss der Cochenille und des Cochenillecarmins. Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft 15. Jahrgang 1886. p. 1969—1975 (fide P. Mayen). *; Die Asche enthielt 43°/, Thonerde und 45 /, Kalk. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Exeret. rt Im Hinblicke auf die hier erörterten Probleme darf aber als ausgemacht gelten, dass ein gefärbter Körper, der so wie das zu unseren Fütterungsversuchen verwandte käufliche Carmin 20°, stickstoffhaltige Substanzen enthält, als » Nährstoff« gelten darf. Mit um so mehr Recht wird man das behaupten dürfen, da es ja ein T'hier ist, nämlich das Cochenille-Insect, welches »mit Haut und Haar« zum Behufe der Carminfabrication eingestampft wird. c. Ueber die möglicherweise zwischen Pigment-Exceret und Rassenfärbungen herrschenden Beziehungen. Es ist einleuchtend, zu welch’ bedeutsamen Consequenzen es führen würde, wenn sich auch die die »Rassenfärbungen« bedingenden Pigmente als Produkte einer » excretorischen Thätigkeit« begreifen liessen. Ueber die Natur dieser Pigmente, sowie über den Ort“) und Modus ihrer Entstehung ist leider erst so wenig bekannt, dass sich daraus noch keinerlei Schlüsse ziehen lassen; dagegen können wir auf ein paar biologische Facta hinweisen, die auf ’ oo oO 9 Grund unserer Auffassung der Pigmente verständlicher erscheinen und sich daher auch um- oO oO gekehrt zu Gunsten unserer Auffassung verwerthen lassen dürften. Ich gedenke zunächst der so vielfach behaupteten Relation zwischen Färbungen und Krankheiten. Darwın'), der diesen und ähnlichen Relationen im Hinblicke auf die Erklärung der Rassenentstehung die grösste Aufmerksamkeit geschenkt hat, sagt speciell über die Immunität der Neger auf Grund fachmännischer Angaben: »That negroes, and even mulattoes, are almost completely exempt from the yellow-fever, which ıs so destructive in tropical America has long been known. They likewise escape to a large extent the fatal intermittent fevers that prevail along, at least, 2600 miles of the shores of Afriea, and which annually cause one fifth of the white settlers to die, and another fifth to return home invalided. This immunity in the negro seems to be partly inherent, depending on some unknown peeuliarity of constitution, and partly the result of acclimatisation.« Im selben Opus eine Seite weiter macht sodann Darwın das Bekenntniss: »That the immunity of the negro is in any degree correlated with the colour of his skin is a mere conjeeture: it may be correlated with some difference in his blood, nervous system, or other tissues. Never- theless from the facts above alluded to, and from some connection apparently existing between complexıon and a tendency to consumption, the conjeeture seemed to me not improbable.« 1) Darwın, Ch. The Descent of Man and Selection in Relation to Sex. Vol. 1. London 1871. p. 243. *) Die Frage, wo die Pigmente als solche im Thierkörper zu Stande kommen, ist natürlich für die hier vertretene Auffassung derselben überaus belangreich. Bei niederen Thieren liess sich, wie wir im Vorhergehenden gesehen haben, in vielen Fällen bestimmt nachweisen, dass das Pigment nicht in der Haut entsteht, sondern vielmehr dahin transportirt wird. Für die höheren Thiere, insbesondere für die Farbstoffe der Vögel, vertrat KruUKENBERG (l. p. 767. e. p. 161) die entgegengesetzte Auffassung, nämlich die, »dass sämmtliche Farbstoffe derselben, mit alleiniger Ausnahme des Coriosulfurins, in loco entstehen«. Die von KRUKENBERG hierfür geltend gemachten Gründe scheinen mir aber nichts weniger als zwingend zu sein. Während ich diesen Abschnitt niederschreibe, kommt mir denn auch eine Mittheilung Köruiker’s zu Gesicht (Woher stammt das Pigment in den Epidermisgebilden? Anato- mischer Anzeiger. 2. Jahrgang 1887. p. 483), in der die Richtigkeit des von Argy aufgestellten Satzes, »dass im Epithel kein Pigment gebildet werde, sondern durch Einwanderung von pigmentirten Wanderzellen aus dem be- nachbarten Bindegewebe in dasselbe hineingelange«, vertreten wird. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. BJ C. Physiologischer "Theil. —1 — [0.0] So lange als man sich auf die zwei correlativen Facta: »dunkle Hautfarbe« und »Fieber- Immunität« beschränkt, hat man es mit einer unverständlichen Association zu thun; anders, wenn man die »dunkle Hautfarbe« als secundäres Phänomen, nämlich als die Wirkung von tiefer sich abspielenden Ursachen betrachtet. Eine tiefere Ursache ist aber in dem Momente gegeben, in dem wir für die Rassenpigmente einen ähnlichen »excretorischen Ursprung« voraus- setzen, wie er für gewisse Pigmentirungen niederer Thiere von mir nachgewiesen werden konnte. ‚Unter solcher Voraussetzung würden dann die Neger nicht deshalb immun sein, weil ihr Integument schwarz gefärbt erscheint, sondern weil sie die Fähigkeit besitzen, in grossem Maassstabe ein Pigment-Excret auszuscheiden. Wie hypo- thetisch auch vorläufig der Zusammenhang zwischen Fieber-Immunität und Hautfärbung, respec- tive »Pigmentausscheidung« sein mag, so kann doch auf die Thatsache hingewiesen werden, dass z. B. bei der mit Malaria einhergehenden Melanämie temporär ein ähnliches Pigment im Blute ausgeschieden und in verschiedenen Organen retinirt wird, wie es die Haut der Neger dauernd färbt. Auch für die mit der sogenannten Anpıson- schen Krankheit einhergehende Pigmentirung dürfte vielleicht der Gesichts- punkt, dass der erkrankte Körper ähnlich temporär reagirt, wie es derjenige des Negers normal thut, Anknüpfungspunkte zu einem besseren Verständnisse ergeben. Dies sind, wie gesagt, in hohem Grade hypothetische Hinweise; es dürfte sich aber verlohnen, einmal von solchem Gesichtspunkte aus sowohl die pathologischen, als auch die Rassenfärbungen in’s Auge zu fassen und insbesondere durch entsprechende Experimente (über die Ausscheidungsvorgänge bei gefärbten und nicht gefärbten Individuen) zu prüfen. Eine zweite, ebenfalls hauptsächlich durch Darwın im Hinblicke auf die mögliche Be- deutung für den Selectionsprocess in den Vordergrund gestellte hierher gehörige Relation ist die zwischen dunkler Haut und Immunität gegen gewisse Pflanzengifte. Ich bringe im Nachfolgenden die Stelle aus Darwın’s') » Variation under Domestication« zum Abdrucke, an der die interessantesten der von ihm zusammengestellten Fälle aufgeführt sind. Dieselbe lautet: »Colour is generally esteemed by the systematie naturalist as unimportant: let us, therefore, see how far it indireetly affeets our domestie productions, and how far it would affeet them if they were left exposed to the full force of natural selection. In a future chapter I shall have to show that constitutional peeuliarities of the strangest kind, entailing hability to the action of certain poisons, are correlated with the colour of the skin. I will here give a single case, on the high authority of Professor Wyman; he informs me that, being surprised at all the pigs in a part of Virginia being black, he made inquiries, and ascertained that these animals feed on the roots of the Lachnanthes tinctoria, which colours their bones prik, and, excepting in the case of the black varieties, causes the hoofs to drop off. Hence, as one of the squatters remarked, »we select the black members of the litter for raising, as they alone have a good chance of living«. So that here we have artificial and natural selection working hand in hand. I may add that in the Tarentino the inhabitants keep black sheep alone, because the Hypericum erispum abounds there; and this plant does not injure black sheep, but kills the white ones in about a fortnight’s time. 1) Darwın, Ch. The Variation of Animals and Plants under Domestication. Vol. 2. London 1868. p- 227 Man vergleiche auch p. 336 ff. V. Nephridien. 6. Ueber die Beziehungen zwischen Pigment und Excret. 779 Complexion, and liability to certain diseases, are believed to run together in man and the lower animals. 'Thus white terriers suffer more than terriers of any other colour from the fatal Distemper«*). Auch in diese an sich so unverständliche Relation zwischen Färbung und Immunität gegen Gifte kommt Sinn, sobald wir die Pigmente als Excrete auffassen. Es würden eben dieser Vorstellung gemäss die betreffenden Thiere ihre Immunität nicht der schwarzen Färbung, sondern der eigenthümlichen Ausscheidungsthätigkeit (welche diese Färbung bedingt) ver- danken, das heisst es würden allein die gefärbten Exemplare im Stande sein die betreffenden Gifte auszuscheiden und in Folge dessen zu überleben. Auch hier- über wird das Experiment zu entscheiden haben, das heisst Versuche über die Wirkung ge- wisser Gifte auf Albinos einer- und gefärbte Individuen andererseits, insbesondere aber der Nachweis, ob die eventuelle Giftausscheidung bei letzteren in irgendwelcher Beziehung zur Pigmentausscheidung steht etc.‘ Endlich sind für unser Problem noch die Beziehungen, welche zwischen »Färbung« und »Parasiten« statthaben sollen, von Interesse. Darwın!) sagt hierüber unter Anderem: »It is certain that insects regulate in many cases the range and even the existence of the higher animals, whilst living under their natural conditions. Under domestication light-ceoloured animals suffer most: in Thuringia the inhabitants do not like grey, white, or pale cattle, because they are much more troubled by various kinds of flies than the brown, red, or black cattle.e An Albino negro, it has been remarked, was peculiarly sensitive to the bites of inseets. In the West-Indies it is said that the only horned cattle fit for work are those which have a good deal of black in them. "The white are terribly tormented by the insects; and they are weak and sluggish in proportion to the white«**. Auch diese relative Immunität gefärbter Individuen scheint mir, unter der Voraus- setzung, dass mit dem Pigmente etwas den Insecten »Unangenehmes« ausgeschieden werde, wenigstens für einen Erklärungsversuch zugänglich. Als Stütze dafür, dass es im Grunde nicht die Färbungen an sich, sondern eigenthümliche Ausscheidungsvorgänge Vlp22118.2.0.09>922.9% *) Während Darwın die Immunität der dunklen Individuen auf eine unbekannte, mit ihrer Färbung in Correlation stehende constitutionelle Verschiedenheit zurückführte, hat Ocze (Medico-Chirurgal Transactions Vol. 53 1870 fide WartAcE) die Ansicht aufgestellt, dass diese Immunität auf ihrem besser entwickelten Geruchsvermögen, kraft dessen sie die giftigen Substanzen riechen und verschmähen, beruhen könnte. Es soll nämlich das voll- kommene Geruchsvermögen von dem Vorhandensein eines dunklen Pigmentes in der »olfactory region of the nostrils« abhängig sein und die ganz weissen Thiere würden eben dieses Pigmentes und damit des (sie vor dem Genusse der Giftpflanzen behütenden) Geruchsvermögens entbehren. Warrvacz (l. p. 774.c.p. 105) hat diesen von OLE gegen Darwın geltend gemachten Erklärungsversuch mit grossem Eifer zu vertreten und zu generalisiren gesucht; aber er musste selbst zugeben, dass sich diese Erklärung auf die niederen Thiere gar nicht anwenden liesse. Vorläufig steht, was speciell den so interessanten Fall der schwarzen Virginia-Schweine betrifft, eine Be- hauptung der anderen gegenüber. Nach Darwın’s Darstellung, die sich ausdrücklich auf die »high authority of Professor Wyman« beruft, muss man doch annehmen, dass diese Autorität sich davon überzeugt habe, dass auch die schwarzen (immunen) Schweine die Wurzel von Lachnanthes tinctoria fressen. Dr. Octe hingegen ist der Meinung, es könne das nicht als bewiesen angenommen werden. Da nun genannte Wurzel die Eigenschaft haben soll, das Skelet der von ihr sich nährenden Thiere roth zu färben, so ist ja damit ein ebenso einfaches, als sicheres Mittel gegeben, die Frage selbst fern von der betreffenden Weide zu entscheiden: man braucht nämlich nur nachzusehen, ob auch die immunen, dunklen Schweine diese Skeletfärbung aufweisen, oder nicht. **) Anstatt »white« ist hier offenbar »black« zu lesen. 98* 780 C. Physiologischer Theil. sein dürften, welche die dunkeln Individuen vor der Insectenplage bewahren, kann auch auf den den gefärbten Rassen inhärenten Geruch hingewiesen werden. »’The colour of the skin and hair«, sagt Darwın') (nach Gopron »Sur l’espece« Tome 2. p. 217), »are said to be connected, even in the same race of men.« Schärfer kommt aber diese mit der Färbung assoclirte Ausdünstung zum Bewusstsein, wenn wir uns des Verhaltens der Neger gegenüber den weissen Menschenrassen, oder desjenigen der gewöhnlichen Mäuse und Ratten gegenüber den albinotischen erinnern. Ferner möchte ich noch auf die Erfahrung hinweisen, dass die auffallend gefärbten Raupen durch einen widerwärtigen Geschmack ausgezeichnet sind. Für Warrace?’) war dieses Verhalten der Raupen der Ausgangspunkt zur Aufstellung seines Begriffes der »Warnfärbungen«, der sich sodann auch der Anerkennung Darwım’s’) zu erfreuen hatte. Ich lasse dahingestellt, in wieweit diese von den beiden englischen Forschern in diesem besonderen Falle getroffene Unterscheidung zwischen dem, was die Färbung, und dem, was die Ungeniessbarkeit bedingt, durch ihren Erklärungsversuch geboten war, indem ich es im vorliegenden Abschnitte nicht mit der Nützlichkeit der Färbungen und ihren Ver- änderungen unter dem Einflusse der Zuchtwahl, sondern mit der Frage nach der Abstammung und ursprünglichen Bedeutung der Pigmente zu thun habe. In diesem Sinne aber, glaube ich, wird die Vorstellung, dass die Ausscheidung des Pigmentes (Excretes) die Unge- niessbarkeit der betreffenden Thiere bedingt, befriedigender erscheinen, als die, dass die Ungeniessbarkeit der Thiere erst das Auftreten des Pigmentes (zum Warnen« hervorgerufen habe. Jedenfalls wären genaue Untersuchungen darüber anzu- stellen, welche Stoffe die Ungeniessbarkeit der betreffenden Thiere verursachen, respective, ob sie nicht mit den sogenannten Pigmenten zusammenfallen. 7. Ueber die Beziehungen zwischen Excret-Pigment, Hautskelet und Häutung. In einem der vorhergehenden Abschnitte wurden vielerlei Mittel der Untersuchung auf- geboten, um das Factum, dass die Nephridien von Capitella in die Haut münden und ihr Excret zwischen Hypodermis und Cuticula als sogenanntes Pigment deponiren, sicher zu stellen®). Wäre mir dieses Factum nur als ein isolirtes Curiosum erschienen, so hätte ich weder mir, noch dem Leser eine so eingehende Berücksichtigung desselben zugemuthet; aber wir haben schon erfahren, wie gerade diese integumentale Aufspeicherung von durch Nierenorgane aus- x) Vergl. p. 732—746. WIR 96 Le (eo 1. BR 2) Warrace, A. Contributions to the Theory of Natural Selection. London 1870. p. 117—122. Ferner: l2p. «65... p: 194125. Sal Ep. lege. por V. Nephridien. 7. Ueber die Beziehungen zwischen Excret-Pigment, Hautskelet und Häutung. IST geschiedenen Zersetzungsprodukten in Anbetracht der » Pigmentirung« letzterer zu einer Auf- fassung der Pigmente als Excrete und damit zur Anbahnung eines Verständnisses des »Pig- mentursprunges« geführt hat”), und hier gedenke ich nun ausgehend vom selben Factum die Frage zu erörtern, in wiefern die integumentale Ablagerung von Excret-Pigment den Thieren ursprünglich von Nutzen sein konnte, respective welche Or- ganisationsverhältnisse sich eventuell als Steigerungen oder Weiterentwicke- lungen jener Ablagerungen begreifen lassen. Wie also im vorigen Abschnitte mit der Abstammung, so haben wir es im vorlie- liegenden mit der ursprünglichen Bedeutung oder Nützlichkeit der Excret-Pigmente zu thun. Sowohl die in den Nephridien, als auch die in den Blutzellen und in dem Peritoneum von Anneliden zur Ausscheidung gelangenden Excretbläschen und Concretionen fanden wir?) durch eine grosse mechanische und chemische Widerstandsfähigkeit ausgezeichnet. Sie erwiesen sich als aus anorganischen und organischen Bestandtheilen zusammengesetzt; die Reactionen letzterer Bestandtheile liessen auf Guanin, oder doch auf guaninähnliche Substanzen schliessen: einzelne Concretionen aber boten Grade des chemischen Widerstandes dar, wie uns Aechn- liches nur vom Chitine bekannt ist. Auch der diesen Concretionen anhaftende Farbstoff, das »Pigment«, dessen Ursprung aus dem Blutfarbstoffe in Anbetracht der Ausbildung von Concre- tionen in hämoglobinhaltigen Blutscheiben sehr wahrscheinlich, zeigte sich von ausserordent- licher chemischer Widerstandskraft. Die integumentale Aufspeicherung eines solchen sowohl chemisch, als auch mechanisch in hohem Grade widerstandsfähigen Ausscheidungsproduktes kann oder muss, so schliesse ich nun, unter Umständen für die betreffenden Thiere als Schutz gegen Insulte und Feinde, sowie als Anbahnung eines Hautskeletes von Nutzen sein, und eslassen sich vielleicht aus solchen Anfängen die so mächtig ausgebildeten Hautpanzer der Arthropoden etc. ableiten, indem sich ja diese nicht etwa als plötzlich entstanden, sondern nur als allmäh- lich zur Ausbildung gelangt begreifen lassen. Unter der Voraussetzung, dass die Ansammlung chemisch-mechanisch widerstandsfähiger Excrete im Integumente für den Träger von Nutzen ist, versteht man, dass die Nephridien, wie bei Capitella, zunächst nur noch bis in die Haut münden und dass sie, wie bei Masto- branchus und Heteromastus, bis auf die am Schwanzende gelegenen ganz eingegangen sind, um durch peritoneale, überhaupt aller Mündungen entbehrende Nierenorgane ersetzt zu werden. Hiermit scheint mir sodann in Beziehung gebracht werden zu können, dass auch den durch so mächtige Hautskelete ausgezeichneten Arthropoden nephridiale Nierenorgane ganz a) Vergl. p. 765—780. ß) Vergl. p. 717—721, 725—732 und 757—759. 7182 C. Physiologischer Theil. oder doch nahezu abgehen, indem ja die Ausscheidungsgrösse der in je einem Paare vorhan- denen (und von Einigen als nephridiale Organe betrachteten) Antennen- und Schalen-Drüsen zum Gesammtkörper der betreffenden Formen in gar keinem Verhältnisse steht. Dieser Mangel an nephridialen Excretionsorganen wird nämlich verständ- lich, wenn wir die Hautskelete dieser Thiergruppe als im Integumente ab- gelagerte Excrete nicht-nephridialer Nierenorgane auffassen. Auch die Hautpanzer bestehen theils aus anorganischen, theils aus organischen Be- standtheilen, und zwar fällt letzterer zusammen mit dem durch seine hohe chemische Widerstandskraft ausgezeichneten Chitine, welchem meist ein ebenfalls sehr wider- standsfähiges » Pigment« überaus zähe anhaftet. In dieser Hinsicht sei daran erinnert, dass die Concretionen nephridialer und nicht-nephridialer Nierenorgane von Anneliden sich theil- weise wie Chitin verhalten, dass ferner ein Abscheidungsprodukt der Haut dieser 'Thiere (nämlich die Cuticulae) in einzelnen Fällen und ein Abscheidungsprodukt von Hautdrüsen (nämlich die Borsten) stets wenigstens theilweise aus Chitin bestehen, und endlich, dass auch in der Haut von Arthropoden Chitin in Form von Concretionen zur Ablagerung gelangen kann?). Die eben dargelegten Beziehungen zwischen Integument und Excret finde ich schon allerdings sehr im Allgemeinen — in den trefflichen anatomisch-physiologischen Erörterungen von BERGMANN und LEUcCKART') gestreift. Die wichtigsten Sätze dieser Autoren sind folgende: »Die Oberhaut selbst lässt sich, wie oben bemerkt wurde, nicht streng von den Seeretionen trennen. Ihr Nutzen bedarf keiner Erläuterung. Aber sie wird zugleich beständig vom Körper losgestossen, bildet somit factisch ein Exerement« ete. »Wenn man aber auch eine solche Hypothese kaum ablehnen kann, so muss man doch zugleich eingestehen, dass dieselbe vorläufig einen sehr geringen Werth hat. Sehen wir nämlich die auf der Haut ausgeschiedenen Substanzen als Exeremente an, mit der Vorstellung, dass der thierische Haushalt ein Interesse habe, sich ihrer zu entledigen, suchen wir so dem Factum der Ausleerung eine Bedeutung zu geben, so sind wir doch ausser Stande, dieses Interesse näher zu bezeichnen — mit anderen Worten, wir können nicht sagen, wie und mit welcher Nothwendigkeit diese Ausleerungen auf den chemischen Vorgängen im Innern des Körpers beruhen. Es ist hier also unsere Erkenntniss auf einer entschieden tieferen Stufe, als in Be- ziehung auf Harn- und Kohlensäureausscheidung « ete. Als principiellen Punkt, in dem meine Auffassung von derjenigen BERGMAnN’s und LeuckArrts abweicht, muss nun hervorgehoben werden, dass ich das Integument nicht als ein nach Art der Harnorgane thätiges Ausscheidungsorgan betrachte, sondern vielmehr als ein solches, in dem Ausscheidungsprodukte nephridialer und nicht-nephridialer Nierenorgane deponirt werden. Ich habe die Vermuthung ausgesprochen, dass sich Capitella des in die Haut, respective des zwischen Haut und Cuticula deponirten »Excret-Pigmentes« durch Abwerfung der Cuticula, also durch Häutung jeweils entledigen werde?). Es a) Vergl. p. 7 ß) Vergl. p. 2 1) Beramans, OÖ. und LevcKart, R. Anatomisch-physiologische Uebersicht des Thierreichs. Stuttgart 1855. p. 194 und p. 215. V. Nephridien. 7. Ueber die Beziehungen zwischen Excret-Pigment, Hautskelet und Häutung. 783 konnte zwar das Statthaben solcher Häutungen nicht gerade an Capitella, wohl aber bei anderen Anneliden beobachtet werden, und da es ja nicht allein Capitella ist, in deren Integument »Excret-Pigmente« deponirt werden, sondern die Mehrzahl der Anneliden, so haben die an anderen Formen in dieser Hinsicht gemachten Erfahrungen gleichen Werth für uns. Am längsten sind Häutungen von Hirudineen bekannt. Es wurden nämlich solche schon Ende der vierziger Jahre durch Leyvis'!) von Piscicola geometrica erwähnt. Leuckarr?) machte sodann genauere Angaben in Bezug auf Hürudo. Er sagt nämlich: »Bei dem medicinischen Blutegel geht die Häutung in Zwischenräumen von 3—30 Tagen vor sich, je nach der äusseren Temperatur und den Nahrungsverhältnissen der Thiere. Am häufigsten beobachtet man sie bei solchen Exemplaren, die einen blutgefüllten Darmkanal besitzen.« Auch in einer der neuesten Bearbeitungen der Hirudineen, nämlich in der Bourne’s’), wird der Häutungen, und zwar folgendermaassen gedacht: »'The eutieule is continually undergoing regeneration, new layers being secreted by the epidermie cells, the old euticle being peeled off. This process is most easily seen in Hirudo, which when kept in captivity, is continually shedding its skin. This eutieular ecdysis takes place, no doubt, in all leeches, but is more frequent in some genera than in others.« Ueber Anneliden im engeren Sinne existirt folgende Angabe VEmovsky's‘): »Bei Chaetogaster und Slavina appendieulata gelingt es sehr oft, die Cutieula im Zustande der Ab- streifung zu beobachten, und muss man danach schliessen, dass sie sich regeneriren kann.« Und von anderen Würmergruppen kann noch an die durch besonders häufige und aus- giebige Häutungen ausgezeichneten Nematoden erinnert werden. Giebt man nun zu, dass auch die im Integumente der Arthropoden ange- sammelten pigmentirten Chitin-Kalk-Verbindungen ursprünglich diffuse Excret- ablagerungen darstellten und erst allmählich zu Hautskeleten gesteigert oder umgewandelt wurden, so fällt auch auf den so merkwürdigen Vorgang der Häu- tung dieser Thiere neues Licht. Sind nämlich die Hautpanzer-Elemente Produkte einer das ganze Leben hindurch an- dauernden excretorischen Thätigkeit, so versteht man, dass sich die Häutung auch noch nach beendetem Wachsthume periodisch wiederholen muss, indem ja sonst jene Panzer durch Zufuhr immer neuer Excrete immer mehr an Dicke wachsen und schliesslich für ihre Träger fatal werden müssten. Zu dem Schlusse, dass der Vorgang der Häutung nicht — wie man früher annehmen zu dürfen glaubte — lediglich durch den Wachsthumsprozess bedingt werde, haben auch solche Erfahrungen und Erwägungen geführt, die mit den hier vertretenen gar nichts zu schaffen haben. GerstÄcker°) fasst den Stand der Frage in dem Satze zusammen: 121, p2 82020-.2p.2 102. 2) 1-0p-172223. Bd..c, p.2638. 3) 1. p. 664. c. p. 428. 4) 1. p. 236. ce. p. 69. 5) Bronx, H. Die Classen und Ordnungen des Thierreichs; GERSTÄCKER, A. 5. Bd. Gliederfüssler, Leipzig und Heidelberg 1866—1879. p. 196. 784 C. Physiologischer Theil. »Man wird immerhin zugeben können, dass das Abwerfen der Haut mit durch das Wachsthum be- dingt sei, würde aber den Sachverhalt vollständig verkennen, wenn man dasselbe für den alleinigen oder auch nur für den hauptsächlichen Grund der Häutung ansprechen wollte !« Auch für die Phylogenese der kalkhaltigen und pigmentreichen Mollusken- gehäuse, in denen das Chitin in der Regel durch Conchiolin vertreten wird, ist durch die Voraussetzung, dass ursprünglich ähnliche Substanzen, wie sie die Schalen zusammensetzen, als Excrete nephridialer oder nicht-nephridialer Nierenorgane lediglich in die Haut deponirt wurden, ein Ausgangspunkt ge- funden. Angesichts der ausserordentlichen Selbständigkeit, zu welcher die Hautskelete gerade in dieser Thiergruppe gelangt sind, wird man um so mehr geneigt sein zuzugeben, dass auch schon die diffus in der Haut zexstreuten kalkhaltigen Excret-Pigmente als schützende Gebilde für die Zuchtwahl in Betracht kommen mussten. Nicht wenig gestützt scheint mir diese Auffassung durch die Thatsache, dass bei höheren Thieren stickstoffhaltige Substanzen, die wir sonst als Ausscheidungs- produkte von Nieren oder nierenähnlich fungirenden Organen kennen, in Ver- bindung mit anorganischen Stoffen sowie mit P gmentenin die Haut depo- nirt werden: ich meine die in den Integumentgebilden von Fischen, Amphibien und Reptilien nachgewiesenen Guaninkalk-Ablagerungen. Nachdem BarkeswıL') angegeben hatte, dass die zur Verfertigung künstlicher Perlen benutzten Krystalle aus den Schuppen gewisser Fische lediglich aus Guanin bestehen, wurde diese Angabe durch Vorr?) dahin richtig gestellt, dass das Guanin zwar einen Bestandtheil der Krystalle bilde, daneben aber noch ein unorganischer Bestandtheil, nämlich Kalk, und zwar mit dem Guanin zu »Guaninkalk« verbunden vorkomme. Vorr konnte sodann auch aus den Krystallen der Schwimmblase von Argentina sphyraena Guanin darstellen und hielt es für wahrscheinlich, »dass auch die übrigen in Zellen einge- schlossenen irisirenden Krystalle, zum Beispiel in den Interferenzzellen der Haut und der Iris des Frosches, die Wırrich beschreibt, Guanin enthalten.« Künne und SewarzL’) haben sodann ebensolchen Guaninkalk in der Argentea der Knochenfische, sowie im chorioidalen Tapetum der Selachier und amorphes Guanin im Retina- epithel von Abramis brama aufgefunden. Charakteristisch für die Verbreitung des Guanins im Integumente der Fische ist die folgende Angabe der genannten Autoren: »Wir haben keine der silberglänzenden Membranen und Schuppentaschen der uns zugänglichen Flussfische vergeblich darauf untersucht« ete. In seiner Abhandlung über die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien erinnert 1) Barreswiır. Compt. Rend. Tome 53. 1861. p. 246. 2) Vorr, C. Ueber die in den Schuppen und der Schwimmblase von Fischen vorkommenden irisirenden Krystalle. Zeit. wiss. Z. 15. Bd. 1865. p- 515. 3) Künse, W. und Sewarr, H. Zur Physiologie des Sehepithels, insbesondere der Fische. Unters. Phys. Inst. Heidelberg. 3. Bd. 1880. p. 221. V. Nephridien. $. Die Excret-Pigmente als Objecte der Zuchtwahl. 785 Leypig!) daran, wie er schon früher darauf hingewiesen habe, dass das »weissliche Pigment« der Amphibien »eine gewisse Verwandtschaft mit einem eigenartigen, gelbweissen Farbstoff in der Haut der Arthropoden zu besitzen scheine«, welch’ letzterer nach seiner Vermuthung auf einer Ablagerung harnsaurer Verbindungen beruht. »Ist dies richtig«, fährt Levis fort, »so mag das nicht irisirende Pigment doch schon nahe verwandt sein mit dem metallisch glän- zenden oder irisirenden Pigment, welches von gelbem, weissem, bläulichem, oder auch wie bei Bombinator igneus erzfarbenem Schimmer ist. Und eine Fortbildung dieser Elemente in's Grosse, meint Levpıc, dürfte zu dem den Metallglanz der Fische bedingenden, krystallinischen, guaninhaltigen Körper führen. Um nun diese rein durch die Habitusübereinstimmung der bezüglichen Ablagerungen wachgerufene Vermuthung Leypic’s zu prüfen, unternahmen Ewarn und KrukEnBERG?) experi- mentelle Untersuchungen, als deren Resultat sich ergab, dass das Integument zahlreicher Amphibien und Reptilien in der 'That, und zwar zum "Theil sehr reichlich, Guanin enthält. Der Nachweis, dass jenes neben den verschiedenen anders gefärbten » Pigmenten « in der Amphi- bien- und Reptilienhaut auftretende »weissliche oder gelblichweisse Pigment« aus Guanin, also aus einem entschiedenen »Harnkörper« besteht, ist um so bedeutsamer, wenn man bedenkt, dass gerade diese I'hiere periodischen Häutungen unterliegen. Schliesslich sei nur andeutungsweise darauf hingewiesen, wie sich von demselben Gesichtspunkte aus auch die pigmenthaltigen, an anorganischen Bestandtheilen reichen, mechanisch-chemisch meist sehr widerstandsfähigen Integumentgebilde der höchsten Thiergruppen, also die Hornplatten, Haare, Stacheln und Federn als Weiterentwickelungen, respective als Träger solcher dem Integumente ursprünglich diffus einverleibter, schützender Ablagerungen excretorischer Natur begreifen lassen, insbesondere, wenn man berücksich- tigt, dass auch in diesen Fällen die betreffenden Gebilde allmählich oder periodisch abgeworfen werden (Mauserung etc.). 8. Die Excret-Pigmente als Objecte der Zucht wahl. Der sechste Abschnitt galt dem Nachweise, dass die (nicht respiratorisch wirksamen) Pigmente als Produkte excretorischer Natur aufzufassen seien, der siebente demjenigen, dass die im Integumente deponirten Excret-Pigmente, dank ihrer mechanisch-chemischen Resistenz, für ihre Träger als schützende Gebilde (gegen Insulte, Feinde etc.) von Nutzen sein können. Nachdem so nicht nur für die Abstammung, sondern auch für die ursprüngliche 1) 1. p. 414. e. p.. 177. 2) 1. p. 732. ce. p. 253— 265. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 99 786 GC. Physiologischer Theil. Bedeutung der integumentalen Pigmente ein Verständniss angebahnt, vermögen wir nun auch einzusehen, wie dieselben weiterhin ein Object der Zuchtwahl werden und unabhängig von ihrer ursprünglichen Bedeutung den mannigfachsten Steigerungen, Veränderungen und Anders- Anordnungen unterworfen werden konnten. Ja, wir werden, nach Analogie mit anderen Zucht- wahlprozessen, darauf gefasst sein, die secundären Anpassungen häufig derart dominirend zu finden, dass die ursprüngliche Bedeutung der betreffenden Hautablagerungen durchaus ver- wischt erscheint. Manchem mag es vielleicht schwer werden der Vorstellung zu folgen, dass die so vielfach leuchtenden und hinsichtlich ihrer Vertheilung oft so complicirte Muster nachahmenden In- tegument-Färbungen sich aus einem oder aus mehreren excretionellen Pigmenten entwickelt haben sollen. Bedenkt man aber vor Allem, wie der Zuchtwahlprozess nicht etwa derart vor sich geht, dass dieses oder jenes excretorische Pigment in diesen oder jenen Farbstoff umgewandelt wird, sondern vielmehr derart, dass das »solche oder andere Pigment-Excrete liefernde Thier« als zum Fortleben und Fortpflanzen geeigneter erscheint; bedenkt man ferner, wie unserer Auffassung gemäss sowohl der Begriff Excret, als auch der Begriff Excretionsorgan relativ zu verstehen ist und wie in Folge dessen der Körper auch als eine unerschöpfliche Quelle »relativer Pigmentexcrete« gelten kann, und bedenkt man endlich auch noch, dass gleichwie alle anderen Functionstendenzen auch die »solche oder andere Excretpigmente in der Haut zu deponiren« sich erblich befestigen kann: so werden die mit jener Vorstellung verknüpften principiellen Schwierigkeiten sich als nur scheinbar erweisen. Ich habe im Vorhergehenden eine Angabe Anprear's eitirt”), derzufolge ein gegen chemische Agentien ausserordentlich widerstandsfähiges » Pigment« bei Sipunculus in den inneren Organen ziemlich regellos zerstreut, in der Haut jedoch mit einer gewissen Regelmässigkeit angeordnet auftritt. »Auf dem eigentlichen Körper«, sagt genannter Autor!), »sind hier nämlich die Pigmentballen dicht gedrängt in je zwei parallele Streifen gestellt, welche beiderseits unter den 32 Längsfurchen der äusseren Haut verlaufen. Diese parallelen Pigmentreihen lassen sich an gut conservirten Alkoholpräparaten schon äusserlich ganz leicht mit unbewaffnetem Auge wahrnehmen.« Worauf ich nun mit diesem Beispiele hinaus will, ist, dass wir in solchen scheinbar unmotivirten oder zwecklosen Regelmässigkeiten der Pigmentvertheilung die Anfänge suchen müssen, aus denen sich kraft der Zuchtwahl jene compli- cirten Farben-Muster entwickelt haben. Und was die Mannigfaltigkeit der Färbungen betrifft, so möchte ich noch darauf hin- weisen, einen wie grossen Antheil die Wirkung des Lichtes gehabt haben dürfte; denn wenn auch das Licht keine Pigmente erzeugen kann, so vermag es doch die- selben auf's Vielfachste zu beeinflussen. A priori würde man kaum anzunehmen 0.) Vergl.ap url Nelp. 550.20 pr 2. V. Nephridien. 8. Die Excret-Pigmente als Objecte der Zuchtwahl. 187 gewagt haben, dass selbst die durch grosse chemische Resistenz ausgezeichneten Pigmente einem solchen Einflusse des Lichtes zugänglich seien. Und gleichwohl ist dies der Fall. So konnte Künxe') an dem gegen chemische Reagentien so widerstandsfähigen braunen Pigmente des Auges, dem sogenannten Fuscin, Lichtempfindlichkeit nachweisen. »Es war dies möglich gewesen«, sagt Künnz, »besonders an Stückchen epithelhaltiger Vogelnetzhaut, welche ich einige Wochen mit einer thymolisirten Lösung von !/, pCt. Soda benetzt am Lichte aufbewahrt hatte. Die ziemlich langen feinen Nadeln des Farbstoffs waren erst gelb, dann farblos geworden und im letzteren Zustande, ohne Aenderung der Gestalt aufzuweisen, in der bekannten Weise angeordnet in den wenig gequollenen Epithelzellen sichtbar geblieben; im Dunkeln blieb die Umwandlung aus.« Was aber die Anpassungsfähigkeit der Organismen einer- und die Macht des Zucht- wahlprozesses andererseits gerade hinsichtlich der integumentalen Färbungen zu leisten vermag, das zeigt uns eine negative Instanz: ich meine die sogenannten pelagischen T'hiere, von denen wir zum 'Theil wenigstens mit grosser Bestimmtheit behaupten können, dass sie von reich gefärbten abstammen und lediglich zum Behufe der »Anpassung« die Färbung ein- gebüsst haben. Mein Problem hier war lediglich die Frage nach der Herkunft sowie der ursprüng- lichen Bedeutung der »Pigmente« und nicht diejenige nach der Bedeutung der »Färbungen«. Es wird nun aber von nicht geringem Interesse sein, das so ausserordentlich umfangreiche Thatsachenmaterial dieser »Färbungen« auch einmal von dem von mir geltend gemachten Standpunkte aus in's Auge zu fassen. Welch’ ausgiebiges Arbeitsfeld hier der Forschung noch vorliegt, kann nicht drastischer ausgedrückt werden, als durch das Factum, dass derjenige Forscher, der über die Bedeutung und das Zustandekommen der »Färbungen« am meisten nachgedacht und wahrscheinlich zugleich auch über das grösste Maass von Einem Menschen jemals zugänglich gewordenen Erfahrungen auf diesem Gebiete verfügte, nämlich Darwın, einen sehr erheblichen 'Theil aller 'Thierfärbungen dem Einflusse der »geschlechtlichen Auswahl « zuschrieb, und — dass derjenige andere Forscher, der allein sich in dieser Frage sowohl hin- sichtlich des Erfahrungs-, als auch des Gedankengebietes mit Darwın messen kann, nämlich Warracz, einen solchen Einfluss so gut wie gar nicht anerkennt. Zum Schlusse möchte ich noch auf eine Kategorie von Pigmentablagerungen hinweisen, die unter der Rubrik »Färbungen« keinen Platz zu finden pflegen, deren Ursprung aber ebenso wie der der integumentalen Pigmente unter Zugrundelegung der »Excrettheorie« verständlich ist: ich meine die Pigmente der Sinnesorgane, insbesondere der Augen. SEMPER?) sagt in seinen Existenzbedingungen: »Das Auge kann nie durch das Sehen hervorgerufen worden sein, obgleich es — war es einmal vorhanden — durch diese Thätigkeit wohl umgebildet werden mochte; das Auge musste existiren, ehe es gebraucht werden konnte. Ganz ebenso verhält es sich mit dem Pigment« etc. 1) Küsse, W. Fortgesetzte Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. Ill. Vom braunen Pigmente des Auges. Unters. Phys. Inst. Heidelberg. 2. Bd. 1882. p. 112. Man vergleiche ferner: Mays, K. Ueber das braune Pigment des Auges. ibid. p. 324, und endlich: Künne und Sewauı, 1. p. 784. ec. p. 237. 2) 1. p. 766.°c. Erster Theil p. 122. 99° 788 C. Physiologischer Theil. Dieser Auffassung gemäss — der ich vollkommen beipflichte — bildet sich ein Sinnes- organ da, wo die Elemente und Bedingungen für seine Entstehung und Weiterentwickelung gegeben sind, also ein Auge da, wo percipirende Sinneszellen und — Pigment schon vor- handen sind. Mit anderen Worten: nicht das werdende Sehorgan schafft sich das Pigment, sondern das Pigment wird umgekehrt Veranlassung zur Entstehung eines Sehorganes. Bei dieser Auffassung nun fällt die Frage nach der Abstammung des Augenpigmentes durchaus zusammen mit der Frage nach der Entstehung der Pigmente überhaupt, und wie die integumentalen, so betrachte ich daher auch die Augenpigmente als ursprünglich excretorischen Ursprunges. Um diese Auffassung annehmbar zu finden, darf man nicht einseitig die hoch- entwickelten Vertebratenaugen mit ihrem lichtempfindlichen Sehpurpur zu Grunde legen, sondern muss von jenen sogenannten Augen- oder Pigmentflecken niederer Thiere ausgehen, deren »Pigment« sich oft von demjenigen, welches die Färbungen des Integumentes oder die » Pigmentirung « der Nierenorgane bewirkt, gar nicht unterscheiden lässt. Aber auch bei höheren 'Thieren fehlen Anklänge an einen derartigen Ursprung der Augen- pigmente keineswegs. Wir hatten schon im Vorhergehenden zu erwähnen), dass Künxe und Sewarr Guaninkalk in der Argentea der 'Teleostier sowie im chorioidalen Tapetum der Selachier und amorphes Guanin im Retinaepithel von Abdramis Brama nachweisen konnten. Ausser diesem amorphen Guanin enthalten nun aber dieselben Retinazellen von Abramis bedeutende Mengen von braunem Augenpigment oder Fuscin, welches unter dem Einflusse des Lichtes zwischen den unbeweglichen Guanin-Körnchen und -Ballen sich hin und her bewegen kann. Künne und Sewarr!) sagen: »Das Vorkommen des Guanins in der Retina und solcher Massen desselben bei Adramis, dass ein einziges Auge dieses Fisches hinreicht, um daraus sämmtliche charakteristischen Guaninverbindungen zu ge- winnen, und alle Reactionen mit der gereinigten Substanz anzustellen, scheint uns trotz des verbreiteten Vorkommens des Guanins bei den Fischen eine beachtenswerthe 'Thatsache zu sein.« Um so beachtenswerther ist nun aber, so meine ich, diese 'Thatsache im Zusammen- hange mit der Auffassung, derzufolge die Pigmente excretorischen Ursprunges sind”). a) Vergl. p. 784. 1) 1. p. 784. e. p. 228. *) Eine total entgegengesetzte Auffassung der Pigmente hat in einer kürzlich erschienenen Abhandlung über das Auge Pırren (Eyes of Molluscs and Arthropods. Mitth. Z. Stat. Neapel. 6. Bd. 1886. p. 705—727) zu ver- treten gesucht. Wenn ich hier diese, so weit ich es zu beurtheilen vermag, in ihrem speciellen Theile vortreffliche Untersuchung ganz unberücksichtigt lasse, so geschieht es aus dem Grunde, weil ich die im allgemeinen Theile im Hinblicke auf die Natur und Entstehung der Pigmente ausgesprochenen Grundsätze für durchaus verfehlt halte und es daher keinen Sinn hätte, Fall um Fall zu widerlegen. VI. Geschlechtsorgane. © 1. Veber die Function der Genitalschläuche. a. Die Genitalschläuche von Tremomastus, Dasybranchus, Mastobranchaes und Heteromastııs. Die Bezeichnung Genitalschläuche, durch welche für die uns beschäftigenden Organe eine Function anticipirt wurde, soll hier gerechtfertigt werden. Zur Annahme, dass diese Schläuche in die Sphäre des Geschlechtsapparates gehören, wird man schon durch das negative Motiv gedrängt, dass sie sich nur in Beziehung mit diesem Apparate verstehen lassen; aber es fehlt für eine solche Auffassung auch nicht an positiven Beweisen. Ich fand nämlich die Genitalschläuche der Q' im Bereiche der Glockenhälse häufig strotzend mit Sperma angefüllt, und wenn es mir auch nicht gelang @ bei der Eiablage zu überraschen, so folgt doch auch für dieses Geschlecht aus der im Anatomischen "Theile be- schriebenen, mit der Periode höchster Reihe zusammenfallenden Porophor-Modification die innige Beziehung zwischen Genitalschläuchen und Genitalorganen. Kann aber auch demnach über ihre allgemeine Zugehörigkeit zum Sexualsysteme kein Zweifel herrschen, so bleibt doch noch die Frage zu beantworten, welche Leistungen die Schläuche speciell im Dienste jenes Systemes zu verrichten haben. Eine ihrer Aufgaben ist jedenfalls die, Geschlechtsprodukte nach aussen zu entleeren, und bezüglich dieser Thätigkeit stellen die Genitalschläuche der J' Samen- und die- jenigen der & Eileiter dar. Der Umstand, dass die so fungirenden Organe nur in einer beschränkten Anzahl von Segmenten, die Keimstöcke dagegen fast dem ganzen Abdomen entlang auftreten, bietet keine Schwierigkeit, da wir ja gesehen haben, dass, wie das Blut, so auch die Geschlechtsprodukte (vermöge der Bauchstrangkammer) von Segment zu Segment sowohl kopf- als schwanzwärts befördert werden können. a) Man vergleiche: » Anatomisch-Histologischer Theil«e p. 143—146, 200—201, 226—227, 244 und 283— 284; ferner: » Vergleichend-Anatomischer (Morphologischer) Theil« p. 669—678. 790 C. Physiologischer Theil. ÜLAPAREDE'), dem die Genitalschläuche unbekannt geblieben waren, machte die in- teressante Beobachtung, dass in @ Exemplaren von Notomastus Benedeni die Eier in der Leibes- höhle zur Furchung gelangen, und schloss daraus auf das Statthaben innerer Befruchtung. Mir sind zwar keine solche gefurchten Eier, dagegen Zeugen, welche in nicht weniger entschie- dener Weise für eine innere Befruchtung sprechen, zu Gesichte gekommen; ich fand nämlich mehrere Male in der Leibeshöhle geschlechtsreifer 2 Sperma verschiedenster Entwickelungs- stadien *). Da nun durch zahlreiche Einzeluntersuchungen die Zwiegeschlechtigkeit unserer Thiere erwiesen ist, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass bei ihnen Copulation zum Behufe innerer Befruchtung stattfindet, und wenn wir uns nach zu solcher Function tauglichen Organen umsehen, so sind es wiederum allein die Genitalschläuche, die in Frage kommen können. Bei den Q' würde in Folge dessen das Samenleiterende zugleich als Penis und bei den & das Eileiterende, respective der Porophor zugleich als Vulva dienen. So verstehen wir auch die zur partiellen Vorstülpung der Genitalschläuche dienenden Muskeln, sowie die auffallende Vergrösserung der Porophore speciell bei den geschlechtsreifen ®. Zum Behufe der Begattung haben sich die beiden Geschlechter, wie aus der Lage der Genitalschlauchporen geschlossen werden kann, Rücken an Rücken zu legen, wobei wohl die drüsenreichen Porophore der ©, ähnlich wie der Gürtel der Oligochaeten, ein die Copulirenden an einander heftendes Secret liefern werden. Endlich müssen die Genitalschläuche in Anbetracht ihrer Fähigkeit, bei den J' das zur Evacuirung und bei den @ das zur Befruchtung bestimmte Sperma in sich aufzunehmen und anzusammeln, auch noch die Eigenschaft besitzen, als Vesiculae seminales und Receptacula seminis fungiren zu können. b. Die Genitalschläuche von Capitella. Während bei den im vorhergehenden Unterabschnitte behandelten Gattungen das Statt- haben einer Copulation erschlossen werden musste, manifestirt sich dieses bei Capitella ohne Weiteres durch den mächtigen Copulationsapparat®) der ©. Und die Thatsache, dass dieser Apparat der ©' gerade in denjenigen Segmenten ausgebildet ist, in deren Bereiche bei beiden Geschlechtern die Genitalschläuche ihre Lage haben, die Thatsache ferner, dass bei den @ zur Zeit der Geschlechtsreife die Genitalschlauch-Mündungen (ähnlich wie bei den Oligochaeten) » gürtelartig« anschwellen, sind weitere Zeugnisse für die Richtigkeit der im Vorhergehenden den Genitalschläuchen zugesprochenen Functionen. a) Vergl. p. 284. Dielep.2d.2cH 73908 *), Dass mit den reifen Spermatozoen auch unreife, respective Entwickelungsstadien solcher in die Leibes- höhle des zu befruchtenden © gelangen, ist unvermeidlich, da ja Sperma aller Stadien bunt mit der Hämolymphe vermischt in dem Cölom der 9 flottirt. Selbstverständlich muss mit dem Sperma auch ein Theil der g! Blut- flüssigkeit in die Genitalschläuche, respective in die Leibeshöhle der © übertreten. VI. Geschlechtsorgane. 1. Ueber die Function der Genitalschläuche. 791 Die Genitalschläuche von Capitella haben offenbar ganz ähnliche Aufgaben zu erfüllen, wie diejenigen der anderen Gattungen, das heisst sie haben auch hier bei den J' zugleich als Vesiculae seminales, Vasa efferentia und Penes, und bei den @ zugleich als Receptacula seminis, Oviducte und Vulvae zu fungiren. Wenn ich ihre Leistungen trotzdem für sich zur Sprache bringe, so geschieht dies aus folgendem Grunde: In den Genitalschläuchen der übrigen Gattungen fand ich Sperma sei es bei O', sei es bei @ nur in geschlechtsreifen Exemplaren; in denjenigen von Capitella dagegen fand ich Spermatophoren und Sperma- tozoen fast zu jeder Jahreszeit, und zwar nicht nur bei reifen Q'und @, sondern auch bei unreifen, ja sogar auch bei allen Juvenes schon von einer Grösse von D5mm ab. In dem Bestreben, diesem auffallenden Befunde ein Verständniss abzugewinnen, be- schloss ich zunächst Capitella-Exemplare verschiedenen Geschlechtes und verschiedener Grösse längere Zeit hindurch Monat für Monat hinsichtlich des Geschlechtszustandes und des Inhaltes der Genitalschläuche zu untersuchen. Die umstehende Liste enthält nun diese Befunde nach Monaten und Geschlechtern geordnet. Was zunächst das Verhalten der Weibchen betrifft, so finden wir von Dezember bis März inclusive, also zur Zeit der höchsten Geschlechtsthätigkeit, bei 15—20 mm langen Thieren (das heisst solchen, welche der Ovarien entweder noch ganz entbehren, oder doch nur solche mit unreifen 40—60 p messenden Eiern erkennen lassen) die Genitalschläuche in allen Fällen (No. 3, 8, 9 und 16) reichlich mit Sperma, und zwar zumeist in der Form von Spermatophoren angefüllt*). Daraus ergiebt sich, dass die € schon im unreifen Zustande begattet werden, und weiter müssen wir schliessen, dass (wenn diese vorzeitige Begattung überhaupt einen Sinn haben soll) die in die Genitalschläuche aufgenommenen Spermatophoren bis zur Reife, respective bis zur Ablage der Eier darin aufbewahrt werden, dass mit anderen Worten die Genitalschläuche bis dahin lediglich als Receptacula seminis fungiren. Bei den erwachsenen, 25—35 mm langen, reifen oder nahezu reifen & finden wir in denselben Monaten, und zwar sowohl bei denjenigen, welche die Eier. schon in die Wohn- röhren abgelegt (No. 14, 15 und 21), als auch bei solchen, die dieselben noch nicht abgelegt haben (No. 1, 7, 12, 13 und 22) die Genitalschläuche stets**) leer von Spermatophoren. Dies ist nun, glaube ich, so zu verstehen: Die Genitalschläuche dienen, wie wir bereits er- fahren haben, den &@ nicht nur als Copulationsorgane und als Receptacula seminis, sondern auch als Ausführungsgänge, das heisst als Eileiter. Als Eileiter kann aber nicht der mit Spermatophoren vollgepfropfte Genitalschlauch, sondern nur der leere fungiren, und daher kommt es wohl, dass bei den sich zur Eiablage anschickenden @ die Genitalschläuche ihren *, Dass die Exemplare ähnlicher Grösse in den Monaten April und Juni (No. 29 und 35) wenig oder kein Sperma enthielten, steht im Einklange mit dem Verhalten der g', deren Geschlechtsthätigkeit ja in dieser Periode ebenfalls immer mehr an Energie verliert. **) Eine Ausnahme machen nur No. 2 und 6; es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich in diesen zwei Fällen um Individuen handelt, bei denen die Reife der Eier noch nicht weit fortgeschritten war. mm Länge des | ge. 2 e E Die Leibeshöhle Reifezustand der No.) Monat | Thieres | Die Genitalschläuche enthalten: ie & Bemerkungen: I \ schlecht enthält: Ovarien: in mm. | | u m Dezember| erwachsen *) je kein Sperma — Diameter der Eier 200 u 2 n ” n eine mässige Anzahl von Spermatophoren — Diameter der Eier 120 u. 3 € 20 4 zahlreiche Spermatophoren _ Diameter der Eier 40 ». 4 Me 30 6) zahlreiche Spermatophoren mässige Mengen v. sich _ entwickelndem Sperma 5 2 20 ER ziemlich reichlich Spermatophoren keine Geschlechts- — produkte 6 | Januar | erwachsen Q eine mässige Anzahl von Spermatophoren = Diameter der Eier SO—90 y. 7 = “ kein Sperma — Diameter der Eier 200 u s R 20 4 massenhaft Spermatophoren — Ovarien unentwickelt 9 » 15 » „ = > 10 8 erwachsen e) massenhaft Spermatophoren mässige Mengen reifen Zen Spermas 11 r 12 rt) " keine Geschlechts- Zr produkte 12 \ Februar 30 Q kein Sperma = Diameter der Eier 160 y. 13 r 25 3 ; = Diameter der Eier 220 y 14 r 25 ö 2 — i celeo- Dieses Thier stammtaus : Eier abgelegt. einerWohnröhre mit Brut, n und zwar mit wimpernden ’ Larven. 15 „ „ 5 Y einzelne S0O—100 1. ! ® grosse, freie Eier 16 = 15 r zahlreiche Spermatophoren _ Diameter der Eier ; 4060 y. 17 = 10 Juvenis zahlreiche Spermatophoren _ — E E ST ER — Die dieSpermatophoren 18 R' 30 3 massenhaft Spermatophoren mässige Mengen v. sich nERnmeneRtrendensTer entwickelndem Sperma matozoen bewegten sich, wenn isolirt, lebhaft. 19 »» 25 „ massenhaft Spermatophoren und bewegliche » — Spermatozoen 20 " 12 5 massenhaft Spermatophoren keine Geschlechts- = produkte 2 ä E ei v == i eeler Dieses © aus einer 21 März 30 Q kein Sperma Eier abgelegt en 22 , _ Diameter der Eier 280 u. en strotzen von , » » Kan 23 ; 15 5 zahlreiche Spermatophoren und bewegliche _ Diameter der Eier 40. Spermatozoen — = 24 3 35 3 zahlreiche Spermatophoren keine Spermatozoen = 25 7 20 " zahlreiche Spermatophoren und Sper- 5 = matozoen 26 hr | 15 3 zahlreiche Spermatophoren | = 27 5 12 Juvenis eine mässige Zahl von Spermatophoren = = 28 | April 25 Q kein Sperma _ \Diameter der Eier 120 u 29 15 5 | eine mässige Zahl von Spermatophoren —_ ? 30 s 25 6) eine mässige Zahl von Spermatophoren |geringe Zahl v. Sperma- _ | Entwick elungsstadien 31 25 e wenige kleine Spermatophoren und ein- | keine Spermatozoen _ zelne unbewegliche Spermatozoen — _ 32 ; 10 juvenis zahlreiche Spermatophoren — — 33 12 5 . — — 34 j 12 e — —_ | | 35 Juli | 20 Q kein Sperma — | ? 36 an | 15 3 einzelne Spermatophoren keine Spermatozoen *) Die »erwachsenen« Thiere zu messen wurde in diesen sowie in einigen folgenden Fällen vergessen; ihre Länge beträgt durchschnittlich 30 mm. **) Das 5 Geschlecht manifestirt sich durch die in Entwickelung begriffenen »Genitalborsten« des Copulationsapparates. VI. Geschlechtsorgane. 1. Ueber die Function der Geschlechtsorgane. 1793 Inhalt in das Cölom entleeren. Hier werden sodann die Spermatophoren zerfallen und den (nach Platzen der Ovarien) in das Cölom gerathenen Eiern begegnen, um sie vor der Eva- cuation zu befruchten. Für diese Auffassung spricht, dass ich häufig Sperma innerhalb der Leibeshöhle reifer @ nachweisen konnte. Während der Zeit der höchsten Geschlechtsthätigkeit (Dezember— März incl.) finden wir bei den erwachsenen (25>—35 mm langen), reifen Männchen in der Leibeshöhle in Ent- wickelung begriffenes Sperma, und in den Genitalschläuchen massenhaft Spermatophoren sowie Spermatozoen (No. 4, 10, 18 und 19). Weiterhin, von April bis Juli werden immer seltener Individuen angetroffen, die noch Spermatozoen entwickeln, und ebenso pflegt auch die Quan- tität und Lebensfähigkeit des in den Genitalschläuchen enthaltenen Spermas immer mehr ab- zunehmen (No. 24, 30 und 31). Diese Befunde bieten nichts Auffallendes. Während der Hauptperiode des Geschlechts- lebens dienen eben die Genitalschläuche der 9’ ausser als Samenleiter und Penes auch als Vesiculae seminales und nehmen als solche das jeweils im Cölom herangereifte Samenmaterial in sich auf, um es zu Spermatophoren zu verarbeiten und zur jeweiligen Copulation bereit zu halten. In der letzten Periode der Geschlechtssaison scheinen sodann die erwachsenen J' nicht weiter in Betracht zu kommen, wie das Fehlen von Sperma (oder dessen Degeneration) in den Genitalschläuchen nahe legt. Zur Zeit der höchsten Geschlechtsthätigkeit finden sich aber nicht nur die Genital- schläuche der reifen 9', sondern auch diejenigen der unreifen, lediglich durch die Genital- haken ihr Geschlecht verrathenden, 12—15 mm langen mit Spermatophoren und Spermatozoen angefüllt (No. 11, 20 und 26). Und da bei diesen jugendlichen J' die Sperma erzeugende Keimstätte (die Genitalplatte) noch gar nicht fungirt, so müssen die in ihren Genitalschläuchen enthaltenen Spermatophoren von aussen eingeführt worden sein. In der 'That ist der Schluss unabweisbar, dass die reifen Q'’ nicht nur, wie wir im Vorhergehenden erfahren haben, mit reifen und unreifen @, sondern auch mit unreifen J' die Copulation ausführen. Aber nicht genug damit. Auch die Genitalschläuche der von März ab bis Juli immer mehr vorherrschenden jungen Generation, also der 5—12 mm langen Juvenes, finden sich 34 und gleicherweise mit Spermatophoren und Spermatozoen ausgefüllt (No. 17, 27, 32 37—39), woraus hervorgeht, dass die reiferen J' mit den Juvenes, deren Geschlecht sich noch gar nicht manifestirt hat, ebenso copuliren wie mit den jugendlichen O' und ®. Ob diese von Seiten der reiferen J' ausgeführte Copulation mit unreifen 9, @ und Juvenes lediglich im Sinne einer durch die Brunst hervorgerufenen Vergewaltigung aufzufassen, oder aber, ob der abnorm erscheinende Act im jeweiligen Generationen-CÜyclus unserer Species eine Rolle zu spielen berufen ist, darüber vermochte ich nicht in's Klare zu kommen. Weitere eingehende und möglichst lange andauernde Beobachtung zahlreicher Individuen kann vielleicht zur besseren Einsicht in diese sonderbaren Verhältnisse führen. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 100 794 C. Physiologischer Theil. 2. Die sexuellen Modificationen bei Clistomastus und ihre Beziehungen zum Generationswechsel. Wie schon aus vorhergehenden Theilen®) bekannt, kommen bei Notomastus lineatus Grenitalschläuche in der Regel nicht zur Entwickelung. Auch nach irgend welchen anderen vorgebildeten Oeffnungen, welche zur Entleerung der Geschlechtsprodukte dienen könnten, wurde vergebens gesucht. Und an die Verwendung der Nephridien zu solchem Zwecke ist endlich ebenfalls nicht zu denken, indem niemals Eier oder Spermatozoen in ihren Kanälen angetroffen wurden, und überdies die Enge dieser Kanäle dem Durchtritte reifer Eier unüber- windliche Schwierigkeiten darböte. Es hat sich mir denn auch schliesslich die Ueberzeugung aufgedrängt, dass bei Olistomastus eine derartige durch vorgebildete Oeffnungen vor sich gehende Evacuation der Keimprodukte überhaupt nicht stattfindet, dass vielmehr diese Produkte in beiden Geschlechtern durch successive Abschnürung verschieden langer Ab- dominalpartien nach aussen gelangen, und daher auch die Befruchtung ausserhalb des Körpers vor sich geht. Ist erst eine solche Abschnürung erfolgt, so hat die Entleerung keinerlei Schwierigkeit; denn aus den Rissstellen der Bauchstrangkammern könnten, selbst wenn im Uebrigen alle anderen Theile der Leibeswandungen intact blieben, die Keimprodukte aller gegebenen Segmente nach aussen gelangen, und da die Capitelliden, wo sie hausen, stets in grösserer Anzahl beisammen getroffen werden, so würde auch die Begegnung der beiderseitigen Sexualprodukte sich leicht verstehen lassen. Dafür, dass hochreife abdominale Zonitencomplexe zur Abschnürung oder zum Abfalle gelangen, sprechen folgende 'Thatsachen: Erstens kommen beim Fange von Notomastus lineatus fast niemals heile T'hiere zum Vorscheine; entweder die Abdomina enden abgerissen, oder aber es ist ein neugebildetes Schwanzende vorhanden. Zweitens erinnere ich an die so tief- gehenden Modificationen, von welchen die meisten Organsysteme dieser Untergattung im ge- schlechtsreifen Zustande ergriffen werden, Modificationen, von welchen sich in der anderen Untergattung (Tremomastus) keine Spur findet. Wir haben gesehen, wie diese in geschlechts- reifen Individuen allmählich eintretende Umwandlung der Gewebe in der Hypodermis?) und im Darmkanalet) zu einer förmlichen Erschöpfung führt, zu einer Histolyse, die es unmöglich erscheinen lässt, dass so beschaffene Leibespartien noch weiter zu existiren vermögen. Ich sage absichtlich Leibespartien; denn ein Theil des Körpers, und zwar der vordere, bleibt ja von dieser Gewebe-Umwandlung durchaus verschont. Dieser Theil, insbesondere der Thorax, ist daher auch allein als der constante, die betreffende Individualität continuirlich repräsen- tirende Körperabschnitt aufzufassen; von ihm aus können an Stelle der zum Behufe der Ent- o) Vergl. p. 146 und 675. B Vergl. p. 27—29. y) Vergl. p. 48—51. VI. Geschlechtsorgane. 2. Die sexuellen Modifieationen bei Clistomastus und ihre Beziehungen etc. 795 leerung der Geschlechtsprodukte abgelösten Zonitencomplexe wiederum andere nachwachsen. Drittens erinnere ich an die-eigenthümliche Beschaffenheit des den Thorax und das Abdomen von einander scheidenden Septums*) bei C’listomastus, welche sich nicht anders, als eine Ein- richtung zur willkürlichen Abschnürung des Abdomens verstehen liess. Wenn man somit bedenkt, dass bei diesen 'Thieren im hoch geschlechtsreifen Zustande der der fungirenden Keimstöcke entbehrende Vorderleib alle Elemente zur Weiterexistenz nicht nur, sondern auch zur Regeneration in sich trägt, der von Keimprodukten überfüllte Hinterleib dagegen nur noch als ein diese Produkte umgebender, für die Hauptfunctionen des Stoffwechsels ungeeigneter, zum Untergange bestimmter Behälter fortvegetirt, so wird es wohl auf keinen Widerspruch stossen, wenn ich behaupte, dass eine periodische Ablösung des gefährdeten Körpertheiles für die Existenz des betreffenden Individuums von Vortheil ist. Würde nämlich dieser bedrohte Körpertheilnicht abgestossen, so müsste er in den ihn nothwendigerweise früher oder später ergreifenden Zersetzungsprozess auch den zur Weiterexistenz befähigten Vorderkörper mit hineinreissen. Die in diesem Einen Falle ermöglichte Einsicht, dass die Ablösung von mit Geschlechts- produkten erfüllten Zonitencomplexen für das Thier von Nutzen sein muss, ist nun insofern von Interesse, als sie meiner Ansicht nach auf die hinsichtlich ihrer Genese und Bedeutung noch so dunkele, als Generationswechsel bezeichnete Fortpflanzungsweise ein Licht zu werfen vermag. Bei den Syllideen, also bei eben derjenigen Annelidenfamilie, welche Gattungen mit Generationswechsel einschliesst, finden sich alle Uebergänge von dieser complieirteren Fort- pflanzungsweise (Autolytus) bis zu der einfacheren (Syllis), die sich mit derjenigen von Clisto- mastus vergleichen lässt. Wie wenig sich die einfacheren Zustände der Syllideen von den- jenigen unserer Capitellide entfernen, mag man aus folgendem Satze von Enrers') entnehmen: »Nach meinen Anschauungen stellt überhaupt die Amme bei diesen Würmern das höher ausgebildete Thier dar, wo neben den gut entwickelten Ernährungsapparaten auch die keimbereitenden Organe sich aus- bilden können, während das Geschlechtsthier oft nichts Weiteres ist, als ein abgelöstes Stück des Stamm- thieres, welches durch die Bildung eines neuen Kopfes selbständig, durch das Hervorwachsen eines die Schwimmbewegungen unterstützenden Borstenbündels beweglicher geworden ist, und damit die Aufgabe übernimmt, die entwickelten Eier oder den Samen abzusetzen; der Verdauungskanal ist dann als ein mit abgelöstes Darmstück des Stammthieres von relativ nur geringem Werthe. So wenigstens bei den Formen, welche durch Quertheilung sich von der Amme ablösen.« Es herrscht gegenüber Ckstomastus in der That nur der Unterschied, dass bei den Syllideen die abgelösten Stücke die Tendenz zur Kopf- und Schwimmborsten-Bildung aufweisen. Nun hat aber Arserrt?) in Haplosyllis spongicola eine Syllidee nachgewiesen, bei der die zur Ablösung gelangenden, die Geschlechtsprodukte bergenden Stücke, die sogenannten Schwimm- knospen, gar keinen Kopf zur Ausbildung bringen. Ferner hat derselbe Autor darauf hinge- a) Vergl. p. 152—153. El p2230/7.2 02 p. 203. 2) 1. p. 573. c. p. 22 und 23. 100* 796 C. Physiologischer Theil. wiesen, wie es von der niedersten, kaum vom vordersten Segmente einer Schwimmknospe von Haplosyllis abweichenden Kopfbildung bis zur hoch entwickelten keineswegs an Uebergängen fehlt. Endlich ist Haplosyllis, die nach ALserr die ursprünglichste Fortpflanzung unter den Syllideen aufweist, auch noch insofern für unseren Vergleich lehrreich, als, was bei anderen Syllideen nur gelegentlich beobachtet wurde, nämlich das Vorhandensein von Geschlechts- produkten vor der neugebildeten Knospe, also im Stammthiere oder in der Amme, bei Haplo- syllis in der Regel angetroffen wird. Während sich bei Syllis etc. die Ablösung des Geschlechtsthieres vom Stammthiere erst nach voller Reife der Geschlechtsprodukte vorbereitet, werden im Gegentheil bei Autolytus ete. erst in den fertigen Knospen Eier und Samen erzeugt; es kann daher auch erst bei letzteren Formen von Generationswechsel im strengeren Sinne des Wortes die Rede sein. Alle Autoren*), die sich mit dem Thema überhaupt beschäftigt haben, neigen nun aber dahin, die verschiedenen Fortpflanzungsweisen der Syllideen als Glieder Einer Reihe aufzu- fassen, und da wir für das Anfangsglied dieser Reihe, nämlich für die sich an diejenige von Chistomastus anschliessende Fortpflanzungsweise, wahrscheinlich gemacht zu haben glauben, dass sie den betreffenden T'hieren nützlich sein kann, so scheint uns hiermit auch das Endglied dieser Reihe und damit Eine Kategorie von Generationswechsel wenigstens dem Verständnisse näher gerückt. 3. Ueber die Zeitdauer der Geschlechtsreife bei verschiedenen Capitellidenarten. Aus nebenstehender Liste folgt, dass die Höhe der Geschlechtsreife bei den verschie- denen Arten durchaus nicht ihrer Verwandtschaft entsprechend zusammenfällt. So erreichen Notomastus lineatus und Dasybranchus caducus diesen Höhezustand der Reife im Frühling und Sommer, Notomastus Benedeni, N. fertilis, Heteromastus und Capitella im Winter und Frühling, Notomastus profundus im Herbst und Winter, Mastobranchus im Sommer und Herbst, und Dasybranchus Gajolae endlich wahrscheinlich im Sommer. Am längsten dauert die Geschlechtsreife bei Notomastus profundus, indem das ganze Jahr hindurch einzelne Exemplare mit reifen Eiern oder reifen Spermatozoen angetroffen werden; am kürzesten allem Anscheine nach bei Dasybranchus Gajolae. Was das lange An- dauern des Reifezustandes bei N. profundus betrifft, so ist vielleicht dabei die Lebensweise dieses Wurmes (Aufenthalt im Schlamme grösserer Tiefen) nicht ohne Einfluss. *) Man vergl. ausser den bereits eitirten Schriften von Euters und ALBERT noch: LANGERHANS, P. Die Wurmfauna von Madeira. Zeit. Wiss. Z. 32. Bd. 1879. p. 519—523. Ferner: SAINT-JOSEPH, de. Les Annelides Polychetes des Cötes de Dinard. Ann. Sc. Nat. (7) Tome I. 1887. p- 246-—263. VI. Geschlechtsorgane. 3. Ueber die Zeitdauer der Geschlechtsreife bei verschiedenen Capitellidenarten. 797 3 = S m er = = = Bela BE: = Namen der Species: E jr a | & | Ss = = Ei & 3 E E Bemer =: = ul Je le = ar) = m =] = S | kungen: ler} [en | Ef [) @) {=} © o | | 2 alien < (Notomastus lineatus meiste, lg 1 1 1* 1* 1* |meistel, 0 ? 0 0 Im August = | 2 ° viele junge 8 ein- ein- Thiere. S zelne !/s zelne 0 RS — u 1 ? 1 1 1° g* 1 0 0 ) 0 ? OD N(Varietas Balanoglossi) 48 Notomast. Benedeni 1 1 1 1 einz. 1 ) 0 [) 1/9 | Aa 1 1 58 — fertilis 1 1 1* 1* 1* ? 1 v ? ? 2 IV SS — profundus | ein- ein- ein- ein- ein- ein- 1 Ib ie 1 1 j“ zelne 1, | zelne 1, | zelne 1, | zelne 1, | zelne1, | zelne 1, meiste Olmeiste Olmeiste Ojmeiste O|meiste Olmeiste U Dasybranchus cadueus N 1 1 1 1 1 1% 1 u ) 0 ? — Gajolae v 0 v at ? ? 0 0 2 ) 0 Mastobranchus Trinchestt ) 0 1/, 1/y 1 1 ? 1* 18 0 0 0 Heteromastus filiformis 1 il 1* 1 0 ) 0 0—1/ a1) 1 1 ? Capitella capitata 1 1 ein- ein- ein- 0 0 0 ? ? 1 1 zelne 1, | zelne 1 | zelne 1 viele ‚Juvenes Bedeutung der Zeichen: 0 = unreif, !/, = halbreif, 1 = reif. * — Leibeshöhle von zur Ablage reifen Geschlechtsprodukten strotzend. ? = nicht zur Beobachtung gelangt. VII. Anhang: Ueber die @ewöhnung von Capitella capitata an das Leben in Süsswasser. In Anbetracht, dass meiner Ansicht nach die Capitelliden diejenigen polychaeten Anne- liden repräsentiren, von denen die zum grössten Theile das Süsswasser und Festland bewoh- nenden Oligochaeten abstammen, schien es mir nicht ohne Interesse festzustellen, bis zu welchem Grade Capitella (als die zählebigste Form unserer Familie) an den Aufenthalt in Süsswasser gewöhnt werden kann. Ich brachte zu diesem Behufe Anfangs Januar 1SS5 eine grössere Anzahl von Exem- plaren zusammen mit einigen solchen einer ähnlich lebenden Spionide (Spio fuliginosus, Crar.) in einen Behälter mit Seewasser (spec. Gewicht 1,0304 aus einem Aquarium-Bassin), dem zunächst Yı des Volumens Sisswasser beigemengt worden war. Von Woche zu Woche wurde sodann dieser Süsswasser-Zusatz um '/ı vermehrt, wie es die nachfolgende Liste illustrirt. Zur Controle hielt ich daneben eine Anzahl von gleichzeitig mit den Versuchsthieren gefischten Exemplaren (von Capitella capitata) in reinem Seewasser, welches nur an allen denjenigen Tagen, an denen erstere in ein dünneres Gemisch kamen, gewechselt wurde. I} en - ER e | Specifisches | Dee Das Gemisch besteht aus: | Gewicht des | Die Thiere: | ra: Theilen (cem.) Theilen (eem.) en | Seewasser: Süsswasser: ee | ' Januar 3 1000 100 1,0250 | zeigen ein normales Ver- | | halten | 10 1000 200 1,0258 | | 23 1000 300 ® = | 30 | 1000 400 | 1,0217 | Februar | 6 1000 500 | 1,0200 | 13 | 1000 600 | 1,0158 | 20 1000 700 | 1,0150 | 6 27 1000 s00 1,0172 | März 7 1000 900 | ? 14 1000 1000 1,0157 | 21 | 990 1000 1,0150 28 S00 1000 1,0140 | , | Die Exemplare von Spio be- | | ginnen abzusterben. April 4 700 1000 | 1,0126 | 3 | | 11 600 | 1000 1.0117 > Von Spio findetsich kein Exem- % | ö | plar mehr in lebendem Zustande, 18 500 1000 1,0104 ” | Y 25 400 | 1000 1,0088 fangen an abzusterben | Mai 2 300 1000 1,0070 | zum grössten Theile todt | VII. Anhang: Ueber die Gewöhnung von Capitella capitata an das Leben in Süsswasser. 799 Aus vorstehender Liste geht nun hervor, dass unsere Versuchsthiere, auch nachdem die Spioniden schon dem Süsswasser-Einflusse erlegen waren, noch fortfuhren in immer dünneren Gemischen ihr Leben zu erhalten. Erst nach ungefähr vier Monaten, nachdem das Gemisch nur noch aus 400 Volumtheilen See- und aus 1000 Volumtheilen Süsswasser bestand, und das ursprüngliche specifische Gewicht von 1,0304 auf 1,0088 herabgesunken war, fingen einzelne Exemplare an abzusterben, und nachdem sie im Verlaufe einer weiteren Woche in ein noch dünneres Gemisch (300 See- auf 1000 Süsswasser, spec. Gew. 1,0070) versetzt, war offenbar die Grenze überschritten worden, indem die grössere Zahl der Insassen erlag. Die Untersuchung der in diesem letzten Gemische Ueberlebenden ergab nun Folgendes: Die 'Thiere erschienen gegenüber frisch eingefangenen Exemplaren sehr dünn (mager), blass und von äusserst trägen Bewegungen. Die Bluteirculation sowie die Respirationsthätigkeit vollzogen sich in einem stark verlangsamten "Tempo. Der (leere) Magendarm zeigte ein blau- grünes Ansehen. Zahlreiche Nematoden, Infusorien und Bacterien hatten sich in der Leibes- höhle und in den Organen angesiedelt, wogegen die sonst so häufige ankerförmige Gregarine*) verschwunden war. Die stärksten Veränderungen zeigte aber das Blut. Vor allem fiel die bedeutende Zahlabnahme der Leucocyten auf. Die gefärbten Blutkörper hatten zwar ihre Form und Farbe erhalten, aber die Excretbläschen waren von den für die beginnende Melan- ämie*) charakteristischen blaugrünen Höfen umgeben. Zahlreiche in der melanämischen Umwandlung weiter fortgeschrittene Blutscheiben ferner lagen zu Dutzenden in der Leibes- höhle eingekapselt. Solche Einkapselungen sah ich an ausgeflossener Hämolymphe unter meinen Augen derart vor sich gehen, dass Leucocyten eine Anzahl von Blutscheiben unter plasmodienartiger Verschmelzung einhüllten und schliesslich das Ansehen einer glatten Membran annahmen. Die Zahlabnahme der Leucocyten erklärt sich denn auch aus dieser ihrer einhüllenden 'Thätigkeit. Viele mögen auch im Kampfe gegen die so massenhaft in die Versuchsthiere eingedrungenen Parasiten (als Phagocyten) in ähnlicher Weise aufgebraucht worden sein. Auch die (ähnlich den Versuchsthieren ohne Nahrung) in reinem Seewasser gehaltenen Controlthiere waren sehr abgemagert, aber sie hatten ihre lebhaft rothe Farbe, ihre energische Beweglichkeit, sowie die normale Circulations- und Respirationsweise erhalten. Auch zeigte das Blut keinerlei auffallende Veränderungen, und von Parasiten waren keine anderen, als die stets nachweisbaren Gregarinen vorhanden. Bringt man Capitella unvermittelt aus Seewasser in Süsswasser, so erfolgt der Tod nach wenigen Secunden. Das 'Thier erscheint wie paralysirt, indem zugleich an Stelle seiner rothen eine weissliche Färbung tritt. Diese Farbenveränderung beruht nun aber darauf, dass Süss- wasser durch die Körperwandungen diffundirt und auf die rothen Blutscheiben die » Wasser- a) Vergl. p. 288—289 und 721—723. Diese mit Vorliebe im Darme von Capitelliden schmarotzende Gregarine findet sich beschrieben bei CrA- PAREDE, 1..p. 614. c.p- 92. Taf. 1. Fig. 15. s00 C. Physiologischer Theil. wirkung« ausübt. Letztere Wirkung macht sich, wie wir in einem anderen Theile”) nach- gewiesen haben, derart geltend, dass die Scheiben zunächst zu Kugeln aufquellen, dass ferner der Farbstoff nach aussen diffundirt, der Kern scharf hervortritt und dass schliesslich die Kugel platzt, indem zugleich Kern und Excretbläschen herausgeschleudert werden. Der plötzliche Tod durch unvermittelte Uebertragung in Süsswasser wird denn auch — darüber kann kein Zweifel herrschen — in erster Linie durch die Zerstörung der hämoglobinhaltigen Blutscheiben verursacht. Aber nicht nur die plötzliche Uebertragung in reines Süsswasser, sondern auch diejenige in Gemische, wie in das vorletzte unserer Liste (400 Theile See- auf 1000 'Theile Süsswasser), an welche man die 'Thiere allmählich gewöhnen kann, hat einen ähnlich fulminanten Tod zur Folge*). Die Grenze, welche meiner Erfahrung nach bei unvermittelter Uebertragung aus reinem Seewasser nicht überschritten werden kann, ist etwa ein Gemisch von '"s See- und '» Süsswasser. Frisch eingefangene Thiere, welche direct in ein solches Gemisch versetzt werden, verändern zwar ihre hellrothe Färbung in eine gelbliche, bewegen sich ferner viel träger als vorher, können aber am Leben erhalten werden. Dass der Tod solcher 'Thiere, welche direct in das vorletzte Gemisch (also in dasselbe, in dem die meisten unserer Versuchsthiere noch eine Woche hindurch fortlebten) versetzt worden, auf derselben an den Blutscheiben sich geltend machenden »Wasserwirkung« beruht, wie bei Uebertragung in reines Süsswasser, davon habe ich mich durch Beobachtung des be- züglichen sich an den Blutkörpern abspielenden Prozesses unter dem Mikroskope überzeugen können. Und hieraus müssen wir schliessen, dass die Gewöhnung unserer Thiere vom Leben in See- an dasjenige in Süss-, respective in Brackwasser, in erster Linie von dem Verhalten der Hämolymphe, insbeson dere von demjenigen der rothen Blutscheiben beherrscht wird. Wie gelangten nun aber die Versuchsthiere dazu, ihre Hämolymphe gegen den verderblichen Einfluss des zunehmenden Süsswassergehaltes zu schützen? Folgende zwei Weisen scheinen mir a priori die naheliegendsten: Es könnte erstens sowohl Ecto-, als auch Entoderm mit dem Wachsen der Diffusions-Spannung zwischen Medium und Cölomflüssigkeit eine immer grössere Widerstandskraft gegen Diffusionsströmungen er- werben, oder es könnten sich zweitens die Hämolymphelemente, insbesondere die rothen Blut- scheiben an den Einfluss des Süss- oder Brackwassers direct gewöhnen {respective ihre Diffu- sionscoöfficienten ändern). Die letztere Vorstellungsweise ist nun, wie aus Nach- folgendem hervorgeht, die zutreffende. Ich habe schon erwähnt, dass sowohl frisch eingefangene, als auch Controlthiere, die ohne Weiteres in das Gemisch von 1,0088 spec. Gew. gebracht worden, nahezu ebenso plötzlich a) Vergl. p. 157—15S. Umgekehrt konnten auch die in den letzten Gemischen (unserer Liste) befindlichen Versuchsthiere nicht mehr plötzliche Versetzung in reines Seewasser ertragen; sie wurden nämlich in solchem Falle ganz regungslos. Erst nachdem sie in das betreffende Gemisch zurückgebracht, gaben sie wieder Lebenszeichen zu erkennen. VII. Anhang: Ueber die Gewöhnung von Capitella capitata an das Leben im Süsswasser. S0| starben, als wenn sie in reines Süsswasser gebracht worden wären. Oeffnete ich ein eben- solches frisches Thier und liess von dessen Blute in einen Tropfen des erwähnten Gemisches fliessen, so trat an den rothen Scheiben sofort die oben beschriebene Wasserwirkung derart ein, dass in kurzer Zeit nur noch die für die stattgehabte Süsswasserreaction charakteristischen blassen Kreise von der Existenz der Blutscheiben Zeugniss ablegten. Liess ich dagegen eines der Versuchsthiere (vom 25. April) in dasselbe Gemisch (von 1,0088) fliessen, so machte sich zwar auch an seinen Blutscheiben eine Veränderung geltend (der Kern wurde deutlich und sie quollen unter leichter Verfärbung etwas auf), aber in viel geringerem Grade derart, dass die Blutkörper noch nach 24 Stunden ein gelbliches, kuchen- förmiges Ansehen darboten. Es sind demnach die rothen Blutscheiben der Versuchsthiere gegen den verderblichen Einfluss des Süsswassers allmählich widerstandsfähiger geworden, und auf der Erwerbung dieser grösseren Widerstandsfähigkeit beruht unzweifel- haft in erster Linie die»Gewöhnung« unserer Thiere’an das Leben in Brackwasser. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 101 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Den in diesem Theile zu behandelnden Stoff habe ich in zwei Kapiteln untergebracht. Das erste wird sich mit der speciellen Systematik und Faunistik, das zweite mit der allgemeinen Systematik und Phylogenie zu beschäftigen haben. Was sodann die weitere Unterabtheilung betrifft, so beginne ich das erste Kapitel mit der Beschreibung der neapolitanischen Arten, also derjenigen, die ich anatomisch untersucht habe, und auf die sich die nothgedrungen vorzunehmende Reform der Systematik unserer Familie zu stützen haben wird. Am Ende einer jeden dieser Beschreibungen findet sich Vorkommen und Fundort im Golfe von Neapel, und für den Fall, dass die betreffende Species nicht auf diesen Golf beschränkt, auch ihre sonstige Verbreitung, unter Auffüh- rung der Fundorte und Gewährsmänner verzeichnet. Den Schluss dieses Abschnittes bildet ein Schlüssel zum Bestimmen der im Golfe vorkommenden Genera und Species. Im zweiten Abschnitte gebe ich eine kritische Uebersicht der bisher beschrie- benen, im Golfe von Neapel nicht vorkommenden Arten. Auch in diesem Falle werden die Fundorte jeder einzelnen Form unter Citirung der betreffenden Gewährsmänner (so weit als mir die so zerstreuten faunistischen Daten überhaupt bekannt geworden) aufgeführt. Das Resultat dieser kritischen Uebersicht, nämlich die muthmaassliche Synonymie der gesammten Arten, bringt der dritte Abschnitt in Form einer entsprechenden Liste zum Ausdrucke, und im vierten endlich kommen alle die in den vorhergehenden im Detail ange- gebenen Fundorte jeder Species, zu grösseren Meeresabtheilungen zusammengefasst, in Form einer Tabelle zur Darstellung, der sich eine Besprechung der geographischen Verbreitung der Capitelliden anschliesst. Im zweiten Kapitel sodann sollen erstens die Verwandtschaftsverhältnisse der Capitellidenformen untereinander, zweitens diejenigen zwischen Capitelliden und Oligochaeten und drittens diejenigen zwischen Capitelliden und Anneliden Je einer kurzen Erörterung unterzogen werden. In Anbetracht, dass nicht wenige Capitellidenspecies lediglich nach unzureichend conser- virten Thieren und unter einseitiger Berücksichtigung oberflächlicher Charaktere beschrieben worden sind, sowie dass im Nachfolgenden die Existenzberechtigung solcher Species mehr- D. Systematisch-Faunistischer Theil. s03 fach in Zweifel gezogen wird, möchte ich noch ein paar dahinzielende Bemerkungen voraus- schicken. Vor Allem sei hervorgehoben, dass die Feststellung der äusseren Körperform, respec- tive der Gestalt- und Dimensions-Veränderungen von Zoniten verschiedener Leibesregionen überall da, wo es sich nicht um so eigenthümliche Anordnungen, wie zum Beispiel bei der strobilaähnlichen Configuration der hintersten Segmente von Mastobranchus oder Heteromastus handelt, nur an frischem, oder doch nur an vorzüglich conservirtem und zahlreichem Materiale möglich ist. Es kommen nämlich, je nachdem sich während des Absterbens, respective wäh- rend der Wasserentziehung mehr die Ring,- Längs- oder Quermuskulatur contrahirt, Gestalt- und Grössen-Modificationen zu Stande, nach welchen man sich beim lebenden 'T’hiere meist vergebens umsieht. Weitaus die meisten Capitelliden lassen eine mehr oder weniger deutlich ausgeprägte Zweiringeligkeit der Segmente erkennen. Bei jenen Formen aber, deren Thorax eine ausgesprochene Cuticulafelderung aufweist, also bei Notomastus, Dasybranchus und Mastobranchus, spiegeln die Grenzlinien der meist regelmässig gürtelförmig angeordneten Cuticulafelder leicht eine Vielringeligkeit der Segmente vor, und zwar ganz besonders bei conservirten, respective contrahirten Thieren. Je nachdem an solchen das eine oder das andere Zonit in's Auge gefasst wird, das heisst je nach der Zahl oder Grösse der Felder sowie je nach dem Grade der Con- traction, meint man (anstatt zwei) drei bis sechs Ringel zählen zu können. Es folgt hieraus, dass die Ringelzahl von Thoraxsegmenten nicht, wie meine Vorgänger es thaten, als Species-, oder gar als Gattungsmerkmal benutzt werden kann. Eines der formveränderlichsten Organe des Capitellidenleibes bildet der Kopflappen. Dies rührt einmal daher, dass sein Volum von der Blutfülle abhängig ist, und sodann auch daher, dass er theilweise oder ganz retrahirt werden kann. Je nach der beim Absterben statt- gehabten Contraction finden sich denn auch oft bei Individuen ein und derselben Art die respectiven Kopflappen stark von einander abweichend; zum Beispiel die einen einförmig glatt, die anderen (in Folge der Einziehung ihrer Spitze) scheinbar zweiringelig ete. Meiner Er- fahrung nach lässt sich Form und Grösse des fraglichen Organes nur an lebenden Thieren genau feststellen, und was seine systematische Verwerthung betrifft, so hat sich ergeben, dass es nur bei Einer Formenreihe (nämlich bei Dasybranchus) für die Art-, im Uebrigen aber nur für die Genus-Definition verwendet werden kann. Ganz besonders gilt letzteres für die so arten- reiche Gattung Notomastus, und doch existirt kaum Eine Speciesdiagnose dieser Gattung, in welcher die Form und Grösse des Kopflappens nicht eine Rolle spielten. Wenn auch den Borsten in unserer Annelidengruppe keine so hohe classificatorische Bedeutung zukommt, wie in vielen anderen, so vermögen doch Abbildungen von solchen unter gewissen Bedingungen nicht wenig zur Wiedererkennung, respective zur Unterscheidung der betreffenden Formen beizutragen. Diese Bedingungen sind aber folgende: Erstens hat die Abbildung nicht nach dem Augenmaasse, sondern mit Hilfe der Camera 101* 04 D. Systematisch-Faunistischer Theil. zu geschehen, indem häufig die Form- und Grössen-Unterschiede so geringfügig sind, dass sie selbst geübten Beobachtern entgehen. Im Hinblicke auf die Berechtigung dieses Verlangens dürfte die Erklärung nicht überflüssig sein, dass ich unter den von meinen Vorgängern ge- gebenen Borstenfiguren auch nicht Einer begegnete, die das Prädicat exact verdient hätte. Wo man meinte, Species-Charaktere zu zeichnen, kam oft lediglich der Capitelliden-Habitus zum Ausdrucke, und selbst der nicht einmal in allen Fällen. Zweitens sollten neben stark vergrösserten 'Theilen stets auch ganze Borsten wieder- gegeben werden, indem die Verschiedenheiten der Gesammtform wichtiger, als beispielsweise diejeniger des mit so grosser Vorliebe benutzten Kopfabschnittes zu sein pflegen. Drittens versäume man nicht Flächen- und Profilbilder herzustellen, weil ein und die- selbe Borste in den beiden Lagen starke Abweichungen darbieten kann. Lediglich dem Um- stande, dass man stets die (bequemere) Profillage ins Auge fasste, ist auch die so verbreitete irrthümliche Meinung zuzuschreiben, dass die Hakenköpfe nur mit mehreren einzeln über- einander gelegenen Zähnchen besetzt seien, während es sich doch in Wahrheit um Reihen solcher handelt. Diese Zähnchen bieten nicht nur an sich ein sehr schwankendes Verhalten dar, sondern geben auch durch ihre Anordnung (jan einer gewölbten Fläche) leicht zu Irr- thümern beim Zählen Veranlassung. Den so häufig in den Diagnosen vorkommenden Zahlen- angaben über die Hakenzähnchen ist denn auch durchaus keine Bedeutung beizulegen. Viertens bedarf es der Abbildung von Borsten aus verschiedenen Leibesregionen, und zwar aus hämalen wie neuralen Parapodien. Bei mehreren Gattungen lassen sich nämlich dem Leibe entlang charakteristische Gestalt- und Dimensions-Veränderungen der Haken con- statiren, und zwar hämal zuweilen andere als neural. Und fünftens endlich ist es sehr wünschenswerth, wo junge T'hiere zur Verfügung stehen, solche nicht nur auf die Form, sondern auch auf die Vertheilung der Borsten zu unter- suchen. Bei einzelnen Gattungen erleidet nämlich im Laufe des Wachsthumes das Verhältniss zwischen Pfriemen- und Hakenborsten tragenden Segmenten eine Veränderung, das heisst es treten Pfriemenborsten an Stelle von Hakenborsten. Da dem Vorhergehenden zufolge die herkömmliche einseitige Verwerthung äusserlicher Merkmale, insbesondere conservirtem Materiale gegenüber, zu unzulänglichen Resultaten führen muss, und der Systematiker oder der Faunist auf die Berücksichtigung solchen Materiales doch niemals wird Verzicht leisten können, so habe ich in die nachfolgenden Beschreibungen auch alle diejenigen inneren Charaktere aufgenommen, welche sich verhältnissmässig leicht fest- stellen lassen. Die Meinung, dass durch eine solche Ausdehnung der Charakteristik dem Systematiker bei künftigen Bestimmungen die Arbeit erschwert werde, beruht meinen Er- fahrungen nach auf einem Irrthume; denn nicht etwa die langen, ausführlichen, sondern die kurzen, unzureichenden Diagnosen sind es, welche uns am meisten Zeit und Mühe kosten. I. Specielle Systematik“ und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe vorkommenden Arten. Familiendiagnose: Capitelliden (Capitellacea) Gruse 1. p. 4. c. p. 378. D’Üperen 1. p. 3. c. p. 29. Synonyme: Halelminthea V. Carus {p. p.) 1. p. 5. ec. p. 442. Langgestreckte, walzenförmige, aus zahlreichen Segmenten bestehende Anneliden von röthlicher Färbung. Am Gesammtkörper lassen sich zwei mehr oder weniger scharf voneinander abgesetzte Regionen, nämlich eine kürzere vordere als 'Thorax, und eine längere hintere als Abdomen unterscheiden. Zur Feststellung der Grenzmarke dieser beiden Regionen kann stets der Ueber- gangspunkt von Oesophagus in Magendarm und in zahlreichen Fällen der Borstenwechsel (Pfriemenborsten am Thorax, Haken am Abdomen) sowie auch die vordere Mündung des Nebendarmes verwendet werden. Der drehrunde, lebhaft blutroth gefärbte, durch hexagonale Cuticulafurchen mosaikartig gefeldert erscheinende Thorax weist in seiner Mitte den grössten Durchmesser auf und ist daher von spindelförmiger Gestalt; vorm läuft er in einen relativ kleinen, kegel- oder eichel- förmigen, retractilen, der Tentakel entbehrenden K opflappen aus, welch’ letzterer stets die oberen Schlundganglien oder das Gehirn s. str. einschliesst. Das auf den Kopflappen folgende, ebenfalls aller Fühler oder Fühlereirren entbeh- rende erste Körper- oder Mundsegment ist borstenlos*); ebenso das letzte Abdomen- oder Aftersegment, welches mit fingerförmigen Anhängen ausgerüstet sein kann. Die distich-uniremal angeordneten, mit einfachen Borsten ausgerüsteten Para podien bilden am Thorax rudimentäre, retractile, anhangslose Stummel, und am Abdomen w enig vor- springende, sowie wenig retractile Wülste (Tori). «) Man vergleiche: Einleitung p. I—10. Es finden sich da insbesondere die meisten für die Systematik der Familie in Betracht kommenden Literatur-Nachweise in chronologischer Anordnung. Capitella macht, wie ich in dieser Monographie nachgewiesen zu haben glaube (vergl. p. 259), nur scheinbar eine Ausnahme, indem ihr Mundsegment als mit dem Kopflappen verschmolzen und daher das erste (borsten- tragende) Segment in morphologischem Sinne als das zweite zu betrachten ist. 806 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Die in der Regel vorhandenen, auf den Hinterleib beschränkten Hämolymphkie- men*) können entweder unvollständig retractile, zipfelförmige Ausbuchtungen der Hakentaschen (einfache Parapodkiemen), oder aber total retractile, selbständige, vielfach verzweigte Stämm- chen (verzweigte Parapodkiemen) darstellen. Die unter der Form sogenannter Pigmentflecke auftretenden Sehorgane liegen stets im Bereiche des Kopflappens. Ebenda haben die wahrscheinlich als Geruchsorgane fungirenden, ein- und ausstülpbaren Wimperorgane ihre Lage. In nahezu allen Körpersegmenten, und zwar im Bereiche der Seitenlinie, kommt je ein Paar ansehnlicher, mit Sinneshaaren besetzter Hügel, nämlich die wahrscheinlich als » acces- sorische Gehörapparate« zu betrachtenden Seitenorgane**) vor. Am Thorax können diese Organe in besondere Spalten zurückgezogen werden, am Abdomen dagegen liegen sie stets frei. Endlich sind von Sinnesorganen noch die zur Vermittelung der Geschmacksempfindung dienenden auf den Papillen des Rüssels, auf dem Kopflappen und auf dem’Körper zerstreut stehenden becherförmigen Organe zu nennen. Die neural an der Basis des Kopflappens gelegene Mundspalte führt in einen mäch- tigen, vorstülpbaren, mit Papillen besetzten, als Bohrwerkzeug fungirenden, unbewaffneten Rüssel. Auf diesen folgt der in Form eines glatten, überall gleich weiten Rohres den Thorax durchsetzende Oesophagus und auf letzteren sodann der zuweilen umfangreichere, durch seine Färbung abstechende Magendarm. Dieser Magendarm oder Hauptdarm ist durch einen neu- ralen, ähnlich ihm selbst aufgebauten, kanalartigen Anhang, den sogenannten Nebendarm, aus- gezeichnet, welcher sowohl vorn, als auch hinten in den Hauptdarm einmündet und wahr- scheinlich lediglich der Respiration dient. Die terminal-dorsal gelegene Afteröffnung wird in der Regel von einem im Durchmesser die Schwanzsegmente übertreffenden Ringwulste umgeben. Das G esammtgehirn (obere und untere Schlundganglien nebst Schlundring) nimmt den Kopflappen und die zwei ersten Thoraxsegmente ein. Der bald frei in der Leibeshöhle lie- gende, bald in die Gewebe des Hautmuskelschlauches eingebettete Bauchstrang ist meistens durch sehr umfangreiche Neurochorde ausgezeichnet. Beim Mangel aller Blutgefässe circulirt das Blut mit der Lymphe gemischt als Hämolymphe in dem vielfach gegliederten Cölome. Der Blutfarbstoff (Hämoglobin) ist an kreisrunde Scheiben gebunden, das Blutplasma ist farblos. Die metamer oder polymetamer angeordneten Nephridien (Segmentalorgane) können entweder in den meisten Körpersegmenten auftreten, oder auf eine bestimmte Körperregion beschränkt bleiben. In der Regel liegen sie in den sogenannten Nierenkammern. Die Geschlechter sind getrennt. Fast bei allen Formen ***) findet Copulation * Allein Capitella ist der Respirationsorgane in Form äusserer Anhänge oder Fortsätze total verlustig gegangen. Nur Capitella entbehrt dieser Organe. “) Mit Ausnahme des als Untergattung Clistomastus unterschiedenen Notomastus lineatus. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. 807 statt. Die wesentlichsten Theile der Copulationsorgane bestehen aus verschieden zahlreichen, metamer angeordneten, durch besondere Poren nach aussen mündenden Glocken, den soge- nannten Genitalschläuchen, welche im 9' Geschlechte als Samenleiter, Vesiculae semi- nales sowie Penes, und im © als Eileiter, Receptacula seminis und Vulvae fungiren. Diese Genitalschläuche bilden sich in der Regel auf Kosten der Trichter fungirender Nephridien aus, mit welch’ letzteren sie zeitlebens in organischem Zusammenhange bleiben können. Bei einzelnen Gattungen sind im Q', oder aber in beiden Geschlechtern die Haken gewisser Para- podien zu mächtigen copulatorischen Greiforganen (Genitalborsten), vergrössert. Die Larven schlüpfen frühe aus und entwickeln sich unter Metamorphose. Die ausschliesslich marinen Capitelliden leben entweder im Sande und Schlamme oder zwischen dem Detritus von Pflanzen; meistens in selbstverfertigten Wohnröhren. Ihre Bewegungen auf festen Körpern sind spannerraupenartig kriechend; wenn sie im Sande bohren, so wird das Abdomen vom Thorax nachgezogen, und wenn im Wasser zum Schweben gebracht, pflegen sie sich schlängelnd niederzulassen. a. Genus Notomastus?). Sızs 1. p. 2 (Rapp. Voy. Lofoten) c. p. 79 und 1. p. 2 (Fauna littoralis) c. p. 9. Synonyme: Capitella (C. rubieunda?) Kerersr. ]. p. 4. c. p. 123. Arenia (A. cruenta') und A. fragilis®) QuaArtker. 1. p. 6. c. p. 250 und 251. Sandanis (S. rubicundus®) Kıne. ]. p. 7. c. p. 343. Capitella (C. major°) Crap. 1. p. 8. c. p. 276. . Capitelliden, deren aus 12 Segmenten bestehender Thorax ausschliesslich mit Pfriemen-, und deren Abdomen ausschliesslich mit Hakenborsten ausge- rüstet ist. Kopflappen‘) stumpf kegelförmig. Mundsegment von annähernd gleicher Länge wie die zunächst folgenden. Der T'horax erscheint in seinem vorderen Abschnitte vielringelig®), in seinem hinteren dagegen scharf zweiringelig®). Seine Segmente nehmen von vorn bis zur Mitte etwas an Länge zu, um sich von da bis zum Abdomenanfange annähernd gleich zu verhalten. Am Abdomen pflegt die Zweiringeligkeit der Segmente nur wenig ausgeprägt zu sein. Kurz im Anfange dieser Region nehmen die Zonite weiterhin derart stetig an Länge zu, dass sie in der Mitte etwa die doppelte Länge aufweisen. Von da bis zum Abdomenende al af 2 Ric: be Tate 2...Rıo al cn lat.a2., Bir 2. a, Vergl. die ausführlichere Beschreibung der Gattung p. 11—19 sowie auch Tafel 2. 3) Vergl. bezüglich der Begründung der Synonymie p. 63a. Y) - - - - - - p- 865. ö) - - - - - - p. 866. ) - - - - - - p. 8564. m) S e 2 p. 818. s08 D. Systematisch-Faunistischer Theil. nehmen sie sodann ebenso allmählich wieder an Länge ab. Es herrscht also kein besonders auffallender Gegensatz zwischen den Segmentlängen der verschiedenen Körperregionen. Die neurale Längsmuskulatur‘) erreicht im Abdomenanfange eine so ausserordent- liche Höhe, dass die Seitenlinie und die in ihrem Bereiche gelegenen Organe nahezu auf die Rückenfläche zu liegen kommen. Grosser Gegensatz zwischen den thoracalen keulenförmigen und den abdominalen wulst- förmigen Parapodien®). Im Abdomenanfange erstrecken sich die neuralen Parapodien bis hoch gegen den Rücken herauf; die etwa nur "; so langen hämalen kommen in derselben Körperregion ganz auf die Rückenfläche zu liegen, und zwar rücken sie da so nahe zusammen, dass sie eine gemeinsame rundliche oder biscuitförmige Masse bilden, in der die ursprüng- liche Paarigkeit nur noch durch die durch eine Lücke unterbrochenen zwei Hakenreihen zum Ausdrucke kommt‘). Die Pfriemenborsten) sind relativ lang, dünn und sehr schwach S- förmig gekrümmt; ihre distalen, schmalen Säume nehmen etwa '; der Gesammtlänge ein. Die Haken®, sind dem ganzen Abdomen entlang von einerlei Form, so dass der Ge- sammtkörper zweierlei Borsten aufweist. Die Respirationsorgane sind ausschliesslich durch einfache Parapodkiemenf) ver- treten, welche sowohl hämal, als auch neural zur Ausbildung kommen können. Die Sehorganes) bilden zwei ziemlich ausgedehnte, längliche, an der Basis des Kopf- lappens hämal-seitlich gelegene, braune Pigmentstreifen, welche von besonderen Lappen der vorderen Gehirnganglien innervirt werden. Die ebenfalls hämal-seitlich auf der Grenze zwischen Kopflappen und Mundsegment gelegenen Wimperorganeh) sind von bedeutender Grösse und werden ausschliesslich von den hinteren Gehirnganglien innervirt. Seitenorganei) finden sich vom ersten bis zum letzten borstentragenden Körper- segmente. Becherorganek) kommen im Rüssel, auf dem Kopflappen und auf dem Thorax vor. Der Magendarm ist annähernd von gleichem Durchmesser wie der Oesophagus und lässt nur selten Iymphatische Zelldivertikel erkennen. Das Gehirn!) (obere Schlundganglion) besteht aus zwei durch grosse Selbständigkeit ausgezeichneten Ganglienpaaren. Der Bauchstrang") ist von durchaus cölomatischer Lage: seine Neurochorde erreichen eine ziemlich kräftige Ausbildung. Die Nephridien?”) wiederholen sich in der Regel vom ersten bis zum letzten Abdo- mensegmente, und zwar in je einem Paare. a) Taf. 2. Fig. 6 und Taf. 12. Fig. 2. b) Taf. 2. Fig. 1 und Fig. 6. ce). Tat. 2. Fig. 2 und 6. d) Taf. 31. e) Taf. 31. 2), Dat. 2. Bio. 2Zund6. g) Taf. 2. Fig. 12. h) Taf. 2. Fig. 9, 16 und 17. Taf. 6. Fig. 18 und 20. 1a Rat. 2. 2B10” 15 025und6. k) Taf. 11. Fig. S—14. ]) Taf. 2. Rıg.216 und 17. 1 mil Taf. 12. Fig, 2. n) Taf. 2. Fig. 23, 24 und 27. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. 509 Die Entwickelung der Geschlechtsprodukte®) geht ausschliesslich an der Genital- platte vor sich. Umfangreiche Eierstöcke mit Eierstocksmembran und Eifollikeln. Ein steriler, thoracaler Keimstock im 12. Körpersegmente. Verschieden zahlreiche in den letzten 'Ihorax- oder in den ersten Abdomensegmenten gelegene Genitalschläucheb), welche in der Regel zeitlebens mit den in denselben Seg- menten gelegenen Nephridien in organischem Zusammenhange bleiben. Kritik der Genus-Diagnosen von Sars und LEVINSEN. Die Diagnose von Sars!) lautet: o } »Lobus capitalis conico-acuminatus. Os subtus; pharynx exsertilis breviter clavata, papillis obsita. Anterior corporis pars eylindrico-subfusiformis, e segmentis duodecim medio suleco in annulos duos divisis, primo absque et caeteris undeeim utrinque fascieulis binis setarum capillarium, mamillis pedalibus carentibus, composita. Posterior corporis pars longior et tenuior, e segmentis constans numerosis indivisis, utrinque ma- millis pedalibus seu toris et superioribus et inferioribus serie setarum uneinatarum ornatis. Branchiae nullae.« Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Der Kopflappen kann je nach den Arten sowohl eine spitz-, als eine stumpf-conische Form aufweisen. Die neurale Lage des Mundes, der ausstülpbare, mit Papillen besetzte Rüssel sowie die Spindelform des 'T'horax sind Familiencharaktere. Nur in den hintersten 'Thoraxsegmenten kann ferner von einer deutlichen Zweiringe- ligkeit der Segmente die Rede sein, und diejenigen des Abdomens unterscheiden sich nicht durch den Mangel, sondern nur durch die geringere Ausbildung der zweitheilenden Furchen. Kiemen ferner sind bei allen Arten vorhanden, und zwar in Form einfacher Parapod- kiemen. Was demnach von der Sars’schen Diagnose bestehen bleibt, das ist die Zwölfzahl der Thoraxsegmente sowie ihre ausschliessliche Versorgung mit Pfriemenborsten im Gegensatze zu dem ausschliesslich Haken tragenden Abdomen. Die Levissen’sche?) Diagnose lautet: »Et borstelest Mundsegment; i Legemets bageste Deel, som bestaar af et stort Antal Ringe, ere Krogbersterne overordentlig smaa; de nederste Räkker meget lange og de overste meget korte; ingen Kjon- spalter eller omdannede Borster; smaa, med en Spalte forsynede Knuder paa Rygsiden (se Familiebeskrivelsen).« Zur Zeit als Sars seine Diagnose abzufassen hatte (1856), stand es um die Zusammen- gehörigkeit der verschiedenen Capitellidengattungen noch sehr fraglich, zur Zeit dagegen als Levinsen die seinige niederschrieb (1883), waren, insbesondere durch die Arbeiten GruBE’s und ÜLAPAREDES, wenigstens die wesentlichsten Charaktere der Familie sowie der Gattungen schon übersehbar; und doch ist die Levinsenssche Beschreibung weit davon entfernt über die von Sars hinauszugehen, bildet im Gegentheil einen Rückschritt. a) Taf. 14. Fig. 22. Taf. 15. Fig. 7. b)i Taf. 2.) Fig. 27 und 29.) Taf. 14. Fig, 11 und12. ) 1. p. 2. (Fauna littoralis) c. p. 12. 1 2) Levinsen, G. Systematisk-geografisk Oversigt over de nordiske Annulata ete. Vid. Meddel. Nat. For. Kjebenhavn. 1853. p. 140. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 102 s10 D. Systematisch - Faunistischer Theil. Es sind nämlich das borstenlose Mundsegment, die grosse Zonitenzahl des Abdomens gegenüber dem 'Thorax, die mit einer Spalte versehenen Fortsätze (das heisst die Seitenorgane) keine Gattungs-, sondern Familiencharaktere. Auch dass die Hakenborsten ausserordentlich klein seien, ist unzutreffend; denn im Verhältnisse zur Körpergrösse haben die Arten der Gat- tung Notomastus weder auffallend kleinere, noch auffallend grössere Haken, als diejenigen irgend einer anderen Capitellidengattung. Und endlich ist es auch nicht richtig, dass Notomastus Poren zur Entleerung der Keimprodukte abgehen. Nach alledem bleibt von der Levissex’schen Diagnose allein die Betonung des Ueber- wiegens der neuralen Tori gegenüber den hämalen übrig, welches Merkmal indessen für sich allein werthlos ist, indem es ebenso für Mastobranchus und bis zu einem gewissen Grade auch für Dasybranchus zutrifft. Untergattung Chistomastus. Genitalschläuche und Genitalschlauchporen (Porophore) fehlend oder, wenn vor- handen, rudimentär in den letzten 3 Thoraxsegmenten. Es findet keine Copulation statt. Die Geschlechtsstoffe werden durch Abschnürung reifer Abdominalportionen frei. Während der Ge- schlechtsreife vollziehen sich in den Geweben des Abdomens (nämlich in der Haut, in dem Darme und an den Septen) tiefgreifende, mit vollständiger Degeneration endigende Metamor- phosen. Das Septum) des letzten 'Thoraxsegmentes ist so stark verdickt, dass es nahezu den ganzen Cölomraum des betreffenden Segmentes ausfüllt und die in diesem Raume gelegenen Organe (insbesondere Darm und Bauchstrang) bedeutend einengt. Die Haken-Köpfe und -Zähnchen kräftig ausgebildet; die Basen der Haken-Schafte stark gekrümmtb). Von der transversalen Muskulatur (Nierenplatten) finden sich nur je an den hinteren Grenzen der Segmente schwache Andeutungen. Die gelb- bis schwarzbraun gefärbten Nephridien‘) stellen in zwei Schenkel aus- laufende Keulen, respective an ihrer Umbiegungsstelle verwachsene Schleifen dar, welche durchaus frei, und zwar hoch in der Darmkammer gelegen sind. In erwachsenen Thieren treten sie meist erst vom 3. Abdomensegmente an wohlausgebildet auf; aber in den vorher- gehenden Segmenten, und zwar in um so mehr, je jünger die Thiere, pflegen sich rück- gebildete vorzufinden. Ihre Grösse nimmt vom Abdomenanfange bis zur Abdomenmitte stetig zu; von da bis zur Schwanzregion bleibt sie sich gleich. In einzelnen Segmenten der hin- teren Körperregion treten die Nephridien nicht selten polymetamer auf!); umgekehrt können sie auch in einzelnen Segmenten fehlen. Der Ausfuhrkanal®) entbehrt der eigenen (epithe- lialen) Wandungen, ist »intracellular«. Die nephridiale Zellsubstanz erscheint in der Regel a) Taf. 15. Fig. 28 und 29. b) Taf. 31. Fig. 3—7. e) Taf. 34, Fig. 1. d)Taf. 2. Fig. 23—26. e) Taf. 13. Fig. 10 und 11. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. 811 ungefärbt und enthält meist zahlreiche Concretionen‘) von gelbbrauner Farbe und von an- sehnlicher Grösse. Die inneren schüsselförmigen Mündungen’) (Trichter) finden sich nahe- zu auf der Höhe der Seitenlinie; die äusseren, meist auf hohen »Schornsteinen« angebrachten Mündungen liegen in der Nähe der hämalen Parapodien®. In Bezug auf die Längsaxe nehmen diese letzteren Mündungen die Grenzen des ersten und zweiten Dritttheils der Segment- längen ein. Farbe der Blutscheiben*) grünlich-gelb®). Zahl und Grösse ihrer etwas dunkler gelb gefärbten Concretionen meistens gering. Notomastus (Clistomastus) lineatus®, Cuap.*) 1. p. S. c. p. 278. Thoraxfelderung bis zum 8. oder 9. Segmente sehr scharf hervortretend. Das in seinem Anfange dorso-ventral comprimirte Abdomen setzt sich breit an den Thorax anf). Auffallender Gegensatz der beiden Körperregionen. Allein an den neuralen Parapodien, und zwar dorsal finden sich Parapodkiemen. Diese erreichen in den ersten Abdomensegmenten einen bedeutenden Umfang, weiterhin nehmen sie immer mehr an Länge und Breite abs). Das Pigment des Magendarmest) besteht aus gelblichen bis bräunlichen Partikeln; im Bereiche seiner neuralen Medianlinie finden sich ferner grössere schwefelgelb gefärbte Tropfen und Bläschen. N. lineatus erreicht eine Länge von 12—15 cm und eine Breite von ungefähr 3 mm. Am Abdomenanfange, insbesondere dorsal, erscheinen gesunde '[hiere von ebenso tief- rother Färbung wie am Thorax; weiterhin gegen das Abdomenende macht sich aber ein immer blasseres Ansehen geltend. Die annähernd reifen Eier!) haben einen Durchmesser von etwa 130 p und entbehren jedweder Färbung. Die Zeit der Geschlechtsreife erstreckt sich vom Januar bis August. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. N. lineatus gehört zu den häufigsten und zu den im Golfe am weitesten verbreiteten an Tan Ba Fig 6:1 Yaib) Tal 72. Eigk, 25, Tat. ,34.,Eig. 2.511 Ne). Taf.. 2,.Eig 3. Taf. 19 Fig; 8.79. d) Taf. 35. Fig. 1. ee) Taf. 1. Fig. 1. S)Taf.2.Fig. 2. g)Taf. 2. Fig. 2—4. h) Taf. 33. Fig. 13. elar. 1. Bios cte, a) Bezüglich der möglichen Synonymie dieser Form mit N. Sarsii Cuar. vergl. p. 564. *%) So charakteristisch sind die Blutscheiben und Nephridien in den beiden Untergattungen, dass meist schon ein Blutstropfen oder ein Nephridium-Bruchstück genügt, um bestimmen zu können, ob man es mit einer zu Clisto- oder zu Tremomastus gehörigen Art zu thun hat. 102* s1?2 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Capitelliden. Vom Castello dell’ Uovo bis zum Capo di Posillipo wird das Thier überall da angetroffen, wo der Sand frei von Verunreinigung ist, und zwar in einer 'liefe von 1—3 Metern. - Seine grösste Häufigkeit fällt mit der Zeit der höchsten Geschlechtsreife zusammen. Sonstige Verbreitung der Species. Soweit meine Kenntniss der bezüglichen Litteratur reicht, ist N. lineatus bis jetzt von anderen Meerestheilen nicht aufgeführt worden. Kritik der Örararkor’schen Beschreibung. ULaPareDE hat als Hauptcharakter der uns beschäftigenden Art, wie durch den Namen »lineatus« ausgedrückt wird, eine median-hämal auf dem Abdomen verlaufende rothe Linie hervorgehoben. Dieser Charakter ist nun aber hinfällig, indem der betreffende rothe Streif durch ein der Gattung zukommendes Organisationsverhältniss, nämlich durch das so ausserordentliche Ueberwiegen der neuralen Längsmuskulatur bedingt wird und daher nicht nur bei N. /ineatus, sondern auch bei allen anderen Arten gelegentlich zum Vorscheine kommen kann. Die fragliche Linie erweist sich nämlich bei N. lineatus ebensowenig als con- stantes Merkmal, wie bei den anderen Arten. Es hängt ganz von dem Blutreichthume, Contrac- tionszustande und den Circulationsverhältnissen gegebener Individuen ab, ob der Contrast zwischen ungefärbtem Bauche und Flanken einer- und gefärbtem Rücken andererseits so scharf hervor- tritt, dass von einer rothen Linie, respective von einem rothen Streife die Rede sein kann, oder nicht. Meiner Erfahrung nach zeigen nur erschöpfte oder misshandelte Thiere das von CLAPAREDE betonte und abgebildete Verhalten, frische und gesunde dagegen das in meiner Figur‘) wiedergegebene. Ferner hebt Crararepe als für die Species bezeichnend hervor, dass die Nephridien hämal als dunkle Flecken durch die Körperwandung hindurchschimmern. Dieses Lagerungsverhältniss der Nephridien kann nun aber keinen Theil der Species-Diagnose ausmachen, indem ÜULArArEpE') selbst früher schon eine Notomastus-Art aus Port-Vendres (N. Sarsü) beschrieben hatte, deren Nephridien ganz ebenso wie bei N. lineatus als schwarze Flecke durch die Rückenwandungen hindurchschimmern. Die hämale Lage der Nierenorgane beruht in beiden Arten auf der mangelhaften Ausbildung der transversalen Muskulatur (Nieren- platten) und dieser Mangel bildet, wie erinnerlich, eines der die Untergattung Clistomastus von Tremomastus unterscheidenden Merkmale. Auch die Angabe, dass die Nephridien von N. lineatus zur Längsaxe der 'T'hiere fast quer gerichtet liegen, ist nur theilweise richtig; denn in Wirklichkeit pflegen sie (vom Hämolymphstrome hin und her bewegt) bald eine der Längsaxe der Thiere parallele, bald eine auf dieselbe mehr oder weniger quer gerichtete Lage einzunehmen. a) Taf. 1. Fig. 1. NE 15 we Gr jun ik I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. s13 Der dritte von ULAPAREDE in seiner Diagnose betonte Charakter, nämlich die im Ab- domenanfange) so auffallend umfangreichen respiratorisch wirksamen Fortsätze der neuralen Hakentaschen oder Parapodkiemen kann fernerhin nur in zweiter Linie als für unsere Species bezeichnend gelten, indem N. profundus (eine seitdem aufgefundene Species) in derselben Körperregion kaum weniger ausgebildete neurale Lymphkiemen aufweist. In erster Linie dagegen muss (so wie wir es in unserer obigen Beschreibung gethan haben) als für die Respirationsorgane von N. /ineatus unterscheidend ihre Beschränkung auf die neuralen Parapodkiemen hervorgehoben werden. Unter den Merkmalen niederen Ranges figurirt die Angabe, dass N. lineatus 1 Thoraxsegmente zähle. Darin hat sich nun ÜUrArArEDE geirrt; denn in Wahrheit zählt der T'horax unserer Art ebenso wie der aller anderen 12 Segmente, und diese Zwölfzahl ist so bezeichnend für das Genus, dass ich sie an die Spitze meiner Diagnose stellen konnte. Ferner ist der 'Thorax von N. lineatus weder seiner ganzen Länge nach sechs- eckig gefeldert, noch erscheinen seine Segmente alle zweiringelig; vielmehr erstreckt sich die für das blosse Auge wahrnehmbare Felderung, wie oben beschrieben, etwa auf die ersten 8$—9 Segmente, und die scharfe Zweiringeligkeit umgekehrt auf die letzten 3—4. Dieser letztere Gegensatz zwischen Vorder- und Hinter-Thorax gilt überdies gleicherweise für die übrigen Notomastus-Arten und wurde daher unserer Genusdefinition einverleibt. Unzutreffend ist endlich noch die Angabe ULArArtpes, dass N. Zineatus nur an den letzten drei Thoraxsegmenten jederseits je mit einem Porus versehen sei. Mit solchen Poren (welche wir als Oeffnungen der Seitenorganhöhlen, in welche die Seitenorgane zurückgezogen werden können, nachgewiesen haben) sind im Gegentheil sämmtliche borsten- tragende T'horaxsegmente ausgerüstet, und zwar nicht nur diejenigen von N. lineatus, sondern auch (mit Einer Ausnahme, nämlich Capitella capitata, wo sie offenbar rückgebildet) bei sämmt- lichen anderen Capitelliden, so dass diese Ausrüstung ebenfalls unter die Familien-Merkmale aufgenommen werden konnte. Notomastus (Olistomastus) lineatus Cvar. Varietas Balanoglossi n. In Anbetracht, dass die Arten der Gattung Notomastus keine so weitgehende Variabilität aufweisen, wie andere (insbesondere wie eine Art von Dasybranchus), habe ich eine sich von der typischen Art N. lineatus hinsichtlich des Habitus und Habitats constant abweichend ver- haltende Form als » Varietas Balanoglossi« unterschieden. Unsere Varietät ist durchschnittlich von etwas geringerer Körpergrösse als die typische Art. Ihre ersten Abdomensegmente erscheinen weniger platt gedrückt, und hier- durch sowie durch den etwas geringeren Umfang der vordersten Parapodkiemen verliert der beim typischen N. lineatus so auffallende Gegensatz zwischen Thorax und Abdomen etwas von seiner Schärfe. Weiter kann für die neue Form geltend gemacht werden, dass ihr Kopf- s14 D. Systematisch - Faunistischer Theil. lappen etwas stumpfer, sowie dass die äussere Anschwellung des Haken ®)-Schaftes stärker ausgebildet und daher im Profil schärfer vom Halse abgesetzt erscheint, als bei der Stammart. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Varietät im Golfe von Neapel. Einzig zwischen den Posidonienwurzeln, und zwar im Bereiche der »San Pietro e due fratic genannten zwei Felsen der Posillipoküste habe ich unsere Varietät angetroffen. Hier lebt sie gemeinsam mit Balanoglossus minutus in einer Tiefe von 1—-3 Metern zwischen den genannten Wurzeln oder in dem zwischen diesen Wurzeln eingestreuten Sande. Untergattung Tremomastus. Genitalschläuche®) wohl ausgebildet in einer je nach den Arten verschieden grossen Anzahl vorderer Abdomensegmente. Dieselben bleiben zeitlebens mit den zugehörigen Nephridien in organischem Zusammenhange und münden durch insbesondere zur Zeit der Geschlechtsreife mächtig anschwellende Porophore nach aussen. Es findet Copulation und innere Befruchtung statt. Die Geschlechtsstoffe werden durch die Genitalschläuche entleert. Das Septum des zwölften Thoraxsegmentes von normaler Beschaffenheit. Die Haken®)-Köpfe und -Zähnchen nicht so kräftig ausgebildet und die Hakenbasen nicht so stark gekrümmt wie bei Olistomastus. Die transversale Muskulatur) oder die Nierenplatten erscheinen dem ganzen Körper entlang wohl ausgebildet. Die gold- oder schwefelgelb gefärbten Nephridien®) stellen rundliche oder nieren- förmige Körper dar, welche fest mit den Leibeswandungen verwachsen und tief in den Nierenkammern gelegen sind. Sie treten stets vom ersten Abdomensegmente ab wohl aus- gebildet sowie in streng metamerer Anordnung auf und nehmen bis zur Schwanzregion derart an Umfang zu, dass sie im Abdomenende ungefähr ein zweimal so grosses Volumen, als im Abdomenanfange aufweisen. Degenerirte (provisorische) Nephridien in den letzten Thorax- segmenten pflegen (selbst bei relativ jungen T'hieren) zu fehlen. Der Nephridiumkanalf) ist stets durch eigene zellige Wandungen begrenzt (intercellular). Die Zellsubstanz ist in der Regel gelb oder orange gefärbt. Die zu Conglomeration neigenden Concretionens) sind wenig zahlreich und von dunklerer (gelber) Farbe, als diejenige der Zellsubstanz. Die inneren, in zwei Zipfel auslaufenden, löffel- oder pantoffelförmigen Mündungent) liegen in der zwischen den dorsalen und ventralen neuralen Längsmuskelsträngen befindlichen Spalte. Die äusseren meist durch einfache Hautspalten, seltener durch kurze Papillen vertretenen Mündungen liegen auf gleicher Höhe wie die inneren und, was die Längsaxe betrifft, nahe den hinteren Segmentgrenzen. a) Taf. 31. Fig. 5—7. b) Taf. 2. Fig. 27 und 29. c) Taf. 31. Fig. 10. d) Taf. 2. Fig; 27 und 28. Taf. 12. Fig. 2. e) Taf. 34. Fig. 7. Taf. 14. Fig. 1—-10. f) Taf. 14. Fig. 2—5. g) Taf. 34. Fig. 10. h) Taf. 34. Fig. 8. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. s15 Farbe der Blutscheiben®) schwefel- oder goldgelb. Zahl und Grösse ihrer dunkler gefärbten Concretionen®) in der Regel sehr bedeutend. Notomastus (Tremomastus) Denedeni:) Cuar.°) 1. p. 5. c. p. 54. Thoraxfelderung nur bis ungefähr zum 6. Segmente scharf hervortretend. Dadurch, dass die ersten Abdomensegmente von rundlichem Querschnitte und ihre Hakentaschen nur wenig ausgebildet sind, ist der Gegensatz zwischen '[horax und Abdomen gegenüber den anderen Arten bedeutend verringert. Allein an den neuralen Parapodien, und zwar dorsal finden sich Parapodkiemen. Diese erreichen aber entfernt keine so hohe Ausbildung wie bei N. lineatus. Von Genitalschläuchen sind fünf Paare, und zwar im 2. bis 6. Abdomensegmente vorhanden. Das Pigment des Magendarmesd) besteht zumeist aus kleinen gelbrothen oder gelb- grünen Partikeln; die seine neurale Medianlinie begrenzenden Zellen sind durch eine lebhaft blaugrüne Färbung ausgezeichnet. N. Benedeni erreicht eine Länge von etwa 10 cm und eine Breite von ungefähr 2 mm. Im Abdomenanfange tritt an Stelle des intensiven Rothes des Thorax eine mehr blass- röthliche Färbung; diese geht in der Abdomenmitte in Braun und schliesslich in (Gelb- grün über. Die annähernd reifen Fier®) haben einen Durchmesser von etwa 280 p, sind grau- braun und enthalten auffallend grosse Dotterkörper. Die Zeit der Geschlechtsreife erstreckt sich von November bis Mai. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. N. Benedeni lebt weder wie N. lineatus im reinen Sande, noch wie Capitella im putriden Schlamme; vielmehr pflegt unsere Species Mischungen beider, wie sie insbesondere in den kleinen, unvollkommen abgeschlossenen Strandhäfen (scogliere) zur Ablagerung kommen, auf- zusuchen. Ursprünglich erhielt ich allein Exemplare aus dem Bereiche des Castello dell’ Uovo; nachdem aber durch den grossen Sturm im Jahre 1879 die dortige Fauna vernichtet worden war, stellten sich Vertreter unserer Art im nördlichen (reineren) 'Theile des Hafens von St. Lucia ein und da sind solche auch heute noch zu finden. Seit der neuen (uai- Regulirung längs der Riviera di Chiaja und Mergellina hat sich N. Benedeni ferner überall a) Taf. 35. Fig. 17 und 23. b) Taf. 35. Fig. 20. ec) Taf. 1. Biel. d) Taf. 33. Fig. 4. e)K-Tat. 1. Dig. 12 a) Bezüglich der möglichen Synonymie dieser Form mit N. rubieundus vergl. p. 563. S16 D. Systematisch - Faunistischer Theil. da angesiedelt, wo Landungsplätze und Häfen errichtet worden sind, also in der sogenannten »Loggetta der Villa«, sowie im kleinen »Hafen der Mergellina«. Ich konnte verfolgen, wie an den eben genannten beiden Punkten N. lineatus sich zurückzog und anstatt seiner N. Bene- deni sich einstellte. Dass lediglich die Vermischung des Sandes mit Detritus, wie es die Eindämmung mit sich brachte, hierfür entscheidend war, geht daraus hervor, dass wenige Meter von den betreffenden Häfen entfernt, wo der Sand rein geblieben, kein Exemplar von N. Benedeni, wohl aber solche von N. lineatus anzutreffen sind. Für diese beiden gleicherweise die Uferstellen in einer Tiefe von 1-3 Meter bewohnenden Capitelliden-Species giebt also ein gewisser Grad von Ver- unreinigung des Sandes Veranlassung zu vollkommener gegenseitiger Isolirung. Nie habe ich, so nahe sie auch nebeneinander hausen mochten, Exemplare von beiden Arten vermischt angetroffen. Sonstige Verbreitung der Species. Mittelländ. Meer: Port-Vendres (Pyrendes Orientales), CrArArkpe 1. p. 5. ce. p. 54. Kritik der OrararkoE’schen Beschreibung. ÜLAPAREDE giebt an, dass N. Benedeni, ähnlich wie die anderen Arten der Gattung, in seinen hakentragenden Segmenten ein Paar von zwei Lippen eingeschlossener Spalten besitze (es sind Seitenorgane gemeint!), dass aber diese Spalten bei der neuen Art nicht wie bei den anderen an den Segmentgrenzen zwischen den Parapodien, sondern in den Segment- mitten ihre Lage hätten, und dass überdies die sonst die Lippen besetzenden steifen Haare hier durch sehr kurze, nicht flimmernde Cilien vertreten seien. Diese Angabe Crararzors beruht auf flüchtiger Untersuchung: denn nicht nur bei allen Arten von Notomastus, sondern auch bei allen Gattungen der Familie behaupten die Seiten- organe unveränderlich ihre Stellung zwischen den neuralen und hämalen Parapodien. Was ÜLAPAREDE gesehen und gezeichnet hat, waren denn auch nicht Seitenorgane, sondern Poro- phore von Genitalschläuchen. Diese haben in der 'That, wenn auch nicht auf den Segment- mitten, so doch etwa auf der Grenze des ersten und zweiten Dritttheiles der Segmentlängen ihre Lage. Aus dem Vorkommen von Genitalschläuchen (wofür auch das Factum spricht, dass CLA- PAREDE bei reifen & gefurchte Eier im Cölom antraf) geht hervor, dass die als N. Benedeni beschriebene Form aus Port-Vendres zur Untergattung Tremomastus gehört. Weiter wird diese /ugehörigkeit erwiesen durch Urarareoes Angabe, dass die Nephridien hellgelbe, halbmond- förmige Körper darstellten und dass die Haken-Köpfe sowie -Zähnchen wenig ausgebildet seien. Was mich nun veranlasst hat, die neapolitanische Form speciell N. Benedeni zuzu- rechnen, das ist in erster Linie die von CrLararkoe betonte geringe Breite der ersten Abdomensegmente, welche auch in unserer Form, wie oben hervorgehoben wurde, ein von I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. Sr den anderen Arten so abweichendes Körperansehen bedingt. Sodann die relativ geringe Kör- pergrösse (gegenüber den anderen Arten). Gegen die specifische Einheit könnte geltend gemacht werden, dass nach Crararkpe der Pyrenäenform die hexagonale Cuticula-Felderung durchausabgehen soll, während ich bei der hiesigen diese Felderung nur weniger ausgedehnt (bis zum 6. Segmente) gefunden habe. Die endgiltige Entscheidung der Frage hängt aber davon ab, ob der Pyrenäenform ebenso wie der hiesigen 5 Paar Genitalschläuche zukommen, worauf künftige Unter- sucher achten mögen. Notomastus (Tremomastus) profundus:) n. Sp. Synonyme: Capitella major Crar. 1. p. 8. c. p. 276. Thoraxfelderung ungefähr bis zum 10. Segmente scharf hervortretend. Erste Abdomensegmente breit, und dadurch sowie durch die kräftig ausgebildeten neuralen Hakentaschen dieser Segmente kommt ähnlich wie bei N. lineatus ein grosser Gegen- satz zwischen den zwei Körperregionen zu Stande. Haken®) länger; ihre Köpfe und Zähnchen weniger ausgebildet, als bei N. Benedeni. Ausser den neuralen Parapodien sind auch die hämalen an der Respirationsthätigkeit betheiligt. Im Abdomenanfange kommt es bei letzteren Parapodien nur zu blasenförmigen, mit dem Cölom communieirenden Auftreibungen ©), weiterhin dagegen, etwa vom 40. Seg- mente ab, gesellen sich diesen hämalen Wülsten ähnliche zipfelförmige Fortsätze oder Parapodkiemen @) zu, wie den neuralen. Während aber diese Kiemen bei den neuralen Parapodien nur einseitig, und zwar dorsal auftreten, sind sie bei den hämalen beiderseits vorhanden. Die neue Art besitzt 9 Paar im 2.—10. Abdomensegmente gelegener Genitalschläuche. Der Magendarm®) lässt in seiner vorderen Region meistens Iymphatische Zelldivertikel erkennen, und soweit als diese reichen, erscheint er innen blass gelbgrün, aussen dagegen (durch Pigmente, die dem Peritoneum angehören) lebhaft gelb gefärbt. In der Abdomenmitte häufen sich die dem Darmepithele eingelagerten Pigmente und zeigen zugleich einen lebhaft gelben Ton. In den Flanken der median-neuralen Darmfurche nehmen die gefärbten Elemente bedeutend an Grösse zu, ihr Gelb verwandelt sich in Orange und unmittelbar im Bereiche der Furche in Blassroth. N. profundus weist durchschnittlich eine ähnliche Länge und Breite auf wie N. lineatus; einzelne Exemplare der ersteren Species erreichen aber einen viel bedeutenderen Durchmesser. Die vorderen Abdomensegmente pflegen eine fast ebenso intensive rothe Färbung darzubieten wie der Thorax; die hinteren dage gen eine grünliche. a) Taf. 1. Fig. 1%. b) Taf. 31. Fig. 14 und 15. ce) Taf. 2. Fig. 6. Taf. 12. Fig. 2. d)Taf. 2. Fig. 7. e) Taf. 33. Fig. 5 und 6. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 105 s18 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Die annähernd reifen Eier®) haben einen Durchmesser von 200g, sind von hellgrün- licher Färbung und enthalten ziemlich grosse Dotterkörper. Die Höhe der Geschlechtsreife fällt in die Monate Juli bis Dezember: man begegnet aber auch in allen anderen Monaten einzelnen Individuen mit reifen Geschlechtsprodukten. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. N. profundus wird von etwa 15 bis 20 Meter ab bis zu den grössten Tiefen des Golfes überall da angetroffen, wo der Grund aus feinem Schlamme besteht. Die Art kann als ziem- lich häufig bezeichnet werden und jedenfalls erfreut sie sich von allen Capitelliden des Golfes der weitesten Verbreitung. Begründung der Synonymie. Nach zwei, wie aus der betreffenden Abtheilung hervorgeht, nichts weniger als gut erhalten gewesenen Fragmenten einer neapolitanischen Capitellide hat UrLArareDE die neue Species Capitella major aufgestellt. Diese durch ihre bedeutende Körpergrösse und ihren kleinen Kopflappen ausgezeichnete Form sollte vom 1.—4. Leibessegmente der Borsten ent- behren, von da bis zum 11. ausschliesslich mit Pfriemen- und weiterhin ausschliesslich mit Hakenborsten ausgerüstet sein. Von der vorderen, sich als Thorax abhebenden Körperregion wird die bis zum 6. oder 7. Segmente deutliche, an Notomastus erinnernde Uuticula-Felderung und, vom Mundsegmente ab, das Vorkommen je eines Paares rundlicher Poren |es sind die retractilen, thoracalen Seitenorgane gemeint] hervorgehoben. Auch die vom 10. Segmente ab auftretenden Nephridien sollen an Notomastus erinnern. Angesichts solcher Uebereinstim- mung kann denn auch ULAPArEDE nicht umhin zuzugestehen: »Je ne puis pas me dissimuler que cette espece fait par tout son habitus une grande disparate avec le genre Capitelle. La consistance differente des diverses regions du corps, les ouvertures thoraciques, le grand developpement des organes segmentaires, tout cela se retrouve chez les Notomastes, mais parait &tranger aux Capitelles. Cependant, si l’on s’en tient aux caracteres generiques adoptes jusqu’ici, la C. major est bien une Capitelle et point un Notomaste. Wie nun ÜULAPrAREDE, trotz seiner im Vordersatze bekundeten Einsicht in die wahre Zugehörigkeit der fraglichen Capitellidenfragmente, zu dem von mir gesperrt wiedergegebenen Schlusssatze gekommen sein mag, ist mir durchaus räthselhaft geblieben. Hätte Jemand schon damals die Aufgabe gestellt, eine vom Genus Capitella recht stark contrastirende Capitelliden- gattung zu erdenken, so wäre die von CrararkpE als C. major beschriebene Form sehr wohl geeignet gewesen diesen Zweck zu erfüllen. In der That, der kleine Kopflappen, die Thorax- felderung, die borstenlosen vorderen Segmente, der scharfe Gegensatz von Thorax und Abdomen, die seitlichen Poren (Seitenorgane), die deutlichen Nephridien, Alles das sind Charaktere, die Capitella durchaus abgehen. Was Crararkpe vorgelegen hatte, waren denn auch nichts An- a), Tat 1. Ron le, I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. s19 deres, als zwei schlecht erhaltene Bruchstücke eines Notomastus. Vom 2.—4. Thoraxsegmente hatte das betreffende Bruchstück die Pfriemenborsten verloren, oder aber die entsprechenden Parapodien waren nur total retrahirt, und was die Thatsache betrifft, dass nach CLararkpe's Angaben nur 11 (anstatt wie es für Notomastus die Regel 12) Thoraxsegmente herauskommen, so darf wohl daran erinnert werden, dass es CtLArarkpE mit dem Zählen der Segmente zu- weilen nicht allzu genau nahm, indem er auch der eine Seite weiterhin von ihm beschrie- benen neuen Notomastus-Species (N. lineatus) ausdrücklich 10 Thoraxsegmente vindieirte, wäh- rend sie doch in Wahrheit eben so wie alle anderen Arten der Gattung deren 12 besitzt. Welcher Art die Crararepeschen Bruchstücke angehört haben mögen, wird sich be- stimmt wohl kaum jemals noch entscheiden lassen. Wenn ich dieselben gleichwohl auf N. profundus bezog, so war dafür lediglich die Thatsache maassgebend, dass mir allein Individuen dieser Species begegnet sind, welche den von ULArarEDE für C. major angegebenen Durch- messer, nämlich 5 mm, erreichten. Notomastus (Tremomastus) fertilis«) n. Sp. Thoraxfelderung ungefähr bis zum 9. Segmente scharf hervortretend. Erste Abdomensegmente weder so breit wie bei N. /ineatus und N. profundus, noch so schmal wie bei N. Denedeni. Haken?) ähnlich wie bei N. profundus. Ausser den neuralen sind auch die hämalen, blasenförmig aufgetriebenen, mit dem Cölom communicirenden Hakenwülste (Tori) an der Respiration betheiligt; jedoch kommt es bei letz- teren Wülsten nie zu solchen zipfelförmigen Fortsätzen oder Parapodkiemen wie bei den- jenigen von N. profundus. Die neuralen Parapodkiemen erreichen keine so bedeutenden Dimen- sionen wie bei N. /ineatus und N. profundus, übertreffen aber diejenigen von N. Benedeni. Unsere Art ist durch den Besitz von ungeführ 20 Paaren im 2.—21. Abdomensegmente gelegener Genitalschläuche ausgezeichnet. Der Magendarm erscheint ähnlich wie bei N. Benedeni durch zahlreiche kleine, seinen Zellen einverleibte Pigmentpartikel gelbroth oder gelbgrün gefärbt; im Bereiche der neural-medianen Furche treten auch ganz wie bei letzterer Art grössere blaugrüne Elemente an Stelle der kleinen gelbrothen oder gelbgrünen. Das blaugrüne Pigment kann bei einzelnen Individuen in der hinteren Abdomenregion so sehr vorwalten, dass der betreffende Darmab- schnitt, und in Folge seines Hindurchschimmerns auch die Körperwandung, ein tief blau- grünes Ansehen aufweisen. Hinsichtlich der Körpergrösse verhält sich N. fertilis ähnlich wie N. lineatus. Die vorderen Abdomensegmente stimmen in der Färbung mit dem 'I[horax überein, a) Taf. 31. Fig. 18—21. %) Ueber die mögliche Synonymie mit N. latericeus vergl. p. S61. 103” s20 D. Systematisch-Faunistischer Theil. weiterhin bieten sie ein blass-röthliches Ansehen dar und diejenigen des Abdomenendes fallen zuweilen durch eine intensiv blaugrüne Färbung auf. Die annähernd reifen Eier?) haben einen Durchmesser von 200 p, sind von gelb-bräun- licher Färbung und enthalten ziemlich grosse Dotterkörper. Die Zeit der Geschlechtsreife fällt in die Monate Januar bis Juni. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. N. fertilis lebt in einer Tiefe von 5 bis 10 Meter. Meine Exemplare erhielt ich alle aus der zwischen Palazzo Donn’Anna und Capo di Posillipo gelegenen Zone. Während die Art früher ziemlich häufig war, ist sie (aus mir unbekannten Gründen) im Laufe der letzten zwei Jahre so selten geworden, dass stundenlang fortgesetztes Fischen kaum den Fang von 2 oder 3 Individuen zu ergeben pflegt. Notomastus formianus n. Sp. Von dieser neuen, aus dem Golfe von Gaeta erhaltenen Notomastus-Art lagen nur Frag- mente eines überdies noch ganz jugendlichen 'Thieres zur Untersuchung vor, und diese genügten nicht, um zu entscheiden, welcher der beiden Untergattungen die fragliche Form einzuver- leiben ist. Ueberhaupt wird die nachfolgende Beschreibung zahlreiche Lücken aufweisen, indem ich insbesondere über das Nephridium- und Genital-System im Unklaren geblieben bin. Dass wir aber eine von allen anderen bekannten Notomastus-Formen abweichende, also eine neue Species vor uns haben, das geht allein schon aus dem Verhalten der Respirationsorgane hervor. Thoraxfelderung schwach ausgeprägt; die Felder sind so klein, dass sie in ihrer Gesammtheit auf das blosse Auge weniger den Eindruck von Mosaik, als den von Chagrin machen. Die letzten drei Thoraxsegmente sind um die Hälfte länger, als die vorhergehenden. Die Abdomensegmente sind anfangs von annähernd gleicher Länge wie die letzten drei 'Thoraxsegmente; weiterhin nehmen sie aber bis zur doppelten Länge zu. Die letzten zwei 'Thoraxsegmente sind mit hämalen, die sämmtlichen Abdomensegmente (des Fragmentes) dagegen sind mit neuralen und hämalen Parapodkiemen*) ausgerüstet. Die neuralen Parapodkiemen des Abdomens stehen einseitig dorsal, die hämalen dagegen einseitig ventral von den zugehörigen Hakenwülsten. Die Form dieser Kiemen ist die langer, spitz auslaufender Zipfel. a) Taf. 1. Fig. 1f. a) Man vergl. die Holzschnitte p. 579. I. Speeielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. s21 Länge des ungefähr 40 Segmente zählenden Bruchstückes 1 cm, Breite Yı—"s mm. Der "Thorax zeigt eine tief rothe, das Abdomen eine blassröthliche Färbung. In dem zur Untersuchung gekommenen Fragmente lag allem Anscheine nach ein Jugendstadium der neuen Art vor. Gaeta. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species. Golf von Gaeta, ca. 30 Meter tief, im schlammigen Sande. Dredgepunkt: Das Thier scheint selten zu sein. "asadue/) 9}UOJY Traötto. b. Genus Dasybranchus®). Gruße ]. p. 2. (Beschreib. neuer Anneliden) c. p. 166 und 1. p. 2. (Familien der Anne- liden) c. p. 76. Synonyme: Dasymallus (D. caducus) Grusel. p. 2 (Beschreib. neuer Anneliden) c. p. 166. NotomastusP) p. p. (N. roseus) LAnGErHANs 1]. p. 9. c. p. 99. Capitelliden, deren aus 14 Segmenten bestehender Thorax ausschliesslich mit Pfriemen-, und deren Abdomen ausschliesslich mit Hakenborsten aus- gerüstet ist. Kopflappen entweder klein und stumpf conisch), oder relativ gross und eichelförmig»). Mundsegment ebenso lang, wie die nachfolgenden‘), oder um die Hälfte länger). Die sämmtlichen annähernd gleich langen Thorax segmente sind deutlich zweiringelig®;; die die Ringelung bewirkenden Furchen erscheinen an denjenigen Stellen, an welchen die Parapodien eingepflanzt stehen, nach hinten stark halbkreisförmig ausgeschweift. Letzte zwei T'horax-Segmente dem Habitus der abdominalen sich annähernd. Die ebenfalls zweiringeligen Segmente des Abdomensf) sind von annähernd gleicher länge, wie die thoracalen, und zwar weisen sie in allen Regionen bis zum Schwanze gleicher- weise diese Dimensionen auf. Es kann daher hier noch weniger von einem Gegensatze zwi- schen den Segmentlängen der verschiedenen Körperregionen die Rede sein, als bei Notomastus, und da auch der Uebergang des Thorax in das Abdomen kein so plötzlicher ist, wie in der Regel bei Notomastus, so bieten die unserer Gattung zugehörigen Thiere ein viel gleich- mässigeres, im Gesammthabitus an Lumbriciden erinnerndes Ansehen dar. Die neurale Längsmuskulatur®) erstreckt sich im Abdomenanfange entfernt nicht so hoch gegen den Rücken wie bei Notomastus, so dass auch die Seitenlinie viel weniger S-förmig gekrümmt verläuft, und die in ihrem Bereiche gegebenen Organe nicht so hoch hämalwärts rücken. a) Taf. 16. Fig. 1. b) Taf. 16. Fig. 6. e) Taf. 16. Fig. 1. d)Taf. 16. Fig.6. e) Taf. 16. Fig. 2 und 6. f) Taf. 16. Fig. 2—4. g) Taf." 21. Fig. 11. 0) Vergl. die ausführlichere Beschreibung der Gattung p. 16$—171 sowie auch Taf. 16 und 17. ß) Vergl. bezüglich der Begründung der Synonymie p. 828. 22 D. Systematisch- Faunistischer "Theil. Grosser Gegensatz zwischen den thoracalen keulenförmigen und den abdominalen wulst- förmigen Parapodien®). Im Abdomenanfange steigen die neuralen Tori nie so hoch dorsal- wärts an wie bei Notomastus; auch rücken die nur etwa Y; so langen hämalen Tori in der ge- nannten Leibesregion nie auf die Rückenfläche selbst, so dass esbei unserer Gattung (im Gegensatze zu Notomastus) zu keiner Verschmelzung hämaler Tori kommt. Abweichend von allen übrigen Capitelliden sind die Hakenspiralen®) der hämalen Tori ventral (statt dorsal) gelegen. Die Pfriemenborsten‘) sind relativ lang, dünn und sehr schwach S-förmig gekrümmt; ihre distalen, schmalen Säume nehmen etwa Y,—"/; der Gesammtlänge ein. gegenüber denjenigen von Notomastus durch zwei Anschwellungen Die Haken) sind geg ihrer Schafte ausgezeichnet; dem Abdomen entlang nehmen sie stetig an Länge ab, ohne je- doch ihre Form zu verändern, so dass der Gesammtkörper nur zweierlei Borsten aufweist. Die Respirationsorgane sind sowohl durch einfache, als durch zusammengesetzte, total einstülpbare Parapodkiemen®) vertreten. Beide kommen ausschliesslich an den neu- ralen Parapodien, und zwar einseitig dorsal zur Ausbildung. Die zusammengesetzten Organe kommen im retrahirten Zustande in die Nierenkammern zu liegen. Die den Basen der vielfach verzweigten Kopflappennerven einverleibten Sehorganef) stehen unregelmässig zerstreut und bilden daher auch keinen Pigment-Fleck oder -Streif. Die hämal seitlich auf der Grenze von Kopflappen und Mundsegment gelegenen W im- perorganes) sind von bedeutender Grösse und werden sowohl von den hinteren, als auch von den seitlichen Gehirnganglien innervirt. Seitenorganes) finden sich vom ersten bis zum letzten borstentragenden Körper- segmente. Becherorgane kommen im Rüssel, auf dem Kopflappen und auf dem 'Thorax vor. Der Magendarm !) ist annähernd vom gleichem Durchmesser wie der Oesophagus und lässt Ilymphatische Zelldivertikel®) fast immer erkennen. Das Gehirn!) besteht aus drei durch grosse Selbständigkeit ausgezeichneten Ganglien- paaren. Der Bauchstrang®) ist von durchaus cölomatischer Lage; seine Neurochorde erreichen eine noch kräftigere Ausbildung, als diejenigen von Notomastus. Die schleifenförmigen Nephridien®) beginnen meist im letzten 'Thoraxsegmente und wiederholen sich von da ab dem ganzen Abdomen entlang in streng segmentaler Anordnung. Ihre inneren löffelförmigen Mündungen liegen in der Nähe der vorderen Segmentgrenzen, ihre äusseren, in wenig hervorragenden Hauthöckern endigenden dagegen im Bereiche der Seg- mentmitten. Vom Abdomenanfange bis zur Abdomenmitte nehmen die Nierenorgane sehr allmählich an Volumen zu, um von da bis zur Schwanzregion ebenso wieder abzunehmen. a) Taf. 16. Fig. 2—4. b) Taf. 22. Fig. 8 und 9. ce) Taf 17. Fig. 8%. Taf: 32. Fig. 1, 2, 6 und 7. d) Taf. 17. Fig. $®. und 8°. Taf. 32. Fig. 3—5 und Fig. 8—9. e) Taf. 16. Fig. 3. Taf. 17. Fig. 6 und 7. Hat. 1705 Eio, DR Tat 2208 Kiss alle: g) Taf. 16. Fig. 2—1. h)rTaf. 16J-Eıo. 198 1) Mara 198 Big. 5. k) Taf. 17. Fig. 1 und 2. l) Taf. 22. Fig. 1 und 14. m) Taf. 34. Fig. 18—20 und Fig. 21—23. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. 23 Ausser an der Genitalplatte geht die Entwickelung von Geschlechtsprodukten auch noch an anderen Stellen des Peritoneums, insbesondere an den Darmmesenterien vor sich. Es kommen weder umfangreiche Fierstöcke, noch Eierstocksmembranen und EBifollikel zur Aus- bildung. Der sterile thoracale Keimstock fehlt. Genitalschläuche?), können vom letzten 'Thorax- bis zum 40. oder 60. Abdomen- segmente auftreten, und zwar je nach Altersstufen, Individuen und Species entweder in orga- nischem Zusammenhange mit Nephridien, oder relativ unabhängig neben solchen, oder endlich (in Folge von Rückbildung der zugehörigen Nephridien) ganz unabhängig von solchen. Kritik der Genus-Diagnose GRUBE’S. Gruge hat zwei Diagnosen gegeben; die eine zur Zeit als er die Gattung aufstellte '), die andere gelegentlich seiner Beschreibung?) philippinischer Dasybranchus-Arten. Ich halte mich natürlich allein an diese letztere ausführlichere, welche folgendermaassen lautet: »Corpus longius vermiforme, ex tereti quadrangulum, segmentis biannulis, numerosis, portiones 2 speciei haud ita valde differentis componentibus, anteriorem breviorem, posteriorem multo longiorem. Lobus capitalis obtuse conoideus vel rotundatus. Segmentum buccale nudum. Segmenta cetera portionis anterioris 13, utrinque fascieulum setarum dorsualem et ventralem gerentia; setae simplices capillares. Segmenta sectionis posterioris illis plus minus breviora, utrinque torum uneinigerum dorsualem et ventralem ferentia; uncini manubrio elongato instructi; segmenta postrema saepius branchiis, margini dorsi laterali affıxis munita. Branchiae segmentis posterioribus attributae, plus minus ramosae, fascieulosae, interdum desideratae (forsan retractae). Pharynx exsertilis brevis, oviformis, nuda. Die zwei hinsichtlich ihrer Länge so verschiedenen Körperregionen, das borstenlose Mundsegment, der vorstülpbare, unbewaffnete Rüssel, Alles dies sind keine Gattungs-, son- dern Familiencharaktere. Die für die Haken betonte Schaftlänge kann überhaupt nicht mehr als Merkmal einer Gattung in Betracht kommen, welche Arten verschiedener Körpergrösse um- fasst. Kiemen sind stets vorhanden und daher, wo sie nicht wahrnehmbar, als zurückgezogen zu betrachten. Von den Charakteren der Grupr'schen Diagnose bleiben demnach allein zu Recht bestehen: die Zahl der 'Ihoraxsegmente (14) und ihre ausschliessliche Versorgung mit Pfriemenborsten gegenüber dem lediglich Haken tragenden Abdomen. Dasybranchus cadıtcus») GRruBE 1. p. 2. (Beschr. neuer Anneliden) e. p. 166 und ! | \ ) | l. p. 2. (Familien der Anneliden) c. p. 76. Synonyme: Dasymallus caducus Gruüse 1. p. 2. (Beschr. neuer Anneliden) ec. p. 166. Dasybranchus eirratus GruseE |. p. 8. ce. p. 28. a) Taf. 16. Fig. 9—14. b) Taf 1.. Fig. 2. 1) 1. p. 2 (Beschreib. neuer Anneliden) e. p. 166. 2) 1. p. 9 (Annulata Semperiana) c. p. 189. 524 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Synonyme: Dasybranchus umbrinus GruBE l. p. S c. p. 189. Dasybranchus lumbricoides Gruss 1. p. S. e. p. 19%. Notomastus roseus LAnGern. 1. p. 9. ce. p. 99. Dasybranchus sp. M’Intvosn .l. p. 10. ce. p. 39%. Kopflappen relativ klein, stumpf-conisch. Mundsegmentb) so lang wie die folgenden. Thoraxfelderung bis etwa zum 8. Segmente deutlich. Haken) schlank; deren mittlere Anschwellung wenig scharf hervortretend. Die einfachen Parapodkiemen) sind bald kräftig, bald schwach ausgebildet, und zwar im ersteren Falle hauptsächlich im Abdomenanfange. Die zusammengesetzten®) Organe pflegen vom 20. Abdomensegmente ab klein und wenig verzweigt aufzutreten; weiterhin wächst aber sowohl ihr Volumen, als auch die Zahl ihrer Fäden stetig (letztere bis etwa auf 20), um am Abdomenende wieder auf die anfänglichen Verhältnisse herabzusinken. Blutscheibenf) grünlich gelb, meist mit zahlreichen sowie umfangreichen gelbbraunen Exxcretbläschen. Magendarm$®) intensiv gefärbt, und zwar aussen orangegelb bis röthlich, innen anfangs gold- und weiterhin grüngelb. Die gelb- oder dunkelbraun gefärbten, der Längsaxe des Körpers parallel gerichteten Nephridien!) erscheinen im grössten "Theile ihres Verlaufes von den Leibeswandungen ab- gelöst. Ihre äusseren Mündungen durchbrechen im Abdomenanfange den Hautmuskelschlauch auf der Höhe der Seitenlinie, weiterhin sinken aber diese Mündungen auf das Niveau der ver- zweigten Kiemen herab. Die Genitalschläuche!) treten in den entsprechenden Segmenten entweder zugleich mit und relativ unabhängig von den Nephridien auf (Typus Dasybranchus caducus s. str.), oder sie bilden sich auf Kosten der "Trichter der respectiven Nephridien, welch’ letztere sodann in dem Maasse, als diese Ausbildung vor sich geht, successive der Rückbildung anheimfallen (Typus Dasybranchus Gajolae). sD. caducus erreicht eine Länge von über 1 Meter und eine Breite von ca. 11% cm; die meisten 'Thiere pflegen aber 20—40 cm in der Länge und ca. 1 cm in der Breite nicht zu überschreiten. Die Färbung des Thorax ist tief blutroth, diejenige des Abdomens dagegen gelbgrün, so dass sich die an diesem Körpertheile ausgestreckten, lebhaft hellrothen Kiemen sehr scharf abheben. Die annähernd reifen, graugelben Eier“) haben einen Durchmesser von 120g; ihre Dotterkörper sind sehr klein. Die Zeit der Geschlechtsreife erstreckt sich von Februar bis August. a), Taf. 16. Fig. 1. b) Taf. 17. Fig. S®’ und 8°. Taf. 32. Fig. 3—5. c) Taf. 16.Fig. 2—4. d) Taf. 16. Fig. 3. Taf. 17. Fig. 6. Taf. 22. Fig. 14. Taf. 23. Fig. 2. e)ı Tat.u35. Rig.127. f) Taf, 33./Fig. 8-10. yn g) Taf. 34. Fig. 18. Tat. 16. Fig. 2—A. Taf. 23, Fig. 7. h) Taf. 16. Fig. 912. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. s25 Ueber die Variationsverhältnisse der Species. D. caducus ist diejenige Capitellidenart, deren Individuen durch die grösste Variabilität ausgezeichnet sind. Vor allem erreichen bei einzelnen T'hieren im Abdomenanfange die Hakenwülste und Hakentaschen eine so starke Ausbildung, dass ein ähnlicher Gegensatz der beiden Leibesre- gionen wie bei Notomastus zu Stande kommt, wogegen bei anderen dieselben Wülste und Taschen umgekehrt kaum erkennbar sind und in Folge dessen solche Exemplare (besonders im contra- hirten Zustande) mehr an Lumbriciden, als an Capitelliden erinnern®). Allein der durch dieses verschiedengradige Torusrelief verursachte Habituscontrast ist schon so gross, dass Jeder, dem etwa nur Exemplare der zwei Extreme vorlägen, sich scheuen würde, sie in einer Species zu vereinigen. Und doch lehrt die Untersuchung zahlreicher Exemplare, dass diese Extreme durch die verschiedensten Uebergänge vermittelt werden, also systematisch werthlos sind. Von inneren Organen sind es insbesondere die Nephridien, respective ihre Beziehungen zu den Genitalschläuchen, welche grosse Schwankungen darbieten. Es treten nämlich entweder die beiderlei Organe unabhängig von einander, oder aber, ähnlich wie bei D. Gajolae, in Ab- hängigkeit von einander auf. Dass auch auf diese Divergenz keinerlei specifische Unterscheidung begründet werden kann, indem sie bald an jungen, respective kleinen, bald an alten, respective grossen, ferner bald an Notomastus ähnlichen, bald an Zambrieus ähnlichen, und endlich bald an Exemplaren von diesem, bald an solchen von jenem »Habitat« auftritt — dies wurde in einem vorhergehenden Theile auf Grund einer speciell daraufhin gerichteten Untersuchung schon zu erweisen gesucht?). Und ein Gleiches gilt endlich für die Variationen in der Körpergrösse, indem es mir nicht gelungen ist, an jenen seltenen, bis über I Meter Länge erreichenden Individuen irgend welche Charaktere ausfindig zu machen, die auch nur zur Aufstellung einer besonderen Varietät hätten verwendet werden können. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Speeies im Golfe von Neapel. D. caducus wird am häufigsten aus einer Tiefe von ungefähr 10 Metern, und zwar längs der Küste von San Giovanni a Tedduccio bis zur Punta di Posillipo im reinen Sande gefischt. Viele Exemplare verschmähen es aber auch nicht einerseits bis zum Strande, und andererseits bis zu etwa 30 Meter "Tiefe vorzurücken, so dass unsere Art die Wohnbezirke aller der im reinen Sande lebenden Notomastus-Arten (sowie auch diejenigen von Mastobranchus und Hetero- mastus) theilt. Mit Vorliebe haust sie auch (ähnlich wie Notomastus lineatus) zwischen den Wurzeln von Posidonien-Wiesen. a) Taf. 1. Taf. % db) Taf. 16. Fig. 2—4. 3 a) Vergl. p. 190—199. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel, Capitelliden! 104 326 D. Systematisch - Faunistischer Theil. D. caducus gehört zu den häufigeren Capitelliden. Man kann das ganze Jahr hindurch auf einzelne Exemplare rechnen; besonders zahlreich erhielt ich jedoch solche zur Zeit ihrer Geschlechtsreife. Sonstige Verbreitung der Species. Mittelmeer. Mittelländ. Meer: Küsten, (Orro) GrugE ]. p. 2 (Beschr. neuer Anneliden) e. p. 166; Port-Vendres (Pyrenees Orientales)? CrArarkpe 1. p. 5. ec. p. 60°). Adriatisches Meer: Insel Lussin, Lussin piccolo im Hafen, 19—20 Faden; Crivizza 20 Faden, Gruge, A. Die Insel Lussin und ihre Meeresfauna Breslau, 1864. p. S6; Cherso, Stossich (fide Carus 1. p. 10. c. p. 249). Atlantischer Ocean. Canarische Inseln: Madeira, LAnGErHans 1. p. 9. c. p. 99. Indischer Ocean. Nicobaren: Nangkauri (GruBE schreibt Vankauri), Gruse 1. p. 8. e. p. 28. Grosser Ocean. Chinesisches Meer: Philippinen, Bohol, Gruse 1. p. 8. ce. p. 189 u. 190. Japanesisches Meer: Südlich von Jedo (34° 18° N. 133° 35° E.), in blauem Schlamme, 15 Faden, M’Intos# 1. p. 10. c. p. 390. Kritik der GRruBR’schen Beschreibung. Dass die Kiemen nicht hinfällig, wie Gruse anfänglich meinte und durch den Species- Namen »cadueus« ausdrückte, sondern vielmehr retractil sind, dies wurde schon durch CLArarkpe') richtig gestellt. Aus dieser ihrer Retractilität erklärt sich auch das Schwankende der Angaben über das erste Auftreten der Kiemen am Abdomen. Was GrusE von den Borsten beibringt, kann zur Charakterisirung der Species nichts beitragen; überhaupt enthält seine Diagnose fast ausschliesslich Gattungsmerkmale. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch zwei Angaben von Sars?) richtig stellen, welche den Gruge'schen Dasybranchus von Notomastus unterscheiden helfen sollten. Die erstere Form, meinte nämlich genannter Autor, weiche von der letzteren durch den papillenlosen Rüssel sowie dadurch, dass die 'I’horaxsegmente nicht zweiringelig seien, ab. Es ist nun aber im Gegentheil der Rüssel von Dasybranchus ebenso wie der aller übrigen Capitelliden mit Papillen ausgerüstet, und die Zweiringeligkeit seiner Thoraxsegmente kommt zu so scharfem Ausdrucke, wie nur bei irgend einer Form der Familie. a) Vergl. p. 830. N 0 Bo 85 102 Be 2) 1. p. 2. (Fauna littoralis) e. p. 11. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. 827 Begründung der Synonymie. Nach zwei, wie er selbst hervorhebt, »stark contrahirten, mehrfach zusammengewundenen und deshalb nicht leicht zu untersuchenden Exemplaren« aus dem indischen Ocean beschrieb GrusE die Species D. cirratus. Alles, was genannter Autor bezüglich der Körper-Form und -Färbung, sowie hinsicht- lich der Kopflappen-Form und -Ringelung vorbringt, ist, weil lediglich durch Contractions- verhältnisse bedingt, hinfällig. Die meisten in der Diagnose enthaltenen Charaktere ferner, wie der Besitz von Augen, der Mangel der Borsten am Mundsegmente, der mit Papillen besetzte, vorstülpbare Rüssel, die Ausrüstung von 13 Thoraxsegmenten mit Pfriemen- und die Ausrüstung des Abdomens ausschliesslich mit Hakenborsten, sind wohl Gattungs-, nicht aber Artmerkmale. Auch das für die Form- und Lagerungs-Verhältnisse der Parapodien sowie der Borsten Hervorgehobene begründet keinerlei wesentliche Unterschiede gegenüber der typischen Species. Und das Gleiche gilt endlich auch für dasjenige Merkmal, auf das Grusz besonderen Werth zu legen schien, nämlich für die angebliche Formverschiedenheit der Kiemen; denn die von genanntem Autor geltend gemachten Unterschiede in der Verzweigung sowie in der Zahl ihrer Aeste, werden lediglich durch die Körperregion sowie durch die Grösse, respective das Alter der betreffenden 'Thiere bedingt. GrugE sagt: »Wenn diese Exemplare ausgewachsen waren, so unterscheidet sich diese Art schon durch die geringe Grösse von D. caducus, abgesehen davon durch die Gestalt der Kiemen ete.« Diese (53 und 63 mm langen) Exemplare waren nun aber nicht ausgewachsen, sie waren vielmehr jugendliche, und zwar jugendliche Exemplare von Dasybranchus caducus. Die zweite von GRruBE als neu beschriebene Form, nämlich D. umbrinus, stammte aus den Philippinen, und da es sich auch in diesem Falle um conservirte T'hiere handelte, so müssen zunächst alle auf die Körper-Form und -Farbe bezüglichen Angaben als durchaus werthlos bezeichnet werden; ebenso diejenigen, welche sich auf Grösse- und Form-Verschieden- heiten des Kopflappens und der Parapodien stützen. Irrelevant sind ferner die auch hier wiederum der Artdiagnose eingefügten Gattungscharaktere. Und die nach Ausschaltung alles dessen noch übrig bleibenden Angaben, wie zum Beispiel diejenigen über die Borstenform, sind so unbestimmt, dass sie für irgend eine Capitellide gelten könnten. Die »nicht beob- achteten Kiemen« waren natürlich zurückgezogen. Nach alledem ist es mir nicht zweifelhaft, dass auch die als D. umbrinus aufgeführten (42,5 und 55 mm langen) Capitelliden lediglich jugendliche Exemplare der typischen Art, nämlich von D. cadueus darstellten. Ebenfalls aus den Philippinen stammte der dritte von Gruse als neu betrachtete Dasybranchus, nämlich D. lumbricoides. Abgesehen von den bedeutungslosen Abweichungen der Körper-Form und -Färbung, sowie der angeblichen Dimensions-Verschiedenheiten des Kopflappens und der Borsten wurde von Gruge hauptsächlich das glatte, an Lumbricus erinnernde Ansehen betont. Es traten näm- 104* s28 D. Systematisch-Faunistischer Theil. lich bei dem betreffenden 'Thiere die abdominalen Hakenwülste nicht wie bei D. cadueus und D. eirratus über die Körperoberfläche hervor, sondern sie machten sich nur »als ganz feine messinggelbe Linien« bemerkbar. Wir wissen aus dem Vorhergehenden®), dass D. caducus gerade nach dieser Richtung hin grosse Variationen darbietet, dass zwischen Exemplaren die Regen- wurm-artig glatt, und solchen, die Notomastus-artig mit Vorsprüngen besetzt erscheinen, sich die verschiedensten Uebergänge vorfanden, und so unterliegt es mir denn auch keinem Zweifel, dass das von GrugE neu benannte hier in Wahrheit zur Species D. caducus gehört. Die geringfügigen Abweichungen gegenüber den zwei anderen philippinischen Exemplaren (nämlich gegenüber D. cirratus) erklären sich allein schon aus der Grössendifferenz (135 gegenüber 58, respective 42,5 mm). Die »nicht beobachteten Kiemen« müssen auch hier als retrahirt betrachtet werden. Eine 1 cm lange Capitellide der Canarischen Inseln wurde von LAnGERHANS wegen ihrer grösseren Anzahl der I'horaxsegmente (14 statt 12) als neue Notomastus- Art, nämlich als N. roseus aufgeführt. Diesem Autor war dabei offenbar nicht gegenwärtig, dass der Besitz von 12 'T'horax- segmenten längst als ebenso maassgebend für dass Genus Notomastus, wie derjenige von 14 für dasjenige von Dasybranchus gilt. Die zusammengesetzten Parapodkiemen, welche sonst noch die Unterscheidung des letzteren Genus vom ersteren erleichtern helfen, müssen bei dem Jugendlichen canarischen Exemplare entweder noch nicht ausgebildet, oder aber zurückgezogen gewesen sein. Aus der Angabe von LAanGerHans, dass vom 15. Segmente ab braungelbe Segmentalorgane vorhanden waren, schliesse ich, dass N. roseus ein sehr jugendliches Exemplar der typischen Species darstellte, indem bei ihr die Nephridien eben diese Färbung, bei der anderen Species dagegen, nämlich bei D. Gajolae, eine hellgelbe Färbung aufweisen. Das letzte der von mir aufgeführten Synonyme endlich betrifft ein kopfloses, 6 mm breites Fragment einer Challenger- Annelide. Mit Recht hat M’Inrost diesen aus Japan stammenden Torso als Dasybranchus bezeichnet. Aber aus der von genanntem Autor gegebenen Beschreibung und Abbildung geht nicht nur so viel hervor, sondern es lässt sich auch fest- stellen, dass das betreffende Exemplar zur Species D. caducus gehört; insbesondere die für diese Art in einigermaassen ausgewachsenem Zustande so charakteristische Parapodien- und Kiemen-Configuration lässt gar keine andere Deutung aufkommen. Dasybranchus Gajolae n. Sp. Synonyme: Dasybranchus caducus CLAPAREDE |. p. 5. c. p. 56. (excel. syn. GRUBE!) Kopflappen?) relativ gross, eichelförmig. a) Taf. 16. Fig. 6. 0) Vergl. p. 825. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. 829 Mundsegment®) um die Hälfte länger, als die nachfolgenden. Thoraxfelderung nicht so stark hervortretend wie bei der Grupe'schen Species. Die Hakenspiralen der hämalen Parapodien sind vom 20. bis 30. Abdomensegmente ab durch mehr oder weniger langgestielte, keulenförmige Anhänge, die sogenannten »Para- pod-Spiraldrüsen®), ausgezeichnet. Diese Drüsen erreichen in der Abdomenmitte ihre höchste Ausbildung und sind, da sie überdies silberfarben durch die hämalen Leibeswandungen hin- durchschimmern und vom Blutstrome hin und her bewegt werden, meistens schon am unver- letzten 'Thiere mit unbewaffnetem Auge wahrnehmbar. Haken‘) plump; deren mittlere Anschwellung scharf hervortretend. Die einfachen Parapodkiemen stets sehr schwach ausgebildet. Die etwa im 40. Ab- domensegmente beginnenden zusammengesetzten) weisen selbst in der Region ihrer höchsten Ausbildung selten mehr als 4—6 relativ voluminöse Fäden auf. Sie kommen nie so deutlich zum Vorscheine wie bei der anderen Art. Blutscheiben®) gelblich grün; ihre meist wenig zahlreichen und kleinen Excretbläs- chen hellgelb. Magendarm viel weniger intensiv gefärbt, als bei der anderen Species. Die gold- oder schwefelgelben, rechtwinklig auf die Körperaxe gerichtet verlaufenden Nephridien f) sind fest mit der neuralen Längsmuskulatur verwachsen; ihre äusseren Mün- dungen durchbrechen dem ganzen Abdomen entlang den Hautmuskelschlauch auf der Höhe der Seitenlinie. Die Genitalschläuches) bilden sich stets auf Kosten der entsprechenden Nephridium- Trichter aus und in dem Maasse, als diese Trichter-Umwandlung von den vorderen nach den hinteren Segmenten zu fortschreitet, erliegen die zugehörigen Nephridien successive der Rück- bildung (Typus Dasybranchus Gajolae). D. Gajolae erreicht eine Länge von 12 cm und eine Breite von 3 mm; die meisten Exemplare jedoch pflegen nicht über 5—6 cm lang und 2 mm breit zu sein. Die Färbung des Thorax ist schwach blutroth, diejenige des Abdomens rosa. Die annähernd reifen Fier*) haben einen Durchmesser von 150%. Die Zeit der Geschlechtsreife dauert wahrscheinlich von Mai bis Juli. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. Während die im Vorhergehenden beschriebenen Capitelliden fast ausschliesslich im Sande leben und sich, wie ihr Darminhalt beweist, auch ausschliesslich von den organischen Beimengungen des Sandes ernähren, haben wir es in D. Gajolae mit einer Form zu thun, a) Tat.016 Rig. 6. b) Taf. 16. Fig. 14 und 15. Taf. 22. Fig. 8 und 9. ec) Taf. 32 Fig. 8 und 9. d)H Tate 17.° Big. 7. Dal 22.D Ri: 8. e) Taf. 35. Fig. 34. f) Taf. 34. Fig. 21. Taf. 23. Fig. 12. g) Taf. 16. Fig. 13. *, Farbe und Beschaffenheit des Dotters wurde in dem einzigen Falle, in dem mir Exemplare mit reifen Siern zu Gesicht kamen, zu notiren vergessen. 330 D. Systematisch - Faunistischer Theil. welche niemals anders, als in den Schlupfwinkeln der die verschiedenen »Seccen«*) bedecken- den Kalkalgen angetroffen wird; insbesondere auf Secca di Gajola, Secca di Benta Palummo und Secca di Forio in liefen von 40-—-S0 Meter. Die Nahrung scheint lediglich aus Detritus zu bestehen. Bis zum Jahre 1884 pflegte mir jede Dredge-Excursion eine Ausbeute von d4—6 Exem- plaren zu ergeben; seit genanntem Jahre aber ist diese Ausbeute (aus mir unbekannten Grün- den) immer geringer geworden, so dass heute D. Gajolae zu den seltenen Arten des Golfes gerecl ınet werden muss. Sonstige Verbreitung der Species. Mittelländ. Meer: Port-Vendres (Pyrendes Orientales), Crararive 1. p. 5. ce. p. 56. Begründung der Synonymie. Dass die von CrArarepe in Port-Vendres aufgefundene und Dasybranchus caducus GRURE zugerechnete Capitellide eins ist mit der im Vorhergehenden von mir als D. Gajolae be- schriebenen Art, geht allein schon daraus hervor, dass die Pyrenäenform mit Parapod-Spiral- drüsen ausgerüstet ist, also mit Organen, die der Grusr’schen Art durchaus abgehen, und daher auch nicht, wie ULArAREDE meinte, von GRrUBE übersehen worden waren. ÜLAPAREDE ist sich zwar über das Verhältniss dieser Drüsen zu den Parapodien nicht klar geworden, indem er irrthümlich den ersteren »äussere Mündungen« zuspricht und die Möglichkeit ihrer Homologie mit Nephridien erwägt; aber aus seiner Beschreibung geht doch unverkennbar hervor, dass er dasselbe Organ vor sich hatte, dem ich den Namen Parapod-Spiraldrüse bei- gelegt habe. Was ferner zu Gunsten der fraglichen Synonymie spricht, ist die Angabe CLarartpe's, dass die Kiemen erst vom 50. Körpersegmente an auftreten, indem das wohl mit den an D. Gajolae (40. Abdomensegment), nicht aber mit den an D. caducus (20. Abdomen- segment, gemachten Befunden übereinstimmt. Sodann auch die Angabe, dass die hexagonale Thoraxfelderung undeutlich erscheine; denn wir haben gesehen, dass dies wohl für D. Gajolae, nicht aber für D. caducus zutrifft. Endlich die angeführten Körperdimensionen (5 cm lang, 2--3 mm breit), da so kleine Exemplare von D. caducus nur selten vorkommen. ÜLAPAREDE sagt am Schlusse seiner Abhandlung, dass er, ausser diesen kleinen von ihm als D. caducus beschriebenen Exemplaren, auch 15—18 cm lange und fast 1 cm breite an- getroffen habe, welche »wegen der Undurchsichtigkeit ihrer Wandungen« die Parapod-Spiral- drüsen nicht erkennen liessen, dass er ferner Port-Vendres verlassen musste, ohne, wie es seine Absicht war, diese grossen Exemplare einer anatomischen Untersuchung unterziehen zu können. *) » Secca« bedeutet »felsiger unterseeischer Hügel«. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. s31 In diesen grossen Exemplaren lagen aber aller Wahrscheinlichkeit nach solche der Grupe'schen Species vor; daher der Mangel von Parapod-Spiraldrüsen. Wäre Crararine dazu gekommen, die grossen 'Thiere zu untersuchen und ihre Identität mit D. caducus festzustellen, so hätte er auch sicherlich die Artverschiedenheit der kleinen erkannt. c. Genus Mastobranchns>) n. Gen. Capitelliden, deren aus 12 Segmenten bestehender Thorax ausschliesslich mit Pfriemen-, und deren Abdomen hämal eine Strecke hindurch mit Pfriemen- und Hakenborsten, neural dagegen ausschliesslich mit Hakenborsten aus- gerüstet ist. Kopflappen®) lang, spitz-conisch und walzenförmig. MundsegmentP) um die Hälfte länger, als die nachfolgenden. Von den annähernd gleich langen 'I’'horax-Segmenten®) sind nur die hinteren deut- lich zweiringelig. Die Segmente der vorderen Abdomen-Regiond) erreichen nahezu die doppelte Länge . der thoracalen und sind gleichmässig walzenförmig; diejenigen des Abdomenendes®) verkürzen sich bedeutend, ihre Vordertheile sind schmäler, als ihre Hintertheile, und dadurch, dass letztere von Segment zu Segment auf erstere übergreifen, kommt ein strobilaartiges Ansehen zu Stande. Gegenüber den vorhergehenden Gattungen ist demnach hier ein grosser Gegensatz zwischen den Zoniten der verschiedenen Körperregionen, und zwar sowohl der Form, als auch der Dimension nach, zu constatiren. Trotz dieses Gegensatzes bietet aber Mastobranchus dem blossen Auge ein glatt walzenförmiges, spulwurmartiges Ansehen darf), indem erstens der Uebergang von Thorax und Abdomen ein sehr allmählicher ist, zweitens die verschiedenartigen Körperfortsätze (Parapodzungen, Kiemen) wenig zum Vorschein kommen und endlich auch die erwähnten Unterschiede der Zoniten-Form und -Dimension nur bei genauem Zusehen erkannt werden. Die neurale Längsmuskulatur®) ist im Abdomenanfange fast ebenso mächtig ent- wickelt wie bei Notomastus, so dass auch die Seitenlinie ähnlich hoch gegen den Rücken ansteigt, respective ähnlich stark S-förmig gekrümmt verläuft. Die Fasern") der genannten Muskulatur sind von dachziegelförmigem Querschnitte und stehen reihenförmig untereinander geordnet *). Die transversale Muskulaturi) ist neural nicht wie bei den übrigen Gattungen im Fasersysteme des Hautmuskelschlauches, sondern am Bauchstrange befestigt. a) Taf. 24. Fig. 1. b) Taf. 24. Fig. 1. c) Taf. 24. Fig. 2. d) Taf. 24. Fig. 2. e) Taf. 24. Fig. 3 und 4. t)DTRaf- leg 13. g) Taf. 24. Fig. 2. h) Taf. 25. Fig. 7. Taf. 26. Fig. 4 und 5. i) Taf. 25. Fig. 7—9. a) Vergl. die ausführlichere Beschreibung der Gattung p. 204—207, sowie auch Tafel 24. *) Form und Anordnung dieser Fasern ist so charakteristisch, dass ein Querschnittsfragment genügt, um daran unsere Gattung zu erkennen. s32 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Grosser Gegensatz zwischen den thoracalen keulenförmigen, und den abdominalen wulstförmigen Parapodien®). Im Abdomenanfange reichen die neuralen Tori bis zu den Flanken des Rückens herauf und es kommen daher die nur etwa Y; so langen hämalen, ähnlich wie bei Notomastus, auf die Rückenfläche zu liegen; weiterhin jedoch gleicht sich dieser Dimensions- und Lagerungs-Contrast der beiderseitigen Tori immer mehr aus. In der hinteren Abdomenregion laufen die hinteren Segmentränderb) je in vier zungenförmige, bilateral- symmetrisch angeordnete Fortsätze aus, und auf diesen hauptsächlich hämal ausgebildeten Fortsätzen stehen die Parapodien eingepflanzt. Die Pfriemenborsten®) sind relativ kurz, plump und ziemlich stark S-förmig ge- krümmt; ihre distalen, relativ breiten Säume nehmen ungefähr die Hälfte der Gesammt- länge ein. Die Hakenborsten‘) sind schlank und wenig S-förmig gekrümmt; ihr Hals ist kürzer und schärfer abgesetzt, als bei den vorhergehenden Gattungen. Diesen gegenüber ist ferner für Mastobranchus bezeichnend, dass die Haken der verschiedenen Abdomenregionen sehr auf- fallende Grössenunterschiede darbieten, und zwar nehmen die hämalen (längeren) von vorn nach hinten in sehr hohem, die neuralen. (kürzeren) dagegen in sehr geringem Grade an (Grösse ab, so dass am Abdomenende beide ähnliche Dimensionen aufweisen. Die Respirationsorgane sind sowohl durch einfache, als durch zusammengesetzte, total retrahirbare Parapodkiemen vertreten. Die einfachen®) kommen lediglich im Abdomenanfange, und zwar neural als wenig umfangreiche Hakentaschen zur Ausbildung; die zusammengesetzten f) umgekehrt nur im Abdomenende, und zwar hämal unter jenen Segment- fortsätzen, auf denen die Parapodien eingepflanzt stehen. Während bei Dasybranchus die Zu- rückziehung der zusammengesetzten Kiemen (in die Nierenkammern) derart vor sich gcht, dass jeder einzelne Faden handschuhfingerförmig eingestülpt wird, können bei Mastobranchus die entsprechenden Organe nur in toto in das Cölom eingestülpt werden, und zwar kommen sie dann (anstatt in die Nieren-) in die Darmkammern zu liegen. Die ähnlich wie bei Notomastus von einem besonderen Gehirnlappen (Sehlappen) inner- virten Sehorganes) bilden zwei hämal — seitlich an der Basis des Kopflappens — gelegene Pigmentstreifen. Die hämal seitlich auf der Grenze von Kopflappen und Mundsegment gelegenen Wimperorganel) sind von mässiger Grösse und werden durch die hinteren Gehirnganglien innervirt. Seitenorgane!) finden sich in allen borstentragenden Segmenten ausgebildet. Der Gegensatz zwischen thoracalen und abdominalen Organen kommt aber zu keinem so scharfen Ausdrucke wie bei den vorhergehenden Formen, indem die thoracalen weder so hochgradig retractil, noch die abdominalen so stark über das Hautniveau hervorragend sind. a) Taf. 24. Fig. 1—3. b) Taf. 24. Fig. 3. Taf. 25. Fig. 5 und 6. e) Taf. 10 und 11. d) Taf. 32. Fig. 12—14. e) (Darf. 2A Rio. 2: f) Taf. 24. Fig. 3. Taf. 25. Fig. 8 und 9. ) Taf. 24. Fig. 1 und 6. 8 h) Taf. 24. Fig. 6. Taf. 25. Fie. 1 und 2. i) Taf. 24. Fig. 1—3. Taf. 25. Fig. 7 I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. 833 Becherorgane kommen nicht nur am Kopflappen, Rüssel und Thorax, sondern auch über das ganze Abdomen zerstreut vor. Der den Oesophagus im Durchmesser nicht übertreffende Magendarm pflegt in seinem vorderen und hintersten Abschnitte gefärbte, Iymphatische Zelldivertikel®) erkennen zu lassen. Sehr charakteristisch für unser Genus ist ein in der mittleren Magendarmregion, ins- besondere hämal durch Spaltung der Darmmuskulatur zu Stande gekommener, mit einer gelb- lichen Flüssigkeit erfüllter Sinus®). Das Gehirn‘) besteht aus zwei hauptsächlich in der Queraxe verschmolzenen Ganelien- paaren. Der durchaus cölomatisch gelegene Bauchstrang!) weist im Thorax einen rundlichen, im Abdomen dagegen einen keilförmigen *) Querschnitt auf; die Neurochorde erreichen eine ausserordentlich hohe Ausbildung *). Das Vorkommen von Nephridien®) ist in der Regel auf das Abdomenende beschränkt: hier folgen sie in streng metamerer Anordnung in Form einfacher Schleifen aufeinander, und zwar derart, dass sie von vorn nach hinten nicht unbedeutend an Grösse zunehmen. Ihre inneren, löffelförmigen Mündungen liegen nahe der vorderen, und ihre einfach spaltförmig durchbrechenden äusseren Mündungen nahe den hinteren Segmentgrenzen. Bezüglich der (Jueraxe kommen erstere zwischen die dorsalen und ventralen Bündel der neuralen Längs- muskulatur zu liegen, wogegen letztere mehr gegen die Seitenlinie hinaufgerückt erscheinen. Geschlechtsprodukte kommen zwar allein an der Genitalplatte f) zur vollen Aus- bildung, aber es können doch gleichzeitig auch noch verschiedene andere Partien des Perito- neums in einen wuchernden Zustand gerathen. Dadurch, dass sich auch & Keimstoffe schon frühe von der Genitalplatte ablösen, kommen in den einzelnen Segmenten nur wenig umfang- reiche Ovarien zu Stande. Ein steriler Keimstocks) findet sich im 12. Körpersegmente, von einer Duplicatur der Genitalplatte durchsetzt, in auffallend freier Lage. Genitalschläuchel) treten in den letzten T'horax- und ersten Abdomensegmenten, und zwar unabhängig von den zugehörigen (total der Rückbildung verfallenden ?) Nephri- dien auf. Mastobranchus Trinchesiii) n. Sp.**) Die Thoraxfelderungk) ist nur in den ersten 3—4 Segmenten, und zwar wenig deutlich ausgebildet. a) Taf. 26. Fig. 9. b)LTaf 25. Bio. 7. Tat. 26. Kig. 10 und 11. ce) Taf. 24. Fig. 6. d) Taf. 24. Fig. 7 und 8. Taf. 25. Fig. 7—9. Taf. 26. Fig. 13—16. e) Taf. 34. Fig. 24—26. Taf. 24. Fig. 3 und 13. f) Taf. 25. Fig. 6 und 7. g) Taf. 25. Fig. 3. hi@Tafe 24. Rıg. 104 Taf. 25:0 Kg, A. TERN. fig. 3. k) Taf. 24. Fig. 1. *) Auch diese beiden Merkmale machen es möglich, unsere Gattung schon an einem Querschnitte (durch das Abdomen) zu erkennen. **) Da von der neuen Gattung vorläufig nur diese Eine Species bekannt ist, so kann die obige Beschrei- Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 105 534 D. Systematisch-Faunistischer Theil. An einem 180 Segmente zählenden Individuum setzen die ersten 80 Zoniten ein etwa drei Mal so langes Stück des Körpers zusammen, als die nachfolgenden 100. Der Uebergang der langen Abdomensegmente in die kürzeren geschieht allmählich. Bei demselben 180 Segmente zählenden Thiere fanden sich Pfriemen- und Haken- Borsten®) in den hämalen Parapodien des 1.—-77. Abdomensegmentes, und zwar anfangs 5 Haken neben 15 Pfriemen, und dem Ende zu 5 Haken neben 2—3 Pfriemen. Im Abdo- menanfange weisen die Haken der hämalen Parapodien etwa die doppelte, in der Abdomen- mitte die anderthalbfache Länge derjenigen der neuralen Parapodien auf. Die einfachen neuralen Parapodkiemen bilden wenig hervortretende, rundliche Auftreibungen. Die zusammengesetzten®) hämalen fanden sich bei einem 180 Segmente zählenden Thiere vom 80. an. Anfangs bestehen diese letzteren Kiemen aus einfachen, cirrus- förmigen Anhängen; im Verlaufe weniger Segmente wachsen aber diese auf 2—3, weiterhin auf 3—5 und noch weiter auf 6—7 Fäden an, um von da gegen den Schwanz hin ebenso wieder an Zahl und Grösse abzunehmen. Blutscheiben®) hell schwefelgelb; mit nicht sehr zahlreichen, mässig umfangreichen, orangefarbenen Excretbläschen. Der Magendarm) bietet die ersten 10—15 Segmente hindurch aussen eine schwach gelbe, innen eine lebhaft gelbgrüne, weiterhin gegen die Abdomenmitte aussen eine lebhaft orangegelbe, innen dagegen eine schwach grüngelbe oder graue Färbung dar, und in der hinteren Abdomenregion endlich erscheint er weder aussen, noch innen auffallend pigmentirt. Ueberaus charakteristisch für unsere Form ist der Besitz eines in 4 fingerförmige Fort- sätze auslaufenden, unterhalb der Afterspalte gelegenen Schwanzanhangese). Die in der Regel auf die letzten 30—40 Abdomensegmente beschränkten, orangefar- benen Nephridienf) nehmen eine zur Körperaxe ziemlich rechtwinklige Lage ein und sind fest mit der neuralen Längsmuskulatur verwachsen. Die Genitalschläuches) sind in 9 Paaren vorhanden, wovon 6 Paare im 7.—12. Ihorax- und 3 Paare im 1.—3. Abdomensegmente ihre Lage haben. M. Trinchesü erreicht eine Länge von ungefähr 12 cm und eine Breite von 2 mm. In Folge der starken Entwickelung des Peritoneums macht sich an seinen Körperwandungen gegenüber denjenigen der vorhergehenden Formen eine gewisse Steifigkeit geltend. Die Färbung des Thorax ist dunkel ziegelroth, diejenige des Abdomens gelblich roth. Die annähernd reifen, dunkelgrauen Eiert) haben einen Durchmesser von 140 p: ihre Dotterkörper sind ziemlich klein. Die Zeit der Geschlechtsreife erstreckt sich von Mai bis September. bung nur eine provisorische Geltung für sich in Anspruch nehmen. Die Beschaffenheit weiterhin eventuell bekannt werdender Arten wird zu entscheiden haben, in wie weit die von mir ausgewählten Organisationsverhältnisse als Artcharaktere beizubehalten sein werden. a) Taf. 32. Fig. 10—1A. b) Taf. 24. Fig. 9. e)L Dafs35-Higrade d) Taf. 33. Fig. 11 und 12. e) Taf. 24. Fig. 4 und 5. f) Taf. 34. Fig. 24. Tat. 24. Kig. 13. Taf. 25. Big. 8. g) Taf. 24. Fig. 10. bilaf. ı©2Eio, 38% I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. s35 Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. M. Trinchesü findet sich stets in Gemeinschaft mit Notomastus fertilis”), also in einer Tiefe von 5—10 Metern längs des Posillipo-Strandes. Während früher letztere Form ziem- lich häufig und erstere selten war, ist seit etwa zwei Jahren ein umgekehrtes Verhältniss eingetreten, und zwar ein solches, dass auf etwa 20 Exemplare von Mastobranchus kaum 1 Exemplar von N. fertilis kommt. d. Genus HJeteromastus?) n. Gen. Synonyme: Capitella p. p. (C. filiformisr) und C. costana®) Crar. 1. p. 5. c. p. 49 und}. p. 8. c. p. 212. Capitella p. p. (C. fimbriata®) Van Ben. 1. p. 3. c. p. 5 und D’Üpekem 1 p2 3. cu pr 26. Ancistria (A. minima°) QuArTkrer. 1. p. 6. c. p. 252. Ancistria p.p. (A. capillaris”) VerrınLı, A. Explorations of Casco Bay by the U. S. Fish Comm. in 1873. Proc. Americ. Assoc. for the Advancem. of Sc. 22. Meet. 1873. Salem 1874. p. 385. Notomastus p. p. (N. capillaris?) Verrırr, A. Notice of Recent Addit. to the Marine Invertebr. of the Northeastern Coast of America etc. Proc. United States Nat. Mus. Vol. II. 1879. Washington 1880. p. 181. Arenia (A. sp.?!) Verriur, A. New England Annelida. "Trans. Connecticut Acad. Vol. 4. 1882. p. 305. Capitelliden, deren aus 12 Segmenten bestehender Thorax vom 2.—6. Seg- mente mit Pfriemen-, und vom 7.—12. mitlangen, eigenthümlich geformten Haken ausgerüstet ist, deren Abdomen hingegen ausschliesslich Haken, und zwar (abgesehen von seinen ersten Zoniten) solche gewöhnlicher Form und Grösse enthält. Kopflappen®) lang, walzenförmig; an seiner Basis kräftig verbreitert, distal mässig spitz-conisch zulaufend. a) Taf. ı27., Eig.. 15. a) Vergl. p. 820. ß) Vergl. die ausführlichere Beschreibung der Gattung p. 229 —232 sowie auch Taf. 27. Fig. 15—21. 3ezüglich der Organisations- Verhältnisse, die zur Aufstellung des neuen Genus Veranlassung gegeben haben, ver- gleiche man ferner p. 232—246. y) Vergleiche bezüglich der Begründung der Synonymie p. S41. ß) - - - - - - p. 841. €) - - - - - - p. 843. @ = = = = - = p- 844. 7) - - - - - - p. 845. 9) E 2 2 3 e = p. 845. ı) - - - - - = p. 845. 105” 836 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Mundsegment?), von annähernd gleicher Länge wie die unmittelbar nachfolgenden. Die von vorn nach hinten stetig an Länge zunehmenden T'horax-Segmenteb) sind deutlich zweiringelig; besonders scharf tritt diese Zweiringeligkeit an den hinteren Seg- menten hervor. Die Segmente der vorderen Abdomen-Region sind walzenförmig und erreichen die doppelte Länge der thoracalen; gegen die Abdomenmitte hin verkürzen sie sich wieder, um am Abdomenende auf einen Bruchtheil der ursprünglichen Länge herabzusinken®). Diese kurzen Segmente des Hinterleibes sind (ähnlich wie bei Mastobranchus) vorn schmäler, als hinten, wodurch zunächst ein perlschnurartiges Ansehen zu Stande kommt; weiterhin laufen noch die hinteren Ränder dieser so gestalteten Segmente neural und hämal im Bereiche der Parapodien in zungenförmige Fortsätze aus, so dass die Gesammtanordnung (ähnlich wie im entsprechen- den Körpertheile von Mastobranchus, nur viel schärfer ausgeprägt) an eine Strobila erinnert. Trotz dieses bedeutenden, Form und Dimension der Segmente gleicherweise betreffenden Gegensatzes der verschiedenen Körperregionen erscheint aber Heteromastus dem blossen Auge glatt- fadenförmig®), indem erstens der Uebergang von Thorax und Abdomen keinerlei Unter- brechung der Contouren bedingt, und zweitens alle die erwähnten Form- und Grössever- änderungen der Zoniten nur für das bewaffnete Auge hervortreten. Bezüglich der Muskulatur ist zu bemerken, dass im Gegensatze zu allen übrigen Gattungen die Bündelzahl der Längsstränge schon in der 'Thoraxmitte®) eine Reduction auf 4 neurale und 2-—-4 hämale erfährt, dass also diese Körperregion durch eine Anordnung aus- gezeichnet ist, welche sonst dem Abdomen vorbehalten bleibt. Die neurale Längsmuskulatur, welche auch hier ihren Höhegrad im Anfange des Ab- domens erreicht, rückt nicht so weit hämal, wie diejenige von Notomastus und Mastobranchus, verhält sich vielmehr in dieser Hinsicht ähnlich wie Dasybranchus, so dass auch die Seiten- linie nur mässig S-förmig gekrümmt verläuft. Ueberaus eigenthümlich ist das Verhalten der Muskulatur etwa von der Abdomenmitte ab. In Querschnittenf) aus dieser und der nachfolgenden Region ragen nämlich die ventralen neuralen Längsstränge allein als mächtige Bündel in das Cölom hinein, wogegen die gesammte übrige Stammesmuskulatur eine nahezu gleichmässig dünne, der Haut anliegende Schicht bildet. In Folge dieser einseitigen Ausbildung der neuralen Längsstränge kommen gewaltsame, partielle Contractionen zu Stande, welche alle Contenta der neuralen Cölomabschnitte in die hämalen hineinpressen und (im Vereine mit der Wirkung der transversalen Muskeln) dem Abdomen- ende ein ausgesprochen perlschnurförmiges Ansehen verleihen können. Reizung der 'T'hiere hat oft eine solche Steigerung dieser Contractionen zur Folge, dass sie zur Abschnürung der betreffenden Segmente führt. Endlich ist bezüglich der Muskulatur noch hervorzuheben, dass die einzelnen Fasern s$) a) Taf. 27% Biss 1b. b) Taf. 27. Fig. 15 und 16. e) Taf. 27. Fig. 16—19. d) Taf. 1. Fig. 4. e) Taf. 28. Fig. 3 und 4. f) Taf. 28. Fig. 6 und 7. g) Taf. 28. Fig. 11. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. 837 der neuralen Längsstränge, ähnlich wie bei Mastobranchus, reihenförmig übereinanderliegen *); nur sind hier die betreffenden Fasern nicht von dachziegel-, sondern von spindelförmigem (Querschnitte. Einzig in der Capitellidengruppe dastehend sind die in unserer Gattung auftretenden segm entalen Wucherungen des Peritoneums**). Dieser Wucherungen sind zweierlei: erstens hämale®) von der 'Thorax- bis zur Abdomenmitte dem Dache jeder Darmkammer ent- lang verlaufende, grünbraune, vielfach gefaltete Wiilste von unbekannter Function, und zweitens neurale®), von der Abdomenmitte bis zur Abdomenendregion sich durch die Nierenkammern hinziehende, farblose und ungefaltete Kissen, welche excretorisch thätig sind. Die grosse Steifigkeit der Körperwandungen, durch welche Heteromastus gegenüber allen anderen aus- gezeichnet ist, beruht hauptsächlich auf dieser Hypertrophie seines Peritoneums. Die eingangs hervorgehobene Ausrüstung der Parapodien‘), des 2.—6. Segmentes mit Pfriemenborsten gilt allein für erwachsene 'Ihiere; jugendliche pflegen nur in 3 oder 4 vorderen Parapodien (nämlich in denjenigen des 2.—4. oder 5. Segmentes) solche Borsten, weiterhin dagegen Haken aufzuweisen, so dass hier, ähnlich wie bei Capitella®), im Laufe des Wachsthumes Haken durch Pfriemenborsten ersetzt werden. Der Gegensatz zwischen thoracalen und abdominalen Parapodien ist bedeutend abge- schwächt, indem sich letztere an keiner Stelle des Körpers zu so ausgebreiteten Wülsten (Tori) abflachen, wie bei den vorhergehenden Gattungen. Auch zwischen den neuralen und hämalen Parapodien des Abdomenanfanges herrscht kein so auffallender Grösse- und Lagerungs-Contrast, wie bei den vorhergehenden Gattungen. Im hinteren Körperabschnitte stehen die Parapodien auf den zungenförmigen Segmentfortsätzen eingepflanzt. Die kräftigen Pfriemenborsten!) sind sehr kurz und schr stark S-förmig gekrümmt; ihre distalen, relativ breiten Säume nehmen ungefähr die Hälfte der Gesammtlänge ein. Die Hakenborsten®) des Thorax sind durch ihre ausserordentliche Länge, durch den Mangel einer Halseinschnürung sowie durch die wenig ausgebildeten Köpfe und Zähnchen gegenüber den weiterhin folgenden abdominalen ausgezeichnet. Letztere stimmen, abgesehen von der bedeutenderen Kürze ihrer Hälse, am meisten mit denjenigen von Mastobranchus überein. Im Gegensatze zu dem entsprechenden Verhalten dieser Gattung pflegen bei Heteromastus nur im Abdomenanfange die hämalen Haken länger als die neuralen, in der Abdomenmitte aber um- gekehrt die neuralen länger, als die hämalen zu sein. Heteromastus ist demnach durch den Besitz von dreierlei hinsichtlich der Form und Dimension verschiedenen Borsten ausgezeichnet. Hierbei muss indessen berück- a) Taf. 28. Fig. 5 und 8. Taf. 33. Fig. 19. b) Taf. 28. Fig. 8. ce) Taf. 27. Fig. 15—18. d) Taf. 32. Fig. 15 und 16. e) Taf. 32. Fig. 17 und 18. a) Vergl. p. 847. *) Die Anordnung und Structur dieser neuralen Muskelstränge ist so charakteristisch, dass ein Querschnitt durch die betreffende Thierregion genügt, um die Zugehörigkeit zu unserer Gattung festzustellen. **) Auch dieses Organisationsverhältniss gestattet unser Genus schon aus einem entsprechenden Querschnitte zu erkennen. 838 D. Systematisch - Faunistischer Theil. sichtigt werden, dass der Uebergang der grossen thoracalen Haken in die kleineren abdominalen kein ganz unvermittelter ist. Die Respirationsorgane sind lediglich durch einfache Parapodkiemen?®) vertreten, und zwar im vorderen Körperabschnitte neural in Form wenig ausgebildeter Hakentaschen, im hinteren dagegen durch zungenförmige Fortsätze aller Parapodien, respective derjenigen Abschnitte der Segmentgrenzen, auf welchen die Parapodien eingepflanzt stehen. Bei jugendlichen Thieren sind die Sehorgane in Form zahlreicher, am Vorderende des Gehirnes gelegener Pigmentzellen vertreten. Diese verfallen aber im Laufe des Wachs- thumes der Rückbildung und an ihre Stelle tritt weiter hinten in der Gehirnmasse jederseits Eine grössere, schwarze Pigmentzelleb) auf. Im Gegensatze zu allen bisher betrachteten Gattungen liegen die wenig umfangreichen Wimperorgane®) bei Heteromastus im vorderen Bereiche des Gehirnes und münden hämal seitlich in der Mitte des Kopflappens. Wohlausgebildete Seitenorgane) treten nur bis zur Abdomenmitte auf; von da ab rücken sie immer tiefer in die Haut, ohne dass es noch zur Ausbildung von Sinneshaaren käme. Die thoracalen Organe sind viel grösser, als die abdominalen, und der Gegensatz bezüglich der Retractilität der einen und dem Freistehen der anderen ist noch weniger aus- geprägt, als bei Mastobranchus. Das Vorkommen von Becherorganen ist auf den Kopflappen, den Rüssel und den Thorax beschränkt. Der Magendarm überragt den Oesophagus nur wenig im Durchmesser. Haupt- und Neben- darm verlaufen innig genähert; die sie voneinander trennende Zwischenwand reisst leicht eine). Das Gehirnf) bildet eine nahezu einheitliche, langgestreckte Masse, an der die bilaterale Symmetrie nur noch durch einen vorderen und hinteren Einschnitt zum Ausdrucke kommt. An seiner Hinterfläche inseriren sich zwei kräftige Muskelstränge (cerebroparietale Muskeln). Der gesammte Bauchstrangs) (sowie auch die Schlundring-Commissuren) verläuft zwischen Haut und Ringmuskulatur fest eingewachsen (acölomatisch). Neurilemma sowie Neurochordsystem sind sehr wenig ausgebildet. Nephridienh) finden sich nur in der Abdomenendregion in streng metamerer Auf- einanderfolge. Sie haben die Form wenig gebogener Keulen. Ihre inneren (nicht zur Beob- achtung gelangten) Mündungen liegen allem Anscheine nach im Bereiche der vorderen, ihre äusseren, wahrscheinlich so wie bei Capitella in der Haut endigenden Mündungen dagegen im Bereiche der hinteren Segmentgrenzen. Bezüglich der Queraxe kommen die beiderlei Mün- dungen gleicherweise zwischen die dorsalen und ventralen Bündel der neuralen Längsmusku- latur zu liegen. a) at. 217. BIOS Tat, 28. Hioamzc b) Taf. 27. Fig. 20. c) Taf. 27. Fig. 15 und 20. Taf. 28. Fig. 1. d) Taf. 27. Fig. 15 und 16. Taf. 28. Fig. 3, 4 und 6. e) Taf. 28. Fig. 4—6. fe Rafı27. Fig. 20 und 21. Taf. 28. Fig. 1. g) Taf. 28. Fig. 2—7. und Fig. 12—13. h)) Taf. 34. Big: 27. Taf. 28. Fig. 7, 9 und 14. I. Speeielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. s39 Geschlechtsprodukte kommen lediglich an der Genitalplatte zur Ausbildung. Ein steriler Keimstock findet sich im 12. Thoraxsegmente. Genitalschläuche treten allein im 'Thorax, und zwar unabhängig von den zuge- hörigen (total der Rückbildung verfallenen?) Nephridien auf. Heteromastus:) filiformis*), Cuar. Synonyme: Capitella filiformis Cuar. 1. p. 5. ec. p. 49. Capitella costana Crar. 1. p. 8. c. p. 275. Capitella fimbriata Van Ben. 1. p. 3. c. p. 5. und D’Uveren 1. p. 3. c. p. 26. Ancistria minima QUATREF. ]l. p. 6. c. p. 252. Ancistria capillaris VERRILL ]. p. 835. (Explor. Casco Bay) ce. p. 385. Notomastus capillaris Verriun 1. p. 835. (Not. Rec. Addit.) c. p. 181. Arenia sp? VERRILL ]. p. 835. (New Engl. Annel.) c. p. 305. Thoraxfelderung nur mit bewaffnetem Auge erkennbar. An einem 140 Segmente zählenden 'Thiere macht das S0.—140. Segment kaum der gesammten Körperlänge aus. Der Uebergang der langen Abdomensegmente in die kürzeren geschieht sehr plötzlich®). ke) Die abweichend geformten Haken‘) des Thorax erreichen die drei- bis vierfache Länge der normalen. Von letzteren weisen in der Abdomenmitte die neuralen etwa die ein und einhalbfache Länge der hämalen auf. Die respiratorisch wirksamen Segmentfortsätze des Hinterleibes beginnen ungefähr im S0. Zonite als wenig beträchtliche Vorsprünge der Parapodien (einfache Parapodkiemen), um weiterhin zu ziemlich umfangreichen Lappen oder Zungen anzuwachsen). Blutscheiben®) goldgelb mit mässig zahlreichen und mässig grossen, dunkel gelben Excretbläschen. Der Magendarmf) erscheint im Abdomenanfange von gelbgrüner, in der Abdomen- mitte von goldgelber und weiterhin von blassgrauer oder gelblicher Färbung. Sehr bezeichnend für unsere Species ist ein unterhalb der Afteröffnung gelegener fingerförmiger Schwanzanhanss). Die auf das letzte Drittel des Abdomens beschränkten, fest mit der neuralen Längs- muskulatur verwachsenen, blassgelben Nephridien!) haben einen zur Körperaxe ziemlich parallelen Verlauf. a), Tat... Big. A, b) Taf. 27. Fig. 16—19. ce) Taf. 32. Fig. 17—18. d)ı Tat 27.7102 .18. e) Taf. 35. Fig. 37. f) Taf. 33. Fig. 17—18. g) Tal: 27. Fig. 19. h) Taf. 34. Fig. 27. Taf. 28. Fig. 9. *) Da bis jetzt nur diese Eine Species der Gattung aufgefunden worden ist, so kann auch die Beschreibung derselben (ebenso wie diejenige von Mastobranchus Trinehesü, vergl. die Anmerkung auf p. 833) nur auf eine pro- visorische Geltung Anspruch machen. Ss40 D. Systematisch- Faunistischer Theil. Von Genitalschläuchen sind 4 Paare, und zwar im 9.—12. Thoraxsegmente vorhanden. H. filiformis erreicht eine Länge von ungefähr 10 cm und eine Breite von 1 mm. In Folge der ausserordentlichen Hypertrophie des Peritoneums®) erlangen seine Körper- wandungen einen sehr hohen Grad von Steifigkeit. Ueberaus auffallend ist die grosse Reizbarkeit dieser Art. Es genügt den Thieren oft eine unsanfte Berührung, um ihren Hinterleib neural zu einem dünnen Faden zusammen- zuschnüren und alle Cölom-Contenta in die zungenförmigen Segmentfortsätze zu pressen. Die Färbung des Thorax ist dunkelroth, diejenige des Abdomens gelb- oder grünroth. Die annähernd reifen, rothbraunen Eier’) haben einen Durchmesser von 160 p; ihre Dotterkörper sind sehr klein. Die Zeit der Geschlechtsreife erstreckt sich von September bis April. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. H. filiformis lebt zwar mit Vorliebe in dem mit Detritus vermischten Sande in der Nähe des Strandes und wird daher auch ebenso wie Notomastus Benedeni vorwiegend in den kleinen Häfen von S. Lucia und der Mergellina angetroffen, aber unsere Art ist hinsichtlich ihrer Lebensweise entfernt nicht so exclusiv wie N. Benedeni, indem sie gar nicht selten auch die Wohnorte von N. lineatus, ja selbst die tieferen von Dasybranchus caducus theilt. Hinsichtlich des Vorkommens herrscht grosses Schwanken, indem die Species bald in sehr zahlreichen Exemplaren, bald nur sehr vereinzelt auftritt. Es ist mir aber nicht gelungen, irgend einen der Factoren nachzuweisen, durch welche dieses Schwanken der Häufigkeit bedingt wird. Sonstige Verbreitung der Species. Mittelländisches Meer. Port-Vendres (Pyrendes Orientales), CLArarkpe 1. p. 5. ec. p. 49. Atlantischer Ocean. Küste von Frankreich: In der Umgebung des Hafens von La Rochelle, QuATREFAGES 292 6.2c, 92253 Küste von Nordamerika: Casco Bay und im weiteren Bereiche der Küste von Maine, häufig in schlammigem Grunde, 30—150 Faden, Verrirs 1. p. 835 (Explor. Casco Bay) e. p. p. 356, 367, 355 und 351, sowie l. p. 835 (New Engl. Annel.) c. p. 305; George Banks, Nova Scotia, Verritn 1. p. 835 (New Engl. Annel.) c. p. 12; Long Island Sound, Fishers Island Sound, Block Island und im Bereiche der Küsten von Conn., Verrire 1. p. 835 (New Engl. Annel.) c. p. 315. Nordsee. Küste von Belgien: Ostende, im Schlamme, D’Upexem 1. p. 3. ec. p. 26. a) Taf. 28. Fig. 5 und 8. b) Taf. 1. Fig. 4%, I. Speeielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. Ss41l Begründung der Synonymie. Obwohl CrArArepeE die von ihm aus Port-Vendres als Capitella filiformis aufgeführte Capitellide seiner eigenen Angabe zufolge nur unvollständig untersucht und daher auch unzu- reichend definirt hat, so lassen es doch einige der von ihm hervorgehobenen Charaktere als unzweifelhaft erscheinen, dass ihm 'Ihiere der im Vorhergehenden ausführlich als Heteromastus ‚fliformis beschriebenen Form vorgelegen hatten. Diese Charaktere sind aber: Erstens die Ausrüstung von nur 4 Thoraxsegmenten mit Pfriemenborsten. Ausgewach- sene T'hiere pflegen zwar an 5 Zoniten des Vorderleibes solche Borsten aufzuweisen, aber wir haben gesehen, dass sie bei jugendlichen auf 4, ja selbst auf nur 3 Zonite beschränkt sein können; und dass es Crararkpe in der That mit jugendlichen Exemplaren zu thun hatte, geht aus den von ihm angegebenen Maassen (6 cm Länge) hervor. Zweitens die in der vorderen Körperregion breiten und kurzen, in der mittleren sowie hinteren dagegen langen und schmalen Segmente. Drittens die so eigenthümliche Form dieser letzteren Segmente, welche dadurch entsteht, dass sie hinten breiter als vorn sind (Strobila-Ansehen). ‘Viertens die Einpflanzung der abdominalen Parapodien auf stark vorspringenden Wülsten der hinteren Segmentgrenzen, womit die respiratorisch wirksamen Zungen gemeint sind. Und fünftens endlich die Ausrüstung des 6.—11. Körpersegmentes mit Haken, welche diejenigen der nachfolgenden um das Dreifache an Länge übertreffen. Die von ÜULAPAREDE gegebenen Abbildungen der verschiedenen Borstenformen sind zwar sehr ungenau, lassen aber doch unschwer jene für unsere Form so charakteristischen Habituscontraste erkennen, Contraste, welchen der genannte Forscher dadurch eine scharfen Ausdruck verlieh, dass er bei seiner neuen Art, im Gegensatze zu der nur mit zweierlei Borsten ausgerüsteten Capitella capitata, das Vor- kommen von dreierlei Borsten betonte. In Anbetracht, dass von allen diesen Charakteren auch nicht ein einziger auf Oayitelia passt, ist es schwer zu verstehen, warum ÜLAPAREDE, der doch sonst weder mit der Aufstellung neuer Arten, noch mit der neuer Gattungen kargte, unsere Form in jenes Genus hineinzu- zwängen trachtete; um so schwerer, wenn man bedenkt, dass die einzige zu Gunsten dieser Zusammengehörigkeit von ihm hervorgehobene Uebereinstimmung, nämlich, dass bei Capitella ‚flliformis ebenso wie bei (©. capitata die Borsten des Vorderkörpers verschieden von denjenigen des Hinterkörpers seien, einen Familien- und keinen Gattungs-Charakter ausmacht, und wenn man ferner aus dem Satze: »Je n’ai malheureusement pas examind les individus mäles au sujet du singulier appareil copulateur decouvert par M. van BEnepen chez la ©. capitata« ersieht, dass das Vorhandensein eines solchen (für Capitella bezeichnenden Q' Copulationsapparates) lediglich auf Voraussetzung, nicht aber auf Beobachtung beruhte. Wir wissen aber aus dem Vorhergehenden, dass den J' von H. filiformis ein derartiger Copulationsapparat durch- aus abgeht. Was nun die zweite der von mir als synonym aufgeführten Formen, nämlich die nea- Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 106 s42 D. Systematisch-Faunistischer Theil. politanische Capitella costana betriftt, so sind wir auf eine noch viel unzureichendere Be- schreibung angewiesen. Gleichwohl genügen auch hier die wenigen von ÜLAPAREDE hervor- gehobenen Merkmale, um sich davon überzeugen zu können, dass die fragliche Art eins ist mit H. filiformis. Diese Merkmale sind nun folgende: Erstens die Verlängerung der Segmente in der mittleren Körperregion. Zweitens die stark vorspringenden Parapodien der hinteren Zonite (es sind damit die respiratorisch thätigen, zungenförmigen Fortsätze gemeint). Und drittens das Vorkommen von dreierlei Borsten (welche indessen noch viel un- genauer wiedergegeben sind, als bei O. filformis). Weniger verträglich mit unserer Synonymie erscheinen dagegen die Angaben ÜLAPAREDE's, dass C. costana nur an zwei T'horaxsegmenten Pfriemenborsten aufweise, und dass ferner ihr Mundsegment borstentragend sei. Die Beschränkung der Pfriemenborsten-Ausrüstung auf nur zwei Thoraxsegmente kann, nachdem wir erfahren haben, dass die Juvenes von Heteromastus filiformis, ähnlich wie dieje- nigen von Capitella capitata in solchen Segmenten, welche weiterhin Pfriemenborsten zu enthalten pflegen, Hakenborsten aufweisen, um so weniger geltend gemacht werden, als ULAPAREDE'S Beschreibung, wie er selbst angiebt » Corpus longitudine 19"", latitudine 0,6, specimina vix matura« etc.) jugendliche, und zwar (in Anbetracht der uns bekannten Dimensionen von aus- gewachsenen) sehr jugendliche Thiere zu Grunde gelegen haben. Schwerer zu verstehen ist die Borsten-Ausrüstung des ersten Thorax- oder Mundseg- mentes, indem keine der bis jetzt bekannt gewordenen Capitellidengattungen mit Ausnahme von Capitella ‘für die ich den Nachweis geliefert zu haben glaube, dass die Ausnahme nur eine scheinbare, indem ihr erstes Körpersegment mit dem Kopflappen verschmolzen ist) ein solches Verhältniss darbietet. Ist die Beobachtung CLArArepe’s richtig, so müssen wir schliessen, dass das später nackte Mundsegment von Heteromastus im frühen Jugendzustande mit Borsten ausgerüstet ist. Ich vermag auch in diesem Falle nicht einzusehen, was den Genfer Forscher veranlasst haben mag, 'T'hiere, die nichts mit Capitella gemein haben, dieser Gattung einzureihen; denn auf das borstentragende Mundsegment konnte er sich dabei nicht stützen, indem er ja auch Exemplare mit nacktem Mundsegmente als €. filiformis derselben Gattung schon zugewiesen hatte. Noch viel unverständlicher ist aber, dass CrLArArkpE die specifische Einheit seiner ©. Fliformis und C. costana verkannte, besonders wenn man erwägt, dass er!) nur zwei Seiten weiter vorn als wo er die letztere Species beschrieb, unter dem Eindrucke der an Capitella capitata bezüglich ihres Schwankens der Borstenvertheilung gemachten Erfahrungen, den nach- folgenden ganz auf den Fall passenden Satz ausgesprochen hatte: »Si jinsiste si longuement sur ces details, c’est quils prouvent amplement qu’on ne saurait, chez les Capitelles, etablir de differences speeifiques basees comme chez les Serpulaces sur le numero des segments DEP. 8. cp: I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. 842 Ce ou le changement de soies a lieu. Au moins la comparaison devra-t-elle etre faite seulement entre des adultes. Ainsi la Capitella fliformis CLAPRD. est bien une bonne espece, car ses soles n’ont pas de ressem- blance avee celles de la C. capitata, cependant un des caracteres sur lesquels jinsistais le plus dans la description de cette espece, l’existence des soies subulees au quatrieme segment seul se trouve n’avoir plus qu’une valeur tres-douteuse.« Wenn nämlich dieser von ÜULAPAREDE selbst betonten Erfahrung zufolge jugendliche 'Thiere Schwankungen in der Borstenvertheilung darbieten und zur Artbeschreibung ungeeignet sind, so durfte er auch nicht aus unreifen Capitelliden, welche lediglich hinsichtlich ihrer Borstenvertheilung von €. filiformis abwichen, die neue Species (. costana machen. Dass auch Capitella fimbriata zu Heteromastus und nicht etwa zu Capitella oder, wie KErERSTEIN!) und MALMmGREN?) glaubten, zu Notomastus gehört, ergiebt sich mit grosser Wahr- scheinlichkeit aus D’Upekeum’s Beschreibung; ja sogar über die Specieseinheit von C. fimbriata und H. filiformis kann nur geringer Zweifel herrschen. Ich hebe zur Begründung dessen aus der erwähnten Beschreibung Folgendes hervor: Nach D’Upeken ist C. fimbriata eine langgestreckte Capitellide mit auffallend dicken und gebrechlichen Körperwandungen; ihr dunklerer, ungefähr aus Il Segmenten bestehender Vorderleib (Thorax) ist bis zum 6. Segmente ausschliesslich mit Pfriemen, weiterhin mit Haken ausgerüstet, und zwar mit Haken, die von denjenigen des Hinterleibes (Abdomen) abweichen, so dass also dreierlei Borsten vorhanden sind. Die hintersten Abdomensegmente sind jederseits mit contractilen, sich abwechselnd mit Blut füllenden und leerenden Taschen versehen, welche, in Anbetracht, dass Van BENEDEn ausdrücklich von ihnen hervorhebt: »ces prolongements sont formes par la peau elle-möme«, offenbar als den »respiratorisch wirksamen Segment- fortsätzen« von Heteromastus entsprechend zu betrachten sind. Die Schwanzspitze ist nahezu fadenförmig. Alle diese Charaktere, nämlich der Körperhabitus, die Borstenvertheilung, die respira- torischen Segmentfortsätze, sowie der fadenförmige Schwanzanhang passen nun vortrefflich zu H. filiformis, nicht aber zu Capitella oder Notomastus. Als mit der von mir vertretenen Synonymie nicht im Einklange stehend muss nun aber hervorgehoben werden: Erstens, dass der Kopflappen rüsselförmig enden soll. Zweitens, dass bei C©. fimbriata die Haken des Hinterleibes länger und dünner, als die- jenigen des Vorderleibes sein sollen, während bei H. filiformis gerade das umgekehrte Ver- hältniss herrscht. Drittens endlich, dass in der Ostendischen Form fast alle Körpersegmente mit Nephridien ausgerüstet sein sollen, wogegen die neapolitanische solche Organe nur im Abdomenende auf- zuweisen pflegt. Die den Kopflappen betreffende Abweichung würde sich unter der Voraussetzung erklären, dass bei dem von D’Upekem beobachteten Exemplare das betreffende Organ ein- 4.0. PD. 1.23% 7. e._p. 207. ee se) 106* S44 D. Systematisch-Faunistischer Theil. gestülpt war. Die die Haken betrefiende Differenz ferner könnte auf einer irrthümlichen Darsteliung des Sachverhaltes von Seiten D’Upekem’s beruhen. Und was endlich die grössere Zahl von mit Nephridien ausgerüsteten Zoniten betrifft, so ist daran zu erinnern, dass ich bei einer anderen Capitellidengattung, bei der in der Regel die Nephridien auf das Abdomenende beschränkt sind, nämlich bei Mastobranchus Trinchesü, ebenfalls Ein Individuum zu beobachten Gelegenheit hatte, welches diese Organe in allen Segmenten des Abdomens mehr oder weniger ausgebildet erkennen liess. Es muss indessen der Nachuntersuchung der Ostender Form vorbehalten bleiben, zu entscheiden, ob diese meine Erklärungsversuche zutreffen, oder nicht, und im letzteren Falle hätte eben ©. fimbriata eine besondere Heteromastus-Species zu bilden und die Genus-Definition, was die Nephridien betrifft, eine Veränderung zu erfahren. Nachdem (QuATREFAGEs aus VAn BENEDENS Beschreibung die Organisation von Capitella capitata kennen gelernt, hob er hervor'), dass zwischen dieser Species und seiner Ancistria minima aus La Rochelle augenscheinlich sehr innige Beziehungen herrschten; einen wesent- lichen Unterschied, so meinte er, begründete nur der (Ancistria abgehende) Copulationsapparat der Capitella-g'. CLaPAREDE’) sodann schrieb zuversichtlicher: »Le genre Anecistria Qrkre. est etabli sur une veritable Capitelle«. Umd LAaxGeErHans®) endlich, der in einer canarischen, in beiden Geschlechtern mit Copulationsborsten ausgerüsteten und von ihm als zum Genus Capitella gehörig betrachteten Form ähnliche Thiere erkennen zu dürfen glaubte, wie jene waren, welche der Quarkrraszssschen zu Grunde gelegen hatten, führte beide unter dem Namen » Capitella minima« auf. Dass die von LAnGERHANS in Madeira beobachtete und Capitella minima benannte Annelide weder auf Capitella, noch auf Aneistria bezogen werden kann, vielmehr eins ist mit der von mir als Capitomastus minimus beschriebenen, wird an einer anderen Stelle dieses Theiles be- gründet werden®). Eben so wenig fällt nun aber, wie CLAPAREDE annahm, Ancistria mit Capitella zusammen. Dagegen sind in der Quarkeragzsschen Beschreibung Charaktere enthalten, welche es überaus wahrscheinlich machen, dass Ancistria minima eins ist mit Heteromastus filiformis. Vor Allem mache ich auf die von QuarrErages gegebene Habitusfigur aufmerksam, welche den fadenartig gestreckten und allein im Thorax dunkelroth erscheinenden Leib ganz ähnlich der unsern zum Ausdruck bringt. Sodann darauf, dass 4 Segmente des Vorderleibes mit Pfriemen- und 7 darauffolgende mit eigenthümlichen ‘von den nachfolgenden abweichend gestalteten, Hakenborsten ausgerüstet seien. Rechnet man nämlich zu diesen 11 beborsteten Zoniten noch ein nacktes Mundsegment, so kommen, wie das für Heteromastus gilt, 12 'Thorax- segmente heraus. Was die auf 4 'Thoraxsegmente beschränkten Pfriemenborsten-Bündel be- a) Vergl. p. 858. me Oi Tr A) a 0a Se a ji 2 Bj p-E Jeep 2998 I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. Ss45 trifft, so wissen wir, dass in dieser Beziehung durch Altersstadien bedingte Schwankungen herrschen, dass nämlich jugendliche Heteromastus-Individuen nur an 3 oder 4 (anstatt an 5) vorderen Thoraxsegmenten Pfriemenborsten enthalten können. Quartkrrases hatte es nun aber offenbar mit einem jugendlichen 'Thiere zu thun, indem dasselbe nur SO Segmente zählte. In hohem Maasse endlich stimmen die von QuarreraGes abgebildeten, durch ihre starke S-förmige Krümmung ausgezeichneten Pfriemenborsten mit denjenigen von Heteromastus überein. Die Angabe hingegen, dass die hinteren Haken sich von den vorderen durch den Mangel der Hauben unterscheiden, ist für Heteromastus nicht zutreffend, indem seine beiderlei Haken gleicherweise mit Hauben ausgerüstet sind und lediglich durch Unterschiede in den Dimen- sions-Verhältnissen sowie in der Kopfform voneinander abweichen. Dass endlich auch Ancistria capillaris VERRILL in den Kreis unserer Art hinein- gehört, schliesse ich aus folgenden Angaben des genannten Autors: Erstens bestehe der Kopf aus zwei Segmenten (das heisst ausser dem Kopflappen ist ein borstenloses Mundsegment vor- handen). Zweitens seien die 4 ersten Körpersegmente mit gebogenen Pfriemen-, die nächst- folgenden mit langen Haken- und die übrigen mit kürzeren Hakenborsten ausgerüstet, und drittens erscheine der Körper lang, fadenförmig. Alle diese Charaktere passen nämlich auf Ancistria QUATREF., respective auf Heteromastus. Was aber VERRILL zur Aufstellung einer neuen Species veranlasst haben mag, ist nicht einzusehen, indem seine Beschreibung, einerlei ob man sie auf Ancistria minima, oder auf Heteromastus filiformis bezieht, nicht nur keine Artcharaktere einschliesst, sondern selbst das Genus nur mangelhaft erkennen lässt. Noch weniger lässt sich nun aber begreifen, warum VERRILL späterhin den Namen Ancistria capilaris in Notomastus capillaris umtaufte. Seine in dem Satze: »but it seems to be impossible to distinguish that genus nämlich Ancistria) by any definite structural characters from Notomastus Sars« ausgedrückte Begründung dieses Verfahrens beweist übrigens, dass er von den systematischen Kriterien unserer Familie keine Ahnung hatte. Denn, wenn man auch nur die respectiven Beschreibungen von Sars (für Notomastus) und von QUATREFAGES (für Ancistria) miteinander vergleicht, so leuchtet ohne Weiteres ein, dass die beiden Formen nicht ein und derselben Gattung angehören können Endlich hat VErrILL noch eine von ihm früher als Arenia sp. ohne nähere Charakteri- sirung aufgeführte Form auf Notomastus capillaris bezogen, und da N. capillaris = Ancistria capillaris und A. capillaris — Heteromastus filiformis, so ist auch Arenia sp. = Heteromastus ‚Filiformis. Wenn sich aus der Nachuntersuchung von Aneistria minima QuarrEr. ergiebt, dass ihre von mir hier vertretene Einheit mit Heteromastus filiformis zutrifft, so muss die betreffende Synonymie einige Veränderungen erleiden. »Ancistria«, als dem älteren Gattungsnamen, ge- bührt nämlich sodann der Vorrang vor Heteromastus. Und als Speciesnamen kommt für den Fall, dass auch diese bezügliche Synonymie bestätigt wird, zunächst »fimbriata« in Betracht, in zweiter Linie sodann »filiformis«, indem »Capitella filiformis« vor » Aneistria minima« publicirt wurde. 346 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Demgemäss würde sich die fragliche Synonymie folgendermaassen gestalten: Aneistria QUATREF. fimbriata Van Ben. Synonyme: Capitella fimbriata van Ben. (1859). Capitella filiformis Crar. (1864). Aneistria minima Quarrer. (1865). Capitella costana Car. (1868). Ancistria capillaris VerriuL (1874). Notomastus capillaris Verrien (1879). Arenia sp. VERRILL (1852). Heteromastus filiformis Eısıc (1887). e. Genus Capitella”. Buamv. 1. p. 1. c. p. 443. Synonyme: Lumbricus 'p. p.) (L. littoralis minor) Orarsen 1. p. 1. c. p. 325. Lumbriconais (L. marina) Örst. 1. p.4. c. p. 132. Valla (V. ciliata) Joasst. 1. p. 6. c. p. 67. Capitelliden, deren aus 9 Segmenten bestehender Thorax im 1.—6. Segmente ausschliesslich Pfriemen-, im 7. Pfriemen- und Hakenborsten und im 8.—9. ebenso wie in allen Abdomensegmenten ausschliesslich Hakenborsten enthält. Der auffallend voluminöse, stumpf conisch zulaufende, mit seiner Basis dem Thorax breit ansitzende Kopflappen‘®) ist auf seiner neuralen Seite schaufelförmig ausgehöhlt. Im Gegensatze zu allen anderen Gattungen ist bei dieser schon das erste Körper- segment®) mit Borsten ausgerüstet. Der betreffende Gegensatz ist aber nur ein scheinbarer, indem das sonst borstenlose erste Körper- oder Mundsegment bei Capitella als mit dem Kopflappen verschmolzen und daher auch ihr erstes Körpersegment als dem zweiten der übrigen Capitelliden entsprechend zu betrachten ist. Die von vorn nach hinten stetig an Länge zunehmenden, scharf zweiringeligen Thorax- Segmente‘) sind auffallend abgerundet. Die mehr abgeplattet erscheinenden Abdomen-Segmented) wachsen im Anfange dieses Körpertheiles bis zur doppelten Länge der thoracalen; weiterhin aber nehmen sie wieder, und zwar sehr allmählich an Länge ab. In Folge des so geringen Gegensatzes zwischen Thorax und Abdomen, sowie des Mangels aller äusseren Fortsätze und Anhänge, bietet Capitella ein überaus gleichförmiges, an limicole Oligochaeten erinnerndes Ansehen dar®). Der bei allen übrigen Gattungen so scharf ausgeprägte Gegensatz zwischen thoracaler als Taf. 27. Bios l2und22. b) Taf. 27. Fig. 1 und 2. e) Taf. 27. Fig. 1—4A. d) Taf. 27. Fig. 3 und 4. e) Taf. 1. Fig. 5 und 5a, ; «@) Vergl. die ausführlichere Beschreibung der Gattung p. 247—252, sowie auch Tafel 27. Fig. 1—14. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. 847 und abdominaler, sowie zwischen neuraler und hämaler Muskulatur®) ist bei Capitella nahezu verwischt und dementsprechend verläuft auch bei ihr die Seitenlinie gerade. Ueberdies erscheint die gesammte Muskulatur (ebenso wie die Haut, bedeutend verschmächtigt. Nur die transversalen Stränge) sind kräftig ausgebildet und ihre Contractionen bewirken jene seitlich hämalen Einschnürungen®);, welche den normal rundlichen Querschnitt der Thiere zeitweise herzförmig erscheinen lassen. Die eingangs betonte Borstenvertheilung der thoracalen Parapodien gilt nur für Thiere, welche eine Länge von etwa S—10 mm erreicht haben; die nächst jüngeren Stadien lassen, anstatt in 6, nur in 5 Thoraxsegmenten Pfriemenborsten erkennen, noch jüngere nur in 4 und die allerjüngsten sogar nur in 3. Es werden daher in dem Maasse, als bei Capitella das Wachsthum fortschreitet, im 3.—6. Körpersegmente die Haken- durch Pfriemenborsten ersetzt?). Der Gegensatz zwischen thoracalen und abdominalen, sowie zwischen neuralen und hämalen Parapodien‘) ist noch viel geringer, als bei Heteromastus. Bei Capitella kann von Hakenwülsten (Toris) kaum mehr die Rede sein, indem alle Parapodien mehr oder weniger retractil sind und keulenförmig in das Cölom hineinragen. Die Pfriemenborsten®), sind nicht sehr kräftig und verlaufen wenig S-förmig ge- krümmt; ihre distalen, mässig breiten Säume nehmen ungefähr die Hälfte der Gesammtlänge ein. Die relativ langen und kräftig gebauten Hakenborsten‘) haben auffallend kurze und scharf abgesetzte Hälse; die Kuppen ihrer Hauben enden, statt abgerundet, flach abge- schnitten. In den neuralen Parapodien weisen sie dem ganzen Körper entlang eine bedeu- tendere Länge auf, als in den hämalen; sowohl in den einen, als auch in den anderen nehmen sie aber von vorn nach hinten allmählich an Länge ab. Weder einfache, noch zusammengesetzte Parapodkiemen sind vorhanden; die Respi- ratiop wird lediglich durch den Darm und durch den Hautmuskelschlauch vermittelt. Die Sehorgane®) sind durch zwei hämal-seitlich im Bereiche der distalen Gehirn- schenkel gelegene Pigmentzellen vertreten. Bei jugendlichen Thieren treten diese Zellen in Folge ihrer Einbettung in die Haut sehr deutlich hervor; bei älteren dagegen kommen sie wegen ihres Hinabrückens unter die Haut nicht so deutlich zum Vorscheine. Die wenig umfangreichen Wimperorgane®) liegen ähnlich wie bei Heteromastus im vorderen Bereiche des Gehirnes und münden auch so wie bei dieser Gattung hämal-seitlich in der Mitte des Kopflappens. Seitenorgane fehlen (sind eingegangen‘. Becherorgane finden sich in sehr vollkommener Ausbildung am Kopflappen, Rüssel, Thorax und Abdomen. a) Taf. 29. Fig. 2—8. b) Taf. 29. Fig. 3—8. ein Taf.27.. Fier6: d) Taf. 27. Fig. 1—4. Tat.229 Ei. 3, unde7. e) Taf. 32. Fig. 19—20. f| Taf. 32. Fig. 21—23. g) Taf. 27. Fig. 7 und 8. h) Taf. 27. Fig. 1 und 8. Taf. 29. Fig. 1. a, Vergl. p. 262—266. Ss4s D. Systematisch - Faunistischer Theil. Der Oesophagus ist im ersten Theile seines Verlaufes kropfartig erweitert und durch eine » Vorderdarmrinne« ausgezeichnet. Der Magendarm hat im Abdomenanfange einen zwei mal so grossen Durchmesser wie der Oesophagus und in Folge dessen machen sich auch an ihm die septalen Einschnürungen auffallender, als bei irgend einer der anderen Gattungen geltend. Der Nebendarm mündet, anstatt wie bei den übrigen Capitelliden im letzten T'horax-, im ersten Abdomensegmente. Wie bei Heteromastus verläuft er dem Hauptdarme innig ge- nähert, und ähnlich wie bei jener Gattung reisst auch bei Capitella die die beiden Kanäle voneinander trennende Zwischenwand leicht ein®). Das Gehirn) bildet eine nahezu einheitliche Masse, in der die bilaterale Symmetrie nur noch durch mediane Furchen (besonders hämal) zum Ausdrucke kommt. An seiner Hinter- fläche inserirt sich Ein kräftiger Muskelstrang (cerebroparietaler Muskel). Im Gegensatze zu allen übrigen Capitelliden nimmt das Gesammtgehirn von Capitella anstatt zwei, nur Ein Körpersegment ein (woraus die Verschmelzung ihres ersten Körper- oder Mundsegmentes mit dem Kopflappen erschlossen wurde). Dem Thorax entlang liegt der Bauchstrang*) frei im Cölom; im Anfange des Ab- domens dagegen rücken seine Connective zwischen Ringmuskulatur und Haut, weiterhin sogar in die Haut selbst, wogegen seine Ganglien zwar ebenfalls dem Hautmuskelschlauche fest anliegen, aber nie unter die Muskulatur rücken. Das Neurilemma ist sehr schwach ausgebildet und Neurochorde fehlen ganz und gar. Capitella ist durch den grossen zwischen provisorischen und definitiven Nephridien‘) herrschenden Gegensatz ausgezeichnet. Die in den jugendlichen Thieren zunächst allein vorhandenen provisorischen Nephri- dien®) haben die Form einfacher Keulen und wiederholen sich streng metamer in den letzten Thorax- und ersten Abdomensegmenten. In dem Maasse aber, als in den Juvenes definitive Organe zur Ausbildung gelangen, verfallen die provisorischen der Degeneration. Die auf den Abdomenanfang beschränkten definitiven Organe?) haben die Form ein- facher oder doppelter Keulen und treten stets zu mehreren in je einem Segmente, also poly- metamer, auf. Ihre inneren, gabelförmigen Mündungen®) liegen nicht an einem der Nephri- diumpole, sondern sitzen den Organen direct auf. Die sich oft verzweigenden äusseren Mündungent) enden in der Haut und deponiren in ihr das Excret als sogenanntes Pigment. Geschlechtsprodukte!) kommen allein an der Genitalplatte zur Ausbildung. Da die Eier bis zu ihrer Reife an ihrem Entstehungsorte verbleiben, so kommen sehr umfang- reiche Ovarien zu Stande. Der sterile thoracale Keimstock ist nur durch schwache Kernwucherungen im 5. und 6. Segmente angedeutet. Die Spermatozoenk) zeigen eine viel a) Taf. 29. Fig. 6 und 7. db) Taf. 27. Fig. 8. Taf. 29. Fig. 1.- e) Taf. 29. Fig. 2>—-8. d) Taf. 34. Fig. 29. e) Taf. 30. Fig. 21. f} Taf. 27. Fig. 10. Taf. 30. Fig. 22 und 23. g) Taf. 34. Fig. 30. h) Taf. 30. Fig. 26. ji) Taf. 29. Fig. 7. k) Taf. 30. Fig. 33—35. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Gollfe etc. s49 grössere Uebereinstimmung mit solchen von Oligochaeten, als mit denjenigen der übrigen Capitellidengattungen. Die auf den Thorax beschränkten Genitalschläuche®) treten unabhängig von Nephri- dien auf. Das ©' Geschlecht ist durch einen aus mächtigen Haken (Genitalhaken) sowie aus einer Drüse bestehenden Copulationsapparat?) ausgezeichnet. Kritik der Genus-Diagnose von LEVINSEN. Als das am längsten bekannte Genus unserer Familie hat Capitella mehrfach zur Auf- stellung von Diagnosen Veranlassung gegeben. Die älteren, ohne Kenntniss der übrigen Gattungen verfassten hier zu besprechen, halte ich für überflüssig, indem die meisten der in denselben hervorgehobenen Organisationsverhältnisse zu Familien-Charakteren vorgerückt sind; dagegen habe ich derjenigen zu gedenken, welche vor kurzem von Seiten Levinsen’s') auf- gestellt worden ist. Dieselbe lautet folgendermaassen: »Intet borstelast Mundsegment; i Legemets bageste Deel, som bestaar af et middelstort Antal Ringe, ere Krogborsterne temmelig store og danne temmelig korte Räkker uden synderlig Forskjel i Längde mellem Ryg- og Bugsidens; paa Grändsen mellem Legemets forreste og bageste Deel findes Tvärspalter til Udforsel of Kjensstofferne og hos Hannerne omdannede Borster.« An dieser unsere Gattung zwar nicht ausreichend, aber doch im Ganzen richtig charak- terisirenden Diagnose habe ich nur folgende zwei Punkte zu berichtigen. Anstatt »kein borstenloses Mundsegment«, ist fortan zu sagen: »Mundsegment mit dem Kopflappen verschmolzen «, und, »die Grenze von Vorder- und Hinterkörper« (I'horax — Abdomen darf nicht, wie es Levissen thut, in das 7. Abdomensegment verlegt werden, indem der Oeso- phagus (als allein zuverlässiger Führer bei dieser Grenzbestimmung) 9 Segmente durchzieht. Es haben daher auch die Spalten zur Ausfuhr der Geschlechtsprodukte im Vorder-, und nicht, wie die obige Diagnose will, im Hinterkörper ihre Lage. Capitellas) capitata*), Fagr. 1. p. 1. c. p. 279. Synonyme: Lumbricus litoralis minor OLAFSEN 1. p. 1. c. p. 325. Lumbricus capitatus Fapr. ]. p. |. c. p. 279. Lumbricus litoralis Jonnsrt. ]l. p. 1. c. p. 328. Capitella Fabricii Braınv. ]. p. 1. c. p. 449. a) Taf. 27% Eig. 11. und=13. Wat. 29. Fig. 4. b) Taf. 27. Fig. 4, 5 und 13. c) Taf. 1. Fig. 5 und da. Melsp: S09Re Ep 140: Da wir es vorläufig auch hier nur mit dieser Einen Species der Gattung zu thun haben, so kann die nachfolgende Beschreibung ebenso wie die von Mastobranchus Trinchesü und Heteromastus filiformis (vergl. Anmerkungen p- 833 und 539) nur provisorische Geltung beanspruchen. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 107 s50 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Synonyme: Lumbriconais marina Örsr. 1. p. 1. c. p. 132. Lumbriconais capitata FrEy-Levcr. ]. p. 2. c. p. 151. Lumbricus canalium Narno l. p. 2. c. p. 11. Capitella capitata Van Ben. |. p. 3. c. Valla ciliata Jonnsrt. ]l. p. 6. c. p. 67. (excl. Syn.!) Capitella prototypa Capitella intermedia Capitella similis Capitella capitata: Forma Suchumica ! CZErntavsKYl.p.9. Forma danica | Die. pass A, Forma belgica Forma Hebridarum Forma neapolitana Thoraxfelderung nur mit bewaffnetem Auge erkennbar. Die ersten abdominalen Segmente? überragen die vorhergehenden thoracalen nur wenig; weiterhin bis etwa zum 12. wachsen sie aber rasch auf die doppelte Länge, um von da ab wieder, und zwar sehr allmählich, an Länge abzunehmen. Die definitive Borstenvertheilung pflegt bei Thieren von 8S—10 mm Körperlänge einzutreten. Im 7., Pfriemen- und Hakenborsten gemischt enthaltenden Segmente herrscht zeitlebens insofern grosse Variabilität, als irgend eines der vier Parapodien entweder nur Haken-, oder nur Pfriemenborsten, oder aber beide gemischt enthalten kann?). Die Haken“) sind im Abdomenanfange ungefähr doppelt so lang, wie im Abdomen- ende; die neuralen übertreffen die hämalen überall etwa um '/, an Längeb). Blutscheiben®) grünlichgelb mit kleinen dunklergelben, wenig zahlreichen Excret- bläschen. Bei den nicht selten vorkommenden melanämischen T'hieren verlieren die Blut- scheiben ihre Farbe und die Excretbläschen erscheinen grün bis schwarz. Aeusserlich bieten melanämische Exemplare, statt des normalen blutrothen, ein graubraunes Ansehen dar. Der Magendarm) enthält meist ein lebhaft gelb gefärbtes Secret und eine ähnliche Färbung weisen auch seine Wandungen auf. Die bei Thieren von 1 35 mm Länge im 5.—11. Körpersegmente auftretenden, schwach gelblich gefärbten, provisorischen Nephridien®) liegen ziemlich frei in der Leibeshöhle und verlaufen der Längsaxe des Körpers parallel. Die bei Thieren von 5 mm Körperlänge bis zum 13., bei solchen von I0 mm bis zum 15., bei solchen von 20 mm bis zum 16. und bei solchen von 40 mm endlich bis zum 23. Körpersegmente auftretenden a) Taf. 27. Fig. 3 und 4. b) Taf. 32. Fig. 21—23. c) Taf. 35. Fig. 39—41. d) Taf. 33. Fig. 21—23. e) Taf. 30. Fig. 21. a) Vergl. p. 264. *, Bei diesem Vergleiche der Hakendimensionen verschiedener Körperregionen dürfen, da die neuralen und hämalen überall verschiedener Länge, nur je die einen oder die anderen aufeinander bezogen werden. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. S5l definitiven Nephridien?) sind ebenfalls schwach gelb gefärbt, hingegen fest mit den Leibeswandungen verwachsen und zur Längsaxe des Körpers rechtwinklig gerichtet. Ihre Zahl in den einzelnen Segmenten wächst stetig von vorn nach hinten, und zwar derart, dass 2—93 Paare in den vorderen, 4—5 Paare in den mittleren und 5—6 Paare in den hintersten dieser Zoniten angetroffen werden. Von Genitalschläuchen®) ist nur Ein Paar, und zwar im 8. Thoraxsegmente vor- handen. Sowohl bei ganz jugendlichen, ihr Geschlecht noch nicht manifestirenden, als auch bei Q' und © 'Ihieren jeden Alters pflegen diese Schläuche mit Sperma oder Spermatophoren erfüllt zu sein. Zur Zeit der Geschlechtsreife schwellen die Genitalschlauchporen ®) der @ so stark an, dass sie ein an die Gürtelbildungen der Oligochaeten erinnerndes Ansehen darbieten. Die Ovarien) treten bei C. capitata schon im I. Abdomensegmente auf, reichen aber dafür auch nur bis etwa zum 40. Der Copulationsapparat®) der Q' besteht vorwiegend aus den umgewandelten hämalen Parapodien des S. und 9. Thoraxsegmentes. Erst bei Thieren, die eine Länge von S—10 mm erreicht haben, pflegt diese Umwandlung vor sich zu gehen, und zwar derart, dass die er- wähnten Parapodienpaare immer näher auf die hämale Körperfläche zusammenrücken und gleichzeitig die normalen Haken durch im Verhältnisse zu ihnen sehr voluminöse, einfach spitz und gekrümmt endigende (Genitalhakenf)) ersetzt werden. Gleichzeitig entwickelt sich zwischen den Genitalhaken des 9. Segmentes in Form einer Hauteinstülpung die Kitt- oder Copulationsdrüse. C. capitata erreicht eine Länge von ungefähr 7 cm und eine Breite von 2 mm; weitaus die meisten Thiere pflegen aber 4 cm Länge und 1’, mm Breite nicht zu über- schreiten. Die Körperwandungen sind sehr dünn und biegsam. Der Hinterleib wird häufig (ähnlich wie von Tubifex ete.) schlängelnd im Wasser hin und her bewegt. Segment- zahl SO—90. Die Färbung der Thiere ist blutroth; je nach Anhäufung der Hämolymphe kann bald an der einen, bald an der anderen Körperstelle die Intensität dieses Rothes zu- oder ab- nehmen. Die annähernd reifen, dunkel-graubraunen Eier&) haben einen Durchmesser von 285 p; ihre Dotterkörper sind ziemlich klein. Abgelegt werden sie in die Wohnröhre, und zwar in Form eines diese Röhre auskleidenden Mantels. Die betreffenden © pflegen bis zum Aus- schlüpfen der Brut ihre Röhren nicht zu verlassen. Die Zeit der Geschlechtsreife fällt in die Monate November bis Mai. a) Taf. 34. Fig. 29. Taf. 30. Fig. 22 und 23. Taf. 2#R10 E10. b) Taf. 27. Fig. 13. Taf. 29. Fig. 4. Taf. 30. Fig. 21. e) Tat. 27. Eig..3. d) Taf. 27. Fig. 12. Taf. 29. Fig. 7. e) Taf. 27. Fig. 4, 5 und 13. Taf. 29. Fig. 5. Taf. 30. Fig. 1 und 2. f)Dal27.2Rjg., 1A g) Taf. 1. Fig. 5b. 107 * 852 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. C. capitata lebt ausschliesslich im putreficirenden Schlamme. Hauptfundorte sind: Der mercantile Hafen, die Ufer des Carmine und der südliche Theil des Hafens von S. Lucia (da wo die Austern aufbewahrt werden!). Keine andere Capitellidenart vermag die Wohnplätze von ©. capitata zu theilen, und umgekehrt habe ich auch nur in seltenen Fällen einzelne Exemplare der letzteren in die von Notomastus Benedeni und Heteromastus filiformis bewohnten Sand-Schlamm-Reviere vordringen sehen. Wie von N. Benedeni”), so kann man daher auch von unserer Capitella-Species sagen, dass sie lediglich durch die Beschaffenheit ihres Aufenthaltsortes von den meisten übrigen Gliedern der Familie (trotz der so grossen Nachbarschaft aller Wohnplätze) isolirt ist. In wie hohem Grade die Verbreitung von Capitella im hiesigen Golfe durch ihre Lebens- weise bedingt wird, kann man aus folgender Erfahrung entnehmen. Der (jetzt zum Behufe der Quai-Regulirung verschüttete) kleine Hafen am Leone (Mergellina) fand sich ursprünglich, entsprechend seiner Grundbeschaffenheit |Sand mit Detritus), lediglich von Notomastus Benedeni und Heteromastus filiformis bewohnt. Nachdem sich aber (etwa von Januar 1884 ab) der grösste Theil dieses Hafengrundes mit einer Schicht schwarzen, putreficirenden Schlammes bedeckt hatte, verschwanden sowohl N. Benedeni, als auch H. filiformis, wogegen sich C. capitata in massenhafter Individuenzahl ansiedelte. Aehnlich sah ich im Bereiche einer Cloake von Chiatamone, wo der Sand mit putre- ficirendem Schlamme bedeckt war, Capitella zur Ansiedelung gelangen, während ringsum (soweit als der Sand rein war) Notomastus lineatus hauste. Capitella ist diejenige Form unserer Familie, welche am massenhaftesten auftritt. Man findet sie zuweilen zu Knäueln von Hunderten, ja Tausenden vereinigt, und es wird kaum übertrieben sein, wenn man zur Höhe der Saison ihre Zahl im Bereiche weniger Quadrat- meter in den Häfen auf Millionen schätzt. Diese Höhe der Saison fällt etwa in die Monate Januar bis Mai. Von da ab werden die alten Thiere immer seltener, um von der jungen Generation ersetzt zu werden. Diese junge Generation existirt nun noch bis gegen Juli eben- falls in ziemlich bedeutender Anzahl fort; von da ab reisst aber mit zunehmender Hitze der Tod so bedeutende Lücken, dass man in den Monaten Juli bis November an denselben Orten, wo sonst in kurzer Zeit Tausende von Exemplaren gefischt werden konnten, selbst nach Stunden hindurch fortgesetztem Suchen kaum 1 Dutzend solcher zu finden pflegt. Weitaus die meisten Individuen unserer Art vermögen demnach die mit der Temperaturzunahme in ihren Wohnplätzen statthabende Steigerung der Zersetzungsprozesse nicht zu ertragen, was bei der grossen Intensität dieser Prozesse (geht doch der Schlamm an vielen Stellen in totale Ver- wesung über!) nicht verwundern kann. Einzelne Exemplare scheinen minder gefährliche Stellen aufzusuchen, um den Sommer a) Vergl. p. 816. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im nenpolitanischen Golfe ete, s53 zu überleben und bei herannahendem Winter die gewohnten Standorte auf's Neue mit ihrer Brut zu bevölkern. Die ‚Vermehrung muss, in Anbetracht der ungeheuren im Frühjahre sich einstellenden Individuenzahl, überaus rapide sein. Sonstige Verbreitung der Species. Mittelmeer. Schwarzes Meer: Bucht von Sebastopol, häufig, Boprerzey, Notizen Nat. Ges. Kiew 1. 1S70. p. 247; Sinus Suchum, in durchbohrten Steinen, im Sande sowie im Schlamme, 1—2 Meter, Czernlavsky ]l. p. 9. c. p. 342— 346. Adriatisches Meer: Weniger tiefe und weniger befahrene Kanäle Venedigs, Narno 1. p. 2. ep lo (Hder Gruse 1. pP.) 2..c. p. 372). Atlantischer Ocean. $ Canarische Inseln: Madeira, auf alten Fischkörben, LanGerHans, Die Wurmfauna von Madeira. IV. Zeit. Wiss. Z. 40. Bd. 1884. p. 260. Südwestlich von der irischen Küste: Schlammiger Sandboden, 557— 725 Faden, EHters, 3eiträge zur Kenntniss der Verticalverbreitung der Borstenwürmer im Meere. (Ber. Porcupine Exped.) Zeit. Wiss. Z. 25. Bd. 1875. p. 26. Hebriden: Im Schlamme sowie zwischen Felsen des Strandes von Kilmore (Sky, ferner in den Buchten der Insel Jona, südlich von Staffa, CLarartoe 1. p. 3. ce. p. 42. Westküste von Skandinavien: Vom Oresund bis Finmarken in thonigem oder sandig- thonigem Grunde, 3—30 Faden tief, MarmGren 1. p. 7. c. p. 208. Island: Orarsen 1. p. 1..c: p. 325. Küsten des südlichen Grönlands: Pullateriak, im Ufersande und unter Steinen, Fa- grRicius 1. p. 1. c. p. 279; Julianehaab und Norsorak, im Schlamme, 5—15 Faden; Godt- haab, 100 Faden, (Amoxpsen) MALNMGREN 1. p. 7. c. p. 208; Godhavn, (O. TorrELL) MALMGREN I7P2 7. 6292208. Davisstrasse: Sandiger Schlamm, I00 Faden, M'Ixtosn, W. C. On the Annelida obtained during the Cruise of H. M. S. »Valorous« to Davis Strait in 1575. Trans. Linn. Soc. London (2) Vol: 1. 18%. pP. 007. Küste von Nordamerika: Provincetown und Wellfleet, Mass., im Sande nahe der Fluth- grenze, WEBSTER und Bexenicr 1. p. 9. c. p. 730. Nordsee und Skager Rack. Küste von Holland: Oosterschelde, Horst, R. Anneliden der Oosterschelde. 'Tijdschr. Nederl. Dierk. Ver. Deel 1. Suppl. 1883/84. p. 550. Küste von Belgien: Ostende, auf dem Sande unter Steinen, in dünnen, häutigen Röhren, VAN BENEDEN 1. p. 3. c. p. 5, und D’Üperen 1. p. 3. c. p. 25. Küste von Grossbritannien: Berwick Bay, im Sande unter Steinen sowie zwischen den Wurzeln von Fucaceen, Jonsston 1. p. 2. c. p. 258; ferner im Bereiche derselben Küsten an feuchten, grobsandigen Stellen, Jonxstox 1. p. 6. c. p. 68. 4 D. Systematisch-Faunistischer Theil. or Küste von Deutschland: Helgoland, im Uferschlamme, Frey und Levckarrtl.p.2.c.p. 151. Küste von Dänemark: Liimfjord, Corzıs, Jonas Om Liimfjordens etc. Marine Fauna. KyeBEnHavNn 1884. p. 21. Küste von Schweden: Bohus Län, Väderöarne, (S. Lov£n, Gois) MArLnGrenl. p. 7. c. p. 208. Ostsee und Kattegat. Küste von Dänemark: Kallebodstrand, Sund bis Hellebäk, zwischen Frederikshavn und Skagen in beträchtlicher Tiefe, Örsten 1. pıeile ze: ip2.132. Küste von Deutschland: Kieler Bucht, zwischen todtem Seegras und im Schlamm, 5—10 Faden, Mösıus und Bürschzi, Exped. Unters. Ostsee 1571. IV. Faunist. Unters. A. Wirbell. Thiere; in Jahresb. Comm. wiss. Unters. d. deutschen Meere. 1871. 1. Jg. Berlin 1873. Nordmeer. Nordküste von Skandinavien: Finmarken, Ulfsfjorden, Kjosen, 25 Faden, (Goiis und MıGRN.) MALMGREN 1. p. 7. c p. 208. Novaja Semlja: Thon mit Felsen und Lithothamnium, S—50 Meter, ferner auf Litho- thamnium und Felsen, 25 Meter, Tueer, H. J. Les Annelides Polychetes des Mers de la Nouvelle-Zemble. Svenska Akad. Handl. 16. Bd. No. 3. Stockholm 1879. p 56. Murmanska Hafvet, Kostin schar, 'Thon- und Lithothamniumgrund, 5—30 Faden; Matotschkin schar, Beluscha Bay, 'Thongrund, 40—70 Faden, Srtuxgerc, A. Faunan pa och kring Novaja Sem]ja. Vega Expedit. Vetenskapliga Jakttagelser 5. Bd. Stockholm 1886. Spitzbergen: Shoalpoint, 25 Faden, Treurenbergbay, Depotön (Mrucrn.); Kobbebay, 3 Faden, (Go&s u. Smitt) MALMmGrEN 1. p. 7. c. p. 208. Begründung der Synonymie, In einer für die Systematik unserer Familie grundlegenden Abhandlung hat GrupE') die Frage aufgeworfen, ob die bei Kopenhagen, Ostende, Helgoland und den Hebriden vorkommende Capitella sammt der von Faprıcıus als Zumbricus capitatus beschriebenen grön- ländischen einerlei Art angehören. Behufs Beantwortung dieser Frage unterzieht er alle die genannten, ihm theilweise in natura vorliegenden Formen einem eingehenden Vergleiche und kommt zum Schlusse, dass trotz bedeutender Schwankungen der Körpergrösse, der Segment- zahl und der (in je einem Parapodium enthaltenen) Borstenmenge etc. »eine Nöthigung zur Annahme zweier Arten« nicht bestehe. Nachdem wenige Jahre später (1568) CLArArEpE?) den ohnedies schon so ausgedehnten Verbreitungsbezirk von Capitella auch noch auf das Mittelländische Meer ausdehnen konnte, erwog er von Neuem dieselbe Frage, und seine eingehende, sich ebenfalls zum Theil auf ihm in natura bekannte Vergleichs-Objecte stützende Prüfung führte zu einem ganz Ähnlichen Resultate, nämlich dazu, dass alle die in den verschiedenen Beschreibungen enthaltenen Abweichungen I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. s55 bezüglich der Körpergrösse, Borstenzahl, Borstenform und Borstenvertheilung sowie auch der Augen keine constante seien, und dass daher (©. capitata lediglich als Eine stark variirende Species zu betrachten sei. Trotz dieses so übereinstimmenden Resultates Seitens zweier unserer erfahrensten Anneliden-, respective Capitellidenkenner, und trotzdem weder vom Einen, noch vom An- deren gelten konnte, dass er sich die Aufstellung einer neuen Art, wenn irgendwie zulässig, so leicht versagt hätte — hielt es nun neuerdings ÜZERNIAVSKY für geboten, ohne eigene Kenntniss der verschiedenortigen Capitellen, also lediglich auf die zum Theil ganz veralteten, unzutreffenden Beschreibungen gestützt, eine Anzahl von »Formen« nach Fundorten aufzu- stellen. Diese Beschreibungen hier im Einzelnen einer Kritik zu unterziehen, halte ich mich nun für um so weniger verpflichtet, als das Unzutreffende derselben schon aus den erwähnten An- gaben GRUBES und CLAPAREDES (die ÜZERNIAVSKY ebenso wie die gesammte übrige Litteratur sorgfältig citirt) hervorging. Indem ich also auf diese Autoren sowie auf meine eigenen sie bestätigenden Feststellungen verweise, begnüge ich mich damit, zu constatiren, dass ÜZERNI- AVSKYS »Forma danica«, »Forma belgica«, »Forma Hebridarum«, »Forma neapoli- tanas und »Forma Suchumica« weder als Varietäten, noch als Species betrachtet werden können, vielmehr synonym sind mit Capitella capitata. Wenn es schon unzulässig erscheinen musste, auf Charaktere hin, die als bei den Individuen der Art schwankende bekannt waren, Varietäten zu begründen, als wie viel ver- fehlter erst muss nun gar der Versuch bezeichnet werden, lediglich auf ebensolche Charaktere gestützt, neue Species aufzustellen! Und doch hat Czerniavsky auch das fertig gebracht. Für die nach drei 5—10 mm langen (jugendlichen) Exemplaren aufgestellte Art: Capitella prototypa wird die Beschränkung der Pfriemenborsten auf die drei vordersten Körpersegmente, sowie die Zahl der je in einem Parapodium eingepflanzt stehenden Borsten hervorgehoben, also Charaktere, die, wie wir seit GRUBE und ÜraPartpE wissen, sich mit zu- nehmendem Wachsthume stetig ändern, und was sonst noch betont wird, nämlich die distiche Anordnung der Parapodien, das Vorhandensein von Wimperorganen und Augen, sowie der pulsirende, rothe Körper, sind alles längst bekannte Familien- und Gattungsmerkmale, welche in eine Speciesdiagnose gar nicht hineingehören. Capitella prototypa ist daher gleichbedeutend mit Capitella capitata juvenis. Die zweite Art, Capitella intermedia, wird auf Ein, sage Ein 12 mm langes Exemplar ' hin errichtet. Wir wissen (seit CLAPAREDE und dieser Monographie p. 265), dass die ursprünglich nur an den drei vorderen Thoraxsegmenten mit Pfriemenborsten ausgerüsteten Capitella-Juvenes im Laufe ihres Wachsthumes an 4, sodann an 5 und schliesslich an 6 Thoraxsegmenten aus- schliesslich solche Borsten erkennen lassen und dass während dieses Ersatzes der Haken- durch Pfriemenborsten im 3.—6. Segmente vorübergehend beide Borstenformen vertreten sein können. Das Thier, um welches es sich handelt, war nun eine solche Jugendliche Capitella capitata, die an Segment I—3 ausschliesslich Pfriemen- und an Segment 4—6 Pfriemen- und Hakenborsten gemischt enthielt, also ein der betreffenden Art allgemein zukommendes Verhalten aufwies, s56 D. Systematisch- Faunistischer Theil. und doch erhielt es hauptsächlich auf diesen Charakter hin seinen neuen Speciesnamen. Auch hier wird ferner die Zahl der je in Einem Parapodium enthaltenen Borsten (die, wie schon Gruge betont hat, mit zunehmendem Wachsthume stetig zunimmt!) mit Unrecht in die Diagnose gezogen, und auch solche Merkmale figuriren in ihr, die (wie zum Beispiel die distiche Parapod- anordnung, der blutrothe, pulsirende Körper, die bedeutende Länge der mittleren Körper- segmente) Familien- sowie Gattungs- und keine Species-Merkmale bilden. Was endlich noch den von ÜZERNIAVSKY hervorgehobenen Mangel der Augen betrifft, so hätte er ebenfalls schon aus ÜLAPAREDE ersehen können, dass diese Organe im Laufe des Wachsthumes immer undeut- licher werden und dass sich der Genfer Forscher auf diese Weise schon den Irrthum vay Be- NEDEN’S (der meinte, C. capitata habe nur im embryonalen Zustande Sehorgane) zu erklären versuchte. Die dritte Species endlich, Capitella similis, ist ebenfalls auf Ein (21,5 mm langes) Exem- plar hin errichtet. Dieses Exemplar hatte zwar bereits die für C. capitata typische Borsten- vertheilung, nämlich 6 ausschliesslich mit Pfriemen ausgerüstete 'Thoraxsegmente, aber das bewahrte es vor seinem Schicksale nicht; denn seine Haken sind — »in apice leviter bifidi«! Nun hatte aber Crararepe!) in diesem Betreffe schon geschrieben: »Mais baser la-dessus (nämlich auf die Zähnchen der Hakenköpfe| une distinction specifique, sans &tre certain que cette difference apparente ne rösulte pas seulement de la puissance des objectifs employes, cest ce que je n’oserais faire. Il est daailleurs certain que chez les Capitellides de Naples ce caractere est inconstant.« Ich selbst kam, wie schon oben p. 504 hervorgehoben wurde, zu einem ganz ähnlichen Resultate und habe daher den Zähnchen der Hakenköpfe keine oder doch nur eine sehr geringe Bedeutung in den Diagnosen eingeräumt. Was sonst noch als für ©. similis bezeichnend hervorgehoben wird, nämlich das rothe Blut und der pulsirende Körper, sind wiederum Gattungs-, respective Familiencharaktere, und hinsichtlich des angeb- lichen Mangels der Sehorgane gilt hier das Gleiche, wie für die sogenannte (©. intermedia. Von den älteren Synonymen habe ich nur Jonnstox’s Valla ciliata zu gedenken, auf deren Zugehörigkeit zu Ü©. capitata zuerst MALMGREN?) zögernd und sodann ÜLAPAREDE’) be- stimmt hingewiesen hat, und zwar nur aus dem Grunde muss ich auf diese durchaus begrün- dete Synonymie zurückkommen, weil sie von Seiten ÜZERNIAYSKY's, wie es scheint, auf QuATRE- FAGES gestützt, wieder in Frage gestellt wurde. Ich beschränke mich darauf zu constatiren, “dass es für jeden, der Capitella capitata kennt, genügt, auch nur die von Jouxston gegebene Abbildung seiner Valla ciliata zu betrachten, um sich davon zu überzeugen, dass beide Formen ein und derselben Gattung, respective Art angehören. Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass sich GruBE!') irrte, als er meinte, die ÜNlep3 Ss ep Dr 2) BT cp 210. a). pa Seen pe 2170. A)nl.cpe Arc. 90372. I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe ete. s57 von Darverr'‘) unter dem Namen »Lumbrieus capitatus« aufgeführte Annelide gehöre nicht zu Capitella capitata. Wie uncorreet auch die Beschreibung Darverr's sein möge, so genügen doch die von ihm gegebenen Abbildungen, um ohne Weiteres unsere Species wiederzuerkennen. f. Genus Capitomastus») n. Gen. Synonyme: Capitella p. p.?) (C. minima) Langernans 1. p. 9. c. p. 99. Wie schon im Anatomischen Theile hervorgehoben wurde, sind mir die zwei einzigen zu Gesicht gekommenen und zur eingehenden Untersuchung bestimmt gewesenen Q Exem- plare dieser Form verloren gegangen, so dass die nachfolgenden, sich theils auf meine flüch- tigen Beobachtungen der lebenden Thhiere, theils auf die ebenfalls unzureichenden Angaben von LAnGerHans stützenden Definitionen, den vorhergehenden gegenüber, sehr lückenhaft erscheinen werden. Capitelliden, deren aus 10 (oder 11?) Segmenten bestehender Thorax vom 2.—4. (oder 5.) Segmente mit Pfriemen- und vom 5. (6)—10. Segmente mit langen Hakenborsten ausgerüstet ist; deren Abdomen hingegen ausschliesslich Hakenborsten gewöhnlicher Grösse enthält. Kopflappen stumpf walzenförmig. Die ersten Abdomensegmente viel länger, als die vorhergehenden (thoracalen) und die nachfolgenden abdominalen. Es sind (abgesehen von den Copulationsborsten) dreierlei Borsten vorhanden. Sehorgane sind äusserlich wenigstens — nicht wahrzunehmen. Becherförmige Organe am Kopflappen und 'T'horax sehr entwickelt. Die Nephridien treten vom 11. Segmente ab, wie es scheint, streng metamer auf. Sie haben die Form mässig gebogener Schleifen. Ihre Trichter sind wie diejenigen von Capi- tella gabelförmig; ihre äusseren Mündungen liegen ähnlich wie bei letzterer Form tief neural. Genitalschläuche treten allein im Thorax, und zwar unabhängig von Nephridien auf. Sowohl die 5, als auch die @ sind durch einen aus mächtigen Haken (Genitalhaken bestehenden Copulationsapparat ausgezeichnet. Capitomastus minimus Langern. 1. p. 9. c. p. 99. Synonyme: Capitella minima LaAnGern. 1. p. 9. c. p. 99. Die 9 haben im 2.—5., die © im 2.—4. Thoraxsegmente ausschliesslich Pfriemen- borsten. #) Vergl. auch p. 290—291, und zwar hinsichtlich der Gründe, welche für die Aufstellung des neuen Genus maassgebend waren. ß) Bezüglich der Begründung der Synonymie vergl. p. 858. DEEP Sc Vol 1. 2p-2138. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf vor Neapel, Capitelliden. 108 s58 D. Systematisch - Faunistischer Theil. Der Magendarm ist lebhaft gelb gefärbt. Die gelblichen Nephridien verlaufen rechtwinklig zur Körperaxe gerichtet. "Von Genitalschläuchen ist nur Ein Paar, und zwar im 8. 'Thoraxsegmente vorhanden. Der Copulationsapparat besteht aus den zu mächtigen Greiforganen umgebildeten, hämalen Parapodien des 8. und 9. Segmentes*). Während bei den © jedes dieser so umge- wandelten Parapodien mehrere Genitalhaken enthält, ist bei den g' ein jedes nur mit Einem solchen Haken ausgerüstet. Eine Kitt- oder Copulationsdrüse scheint nicht vorhanden zu sein. C. minimus erreicht eine Länge von 2 cm und eine Breite von I mm. Segmentzahl 40—50. Gesammthabitus dünn, fadenförmig. Färbung des Vorderkörpers blass rosa, diejenige des Hinterkörpers gelbroth. Geschlechtsreife @ im März beobachtet. Vorkommen, Lebensweise und Verbreitung der Species im Golfe von Neapel. Von C. minimus habe ich nur einmal zwei @ Exemplare aus den Kalkalgen der Secca di Gajola aus einer Tiefe von ungefähr 40 Metern erhalten. Alle meine Bemühungen um weitere Exemplare, sei es an der genannten Secca, sei es an den anderen Secchen, waren ver- gebens, so dass also unsere Species als eine (im Golfe) sehr seltene bezeichnet werden muss. Sonstige Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Canarische Inseln: Madeirä, auf einem Fischkorbe, LangernHans 1. p. 9. c. p. 99. Begründung der Synonymie, Nachdem schon CLAPAREDE!) die Ansicht ausgesprochen hatte, dass dem Genus Ancistria (QUATREF.°) »une veritable Capitelle« zu Grunde gelegen habe, bezog LANGERHANs die hier als Capitomastus beschriebene Form speciell auf Ancistria minima QuATrEr.; daher der von ihm gewählte Name Capitella minima. Ich habe bereits an einer anderen Stelle”) zu vertreten gesucht, dass verschiedene, gewichtige Abweichungen unserer Form ihre Einreihung in das Genus Capitella unzulässig erscheinen lassen. So der Besitz eines wohlausgebildeten, borstenlosen Mundsegmentes, die Beschränkung der ausschliesslichen Pfriemenborsten-Ausrüstung auf 3—4 Thoraxsegmente, das a) Vergl. p. 291. 1) 1. p. 8. ec. p. 270. Anmerkung. 2) I je a no, *) Nach LANGERHAnNs sollen es die neuralen Ruder des neunten und zehnten Segmentes sein. Man vergl. die Anmerkung p. 291. ) I. Specielle Systematik und Faunistik. 1. Beschreibung der im neapolitanischen Golfe etc. s59 ( Auftreten von dreierlei Borsten und endlich das Vorhandensein von Copulationsorganen (Genital- haken) in beiden Geschlechtern. Gegen die Identität von Anecistria und Capitomastus sodann spricht die T'hatsache, dass (JQUATREFAGES, der doch die von ihm beschriebene Form gerade hinsichtlich der Borsten ein- gehend untersucht hat, nichts von Genitalhaken erwähnf, ja im Gegentheil die folgende positive Angabe macht): »La plus grande difference qui separe lespece que ja examinee [nämlich von Aneistria]| de celle que VAN BENEDEN a si bien &tudiee [nämlich von Capitella capitata| consiste dans la presence de ce pore genital, si singulierement arme, qua deerit le savant belge, et dont il n’existait certainement aucune trace dans l’espece de la Rochelle.« Die weitere Vermuthung von LANGERHANS, dass (QUATREFAGES In seiner Ancistria minima ein Junges O' von Capitomastus vorgelegen habe, ist um so weniger begründet, als das T'hier der französischen Küste, nach QuarrerAszs’ Angaben, die canarische und neapolitanische Form mindestens um das Doppelte an Länge und Segmentzahl übertroffen haben muss. Meiner Ansicht nach) ist denn auch Ancistria nicht mit Capitella, sondern mit Heteromastus, speciell mit H. filformis Crar. synonym, und da durch diese Identificirung der Speciesname »minima« (JuUATREF. in Wegfall kommt, so habe ich geglaubt, denselben für die LanGerHans’sche Art beibehalten zu dürfen. Dass endlich LAnGerHAans und mir ein und dieselbe Species vorgelegen habe, dafür spricht vor Allem die von uns gleicherweise festgestellte, einzig in der Familie bis jetzt da- stehende Ausrüstung der @ mit einem Copulationsapparate (Genitalhaken) und sodann auch die Uebereinstimmung unserer Angaben bezüglich der Borstenvertheilung, Körpergrösse und Segmentzahl. a) Vergl. p. 844. MEl.2p2 6.205 pP 2047 105* » Schlüssel zum Bestimmen der im Golfe von Neapel vorkommenden Arten. 12 Thoraxsegmente; nur einfache Parapodkiemen vorhanden . . 2.2... Thorax ausschliess- lich mit Pfriemen-, Abdomen aus- schliesslich mit Ha- kenborsten ausge- rüstet. 1 D \ 14 'Thoraxsegmente; ein- fache und zusammenge- setzte neurale Parapod- kiemen vorhanden . Thorax ausschliess- | lich mit Pfriemen- Abdomen mit Pfriemen- u. Haken- borsten ausgerüstet: > p) ze , 12 Thoraxsegmente, wovon das 2.—6. mit Pfriemen- und das 7.—12. mit sehr langen Hakenborsten ausgerüstet ist. Kiemen am Abdomen- ende durch respiratorische 2 Thoraxsegmente; ein- > fache und zusammenge- setzte hämale Parapod- kiemen vorhanden . . Segmentfortsätze vertreten. Heteromastus n. Gen. Die respiratorisch wirksamen Segmentfortsätze beginnen ungefähr im 80. Unterhalb der Afterspalte ein ungetheilter, fingerförmiger Schwanzanhang > : . 10 Thoraxsegmente, wovon Thorax mit Pfrie-|gas2.—1. (oder 5.) mit Pfrie- men- und Haken-| men- und das5. (6.)—10. mit borsten, Abdomen langen Hakenborsten aus- ausschliesslich mit Yotomastus SARS. Dasybranchus GRUBE Genitalschläuche und Ge- nitalschlauchporen rudi- mentär oder fehlend. Ne- phridien frei im Cölom schwebend . . 0... J \ | Genitalschläuche und Ge- Clistomastus: Die einfachen Parapodkiemen sind nur neural, Subgenus) und zwar im Abdomenanfange sehr stark aus- gebildete EN AKChHimeaisaCUNg: Die einfachen Parapodkiemen sind nur neural, und zwar überall mässig ausgebildet. 5 Paar Genitalschläuche . . . . 2 2 .2.2.2.2...N.(T.) Benedeni CıAr. Ausser den einfachen Parapodkiemen der neu- ralen Parapodien participiren auch die kissen- artig angeschwollenen hämalen Parapodien an nitalschlauchporen wohl d Er Er N e En E Sen 5 er Respiration. 20 Paar Genitalschläuche . N. (T.) fertilis n. Sp. entwickelt. Nephridien mit ! Be (DIR St den neuralen Leibeswan- Am Abdomenende sind sowohl die neuralen, dungen verwachsen . Tremomastus als die hämalen Parapodien mit einfachen (Subgenus) |Parapodkiemen besetzt, und zwar erstere nur einseitig dorsal, letztere dorsal und ventral. 9 Paar Genitalschläucke . . . . . ... . N.(T.)profundus n. Sp. Dem ganzen Abdomen entlang sind sowohl die neuralen, als auch die hämalen Parapodien mit einfachen Parapodkiemen besetzt, und zwar erstere einseitig dorsal, letztere einseitig ven- tral. ? Paar Genitalschläuche . . . . . . N.(T.?) formianusn. Sp. jKopflappen klein, spitz conisch; zusammengesetzte Parapodkiemen bis 20 Fäden . . . D. caducus GRUBE. \Kopflappen gross, eichelförmig; zusammengesetzte Parapodkiemen bis 6 Fäden . . . D. Gajolae n. Sp. Mastobranchus n. Gen. Die zusammengesetzten Parapodkiemen beginnen im 80. Segmente. Unterhalb der After- spalte ein in vier fingerförmige Fortsätze auslaufender Schwanzanhang . . . . . . M. Trinche: n. Sp. Segmente. . H. filiformis Car. gerüstet ist. Kiemen fehlen. Hakenborsten aus le tonsennatat in bei- gerüstet. den Geschlechtern . . . Capitomastus n. Gen. Copulationsapparat im 8. und 9. Segmente; bei den $ aus je Einem, bei den © aus je zahlreichen Genitalhaken bestehend . . . 2 22 nn m nn nn nn... (©. minimus LANGERH, 9 Thoraxsegmente, wovon das 1.—6. mit Pfriemen-, das 7. mit Pfriemen- und Haken- und das 8.—9. mit gewöhnlichen Haken aus- gerüstet ist. Kiemen feh- len. Copulationsapparat nur im 5 Geschlechte Capitella BLAINV. Copulationsapparat der 5 im 8. und 9. Segmente aus zahlreichen Genitalhaken nebst einer Kittdrüse bestehend . . Cı capituta FABR. I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen etc. s61 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen, im Golfe von Neapel nicht vorkommenden Arten. a. Formen, welche sich in bekannte Gattungen einreihen lassen. Notomastus latericeus Sazs 1. p. 2. (Rapp. Voy. Lofoten) c. p. 79 und 1. p. 2. (Fauna littoralis) c. p. 9. Synonym: Notomastus fertilis Eısıs (?) Diese Monographie p. 819. In N. latericeus hatte Sars die erste Species der Gattung bekannt zu machen, .und so ist es begreiflich, dass seine Beschreibung mehr Gattungs- als Artcharaktere enthält. Aus Einem Satze unseres Autors geht aber hervor, dass N. latericeus in unsere Untergattung T'remo- mastus gehört. Er sagt nämlich: »On remarque chez quelques individus un tout petit mamelon rond, probablement une glande muqueuse, dans l’espace entre les deux proeminences pedales dans les premiers segments de la partie posterieure du eorps. Une autre glande muqueuse plus de deux fois plus grande se trouve chez tous les individus dans environ les 20 premiers segments de la partie posterieure. Hlle est placee de chaque eöt&e du dos, et un peu plus en arriere que le petit mamelon ei-dessus mentionne. On ne la remarque pas beaucoup dans les animaux vivants, mais seulement quand lanimal est mis dans de l’esprit; car elle devient alors blane opaque et un peu proeminente. Il me semblait qwelle avait une petite ouverture a l’extremite en forme de fente.« Der »petit mamelon rond« fällt nun zusammen ‘mit dem, was in dieser Monographie als Seitenorgan, und die zwei mal so grosse »glande muqueuse« mit dem, was als Genital- schlauchporus beschrieben wurde). Die Thatsache, dass N. latericeus ebenso wie N. fertilis mit ungefähr 20 Genitalschlauch- Paaren ausgerüstet ist, spricht sehr für ihre specifische Einheit, und ich hätte auch ohne Weiteres die von mir als N. fertilis beschriebene Form der Sars’schen Art einverleibt, wenn nicht einige positive Angaben dieses Autors im Wege gestanden hätten. N. latericeus soll nämlich der Augen entbehren, ferner soll sich bei ihm die T'horaxfelderung auf alle Segmente erstrecken, und endlich sollen dieselben Segmente mehr als zwei Mal so breit, als lang und durchweg deutlich zweiringelig sein, was alles für N. fertilis nicht zutrifft. Auch ist zu be- rücksichtigen, dass Horst nur 11 Paar Genitalschlauchporen nachzuweisen vermochte. Wieder- holte Untersuchung wird indessen zu entscheiden haben, ob diese Unterschiede in der Sars'schen Art wirklich constant sind, oder nicht, und im letzteren Falle könnte dann N. fertilis als mit N. latericeus synonym eingezogen werden. *), Horst (Die Anneliden gesammelt während der Fahrten des »Willem Barents« in den Jahren 1878 und 1879. Niederl. Archiv. Z. Suppl. 1. Bd. 1881/82. p. 20. Taf. Anneliden Fig. 7) bezeichnet diese Poren irrthümlicherweise als Mündungen von Nephridien. s62 D. Systematisch- Faunistischer "Theil. Verbreitung der Species. Mittelmeer. Adriatisches Meer: Quarnero, Ossero, im Schlamme, wenige Fuss tief, Grusel. p. 826. c. p. 86. Atlantischer Ocean. Canarische Inseln: Madeira, auf alten Fischkörben, Langernans 1. p. 853. c. p. 259. Küste von Grossbritannien: Bei Galway, 15—20 Faden; Westlich von Irland, 51°I N. 11°21‘ W., 426—458 Faden; 56°44°’N. 12°52 W., im Schlamme, 1215 Faden; 54°54'N. 10°59° W., in feinem thonigen Schlamme, 1366 Faden; 55° 11‘N. 11°31’ W., in thonigem Schlamme, 1443 Faden; Euters 1. p. 853. c. p. 25. Im Bereiche der Fär-Öer- und Shetlands-Inseln: 62° 44° N. 1°48°0O., in 'Thon, 753 Meter; 63° 17’N. 1°27° W.,. in Biloculina-'Thon, 1977 Meter; 64°2‘N. 5° 35° O., in 'Thon, 911 Meter; Hansen, A. G. The Norwegian North-Atlantic-Expedition 1876—1878. Zoology. Annelida. Christiana 1882. p.p. 15, 17 und 19. Westküste von Skandinavien: Söndfjord bei Floröen, in der Laminarien-Region, selten im Sande; Manger, 50—60 Faden; Sars 1. p. 2. (Fauna littoralis) ce. p. 11. Küsten des südlichen Grönlands?: »antica pars speciminis magni, ut videtur, hujus speciei, in Mus. Holm. adest ex Omenak Grönlandiae, e prof. 250 orgyar. ab AMmoNDsEN erepta.« MALMGREN 1. p. 7. c. p. 207. Küste von Nordamerika: Fundy Bay, N. Scotia, Gulf of Maine, Casco Bay, George Banks; Verriss 1. p. 835 (New Engl. Annel.) c. p.p. 298, 305, 309 und 312. Nordsee und Skager Rack. Küste von Schweden: Bohus Län, Koster, 30—130 Faden (Lov£n, LsunGMAN und MarnGren); Väderöarne, 50 Faden (Goäs, Lov£n); Dyngö, 15 Faden (Goäs); MALnErEn 1. p. 7. cp 207% Küste von Norwegen: Lindesnäs, selten in blauem, thonigem Schlick, 220 Faden: südwestlich vom Bukkefjord, mässig häufig im Schlick mit Grand, 106 Faden; Hongesund, selten auf steinigem Grunde und Felsen, 5 Faden; vor dem Bömmelfjord, mässig häufig im Schlick, 106 Faden; Mößpıvs, K. Exped. Phys. Chem. Unters. Nordsee 1872. V. Vermes. p- 159; in Jahresber. Comm. Wiss. Unters. deutsch. Meere in Kiel 1872/73. 2. und 3. Je. Berlin 1875. Ostsee und Kattegat. Küste von Dänemark: Levissen 1. p. 809. c. p. 303. Nordmeer. 30 Eaden, _Sars ]. p. 2. (Fauna littoralis) e. p. 11; Grötsund (Goüs und MarnGren), MArnGREN 1. p. 7. c. p. 207; Nordküste von Skandinavien: Finmarken, Öxfjord, 20 Oestlich von Hammerfest, 192 Faden, Horst 1. P=861.7c. p. 20: I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen etc. s63 Novaja Semlja: 60 Meter, Inter 1. p. 854. c. p. 56. Karisches Meer: 46 Faden, Levissen, G. Kara-Havets Ledorme. Dijmphna-Togtets zoolog.-botan. Udbytte. Kjebenhavn 1887. p. 296; 74" 30° N. 65° 35° O., 35 Faden, StuxBERG, A. Evertebratfaunan i Sibiriens Ishaf. Vega-Expeditionens Vetenskapliga Ar- beten p. 794. Notomastus rubicundus Ker. |]. p. 4. c. p. 123. Synonyme: Capitella rubicunda Ker. 1. p. 4. ce. p. 129. Capitella rubicunda Crar. 1. p. 4. c. p. 26. Sandanis rubicundus Kısr. 1. p. 71. c. p. 349. Notomastus Benedeni Crar. (?) 1. p. 5. ec. p. 54. Man vergl. auch diese Monographie p. 815. In Kererstein’s Beschreibung figurirt der Satz: » Vom 12. bis wenigstens zum 16. Seg- mente liegen hinter diesen lippenartigen Oeffnungen nämlich hinter den sogenannten Seiten- organen| noch zwei andere kleine Querspalten, deren Bedeutung mir ganz unbekannt geblieben ist.« Diese Querspalten, welche genannter Forscher auch zur Abbildung brachte, sind nun nichts anderes, als Poren von Genitalschläuchen, und daraus folgt, dass auch N. rubicundus in die Untergattung » Tremomastus« gehört. Für diese Zugehörigkeit spricht auch die Form und Farbe der Nephridien. Das ist alles, was sich bestimmt über die Stellung der Species sagen lässt, indem sowohl Krrersteiv’s, als auch Crararepe's Beschreibung lediglich Familien- und Gattungscharaktere betonen. In Anbetracht, dass ich an der Ein Jahr später von Ura- PAREDE nach mediterranen T'hieren aufgestellten Tremomastus-Form: » Notomastus Benedeni« eben- falls 5 Paar Genitalschläuche nachweisen konnte, entsteht die Frage, ob N. rubieundus und N. Benedeni nicht ein und dieselbe Species repräsentiren. Dies wird sich durch wiederholte Untersuchung der atlantischen Form, und zwar an der Hand der in dieser Monographie von N. Benedeni gegebenen Beschreibung leicht endgiltig entscheiden lassen. Für den Fall, dass die vermuthete Synonymie zutrifft, muss der Name »N. Denedeni« zu Gunsten des Ein Jahr früher aufgestellten » N. rubicundus« zurücktreten. Obwohl ursprünglich sowohl von Seiten Krrersteins, als auch von Seiten CLAParepE’s unsere Form irrthümlich als » Capitella« bezeichnet wurde, so konnten doch beide Autoren nicht umhin, die grosse Uebereinstimmung gewahr zu werden, welche diese ©. rubieunda mit der einzigen damals bekannten Notomastus-Art, nämlich mit N. /atericeus Sans, darbot. Als bestimmt in das Genus Notomastus eingereiht begegnet uns aber ©. rubieunda zum ersten Mal in den Glanures Zootomiques CULAPArkpEs'), indem sie hier von diesem Autor schlechtweg als N. rubieundus citirt wird. Del Ep 5. 1eEpro 864 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Nachdem so über die Zugehörigkeit von Capitella rubieunda (zu Notomastus) kaum noch irgend ein Zweifel herrschen konnte, glaubte gleichwohl Kıngers, und zwar lediglich auf Kerersteins Beschreibung gestützt, die Sache anders auffassen zu müssen. In Anbetracht ihres Besitzes zweier ausstülpbarer 'Tentakel (respective Wimperorgane) errichtete er nämlich für ©. rubicunda das neue Genus »Sandanisc. Dass nicht etwa nur N. rubicundus, sondern viel- mehr alle Arten des Genus Notomastus mit Wimperorganen ausgerüstet sind, und daher San- danis Kıng. als synonym mit Notomastus Sars zu betrachten sei, hat zuerst CLAPArEpE!) nach- gewiesen. Verbreitung der Species. Canal: St. Vaast la Hougue, nicht selten am Ebbestrande, Kererstein 1. p. 4. c. p. 124; am mittleren Ebbestrand, ULAPAREDeE 1. p. 4. c. p. 26. Notomastus Sarsii Cap. 1. p. 5. c. p. DI. Synonyme: Notomastus lineatus Cvar. (?) 1. p. S. c.p. 278. Man vergl. auch diese Monographie p. 811. Aus der Angabe Crararepe's, dass-die Nephridien frei im Cölom hin und her bewegt werden können, sowie aus den Färbungs- und Lagerungsverhältnissen dieser Organe lässt sich fast mit Sicherheit schliessen, dass N. Sarsü zur Untergattung Clistomastus gehört. Die 'Thatsache ferner, dass die Nephridien von N. Sarsü nicht nur hinsichtlich der Form, sondern auch hinsichtlich der schornsteinförmigen, hoch über den Seitenorganen ge- legenen äusseren Mündungen auffallend mit denjenigen von N. lineatus übereinstimmen, legt die Vermuthung nahe, dass die beiden Notomastus-Arten einerlei Thiere umfassen. Leider genügt die Beschreibung Crararepr's nicht, um diese Frage zu entscheiden; denn was er von den 'Thoraxringeln sagt, ist, wie wir schon an anderem Orte hervorgehoben haben, für die Bestimmung werthlos, und die von ihm gegebenen Borstenfiguren sind so unzutreffend, dass sie noch nicht einmal den Genus-, geschweige den Arttypus zum Ausdruck bringen. Der Charakter, auf welchen CrArarepe in seiner Beschreibung von N. lineatus so hohen Werth gelegt hat, nämlich die bedeutende Verlängerung der neuralen Hakentaschen oder einfachen Parapodkiemen im Abdomenanfange, hat dadurch viel von seinem Werthe verloren, dass die von mir als N. profundus und N. fertilis beschriebenen Arten hinsichtlich des Ausbildungs- grades der erwähnten Hakentaschen dem N. lineatus wenig nachstehen. Es muss der Nach- untersuchung der ostpyrenäischen Form überlassen bleiben, endgiltig zu entscheiden, ob die von uns vermuthete Synonymie in der That zutrifft, und für diesen Fall wäre der Name N. lineatus zu Gunsten des älteren N. Sarsiü einzuziehen. 1) 1. p. 8. e. p. 278. Anmerk. 2. I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen ete. Verbreitung der Species. Mittelmeer. Mittelländ. Meer: Oestliche Pyrenäen, Port-Vendres, in einer kleinen, zwischen Port- Vendres und Collioure gelegenen felsigen Bucht, Crararene 1. p. 5. ec. p. 51. Atlantischer Ocean. Canarische Inseln: Madeira, im Sande am Strande, LAnGERHANSs, P. Ueber einige cana- rische Anneliden. Nova Acta Leop. Car. 42. Bd. 1881. p. 115. Notomastus eruentts QUATREE. Synonyme: Arenia eruenta QUATREF. 1. p. 6. c. p. 250. Auf die Synonymie von Arenia und Notomastus haben bereits Craparepe'!) und M/In- TosH?) hingewiesen. Es genügt in der That ein Blick auf die übrigens keineswegs exacten Figuren des französischen Forschers, um den Notomastus-Habitus zu erkennen. Die Beschreibung vollends, sowie die Abbildungen der so charakteristischen neuralen "Tori des Abdomens lassen kaum eine andere Deutung zu. Zwei von Quarkerages für Arenia betonte Organisationsverhältnisse indessen stehen mit dieser Deutung im Widerspruche. Es sind das erstens die Angabe, dass Arenia (statt 12 wie Notomastus) nur 11 Thoraxsegmente zähle, und zweitens diejenige, dass ihre hämalen, abdominalen Parapodien (anstatt wie die neuralen mit Haken-) mit Pfriemenborsten aus- gerüstet seien. Was die 11 Thoraxsegmente betrifft, so dürfen wir wohl annehmen, dass (QUATREFAGES nur die borstentragenden Zoniten des Vorderleibes zählte, also das nackte Mundsegment un- berücksichtigt liess. Träfe die zweite Angabe, nämlich die Ausrüstung der abdominalen, hämalen Parapo- dien mit Pfriemenborsten zu, dann böte Arenia eine bisher nur bei Mastobranchus beobachtete Vertheilung der Borsten dar und müsste auch in Folge dessen diesem letzteren Genus ein- verleibt werden. Diese Angabe trifft nun aber nicht zu, indem Quarrerases irrthümlicher- weise die Sinneshaare der Seitenorgane für feine Pfriemenborsten gehalten und die wahren, auch hier mit Haken ausgerüsteten hämalen Tori übersehen hat. Dies geht ganz besonders aus einer von der anderen Arenia-Species, nämlich von A. fragilis, gegebenen Figur hervor, in der jene Sinneshaare als Borsten hämaler Parapodien dargestellt sind’). Ob nun N. ceruentus, wie CLAPAREDE will, mit N. rubieundus oder mit einer anderen der beschriebenen Notomastus-Arten zusammenfällt, oder, ob im Gegentheil in ihm eine besondere P)El.2P28.2.0:2P2278: 2), la p>102.020.2390. 3). 1. pe 6. ce. Taf 11 Bie.226. - Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 109 Ss66 D. Systematisch- Faunistischer Theil. Art vorliegt, darüber kann erst nach eingehenderer Untersuchung der betreffenden Thiere ein Urtheil abgegeben werden. Verbreitung der Species. Canal. Inseln von Brehat, QuArker. 1. p. 6. c. p. 250. Notomastus (?) fragilis QUATREF. Synonyme: Arenia fragilis QuATRER. 1. p. 6. c. p. 251. Wie Quarkerages selbst hervorhebt, unterscheidet sich diese Species von der vorigen fast nur durch die bedeutendere Körpergrösse, so dass alles für die Notomastus-Natur von A. cruenta Betonte gleicherweise für diejenige von A. fragilis gilt. Aber auch hier fehlt es nicht an einer Angabe, welche der Synonymie im Wege steht; es soll nämlich der Thorax von A. fragilis (anstatt aus 12) nur aus 8 Segmenten bestehen. Leider bin ich nicht wie im vorhergehenden Falle in der Lage, diesen Gegensatz aufklären zu können. Die Voraussetzung, dass QuATRErAGEs da S Segmente gezählt habe, wo in Wirklichkeit 12 vorhanden waren, ist wohl kaum erlaubt; andererseits aber stimmt A. fragilis so sehr mit A. cruenta, respective mit Notomastus überein, dass ich mich nicht einmal dazu entschliessen konnte, sie bei den Formen unterzubringen, deren Gattungs-Zugehörigkeit zweifelhaft ist, ge- schweige dazu, ihr das Anrecht auf einen besonderen Gattungsnamen zuzusprechen. Und doch müsste sie für den Fall, dass die fragliche Angabe von QuATREFAGES zuträfe, unbedingt eine solche besondere Gattung bilden. Verbreitung der Species. Canal. Inseln von Brehat und Chansey, QuArker. 1. p. 6. c. p. 251. Notomastus brasiliensis GruBE 1. p. 8. e. p. 27. Nach Einem, wie aus einer beigegebenen Abbildung hervorgeht, schlecht conservirten, insbesondere stark contrahirten Notomastus-Exemplare aus den Sammlungen der Novara-Expe- dition hat GrUBE diese neue Art aufgestellt. In der ausführlichen Species-Diagnose figuriren ausschliesslich Gattungs- und Familiencharaktere. Innere Organe wurden überhaupt nicht berücksichtigt. Was GrugE von Körperdimensionen und Körperform angiebt, ist werthlos, indem sich diese Verhältnisse je nach den beim Conserviren statthabenden Contractionen auf das Verschiedenartigste zu gestalten pflegen. Gleiches gilt hinsichtlich der Färbung. I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen etc. Ss67 N. brasiliensis soll sich von N. latericeus, Benedeni und Sarsii dadurch unterscheiden, dass sein Kopflappen nicht durch Ringfurchen weiter abgetheilt und überdies halbkreisrund (anstatt conisch) erscheine. Ferner speciell von N. latericeus dadurch, dass die hämalen Para- podien der Medianlinie nicht so nahe rücken,.und von N. Sarsü endlich durch die zwei- spitzigen Hakenköpfe. Auch alle diese Differenzial-Charaktere sind nun unbrauchbar. Der Kopflappen zu- nächst ist ein eminent retractiles Organ, dessen Form sich (wo nicht sehr wesentliche Ver- schiedenheit, wie z. B. bei Dasybranchus caducus einer- und D. Gajolae andererseits herrscht) an conservirten Thieren meist gar nicht feststellen lässt; seine Unterabtheilung durch Querringel ist stets ein Contractionsphänomen. Was ferner die Annäherung der hämalen Parapodien im Abdomenanfange betrifft, so ist zu bemerken, dass auch andere Species darin nicht den von N. latericeus dargebotenen Grad erreichen, und auf die Zahl sowie Form der Hakenzähnchen endlich ist, wie schon mehrfach zu constatiren war, wenig zu geben. Nach alledem lässt sich auf Grund der Beschreibung GrusgeE's nur so viel feststellen, dass ihm ein Notomastus vorlag. Ob dieser Notomastus zu einer der bereits beschriebenen Formen gehört, oder eine neue Species zu bilden berufen ist, wird sich erst nach eingehenderer Unter- suchung der betreffenden 'Thiere entscheiden lassen. Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Küste von Südamerika: Rio de Janeiro, GruBE 1. p. 8. c. p. 27. Notomastus sinuosus GruBE l. p. 9 (Jahresb. Schles. Ges.) c. p. 51. Noch viel unzureichender, als die Beschreibung der vorhergehenden ist diejenige der vor- liegenden Form. Was GruüBE vorbringt, ist gerade genügend, um das Genus zu erkennen. Für die Errichtung einer neuen Species war eben nur traditionell die Thatsache maassgebend, dass das betreffende Notomastus-Exemplar aus »feınen Meeren« stammte. Selbstverständlich sind auch in diesem Falle die Ergebnisse einer wirklichen Untersuchung abzuwarten, um über die Existenz- berechtigung, respective die Synonymie der Art ein Urtheil fällen zu können. Verbreitung der Species. (srosser Ocean. Chinesisches Meer: Golf von Pe-tschi-li, Cheföo (Tschi-fu), GrugE 1. p. 9. (Jahresb. Schles. Ges.) c. p. 48. 109* S68 D. Systematisch - Faunistischer Theil. Notomastus Agassizii MIntosn 1. p. 10. ce. p. 389. Diese neue Art wurde auf Grund zweier Fragmente vom Challenger-Materiale errichtet. M’Inrosn scheint von den aus europäischen Meeren bekannt gewordenen Notomastus-Formen keine Kenntniss gehabt zu haben, indem er zum Vergleiche »the common British species Capitella capitata« heranzog. Aus seiner Beschreibung und Abbildung geht nur so viel hervor, dass ihm eine zum Genus Notomastus gehörige Form vorgelegen hatte, und es muss daher die Existenzberechtigung auch dieser neuen Art fraglich bleiben. Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Cap Verdische Inseln: San Antonio, M’Intos# 1. p. 10. c. p. 389. Küste von Nordamerika: 41° 14° N. 65° 45° W., blauer Schlamm, 1340 Faden, M’Ixtos# l2p2 1050797983 Notomastus Sp.? Mintost# 1. p. 10. ce. p. 390. Wie aus der Ueberschrift hervorgeht, liess M’Istosu die Species-Zugehörigkeit dieser ebenfalls nur in Einem Fragment vom Challenger erhaltenen Notomastus-Form dahingestellt. Dass ein Notomastus in der That vorlag, beweist des genannten Autors Abbildung. Eine genaue anatomische Untersuchung des Bruchstückes kann aber möglicherweise auch zur Feststellung der Species führen. Verbreitung der Species. Indischer Ocean. Kerguelen: Bereich der Cumberland Bay, 48° 45° 8. 69° 14° O., vulcanischer Schlamm, 127 Faden, M’Intosa 1. p. 10. c. p. 390. b. Formen, welche sich in bekannte Gattungen nicht einreihen lassen. Während sonst in diesem Abschnitte der Systematik fast nur ältere Diagnosen zu figuriren pflegen, Diagnosen, welche zu einer Zeit entstanden, in der die Charaktere der betreffenden Thiergruppe erst theilweise und nur sehr mangelhaft bekannt waren, habe ich es hier um- gekehrt vorwiegend mit Beschreibungen jüngsten Datums, und zwar mit solchen VErRrILLs zu thun. Obwohl durch die Arbeiten von Sars, GrUBE und CLAPArKkDE sowohl für die bestehenden, als auch für die etwa neu aufzustellenden Genera eine verlässliche Basis schon geschaffen war, verfuhr dieser Autor bei den meisten seiner Beschreibungen so, als ob noch nicht ein I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen ete. 369 einziges Genus unserer Familie scharf charakterisirt dastände. In Folge so mangelhafter Ein- sicht überwiegen denn auch in seinen an sich dürftigen Beschreibungen vage, auf irgend welche Anneliden beziehbare Merkmale die für die Classification allein verwerthbaren. Wenn ich dem noch hinzufüge, dass VerriLr überdies alle Angaben über die innere Organisation, wie es scheint, grundsätzlich vermeidet, ja nicht einmal die Borsten abbildet, so wird man es begreiflich finden, dass es mir trotz besten Willens nicht gelingen wollte, in den nachfolgenden Formen die Gattungs-, geschweige die Art-Zugehörigkeit festzustellen; denn unbekümmert um allen systematischen Brauch erhob Verrimr auch noch jede dieser seiner generisch so unzu- reichend definirten Formen zu einer »Sp. nova«. Alles das ist aber um so mehr zu bedauern, als diese vorläufig inhaltlosen Formen oder Namen in einer langen Reihe faunistischer Arbeiten immer und immer wieder sowohl von Seiten des genannten Autors als auch von anderen Faunistikern reproducirt wurden. Notomastus luridus Verrinn 1. p. 9. ec. p. 610. Aus der einzigen systematisch belangreichen Angabe VerriLrs, der "Thorax der be- treffenden Form bestehe aus 10 Pfriemenborsten tragenden Segmenten, geht gerade das Ge- gentheil von dem hervor, was er schloss, nämlich, dass jene Form nicht zum Genus Noto- mastus gehören kann, indem ja alle Species dieses Genus 11 Pfriemenborsten tragende Thoraxsegmente aufweisen. Unter der Voraussetzung aber, dass VERRILL ungenau gezählt habe (sagt er doch »about ten segments«) und in Wirklichkeit 11 solche Segmente vorhanden sind, kann man, im Zusammenhange mit zwei anderen von genanntem Autor hervorgehobenen Merk- malen, nämlich der T'horaxfelderung sowie der Grössendifferenz zwischen neuralen und hämalen Haken, die Vermuthung aussprechen, dass ihm in der That zum Genus Notomastus gehörige Thiere vorgelegen hatten. Um so mehr muss dies aber bis zur wirklichen Untersuchung eine Vermuthung bleiben, als nicht nur Notomastus, sondern auch Dasybranchus und Mastobranchus durch die Felderung des 'Thorax sowie durch die entsprechende Grössendifferenz zwischen den beiderseitigen 'T'oris ausgezeichnet sind. Lo, - Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Küste von Nordamerika: Savin Rock bei New Haven, in schlammigem Sande, im Be- reiche der Ebbegrenze, VerritL 1. p. 9. c. p. 610; Casco Bay, Verritr 1. p. 835 (New Engl. Annel.) c. p. 309; Great Egg Harbor, New Yersey (oder South Norwalk, Conn.?), WeEBsTEr, H. Annelida Chaetopoda of New Jersey. 32. Annual Report New-York State Mus. Nat. Hist. 1879 (fide Verrir 1. p. 835 (New Engl. Annel.) c. p. 322); Provincetown und Wellfleet, Mass., sehr häufig nahe dem Ufer im Sande, Wesster und Benxevicr 1. p. 9. c. p. 730. s70 D. Systematisch- Faunistischer Theil. Notomastus filiformis VeErRRILL 1. p. 9. c. p. 611. und. p. 835 (Not. Rec. Addit.) c. p. 180. In seiner ursprünglichen Beschreibung dieser Form gab VERRILL an: »In the anterior region there are eleven setigerous segments, which bear small fascieles of slender setae in both ramı, those in the first five longer and acutely poimted; ..... the lower fascieles of setae are largest and fan shaped.« In einer späteren Arbeit hob er als unterscheidende Merkmale gegenüber N. gracilis hervor: »In the latter [nämlich bei N. Kliformis) the five anterior segments bear large groups of long, capillary, acute setae; but on the fifth there are sometimes a few uneini mingled with the capillary ones in the lower fascieles. The uncini are numerous on the following segments, and are long and somewhat bent, but show no constrietion, the distal portion being regularly narrow, spatulate, or paddle shaped, with the central shaft curved, blunt, and slightly hooked at the tip.« Hätte VerriLr anstatt dessen auch nur Eine Pfriemen- und je Eine Hakenborste (aus verschiedenen Leibesregionen) abgebildet, so würde sich daraus mehr hinsichtlich der Stellung fraglicher Form ergeben haben. Gestützt auf Obiges lässt sich nur mit Bestimmtheit vertreten, dass N. filiformis mit dem Genus Notomastus nichts zu thun hat, und als Möglichkeit aus- sprechen, dass die betreffenden 'Thiere zu Heteromastus gehören. Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Küste von Nordamerika: Great Egg Harbor, in sandigem Schlamme, bis 1 Faden tief; New Haven, Watch Hill, Vineyard Sound, Verritz 1. p. 9. c. p. 611; Great Egg Harbor (oder South Norwalk, Conn.?), Wesster, H.]1.p. 869. c. (fide Verriun 1. p. S35 [New Engl. Annel.) c. p. 322); Provincetown und Wellfleet, Mass., sehr häufig nahe dem Ufer im Sande, WEBSTER und Benevicr ]. p. 9. c. p. 780. Notomastus gracilis Verritcn 1 p. S35 (Not. Rec. Addit.) c. p. 180. Für diese Art wird angegeben: »Six anterior segments bear faseieles of capillary setae above and below; the seventh and succeeding segments bear uneini above and below, but in the lower fascicles of the seventh segment there are often some capıllary setae also.« Das ist eine Borstenvertheilung, die durchaus mit der von Capitella capitata über- einstimmt, und doch nennt unbegreiflicherweise VerriLı das betreffende Thier Notomastus. Ja, nicht genug damit, auch noch eine neue Species dieser Gattung soll es sein, obwohl in der ganzen 7—8 Zeilen einnehmenden Beschreibung ausser- den eben eitirten Merkmalen nebst Angaben über die Haken nur noch der Kopfform, Farbe und Körperdimension ge- dacht wird. I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen etc. s7iı Erinnert nun auch, wie erwähnt, die Borstenvertheilung von N. gracilis an Capitella, so konnten wir sie doch nicht ohne Weiteres als Synonym dieser Gattung aufführen, weil ihre Haken nach Verrits abweichend (von denjenigen der Capitella) geformt sind. Ueberdies müsste behufs solcher Zutheilung erst bekannt sein, ob das erste Leibessegment von N. gracilis borstentragend, und ob ferner das Q' Geschlecht mit dem für Capitella so bezeichnenden Copu- lationsapparate ausgerüstet ist — oder nicht. Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Küste von Nordamerika: Noank, Conn., im Schlamme, d4—5 Faden, Verrirn 1. p. 835 (Not. Rec. Addit.) c. p. 180. Ancistria acuta VeERRILL ]. p. S35 (Explor. Casco Bay) c. p. 386 und Verkrtr, A. Brief Contributions to Zoology from the Museum of Yale College No. 29. Results of recent Dredging Exped. on the Coast of New England No. 7. Amer. Journ. Se. (3) Vol 7. 1874. p. 505. Taf. 6. Fig. 3. Synonyme: Notomastus acutus VERRILL 1. p. 835 (Not. Rec. Addit.) ce. p. 181. In derselben Abhandlung, in der Verrirt einmal, wie wir gesehen haben), die Be- ziehung von ihm vorliegenden Capitelliden zu bereits bestehenden Gattungen erkannt hatte, ich meine die Abhandlung (l. p. 835 [Explor. Casco Bay| c. p. 385), in der von ihm eine fadenförmige, mit dreierlei Borsten ausgerüstete Form richtig als dem Genus Aneistria QUATREF. zugehörig (und daher mit unserem Heteromastus filiformis synonym) beschrieben wurde, figurirt als zweite Art dieser Gattung A. acuta. Letztere hat, wie aus dem Texte und der citirten Figur hervorgeht, an den 7 vorder- sten Segmenten Pfriemen-, und an den nachfolgenden »verlängerte« Hakenborsten. In Anbe- tracht dieser so abweichenden und so auffallend an diejenige der lange bekannten Capitella capitata erinnernden Borstenvertheilung (bei Aneistria capillaris sollen das erste Segment borsten- los, das 2.—5. mit Pfriemen-, die nächsten mit langen und die übrigen endlich mit kurzen Haken ausgerüstet sein!) hätte es nun doch Verrıirı einleuchten müssen, dass die fragliche Form nicht ebenfalls dem Genus Aneistria zugehören könne, und dass sie auch nicht so ohne Weiteres zu einer neuen Species erhoben werden dürfe. Aber nicht genug damit: wie An- cistria capillaris, so wird einige Jahre später auch Ancistria acuta von VERRILL überdies in Noto- mastus (N. acutus) umgetauft, weil »it seems to be impossible to distinguish that genus |näm- lich Aneistria| by any definite structural characters from Notomastus Sars«. Wie unzutreffend a) Vergl. p. 845. 2 D. Systematisch-Faunistischer Theil. diese letztere Behauptung Verrirr’s ist, und wie sie nur von Jemand aufgestellt werden konnte, der in der Systematik unserer Gruppe durchaus ununterrichtet war, hatte ich bereits an einer anderen Stelle“) zu betonen. Verritv’s Angaben über die Borsten zufolge müsste, wie gesagt, A. acuta der Gattung Capitella eingereiht werden. Hiermit würde auch stimmen, dass (in der Abbildung) das erste Leibessegment der fraglichen Form borstentragend ist. Wenn ich es gleichwohl unterlassen habe, dieselbe als mit Capitella capitata synonym aufzuführen, so geschah es einmal aus dem Grunde, weil Verrirz den Kopflappen seiner A. acuta als spitz-conisch und die Haken als »elongated« bezeichnet, und sodann, weil er nichts von dem für Capitella so charakteristischen Copulationsapparate erwähnt. Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Küste von Nordamerika: Broad Sound, Casco Bay, 15—20 Faden, Verrirr 1. p. 835 (Explor. Casco Bay) c. p. 386. Areniella filiformis Verrinn 1. p. S35 (Explor. Casco Bay) c. p. 386. A. filiformis bildet nach VeRrRrILL eine neue Gattung. Seine Diagnose lautet: »Head acute, conical, mouth beneath. Body slender, terete, composed of numerous similar segments, without any marked division into distinct regions. The upper fascieles on all the segments contain slender, acute, bent setae, usually mingled with some of different forms anteriorly. The lower faseieles contain shorter, mostly simple setae anteriorly, and bidentate uncini farther back «. Das klingt fast so, als ob in Areniella die erste zu beschreibende Annelide vorgelegen hätte; auf was kann in der 'T'hat »der spttze Kopf, der ventrale Mund und der schlanke, aus zahlreichen Segmenten aufgebaute Leib« nicht bezogen werden? Und auch die (in der Species- diagnose ausführlicheren) Angaben über die Borsten helfen uns nicht weiter, indem ihre Ver- theilung (und Form?) von Allem abweicht, was bisher bei Capitelliden bekannt geworden ist. In Folge dessen muss es denn auch, so lange bis die betreffenden Thiere wirklich untersucht sein werden, vollkommen dahingestellt bleiben, ob VerrirL eine Capitellide, oder aber eine andere Annelide vor sich gehabt hat. Bezüglich des gewählten Speciesnamens wäre noch zu bemerken, dass, nachdem UrA- PAREDE 10 Jahre früher schon eine Capitella (heute Heteromastus!) als »filiformis«, und VERRILL selbst nur 1 Jahr vorher einen angeblichen Notomastus als »filiformis« bezeichnet hatte, es doch überflüssig war, eine angeblich neue Art derselben Familie noch einmal so zu taufen. a) Vergl. p. 868. I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen etc. 873 Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean: Küste von Nordamerika: Casco Bay, im Schlamme, 20—40 Faden, Verrıirr 1. p. 835 (Explor. Casco Bay) c. p. 387. Eunotomastus Grubei MIntosnH ]. p. 10. c. p. 388. »The specimen«, sagt Mac Intosn, »is fragmentary and much injured, apparently having been partially dried, so that the description is imperfect«. Trotz der mangelhaften Beschreibung ist nun aber zu vermuthen, dass hier in der 'That Fragmente eines neuen Genus vorlagen, und zwar aus folgenden Gründen: Mac Inrosh giebt an, dass der im Habitus mit Notomastus übereinstimmende 'IT'horax mit ungefähr 16 Paaren Pfriemenborsten enthaltender Parapodien ausgerüstet sei, also inclusive Mundsegment aus 9 Zoniten bestehe, dass feıner die hintere Körperabtheilung, das Abdomen, in den hämalen Parapodien seiner 4 ersten Segmente Pfriemen-, im Uebrigen jedoch ausschliesslich Haken- borsten besitze. Dies ist aber eine Borstenvertheilung, die auf keine der bis jetzt bekannt gewordenen Capitelliden-Gattungen passt. Künftiger, genauerer Untersuchung muss freilich die endgiltige Entscheidung über die Legitimität der fraglichen neuen Gattung, respective der neuen Art vorbehalten bleiben. Verbreitung der Species. Atlantischer Ocean. Im Bereiche der Bermudasinseln: 32° 21° N. 64° 35° W., in Coral-Mud, 435 Faden, Mac Intos# 1. p. 10. c. p. 388. Lumbricus pusillus DELLE CHurase, Memorie sulla Storia e Notomia degli Animali senza Vertebre etc. Vol. 1—2. p. 428. Taf. 29. Fig. 5. Napoli 1822. und in des- selben Autors: Descrizione e Notomia degli Animali Invertebrati ete. Vol. 5. p. 97. Taf. 93? Fig. 5. Napoli 1841. Im Gegensatze zu GRUBE') und (QUATREFAGES?), welche in L. pusillus eine Ophelia oder Ammotrypane, also eine Polyophthalmiden-Gattung, erkennen wollen, bin ich der Ansicht, dass es sich um das Vordertheil einer Capitellide handelt. Die Zahl der mit Pfriemenborsten aus- 1) 1. p. 2. (Familie der Anneliden) c. p. 70. IE Spr 6.2:0:2Rome,2 7279: Zoo]. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 110 874 D. Systematisch - Faunistischer Theil. gerüsteten Segmente würde mit Dasybranchus übereinstimmen. Aber dies ist nur eine Ver- muthung und wird wohl auch eine solche bleiben müssen, da weder 'Text, noch Figur wirk- lich verlässliche Anhaltspunkte zur Bestimmung des Genus darbieten. ? DELLE CHIAJE, 1. p. 873. (Descrizione e Notomia) c. Taf. 177. Fig. 8. Auch dieser (von dem neapolitanischen Forscher ohne Beschreibung und ohne Benen- nung publicirten) Figur scheint mir eine Capitellide zu Grunde gelegen zu haben. Dies ist aber auch Alles, was die betreffende Abbildung zu erkennen oder zu vermuthen gestattet. c. Formen, welche irrthümlicherweise als Capitelliden oder mit solchen synonym aufgeführt wurden. Der von Jonnstox ') seiner Zeit für möglicherweise mit Capitella capitata synonym gehaltene Lumbricus armiger Mürn. ist seitdem als zu den Ariciiden gehörig erkannt worden und heisst heute Scoloplos armiger. Später hat derselbe englische Autor?) als Synonym seiner Valla ciliata (das heisst C. capitata) Lumbricus ciliatus MüÜrr. aufgeführt. Bei OÖ. F. Mürter suchte ich nun aber ver- gebens nach einem so benannten Wurme, so dass ich es dahingestellt lassen muss, was JOHNSTON damit citiren wollte. Dadurch, dass Quarrerages®) die ihm durch eigene Untersuchung bekannt gewordenen zwei Capitelliden-Gattungen Arenia und Aneistria irrthümlicherweise für Clymeniden gehalten hatte”), kam er dazu, auch eine ganze Reihe von durch ältere Forscher beschriebenen Cly- meniden als Angehörige der Capitelliden-Gruppe zu betrachten, nämlich: Lumbricus tubicola MÜLLER, O. F. Zool. Danica 2. Bd. p. 49. Taf. 75. Fig. 1—3. Havniae 1788. Lumbricus sabellaris MÜLLER, ibid. 3. Bd. p. 37. Taf. 104. Fig. 5. Lumbricus minutus Fasrıcıus 1. p. 1. c. p. 281. Fig. 4. Olymene amphistoma DELLE UHrasel.p. 873 (Descrizione e Notomia) c. Taf. S0. Fig. 3. Es genügt die citirten Abbildungen zu betrachten, um sich ohne Weiteres davon zu überzeugen, dass alle diese Formen ausgesprochene Clymeniden repräsentiren und daher nichts mit Capitelliden zu thun haben. CLAPAREDE!) hielt es für wahrscheinlich, dass die von Scumarva’) aus Africa, Austra- lien, Neu-Seeland und Ceylon beschriebenen zwei Annelidengattungen » Hyboscolew« und a) Vergl. p. 7. Pallsp2 222 09p.2258 2)"1. p. 16. cp 68: 3) ce. p. 6. c. Tome 2. p. 259 A). pP. 820. p. 2170. 5) SchmarpDa, L. Neue Wirbellose Thiere etc. Leipzig 1861. 2. Hälfte p. 54—56. I. Specielle Systematik und Faunistik. 2. Kritische Uebersicht der bisher beschriebenen ete. s75 »Oncoscolex« in die Familie der Capitelliden eingereiht werden müssten. ScHMARDA selbst hat die betreffenden Formen unter den Aricieen aufgeführt, aber dazu bemerkt: »Die Ge- schlechter Hyboscolew und Oncoscolee würden vielleicht besser bei den Lumbriceinen stehen und als besondere Gruppe sich ihnen anschliessen«. QuArrrrages') war ähnlicher Ansicht, indem er sagte: »Je crois en effet, qwon doit les retirer [nämlich die fraglichen zwei Genera) de la classe des Ann&lides et les reporter a cöte des Lombrics et des Nais«. Die Schumarpa’sche Beschreibung ist so dürftig, dass sich vorläufig, meiner Meinung nach, weder über die systematische Zugehörigkeit von Hybo-, noch von Oncoscolew etwas Ent- scheidendes sagen lässt; überdies scheinen mir im letzteren Genus durchaus heterogene Formen zusammengeworfen zu sein. So viel geht aber schon aus den Habitus-Figuren des genannten Forschers hervor, dass er es allerdings theilweise mit Thieren zu thun hatte, welche sowohl an Lumbrieiden, als auch an Capitelliden erinnern, und dies gilt nicht nur für die von Una- PAREDE erwähnten zwei Gattungen, sondern auch und vielleicht in noch höherem Grade, was die Beziehungen zu Capitelliden betrifft, für die als »Branchoscolex« vom Cap der guten Hoffnung beschriebenen Arten. Die Untersuchung aller dieser exotischen Formen dürfte für die Beziehungen zwischen Oligochaeten und Capitelliden überaus interessante Aufschlüsse er- geben, und es wäre daher sehr wünschenswerth, dass sich ein in den betreffenden Gegenden weilender Forscher dieser Aufgabe unterzöge. Notomastus ? EHLers. 1. p. S53. c. p. 62. Unter den von der Porcupine-Expedition gesammelten Anneliden lag Enters das Vorder- theil eines Wurmes vor, welches durch die gefelderte Körperoberfläche an Notomastus er- innerte. Enters selbst hebt aber als Eigenthümlichkeit des fraglichen Bruchstückes hervor, dass »das 2.—5. Segment jederseits ein dorsales und ventrales Borstenbündel trägt, welches von sehr dicken, nadelförmigen, gelbgefärbten, in einer Reihe stehenden Borsten gebildet wird, während am 6. Segmente solche Borsten nur im dorsalen Bündel stehen, das ventrale dagegen feine, haarförmige Borsten trägt, wie Notomastus und Capitella.« Dies ist eine Borsten-Form und -Vertheilung, wie sie bei keiner der bis jetzt bekannt gewordenen Capitelliden-Gattungen vorkommt, und ich glaube denn auch, dass die Annelide, von der das betreffende Vordertheil herrührt, der Capitelliden-Familie gar nicht angehört. Zu Gunsten dieser meiner Ansicht spricht auch, dass der Kopflappen des vermeintlichen Notomastus zwei kurze, abgestumpfte Fortsätze trägt, was bei Capitelliden nie vorkommt. Emters meinte zwar, dass diese Fortsätze den aus- gestülpten Wimperorganen entsprechen könnten; dem gegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass die Wimperorgane an conservirten 'Thieren nur in sehr seltenen Fällen ausgestreckt bleiben. VLSPE BC Bd.22.. pr 2717. 110* 876 D. Systematisch - Faunistischer Theil. 3. Listen über die sämmtlichen bis heute beschriebenen Capitelliden nebst ihren muthmaässlichen Synonymen. a. Formen, welche sich in bekannte Gattungen einreihen liessen: Pagina Heutiger Name Autor Synonyme Autor dieser Monographie Notomastus SARS 807—810 lineatus ÜLAPAREDE 811—814 Benedeni ÜULAPAREDE 815—817 profundus EısıG Capitella major ÜLAPAREDE S17—519 ‚Fertilis EisıG 819—820 Formianus EısıG S20—821 latericeus SARs Notomastus fertilis (2) Eısıc S61— 863 rubieundus KEFERSTEIN Capitella rubieunda KEFERSTEIN | Sandanis rubieundus KINBERG S63—864 Notomastus Benedeni? JLAPAREDE | Sarsıül ÜLAPAREDE Notomastus lineatus? ÜLAPAREDE S64—S65 eruentus QUATREFAGES Arenia eruenta QUATREFAGES 565— 866 ? fragilis QUATREFAGES | Arenia fragilis QUATREFAGES 566 brasiliensis GRUBE 867 sinuosus GRUBE 867 Agassizit M’Intosn S68 Dasybranchus GRUBE s21—823 caducus GRUBE Dasymallus cadueus GRUBE Dasybranchus eirratus GRUBE Dasybranchus umbrinus GRUBE f Rn Dasybranchus lumbricoides GRUBE I Notomastus roseus LANGERHANS Dasybranchus Sp.? M’Intos# gajolae EisıG Dasybhranchus cadueus p. p. CLAPAREDE 828—831 Mastobranchus Eısıe 831—-833 Trinchesitl EısıG 833 —835 Heteromastus EisıG s35—839 ‚Kliformis CLAPAREDE Capitella filiformis ÜLAPAREDE Capitella costana ÜLAPAREDE Capitella fimbriata VAN BENEDEN Ancistria minima QUATREFAGES |\ 839—846 Aneistria capillaris VERRILL Notomastus capillaris VERRILL Arenia Sp.? VERRILL | Capitella BLAINVILLE 846— 849 capitata FABrıcıus Lumbrieus litoralis minor OLAFSEN | Lumbrieus capitatus FABRICIUS 849857 Lumbrieus litoralis JOHNSTON Capitella Fabrieü BLAINVILLE I. Specielle Systematik und Faunistik. 3. Listen über die sämmtlichen bis heute beschriebenen etc. 877 | | Pagina Heutiger Name | Autor | Synonyme Autor dieser | Monographie | Lumbrieonais marina OERSTED | Lumbriconais capitata FREY-LEUCKART | Lumbrieus canallum NARDO Valla eihiata JOHNSTON B:: Capitella prototypa | u: Capitella intermedia (8% | 'apitella similis [ ÜZERNIAVSKY | | Capitella capitata,V arietates | | Capitomastus | SISIG | 857 minimus LANGERHANS | (apitella minima LANGERHANS S57—559 b. Formen, welche sich in bekannte Gattungen nicht einreihen lassen. To ——— AA Pagına Name Autor Synonyme | Autor | dieser | | Monographie Notomastus luridus VERRILL | 569 Notomastus filiformis VERRILL | RUIN Notomastus gracilis VERRILL 870—871 Ancistria acuta VERRILL Notomastus acutus | VERRILL | 871—872 Areniella filiformis | VERRILL | | 872873 Eunotomastus Grubei | M'Intosn | | 973 Lumbrieus pusillus DELLE CHlAsE | 373374 ? | DELLE CHraJE | 874 c. Formen, welche irrthümlicherweise als Capitelliden oder mit solchen synonym aufgeführt wurden. q Irrthümlich gehalten Wirkliche Pagina Name der = ER = et F Autor | Zugehörigkeit dieser Ben us Ron | fü durch der Form Monographie Lumbricus armiger Mütter, O. F. | Capitella capitata JOHNSTON Arıcnden Lumbricus ciliatus MÜLLER (?) Capitella capitata JOHNSTON ? | Lumbrieus tubicola MÜLLER, O. F. | 5 : 2 a | eus sabellaris | MÜLLER, OÖ. F. j Lumbri 2 be 2 Capitelliden | QUATREFAGES Ulymeniden ! n Lumbriceus minutus FABRICIUS | \ 874-875 Clymene amphistoma | DELLE CHI1ASE Hybosceolex SCHMARDA RT, . = > \ Capitelliden ÜLAPAREDE ? Oneoscoler SCHMARDA || | Notomastus? EHLERS | Notomastus EHLERS ? "uposuf-sepumogg Op yPTOAag] Of -ujosuf ayosıwur) 6 L "uoptigey pun uegsuy eyostıy g ‚purjodjey ST "ujosuf eyostmurg 6] -ujasuf oyostıeur) 6 o .. U = ‚ujosuf oqasıpıay de) 6 & "OLourf I JUBURF Op OL TI 2 = 7} . -ujasuf oostmurg 6 rue) 6 "U[Osuf-Sspurpougg pun -A0Q-IUT L "uposuf omosta] ‚stematisch-Faun nz ++++++ 1 ++ 1+1+/+1+ -h | | + . — 5 1 —+ h | — | nz A189J1 seyastey pun yıetuour(] PULYS NYILWOUR(T eyLIqsson pg pun puerfopr eur) uasragzyudg ustaruıpuuyg UOA 974SnYpIoN elmeas vlwaon puepyosnalt uoTawut purpyasgna(lt uaruu u9ıd | | | | II ale) Sr a ll nz Ela |ın| = ZU 5) lelalmı°|4 A Xe) (el | $ a2 | = {77} Io EB EB EiBIE E05 {2 eu B Biel lelelele Ble|zI1@o)F|s|8|& Ele | Ps Ki ern Sl 5188| > a a le a | © B BE B | u +++ +++ ++++++ ISSN SPUSTISHEN AO99JN SOy9sYeLipy SUVIHQ "CL SnppIsnd snoriqumT "HSOILN].W 239RLHD snyspwwogounsg "TIINUaA Su prjowmauy s "TIAyaA DnoD mi.gsioup "TIINUaA sıp20D.4b — "TIINUHA Sup — D "IHYYaA SRpaum snIspwogon 'UOsSST[ uUOyLO.LTUIO Jyoru uosunyyen oyuuryaq ur yars oyaJfoAa "uowiom 'q ° SHMTONV'T Smumunu snyspwopdn,) Ar "aav] vpopdno nyyoydyy) SIVIG stoff snyspıuo.gog] "HISITT 2Is2yD9un.dL SnYyDUuD.«gogsppE ö "HISIT 29709 — TION) SNonpvs snyoun.«ıgÄspT "HSOLNLWN ;dS = HSOLN]IN 2zıssnhpr "TAI snsonuas — IH S2suamısD.«q — "IIULVAd S2BDAf (6) E= "ITULVAd snuon.«o — - "AVIT 28.081 — "IT SRPUnDMgn.« —_ "SUVS 8299249307 — "DISIZE Smaamuof — ISIS f > "HISISE snpunfo«d dv) 2uopauag — "d I) sayDow SNISDWOION :usosunyJen 19ojuureyaq uowmiogy % vyS pun o9spı eur) > na A so "PIIM U9SITMIIA == S | B | uopyez uoarpadsaı usysnjosirag 2 [4 Bi 2 = a [e} , c al) La 38 [eo] Ip yoımp ayapom zue “uoyrıang | ©. S E | z USPUITOFLOLLIOA UOP se ONLO 2a o|e® u B pun,g w9ufozuro oqesuy aoneuong || 5 | u | 1988019) Jtoyosıpuy 12 92 |< 0.6) UOAOISNY ULHIG LOYISLJULEIFV u : S soradg a E ® op e 9WweN HN a mlorlelslz[ele|» oo "uoprpoyrdeg A9p ZunmsIqIoA UIYOSTydEL3093 A9p Yyaısıogqan 7 I. Specielle Systematik und Faunistik. 4. Uebersicht der geographischen Verbreitung der Capitelliden. 379 Die vorstehende Tabelle *; ist weit davon entfernt, ein Bild der wirklichen Verbreitung der Capitelliden darzubieten. Können doch allein die europäischen Meere als einigermaassen erforscht gelten, wogegen wir uns bezüglich derjenigen aller übrigen Frdtheile, von spora- dischen Funden abgesehen, noch in vollständiger Unkenntniss befinden. So ist der Bereich Afrikas nur durch die Canarischen und Cap Verdischen Inseln, derjenige Asiens nur durch das Chinesisch -Japanesische Meer und die Nicobaren- sowie Kerguelen-Inseln, derjenige Amerikas allein durch die Küste von Neu-England sowie Rio de Janeiro, und derjenige Austra- liens endlich gar nicht vertreten. Hierzu kommt ferner, dass über einen T'heil der aufgeführten Formen hinsichtlich der Gattungs-Zugehörigkeit noch Zweifel herrscht, sowie dass eine nicht unbeträchtliche Zahl von Arten hier zum ersten Mal zur Beschreibung gelangt. Lässt nun aber auch diese so unvollständige Statistik vorerst noch keine Chorologie der Familie zu, so gestattet sie uns doch wenigstens zu constatiren, dass einzelnen Gapi- telliden-Species eine sehr weite Verbreitung zukommt. (QuUATREFAGES') hat seiner Zeit die Ansicht vertreten, dass die Anneliden durch eine auffallend weite Verbreitung ihrer Gattungen ausgezeichnet seien, dass hingegen dieselbe Thierclasse hinsichtlich der Verbreitung der Arten örtlich sehr beschränkt zu sein scheine. Er sagt in letzterem Betreffe: »De lV’ensemble de mes observations, je crois pouvoir conclure que le nombre des especes communes ä deux continents, ä deux hemispheres, aux mers orientales et occidentales d'un meme continent ...., ete., sil n’est pas absolument nul, sera toujours excessivement restreint.« Hiergegen, insbesondere aber gegen den Satz QUATREFAGES', dass Ocean und Mittelmeer keine Anneliden-Species gemeinsam hätten, erhob zunächst CrArarEpe?) Widerspruch, indem er eine ganze Reihe von Arten aufzählte, die schon damals als gleichzeitige Bewohner von Mittelmeer, Atlantischem Ocean und Nordmeer bekannt waren. Ferner wurde jene Quarkeragzs’sche Generalisation durch die Tiefsee-Explorationen der »Porcupine«- und »Lightning«-Expedition, respective durch die im Anschlusse an die Bearbeitung des betreffenden Materiales von Enters®) gelieferte chorologische Darstellung widerlegt. Es ergab sich nämlich, dass die Tiefseefauna der Anneliden von der Oberflächenfauna so gut wie gar nicht abweicht, indem für die Verticalverbreitung dieselben Bedingungen maassgebend sind, wie für die Horizontalverbreitung, das heisst in erster Linie die Temperatur. Die Anneliden- Fauna der Tiefsee erweist sich demgemäss vom Charakter einer arctisch-borealen Küstenfauna. In wie hohem Maasse dies der Fall ist, mag man daraus entnehmen, dass unter der nicht unbeträchtlichen Zahl der Porcupine-Anneliden nur eine Art, nämlich Syllis abyssicola, figu- rırt, welche ausschliesslich in Tiefen von mehr als 1000 Faden angetroffen wurde, und dass p- 6. c. p. 146 und 148. 8.2 c pe Br p- 853. c. p. 77—96. Beim Entwurfe dieser Tabelle hat mir das entsprechende Schema Paur MaAver’s (Die Caprelliden des Golfes . m - ° von Neapel ete. Fauna und Flora etc. herausg. v. der Zool. Station, Leipzig 1882. p. S6) als Muster gedient. ss0 D. Systematisch-Faunistischer Theil. für Tiefen von mehr als 500 Faden (abgesehen von der genannten) nur fünf Arten ebenso- vieler verschiedener Gattungen als eigenthümlich nachgewiesen werden konnten. In den bedeutenderen Tiefen der Oceane scheint zwar, den Ergebnissen der Challenger- Expedition zufolge, die Annelidenfauna anstatt dieses ausgesprochen arctisch-borealen einen mehr eigenthümlichen, auf die 'Tiefsee beschränkten Charakter anzunehmen; immerhin kommt M’Isros#'), der Bearbeiter der Challenger-Anneliden, zu dem Schlusse: »In glancing over the lists, and exeluding the pelagie types, it is evident that no definite law as to the presence or absence of genera at particular depths, can be enunciated« etc. Wenn nun aber auch nach alledem nicht nur für die Gattungen, sondern auch für die Arten unserer 'Thierclasse eine weite Verbreitung die Regel bildet, so giebt es doch nur wenige Anneliden-Species, welche sich in dieser Hinsicht mit gewissen Capitelliden messen können. In seiner erwähnten Abhandlung (p. S1) schrieb bereits EHters: »Als Thiere mit weitester Verbreitung sind diejenigen zu nennen, welche vom Mediterrangebiet bis an die aretischen Küsten (Capitella capitata und Terebellides Strömil), oder diejenigen, welche von den südlichen Küsten der Nordsee bis in die arctische Zone verbreitet sind; von den uns hier interessiren- den Formen sind dies: Nychia cirrosa, Harmothoe imbricata, Eunice norvegieca, Lumbriconereis fragilis, Nereis longissima, Glycera capitata, Ammotrypane aulogaster, Ephesia gracilis, Notomastus latericeus, Maldane Sarsit, Melinna eristata, Amphitrite cirratax. Nun ist aber seitdem Capitella capitata auch noch an der atlantisch-amerikanischen, sowie im Bereiche der afrikanischen Küste, und Notomastus latericeus an eben diesen beiden Küsten und im Mittelmeere nachgewiesen worden. Und Dasybranchus caducus haben wir als gleichzeitigen Bewohner des Mittelmeeres, der afrikanischen Küste, des indischen Oceans und des grossen Oceans kennen gelernt. Capitella capitata und Notomastus latericeus, welche bis in die hohen Breiten des Nord- meeres vordringen, sind auch zugleich diejenigen Capitelliden, welche die Tiefsee aufsuchen. So wurde erstere Art im Bereiche der irischen Küsten bis 700 Faden tief angetroffen und letztere im Bereiche der Färöer- und Shetlands-Inseln fast bis 2000 Faden tief. Dasybran- chus caducus hingegen scheint, sowie horizontal die gemässigten Zonen, auch vertical eine mässige Tiefe (ca. 20 Faden) nicht zu überschreiten, was ja mit dem oben erwähnten Satze von EHLERS in bestem Einklange steht. Die ausserordentlich weite Verbreitung der Capitelliden ist in einer Hin- sicht bedeutungsvoll, nämlich hinsichtlich ihrer Verwandtschaft mit den Oli- gochaeten; denn auch diese Annelidengruppe ist ja über die ganze Erde verbreitet. HET SED. Or e Ep. RER Il. Allgemeine Systematik (Phylogenie). Verwandtschaft der Capitelliden. ige t Ueber die gegensei T. Bauchstrang: Gehim: | | 3 Darmkanal: | Neurale Längs-Muskelfasern ‚ohne Neurilemma, von ziegel- oder spindelf. Querschnitte | u. reihenförmig ange Neurale Längs-Muskelfasern Muskulatur: — 1 Körperform: Neurilemma u. Neurochorde sehr schwach oder gar nicht ausgebildet. Neurilemma u. Neurochorde mässig oder stark ausgebildet. Lage theilweise oder ganz acölomatisch. Lage rein cölomatisch. Cerebroparietale Muskeln vorhanden. — ‚Zu einer Masse verschmolzen. 2 Ganglienpaare deutlich. 3 Ganglienpaare deutlich Lymphatische Zelldivertikel wenig ausgebildet. Lymphatische Zelldivertikel wohl ausgebildet. Nebendarın mit dem Haupt- darme innig verbunden. | Nebendarm vom Hauptdarın scharf getrennt. dnet. mit deutlichem Neurilemma, vonrundlichem Querschnitte u.unregelmässig angeordnet | Seitenlinie verläuft fast gerade. Seitenlinie verläuft mässig S-förmig gekrümmt. Seitenlinie verläuft stark S-förmig gekrümmt. Geringer Gegensatz der verschiedenen Abdomen- regionen. Grosser Gegensatz der verschiedenen Abdomen- regionen. 9 Thoraxsegmente. 10 Thoraxsegmente. 12 Thoraxsegmente. 14 Thoraxsegmente. Tremomastus 2 Untergattung Clistomastus —_- snysput S070N, Dasybranchus Mastobranchus Heteromastus Capitella Nephridien: 11 Parapodien: lo 2 g Sr an =3» 2 2a ne] Ho S2 er 8 Erai-Te) Pi ERS 1 vl SE 2 oh ou no <<< — Klein, im Bereiched. Vorder- hirnes gelegen u. aufd. Mitte d. Kopflappens ausmündend. Gross, im Bereiche d. Hinter- hirnes gelegenu. and. Basisd. | Kopflappens ausmündend. 7 Wimper- organe 6 Dunkelgelb mit zahlreichen Concretionen. Hellgelbm. wenig Coneretion. Münden in die Haut. Münden nach aussen. Fest mit den Leibeswan- dungen verwachsen. Frei im Cölom gelegen. Polymetamer angeordnet. Metamer angeordnet. Körpers vorh. | Nahezu dem ganzen Körper entlang vorhanden. Hakenb. trag. n-u.Haken-, | T'horax nur Ptriemen-, Abdo- emen- u. Hakenb. tr men nu nur Pfriemen-, Abdo- Hakenborsten trag. sowie zw. NeUu- en Parapodien. zw.thoracalen nsatz zw. thoracalen u.abdominalen sowiezw.neu- len u. hämalen Parapodien. Keine besonderen Kiemen vorhonden. Einfache und zusammenge- setzte Parapodkiemen vorh. Am Kopflappen, Rü raxundAbdc Einfache vor ıpodkiemen den. 1, Tho- n vorhanden. Am Kopflappen, Rüssel und Thorax vorhanden. fehlen ‘Nurim Thorax und Abdomen- anfange vorhanden. In allen borstentragfenden Segmenten vorhanden. Augen: Nur wenige Ocellen vorhand, Zahlreiche als Pigmentflecke erscheinende Ocellen vorh. Den, 23 SE a“ 8 Ss SEES S@S BI REIS 5 Seo SS S I nn iS Anro © > » a ‚= S je>) a — snysDU -0J0N Mastobranchus Heteromastus Capitella 14 Perito- neum 13 Geschlechtsorgane: Blutscheiben: Excretbläschen gross und zahlreich. gering an Zahl. Gelbe Töne vorwiegend. Grüne Töne vorwiegend. Diameter durchschnittlich 16 u. Diameter durchschnittlich 18—20 u. Stark verdickt und intensiv excretorisch wirksam Copulationsapparat nur im Normal und wenig excre- torisch thätig. Copulationsapparat in beiden Geschlechtern vorhanden. 5 Geschlechte vorhanden. Genitalschläuche nur vor- Genitalschläuche zu keiner Zeit mit Nephridien zu- sammenhängend. übergehend mit Nephridien zusammenhängend. Genitalschläuche zeitlebens mit Nephridien zusammen- hängend. Genitalschläuche im Thorax und im Abdomen vorhanden. Genitalschläuche nur im Abdomen vorhanden. Genitalschläuche nur im 'Thorax vorhanden. | Sterile, thoracale Keimstöcke rudimentärim5.u.6. Thorax- segmente. Ein steriler thoracaler K eim- stock im 12. Thoraxsegmente An der Keimbildung sind ver- schiedene Partien des Perito- toneums betheiligt. Die Keimstoffe kommen ledig- 1 lich an der Genitalplatte zur Ausbildung. Tremomastus ” Untergattung COlistomastus Dasybranchus | snysow 0707 Mastobranchus Heteromastus Capitella Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. apitelliden. © ss2 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Aus zahlreichen in den vorhergehenden 'Theilen festgestellten 'Thatsachen konnte man entnehmen, dass die Capitelliden nicht zu denjenigen 'Thierfamilien gehören, deren Gattungen ihre verwandtschaftlichen Beziehungen derart erhalten haben, dass sich der wahrscheinliche Stammbaum ohne Weiteres von selbst aufdrängt. Haben wir doch gesehen, wie je nach den Charakteren bald diese, bald jene Gattungen inniger mit einander zusammenhängen, ja, wie selbst Arten hinsichtlich Eines Organsystemes, nämlich der Nephridien, mehr Berührungs- punkte mit anderen Gattungen, als untereinander?) darbieten können. Da nun demzufolge an die Auswahl dieser oder jener Organe zur Feststellung der phylogenetischen Beziehungen in unserem Falle nicht gedacht werden konnte, so habe ich mich bemüht, zu diesem Behufe möglichst alle je zweien oder mehreren Gattungen gemeinsame Charaktere heranzuziehen und zur leichteren Uebersicht in obiger Liste zusammenzustellen. Schon ein Blick auf die Liste, in der die Formen so wie in der anatomischen Bear- beitung angeordnet sind, genügt, um gewahr zu werden, dass einzelne Gattungen mehr Cha- raktere mit einander gemein haben, als andere. Um nun aber diese Verhältnisse deutlicher und exacter zum Ausdrucke zu bringen, habe ich, auf Grund obiger Liste, im Nachfolgenden noch für jedes Genus die Zahl der Merkmale, welche es mit jedem anderen Genus gemein hat, zusammengestellt, und zwar derart, dass die Gattungen nun nach der Summe der ihnen eigenen »gemeinsamen Charaktere« aufeinanderfolgen. Tremomastus hat gemeinsame Charaktere mit: Clistomastus 23 Dasybranchus 15 i S Mastobranchus 16 S Heteromastus 9 S Capitella 672! 2 — Clistomastus „ - ® „. Tremomastus 23 Dasybranchus 19 Mastobranchus 14 Heteromastus 7 Capitella 669. Mastobranchus „, 5 n »» Tremomastus 16 Ohistomastus 14 Dasybranchus 13 Heteromastus 13 Capitella 8 64. Dasybranchus, E e „. Ohistomastus 19 Tremomastus 185 Mastobranchus 13 Heteromastus 5 Capitella A598 a) Vergl. p. 598. II. Allgemeine Systematik (Phylogenie). 1. Ueber die gegenseitige Verwandtschaft der Capitelliden. s83 Heteromastus hat gemeinsame Charaktere mit: Capitella 18 Mastobranchus 13 Tremomastus 9 Clhistomastus 6 Dasybranchus 5 51. Capitella 2 iR ER „ Heteromastus 18 Mastobranchus 8 Olistomastus 7 Tremomastus 6 Dasybranchus 4 4: Aus dieser Aufstellung ergiebt sich ohne Weiteres, dass Tremomastus und Olistomastus, also die Gattung Notomastus, am nächsten mit Dasybranchus und Mastobranchus verwandt ist; ferner, dass Mastobranchus zugleich nicht weniger innige Beziehungen zu Heteromastus aufweist, und endlich, dass Heteromastus sich innig an Capitella anschliesst. Wir hätten demnach einerseits in engerem Zusammenhange: Notomastus und Dasybranchus, andererseits: Heteromastus und Capitella, und diese beiden Gruppen würden vermittelt durch die Uebergangsform Mastobranchus. Was nun die Frage betrifft, wo wir Anfang, und wo Ende der Reihe zu suchen haben, so würde die traditionelle Auffassung (unter Berücksichtigung einseitiger Charaktere und gestützt auf die Meinung, dass das scheinbar Einfachste auch das Ursprünglichste) leicht geneigt sein, Capitella als Stammform, und Dasybranchus, die scheinbar complicirteste, als jüngste Gattung zu betrachten. Capitella — so würde man zum Beispiel unter Zugrunde- legung des Respirationsapparates schliessen — hat noch keine Kiemen; bei Heteromastus fangen solche an sich als Ausstülpungen der Parapodien geltend zu machen; bei Notomastus erscheinen diese Ausstülpungen bereits als umfangreiche Zipfel oder einfache Parapodkiemen, und bei Mastobranchus sowie Dasybranchus endlich gesellen sich zu diesen einfachen Parapod- kiemen auch noch total retractile, zusammengesetzte. Wie verfehlt nun aber ein solches Schlussverfahren wäre, geht schon daraus hervor, dass Capitella diejenige Gattung ist, welche die geringste Anzahl von »gemeinsamen Charakteren «, nämlich nur 43 darbietet. Und in nicht geringerem Grade auch daraus, dass Capitella umge- kehrt zugleich diejenige Form darstellt, welcher die grösste Zahl von »der Gattung eigen- thümlichen Charakteren« zukommt. Capitella ist nämlich allen anderen Capitelliden gegenüber ausgezeichnet: Erstens durch die Verschmelzung ihres Mundsegmentes mit dem Kopflappen, zweitens durch die Communicationsspalten ihrer Dissepimente, drittens durch die Zahl ihrer Thoraxsegmente, viertens durch die Vertheilung der Borsten, fünftens durch den Besitz einer Vorderdarmrinne, sechstens durch die Kittdrüse des Copulationsapparates, siebentens durch die Oligochaeten-ähnlichen Spermatozoen, achtens durch die Beschränkung der Keimstöcke auf die mittlere Leibesregion und neuntens endlich durch die in der Regel polymetamere An- ordnung der definitiven Nephridien. Wie sehr dies für die einseitige Umbildung von Capitella spricht. ergiebt sich aus dem correspondirenden Verhalten der übrigen Gattungen. So bietet Nofomastus nur Einen ihm 111® ss4 D. Systematisch - Faunistischer Theil. eigenthümlichen Charakter dar, nämlich die Art der Borstenvertheilung; Heteromastus deren drei, nämlich die Borstenvertheilung, das provisorische Auge und den fingerförmigen Schwanz- anhang; Mastobranchus ebenfalls drei, nämlich die Borstenvertheilung, den Darmsinus und den vierzipfeligen Schwanzanhang, und Dasybranchus endlich sechs, nämlich die Borstenvertheilung, die Vermehrung der Gehirnlappen, die Lage der hämalen Parapodspiralen, die Parapod-Spiral- drüsen, den Dimorphismus der Nephridien und das Fehlen des sterilen, thoracalen Keim- stockes. Es kann denn auch kaum ein Zweifel darüber aufkommen, dass nicht etwa Capitella mit ihren 43 gemeinsamen und 9 eigenen, sondern vielmehr Tremomastus mit seinen 72 gemeinsamen und seinem Einen eigenen Charakter der Stammform unserer Familie am nächsten kommt. Ihm schliesst sich zunächst C’kstomastus an, welche Untergattung sich ja nur durch die Rückbildung der Genitalschläuche und Septa, sowie durch die Dasybranchus-ähnlichen Ne- phridien von der typischen Untergattung unterscheidet. Sodann -Dasybranchus, gegenüber den vorigen durch die Vermehrung der Genital- schläuche, sowie durch den Erwerb zusammengesetzter Kiemen, also durch fortschreitende Entwickelung ausgezeichnet. Gegenüber dieser Aufeinanderfolge von Notomastus und Dasy- branchus könnte als Schwierigkeit die 'Thatsache geltend gemacht werden, dass der 'T'horax letzterer Gattung mit 13 Pfriemenborsten tragenden Segmenten, also mit zwei mehr als der- jenige der ersteren, ausgerüstet ist. Im Einklange mit der geläufigen Vorstellung, derzufolge die mit Pfriemenborsten- Bündeln ausgerüsteten, beweglichen Keulen ursprüngliche und die mit Hakenreihen besetzten Wüilste (Tori) secundär erworbene oder umgewandelte Parapodien darstellen, würde sich näm- lich das bezügliche zwischen den beiden Gattungen herrschende Verhältniss nicht etwa derart herausgestellt haben, dass die ältere Form 12 Thoraxsegmente besass und bei Dasybranchus zwei weitere Abdomensegmente diesem Körpertheile einverleibt wurden, sondern umgekehrt derart, dass der älteren Form 14 'Thoraxsegmente zukamen und bei Notomastus zwei hiervon in ab- dominale umgewandelt wurden. Mit anderen Worten, nicht Notomastus, sondern Dasybranchus käme der Stammform am nächsten zu stehen. Ich selbst hegte lange Zeit diese Meinung. Was mich aber davon abbrachte, war erstens die T'hatsache, dass die Zwölfzahl der T'horax- segmente in der Familie vorwaltet, indem ausser Notomastus auch noch Mastobranchus und Heteromastus diese Zahl aufweisen. Zweitens das Verhältniss der gemeinsamen und eigenen Charaktere zwischen den beiden in Rede stehenden Gattungen (72—1 Notomastus, 59 —6 Dasybranchus). Drittens die Erfahrung, dass in unserer Familie die erwähnte Vorstellung, derzufolge die Pfriemenborsten als das phylogenetisch Aeltere zu betrachten sind (wenigstens in der ontogenetischen Recapitulation), nicht zutrifft, indem bei mehreren Formen (so bei Heteromastus und Capitella) in der Jugend solche Segmente mit Hakenborsten ausgerüstet sind, welche im erwachsenen Zustande Pfriemenborsten zu enthalten pflegen. Und viertens end- lich der »abdominale 'Typus«, den die zwei überzähligen Thoraxsegmente sowohl äusserlich, als innerlich zur Schau tragen. II. Allgemeine Systematik (Phylogenie). 1. Ueber die gegenseitige Verwandtschaft der Capitelliden. ss5 Weiter folgt Mastobranchus, welche Gattung erstens noch viel mit Notomastus, speciell mit Tremomastus gemein hat, zweitens aber auch eigene Charaktere, und zwar sowohl progressive (zusammengesetzte, hämale Parapodkiemen), als auch regressive (Beschränkung der Nephridien auf das Abdomenende) erkennen lässt und drittens endlich die meisten Beziehungen zum nächsten Genus darbietet. Dieses, Heteromastus, erweist sich entschieden in regressiver Umwandlung. Es sind nämlich die Kiemen nur noch durch unscheinbare Segmentfortsätze vertreten, die Seiten- organe reichen, wenigstens im ausgebildeten Zustande, nur noch bis zur Abdomenmitte, das Gehirn ist zu einer Masse verschmolzen, ein Theil der thoracalen Parapodien behält zeit- lebens Haken, und die Nephridien sind stets auf den hintersten Abdomenabschnitt beschränkt. Sehr nahe verwandt endlich mit vorigem ist das unserer Ansicht nach jüngste Genus, Capitella, welches in der Rückbildung insofern noch weitere Fortschritte gemacht hat, als be- sondere Kiemen überhaupt nicht mehr zur Ausbildung gelangen und die Seitenorgane total eingegangen sind. Zwischen Heteromastus und Capitella vermittelt allem Anscheine nach Capitomastus. Insbesondere gilt dies im Hinblicke auf den bei Heteromastus in beiden Geschlechtern und bei Capitella nur im männlichen ausgebildeten Copulationsapparat, sowie auch hinsichtlich der in beiden Formen durchgeführten Beschränkung der Genitalschläuche auf je Ein Paar. Bildlich würden sich demnach die zeitliche Aufeinanderfolge, sowie die gegenseitigen Verwandtschaftsverhältnisse der bekannten Capitellidengattungen folgendermaassen darstellen: — Capitella 43. —— Cupitomastus? —— Heteromastus 51. Dasybranchus 59. —|” Mastobranchus 64. Clistomastus 69. — \ Tremomastus 72. Ich habe absichtlich das Wort »Stammbaum« vermieden, weil ich nicht den Eindruck hervorrufen mochte, als ob mir irgend eine der heute vorliegenden Capitelliden als »Stamm- form « vorschwebte, oder als ob ich es für möglich hielte, dass sich je eine der uns bekannten Gattungen in je eine andere »talis qualis« umgewandelt hätte. Aus dem relativ bedeutenden, zwischen diesen bekannten Gattungen herrschenden Organisationsabstande müssen wir schliessen, dass eine grosse Anzahl von Zwischenformen entweder ausgestorben oder noch nicht aufge- funden ist. In je höherem Grade aber letzteres der Fall sein sollte, um so mehr dürfen wir hoffen, dass sich einst (unter Herbeiziehung der Embryologie) auch der Stammbaum unserer Familie wird reconstruiren lassen. 2. Ueber die Verwandtschaft zwischen Capitelliden und Oligochaeten. Weitaus die meisten Forscher wurden schon durch den Habitus von Capitella veran- lasst, sie den Oligochaeten zuzurechnen. OLArsEn, FaBrıcıus, JomNston und NARDo nannten, ss6 D. Systematisch-Faunistischer Theil. wie aus unserer Einleitung”) hervorgeht, diese am längsten bekannte Form der Familie ge- radezu » Lumbrieus«, ÖRSTED stellte sie als » Lumbriconais« in die Nähe der Naiden, und GrusE vertrat zunächst ebenfalls diese systematische Einordnung, indem er Capitella mit Nais ver- einigte. Diese Einordnung wurde auch von demjenigen Forscher gutgeheissen, der Capitella zum ersten Mal einer eingehenden anatomischen Untersuchung unterzogen hatte, nämlich von Van BEnepen. Nachdem Letzterer nachgewiesen zu haben glaubte, dass die Einwände, welche gegen die Oligochaeten-Natur von Capitella geltend gemacht werden konnten, sich keineswegs als stichhaltig bewähren, schloss er mit dem Satze, dass die Capitellen als diöcische Lumbri- ciden aufzufassen seien, und dass sie ferner zwischen den beiden grossen Chaetopoden-Ab- theilungen, das heisst zwischen den Poly- und Oligochaeten ein Bindeglied herstellten. Gegen so nahe Beziehungen zwischen Capitella und den Oligochaeten sprach sich aus- drücklich zunächst CLAPAREDE aus, indem ihm (unter einseitiger Berücksichtigung der Parapod- und Borstenform) Capitella viel mehr Beziehungen zu Polychaeten, speciell zu Maldaniden, als zu Oligochaeten darzubieten schien. Und dieser Auffassung schloss sich sodann auch GRUBE an, indem er dabei auf die noch viel mehr an Polychaeten erinnernden zwei anderen Capitelliden-Genera, nämlich auf Notomastus und Dasybranchus hinwies. brachten nun auch CrArarepE und GRUBE, insofern als sie, gegenüber der einseitigen Betonung der Oligochaeten-Aehnlichkeit von Seiten der meisten ihrer Vorgänger, auf die Polychaeten-Aehnlichkeit der Capitelliden Nachdruck legten, eine Wahrheit zum Ausdrucke, so verfuhren sie doch auch ihrerseits wiederum nicht weniger einseitig dadurch, dass sie die so augenscheinlichen Beziehungen zwischen Capitelliden und Oligochaeten in Abrede zu stellen suchten. Und diese Einseitigkeit war um so fataler, als, in Folge der grossen von diesen beiden Forschern in Annelidenfragen ausgeübten Autorität, ihre Auffassung bis auf den heutigen Tag die herrschende geblieben ist. Aber die entgegengesetzte Richtung fand doch auch ihre Vertreter. So in Carus, in- dem er für Capitella die Familie der Halelminthea errichtet; in Häcker, indem er die diese Familie einschliessende Ordnung der Haloscolecina nebst den Oligochaeten zur Ulasse der Drilomorpha vereinigt, und endlich in GEGENBAUR, indem er die Polyophthalmiden und Ca- pitelliden als Haliscolecina geradezu den Oligochaeten einreiht. Wie ich in der Einleitung darauf hinzuweisen hatte, dass alle diese Gruppen als solche unhaltbar sind, so muss nun andererseits an dieser Stelle anerkannt werden, dass durch deren Aufstellung die von Seiten Crarartpe's und GrupEs verkannten Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Capitelliden und Oligochaeten einen berechtigten Ausdruck erhielten; denn aus dem Vorhergehenden ist ja dem Leser schon bekannt, wie auch ich angesichts der zahlreichen Uebereinstimmungspunkte ihrer Organisation dazu gekommen bin, die Capitelliden und Oli- gochaeten für nahe verwandt zu halten, und was in solcher Hinsicht an verschiedenen Stellen #) Vergl. p. 1—10. II. Allgemeine Systematik (Phylogenie. 2. Ueber die Verwandtschaft zwischen Capitelliden etc. Ss7 dieser Monographie nur gelegentlich zur Erwähnung kam, soll nun im Nachfolgenden im Z/usammenhange aufgeführt werden, und zwar beginne ich mit dem, was die einzelnen Or- gane von Capitelliden und Oligochaeten verwandt erscheinen lässt. Zunächst sei hervorgehoben der in beiden Chaetopoden-Gruppen glatte, anhanglose Leib, das heisst die durch die geringe Ausbildung der Parapodien, sowie durch den Mangel an Tentakeln, Fühlereirren und Cirren sich manifestirende Uebereinstimmung des Habitus. Hinsichtlich des Gehirnes ergab sich”) eine grosse Form-Aehnlichkeit zwischen Hete- romastus und Capitella einer-, und gewissen Naiden, nämlich Nais und Bohemilla, andererseits. Und zu dieser Aehnlichkeit gesellte sich noch die Thatsache, dass beiderlei Gehirnformen gleicherweise mit den so charakteristischen cerebroparietalen Muskeln ausgerüstet sind. Wimperorgane finden sich auch bei Oligochaeten, nämlich bei Aeolosoma®) und Otenodrihts, insofern man diese Form als Oligochaete gelten lässt. Die Oligochaeten gehören zu den wenigen Anneliden, welche ausser den Capitelliden segmental angeordnete, in der Seitenlinie eingepflanzt stehende Sinneshügel, das heisst Seiten- organe, aufweisen‘). Insbesondere für die respectiven Organe der Lumbrieuliden dürfte die genaue Untersuchung eine vollkommene Uebereinstimmung mit denjenigen der Capitelliden ergeben. Auch Becherorgane finden sich innerhalb der Oligochaeten-Gruppe in der charakte- ristischen Form und Anordnung weit verbreitet). Was die Parapodien betrifft, so ergab sich®\, dass alle scheinbar so abweichenden Anordnungen bei den Oligochaeten von der »distichen, uniremalen«, wie sie bei den Capitel- liden durchgeführt ist, herleitbar sind; ferner hatten wir zu constatiren ®), dass es eine Oli- gochaeten-Gattung, nämlich Aeolosoma ist, welche allein von allen bekannten Anneliden eine mit der gewisser Capitelliden übereinstimmende Vertheilung der Borsten aufweist, und end- lich, dass die so eigenthümliche ringförmige Hakenanordnung von Pleurochaeta und Perichaeta sich unschwer aus derjenigen von Notomastus herleiten lässt"). Besonders hervorragende Anhaltspunkte für den Vergleich der beiden Gruppen haben die Nephridien geliefert. Es sind nämlich bis heute allein bei Capitelliden und Oligo- chaeten sogenannte »provisorische Nephridien« bekannt geworden”), und ebenso scheint das Vorkommen mehrerer Nierenorgane in ein und demselben Segmente, das heisst deren poly- oder dysmetamere Anordnung auf unsere beiden Anneliden-Abtheilungen beschränkt zu sein!). a‘ Vergl. p. 463. ß) Vergl. p. 499. ) Vergl. p. 5ll und 55 Vergl. p. 449 und 55 e) Vergl. p. 574 und 62 £) Vergl. p. 575. 7) Vergl. p. 574. d) Vergl. p. 600. ı) Vergl. p. 602. Ss D. Systematisch - Faunistischer Theil. Ferner finden sich im Kreise der Oligochaeten ähnliche Concentrationen der Nephridien auf einen bestimmten Körpertheil sowie auch ähnliche Rückbildungen der betreffenden Organe”), wie bei den Capitelliden. Und endlich ist auch das Vorkommen einer Mehrzahl von 'Trich- tern?) allein bei Vertretern dieser zwei Gruppen beobachtet worden. Kaum weniger bedeutsame Beziehungen herrschen schliesslich zwischen den beider- seitigen Geschlechtsorganen, und zwar ist es ganz besonders das Genus Capitellar) mit seinen so lebhaft an den Gürtel der Oligochaeten erinnernden Genitalschlauchporen, seinen Lumbrieus-ähnlichen Spermatozoen, seinen Spermatophoren und endlich mit seinen Genital- borsten, welches diese Beziehungen accumulirt aufweist. Alle Capitelliden kommen dagegen in Betracht bezüglich derjenigen Abschnitte des Oligochaeten-Geschlechtsapparates, welche wir als Derivate von Genitalschläuchen, respective Nephridiumtrichtern verständlich zu machen suchten‘), und sodann auch insofern, als es sich um die T'hatsache handelt, dass in beiden Gruppen entweder Geschlechtsorgane und Nephridien, oder aber nur erstere (in Folge der Rückbildung letzterer) in einem und demselben Segmente vorhanden sein können‘). Endlich findet sich auch für die bei den Oligochaeten in der Regel durchgeführte Beschränkung der Keimstöcke auf wenige Segmente bei Capitella ein Anklang, indem die Ovarien und Hoden entfernt nicht so weit nach hinten reichen“), wie bei den übrigen Gat- tungen. Und umgekehrt kann auf Oligochaeten wie Rhynchelmis limosella und Titanus For- ‚guesi hingewiesen werden, bei welch’ ersterer sich die Hoden nach VzEpovskyY') vom 13.—50., und bei welch’ letzterer sich nach PERRIER?) dieselben Organe vom 12. bis zum 58. Segmente erstrecken. Fassen wir nun das in's Auge, wodurch sich die Organisation der Oligochaeten von derjenigen der Capitelliden unterscheidet, respective zu unterscheiden scheint. Es fehlt den Oligochaeten der Nebendarm. Da die Function dieses Organes, wie wir für die Capitelliden nachgewiesen zu haben glauben"), der Respiration, und zwar der Respiration von Wasser dient, so ist das Eingehen desselben, insofern als es sich um die landbewohnenden Oligochaeten handelt, ohne Weiteres verständlich; die Frage bleibt nur, warum auch den in der See sowie den im Süsswasser vor- kommenden Formen der Nebendarm abgeht. Wäre es ausgemacht, dass diese wasserbewoh- nenden Oligochaeten die ursprünglicheren darstellen, so vermöchte man kaum einzusehen, warum sie, die doch den Capitelliden so nahe verwandt sein sollen, des Nebendarmes er- er) a) Vergl. p. 627. ) Vergl. p. 602. ) Vergl. p. 280—287. ) Vergl. p. 631—632. ) Vergl. p. 619. ) Vergl. p. 698—700. 7) Vergl. p. 281. ) VESDovsKY, F. Anatomische Studien an Rhynchelmis limosella. Zeit. Wiss. Z. 27. Bd. 1876. p. 347. 2) V.2p+ Size p2 235. II. Allgemeine Systematik (Phylogenie). 2. Ueber die Verwandtschaft zwischen Capitelliden etc. ss9 mangeln, um so weniger, als sie ja (Alma nilotica ausgenommen) ganz und gar auf Haut- und Darmathmung angewiesen sind. Das ist nun aber keineswegs ausgemacht. Was die See-Oli- gochaeten betrifft, so kann es im Hinblicke darauf, dass darunter Vertreter ganz heterogener Gruppen, ja sogar solche von Lumbriciden figuriren, kaum zweifelhaft bleiben, dass wir es mit Thieren zu thun haben, die vom Land- zum Seeleben zurückgekehrt sind, und das Gleiche könnte für die Süsswasser-Oligochaeten gelten. Es würde demnach der Mangel des Neben- darmes innerhalb der Oligochaetengruppe unter der Voraussetzung erklärlich sein, dass die wasserbewohnenden Gattungen dieser Würmergruppe von den landbewohnenden abstammen. Umgekehrt fehlt den Capitelliden die hämale, als Typhlosolis bekannte Einstülpung des Magendarmes. Da dieses Gebilde lediglich den Lumbrieiden, ja nicht einmal allen Gattungen dieser Familie zukommt, so können wir seine Ausbildung (ähnlich wie die Rückbildung des Neben- darmes) mit dem Landleben in Verbindung bringen, respective einer speciellen, wenn auch vorläufig ihrem Wesen nach unbekannten Anpassung zuschreiben. Und ein Gleiches dürfte für die auf gewisse Lumbriciden und Enchytraeiden beschränkten peritonealen Rückenporen gelten. Die meisten Capitelliden sind mit Kiemen ausgerüstet, während die meisten Oligo- chaeten solcher entbehren. Dieses »die meisten« bringt schon zum Ausdrucke, dass es sich hier keineswegs um einen radicalen Gegensatz handelt. Haben wir doch, was zunächst die Capitelliden betrifft, gesehen, wie sowohl die einfachen Parapodkiemen von Notomastus, als auch die zusammen- gesetzten von Dasybranchus und Mastobranchus bei der nächst jüngeren Gattung, nämlich bei > Heteromastus, nur noch durch sogenannte Segmentfortsätze vertreten sind, und wie die noch jüngeren, nämlich Capitomastus und Capitella, Respirationsorgane in Form äusserer Anhänge überhaupt nicht mehr zur Ausbildung bringen. Und was die Oligochaeten betrifft, so können wir auf Eine von ihrem ersten Beschreiber, GruBE'), zu den Lumbriciden gerechnete Form, nämlich auf Alma nilotica Rürr. hinweisen. Diese, wie schon von Seiten VeEspovsky's?) her- vorgehoben wurde, unzweifelhaft interessanteste aller bisher aufgefundenen Oligochaeten (re- spective Oligochaeten-ähnlichen Anneliden) ist nämlich an einer grossen Zahl von Segmenten des Hinterleibes je im Bereiche der hämalen Parapodien (also ähnlich wie Mastobranchus unter den Capitelliden) mit bald einfachen, bald gablig getheilten und in mehrere Zacken auslaufen- den Kiemen ausgerüstet. Ausser durch diese Kiemen erhält das 'Thier auch noch durch die überaus deutliche distiche Borstenanordnung, sowie durch den Gegensatz zwischen Vorder- und Hinterleib ein so Capitelliden-ähnliches Ansehen, dass man Grupe's Abbildung auf den ersten Blick viel eher auf einen Dasybranchus, als auf eine Lumbricide zu beziehen geneigt ist. Zu Gunsten der Oligochaetennatur von Alma spricht andererseits ihre Ausrüstung mit Gefässen, sowie die ausschliessliche Besetzung ihrer Parapodien mit Haken. Ueber das, wo- 1) GruBE, E. Beschreibungen neuer oder wenig bekannter Anneliden. Arch. Naturg. 21. Jahrg. 1855. p. 129. 2) 1. p- 236. cp. 63. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 112 890 D. Systematisch- Faunistischer Theil. durch die Verwandtschaftsbeziehungen von Alma wirklich entschieden werden könnten, näm- lich über das Darmsystem (Nebendarm!), sowie über die Nephridien und den Geschlechts- apparat, giebt nun aber Gruse's Bericht keinerlei Aufschluss*), so dass es vorläufig dahingestellt bleiben muss, ob in dem Nilschlammbewohner von Cairo eine Oligochaeten-ähnliche, in das Süsswasser ausgewanderte Capitellide, oder im Gegentheil eine Oligochaete vorliegt, welche das Land- mit dem Wasserleben vertauscht und daher ihre Kiemen erst secundär erworben hat. Die Oligochaeten pflegen ein sehr ausgebildetes Blutgefässsystem aufzuweisen, wo- gegen die Capitelliden solcher Gefässe entbehren. Ich habe bereits an einer anderen Stelle dieser Monographie”) den Nachweis zu liefern versucht dafür, dass auch die Capitelliden einst Gefässe besassen und dass sie diese in Folge der locomotorischen Inanspruchnahme der Blutflüssigkeit allmählich eingebüsst haben. Be- sonders sprach zu Gunsten dieses einstigen Besitzes die 'Thatsache, dass Eine Capitelliden- Gattung, nämlich Mastobranchus, noch heute Rudimente des elementarsten Abschnittes des Anneliden-Gefässsystemes, das heisst Rudimente eines Darm- oder Blutsinus aufweist. Aber wenn auch nichts von der einstigen Gefässausrüstung der Capitelliden erhalten geblieben wäre, so könnte doch diesem Mangel im Hinblicke auf ihre hier vertretenen Verwandtschafts- beziehungen zu den Oligochaeten kaum irgend welche Bedeutung zugemessen werden, und zwar deshalb nicht, weil auch in anderen unzweifelhaft nahe verwandten Annelidenfamilien einerseits Gefässe vorhanden sind, andererseits fehlen, ja in Einer Familie (Terebelliden) sogar gefässlose neben gefässführenden Gattungen vorkommen. Die Capitelliden sind getrennten Geschlechtes, die Oligochaeten dagegen sind herma- phroditisch. Das geringe Gewicht dieses Zwiespaltes wurde schon durch Van Bexepen') folgender- maassen betont: »La separation des sexes n’est pas un caractere de grande valeur, comme nous l’avons cru quelque temps; nous avons vu, dans les groupes les plus naturels, des genres monoiques a cöte de genres dioiques. « Mit noch mehr Berechtigung lässt sich nun aber dieser Satz speciell auf unseren Fall anwenden, in Anbetracht, dass sich, seitdem er niedergeschrieben worden, zahlreiche polychaete Anneliden als hermaphroditisch erwiesen haben, und zwar derart, dass ein und dieselbe Fa- milie sowohl getrennt-geschlechtige, als auch zwitterige Gattungen einschliesst. Endlich ist noch des Gegensatzes zu gedenken, dass sich die Capitelliden unter Meta- morphose, die Oligochaeten hingegen direct entwickeln. Aber auch diesem Einwande ist Van BENEDEN?) schon treffend mit folgenden Worten begegnet: Vergl. p. 687. ps Berc. pP: ) on rl *) Möchte doch Jemand, der dazu Gelegenheit hat, sich um die Wiederauffindung von Alma nilotiea be- l 25 2 Press cp: 20: mühen und eventuell entweder das Thier selbst untersuchen, oder nach der Seewasseralcohol-Methode (respective hier Süsswasseraleohol-Methode) conservirte Exemplare einem Fachmanne zukommen lassen. Rürrern fand, nach GRUBE, die fragliche Annelide »in schlammigen Gräben der Umgegend von Cairo, und zwar nach der Nilüber- schwemmung im November, wo sie häufig herumschwamm«. II. Allgemeine Systematik (Phylogenie). 3. Ueber die Stellung der Capitelliden innerhalb etc. s91 »Il est vrai que tous les Lumbrieus connus jusqu’a present ont un developpement direct et sans eils, mais n’avons-nous pas aussi dans les groupes les plus naturels des genres a developpement direct a cöte de genres ou d’especes qui pondent de petits @ufs fort nombreux, et dont les embryons vivent un certain temps dans d’autres conditions? Les Gasteropodes pulmon&s ne se developpent-ils pas tout autrement que les Gaste- ropodes branchiferes? Nous n’accordons done pas une haute valeur hierarchique a ces caracteres en apparence de premier ordre« ete. Und seitdem sind noch so viele andere sich nahestehende Formen bekannt geworden, deren Entwickelung bald mit, bald ohne Metamorphose erfolgt (ich erinnere, was die Anne- liden betrifft, nur an Polygordius und Protodrilus), dass der Satz Van Benepen’s fortan kaum mehr auf Widerspruch stossen dürfte. Ueberdies hat der erwähnte Gegensatz selbst, seitdem durch VrspovskyY') auch bei Oligochaeten sogenannte Kopfnieren nachgewiesen worden, ein gut Theil seines Inhaltes verloren. Aus der Thatsache, dass die Capitelliden nicht nur mit den Polychaeten, sondern auch mit den Oligochaeten innig verwandt sind, ergiebt sich nun Eine für die Systematik der Chaetopoden-Ordnung bedeutsame Folgerung. Es kann nämlich fortan von einer Unter- abtheilung dieser Gruppe in »Polychaeta« und »Oligochaeta« keine Rede mehr sein. Fine wie grosse Formen-Mannigfaltigkeit sich auch bei letzteren auf Grund vielseitiger Anpassungen ausgebildet haben mag, wir werden ihnen doch in Zukunft keinen anderen Rang, als den einer Familie neben den zahlreichen anderen Chaetopoden-Familien anweisen können und die bisherigen »Familien« der bisherigen »Oligochaeten-Unterordnung« werden daher fortan als »Unterfamilien« der »Oligochaeten-Familie« zu figuriren haben. Oder es vermögen, wenn man das vorzieht, die verschiedenen Oligochaeten-Familien doch nur ebenso als »Tribus der Oligochaeten« zusammengefasst zu werden, wie gewisse andere Chaetopoden-Familien zu den Triben der »Aphroditeen«, »Euniceen«, »Nereiden« etc. 3. Ueber die Stellung der Capitelliden innerhalb der Chaetopoden-Gruppe. Wie durch einige Forscher einseitig die Verwandtschaft von Capitelliden und Oligo- chaeten, so wurde durch andere, und zwar ebenfalls einseitig, die Verwandtschaft von Capi- telliden und Polychaeten vertreten. Es stellte nämlich, wie wir schon in der Einleitung berichtet haben, GRrUBE das von ihm errichtete Genus Dasybranchus zunächst neben Arenicola in die Familie der Telethusiden : es reihte ferner Sars, in vollkommenem Einverständnisse mit dieser Gruge'schen Classification, das Genus Notomastus derselben Familie ein, und Quarreraces endlich hielt alle Capitelliden den Clymeniden oder Maldaniden für am nächsten verwandt. Dass die Capitelliden sowohl mit den Telethusiden, als auch mit den Clymeniden viele Uebereinstimmungspunkte gemein haben, ist augenscheinlich: aber ihre Beziehungen zu den Polychaeten sind damit keineswegs erschöpft. 1) 1.p. 236% ec. p. 121. 892 D. Systematisch-Faunistischer Theil. Ebenfalls verwandt, und zwar in viel höherem Maasse, als mit den eben genannten, scheint mir nämlich unsere Familie mit den Polyophthalmiden zu sein, ferner mit den Am- mochariden und endlich möglicherweise auch noch mit den Glyceriden. Um nun diese, sei es augenscheinlichen, sei es vermutheten Verwandtschaftsverhält- nisse zwischen Capitelliden und anderen Chaetopoden-Familien dem Wesen und Grade nach festzustellen, müssten wir in der Lage sein, je die beiderseitigen Organsysteme ebenso der Reihe nach mit einander vergleichen zu können, wie es für die Capitelliden einer- und die Oligochaeten andererseits möglich war. In dieser Lage sind wir nun aber leider nicht; denn so befriedigend die Oligochaeten durchforscht sind, so ungenügend und stückweise ist unsere Kenntniss der genannten Polychaeten-Familien. Und bevor diese (sowie auch die übrigen Familien nicht eingehend und allseitig untersucht sein werden, lässt sich meiner Ansicht nach die Frage, ob die Capitelliden, oder irgend welche an- dere Chaetopoden-Familien als ursprünglichere, respective als modificirtere zu betrachten seien, nicht entscheiden. Wer einzelne Abhandlungen der letzten Jahre kennt, in denen wir mit so grosser Zuversicht darüber belehrt worden sind, was als »Archi-Anneliden« zu gelten habe, der mag vielleicht das eben abgelegte Bekenntniss in Anbetracht, dass gerade ich mich so lange und so intensiv mit Anneliden beschäftigt habe, auffallend finden. Es ist zwar nicht meine Absicht, alles das, was über Archianneliden vorgebracht wurde, bei dieser Gelegenheit einer Kritik zu unterziehen (ich bleibe das schuldig), aber das kann ich nicht umhin schon hier auszusprechen, dass erstens die Gruppe der Archianneliden eine unnatürliche ist, indem durch- aus heterogene Formen unter dem zweifelhaften Bande der »Einfachheit« zu ihr vereinigt sind, dass zweitens viele der als »ursprünglich« ausgegebenen Charaktere auf dieses Prädikat keinen Anspruch erheben können, indem dieselben Organisationsverhältnisse auch sonst bei Anne- liden vorkommen, und dass drittens endlich ein anderer Theil der sogenannten »ursprünglichen« Charaktere auf einer Verwechslung von »degenerativer« mit »ursprünglicher« Organisations- Vereinfachung beruht. Noch einmal und zum Schlusse: Welche Anneliden die ursprünglichen sind, das wissen wir nicht und können wir auch, gestützt auf das heutige 'Thatsachenmaterial, nicht wissen, und es wird daher auch unsere nächste Aufgabe nicht so sehr darin zu bestehen haben, Anneliden-Familien phylogenetisch zu gruppiren, als vielmehr darin, sie anatomisch zu durch- forschen. Nachtrag zum Vergleichend- Anatomischen (Morpholo- oischen) Theil. Es soll hier noch derjenigen Publicationen gedacht werden, die mir erst nach voll- endetem Drucke der das betreffende Thema berührenden Kapitel dieser Monographie zu Ge- sicht gekommen sind. Die mit einem * versehenen, seiner Zeit von mir übersehenen oder mir unzugänglich gewesenen Schriften sind älteren Datums, die übrigen dagegen sind erst nach Fertigstellung meiner respectiven Druckbogen erschienen. Zum Kapitel: „Haut“. Zu pag. 359-564. Ueberaus instructiv für die innigen Beziehungen zwischen Nesselorganen und Haft- organen von Cölenteraten sind gewisse von Cnux als Greifzellen aufgeführte Nesselorgan- ähnliche Gebilde der Ctenophoren. Anfänglich war genannter Autor geneigt), zwischen diesen klebrigen, zum Einfangen der Beute dienenden Fäden einer- und den Nesselfäden anderer- seits, im Gegensatze zu seinen Vorgängern, einen principiellen Unterschied zu statuiren; später dagegen schloss er sich der mittlerweile durch Craus?) geltend gemachten Ansicht an), derzufolge jene »Greifzellen« als eine Modification von Cnidoblasten zu betrachten wären. Sodann fand v. Lexpenrerp!) Hydroiden, deren Wehrthiere »statt der Nesselkapseln Klebekörnchen besitzen, welche den entsprechenden Elementen der Fangfäden der Üteno- phoren vollkommen gleich gestaltet sind.« er. ce Dei 1) *Cuun, C. Die Greifzellen der Rippenquallen. Z. Anzeiger. Jahrg. 1875. p. 50. 2) *Craus, C. Grundzüge der Zoologie. 4. Auflage. Marburg 1880. p. 297. Anmerk. 3) *Cuun, C. Die Ctenophoren des Golfes von Neapel. 1. Monographie herausg. von der Zool. Station. Leipzig 1880. p. 233. 4) *LEnDENFELD, R. v. Ueber Cölenteraten der Südsee. III. Mittheilung. Ueber Wehrpolypen und Nesselzellen. Zeit. Wiss. Z. 38. Bd. 1883. p. 355. 394 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. Nach v. LENDENFELD sind die Zellen, in welchen die Klebekörnchen entstehen, den Hautdrüsen zuzurechnen, und die Klebekörnchen selbst, »welche eben so wie die Nessel- kapseln nur einmal wirken und dann verloren gehen«, betrachtet er als Secret jener Drüsen. Zu pag. 374-402. Es ist mir erfreulich, hier noch constatiren zu können, dass seit Fertigstellung meines respectiven Textes die Spinndrüsen der Myriopoden von Seiten eines in der Entomo- logie bewanderten Forschers, nämlich E. Haase's'), in ähnlicher Weise, wie ich es that, mit den correspondirenden Drüsen der Symphylen, Thysanuren und — von Peripatus ver- glichen worden sind. Zu pag. #02. In seiner Abhandlung über Branchipus gedachte LeypıG?), rundlicher, stark orangegelber und gestielter Körper, die sich an der unteren Seite jedes Schwimmfusses, und zwar nahe dem Anheftungsgliede (coxa) befänden. Ihre Bedeutung blieb ihm unbekannt. Craus‘) deutete in einer demselben Phyllopoden gewidmeten Schrift die fraglichen, der Aussenseite der Ganglien anliegenden Körper, in denen er stäbchenförmige Differenzirungen nachweisen konnte, zunächst als Drüsen, weiterhin aber (in den Schlussbemerkungen) als Sinnesorgane. Der nächste Bearbeiter der Gattung, SPANGENBERG'), vertritt wiederum die ursprüngliche Ansicht von Craus, derzufolge die fraglichen » Anhangsgebilde der Bauchganglien « Drüsen darstellen, und beschreibt ausserdem ähnlich gebaute, hauptsächlich in jungen Larven erkenn- bare »Beindrüsen«. In einer vor Kurzem erschienenen Schrift endlich kommt auch Craus’) wieder auf seine anfängliche Deutung zurück, indem er die an der Aussenseite der Ganglien gelagerten Zellgruppen als »segmentale Bauch-«, und die von SPANGENBERG beschriebenen, in dem Stammlappen der Beine gelegenen als »segmentale Beindrüsen« aufführt. »Die segmentale Wiederholung der Bauch- und Beindrüsen in den beintragenden Segmenten des Mittelleibes«, sagt Craus, »giebt vielleicht Veranlassung, die Frage nach einer etwaigen Beziehung derselben 1) Haase, E. Ueber Verwandtschaftsbeziehungen der Myriapoden. Tageblatt 59. Vers. Deutsch. Naturf. u. Aerzte. Berlin 1886. p. 303. ferner: Die Vorfahren der Insecten, Vortrag. Abh. Ges. Isis Dresden 1886. p. S5—91. 2) *Leyoıs, F. Ueber Artemia salina und Branchipus stagnalis. Zeit Wiss. Z. 3 Bd. 1851. p. 290. 3) *Craus, ©. Zur Kenntniss des Baues und der Entwicklung von Branechipus stagnalis und Apus can- eriformis. Abh. Ges. Wiss. Göttingen. 18 Bd. 1873. p. 117 und 134. 4) *SPANGENBERG, F. Zur Kenntniss von Branchipus stagnalis. Zeit. Wiss. Z. Supplementband zum 25. Bd. p. 18. 5) Craus, ©. - Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung von Branchipus und Artemia etc. Arb. Z. Inst. Wien. 6. Bd. 1886. p. 68. Zum Kapitel » Darmkanal«. s95 zu Segmentalorganen aufzuwerfen. Indessen liegen keine Anhaltspunkte vor, diesen Drüsengruppen etwa in gleicher Weise wie der Antennen- und Schalendrüse vorausgehender Segmente eine solche Bedeutung zuzuschreiben. Zudem entstehen dieselben nicht wie jene aus dem Mesoderm, sondern sind, wie sich wenigstens mit Bestimmtheit für die Bauchdrüsen nachweisen lässt, ektodermale Bildungen.« Auch ich bin der Meinung, dass diese Drüsen mit Segmentalorganen nichts zu thun haben; dagegen halte ich es für überaus wahrscheinlich, dass sie den Schenkel- oder Coxaldrüsen der übrigen Arthropoden, respective den Spinndrüsen der Anneliden homolog sind. Dafür spricht ihre metamere Anordnung (im Bereiche der Beine), ihre ecto- dermale Abstammung und ihr stabförmiges Ausscheidungsprodukt. Sodann kann auch auf die Thatsache hingewiesen werden, dass nach CUraus gerade die Phyllopoden als directeste Abkömmlinge der Ur-Crustaceen oder Protostraken zu betrachten sind. Zu pag. 414-421. Nach Mösıvs'!) werden die Schleimfäden, aus denen die Seestichlinge ihre Nester spinnen, in den Epithelzellen der Harnkanälchen gebildet. Es läge hier demnach ein Fall vor, welcher der von mir geltend gemachten Regel, derzufolge die »stab- und fadenförmigen Secrete« im ganzen Thierreiche ecto- dermalen und cuticularen Ursprunges sind, zu widersprechen scheint. Ich sage: »scheint«, weil ich die Ueberzeugung hege, dass sich auch dieser Fall (im Einklange mit den neueren Erfahrungen über die Theilnahme des Ectodermes an der Zusammensetzung des Uro- genitalapparates) früher oder später der (auf so zahlreiche Fälle sich stützenden) Regel wird unterordnen lassen. Zum Kapitel: „Darmkanal“. Zu pag. 445. Ich habe ursprünglich den subchordalen Strang und sodann (mit Enters die Chorda dorsalis mit dem Nebendarme verglichen. Für beide Organe aber könnte die stabi- lirte Homologie aufrecht erhalten bleiben unter der Voraussetzung, dass an ein und derselben Form successive zwei Nebendärme zur Abschnürung kamen, deren Einem die Chorda und deren Anderem der subchordale Strang entspräche. Im Kreise der Anneliden ist von einer derartigen Doppelbildung Nichts bekannt geworden, wohl aber, wie ich nachträglich sehe, im Kreise der Echinodermen. Es besitzen nämlich nach Korntner?) die Gattungen Schizaster, Brissus und Brissopsis zwei Nebendärme. Die betreffende Beschreibung dieses Autors lautet: 1) *Mösıvs. K. Ueber die Eigenschaften und den Ursprung der Schleimfäden des Seestichlingnestes. Arch. Mikr. Anat. 25 Bd. 1885. p. 554—563. 2) *Koruwer, Rene. Recherches sur les Echinides des Cötes de Provence. Annal. Musee d’Hist. Nat. de Marseille. Tome 1. 1883. p. 40. 896 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. »Un fait anatomique interessant a constater chez le Schizaster, le Brissus et la Brissopsis, est l’exi- stence d’un second canal comparable au sıphon [siphon—Nebendarm] qui s’ouvre de part et d’autres dans le tube digestif en deux points, variables suivant le genre, de la courbure inferieure. On peut considerer ce canal comme un deuxieme siphon, une sorte de siphon accessoire. Il est tres court chez le Schizaster. Dans ce dernier genre ainsi que chez le Brissus, il est accole au tube digestif, tandis que chez la Brissopsis il eourt a une certaine distance de lintestin, tout en lui restant constamment parallele. Ce siphon accessoire n’existe ni chez le Spatangue, ni chez 7 Echinocardium.« Angesichts dieser wichtigen Entdeckung steht nun der obigen Voraussetzung nichts mehr im Wege: das heisst, wir können fortan sowohl die Chorda, als auch den subehordalen Strang auf successive zur Abschnürung gelangte Nebendärme beziehen. Zum Kapitel: „Centrales Nervensystem“. Zu pag. 450-485. Aus der so eingehenden Arbeit Ronpe's') über die Structur des Nervensystemes der Polychaeten hebe ich nur (aus seinen »Resultaten«) diejenigen Hauptpunkte hervor, in denen unsere beiderseitigen Auffassungen von einander abweichen. Nach Ronpe's Erfahrungen sollen die Ganglienzellen sämmtlich unipolar sein, wogegen von mir umgekehrt die meisten dieser Zellen multipolar befunden wurden. Ferner bilden, genanntem Autor zufolge, die Fibrillen der nervösen Centralsubstanz (des Hirnes, Bauchmarkes und der Nerven) keine Anastomosen, während ich im Gegentheile ein reichliches Anasto- mosiren dieser Fibrillen nachgewiesen zu haben glaube. Sodann sagt Rome: »Bei den im Bauchmark längs verlaufenden kolossalen Nervenfasern kommt stets innerhalb der Scheide in der Umgebung des Achsencylinders ein weiter (bei manchen ganz enorm grosser) Hohlraum zur Ausbildung.« Dieser Hohlraum ist nun aber nicht etwa ein Attribut der normalen »kolos- salen Nervenfaser«, sondern vielmehr eine Folge ihrer von mir im Vorhergehenden beschrie- benen Degeneration, respective der Umwandlung von Neurochordnerv in Neurochordröhre, einer Umwandlung, welche Ronpe unbekannt geblieben ist. Endlich kann ich mich auch nicht damit einverstanden erklären, dass Letzterer für das, was man allgemein als »Neurilemma« be- zeichnet, den Namen »Subeuticularfasergewebe« zu substituiren sucht. 1) Roupe, E. Histol. Unters. über das Nervensystem der Polychaeten. Sonderabdr. aus SCHNEIDER'S Zoologischen Beiträgen. 2. Bd. 1887. p. 73. - Zum Kapitel »Sinnesorgane«. 597 Zum Kapitel: „Sinnesorgane“. Zu pag. 525-5950. Zu Gunsten der ursprünglich segmentalen Anordnung der Seitenorgane hat sich auch Ryper') ausgesprochen. Einige Angaben dieses Forschers sind speciell im Hinblicke auf das aberrante, durch Enery betonte Verhalten des Seitenorgansystemes von Fierasfer bemerkenswerth. So diejenige, dass bei den Larven von Gadus morrhua die Seitenorgane entfernt nicht so zahlreich, wie bei den Larven von Gambusia patruelis auftreten, bei welch’ letzteren nämlich ihre Zahl genau derjenigen der Muskelsegmente entspricht. Ferner die, dass bei manchen 'Teleostierlarven, zum Beispiel von Alosa und Pomolobus, die Sinneshügel während der Brutperiode (time of hatching) überhaupt nicht zur Ausbildung gelangen. »We have therefore«, sagt Ryder, »all grades of their development in known types, from none to a few in Gadus, on to that in which every muscular segment has its corresponding pair of nerve hills or eminences.« Zu pag. 531-547. Von nicht geringer Bedeutung wäre, für den Fall, dass sie bestätigt wird, die weitere Angabe Ryver's?, dass die Seitenorgane der Larven von Gadus morrhua direct vom Rückenmarke aus innervirt werden. Dieses Verhalten würde nämlich sehr gut zu der von mir im Vorhergehenden vertretenen Auffassung passen, derzufolge ursprünglich die Seitenorgane der Vertebraten segmental durch Spinalnerven innervirt wurden, und derzufolge sich der N. lateralis Vagi erst secundär als Collector von Seiten- organ zu Seitenorgan (aus dem Ectoderm) entwickelt hat. Auf pag. 541 habe ich gesagt: »Nach meiner Auffassung müssen zwar nicht, können aber doch noch Spinalnervenäste atavistisch im Bereiche des N. lateralis zur Ausbildung ge- langen; wie wollte dagegen BEArD das Auftreten solcher Aeste erklären?« Ferner: »Bestätigt sich die schon mehrmals erwähnte Entdeckung von Ransom und 'IHomPpson, derzufolge bei Petromyzon Aeste von Spinalnerven Fasern an den N. lateralis abgeben sollen, so wird dadurch allein schon die Vorstellung, dass das Seitenorgansystem ursprünglich auf den Vorderkörper beschränkt gewesen sei, hinfällig.« Diese Entdeckung wurde nun inzwischen bestätigt, respective reclamirt durch JULIN?). “ 1) *Ryver, Joun A. A Contribution to the Embryography of Osseous Fishes ete. Extracted from the Annual Rep. Commiss. of Fish and Fisheries for 1552. Washington 1584. p. 54. 2) ecEp. 009% 3) Juzıs, CH. De la valeur morphologique du nerf lateral du Petromyzon. Bull. Acad. Belg. (3) Tome 13. 1887. p. 300—309. Zool. Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden. 113 898 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. »J’ai constate«, sagt dieser Autor, »chez ” Ammocoetes que le nerf lateral recoit un rameau des bran- ches dorsales non seulement des nerfs spinaux dorsaux, mais egalement des nerfs spinaux ventraux et cela dans toute son 6tendue, depuis le premier nerf spinal jusqu’au dernier, äa l’extremite de la queue de l’anımal«*. Und am Schusse seiner Abhandlung: »Des observations que jaai faites chez des embryons deja avances de Seyllium catulus et de Spinar acanthias, ıl resulte que le nerf lateral recoit, chez eux aussi, des rameaux nerveux provenant du pneumo- gastrique et des branches dorsales des nerfs spinaux. Je compte publier ulterieurement ces observations.« Jurın hat ferner im Anschlusse an seine Entdeckung folgende Hypothese über die morphologische Bedeutung des N. lateralis aufgestellt: »Dans mon idee, le nerf lateral, tel qu'il se trouve constitue chez l’Ammocoetes, ne serait que le reste de la erete neurale, ee qui expliquerait ses rapports avec les racines du vague et les branches dor- sales des nerfs spinaux dorsaux.« Dieser Versuch, den N. lateralis als Residuum jener Nervenleiste, aus der die hinteren Wurzeln der Rückenmarksnerven entstehen, begreiflich zu machen, steht in schroffstem Wider- spruche zu der von mir im Vorhergehenden dargelegten Auffassung, derzufolge sich der N. lateralis erst secundär als Collector von Seitenorgan zu Seitenorgan aus dem Ectoderme ent- wickelt hat. Jurin’s Erklärungsversuch steht aber auch in nicht minder schroffem Wider- spruche zu allen neueren Erfahrungen über die Ontogenie des Seitenorgansystemes, wogegen der meinige umgekehrt gerade von diesen Erfahrungen ausgeht. *) Jury fügt dem oben citirten Satze die folgende Anmerkung bei: »Von SIEBoLD et Stannıus, dans leur trait@ d’Anatomie comparee, disent que le trone lateral recoit, chez des poissons osseux, des branches dorsales de tous les nerfs spinaux. Cette observation, qui a passe inapercue jusqu’a ce jour, m’a paru assez interessante pour la mentionner, car elle est singulierement d’accord avec mes observations. « Diese Rehabilitirung ist in zwiefachem Sinne naiv: Erstens hinsichtlich der Voraussetzung, dass eine so belangreiche Angabe eines so viel studirten Buches bis heutigen Tages unbeachtet geblieben sei, und zweitens im Hinblicke darauf, dass besagtes Buch gerade das Gegentheil von dem vertritt, was ihm JuLIv zuschreibt. Allen denjenigen, die sich eingehender mit dem Seitenorgansysteme beschäftigt haben, ist bekannt, dass es von älteren Autoren nicht etwa die Verfasser des genannten Handbuches, sondern vielmehr Cuvier und BÜCHNER waren, die das Vorkommen von »Rami communicantes« zwischen den Spinalnerven einer- und dem R. lateralis Vagi andererseits behauptet hatten, und dass gerade derjenige der beiden Verfasser des Handbuches, der die Wirbelthiere bearbeitet hat, nämlich Srannıvs es war, der den conträren Satz WEBER'S wieder aufnahm, demzufolge »der Rumpf- und Schwanztheil des Truncus lateralis Vagi in keiner directen Verbindung steht mit den Spinalnerven und dass dieser Umstand ihn sehr wesentlich von dem R. lateralis N. trigemini unterscheidet«. Der eben citirte Satz findet sich in Srannıus’ peripherischem Nervensysteme der Fische p. 96, und in seinem Handbuche 2. Auflage p. 149/50 sagt derselbe Autor: »Mit Ausnahme des abortiven Seitennerven von Petromyzon, der aus zwei Zweigen des N. vagus und einem rücklaufenden Aste des N. facialis gebildet wird und noch eine Verbindung mit dem ersten Spinal- nerven eingeht, sind keine Verbindungen des Rumpftheiles der Seitennerven mit Spinalnerven erkannt worden«. Wie kam nun aber JurLıy zu seiner dem wahren Sachverhalte so schnurstracks widersprechenden Behauptung ? Ich kann mir nicht anders denken, als dadurch, dass er den »R. lateralis N. trigemini« mit dem »R. lateralis N. vagi« verwechselte, denn von ersterem sagt Srannıus allerdings (Handbuch I. Auflage p. 68, 2. Auflage p. 156), dass er auf seinem ganzen Wege bis zum Schwanze von dem R. dorsalis eines jeden Spinalnerven einen ge- wöhnlich einfachen, seltener doppelten R. communicans empfange und so zu einem Collector von Elementen aller Spinalnerven werde. Zum Kapitel »Nephridien«. s99 Zum Kapitel: „Nephridien“. Zu pag. 625. Die meiner Ansicht nach nicht zutreffende Voraussetzung LANKESTERS und BEDDARD's, dass jedem Oligochaetensegmente typisch eine bestimmte Vielzahl von Nephridien zu- kam, stützte sich vor Allem auf angeblich gesetzmässige Lagerungsbeziehungen zwischen den äusseren Nephridium-Mündungen einer- und den Parapodien andererseits. Zu den schon im Vorhergehenden aufgezählten Fällen, die sich mit jener angeblichen Gesetzmässigkeit nicht vertragen, hat nun Borerrı!) einen weiteren Beitrag geliefert, indem er auf Grund seiner Untersuchung verschiedener Arten von Lumbricus und Allolobophora zu dem folgenden Resul- tate gelangte: »Le aperture degli organı segmentarı nei lombriei nostrali non si trovano tutte davantı alla seconda setola, ma possono occeupare nello stesso individuo tre posizioni diverse, cioe trovarsi davantı alla 2* setola, davantı alla 4° setola, e nello spazio compreso fra la 4" setola e il poro dorsale.« Da kann von Gesetzmässigkeit in der That kaum mehr die Rede sein. Zu pag. 628-6534. Z/sa Gunsten meiner Herleitung der Samentaschen von Genitalschläuchen habe ich mich unter Anderem auch auf die Angabe Prerrier's bezogen, dass jene Taschen bei Eudrilus als Eileiter fungiren und demzufolge nach der Leibeshöhle zu geöffnet sein sollen. Dieses von mir vorausgesetzte »sich Oeffnen in die Leibeshöhle« trifft nun aber nicht zu, indem BEDDARD°) gerade an dieser Form den interessanten Nachweis liefern konnte, dass Ovarien und Oviducte miteinander verschmolzen sind. Und was die von PERRIER als Samen- taschen gedeuteten Anhänge betrifft, so ist es nach Bepvarps Darlegung überhaupt noch zweifelhaft, ob sie in morphologischem Sinne den entsprechenden Organen der übrigen Lum- brieiden gleichwerthig sind. Das Verhalten von Eudrilus kann daher nicht, so wie es im Vorhergehenden ohne Kenntniss der BEnparv'schen Untersuchung von mir geschah, zu Gunsten der Herleitung der Samentaschen von Genitalschläuchen verwerthet werden. Ebenfalls zu Gunsten meiner Herleitung der Samentaschen von Genitalschläuchen habe ich die Vermuthung geäussert, dass die von VeEspovsky beschriebenen Ectoderm- einstülpungen nur die distalen Anlagen jener Taschen repräsentiren möchten. Einer Abhandlung Bercn’s’) zufolge würde nun aber diese meine Vermuthung unzu- 1) BoretLı, A. Sul rapporto fra i nefridi e le setole nei lombriei anteclitelliani. Boll. Musei di Zool. e Anat. Comp. R. Univ. Torino. Vol. 2. 1887. No. 27. 2) Bepparp, F. On the Reproductive Organs in the Genus Kudrilus. Proc. Physie. Soe. Edinburgh. Vol. 13. 1885/86. p. 672. 3) *BerscH, R. S. Unters. über den Bau und die Entwickelung der Geschlechtsorgane der Regenwürmer. Zeit. Wiss. Z. 44. Bd. 1886. p. 324—329. 113* 900 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. treffend sein; denn er konnte nicht SEmrER (der die Samentaschen bei Nais und Chaetogaster aus ursprünglich soliden, im Inneren gelegenen Zellgruppen, die sich nachträglich aushöhlen und mit der Epidermis in Verbindung treten, hervorgehen liess), sondern VEDovsky (dem- zufolge sie sich als Hauteinstülpungen entwickeln) bestätigen. Ber6cH hat sodann auf Grund dieser seiner entwickelungsgeschichtlichen Erfahrungen den Satz aufgestellt, »dass die Samen- taschen als zu specifischer Function umgebildete Hautdrüsen anzusehen sind, die mit Segmentalorganen absolut nichts zu thun haben«. Wenn ich auch einerseits gerne zugebe, dass, so lange als an der Anlage der Samen- taschen keine mesodermalen Elemente nachgewiesen werden, es um ihre Homologie mit Ne- phridien oder mit Genitalschläuchen noch zweifelhaft steht, so vermag ich doch andererseits eben so wenig die Möglichkeit dieser Homologie als ein für alle Mal abgethan zu betrachten. Man kann sich nämlich sehr wohl vorstellen, dass die mesodermalen Theile der Samentaschen (als functionslos) der Rückbildung verfallen sind, respective nicht mehr in allen Fällen onto- genetisch recapitulirt werden, und was den von BercH so nachdrücklich hervorgehobenen Umstand betrifft, dass »die Anlage bei nahestehenden Arten von der Ursprungsstelle bald in das eine, bald in das andere Segment hineinwächst«, so ist daran zu erinnern, dass auch bei nahestehenden Arten von Capitelliden die Nephridien sehr verschiedener Segmente zur Um- wandlung in Genitalschläuche benutzt werden. Zu pag. 659—654. Der Nachweis der ectodermalen Entstehung des Vornierenganges hat, wie ja das trotz van WiHE's anticipirtem Proteste zu erwarten war, sofort Speculationen über die Phylogenie des excretorischen Systemes zur Folge gehabt. Hapovon') bietet uns, obwohl er sich dadurch, wie ausdrücklich von ihm hervorgehoben wird, nicht im Geringsten zum Glauben an die Abstammung der Wirbelthiere von Anneliden bekennen möchte, Betrachtungen dar, die zeigen sollen, dass jetzt, nachdem der ectodermale Ursprung des Vornierenganges anerkannt, ein Vergleich zwischen den Excretionsapparaten der Vertebraten und Anneliden sehr wohl möglich sei. » Accepting the proposition« sagt Happon, »that the primitive Chordata nephridia opened directly to the exterior, we have only to assume that the lateral area along which they opened was grooved, and that this groove extended posteriorly as far as the anus. From the analogy of the neural groove, there iS no great diffieulty in further supposing that the nephrie groove was converted into a canal, which, beco- ming separated from the overlying epiblast, might sink into the deeper-Iying parts of the body.« Ferner: »We are justified in assuming the persistence of the blastopore as the anus in early Chordata: thus, if the nephrie groove were continued round to the anus, it would practically open into the extreme hinder end of the mesenteron, in other words, into the urodaeum.«. 1) Hanvon, A. Suggestions respecting the epiblastic origin of the segmental duct. Proc. Roy. Dublin Soc. N. Ser. Vol. 5. 1887. p. 4683. Zum Kapitel » Nephridien«. 901 Und gleichzeitig wurden, wie aus Nachfolgendem hervorgeht, mit den vorigen übereinstimmende Betrachtungen auch von Berarp' angestellt. Er sagt nämlich im An- schlusse an seine Mittheilung über den ectodermalen Ursprung des Vornierenganges von Seyllium: »... we have now, owing to the certainity of the epiblastie origin of the pronephrie duct, gained an important position for a more certain comparison of Vertebrata and Annelid nephridia. The phylogeny of the system is indeed much clearer, for, obviously we are entitled to assume that the Annelid ancestors of Vertebrates possessed a series of segmental nephridia, which opened into a longitudinal groove on each side of the body, that for some reason, possibly owing to an increase in size of the eloaca, and possibly because, apparently, every groove tends to become a tube, the groove which extended as far as the ne- phridia, i. e. to the cloaca, got folded in to form a tube, and so came to open into the cloaca.« Ungleich Hınppvox glaube ich an die Abstammung der Wirbelthiere von Anneliden- ähnlichen '[hieren und eben deshalb wird es mir schwer, an das von ihm »ad hoc« construirte Schema zu glauben. In der 'That kennen wir weder irgend ein Annelid, bei dem die Ne- phridien beiderseits in Längsgruben und diese Gruben in den After mündeten, noch ist der ge- ringste Anhaltspunkt für eine solche Anordnung aus irgend einem Factum der Vertebraten- Embryologie zu entnehmen. Diese Anordnung existirt vielmehr nur in der Phantasie der zwei ceitirten Forscher, und dem gegenüber darf ich wohl an der von mir im Vorhergehenden versuchten Herleitung des Vornierenganges festhalten, indem dieselbe nur von solchen Vor- aussetzungen ausgeht, wofür sei es die vergleichende Anatomie, sei es die Entwickelungs- geschichte Anhaltspunkte oder Paradigmata liefert. Zu pag. 661-664 und zu pag. 659-654. Die Längskanäle von Polygordius wollen nicht zur Ruhe kommen. Bevor noch meine auf ihre Nichtexistenz gerichteten Ausführungen in die Oeffentlichkeit gelangen konnten, sind mit jenen unnachweisbaren Gebilden wiederum Anlagen verglichen worden, von denen behauptet wird, dass sie prineipiell gleichwerthig und daher auch einander substituirbar seien, und zwar geschah dies in zwei in dem ersten Hefte des neuen »Journal of Morphology« er- schienenen Arbeiten Wnrman’s?) und Wirson’s®). Ich kann hier in diesem Anhange auf jene beiden überaus interessanten Arbeiten leider entfernt nicht mehr so ausführlich eingeheh, wie es nöthig wäre, muss mich vielmehr darauf beschränken. nur diejenigen Punkte in's Auge zu fassen, welche mit der von mir vertretenen Auffassung des excretorischen Systemes in Wider- spruch stehen. Dabei werde ich mich lediglich an die Abhandlung Wirsov’s halten, weil sie die kürzere ist, Chaetopoden betrifft und sich überdies ausdrücklich auf Wrmırman stützt, so- wie ja andererseits auch Wrıman vollauf Wırsox’s Deductionen anerkennt. 1) BeArD, J. The origin of the segmental duct in Elasmobranchs. Anatomischer Anzeiger. 2. Bd. 1887. p. 646. 2) Wurrman, C. A Contribution to the history of the germ-layers in Cfepsine. Journ. of Morphology. Vol. 1. Boston 1887. p. 105—182. 3) Wırson, E. The germ-bands of Lumbrieus. Journ. of Morphology. Vol. 1. Boston 1587. p. 183—192. 902 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. Ausgangspunkt für die uns hier angehenden Folgerungen ist die T'hhatsache, dass bei Lumbrieus ähnlich wie bei Clepsine) die mesodermalen Organe nicht aus Einer Anlage, sondern aus mehreren getrennten hervorgehen, dass insbesondere Ein Paar der sogenannten S Teloblasten als »Nephroblasten « lediglich die Nephridien, und zwar die drüsigen Abschnitte derselben bilden. » The nephridia«, sagt WıLson, »arise as paired metamerie outgrowths from the nephridial rows*), there being a single pair in each somite just behind and in contact with the rudiment of the dissepiment.« Und die Folgerungen selbst sind im Wesentlichen in folgenden Sätzen enthalten: »As we have seen, this system |nämlich the excretory system] first appears as a continuous longi- tudinal cord of cells (»the nephridial row«) Iying in the somatopleure, and my observations on this point are in accord with those of Wnuırtman on (lepsine, of Harscnex on Criodrilus, and of Epvarn MEYER on Polymnia nebulosa. Although this cord never acquires a lumen in Zumbriceus there can be no doubt from M&yer’s observations and my own that it is homologous with the longitudinal excretory canal of Poly- gordius, Lanice, and Polymnia, which is Iikewise solid at first (Meyer), and im Polymnia consists of a single cell-row.« Was zunächst den Vergleich zwischen den »nephridial rows« von Lumbricus und den Längskanälen von Polygordius betrifft, so scheint mir, selbst für den Fall, dass diese fatalen Kanäle existiren würden, nicht der geringste Anhalt zur Statuirung einer specielleren Homologie geboten. Haben wir es doch auf der einen Seite mit aus ganz indiffe- rentem Zellmateriale bestehenden Keimstreifen eines Embryo zu thun, auf der anderen Seite dagegen mit wimpernden Kanälen, welche aus einem fungirenden Organe einer in der Ent- wickelung bereits relativ weit fortgeschrittenen, segmentirten Larve, nämlich aus der Kopf- niere, hervorwachsen sollen. Der Schluss ferner, worauf dieser, sowie auch alle anderen Vergleiche basiren, nämlich dass, weil den später segmentirten Organen continuirliche Anlagen vorausgehen, diese Organe auch selbst einmal continuirlich gewesen sein müssen, scheint mir ein Fehlschluss zu sein: denn wir wissen ja, dass auch die Eier der segmentirten T'hiere nicht etwa »ab ovo« seg- mentirte Keime, sondern Zellen repräsentiren, aus denen zunächst einheitliche Anlagen hervor- gehen, die sich weiterhin auf irgend eine Weise gliedern. Will man aus dieser Thatsache folgern, dass die segmentirten Thiere von unsegmentirten abstammen, so mag man das; aber functionirende Kanäle einer segmentirten Larve mit embryonalen Anlagen**) zu vergleichen, das geht doch kaum an. Nun existiren aber ja die Längskanäle von Polygordius überdies nicht, so dass der Vergleich an sich hinfällig wird. Nicht weniger unzulässig ist ferner der Vergleich zwischen solchen »nephridial rows« nz einer- und den von E. Mrver“**, entdeckten Nephridialgängen gewisser Terebel- *) Mit »Nephridial rows« sind von den »Nephroblasten« gebildete Zellreihen gemeint. **, Dasselbe gilt für die »Längsstränge von Criodrilus«, für den Fall, dass HarscHner darunter ähnlich den amerikanischen Forschern einen speciell zur Ausbildung der Nephridien bestimmten Keimstreif verstanden haben sollte. ++ sine genaue Beschreibung dieser Gänge wird im 4. Hefte des 7. Bd. der Mitth. d. Zool. Station in Neapel unter dem Titel: »Mryer, E. Studien über den Körperbau der Anneliden« erscheinen. Zum Kapitel »Nephridien «. 903 liden (Zamie und Loimia) andererseits. Diese Gänge tragen nämlich, wie wir auf p. 663 schon nachzuweisen bestrebt waren, so auffallend ihre secundäre Natur zur Schau, dass auch ihr Entdecker, wie mir durch gefällige mündliche Mittheilung bekannt, nicht daran denkt, sie anders aufzufassen. Genügt ja hierfür das einzige Factum, dass sich bei allen darauf untersuchten Terebelliden die Nephridien nicht etwa derart entwickeln, dass zunächst ein Gang entsteht, der sich nachträglich gliedert, oder aus dem die Nephridien hervorsprossen, sondern dass vielmehr letztere in streng metamerer Folge ohne Spur eines Ganges angelegt werden. Und an einen Vergleich dieser Nephridialgänge mit den sogenannten Längskanälen von Poly- gordius denkt E. Meyer um so weniger, als gerade er sich durch Untersuchung zahlreicher Polygordius-Larven bestimmt von der Nichtexistenz jener Kanäle überzeugt zu haben glaubt. Der Recurs auf Polymnia nebulosa endlich beruht auf einer irrthümlichen Inter- pretation des Lang’schen Textes"); denn mit den »soliden Zellsträngen«, aus denen sich nach E. Mever’s Untersuchungen bei dieser Terebellide die drüsigen Abschnitte der Nephridien entwickeln, sind nicht etwa, wie Wırson verstand, Zellreihen gemeint, welche die Gesammt- länge des Körpers durchsetzen, sondern solche, die sich von Segment zu Segment wieder- holen. Von einem Vergleiche dieser metameren Zellreihen, sei es mit den Längskanälen von Polygordius, sei es mit den Nephridialgängen von Lanice und Loimia, kann daher gar keine Rede sein. In dem Nachweise der ectodermalen Entstehung der Vornierengänge so- wie in der Thatsache, dass (seinen eigenen Beobachtungen zufolge) auch die Nephroblasten von Lumbricus »Ectodermabkömmlinge« darstellen, glaubt ferner Wirson den Beweis für die Richtigkeit des bisher noch fraglichen Vergleiches zwischen den Vornierengängen der Vertebraten einer- und den Längskanälen und Nephri- dialgängen von Polygordius, Lanice etc. andererseits, erblicken zu dürfen. Er führt das mit folgenden Worten aus: »Several morphologists have compared this canal [nämlich den Längskanal von Polygordius, die Nephridialgänge von Lanice und die Zellstränge von Polymnia| directly with the segmental duct of verte- brates; but the homology has thus far remained an open question on account of the lack of decisive em- bryological evidence. 'This evidence, I venture to believe, is afforded by my observations on the origin of the nephridia in Lumbricus, taken in connection with recent studies on the segmental duet. It is impos- sible to doubt that the nephroblasts of Lumbrieus, and, therefore, the nephridial rows and the nephridia (excepting the funnels] are derivatives of the outer germ-layer, and, in view of this conclusion, the likeness between the development of the nephridial row and that of the segmental duet, as deseribed in the recent papers of Spree, FLEmMINnG, and van Wisue, is very significant.« Ferner: »Now, in some cases at any rate, the segmental tubules of the vertebrate pronephros are formed wholly or in part as outgrowths of the segmental duet, and thus agree precisely in mode of origin with the nephridia of Lumbriceus. As far, therefore, as exact likeness in the development of special parts can be taken to indicate homology, the »nephridial row« of Lumbricus must be regarded as homolo- 904 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. gous with the segmental duct, and the series of nephridia as homologous with the verte- brate pronephros.« Der Beweis Wirsons beruht also auf der angeblich ectodermalen Natur der Nephri- dien, respective der Nephroblasten. Seine Darstellung dieses grundlegenden Sachverhaltes lautet aber: »The six anterior teloblasts, viz., the neuroblasts, nephroblasts and the lateral „teloblasts“‘, can first be distinguished with certainty in spherieal embryos towards the and of invagination. At this period they have the same arrangement as in later stages, but lie in the ectoblast, extending to the surface ofthe body. Each gives rise to a row of cells that can be traced forwards a short distance, and then is lost amongst the surrounding cells. In later stages these teloblasts are gradually crowded below the surface by adjoining eetoblast cells, though they always remain embedded in the eetoblast, and sometimes reach the surface in stages as late as that shown in Fig. 3. There is no evidence that they are originally formed below the ectoblast, and are afterwards pushed out to the surface. The only interpretation that I can put upon these observations is, that not only the neuroblasts, but also the nephroblasts and „lateral teloblasts“, are modified ectoblastie cells.« Dass die Zellen (Nephroblasten), aus denen die nephridialen Zellreihen (nephridial rows) hervorgehen, aus dem Eetoblaste entstehen, soll hier nicht im Mindesten bezweifelt werden. Ich sehe darin nichts Auffallendes, indem ja die meisten Embryologen das, was man gemeinhin »Mesoderm« nennt, sei es aus dem Ecto-, sei es aus dem Entoderm hervorgehen lassen. Von dem Momente ab, in dem aber diese ursprünglich ectodermalen Zellen eine be- sondere Anlage (in unserem Falle die »nephridial rows«, aus denen später die Drüsentheile der Nephridien hervorsprossen constituirt haben, kann von einer Identificirung derselben mit dem perennirenden äusseren Blatte nicht mehr die Rede sein. Wie wollte denn auch Wırson bei seiner Auffassung das, was man bisher als »ectodermalen« Abschnitt des Nephridiums be- zeichnet hat und was beispielsweise bei Peripatus an solchen Nephridien, die Functionswechsel erlitten haben, fast das ganze Organ ausmacht, nennen? Die einzig correcte Auslegung des Sachverhaltes scheint mir die zu sein, dass bei Lum- brieus (und Olepsine, die Nephridien nicht aus dem gemeinsamen Mesodermstreifen (Pleuro- peritonealepithele), sondern aus gesonderten Keimstreifen hervorsprossen, und wenn WiıLsox der ectodermalen Abstammung dieser Streifen einen Ausdruck verleihen wollte, so konnte er das höchstens im Sinne KLEisengerg’s') thun, das heisst, von secundären Ectodermab- kömmlingen sprechen. Anders beim Vornierengange der Vertebraten; denn bei ihnen ist es allerdings das perennirende äussere Blatt, welches successive das Material zur Bildung jenes Ganges liefert. Abgesehen davon kann man nun aber auch hier nicht umhin, die Frage aufzuwerfen, ob ein aus indifferenten Zellen zusammengesetzter Strang, aus dem später Nephridien hervor- sprossen, einer-, und ein Zellstrang von bestimmter Gewebskategorie, der sich direct in einen Kanal mit specifischen Functionen umwandelt, andererseits überhaupt vergleichbare Dinge vorstellen? Hauptsächlich wenn man erwägt, dass im ersteren Falle (Zumbricus) neben den Zum Kapitel »Nephridien «. 905 nephridialen Strängen (über deren späteres Schicksal wir, nebenbei gesagt, gar nichts erfahren) noch eine ganze Reihe ähnlicher Stränge oder Organanlagen (Teloblasten) vorhanden sind, respective dass ein noch undifferenzirter Keim vorliegt, wogegen im letzteren Falle (Verte- braten) die Keimsonderung zur Zeit, wenn der Vornierengang angelegt wird, schon relativ fortgeschritten zu sein pflegt. Besonderen Werth scheint Wırsox bei seinem Vergleiche darauf gelegt zu haben, dass, wie bei Zumbricus aus den nephridialen Zellreihen die Nephridien, so bei gewissen Verte- braten aus den Vornierengängen die Vornierenkanälchen hervorsprossen sollen. Schon die Thatsache, dass dieses Hervorsprossen der Vornierenkanälchen allein von Anamnien behauptet wird, für Amnioten dagegen umgekehrt gilt, dass sich die aus dem Pleuro- peritonealepithele entwickelnden Vormierenkanälchen (ebenso wie die Urnierenkanälchen) erst secundär mit dem Vornierengange verbinden, wäre geeignet, den Werth des betreffenden Argu- mentes zweifelhaft erscheinen zu lassen. Nun ergiebt sich aber aus den neueren Arbeiten überdies, dass es mit dem Hervorsprossen bei den Anamnien ziemlich zweifelhaft steht. So sollen nach Snirrey') bei Petromyzon die Vormierenkanälchen keineswegs, wie Scorr angegeben hatte, als Ausstülpungen des Vornierenganges, sondern aus dem Pleuroperitoneal- epithele entstehen und erst secundär mit dem Vornierengange verschmelzen. Und in der- jenigen der jüngsten Mittheilungen über die ectodermale Entstehung des Vornierenganges von Anamnien, in der überhaupt zugleich von der Vorniere die Rede ist, nämlich in der Mit- theilung van Wıme's?), wird das Verhältniss zwischen Vorniere und Gang nicht etwa derart dargestellt, dass sich zuerst ein ectodermaler Strang oder Gang entwickelt, aus dem die Ur- nierenkanälchen hervorsprossen, sondern im Gegentheil derart, dass zunächst »eine Vorniere als eine continuelle Ausstülpung der Somatopleura unter jederseits 5 Somiten entsteht«, dass ferner das Hinterende dieser Ausstülpung mit der Haut verschmilzt und dass diese Ver- schmelzungsstelle die Anlage des Vornierenganges ist, »der, nach hinten weiter wachsend, sich allmählich von der Haut abschnürt«. Nach alledem können die nephridialen Zellreihen von Clepsine und Lumbricus, eine wie hohe Bedeutung ihnen auch als embryologischen Facten zukommen möge, schwerlich als Aus- gangspunkte für die phylogenetische Herleitung des Vor- und Urnierensystemes verwerthet werden. Weder der Vornierengang, noch die Vorniere sammt der Urniere, und noch weniger die Beziehungen dieser Theile untereinander, sowie ihr eigenthümlicher Entwickelungsmodus lassen sich auf Grund jener Zellreihen begreifen. Alle diese Organe, Beziehungen und Modi werden dagegen verständlich, wenn wir die in dieser Monographie vertretene Auffassung gelten lassen, derzufolge die Vornierengänge als die ectodermalen Abschnitte Eines vor- deren Nephridiumpaares zu betrachten sind. Insbesondere verstehen wir dann die 1) Suirzey, A. On some points in the development of Petromyzon fluviatilis. Q. Journ. Mier. Se. (2) Vol, 27. 1887, p. 344. 2) 1. p. 653. c. p. 634. Zoo], Station z. Neapel, Fauna und Flora, Golf von Neapel. Capitelliden, 114 906 Nachtrag zum Vergleichend-Anatomischen (Morphologischen) Theil. ectodermale Entstehung der Gänge, ihr von vorn nach hinten gerichtetes Wachsthum, sowie ihre secundäre Verbindung mit den Vor- und Urnierenkanälchen. Und dass ectodermale Ab- schnitte ursprünglich metamerer Nephridien (unter Functionswechsel) in der 'That zu langen, den Gesammtkörper durchsetzenden Kanälen auswachsen können, dafür hat uns, wie auf p- 379 und 653 ausgeführt wurde, Kexxer in Peripatus ein von denen, die sich bisher mit der Phylogenie des Vornierenganges beschäftigt haben, lange nicht genug gewürdigtes Para- digma kennen gelehrt. Während des Druckes hinzugefügt: Zu pag. 602-604. Erst wenige Tage bevor ich diesen letzten Bogen zur Correctur zugesandt erhielt, bin ich mit der Abhandlung bekannt geworden, in der die polymetameren Nephridien von Acan- thodrilus multiporus ausführlicher (als in dem 1. p. 574. c. Opus) durch Bepparn') beschrieben worden sind. Was ich hier speciell nachzutragen habe, das ist der Nachweis BEppArD’s, dass die Aus- mündung der S in jedem Zonite enthaltenen Nephridien im hinteren Körpertheile normal, also je durch Einen ;Porus erfolgt, im vorderen Körpertheile (etwa vom 18. Segmente ab) hingegen durch eine grosse Anzahl von rings um den Körper, zwischen den Borsten angeordneten Oeffnungen. Ferner, dass die verschiedenen Nephri- dien eines jeden Segmentes in gegenseitiger Continuität zu stehen scheinen und dass die Ausführungsgänge derjenigen der vorderen Leibesregion über- dies einen continuirlichen Ringkanal bilden. Das sind Nachweise, denen sowohl in morphologischer, als auch in physiologischer Hinsicht sicherlich eine hohe Bedeutung zukommt; aber meiner Ansicht nach nicht in der von Seiten BEDDArp's eingeschlagenen Richtung. Letzterer sucht nämlich die Vielzahl der äusseren Nephridium-Mündungen zu Gunsten seiner Ansicht, dass ursprünglich jedes Anne- lidensegment mit einer Borstenreihe und jede Borste mit Einem Nephridium ausgerüstet war, zu verwerthen, das heisst, er betrachtet das Verhalten der Nephridien von Acanthodrilus multi- porus als ein »ancestrales«, von dem dasjenige aller anderen Anneliden abgeleitet werden müsse. Ich hingegen vermag (im Einklange mit meiner Ueberzeugung, dass die reihenförmige Borsten-Anordnung, die Polymetamerie der Nephridien, und die Beziehungen zwischen Nephri- dien und Borsten secundäre Zustände darstellen) in der Vielzahl der äusseren Nephridialporen kein ursprüngliches Verhalten, sondern nur eine extreme Fortbildung jener auch bei mehreren anderen Annelidenformen vorkommenden Verzweigung der ausführenden Nephridiumschenkel zu erblicken. Dass wir es aber bei diesen Formen mit secundären Anpassungen zu thun haben, darüber kann wohl kaum ein Zweifel aufkommen. 1) *Bepparp, F. Sur les Organes Segmentaires de quelques Vers de Terre. Ann. Sc. N. (6) Tome, 19. 15885. Art. No. 6 e-— — Zu pag. 449. Leider bin ich erst nach Fertigstellung der Monographie darauf aufmerksam geworden, dass der von Bateson als Chorda dorsalis bezeichnete Darmanhang von Balanoglossus ein hämales, und nicht, wie ich in Folge irrthümlicher Interpretirung der Abbildungen dieses Autors annahm, ein neurales Gebilde darstellt. In Folge dessen kann von einem Vergleiche ienes Anhanees mit dem Nebendarme der Anneliden etc. keine Rede sein, und meine Sup- 5 D l position, dass in Bateson’s Abbildungen Balanoglossus um 180° gedreht, respective in der Verte- bratenlage erscheine, wird hinfällig. Unberührt hiervon bleiben dagegen alle meine übrigen gegen die Aufstellungen des genannten Autors geltend gemachten kritischen Bemerkungen. vr v E E ä “ .. ] - “ a a u, ‚ < u 3 } ri z @ = .ıu ..- a z i ee e R . S ® 5 u i i } B 3 ‘ EB ı nn r® D -i er 3 8 F } a — = 2 r I ' 5 d E RT \ 1 n. ar 5 von 5 = v“ kart i . ı L - . i ’ Ä i R - * ß i . z u ; ) 8 a x u ke - | = D . & c v u 4 . i ‘ Fi 2 22 = { " 4 e 5 . L . 2 = ü = . es « ot E 5 DIE CAPITELLIDEN DES GÖLFES VON NEAPEL UND DER ANGRENZENDEN MEERES-ABSCHNITTE EINE MONOGRAPHIE VON 2 I1ÜUGO’EISIG. ATLAS VON SIEBENUNDDREISSIG TAFELN NEBST DEN TAFELERKLÄRUNGEN HERAUSGEGEBEN VON DER ZOOLOGISCHEN STATION ZU NEAPEL. BERLIN VERLAG VON R. FRIEDLÄNDER & SOHN 1887. Te ee a nd nr ra HE LIBRARIES 7 SMITHSONIAN INSTITUTI = Ni oO oO of [ee] oO! [e)} N en 3 a eng BEER LEER er