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Moritz Hartmann's
Gejammelte Werke.
Mit Hartmanns Porträt, radirt von W. Unger in Wien.
Arſter Band.
Zluttgart. Verlag der J. ©. Cotta ſchen Buchhandlung. 1874.
HET
Bugbruderel der I. ©. CTotta ſchen Buchhandlung in Stuttgari.
Vorwort der Berausgeber.
Die Gefammtausgabe der Dihtungen und Schriften Morig Hartmannz, die wir hier dem Publikum vor⸗ legen, wird in zehn Bänden Alles umfaflen, mas der Dichter auf dem Gebiet der Poefie, der Novelliftif und der höhern Unterhaltungsliteratur Nennenswerthes ge ſchaffen hat.
Diefe Beihränkung auf eine Auswahl war durch das den Herausgebern angetviefene räumliche Maß der Ausgabe geboten und erſchien gleicher Weife auch in der Natur der Sade begründet. Was Hartmann außer feinen dichterifhen und novelliſtiſchen Erzeug- niſſen ſchrieb: die Neifefhilderungen, Kunft- und Literaturberichte, biographiſchen Skizzen und alle jene feuilletoniftifhen Arbeiten, mit melden er faft ein Vierteljahrhundert Yang die freifinnige politifhe und beltetriftiiche Journaliſtik Deutſchlands verjah, bildet zuſammen ein Material, das viele Bände füllen würde. Wie der Dichter ſelbſt über dieſe ephemeren Kinder
mw Vorwort der Heraußgeber.
feiner leicht ervegbaren, nie verfagenden Produftiong- kraft dachte, zeigt wohl am Beſten eine Stelle aus einem Barifer Briefe in Nr. 305 der Kölnifhen Zeitung vom 3. November 1858, mit dem er eine Reihe von Korrefpondenzen über geſellſchaftliche und literariſche Zuftände in Frankreich eröffnet und den er mit folgen: den Bemerkungen fließt:
„Bewahren Sie dieſe Feuilletons, die ih hiemit begonnen habe, auf Sorgfältigfte, da fie höchft mahr⸗ ſcheinlich dermaleinft als dide Bücher mit den geblähs teften Titeln erfcheinen werben. Diefes wird nämlich Mode. Villemot glaubt, das Publitum habe feine Feuilletons in der Independance nicht. genugfam ges nofien, und gibt fie in Büchern heraus, von denen ſchon das erfte did wie ein Nilpferd ausfieht, und Jules Janin hat fogar den zweideutigen Muth, feine Feuilletons, die wir auf dem Schooße unferer Ammen gelefen haben, unter dem Titel Histoire litl6raire de la France, neu angeftrihen, zu veröffentlichen. Was Toll aus uns werben, wenn nun au Fiorentino, die mürbigen Brüder Escudier und tutti quanti ihre dis- jeeta membra zu fammeln anfangen! Die Körbe der Zumpenfammler werden dann die naturgemäßeren und. angemefjeneren Bucherſchranke dieſer Literatur.”
So bat Hartmann jelbft zum Voraus die meiften dieſer leichten gefälligen Erzeugniſſe des. Augenblid der Bergefienheit überantwortet, und es wäre eine Ver— fündigung am Andenken des edeln Verftorbenen, gegen
Borwort der Qeraudgeber. v
feine Har ausgefprodene Willensmeinung zu handeln. Was er felbft eines längern Lebens, als es bie Feuilletonipalten einer Zeitihrift gewähren können, für würdig hielt, hat er gelammelt herausgegeben, und fo liegt uns ein Buch vor, das unter dem Titel: „Bilder und Büften“ (2. Ausg. Berlin, D. Jande, 1862) eine Reihe folder theils biographiſcher, theils artiftifcher und ethnographiſcher Studien enthält. Die im britten Band diefer Ausgabe abgebrudten „Bilder aus Däne mark” find diefer Sammlung entnommen, und im zehnten Bande werben noch weitere derartige Skizzen nebft andern feither erſchienenen, welche der Dichter ebenfalls für eine Sammlung beftimmt hatte, Auf: nahme finden.
Der vorliegende erfte Band, von Wilhelm Vollmer bearbeitet und herausgegeben, enthält hauptfächlich die Gedichte Morig Hartmanns, welde in den drei Samm- lungen: „Keld und Schwert” (Leipzig, J. J. Weber, 1845 ; dritte Auflage: Darmſtadt, C. W. Leske, 1851), „Neuere Gedichte” (Leipzig, ©. Wigaud, 1847) und „Zeitloſen“ (Braunſchweig, F. Vieweg und Sohn, 1858) veröffentlicht worden find.
Es war in Betracht zu. nehmen, ob niet, unter Auflöfung diefer drei Sammlungen, alle vorhandenen, gedruckten und ungebrudten, Gedichte vereinigt und das gefammte, fo gewonnene Material nad innern Eintheilungsgründen in größere gleihartige Gruppen
vı Vorwort ber Keraußgeber.
(Leben und Liebe, politifche Gedichte, Balladen u. f. w.) neu georbnet werben follte, innerhalb deren dann bie chronologiſche Reihenfolge Pla gegriffen hätte. Der Herausgeber ift indeß nach reiflicher Erwägung von diefer Anordnung abgegangen. Jede der genannten Gedichtſammlungen bezeichnet beftimmte Abſchnitte im Entwidlungsgange des Dichters und trägt ein charak⸗ teriftifches, deſſen jeweilige Eigenthümlichfeit aus— ſprechendes Gepräge, welches bei einer Durdeinander- mengung ber Stoffe verwifcht worden wäre. Nament- li gegen die Auflöfung von „Kelch und Schwert“, welches zuerft den Namen des Dichter in den litera⸗ riſchen und politifden Kreifen Deutſchlands bekannt gemacht hatte, fielen die ernfteften Bedenken in die Wagſchale. Die „böhmifchen Elegien“ konnten nur in einer Sammlung Aufnahme finden, welche jenen, die Symbole der Huffitenfriege bezeichnenden Titel an der Stimme trug.
Dagegen erwies ſich ein vollftändiger Abdruck jener drei Sammlungen in mehrfacher Hinſicht als unaus- führbar. Wie fi die Herausgeber von vornherein darauf angewiefen fahen, nur eine Auswahl mitzu- theilen, fo mußte auch bei der Aufnahme der Gedichte diefe Beſchränkung eintreten, wenn nicht eine Gattung der Poefie auf Koften einer andern zu fehr begünftigt werben wollte.
So wurden alle Gedichte ausgeſchieden, welche
Vorwort der Herausgeber. vH
Teines der drei bei der Entfcheidung über die Aufnahme maßgebenden Merkmale befaßen: anſprechende, durch⸗ gearbeitete Form, poetiſcher, bedeutender Gehalt, oder ein weſentliches biographiſches Moment. Ebenſo wurden Ueberfegungen ausgeſchloſſen, wenn fie ſich nicht durch äußere ober innere Vorzüge auszeichneten. Auf bieje Weiſe find von den 107 Gedichten der dritten Auflage von „Kelch und Schwert“ 31, von den.77 der „Neueren Gedichte” umd den 157 der „Zeitlofen“ je 24 aus⸗ geſchieden worden. Unter den nit aufgenommenen Gedichten der beiden legten Sammlungen befinden ſich 7, welche aus der angeblichen Königinhofer Handſchrift überfegt find, und 6 aus dem Spanifchen des Fray Luis Ponce de Leon übertragene Stüde.
Der Herausgeber hofft, Fein irgend ſchönes, durch Form oder Inhalt hervorragendes Gedicht zum Aus: ſchluß verurtheilt und fein ſchwaches, des Dichters minder würdiges zur Aufnahme begnabigt zu haben. Er ift fih bewußt, bei der Auswahl einerfeit3 mit Diskretion und Schonung verfahren zu fein, anderſeits aber auch im Sinn und Geift des von ihm hochver⸗ ehrten Dichters gehandelt zu haben. Morig Hartmann war keineswegs ein nachſichtiger und Teicht befriedigter Beurtheiler feiner eigenen Erzeugniffe, und wie er aus der erften Auflage von „Kelch und Schwert“ 13 Ge diägte nicht in die dritte herübernahm — zwei andere fanden in den unterdeß erſchienenen „Neueren Gedichten”
van Vorwort der Herausgeber.
Aufnahme — fo hätte gewiß, wenn es ihm vergönnt geweſen wäre, felbft eine Gefammtausgabe feiner Iyri- ſchen Dichtungen zu veranftalten, fein verwerfendes Urtheil ebenfalls mandes getroffen, das vor feinen firengen und geläuterten Anforderungen an in Auf werk nicht hätte beftehen können.
Bei der Tertgeftaltung bat ſich der Geransgeber ftreng an die Drude gehalten und, wo verfchievene Tertregenfionen, fei e8 in Druden, fei es in hand» ſchriftlichen Aufzeichnungen, vorlagen, die nachweisbar jüngſte Redaktion gewählt. Jenen Gedichten, über deren Entftehungsgeit es möglih war, ſichere Daten zu er- langen, ift eine Jahreszahl beigefügt. Dieß ift nament- lich bei einzelnen Gebichten in ven „Beitlofen” der Fall, wo die Tagebücher des Dichters oft. werthvolle Beitbeftimmungen an die Hand geben.
Nach den „Neueren Gedichten“ und vor bie „Beit- loſen“, S. 197— 222, wurde ein Zyklus lyriſcher Gedichte eingefchaltet, welcher der Zeit der Abfaſſung nach zwiſchen hineinfällt und als „Intermezzo (Tage bucblätter)” in bie unter dem Titel „Schatten“ (Darmftedt, C. W. Leske, 1851) erichienene Samm⸗ lung poetiſcher Erzählungen eingereiht war.
Einen zweiten Zyklus lyriſcher Gedichte veröffent- lite Morig Hartmann im erften Band feines „Tage buchs aus Languedoc und Provence” (Darmftadt, C. W. Leske, 1853), ©. 133—160, "unter dem Titel
Borwort der Herausgeber. ix
„Vom Meere (I. Intermezzo)“. Später nahm er dieſe Ditungen, zum Theil verändert und erweitert, unter der Rubrit „Aus dem Süden“ in die „Beitlofen“ auf, und in diefer Anordnung find fie denn auch verblieben und im vorliegenden Band S. 341—353 mitgetheilt. Das im zweiten Band des „Tagebuch aus Languedoc und Provence“ erjhienene „IL Intermezzo“, proven- zaliſche Volkslieder und Balladen enthaltend, wurde, als in unmittelbarem Zufammenhang mit den Auf- zeichnungen jenes Tagebuchs ftehend, an feiner ur— fprünglien Stelle belafien und ift in Band III, ©. 298— 311 abgebrudt.
Den Schluß diefes Bandes bildet eine Auswahl aus den „Bretonifhen Volfsliedern“, melde der Dichter in Gemeinfhaft mit Ludwig Pfau, größten- theil® aus der Sammlung des Hrn. de la Villemarque, überfegt und im Jahr 1858 (Köln, bei Du Mont- Schauberg) veröffentlicht hat. Von den beiden Ueber: fegern bearbeitete jeder ungefähr ein Drittel der Samm- lung felbftänbig; das letzte Drittheil wurde in gemein- ſamer Nachdichtung hergeftellt. Nachdem Ludwig Pfau in der jüngft (Stuttgart, ©. 3. Göſchen, 1874) er: ſchienenen Gefammtausgabe feiner Gedichte die Lieder feiner und etwa die Hälfte der gemeinfamen Weber- tragung abgebrudt hat, theilt der Herausgeber nun- mehr aud die von Hartmann felbitändig überfegten Stücke, ſowie den Reſt der gemeinjchaftlich bearbeiteten
x Vorwort der Kerausgeber.
mit. Die Summe ber hier aufgenommenen Volkslieder genügt vollkommen, fi ein Gefammtbild jener eigen thümlichen und merkwürdigen Volfspoefie zu machen. Ueber den Boden, auf welchem diefelbe erwachſen, und bie Bevölferung, bei der fie fi Jahrhunderte hindurch erhalten, findet ver Lefer in den „Wanderungen durch celtifches Land“, Bd. III, ©. 405—484, die intereflan- teften Aufihlüffe. Zum befleren Verſtändniß der ein- zelnen Lieder geben die ©. 448—463 des vorliegen- den Bandes abgevrudten, der urſprünglichen Kölner Ausgabe theils wörtlich, theils in umfafferdem Auszug entnommenen Noten die erforberlichen Erläuterungen.
Weitere Mittheilungen über die Benützung ber Quellen, die Konftituirung der Terte u. f. w. in den folgenden Bänden behalten fi die Herausgeber für den Schlußband dieſer Ausgabe vor.
Berlin und Stuttgart, Februar 1874,
dehwig Bamberger. Wilhelm Ballmer,
Anhalt
Kelch und Hhwert.
Innere Stimmen.
Seite dubel.. Pr Er En s , Border ‘ \ Raftigalenfhlag. » 22220 n Paare ER “ Bed in der Naht ........ .. . Seit fie georden 2 2. > en B B 7 Mägtlider Ritt . . a EEE ! &n Thereſe.
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av Inhalt.
Diarium eines Möndes.
1. Salvus viro (wiefad grohes Geil dem Manne) ..... 10 A. Campi flores (Riebertnien möcht’ id in Freuden)... . . . 141 III. Mortis iter (af du einen lieben Toben) 2... . » 1a IV. Stat promissis (Wird fie erfült, die Proppegelung) . . . . . 342 V. Solitudo (Genoffin meiner Einfamteiten) . . 2.2.2... - 2 18 VI. Signa Dei (Gottes Grüße find die Worte). 2... 2... 16 VII. Porta fracta (Mad fiel’ ic} gleich dem feig gebrochnen Worte) . 146
VII. Fons amoris (So tief iſt der Siebe Bronnen) . . - - +... 146 IX. Nunquam, nunquam potatores (Trinter, trinket nur auß Rrügen) 148 X. Prustra quaero (Gin Name {R’&, nach dem ih fuße): . . . . 149 X1. Rora matutina vidi (deut id aus dem Fenſter ſchautey. . . . 162
X. Somnlum, quod somniavi (Fin Traumgefiät, darob id [fauern) 15%
XII. Domus dei (1. Dieweil ich auf zum Dome fhaue) . . . . : 106
(@. Doc) wieder, wenn den Dom ich fdaue) . . . 187
XIV. In deserto (uf einer öben, Hohen Kaufe)... 2.2... 188
XV. In sopuleris' monachorum (Hufgereißt wie ihre Seien). . . . 100
Cinfame eichter . Junggefelenftube Dienfbotenfehlaf Kin Fenfter
Geſchleqh taregiſter Draßdter onen ern. 1 An . * ....... Olten, a aaau ban hini 33 Die bohmlſchen Kekruteee.26q2177
In der Fremde.
1. Die Cine eh’ ih, Heilige Mh. . .. a
9. Barum fo trüb und fo verſchlofen. 2. ... .. . i6ꝛ
3. Sig’ ich auch bed Nachts allein . onen nn 188 nt PER Er “188 Mördenglaube 222 ene ernennen 10h Wüfle Tage . Dr ....* 186 Antwort . . .. . .. . .. 186 Mweht. 220 Kerner 187 verdacht.
1. Im deinem Herzen ruht verdacht 2. Sie ſprach eb aus, das Wort der alase
Beten Ef oe ... LIE 2) Weser Sewifſe Worte . ..... ... ene In aAbolph Broda, 1. Im füllen Walde den® ih dein... 2. - ... . 101 2. Doch trauern will id nicht am Grabe. . 2 000 nen 1 Die Egmie .... Paper nen 102 Intermezzo. En * Bidmung der „Sqhatien 2.2 en. 1. BElublum ne 2.10 1. Mid druaet eine Sorge nn 1 ML. Wie in den erfien Jugenbtagen © 2 2 2 2 2 2.2.2.2. 200 IV. Du meine Rofe, hoides Ja. 2022. .. . 201 V. D, fpiel mit Grabgebanten nimmer . 2 2 02.22.00. 201 Bab fol dieß Sehnen... ... . . .. . . . . . . MR I. &o lebend firaple dein Geſzie nn 208
Du leiter Kafn, mein Gerd, mein Gem. 2 2 2.24 2. 208 Und ommft du nicht am Tage. 2 en. X. 30 fah dab Meer von jegligem Geflade ©. 2 2.2 2 . 206 XL. Du famf zu fpät, trot deiner Goheit Slanz . . . . . . 208 XI. Das ſchönſte Lieb warb nie gefangen . 206
RI. D, eile nicht fo ſchuele... nn . .. 206 RIV. Leb wohl, leb wohl! auf Wiederſehn. 207 XV. I muß es dir nicht laut erſt fagen 2 2 02 002. 807
xvı Inpalt,
Seite AVL. Die ein Ruf von einem andern Eee. 2 2.2.2 2 +. 200 XV. Du fagft, ein Jahr if bald dahin . . .. 2... 2.209 xvm. 3% firebe nach Ruhm, um dich zu Hängen . 2... ... . 910 XIX. 34 Roler Mann! feit Jahr und Jahren. . . . a0 xx. Dunkle Mugen. 2 220. : B 2 as XXI. Geh Hin, geh Hin! Mein frommſter Sen 210 XKIL. Melde Ripgunft Hat zur Plage au XXI, Bie die Dlume ſig verfglichet 26 XKXIV. Zwiſchen iprer fillen Gafle . - ! 2-00. = vn. 2b XXV. Das Blatt der Blume muß berwehn . . . 2. a8 XXVI. Wie laqt der Tag, ber fie entführt 27 AXVIL Die Sonne ft 2 aub xxvm. Ic ſahls, daß mir im Herzen Abend were . . 2... - as XXIX. Du fragft, warum verfenft ii Shtoeigen ao XXX. 3 fhäme mich vor euch, iht Genfer... . . - a» XXxXI. Und denP ich jett daran. 2 2 2 2 220. - 22.0 XAXIL. Gep bu zurud in deinen Frieden . 2 2. . - . . 2u1 a Zeitloſen.
1. Erzahlende Gedichte. Dad Marchennn. * ven Mb voranus ꝛus Der alte Reiterdmann . 2 2 200 ns
Gabriel von Salus Rdnigin Elifabets. 1 Malte Ralih oe: m 2 Die DD Beta 2u Die Griedendtaube. . 2 2 ne 13 Heren Rannwelis Bohe oe m
Inhalt. xvu
IM. Symphonien.
Seite 1. Lieblich verwehet .... . . .. . . . . . . .. 2600 2 STE. Pe "7; 3. Wie ich dich licher 267
m.
Unwort nn derald darfager 22 Un eine aranke. vorwurf 2* oruß..... .. ..* Men B Sqhweigen 22. Pre — Paar EEE BE EEE EEE
D, zieh mich nicht jo mägtig an E.V Borwuf . . —
Beagment. me... Grlofgenes it. . 0.0. won. me...
Frügling des aranten Ratfarine onen . . An das Alterr* Die Regentropfen . 2...» Berlemmung ·. .. .... Frage und antwort . ... Bätterliäpen ......
nathſel. ... .. . . . .. . . . .43.4 204 Gmb een 206 Morig Hartmann, Bate |. u
xvm Inhalt. Seite Serbſt. .. .. ln. 296 Sqhwarze Rh ee —— 206
Die legte doftnung2262607 Sprüge und Stammbugblätter . 2222 200m. 208
Un eudwig Ban non so2 IV. Der Camao. 1. Ir da, Dom Aust D, haltetan . 200 none. sos 2 Run fipen fie am Elfen dort... . . . .. .. . 306 a. Im Spanien ſtarb die Sitte auu ven. 808 4 Bahr fortlfahe fol. 0 oe sı@ 5. Bahe ſorti fans fortl 22020. een sıe 6“ Dom Luis, mit deinem Dihterblid . © 2 2 2 2.2.20 0 > 817 7. Und wie Dieb ſprach ber Greis, da brah . . 2. . 2.820 v. geimtehr und Flut. Heimkehr. 1. Diefeb Bäglein IR die Mare... 222.0. ee RR 8. Anders lispeln Hier die Öalne . 2 2222 un. ses 5. Durqh dunkle Wälder ging Äh. ©... + > - rn sn. 4 Traurig iſt ed, fo zu fgleigen . . . . . en BR 5. 34 kam vorbei auf nähtigen Wegen 2 2 2 22200. ss 6 Die Flöte fang, die Geige Hang. . 2 2 2 2.» 7 Im der Heimat. 1. Im Sqinmer des Morgentgauß . . 2 00 20. 2 Und alfo ſaß ih eine Bade 2 ..... 3. Das find die alten Bilder mob. . 2... 4. 36 Hörte ober las in einem Bude. 2 22.2 0» . . . . ab0 5. Kehrſt du juruc nach Sehe und Vanderjahren . .... 884 Die dlugt
und als der Verrath mic augelttert . . . . 2. D Morgen, Trdfler, geubre mit 2.2 2 >» 3. es tamen gufammen auf einem Wege . . -
4. Herbfteßregen,, weine, weine . . + + . 6. Beim Dieb des Freundes pohtihan. . . 2 20 0. > 6. Umbülle mic mit deinen dichten Gälelem . . . . . . . . 888 So geht zu daus — was gibt RU . 2...
VL Aus dem Süden. An 1 11 Bee 7? ft . . . 226 40
7.
Wendgang. . - - Borgen am Strande Ract nach dem Sturme . . . . Merle. ee Im der Sifgerütte. . . »
Men Un dab Leben . 2... .. mb: Ein Tropfen des Meeres . Srovenzalife,
1. Reinem Popen Kann ich fünden . . . 2. Anofab, am nachten reitag Morgen
3. Dimitel, HR du Bei Sinnen . . . » 4. ind eb Rofen, finb eB rothe Bläthen
6. Einen Wolf hab’ ich im Wald gefangen . 6. Hoher Berg und tiefes al ©... . - 7. Schönes Mädgen opne Gelb 8% 9
Bei Siliſiria ſieht ein Brunnen
. Ram ein Kaſten angefctoommen . . .. 10. Die gebrochne Bine ht . 2 2.2.2.2: - u. Ueber dad Gebirge tam bie Pe . . 12. 3% Hab’ in eine Blume geffaut . . . . - 18, Re hab’ ich früßer Leib empfunden . . WW 14. Ein Sqhadel bleichet im Sonnenbrand 2. 2 2 22.002... 308
16. 34 fleife mein Mefler . 2 2.2 2.» .. ss Wretonifhe Volkslieder.
Berlin Bundertfäter 222020. Parar Paare soo
Big und aAbalard............
dodanna die Flanme.. Die Pate du Guerelins...... Der Swan een
xx Inhalt.
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AppabetifgesWerseigniß ver infangbworte ver @ebigte de
Keld und Schwert.
(1845. 1847. 1851.)
Morig Hartmann, Werte. 1. “ 1
Der ich fomm’ aus dem Quffitenlande, Glaube, bap ich Gottes Blut genoffen,
iebe fÜHP id) in mein Gerz gegoffen,
Med” in Gottes Blut — mein Hery fein Keld.
Der id} omm’ au dem Quffitenlande, Glaube an die fleifägelworbnen Worte, Dah Gebanten werben zur Roporte
Und jebioebeß Lieb ein eilig Shwert,
Innere Stimmen,
Bern nicht eroig Heilig Bleibt,
Bad er einmal fat geliebt,
Siehe, beffen Sein zerflieht
Blei dem Sande, der im Winde treibt.
Zubel,
Leb' ich in dir? — mein Sinn verfinkt, Natur, ein freud’ger Becher,
Ein Elftind, das den Thaumwein trinkt, In deinem Blumenbecher?
Lebſt du in mir? — die Lilie,
Die aus den Meerestiefen
Des Herzens taucht zur ſonn gen Höh, Wo Lieb’ und Geift fie riefen?
Ich lebe nun ein raſches Sein Bon Innen · und von Außen: Ein freier Feld im Sonnenſchein, Im Herzen Quellenbraufen.
Kelch und Schwert.
Vorbedeutung. As ich im Lenz die erſte Schwalb' erblidt: Gleich Ihr die Kunde bracht' ih, Tuftentzüdt. Sie aber fprah: Des Frühlings grünes Bud Enthält in jevem Bug prophet’ihen Spruch. So fagt die Schwalbe dir, die einfam war, Daß du allein noch bleibft auch diefes Jahr. Allein! Allein! Das ift das trübe Wort, Das mir am Herzen naget fort und fort, Das ift der alte, winterlalte Bann, In dem die Liebe nicht gedeihen Tann. Die traurig iſt's, wenn Alles fingt und fproßt, Sic felbft verzehren in dem alten Roft!
Bor fi) des Jahres grüne Pfade fehn Und fie allein mit vollem Herzen gehn! —
Doch beſſer ift der prophezeite Schmerz, Der mit dem Frühling einzieht in das Herz, ALS eines Kummer? unverhofftes Gift,
Das unverföhnt zu Tod die Seele trifft.
So grüß’ ich dich, du heil ge Einfamteit, Du bift das trübfte nicht von allem Leid.
Nachtigallenſchlag. Gehült in tiefe Finſterniß Ruht Feld und Wald und Garten, Vergebens feinen Blum’ und Baum Auf Mondestuß zu warten.
Innere Stimmen.
Unfihtbar fält der Thau herab — Glanzlofe Reuezähren,
Die fie ein ſchuldvoll Menfchenherz Für langes Leiden nähren.
Am Himmel ftehen unbewegt Gewitterſchwere Maſſen, — Gedanken, bie von Lieb’ und Luft Rein Herz durchdringen laſſen.
Da tönt vom nahen Hain zu mir Ein wundervolles Tönen — Vergeſſen Blume, Wolk' und Baum Und unfihtbare Thränen.
Es war im Hain die Nadtigall,
Die ih in Liedern wiegte
Und allen ſchweren Traum der Naht Durch ihren Alang befiegte.
Und mie fie klagte dur die Nacht Die feligen Minuten,
War mir's, ob Reu' und Schmerz in mir Und allen Herzen rubten.
So, ald das Nachtigallenlied,
Dein Leben, zu mir tönte
Und meine Nacht und meinen Schmerz Mit Einem Klang verföhnte!
Nun wurden Wochen, Monde fhon Die feligen Minuten,
Seit mir im Herzen Reu' und Schmerz Im Zauberfchlafe ruhten.
O, daß fie nicht verflängen ſchnell, Die holden Liebezliever !
O, Ming in Liebe fort, mein Herz! Sonft wir es dunkel wieder;
Kelch und Schwert.
Gedanten kehrten wieder bald, Die wie die Wollen wären, Und ungeliebte Blumen gab's Und unfihtbare Zähren.
sed in der Hadif. Eind’3 Leiden, find’3 Freuden, Was in mir erwacht? Du haft es gewedet, Du follft es entſcheiden, O herrliche Nacht! Ber kann es beſtimmen, Was Herzen bewegt! Die Leiden, bie Freuden, Wie leicht fie verſchwimmen, Das weiß, wer fie trägt. Das frommt e3, zu laufen Der Nachtigall fpät 5 Und den Bäumen, bie raufchen; Sind's Leiden, find’ Freuden, Ira Alag', ift'3 Gebet? So ftimmet almählig Die Seele mit ein In Leiden und Freuden, Sept traurig, jept felig, Jetzt Beides zu fein. Du ſchaffendes Wefen, Dir fei es vermadt, Du Zauber der Träume, Das Räthfel zu Iöfen. Wohlan, gute Nacht!
Innere Stimmen.
Seit fie geſlerben.
Seit ſie geſtorben, iſt mir Eins gewiß: Daß es ein Ewiges muß geben;
Denn über meines Herzens Riß
Fahl ich ein ew ges Leiden ſchweben, Seit ſie geſtorben.
Seit fie geſtorben, bin ich ſtolz und kühn: — Ich weiß ed nun, maß Herzen tragen;
Was find mir fürder ale Mühn?
Was gibt es ferner noch zu wagen,
Seit fie geftorben?
Seit fie geftorben, lebt im Herzen mir Ein Bild der heiligften Verklärung, Bin id) ein Baum, den für und für Die Heil'ge ſchutzet vor Zerftörung, Seit fie geftorben.
Seit fie geftorben, ift ein fefter Wall Bon Einfamteit um mich gezogen: Vergebens ift der Ueberfall
Der Freuden, die mich rings ummogen, Seit fie geftorben.
Seit fie geftorben, hat die tieffte Ruh
Sich heimifch in mein Herz geſenket,
Die Seele ſchließt die Augen zu
Und ahnt und träumt mehr, als fie denlet, Seit fie geftorben.
aelch und Schwert.
Aäctliher Ritt.
Ich reite einfam durch die Nacht, Mein Roß felbft ſcheint zu fühlen Des Mondes heil’ge Weihemacht Und fih im Thau zu fühlen.
Der feuchte Nebel fteigt im Thal: Das find der Erde Thränen,
Die traumhaft mit dem Himmelgftrahl Sic) zu vereinen fehnen.
Und friedvoll Alles, was da fprießt Im ftillen Pflanzenleben ;
Die Welle, die um Blumen fließt, Kann nur in Liebe beben.
Mir aber zeigt der Mondenſchein Ein Ziel, nad dem ich trabe, Es ift der weiße Leichenftein Auf einem Mädchengrabe,
D, daß es immer bin mid) zieht Nah einem Kirchhoffrieden,
Und daß mic; mahnt jedwedes Lied Ans Glüd, das längft gefchieden !
Daß man's nicht wieder faffen kann, Das einmal Freuden brachte!
Und daß man nimmer laſſen fann, Bas einmal elend machte!
Der erften Liebe Mondenlicht Rann feine Macht vernidten; Es blict ihr weinend Kindgeficht Durch Leben und dur Dichten.
Innere Stimmen.
Glüdfelig Jener, deſſen Herz Verlor kein erftes Lieben,
Und dreimal felig, wer im Schmerz Sich felbft getreu geblieben.
Mein Röflein, trabe immer zu! Ich werde nie gefunden:
Die Liebe läßt mir nimmer Ruh Mit immer neuen Wunden.
An Üherefe. . 1.
Uns trennen keine Fernen, keine Meere,
Und keine Laften eines harten Spruchs —
Uns trennt daS Leben mit der ganzen Schwere Des hergebrachten, alten, ſchalen Fluchs.
So bleibe du in deines Haufes Kreifen,
In feiner frommen Stile ſchlummre bu!
Ich will die Welt tometenhaft durchkreiſen
Und fliehn und kommen, ohne Raft und Ruh, Du bift das Gold, das zwiſchen Felſenriffen Ausfpendet dur die Nacht fein mildes Licht; Ich bin das Eifen, das, zum Dolch gefchliffen, Ins Feindesherz auf feiner Irrfahrt bricht.
So lebe wohl! Ich fehe bald dich wieder!
D, daß ber Trennung Weh ih fühlen muß, Daß mir im Herzen Mingen Scheidelieder
Bei jedem Wiederfehn und feinem Kuß! Enträthfelt ift mir nun die alte Alage
Vom tiefften Weh im höchſten Liebesglüd:
Du gabft mir golone, glüdburchftrahlte Tage — Run fie entflohn, bleibt Nacht und Schmerz zurüd.
10
Kelch und Schwert.
2.
Ich liebe did, und Das ift Alles,
Was dir mein Herz geftehen kann.
Ich rede kurz, — ich bin ein Mann,
Was braucht es auch des Tängern Schalles! Und noch zu viel — o, könnt’ ich ſchweigen Und mich verfchließen fort und fort
Und dir aus feinem einz'gen Wort
Das Innre meines Herzens zeigen.
Wild ift der Sturm und wild mein Leben Und trüber, als e8 ahnt dein Herz;
Ad, groß genug ift [don dein Schmerz, Was ſollſt du noch für Andre beben?
So rubefhön wie eine Hütte
Iſt felbft im Leid dein Herz zu fehn.
Es foll auflodernd nicht vergehn
In meiner Liebe Flammenmitte.
Und nie verzieh' ich’3 meinem Herzen, Wär’ ichs, der frech heraufbeſchwört
Den Geift, der did unwürdig ftört
In deinen großen heiligen Schmerzen.
Wiederſehen.
Ich ſehe dich wieder So fhön als je, Nah Jahren wieder Mit gleichem Web. Die Wange bleiher Bon Leidens Haud; Dein Herz ift weicher Und meines aud.
Innere Stimmen. 11
Dieß Aug, das wilde Gebrannt in Gluth: Wie Sterne milde Es glanzt und ruht.
Der Mai verſchwunden, Des Lebens Mai;
Doch feine Wunden Sind auch vorbei.
Was wild geſchieden, Kommt ftil zurüd Mit Ruh und Frieden Als fanftres Glüd.
Wohl ift es bleicher, Wie dein Geſicht, Doch labungsreicher, Wie Abendlicht.
Ich hab' dich wieder So ſchön als je — Nach Jahren wieder Mit ſanftrem Weh.
An die VDodte.
Ich möchte bitter weinen,
Daß du geftorben bift;
Und doch will es mir feinen, Daß e3 fo befler iſt.
Es wär’ dein fhöner Glaube Berfallen in der Welt, Gleichwie im Herbft zu Staube Des Frühlings Rofe fällt.
12
Kelch und Schwert.
Dich hätte jeder Kummer
Leicht wie ein Rohr gebeugt; Wohl dir in deinem Schlummer, Wo felbft das Träumen ſchweigt!
Bon meinem heißen Lieben, Das nun für eig bein,
Wär’ nur dir übrig blieben
Des Treubruchs Schmerz allein.
Ich möchte bitter weinen, Daß du geftorben bift;
Und doch will e8 mir ſcheinen, Daß e3 fo beffer ift.
Don Ihr.
Fern von Gottes Herzen, Ihrem Heimatland,
Iſt die Seele einfam
In die Welt gebannt.
Ein geheime3 Trauern DWinkt ihr himmelwaärts, Aber fie verftehet
Nicht den eignen Schmerz. Bis das Lied des Himmels, Bis ſich niederfenkt
Liebe — und die Sehnſucht Nah der Heimat Ientt. Liebe ift der Seele,
Was dem Alpenkind
Der verlornen Berge
Ferne Lieder find.
Innere Stimmen.
Darum ift der Seele Einz’ge Rubeftift,
Wenn fie ruht, wo einzig Ihre Heimat ift.
Doppelter Frühling.
So will e8 mir wieder Das Herz zerfprengen Mit Licht und Blüthe Und taufend Gefängen? Den ganzen Himmel Mit Mond und Sonne, Den ganzen Wald
Mit fingender Wonne,
Den raufhenden Strom Mit ſchaumender Welke, Den lachenden Berg
Mit lachelnder Duelle — :
Wie fol fie nur alle Das Herz umfaffen, Die kaum vom Himmel Sic bändigen laſſen?
So will es mir wieder Das Herz zerfprengen Mit Licht und Blüthe Und taufend Gefängen? Zu taufend Gefängen Und Licht und Blüthe Kommt noch ein Drängen In meinem Gemüthe.
13
14
Keld und Schwert.
Zwiefachen Lenz
Die kann ih verfhmerzen? Den Frühling auf Erden, Die Liebe im Herzen?
An die Autter. 1 Ein Abend,
Aus frühfter Kindheit ein Erinnern Iſt mir vor allen andern lieb, Das mir in meinem trüben Innern Gleich einem Sterne bangen blieb.
Die Mutter faß bei fpätem Lite, Das kranfe Schwefterlein im Schooß; Von ihrem blaffen Angefichte Hernieder Thrän’ auf Thräne floß.
Es war ein fummerftilled Weinen — Noch wußt' ich nichts won Niobe,
Doc fühlt’ ih, wie ſich kann verfteinen Ein Mutterherz bei folhem Weh.
Ich ſaß im Winkel tief verborgen Und fah fie an beim Lampenfchein Und fühlte Neid um all die Sorgen Der Mutter für mein Schmwefterlein.
So wollt’ id ruhn in ihrem Schooße, Beftrahlt von ihrem naffen Aug — Die Mutterlieb’, die heil’ge, große, Empfinden in des Seufzers Hauch.
Innere Stimmen,
Mein Schwefterlein war bald genefen, Und mit mir ward der Glaube groß, Daß ihr wie Balfam fei geweſen
Der Thränen Thau, der für fie floß. Des Knaben Wunfh und Glaube — beide, Sie haben fpäter fich bewährt:
Ich hab’ mit mandem tiefen Leide Der Mutter Herz für mich genährt. Und je mehr Thränen ba gefloffen, So liebevoller ſchlug ihr Herz;
Und Linderung bat fie gegoſſen, Genefung in fo manden Schmerz.
2 Nach der Krankheit der Mutter.
Krank warft du, krank! — Und fiegergroß Stand ſchon der Tod an deinem Bette, Indeß im warmen Lebensſchooß
Ich mich gewiegt an ferner Stätte.
Ich ſchwelgte in der Sternenpradt, Die heilungsvoll mein Herz durchzüdte: Es war diefelbe Mitternacht,
Die did mit Leiden faft erbrüdte,
O, nimmermehr vergeb’ ich's mir,
Daß ich in Ahnung nicht erkrankte
Und daß ich nicht dem Tod mit bir, Wenn aud) entfernt, entgegen ſchwankte. Und Sünde fcheint mir, daß ich nicht Mit dir geduldet in der Ferne
Und daß mir nicht wie Grabeslicht Geleuchtet damals alle Sterne.
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16
Reid und Schwert.
Und daß es mir nicht vorwurfsvoll Herabgeweht von Buſch und Bäumen, Auf daß id weinen, weinen fol — Daß ich nicht ftarb in hundert Träumen. Nicht eher ift die,.Schuld gefühnt,
Bis daß ich lieg’ in deinen Armen,
Bis daß ich wieder unverbient
Am Mutterherzen darf erwarmen.
3 Der Ring.
Den gab zum Angebenten
Die Mutter, ald wir ſchieden; Ich tonnt nur Thränen fchenten, Und fie, fie war zufrieden. Aubin, der mild und dunfel Sein blutend Licht verglühet, Iſt von Demantgefuntel Rechts fo wie links umfprühet. Du gleichſt dem Mutterherzen, Rubin, das bangt und blutet, Indeß die Welt mit Scherzen Und Glanz ihr Kind umfluthet. Und als fie ihn gegeben,
Bon Thränen unterbrochen, Mit Herz⸗ und Lippenbeben Hat fie zu mir geſprochen: „Den Ring — am Sterbebette Gab mir ſchon im Erblaſſen Die Mutter, und ic) hätte Ihn nit von mir gelaflen,
Innere Stimmen,
Wär’ nicht ein jedes Scheiben Aus meines Kindes Nähe
Ein neues Sterbeleiden,
Ein neues Grabeswehe.
„Drum höre auch die Worte,
Die ich von ihr empfangen:
Stets bleibt am felben Orte,
Wer lieben fortgegangen.
„Der ſchwachſte von den Ringen Iſt der, die dich umwinden,
Und kann mit Macht nicht zwingen Und mit Gewalt nicht binden; „Denn ift die Kraft entſchwunden, Daß er nicht hält gemeinfam, Dann ift nur Eins gebunden, Gebunden und doch einfam.
„Du haft nicht meinem Herzen,
D Sohn! dieß Loos beſchieden —“ Seitdem gab ich ihr Schmerzen, Und fie — fie war zufrieven.
4 Eine Erinnerung.
Mond, der ftile Wandersmann, Sah durch trübe Augenlider; Einer, ver nicht ſchlafen kann, Blidt fo in die Gaffen nieder. Eine lebensloſe Nacht
Ohne Ruh und opne Regung, Eine gottvergepne Nacht
Ohne liebende Bewegung.
WRorig Hartmann, Werke. 1.
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Reld und Schwert.
Aber milder war’ in mir;
Denn ein Kind aus ferner Weite Durch das nachtige Revier
Fuhr ih an der Mutter Seite, Abſeits und vom Wege lag
Einfam eine alte Mühle,
Mitten durd den nächt'gen Hag Zog ihr faufendes Gewuhle.
Durch den Larm von Bad) und Rad Drang das Weinen eines Kindes, So, wenn Sommers Tod fi naht, Zönt der Schrei des Stoppelwindes.
Halten ließ die Mutter ſchnell, Sah zum Mühlenhaus Hinüber: „Iſt in Nacht ſolch Fenſter hell — Iſt ein Herz hier um fo trüber.“ Und fie ſah mit trübem Sinn, Zange, lange, ohn' Ermatten, Die am Fenfter ber und hin Wiegend, fingend lief ein Schatten. Schweigend blidte fie empor
Nach dem regen Schatten immer, Heimiſch waren ihrem Ohr Mutterlied und Kindsgewimmer. Bis das Kindlein ruhig ward, Lied und Weinen ftiller waren, Ließ fie erft zur weitern Fahrt Unfern alten Karren fahren.
Und ich fragte: „Mutter, fag, Warum in der Nacht, der kalten, Ließeſt nach durchreistem Tag
Du fo lang die Pferde halten ?"
Innere Stimmen. 19
Und fie ſprach: „Ronnt’ id) worbei
An mir fo befannten Schmerzen? Solches Lied und ſolch Gefchrei Kennen alle Mutterherzen.
„Aus todtkrankem Herzen dringt Diefed Schreien, will mir feinen; Und die Mutter, die da fingt,
Möchte lieber weinen, weinen!
„Mit ihr, der's an Troft gebricht, Mupr ic hier im Dunklen trauern; Ad, mein Kind, du weißt noch nicht, Wie lang ſolche Nächte dauern.”
Aus den Wolten hat geblidt
Jetzt der Mond mit mildem Scheinen,
Sah, wie ih mich feft gebrüdt ”
An ihr Herz, um fill zu meinen,
Der Hame,
Des theuern Namen Lettern ſchnitt ich In unfers Waldes fhönften Baum, Dann thränbenegten Auges fchritt ich Aus meinem liebdurchfeelten Raum.
Ein dumpfes, Hagend Rauſchen ſchicte Der Tiefverwundete mir nad,
Und als ich wieder rüdwärt3 blidte, Durchfuhr mein Herz ein ſchweres Ad. Denn große Thränen rollten nieder Aus feiner Wund', dem Namenszug — Es weinte, der bis jegt nur Lieber Und Hangummehte Blüthen trug.
20
Reid und Schwert.
Ich wollte dir das Schönfte geben, Das ich vom Dafein noch erkannt, Und babe in dein Blüthenleben
Mit Einem Wort den Schmerz gebannt.
Ich kann dein Schidfal nad dem meinen Dir, armer Baum! nun prophejein:
Du wirft mit jevem Frühling weinen Und did am Herbfte nur erfreun.
Die Heimat. Die vermorfchte Hütte meines Vaters Und die Zelle unfers frommen Paters Und im ganzen Dorf jedwede Hütte, Mit den ſchwanken Kreuzen in der Mitte; Das uralte Schloß, dep Fähnlein ſchrillen Kreifhend nach des Wind s Despoten Willen, Mit der alten Uhr, im ew'gen Schlummer, Deren Zeiger ftet3 nad Einer Nummer, Täglich einmal doch die rechte, deutet Und nicht fort von der verblaßten ſchreitet, Ob er mahnend gäbe ernfte Kunde, Die Jedwedem kommt, der Lebensftunde — Und daß jeve glüh’nd in Lieb’ und Haſſe In der Zeit verftumme und verblafle —: Vaters Haus, und Dorf und Schloß und Belle Stehen alle auf geweihter Stelle! — Und die Blume, die die Schwefter pflüdt, Die zum Tanz die braunen Loden fhmüdt, Ihre Ahnfrau mußt’ mit Wittwwenzähren, Statt mit Thaue, ihre Blüthen nähren —: Denn ein Kirchhof war vor hundert Jahren, Wo fi) unſers Dorfes Hütten ſchaaren.
Innere Stimmen.
Darum, als ich mich des Lebens Welle Gab dahin und überfhritt die Schwelle, Die einmal ein Leichenftein gewefen, Mußt' ich nicht erft Weltgeſchichten leſen, Zu erforfchen al der Dinge Weſen; Und als ich dahinſchritt an dem Stabe, Den vom Grabesbaum geraubt ich habe, Nief ich felbft mir zu des Troftes Labe:
Menſch, du bift entleimt gemweihtem Boden;
Mag dic immerhin dein Echidfal tragen,
Blübft doc fort, ummeht vom Kirchhof⸗Odem —
Nur in Herzen mußt du Wurzel lagen.
Fin Sie.
Ein einzig Lied nur möcht’ ich fingen, Darin mein ganzes Fühlen rubt; Darein mein ganzes Leben zwingen, Dann wäre Alles, Alles gut.
Dann wäre doch das Wort gefunden, Der Zauber wäre dann erfpäht,
Der alle Wunden macht gefunden Und friedvoll um die Seele weht.
So daunkt nur ein zerbrochner Becher Das Lied mir, das ich fang biß jept; Ich fehlürfe draus, ein durft'ger Becher, Vergebens, was die Seele letzt.
Natur ! ich ftand an deiner Pforte:
Sie that fih auf — wenn id gewacht — &o gib mir nun das Wort der Worte, Daß ich e3 rufe durch die Nacht.
21
22
Kelch und Schwert.
Ich habe, Liebe! dir geblutet, Vertrau mir der Erlenntniß Wort, Das tief in mir verborgen fluthet Und das mich dränget fort und fort.
Was kann denn mehr, ein Lied zu fingen, Die arme Dichterfeele thun ?
Als felber fih zum Opfer bringen
Und immer liebend nimmer ruhn?
Ich leide, big ich audgelitten,
Ich liebe, bis ich außgelebt,
Dann kommt die Beit wohl — da inmitten Bon Lieb’ und Schmerz ein Lied entſchwebt.
Völkerſtimmen.
Deuffche Freiheitslieder.
Bas fol das ew'ge Streiten nach Außen und nad Innen? Eins haben wir verloren, Eins gilt es zu gewinnen: Verloren ift das alte, das angeftammte Recht;
Es ift nur zu gewinnen im männlichften Gefecht.
Was foll das ew'ge Singen, darob fein Zürft erröthet? hr habt mit allen Liedern noch feinen Traum getöbtet, Ihr habt wie Kinverleihen die Klagen bingeftreut,
Es bat drob feine Herrſchgier am Weg zurüdgefceut.
Wohl dringt dein Lied, o Deutfcher! aus tieffter Herzenslammer; Gin Fürftenherz zu fprengen, iſt's nicht der rechte Hammer. Wohl iſt's ein heil'ges Feuer, das dich zu fingen drängt,
Doch an gefalbten Häuptern hat's noch fein Haar verfengt.
Du wirft mit fhönen Worten lang feine Thaten fäen, Du, reich an lahmen Führern, dod dürftig an Tyrtäen! So klingt dein Lied nach Freiheit als wie ein Liebesbrief Nach einem geilen Weibe, das deinem Arm entlief.
Du wußteſt nicht die Freiheit Acht männlich feſt zu halten, Bei Worten nur und Worten mußt’ ihre Lieb’ ertalten; Das glühndfte Weib erkaltet, wo nichts als Liebesſchwur, Du mußt es heiß umfaſſen, und es nicht lieben nur.
24 Rei und Schwert.
Gin Freiheitslied mag Klingen zum Sturze von Baftillen, Als Requiedcat ſchließ' e8 des Zwingherrn Iepten Willen
In Nähten, wie die Nacht war vor Grochow trüb und ftill, Die ftürmifh wie die Nacht war, als fang Rouget de Lisle.
Nach ausgelämpften Schlachten, nur unter Friedenspalmen Tont wohl ein ädhtes Schladhtlied und ftimmen Freiheitspfalmen ; Doc an den Strömen Babels läßt man das Liedern fein, — Die Harfen an die Beiden, — da blas der Sturm barein!
Deutſche Monumente.
Nach allen Strichen, im Oſten und Weſten,
Zn Thalern und Wäldern, auf Bergesfeſten, Erhebt ſich der Mäler eherne Pracht.
Da fieht man in künftlihem Leben prangen,
Die Feſſeln fprengten, den Flammberg ſchwangen; Die Gott und Liebe und Freiheit befangen, Erftehn aus drohnder Vergeffenheit Nacht.
Was ſchaarſt du um dich, o Deutfcher! die Todten, Die dir des Lebens Früchte geboten,
Des Wiſſens, der Liebe, der Freiheit Frucht?
Und die du verfhmäht, weil fie Pfaffen verſchmähten, Und die du zertratft, meil dein Herr fie zertreten? Was du am Sodel nun fuchft zu erbeten,
D, bätteft du's in ihrem Leben gefucht!
Was rufft du, o Deutfcher! die Todten ins Leben? Du fannft ihnen nod nicht das Herrliche geben, Wofür fie geblutet, gefämpft ohne Raft — Gleichwie die Aegypter beim feftlihen Mahle Erwedten die Geifter mit vollem Pofale,
Auf daß fie mit ihnen der Freuden Schale
Noch einmal leeren beim Weihetoaft.
Bölterfiimmen. 25
O, anders muß ich und trauriger deuten Dieb Geifterbannen vergangener Zeiten, Und ad! wie fheinet die Deutung mir wahr: Als Hellas auf üppigem Gterbebette,
Als Roma lag an Tyrannentette,
Da erit an mander altheiligen Stätte Erhoben ih Bogen und Säul’ und Altar.
Erinnerungäzeiten find Zeiten der Schwäde: Das Shilf im Strombett verfiderter Bäche Aefft nad) die Welle, die einſtens hier fprang; Der Wüfte gedenket der Löwe im Bauer,
Der Aar verlafiener Hochlandsſchauer,
Und $reiheit durchwehte das Lied der Trauer, Das an den Strömen Babel erllang.
D, laß did nicht dur ein Standbild bethören, Mein großes Volt! und lerne befhmören
Mit todten Helden die todte Araft!
Manch ehrnes Werk haft zu baun du begonnen, Umftraplt von des Geiftes weitleuchtenden Sonnen, Und wieber ift es in Nebel zerronnen,
Bom ewigen Erbfeind dahingeraft.
Ein Sodel war's, den du anfingft zu bauen
Mit Männerblut und dem Schmude der Frauen, Das achtzehnhundert und breizehnte Jahr — Wo bleibt der Gott, den du blutig gerochen, Und den fie hinanzuftellen verfprohen? —
Sie haben wie Scherben ihr Wort gebrochen, Weil's nur ein Kaifers und Fürftenwort war.
Und drei Jahrhunderte kaum find verflofien,
Da hat dem Geifte ein Denkmal gegofien ‚ Der Mann, der die Nacht und die Kutte zerriß — Zu Wittenberg, von den Säulen getragen,
26
Keld und Sawert.
Sieht er um die Welt ſich geifernd ſchlagen
Die Schlange und giftig fein Werk benagen,
Die kraftlos ihn in die Ferſe biß.
So fteht auch, der Flügel gegeben dem Worte,
Der aufgethan die verſchloſſene Pforte
Und Waffen vertheilt an jeglihen Herd —
Darf „Freiheit” das laufende Ohr ihm ummettern‘, Und hört er die Stimme von Deutſchlands Errettern? Nein! Nein! er fieht fie nur ftürgend zerfchmettern Und fterbend verbannt auf fränkifcher Erd’!
Du haft dir nur felbft deinen Grabftein gegeben,
O Deutfeland! fo lange noch, fremd deinem Leben, In deine Schwächen die Helven fehn;
So lang ein Bertreter vertritt deutſche Throne,
So lang noch die Anute droht Hermanns Sohne, So lang noch die Hleingeaugten Spione
Durch deine Paläfte und Hütten fpähn.
* * *
Doc mögen fie ftehn und prangen und glänzen Durch ſchwanlende Herzen und Deutſchland bekränzen, Als wie ein erhabener Kranz von Erz.
Nach Einem Gebilde vor andern allen
Sol hoffend das fuhende Auge wallen —
Vor Einem fol laut in Liedern ſchallen
Ein leuchtender Geift, ein redliches Herz.
’3 ift Armins Säule! — So hebe die Rechte,
O Deutſchland, und ſchwinge das Schwert, dad Achte, Und werde ein Held aus Einem Guß!
Im heimifhen Wald laß hallen vom Schilde
Ein Freiheitslied durch Europa's Gefilde,
Zertritt die eingeniftete Gilde, Die römifhe Geier Arminius!
Volterſtimmen.
Die Zwei. Bon Allen, die aus Habsburg Beherrſchten deutſches Land, Hat ſich mein Herz mit Liebe Nur Zweien zugewandt.
Die Andern mag verehren, Dem Nacht und Dunkel werth, Wer Papſt und Jefuiten
Und Pfaffenränte ehrt.
Die Andern mag da lieben, Wer ſich nicht felber liebt
Und Gott und Geift und Freiheit Als Zoll und Steuer gibt;
Ber gern durd Wüſten wandert Und fi am Sand ergögt,
Den keine Blume fhmiüdet, Rein Quell, fein Thau benept;
Der gern auf Sümpfen raftet, Vom Irrwiſchtanz umglüht, Wer gern auf Seeen ſchiffet Bei Froſch⸗ und Unkenlied;
Wer an verdorrten Waldern,
An ſtarren Bilderreihn,
An nacht ger Gruft ſich freuet, Mag ihnen Weihrauch ſtreun.
Die Zweie ſind Daſen
Im öden Wüftenfand;
Eie find des tobten Meeres Korallen» Infelland.
27
28
Reid und Schwert,
Sie find die Katarakte, Do ein verfumpfter Fluß Noch Regenbogen fpannen Und Perlen ftäuben muß. Sie find, was nad} der Lichtung Ein feltner Lerchengaſt, Sie find der tobten Eiche Einfamer Blüthenaft,
Sie fielen in die Arme
Der liebevurft'gen Welt Aus todten Steinesmaffen, Bon Gott und Lieb’ erhellt.
Der Eine war die Sonne Der neuerwachten Zeit; Das Abendroth der Andre Vor neuer Duntelbeit,
Der Eine war der Kämpe
Für deutſche Ehr' und Kraft; Ein Schwert, durch Nächte bligend, Ein ſchimmernder Sanzenfchaft, Ex, war der deutſchen Ritter Allegter Scheivegruß,
Ihm flug die Bardenharfe ‚Held Anaftafius,
Der Franke und der Schwabe, Der Bayer und der Sachs: Sie nannten ihn den treuen, Den legten Ritter Mar.
Sein Name lebt in Liedern, Er glänzt wie Sonnenlicht; Das Lied ertönt wie Schwertfälag, Das ihm zu Ruhme fpricht.
Bölterftimmen.
Des Andern Thun und Segen Iſt nicht fürs Lied gemacht; Kein Herold kann's verlünben, Was er in Lieb’ erdacht.
Willſt du ein Lied ihm fingen, So fing ein Frühlingalieb; Sing eines Löwen Leben, Sing, wie ein Reh verſchied.
Doch beſſer ift’3, du geheft Um Mitternacht allein
Und rufft ven Namen Joſeph In Wald und See hinein;
Oder, wenn bu bie Schmerzen Der Welt um dic) vereinft: Du bleibft auf deiner Kammer Und denfeft fein — und weinft.
Fin Hferbebeft.
Das trübfte Sterbelager,
Das die Gedichte fah:
Ein Mann, todtblaß und hager, Liegt auf dem Bette da,
Der Purpur, der's ummehet, Gleicht fehr dem Abendroth; Weil bald bier untergehet Ein Sonnenlicht im Tod. Daß keine Thräne falle
An feiner Lagerftatt?! Vielleiht, weil er fie alle Dereinft getrodnet hat.
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30
Reld und Schwert.
Sein Aug ift gramestrübe Gleich dem ummwöltten Tag, Der nicht mit ganzer Liebe Hervorzugehn vermag. Denn die fein Bett umbegen, Die find die Wolkenmacht, Die feinen Frühlingäfegen Aufhaſcht in ihre Naht
Und die die Blüthen alle, Die leuchtend er beglüdt, Mit ihrem Nebelihwalle, Da's wieder Nacht, erbrüdt. Und wie beim Untergange Die Eule, neubelebt,
Zu nädt'gem Unglüdzfange Den Heroloruf erhebt,
So tönt zu diefer Stunde, Betrübter Zukunft ſchwer,
Die düftre Unglädstunde
Aus allen Ländern ber:
„Die Lerchen, Freiheit fingend, Die du hinausgefandt,
Sie finten, matt fi ſchwingend, Halbtobt aufs öde Land.
„Das Wort, das du verkündet, Verhallt in leerer Luft;
Die Gluth, die du entzündet, Erſtirbt an deiner Gruft.
„Dir danken nicht die Lande, Die du gabft feflelfrei;
Neu fügen ſich die Bande
Der alten Sklaverei."
Völferfimmen. 31
Im trübften Sterbelager,
Das die Geſchicht' erblidt — Der Mann, todtblaß und hager, Spricht alſo, grambebrüdt:
„So bätten die Neronen, Die Menfhengeißeln, recht; Nicht darf an Fürftenthronen Baun Hütten das Geſchlecht.
„Das wär ein Herz von Steine, Das fold ein Dolch nicht trifft, Die Thrän’, die ich nicht weine, Witd innen mir zu Gift.
„Sieht mic in fpäten Tagen Die Welt einft rüdgelehrt, Will ich fie erſt befragen: Ob fie der Freiheit werth?”
Das war Jofeph der Kaifer, Und Das fein Teftament; Nennt andre Fürften weiſer — Da ihr nicht beßre kennt.
Der deuffhe Knecht.
Bin ich nicht ein Knecht der Knechte, Bin id nicht ein arger Schelm?
Warum ſchwingt ein Schwert die Rechte, Warum drüdt mein Haupt ein Helm? Bin ich nicht ein Knecht der Knechte? Weiß ich denn, wofür ich fechte?
32
Kelch und Schwert.
Jüngft im Treffen mit ven Franken Hört ich drüben Ruf und Lied,
Die mir auf die Seele fanten,
Daß e3 num mic ſchraubt und zieht, Daß zu rufen ich begehre:
Freiheit, Vaterland und Ehre!
Und Ein Wort vor allen ſank mir Die ein Funke ind Gemüth,
Und das Wörthen machte krank mir Und erbigte das Geblüt:
Was „le peuple“ mag beveuten, Sinn’ ih nun für alle Zeiten.
Tag und Nacht verfolgt der Traum mic, Daß ich nicht mehr fchlafen kann;
Vieles halte nun für Schaum ih,
Was ich einft als frommer Mann
In den Büchern hab’ gelefen
Und was heilig mir gewefen.
Ob auch meine Kameraden Sind geplagt von folder Qual, Wenn fie ihre Büchfen laden, Denn fie ſchlagt der Korporal, Benn fie ihre Lieber fingen Bon den eingelernten Dingen?
Dort am Feuer feh ich liegen | Einen, der bie Erde ftampft,
Dem im Wind die Haare fliegen, Dem bie ftarre Fauft fih Erampft — Ob id) ihm mein Denten fage?
Ob ich ihn zu fragen wage?
Bölterfimmen. 33
Bei Waterloo.
Verſtummt ift der legte Kanonenmund, Nur leife bebt noch der Erde Grund,
Wie felbft in Freuden die Mutter zagt, Denn große Thaten die Kinder gewagt.
Es war auf dem Felde, wo fiegerfroh So mande Seele gen Himmel floh, Es war auf dem Felde von Waterloo!
Schon ferne leuchtet der Wafjenglanz,
Schon ferne tönt: Heil dir im Siegesfranz! Das letzte Röcheln ift ſchon verhallt;
Es fommen die Tobtenbeftatter bald,
Dann mehr um ein Feld, das ein Leichentuch, Ein blutiges Blatt in der Völfer Bud. — Da fieh! wie in der worberften Reihe fich firedt Ein deutſcher Krieger, von Wunden bevedt, Die Bruft von Schwert und Kugel zerfpellt, Als wollt er offen zeigen der Welt
Sein innerftes Herz, fo unverhüllt,
Was innen für liebendes Leben quillt.
Doch auf ven Wellen, fo heiß und fo roth, Schifft aus die Seele, zieht ein der Tod.
Er fpriht im Sterben, gen Oſten gewandt: „Sieh her in die Wunden, mein deutſches Land! Mit diefem Blute, das treu und Acht,
Beſiegl ich der Brüder beftrittenes Recht;
Da liegt noch mancher Bruder mit mir,
O Deutſchland, er kampfte, er ftarb nur dir.
“Sieh her, o Mutter! und ſprich mir Hohn:
Ich bin ein fremder, ein treulofer Sohn!“
Er finket mit gebrochenem Blid, Mit ſtummem Mund zu den Tobten zurüd;
Worig Hartmann, Werte, 1. 3
34
Reid und Schwert.
Er foplägt kein Kreuz wie ein frommer Chrift, Weil jener Krieger ein Jude ift.
Du theurer Held! o ſchlummre gut!
Wohl haft du befiegelt mit deinem Blut Des vielverfprochnen Kontraftes Blatt; Doch leer ift’3 geblieben und öb und glatt.
Denn id ein König wär’! Wenn ic) ein König wär’, Das wär’ ein Singen und ein Freuen Durd meine Länder weit und breit: Die alte Zeit fol!’ fi erneuen, Die gute töniglofe Zeit, Wenn ic) ein König wär.
Der Adler bleibt im Wappenſchilde, Doch eine Lerche ſchmũdt es aud; ‚Der Eichenſtamm gehört zum Bilde, Doc fanft bevedt vom Rofenftraud, Denn ich ein König wär”.
So foll es auf der Hofburg glänzen, Doch keine Schildwach geht davor; Kein Mauerwall foll fie umgrängen,
Stets offen ftehen Thür und Thor, Wenn ic ein König wär.
Die Hofburg fteht, wo alle Bahnen Des Königreih8 zufammengehn: Wegweiſer find dreifarb'ge Fahnen, Die luftig von den Binnen wehn, Wenn id ein König wär",
Vollerſtimmen.
In weiter Burg wird mir nicht bange, Ich wohne wohl zu Bmeien drin: Gewählt, gefreit hab’ ich ſchon Tange Die allerfhönfte Königin,
Wenn id ein König wär”,
Vom Kerker hol’ ic die Minifter,
Ein Dichter wird mein Hofmarſchall, Und Hoflaplane werden Priefter,
Die nicht geflucht dem Sünvenfall, Wenn ich ein König wär”,
Wer weinen fann, wenn Rofen bleiben, Der ſpricht im offnen Felde Recht;
Kein Benfor lebt in meinen Reichen, Sie würden alle Henkersknecht',
Wenn ic ein König wär.
Es fommt der Lenz, der fhönfte König; Die Rofe duftet himmelhoch,
Die Lerche jubelt wundertönig
Und, weil ich herrſche, ſchöner noch, Denn ih ein König wär”,
Da ift die Roſ' ein Flammenzeichen, Der Lerche Lied mein Bote nur,
Auf daß fie fommen aus den Reihen Und ſich verfammeln auf der Flur, Wenn ic) ein König wär”.
Bon Ungefiht zu Angefichte
Steht Volt und König — Du und Du — Der König figet zu Gerichte,
Und Bad und Bäume horchen zu, Denn ic) ein König wär,
Das ift des Königs fhönfte Stunde, Da wird geholfen jeder Noth,
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36
Rey und Schwert.
Da wird geheilet jede Wunbe, Gefegnet bis zum Abenbroth,
Denn ich ein König wär".
Die Krone mad’ ich dann zum Becher Und tein® ihr Heil in eblem Wein, Ein liebberaufohter ſel ger Zecher, Und meine Voller jubeln brein, Wenn id) ein König wär".
Dann fteig' id wohl von meinem Throne Und werf’ das Zepter aus der Hand Und werfe hin die golone Krone
Und rufe „Freiheit“ durch da Sand, Wenn id} ein König wär.
Denn ich ein König war',
Und wär’ id grau, und kam's zum Sterben, Wohl müßt’ ich dem getreuften Staat
Nicht meine Liebe erft wererben
ALS ein erbärmliches Legat,
Wenn ich ein König wär.
Drei Sieder.
Wie lang iſt's her, da fangen fie Lieder, Die deuiſchen Poeten, vom perlenden Wein, Bon Truntenheit glänzten die Augen wieder, Und „Evoe Bacche® fangen fie brein. — Deinliever fangen die feligen Prafier
Und faßen beſcheiden beim Glafe Wafler, Die deutſchen Poeten — wie lang ift’3 her?
Die lang iſts her, da tönten die Haine Nur Liebe, nur felige Liebe zurüd,
Bölterfimmen.
Beim Morgenftrahl, beim Mondenſcheine
Sie fangen und priefen det Liebe Glüd;
Und Liebe ſuchend, gingen verlaffen
Die frommen Pilger auf dden Straßen,
Die deutſchen Poeten — wie lang iſt's her?
Nun fingen fie aus begeifterten Herzen
Der Freiheit entgegen den feurigen Gruß
Und leiden beglüdt ven Kampf und die Schmerzen Und tragen noch Fefleln an Hand und Fuß. — Die lang noch an Freude, an Liebe, an Freiheit, Die lange noch glauben die heilige Dreiheit
Die deutfchen Poeten — wie lange no?
Fied der Verbannten. 1851.
An de Baterlandes theuern Oränzen Schleihen wir umher im Nebelgrauen; AG, wie lachelnd jene Berge fhauen, Sind fie nicht bedeckt von hundert Lenzen? Unfre Augen find, fie find betrogen, Unſre Augen, welche Tpränen trüben: Winter iſt's, wie hüben noch, fo drüben, Unfer Herz nur ift dahin geflogen.
Um bie Berge ftreicht es mit Gefängen Wie die Schwalbe, welche wiederkehret, Um des Haufe Giebel, dran verheeret Ihres einftigen Neftes Trümmer hängen. Vieblich ſchaun die Berge, die wir lieben; Wie ein Schloß mit Söllern und mit Zinten Mögen fie dem Wandersmanne winken, Doc für ung ift dort kein Neft geblieben.
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Kelch und Schwert.
Kehren wir und ab, wenn auch mit Trauern, Irren wir nur weiter durd die Lande;
Leicht ift unfer Schritt, denn.ohne Schande Biehn entgegen wir den Unglücksſchauern.
Und das Heimweh, das euch brüdt, ertöbtet, Sucht fie nicht gebeugt im Straßenftaube: Unſre Heimat ift, wo heil ger Glaube
Je mit Helvenblut den Grund geröthet.
Groß ift unfre Heimat wie die Erde — Ueberall, wo Menfchen Ketten tragen, Werden Herzen uns entgegenfchlagen, Ruhe winkt an jedes Armen Herde.
Werden wir die Wunden künft’ger Zeiten Waſchen noch an unfres Waldes Quellen? Werben wir noch unfrer Väter Schwellen, Ob mit grauen Loden auch, befchreiten?
Wenig hoffet vom vergoßnen Blute, Nichts von allem Leid, daS ung getroffen; Aber Alles, ANes laßt ung hoffen
Bon des Feindes blödem Uebermuthe.
Haft.
An V—o M-i.
Bift du zurüd, mein Freund? — Gib mir. die Hand,
Du fürdterlicfter aller Emifläre !
Was macht Italia, dein Vaterland,
Und Babel:Rom, die biblifhe Hetäre? Seid ihr noch immer liebenswurd'ge Heiden, Die fih in Zingulum und Stola Heiden?
Bölferftimmen.
* Du bift noch ganz erhigt und blaß zugleih — Ich glaub's — es muß wohl in die Oliever fahren, Zu fehn des milven Chronos golones Reich Aufs Neue in den Händen der Barbaren, Die ſchöne Heidin, voll von Liebesbrande, Von Mönchen eingepferht im Bußgewande.
Doch fei getroft! — Barbaren find fo dumm, Und die vom Sfter find es ganz beſonders; Bald macht fie eure Klugheit zahm und ftumm, Ein Zweifel dran, wär’ eines Hypochonders. Die Pfaffen, ja! doch laß uns weiter ſchreiten, Der Zeitgeift ift der Geift nicht aller Zeiten. Das maht Emanuel? — mit feinem Trug Gen Bapft und Kirche ſcheint er fhön zu prablen: Gott leih den Sarden doppelt feinen Schuß, Sein König zählt fi zu den Liberalen!
Das ift ein Segen, den fein Volk verbaute; Glaubt Einem, der Berlin vor Jahren ſchaute.
Den Haß zwar gegen Deſtreich fpielt er gut — Seid auf der Hut! — es beißen Carignane
Die Habburg nicht felbft in der tollſten Wuth. Sie haben alle ja diefelbe Fahne,
Derfelbe Kitt ſchweißt ihre Thron’ und Kronen, Den Habsburgs, Carignang und den Bourbonen,
Das ift die Trias, die euch felig macht
(Und Seelenbeil ift mehr als alle Freiheit):
Der Dolch, das Gift, die Heucelei — es wacht Der Papft, daß nichts verlege diefe Dreiheit.
Er wacht an Gottes Statt — daher wohl kam es, Daß der bis heute fchlief, trog eures Grames.
Du haft gefehn auch Brescia-Numanz ? Der Himmel, den? id mir, mit Mond und Sternen
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Rel und Schwert.
Hangt drüber wie ein Glorien : Martyrkrang; Doch muß das frommfte Herz dort fluchen lernen, Muß felbft, vom Alp der Schuld ſich zu befreien, Der Deutfhe „morte ai Tedeschi® fchreien.
D ich Verräther! — Bin id} ein Lombard?
Der mag verfluchen gutgefinnte Deutſche.
Ich weiß es ja, daß Haynau ein Barftard,
Und daß er undeutſch warb durch Englands Peitſche, Und daß ein Patriot in Süd und Norden
Muß herrlich finden alles deutſche Morden.
Venedig träumt! — Laß uns vorbei daran,
Der Löwe ſchlaft; — nicht mir ziemt's, ihn zu wecken, Ich bin ja Deſtreichs treuer Unterthan
Und will nicht meinen Landesvater ſchreden.
Auch muß id wunſchen, daß im ein’'gen Staate
Den Markt behalten Böhmens Fabrilate.
Und Modena? — Sahſt du auf deiner Fahrt Den frommften Staat, bevöltert von Mätrefien? Der ift von eigenthumlich deutſcher Art
Und glüdlic faft wie unfer deutſches Heffen. Ihm fehlt nur Eins zu feines Gluds Vollendung: Von Preußens Rechtöbefhügern eine Sendung.
Vom faulen Zweige des verfaulten Baums Beichattet, hält Toskana die Siefte;
Es wird nur aus der Wolluft feines Trauma Manchmal geftört durch weißgerddte Gäfte.
Livorno ſchüttelt ſich — doch, wie's ſich ſchuttelt — Nie haben Maller Ketten abgerüttelt,
Du magteft dich in jedes Schlangenneft
Und haft dic doch an Rom vorbeigeſchlichen ? Da muß es arg fein! — als ob eine Peft Die ew'ge Stadt vom Erdball weggeftrihen —
Bölterfimmen. 4
Nichts kommt won dort als Klappern nur und Heulen Und mitten durch die Litanei von Eulen.
Verwandelt ift das große heil’ge Rom
In eine einz'ge große Folterfammer,
Bon TIhränen überfließt der Tiberftrom,
Und Petri Kuppel wieberhallt von Jammer. Ein Abgrund Hafft’S, draus taufend Höllen rauden, Darein umfonft die Curtiuffe tauchen.
An ſolchen Höllen fteht er ficher ja,
Des großen Leo großer Ablaßkaſten,
Die felig machende Ellleſia —
Web jeber Hand, die's wagt, fie anzutaften | Rein Haß fo giftig wie der Haß des Pfaffen, Und jede Waffe nennt er feine Waffen.
Das gute Herz Ferretti träumt in Ruh, Denn fie find tobt, die Schwarzen Carbonari! Wir freun uns auch — bald aber merkeſt du An ihrer Statt die luſt'gen Pifferari;
Dir wollen pfeifen dir und Lieber fingen, Daß in Gadta nod die Ohren Hingen.
Wie mag's behagen dort Herrn Dubinot?
Es muß ihm faft wie in Paris gefallen:
Hier ſchwand wie dort der legte Scipio,
Und bier wie dort Gebete nur und Lallen;
Er denkt mandmal vielleiht: ’3 ift an der Tiber Faſt als in meinem Frankreich mir noch lieber.
O Republit mit deinem Dubinot,
So halfft du Rom und feinen Zriumviren! Das war fein Helvenftüd, Oltavig.
Es mag did) Pio Nono abſolviren;
Dog für fo fromme Thatenungeheuer
Hat die Gefchichte feine Fegefeuer.
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Kelch und Schwert.
War's nicht genug, daß fon der Mord ummand Den fterbenven, ven weltberühmten Fechter? Was mußteft du zugleich mit Ferdinand,
Mit Spaniens Kutten fenden deine Schlädhter? Frankreich, dein Ruhm des Völkerapoftolen
Ging auf in Rauch auf Roms geweihten Kohlen.
Schweig von Neapel mir! dern dein Bericht Beginnt mit Maccaroni und Borboni,
Die Chriftusthräne trodnet immer nicht, Und am Tolevo ſchlafen Lazzaroni.
O, daß die Heilandsthräne zehrend brennte! O faules Volk! — o bittres far niente!
Ad, wären die Banditen nicht mit dir, Und wenn das Volt nicht der Abruzzen wäre, Neapel, müßt’ ih ganz verzweifeln ſchier An deiner Zukunft und an deiner Ehre. So aber hoff’ ih, daß in Räuberbanden Heilande find nad) folhen Ferdinanden.
Beſucht man noch das Meine Infelland,
Aus dem Tiber fein Mon Bijou einft machte? Ich fürchte, daß Neapels Ferdinand
Das Meine Land um alle Kundſchaft brachte. Dean wird fo feekrant, und die Fahrt ift theuer, ‚Hier ift für Nichts ein lebend Ungeheuer.
Du ruhteſt au, Ulyß, an Circe's Strand? — Noch immer hat in die gewunſchte Schweinheit Bourbons Regierung euch nicht umgewandt? Sizilien, in ungetrübter Reinheit
Fließt Honig nod aus Hybla's duft'gen Waben Und fließt das Blut der Griechen und Araben.
Meflina wird, wie einſtens gen Anjou, Durch alle Zeit fein Freiheitsbanner tragen —
Völterfimmen. 43
In nahen Tagen wirft, Palermo, du
Aufs Neue deine Vesperglode ſchlagen. — Ihr feid des Aetna erftgeborne Sproffen, Und eure Adern find von Gluth durchflofien.
Das Land, darin einft Archimed gelebt,
Es wird der Punkt noch, der aus ihren Angeln, Den roftigen, die Welt des Papſtthums hebt. Die follt! es auch an weiſen Frevlern mangeln Im weiſen Eiland der Heurelafinder! —
So ſchlachtet nur und mehr als hundert Rinder.
Leb wohl, mein Freund! Zwar Manches klinget hart,
Doc dank ich auch für traurige Berichte.
Die Zukunft fhläft in trüber Gegenwart,
Und durch die Nacht gelangen wir zum Lichte,
Tout comme chez nous! — Schreibt „Blum auf eure Fahnen, Viva l’Italia! rufen wir Germanen.
Valaſtſzene.
Jakobiner, Sansculotten, Cordeliers und Dames de la Hal, Hartgefottne Patrioten
Jeden Styl3, ein wilder Schwall,
Mit Gewehr und Schwert und Pilen Dringen in die Tuilerien,
Um das große Loch zu flicken
An der neuen Staatsdolktrin.
Heute gilt es, zu belehren Louis’ de Heiligen Entelfohn, Heute gilt e3, ihn zu lehren, Was das heißt: Konftitution.
Red und Schwert.
Denn man mit der rothen Mutze Ludwigs Haupt nicht könen kann, Was find deine Reben nüge, Vergniaud, du großer Mann? Denn, das Veto tobtzufhlagen, Noch dabei gelingen mag,
Iſt von allen großen Tagen Diefer wohl der größte Tag. Nieberfällt des Hofes Gitter,
Und die Garde rührt fi nicht; Hundert Fenfter gehn in Splitter, Und des Schloſſes Thor zerbricht. Doc zu eng find Senfter, Thüren: Durch die Mauer, durch das Dach Müffen neue Wege führen
In den Saal, in dad Gemach.
Taufend kommen, aber Taufend, Schwellend wogt e3 hin und ber,
Lied und Schrei wie Sturm erbraufend, Breite Maflen wie dad Meer.
Diefe Bettler mit dem Schwerte, Ihre Bittſchrift hoch empor Haltend, ſuchen fie die Fährte Nach des Königs Korrivor.
Mit dem Lächeln, das gefroren Um die blaffen Lippen bebt, Mit dem Blide, der verloren Sich durch dide Nebel hebt —
Mit dem Blid, dem müden, kalten, Der ein Reich verwefen fah,
Steht ver letzte Reſt des alten
Und verfaulten Frankreichs da.
Böfferfimmen. 45
Alfo fteht der Kapetinger,
Und er lachelt faft mit Muth, Und die Bittfhriftüberbringer Grüßt er und empfängt er gut. Fahnen mit dem blut’gen Herzen Schwingen fie — wie haft du wohl, Frankreich, deinen blut'gen Schmerzen Auserkoren das Symbol.
Mit den blut’gen Herzen ſchlingen Sie den milden Reihn um ihn — Patriotiſche Lieder Hingen Braufend durch die Tuilerien.
Ca ira und Carmagnole
Geben Talt und Maß dem Reihn, Und die unbeſchuhte Sohle Stampft den glatten Eſtrich ein. Singend tanzt der Sansculotte Auf dem leuchtenden Parlet, Welches einftens die Gavotte Küßte und die Menuet,
Niemals noch wardſt du geftöret, Deil de Boeuf, von foldem Chor, Nie haft du fold Lied gehöret, Shhöner Bavillon de Flor.
Aber auch zu feinen Zeiten
Sah man eine Krönung, wie
Die ift, die fie jegt bereiten, Solde Würbenträger nie.
Seht die rothe Müpe prangen Auf demfelben Scheitel jegt,
Der zu Rheims die Kron’ empfangen, Bon dem heil’gen Del benegt.
46 Rei und Schwert.
Bei des Königs neuer Krönung
Aufet Jubel jever Mund;
Ob's ein Zeichen ber Verföhnung,
Ob e3 Hohn — wer thut e3 hund?
Statt des heil gen Deles tränfet
Kalter Schweiß des Königs Stirn,
Statt der Oriflamme fewentet .
Ihr Panier die Gaſſendirn.
Und ſie, welche aufgeſprungen
Von des Elends Lagerftatt,
Die bis heut mit Noth gerungen,
Dieſer Anblid macht fie ſatt.
Und die Flaſche, die ſie heben,
Nimmt er an und trinkt davon —
Volk, er nahm auf Tod und Leben
Deine Freiheitäfommunion.
Wieder flechten Obnehofen,
Fiſchweib, Dirnen fih zum Kranz:
Um den Neugelrönten tofen
Wieder Lied und Freiheitstanz.
Un fo geht e3 fort durch Stunden. | Pethion, wo bfeibft du? Mann,
Der ſchon Manches überwunden, | Der allein bier retten kann? } Pflicptvergeßner Bürgermeifter, | ‚ Der du fonft mit Einem Wort
Bänbigft losgelaßne ‚Geifter, | Schlichſt du heute juft dich fort?
Endlich tommt er, wie es duntelt — | „Ach, daß man nicht Rund’ ihm gab!”
Nur ein Wort — fein Auge funtelt,
Und die Wellen fließen ab.
Bölferflimmen.
Fliegen ab mit alem Schaume, Stile wieder, tiefe Nacht —
Die aus einem böfen Traume
Iſt der König aufgewacht. Schluchzend ruhn an feinem Herzen Diener, Schwefter, Weib und Kind, Und der Balfam aller Schmerzen, Auch der königlichen, rinnt.
Vom erlebten Hohn und Spotte Tiefgebeugt, fliehn himmelwärts, Sehnen ſich nad ihrem Gotte Ludwigs müder Geift und Her. Dom Gebet an heil ger Stätte Hofft er, daß es aus der Pein Der Erniebrigung ihn rette, — Fern der Welt, mit.Gott allein. Und er winfet feinem. Hofe,
Daß fie folgen zum Altar: Höffing, Weib und Kind und Zofe Und der Treuen Heine Schaar. Daß Gefang zu Gottes Stufen Fromm den Geift ihm trag’ empor, Laßt zur Orgel er berufen
Den bezahlten Sangerchor.
Alle Sänger find verfammelt — Aber ſtill iſt's immerfort,
Denn der König Ludwig ftammelt Am Altar fein frommes Wort.
Endlich fühlt er von ſich weichen Allen Gram, der ihn umfpann; Lachelnd froh gibt er das Beichen, Daß die Sänger heben an.
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48
Reid und Shmert. "
Und fie heben an — wie Wetter Braust herab des Liedes Strom, Und vom jauchzenden Geſchmetter Wiederhallt der Kirche Dom. Und es wehn bie Drgelpfeifen Ungemwohnte Harmonien,
Und ans Herz der Hörer greifen Kalt wie Eis die Melodien.
Das find feine frommen Klänge, Das find feine Litanein —
Alſo pflegen Aufruhrsſange
In der Gaſſenſchlacht zu ſchrein. Ca ira — ertönt's mit Toſen, Ca ira — ein jeber Ton,
Auch die Sänger find Franzofen, Sie auch lieben die Nation.
Ja, für Geld! — zu allen Zeiten Singen fie, wie man's bevang; Doch bei ſolchen Feftlichleiten Lieben fie ſich eignen Sang.
Ca ira — wie heiße Kohle
Und wie Gluth vom Chore ſprang's; Qa ira — dann Carmagnole, Die Tarantel des Geſangs. Starr und kalt, glei Gräbermalen, Knien die Beter da und fehn Ihres Hoffens Iepte Strahlen, Ihres Glüdes Pracht vergehn. Fliehend, wie wor böfen Geiftern, Stürzt der König vom Altar — Wußl er's jegt, daß nicht zu meiftern Mehr der Geift der Zeiten war?
Bötterflimmen. 49
Das Volenlied.
Ich war ein Kind, als Polen fiel — Der Vater lam von fernen Wegen, Erzählte, wie fie tief und kühl Ins Grab das arme Polen legen.
Von Grohom und der Pragaſchlacht Erzählt’ er uns in [lichten Worten,
Mir war’, ald läg’ ich in der Nacht, Ein Polenlind, an jenen Orten.
Und Schmerz empfand ih um das Land Und feine tobten Heldenföhne,
‚Heiß ftürzte fi) auf meine Hand,
Die Feuer brennend, Thrän’ auf Thräne. Ich ſchwieg und nahm's als Zeichen an, Das mir mein kindiſch Weinen wehrte: „Sei ruhig, Kind, du wirft einft Mann, Und diefe Hand greift noch zum Schwerte.“ Und weil mir noch die Zeit nicht kam, Zu hau'n mit Schwertern in die Kette, Sang ic) das Lied in meinem Gram — Ich wollt’, e8 würde zum Stilette.
Fin Vater. "
Bon Oftrolenfa nordenwärts
Im Felde ragt einer Hütte Dad,
Drin pochet ein altes Polenherz,
Es ift in Lieb’ und in Schmerzen mad.
Drin glänzt ein Haupt wie nordiſches Eis,
Es leuchtet das Auge wie Wachtfeuergluth, WRoriy Hartmann, Werke, I. 4
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Kelch und Schwert.
Durch feine Adern rollet e3 heiß, Der Tag von Praga erhipte das Blut.
Der Alte hält in bebender Hand
Die Kugel, die deutet die Erdenwelt: Zwei Punkte find es, drauf unverwandt Dur Thränennebel fein Auge fält.
Er ſpricht: „Das ift Amerila's See,
Da ſchifft mein Junge auf leichtem Kahn; Das ift Kamtſchatla im ewigen Schnee,
Dort folgt mein Weltfter des Rennthiers Bahn.
„Wenn Yener hinaus in die Meere [hifft, Wenn Diefer bis an die Küften hinfagt, O feliger Tag, der vereint fie trifft!
O Luft, die nimmer dem Alten tagt!“
Der Alte ſchweigt, feine Stirne rubt, Erhigt von Gedanken, am Erdenſymbol; Es gießt ſich die filberne Lodenfluth Bevedend, verföhnend von Pol zu Pol. Wohlan denn! Wer einen Vater glaubt! Er blidet alfo auf die Kugel herab,
Es dedet die Welle von feinem Haupt Der Freiheit Land, wie der Freiheit Grab.
Die Drei. Im Ungatland bei einem Puftawirthe, Da figen drei in Sturm und Nacht Verirrte, Im Ungarlande, wo des Zufals Wind Bufammentreibt verſchiedner Länder Kind.
Ahr Augenliht — verſchiedner Flammen Gluthen, Ihr Lodenhaar — verſchiedner Ströme Fluthen;
Volterſtimmen.
Doch ihre Herzen, ihre wunden Herzen — Die Tpränenurnen faft derſelben Schmerzen.
Der Eine ruft: „Ihr ſchweigſamen Gefellen,
Soll kein Toaft der Zecher Trinkluft ſchwellen? Ich bring’ es euch — dem Vaterland! wohlan ! Es Iebe frei und groß — Stoßt an! Stoßt an!
„Dem Baterland! Ich aber felbft bin Einer,
Der feins nicht kennt, denn ich bin ein Bigeuner: Mein Vaterland liegt in der Sagenwelt,
Im Geigenton, von Schmerz und Sturm geſchwellt.
Ich ziehe ſchwaͤrmend über Heid’ und Puſte Und denke nad dem ſchmerzlichen Verlufte; Doch bin ich Tängft der Heimatluft entwöhnt Und ven? Yegyptend, wenn das Bymbal tönt.”
Der Zweite drauf: „Bringft du's dem Baterlande, So trink ich nicht — ich tranke meine Schande; Denn Jatob3 Same ift ein fliegend Laub
Und faßt nicht Wurzel in der Knechtſchaft Staub.
„Laß exft des müden Armes Feflel finten, Dann komm heran, dann will ih heiter trinken, Vergeſſen dann das eingebrannte Mal —
Bis dorthin fig ich ftumm am Luftpofal.“ Dem Dritten ftarrt die Lipp’ am Becherrande, Er fragt ſich ſtill: „Iein® ich dem Vaterlande? Lebt Polen noh? Iſt e3 geftorben ſchon?
Bin ich wie Die ein mutterlofer Sohn ?*
Und wieder figen ftumm bie büftern Becher, Vor ihnen ftehn die unberührten Becher — Sie ſprechen alle Drei kein einzig Mort,
Sie find zufammen nur Ein Wehalkord.
52
Reld und Schwert.
Der Rieſe.
Im Norden liegt ein froftumhüllter Rieſe
Und brütet heiß in feines Winters Banne, Traumt vom Demant auf feinem Bett von Kiefe Und von der Palme unterm Dad} der Tanne,
Im Eispalaſt der Königin des Nordens, Wo ein gefallenes Geſchlecht ihn zeugte,
Wuchs er heran, beim Anblid ew'gen Morbens, Den Wolfsmilch, keine Mutterbruft je ſaugte.
Das Nordlicht ſetzt ihm auf die rothe Krone,
Mit Hermelin hat ihn der Froft umſchloſſen,
Den den Urfels ſchuf er fi zum Throne,
Und zum Purpur ift Bruderblut gefloffen.
Faft tritt den Süden feines Fußes Sohle,
Indeß der Nord ihm kühlt die heiße Stirne;
Doch Ein Gedank iſt's, wie der Stern am Pole, Der leife gluthet in des Riefen Hirne.
Er heißt: „Nah Süden !" Weh euch dann, ihr Brüder! Wenn ausgeträumt, wenn auf fi) rafft der Starke, Und wenn er fteigt aus feiner Eisburg nieber,
Sich neu zu ftärten an de3 Sudens Marke:
Da feufzt die Erde ſchwer in ihren Achſen,
Mit jedem Schritt wird er ein Volk erftiden,
Mit jedem Völtermorde wird er wachſen,
Bis in die Sterne feine Augen bliden.
Da wird es froftig durch die Eichen wehen,
Und Milionen Herzen werben zittern
Und bluten bei des Niefen Auferftehen,
Und manches Große wird in Nichts zerfplittern. Dann ift e8 Zeit, ihr Könige der Länder!
Als Kampfespriefter vor dem Volt zu ſchreiten,
m _ ci
Bölterfimmen. 53
Für Gott und Geift gen jenen Volkerſchander
Bis auf des Herzens legten Schlag zu ftreiten.
Die Harfe laß, du edle Dichtergilve!
Sing mit dem Schwert ein Freiheitälied dem MWürger! Den Spaten fort, und-greife nad) dem Schilde
Und ernte auf dem Schlachtfeld, ftiller Bürger!
Verlaßt dann eure Klaufe, ftaub'ge Weife! Werft aus das edle Korn zu eblern Saaten! Noch einmal zu den Krüden greift, ihr Greife, Und fpredt und zeuget von der Väter Thaten!
Dann endlich ift e8 Zeit, daß eure Fahnen Das Eine Wort auf ihren Gtirnen tragen, Das Cine Wort, das eure Herzen ahnen,
Bei deſſen Klang fie wild und wilder ſchlagen;
Das Eine Wort, das fid wie Felſen wälze
Auf jenes Niefen Bruft und fie erbrüde,
Das feine Gliever, feine Kraft zerſchmelze
Die Sonnenfeuer nord'ſche Eifesftüde.
Es ift das Wort der Fluch des nord'ſchen Riefen,
Es loſcht ihn weg aus aller Zeit Gefdichten;
Ihr müßt es euch zum Talisman erkiefen,
Euch bringt e8 Sieg, und Ihn — wird e3 vernichten.
Finer fhönen Volin.
Du darfft nur lächeln — laden nicht — Du barfft dich nie des Leids entbinden — Auf einem Polenangefiht
Gleicht Lachen unheilvollen Sünden.
Du darfit nur feufzen — weinen nie — Das darf nur Glüdliche beglüden,
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Red und Schwert.
Doc nimmer Helven, nimmer Die,
Die nod die Stlavenfeffeln vrüden.
Dein ſchwarzes Haar, dein dunkler Blid, Sie müflen einem Bahrtuch gleichen
Auf einem toten Lebenäglüd, Grablichtern um geliebte Leihen.
Und küffeft du, fo fol dein Kuß
Ein Handgeld fein und Kämpfer werben, Sein Gluthhauch dem Geliebten muß
Die Wange fhlachtenglühend färben.
Und tanzeft du, fo tanze nur
Nach Weifen, die wie Schlachtruf glühen, Da$ dir genüber die Mazur
Macht Sporn und Säbel Funken fprühen. Daß du des Elends halbe Laft
Mir müßteft auf die Schulter legen,
Du Polenmãdchen, könnt’ ich faſt
Dich Tieben deines Haſſes wegen.
Un &..... a. Und kann bei uns dich nichts mehr halten, Und zieht's dich fort ind Vaterland, So lebe wohl, und möge walten Ob deinem Haupte Gottes Hand; Gott fhüge dich In Polen, dem traurigen Lande! Bon deinem tobten Vaterlande Ein Sterbegruß erſchienſt du mir, Weil ich fein Leid und feine Schande Mit ihm getragen für und für: Stet3 hängt mein Herz An Polen, dem traurigen Lande.
Bölferfimmen. 55
Mein bift du, mein! — id hab’ mit Schmerzen Bon deiner Heimat did erfauft, Ich babe felber mich im Herzen Zu einem Polen umgetauft; Ich bin ein Sohn Von Polen, dem traurigen Lande.
Ich laſſe di von bannen ziehen,
Weil du in Schmerzen aufgeblüht,
Und nur in Schmerzen weiter blühen
Kann dein durchlümmertes Gemüth; Dog denke mein
In Polen, dem traurigen Lande,
Horſt du an deiner Heimat Gränze Des erften Polenliedes Klang, Siehft du die erſten Todtenkränge, Die eine Braut um Gräber ſchlang: Dann denfe mein In Polen, dem traurigen Lande, Bedenke, daß ich felbit beklage Den trübften, ſchmerzlichſten Verluſt, Bedenke, daß ich ſelber trage Ein todte Polen in der Bruft! D, denke mein In Polen, dem traurigen Lande! Stieg' auf der Brand des heil’gen Krieges, Dir folgt’ ich nad, mein theurer Stern! Von dir geweiht zur Kraft des Sieges, O, wie verblutet’ ich mich gern In deinem Schooß, In Polen, dem traurigen Lande!
Aus Böhmen.
Vergeffet niit des Frühlings Bolte,
Benn fi die Ernte naft —
Und fo vergeht es nicht dem Volle,
Das einmal Großes that. Roͤhmiſche Slegien. I
Unglüdlid bift du, und du ſchweigſt, Drängft tief in dich hinein den Kummer, Wie todesmatte Greife neigft
Dein Haupt du tränmeleerem Schlummer.
Du haft dich felber einft genannt Zur Zeit der rächenden Hufliten: Das heilige, gelobte Land —
Du haft twie jenes viel gelitten. Auch did, wie jenes, hält die Rub, Die ftarre Ruh des Todes nieder; Du Märtyrer der Völker du, Wann wirft du auferftehen wieder? Zwar ziehn, wie Palaſtina's Kind, Die deinen nit gen Süd und Norben, Doch in ber eignen Heimat find Sie heimatlos und fremd geworben;
Aus Böhmen,
O Böhmen, armes Mutterherz,
Wie traurig ſchleichen deine Söhne, Im Aug jahrhundertalten Schmerz, Doc ohne Wort und ohne Thräne. Zum Walde feh’ ich ziehen dort
Den Waidmann mit dem Jagdgehänge; Er finget, doc fo fingt nit Mord — Die trauervoll find diefe Klänge!
‚Heut fein ihr ſicher, Hirſch und Reh — Der jaget wohl nad) andrem Wilde:
Er fucht die Spur von feinem Weh Und jagt nad einem Schattenbilve.
u. Berlannt ift Alles, was dir blieb, Verkannt ift deine Rache, Verlannt dein Haß und beine Lieb’, Berkannt ift deine Sprache. Sie ift fo wie das Rauſchen wild In deinen Tannenhainen, Und wie der Schwefter Klagen mild, Die Warſchau's Fall beweinen; Schleicht nit, wie Schlangen, mit Geziſch In unbewachte Obren, Die jene, die fi heuchleriſch Des Czaren Sklav' geboren. _ Sie dröhnet wie der ehrne Fuß Anftärmender Hufliten, Und tönet wie das Lied des Hub Aus feiner Flammen Mitten. Sie grollet wie die Trommel, dumpf, Bededt von Zista's Felle,
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58
Kelch und Schwert. '
Und rollet hin wie Thurns Triumph Un feines Kalfers Schwelle.
D meiner Mutter Wiegenlied,
Das mich in Schlaf gefungen,
Du bebft wie Luft durchs ftille Ried In Abendpämmerungen!
D des Rekruten Kriegsgeſang,
Als er das Dorf verlaſſen —
Du wehſt um meine Seele bang Wie damals durch die Straßen!
III.
Dein Volt ift nicht wie jener Huß,
Der ſich ven Holzftoß hat ertoren;
Es gleichet dem Hieronymus,
Der feinen Glauben abge hmworen.
O Bolt, fo haft du duch Verrath
Ein ſchmachbededtes Sein gefriftet; Man ftahl dir deine ſchönſte That,
Dan hat dich pfaffiſch aberliſtet.
O Böhmens Volt! — das heil’ge Korn, Das du in alle Welt gegofien,
Die bracht' es rofenlofen Dorn,
Du haft die Früchte nicht genoffen. Aufblüht’ es im Cevennenland
Und in den Thalen der Provence,
Der Albigenferftreiter wand
Daraus fih ew ge Martyrkranze. Aufſchoß es fpät im deutſchen Sand, Und ſeine Frucht ward heimgetragen Von jenes Möndes kuhner Hand, Dem, wie dem Huß, das Herz geſchlagen.
Aus Bögmen. 59
Doc du? — du Enieft demüthig jept An den entweiheten Altaren,
Dahin mit Hunden man gehegt
Der Väter geißelwunde Schaaren.
O Volt, dem man den Gott geraubt, Das taufendfadher Fluch getroffen,
Du haft umfonft geliebt, geglaubt,
Wie wagt es nod dein Herz, zu boffen?
IV. In deiner Berge grünem Kranz — So gleichſt du einem Blumenkelde, So bift du eine Blume ganz! — Doc welche Blume bift du, welde? Die volle Rofe bift du nicht, Denn reich und üppig ift die Roſe: Und Armuth Hagt bein Angeſicht, Du arme, dorn» und mwaffenlofe ! Es wär’ ein krankes, krankes Jahr Mit folder blaffen Wangenröthe — Ein ſchlechter Völterlenz fürwahr, Der folde Völkerrofen böte. Die fromme Lilie bift du nicht, Wie aud dein Haupt geneigt in Wehmuth, Denn, was aus deinem Herzen bricht, &3 ift der Trog, und nicht die Demuth. Die Lilie in der Heil’gen Hand Und in der Hand der frommen Engel Iſt nicht, wie du, von Gott gebannt Wohl von der Krone bis zum Stengel. Die Leidensblume ſcheinſt bu mir, Gewedt, erblüht bei Todesllagen —
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Kelch und Schwert.
Die muß unſelig für und für Symbole eww’gen Schmerzes tragen. Weh, daß du an des Kreuzes Fuß Als Zeuge für das Volt der Erben Empfangen deinen Märtyrluß — Und wird dir ein Erlöfer werden?
V. Dreimal unſelig Volk, dein Leid Bewegt kein Herz mehr, daß es meine, Es iſt ein Leid aus alter Zeit Und gleicht bemoostem Leichenſteine. Beweint wird Polens junges Weh, Weil es in Warſchau's Schutt noch gluthet; Du bift im Wald ein tobtes Reh, Das längft im Stillen fid verblutet. O Gott, die Weißenbergerſchlacht Erreicht wohl Oftrolenta’3 Trauer, Und, die darauf gefolgt, die Nacht Hat trübre als Sibiriens Schauer. Ruhmlos zieht dur die Welt dein Sram — Kein Dichter wagt es, laut zu trauern,
"Er fühlet feiner Knechtſchaft Scham —
Die Harfe hängt an öden Mauern, Mufit, Mufit, das Mägdlein mild, Sie blieb allein noch) deinen Söhnen, Sie zieht ins weitefte Gefild
Mitleid erfleh'nd mit trüben Tönen. Sie machet über Belt und Sunb Und zum Obio Bettlerreifen
Und fingt und klagt die Herzen wund Mit ven geheimnißvollen Weiſen.
Aus Böhmen. 61
Und wenn beim Klang der Normann weint, Die Wilden weich zu feinen jagen,
Sie wiffen nit, daß fie vereint
Did, armes Böhmen, nur beflagen.
VI. Ein Rabe, der nah Atzung ſpäht In ftarren Wintertagen — Ein greifer Monch, der betteln geht Und einft ein Schwert getragen — Ein Hirſch, der nun im Wald verlechzt Und einft am Strome irrte — Ein Weib, das am Breviere Adhjt, Dem einft der Falk entſchwirrte — Ein Diamant, verftedt im Sumpf, Der einftens Kronen [hmüdte — Ein flammend Aug, von Weinen ftumpf, Das einft ein Herz beglüdte —: Die trüben Bilver alle, jetzt Sind's deine, deine Bilder — Mein Auge, jegt von Gram benegt, Es war einft jugendwilder. Denn feit ich kenne, was du warft, Die Mutter ftarler Söhne, Und daß verdarb, was du gebarft, Lieb' ich die milde Thräne. Die Thräne ift die Jungfrau mild, Die reine, fledenlofe, Sie trägt, wo fie in Schmerz entquillt, Den Herrn in ihrem Schooße. Und einft wird fommen doch der Tag, Da Pfalmen wundertönig
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Reid und Schwert.
Begrüßen in dem ‚fillen Prag Den hohen Palmenlonig.
VII.
Als noch der Wolf auf deinem Buhle, Der Aar gehaust in deinen Lüften,
Der Bär in deiner Wälber Kühle —
Da glichſt du noch nicht todten Grüften. Da wohnten noch die unerfchlafften,
Die fittigfeplagenden Gedanken
In deiner Bruft, die Leidenschaften‘,
Die Kraft mit ihren wilden Pranlken.
Die Aare find nun längft verſchwunden, Und Wolf und Bär find lang vertrieben, Die wilde Kraft ift überwunden ;
Du armes Land, was ift geblieben ?
Nur bie und da in Felfenhöhlen
Wohnt noch der Fuchs mit feinen Tüden, Und hie und da in armen Seelen
Die Lift mit ihren Heuchlerbliden.
Die Lift allein! — das Kind der Schande, Bon Tyrannei und Schmach geboren, ‚Zeigt auf die bürftigen Gewande
Und bettelt vor den goldnen Thoren. Beded mit deinem Sterbefleive,
Beded, o Böhmen, deine Augen!
Zu fehn ihr Kind verberbt im Leibe, Nicht will e8 einer Mutter taugen.
Doch Noth ift eine ſchlechte Amme,
Und Hunger kann nicht ſchwelgen ſehen; Gen Wien loht meines Zornes Flamme, Dir gilt mein Klagen, nicht mein Schmähen.
Aus Böhmen.
vom.
Am weißen Berge fteht ein Baum, Uralt, verdorrt und aftlos,
Sein Haupt, glei einem wüften Traum, Umſchwirrt ein Rabe raftlos.
Der Rab ift alt zweihundert Jahr Und einer von den Raben,
Die mit Gekrachz die heilige Schaar ‚Hier halfen einft begraben.
Des Baumes Wurzel find getaucht Im Herzen, die noch bluten,
Er fteht im Boden, wo verraudht Der Freiheit legte Gluthen.
Ich hab’ zu meinem Trofte mir Erfonnen mande Sagen,
Die vor mir her, wie ein Panier, Den Traum der Zukunft tragen. So fieht mein Aug den bürren Baum Bon Blüten überflofien
Und ringsum auf den öden Raum Den Frühling ausgegofien.
Der Rabe finket todesmatt
Beim Gruß des Frühlingsboten, Und tief in ihrer Lagerftatt
Still regen ſich die Todten.
Und ftatt des Raben kreist ein Aar Um jenes Baumes Wipfel —
Und betend fniet die Freiheitsſchaar Am Weißenberger Gipfel.
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Kelch und Schwert.
IX.
Das ftille Prag, dein Lieblingstind,
Die hat ihm ſtolz das ‚Herz geihlagen In Beiten, bie entſchwunden find:
Sept gleiht'3 dem Bild auf Sarlophagen.
Du haft es mütterlih geihmüdt Mit golonem fürftlihen Gewande, Ihm hundert Kronen aufgebrüdt, Auf daß es glänze durd die Lande.
Ein Kind von fürftlicher Geburt,
Trug's Schwert und Zepter in den Händen, Und wie ein bemantreicher Gurt
Schlang ſich der Strom um feine enden.
Nun ift e8 worden grau und alt — Ein Fürft nach zeitiger Entthronung, Träumt feine traurige Geftalt
Nun in der dden Trümmermwohnung.
An feinen Kronen nagt der Roft,
Die Konigslleider find verbliden — Nur Eine Stadt hat noch der Oft,
Mit der du fchmerzvoll dich vergligen: Ein flavifhes Jerufalem,
Das bift du, wie dein Kind dich nennet, O Prag! das did von ehedem
Und das in deinem Gram did} fennet.
Du bift es; — denn wie der Prophet Den Engel ſah auf Zion trauern,
Seh’ ih den Mond, der weinend geht Und fummerblaß auf deinen Mauern.
Aus Böhmen.
x. Es tam ein Arzt, der wollte heilen, Mein Vaterland, dein altes Leid; An deinem Bette wollt’ er weilen In lindernder Barmherzigkeit.
Er legte fegensvolle Hände
In Liebe auf dein krankes Haupt, Doc war umfonft des Heiles Spende, Weil du dem Arzte nicht geglaubt.
Du haft mit Starrfinn und Empörung Dem, Guten feine Muh gelohnt — Du feuteft tüdifche Bethörung,
Weil im Palafte er gethront.
Wohl felten lommen fie vom Throne, Die fegnend durch die Völker gehn; Doc haft du nur die goldne Krone Und die von Dornen nicht gefehn.
Ein dreifach fhönes Wunder war e3, Daß er aus dem Palafte am,
Daher dein Leid, dein unnennbares, Gelommen und bein ew'ger Gram.
Du haft an feinem Strahlenregen Die düftre Seele nicht erfreut — Gleich wie das Noß auf nacht'gen Stegen Zurdd vorm Meteore jheut. So ging mit feinem heißen Lieben . Mein Kaifer Joſeph aus der Welt, Und du bift blaß und frank geblieben, Und deine Nacht blieb unerhellt.
Morig Hartmann, Bere 1. 5
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Kelch und Schwert.
XI.
O, ſahe Goſt auf dich hernieder Und ließe von den Thränen allen, Die ih mir iräum’ um feine Liver, Auf dich nur eine einz'ge fallen;
Bon jenen heilungsvollen Zähren, Die trübe Herzen zu ihm fenden
Und die in feinem Aug ſich kehren Zu Balfam, alles Leid zu enden!
Do& fern vom Himmel ift die Erde — Ein irres Lamm in wald gen Wüften Verhallt dein Ruf dem Herrn der Heerbe, Vergehſt du fern der Mutter Brüften.
Er hat did einfam fterben laſſen. — Der Heerbe gilt des Hirten Sorgen; Vergeh das Lamm auf den Strafen, Iſt nur die Heerde wohl geborgen.
Was hebft du Hagende Beſchwerde? — Vergaßeſt du bie Interdilte?
Daß aller Fluch der alten Erde
Dein büßend Haupt darnieverbrüdte? Sei ſtolz, daß did) die Götter haſſen! — Ihr Fluch traf ftolze Königshäufer, Titanen, bie den Himmel fallen ;
St. Peters ſchwerſter Bann traf Kaijer.
Wohl fern vom Himmel ift die Erde — Er hat dich einfam fterben laſſen.
Was hebft du Hagende Beſchwerde? — Sei ſtolz, daß dich die Götter hafien !
Aus Böhmen.
XII. O Böhmen, fremdes grünes Blatt Bon einem fremden Wunderbaume , Nach dem ſich ſehnt ein Autokrat In feinem wüften KRaifertraume, Gen Weiten kehre dein Gefiht, Die Freiheitsſonne fommt aus Weſten; Siehft du das junge Morgenlicht Wie Rofen über Kron’ und Aeften? Im Often ift es Naht und kalt — Auf einem Thron von Bruderleichen Sigt dort die blutige Geftalt Mit ihrem neuen Kainszeichen. An Deutſchlands Halfe wein’ di aus, An feinem ſchmerzverwandten Herzen, Geöffnet fteht fein weites Haus Für alle großen, heil gen Schmerzen. Vergiß, vergiß den alten Groll —
Mein deutſches Herz kann bir verkünden:
Auch Deutſchland fühlt, das Maß ift voll, Und büßet feine alten Sünden.
Laß mic) dein treuer Herold fein,
Mein Vaterland, in deutſchen Landen! Laß mich mein treues Lied dir weihn
Und deinem Web, das ic) verftanden. Jetzt fteh’ ich ferne deinem Schmerz,
Doch will's in meiner Seele Ienzen, Schidt dir fein Lied dieß Dichterherz,
Die blafje Stirne dir zu frängen.
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Kelch und Schwert.
Die böhmiſchen Bauern.
Eigen beifammen in böhmiſcher Schente Bauern, vor ſich das Glas geftellt
Mit dem lieben Hopfengetränte;
Dein zu bezablen, fehlt es an Geld.
Sitzen beifammen in trauliher Runde, Kurze Pfeifen in nerviger Fauſt: Draußen heulen des Dorfes Hunde, Daß es dem armen Wanderer graust.
Und die Mufit, die heimiſche, fühe, Und die Weife voll Klag' und Leid‘, Wie verlornen Glüdes Grüße
Aus der alten glüdlihen Zeit —
Ja, die Mufik, fie fehlt in der Stube Mit dem traurigen böhmifchen Sang; Ferne ziehen Mäpdchen und Bube, Ferne Harfen: und Hörnerllang.
Aber heute ift er gewichen,
Jener ſchweigſame düſtere Geift,
Und die Geſichter, zerwühlt und verblichen, Rufen und lachen und fragen zumeiſt.
Schiefer und ſchiefer rüden die Mügen, Und die Nermel werden geſchürzt,
Und die Augen leudten und bligen, Glas auf Glas wird gefült und geftürzt.
Denn fie horchen gierig entglommen Auf des Rachbars beredten Mund — Denn aus Wien ift er heute-gelommen, Und er erzählet ſchon mande Stund.
Aus Böhmen.
Viel des Wunder hat er zu fagen:
Auch den Kaifer hat er gefehn
Im fehsjpännigen goldenen Wagen,
Und wie andere Menfchen gehn.
Sagt von der Burg, dem alten Gemäuer, Daß die Häufer alle von Stein,
GStaunt, wie dad Brod und die Biere jo theuer Und wie fo.wohlfeil der Löftlihe Wein.
Und er jpricht: „Auch unter die Erben ‚Hat mic ein Pater geführt, in die Gruft, Wo aud die Kaifer zu Staube werben, Denn fie Gott, der Allmaächtige, ruft. „Ale vie Särge aus alten Tagen
Bis auf den Franz, al hab ich gefehn, Die fie mit Gold und Silber beſchlagen Da in traurigen Reihen ftehn.
„Nur ein einz'ger von allen den Gärgen Iſt ohne Wappen und glänzendes Erz, Schmudlos, fo wollt' er, foll fi verbergen Schlicht und arm darinnen fein Herz. „Wie mir's erzählte der fromme Pater, Ad wie wurd’ es ums Herz mir arg: Drinnen liegt unfer Aller Vater,
Kaifer Joſeph liegt in dem Sarg.”
Aber da lächeln ungläubig die Bauern: Hm, eine Buppe liegt in,dem Loc,
Und umfonft war dein glaubiges Trauern, Kaiſer Joſeph lebt heute noch!
„Aber der Pater“ — Hat dich betrogen, Ein Jeſuit, der zu lügen ſchwor.
Aber fünfzig Jahr find verflogen —" Willſt du ſchweigen, ungläubiger Thor!
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Kelch und Schwert.
Heiliger Nepomuk! hundert Jahre r Wäre der Kaiſer ſchon alt und noch mehr, Sagt es nicht auch die armliche Bahre, Sdhlicht und einfach und ſchmudlos wie er!" — — „Bor die Thür den ſchlechten Halunten ! Schlägt fie todt, die ungläubige Brut!“ Rufen die Bauern zornestrunten,
Und die Augen flammen von Wuth.
daſſen ihn, werfen ihn, und aüs der Schente Zliegt der Keger mit Schimpf und Schand, Daß er nod lange in Glied und Gelente Ihre Fäufte und Finger empfand,
Und e3 kehren die Rachevollen
Nubiger nun zum Glafe zurüd;
Leife Fluche nur hört man noch grollen, Unftät irrt noch der wilde Blid.
Aber e3 legen ſich endlich die Wogen,
Und ſie ſchweigen und denken nach.
Iept erſt wird es langſam erwogen,
Was denn Alles der Keter ſprach.
„Sünfsig Jahre” — murmelt ver Eine, „Sünfzig Jahre, o lange Frift!" —
Und der Andre: „Daß juft der feine,
Juſt der Sarg fo ſchmudlos ift!" —
Und der Dritte: „Sind wir nit Sklaven, Frohnende Anechte noch immer fort
Unferer Pfarrer, umferer Grafen?
Schleichen nicht Pfaffen von Ort zu Drt? „Iſt dein Bub nicht ſchmachvoll verendet Unter der Ruthe in der Kaſern?
Iſt dein Kind nicht ſchmahlich geſchandet Vom zufünftigen gnädigen Herrn?
Aus Bohmen. 71
Kannſt du nad Luft und nach Willen beten? Eſſen wir andre als ſchwarzes Brod?
Eind wir nicht verwaist und zertreten?
Kaiſer Joſeph ift tobt, ift todt!“ —
— „Er ift tobt" — Gie rufen's mit Klagen Und entblößen zum Beten dad Haupt. — Fanfzig Jahre und Noth und Plagen Mußten tommen, bis ſie's geglaubt.
Fin Veflament.
„Deffnet nur die Hüttenthüre,
Laßt fie Alle mir herein,
Weil ich es am Herzen fpüre,
Es wird bald vollendet fein.
Auch die Weiber mit den Kindern Sollen nicht von ferne ftehn,
Das wird mir die Schmerzen mindern, Kann ich in ihr Antlig fehn.“
Und fie tommen forgfam leiſe, Eine tiefgebeugte Schaar, Männer, Weiber, Kinder, Greife, Bas im Dorfe heimifd war. Xreten weinend an das Bette, Drinnen ruht der müde Greis; ‚Eine fefte Liebestette
Iſt der trauervolle Kreis.
Bater, rufen fie beflommen,
Schon fo frühe willft du fort?
Ad, woher fol Hülfe tommen, Wenn uns fehlt dein muthig Wort?
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Kel und Schwert.
Ja, du warft des Dorfes Bater, Unfer Helfer in ver Noth,
Unfer Tröfter, unfer Rather — Ach, was bleibt und, wenn bu tobt?
Wie ift ferner noch zu tragen
Unfrer Herren Drud und Geiz? Die ift ferner noch zu tragen
Unfrer Kirche heil ges Kreuz?
Wie bewahren wir den Glauben, Wenn fie und von Haus und Herb Unſre ftarten Kinder rauben,
Da dein. Wort und nicht belehrt? —
Und er fpricht: „Die Adern brennen, Wenig Zeit ift mir gegönnt,
Mas ic} jegt euch will bekennen,
Iſt zugleich mein Teftament.
Seht dieß Buch, das ich verborgen, Euch ſei's künftig übermadt; Forſchet drin beim frühen Morgen, Forſchet drin bei fpäter Nacht.
„Drinnen ftehet: Aug um Auge, Glied um Glied und Zahn um Zahn; Daß dieß Buch für ewig tauge,
Iſt fein falicher, leerer Wahn,
Hab’ ich drin den Troſt geleſen,
Der euch oft vom Zorn belehrt, Werdet ihr vom Mann drin lefen, Der gefchmiebet früh ein Schwert,
„Troſt und Rache! — fie ergründet
Aus dem beil’gen Buche ihr;
Kelch und Schwert! — die Zeichen findet Ihr verſcharrt im Boden hier.
Aus Böhmen.
Kommt heran — in eurer Mitten Lebe, was ich fterbend ſprach, Und der legte der Hufliten, Geh’ ich meinen Brüdern nad.” Und fie gehn in tiefen Schmerzen Bon dem theuren Todten fort, Und in ihren trüben Herzen Klinget nach fein letztes Wort. Scheidet alſo ein verruchter
. Böfer Keher aus der Welt? Bar der Zisfa ein verfluchter, Oder ein geweibter Helv?
Un Xrag bei der Aeberſchwemmung.
Dir meine lagen ſend' ich, Betrübte Heimat du;
Wie im Gebete wend’ id,
Mid) deinem Unglüd zu — Du bift wohl zwiefach prächtig, Wenn durch die Gaſſen mächtig Es fluthet, rauſcht und ebbt: Es ift der Geift des Herrn, Der ob den Waſſern ſchwebt. Du ragft mit deinen Thürmen Aus dunkler Fluth empor:
Ein Maſtenwald in Stürmen, Der fih im Grund verlor. Wohl find’3 an Petri Riffe Zerſchellte Kirchenfchife,
Drin die Geſchichte webt;
Es ift ver Geilt des Herrn, Der ob den Waflern ſchwebt.
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Red) und Schwert. |
Wie über dir die Tage | Die ftummen Kreife ziehn, Gleihft du aus alter Sage Der Meeresftadt Julin ; Verſunken und verflungen, Bis aus den Dämmerungen Das Weltgejeid did) gräbt, Es ift der Geift des Herrn, Der ob den Waſſern ſchwebt.
Der Dogenftadt vor Allen Iept gleichſt du, mehr als je: Sie ift wie du gefallen
Und gleich ift euer Weh.
Will es der Strom dir fagen, Daß dir in heißen Tagen Ein Kampfgenoſſe lebt?
Es ift der Geift des Herrn, Der ob den Waflern ſchwebt. An dislas Höh erbraufet Und wählt die Fluth zumeift; Da drinnen finnt und haufet Des blinden Führers Geift. Was wird der Alte fagen, Wenn ihm die Wellen Hagen, Daß er umfonft gelebt!
Gs ift der Geift des Heren, Der ob den Waffern ſchwebt. Schon einmal hat in Fluthen Der Herr dich heimgeſucht: ALS Joſeph du, dem Guten, Für Liebe haft geflucht;
ALS er dir Heil geboten
Und du vorm Lenzdefpoten
Aus Böhmen.
Berftodt zurüdgebebt — Es war der Geift de Herrn, Der ob den Waflern ſchwebt.
Jetzt hat die Frucht gereifet Die Zeit, der warme Strahl, Daß nicht vorüberftreifet
Der Frühling noch ein Mal; Sonft muß ich dir verlünden, Daß ſich für deine Sünden
Die Fluth als Sundfluth hebt:
Es iſ der Geift des Hertn, Der ob den Wafjern ſchwebt!
Leb wohl, du Heimatftätte, Du Mutter in der Fern,
Daß dic vor Unheil rette
Ein liebevoller Stern;
Daß ſich in naher Stunde, Das Delblatt hoch im Munde, Die Friedenstaub' erhebt: — Es ift der Gelft des Herrn, Der ob den Waflern ſchwebt.
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Epiſch⸗lyriſche Gedichte,
Ränge, Blaffen, Genter, Damen, Diter, Ritter, Raubgefinbel — Trägt nicht jeber biefer Namen Bein Balladen In der Winbel?
Die Kronwerber.
„O Mutter, fiehft du, mad mid quält? Hilf deinem Alt’ften Sohne:
O Mutter, gib ihm, was ihm feblt, DO Mutter, eine Krone!
„Und weißt du mir die Krone nicht, O Mutter! zu erwerben,
So werben mir im Angeſicht
Gar bald die Rofen fterben.”
Die Mutter dort mit grauem Haar, Sie hört nicht auf, zu fpinnen,
Da ihre Lippen wunderbar
Den Märdenfang beginnen:
Im Meeresſchooß, im Felſenſchloß, Da ruhn der Kronen viele,
Die Gnomen alle, klein und groß, Die werfen ſie im Spiele.
Eviſch⸗ ihriſche Gedichte. 77
„Sie haben alle Kronenqual
Und Luft von ſich geftoßen;
Und diefer Glaube wird einmal Dem Erdengrund entfproffen.
Nur eine Kön’gin ſchleichet doch In Nacht der Felſenſchlũfte,
Bon ihrem Haupte glänget noch Die Krone durch die Klüfte.
„Das ift die Schlangenfönigin — Der tritt am Maienmorgen
Mit weißem Tuche vor fie hin, Sie muß die Kron’ ihm borgen.“ Der Mutter Jungſter auch vernahm Das Lied vom Krons Gewinnen, Und als der Maienmorgen kam, Lief er mit weißen Sinnen
Und breitete fie muthig aus
Und harte ohne Bangen,
Bis kam aus ihrem Felſenhaus Die Königin der Schlangen.
Sie bäumte wild ihr giftig Haupt Und legt’ die Krone nieder; Schnell mit dem Schmud, ven er geraubt, Lief er zum Meere wieder.
Und warf fie in den nächt gen Schoß Dem fluthenden Gewühle;
Die Nympphlein alle, ein und groß, Die werfen fie im Spiele,
Der Aeltfte kam zu fpät heran: Die Schlange, die verenvet,
Fand er des Schmudes abgethan Und feine Kron’ entwendet.
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Reid und Schwert.
Des Aeltſten Weh ift gut beftellt, Und feine Luft — im Grabe; Der Jüngre finget durch die Welt Am leihten Wanderftabe.
Zu fpät.
Ber fhreitet in der Nacht allein? Es ift fo fpät!
Die Sterne fehen graunvoll drein — Es ift fo jpät!
Das ift des Landes rother Sohn,
Der Henker, der zum König gebt,
Der wacht noch jegt auf feinem Thron, Es ift fo fpät!
Der Henter ſpricht: „Die Hand mir bebt, Das legte Haar ift bald verweht,
Ich hab’ dir fünfzig Jahr gelebt,
Es ift fo fpät}
„O König, laß mid) ruhen nun
Und laß mic enden mit Gebet;
Du tönnteft faſt ein Gleiches thun, Es ift fo jpät! —"
Der König drauf: „Saft ſprichſt du wahr, Die deine Hand mit Zittern fleht — - Faſt mahnt's mic felber an die Bahr! Es ift fo fpät!
„Ich feh dein Haar und den? an meins, Doch gehft du,.ift bald mitverweht
Der legte Glanz des Kronenſcheins;
Es ift fo fpät!
Eviſch⸗ lyriſche Gedichte. 79
\ „Bir müffen ſtets beifammen fein! Es iſt zu fpät ſchon fürs Gebet, Mein Henker! Laß mich nicht allein; Es ift zu fpät!®
der Adferkönig.
Ein König, erzählen die Sagen,
Ein König fiel in der Shlaht — Die Schlacht, fie ward gefälagen In düftrer Urwaldsnacht.
Die Kron’ ift ihm entſunken, Der Burpur flieget ihm fort, Am Eihenbaume zu prunfen, An Zweigen, die längft verborrt.
Sein Söhnlein flieht in die Höhle Und lebt da nad) Klausnerart, Bis innen ihm auffproßt die Seele, Ums Kinn der junge Bart.
Da folgt er als Waidmannsgeſelle Dem Reh durch Waldesnacht, Bis daß er weilt auf der Stelle Bon Vaters Todesſchlacht.
Da fieht er die gelbe Krone
Im Bufche, wie tief verftedt — Ein Baldachin ob dem Throne, Den Purpur darüber gededt.
So ſieht er im Eichenforſte
Des Vaters Erbe bewahrt, Er fieht, wie zum Adlerhorſte Des Vater Krone ward.
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Kelch und Schwert.
Den Purpur um ven Naden, Ums Haupt das güldene Band, So fteigt von den Felfenzaden Hinab er ins ebene Land.
Ihm folget in naher Ferne
Im Kreife der Adler Schaar, Sie laſſen die Krone nicht gerne, Die lang ihre Wohnung war. Vom König erzählen die Sagen, Vom Könige, wunderſam,
Der, feine Feinde zu ſchlagen, Bon Adlern begleitet kam.
Den Adlern fol man e3 danken, Daß fie bewahrt feine Kron’ — Dem König, daß feine Gebanten Die Adler umfreist feinen Thron!
Zwei Hdiüffe.
Um Mitternacht zwei Schiffe flohn BVorüber ftil wie Särge:
Der ahnt es bier, daß eind den Sohn, Daß eins die Mutter berge?
Er eilt, nad mandem Sturmesbraus . Die Mutter zu umfaflen; ,
Sie hat daheim ihr ftilles Haus,
Nach ihm zu fpähn, verlaffen.
Sie weiß nit, wie ihr da geſchehn! Ihr Aug ift thränentrübe —
Er fühlt ob feinem Herzen wehn
Den Geift der Mutterliebe,
Goifgefgrifge Geite. 8
Und immer weiter, weiter flohn
Die Schiffe, FIN wie Särge —
Es ahnt fein Menſch, daß eins ven Sohn, Daß eins die Mutter berge.
Die Wagd.
Sie bürftet ihm die Schuhe blank, Die Magd dem Sohn vom Haufe, Er eilt und nidet faum den Dant, Er geht zu Ball und Schmaufe.
Sie bleibet auf dem Boden nien, Wie fie vor ihm gelegen,
Sie fieht ihm nach und fegnet ihn Mit ihrem ſchonſten Segen.
„Du ſchöner Sohn der reihen Frau, Geh hin und tan und ſcherze;
Daß dir mein Auge nie vertrau', Die trüb und krank mein Herze.
„Geh zu den jhönen Damen hin In Spigen und in Geibe, Und niemals trüb’ es deinen Sinn, Die viel ih Schmerzen leide. „Sud eine ſchoͤne Braut dir aus Und nimm aud meinen Segen — 3% bin ja nur die Magd vom Haus, Ich will fie treulich pflegen. „Jetzt mach’ ich Feuer, bis durchwärmt Dein Zimmer wird allmählig, Daß, wenn du in der Nacht gef hwärmt, Du auch noch träumeft felig.
Rorit Hartmann, Werke. 1. 6
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Kelch und Schwert.
„O, träumt er doch einmal von mir! Ich will nicht ſchlafen gehen,
Kommt er zurüd, will id) ihn bier Im Haus die Erfte ſehen.“
Drei Höhne.
„Sei ruhig, Weib, mag aud) ein Pfeil
Im Kampf mich arg verwunden,
Ward mir ein Zauberſpruch zu Theil, Der macht mich ſchnell gefunden;
Wenn nur mein Sohn den Zauber ſpricht, Zerſtudten Herzens fterb’ ich nicht.”
Er zieht zur Schladt und kehrt zurüd Und mit zerftüdtem Herzen,
Gebrochen fat ift ſchon der Blich,
Doch ſcheut er nicht die Schmerzen.
„Dich ehr’ ih, Kind, ſprich aus geſchwind Den Zauber, eh die Zeit verrinnt.“ —
„Soll ic) ein Thor fein — fol ein Wort Mic) hindern, jegt zu erben?
Dich traf der Pfeil — es ift fein Mord, Wenn ich dic laſſe ſterben.““
Der Aeltſte ſchwieg, ihm war belannt Das Wort, das hätt’ den Tod gebannt.
Der Vater ruft: „Zum längften Fluch
Hab’ ich nicht Zeit die Stunde —
Mein Zweiter, komm, fpri du den Spruch Ob meine Tobeswunde;
Ich war der treufte Vater dir,
Eil, treues Kind, denn weh wird mir.“
Goifhelyriihe Gedichte.
Der fpricht den Spruch mit treuer Haſt Und ftet3 von Neuem wieder,
Doch ftrömet fort und ärger fait
Der heiße Blutfirom nieder.
„D Weib, o Kind, wie matt bin ich, Der Zauber täuft mid fürdterlih.” —
„Der tauſcht dich nicht,“ die Mutter fprict, mein Schweigen muß ich brechen:
Der jegt ſprach, ift dein Same nicht,
Laß deinen Jungſten fpreden.”« — Berftummen foll er, ‚arges Weib!
Nun fahrt zur Grube, Seel’ und Leib!"
Das Heidekind.
Als ich ſah mit offnen Bliden, Sand ih mid in frember Welt; Bater warf mic ab vom Rüden, Mutter ſprach: Auf Gott geftellt Hab’ ich’3 nun; ic will nicht fehen Hungernd bier mein Kind vergehen.
Und fie gingen, er zur Linken,
Sie zur Rechten, immer fort;
Sah nicht mehr fein Meſſer blinfen, ‚Hörte nicht ihr frommes Wort, Und fo ftand mit meinem Leibe
Ich allein auf meiter Heide.
Bater, rief ich, deine Waffe!
Nur dein Meffer gib mir mit,
Daß ich mir mein Efien ſchaffe Durch beherzten Stich und Schnitt,
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Red und Schwert.
Daß ich nicht vor Hunger fterbe, Ich, dein einziger Sohn und Erbe. Mutter, rief ich, die Gebete, Fromme Worte lehr' mid noch, Daß id) es vor Gott vertrete,
Denn ein Chriſt, Das bin id) doch, Daß ich mit dem Zug der Frommen Kann zur Himmelstafel lommen. Doch fie gingen, — Und Gebete, Waffen ſind's, was mir gebriht; Daß mich Gott und Menſch zertrete, Ber’ id) nicht und morde nicht, Steh’ unfhläflig zwiſchen Beiden: Das iſt's, was wir Armen leiden.
Der Klausner.
Die Maufe leer — der Klausner tobt, Gras wuchert auf der Schwelle,
Drinn borrt fein lehtes Mittagsbrod — Drauß rauſcht fo dd die Duelle.
Die Erde ſcharr' ich betend auf,
Den Klausner hinzulegen;
Ein Kreuz von Eichen ſtell ich drauf Und fpreche meinen Segen.
Dafür laſſ ich die Alaufe mir
Mit ihrem ftillen Weben
Und Iebe bis zum Tode bier
Ein dumpfe3 Träumerleben.
Dann kommt ein Jüngling wohl heran, Bon Gram hinausgetrieben,
Epifgpelgrifhe Gedichte.
Der in der Welt ſich umgethan Mit Sehnen, Hoffen, Lieben —
Der nehm’ die Sandelſchuh mir ab Und meinen Mufchellragen,
Bon Kreugdornholz den krummen Stab Soll er zu Lehen tragen.
Der nehme meine Hütte dann,
Nur Diefer fol fie haben;
Der foll fo fromm, wie ich's gethan, Den frähern Herrn begraben!
Auch Diefer wird ein ehrlich Grab Im Waldesgrund erwerben — Ein Vierter kommt und 188t ihn ab Im Leben, wie im Sterben.
Die Brautfahrt.
Zwei fremde Ritter figen im Kahn, Sie fahren hinab die wallende Bahn ;
Der Rhein ift ſtill, der Rhein ift tief,
Ob drin mand) verzaubertes Nizlein fchlief'.
Da fprict der Eine mit goldenem Bart: Beim Himmel! Das ift eine Iuftige Fahrt! Ich fahre hinab nad; Köln am Rhein, Des Biſchofs blauäugige Nichte zu frein.“ Da ruft der Andre mit ſchwarzem Haar: „Daß ift deine legte Fahrt fürmahr " — Sie zogen die Schwerter, das Eiſen blinkt, Und in die Wellen der Blonde fintt.
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Rad und Schwert.
Allein figt der Schwarze, aufs Schwert geftügt, Unheimlich fein düfteres Auge bligt.
Und fährt er hinab nah Köln am Rhein, Schwimmt langfam die Leiche hinterbrein.
Im Kerker. -
„Bald bricht durchs Gitter Tageslicht,
Bald tönt dad PBartifangellirre;
Schläft vor der Thüre doch der Shirre, Mein Knabe, ah! was ſchläfſt du nicht ?“ —
um 8 it meine erſte Kerlernacht, —
Dab ich nicht ſchlafe, o verzeihe,
Mein Vater! ’3 ift die erfte Weihe,
Womit das Elend mic, bedacht. . „„Nicht ſchredt mich, was der Morgen bringt, Als Kind fterb’ ich für Freiheit gerne,
Der Meifter du, von dem ich's lerne,
Wie man zu Kettenraffeln fingt.
„„Dem König ruf’ ich's ins Geſicht:
Sieh junge Brut auf dem Schaffote,
Ich fterbe freubig dir zum Spottel
” Das freut, doc ſchlafen kann ich nicht.
nnÖetrodnet find die Pfeile kaum,
Die Bruder, Mutter mir getöbtet — Mein Kleid von ihrem Blut geröthet — D Gott, id} fürdte meinen Traum.
nnd meine Schwefter! — daß nicht bricht Mein Herz, mir ſei's von Gott vergeben, Dich hat gehärtet ſchon das Leben,
Mein Vater, f&hlaf! ich kann es nicht."
Eviſ ⸗ hriſche Gedichte. 87
Da kommt der Tag — ſeht, was im Bau Sein erſter Sonnenblid beleuchtet:
Ein brauner Mann, der thränbefeuchtet Anftarrt fein Kind, das jung und grau.
An Morgen.
Am Morgen feufzt und ruft der Graf: Mein Schwert für eine Nacht vol Schlaf, Mein golden Vließ, mein Scharlachkleid Für einen Traum aus alter Zeit.
Sein Knäblein ihm zu Füßen faß, Es fah ihm in das Antlig blaß, Es fah ihn lang und ſchweigend an, Es hob die Hand und fagte dann:
Ich gäbe drum mein fhönft Barett,
Müpt’ ich nicht ftet3 fo früh zu Bett,
Zuft wenn bei Nachtigall, Mond und Stern Ich noch im Hofe bliebe gern.
Doch erſt im Bett, bezahlſt du nicht, Daß dann mir kommt das Traumgeficht Mit Feld und Wald und Berg und Thal, Gehöft und Stall und Waffenfaal.
Nicht nähm’ ich deinen Grafenhut, Nicht nähm’ ich drum dein ganzes Gut Und nicht dein Horn von Helfenbein: Ich träum’ von meinem Miütterlein.
Den Schlaf, die Träume, kauf fie nicht! Noch bläffer würde dein Geſicht;
Denn kam' fie dir wie mir fo hold, Das Herz im Leib dir brechen ſollt.
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Reid und Sqwert.
Ich gäbe dann mein Grbtheil drein, Beläm’ ich nur mein Mütterlein,
Das du gequält haft, hart und raub — Bis fie verbarb, die fhöne Frau.
Der Weiſter.
In Granada find Paläfte viele,
Die da werth Al Raſchids, des Chalifen, Werth auch, daß auf ihrer ſchlechtſten Diele Hourisgleiche Odalislen ſchliefen;
Werth, daß Allah's höchfter Knecht
Kühn ausftröme im Gefecht
Seines Blutes gottentfprungne Duelle,
Daß kein Eprift entweih die Marmorſchwelle.
Minarette, die die Tempel frönen, Sind vergleihbar mit den ſchlankſten Palmen, Drum au mag's wie Weit in Blättern tönen,
Wenn ihr Haupt umrauſcht von Moslems Pfalmen.
Bon der Heinften der Moſcheen
Mag mit Stolz der Halbmond fehn,
Den am Schlachttag der Prophet getragen, Als vor Melka er fein Zelt geſchlagen.
Und der al Das ſchuf im liebevollen Schoͤpfungsdrang, der figt in büftrer Kammer: Bor ſich graue Pergamentesrollen,
In der macht'gen Hand des Zirkels Klammer; In Gedanken tief verfentt,
Sinnt der Meifter und bedentt,
Wie die Kräfte, die dad AN umfpannen,
In die ſchwache Kraft der Kunft zu bannen.
Epiſch· lyriſche Gedichte. 89
In die Kammer tritt ein Bote, ſprechend: „Herr, dein Name hallte hunverttönig,
Wie ein Choruf durch Felien brechend, Ueber Land und Meer zum Chriftenlönig — Und fo ift denn fein Begehr:
Einen Tempel hoch und hehr
Sollſt du ihm und feinem Volle bauen, Wie fie in Granada nur zu hauen.”
Drauf des Meifters Worte bittern Hohnes: „Soll id} Tempel baun dem Chriftenvolte? Um die Werke eines Wüftenfohnes
Soll fi) wölben eure Weihrauchwolle? Wohl! Die höcfte Tempelpracht
Rufe meiner Künfte Macht:
Sinft ihr nicht in Staub vor dem Propheten, Seine Gläub’gen Kunſt follt ihr anbeten.“
Stieg zu Schiff und flog zum nord'ſchen Strande: Stand der König da mit reichen Gaben,
Und die Meifter in der Ehrfurcht Bande
Neigten fid) als SHaven dem Araben!
Gold, in Schichten aufgehäuft,
Demant, den der Oft gereift,
Und von taufend Armen Männerftärte
Sind bereit, zu helfen ihm beim Werte.
Bon den Höhen rauſchen Eichenhaine,
Die da hüten ew'ge Dämmerungen,
Die fo milde in des Mondes Scheine '
Wie ein Herz, von Gläubigfeit durchdrungen; Durch des Haines Zweige zieht
Tönend Luft, gleichwie ein Lied
Aus Germaniens Zeiten, die gefchieden,
Die ein Lied verfhollener Druiden.
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Relh und Schwert,
Die er's abgelaufcht dem norb'ihen Walde, Wo die Stämme ſich zu Tempeln neigen
Und dem Kreuzgang gleicht die dunkle Halde, Ueberbedt von brütend duſtrem Schweigen: Laßt der Meifter Stein auf Stein,
Die die Stämm’ im alten Hain,
Zu der Säulen ernften Reihen fügen.
Ob fie gläubig felbft emporgeftiegen?
Stehn von ftarrer Blumentett' umſchloſſen, Und vor allen, wie zwei Eichenväter, Streben auf bie beiden Thurmgenofien Durch die Woltennacht, zwei mäct'ge Beter! ! Und herab vom hoben Chor,
Wie der Strom durchs Feljenthor, Stürzet wogenmädtig das Chorale; Die ein Wald ertost die Kathedrale,
Vor dem Werk, dad er emporgerufen,
Sieht der Meifter Völker nieverftürzen,
Hört den Segen von des Altars Stufen, Haucht die Düfte, die den Raum durchwürzen; Und der Orgel tiefer Klang
Schlaget an fein Herz fo bang:
Ob denn nicht des Beten Harmonieen
Seine Bruft im eignen Dom durchziehen? —
Fort! — er rufl's und fliegt zu Schiff von binnen, Fort ins Land, wo er Moſcheen baute!
Aber Zweifel hat umflort fein Sinnen,
Der, ein böfer Reif, ins Herz ihm thaute:
„Iſt Der fremdem Gott geweiht,
"Der fid feinem Glauben Teiht?
Muß, wer Anvern zündet Altarkerzen, Sie entzünden aud am eignen Herzen?”
Gpifhelgrifge Gedichte.
Nacht iſt's — und es glänzt der Halbmond nieder, Von der Küfte wehen Orgeltöne,
Und es glänzt im Meer der Halbmond wieder, Und dort wohnen Allahs gläub'ge Söhne!
Und der Meifter fteht am Bord —
Das des Meifters duſtres Wort:
Drgeltlang und Halbmond kann's nicht fünden: Wo, wo ift der rechte Port zu finden? —
„Auf, ihr Schiffer! ſchlaget wild die Ruder, Hin nad Afrila's durchglühter Küfte
Und den neuen Marabutenbruber
Lautre heil'ger Sonnenbrand der Wüfte!
Der eud Kirch’ und Tempel gab,
Baut zulegt fein eigen Grab —
Zweifel mag den Tempeln wobl entiteigen; Ueberm Grabe ruht — ein fihres Schweigen.”
Der weiße Schleier. Im Kerter liegt in eijernen Banden Beim Henfermahle der Ungargraf. Er wollte helfen den eigenen Landen, Er fühlte fi) unter Stlaven ein Sklav, Darum fo früh fein Loos ihn traf. .
Der Ungargraf, kaum zwanzig Jahr, So nahe — nicht der Todtenbahr,
Das wäre Troft — fo nah dem Galgen, Bo um fein Hirn die Raben ſich balgen, Und ſchlaft auf feinem Lager von Stroh So kummerlos, fo linderfroh?
Er hat geweint an der Mutter Hals: „D Mutter! fieh dein einziges Kind,
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Kelch und Schwert.
Wie bald fein glühendes Leben verrinnt, Die bald fein Name ruhmvollen Schalls Verhallet in ſchmahlicher Todesnaht; — Ich bin geftanden in mander Schlacht, Ich habe gejubelt in Kampfgewittern,
Und morgen, o Mutter! werde ich zittern!"
Die Mutter ſprach: „Nicht zittre, o Sohn!
Ich werde Inieen am Kaifertbron,
Da oben figt ein lalter Deſpot,
Doch wird ihn rühren der Mutter Noth;
Und wenn fie dich führen die Schmerzensbahn, Dann hart’ ich dein auf meinem Altan,
Und Taf’ id ven ſchwarzen Schleier wehn, Dann mußt du, o Kind! zum Tode gehn; Dann ſchreit' ihm entgegen mit feftem Muth, Du bift, mein Sohn, ein Ungarblut.
Doch fiehft du umhüllt mein Angeſicht
Bom weißen Schleier — dann ift dir gegeben
Vonm Kaifer gnädig dein junges Leben,
Und faßt dic der Henker, fo zittere nicht.”
Und darum liegt der rebelliihe Graf Am legten Tag im ruhigen Schlaf,
. Der zeigt ihm im Traume der Mutter Bild
Am Alten, vom weißen Schleier umpüllt.
Die · Glode tönt — durd die Straßen zieht Der Henterzug mit langſamem Schritte, Den Jüngling in ver ſchaurigen Mitte; Aus Fenftern und Erkern die Menge fieht, Und fallende Thrämen und Blumen trafen ALS Madchengrüße den jungen Grafen.
Epiſch⸗lyriſche Gedichte.
Gr aber bemerkt’3 nicht und ſtarrt nur hinan, Bo die Mutter ftand auf hohem Altan,
Vom weißen Schleier umhüllt das Geficht. Und freudigen Muthes folgt er dem Zug
Mit feftem Schritte und zitterte nicht,
Und wie ihn die Henlerſchaar erhob
‚Zur legten Stufe — er lächelte drob.
Und ver weiße Schleier? — O Schmerzensbetrug,
Die ihn nur eine Mutter erfinnt, Im Tode nicht zittern zu fehn ihr Kind!
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Vermiſchte Gedichte.
Geſchic, mit einer eing’gen Eunſt Rannft du die Zufunft mir verbriefen: aß mich vergeffen nicht bie Runft,
Die ſchone Kunft, mich zu vertiefen.
Der Frühfing.
Es ſchwebt ein Geift ob der Frühlingspracht, Ich hab’ ihn oft belaufcht,
Wenn er herab von den Sternen der Nacht Mit Seraphefittig gerauſcht.
Er fpriht zum Körnlein im Echoof der Luft: Nach dem Kirchhof nimm deinen Lauf
Und fa auf der Jungfrau grüne Gruft
Und keim' als Lilie auf.
Er ſpricht zum Stämmlein, noch dünn und zart: So ſproſſe und wachſe nur fort,
Ich hab’ dich zum Kreuze aufbewahrt
Im Walde, am nägtlihen Ort.
Er ſpricht zum Epheu, im Grund verftedt: Red vor deine grüne Hand, Daß fie die morfhen Trümmer mir dedt, Bald ftürzt diefe fefte Wand.
Vermiſchte Gedichte.
Erinnerung, Tod und Liebe wehn Herab von den Sternen der Nacht; Erinnerung, Tod und Liebe gehn Vereint durch die Fruhlingspracht.
Wein ganzes Seben iſt ein Yraum.
Ein Pfeil ift mir ins Herz gefprungen,
Das dröhnt und dröhnt noch jegt zur Stunde ,
Und bfutet jegt no meine Wunde: Das ift das Lied, das ich gefungen. Das klingt in wenig Jahren laum; Mein Weh und Ad,
Wer fingt es nad:
Mein ganzes Leben ift ein Traum.
Ein armes Mädchen ward begraben, Ic hab's geliebt und glaub’ noch heute, Es war ein frohes Brautgeläute,
Das damals fie geläutet haben.
Wie'3 tönet um den Waldesfaum,
€3 kam und floh
Die Liebe fo:
Mein ganzes Leben iſt cin Traum.
Ein Bruderherz fhlägt mir entgegen; Ich liebe dich, und du bift ferne,
An deinem Herzen möcht’ ich gerne Mein Haupt zur kurzen Ruhe legen; Und zwifchen und wel weiter Raum! Bann kommft du mir?
Bann komm’ ich dir?
Mein ganzes Leben ift ein Traum.
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%,
Keld) und Schwert.
Du heil ges Weltmeer, Weltgefhichte! Ich ftieg in deinen Buſen nieder, Und freiheitshoffend kehrt ich wieber Und fah begeifternve Gefihte!
Wie? oder war's nur weißer Schaum, Der kommt und gebt
Und ſchnell verweht?
Mein ganzes Leben ift ein Traum.
Frühes Alter.
Ad, altern fühl ich meine Seele, Grmatten meines Herzens Schlag; Die ſchoͤnen Sünden, holden Fehle, Sie fallen ab mit jedem Tag.
Das bunte Kleid, die Burſchenlappe Vertaufcht mein Geift mit ernftem Schnitt; Die Phantafie, einft wilder Rappe,
Geht einen reifemüden Schritt,
uUnwiderruflich wellt die Roſe,
Und ihre Wiege wird ihr Grab; Die wellen Blätter flattern loſe, Der Jugend Träume fallen ab.
Kein Frühling lehret dem Gemüthe, Der einmal aus dem Herzen ſchied, Nur Einmal ftand dein Herz in Blüthe, Nur Einmal fangeft du ein Lied.
Du bift fein Baum, der ein Jahrhundert Sic) ſtets in neue Ringe ſchließt,
Den jever neue Lenz verwundert
Mit Vogelfang und Blüthen grüßt.
Vermiſchte Gedichte.
Kein Frühlingsring, nur ftarre Rinde Iſt, was die Jugend um dich giebt; AG, glaube nicht dem frohen Kinde, Das bald ſich auch betrogen fieht.
Schon blüht ihm noch das legte Veilchen, Singt ihm die letzte Nachtigall —
Ad, harre noch ein kurzes Weilchen, Dann fahl und ſtille überall.
Die Schwalbe.
Was bift du anders, armes Herz, Als wie ein Heines Schwalbenneſt, Das, um zu wandern fernenwärts, So gern die Schwalbe Glüd verläßt.
Indeß fie flücht’ge frohe Raft Genießt in einer Balmenmelt, Kehrt in das Neft fo mander Gaft, Der eine tolle Wirthſchaft hält.
Es lommt der Froft, das Heine Haus
Iſt bald zerriffen und verheert;
Dann kommt der Sturm, der wild hinaus Die legten, weichen Flaumen kehrt.
Und kehrt die Schwalbe in ihr Haus, Iſt es zerriffen und zermüblt,
Daß in den Trümmern ihres Bau's Sie nimmermehr ſich heimiſch fühlt.
WMorig Hartmann, Werke, L
*
98
Kelch und Schwert.
S:tammbuchblatt für
Wilhelmine Clauß.
Wie glüdlih war in allen Dingen Der große weimariſche Alte!
Noch fpät, als ſchon in grauen Ringen Die Lode um dad Haupt ihm wallte, Da ward von feinem Geniufle
Das holde Kind ihm zugefandt,
In deſſen Liebe, deſſen Kuſſe
Er ſich und ſeine Jugend fand.
Da ward das Kind ihm beigegeben,
Ein lebend Lied, von ihm geſungen, Und Mignon bat fein ſpates Leben
Die einft ven Jugendtraum durdklungen. Er ſah vom Kinde fi verftanden,
Und wieder blüht’ er auf und fang
Und wob die Pracht aus Morgenlanden Zur Gluth von feinem Niedergang.
So gut, ad, follt’ es nimmer werden Dem Geift, ven man Beethoven nannte, Er ging al3 Einfamer auf Erden
Und ſchied von ihr als der Verfannte, Er blidt herab mit düſtrer Miene,
Dir aber lachelt mild er zu:
Die nachgeborene Bettine
Des Meifterd der Mufit bift dur.
Sonette. Geftalten,
Letzter Glaube. Ber wird dem Sagenwort nicht glauben wollen! Und das erzählt: Wenn Einer erft verfchieven, Nicht ruht er gleich im vollen Grabesfrieden, Noch bleibt die Luft an Lieben, Haß und Grollen.
Noch gleicht fein Haupt dem Kelch, dem übervollen, Ein ganzes Leben noch umjhwirrt den Muden;
Er wird von Luft und Leib erft dann geſchieden, Wenn ſchon das Grab die legte dedt der Schollen.
Und wie e3 ift im Grab mit dieſem Einen,
So will das ganze Menſchenvolk mir fcheinen, Wenn e8 im Grabe liegt der Weltentrümmer: Es kann das Herz von feinem Weh nicht laſſen, Un Lieb’ und Freiheit wird der Glaub’ erblafien, Wenn mit ihm ftirbt der legte Sternenſchimmer.
In der Heimat. Es ift ein tiefe Thal — die Lüfte Schweigen, Des Baches Wellen lispeln kaum im Fliehn — Kaum, daß bie Stürme, die darüber ziehn, Der Ulme ruhevolle Wipfel neigen.
100 Reh und Schwert.
Die Nebel, die aus feinen Gründen fteigen, Des Muhlrads dumpfe Schlummermelovien Umfchlingen fi zu nächt'gen Harmonien, Die Elfentänze mit der Gnomen Reigen.
‚Hier darf ein Herz friedvollen Taktes ſchlagen, ‚Hier darf es wieder ſich zu trauen wagen Und liebend glauben, was es felbft erfinnt.
‚Hier darf der Geift den müben Fittig ſenken, Das Aug am Himmel feiner Erde denten, - Bis wieder um die Welt fein Flug beginnt,
An eine Trauernde.
Bald werden deine Wunden ftill vernarben, Denn du, o Mädchen, du gehörft dem Leben; Bald wird fid wieder all dein Glüd erheben Wie Blumen, die auf Stunden nur verbarben.
Dir lacht die Welt ja zu in hellen Farben,
Dir ward, genug wär’, nicht allein das Streben, Dir wurden noch die Früchte beigegeben:
Du ernteft Blumen heim mit deinen Garben.
So raff dich auf, bezwinge, was dich quälte, Grheb das Haupt, das einſtens wir befrönen, Und tritt mit Füßen jedes Leid der Erbe.
Nicht ziemt es ſich für eine Auserwählte, Demfelben Schmerz zu dienen und zu fröhnen, Bon dem fie weiß, daß fie ihn zwingen werbe.
Sonette. 101
Anmuth.
Mein Antlig ift von Scham umflirrt, Geden? id, wie in künft’'gen Zeiten Ein Nachgeſchlecht uns richten wird Und unfer ſchales Handeln deuten.
Ob wir wie Taubenvolt gegirtt,
Ob wir gelebt im Kampf und Streiten: Selbſt die Gefchichte wird verwirrt Darüber ihren Schleier breiten.
Und heißen wirb’3: Entnervte Zweiheit Hat ihres Weſens fi bemeiftert, In Gott und Teufel, Luft und Leide.
Sie fprachen viel von Gott und Freiheit, Ihr Wort erglänzte, wilobegeiftert — Doc war’ nur leere Schwerterfcheide.
Des Kaiſers Geiſt.
Durch Deſtreichs Völker geht die fromme Gage, Der Kaiſer Joſeph ſei noch nicht gegangen
Zu feinen Vätern, ſondern ſei gefangen
Bei ſchlechtem Turkenvoll noch heut zu Tage.
Ein wachſern Bild nur liegt im Sarkophage, Der Kaiſer lebt im ewigen Verlangen,
Daß er zu feinem Bolt nicht kann gelangen, Zu hören und zu fchlichten feine Klage.
Des Volles Kinderblid durchdringt die Hüllen: Der Kaiſer lebt in Geift und Freiheitswillen, Die ſchlechte Heiden jegt in Banden halten.
102 Reid und Schwert.
Des Volles Glaube wird ihn einft beſchwören, Die Feflel fprengt er dann und kommt, zu hören; Dann bebt, ihr Heiden! denn die Glaub'gen walten.
Des Kindes Deinen im Hdilafe. Woher dieß Weinen, das fo fhaurig ftöret Des Kindes Schlummer oft um Mitternacht Und defien Klang Jedweden traurig madt, Als hätt’ er vom zerftörten Glüd gehöret?
Noch hat's zu weinen nicht, daß es bethöret Der Welt zu reiche Opfer ſchon gebracht; Noch ift es nicht ſchmerzvolle Liebeswacht, Die weinend fhöne Tage rücbeſchwöret.
Wie Harfen ift jedwedes Herz befaitet,
Es ift ver Schmerz, deß Hand darüber gleitet, Der noch big jegt den Preis im Lied errang: In diefer Stund’ ift er, trotz Nachtgebeten, Zu prälubiren an das Bett getreten, Verfuchend feiner Lünft’gen Harfe Klang.
Aus der Ferne.
Noch nie ift meinem Ohr dein Wort erflungen, Doch den?’ ich mir's von fo melod'ſchem Klange, Wie er ertönt in Sappho’3 Wettgefange,
Mit dem fie höchften Liederpreis errungen.
Bei deinem Blid voll füher Dämmerungen, Bei deinem Lächeln und harmon’ihen Gange Wird fehon dem Herzen alfo wohl und bange, ALS würden Harfenfaiten angeſchwungen.
Sonate. 103
Ich bin zufrieden. Wie zu einem Sterne, Bon dem ich weiß, daß er fromm fingend ftrahle, So blid’ id auf zu dir aus meiner Ferne.
In ganzer Schönheit ruht jedwedes Schöne, Und um des Bildners ftumme Ideale Bebt noch ein Chor der wonnevollften Töne.
Vezte. 1.
Ber kennt ven Schrei nicht unfrer weiſen Mahner: „Die Republik ift eine fhöne Sache;
Doch fehlt das Volk, das fie zur Wahrheit made, & fehlen unfrer Zeit Republitaner.
„Und ſchwarze Suppe trinfende Spartaner Vermißt man auch mit ihrer knorr'gen Sprache; Ja, man bemerkt, daß unfer Volk nur lache!“ — Sie haben Recht, die ew'gen Sefunbaner.
Wir aber träumen ſchön von heitrer Tugend, Bon einem Reich mit Lied und Wein und Kuffe, Bon einem Rei, das holde Künfte würzen.
In foldem Reiche wird die ew'ge Jugend Bon felber treiben hundert Curtiuffe, Die ſich für ihn in jeden Abgrund ftürzen.
2%
„Vorwihig ift’3, den Beiten vorzugreifen, Laßt nur das Alte ftehn — laßt uns indefien Bei Standrecht, Kerker, unterbrüdten Prefien Der künft'gen Freibeit ftill entgegenreifen,
104
Kelch und Schwert.
„Was frommt e3, laut zu hadern und zu keifen, Das Bolt muß erft — zum Beilpiel wie in Heſſen — Der Freiheit tiefe Grundidee ermeffen,
Um dann bewußt die Feſſel abzuftreifen.”
O Daniel! — die blutig uns regieren,
Die follen uns den Plato kommentiren,
Die Bücher von den beften Republiten?
Die Rofe foll im dumpfen Kellergrunde Gedulvig harren der Entfaltungaftunde Und nit in hellen Frühlingsfonnenbliden?
3.
Dann fagen fie: „Die holven Künfte, o! Sie gehn zu Grund in ſolchen Pöbelftaaten, Wo Fürften fehlen und Ariftofraten,
Die doch allein des Lebens werden froh. „Der Bürger ſchwitzt, verdumpfet im Bureau, Sein höchſter Lurus ift ein Sonntagsbraten, Und damals gab es feine Mäcenaten,
Als Roma’ höchfte Dächer noch von Stroh.” Ad, ihr vergaßet ein Geringes nur:
Daß wohl das höchfte Kunftwert der Natur Der freie Menſch. — In feiner eignen Ehre Erhabner Sonne, ohne Fürſtenſchutz,
Geht er dahin, im Antlig edlen Trug,
Er felber ein Apoll von Belvedere.
4.
Da braucht e8 keine Gönner, bie „beftellen“, Wo alles Volk ver Schönheit Macht ergreift,
Sonette.
Wo ein veredeltes den Künften reift Als eine Schaar von herrlichen Modellen.
Athene's Meifter ſahen an den Quellen, Gewand und Feſſel waren abgeftreift, Heimtrug Lorenzo, was vor ihm gereift, Und Titian beherrfchte mit die Wellen.
Bei uns daheim — wer war der Mufenführer ? Die Wiegenftadt der Sachs und Viſcher, Dürer, Weil dort geweht ein Volls- und Freiheitshaud.
Doch ſchaut auf die Verfailler Treibhauspflanzen: Gepflegt, geihoren von des Hofes Schranzen, Da ftehn fie tobt und fteif — ein Tarusftraud,
5.
Ihr malt ung gern als Räubervolt und Diebe, Ihr zaudert nicht, uns ſchwärzeſt anzuſchwärzen, Uns aus dem Buch der Ehrlihen zu märzen, Ihr Gläubigen der Religion, der Liebe.
In der Verleumdung Danaidenfiebe
Bleibt doch fein Tropfen, der uns könnte ſchmerzen; Die Nachwelt wird ung tragen doch im Herzen, Wenn felbft ein König die Geſchichte ſchriebe.
Wir bliden nur zurüd nad alten Zeiten,
Dort fagt e8 und, wie unfre Zukunft werde, Manch Marterwertjeug, manche Lorbeerkrone.
Den Holzftoß zeigt und Huß, den ruhmgeweihten, Der Hutten uns fein Grab auf fremder Erbe,
Auf freie Völter lächeln Waſhingtone.
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106
Reid und Schwert.
6. Die reihe Güter immer euch gehören, Doc bietet ihr vergebens fie als Lohn, Daß wir dafür mit einem einz'gen Ton Die Harmonie in unfrer Geele ftören. Da wir und felber ew'ge Treue [hwören, Bird unfre Armuth nicht und euer Hohn Stark fein genug, daß wir uns felbft bedrohn, Daß wir uns felber gegen und empören. Bei allem Leiden, allem Ungemade Spricht etwas dod) in una mit fanfter Sprache: Was ift das Leid? — und was find fiebzig Jahr? Doch tritt vor und die Schaar von Idealen, Das Haupt umlränzet von der Zukunft Strahlen, Dann ruft e3 laut und ſtolz: Für immerbar!
7. Ihr wittert ſtets Verſchwörung und Komplotte Un feget hin die blutigen Gerichte, Indeſſen aber lächelt die Gefchichte Auf euch hernieder mit dem Mugen Spotte. Wenn wir uns ſcheuten vor des Tages Lichte, Dann wären wir nur Bonzen unfrem Gotte, Dann wären wir wie ihr nur eine Rotte, Und fo wie ihr dann gingen wir zu Nichte. Hell, wie die Sonne, wandelt der Gedanke, Der uns verfnüpft, aus nächt'gen Kerlerwänven, Hoch über euren Häuptern, ohne Schranke. Wir find wie jene wunderbaren Bäume, Die der Befruchtung Keim einander fenben, Ob fie getrennt durch länderweite Räume.
Gefalten. 107
Autoepitaph. Der ich hier lieg’, umhällt vom Leichentuche, Ich hulle mich in das Bewußtſein wärmer, Daß ich and Ziel kam, wohl an Täufhung ärmer, Doch ungedrüdt von eines Edlen Fluche. Was ich gethan im Leben und im Buche, Ich that es nie als Iobbebürft'ger Larmer, Und hieß id} aud in Dem und Jenem Schmwärmer, Doch war ich nie mit mir im Widerfpruche. Was id) gewollt, da wollt’ id ohne Lüge, Ich hab’ nach Ruhm geftrebt, und zu dem Biele Lentt' id die Schritte ohne Wintelzüge. Ich habe Lieb’ empfangen und gegeben, Ich fang daheim und fang nod im Erile — Und fo verklingt, ein Lied, mein ganzes Leben,
Albſchied vom Freunde.
So ſcheiden wir — ich drüde dir die Hand, Ich kuſſe did — jo fheiden wir,
Ich reiß mic) los von dir — von ihr, Vielleiht auf ewig — nimmer euch zu fehn, Und nimmer Hoffnung der Vereinigung!
Und wenn wir fterben? — Du und fie und ih? Du badeft di, ein Salamander dann,
Im Flammenſee, ein Salamanderjüngling — Beraufcheft did mit glühenven Gefellen
Im Feuerwein, der did umftrömt!
Jetzt deine Lieder — Flammenjungfraun Sind's dann, die dich umkreiſen wild
Im heißen Bajaverentanz;
108 Kelch und Schwert.
Jegt deine Liebe — dann bie rothe Kohle, Darauf du rubft, als einem Divan — Denn tiefer ift des Aetna's Abgrund nicht, Als deine Seele!
Und fie? Durd Tod nit umgewandelt, Nur umgezaubert, wird fie brechen
Aus feuer Anosp’ auf Perſiens Flur; Als Rofe blühn, vom Weſt umfpielt,
Und Duft verhauchen, Lieb’ im Dufte, Mit Lieb’ und Duft umfpinnend Bülbül, Die einftens mid!
Indeß ob weitem, wüftem Meer,
Vom Sturm verjagt, wie einft vom Glüde, — Der Rofe fern, wie einft der Liebe —
Ein Schmetterling fo einfam flattert; Denn leiter Sinn und Jugendträume, Sein Flügelpaar hat ihn getäuſcht.
Das wäre Seligteit und Hoffnung
Und Liebe — Einigung im AN? — Getroft! — Jahrhunderte vergehn,
Doch Liebe nicht, die Zeiten bannt. Jahrhunderte verſchwinden — eine Balme, Die Gluth in id — den Quell zu Füßen, — Eine Sängerin im ſchatt'gen Laub —
Ihr Spiegel ift der Duell.
Den freien Fels im Ozean Umtanfet der Korallenbaum, Die Perle träumt in feiner Hut — —
Sehnſucht wird ewig Brüden bau'n!
Geſtalten. 109
Heine Kühkehr. 1840.
Oftwärt? nad Europa’3 Küfte Segelt geifterftill ein Schiff — Betet, daß kein Sturm es ftöre, Und e3 hindere fein Riff!
BVetet nicht; denn die Delphine, Die Arion unverfehrt
Zu der Heimat Schooß getragen, Halten dieſes Schiff auch werth.
Dem dieß Schiff ein Schwan erfcheinet, Irrte nicht in feinem Wahn;
Denn e3 ruht die Liederfeele
Jeht darin von einem Schwan.
Wem ind Aug die Maften fallen
Mit den Raa'n und Wimpeln all, Mag e3 einem Hain vergleichen, Drinnen wohnt die Nachtigall.
Mikloß Lenau fteht am Borde, Ihm zu Füßen liegt das Meer, Tiefer nicht, als feine Seele, Und wie er fo ahnungsſchwer. Wie vergleichbar feinem Herzen Alles, was bier Blüthen trieb, Meeresblumen und Korallen, Berle, Muſchel und Polyp!
Milloß Lenau! kehrſt du wieder Und mit dir dein glühnder Schmerz, Daß die Welt fih Hagend preſſe Wieder an dein Dichterherz?!
110
Aelch und Schwert.
Denn dieß Herz ift uns die Urne Mit der Aſche einer Welt,
Und der weihevollfte Altar, Dahin eine Thräne fällt.
Sieh die Schwalben an den Maften, Sie find umfrer Wunſche Heer, Ihrem Frühling nachgezogen:
Unfre Grüße über3 Meer.
Horch dem Sturm, er ift ein Eflave, Uns von deinem Freund geborgt, Der der Fernen Liebesbotſchaft Ueber Meer an dich beforgt.
Hoch willkommen in der Heimat! Deine Sendung ift beftelt — Denn du Hagteft und umarmteft Aud den Schmerz der neuen Welt! Klagteſt ven gefällten Urwald
Und das Volk, das mit ihm fiel, Die dereinft ven Sturz der Eichen Und der Weichfel blut’ges Epiel.
Wir begrüßen dich mit Liedern, Leg binweg den Wanderſtab; Weil’ in Mitte veuticher Jugend, Die dir Rof’ und Lorbeer gab; Während ſich das Volt Virginiens Singend um die Tanne ſchaart, Die getreu in ihrem Herzen Deinen Namen aufbewahrt.
Oſtwarts nad) Europa's Rüfte Segelt geifterftil ein Schiff; Beet, daß fein Sturm es ftöre, Und e3 hindere fein Rijj!
Geſtalten. 111
Betet nicht; denn die Delphine, Die Arion unverfehrt
In der Heimat Schooß getragen, Halten dieſes Schiff auch werth.
An Anaſtaſtus Grün. 1841.
Erſtandner Lenz bift du genannt: Fürwahr, es ift auch Frühling worden, Als du, ein Held im Sängerorden, Dein Frühlingalied hinausgefandt.
Es war aud) jeber deiner Klänge Eine Lerche, die gen Himmel ftieg, Es Hang auch jeder deiner Gänge Wie Jubelton vor Schladt und Sieg.
Du warſt der erfte von den Boten, Die Auferftehung uns verhießen, Es hörten’ in der Gruft die Todten Und die Gefangnen in Verließen.
Nun jagen fie, du haſt's verfhmäht, Dem Bauer auf der Flur zu finden, Daß, wie er jegt die Halme mäht, Der Herr bald durch die Länder geht, Zu mähn die Saat der alten Sünden, Nur fagen fie, daß did die Scham So niebern Treibens überlam,
Daß unfer holder Troft, dein Lied, Betrübt aus deinem Bufen ſchied; Daß du nicht mehr dem wahren Gott Zu Ehren fingft der Pfaffen Epott,
112
Reid und Schwert.
Und daß dein Flügel nun verläßt Auf freiem Feld das niedre Neft:
Und daß, o Lerhengeift! vernimm’s! Daf du nun deine Wohnung bauft
An altergraues Schloßgefims
Und gläubig in die Fenfter ſchauſt.
Sie fagen’s, doch die Gläub’gen, wir, Bir glauben, daß du nimmer ſchweigeſt, Daß du nur immer höher fteigeft
Ins hohe himmlische Revier.
Bald wirſt du fingend wiederkehren, Dann werben wir vom Himmel hören; Doc) kehre bald mit deinem Sang — Furwahr, die Stille mat una bang.
An die Freunde, 1842.
Am Strand der fhönen Adria,
Am Strand des Meeres, fig’ ih allein —
Ich höre das dumpfe, myſtiſche Braufen, Sein Kommen und Fliehen ohne Unterlaf, Sein ftoljes Rauſchen erwachender Fluth, Sein klagendes Murmeln demüthiger Ebbe, Sein Seufzen und Jubeln in Sturmesnoth — Und ich empfind’ es in tiefſter Seele:
Ein fühlendes, weltumfaſſendes Herz
Mit redender Stimme und lebendem Pulsſchlag Will ſprechen zu einem Menſchenherzen.
Gefalten. 113
Es fpricht, wie des Himmels nädtlihe Bläue Mit ihren Sternen zum Herzen ſpricht — Es ift wie des Hohenpriefter3 Gewand, Daraus die heiligen Zeichen glänzen.
Und doch, du ſchönes, herrliches Meer,
Du unnahbares, undenklic großes,
Du himmliſch reines, herzenbelehrenves, Doch bift auch du vom Schidjal gefnechtet Und bift befledt durch deine Knechtſchaft. Wohl fhmüden dich völferbefreiende Flotten, Dod mußt du auch tragen das Sklavenſchiff; Wohl wiegft du des Fiſchers Unſchuldſegel, Doc auch des Korfaren blutige Wimpel; Wohl tönt dir das Liebeslied de3 Matrofen, Doch auch der Galeere, des Bagno Fluch.
Dein Frühlingstraum, dein Lenzgedanke,
Er wird in dir zum Hain von Korallen,
In Perlen blüht und reift dein Schmerz;
Doc wird geftört dein Frühlingsglüd
Durch Schlangen, Polyp und häflih Gewürm. Und doch, du hohes, heiligeö Meer,
Do fonnt fih mit trübem und ftolzem Bewußtſein In deinem Bilde gern meine Seele. —
Euch ruf ich's zu, ihr fernen Freunde,
Die ihr mit Zweifeln verfolgt mein Herz,
Gefpäht nad) jedem Fleden der Seele
Und die ihr nur mit flüchtigen Bliden,
Die Vögel über die herbftliche Heide,
Dabinfuhrt über die fhönften Stellen
In meinem Herzen und meinem Leben —
Euch ruf ich's zu, ſei's wie das Braufen,
Sei's wie dad Seufzen und Alagen des Meers, Morig Hartmann, Werke. I. 8
114 Reid und Schwert.
Sei's wie die Mahnung erwachender Fluth, Sei's wie das Murmeln demüthiger Ebbe: — Was Großes und Schönes die Völker verbindet, Was Herzen bewegt und was ſich wieget
In der Einfamteit ureigener Schönheit,
Zu tragen bereit iſt's die Heine Welle
Des großen Weltmeers, meine Seele,
Wie feine Flotten das Weltmeer trägt,
Sein Fiſcherſegel, fein Liebeslied.
Und was darüber — Das ift die Laft Tyranniſcher Willkür und ewiger Knechtſchaft, Vom Leben und Schidjal uns aufgebürbet Und die wir zu tragen verdammt find — Alle,
O, lommt ang Meer und feht in die Bläue, Der Himmel blidt aus feinen Tiefen — Trotz ihrer ewigen Befledung,
Aus Meer und Herzen blidet der Himmel.
Um Weere.
(Gette, im Mai 1851.)
Da fig’ ich wieder
Zu deinen Füßen,
Du berrlih, Seelen erweiterndes Meer! Dir bring id dar
Andachtige Hulbigung,
Wie meiner Königin,
Meiner Geliebten.
Ich tauche mein Haupt
In deine Wellen ;
Die heilige Taufe
Durchdringt mic mit Schauern;
Seflalten. 115
Es züdet mein Herz,
Als hätt’ ich berührt
Den Saum der Geliebten, Dann wieder umbüllt mich So Hare Rube,
Als hätt’ ich geopfert Gefällige Gaben
Den Göttern, die mein Dafein bewachen; Als hätt’ ich das Antlig Gedrüdt in die Falten Des Gewandes der Mutter Nach fpäter Heimlehr.
Gedenlſt du der Zeit noch? An anderen Ufern
Hab’ ich einft belaufcht Dein Athmen und Singen, Umweht von Träumen Der hoffenden Jugend.
Ich habe mich ſtolz
Mit dir gemefien;
Mein Herz war groß
Und weltumfafiend
Wie du! — fo wähnt' es! 63 fluthete mädhtig,
Sept ift es Ebbe.
Gewiß, gewiß, du ertennft mich nicht mehr!
Es träumet der Knabe Von reichem Erleben; Erfüllung erfehnet,
Es ftrebet nach Thaten Und kampfet der Züngling. Die That, die Erfahrung, Sie follen als Schäge
. 116
Kelch und Schwert.
Sich häufen um ihn.
Ad, nicht bedenkt er,
Daß jegliche That
Mit jeder Erfahrung
Un jeglicher Kampf
Um Lebensbaum ihm Unmerflic ſchüttelt.
&3 zittern ängftlih
Die Blüthen und wanken Und fallen endlich.
Da fteht er traurig,
An Frügten reiher — vielleiht; An Blüten ärmer-— gewiß!
Dort um den Giebel
Des düftern Thurmes, Der einfam, verlaſſen
Am Strand ſich erhebet, Fliegt krachzend die Schaar Der nachtigen Dohlen, Die um die Stirne
Des verlafienen Mannes Am Strande bier
Die trüben Gedanten.
Ich wende mid) ab vom traurigen Bilde.
Hier fährt ein Kahn hinaus,
Raum regen fi die Ruder,
Er ziehet leife bin
Und ſchwebet auf den Wellen
Gleih einem Morgenwölllein,
Bom Sonnenlicht durhglommen,
Auf blauem Grund des Himmels.
Doch Iuftig wehn die Wimpel,
Die Männer fenten ſchweigend f
Geflalten. 117
Die Nege in die Zluth
Und kehren ſchweigend wieder Zum Strand zurüd. — Sie hoffen Am Abend reihen Fang.
Und bier am mädt'gen Meerſchiff — Die Kette knarrt — ſchon fteiget Der Anker aus den Grunde, Es grüßen ihn die Lieder,
Der Jubel der Matrofen.
Das Segel fällt vom Mafte, Hinziehet der Palaft,
Gewalt’ge Furchen grabend, Hinaus, hinaus ins Weite. Und zu des Meergotts Füßen, Der vor dem Schiffe pranget, Hängt, wiegend fi, der Anter. Er ziehet mit dem Gotte Voraus dem Schiff, dem Steuer; Noch fallen Silbertropfen,
Vom Abendlicht durchglänzet, Von ſeinen Eiſenarmen Melodiſch in die Tiefe. Hoffnung! Hoffnung!
Du treibſt ſie Alle,
Du führſt fie Alle;
Sie geben ſich hin
Verbundenen Auges
Der Führerin, der guten, Drum können fie lädeln, Lächeln und fingen
Am Rande des Abgrunds.
Wo hab’ ich verloren
Die Binde des Auges,
118
Kelch und Schwert.
Di, Täufhung der Jugend, Dich, ſußes Vertrauen ?
In welchem Wintel
Des ermiüdeten Herzens Bift du entſchlummert, O Führerin Hoffnung?
Die Wellen murmeln, Sie raufhen und braufen Machtig und mächtiger — Das ift ein Chor
Bon taufend Stimmen Entichlafener Geifter — Sie erwacht, fie erwacht Beim Diurmeln des Meeres, Beim Blid in die Weite, Beim Aufſchrei der Seele: Die unfterbliche Hoffnung.
Neuexe Gedichte.
(1847.)
Widmungsfonette.
1 An Henri Sandesmann (in Bien).
Seht Hin zu ihm, ber mir vor Aden theuer:
Auß deffen Herzen mir bie eiog'e Duelle
Entgegentam ber Liebevoliften Welle,
Der mich entflammt durch feineß Geiſtes Feuer; Und jagt ihm an, baß in ber Fremde treuer
Sein Gerge fühlt der wandernde Gefelle,
Dah er ſich jehnet nach der Heimat Schwele,
Bie er fie einft geflohen, ſcheu und feuer; Und fagt ihm noch, daß ich In meinen Sieben
Erft meine eigne Welt gefunden habe,
Seit mid mein 2008 zur fremben hingetrieben; Da meine Welt nur wen'ge Hütten zahle,
Daß aber er mit weifem Gerrjgerftabe,
Won Sieb’ erhößt, in ihrem Kreiß befehle.
2
Un Iakob Venedey (in Paris).
Dann fliegt zu ihm, bem herrlichen Berbannten, Der einfam wandelt an dem fernen Strande, Und ſeid ein deutſcher Gruß auß deutſchem Sande, Ein Gaſtgeſchenk dem theuern Gaſtverwandten.
Wie wir uns einft als Brüber bald erkannten, Der Sohn des Rheins und ber vom Molbaurande, So flattre jegt gleich ſchwarzrothgoldnem Bande Um ihn das Lieb des Prager Mufifanten.
Hart find, ich weiß, bie Treppen des Eriles: Ihr, meine Lieber, freut euch dieſes Bieles, Verhulllt fie ihm wie hingeftreute Rofen.
Hart iſt das Bett, das in ber Fremde flehet: Mit foldem Hauch fei er von euch umwehet,
Als ob er ruht’ in beutfhen Waldesmooſen.
König Wenzel der Faule.
L
Hufanna.
Ein altes, alte Hauß im alten Prag,
Eas Heißt daß Rönigdhab noch feut zu Tag,
Und e8 befpül’s der Moldau Blau Geioäffer, Darauf ein Bild, das mit Berebtem Munde
Bon Dem, was einftend Hier geſchehn, gibt Runde; Doc wird dad Bild von Jahr zu Jahre bläffer. Und mag das Bild auch enblih gang verblaffen, Und mag erflerben nad) und nad} bie Sage:
So Mandes, was geſchieht noch heut zu Tage, Bird und fobalb nict bran vergeffen Taffen.
Im Bade dehnt fih König Wenzeslaus — Die laue Welle fpielt um feine Glieder Die füge Wolluft weicher Liebeslieder, Die üpp’'ger Schlaf nad ſchwelgeriſchem Schmaus.
Dem König Wenzel ift fo wohl zu Muth, Daß er wie Kindlein fpielet mit der Fluth: Er läßt fie über Hals und Naden ſchäumen Und überläßt ſich lachelnd füßen Träumen; Und träumt fo wahrhaft jüß, als wär’ hienieden Errungen ſchon ber ewige Völferfrieben, Als wäre nicht daS heilige römifche Reich, Das ganze, Einem blut’gen Schlachtfeld gleich,
122
Neuere Gedichte.
Als bebte nicht am eignen Herd der Bürger,
Als zöge nicht durchs Land der Judenwürger,
US drüdte nicht den Wandrer unbehaust,
Wohin er zieht, das Recht der blut'gen Fauſt,
Als flöfle nicht um ihn das Blut in Strömen
Aus den entflammten Herzen feiner Böhmen,
Als keuchte nicht die blaffe Hungersnoth
Rings durch die Gafjen Prags und ſchrie nah Brod.
So träumt ein König nur wie Wenzeslaus, Schwankt wie ein Nahen auch fein Königshaus:
„Ein König, der de3 Geiftes Sonnen preist
Und feinen Henter gern „Gevatter“ heißt, Der feine Königin vorwarf den Hunden Und füße Lieder fingt zu allen Stunden.
Ja, aud ein Sänger ift der holden Minnen Der zubenannte faule Böhmentönig: Mild klingt fein Lied und Kirhenglodentönig. Wie er im Bad ſich ftredt, in tiefes Sinnen, In aufgelöste Träumerei verfentt! Vielleiht, daß eines fühen Lieds er denkt.
Da ftört ihn auf ein Lärm — ein fernes Schrei'n, Ein wildes Stimmenrufen mittenbrein, Ein tolles Jauchzen und ein dumpfes Heulen, Ein Dröhnen wie von Lanze, Schwert und Keulen, Die Sturm und Wirbelwind, in Eins verflofien. Der König hebt im Babe ſich verdroſſen, Er ſtredt daS bärt'ge Haupt empor, zu Taufchen: „Sind es der Moldau Wellen, die jo rauſchen? Schlägt fo der Sturm an dieſer Hütte Planten, Die, ob fie ftürzen wollten, bebend wanken ?“
Da tönt herein des Aufrubrs erfter Grub: Den Pfaffen Tod! — und hoch Johannes Huß! —
Rönig Wenzel der Faule. 193
„Iſt's Das? — ich geb’ euch gern die Pfaffen brein, Hoch Iebe Huß! gern ſtimm' ich mit euch ein.“ Ein zweites Grüßen: Nieder mit den Räthen, Die uns die Seele aus dem Leibe treten! Der König fpricht: „Iſt euch das Volk zur Laft, So nehmt es bin — iſt mir wie euch verhaßt.” Doch immer wilder tönt des Aufruhr? Stimme, Das Haus erzittert vor des Volles Grimme. Hier ruft e8: Fauler König, gib und Brod! Dort ſchreit die Wuth: Seid frei und ſchlagt ihn todt!
Die Keulen dröhnen an gejhloßner Pforte Und an des Königs Ohr morbluft'ge Worte. Er bebt — da ift fein Weg, der ihn errette, Die Moldau hier und hier des Volles Kette.
Da ftürzt des Haufes ſtarke Magd heran; Sie wirft ein Linnen um des Königs Lenden, Dann faßt fie ihn, und mit gemalt'gen Händen Fort zieht fie ihn, hinaus und in den Kahn. Fort! ruft fie, fort, eh fie das Thor erbrechen Und ihre Noth in deinem Blute rächen!
Das Ruder faht fie an, und weit vom Ufer Das Schifflein fliegt auf ſturmbewegter Welle, Indeſſen ferne an des Bades Schwelle Verhallt das Schreien der rebel’ihen Rufer. Stromaufwärts fliegt’? — die Sturmeswellen heben Und werfen es, als wollten fie erfühlen Die füge Luft, mit einem Koͤnigsleben Gleichwie mit einem leichten Ball zu fpielen.
Sufanna aber fchlägt fie mit Gewalt Aufs Haupt mit ihrem Ruder, daß e3 [halt Die eines Schwertes Schläge ohne Zahl Auf eines Feindes Helm und Schilverftahl.
124
Neuere Gedichte.
Vorüber an der Infeln grünem Rande Und an des Wiſſehrades felſ gem Stande Lentt fie das Schifflein mit gemwalt'ger Hand Und weiter immer fort ind offne Land.
Auf niedrer Bank der König Wenzel fit, Kaum daß er feine Blöße kann bebeden Bor Well’ auf Welle, die herüber fprigt Und höhnend nad) ihm ſcheint die Hand zu ftreden.
Wie ihn die Welle wirft — ihm ift es recht! Fürwahr, Der kennt den König Wenzel fchleht, Der meint, daß ihm vor Volt und Welle bangt. Nicht doch — in ftiller Luft fein Auge hangt An der gewalt’gen, wellenmädtigen Mag, Die, wie fie vor ihm fteht mit lofen Haaren, Durch die die Winde ftürmifd wühlend fahren, In ihrer Schönpeit feinem Sinn behagt.
Er fieht fie an mit laͤchelndem Geſicht,
Wie fie das Ruder ſchwingt, wie ihre Glieder, Selbſt Wellen ähnlich, wogen auf und nieder, Wie fi ihr Antlig röthet — und er fpricht:
„Du, Jungfrau, alfo ſchön und kühn und ftart, In deren Glievern glühet Wlaftas Mark, Dir ſchuld ih Dank: ich will in Hermelin Und Sammet hüllen deinen ſchönen Leib, " Du feift als ſchönſtes und als kühnftes Weib In Zulkunft meines Hofes Königin! Mit Gold und Evelftein will ich di fhmüden Und Perlen reihn um deinen fhönen Hals, Du wirft die Sänger meines Hofs entzüden Und leben in den Liedern ew'gen Schalls.“
Sufanna’3 Stirne flammt, ihr Auge bligt, Sie Ientt mit Einem Stoß den Kahn ans Land,
König Wenzel der Faule. 125
Und auf das Ruder ihren Leib geftügt, Spricht fie alfo, zum König hingewandt:
„Ich bin ein Weib des Volks und will e3 bleiben! Dir laß ich Hermelin und Eveljtein Und deines Hofes fluchbeladnes Treiben, Dazu des Volkes jammervolles Schrei'n, Nicht will ih mich vom Mark und Schweiß und Blut, Von de3 zermalmten Volks geftohlnem Gut Mit deinen Sängern und gelrönten Gäften An deinen königlihen Tafeln mäften. Haft du's gehört, wie es in feiner Noth Auffchreit und achzt nad einem Bifjen Brod? Nach deines Tiſches abgefallnen Reiten? Und ic) foll folgen deinen Freudenfeften? — Ich fluche dir fo fehr, wie fie dir fluchen! Und ſchwere Sünde fcheint mir jept, fürwahr, Daß id) nach Weiberart fo weibiſch war, Der Rache dich zu fehlen, die fie fuchen. Jetzt fliehe ſchnell, daß mich zu fpät nicht reue, Daß ic) dem Volt gebrochen fo die Treue, Daß ic von Neuem nicht das Ruder faſſe Und von den Wellen, die darob empört, Daß ich das heil ge Volksgericht geftört, Entgegen did den Rächern treiben laſſe.“
Der König floh ins offne Land dahin Gleich einem Bettler, laum verhüllt die Glieder; Sie aber ſchwamm, glei einer Königin, Auf wilden Strom zu den Rebellen nieder.
126
Neuere Gedichte.
I. Der finde Zingfing.
Ein alted Büglein mit vergilbten Blättern, wit fonberbar gefrümmten, grauen Lettern, Säleict Heut nod, wie ein Greiß, von Haus zu Haus: Der Urahn liest den Enteln vor daraus, Und burd) bed Voltes Glauben ifV8 gewelhet. Es tlinget wie ein geifterhafter Gruß Und faget, wie zur Zeit des Neger duß Ein weifer, blinder Jüngling propfegeiet,
Der König Wenzel hat die böfe Stunde; Da hilft nicht Saitenfpiel, nicht Becherllang, Nicht die geheimnißreichſte Reichsurkunde, Nicht das Gelläff der wilden Baſtardhunde, Nicht eigner und nicht fremder Minnefang.
Er ſchweifet durch des Schlofies weite Gänge — Da ſchredet ihn bei jedem Tritt und Schritt Der Wachen Auf, ver Glanz der Partifanen, Vom Giebel hoch der Pfiff der Wetterfahnen, Vom Thurm die mitternächt'gen Glodenklänge Und, wie er an des Schloſſes Pforte tritt, Der Bettler felber, der die breite Schwelle Sich außerwählt als gute Lagerftelle.
Der König lehnt fih an die Pfofte ſchweigend Und laufchet auf des Bettlers guten Schlaf Und denkt, zu feinem Haupt ſich niederneigend: Wohl dir, daß du nicht König Wenzeslav.
Ihm ift jo weh, als zudten alle Krämpfe
Des weiten Reichs durch feine eignen Glieder,
Und alfo wüft, als tönten alle Kämpfe
Der deutſchen Zwietracht ihm im Kerzen wieder. Und zu ſich felber fpricht er: Wer zu fagen Mir wüßte, was fi) bald mit mir begibt,
adnig Wenzel der Faule. 127
Ob neu in Pracht erfteht in nahen Tagen,
Ob meine Herrlichkeit in Nichts zerftiebt?
Ich hörte fagen, daß in jenem Haufe,
Das einfam ftehet in des Walds Gebraufe,
Ein blinder Züngling lebt, der geift'gen Blids
Zu deuten weiß die Rathſel des Geſchids
Und wohl zu leſen in der Zukunft Bude —
Erprob' ich feine Kunſt? — ob ich's verfuhe? - Den Bettler ſchredt er auf vom harten Bett,
Er wirft ihm bin fo Mantel als Barett
Und reißt ven ſchlechten Kittel ihm herab
Und den zerfegten Hut, den Bettelftab,
Und eingehüllt in miebre Bettlertracht,
Geht hin der König durch die dunkle Nacht.
Er ſchreitet ſchweigend durd die dden Gaflen,
Dann über Stege und verlaßne Straßen,
Dann über Berge, Schluchten, Thal und Wald
Und immer weiter ohne Aufenthalt,
Im Ton des Windes, in der Blätter Raufchen
‚Hört er Verräther, die ihn feig belaufen;
Ihm iſt's auf diefem Weg, ob das Geſchick
Ihm folgt’ und fäß’ ihm würgend im Genid.
Schon will der Morgen lieblich auferftehen, In hoher Krone lacht der Auerhahn, Die Vöglein fiimmen ihre Lieder an, Aus Gras und Büfhen hundert Augen fehen Bon Eihhörnlein, Kaninchen, Hirſch und Neben, Als wollten fie ſich fhier verwundert fagen: Bor König Wenzel ift heut nicht zu jagen, ‚Heut kommt er nicht mit Lanz und Pfeil und Bogen, Heut fommt er mit dem Bettelitab gezogen.”
Jetzt fteht er vor der Hütte des Propheten; Noch hält er zaudernd an der Schwelle inne,
128
Neuere Gedichte.
Ob er fich felber auf fich felbft befinne, Dann ſchnell entſchloſſen ift er eingetreten.
Auf einem ſchlechten, ftrohbebedten Lager Liegt eines Junglings krankende Geftalt, Blond ift fein Haar, doch feine Stirn ift alt, Und feine Glieder find gebleiht und hager. An fieht man's diefen außgebrannten Augen, Daß fie das Nächte nicht zu ſehen taugen; Doch wie fo ftier hinſchaun die blaffen Sterne, Wohl ſcheinen fie zu fehn in weite Ferne.
Er hebt vom Lager fih, und hin zur Pforte-. Sich neigend, fpricht er finnend diefe Worte: „Was bebt die Schwelle jo von meinem Haus? Ich grüße dih, mein König Wenzeslaus.”
Der König fragt: „So haft du fon vernommen, Daß ich zu deiner Hütte wollte kommen?“ — Der blinde Jüngling aber lachelnd ſpricht:
„Dein Pförtner weiß von deinem Ausgang nicht; Des Waldes Thier’ allein, der Blätter Raufchen Hat e3 gewagt, dic) mandernd zu belaufchen. Dem Bettler neideft vu, o König Wenzeslan, Auf hartem Steine feinen füßen Schlaf; J Und kommſt nun ſelbſt in niedrer Bettlertracht, Zu betteln bei ver Zukunft heil' ger Nacht
Und durch des Blinden geiſterhafte Blicke
Zu deuten dir die Räthſel der Geſchice.“ —
Run denn, fo ſprich, du Blinder, ohne Zaubern I" Der König ruft es, feine Glieder ſchaudern, Er lehnt fih laufend an der Hütte Wand Und dedt die Augen zu mit kalter Hand. Der Blinde neigt dad Haupt, die Zunge lallt, Kaum hörbar bebt das Wort aus feinem Munde
u
König Wengel der Faule. 129
Bis immer ftärker, immer düftrer ſchallt Wie Sturmgebraufe die Prophetenkunde:
Ich fehe lodern einen Scheiterhaufen — Sancta simplieitas! — fie wollen taufen Den edlen Gottesfhwan in Feuerägluthen: & fprühen Funken aus dem Aſchenhauf Ins Böhmenland, es brennt, es lodert auf — - Und durch die Flammen ſeh' ih hohe Fluthen Aus taufend Herzen ftrömen, die verbluten — Und beimifche und fremde wilde Horden Und eine lange Reih von Gräul und Morden — Bis an das Knie im Blute geht ihr Fuß. Dann ſeh' ih Noth und lange Bein unſäglich, Gebrochne Wappen, Herzen, Geifter klaglich — Dann Heilige durch heil’gen Martyrkuß. Dann wehen fremde Fahnen von den Binnen, Dann wird das ftille, ftumme Reich beginnen; Der alte Gott, die Lieber find gebannt, Und tiefe Rub ift auf das grüne Land AS wie ein weites Leichentuch gebreitt; Doc) ift die ftile Zeit nod weit — noch weit.” —
„Was kümmert mich die weite, ferne Zeit,“ Der König ruft — „von Morgen ſprich, von Heut!"
Der blinde Züngling aber grollend fpricht, Mit aufgehobner Hand: „Dieweil dich fümmert nicht, D König Wenzeslaus, die ferne Zeit, Gib Acht, gib Acht, daß dir von deinem Heut Mein Seheraug nichts Böfes prophezeit! ALS König Saul zu Endors Here ritt, Trug er fein Todesfchwert zur Seite mit; Als Belſazar gefehn des Himmels Rechte, In felber Nacht erſchlugen ihn die Knechte.“ Rorig Hartmann, Werte I. 9
130 Neuere Gedichte.
Der Blinde ſchweigt — er ſchließt die Augenliver, Er neigt fein Haupt bis tief zum Herzen nieber, Dann ruft er aus mit fchaurigtiefem Ton: nDein Reid) ift faul — e3 ftürzt bein Königsthron!“ —
„Und wann?" — der König Menzel ruft'3 entfept. Der Blinde murmelt: „Lab dem Sand mic, laufen — Noch zwanzig Körnlein, ha, wie ſchnell fie raufhen — Im kurzer Friſt — zehn Körnlein noch — fünf — jegt!” —
ba? — Jept!" — Der König lacht des Trugpropheten, Er ſchwingt den Bettelftab, als wär's ein Schwert, Und aus der Hütte, wie er eingelehrt, Iſt er mit wilder Haft hinausgetreten.
Gr eilet über Berge, Thal und Wald Und immer weiter ohne Aufenthalt; Schon neiget fich der ſüße Fruhlingstag, Die Sonne finkt, als er vor feinem Prag Noch unerkannt in Bettlerkleivern ftund. Da glänzen von den Thürmen fremde Fahnen Und von den Thoren fremde Partifanen — „D falſcher Bruder, Bruder Sigismund!"
Balladen.
Andreas Banmkirder. (12. April 1471.)
Meine Sorg und Rüg id nie
dod gefpart und allgeit gewahrt —
Hab’ Gnad, Gunft verpofft,
Doc 8 Gemäth zu Hof verkehrt ſich oft, Georg Frundäberg.
1.
Des Baumtlicherd Fraue weinte ſehr, Als er davon geritten: So war ihr nie das Herze ſchwer, Wenn er in Kampfes Mitten.
Der Baumlicher lächelte mohlgemuth Und ſprach: Mein Kind, ich reite In Kaiſers Schutz und Kaifers Hut Und habe frei Geleite.
Bon Morgen früh, mein liebes Weib, Bis fpät zur Abendglode, Iſt Heilig das Blut in meinem Leib, Auf meinem Haupt jede Lode.
So hat es der Kaifer mir zugeftellt, Verbrieft und zugeſchworen,
132
Neuere Gedichte.
Was ftünde noch ſicher und feft auf der Welt, Wär’ Kaiſers Dank fo verloren?
Ich hab’ ihn gerettet mit meinem Blut Aus Tod und Schmad und Gefängniß, Ich gab ihm dahin mein legte Gut In feines Beutels Bebrängniß.
Schlecht ging es dem Kaijer Frieverih — Ich. gab ihm den legten Gulven; Er fann nicht zürnen, daß nun ih Eintreibe ein Quintlein der Schulden.
Der Kaifer gedenkt, wie einst ich gefällt ' Den Ungar vor Neuſtadts Thoren ; Was ftünde noch ſicher und feſt auf der Welt, Wär’ Kaifers Dank fo verloren?
„Des Kaiſers Dank“ — es weinte ſehr Die Fraue des greiſen Helden, Des Kaiſers Dank macht das Herz ihr ſchwer, Man weiß davon Manches zu melden.
2.
Zu Gratz der Stadt geht's luſtig her, Der Baumtkircher ift angelommen; Der Kaifer hat ihn freundlich fehr In feinem Haufe aufgenommen. Baumklircher, dent an die Spätglod!
Der Kaifer ladet ihn zu Tiſch Und vrüdt ihn zärtlich an fein Herze, Und Ungarweine ſprudeln frisch, Der Kaifer machet Wig’ und Scherze, Baumkircher, denk an die Spätglod!
Boladen. 133
Der Kaiſer hebt das volle Glas, Es thun's ihm nad) die Anvern alle: Heil unferm alten Andreas!" tönt es zu Trompetenſchalle. Baumlircher, dent an die Spätglod!
„Bin ich dir nicht ein gnäd'ger Herr? Ich gab dir dreizehn freie Stunden.” — „Wohl mir, mein hoher, gnäv'ger Herr, Ich trag für dich juft dreizehn Wunden.” Baumlircher, denk an die Spätglod!
Die Zeit entflieht, es hören nicht Im Rauſch die Räthe auf feine Alagen, Doc ift er kommen zu Geriht —
Im Herzen Etwas will ihm fagen: Baumlicher, denk an die Spätglod!
Er fpricht: „Gebt mir noch eine Frift, Es Tommt doc nicht zur Rechnung heute.” — Sie lacheln drauf: „Dein Ruhm nur ift Des Kaiſers Dank, dein beft Geleite.“ Baumtkircher, denk an die Spätglod!
„Des Kaiſers Dank!“ Wie ihn gewedt Dieß Wort, er muß der Frau gedenken; & blidt um fi und fieht erſchredt,
Daß ſich ſchon will die Sonne fenten. Baumlircher, denk an die Spätglod!
3.
Er fteigt zu Roß, er fliegt davon. „O, wär’ ich erft in rechter Weite Und vor des Kaiſers Dank entflohn, Mir bangt vor ſolchem Freis&eleite Und vor des Kaiſers Friederich Dank.“
134
Neuere Gedichte.
Er ftürmet durch die Gaſſen bin — Die Spätglod tönt — o arg Geläute! Beh mir, daß ich verrathen bin!
Die frühe machen Nacht fie heute, D, Kaiſers Dank, o, Kaiſers Dant!
Schon fteht er an der Brüde Thor, Zwei Schritte noch — da fällt der Riegel, Baumtkircher ftredt die Hand empor Und bebet krampfhaft fi im Bügel:
O, Kaiſers Dank! O, Kaiſers Dank!
Baumkircher wendet ſchnell ſein Roß, Und durch die Stadt will er entrinnen. Da fällt ein zweites Thor ins Schloß, Baumkircher ftehet mitten innen.
D, Kaiferd Dant! O, Kaiſers Dank!
Und aus dem ſchwarzen Brüdenhaus Kriecht betend vor ein ſchwarzer Pfaffe. Dann tritt im vothen Wamms heraus Der Henker mit der ſcharfen Waffe:
D, Kaiſers Dank! O, Kaiſers Dank!
Noch fteht die Sonne heil und hoch, Doch tönet ſchon die Spätglod wieder — Der Kaiſer fügt bei Tiſche noch, Baumlichers Haupt fällt blutig nieder — D, Kaiſers Dank! D, Kaifer3 Dank!
Die Zidin.
Der König reitet durch die Gafien, Die buntgefhmüdt zum Sefttag find, Da fteht verloren und-verlaffen
Balladen. 135
Im Volk verftedt ein braunes Kind — Die ZJüdin war fo fhön zu fehn!
Und wenig Tage find vergangen, Daß fie am Thron des Königs fteht; Wie fid) entfärben ihre Wangen,
Bon Scham der Jungfrau überweht — Wie war die Zain ſchon zu fehn!
Und dann nad) wenig Tagen wieder Wohnt fie im marmornen Balaft,
Bon Gold und Sammt umhült vie Glieder, Das fhöne Antlig mehr verblaßt: Die war die Züdin fhön zu ſehn!
Wenn fie der König kußt und herzet Und fie in feinen Purpur hüllt,
Wenn fie ihm weg die Sorgen fcherzet Und felber ihr die Thrän’ entquillt, Die ift die Judin ſchon zu fehn!
Auf ihrem Bett, dem thränennaffen, Liegt ſchlaflos die Frau Königin;
Sie ift fo einfam und verlaffen, Und knirſchend feufzt fie vor ſich bin: Die ift die Judin ſchon zu fehn.
Der fromme Biſchof flucht der Schande, Die Sand und Volt und Kirche brüdt, Und daß in ketzeriſche Bande Ein Chriftentönig fi veritridt,
Und daß die Judin ſchon zu fehn.
Des Königs Pag’, der an der Pforte Der Zübin nachtlich warten muß, Entbrennt, wie er die Liebesworte Da draußen hört und Kuß um Kuß —- Die Jübin war fo ſchon zu fehn!
136
Neuere Gedichte.
Die Kön’gin fpricht zum heißen Knaben: Ich will dir geben Land und Gut, Und meine Tochter folft du haben, Nimm diefen Dolch, doch fei bei Muth, Die Zadin ift fo fhön zu fehn!
Der Biſchof fpriht: Nimm meinen Segen Und meine Abfolution; Sie ftärken di auf deinen Wegen Zur frommen That — fei ftark, mein Sohn, Die Züdin ift fo ſchön zu fehn!
Der Bage fpricht: Der Herr verderbe, Frau Königin, dein Kind und dich! Euch mit, Herr Pfaff — die Judin fterbe, Weil fie ein Andrer küßt als ih; Die Zabin ift fo ſchon zu fehn!
Und Morgens fchleicht er in das Zimmer, Sie ſchlief von Kuß und Liebe müd; Doc in des Morgens Sonnenfhimmer, Gleich einer Rofe, neu erbläht, Wie war die Judin ſchon zu fehn!
Er füßt fie auf die nadten Brüfte, Sie lächelt träumend, wie zu Scherz, Dann ftößt er ſchnell, wo er fie kühte, Das ſcharfe Meffer in ihr Herz — Da war die Jüdin fchön zu fehn.
Gorm der. Alte,
Gorm der Alte ftand am Rande Eines alten, kahlen Schiffes, Gern den Seinen, fern dem Stande,
Balladen. 137
Gern dem Fels des legten Riffes —
Gorm, der Alte, König der Dänen. Ob er wollte gehn zu Bette,
Daß fie ruhn, die alten Glieder,
Wirft er Mantel, Kron und Kette
In die Meerestiefe nieder:
Hoch aufbraufen die ſchwarzen Wogen. Und es dringen jetzt die Wogen
Durch des alten Schiffes Ritzen,
Und ſein Schwert hat er gezogen,
Daß darin die Sterne bligen,
Gorm, der Alte, König der Dänen. ‚Höher fteigen ftet3 die Wellen,
Bis fie faft den Saum bededen.
Die fie jegt berüber ſchwellen
Und des Königs Füße leden,
Hoch aufbraufen die ſchwarzen Wogen. Und ins Meer hin ruft der König:
Meine Heimat ift die Welle!
Meer, dich machte unterthänig,
Bettelnd fteht an deiner Schwelle
Gorm, der Alte, König der Dänen.
„Nimm mid fort von diefen Borden, Senle mich zur Tiefe leiſe, Bin ich aud ein Chrift geworden, Sterb’ id gern auf Heidenweife" — Hoch aufbraufen die [hmarzen Wogen. „Waſch die Taufe mir vom Haare, Daß ich zu den Unbelehrten Unbefhämt darniederfahre, Würdig meiner Schlachtgefährten, Gorm, der Alte, König der Dänen !“
138
Neuere Gedichte.
Böhmifhes Lied.
Ein traurig Amt hat der Henker fürwahr, Er bat erft vor zwei Tagen Dem Vater beſchnitten dad graue Haar Und das Haupt ihm abgefchlagen.
Jetzt figt er daheim und pupt fein Schwert Bon meines Vaters Blute: Er war ihm ein alter Genofje werth, Und ihm ift weh zu Muthe.
Er weint und weint, und fein blutig Geſicht Abwäfcht er mit feinen Zähren; Ich kann dem Henker zürnen nicht, Ich werd’ ihn felber am Hochgericht Als meinen Gevatter begehren. Ich will zu ihm hinüber gehn Und will ihm zu Trofte ſprechen; Die er zu hauen möcht’ ich verftehn, Dann möcht’ id) fort aus der Heimat gehn, Um meinen Vater zu rächen!
Dänifhe Ballade.
ALS König Alfreds Hochzeit war, Da hat’3 geftürmt und geregnet, Der junge Bischof im Prachttalar . Hat fie vermählt und eingefegnet — Es mar eine böfe Nacht.
Der junge Bifchof felber war. Ein Königsfohn aus altem Blute, Und unterm purpurnen Talar
Balladen. 139
Dar ihm ſehr weh zu Muthe — Es war eine böfe Nacht.
Am Liebften hätt’ er felber gefreit Die junge, ſchoͤne Königinne; Dod war er ſchon Iange eingeweiht Und durft’ ihm die Lieb’ nicht fommen zu Sinne — Es war eine böfe Nacht.
Und zu dem frommen Segensſpruch, Die Tröpflein Gift zu fühem Weine, Hat er gemengt einen leiſen Fluch — Die Braut nicht hört's und nicht die Gemeine; — Es war eine böfe Nacht.
Und als fie kam ins Brautlämmerlein, Da wandten fih um alle Heil genbilder, Die Lampe gab fehr trüben Schein,
Des König Alfred Herze ſchlug wilder; — Es war eine böfe Nacht. -
„So haft du geliebt fon einen Mann?" " Sie weint’ und ſchwor, daß fie Keinen geliebet; * Einen Becher mit Wein ließ er kommen heran Und hat ihn mit ſchwarzen Tröpflein getrübet; — Es war eine böfe Nacht.
Der Biſchof gab ihr die Abfolution Und hat fie noch einmal gefegnet; Sie nahm den Becher und trank davon — Und draußen hat's geftürmt und geregnet — Es war eine böfe Nacht.
Diarium eines Mönches. (Aus dem Möndslatein.)
I. Salus viro.......
Zwiefach großes Heil dem Manne, Der da weichet von dem Pfade Rechts und linls nicht eine Spanne;
Der nicht figet indem Rathe
Maußger Laſtrer und dem Haufe Arger Frevler nimmer nahte.
Spähen wird zu allen Zeiten Seine arme Menſchenſeele Nach verborgnen Heiligkeiten.
Sieh, er gleichet jener Palme,
Die da fteht an Waſſerbachen Und geheiligt ift im Pſalme.
Ich aud bin ein Baum, wie jener, Aber nicht an Wafferbächen,
Der blüht hundertfältig fhöner. Bin ein Baum, zerhaun vom Winde, Steh’ in einer heißen Wuſte,
Würmer nagen Kern und Rinde.
Diarium eines Monches.
Niederknien möcht’ ih in Freuden Bor der Blume auf dem Felde Und anbeten, gleich den Heiden.
Nicht im heil'gen Brod alleine Offenbart ſich Gottes Wandlung Und im heil gen Prieftermeine.
Calix ift der Kelch der Blume,
Und die Gottheit blüht und leuchtet, Duftet aus dem Heiligthume,
Die kann Glaube je verderben? Draußen mahnet did die Wiefe Und daheim die Blum’ in Scherben.
Pfleg im Frühling deine Roſe Und im fpäten Herbft beſuche Auf der Au die Herbitzeitlofe.
II. Mortis iter .
Haft du einen lieben Tobten, Haft du auch zum dunkeln Jenſeits Einen ſtets getreuen Boten. Nicht aus jenem ftillen Lande Kehrt, wer einmal hingegangen, Eifern find des Todes Bande; Aber deiner Seele Ahnen Zeigt die Liebe nach dem Jenſeits Die noch unbetretnen Bahnen,
141
142
Neuere Gedichte.
Und in ſtillen Mitternächten, Kommt, geführt von heifgen Mächten, Du zur Wohnung der Gerechten.
Und an Allerfeelentagen Wagſt du's, ſchauend ohne Sagen, Deine Augen aufzuſchlagen.
Was du höreft, was du ſchaueſt, Sorge, daß du deine Seele Dran erlabeft und erbaueft.
Winkt die Mutter dir in Träumen, Folge zu den heifgen Räumen Ohne Bagen, ohne Säumen;
Denn es wacht der Mutter Sorgen, Wenn fie längft in tiefer Erbe Bor der Erbe ſich verborgen.
W. Stat promissis......
Wird fie erfüllt, die Prophezeiung, Die fie erwarten mit Gebeten, Mit Buß und Beichten und Kafteiung?
Wird morgen die Bofaun’ ertönen,
Vor deren Shall der Menſchen Herzen, Der Erde Eingeweid' erdröhnen?
Und wird in Staub und Aſche fallen, Was heute friedlich fteht und prangend: Die Hütte und des Königs Hallen?
Des Meeres und des Feuers Welle,
Wird fie ſich flürzen allverheerend In Gottes Dom? — auf diefe Zelle?
Diarium eines Döndes. 143
O eitles Denen, eitle8 Sorgen, O eitle Angſt vor Gottes Borne Und eitles Zittern vor dem Morgen | Alltaglich figt er zu Gerichte, Auttaglich neu erſteht die Erde, Alltaglich gehet ſie zu nichte. Jedweder Tag zu jeder Stunde Kann dir zum jüngften Tage werben, Denn du erfährft vom Herrn die Runde. Du felber mußt dich richten täglich, Du freuft dich imrer Seligkeilen, Und du verdammt dich felber Mäglich. Haft du's erfahren nit in Tagen Der Noth, daß du in deiner Seele Mit dir mußt beine Hölle tragen ? Kennſt du die Freude nicht, die füße, Wenn man es fühlt, daß man auf Erden So wandelt, wie im Parabiefe? Was brauchft du fürder noch zu warten, . Ob einft der Herr fipt zu Gerichte, Ob ſich dir aufthut einft ein Garten? Du kannſt's erwarten — Einem glaube, Der fon auf Erden fah den Himmel Und auch der Hölle ward zum Raube!
V. Solitudo ......
Genoſſin meiner Einfamteiten Iſt eine arme Spinne worden. Wie wandeln ändern ſich die Beiten!
144
Neuere Gedichte.
Die fehr ich einft dieß Thierlein ſcheute, So fehr ob ihrer Ueberſiedlung Auf meine Zelle ich mich freute,
Oft ganze Stunden feh ih ſchweigend Und ftaunend zu, wie im Gewebe ‚Sie wirket auf und nieder fteigend.
BVereinfamt ſcheint mir meine laufe, Wenn fie, vielleicht zu ihren Schweftern, Verreifet aus dem luft'gen Haufe;
Und wohl wirb mir im Herzen wieder, Wenn fie auf einem ihrer Fäden Sich fenket in ihr Netz hernieber.
Doch juft in meiner Zelle Mitte Hängt dieſes Netz — daß ich's zerftöre, Muß fürchten ich bei jedem Schritte,
Denn wandelnd in dem engen Raume Könnt’ ichs zerreißen, nur es ftreifend Mit meines Kleives letztem Saume,
Und fo ihr kunſtvoll Haus gefährben ; Und felbft ihr eben ftören Könnt ich Und müßte fo ihr Schidfal werben.
Ich felbft fo ſchwach, wie Spinneweben, So leicht gebrochen vom Geſchicke, — Und ſie muß noch vor mir erbeben!
D, wie mich rühret dieſe Schwäche:
Nun zwiefach ſorg' ih, daß ihr Leben Und daß ihr Häuslein nicht zerbreche.
So mag auf uns von feinen Höhen Ein ftärfeer Geift mit ftillem Mitleid Ob unfrer Schwäche niederſehen.
Mit feines Kleides letztem Saume Könnt’ er das ganze Erdgewebe Wegſtreifen aus dem ew gen Raume;
\ Diarium eines Monches.
Jedoch ihn rühret unſre Schwäche: € forget liebend, daß des Lebens Der Erde Spinngeweb' nicht breche.
VI. Signa Dei......
Gottes Grüße find die Worte,
Die du hörft an deiner Pforte,
Wenn ein Bettler fteht am Orte, Zeichen iſt's von Gottes Segen,
Wenn ſich müde Tpiere legen
Gern vor deines Haufes Stegen. Aber Gottes Gnabenquelle
Ift verfidert dir, Gefelle,
Sprofiet Gras auf deiner Schwelle, Ferne nicht ift Gottes Strafe,
Stirbt das frommfte deiner Schafe,
Weint dein Kindlein aus dem Schlafe. Alfo ſprach es der Verkünder;
Denn allein trägt nicht der Sünder,
Mit ihm leidet Heerb’ und Kinder.
Das ftell’ ich gleich dem feig gebrochnen Worte? Es ift zu einem edlen Schate Die diebifh mit Gewalt gefprengte Pforte, Was ſtell ich gleich dem feig gebrochnen Worte? Es ift ein Baum voll hohler Blüthen, Der vor ber Lefezeit fruchtlos werborrte. Norig Hartmann, Werte, I. 10
145
146 Neuere Gedichte.
Und fürder gleicht es einem Trintpofale,
Der voll des fühen Wein geweſen
Und den ein Schlemmer bei dem üpp'gen Mahle Hinftürzen laſſen, daß er brach in Scherben;
Nun rinnt dahin der ſuße Wein der Treue,
So Tiſchtuch ald Gewand dir zu werberben.
VII. Fons amoris.
So tief ift der Liebe Bronnen, Daß ihn völlig auszutrodnen Nicht vermag der Strahl der Sonnen. So tief ift der Liebe Bronnen, Daß fein Meifter noch den Abgrund Seiner Tiefe hat erfonnen. So tief ift der Liebe Bronnen, Daß er in den Millionen Bachen noch nicht audgeronnen. Mich gemahnt aus alten Tagen, Die des Liebesquells ich vente, Eine lieblichſte der Sagen. Einſt — es war in alten Zeiten, Eh man ſah der Liebe Meiſter Ueber dieſe Erde ſchreiten — Einſtens an der Wüfte Schwelle, Im gelobten Morgenlande, Glänzte eine Wunderquelle: Der da kam mit frommem Willen, Sieh, dem fprang fie froh entgegen, Und er fonnt’ die Krüge füllen,
Diarium eines Monches.
Aber die der Wundergabe Nicht geglaubt, die wurden nimmer Xheilbaft ihrer füßen Labe.
Täglich lamen da in Zügen Madchenſchaaren aus den Belten Mit den hohen Waflerkrügen.
Einftens, ſieh, da war verſchwunden Jeder Tropfen, als fie wieder Kamen in den Abendftunden.
Und fie ſprachen: „Seht, die Quelle Iſt verfidert, und fie Sprechen Von der ewig friſchen Welle.”
Fürder ſprachen fie: „Den Gluthen ‚Heißer Sonne find erlegen Die geprief'nen Wunberfluthen.”
Und fie ſprachen dann zum Dritten: „Will vielleicht die Stolze, daß wir Um ihr bittres Wafler bitten 2”
Und fie ftellten lachend nieder Ihre Krüge und begannen,
Laut zu fingen ham'ſche Lieber.
Und fie tanzten bin und wieder, Unbedacht, daß in den Zelten Durftig hartten ihre Brüder.
Doch ein Greiß, der an dem Bronnen Saß, um feine alten Glieder In des Abends Strahl zu fonnen,
Sprad zu ihnen: „Eure Seelen Sind des Trankes nicht bepürftig, Denn er würde nimmer fehlen.“
Raum hatt’ er es außgefprochen, Sieh, da kommt ein müder Pilger Aus der Wüfte hergelrochen.
147
148
Neuere Gedichte.
Matt zu Tode läßt er finten Seine Glieder, und er beugt fi, Sehnend aus dem Quell zu trinken.
Sieh, aus tiefem Grunde fpringt es Friſch hervor, wie junges Leben, Und wie Liebeslieber klingt es.
Und die Mädchen, näher tretend, Sehn's und fallen ftaunend, gläubig Auf ihr Antlig nieder, betend.
Die aus einem Trinkpolale Sprudelt es hervor mit Raufchen Und ergießt ſich in die Thale,
Und am andern Morgen blühet Jede Stelle in der Wüfte,
Die noch geftern war verglühet:
Wo der Quell ven Sand nur küßte, Sproßten Blumen aus dem Boden, Und verſchwunden war die Wülte,
RX.
Nunquam, nunquam potatores.....
Trinker, trinket nur aus Krügen!
Da mag kein Verräther lauſchen Euren fühnften, tiefften Zügen. Trinker, trinket nur aus Krügen, So nur konnt ihr das Gewiſſen Und die Maßigkeit betrügen. Dein im Glaſe gleicht dem Weibe, Das ſich ſchamlos ohne Hülle Hingibt und mit nadtem Leibe.
Diarium eines Möndes. 149
Wein im Kruge gleicht der frommen, gZacht gen Gattin, die verſchweiget, Wie oft du zu ihr gekommen.
Nur der Krug erträgt biderben Trinkerſcherz, doch alle Gläfer Gehn, wie Dirnentreu, in Scherben.
Alle Wunder, die da weiland Sind geſchehn, geſchahn in Krügen Beim Propheten, wie beim Heiland.
Denn da3 Wunder mag nicht taugen, Das fi) offenbar entfchleiert Und vor aller Menſchen Augen.
Jeder denke, daß in Händen \ Er das Krüglein hält von Nana, Und die Luft wird nimmer enden.
Trinker, trinket nur auß Krügen!
Laßt mit Gläfern fih den Laien, Der nicht Wunder Eennt, begnügen!
Ein Name ift3, nach dem ich ſuche Seit langen Jahren, doch vergebens. Ich kann ihn nicht im heil’gen Buche, Nicht hoch im Himmel aus den Sternen, Nicht auf der Erde aus den Blumen, Nicht aus des Bades Klange lernen. Der Name iſt's des Namenlofen, Dem Böglein ihre Lieder fingen, Dem ihre Düfte weihn die Rofen.
150
Neuere Gedichte.
Das Evangelium nennt einen Dep, der am Marterhol; geftorben, An deflen Fuß die Frauen weinen. Doch ifl’3 der Name nyr des Theile, Der ſich geoffenbart im Menſchen ALS Bringer nur des Menfchenheiles. Die nenn’ ich ihn, der in der Balme Sic offenbart und in der Roſe Und in der Gräfer Heinftem Halme? Die nenn’ id) ihn, der in dem Schale Der Lerche fingt beim Morgenrothe Und Nachts im Lied der Nachtigalle? Wie nenn’ id ihn, der in den Fluthen Des Meeres braufet und daher fährt In Donner: und in Flammengluthen? Wenn er zu uns berabgeftiegen, Um ſterblich in der Menfchen Leibe So Tod ald Sünde zu befiegen — Warum nicht in den zwiefach Reinen: In Vogel, Balme, Meer und Feuer, Sollt er verherrlihend erſcheinen ? Vielleicht auf einem fernen Eiland Iſt einſtens eine Palme worden Den andern Palmen all zum Heiland — Vielleicht iſt für die Nachtigallen, Sie lehrend mild das Lied der Liebe, Einſt eine Nachtigall gefallen — Doch wiſſend, ſeli g ſchweigt die Palme, Und eine Menſchenſeele kann nicht Enträthfeln Nachtigallen Pfalme.
Diarium eines Monches. 151
XL
Hora matutina vidi Facientem muros nidi....
Heut ich aus dem Fenſter ſchaute, Sah ich, wie ein blaues Vöglein An die Wand ſein Neſtlein baute. Klümplein Erbe, Federn, Halme Trug's herbei und fang zur Arbeit, Gott zu preifen — füße Pſalme. Und ich hielt mich forglich ftille; Denn das Vöglein nicht zu ftören Bei der Arbeit, war mein Wille, Und id dachte, wie am Morgen Ich ihm Nahrung wollte reihen Und für feine Armuth forgen. Aber fühlen meine Blide Mußt' e3; denn es floh von bannen, Und es kehrte nicht zurüde, Und ich mußte felbft mich fragen: Sind fo 658 der Menfhen Augen, Daß ein Vöglein fie verjagen? Kann die Liebe felbft nicht lindern Ihre böfen Zauberkräfte Und des Vögleins Angft vermindern? Und doch iſt's das Aug, das ſaget, Welches böf und gute Trachten Unfre Seele in ſich traget. Darum floh das Vöglein eben; Denn der Herr hat ihm die Ahnung Künft'gen Unheils beigegeben. Liebend hätt’ ich es gebeget ! AS der Einfamkeit Genoffen, | Mondenlang vielleicht gepfleget; 1
152 Neuere Gedigte.
Aber endlich aufgegangen Wär’ in mir der böfe Wille, Und ich hätt’ es doch gefangen, Und in einen büftren Bauer Hatt ich s eingefperrt deſpotiſch Und verdammt zu ewger Trauer. Wohl dir, daß du fort geflogen, Vöglein, in die grünen MWälver, Denn ich hätte dich betrogen!
Xu. Somnium, quod somniavi
Quando elaustrum hoo intravi...
Ein Traumgefiht, darob ich ſchauern Noch heute muß, hat mich gefehredet Die erfte Nacht in diefen Mauern.
Ich ftand mit Eins im dunteln Gange; Des ganzen Klofterd Mauern bebten Bon fernem, laͤrmendem Gefange.
Der kam heran und immer näher Und Hang fo wild und alfo ſchamlos, Daß weh mir ward und immer weher.
Ein Schwarm von Mönden kam gezogen, Die Lieder Hangen immer wilder, Und die zerrißnen Nutten flogen.
Und fie umfprang in frechen Tängen Ein Haufe Dirnen, die fie fingen Mit den geweihten Rofenkränzen.
Mit wolluftbrennenber Geberde Aufladten fie und warfen fpottend
im Brevier und Kreuze auf die Erde.
Diarium eined Monchee. 153
Des Kreuzes Ampel brannte trüber, Die fie mit Hohn vorbei gezogen; Dann kam ein zweiter Zug vorüber. Und ber voraus dem Zuge rannte, Schwang hoch ein Kruzifig in Lüften, Das lichterloh und prafjelnd brannte. Die andern Mönde, die in Händen Pechtranze trugen, folgten fchreiend; Roth lag die Gluth auf allen Wänden. „Gott will es!“ — ſcholl ihr wildes Rufen — „Auf, laßt und aus verbrannten Beinen Zu Gottes Throne baun die Stufen.“ Und ein verworrner Chor von Fluchen Scholl large noch an meine Ohren Und von ergrimmten Bibeliprüchen. Dann ward e8 ftill — dod durch den Bogen Der Kirche ſchleichend, ziſchelnd, lispelnd Kam bald ein dritter Schwarm gezogen. Wie fie an mir vorüber gingen, Bon Kirchenweihrauch duftend, hört’ ich Das Gold in ihren Sädeln klingen.
\ 34) hörte lispelnd fie erzählen,
Welch feine Lifte fie erfonnen, Zu ängftigen einfält’ge Seelen. Ich hörte, wie fie fpottend ſcherzen Des Leides und ber Reue, welche Vertrauet ihnen bange Herzen. Aufſchreien wollt’ ich jäh im Grimme, Doch in der Bruft tief lag gefefielt Erſtarrt zu Tode meine Stimme, Und abſeits wandt’ ich mich mit Beben, Betrogen ſah ich meine Seele, Mein Hoffen hatt’ ich aufgegeben.
154
Neuere Gedichte.
Da, ſieh, wie fid) die Gäng’ erhellen! Aufthaten fi) verſchiedne Piorten, Und fehn konnt’ ich in einzle Bellen:
Da Stand ein blafjer Mönd), wie betend Vorm Bilde, das er felbft geichaffen, Und lächelte vor Scham erröthend.
Und die Madonna fah fo milde Mit allen Engeln zu ihm nieber, Daß lebend ſchienen die Gebilde.
Er ſchloß das Aug, und ich erfhaute Die Schaar von heiligen Geftalten, Die ftrahlend auf ihn niederthaute.
Es waren fromme Pilgerengel,
Die hin durch Palmenthale zogen, Und Frauen mit dem Lilienftengel.
Es waren Kindlein, die da liefen Zum Meifter hin, deß milde Worte In feinen Schooß die Kleinen riefen.
Es waren Arme, bie, durch Leiden, Und Sünder, die, durch Neu geläutert, Einzogen zu den ew'gen Freuden.
Dann ſchaut' id) in die zweite Zelle:
Da forfcht' ein Mönd im alten Bude Bei feiner Ampel milder Helle,
Es ftanden auf des Buches Rändern Biel fonderbar verſchlungne Zeichen Bon Himmel3« und von Erdenlandern.
Dann trat er zu des Fenſters Gittern Und fah hernieder in die Thäler Und zu der Sterne lichtem Zittern.
Und ic, ich ſchaute, was er ſchaute, Und hörte mit, was er gehöret, Selbft feines eignen Herzens Laute,
Diorium eines Monches. 155
Ich fah dahin die Sterne ziehen, Die Sonnen in den ew'gen Kreifen, Und hörte ihre Harmonieen. Ich hört’ und fah die Millionen, Die in den lichtdurchwebten Hainen Und Hütten, Gott anbetend, wohnen. Ich ſah die Regenbogenbrüde Bon Stern zu Stern, auf der die Geiſter Herüberfchreiten und zurüde. Und in der Erbe Eingewelden Sah id) die Erbmetalle fliehen Und ſich in taufend Ströme ſcheiden. Und auf that fi) mir das geheime, Verſchwiegne Rathſel von den Früchten, Von Blüthe, Wachsthum und vom Keime. Mein Leben wollte überfließen, Und vor den offnen Herrlichkeiten Mupt’ ic mein ſchauend Auge fließen. Als ich es aufthat, da erfhaut’ ich Den dritten Monch in ſeiner Zelle, Und mid) am heil gen Lieb erbaut’ ih; Denn an der Drgel faß er, träumend Und mit Mufil die Dämmerungen Gleich wie mit Morgenroth umfäumend. Und auf der Leiter ſeiner Lieder Stieg eine Schaar von heil gen Seelen Zu Erd’ und Himmel auf und nieber. Und wie in feinem Orgellieve, So lag auf feinem blaſſen Antlig, In feinem Aug ein hoher Friede, Und weh warb mir, und nieberziehen Fuhlr ich gewaltig mich zur Erde, Und horchend lag ich auf den Knieen.
156 Neuere Gedichte.
Da plögli wieder die Gefänge, Die Fluche und das Läftern hört’ ich Der erſten Mönde durch die Gänge. Und rings um mic) erfholl es: Wähle! Und aus der Orgel: Wähle, wähle! — Und damals wählte meine Seele,
Dieweil ih auf zum Dome ſchaue, Mus ih ob mandem Dinge ftaunen An diefem alten Wunderbaue. Mein Auge haftet an den Rofen, Die ih aus dem Geftein erheben Die Waldesblümlein aus den Moofen. Der bat erwählt die freub’ge Blume, Daß fie als Schmud und Zierde prange An dieſem düftern Heiligthume? Vielleicht ein Meifter aus der Ferne, Der bauend an fein Liebchen dachte Und fie vor Augen hatte gerne. Vielleicht ihr letztes Liebeszeichen Dar eine Nofe, die doch endlich Verwellen mußte und verbleihen. Da ſchuf er kunſtvoll die von Steine, Die nicht fo flüchtig war im Blühen Und nicht hinfällig war, wie feine, Und immer mehr und ganze Kränze Erſchuf er und umzog den Tempel Mit einem ganzen Liebeslenge,
Diarium eines Möndes.
Doc, was ſpricht jene, deren Blätter Gebrochen find, als hätt gelnidet Stengel und Kron’ ein böfes Wetter?
Vieleicht erhielt die Kund’ indeflen Der freie Maurer, daß die Liebe Gebrochen ift und er vergefien.
D, diefer Bau’hat zu erzählen,
Der heil gen Kirche gleich, viel Wunder Bon treuen und gebrochnen Seelen.
2
Doch wieder, wenn den Dom ich ſchaue, Muß id) ob mandem Dinge ftaunen An diefem alten Wunderbaue,
Ich frage, was die grauenvollen Gebilde, die ſich grinfend winden Um Dad und Thurm, bedeuten wollen?
Was will dieß fheußlihe Gewürme, Molch, Schlangen, Drachen, Storpione, Die allwärts hängen um die Thürme?
Woher verwunſchne Menfchenleiber,, Woher Vampyr, Hyän’ und Tiger Und wolluftuolle, ſchupp ge Weiber?
Den Salamander aus den Gluthen,
Der bannt’ ihn an bie heil ge Kirche, Und den Polypen aus den Fluthen?
Sind fie die Sünden, die mit Hoffen Umlagert halten Gottes Häufer Un harten, bis die Thore offen?
Nicht doch! — denn ewig offen ftehen Die Thore Gottes und der Kirche, Und ein fann jeder Sünder gehen.
157
158
Neuere Gedichte.
Auch blidt nicht alfo graunvoll wilde Die reu'ge Sünde; nein, fie weinet Und lächelt auch und betet milde,
Dieß Ungethum, iſt's nicht zu fhauen, Als ob e3 wüchfe aus der Kirche Hervor mit allem feinen Grauen?
Sie find die Sünden, die im Schooße Der Kiche heimiſch, wie die Schlange Im düftereihen Buſch der Roſe.
Sie ſind die gräulichen Lemuren:
Der Haß, der Neid, der Trug, die Wolluſt Und all die tauſend Unnaturen,
Die aus des Glaubens heil'gem Boden Aufwuchern und die Luft der Kirche Verpeſten mit dem gift gen Odem.
Das hat der Meiſter wohl empfunden,
Als er ſie ſchuf, und mit den Roſen Und Blumen hat er ſie verbunden.
Doch weislich an des Baues Zinnen Sind ſie gebannt; denn nur von außen Sind heimiſch ſie, und nicht von innen.
XIV. In deserto.
Auf einer öden, hohen Klauſe In einem alten, alten Thurme, Unfern von unſerm Bruderhaufe — Da fah ich eine Glode hängen, So groß und jhön, daß weite Lande Erbeben müßten ihren Klängen.
Diarium eine Mönded. 159
Doch iſt fie rings mit Spinngeweben, Tief von der Zunge bis zur Krone Mit Staube und mit Schutt umgeben.
Und mande Sprüde rings am Rande,
Die ſprechen fromm und ſtark von Andacht Und von der Freiheit aller Lande,
Sie find mit Augen kaum zu lefen Bor Schutt und Staub und find doch einftens Aufrufe für ein Volt geweſen.
Auch hat die Glode nicht gellungen Seit grauen Zeiten, und der Ölödner Starb längft dahin, ver fie geſchwungen.
Nur nod ein Greis erzählt wie Sagen, Daß Wald und Luft in Andacht ſanken Und bebten, wenn fie angeſchlagen.
Jet ift zu ſchweigen fie verbammet,
Die einft erwärmet mild in Andacht Und wild zu Kämpfen bat entflammet.
Denn diefer morſche Thurm zerfpränge Und ftürzte breddend, wenn die Glode Mit ihrem macht gen Schall erklänge.
Du Seele dieſes morſchen Thurmes,
Du einftge Botin frommer Andacht, Di Wederin vorm Nahn des Sturmes:
Die gleiheft du in deinem Schutte,
In deinem Staub, in deinem Schweigen, Der Menſchenſeele in der Kutte!
D, fie muß ſchweigen, qualvoll ſchweigen Und muß fi) hüten, ihres Klanges Gewalt’ge, ehrne Macht zu zeigen.
Denn ftürgen müßte ihre Hülle Und brechen die vermorſchte Sagung, Ertönte fie in ganzer Fülle.
"160
Neuere Gedichte.
XV. In sepuleris monachorum .
Aufgereiht wie ihre Zellen Steht bier Sarg an Sarg der Mönde Auf den düfteren Geftellen. Einer kam dazu noch heute, Hörbar kaum in diefen Tiefen Tonet noch fein Grabgeläute. Gleich wie diefer legte, kalte Gruß in beitern, freien Lüften Spurlos, echolos verhallte, Wird von feinem Büßerleben, Den fie bier beftattet eben, _ Bald jedwede Spur entſchweben. Wehe, wenn das Angedenken Mit verſchwindet, wo die Leiche In die Gruft fie niederſenken! Weh der Ruhe, die fie finden, Die nicht an der Erde Unruh ‚Hundert Liebesfeſſeln binden. Beh den Himmelsfeligkeiten, Die die Trauer nicht durchwehet Derer, die dein Grab bereiten. Rauch von hundert Weihrauchfäflern, Chöre düftrer Todtenlieder, Ströme von gemeihten Wäffern —: Nichtig find fie vor dem Hauche, Bor dem Wort aus liebem Munde, Vor der Thrän’ aus liebem Auge. Weh eu Allen, die ihr zweifach Seid geftorben und begraben Und vergefien werdet dreifach.
Diarium eines Monches. 161
Wohl eu, daß ihr euch verbergen Könnt in tief gegrabnen Grüften Und in erzgegoßnen Särgen,
Denn im Tode noch vergehen Müßtet ihr vor Scham und Reue, Könnt’ euch noch das Auge fehen
Eines, der in warme Herzen Gerne blidet und nicht feige Sic) verſchließt den Erdenſchmerzen.
Ihr, ihr thatet'3! — hinter Mauern Habt ihr ſchnöde euch verfrodhen Bor der Erde Luft und Trauern.
Daß fie nicht für Andre blühet,
Habt ihr, eurer Seele Blume Fruh zu brechen, euch bemübet.
Daß ihr zu der Welt zurüde Nicht gelangt und ihren Leiden, Bracht ihr tüCifh Steg und Brüde.
Ihr vergaßt die heil'ge Kunde,
Und fie kam euch nicht zurüde Selbſt in bittrer Todesſtunde.
Weg ftoß’ ich mit meinem Fuße Das Gebein ringsum — mir ſchaudert ‚Hier vor dieſe s Todes Kuſſe.
‚Hier erwacht der öde Glaube Un die Emigfeit des Todes,
Und daß Alles wird zu Staube.
Sind die Seelen dod von Allen, Die hier eingefargt, noch früher ALS der Leib in Staub gefallen.
Und nur Heuchelei war eben Ihr Erfterben, wie geweſen Heuchelei ihr ganzes Leben.
NMorig Hartmann, Verte. 1. 11
162 Neuere Gedichte.
DO, mid) trägt mit mädt'gem Flügel Sehnſucht fort aus diefen Grüften,, Fort nad einem grünen Hügel,
Den ich betend könnte füflen,
Wo nicht alle Seelenftimmen Fluchen und verdammen müſſen.
Aus der Stadt.
Finfame Sichter.
Gehft du des Nachts durch dunkle Gaffen Und fiehft die einzeln glühnden Lichter Und haft nicht ſchaffende Gedanken — Beim Himmel, nein, du bift fein Dichter.
Du mußt von jedem Senfterlichte, Das einfam leuchtet, dir erzählen Die fhönfte, rührendfte Gefchichte Bon einfamen, verglühnden Seelen.
‘Denn jene allzufpäten Lichter Sind in der Stadt, was auf den Teihen Die irren Lichter find, die fladern, Bo arme Seelen ftill verbleihen.
Sieh jenes dort, dad unterm Dache So hoch und alfo trübe glimmet Glei einem frommen Mäpchenauge, Das ftillverweint in Thränen ſchwimmet —
Fürwahr, mir däucht, bei feinem Scheine Liegt dort ein Mädchen im Gebete; Es rafft ſich auf und nähet weiter, Nachdem's den ganzen Tag ſchon nähte.
164
Neuere Gedichte.
Sie näht ein Brautlleid für die Reiche, Die jegt von Liebesfreuben träumet, Und weiß es nicht, daß fie ſich felber Zugleich ihr Leichentuch befäumet, \
Vorbei, vorbei! — Aus dunller Höhe Glänzt dort ein Licht glei einem Gterne; So hoch erſcheint's, als wär's entrüdet Der Welt in weite Himmelsferne.
Dort haust der glüdlihe Poete Und ſchwelgt im eigenen Gedichte,
Das er nur kennt und feine Klauſe, Und fieht begeifterte Gefichte,
Er träumt vom Dichterlohn, von Liebe; Bon Ruhm und Glanz in nahen Tagen, Sein Auge glänzt, gewiß des Sieges — Nah Jahren will ih wieder fragen.
Ein andre Licht! — wie eine Ampel Durd einer Kirche Dämmerftille, Dringt es hernieder in die Gaffen Durch jened Fenfterd dichte Hülle.
Dort liegt ein Kranker, der fich fehnet, D, daß es balde Morgen werde! Doch weiß ich nicht, wunſcht er des Himmels, Wünfcht er herbei den Tag der Erbe?
Der Pendel Happt einförm’'gen Schlages ;
Gr feufzt betrübt: „Die Glod' ſchlagt zwölf"! —
Das mahnt ihn an das Lied der Amme: Daß Gott doch allen Kranken helf'!“ 1 —
Doc fort zu freudenvollern Bildern. Kennt ihr aus jenem Haus Glijen?
* Uus der „Ammenubr.“
Aus der Stadt. 165
Den Leuten heißt fie Grau Baronin, Doch mir ein Geift aus Paradieſen.
. Dort, wo, das Licht aus rother Geide ‚Hervorquillt gleich dem Himmelsrothe, Das nieberthauet auf den Frühling, Der ſchönen Tage fhöner Bote:
Dort in dem prächtigen Palafte Mit marmornen Karyatiden, Dort herrſchet fie in ihrer Schönheit, In ihrer Seele heitrem Frieden.
Daß fie aud) wacht, wenn Nachtwach' halten Nur, wer ſich grämet und wer bulbet, Das hat bei ihr, der Glüdbegabten, Die Mutterliebe nur verſchuldet.
Ein Feſt, das ohne fie verödet Und feelenlos verhallt indefien, Am Kranfenbette ihres Knableins ‚Hat ſie's in Leiden längft vergefjen.
Drum ift fie aud in Pracht gehüllet; Ihr Haar durchwebt an Blum’ und Blüthe Ein reicher Lenz, doch ift er Armlich Vor ihrem Frühling im Gemlithe.
Der weiße Atlas, deſſen Falten Sic) weich um ihre Glieder legen, Umhullt fie hold und mild wie Liebe, Die ihrer Armen Dank und Segen.
Und ihrem Knaben, der fi ſcheuet Vorm Tranfe, der ihn macht gefunden, Erzählet fie, die Schal’ in Händen, Viel Märden, die fie felbft erfunden: i
166
Neuere Gedichte,
„Es war einmal ein Prinz, Hor auf, horch auf, mein Kind, Der war jo fhön und gut,
Die Märdenprinzen find.
Sein Vater, der war König Vom ganzen Morgenland Und hatte Gärten und Schlöfier Am fhönen Gangesftrand.
Nichts aber konnt’ ihn freuen, Und nichts war ihm zu Dant: Der fhöne, gute Prinz,
Sein Söhnlein, war ja krank.
Und da war eine Bafe,
Und die war eine Zee, Sie fah der Mutter Weinen Und fah des Vaters Weh.
Sie wollte dem Prinzen helfen Und fam einmal heran Mit ihrem Blumenwagen Und ihrem Taubengefpann.
Das Bette rings in Kreifen Umſchwebte fie auf und ab Und fang geheime Weifen Und ſchwang den Zauberftab. Da fproßte aus dem Boden Urplötzlich Strauch an Strauch, Es dufteten die Blüthen Die ſußer Blumenhauch.
Und aus den duft'gen Blüthen Macht fie einen füßen Trank, Den ſchlurfte der fhöne Prinz Und war nie wieder krank.
Aus der Stodt. 187
Und ward ver ftärkjte Held Am fhönen Gangesftrand Und hat fi zum Morgenlande Grobert das Abendland.
So wurde vor taufend Jahren
Erſchaffen der dufi'ge Thee,
Und wer ihn nicht toill trinken,
Betrübt die fhöne Fee.”
Halb fhlummernd lachelt noch der Knabe Und ftredt die Händlein nad) der Schale; Die Mutter, wie fie vor ihm figet,
Scheint ihm die Fee vom Gangesthale.
* Sie lächelt felig — Mutterlacheln
Iſt noch ein Hauch vom Paradiefe;
Sie tüßt ihr Kind, das Aug voll Thränen — Der Himmel fegne dich, Eliſe!
Bunggefellenfiube.
Kehrt man in fpäter Abendftunde Aus dem Gewühl zurüd verdrießlich, Iſt's auf der Junggefellenftube So öd und ſchal und unerſprießlich. Ich ſeh' mich um und gähn’ und gähne: Für Zweie wäre Plap bier eben, Und hier bei diefem öden Lager Könnt’ noch ein zweites ftehn daneben.
Bei Gott, es wär’ ein fehönes Leben, Und diefer Raum fo kahl und öde, Er könnte lieblich wiederhallen Bon Kuß und Kuß und trauter Rede.
168
Neuere Gedichte.
Es foll nicht fein! — Den treuen Mantel Wer’ ich zu Tod betrübt vom Leibe — Der Froft durchllirrt die nächt'gen Straßen Und malt mir Blumen an die Scheibe,
Und felber ſchicht ich einen Holzftoß, Bald praſſelt's Iuftig im Kamine,
Und bald aud) fladert blau die Flamme Und fummt um die Kaffeemaſchine.
Und wohnlich wird’3 auf meiner Stube, Die mitternäght'ge Geifterftunde Berauſcht jo ſuß, doch nod viel füßer Berauſchet die Cigarr' im Munde,
Im Lehnſtuhl ftred’ ih mid am Ofen Un ftarre träumend in die Kohlen Und vente an das Glüd, das todte, Verloren halb und halb geftohlen.
Doch aus den holven Dämmerungen
Entwirten ſich geliebte Bilver; In lieblihen Erinnerungen Stimmt fi mein Herze mild und milder.
Und mit den Wolken der Cigarre Entf hwinden die von meiner Stine, Und heilungsvolle Troftgedanten Erwachen leife mir im Hirne.
Ich den!’ an manches Dichterfchidfal Aus allen Ländern und vergleich’ es Mit meinem Schidfal, und id nenne Das meine dod ein freudenreiches,
O Friedrich Günther, armer Dichter, Verjagt von der Ppilifter Schwellen, So mußteft du dein armes Liebehen In eines Kirchhofs Graun beftellen.
Aus der Gtodt. 169
Und von des Lebens Noth getrieben, Haft du mit einem ftolgen, freien Gebrochnen Herzen hingefchrieben,
Ein Höfling, elle Schmeicheleien. Ich finge led hinaus die Lieder, Die frei von meiner Liebe ſprechen; Und bricht dieß Herz, fol’3 wie beim Schwane In einem Liebesliede brechen.
Ich preife weder Fürft noch Kaifer, Kein Lied entfteiget meinem Bufen,
Deß Stirne nicht die Freiheit füßte, Die jhönft' und edelſte der Mufen. .
Und Chatterton, du armer Junge, Auch dein geben!’ ich naffen Auges;
Um meine Schläfe weht es ſchaurig, Wie Seufzer deines Sterbehauches.
Dir flug die Noth um Geift und Arme Die blutig ſchwere Stlaventette,
Und du verfaufteft deine Adern Des Arztes forfchender Lanzette.
O, anders hoff’ ich zu verfprigen Mein Blut — auf einem befjern Pfühle: Vielleicht beim Sang der Siegeshymnen Und in der Freiheit Schlachtgewühle.
Und Richard Savage, deine Seele Grtrug die bitterften der Schmerzen, Dieweil dein Schidjal dir verfchlofien Den Weg zu einem Mutterherzen.
Die hohe, heil'ge Luft, zu wandeln In treuer Hut der Mutterblide,
An ihren Strahlen zu genefen,
Sie ward verfagt dir vom Geſchide.
170
Neuere Gedichte.
>} Mutter mein! von ferne grüß’ ih — Bon Gottes ewigem Gemüthe Hat fi ein heil' ger Strahl gefentet In deiner Seele weiße Blüthe.
In allen Einfamteiten fühl’ ih Mi nimmer einfam und verlafien, Mir folget nad) der Mutter Sorge, Wohin ich zieh‘, auf melden Straßen.
Und nimmer fann mein Herz verwildern Wie deines, Savage, armer Dichter, Denn fegnend ftrahlt in meine Seele Ihr Aug wie milde Mondenlichter.
Wenn ich's bedenl' — wie glüdlic bin ic! Im Ofen fummt die Flamme traulich, Und aus den Gaſſen tönt der Nachtruf Des Wächter zu mir fromm erbaulid.
Die ich bier fig' und finn’ und ſchreibe Im nacht'ger, doch befeelter Stille, Schein’ ich mir felber eine ſchöne Und dichteriſche Stadtidylle.
Dienſtbotenſchlaf.
O, wecdt fie nicht, ihr fommt vom Trinkgelage, Sie haben fi) gemüht für euch bei Tage: Ihr leertet au den Becher füßer Luft, Sie ftellten hin den bittern Kelch der Plage.
Legt Sanftmuth auf die ungerechte Wage, Daß euch nicht einft ihr blafjes, ftummes Aug Und ihrer Wangen Blaſſe furditbar frage: Wer gab in eure Hand das Recht der Plage?
Aus der Stadt.
Für euch nur raffen fie die Araft fo eilig Im kurzen Schlaf zufammen — ftört fie nicht! Auf ihren Stirnen fteht es hundertzeilig: Dienftbotenfchlaf ift heilig, dreimal heilig ! So heilig, wie das Schwert des müden Kriegers, So heilig wie dad Zelt ruhmvollen Siegers Und wie der Stab, daran zufammenbricht Vom legten Kampf die Kraft de3 Unterliegers. Legt Sanftmuth auf die ungerechte Wage! D, wedt fie nicht — ihr fommt vom Trinkgelage, Geht leifen Schritts, reißt an der Glode niht — Wer gab in eure Hand das Recht der Plage?
Am Fenſter. Da rollt am Haus vorbei, ſchwarz ausgeſchlagen, Mit feiner ftilen Laft ver Todtenwagen. Es figen Kinder in dem Staub der Gaflen, Die ſich durch ihn im Epiel nicht ftören laſſen. Da fpringt das eine auf, ein blonder Junge, Und ſchwingt ſich rüdwärts auf mit fühnem Schwunge. Und freudig ftolz blidt er von feinem Site Und winkt der andern zu und ſchwenlt die Muhe. So fährt er fröhlich hin, der blonde Knabe, Und fährt fo fröhlich mit vielleicht zu Grabe. Die andern fahn ihm nach mit ftillem Neide Auf feine fhöne Fahrt, auf feine Freude. Die ich den Knaben auf der Fahrt erfhaute, Am Fuß des Sargs, zu Grabe zieh'nd — mir graute. Die Kinder fahn ihm nad mit ftilem Neide Auf feine ſchoͤne Fahrt, auf feine Freude.
171
Oft und Welt.
Geſchlechtsregiſter.
Schuttelt ab die Schmach, ihr Deutſchen, Ab die Schmach, die die Geſchichte Euch zum Hohne aufgezeichnet Mit dem unterthän’gen Griffel.
Jene Schmach, daß in den Leibern AU der blut’gen Romanowe Kocht das Blut, das in den Adern Luthers, Huttens, Schillers rollte.
Der nicht weiß, daß die entmenjchten Und entweibten Weiber, welche Auf des Iwan Waſſiljewitſch Stuhle fih in Wolluft ftredten —
Daß fie mit dem Auswurf bublten, Mit dem Schmug der Nationen, Die die Fluth am Sklavenſtrande Rußlands jemals ausgeworfen ?
So gejeugt in anbefohlner, Knechtiſch unterwürf'ger Wolluft, Und geboren dann auf Purpur Und in Autokratenhochmuth,
. OR und Weſ. 173
Wirft ſich diefes Blut im Wahnfinn Innern Kampfes auf dem Throne, Denn es ift das Blut des Sklaven In den Adern des Defpoten.
Schlechtres aber kennt die Erde Nichts ala Stlaven und Defpoten, Denn fie find des Menfchheitbaumes Faule Wurzel, faule Krone.
Drei Reiter.
Jangſt an ber deutfchen Gränze war zu fhauen Mit einem Mal im Nebelmorgengrauen
"Die unheimlichfte Trias, wie bis da
Sie niemals nod ein deutfhes Auge ſah.
Drei Reiter waren's, fern herbeigerufen Zur Polenjagd — an ihrer Roffe Hufen Hat Blut gelebt, denn ein verblutend Land ‚Hat die gefpenft’ge Trias juft durchrannt.
Der Sprache Laut, das Antlig, die-Gewande — So fremd ift Alles, ob dem Märchenlande Entfprungen wär” ber vielverſchiedne Sohn Vom Kaukafus, vom Ural und vom Don.
Sie ſchaun herüber über3 Gränzgelänbe, Das ihres weiten Rittes Ziel und Ende;
Sie halten an, in Sinnen tief verſenlt — Doch ift verfchieden, was Jedweder denft.
Sein Rößlein ftreihelt ver Koſak mit Lächeln: Süß ſcheint die deutſche Luft dich anzufädeln, Die deutſche Weide, dünkt mi, lodt did an — Sei fill, der letzte Ritt ift nicht gethan.
174
Neuere Gedichte.
Sei ftil, mein Rößlein, aus der Seine Zluthen Einft tranken fon am Don gefäugte Stuten, Noch kann geihehn, was ſchon vor Zeiten war: Im Himmel Gott — auf Erden lebt der Gar.
Mit dummen Augen gloget den Genoflen An der Baſchlir: warum auf unfern Roffen Nicht dürfen wir hinüber in das Land ?-
Mein Pfeil ift ſcharf, mein Bogen ift gefpannt.,
Viel Städte feh’ ich bort! — o reiche Beute — O gelbes Gold — ein.guter Tag wär’ heute! Hinüber fprengen möcht’ ich gern fürwahr; Gehört nicht alle Welt dem weißen Czar?
Noch nicht! — mit ſchlauem Lächeln der Kofate: Ganz todt muß fein der tüdifche Polate; Zerftampfen mit den Hufen müffen wir Erſt dieſes ganze Land; dann erft, Baſchtir! —
Doch ftilles Sinnen feſſelt den Tſcherkeſſen. Denkt er der fernen, freien Berg’ indeſſen? Fragt er, von Seufzern eines Volls ummeht: Ob Nikolaus, ob Schamyl der Prophet?
Er lenkt fein Roß; von Nebeldämmerungen Iſt er mit den Genoſſen bald verſchlungen, Wär’ nicht zu hören noch der Hufe Schlag, Man dacht', es wär’ ein Traum bei lichtem Tag.
Die blauen Augen, die fie fahen halten An deutſcher Gränze, glaubten Truggeftalten Zu fhaun aus einem böfen Zukunftstraum — Den wagt ein deutſches Herz zu deuten faum.
OR und Def 175
An den König.
D Fürft aus einem Stamm von Wellen, Den Ale mild und ebel preifen Bereint und laut; IR mir’ vergönnt ein Wort zu wagen a... Blaten, 1881.
Nachfolger bin ich eines Beflern; Der einftens zu dir ſprach, AS an der Weichſel rothen Wäffern Ein großes Leben brach.
Er fprad zu dir noch Hülfe flehend Für ein zertreines Land, Deß Eonne, herrlich untergehend, Blutrotd am Himmel ftand.
Die Zeit ift hin und das Vertrauen, Das ihn zu flehn bemwog; Bir lernten dur) den Vorhang ſchauen, Der noch dem Edlen log.
Und bettelnd nicht mehr ſiehſt du Hagen Vor dir das Nachgeſchlecht, Ein Wort der Wahrheit dir zu „wagen“ Hat e3 fich lec erfrecht.
Dir fehleudern dir die ganze Schande Zu Füßen fhamentbrannt, Daß du aus unferm deutfchen Lande Gemacht ein Schergenland;
Daß du die Schaar, bebedt vom Blute, Das fie zu Heil’gen tauft, Gemeiner Mosfowitenfnute BVerrätherifch verlauft.
176
Neuere Gedichte.
Und dann von einem Stamm der Weifen Spricht noch der behre Mann! Vom Stamm, ben Alle evel preifen — Wie ſchnell dieß Lob zerrann!
Denn wir — wir wiſſen nur zu melden Bon einem Prufias, Der feige einem flücht'gen Helden Die beiligfte Pflicht vergaß.
Hüter, if die Nadit bald hin?
Durch die deutſchen Länder ſchreit ich, Angſtoll, klagvoll, wehmuthsvoll; Dorthin meine Arme breit’ ich,
Wo die Sonne kommen fol.
Und ich rufe Hagend, zagend,
Ob nur ich fo ſchlaflos bin!
Wie vom Delberg Jener fragend: ‚Hüter, ift die Nacht bald hin? —
Hie und da bie Nebel weichen, Hie und da verblaßt ein Stern; Iſt fein Tod ein frohes Zeichen, Daß der Morgen nicht mehr fern? Unfres Herzens Nachtigallen Sind verftummt — if’3 der Beginn Bon den jhönen Tagen allen? ‚Hüter, ift die Nacht bald bin? —
Ifl's die Angft in meinem Herzen, Die die Nacht fo qualvoll dehnt? Bin ih Einer, ver in Schmerzen Vorſchnell frühen Tag erfehnt?
OR und Belt. 177
Um mid) Tiegen fie im Kreife, Schlafer, tobt an Geift und Sinn, Keiner feufzt im Traume leife: Hüter, ift die Nacht bald hin? —
Hüter! Gott! dir jelbft muß werden Bang in diefer langen Nat! Gib ein Zeichen, daß der Erden Iſt ihr junger Tag erwacht; Daß zur frohen Lerche werde, Jungen Tags Verkünderin, Deine Seele auf der Erbe: Hüter, ift die Nacht bald hin?
Die böhmiſchen Xekrufen.
Noch einen Schlud gib, alter Jude! Und dann gebraude deine Kreide; " Ich will nit gehn aus deiner Bude Als mit erfäuftem, todtem Leibe.
‚Heut haben fie mir meinen Segten Mit fortgenommen als Refruten; Die fie ihm auf den Tſchako fegten, Da wollte fi mein Herz verbluten.
Mein Erfter lieget in Venedig, Da mag man ſchwarz und gelb nicht leiden: Der Herr fei feiner Eeele gnädig! Sie tragen Meſſer mit zwei Schneiden.
Er ſchreibt: 's ift eine wunderbare, Seltfame Stabt auf hundert Infeln, Es ift, als ob darüber fahre Der Wind mit Alagen und mit Winfeln. Norig Hartmann, Werke, 1. 12
178
Neuere Gedichte.
Gott weiß — es ſcheint ihm oft, als ruhte Ein dunkler Fluch auf ihren Mauern.
Er ſchreibt, e8 wär’ ihm fo zu Mutbe, ALS wär’ in Prag dafjelbe Trauern.
Gr fehreibt, er fehnte ſich herüber Gar oft nad) den Kartoffelreſten Und tränte bohmiſch Waffer lieber Als ſchwarzen Wein in den Paläften.
Mein Zweiter liegt im tiefen Polen; Dem geht's noch ſchlechter ald dem Andern: ’3 muß traurig fein, auf tobten Kohlen, Do einft ein Wald geblüht, zu wandern.
Sie mögen ſich nicht drein ergeben,
Daß man fie böhmiſch machen wolle; Sie find gewohnt nicht an das Leben, Denn kede Leute find’ und tolle.
Zum Ungfüd fann er fie verftehen, Wenn fie fo laut gen Himmel Hagen; Wenn er fie jagt, ift ihm fo wehe,
Als müßt er feinen Bruder fhlagen.
Zu welchem Schergenamt mag taugen Mein Jüngfter, ven fie jetzt verſchicken? Gott weiß, ob wieder diefe Augen Der Mutter Liebling je erbliden!
Vielleicht muß er an Kerferpfoften Auf Wache ftehn fein halbes Leben.
’3 ift gut in feinem Stand, zu foften, Daß e3 ein hartres Loos kann geben.
D, gab' es Krieg! Drei leichte Bleie Schnell könnten helfen meinen Kindern Und meine Sorge um die Dreie An einem einz'gen Tage lindern.
OR und Weſt. 179
Noch einen Schlud gieb, alter Jude, Und dann gebrauche deine Kreide; Ich will nicht gehn aus deiner Bude Als mit erfäuftem, todtem Leide.
Der Blanskywah. (Aus einem Märchen; dgl. IV, 98.)
Im Böhmerland der Blanskywald Iſt wie die Altfte Sage düfter — Wenn bie und da ein Blättlein fallt, Das gibt ein ſchauerlich Geflüfter.
Die Särge armer Leute liegt Ein todter Frühling auf dem andern, Das Blättlein, das im Winde fliegt, Scheint nur zu feinem Grab zu wandern.
Wär’ nicht der holde Vogelfang In Büfchen tief und in ben Gipfeln, Und nicht der träumerifche Gang Der Lüfte ob den grünen Wipfeln;
Wär’ nicht da3 Aug de3 frommen Rehs, Das dich begrüßt auf dunkler Halve: Du Fönnteft dich des trübften Wehs Entſchlagen nicht in diefem Walde,
Denn auch der Quell, der traulich fpricht Allüberall mit frohem Munde, Hier raufcht er dumpf hervor und bricht Die dunkles Blut aus einer Wunde,
Und wären nicht bie Blumen aud, Die ihn gebeugten Haupt umftehen,
180
Neuere Gedichte.
Wie Jungfraun, die mit naſſem Aug Auf einen Kranken nieberfehen; —
Dir wär’ zu Muth im Blanskywald, Als hätten jelbft die Einfamfeiten Die milde, heilſame Gewalt Langſt eingebüßt für alle Zeiten.
Fin Hufitenkied.
Du heiliges Feuer am heimifhen Herb, Du düfterer Wald, du üppige Erd’, Du friedliche Egge, du glänzender Pflug, Genoſſe des Abends, du irdener Krug: Ich ſcheide von euch, ich greife zum Schwert, Ich fehe euch wieder zerfchlagen, verheert, Für Gott! für Gott!
Ich ziehe hinaus mit Kindern und Weib, Im Feuer zu ftählen den irdischen Leib, Auf daß fie gewöhnen in Schlacht und in Lärm Das Aug an zerrifienes Herz und Gedärm; Auf daß fie ertöbten dad menſchliche Herz Und nicht mehr Tennen Kummer und Schmerz; — Für Gott! für Gott!
Bir find nit wie Schwalben, die glüdlich ziehn, Wo andere fhöne Lenze blühn; Wir ziehen wie Raben nad} Leichen aus, Die ganze Welt ift ein Todtenhaus. Das Beten ift worden ein alter Brauch — Man betet mit Morden und Sterben auch Zu Gott! zu Gott!
Tagebuchblätter.
In der Firemde. 1.
Dieß Eine fleh’ ich, heilige Macht, In der Fremde: Nur feine ſchlummerloſe Nacht In der Fremde.
Zwiefach twilltommen ift der Schlummer In der Fremde, Und zwiefach ſchmerzet jeder Kummer In der Fremde.
Der Gram fühlt fi auf befrem Grund In der Fremde; Das Herz wird frank, er wird geſund In der Fremde,
Schlaflofe Nacht erwedet Lieder In der Heimat; Schlafloſe Nacht erbrüdt fie wieder In der Fremde.
Schlafloſe Nacht ift heil ge Zeit In der Heimat Und angfterfüllte Einfamteit In der Fremde.
182 Neuere Gedichte.
Ich tönnte träumen von den Meinen In der Heimat, u Und ſchlummerlos muß ich hier weinen In der Fremde.
2.
Darum fo trüb und fo verſchloſſen? Warum, o Freund, fo ohne Muth? Haft du nicht liebende Genofien? Iſt dieſes Land nicht fhön und gut? — „Du weißt nicht, wie die Fremde thut!“
Sind nit der Nachtigallen Lieder So lieblid wie daheim bei dir? Lacht nicht der blaue Himmel nieder Noch milder und noch fhöner hier? — „Du kennſt die Fremde nit — wohl dir!”
D, fieh die Augen unfrer Frauen, Die find fie Luft und liebevoll! Vor ihren Strahlen muß jertbauen Jedweder winterlihe Groll. — „Ein Leid giebi’3, das nie ſchwinden fol!“
O Sohn de3 Vollks, wie kannſt du trauern, Do alles Volt der Feflel frei? Und mußt du denfen nicht mit Schauern An deiner Heimat Sklaverei? —
3 denke dran und bleib’ ihr treu."
3,
Sig’ ih auch de3 Nachts allein, Trink' ich dod vom deutſchen Wein;
Zagebuchblauer.
Denfe an die fernen Lieben,
Ob mir alle treu geblieben ;
Thue Züge, tiefe, raſche —
Will mit meinem Loos nicht hadern, Deutſchen Wein in meiner Flaſche, Deutſches Blut in meinen Adern.
Biehn die Tage kummerſchwer Mir vorbei und liebeleer, Ohne Gruß aus liebem Munde, Iſt die mitternächt'ge Stunde ine lieblide Dafe — Will mit meinem Loos nicht hadern, Deutſchen Wein in meinem Glafe, Deutſches Blut in meinen Adern.
Schwinge hod das volle Glas,
Laſſe leben Dieß und Das; Fliege hin, du Wort der Worte,
* Und an die gewiſſe Pforte, Treue Liebe, Hopfe, Lopfe! — Will mit meinem Loos nit hadern, Deutihen Wein in meinem Kopfe, Deutfches Blut in meinen Adern.
Entläuſchung.
Da ich verzagen wollte, Kamſt du zu mir — Mein Herz, das heimlich grollte, Es neigte liebend ſich zu bir.
Mein Herz, das heimlich grollte, Beglücteft du,
183
184
Neuere Gedichte,
Und ba es brechen wollte,
Gabſt du ihm wieder feine Rub. D, wär’ es doch gebrochen!
Die Onadenzeit,
Die mir dein Blid verſprochen,
Die ift fie num fo weit, fo weit, Ich mußte inne werben,
Daß ed noch Glüd,
Noch Liebe gibt auf Erden;
Dann nahmft du Beides mir zurüd. Das muß den Gram mir fhärfen,
Daß nun zu lieb
Die Belt mir zum Verwerfen,
Zum Lieben mir zu werthlos blieb.
Wärdienglaube. Ich war ein Kind und lag am See Und blidte in die blaue Tiefe Und lauſchte, ob die Waflerfee Nicht liebend meinen Namen viefe,
Bei ihrem Ruf mit Todesluft Wär’ ich zu feligem Verderben Gefunten gern an ihre Bruft, 7 Und hätt’ ich müffen elend fterben.
Sie aber ſchwieg, und ſchmerzbewegt Und grollend bin ich heim geſchlichen; Mein Glaube, den id) lang gehegt, Mein Märchenglaube, war verblichen.
Und kindiſch war ih, als ich fromm Geblidt in deines Auges Tiefe,
Tagebußblätter.
Ob nicht die Liebe: „komm, o komm“! Aus feinem dunklen Grunde tiefe,
Mit Liebesluſt, mit Todesluſt Wär’ ich zu feligem Verderben Gefunten gern an beine Bruft — D Gott, e3 wär’ ein fühes Sterben!
Dein Aug ift dunkel wie der Eee, Und beine Kälte mußte rauben Zu meinem unnennbaren Weh Mir noch den legten, liebften Glauben.
Wüſte Tage. Ich hab’ fo leere, wüfte Tage, Die ohne Freude, ohne Wehen Und ohne Luft und ohne Klage Tonlofen Schritts vorübergehen.
Und meine Seele ſucht vergebens, Die Schmwalben nad des Schiffes Maften, Nach einem einz'gen Punkt des Lebens, Darauf fie könnte fröhlich raften,
Da flüftern tüdifhe Gedanfen: Did) mag doch feine Seele lieben! Und meine Stärke fühl’ ich wanken Wie Eichen bei der Aexte Hieben.
Und klarer wird e8 meinem Blide, Daß es nur leere Märchen waren, Was ic) von Lieb’ und ihrem Glüde Gehört, geträumet und erfahren.
Hinmwerfen wie ein büftrer Becher, Hinwerfen möcht’ id dann mein Leben
185
186
Neuere Gedichte.
Wie einen giftgefüllten Becher, Es niemals wieder aufzuheben.
Wenn id nur eine einz'ge Stunde Die einft das Märchen glauben könnte, Und wenn ich's hört! aus ihrem Munde, Die Gott der Erde nicht vergönnte.
Antwort.
Kennft du die Tage, da die Wolfen Trüb übern Himmel fliehn, Zugleich die dunklen Schatten Durch deine Seele ziehn?
Kennt du die Tage, da die Blume Sich ftill erhebt im Beet, Zugleich in deinem Herzen Ein Frühling auferfteht?
Kennft du die Nächte, da die Stürme Durhmwühlen Saat und Baum, Zugleich mit ſchweren Klagen Durhdröhnen deinen Traum?
Kennft du die Nächte, da die Sterne Sic) fpiegeln ftil im See, Zugleich in deiner Liebe Aufblüht ein ſel ges Weh?
Dann frage nicht, was mich oft traurig, Was mich oft ſelig macht — Den Tag mit Blum’ und Wolken, Frag Sturms und Sternennadt.
Togebuchblatier. 187
Und frage dann Natur und Liebe, Wer fie gemacht fo gleich, Und frag, warum fie beide An Schmerz und Glüd fo reich!
Abwehr.
Nicht mih, o Baum voll Blüthen, Ummeh mit deinen Düften! Kommt fie herangegangen, Dann laß die Zweige hangen, Dann wehe in den Lüften - Die luſi'ge Freudenfahnen. Dann ſtreu auf ihre Bahnen Aus deinen Blüthenranten Duftz, Luft: und Lenzgedanken.
Nicht mir, o Sprofier, finge! Auf, hebe di und ſchwinge Dich fort zu ihrem Haufe,
Zur ftillen Mäpcentlaufe, Und trage durch bie lange Und bange Nacht mit Sange In die geweihten Räume Befeligende Träume.
Nicht mir gib deinen Segen, O Bettler! auf den Wegen Kann fie aud dir begegnen: Dann lafle nieberregnen Gebet’ und Segensſprüche Die volle Woltenbrüge.
188
Neuere Gedichte.
Verdacht. 1
In deinem Herzen ruht Verdacht, Und deine Seele ift gefräntet Wie eine Blume, die die Nacht Mit einem böfen Thau getränfet.
Du glaubft mir nicht — du trauft mir nit! — D, ſprich es aus, das Wort der Klage! Und beine Seele wird am Licht Geneſen wie die Blum’ am Tage,
Ein Wölklein machet im Revier So traurig alle Bäume flüftern —
Ein Wölklein zwifhen dir und mir Kann mir die ganze Welt verbüftern.
2
Sie ſprach es aus, das Wort der Klage, Dann lag fie weinend mir am Herzen, Dann folgten glüdbejeelte Tage An Wonnen reich und felgen Schmerzen.
So f&idt der Himmel feinen Regen Herab mit Hagender Geberbe, Dog feiner Klage folgt der Segen Und folgt ver Fruhling auf der Erde.
FJetzter Trofl. Bald wirft du fterben — adj, du weißt es Und lachelſt nod wie ohne Schmerz, Doch mir zerwühlt es und zerreißt e3 Mein treues, liebevolles Herz.
Tagebuchblatter. 189
Kann dich dein früher Tod nicht ſchmerzen, Und ift er aud willlommen bir: Hab’ Mitleid doch mit meinem Herzen Und tröfte mich und mein’ mit mir.
An Frau 5. 8.
Du eine Mutter? — nein, ich glaub’ e8 nimmer: Zungfräulic blidt dein Auge in die Welt, Bon milder Scham ift diefe Stirn erhellt, Auf diefen Lippen liegt des Morgens Schimmer.
Du follft nit Mutter fein? — es wär' zu Trümmer Ein berzerhebend Gotteswerk entftellt, Mär’ nicht der Mutter Heiligkeit gefellt Mit deiner Anmuth — ja, id glaub’ e3 immer!
Du jungfräulige Mutter, wie ein Engel Erfüllteft du mein Herz mit hoher Wonne, Und zwei Mal heilig ift mir dein Gemüth.
Zwei ſchonſte Blumen trägt ein einz'ger Stengel: Die eine, Knospe noch und kaum erblüht, Die andre aufgethan in heil'ger Sonne.
Gewiſſe Worte.
O, Worte gibt's, die nie verhallen! Sie find wie Steinen, die gefallen In einen Brunnen ſchwarz und tief, Und die von Kant’ zu Kante fpringen Und ftet3 von Neuem aufwaͤrts Klingen, Wenn f&einbar langſt ihr Ton entichlief.
190
Neuere Gedichte.
Es find die Worte, die ſich ſenken In unſers Herzens tiefen Schacht; Aus der Vergeſſenheiten Nacht Klingt ewig neu ihr Angedenken.
Ich kehrte heim nach langen Jahren; Des Lebens Wucht hatt' ich erfahren, Geloſtet auch des Lebens Freude:
Mit meiner Jugend zahlt’ ich beide.
Die Mutter hielt mich lang umfangen; Und als die erfte Luft geftillt, Sprach fie mit Tönen, traurig «mild: O Gott, wie blaß find deine Wangen!
O Gott, wie blaß find deine Wangen! Es glüdt mir nicht, aus meinem Herzen Die Mutterworte außzumärzen,
Ob Jahre drüber hingegangen.
Ob nun in Freude, ob in Leide Der Wangen Frühling von mir ſcheide: Die Worte find mein treu Geleite. Ich höre ſtets an meiner Eeite In Tönen, traurigen und bangen: O Oott, wie blaß find deine Wangen!
Und fig’ ih Nachts allein und ſchaue Mit falt'ger Stine, büftrer Braue Tief zu des Bechers goldnem Grunde, Iſt mir, als ob aus treuem Munde ‚Heraus die Klageworte Hangen:
O Gott, wie blaß find deine Wangen!
Furwahr, ic glaube, wenn ic) liege Einft auf der ſchwarzen Todtenwiege,
if
Zagebuchblätter. 191
Wo mich fein Menfchenlaut mag ftören — Ich werde noch die ftillen, bangen
Und vorwurfsvollen Worte hören:
O Gott! wie blaß find deine Wangen !
"An Udolph Wroda. (Geflorben im September 1842.) 1.
Im ſtillen Walde dent’ ich dein, Du tobter Freund — beim Tanz der Blätter, Die hingemäht ein böfes Wetter Und bei gebrochnem Sonnenfcein.
Es iſt fo traurig ſtill ringsum, Und meine Schmerzgebanten fliegen Fort mit den Blättern — fünnt’ ich liegen Die fie, wie du, bald ftil und ftumm!
Du ftarbft dahin in voller Kraft — Ich ſeh', wie langſam fi} entfärben Der Jugend Träume, wie erfterben Der Muth, die Luft, die Leidenſchaft.
Du gingft dahin im Morgenroth! — Mir blieb das Leben, um zu weinen Am Grab des Glüd3 und auf dem deinen — Mir ward die TAufhung, dir der Tod,
Wem ward das befre Theil bejchert? Ic lieg’ im Banne ew'gen Rummers, Du ruhſt im Arme fühen Schlummers — Bift du, bin ich beklagenswerth?
192 Neuere Gedichte.
2.
Doch trauern will ich nicht am Grabe Des Freundes, der ſo freudig lebte Und adlergleich gen Himmel ſtrebte — Bas iſt's, das ih zu Magen habe? Wie Trauerweiden ftil fih neigen, Doch grünend ſich vom Lenz nicht ſcheiden; Wie die Zypreſſen ſchwarz ſich Heiden, ' Doch trauernd ſelbſt zum Himmel ſteigen: So will auf jeden Grabeshügel ı Ich neigen mic) mit jungem Herzen, So foll vom Thale meiner Schmerzen Mic tragen der Begeiftrung Flügel. Ich grüß euch, Gräber meiner Lieben! ’ Doc dich auch grüß ich, freud'ge Sonne, J Dich Lenz mit deiner dunllen Wonne, Dich karges Glud, das noch geblieben.
Die Schmiede. (Schlußgefang. 1846.)
Auf meinen Fabrten durch des Lebens Wald, Der wildverwachfen, düfter, raub und lalt, ‚Und deſſen Pfade felögezadt und fteil, Hohnſprechend der Gefittung regem Beil,
In deſſen Dunkel felten nur ein Licht,
Ein leichtes Streiflicht bloß der Freude bricht, In defien Schooß nur lügenhafte Dichtung Hinträumet eine glüdbewohnte Lichtung —:
Auf meiner Fahrt durch diefen Wald einmal, Da ich mein einfam Herz nur pochen hörte,
Tagebugblätter. 193
Mein Schritt am Pfad den todten Frühling ftörte, Drang durchs Geftrüpp zu mir ein dunkler Strahl Und durch das ftile Saufen, Träumen, Dämmern Die Angftgeftöhn ein reges, tolles Hämmern.
Ich ging dem Strahle und dem Schale nad, Und trüber immer ward der Ton,
Der fih im Walde brach, Und eine blut'ge Flamme fah ich loh'n.
Die Bäume ließen immer tiefer hangen Das Laub wie Trauerfchleier von den Zmeigen, Ununterbroden ſchien des Waldes Schweigen, Ob aud ringsum die Trauervögel fangen.
Die Lerche mit der frohverwandten Schaar Bar fortgeflohn für immerbar;
Der Audud blieb, der zählt die kurzen Jahre, Es hadt’ ver Specht, ald macht' er eine Bahre, Und mittendrein, ein tröftungäreiher Schall, lang leife nur das Lied der Nachtigall,
3% tam heran — da ftand in feiner Schmiede Ein rief'ger Mann wie Wittih, Wielands Sohn: Ein Dämmern lag auf feinem Augenlive,
Indeß die Gluthen feiner Augen loh'n. Sein Antlig ſchien verhärtet und verfteint, Und einem Felſen glich es, draus vor taufend Und taufend Jahren mander Duell geweint Und Kataralte ftürzten donnerbraufend. Und wie er auf den Ambos nimmermüb Mit feinem Hammer flug, fang er dieß Lieb: „Ich bin der alte Meifter Schmerz
Und ſchmiede Jeglichem fein Herz.
Mein Hammer hat gar guten Streich,
Er machet hart, er machet weich —
Ich ſchmiede, ic ſchmiede.
Morig Hartmann, Werte. 1. 13
Tag
194 Neuere Gedichte.
„Ich hab' bei Nacht und Tag nicht Ruh, Ich feure, hämmre immer zu; Seit dem verlornen Paradies Kein Etünblein mehr mich raften ließ — Ich ſchmiede, ich ſchmiede.
„Ich hab' Geſell'n in großer Zahl: Den Neid, den Ruhm, der Liebe Qual; Die Liebe ift mein Töchterlein, Die lodt mir viele Kunden ein — Ich ſchmiede, ich ſchmiede.
„ie luſtig, ba, der Hammer dıöhnt, Die Luftig fo ein Herzlein ftöhnt! — Ich ſchmiede, ich ſchmiede.“
Jetzt ſah ich erſt, daß unter ſeinem Schlag Ein armes Herz, in Web ſich windend, lag. Ein zweites, drittes, viertes folgte nad,
Das eine ward wie Etahl, das andre brach, Die einen feufzten ſtill, die andern ftöhnten, Und mandes Hang, ob Morgengloden tönten.
Und eine Schaar von büfteren Geftalten
Umjtand den Ambos in der Schmiede Und borchte dem geheimnifvollen Liede, Ahr Antlig lag in kummerſchweren Falten, Und meggebannt war jeder ird'ſche Friede. Und Einer nah dem Andern jhli von dannen: Der Eine fluchte, und der Andere lachte,
" Ein Dritter fah, ob Wahnfinn ihn umnachte, Und eines Vierten Thränen rannen, Der Eine trat das Würmlein auf ven Wegen Und hieb die Blüthen ab von den Gehegen; Der Andre neigt’ das Haupt in ftiler Wehmuth, Sein Auge ſprach von gottergebner Demutb,
Zagebupblätter. 195
Und auf den Lippen lag ein Segen.
Die Blüthenzweiglein, die auf feinem Pfade Herniederhingen, bog er jacht bei Seite,
Auf dab er feinem Blatt ein Leid bereite — Das Müdlein in der Luft fand vor ihm Gnade. Und noch ein Andrer ging dahin verdumpft, Nicht achtend rings das fehmerzenvolle Leben, Zum Himmel nur mocht' er das Aug erheben: Vom langen Beten war er abgeftumpft.
So gingen fie von bannen, trogend, jagend, Den Himmel läfternd ober milde Hagend, Denn Allen hat der alte Meifter Schmerz Geweicht, gebroden und geftählt das Herz.
D, traurig war's! — Mein Auge war benegt, Und endlos trüb erſchien mir alles Leben. Mein Herz war-bang wie niemals, da ich jetzt Den Meifter ſah den Hammer neu erheben Und unter feinem Schlag ein Herz erbeben. Ich ſah dahin, und bei dem blut’gen Scheine
Ertannt' ich's bald — es war das meine.
Der Meifter ſprach mid an mit einem Ton, Der ein Gemijh von Mitleid war und Hohn: " „So tommft du endlich — hab’ gewartet lange, Bis du auf deinem Lebensgange Eintehrft in meine Schmiede,
Zu horchen meinem Liede Und meines Hammers Klange.“
Ich wollte ſprechen, Doch mir im Buſen lag zu Tod erſtarrt Jedweder Laut — ich ſah mein Herz, das hart Der Meiſter ſchlug, als wollt’ er es zerbrechen.
196
Neuere Gedichte.
Und Trauerbilver der zulünft'gen Zeit Sah id) an meinem Blid worüberfchweben, In dunkle Fernen blidt’ ich weit und weit, Und was ich ſah, erfüllte mich mit Beben. Ich floh von dannen — tiefe Dämmerungen Umbüllten rings das traurige Revier, Kaum, daß ein Sternbild durch die Nacht gedrungen. Und weh warb mir, Und tief aus meiner Angft hab’ ih gefungen. Und id) erlannte, daß der Meifter Schmied Ins Herz geſchmiedet mir das Lied.
Intermezzo. agebuchblatier.)
‚Hat je ein Herz fo Heiß geliebt wie meines?
Ich glaub’ es wohl — reich ift der Götter Huld.
Geltiten dog dur ſchmerziiche Geduld,
Durch Mißtraun, Furcht, durch fremd’ und eigne Schuld,
Durd Trennung, Eiferfugt — das hat wohl keines. Ma Bafton de 504)
An *
(Als Widmung der „Schatten“.)
Du haft nod nicht den ftilen Mann vergefien, Den du gefannt, geliebt im fremden Sand, Dem es genügte, wenn er durfte preſſen Die heiße Lippe auf die theure Hand — Für den ein Glüd voll Tiefen unermefien Dein Anblid war, fo oft er vor dir ftand, Der dich als Lohn für Alles auserkoren, Was er, der Menſchheit lebend, ſchon verloren.
Durch dich gewann id) meine Heimat wieder, Die bis dahin mir unerfegli ſchien — Umweht vom Klange deiner füßen Lieber, Lernt’ ich zuerft dem alten Gram entfliehn —
198 Intermezzo.
Die „gelonen Eimer! gingen auf und nieder,
Die aus der Bruft verborgne Schäge ziehn — Mich felbft erkannt' ich, weil ich dich erfannte, Und mid) befaß ich, weil ich mein did nannte,
Du gabft mir neu des Liedes Macht zurüd; Ich weiß, wozu? — um Kränze zu erwerben Und dich zu frönen mit des Ruhmes Glüd. Bald wird mein Dafein neuer Frühling färben; Zufammentrag' id emjig Stüd für Stüd Die blühnden einft, jegt todten Blumenſcherben, Und neu beginn’ ich meines Lebens Mühn —: Bald wird es blühn, für dich allein nur blühn.
Nicht darf ich deinen theuren Namen nennen, Mein Hoffen wäre dann zu ſchnell verflofien, Zu beiß aud würde meine Lippe brennen,
Die Lippe, die bu küfend mir geſchloſſen. Was foll es auch, das jubelnde Bekennen? Hat denn das Glüd mitfühlende Genofien? Ein heil'ger Alausner ift e8, gleich dem Leiden, Und freudig will mit dir die Welt ich meiden.
So bleibe treu! — Ich ſchlinge in Gedanken Den Arm um deinen Leib und brüde feit Dein Haupt an mid — und wenn aud Thränen fanfen Auf deine Stirn — erf—hrid nicht — nur ein Reft Eind des Gefühls fie, jenes wehmuthäfranten, Der Hoffnungsarmuth, die nit ganz mic) läßt. So halt’ ich dich — jet mag die Welt zerbrehen — Ich halte did und halte dein Verfprechen.
(Paris, den 1, Dezember 1850.)
Intermegjo.
Den?’ id daran — mic fat ein Schauer —
Gekommen it e8 und gegangen —
Getommen mit der Liebe Prangen — Gegangen mit der Täufgung Trauer — Sin dichtes Lied fol drüber hangen.
I Sräludium.
Was ich gefühlt bis zu der Stunde, Da ic, du Holve, did erfannt — Das Ahnen war's nur einer Wunde, Cin Stammeln nur aus Kindermunde — Ein Feuer war's, das nicht gebrannt.
Und was ich jang in alten Zeiten Vom 2008, das mir in Liebe fiel — Es war ein leihtgefinntes Gleiten Hin über die geweihten Saiten Von einem heil'gen Garfenfpiel.
Mein Lied, es war der Liedergeifter Vorüberwehnde, flücht'ge Gunft — Nun greif’ ih in die Saiten breifter, Ich weiß, ich bin ein ſichrer Meifter Der Liebes⸗ und der Liederkunft.
I.
Mic drüdet eine Sorge: Ob dein ich werth? — Ob ich von dir nicht borge, Was mich vor mir verklärt ?
Doch bring’ ih Dank, du ‚Hole, Dir gern zurüd —
200
Intermegp.
\ Ich ftrahl’ in deinem Golve, Mein Lit, mein Tag, mein Glüd!
Die eine Wolte bin ih, Die Lit durchquillt — Auf ftille Lieder finn’ ih, Sie tragen all’ dein Bild.
Daß fie ald fromm mic) kennen — Du thateft Dad — Daß fie jept gut mi nennen — Du nahmft mir allen Haß.
O, weld ein neues Leben! — Die ein Gebet, Das mit entzüdtem Beben Durch unfre Seele geht.
II.
Die in den erften Jugendtagen, So friſch, fo wohl ift mir zu Mut) — Die Iuftig, ba, die Pulſe ſchlagen, Wie gährt und fhafft und treibt mein Blut! Mir iſts, als wie der Birk im Maien — Es locht in Wurzel, Zweig und Schaft, Der Lenz in ihr will ſich befreien, Der fühe Wein aus feiner Haft. O, könnt’ ich brechen und zerfprengen Die Rinde, die mein Herz umzieht, Könnt’ ich hinaus den Frühling drängen, As Blut, ald Liebe oder Lied!
Intermeggo. 201
IV.
Du meine Roſe, holdes Ja, Das ich von ihr empfangen, Als ich vor mir fie ftehen ſah Mit fhamgefärbten Wangen — Du meine Rofe, fahl und todt Liegſt du vor mir zur Stunde Und ſprichſt von deiner Todesnoth "Mit krankem, blaffem Munde, Stirb hin, ftirb hin — vergänglid find Der Liebe füße Zeichen, So magft auch du, wie Fromme, Find Vergehen und verbleichen. Vergänglic ift jedweder Kranz, Des Lenzes Blüthentriebe — Verganglich ift der Frühling ganz; — . Unſterblich ift die Liebe!
V.
O, ſpiel mit Grabgedanlen nimmer, Sie ſind dir fremd und unbekannt — Die Welt mit ihrem heitern Schimmer, Sie iſt dein wahres Vaterland!
Du gleicheſt nicht der Trauerweide, Die thränend fi auf Gräber ſenkt — Du bift ein Baum im Frühlingskleive, Der Blüthenfreudenbanner ſchwenkt.
Du gleicheſt nicht der Leidensblume, Die aus betrübtem Boden ftammt — Du bift im Früblingspeifigtpume Die Rofe, die zum Himmel flammt.
208
Intermezzo.
Froh mußt du durch das Leben wandern, Ein doppelt Glüd in deiner Bruft — Das eigne Glüd und das des Andern, Den ich beneide fhmerzbewußt.
Dich kann die [höne Welt nit miffen — Geftöret wär’ ihr reiner Klang, Die einer Harfe, der zerriffen Nur eine einz'ge Saite fprang.
Darf denn dem Lenz die Rofe fehlen? — Die Perle dem urheil'gen Meer? — Die traurig wären unſte Seelen, Gingſt du nicht unter uns einher.
IV. /
Was ſoll dieß Sehnen? Das ſollen die Thränen? — Ich bin's nicht gewohnt! Die weichen Gefühle,
Dieß wogend Gewuhle — Ich bin's nicht gewohnt!
Hin durch die Wälder,
Quer durch die Felder
Zieh’ ic im Morgendampf — Bild im Walde,
Thier auf der Halve,
Euch kand' ich Krieg und Kampf.
Hart will id ſcheinen, Leben im Saufe, Mag ih aud weinen Stille zu Haufe.
Intermeyo.
Haß will ich ſchieben Bor Wort und Geberben: Und doch mag auf Erben Reine Seele fo lieben,
VII.
So liebend ſtrahle dein Geſchick Auf dich hernieder wie mein Blid; Daß es fo viel des Glüds dir gönnte,
Als ich durch dich befigen könnte.
VII.
Du leichter Kahn, mein Herz, mein Herz, Ic) hielt dich für ein ſtarkes Schiff, Gewaffnet gegen Sturm und Riff;
Jegt treiben mit dir ihren Scherz Und wiegen dich die Liebeswellen, Die wild und wilder dich umſchwellen.
Bin ic) auch nicht der feite, ftarte, Der Lootſe auf der leichten Barle, Halt aus und fteure hafenwärts — Mein ganzes Glüd und meine Ruh Und meine Zukunft ſchaukelſt du, Du leichter Kahn, mein Herz, mein Herz!
IX.
Und fommft du nit am Tage, So komm im Traum zu mir; Gewiß, gewiß, ich fage Dir taufend Dank dafür.
203
204 Interme zzo.
Komm immer fo wie heute, Da ich entihlummert faum, Die holdes Brautgeläute Erflang mein ganzer Traum.
Wohl find noch meine Lider, Die ich erwache, feucht — Doc fomme immer wieder: Vor Glüd weint’ ich vielleicht.
Ich fleh' es, wie mit Koſen Der Nachtigall Gebet Vom jungen Frühling Rofen In kalter Nacht erfleht.
O, lomm mit aller Plage, Die du mir ſchon gebracht, Und kommſt du nicht am Tage, So fomm im Traum der Nacht.
X.
Ich jah das Meer von jeglihem Geſtade, Dort, wo es wild fi gegen Scheren bäumet, Wo's um Atlantis, das verfunfne, ſchäumet, Wo's um die Grotte lifpelt der Najade.
Doch diefes hier, dad von dem Dünenpfade Beſcheiden nur und fhmudlos ift umjäumet, Das fchönfte iſt's, wie meine Seele träumet, Dieweil es dir gedienet hat zum Babe,
So war geliebt von Hellas’ freub’gen Söhnen Der Strand von Naxos, der au ſchmudberaubte, Weil er einmal die Schönfte ſah der Schönen.
Intermezzo. 205
Und wenn, toie ih, die Welt an Schönheit glaubte, Sie würde diefen Strand mit Tempeln trönen Und ftehn vor dir mit tief gebeugtem Haupte.
XL
Du kamſt zu fpät — troß deiner Hoheit Glanz Wird dir genug der Hulv’gung nicht gezollt; Jahrtauſende find feit der Zeit entrollt,
Die deine Huld verftanden hätte ganz —:
Seit jener Zeit, die wie ein Roſenkranz Ums Haupt der Weltgeſchichte ftrahlet hold, Der Zeit, die un® bie Zeit nur heißt von Gold, Der Zeit des Verilleiihen Griechenlands.
In marmornen Arkaden von Athen Seh’ ich dich thronen, von dem Volt verehrt, Das nicht wie wir mit ftumpfem Aug gefehn.
Schönbeitsfophiften ſeh' ich dir befehrt,
Um deinen Thron die Jünger lauſchend ftehn Des Weiſen, der der Anmuth Regeln lehrt.
XII
Das ſchönſte Lied ward nie gefungen, Die fhönfte Wahrheit nie geſprochen: Wohl dürfen Herzen’ ſturmiſch pochen, Doch ſchweigen müffen unfre Zungen.
XIII.
D, eile nicht fo ſchnelle Bon uns, fo ſchroff und kalt,
206
Intermeggo.
Hat denn des Lebens Welle So zwingende Gewalt?
. Darf Liebe nicht befehlen ?
Mus fie ihr Gluckſich ftehlen?
Des Frühlings Roſe eilet, Der Stern verfinkt in Nacht — Doc das Bedauern weilet,
Die Thräne rinnet ſacht. „Leb wohl !“ iſt Teicht zu ſprechen, Doch Herzen können brechen.
Und bift du nicht zu balten, Du Stern, in deinem Lauf, Dann ruf id) die Gemalten Des Himmels zürnend auf, Daß fie dich ohn’ Erretten An unfre Nähe fetten.
Rauſcht nieder, Woltengüffe, Zerwühlet Weg und Bahn, Braust auf, ihr Ström’ und Fluſſe, Zerreißet Brüd und Kahn, Die wollen ohne Rühren Die Theure und entführen.
Verliſch, o Eonnenhelle, Dann bleibt ein Stern ver Nacht, Du fchauriger Gefelle,
O Winter, tomm mit Naht — Uns rettet dein Getofe Zum erften Mal die Rofe.
Imtermegio.
XIV.
Leb wohl, leb wohl! auf Wieverfehn!. Der Regen fällt, die Stürme wehn, Die Thräne finkt, der Gram erwacht, Mein ganzes Glüd verfintt in Naht — O Gott, wie kannſt du von mir gehn!
Verlag mich nit! — vergiß mic) nicht! Du bift mein Tag, du bift mein Licht, Du meine Zukunft und mein Kranz, Du bift mein Herz, mein Leben ganz, Du bift mein herrlichſtes Gericht.
Was foll id) noch auf Erden bier ? Was foll ih noch, getrennt von dir? D, böre, höre das Gebet,
Das meine tieffte Seele fleht: . Verlaß mich nicht und bleibe bier !
XV.
Ich muß es dir nicht laut erft fagen, Was du an meinem Blid erlannt, Erlannt an meine3 Herzens Schlagen, Am zagen Drude meiner Hand.
Nicht gerne jprech' ich heil'ge Worte, Die ſchon entweihend Jever ſchwor: Iſt auch verfperrt des Tempels Pforte, Doch bricht das ew'ge Licht hervor.
Das Eine nur vernimm und glaube, Du Zweiflerherz, das nicht vertraut, Laß froh die Blume blühn und raube Den Lenz ihr nicht, der fie bethaut :
208
Intermepo.
Ja, ich befenn’ e3, daß ſchon wilde Gefühle mi durchtobt, durchgellt, Und daß manch jugenvlic Gebilde Mir fhon zu Füßen liegt zerſchellt.
Dod Alles, was bis jept ich fühlte, Dar wie ein hinterlift'ger Bach,
Der unter mir den Grund durchwühlte Und meiner Jugend Wurzeln brah —
Ein Kataralt, der wild betäubend Sich ftürzte in fein fhnelles Grab, Und braufend, perlend, rauſchend, Mäubend, Doc feinen Regenbogen gab.
Dar wie ein Sturm, der durch die Blüthen Erſt fanft, wie Schlummerlieder, kreist — Dann aber plöglih und mit Wüthen Das Dad von meiner Hütte reißt.
Und jet, du Theure, wie verſchieden, Wie anders iſt's, wie ruhevoll,
Wie reich an unbegränztem Frieden, Wie fern von allem Sturm und Groll.
Was jeht die Seele mir beiveget,
Iſt wie der See — fo tief und Har — Dort bleibt es ficher eingeheget, Dort bleibt es Teuchtend — immerbar.
D, könnte man’3 den Andern weiſen, Und könnt’3 ein Menfchenauge ſchaun, Sie würden feine Schönheit preifen — Du aber kannft hier Hütten baun.
Ich ſchwore nicht, weil ich nicht ſchwöre, Daß heilig ſei, was heilig iſt, Daß ich mir ſelber angehöre — Weil du es weißt, was bu mir bift,
Imtermezgo. 209
Nur wenn id trüb von dir mi wende Und geb’ in meine Einfamteit, Leg’ ich aufs Herz die beiden Hände, Und jeder Pulsſchlag ift ein Eid.
Und wenn id) dann dich wieder jehe, Benn id von fern’ did) fhaue nur, Iſt jeglicher Moment ein Wehe, Und jedes Wehe ift ein Schwur.
Ob ich dich je befigen werde? Ich frage nicht! — was liegt an mir? Dir aber leuchte diefe Erde — \ Ih, Theure, ich gehöre dir!
XVI.
Wie ein Ruf von einem andern Sterne Klang dein Lied, das ſeelenvolle, mir, Und ic} folgte diefem Ruf, und ferne Liegt die Erde hinter mir und bir.
Nicht beklag’ ich's, daß ich fie verloren, Karges Glüd entſchwand mir nur mit ihr; Uber du, der ich mich zugeſchworen,
Gib jegt ihre Seligfeiten mir.
XVII. Du fagft, ein Jahr iſt bald dahin. — Bedenk des Mortes trüben Sinn. Die Monde fliehen wohl, die Jahre, Doch Liebe auch, die mandelbare. Das Jahr, das einft in Blüthe ftand, Das Jahr wirft Eife an den Strand,
Morig Hartmann, Bere. 1. 14
210 Intermezzo.
Sieht Blumen blühn und fi entfärben Und Herzen lieben und erfterben.
Doc nein! Du kommſt mir treu zuräd: Zu deiner Heimat, deinem Glüd DWirft du von heil ger Macht getrieben — Und Dieſes alles ift mein Lieben.
XVIII.
Ich ſtrebe nach Ruhm, um dich zu kränzen, I dürfte nach Glud, um dich zu beglüden, Ich ſchmachte nad) neuen Jugendlenzen,
Um dich mit ihren Blumen zu ſchmücken.
Ich möchte einherziehn vor deinen Pfaden, Um ihre Dornen aufzulefen —
Ich möchte mit allem Leid mich beladen, Daß du von jedem mögeft genefen.
Doc weh dem Gefhid! — in Einfamteiten Vergeh ih mit meinem Wunſchen und Sehnen. Ich darf für dich nicht tragen und ftreiten,
Ich habe für mich nur heimliche Thränen.
Die gerne mit dir auf einfamem Kahne Fortzög’ ich hinaus — wie gerne, wie gerne! — Allein auf leuchtendem Oyeane, ©eleitet nur von dem Liebesfterne !
XIX.
Ich ftolzer Mann! feit Jahr und Jahren Hab’ ich mich ftarf und feit gemähnt — Mein altes Herz, das viel erfahren,
‚Hat fi gequält nicht und geſebnt.
Intermesgo. 211
Der Menſchheit hatt' ich mich verſchrieben, Ihr großes Leiden mar mein Leid,
Allein die Menſchheit wollt’ ich lieben Un leben nur in ihrem Streit.
Gerüftet mit dem jhönen Zorne, Hinftrebt’ ih nad) dem Einen Ziel — Geſchmudt mit meinem Kranz von Dorne, So zog ich ſchweigend ind Exil.
Wie einfam war ich, wie verlaffen,
Wie wehte rauh des Schidſals Wind Auf meinen menſchenleeren Straßen! Da fand ich did, du theures Kind.
Du ftandft an meinem Pfad, o Blume, Und tief zu dir herabgebüdt,
Als wie vor einem Heiligthume, Sprad ih: Beglüct, men fie beglüdt!
So blidt der dunkle Schwan der bleichen Seelilie in die Augen tief,
Die aus geheimnißvollen Reihen Die Sonne in ven Frühling rief.
O, diefer Tag! — er ſei gefegnet, Gepriefen fei er taufendmal!
Mit ihm ift mir mein Glüd begegnet, Mein Glüd mit aller feiner Qual,
D, laß mich ewig dran gedenken, Vie Alles ſich fo fhön begab;
Die Taucher fih zur Perle fenten, Sinf in Erinnerung ich hinab.
Ein Abend war's — ic) trat ins Zimmer — Da war von Jraun ein fhöner Kranz — Doc mir verſchwand ihr ganzer Schimmer, Mein Oftertag, vor deinem Glanz.
212 Intermegjo.
Geheimnißvol an did gebunden, Gebannt durch deinen dunklen Blid, Hab’ ich es ſchnell und tief empfunden, Daß mir begann ein neu Geſchid.
Ein neues Leben, neuer Kummer, — Der Kummer, der das Glüd enthält — Auffprang mein Herz aus feinem Schlummer Und ſah, daß fchön fei diefe Welt.
Des Augenblidö, des tiefgetränten, Auch du empfandeft feine Macht, Und beine blaſſen Lider ſenkten Sich ſtill vor deines Auges Nacht.
Zum Freunde kehrt' ich mich mit Fragen, Zugleich die Freundin fragteſt du — Ich fragte ſchon mit Furcht und Zagen — Und du? — du fragteſt nicht mit Ruh.
Dann ſangeſt du — o, nichtverhehle, Daß mir du ſangſt von Glück und Schmerz — Aus meinem Buſen floh die Seele Und kußte dich auf Lipp' und Herz.
Mir Hang dein Lied wie eine Mahnung, Daß liebeleer mein Lenz verrann, Zugleich wie hoffnungsreiche Ahnung, Daß ih noch glüdlih werben kann.
Der Winter ſchmolz, das Eis zerthaute, Ich mußte nicht, wie mir gefhehn, Und als ich dir ins Auge fhaute, Sah ich den Frühling auferftehn. - -
Was waren all die Huldigungen, Die dir die Andern dargebraht — Für fie war nur ein Lied erflungen, Mir Auferftehung aus der Nacht.
Imtermeggo. 213
Die Freunde famen dann und riethen, Nicht kalt vorbei zu gehn, wo klar Die Götter mir ein Schidfal bieten, So ſchon, fo rei), wie feines war.
Verblendete, die nicht bedachten, Daß, unberührt vom ganzen AU, Geheimnißvol in tiefen Schachten Sich einfam bildet der Kryftall,
IX
Dunkle Augen, Blaffe Wangen — In den Augen Zitternd bangen Weiche Zähren — Süß Begehren, Sie, die füßen, Aufzuküffen,
» Füllt mein Herz.
Laß fie ſinken Ohne Reue — Laß mid; trinken Deiner Treue Flücht'ge Zeugen — Laß mic beugen Auf dich nieder — Ad, warn wieder Kaſſ' ich dich?
214
Intermeygo.
XXL Geh Bin, geb hin! Mein frommfter Segen Zieht pilgernd fort mit dir ins ferne Land; Wohin du fommft, auf allen Wegen Legt er aufs Haupt dir feine weiße Hand.
Du ſchlafft — er wacht an deinem Bette, Du wachſt — er folgt dir als ein Cherub nad, Du beteft — und die ſchwere Kette Des Grames briht: — er war e8, der fie brach.
Did drüdet Schuld — er hat Erbarmen, Du Hagft dich an — er milvert deine Reu, Du mwantft — er hält did in den Armen, Du wirft mir treulos, und er bleibt dir treu.
XXI.
Welche Mißgunſt hat zur Plage Urmer Liebe dic erdadt? Welcher Gott erſchuf di, fage, Nacht der Trennung, lange Naht? , |
Ohne Mondlicht, ohne Sterne, Ohne Lied der Nachtigall, Drüdt auf alle Näh’ und Ferne Deiner Nebel dunkler Schwall.
Ungefehn und ftill wie Geifter, Die von Stern zu Sterne ziehn, Wandelt nur die blafje Sehnſucht, Leiſe Hagend, ber und hin.
Intermegpo. 215
XXIII.
Wie die Blume ſich verſchließet In der Nacht, in der Nacht, Hat mein Herz, ſeit du mich ließeſt, Seine Augen zugemadt.
Nicht in Schlaf ift es verfunfen — Ah, es wacht, ach, ed wacht! Über e8 betrachtet trunfen Seiner Liebe reihe Pracht.
Die verſchwindet mir die ganze Weite Welt, weite Welt Vor dem unerreichten Glanze, Den die Herz gefangen hält.
Und fo bleib’ ich, bis du, Treue, Wiederlehrſt, wiederkehrſt Und der Erde Glück aufs Neue Und die Welt mich lieben Iehrit.
XXIV.
Zwiſchen ihrer ſtillen Gaſſe, Zwiſchen meiner lauten Straße Auf dem Wege in der Nacht — Ad, wie viele ſchone Lieder Kamen da und gingen wieder, Wild bewegt und traurig fact.
Zwiſchen ihrer jtilen Gaſſe, Zwiſchen meiner lauten Straße Auf dem Wege, früh und fpät — Ad, wie manche füße Thränen Mit wie vielen holden Plänen Sind zerronnen und verweht.
216
Intermepp.
Zwiſchen ihrer ftillen Gaſſe, Zwiſchen meiner lauten Straße Auf dem Wege ftürmt' es oft — Stürme zu! — mit allen Plagen Bin bereit ih mid zu ſchlagen — Ich war froh — ich hab’ gehofft.
Zwiſchen ihrer ftillen Gaffe, Zwiſchen meiner lauten Strafe Auf dem Wege Schnee und Eis — Aber warm war mir zu Muthe, Feuer mar in meinem Blute, Ad, ich liebte fie jo heiß.
Zwiſchen ihrer ftillen Gaſſe, Zwiſchen meiner lauten Straße Traurig Beide gehen wir — Alles ftürmt in mir zufammen, Thränen, Hoffen, Eis und Flammen — Abſchied nehm’ ich jetzt von ihr,
XXV. Mad Petöfi.)
Das Blatt der Blume muß verwehn, Ich muß von meinem Liebchen gehn,
So Gott mit dir, Du ſchönſte Bier, Du Taubchen mein.
Der Mond verbleiht in dunkler Nacht, Was hat und Beide blaß gemacht? — So Gott mit dir,
Du fhönfte Bier, Du Täubchen mein.
Intermeno. 217
Vom Thaue leuchten Zweig und Ried, Von Thränen unfer Augenlid, So Gott mit dir, Du ſchönſte Zier, Du Täubchen mein.
Noch wird ein Frühling auferftehn, Für ung vielleicht ein Wiederjehn — So Gott mit bir,
Du fchönfte Bier, Du Taubchen mein.
XXVI.
Wie lacht der Tag, der fie entführt Aus meinen treuen Armen, Die Sonne leuchtet ungerübrt, Der Himmel ohn' Erbarmen.
Der Himmel wird, wie bier, fo dort Nit blauem Aug fie grüßen, Die Sonne fie an jedem Ort Mit warmem Strahle küffen.
Trotz alternder Novemberzeit Iſt Lenz auf allen Wegen, Kein MWöltlein fühlt mit mir das Leid, Es fält fein Thränenregen.
Was jollten auch die Wolfen hie Zergehn als Thränenregen ? Sie ziehn ihr nah, mit Thau für fie Die Blumen dort zu pflegen.
So muß ich auch durch die Natur Daran erinnert werben,
218 Intermeppo.
Daß id mit meinem Schmerze nur Ein Eremit auf Erden.
XXVII.
Die Sonne ſinkt, + Die Wolfe wird blaß, Die erft geblüht wie Roſen — Mein Glüd verfinkt, Mein Auge wird naß, Meine Wange wird blaß, Die erft geblüht wie Rofen.
Die Sonne verfant — In dunkler Nacht Seh ich die Woll' entgleiten — Mein Herz ift krank — O, konnt' ich ſacht In meiner Nacht Verſchwinden für alle Zeiten.
XXVIII.
Ich fühl's, daß mir im Herzen Abend werde: Die fhönen Töne, die e3 noch durchſchwingen, Sind nur die Abendgloden, die verllingen, Und Dämmerung verhält mir meine Erbe.
Die Feuer loſch ic) ftill auf meinem Herde, Und nod ein Abendlied will ich mir fingen, Mein Tagewerk ergeben zu vollbringen,
Und habe nimmer Hagende Beſchwerde.
Ob auch der trauervolle Reft nur Schlummer, Den Klagefänge vom erlebten Kummer Wie-Abendroth und Morgenroth umfäumen:
Intermeggo. 219
Du bift mir dod mein Abendftern geblieben, Mid hat genug beglüdt mein einfam Lieben, Ich hab’ genug geliebt, um fhön zu träumen.
XXX.
Du fragft, warum verfenkt in Schweigen Bei bir mein Herz? Die Liebe liebt nicht, ſich zu zeigen, Und ſchamhaft ift der Schmerz.
Was foll das Wort? — Kann ich erfragen,
Barum aus dir Viel Wonnen mir entgegentagen? Warum du theuer mir? .
Das foll die Rede? — Kann ich fagen, Welch [hmerzlid Glad Und welche glüderfühten Plagen Dein Auge ſtrahlt zurüd?
Kann ic erfragen, wo die Bahnen Zum Paradies, Die id), trog vorwurfsvolem Mahnen, Für dich allein verließ?
Furwahr, ich fuche fie vergebens; Sie liegen wäft. Sei til, wenn did im Sturm des Lebens Ein ftummer Wandrer grüßt.
XXX. Ich ſchame mich vor euch, ihr Fenſter, Daß ih nun wieder
‚Hier in der Stunde der Geſpenſter Schmerzwandle auf und nieder.
220
Intermegp.
Ich ſchame mic, vor ihren falten Und dunfeln Augen, Daß fie mich wieder feitzuhalten Und trüb zu machen taugen.
Ich ſchame mich vor meinem Herzen, Das fich geftählet Und ftarl gemeint vor diefen Schmerzen Und nun fi) wieder quälet.
Ich ſchame mich vor jedem Steine Und vor den Lichtern, Die niederfehn mit fpött’ihem Scheine — Nicht vor den Angefihtern!
Richt vor den Menfhenangefihtern, Die gern fi überheben, Ich fteh, fürwahr, vor höhern Richtern, Die mir noch nie vergeben.
XXXL
Und dent’ ich jegt daran, Daß du mir bift verloren, Weil did von mir ein Wahn, Ein Wahn getrennt der Thoren —
So kann id) meinen Schmerz Entfagungsftill doch pflegen Und datf mein krankes Herz Zum Schmerz der Menſchheit legen. Dann hab’ ic mit das Leid Bon Taufenden erfahren Und ftehe da geweiht An heiligen Altaren.
Dutermenio.
Doch fehlt mir aller Troſt, Seh id, wie mein Gemüthe In deiner Seele Froft Erſtarrt zur eiſ gen Blüthe.
Es iſt nicht ſo viel Schmerz In aller Welt geblieben,
Als birgt ein einzig Herz, Das nicht vermag zu lieben.
XXXIL
Geh du zurüd in deinen Frieden,
Du meiner Liebe bleicher Geift: Ich halte dich für abgeſchieden, Ob auch mein Herz dich lebend heißt.
Was bift du wieder mir erfchienen Und haft. mein Träumen aufgerühlt, Daß ich aus deinen falten Mienen Mein ganzes, altes Leid gefühlt?
Kamſt du and Lager, um zu hören, Ob noch mein Herz in Liedern Hingt? — Du börteft, wie's zu Trauerhören Sic glei der Tobtenglode ſchwingt.
Und famft du wieder, um zu wiſſen, Ob meine Seele noch verlegt? —
Gib di zur Ruh! — 0, fieh dieß Kiffen, Ob es von Thränen nicht benept?
Geh du zurüd in deinen Frieden, Ins Thal der Todten Lehr’ zurüd.
Ich halte dich für abgefchieden, D, gönne mir dieß ſchwache Glüd.
221
222
Intermezjo.
Epilog.
Ein weltes Veilchen find’ ich hier, Raum kann ich mich erinnern, Ber hat es einft gegeben mir? — Doch klingt's in meinem Innern. Es fingt und klingt in meiner Bruft, Und lächelnd auferftehet Ein altes Glüd, mir unbewußt — Ich bin fo Tiebummehet! —
Ob ich e8 auch nicht finden fan, Die ich es einft empfangen, Doc bin von einem holden Bann Gefaßt id und gefangen. Ob auch Erinnerung zerftiebt, Im Herzen eingeſchrieben Bleibt doch, daß ic einmal geliebt — Es ift genug geblieben.
Beitlofen.
(1858.)
222
Intermezzo.
Fpilog.
Ein weltes Veilchen find’ ich hier, Kaum kann ich mich erinnern, Der hat e3 einft gegeben mir? — Doch klingt's in meinem Innern. Es fingt und klingt in meiner Bruft, Und lachelnd auferftehet Ein alte Glüd, mir unbewußt — Ich bin fo liebummehet! —
Ob ic) es auch nicht finden kann, Die ich e3 einft empfangen, Doc bin von einem holden Bann Gefaßt id und gefangen. Ob auch Erinnerung zerftiebt, Im Herzen eingeſchrieben Bleibt doch, dab ich einmal geliebt — Es ift genug geblieben.
Beitlofen.
(1858.)
I
Erzählende Gedichte,
Das Wärdien.
Eine Amme hatt’ id, eine gute Alte,
Tauſend Märchen hatt’ fie ftet3 im Hinterhalte,
Von verwunſchnen Prinzen, Bäumen, welche fingen,
Und von andern, welche voll von Kuchen hingen;
Von verfunknen Schlöffern, die im Meere bligen,
Bon verberten Fräulein, die in Perlen figen;
on hochbein gen Fiſchen, die fpazieren gehen
Und bei Nacht dem Thürmer in bie Bibel fehen;
Bon den Vögeln ohne Füße, die ſich ſchwingen
Hoch und höher, bis fie in den Himmel dringen.
Aber jeden Abend, wenn fie angefangen
Und wenn fie geenbet, ließ den Kopf fie bangen.
Und fie feufzt: das Schönfte lann ich doc nicht fagen,
Und das ift der Kummer meinen alten Tagen.
Sterben werd’ ich Alte, aber unerzählet
Bleibt die Mär von allen Marchen auserwählet.
Mancher hat's vernommen, Mancher hat's gelefen;
Es zu fagen, Niemand if!’3 im Stand geweſen. Rorig Hartmann, Werke. I. 15
226
Beitlofen.
Denn es ift im Märchen fo viel Zauber drinnen, Daß die eignen Zauber felber es umfpinnen.
Gin verhertes Märchen ift es — unausſprechbar Bleiben feine Wunder und fein Bann unbrechbar. Eqhumla, 6. Juni 1854.)
Ayrämıs.
Pyranus herrſchet im Winter nur
In pprenäifcen Thalen, Wenn Eis und Schnee bededen die Flur; Niemals in des Frühlings Strahlen.
Denn wenn er dem Frühling ins Auge ſchaut, So muß fein Aug erblinden,
Es muß fein Leib, in Tropfen zerthaut,
Die Schnee in der Sonne ſchwinden.
Nie hat er eine Schwalbe gefehn,
Nie fah er ein Veilden fprießen,
Nie eine Rofe dem koſenden Wehn Die grünen Knospen erſchließen.
Nie ift er einer Nachtigall
Zn Bufd und Walde begegnet,
Nie hat vom Himmel der Lerde Schall Aufs Haupt ihm niebergeregnet.
Der Maladetta » Berg, der verflucht, Allewig vom Eife umgoflen,
Hält ihn in dunkler Grott' und Schlucht, Weil's draußen lenzet, umfchlofien.
Da figt er drin im felfigen Saal Mit Hofgefind und Heere,
I. Erzählende Gedichte.
Ob aud nad) Frühlings» und Sonnenftrahl Die Sehnfucht ihn verzehre.
Er träumt von Liebe und Fruhlingslicht, Bon Liebe und Frühling zufammen,
Er fennt des Einen Gluthen nicht,
Und nicht der Anderen Flammen.
Das war ein tüdifcher Lerchenſchlag,
Der aljo mächtig erflungen,
Daß er aus dem leuchtenden Früblingätag Bis hinab zum König gebrungen.
Es wiederhallte der Speer an der Wand, Es tönte in allen Kryſtallen,
Es bebte des Königs Herz — er ftand Am Eingang der dunteln Hallen.
„Hinaus, hinaus, zum Frühling hinaus, & will und gütig begnaden,
Er wird nicht morden im eigenen Haus, Sein Herold hat uns geladen.“
Er eilt die felſigen Treppen hinauf, Geſchwinde, ach, geſchwinde;
Ihm folgen nach, im fliegenden Lauf, Vaſallen und Hofgeſinde.
Da ſtehn fie mitten im Frühling drin, Die Veilhen blühn, die füßen,
Die Schwalben fliegen daher und dahin, Die Rofen niden und grüßen.
Die Sonne hüllt in goldenen Glanz Die Berge, die heiß erglühten,
Dem König fallt aufs Haupt ein Kranz Bon weißen und rothen Blüthen.
227
228
Zeitlojen.
Er ruft: „Wie bift du fo ſchön, o Welt, D Frühling, wie reih an Glüde!“
Er küßt feine Frau, die im Arm ihn hält, Daß ihn die Luft nicht erbrüde,
Er blidt ihr dabei ins Auge Har, Er weiß nicht, was es bebeute, Sie ift fo lieblich, wie fie fürwahr Noch nie geweſen biß heute.
Gr blidt ihr ing Aug, und er vergißt Den Frühling mit feinem Wehen, Vergißt die Welt, die fo herrlich ift, Und daß er nun muß vergehen,
Der alte Reitersmann.
Ich bin ein alter Reitergmann Und babe viel erfahren;
Hab’ dreißig Jahre mitgethan, Man fieht es meinen Nugen an Und meinen grauen Haaren. Ich bin ein alter Reitersmann Und babe viel erfahren.
Mein Leid und Luft und Freud’ begann, Als ich ins Sand gefahren.
Bor einer Schenke hielt ih an,
Darin die Werber waren.
‚Hab? einen tiefen Schlud gethan —
Ich trank und war ein Reitersmann Und babe viel erfahren.
Ich lag im Sand bei Barvewid, Bei Bardewid auf der Heide,
1. Erzählende Gedichte.
Gefallen war mein gutes Pferd, Gebrochen war mein gutes Schwert,
Mein Schwert und auch die Scheide. Wund war mein Herz und trüb mein Blick In Leide,
Bei Bardewid,
Bei Barbewid auf der Heide,
Bei Barbewid ift ein hoher Berg, Den hat kein Menſch geſehen, Darinnen wohnen Elf und Zwerg, Die hin und wieder gehen
Und aus und ein
Bei Bardewid im Mondenſchein.
Die Elfenfrau fam heraus zu mir
Und fang mir eine Weife; “
Mein wundes Haupt lag ihr im Schooß, Mein Blut, das floß
Erſt mädtig und dann leiſe.
Mein gutes Schwert war wieder ganz, Mein Roß fprang'auf mit Muthe, Mein Panzer glänzte hellen Glanz, Und id) war baar von Blute;
Und als ic} leer von Blute war, Führt’ fie mich in ihr Bergſchloß dar.
Da ſaß id drin, weiß nicht, wie lang,
Ad, eine lange Weile,
Sah zu dem Tanz und horcht' dem Gang, Mein Kopf war ſchwer, mein Herz war bang Von wegen dem Seelenheile.
Ich merkt’ e8 wohl, daß fie verfludt Und in der Macht des Böfen,
229
230
Zeitofen,
Und oft genug hab’ ich verfucht, Mid mannlic zu erlöfen,
„Im Namen Gottes lat mid) [os !* — Die Elfenfraue lachte bloß.
Nur wenn fie kampften auf Bardewids Erd', ‚Hat fie mir Urlaub geben, “ Sie gab mir wieder Helm und Schwert Und mochte jelber mid aufs Pferd
Und in den Sattel heben.
Und ritt ich drauß, hab’ ich gelacht Und dacht': ich komm’ nicht wieder. Doch ic) erlag in jeglicher Schlacht, Und die Glfenfrau kam in der Nacht Und meinte auf mid) nieder.
Sie fang mir wieder die Wunden zu Und fang mir das Blut aus dem Leibe, Dann trugen die Elfen und Zwerge Mid) wieder hinein zum Berge
Und in die felige Ruh —
Nicht konnt’ ich zürnen dem ftolgen Weibe.
Doch hab’ ich mich zu erlöfen verſucht Mit Beten und mit Singen,
Die Elfenfraue lachte verrucht:
„Das wird mich nimmer zwingen!
Gib dich zu Ruh, vom Böſen
Wird did die Zeit erlöfen.”
Die Zeit, die that's. Mein Haupt ward grau, Mein Antlig voller Falten.
Da ſprach zu mir die hohe Frau: „Wir wollen dich nicht mehr halten.“ Und magere Elfen und budlige Berge
Stießen mich fort aus dem Berge.
I. Grzäßlende Gedichte. 231
Das that die Elfenfrau mir an In meinen alten Jahren — Ich bin ein alter Reiterämann Und babe viel erfahren.
Die Verlen.
Wenn die Taucher, die von Yemen, aus der Meerestiefe fteigen Und in aufgehobnen Händen die errungnen Perlen zeigen, Freut des Perlenſchiffes Herr ſich über den erwunſchten Fang, Und am Bord hes Briten tönet froher Sang und Becherklang.
Aber die Araber, weldhe dicht gedrängt am Ufer ftehen, Lächeln, lachen, ja, fie fpotten, wie das Freudenfeſt fie ſehen. O, ihr gottoerfluchten Heiden, ruft der Mann aus Engeland, Benn der Perlenfang ung freuet, warum lacht ihr hirnverbrannt?
Und es ſchreitet wohl ein weifer, greifer Mann aus ihrer Mitten; Selber lächelnd, aber milde, fpricht er alfo zu dem Briten:
Laß dich nicht zum Zorn verleiten, Sohn Europas, denn ein Dorn, Dem als Zierde nicht zur Seiten fteht die Roſe, ift der Born,
Diefe laden, weil die ſchlechtſten Perlen nur ihr könnt erringen; Denn die fhönften aufzulejen wird euch nimmermehr gelingen. Spreu nur ift, was ihr erbeutet, und es werde jegt bir kund, Was und aus der Väter Zeiten nieder kam von Mund zu Mund, Perlen ruhn in diefem Meere, Perlen fo erhabner Schöne,
Wie fie zu ertragen feinem ward vergönnt der Erbenföhne.
Seit die Welt erſchaffen, wachſen fie in der geheimen Nacht, Gottes Engel find gefchäftig, zu vollenden ihre Pracht.
Mancher ſchon hat fie gefehen in dem unnahbaren Schimmer, Do, gebannt vom Schönheitäzauber, fie zu faſſen wagt er nimmer; Mancher, der’ fie ſchaute, kehrie nicht mehr heim ind Sonnenlicht, Mander trug ſeitdem der Sehnfucht ew’ges Leid im Angeficht.
232 Zeitlofen,
Einftens wird ein Auserwählter tommen zu verheißner Stunde, Der wird bie gefeiten Perlen holen aus dem Meereögrunde; Über das gebenebeite Land im ganzen Erdenkreis:
Arabiften, wird ihn zeugen. — Alfo redete der Greis.
Und der Arzt des Perlenſchiffes, dem ich Diefes naherzähle, Sprad zu mir: Des Greifen Worte regten feltfam meine Seele, Perlen gibt e8, die kein Taucher noch ans Tageslicht gebracht, Seligleiten der Erkenntniß blühn in dicht verhullter Nacht,
Mancher ſah in ihre Augen und erblindete im Lichte,
Manchem ward in ew'ger Sehnſucht alle feine Kraft zu nichte;
Ahnung eines Unerreichten iſt's, was jedes Volt befeelt,
Und das Höchſte zu erringen, glaubt ſich jedes aiısermählt, (Paris, 15. Juli 1856.)
Die Sampe. Ein Rabbi war im alten Prag, Ein guter Mann und gottergeben, Der treulic, feiner Lehre pflag Und Hug erflärte Buch und Leben. So mocht' er ftandhaft alle Plagen Des Geiftes und des Leibes tragen, Und hatt’ er nicht den Biffen Brod, Er ſprach: Ein Schein nur ift die Noth.
So gut nicht wurd’ es feinem Weibe: Die fah mit Trauer, ohne Troft
Das ſchlechte Aleid auf ihrem Leibe, Auf ihrem Tiſch die ſchlechte Koft.
Das war ein täglich Leid, zu Gram Erſt wurd’ e3, wenn der Sabbath kam Und ihr Jedwedes abgegangen,
Den Feittag feitlih zu empfangen.
1. Erzäplende Gedichte. 233
Ihr Aug von Tränen angefüllt,
Rief fie: Kein Fisch ift in der Pfanne, In Fegen du und ich gebüllt,
Kein Wein zum Segen in der Kanne! Er nahm fie lachelnd bei der Hand, Und nad) der Lampe hingemandt, :
Die von dem Sims, mit fieben Zinten Gleich einem Sterne fhien zu winken, Sprad er, als ob er fagen wollt’
Ein groß Geheimniß: Laß die Sorgen, Verrath es nicht, fie ift von Gold! J O, ſieh fie an — in ihr verborgen * At mancher wohlbeſetzte Tiſch
Und Wein zum Segen, Fleiſch und Fiſch Und prachtiger Brofat und Seide
Für dich und mid) zum ſchönſten Kleide.
„Sie ift von Gold," — fie lispelt's kaum Dem Rabbi na), voll gläub'ger Freude, Ihr Elend ſchwindet wie ein Traum, Und froben Sabbath feiern Beide.
Nun iſt's genug bei allem Weh,
Daß fie nur auf zur Lampe ſeh'. — „Sie ift von Gold — und alle Blagen Will fie noch diefen Sabbath tragen.
Mit ſolchem Blick, mit folhem Wort Tauſcht fie durch Leiden und Entbehrung Bon Sabbath ſich zu Sabbath fort, Ihr blinkt ja aller Luft Gewährung. So lachelt fie von Tag zu Tag, Bis daß fie auf der Bahre lag. Der Rabbi ſprach: O meine Taube, Du Iehrteft mich, was fei der Glaube. Garis, 11. Juli 1856.)
234
Zeltlofen.
Herr Hage. ‚Herr Aage, wie der reiten fan, Wie der figt auf feinem Pferde, So figt, fo reit’t fein andrer Mann Auf diefer dänifhen Erde. & reitet in die grüne Welt hinein.
Er ritt hinaus bei Morgenroth Aus feinem marmornen Schloffe, Es fprang fein Herz, und er war tobt Und faß noch auf feinem Roffe. Er reitet in die grüne Welt hinein,
Drei Bringen würfelten, wo er ritt, Im Weghaus und hoben die Becher. Steig ab, Herr Aage, und mürfele mit Und trinke, du tapferer Zecher!
Er reitet in die grüne Welt hinein,
Die Hochzeit ziehet über den Plan, Die Braut im grünen Kranze — Halt an, Herr Aage, du frober, halt an, Du Tänzer, fomm zum Tanze. Er reitet in die grüne Welt hinein.
Am Ferſter figet in Zindel und Seid’ Stolz Elin und weinet bitter: So kommt du endlich, mein Glück und Leid, Du fhöner, treulofer Ritter! Er reitet in die grüne Welt hinein.
Die Hochzeit tanzt, die Jungfrau weint, Die Prinzen würfeln und herzen, Die Vöglein fingen, die Sonne ſcheint Hoch über dem tobten Herzen.
Er reitet in die grüne Welt hinein.
1. Gutfienebehihte 236
Gaſtgeſchenke.
Herrn Wendl, den's von dannen treibt, Was gebt ihr dem lieben Gafte,
Ihr Kinder, wenn er länger bleibt,
Daß gern er bei uns rafte?
Ich geb’ ihm, ſprach der Aeltſte geſchwind, Den Falten, meinen Genoſſen,
Einft war er gut, jegt ift er blind,
Auch ift fein Flügel durchſchoſſen.
Der Zweite ſprach: Ich geb’ ihm dazu Den Pfeil, den wunderbaren,
Der immer den Feind gelafien in Ruh Und dem Schügen ins Herz gefahren. Das Töchterlein hörte zu in Leib,
Dann ſprach es mit Zagen und Bangen: Ich geb’ Herrn Wendl zu jeder Zeit,
Was er nur mag verlangen.
Ich geb’ ihm meinen Scharlach voll Pracht, Von meinem Halfe die Kette,
Bon meinem Finger den Ring und zur Nacht Mein eiderdunenes Bette,
‚Herr Wendl, ihr ſollt beurlaubt fein,
Ich höre traurige Märe,
Bu wenig behagt ihr den Knaben mein, Dem Töchterlein allzufehre.
Ben Al.
Ben Ali zog mit feinem Heer raſch vor Dreja's feſtes Schloß, Das Don Alfons belagert hielt, ver Chrift, mit einem ſchwachen Troß.
236 Zeitlofen.
Und wie er ankam zum Entſatz, vief ihm ver Chriftenkönig zu: Ben Ali, Scheich, ein wahrer Helv laßt einen Troß, wie den, in Ruh, Bemüh did um ein Schlößlein nicht, und nicht um einen ſolchen Schwarm, Und fpare für Toledo auf, das ich befegt, den Heldenarm. Ben Ali findet wahr das Wort und eilt vor jene fefte Stadt, Drin Berengella, Alfons’ Weib, feit Wochen Hof und Haushalt hat. Die rufet ihm vom Walle zu: Nicht gegen Weiber kampft ein Held, Du ziehe gen Dreja, dort mit Männern fteht mein Mann im Feld. Ben Ali findet wahr das Wort und, um zu zeigen jener Frau, Daß er ala Mohr die Frauen ehrt, hält ihr zu Chren eine Schau.
Er läßt fein Heer an ihrem Aug prachtvoll vorbeiziehn reihenmweis, Die Königin fieht lachelnd zu und ſchidt ihm einen Ring als Preis. Er eilt auf raſchen Wegen fort, und wie er vor Oreja kam, ‚Hat e8 der König ſchon befegt, heim zieht Ben Ali voll von Scham, Und in Cordoba beuget er vor dem Chalifen das Genid: Nimm diefen Kopf als Buße hin für Mißgeſchid und Ungeſchid. Doch der Chalife lächelt mild und hebt ihn auf mit gnad ger Hand: Zwei Feinde haben dich befiegt, gen bie ich niemals dich gefandt. Zu fiegen über reinen Sinn, wär’ e8 an einem ſchon genug: Der eine Feind heißt Chriftenlift, dven andern nennt man Weibertrug.
Die Brieſter. Römerfahnen fehn vom Berge niever Auf die Stadt, die tief im Thale ruht; Aus der Stadt ertönen Chriftenliever, Oben raucht der Heiden Opfergluth. Und ver Gäfar, der die Römer führet, Blidet mit hinab und ſpricht gerühret:
1. Grählende Gedichte. 237
Meiner Mutter Lieder Hangen fo, Denn ic) in der Nacht ihr nacgefpüret — Und die Stadt brennt heut noch lichterloh.
Und er fegt ſich bin, geheim zu meinen Und durch Thränen auf die Stabt zu fehn, Während Priefter an den Opferfteinen
In der Lammer Eingemeide ſpahn.
Andre deuten mit erhobnem Stabe
Nach der Kirche dort, wo Dohl' und Rabe Bon dem erften Morgenfluge ruhn;
Andre foren, ob die Weizengabe
Haſtig oder träge pidt das Huhn.
Aber die Pontifizes entweichen
Bon dem Opferplage ftill und ſacht;
Aus dem Lager durch die Klüfte ſchleichen Sie zum Walde, wo kein Römer wacht. Und es kommen ihnen bort entgegen Andre Priefter auf geheimen Wegen,
Die verſchieden find an Tracht und Art: Blaſſe Lippen, die ſich lispelnd regen, Harte Kutten, lang und weiß der Bart.
Stummer Gruß — dann murmelt der Latiner: Eile treibt und, eh das Opfer um!
Raſch, ihr, des erſchlagnen Gottes Diener, Weiht und ein in das Mofterium,
Daß wir wiffen, ob wir fie befennen,
Eure Lehre, ob und länger trennen
Sol ver Völker fromme Glaubenswuth,
Eilet, daß nicht eure Stabt verbrennen
Möge in des Caſars Römergluth.
Und vertraut una das Geheimniß, welches Eure Schaar dem Opfermefier neigt,
238
Zeitlofen.
Und den Rauſch, der aus des Opferkelches Grunde in das Haupt der Glaub'gen fteigt. Denn wir jehn, und fehen es mit Neide,
Wie der Chrift der Knechtſchaft und dem Leibe Gern fih hingibt für den todten Gott. Venus, Phobus, Freudengötter beide, Werden dem Gefreuzigten zu Spott.
Und ein greifer Biſchof fpricht die Worte: Hirten find wir, und es darf der Hirt Sagen feiner Heerb’ an jedem Orte:
Hier ift Weide, bier bift du verirrt !®
Daß fie lieben, faget, wenn fie dienen,
Und daß fie vom Himmelöglanz beichienen, Wenn fie jammern — nennet Luft das Leib! Und der Tod, er dunkt das Leben ihnen, Und die Welt gehört der Chriftenbeit.
Die Pontifizes erwägen ſchweigend
Des Ergrauten kurz gefaßtes Wort,
Und fie gehen, ihre Häupter neigend, Die zur Stadt und die zum Lager fort. Bei ven Zelten find gefchäft'ge Hände, Um das Wurfgeſchoß die Flammenbrände Aufzuhäufen eifrig fromm bereit,
Sie erwarten nur des Opfer Ende,
Bis der Harufper hat prophegeit !
Aber in die Eingeweide bliden
Bögernd noch die Priefter lang und bang, Die aus dem Gebüfche treten, niden, Wie vom Thal herauffteigt Glodenklang. Und fie rufen Alle: „Web, e3 landen Unſte Götter an des Orkus Stranden, Der Olympos ift am Kreuz zerſchellt.
I. Grzählende Gedichte. 239
Einer nur ift ſiegreich auferftanden, Dem Gekreuzigten gehört die Welt!
„Freudenmüde, matt von Luftgelagen
Iſt die Erde, die nad Schmerz begehrt, Und wie jener Gott fein Kreuz getragen, Soll zum Heil fie wallen qualbeſchwert. Ban ift todt! fo ſchallt es durch die Lüfte, Alle Götter finten in die Gräfte,
Es zerbricht der freub’ge Thyrſosſtab. ‚Hergberaufchend wehn die Weihrauchsdüfte, Ehrt den Erdball als ein heil ges Grab!”
Aus dem Thale jhallen Pfalmodieen, Wie von Sterbefeufzern untermifcht, Krieger, Priefter liegen auf den Anieen, Und der Brand am Wurfgeſchoß erlifcht. „Brüder meiner Mutter, eure Stätten Seh’ ich wohl aus dem Verderben retten,” Ruft der Cäfar, vor Erftaunen bleich,
n Boch ich fehe auch die neuen Ketten: Volt und Cäfar fefleln fie zugleich.”
Avignon.
Mlemens trat aus dem Palafte, Den in Avignon er baute, Sein Palast glich einer Veſte Und er felber einem Krieger.
An der alten Marmorfäule, Trümmer eine Römertempels, Lehnt ein Mädchen, jhön wie keines, Und er fragt fie, mas fie wolle.
240
Zeitfofen.
„Arles, die Stabt der alten Heiden, Arles, die Stadt der Griechenſchönheit, Nenn’ ich meine Heimath — heidniſch Fühlen wir uns, wir Arlefer,
„Um das Heil zu fuchen, macht’ ich Heut mi auf al3 Pilgerin,
Ob ich mich in deiner Nähe Chriftlich fühle, heil’ger Vater.
„Aber meine Wallfahrt vünft mic, AH, vergeblich! Wie ich ſchaue In dein Auge, ſchlagen alle Pulſe weltlicher al jemal3.“ _
„Und wie bir, fo mir ergeht 31" Lispelt Klemens, und er führt fie In die Vefte, wo die ganze Chriſtenheit fie bald beherrfchte.
Gabriel von Salus.
Gabriel de Saluze, gröque d’Aire qui n'avait pas 66 consacre, se marlalt et gardait son evöchd.
(Histoire du midl de la France, Mary-Latont, 8. tome,)
Der Biſchof Gabriel von Salus
Im ſechzehnten Jahrhundert
Ward nicht genugfam als Genius
In feiner Zeit bewundert, s
Sein ganzes ſchoͤnes Dafein beftand Aus zerftreuenden Kontraften,
Er war auch beneidet im Frankenland Bon allen Efflefiaften,
Du
I. Grjähfende Gedichte. 241
Nie ward er im Grunde zum Pfaffen geweiht, Doc hat er das Handwerk getrieben;
Und als er fpäter weltlich gefreit,
Iſt er doch Bischof geblieben.
Die Heerde, die er zur Hochzeit lud, Speist’ er aus dem Kirchenſchatze;
Zur Feier des Tags mit dem Biſchofshut Bebedt’ er die heilige Glatze.
Die Kinder, die der Himmel ihm gab, Grjog er im Glauben, im reinen,
Nie anders, als mit dem kummen Stab, Hat er gegüchtigt die Kleinen.
Man fagt, daß es rührend zu fehen war, Dieb Bild vom häuslichen Leben:
Der fromme Biſchof im rothen Talar, Bon Weib und Kind umgeben.
Er ftarb, wie er lebte, mit frommem Sinn; Der Wittwe ließ er, der treuen,
Troſtloſen, den Plag einer Bifhöfin,
Die Kinder bekamen Abteien.
Königin Eliſabeth. 1 Walter Raleigh.
In England iſt's befannt genug,
Daß die erften Strümpfe, die man ftridte,
Glifabeth, die Königin, trug;
Stadt Briftol war's, die fie ihr ſchidte. Rorin Hartmann, Werke, I. 16
242
Zeitlofen.
Allein befannt iſt's der ganzen Welt, Was ich nicht erft zu fagen brauchte, Daß Walter Raleigh, der [höne Held, Dafelbft die erfte Pfeife rauchte. Ausſchifft' er nach Amerila's Strand, Auf daß er Eldorado entvede,
Und als er dort den Tabak fand, Glaubt er erfüllt feine Reiſezwede.
Nun raucht er früh, nun raucht er fpät,
Er rauchet, wenn er Berfe ſchnitzet, Geſchichte fhreibt, zu Hofe gebt,
Er raucht, wenn er zu Pferde figet.
Er faß im Garten von Somerfethaus, Umpüllt von Bolten grau und blauen.
Da kam aus dem Palafte heraus
Glifabeth mit ihren Frauen.
Sir Walter, ſprach fie, du meifer Thor, Mein England fülft du mit blauen Dünften, Man hat mir erzählt — jept mad mir vor Etwas von deinen neuen Künften.
Sir Walter, ald ein treuer Vaſall,
Er zaubert nicht lang nad foldem Befehle: Er blies vom Mund einen dampfenden Schwall, Er rauchte ſchön, er tauchte mit Seele.
Er ließ vor den Augen der hohen Frau
Viel hundert Gebilde aufwärts fteigen,
Bald fah fie einen Himmel blau,
Bald einen tanzenden Elfenreigen.
Bald war's ein ganzer Lilienflor,
Bald waren’3 ſchwebende Ringe und Kreife, Ein fanftes Lüften trug fie empor,
In Baum und Gefträud verſchwammen ſie leiſe.
\
1. Erzählende Gedichte. 243
Schon duftete rings die ganze Luft —
Was foll ich lange fingen und jagen,
Die männliche Seele ſog den Duft,
Die Königin fog ihn ein mit Behagen.
Und mit Behagen hat fie gefehn
Den fhönen Helden im Wolkenſchwalle,
Den Raud) aus purpurnen Lippen gehn, Wie Quellen aus der rothen Koralle,
Sie ſprach: Du haft mir was Schönes gezeigt Und etwas vom allerneueiten Neuen,
Du ſchöner Held, das Haupt geneigt,’
Du folft es wahrlich nicht bereuen.
Ich will dir zeigen was Schöneres noch, Sieh hier die Strümpfe, die man mir ftridte! Da bob fie königlich ted und hoch
Den Rod, jo hoch, als ſich's nur ſchidte. Sir Walter beugt’ das Haupt und das Anie, Er fühlt’ ein leifes, ein füßes Erſchrecken; Er pries die Strümpfe, er pries, wie fie
So eng anfchmiegend das Bein bebeden.
Er pries die Königin felber jegt
Und ihre Huld und hohe Gnade,
Er prie dad Glüd der Strümpfe zulegt, Und ganz zulegt der Königin Wave.
Die Sage gebt, daß jene Stund
In Somerfethaus und feinen Gärten
Zu Walters Glüd gelegt den Grund
Und zu den Freuden, bie lange währten,
‚Herr Walter hat die längfte Zeit Eliſabeths Huld und Liebe genofien — Der Leicefter ftarb in der Einfamteit, Verbannt und von der Herrin verftoßen.
244
Zeitloſen.
Den Eſſer ſchlug ſie hinters Ohr,
Dann ſchidte fie ihn am Blod zu ſterben — Sir Walter Raleigh aber verlor
Sein Leben erft durch ihren Erben.
2. Wie Old Beify tanzte!
Der Carl von Argyll hat feine Noth, Des König Jakobs Gefandte;
Der wartet in London, bis mit Tod Abgeht die theure Verwandte;
Die theure Verwandte, Elifabeth,
Die Jalob fol beerben:
's ift rührend, wie ihm zu Herzen geht Ihr Leben und, ach, ihr Sterben.
Der Earl, der fehreibet Brief auf Brief: Heut aß fie wie zwei Eſſer;
‚Heut fagt man, daß fie im Fieber fhlief; ‚Heut gebt e3 leider befler.
Dld Betiy hat ſchon Klügre durchſchaut. Ein Tanzmeifter fol erſcheinen:
Bill tanzen, ruft fie, daß ihnen graut Bor meinen nod) ftrammen Beinen. Nun hört der Carl früh Morgens ſchon, Was ihm das Leben verbittert,
Im Borfaal hört er den Geigenton, Und mie der Eftrich zittert,
Die Thür geht auf von Beit zu Zeit, Da kann er das Schredliche ſchauen: Old Betſy fpringt wie die jüngfte Maid, Fürwahr, ihn faflet ein Grauen.
"I. Evahlende Geiäte. 245
Sie ſchwingt das Bein, fie dreht ih im Kreis, Die Geigen jauchzen und klingen,
Ihr Haar, einft röthlich und nun greiß, > Fliegt um in fpärlichen Ringen.
Gewiß, fie war nicht lieblich zu fehn,
Die töniglichfte der Frauen:
Ihr Springen und Schwingen, ihr Schweben und Drehn, Es tann uns nimmer erbauen.
Drum werd’ ung bie Große nicht zum Spott, Die Schwache ſei ihr verziehen;
Wir haben fie lieb, vergeb's und Gott,
Trotz Eſſex und Marien.
- Der Löwe, der fterbend die Kraft verliert,
Er will nicht, daß man e3 merke,
Er zeiget dem Hämmling, der nad} ihm regiert, Im Sterben noch feine Stärke,
So tanzt Old Betfy, die Löwin alt,
Bis daß ihr audgeht der Odem;
Da liegt, wo eben der Tanz verhallt,
Die Löwin auf dem Boden.
Schnell fhreibet der Earl von Argyli nah Haus: Dein Himmel hängt voll Geigen,
O König Jakob, ihr Tanz ift aus,
Und num beginnt bein Reigen.
Der Doktor Jakobus — fo hat ihn genannt Frankreichs Heinrich, der Vierte —
Jakobus, nun König von Engeland,
Der gerne philofophirte, -
Cr ſchrieb zurüd: Mic) verftimmte ganz
Die Nachricht, wie du fie gegeben;
Ich befteige den Thron, und ein Todtentanz Erſcheinen mir Herrſchaft und Leben.
246
Zeitlofen.
Die Friedenslaube. Guadani-⸗Mah, der Kühnfte fonft der Kühnen, Die in dem Lande Pfeil und Bogen tragen, Geht traurig hin, um einen Mord zu fühnen. Denn einen Mann vom rothen Stamm erfchlagen Hat er im Streite. Mächtig find die Rothen, Und feine ſchwachern Stammgenoffen zagen,
Sie zagen, daß um jenen einz'gen Tobten
Der Krieg fie alle wird von dannen raffen, Denn Jene Rache nehmen, wie's geboten.
Doch ift ein Weg, in Freundſchaft umzuſchaffen Den Zorn, wenn Einer fi im Stamm bezwinget Und als Geſchenk empfängt des Frevlers Waffen. So will's die Sitte, die auf Sühnung bringet. Das ift das Ziel auch von Guadani's Reife, Der dem gekränkten Stamm die Waffen bringet. Die Rothen lagern rings um, Kreif’ an Kreife, Die Waffen fhärfend und das Laub der Eichen Erſchutternd mit jo mander Kriegerweife.
Auch tanzet dort, ein ihres Kriegeszeichen,
Das junge Volk bewaffnet in den Moofen. Guadani fieht und hört und muß erbleichen. Berfallen ift fein Stamm ben Todezloofen, Verſchwinden fol er von der grünen Erbe,
Die Lieder ſagen's, die den Wald durchtoſen. Doch daß das Letzte noch verjuchet werde, Gebeut die Pfliht, und in die Waldesgänge Tritt er heran mit flehender Geberde.
Den Köcher reiht er und das Wehrgehänge Dem Häuptling dar: O, nimm und fei verjöhnet! Doch tauher tofen Tanz und Kriegögefänge,
I. Erzäplende Gedichte. 247
Und ein Gefchrei de3 wilden Grimms ertönet, Den Namen rufen fie ihm zu des Toten,
Der Eine ſchwingt die Art, der Andre höhnet. Doc wie fie immer höhnten oder brohten, Schon hat er allen Alten oder Jungen
Sein jhönes Wehrgehänge angeboten.
Umfonft! — Sie find von Racheluſt durchdrungen, Und feines Wortes oder Auges Bitte
Hat nicht Ein Herz im ganzen Kreis bezwungen. Ja, wär’ er nicht im Schuß der heiligen Sitte, Die folhen Mann als unverlegbar ehret,
Er ginge lebend nicht aus ihrer Mitte,
Schon hat er, um zu gehn, ſich abgekehret; Um meine Brüber, feufzt er, iſt's gefchehen, Das ſchwarze Aug von Thränenthau beſchweret.
Er ſchreitet durch die Weiber, die da ftehen Und ihre Kindlein auf den Armen halten, Um jenem Sühnungsf&aufpiel zuzufehen.
Auch fie betrachten ihn mit düſtrem kalten Geſicht; die Kinder ſchrein, wie angeftedet Dom Rachedurſt ver Mütter und der Alten.
Da plögli hebt fih, vom Geſchrei erwedet, Ein Knäblein lächelnd von der Mutter Brüften , Das feine Händlein ihm entgegen ftredet.
Es ftredt fie aus mit kindlichem Gelüften Nach des Betrübten bunten Federpfeilen Und allen fhönen Waffen, die ihn rüften.
Guadani, fanft gehalten, muß verweilen, Und raſch gefaßt läßt in den Heinen Händen Er feinen Waffenfhmud mit allen Theilen.
248
Zeitfofen.
Die ſchnell ven Rothen Zorn-und Haß fi wenden, Als fie am Kind des Stamms die Waffen fehen — Die ſchnell der Kriegstanz und die Lieder enden!
„Dieb Wunder ließ der große Geift geſchehen; Und daß Guadani uns verföhnet glaube, Laßt froh im Kreis die Friedenspfeife gehen.“
Das Knäblein hieß ſeitdem die Friedenstaube.
Herrn Mannwells Woche.
Herr Mannwelt ritt am Sonntag aus, Es litt ihn nicht mehr im alten Haus. Er fah die Leut aus ver Kirche gehn, Die Bettler an der Thüre ftehn;
Die Frommen gingen kalt vorbei,
Dann kamen die Herren der Alerifei, Die trugen gefüllte Büchfen fort —
Die Bettler blieben traurig am Ort.
Er fah, wie fie auf die Stufen fi legen -Und harren auf den Abendfegen,
Ob der vielleicht gefegneter fei.
— Herr Mannielt ritt betrübt nach Haus.
‚Herr Mannmwelt ritt am Montag aus,
Es litt ihn nicht mehr im alten Haus.
Es ſcholl der Markt won Schreien und Rufen, Die Waaren lagen auf Kaſten und Stufen, Es wogte die Menge her und bin;
Die Diebe hatten reihen Gewinn,
Nach des Kauſherrn Belieben wog die Wage, Gen Ma$ und Gewicht war der Käufer Klage. Die Reihen gingen reicher nad) Haus,
u
1. Gräßfende Gedichte.
Leer gingen allein die Armen aus, — Herr Mannwelt ritt betrübt nah Haus.
‚Herr Mannwelt ritt am Dinftag aus,
Es litt ihn nicht mehr im alten Haus.
Der König kam mit Pracht daher,
Um ihn die Söloner mit Schwert und Speer; Auf offenem Markt hat er Recht geſprochen: Die mit ihm kamen und um ihn krochen, Empfingen Gnabenfettlein und Recht,
Und ſchlecht allein war der niedere Knecht. Drauf riefen fie jubelnd: Dem Könige Heil! Und boten fein lächelndes Bildniß feil
Und ftreuten Blumen auf feine Pfade
Und fprachen von Majeftät und Gnade.
— Herr Mannwelt ritt betrübt nah Haus,
Hear Mannwelt ritt am Mittwoch aus,
Es litt ihn nicht mehr im alten Haus.
Da lief zur Kirch eine jauchzende Schaar, Der Priefter ftand fertig und alt am Altar, Dann kam das erwartete Hochzeitöpaar:
Sie hatte blondes, Er graues Haar;
Er glühte vor Freuden, und fie war bleich, Und fie war arm, und er war reich.
Der Prieſter murmelte fein Latein,
Sie fagte: Ja — das Hang wie Nein, Dann gratulirten die Hochzeitägäfte,
Dann ging es nad Haus zum Iuftigen Feſte; Sehr heiter lachte die Mutter der Braut, Sie war vom Glüde der Tochter erbaut.
— Herr Mannmwelt ritt betrübt nah Haus. Here Mannwelt ritt am Donnerftag aus,
Es litt ihm nicht mehr im alten Haus. Da kamen am Edhaus ver Straße zufammen
249
250
Zeitfofen.
Vom ganzen Lande die kräftigen Ammen; Dann traten die edlen Frauen heraus
Und gingen umher und wählten fie aus. Dann legten die eigenen Kindlein hin
Die Mägde — die Einen mit heitrem Sinn, Die wogen lachend das Gold in der Hand; Die Andern haben ſich oft gewandt
Und fahen traurig und weinend ftumm Nach dem verlaffenen Säugling ſich um.
— Herr Mannmelt ritt betrübt nach Haus.
Herr Mannwelt ritt am Freitag aus,
Es litt ihn nicht mehr im alten Haus.
Da ftand auf dem Markt ein zankendes Paar: Er ballte die Fauft, fie raufte das Haar, Und Beide fchrieen fie um die Wette,
Sie Hagte: In dein fhmugiges Bette
Haft du mit Trug und Gewalt mic gezogen! Er aber ſprach: Du haft mich betrogen! ‚Der Richter ſah in ein heiliges Buch,
Dann that er kalt feinen Urtheilſpruch:
Ihr feid gefhieden Eins vom Andern! Drauf ſah man fie von einander wandern. Am Ed des Marktes auf einem Stein
Saß zitternd ein Kindlein verlafien, allein, Es fah nad) der Mutter und meinte fehr, Dann ging es betteln und meinte nicht mehr. — Herr Mannmelt ritt betrübt nach Haus.
Herr Mannwelt ritt am Samftag aus, Es litt ihn nicht mehr im alten Haus. Er fah das Volt in hellen Haufen Palaſte ftürmen, die Gaſſen durchlaufen; Erſchlagen lagen Freier und Knecht,
Es floß das Blut von Gut und Schleht.
I Etzahlende Gedichte. 251
Die Fahnen wehten mit ſchönen Devifen, Darnach noch fterbend-die Kämpfer wieſen. Der König floh durch das eine Thor,
Der König, der die Krone verlor;
Sie riefen ihm nad: Flud dir, Tyrann! Durchs andere zog der andre heran.
Den trieben fie mit Fluch und Hohn,
Den trugen fie mit Jubel zum Thron.
Er theilte Würden und Aemter aus.
— Herr Mannmelt ritt betrübt nah Haus.
Herr Mannwelt ritt wieder am Sonntag aus, Es litt ihn nicht mehr im alten Haus.
Er ritt hinaus ins offene Feld,
So rubig lag, fo ftille die Welt;
Aus Hütten ftieg in Säulen der Rauch,
Er regte ſich kaum im Morgenhauch; > Die Lerhe fang, die Schwalbe ftreifte, . Die Frucht am Afte glüht’ und reifte;
Durch Sonnenftreifen lief der Bad,
Und Alles ſchwieg, und Alles ſprach.
Herr Mannwelt ritt, e8 Hang der Huf,
Zum Walde lodt’ des Kududs Ruf,
Er ritt ihm nach, es zog ihn fact,
Es zog ihn fort in des Waldes Nacht.
Des Hufes Klang erftarb im Moos,
Schon war er tief in des Waldes Schooß,
Das war ein liebes, ein fanftes Gefaus —
— Herr Mannmwelt kam nit mehr nach Haus.
252
Zeitloſen.
Der Vifferaro.
Durch einen Wald von Pinien und Platanen,
Auf ſtillen, halb noch winterlichen Bahnen
Ging ich dahin im Land der Romagnolen.
Spät Abend war es; lauter fang der Quell,
Der Pfad war dunfel bald, bald wieder hell,
Denn durch das Laubdach fah der Mond verftohlen.
Da kam ein weicher Ton mir durd die Zweige: Kein Waldhorn war's und feine edle Geige;
Die Sadpfeif' war's. Ihr kennt fie — im Advent Auf ihr für zwei Bajoch und Heine Preife Spielt auf der Pifferar die Hirtenmweife,
Wo vor der Jungfrau nur-ein Lampchen brennt.
Ich war verirrt, die Pfeife war mein Leiter: Ich drang ihr nad) ind Didicht immer weiter; Biel holder Hang fie dur vie Waldesgänge, Als dur) die Gaffen Roms, Mit einem Mal Sah einen Mann id) in des Mondes Strahl, Der durch den Wald geſchidt die weichen Klänge.
or einem Bild der Jungfrau mit dem Kinde, Das eingefügt war in des Baumes Rinde, Stand-er entblößten Haupts und blies, ver Greis; Das Hang fo fromm. Die Hirten an der Krippe, Sie fangen kaum mit fo melod'ſcher Lippe
Der Jungfrau und des Neugebornen Preis.
Ich grüß' dich, rief ich ihm, als er vollendet, Haft du fo früh dich aus der Stadt gewendet, O Pifferar, haft du genug gewonnen?
Doch er erwidert: „O Signor, Ihr irrt,
Kein Pifferar aus Rom, ich bin em Hirt Und ſpiel umfonft vergefienen Mabonnen,
I. Erzahlende Gedichte. 253
Er ging, ich folgte. Und es war ein Wandern Bon einem Bild der Jungfrau zu dem andern. Bald macht' et dort an einem Kreuzweg Halt, Bald tönt’ ein Fels hier von der Pfeife Klange. Erſt fpät nach Mitternaht vom frommen Gange Kehrt' er zur Hütte wieder aus dem Wald.
Bei ihm zu ruhn hat er mid eingeladen,
Und ferne folgt’ ich fürder feinen Pfaden,
Ich dachte, daß bei ihm ſich's trefflich rafte; Denn, wie er binging in des Mondes Licht, Trug heitern Seelenfrieden fein Gefiht —
Bei foldem Wirth ift'3 wohl zu Muth dem Gafte,
Ich aber wollt‘, es wär’ auch mir gegeben Solch ein verborgnes, ſtilles Priefterleben, Zu feiern fromm, was mir ein Heiligthum. Der ift beglüdt, der auf verlaßnen Wegen Hingeht, jedwedes Heilige zu pflegen, ,'
» Das Andere verfhmähn um Gold und ah.
Klariſſa. Eine dalmatiniſche Sage. 1.
Wild iſt der Strand von Dalmatia, Er iſt zerflüftet und zerwühlet; Schön ift da3 Meer der Adria, Das feiner Klippen Fuß umfpület. Es lispeln und lächeln die Wellen.
Bild find die Schlöffer am Klippenftrand, Sie find zu ſchaun wie Geiernefter; Bon einem beherrſchen zwei Brüder das Land,
254
eitlofen.
Sie haufen drin mit ihrer Schweiter. Wenn nur die Brüder nicht wären.
Schön find die Infeln, die hell und grün Den Strand entlang im Meere glänzen,
Sie find wie Blumen, die nicht verblühn Und blaugeaugte Mädchen befrängen.
Es lispeln und lächeln die Wellen,
Und auf ber ſchönſten der Infeln ragt Ein Kirchlein vor, im Buſch verborgen; Ein ſchöner heiliger Pater fagt
Die Meffe dort jedweden Morgen. Wenn nur die Brüder nicht wären.
Er wohnt in der nahen Klauſe dabei, In der verftedten, ftillen Rlaufe;
Zu Häupten rauſcht ihm die Pinie frei Im Weſtwind und im Sturmgebraufe. Es lispeln und lächeln die Wellen.
Das Fräulein vom Schloß, Rlariffa, mag Erbrüdt von Fehlen fein geweſen:
Sie kommt herüber jeglichen Tag
Und hört den Pater Meſſe Iefen.
Wenn nur die Brüder nicht wären,
Sie horchte fromm auf all fein Latein, Und ſprach der Mönd am End fein „Ite“, Blieb fie mit ihm im Beichtſtuhl allein Und beichtete vor ihm und. fniete,
Es lispeln und lacheln die Wellen.
1. Erzahlende Gedichte. 266
2.
Und wenn es Abend wird und Nacht, Verlaßt ſie ſtill das Zimmer;
Sie ſteigt vom Schloſſe nieder ſacht, Die Wachter ſchlafen, und es wacht Allein des Mondes Schimmer.
Sie wandelt nieder bis zum Strand, Und an ver Klippen leztem Rand Wirft fie vom Leibe das Gewand Und ftürget in die Fluthen.
Den füßen Leib, den weißen Leib,
Es fchaufelt ihn die Welle, u Als ob fie eine Lilie treib’ —
So ſchwimmt dahin das fhöne Weib Entgegen jener Helle,
Die dort am Eiland angefacht
Der ſchöne Mönd, bei der er wacht, Um der Geliebten in der Nacht
Den Weg durchs Meer zu zeigen.
Wie ſchwimmt fie prächtig, ſchwimmt fie gut; Der Hals, die Schultern leuchten
Weiß aus ber bunfelblauen Sluth,
Daß fie von fern wie Meerlihtgluth
Dem Mönd am Ufer dauchten.
Er wirft ins Feuer Scheit auf Scheit Und nährt die Gluth, die leuchtet weit — Klariſſa taucht in Herrlichkeit
Empor, gleich einer Nire.
Sie finkt an feinen Bufen hin,
Und ihre Loden triefen.
„Ich grüß' dich, holde Schwimmerin,
Du ſchöne Liebeskönigin,
256
Zeitfofen.
Die taucht aus Meerestiefen.
Ich glaube an die Götterfchaar, Die einft der Erde Freude war — Für Venus, die dag Meer gebar, Froh brech' ich mein Gelübve.” —
„Geliebter, folt' ich auch zu bir Das ganze Meer durchſchwimmen, In feinen Fluthen könnte mir
Die Liebesgluth im Herzen hier Verlöfchen und verglimmen.
Und müßt’ ich aud durch alle Noth
‚Und durch die lange Nacht, den Top,
Dein Lieben wär’ das Morgenroth, Das jenfeits mich erwartet.” —
Sept, holde Flamme, fint in Ruh, Die fie zu mir geleitet;
Du wonnevolles Eiland, du,
Ded dic mit allem Duntel zu, Das füße Nacht bereitet.
Es foll allein der Sterne Licht
Es fehn, wie ein Gelübbe bricht — Daß du mich liebſt, o, fag es nicht In Worten, ſag's in Küffen.” —
nTreib, mit ber Liebe keinen Scherz, Leicht Fönnten fie erfpähen
Die Brüder, und der Beiden Herz
Iſt hart und ſtolz, und böfer Schmerz, Weh konnte mir gefchehen.
Geſchehen wär’3 um mic und did! Wie froftig heut der Abend ſtrich — Wie ift’3 fo kalt — umhülle mich
Mit deiner dunkeln Kutte,“
1. Erzähfende Gedichte.
3.
„Nimm deinen Dold !" — ver ältte ſprach Alfo zum jüngern Bruder.
Sie ſchritten vor aus dem Gemach,
Und wo am Riff da Meer fi brach, Ergriffen fie die Ruder.
Und leife fuhr dahin das Boot
Dem Eiland zu durch Abendroth —
‚Sie ſaßen ſchweigend wie der Tod
Und kalt wie das Verderben.
Sie legten an juſt an dem Ort,
Wo todte Kohlen lagen.
„Hier iſt der Platz,“ das einz'ge Wort — Sonft jhwiegen fie und gingen fort — Still war es in dem Hagen.
Die Abendglode hat getönt,
‚Sie beten, wie fie dran gewöhnt —
Das ſchöne Eiland war verfhönt
Noch durch die ftille Andacht.
Dann traten fie zur Kirch hinein: Der Mönd) ftand am Altare — Die Abendfonne fiel herein
Und lag ſchier wie ein Heil genſchein Auf feinem blonden Haare.
Sie zaubern nicht, fie ſprechen nicht, Der Eine ſchlagt, der Andre fticht, Und mit dem legten Abendlicht Entflieht des Paters Leben.
Dann reiten fie zuriid zum Kahn Und zünden an ein Feuer —
Im Kahne felbft fie zünden’s an, Und wie die nacht'gen Schatten nahn,
Worig Hartmann, Werte, 1. 17
258
Zeitlofen.
Bewegen fie das Steuer —
Das Steuer Der, dad Ruder Der, Sie fahren ftill am Eiland ber
Und endlich leid hinaus ing Meer, Da e3 ſchon dunkel worden.
Wie blau und lieblich iſt die Nacht, Es lispelte die Welle —
Die Feuersgluth, die ſie entfacht, Zieht fort mit ihnen durch die Nacht Als eine rothe Helle.
Und wie ba drüben auf dem Riff Gewand erglänzt’ — der Aeltre griff Das Ruder fefter — war das Schiff Schon draußen auf der Welle.
4
Klariſſa ſchwimmt durch die blaue Fluth,
Es glänzen ihre weißen Glieder,
Die Nacht, die über der Erbe ruht,
Glänzt aus dem blauen Meere wieder.
Es lispeln und lädeln die Wellen in Ruh,
Die Brüder fahren immer zu.
„Wie ift mir heut der Meg fo weit,
Als ob mic ein böfes Jrrliht narret —
Ach laſſe, mein Herz, von Bangigteit,
Weit ſcheint's dahin, wo Liebe harret.”
Es lispeln und lächeln die Wellen in Ruh,
Die Brüder fahren immer zu.
Schon ſchwimmt fie draußen auf offener See — „Dein ftarter Leib, willft du ermatten ?“
Gleich fern ift die Oluth. — „So weh mir, weh? Soll mid das falte Meer beftatten 1?"
I. Erzahlende Gedichte. 259
Es lispeln und lächeln die Wellen in Ruh, Die Brüder fahren immer zu.
„Was fliehft du, Licht? — Mein Leib erftarrt, Es finten kraftlos meine Arme;
O, harte mein, wie du fonft geharrt,
Daß id im Arm der Lieb’ erwarme !"-
&3 lispeln und lächeln die Wellen in Rub, Die Brüder fahren immer zu,
„geb wohl, o Nacht, o ſaße Nacht!
Die mich in Liebe hat gefehen —
Beh Dem, der das Feuer hat angefacht, Weh, daß ich muß vergehen!" —
Der Aeltere ſprach: „'s ift Alles in Ruh!“ Die Brüder fahren dem Strande zu.
I.
Symphonien.
Symphonie 1.
Lieblich verwehet, Lieblich und milde
An deiner Seite das Leben. Der Tanz der Stunden Im deiner Nähe,
Er hat mich belehrt, Daß Charid und Hore Göttliche Schweftern. Stunde an Stunde Knüpft fi und windet In fanften Melismen.
Und jegliche Stunde
Trägt deine Farben,
Du gibft ven Ton und die Stimmung, Die Mare, die heitere, ” Dem waltenden Tage.
Regnen mag es und ftürmen,
Donnern mag es und grollen:
Unfere Seelen,
U. Symphonien. 261
Deine Seele nur wieverfpiegelnd, Unabhängig von allen andern Gewalten, Lacheln und leuchten
Goldig oder in Purpur
Oder mit Strahlen durchzogen
Wie der See,
Darauf der Mondſchein ruhet, Kindermärdhen erzählend
Oder tiefe Geheimniffe lispelnd.
Wogen fie manchmal, unfere Seelen, Wogen fie in Wonnen,
Bon Hauden des Frühlings,
Von Stürmen der Jugend erregt.
Denn Jugend mwedt du in alternden Herzen, Du Seherin alles geahneten Glüdes,
Du Botin alles gefchiedenen Glüdes,
Das ung grüßen läßt durch Did.
Lachelſt du? — Lachle nicht!
Deine fhöne Beltimmung kennſt du nicht, Kennt fie die Nachtigall?
Sie fingt in Nacht verborgen,
Aber e3 laufchet ein Einfamer,
Den Kummer nicht ſchlafen ließ,
Und e3 fließet ihm mit den Tönen
Wie Balfam Tröftung ins Herz;
Alter Zeiten gedenlt er und alten Glüdes Und ünftiger Zeiten und möglichen Glüdes Und böret die Stimmen der Zukunft
Und gebenfet jener großen Augenblide, Da er Entſchluſſe faßte,
Und wieder faßt er Entſchluſſe,
Und feine Seele erhebet die Fittige
Und ſchwebet über ber Erbe.
262
Zeitloſen.
Dieß Eine glaub’ ih:
Ein ſchoner Gott,
Der {hönfte aller Götter,
Gin namenlofer, geheimnißpoller,
Ihront irgendwo im Mittelpuufte der Schöpfung Am Duelle,
Aus welchem die Ströme und Bäche
Des Schönen ausgehn,
In einem Pantheon aller reinften Freuden, Der ſchiclet on Gnadentagen
Mitleidsvoll
In dieſe dunklen Tiefen
Sendboten aus,
Boten des Glüdes.
Di muß es mandhmal im Traume gemahnen, Die du an feinem Throne ftandeft
(Die Lilie in den Händen
Lehnte ſich an deine Schulter)
Und er zu bir gefproden :
Made dich auf!
Sei ein Weib!
Geh hin und beglüde!
Die er zum Sterne ſpricht: Leuchte!
Die er zur Blume ſpricht: Dufte!
So ſprach er zu bir: Beglüde!
Wir aber zufen, Hymnenhaft, fromm und andädtig: Verweile! Verweile! Vollende deine Sendung, Uebe deine Macht aus
IL. Symphonien. 263
Für und für, Die fhönfte Macht, Die erhabene Kraft der Beglüdung.
Symphonie 2.
Sol ich dic Frönen, Krön’ ich am Liebiten Dich mit Veildenkrängen. Zwar das Vergißmeinnicht Stände mir näher,
Wäre mir theurer, Diente mir fhöngr, Hocht’ ich allein
Meinen Gefühlen;
Aber ih horche
Nur den Geboten Strenger Gerechtigkeit.
Nicht die Schwalbe
Mit glänzendem Fittig, Nicht die Lerche,
Singend in Luft verborgen, Nicht der Stern der Liebe Höheren Glanzes,
Nicht des Himmels Dunllere Bläue
Kundet den Lenz an
Mit folder Mile,
Die das ſtille Veilchen, Duftend im Grafe,
Oft noch bededt
Von der Wehmuth geſchiedener Herbſte.
264
Zeitlofen.
Mir ift das Veilben
Die Blume der Milde,
Und um deiner Milde willen
Soll dein theures Haupt befränzt fein.
Andere Tugenden thaten Großes,
In- Annalen und Helvenlievern
Viel und groß und hallend Gepriefenes. Schleier zerriſſen fie, weltenverhangende, Bahnen brachen fie ind Unenbliche,
Pfade enthülten fie in das Heimlichfte, Deane von Gefahren durchſchifften fie, Bändigten ſchwarze Verhängnifje
An den Marten der tbeueren Heimat,
Do fie zornig ftanden und lachelnd fielen. Bande nüpften fie von Land zu Lande, Liebesbande, Bande des Geiftes; Beifpiele ftellten fie auf Piedeſtale,
Durch Jahrtauſende leuchtende,
Und in die Herzen der Menſchen,
Als wären es Felſen von Porphyr, Gruben ſie Lehren und Satzung,
Die ſich verflärten zu Evangelien
Und getroft die jüngften Gerichte erwarten.
Selbft die Tugenden dunkleren Fittigs, Die mit ven Dämonenflügeln,
Welche gefallenen Engeln gleichen, Engeln des Zwielichts:
Stolz und Ruhmesdurſt
Und die Ueberfülle der Kraft
Und die fehnfüchtige Liebe,
Haben geſchaffen,
Das mir gerne preifen
Mit der Zimbel, mit der Harfe
U. Symphonien. 265
Oder mit der helleniſchen Lyra,
Haben die weite Walftatt der Erbe verwandelt In ein Rofenbeet
Bon Begeifterung erglühter,
Hochroth flammender Wunder.
Was die Milde gethan, hat feine Epen Und feine Annalen.
Der du der Göttin Sohn befangft, Den weithin ftrablenden,
Und das hoc aufragende Jlion
Und den überallpin irrenden König: Meifter, Halbgott, Gott, Homer, — Dich bewundere ich nicht!
Aber ich liebe ven holden Unbelannten, Der das erſte Veilden entvedte
Und freudig binlief,
Lachelnd, gerührt,
Und die Hirten zufammenrief
Und fie an die Stelle leitete
Und nieberfniete
Und die Gräfer außeinanderbog
Und ſprach: O, ſehet!
Und in jener Stunde begann das Reich des Schönen. Was Berföhnung fei,
Lernten Feinde,
Und des gemaltfamen Mannes Ueberwältigungaluft
Wurde Liebe,
Und das Emwig: Weibliche
Fing zu herrſchen an.
Sag’ ich das Weibliche, mein’ ich die Milve. Und es woget die Weltgefchichte
In großen Wogen
f
266
Zeitloſen.
Und in kleinen Wellen
Um das Herz der Menſchheit,
Immer es mildernd,
Wie die Wogen des Meeres Klippengezad und delſenſcheeren Langſam, fiher
Glätten und mildern,
Bis die drohenden, ſchwarzen
Unter dem blauen Spiegel verſchwinden.
Lärmendes, Hallendes
‚Hat fie nicht gethan, deine Tugend,
Aber die Atmofphäre ver heilfamen Lüfte, Welpe die Erde bemohnbar machen,
Hat fie uns auögebreitet.
Auf der großen Walftatt
Bedt fie die Blume aus Gräbern
Und erbaut fie die Hütte.
‚Wir, wir nennen es Weisheit
Stolz und vermefien, wonach wir ftreben, Bergebens ftreben —
Du, du nenneft es nicht mit Namen, Was du nicht erftrebteft,
Nicht erlernteft, .
Was du athmeft von Anbeginn,
Deiner Seele Athem,
Die Milde,
Darum,
Soll ich dic krönen,
Kron ih am Liebſten
Dich mit Veilhentränzen.
(Deinem dunklen Scheitel ftehn fie lieblich, Die wir jüngft im Walde gefehn, Als das Kind mit der Künftlerfeele,
U. Spmphonien. 267
Ahnend, welcher Tribut bir gebühre, Welcher Shmur dic {hwmäde, Diefes Lied in meiner Seele wedend, Ernſthaft aus dem Buſche trat mit Veilden.) Zwar das Vergißmeinnicht Diente mir ſchoner: Dächteft du mein, In deinem Angedenten Wandelt ic wie im Mondſchein, Ein jeliger Träumer. D, daß du immer mein gebächteft! Aubeooller wär’ id, Beffer und milder Aud in der Ferne Unter dem Schuß und Hauche Deines Gedankens. (83. Wpril 1866.)
Smmphonie 3. Wie ich dich liebe? Die du bift, Lachelnd und ernit, Aubig und tief, Lacheln ſah ich dich oft, Während Thränen des Grams dein Auge feuchteten. Alfo läcelt, Wer Blumen auf Gräber ftreut, Wer mit Angedenten Hingefchiebener, Mit verweltten Roſen Erftorbener Siebe fpielt ! Und ein erbabenes Bild der Entfagung Leuchtet milde feitdem in meiner Seele, Wie in bemooster Waldlapelle
268 Zeitlofen.
Wunderthätig ein Dolorofenbild.
Fromm verneig’ ich mich vor den Entfagenden, Die ich einftens gefcholten,
Die ich angeblidt mit beleidigendem Mitleid Als eine Schaar,
Die zu frühe die Waffen ftredt.
Schön ift der Kampf; am Schönften
Gegen das Schichſal.
Denn unbezwingbar ift das Schidfal,
Und fein Köcher ift unerſchöpflich.
Was du warft und was du bift
Und was in deinem Geifte wächst,
Was ftill in deinem Herzen fprießt,
Dein Haß und deine Liebe,
Deine Weisheit und deine Thorheit,
Was du denkft, träumft und fühleft,
Was du hoffeft, fürcteft, wunſcheſt,
Alles verkehrt fih zu Waffen in der Hand des Schidfald — Zu Waffen gegen dich,
Zu unentrinnbaren, verwundenden,
Schnell und langfam tödtenden Waffen.
Es hat did auserfehen —
Du bift verloren!
Denn erbarmungslos muß es walten, Selbft ein Knecht und Henter,
Willenlos, gebantenlos,
Unfühlend,
Im Zwange der Natur,
Die nichts weiß von Gerechtigkeit,
Und bie da herrſchet unter dem allgewaltigen Titel: Nothwendigkeit.
Nicht nach Tugend und Muth und Gebeten, Nicht nach Großthaten oder Miſſethaten —
U. Symphonien.
Nach Gefegen, Nach ftarren Zahlen und Maßen, Nach eigen Sapungen, Die lange waren und ewig, eh du warft, Bift du glüdlih und elend. Dein Kampf ift nuglos. So herrlicher! Auf olympiſchen Höhen. Thronen die Götter und fehen dem Schaufpiel zu, Lächelnd, Die unvermeidlicher Untergang Sieg wird. So war e8, fo ift es, So wird e3 fein. Weiſe der alten Zeit, Die in das Innre des Weltalls fahen Und die Dinge ſchauten ohne Täufhung, Haben uns dieſes Geheimniß enthüllt. Aber das Weib, Der Menſch des Leidens, Bon dem der Mann die Thräne geerbt Als mütterlich Erbtheil, Zu jenem triumphirenden Sieg Erfann e3 mit fanfter, weiblicher Lift Den leidenden Gieg, Die Entfagung. Wie ſchoͤn bift du in deinem Gieg, Geliebte!
Schön ift der Quell, der aus dem Felſen fprubelt, Und ſchon ift die Welle,
Die rauſchend, braufend,
Schäumend und leuchtend,
Singend und Hagend
Hinftürmet durchs Geftein
Und nieberftürgt von Fels zu Felſen
269
270 Zeitlofen.
Regenbogenütberhangen;
Aber ſchoner ift fie,
Endlich umfrievet im friedlichen See, Geftad und Himmel
Und Mond und Sterne
Und ſich felber wieberfpiegelnd Ruhevoll, tief und Mar.
Dich fah ich auf deinem Leidenswege Schöner und fchöner von Tage zu Tage, Bis du ausgerubt In vollendeter Schönheit zugleich Und in Entfagung. Das ift fhöner ala Schönheit? Willſt du die Wege betlagen, Die zu ſolchem Ziele geführt? Nein, du belächelſt die Stürme, Deren Gefänge Bei Entfaltung der herrlichſten Blume Zu Wiegenlievern wurden. Bas ift ftiller, was ift reicher an Ruhe, Was ewiger, als Schönbeit? Ihren vollendeten Kreis Durchbricht das Schidfal nicht mehr; . Um ihre glüdfelige Infel Mögen die Stürme mwüthen, Sie blüht. Ruhe fanft, ruhe füß Auf deinem blühenden Giland, Dahin did) die Stürme getragen, , Die Leidende — Dahin wir nimmer gelangen, Die Kämpfenden. Gildbad, 9. Juli 1858.)
II. Leben und Weben.
Antwort.
An Frau C. de €...
O Herrin, du befiehlſt vergebens: Nimm deine Harfe von der Wand Und Tone neuen Liederlebens Erwede mit geübter Hand!
Nicht Tann ich folgen dem Befehle, Geftorben Tängft ift mein Gedicht; Wohl kann noch zürnen meine Seele Und meinen noch, doch fingen nicht.
Einft mar ich felber eine Harfe
— Einft, lange eh ein Mann ich hieß —, Die bald der milde, bald der fcharfe Lufthaud der Welt erklingen ließ.
Zerriſſen find die golonen Saiten — D, böre, wie die legte reißt — Und aus dem Innern in die Weiten dloh ihr geheimnißvoller Geift.
270
Zeitlofen.
Regenbogenüberhangen;
Aber fhöner ift fie,
Endlich umfriebet im friedlichen Geftad und Himmel
Und Mond und Sterne
Und ſich felber wiederfpi ct: — Ruhevoll, tief und He de, Dich ſah ich auf dr’ ‚ort,
Schöner und fd’ .a taufend Fällen Bis du aus . jungen Bahn;
In vollend , ziehn des Stromes Wellen Und in em faft zum Ozean.
Was Welt ift nicht die Roſe, u 2 zgoft mit ihrem böfen Dorn EA NRachtigallen zum Getofe aAwedt und zu melod'ſchem Zorn.
‚Das Leben ift fein Scheiterhaufe
Bon Spegerei'n, draus neubeſchwingt Das Herz wie aus der Phönirtaufe Sich hebt und neue Lieber fingt.
Das Schweigen iſt es, das ich wähle, Geſtorben langſt ift mein Gedicht; Wohl kann noch zürnen meine Seele Und meinen noch — doch fingen nicht.
(e2. Aprit 1856.)
Harad Harfager. Was ich möhte? — mas ich will? Fragft du, liebe Seele? Horche ſtill, Daß ich dir erzähle.
5
III. Leben und Weben.
Held Harald Mit den langen Haaren, Nit Sturmesgemwalt Iſt er bahingefahren. \abingefahren h hundert Meere aufend Gefahren milde Heere. Er hat gekriegt In allen Zonen; Geliebt und gefiegt, Wo Menſchen wohnen. Er herrſcht' auf dem Schiffe, Das war wie lebend, Aus Strudel und Riffe Glängende Segel erhebend. Und mußt’ es zerſchellen An felfiger Fährte, Er ſchwamm durch die Wellen Mit Schild und Schwerte, Ein Schiff war verſcherzt, Ein Rei) errungen, Ein Liebehen geberjt, Ein Siegslied gefungen. So war's im Norden, So war's im Süben, An allen Borden, Er konnte nimmer ermüben,
So war's im Often,
So war's im BWeften:
Er mußte koſten
Vom Shönften und Beften.
orig Hartmann, Werke. I.
18
273
272
Zeitfofen.
Was kamft du nicht, um mir zu lauſchen, ALS noch in mir der grüne Wald,
Der heim'ſche Quell mit feinem Rauſchen Und meine Kindheit wieberhallt?
Die Liebe ift des Liedes Duelle,
Der Glaube wedt manch Dichterwort: — Die Liebe floh von meiner Schwelle, Den Glauben ftieß ich felber fort.
Es rauſcht und braust in taufend Fällen Der Bad) auf feiner jungen Bahn;
Doc ſchweigend ziehn des Stromes Wellen Und traurig faft zum Ozean.
O, diefe Welt ift nicht die Rofe,
Die felbft mit ihrem böfen Dorn
Die Nachtigallen zum Gelofe
Erwedt und zu melod'ſchem Born.
Das Leben ift fein Scheiterhaufe Bon Spegerei'n, draus neubeſchwingt Das Herz wie aus ber Phönirtaufe Sich hebt und neue Lieder ſingt. Dad Schweigen ift e8, das ich wähle, Geftorben längft ift mein Gedicht; Wohl kann noch zürnen meine Seele Und weinen noch — doch fingen nicht. (22. Aprit 1856.)
Harald Harfager. Was ih möchte? — was id will? Fragft du, liebe Seele? Horche ſtill, Daß ich dir erzähle.
IN. Leben und Weben, 273
‚Held Harald Mit den langen Haaren, Mit Sturmesgewalt Iſt er dahingefahren. Dabhingefahren Durch hundert Meere Und taufend Gefahren Und milde Heere.
Er hat gefriegt In allen Zonen; Geliebt und gefiegt, Wo Menſchen wohnen. Er herrſcht' auf dem Schiffe, Das war wie lebend, Aus Strudel und Riffe Glängende Segel erhebend. Und mußt’ es zerſchellen An felfiger Fährte, Er ſchwamm durd die Wellen Mit Schild und Schwerte, Ein Schiff war verfcherzt, Ein Reich errungen, Ein Lieben geherzt, Ein Siegslied gefungen. So war’ im Norden, So war's im Süben, An allen Vorden, Er konnte nimmer ermüden.
So war's im Often,
So war's im Welten:
Er mußte koſten
Vom Schönften und Veſten. orig Hartmann, Werte. 1. 18
274 Zeitlojen.
Er lam in wilde
Und eifige Lande,
Er fam an milde
Und blühende Strande.
Nicht fällten ihn Wunden ’ Und Laft der Tage —
Er ift verſchwunden
Im Lied und Gage.
* * *
Wer leben könnte wie Held Harald r Er lebte fhön in Kraft und Gewalt Und fand ftatt Tod und Vernichtung Das Leben im Lande der Dichtung.
An eine Kranke.
Du leideſt, du bift frank, o Joſephine!
Die eigen übertam mich der Bericht —
Als ob mir eine Heilige erfhiene
In einem Thebaiden-Traumgefiht.
Ich fah ein Weib mit lächelnd blafjer Miene, Das fih ums Haupt die Dornenkrone flicht, Das bingeht in geheimer, hehrer Sendung ALS Pilgerin auf Pfaden der Vollendung.
Wie fiegreidh ift der böfe Geift betrogen,
Der unfrer Huldigung dich will entwenden.
Wenn dic das Glüd fo anmuthsvoll erzogen, Wie herrlic wird das Unglüd dic vollenden.
O, fei getroft I ein Gott bleibt dir gemogen,
Der übergab dic) jegt den Meifterhänden
Des Schmerzes, der befigt den legten Stempel — Sieh feine Werftatt an — es ift ein Tempel,
III. eben und Weben. 275
Da liegft du, lächelft wie die Sonn’ im Mai, Um zu zerftceun der Freunde Thränenregen,
„Es ſchmerzt nicht,” fagft du — theure Heuchelei Der Märtyrer auf dornenvollen Wegen.
Zum Liede machſt du jeden Schmerzensfchrei, Um Balfam auf der Andern Leid zu legen;
Du bift die Tröfterin, mir find die Kranken, Du ſteigſt empor, weil wir in Nacht verſanken.
Ich fagt’ e8 wohl, als ich dich fah im Glüde: Dieb Leben wird im Unglüd ſchöner nur!
Und wahrlich, all dein Leid ift nur die Brüde, Die führt von fehöner dich zu fhönrer Flur. Ich den?’ an Flügel, feh’ ich deine Krüde,
Und flehe zur unendlichen Natur:
Genug gethan haft du für dieſes Wefen,
Es ift gethan — nun laſſe fie genefen.
Vorwurf,
So haft du nie erwogen, Was ih dir war und bin, So bift du fortgezogen Und fagteft nicht, wohin,
AU die alten Liebesboten, Blumendüfte,
Fruhlingslufte,
Wollen, die im Sturme fliegen, Blätter, die die Winde wiegen, Mondſchein mit ven milden Strahlen, Nachtigallen, die mit Singen
In die Ferne Grüße bringen,
Grüße zu viel taufend Malen —
276
‚Zeitlofen.
AN die alten Liebesboten Und mein Sehnen und mein Ahnen, Alles hab’ ich aufgeboten, Dich zu ſuchen aller Bahnen. Eine Blume follte Liebe fein, Die ſich ſtets im Garten findet — Und fie ift ein Vögelein, Und fie ift der Mondenſchein, Der in dunfler Nacht verſchwindet.
Gruß. Den? id} dein und will ich dich In Gedanken grüßen, Seh’ ic ftet3 und immer mid Knieend dir zu Füßen. So zu jeber, jeder Zeit, Wachend und im Schlafe — Süße Unterthänigteit — Bin id nur dein Sklave. Raff ich mich aus träger Ruh, Scheint es meiner Seele, Als ob ihr von ferne du Schidteft die Befehle. Weden mih um Mitternadt Töne fanften Goldes, Weiß ich, daß du juft gedacht Liebliches und Holdes. Du biſt mir ein füher Schall, Den der Weltgeift finget; Selig, wer ala Wiederhall Solchen Lieds verklinget.
II, Sehen und eben. . 277
Lebe wohl! — Durch weiten Raum Bolt’ ich nur dich grüßen;
Bebe nicht, fiehft du im Traum Mich zu deinen Füßen.
Se.
Ein Schloß ift halb verborgen Im grünen, grünen Wald, Es glänzt fo rofig im Morgen Wie des Glüdes Aufenthalt. Es glänzet im Mondenfdeine, Da finget die Nachtigall,
Da tönen die alten Steine Naczitternd im Wiederhall.
Nach jenem weißen Schloſſe
Bid’ ich von ferne hinan,
Trab’ ich auf ſchnaubendem Roſſe, Geh’ ich als Pilgersmann.
Nicht fagt es die lichte Mauer, Die Fenfter, die jagen es nicht, Daß dort ein Leben in Trauer Die Hier mein Herz zerbricht.
Schweigen. Kein Wort und feinen Hauch — Bir wollen ſchweigen. Die Trauermeiden, die ſich neigen Auf Leichenſteine, ſchweigen auch.
278
Zeitlofen.
‚Sie neigen ſich und leſen Wie ich auf deinen Wangen: Es ift ein Glüd geweſen Und ift vorbeigegangen.
Begegnung.
Ich ſeh' zum erften Mal dich heute, Ich feh’ dich heut zum legten Male, Doc) tönt’? um mic wie Brautgeläute, Die Lied und Tanz im Hochzeitsſaale.
Ob wir uns wieder trennen mäflen, Ich fühl e8 dod, daß unfre Seelen Sich wie zwei Neuverlobte küffen, Daß fie auf eroig ſich vermählen,
O, sieh mid nicht fo mähfig an. D, zieh mich nit fo mächtig an, Unwiderſtehlich,
Sonſt bricht der uns verhängte Bann Und meine Kraft allmählich.
D, fieh mich nicht fo lieblich an,
So unermeflen,
Den Schwur, ven ich mir felbft gethan, Ich könnt ihn fonft vergefien. Zerbrochen ift, zerbrochen fei
Zu dir die Brüde;
Weh mir, erwacht in mir der Schrei Nach dir und nad dem Gläde,
| |
II. Geben und eben, 279
Ich gehe traurig neben bir
Und bin zufrieden;
Reichft du die Hand zum Bunde mir, O Gott! — find wir geſchieden.
Uebel. (1856.)
Der graue Nebel zieht vorbei
Im Morgenwind an meinem Zeniter; Er flüchtet, wie bei Hahnenſchrei
Und Dammerlicht die Nachtgefpeniter. Der Nebel jagt, als wär’ die Welt Auf ſtiller Flut mit Berg und Thale, Als bebte fie, daß fie erhellt
Die Sonne mit dem Frühlingaftrahle.
Mir iſt's, als ob mein ganzes Sein Zerfließend mir vorüberfliehe, Als ob mein Glüd und meine Pein Mit diefen Neben weiterziehe.
Vorwurf. (1858.)
Ich glaube nicht mehr — Das haft du verſchuldet. Nun lächle du fo ſchön, als du allein vermagft. Du lächelft nicht hinweg, was ich geduldet, Nicht gibt dein Wort, mas mit dem Herzen du verfagft. Du wilft mic tröften! — Das will mir befagen, Daß ich des Troftes nur zu fehr bedarf.
280 Zeitlofen.
Du fühlft e3 wohl, daß ich in dieſen Tagen Dom Borde meines Schiffs die legten Götter warf.
Du Gute, fei getroft: ich weiß, ich fam zu fpät, Dein Lebenstreis ift Tängft und feft geſchloſſen,
Ich ftehe vraußen, wo jo Mancher fteht —
Vergiß es, daß ich bin, daß meine Thränen flofien.
Erwachet dann zuweilen der Verdacht in mir,
Daß du es liebft, das böfe Spiel mit Herzen,
Dann auch noch fei getroft, denn ich vergebe bir,
Denn du nur glüdlid) bift auf Koften meiner Schmerzen.
Fragment. un"
So weit gelommen, daß ih nur an Stunden,
An Augenblide nur des Glüds geglaubt ;
Nur Freuden fah ih, kaum gegrüßt, entſchwunden, Wie Blumen blühn mit ſchon gefenktem Haupt. Und wo fein Glüd, da fehmerzen feine Wunden, Die Armuth wird vom Schidfal nicht beraubt; Den feine Freuden als vergänglich freuen,
Der wird die Dauer keines Unheils ſcheuen.
So weit gelommen, daß mir ſtets die Frage
Ans Ohr, and Herz gepocht: wozu dieß Leben ? Was branden an dein Hirn die Öden Tage? Wozu ift dir des Fühlens Macht gegeben ?
Der alten Zeit Entwürfe, Luft und Klage
Sah ich wie Nebel aus dem See entſchweben, Nicht fleht’ ih mehr zum Schidſal um Erbarmen, Ich ließ mich ftumm verlommen und verarmen.
III. Leben und Beben,
Da kam der Tag heran — bu fromme Eeele, Du glaubft ja, daß bie Todten auferftehen — Da fam der Tag, von dem id) gern erzähle,
Der Tag, an dem ich wieder bich geſehen.
Es ift umfonft, daß dir mein Wort verhehle, Was alle meine Pulſe dir geftehen ;
Verbrechen wär’ es, blieb e3 dir verſchwiegen, Daß ich durch dich zum Licht emporgeftiegen. Ich hab’ erfahren, daß des Glüds Minuten Unfterblid find und bis zum Grabe leuchten; Das Leben ift ein feliges Verbluten
An Wunden, die umfonft zu ſchmerzen däuchten; Die Fragen ruhn, die feit fo lang nicht rubten, Das Auge wagt’3, fih wieder zu befeuchten: Und wie ein Traum, wenn Hörnerfchall erflungen, Entweicht die Angft in ferne Dämmerungen —
Srlofhenes Sicht.
Wo ich ein Licht 'erlöfhen ſeh',
Thut mir's im tiefften Herzen web; Mir ift'3, ob es ſich ſchmerzlich winde, Auf daß es nicht in Nacht verſchwinde. Ich ſeh's nicht gern und mußt' es ſehn, Wie es bei dir, bei dir geſchehn;
Ich mußte mit geheimem Grauen
Das Sterben deiner Liebe ſchauen.
Und iſt erſtorben wo ein Licht,
Die kalte Lampe fühlt es nicht,
Doch die das Leuchten überbauern, Die müfjen dann im Dunllen trauern.
281
282 Zeitiofen.
Seit du nicht Tiebeft, bift du todt,
Du, erft mein Licht, mein Morgenroth,,
Da ftehft du, weißt es nicht, wie fhaurig — Ich aber weiß, wie fehr ich traurig.
"An He. (1854.)
Wie geheimnißvoll find jene Waſſerlilien anzufehen, Welche dort wie Elfentähne Wartend an den Ufern ftehen.
Und die Elfen werben fommen
R Und fi in die Blumen Iegen, Und im Dunkel fortgeſchwommen Sind fie bald auf ftillen Wegen.
Stehn fie auch am felben Orte
Morgen wieder, weiß ih immer Doch, daß fie durch Geifterworte Sic) bewegt im Mondenfhimmer.
Der Banderer.
Waßt' ih, was id will,
Dann wäre mir nicht fo wohl,
Ich ginge den graben Weg
Ruhig und ftill,
Nun aber zieht mich ein magnetiicher Bol, Ich weiß nicht, wohin:
Durch Berg und Thal,
Durch Luft und Dual,
III. Leben und Beben. 283
Bald heiter, bald trüber ‚Herüber, hinüber.
Die Wafler, die Blätter,
Die Nebel, die Wetter,
Die Müdlein, die Thaue, die Blümlein im Gras, Altes Tispelt, ich weiß nicht, was,
Alles gibt mir fo guten Rath!
Oder ift es ein fchlimmer ?
Ich weiß es nicht, id wandere immer
Sort auf heimlich unheimlihem Pfad.
Eine Herberg am Weg, die Zukunft genannt, Sie winket mit grünendem Krane,
Die Geigen fpielen zum Tanze;
Und komm' ich dort an, bin ich müde gerannt, Iſt verwellt ver Kranz,
Bin ich matt zum Tanz —
Ich laſſe fie fpringen,
Ich laſſ es Klingen
Und lege mich ſchlafen —
Ja ſchlafen.
Erkenntniß. (1858.)
Alltaglich fteht ein Kind an meinem Haus, ANtägli Morgens frühe; geh’ ih aus, Beut es zu Kauf. mir einen Blumenftrauß.
„Wo haft du, Kind, die vielen Blumen ber? Mein Herz gewöhnt ſich dran je mehr und mehr, Sie duften lieblich, und fie glängen ſehr.“ —
284
Zeitlofen.
„Mein Ahn ift Todtengräber hier im Ort, Auf Gräbern fommen gut die Blumen fort, Und alle diefe Blumen pflüdt’ ich dort,”
Ich ging, und traurig ſprach zu mir mein Herz: Kennft du noch nicht des Schidfal alten Scherz? Du ſucheſt Freuden, und bu pflüdeft Schmerz.
fer Ausflug. Ich fah dic) lieblich noch im Nefte, Und von dem Tage, Da du mit Flügelfchlage Im Fruhlingsdrange, In Schönheit und Gefange . Auffliegft, hab’ ich geträumt als wie von einem Seite.
Nun bift du aufgeraufcht Und fliegft von Aft zu Afte,
Und Alles lauft
Dem holden, neuen Gaſte;
Da fteh’ ih nun und bebe
Und wache nur erfchredt,
Ob nicht, von dir erwedt,
Ein Geier irgendwo ſich in die Lüfte hebe.
Frühling des Kranken. (1856.) Welches Lied ſoll id) dir fingen, Frühling, auf dem Krankenbette? Bahrli, eine ſchlechte Stätte, Fruhlingsopfer darzubringen.
II. Leben und Weben. 285
Wie die Lerchen ſchoͤn gefungen Und mie liebli grün die Auen, Weiß id aus Erinnerungen, Aber, ach, ich kann's nicht ſchauen.
Und ich weiß, in diefen Tagen Fühlt man jede Freude zweifach Und vergißt man alle Klagen — Ad, mein Leiden fühl’ ich dreifach.
Wär’ ich tobt, auf meinem Hügel
Würden jegt ſich Blumen wiegen,
Schwalben mit dem bunflen Flügel, * Träumen glei), darüber fliegen.
Keine Schwalbe tommt, zu bauen Nefter überm Bett de Kranten, Und nicht blumenhaft zu ſchauen Sind des armen Manns Gedanken.
Mär’ ich todt — fein Strahl der Sonne Würde künden von den Zelten
Diefer neuen Maienwonne —
Und fo wär’ e8 wohl am Beiten.
Katharine. (1856) Du trateft an mein Bette, Da fühlt’ ich mich gefunden, Mit einer neuen Kette An diefe Welt gebunden.
Dein Wort ift friiher Bronnen Boll wunderthät'ger Welle,
286
Zeiiloſen.
Dein Aug wie Maienſonnen Mit heilungsvoller Helle.
Aus deinem jungen Herzen
Mit zauberifhem Scheine Fließt Linderung der Schmerzen Die aus dem Wunderſteine.
O Jugend ohne Feble,
Du haft den Stein der Weilen, D unſchuldsvolle Seele,
Du wohnit in Zauberkreiſen. Gib mir die Hand! — Ich hebe Mic) aus den Tobtengrüften; Ich athme und id lebe
Mit dir in reinern Lüften.
Di und dein Glüd zu ſchauen Und felber es bereiten —
Dieß fei'n auf diefen Auen
AN meine Seligkeiten.
An das Xlter. Müdes Alter, Zeit der Stille, Zeit de3 Friedens, klomm heran — Andre fehn dic) zitternd nahn, Liebend rufet did mein Wille. Auf vergilbten Waffen träumft du, Kühler Schatten dedt dich zu, Und mit Farben goloner Ruh Jeden alten Kampf umfäumft bu. Was mic) jegt im Tiefften quälet, Wird mir einft von deinem Mund,
UT. Leben und Beben, 287
Weich umfchlelert, hold und bunt Als ein Märchen vorerzählet. "
Was jegt braufend in mir fämpfet, AN die Töne wild und jung
Wirſt du als Erinnerung Auferweden fanft genämpfet,
Alles leidet — du betrachteft, Alles drängt und eilt in Haft, Du, am Abend hältft du Raft, Lachelnd, wo bu einſtens lachteſt.
Süßes Alter, alle Wunden,
Die die Jugend mir gebradt, Rufen dich in diefer Naht, — Komm und mache mic gefunden.
Die Hegenfropfen.
Ein Regentropfen ſprach
Zum andern Regentropfen:
Mödr’ willen, warum wir ® An diefes Senfter Hopfen.
Der andre Tropfen ſprach:
Hier wohnt ein Kind der Noth, Und dem verfünden wir:
Es wachst, es wächst dad Brob.
288
Zeitloſen.
Verkennung. (1856.)
Die traurig! — Unter diefen Seelen Wohnt ih, wie unter Rofenzweigen; Sind fie es, die mich heut fo quälen? Was zwingt fie, mir den Dorn zu zeigen? Das blüht, muß wellen — und ihr Lieben Hat mir fo reichen Lenz getrieben,
Daß ich von Blüthen und.von Sproffen Gefeffelt war und feſt umfcloffen.
Heut wird mir jedes Wort mißdeutet, Nur Gift enthält mein Lebensbecher,
Und wie fid eine Schlange häutet,
Ward ich feit geftern zum Verbrecher. Das Wahrfte mag’ ih nicht zu fagen, Das Trübfte mag’ ich nicht zu Hagen,
In jedem Laute hör’ ich Aläger,
Im jedem Lüftchen Zwiſchenträger.
Ich möchte dunkle Höhlen wiſſen,
Die hinter meinem Schritt ſich fperren, Und mochte nicht, daß mich vermiſſen, Die jegt fo graufam an mir zerren. *
Zirage und Antwort. (1856.) „Wie lannſt du dich nad} folhem böfen Herzen So zärtlich und fo heißverlangend fehnen? Die kann man folhem Weib fo Achte Schmerzen Nachſenden und fo wahrgemeinte Thränen ?”
UI. Leben und Weben.
Verſteh mic nimmer! — Auf die gift'ge Blüthe, Nur weil fie ſchön ift, muß id) freudig ſchauen, Und in die dunklen Schluchten im Gemüthe Starr’ ich verlangend und mit Wonnegrauen.
Im Hollenreich erzählt man von Verdammten, Die froh ſich walzen in dem Schmerzenäbabe,
Die in dem Pfuhl, dem teufliich heiß entflammten, Sic) Iuftig machen über Gottes Gnade.
Blätterlispeln.
Blätterlispeln, Wipfelraufchen, Sanft Geflüfter auf dem See, Glad und Leid und Wohl und Web Glaubſt du horchend zu belaufchen.
Laß das Horden, laß das Lauſchen, Daß dein Herz e3 nicht erfahre, Die dir mit dem Blüthenjahre Glüd und Leid vorüberraufchen.
Im Sager.
Bivouak und Mondenſchein! Abenteurer zweier Welten Liegen da in Wald und Zelten, Einer liegt abſeits, allein — Ferne Freunde, denket fein, Bivouak und Mondenſchein! Ferne ſchallt der Ruf der Wachen, In der Nahe Lied und Lachen, Morig Hartmann, Bere. I. 19
289
290
Zeitofen.
Einer ift, der ftimmt nicht ein — Gerne Freunde, denfet fein. Bivouak und Mondenſchein — Und die Gluth entfchlummert Teife Und die Männner rings im Kreife, Einer aber ſchlaft nicht ein — Ferne Freunde, denket fein. (Shumla, 18. Juni 1864.)
Abdallah. (1866.) J
So zu mir ſprach Abdallah, der Kurde: „Wiſſe du, warum dein Freund ich wurde. Beil du hörſt und ſchweigſt, wenn Andre ſprechen, Weil du fingeft, wenn die Andern zechen. „Sahſt vu Moslems im Gebete liegen, Haft du, Franke, ehrfurchtsvoll geſchwiegen. „Schmerzlic trank, haft du nur Nachts gellaget, Morgens ftiegft zu Pferd du unverzaget. Nie das Geftern hört’ ich dich beflagen, Doc du redeft [hön von künft'gen Tagen, „Wenig Waffen trägft du, und mit diefen Prahlſt du nicht; — haft dich nicht felbft gepriefen. „Siehſt du dort den Feind auf jenem Hügel? Ad, er flieht vor uns, als hätt’ er Flügel! „Traurig iſt's, denn kam' es erft zum Gtreite Und du fänteft tobt an meiner Geite, „Trüg' ich beim in meiner Berge Wildniß Eines guten Franken ſchones Bildniß.“
III. Leben und Weben.
— Nicht bei meinem eignen Lob zu weilen, Schreib’ id an der Seine dieſe Zeilen, Nur den Freund am Tigris will ich fingen, Mögen jept ihm Herz und Ohren klingen.
Fin Augenblick. (1856.)
Nicht groll’ ich mehr mit dem Gefdide, Es ftellte mic, auf hödjfte Höhn;
Ich ſprach einmal zum Augenblide : Verweile doc, du bift fo fhön!
Ich achte mich als Auserwählten
In jener ungemehnen Schaar
Der ſtumm und dumpf und laut Gequälten, Des Boll, das diefe Welt gebar.
Ein Augenblit! — In diefer Wüfte Der froh gegrüßte, winz'ge Duell;
Auf diefer unwirthbaren Küfte
Ein Leuchtthurm, wie ein Stern fo hell.
Ein Augenblid! — Raum angelünvet, War er dahin — doch hat fi dran Mein Geift für alle Zeit entzündet, Und leuchtend geh’ ich meine Bahn. Da lispelt etwas: Ein Almofen,
Den Pfennig warf das Glüd dir zu — Horch, wie die Räder weiter tofen,
Ein Träumer, Bettler nur bift du.
291
292
Beitlofen.
Nacht.
Macht'ger als des Tages Rauſchen, BWirkft du, Nacht, mit deiner Stille, Ale meine Bulfe laufen,
Ob mir nicht ein hoher Wille,
Ein Geheimniß diefer Erde,
Nicht ein Räthfel vom Entftehen Und vom Leben und Vergehen Irgendwo erſchloſſen werde.
Ob ich ein Geheimes Ierne,
Horcht die Seele mir und jittert
Die ein Straud, wenn's in der Ferne
Wetterleuchtet und gemittert,
Aber aus den Sternenfeuern
Will fein Geift hernieberfteigen,
Augen nur, erfüllt von Schweigen,
Bliden aus den dunklen Schleiern.
Weiter zieht auf ftillen Sohlen
Nacht und Traum; bald wird es tagen,
Und e3 ſchließt wie Nachtoiolen
Sich das Herz nur mit Gntfagen.
Und des Oſtens helle Gluthen
Werden breit und immer breiter,
Und mein Dafein fließet weiter
Die ein Kahn auf dunklen Fluthen, Graunſchweig, Juni 1858.)
Dad; dem Gewitter.
Helldunkle Naht — die Tropfen fallen \ Melodiſch aus den Blättern;
UT. Leben und Weben. 293
Die Erde ruht von Wettern,
Die hinter fernem Waldesſaum verhallen. Zahlloſe Rofenblätter, von Gewittern
Hoch in die Luft getragen, zittern
Zur Erde und zum Straud zurüd,
Wie Träume zu verlaßnem Glüd.
Ein wallender Schleier ift die Luft, gemebt Aus Schwarz und Blau und Perl und Gold; Was er bevedt — ich weiß nicht, ob es bebt Bor Freuden oder Schmerz —
Und was erbeben macht mein Herz,
Iſt es ein Weinen, if'3 ein Kichern hold?
Hin Schmerz.
Seht, id bin hart geworden, Raum konnt’ e3 anders fein; Denn wie mit Schmiedehämmern Schlug's mandmal auf mid) ein.
Und viele Freuden hatte
Und manches Glüd dieß Herz, Und Freud’ und Glüd verhärten So ſehr ſchiet wie der Schmerz!
Und ungerübret fteh’ ich, Bringt mir die Zeit heran, Was mich einft felig machte, Was mir einft weh gethan.
Nur Eins ift, was die Thräne
Mir gleich ins Auge bringt,
Was macht, daß mir vor Wehmuth Beinah das Herz zerfpringt:
294
Zeitfofen.
Ich möchte hin mic werfen Und fterben gern vor Bein, Den?’ id) nur an mein gutes, Mein todtes Mütterlein. (Wildbad, Juli 1858.)
Honefte,
Gewährung. Ich bin nicht einer jener Schmetterlinge, Die fliehn von Liebesgruß zu Liebesgruße: Ein Falter bin ih, der im Flammenluſſe Sic) gern verfengt das Herz und aud die Schwinge. Drum wehre nicht, daß ich fo vorwärts bringe Nach deiner Flammen fel'gem Ueberfluffe, + Und glaube mir, daß ih im Gfuthgenuffe Verbrannten Fittigs mich zum Opfer bringe. Jetzt lieb’ ich dich, dann werb’ ich auch dich kennen; Gewährung ift des Weibes Offenbarung, Mein Glüd werd’ id mit trauten Namen nennen. Dann kommt der Dank fürs Glüd, das du gegeben;
Er ift der Treue ewig frifche Nahrung, Sie ift der Liebe, was der Stab den Reben.
Räthfel,
(1868.) Nur wenig lernte fie, und alles Schöne Und Große, Tiefe kann fie doch begreifen: Brauchſt ihrer Seele Lyra nur zu ftreifen, Und ein Konzert erſchallt erhabner Töne,
III. Leben und Weben.
Sie thut, dab Gut und Böfes ſich verföhne, In Stürme webt fie Regenbogenftreifen ;
Sie macht ein Glüd mit einem Lächeln reifen Und bebt dad Unglüd, daß e& felbft ſich kröne.
Sie kann nicht rechnen, meſſen und erwägen, Doch ift gerecht ihr Lobſpruch und ihr Tadel, Doch maltet rings um fie der Orbnung Segen.
Und wohnte fie auch nicht im hehren Leibe, Die Anmuth gab’ ihr dod der Schönheit Adel — Mit Einem Wort: ich ſpreche hier vom Weibe.
Genefung.
Die Sonne tommt und lindert meine Qualen. Doch nein, es ift ein Weib mit golonen Loden; Sie fühlet, wie mir Herz und Pulſe ftoden, Und reiht mir Trant in goldenen Pokalen.
Sie ſchreitet ftil auf fammtenen Sandalen,
Ich ſeh' fie nur als wie durch Nebelfloden;
Jept figt fie dort im Wintel, und vom Noden Spinnt fie mein Leben fort aus milden Strahlen.
Bift du's, o theure Parze meines Lebens? Bar meiner Seele Rufen nicht vergebens ? Kamſt du aus fernem Land? bift du's, Maria?
Die, oder ift es meiner Zukunft Norne? Das goldne Haar bededt den Kranz von Dorne — D, ich ertenne did, Melancholia.
296
Zeitlofen.
Herbft, - Wie angſtlich ſchon am Zweig die Blätter beben, Die Herbftzeitlofe fühlet Todesſchauer. Ave! Ave! der Kranich ruft's mit Trauer , Und zieht dahin, ala zög’ er aus dem Leben, Am Stab, wie Bettler, ſchlottern edle Reben, Und hinter Wolfen, täglich grau und grauer, Liegt der Entfheidung Kampf ſchon auf der Lauer, Und die Natur ift in ihr Loos ergeben. Sig am Kamin und ftarre in die Flammen! | Des Herzens Eremit wird gleich erwachen, Ihr fprecht von tobtem Allerlei zufammen. Du ſuchſt fein ernftes Wort zu Scherz zu machen, Mit Einem Sprud wird er dich ganz verdammen, Vergebens willſt du ins Geſicht ihm lachen.
Schwarze Nadıt. D, diefe Nacht, fie fheint nur ſchwarz vor Trauer, ‚Heut brennt mit büftrem Hofe Hymens Kerze, | Und wer da fchleichet zu verliebtem Scherze, Kehrt um auf halbem Weg mit Schred und Schauer. Selbft ven Verräther auf der dunklen Lauer Erſchredet diefe Nacht mit ihrer Schwärze — Heut ftirht, wer fonft mit Muth gelebt im Schmerze, Und graue Haare werben heute grauer. Nicht ruft das Käuzchen, und nicht feufzt die Eule, Kein Blätthen raufht — wie thäte wohl den Ohren Ein Hülferuf, ein fernes Wolfsgeheule. Denn ja ein Morgen wieder wird geboren, Dann wird ſich's zeigen, daß die Memnonzfänle, Die alte Welt felbft ihren Ton verloren.
III. Leben und Weben. 297
Die letzte Hoffnung. 1
©ie, die fo lange ging mit mir vereint
Durch dunkle Wälder, über harte Stege, Da figt fie, wo ſich ſcheiden unfre Wege, Die legte meiner Hoffnungen, und weint.
Treuloſe, ruf’ ih aus, war's fo gemeint?
Du murbeft groß in meines Herzens Pflege,
Wie ich dic) liebt’ und hegte, o ermäge
Und fliehe nicht, da mir die Nacht erfcheint.
Sie aber ſpricht: Blid auf zu diefem Laube,
Bald ftirbt es hin und fält dem Herbft zum Raube, Und do, tie lachelnd ſich bie Walder färben!
Zieh du getroft und laſſe Klag' und Läftern,
Ich fende dir die jüngfte meiner Schwetern,
Die tröftungsreihe Hoffnung, früh zu flerben.
2.
So kam fie, die Gefährtin meiner Neife.
Nicht wagt’ ich erft, ihr in dad Aug zu ſchauen — D, dieſes Auge blidet wohl vol Grauen — Ic fühlte, wie mein Herz mir ward zu Eiſe. Sie aber fprad zu mir — und leife, leiſe Fuhlt ich die Angft in meiner Bruft zerthauen, Die Frühling wehten mir des Herbftes Auen, Und was fie fagte, Hang fo weiſe, weife.
Ich fah fie an, die Milde, lachelnd Holve,
Und Frieden fam mir, wie aus Abendröthen Er niederwehet und aus Blättergolde,
298
Zeitloſen.
So füßer Friede, wie in Sturmesndthen In fi verſchließt die welle Blumendolde, Die morgen ſchon des Winters Fröfte tödten.
Hprüdie und Sfammbuchbfätter. @rientalifk.) Bon keinem Leid, wie fhmer es fei, La flimmen deine Seele trüber; Geht auch dein Leiden nicht vorbei, So gehſt doch du vorüber.
Wie viele Menfchen dir vorüberfreiten, Sie find doch alle einzle Einfamteiten.
Geſchich, mit einer einzigen Gunft Kannft du die Zukunft mir verbriefen: Laß mid vergefjen nicht die Kunft, Die ſchone Kunft, mich zu vertiefen.
„Was foll mir Bah? — fagft du mit Hohn — Die kühl durchdachte Reflerion !
Das muſilaliſche Geflick!“ —
— — Seine Fugen find der Laofoon
Und er der Lefling der Muſil.
Verbannung aus dem Baterlande , Aufs eigne Grab ein Blid,
Das Klingen fanfter Liebesbande — — Chopinifhe Muſik.
III. Leben und Weben.
Mad Garlyte.) \ Der heitre Gott des Waldes, Ban, Nach defien Lied, das ſcherzend Mingt, Die Nymphe fih im Tanze ſchwingt, Hat doch im Bufen einen Schrei, Der alles Volt zum Wahnfinn bringt.
Wer nicht das Leben trinkt in vollen Zügen, Dem wäre wohl, er hätt’ es nie geleert; Zerſplittert in vereinzelte Vergnügen,
rs ein zerftoßner Demant ohne Werth.
Der Raphael, der Byron waren Becher;
Wenn auch fo früh ihr Trinkgefäß zerſchellt, Am Tropfen, welcher hängen blieb am Becher, Beraufcht ſich heute noch die ganze Welt.
(Sinem Mädden) Vom Dann, der erft dir fagen muß: Ich liebe dich!" wie's hergebracht, Nimm keinen Kuß Und halt ihn fern mit Vorbedacht.
Bon den Tugenden, den Freunden eigen, Kannft du genug nicht ſprechen,
Und nicht genugfam ſchweigen
Bon ihren Schwächen.
D, wüßteft bu,
Bas deine beften Freunde von dir denken, Du kameſt nie zu Rub,
Du twürbeft dich zu Tode fränfen.
299
So füßer H WW füch verſ ie morgen
Sprüd
Bon kein Ba$ ftin. Seht ar So geh
Bier
Sie —
Sec mn Kar _ — Saf Di: >
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III. Leben’ und Weben. 301
Wenn bie Rofen dir verblaflen, Bleibt dir die Erinnerung, Denn die Freunde dich verlaflen, Kommen andre — fei nur jung. Und im Herzen mußt du tragen Eine Welt, die dir gehört,
Dann bift-du in ftillen Tagen Einfam nit — nur ungeftört.
Homer. ogen fie di in Stüde zerhaun, du bleibft wie die Welt doch, r haarſpaltender Geift auch fein Atom noch entwandt.
An die Dramatiler. Umfonft fucht ihr die Welt zu malen Dem Volt, dem's fehlt an Idealen.
Nach einem Salamis, Einem Armadafieg
In einem Freiheitätrieg
Iſt euch ein Aeſchylus gewiß.
Ein Bolt, geſchlagen auf die Baden, Kann tragifc tragen nicht den Naden, Es ſchleicht durchs Leben, ftill, verftohlen, Schnallt ven Kothurnus von den Sohlen.
Das Weib ift der Mond dem Herzen: Im Böfen wie im Guten,
In Freuden und in Schmerzen Macht fie es ebben und fluthen.
300
Zeitfofen.
Die Bienen wollen reifen, ſchwaͤrmen, Da führt ein Glödlein fie zurüd,
Sie machen Honigfeim:
Du wilft die ganze Welt durchlärmen, Du hörft das Lied von Liebesglüd, Und liebſt, und kehreſt heim.
Wo find die Milionen, ”
Die ſelbſt geftorben dem Gedächtniß? — Ich weiß nicht, wo fie wohnen,
Doch überall find’ ich ihr Vermachtniß.
Einfamteit.
An ein junges Mädden.) Einſam bift du in der Welt Auch im drängenden Gemwühle, Einfam, auf dich felbit-geftellt,, Mit dem liebendſten Gefühle. Denn aus deinem öben Gram Iſt gebaut nicht Steg und Brüde, Und du bift, wenn Glüd dir fam, Noch am Einfamften im Glüde. Wohl iſt's traurig, folde Mär Alfo heitrer Jugend lehren — Doc ift’3 gut, um immer mehr In ſich felbft zurüdzufehren.
* " *
Nie bift du allein im Leben, Und ein Wahn ift Einfamteit; ‚Heute hat dich Freud' umgeben, Morgen naht das ftille Leib,
II. Leben und Weben. 301
Denn die Rofen dir verblaflen, Bleibt dir die Erinnerung, Denn die Freunde dich verlafen, Kommen andre — fei nur jung. Und im Herzen mußt bu tragen Eine Welt, die dir gehört,
Dann bift du in ftillen Tagen Einfam nicht — nur ungeftört.
Homer. Mögen fie did in Stüde zerhaun, du bleibft wie die Welt doch, Der haarfpaltender Geift auch fein Atom noch entwandt.
An die Dramatiker. Umfonft fucht ihr die Welt zu malen Dem Bolt, dem's fehlt an Idealen.
Nach einem Salamis, Einem Armadafieg
In einem Freiheitskrieg
Iſt euch ein Aeſchylus gewiß.
Ein Volt, geſchlagen auf die Baden, Kann tragiſch tragen nicht den Naden, Es ſchleicht durchs Leben, ftill, werftohlen, Schnallt den Kothurnus von den Sohlen.
Das Weib ift der Mond dem Herzen: Im Böfen wie im Guten,
In Freuden und in Schmerzen Macht fie es ebben und fluthen.
302
Zeitlofen.
Der Gedanke zeugt die That,
Die wieder Gedanken zu Kindern hat, Drum prangen mit Einem Familiengefichte Gedanken und That in der Weltgeſchichte.
„Sie liebt mich — liebt mid nicht!" Mit ihrem Herzen
Trieb ich das Spiel,
Und als die legte Blüthe fiel,
Nief ich erftaunt: „Mit Schmerzen !"
Je enger fi das Leben mir geftaltet,
So inniger fühl’ ich es in Luft und Leid; Schon dünkt es mi wie ein vertrautes Meid, Das mi umhüllt und fill mit mir veraltet.
An Ludwig Pfau. (1858.)
Wenn an ver Wurzel arg die Art erklinget, Erdröhnt der Baum bis in den hödften Gipfel, Melodiſch aber wiegen fi die Wipfel,
Wenn um den Fuß Gefang und Tanz fi ſchwinget. In hohen Herzen feufzen, hallen wieber
Des Volles Freuden und des Volles Schmerzen; Did) hat Natur begabt mit folhem Herzen,
Ein folder Wiederhall find deine Lieder.
IV. Der Camao.
Der Vogel Gamao wurde das ganze Mittelalter hindurch im jedem adeligen Haufe ber pprenäifgen Halbinfel gepflegt und mit Verehrung befanbelt. Gr verbantte Daß einem Aberglauben, der allgemeln ver» breitet twar. Diefer Vogel tonnte nur in einem Haufe gedeihen, deffen Ghre nicht durch Die Schuld der Hausfrau befledt worden; er farb, Sobald auf bie Ehre des Hauägerrn, durd Treulofigfeit der Gattin, der geringfte Matel tom. Er wurde daher von den Ehemännern mit Sorgfalt gehegt und mit Stotp gezeigt. Gewöhnlich Sing fein präde tiger Räfig in ber Vorhale, Der am Gaman haftende Aberglauben föeint auf bie Spanter von den Römern üerfommen zu fein, benn nad) einer in Pliniuß entpaltenen Unfpielung fgeint berfelde fon im Altertfume beftanden zu Jaben. — Die Samilte ber Camoens, die aus Balicien ftrammte, leitete ipren Namen von Gamao ab; ber Sage nad fo biefer Vogel in einem tragifgen Greigniffe der Familie eine Hauptrolle gefpielt haben. Diefed Greigniß wird in dem nachfolgenden Gebidite von ber handelnden Hauptperfon dem Dichter Gamoens er» aäßtt, mit welgem der Berbreger in feinem fpäten Alter im Hofpital zu Liffabon zufammentrifft. — Die in dem Gedichte vorkommenden Ainfpielungen, wie 3. ®. auf dad auß dem Sciffbruge gerettete Ges dit der Suflaven, auf Santarem, auf die Entftehung der herrlichen Sonette Tamoen®”, auf deffen Leben und Elend im Hofpitale 2c,, wird jeder @ebilbete verRepen, ber einmal eine Biographie bed größten vortugtefifgien Diiter® ober auch nur die befannte Tied’fge Novelle gelefen, — Don Badco Bires und Don Juan de Gaftera find Hiftorifge Perfonen und waren Belbe Dichter in Eaftilianifger Sprache
Bat. aud Wo. III, 466]
I
„Ihr da, Dom Luis? O, haltet an! So ruf ih nun alltäglich.
Ihr geht vorüber, harter Mann, Den ſolch Gebet nit rühren kann Und fol ein Anblid klaglich.
304 Zeuloſen.
Als Ihr, ver Ruhm von Portugal, Einzoget in das Hofpital,
Kam id zu Sinnen wieder;
Den kranken Geift verließ die Qual, Der Schmerz die alten Glieder.
Steht till, Dom Luis! — Yhr feid gefanbt, Bom Fluch mic zu erlöfen! B Im fernen Land
Sfr’3 wohl befannt,
Warum Camoens Ihr genannt;
Belannt iſt's aud dem Böfen.
„Hört meine Beiht! — Ihr gebet hin
Und achtet nicht des Irren.
Steht! fonft beginnt aufs Neu mein Sinn
Zu ſchwarmen und zu ſchwirren!
„Wißt Ihr, wie ein Gedankenheer
Leicht aus dem Kopfe ſchwinde?
Mein Schädel weiß, e3 ift nicht ſchwer.
Die Bienen treibt fie hin und her
Der Rauch in alle Winde.
Ihr aber geht,
Und nieder feht
Ihr kaum auf mich, den Narren;
Dem Segel, das ind Blaue weht,
Liebt Ihr nur nachzuſtarren.
Ihr ſtarret nach jedwedem Maſt
Und denket, wie in Tagen
Des Ruhms Ihr Euch geſchlagen, Und wie das Lieb, die edle Laſt,
Ihr durch den Sturm getragen.
„Dann ſeht Ihr nad dem Paradies
Santarems, — nad den Stätten,
IV. Der Camao. 305
Die weinend Euer Herz verlieh Und lachelnd Eure Mufe pries In herrlichen Sonetten.“
Dom Luis hält an: „Du Schredgeftalt, Dein ftechend Auge macht mir kalt, Dein Jerfinn macht mid jagen.
Du bannft mit beimliher Gewalt! Bas haft du mir zu ſagen ?“ —
«So fteht Ihr nun?
Jetzt magit du ruhn,
Mein Geift, nur Eine Stunde
Und hilf mir treu, ihm kund zu thun Die fhauervolle Kunde!
„Dom Luis Camoens! Kenn’ ic did, Du Ruhm der Bortugiefen ?
Biſt du Derfelbe nicht, o ſprich, Den, als er um Santarem ſchlich, ‚Sie fih mit Fingern wiefen?
„Haft du das Voglein je gefehn?
Camao ift fein Namen!
Einft wars im Land der Pyrenä’n Gelannt von Herrn und Damen.
Dieb Vöglein gab den Namen dir,
Der jegt die Welt durchklinget.
Das Vöglein? — Nein! — Ich gab ihn dir! — Ih ſchuf Camoens — Wehe mir,
Mein armer Kopf zerfpringet!
Camoens nennt fi dein Geſchlecht Nach dem Camao — Grauen! — Die Lieblicfte der Frauen Hab’ ich zu lieben mich erfrecht, Morig Hartmann, Werte. 1. 20
300
Zeitfofen.
Die Bienen wollen reifen, [hwärmen, Da führt ein Glödlein fie zurüd,
Sie maden Honigfeim:
Du willſt die ganze Welt durhlärmen, Du hörft daS Lied von Liebesglüd, Und Tiebft, und fehreft heim.
Wo find die Millionen,
Die ſelbſt geftorben dem Gedihtnig? — Ich weiß nicht, wo fie wohnen,
Doc überall find’ ich ihr Vermachtniß.
Einfamteit.
(An ein junges Mäden.) Einſam bift du in der Welt Auch im drängenden Gemühle, Einfam, auf dic) felbit-geftellt , Mit dem liebendften Gefühle. Denn aus deinem öben Gram Iſt gebaut nicht Steg und Brüde, Und du bift, wenn Glüd dir kam, Noch am Einfamften im Glüde, Wohl ift’3 traurig, folde Mär Alfo heitrer Jugend lehren — Do ifl’3 gut, um immer mehr In fi) felbft zurüdzufehren.
* *
Nie bift du allein im Leben, Und ein Wahn ift Cinfamteit; Heute hat did Freud’ umgeben, Morgen naht das ftille Leid,
II. Leben und Weben. 301
Wenn die Rofen bir verblafien, Bleibt dir die Erinnerung, Denn die Freunde dich verlaflen, Kommen andre — fei nur jung. Und im Herzen mußt du tragen Eine Welt, die dir gehört,
Dann bift du in ftilen Tagen Einfam nicht — nur ungeftört.
Homer. Mögen fie did in Stüde zerhaun, bu bleibft wie vie Welt doch, Der haarfpaltender Geift auch fein Atom noch entwandt,
An die Dramatiker. Umfonft fucht ihr die Welt zu malen Dem Bolt, dem's fehlt an Idealen.
Nach einem Salamis,
Einem Armadaſieg
In einem Freiheitskrieg
Iſt euch ein Aeſchylus gewiß.
Ein Bolt, geſchlagen auf die Baden, Kann tragifc tragen nicht den Naden, Es ſchleicht durchs Leben, ftill, verftohlen, Schnallt den Kothurnus von den Sohlen.
Das Weib ift der Mond dem Herzen: Im Böfen wie im Guten,
In Freuden und in Schmerzen Macht fie es ebben und fluthen.
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Zeitloſen.
Der Gedanke zeugt die That,
Die wieder Gedanken zu Kindern bat, Drum prangen mit Einem Familiengefichte Gedanken und That in der Weltgeſchichte.
„Sie liebt mih — liebt mid nit!" Mit ihrem Herzen
Trieb id) das Spiel,
Und als vie legte Blüthe fiel,
Nief ich erftaunt: „Mit Schmerzen !“
Je enger fi das Leben mir geftaltet,
So inniger fühl’ ich es in Luft und Leid; Schon dünft es mid) wie ein vertrauted Kleid, Das mich umhült und ftil mit mir veraltet,
Au Ludwig Pfau. (1858.)
Wenn an der Wurzel arg die Art erklinget, Erdröhnt der Baum bis in den höchſten Gipfel, Melodiſch aber wiegen ſich die Wipfel, Wenn um den Fuß Gefang und Tanz fi ſchwinget. In hohen Herzen feufzen, hallen wieber Des Volles Freuden und des Volles Schmerzen; Dich hat Natur begabt mit folhem Herzen, Ein ſolcher Wiederhall find beine Lieder.
IV. 5 Der Camao.
Der Bogel Camao wurbe bad ganpe Mittelalter hindurg im jebem adeligen Haufe ber pyrenäifegen Halbinfel gepflegt und mit Verehrung behandelt. Gr verdankte Das einem Aberglauben, der allgemein ver» breitet war, Diefer Vogel tonnte nur in einem Haufe gebeifen, beffen Spre nicht durch Me Schuld der Hausfrau befledt worben; er farb, fobald auf bie Ehre des Hausherrn, dur Treulofigfeit der Gattin, der geringfte Matel fam. Cr wurbe bafer von ben Ehemännern mit Sorgfalt gehegt und mit Stolz gezeigt. Gewöhnlich King fein prach⸗ tiger Räfig In der Worhalle. Der am Gaman haftenbe Aberglauben ſcheint auf die Spanier von ben Römern überfommen zu fein, denn nad} einer {n Plinius entfaltenen Anfpielung fpeint berielde fon im Ailtertgume beftanben zu Jaben. — Die Familie ver Gnmoend, bie auß Balicten ftammte, leitete ipren Namen von Camao ab; der Sage na fol diefer Bogel in einem tragifgen Greigniffe der Familie eine Hauptrolle gefpielt daben Diefeß Ereigniß wird in dem nachfolgenden Gebiöste von ber handelnden Hauptperfon bem Dichter Tamens er» säßlt, mit welgem ber Verbregier in feinem fpäten Alter im Hofpital au 2iffabon zufammentrifft. — Die in dem Gebicte vorfommenben Uinfpielungen, wie 3. ®. auf dad aus bem Sqhiffbruche gerettete Ge⸗ diät der Sufladen, auf Santarem, auf bie Ontftehung der herrlichen Sonette Gamoen®”, auf beffen Leben und Elend im Hofpitale 2c, wirb jeder Gebilbete verfegen, ber einmal eine Wiographle bed größten bortugiefifcien Dicter® ober auch nur die bekannte Lied’ihe Robelle gelefen. — Don Vasco Pires und Don Juan be Caftera find diſtoriſche Perfonen und waren Beide Dichter in kaſtilianiſcher Sprache. Bat. aud) Wo. III, 466]
I
„Ihr da, Dom Luis? O, haltet an! Eo ruf ih nun altäglid.
Ihr geht vorüber, harter Mann, Den fol; Gebet nicht rühren kann Und fold ein Anblid Häglic.
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Zeilofen.
„Als Ihr, der Ruhm von Portugal, Einzoget in das Hofpital,
Kam ich zu Sinnen wieder;
Den tranten Geift verließ die Dual,
Der Schmerz die alten Glieder.
„Steht fi, Dom Luis! — Ihr feid gefandt, Vom Fluch mid zu erlöfen!
Im fernen Land
Iſt's wohl befannt,
Warum Camoens Ihr genannt;
Belannt iſt's aud dem Böen.
Hört meine Beicht! — Ihr gehet hin Und achtet nicht de3 Seren.
Steht! fonft beginnt aufs Neu mein Sinn Zu ſchwärmen und zu ſchwirren!
„Wißt Ihr, wie ein Gedantenheer Leicht aus dem Kopfe ſchwinde?
Mein Schädel weiß, es ift nicht ſchwer. Wie Bienen treibt fie hin und her
Der Rauch in alle Winde.
Ihr aber gebt,
Und nieder feht
Ihr laum auf mi, den Narren; Dem Segel, das ins Blaue weht, Viebt Ihr nur nachzuſtarren.
Ihr ſtarret nach jedwedem Maſt Und denket, wie in Tagen Des Ruhms Ihr Euch geichlagen,
‚ Und wie das Lieb, die edle Laſt,
Ihr durch den Sturm getragen,
Dann feht Ihr nach dem Paradies Eantaremd, — nad} den Stätten,
IV. Der Camao. 305
Die weinend Euer Herz verlieh Und lachelnd Eure Mufe pries In berrlihen Sonetten.“
Dom Luis halt an: „Du Schredgeftalt, Dein ftehend Auge macht mir kalt, Dein Irrſinn macht mid) jagen.
Du bannft mit heimlicher Gemalt! Bas haft du mir zu fagen ?“ —
«So fteht Ihr nun?
Jetzt magft bu ruhn,
Mein Geift, nur Eine Stunde
Uno hilf mir treu, ihm kund zu thun Die ſchauervolle Kunde!
«Dom Luis Camoens! Kenn’ ic did, Du Ruhm der Bortugiefen?
Bift du Derfelbe nicht, o ſprich, Den, als er um Santarem ſchlich, ‚Sie ſich mit Fingern wiefen?
«Halt du das Vöglein je geſehn?
Camao ift fein Namen!
Einft wars im Land der Pyrend'n Gelannt von Herrn und Damen.
Dieß Vöglein gab ven Namen dir,
Der jegt die Welt durchklinget.
Das Voglein? — Nein! — Ich gab ihn dir! — Ic ſchuf Camoens — Wehe mir,
Mein armer Kopf zerfpringet!
„Camoens nennt fi dein Geſchlecht Nach dem Camao — Grauen! — Die Lieblicfte der Frauen Hab’ ich zu lieben mic, erfrecht, Rorig Hartmann, Werke. 1. 20
306
Zeitloſen.
Sie, deine Ahnfrau, ich der Knecht. Du ſollſt den Gräuel [hauen !"
Dom Luis hält an: „Du Schredgeftalt, Dein ftehend Auge madt mir falt, Dein Jrrfinn macht mic) zagen.
Du bannft mit heimlicher Gewalt, Was haft du mir zu fagen?”
Der fhüttelt feinen Schädel kahl; Der Patriarch im Hofpital
Iſt trüb zu fehn und klaglich. Am Edgſtein in der Sonne Strahl So figt er da alltäglich.
2.
Nun figen fie am Edftein dort,
Der Bettler und der Dichter,
Und Keiner ſprach zuerft ein Wort — Zwei traurige Gefichter.
Am Tajo lag das Hofpital,
Es glühte drauf der Morgenftrahl: Es war drum mehr nicht heiter; Und wer daran vorüberfam,
Ging raſchen Schrittes weiter.
Der Tajo rauſcht;
Doch nicht mehr lauſcht
Camoens ſeinen Fluthen.
Wie hold ſich auch das Segel bauſcht — Die Ferngedanken ruhten.
Er ſtarret an Den greiſen Mann.
IV. Der Gomao. 307
Sein Antlig ift verwittert,
Die alt Gemäur ift feine Stirn, Sein Schädel wie die öde Firn, Und feine Lippe zittert.
Augftredt er feine dürre Hand
Und faßt Camoens am Gewand Und faßt ihn an der Seele: „Kennft du Galiciens öden Strand? Horch, daß ich dir erzähle! „Galiciens Land,
Galiciens Strand
Sind beide dd und mwäfte; 5 Einmal ein Iuft’ges Schlößlein ftand Auf jeiner felſ gen Küfte.
„Das Schlößlein in den Lüften hing Gleich einem goldnen Sterne; Wer dort zu Schiff ind Weite ging, Dem wintt’3 in blaue Ferne.
nDon Vasco Pires wohnte da, Stolz, frei, gleich einem Aare; Don Vasco Pires, Euer Ahr, Und id, ih war fein Kaftellan, — Bald find es hundert Jahre,
„Ja, ftolz und frei und hoch beglüdt. Die nenn’ ich feine Dame?
Mein Hirn ift frank, mein Sinn zerftüdt; Nicht nenn’ ic ihm, mich macht verrüdt Eftrella, Euer Name!
Ich aber hatte achtzehn Jahr".
Dem Herrn fein Schloß bewacht' ih, Zugleich, ein Knabe wie ih war, Bei ihr den Pagen macht’ ich.
308
Zeittofen.
„Ein Blumenpfab ift Jugendzeit, Der führt zur Höllentreppe.
Ging fie zur Kirche, ihrem Kleid Trug ich die goldne Schleppe. nBeihwafler, das wie Thränen ihr Die Braue kußt', die reine,
Es ziſchte von der Gtirne mir
Als wie von heißem Steine.
„Sie betete; ich konnt’ es nicht. Was fluchend ich begehrte,
War, daß der Gott, der mid verdammt Und wild entflammt,
Uns allefammt
Durch Ein Gericht verzehrte.
„Und Das geihab.
Die Zeit war da,
Mo Spaniens Herr den Heiden Der Rache legten Tag erſah.
Don Basco mußte fcheiden.
Don Vasco Pires ſprach zu mir:
Ich zieh zum Glaubensheere;
Mein Schloß, mein Gut vertrau ich dir, Mein Weib und meine Ehre.
WVergeh mein Gut,
Und ob die Gluth
Den Wohnfig mir vergehre,
Dich gräm’ es nicht; du nimm in Hut Mein Weib und meine Ehre!
„Und rubig lächelnd ſprach er dann: Auf den Camao ſchaue!
Kehr' ich zurüd, fagt er mir an,
Ob ich dir recht vertraue,
IV. Der Camao. 309
Ich ſtarrte bin
Mit irrem Sinn,
Mit Haß und wilden Grimme; Die fpottend fprang er ber und hin Und fang mit luſt'ger Stimme.
„In tieffter Bruſt,
Mir unbewußt,
Hab’ ic ihm Haß geſchworen; So lang er lebt in froher Luft, Iſt mir das Glüd verloren!
Noch ift — bald find es hundert Jahr? — Mein Haß nicht minder worden!
Was drängt er fi) fo wunderbar,
Der Vogel, in der Menſchen Schaar
Und zwinget fie zu Morden?“
Dom Luis erfhridt: „Du Schredgeftalt, Dein ſtechend Auge macht mir kalt, Dein Irrſinn macht mich jagen.
Du bannft mit heimlicher Gewalt!
Was will das Wörtlein fagen ?"
3.
„In Spanien ftarb die Sitte aus.
Den Vogel, den Camao,
Beherbergt’ einft jedwedes Haus
Bon Liſſabon bis Barcelon,
Von Cadir bis Bilbao.
„Ex Heidet ih in Farben hold,
Ganz lieblich anzufhauen,
In Grün und Blau und Roth und Gold, Die Pagen edler Frauen.
310
Zeittofen.
„Er war in jedem Fraungemach; Denn alfo ging die Sage: J Wenn je die Frau die Treue brach Und ihrem Herren brachte Schmach — Er ſtarb am ſelben Tage.
„Bis dahin lebt' er luſtig fort, Des Hauſes Chrenhüter;
In Spanien galt er als ein Hort Und als ein Gut der Güter,
„Und er war da, als Vasco ging; Drum faßt' ich jene Worte,
Sein golbverzierter Käfig hing Dort an Ejtrella’3 Pforte.
Idh ſeh ihn noch!
Aufſprang er hoch
Und ſingend auf den Stangen, Als ich entbrannt
Von ihr gerannt
Mit gluthgefarbten Wangen.
„Er ſang — wie Hohn
Bar mir der Ton! —
Er fang von ihrer Treue. . Sie that es ja, daß er nicht ftarb, Die Keuſchheit, welche mich verdarb, Mir war’, ob fie ihn freue.
„Anſturzt ich mit geballter Zauft — Noch ward ich nicht fein Schlachter; Mich hat's umſaust,
Mir hat's gegraust
Vorm keuſchen Ehrenwachter.
„Er lebte fort, und ich verging, Da glänzend gleich dem Sterne
IV. Der Camao.
Das Glüd vor meinen Augen hing In unerreichter Ferne.
Das Mark im Leib war mir verborrt, Mein Hirn zerihmolz in Flammen; Sie aber blühte fort und fort
Und hatte manch ein troftreih Wort, Sant ich vor ihr zufammen.
„Ich Tag vor ihr — des Weges Staub Lag fo nicht ihr zu Füßen —
Der Schmad ein Raub,
Und fie blieb taub
Der Niedrigteit,
Die an ihr Kleid
Sich angebrängt mit Kuſſen.
Ausbrach in Wuth
Mein Stolz, mein Muth,
Auf daß er fie verzehre,
‚Sie aber ging aus Flammengluth Geläutert vor, die Hehre.
„Bu jener Zeit,
Erſchöpft von Leid,
Begann mein Hirn zu kranken; Fort flogen, feſſellos und weit, Traum, Sinn mir'und Gedanken. Leer wie ein Neit,
Draus in der Peft
Die legten Qöglein fanten,
So öde war,
So leer und baar
Der Kopf mir von Gedanken. „Und der Camao fang mir Hohn, ‚Er fang von ihrer Treue.
311
312
Zeitlofen.
Sie that es ja, daß er nicht ftarb; Die Keufchheit, welche mic) verdarb, Mir war's, ob fie ihn freue!”
Der Alte ſchweigt.
Camoens neigt
Eein Haupt. Der Kindheit Tage Ziehn ſchattenhaft an ihm vorbei; Auftaudet aus des Alten Schrei Ihm eine alte Sage.
4
„Fahr fort! Fahr fort!
Jedwedes Wort
Erwedet ein Erinnern.
Der Kindheit Rathſel wachen auf, Wie einft, in meinem Innern!" —
„Ein Hiengefpinnft und weiter nichts, Nichts mehr ift diefes Leben, Gefpenfter eines Traumgeſichts,
Die jeden Pfad umſchweben.
„Fur mic war kein Camao da. Was ic zu ſchauen glaubte, Bald wie ein Yar,
Ein Geier war;
Und wo ich ging,
Es flog und hing
Nah über meinem Haupte, „Das Vöglein hold
Aus Seid’ und Gold
Bar ein Gefpenft voll Grauen. &3 flog mir nad
IV. Der Camao.
Und krachzt' und ſprach;
Und floh ich matt
Zur Lagerftatt,
Schlug's nad) mir mit den alauen. „Es lam die Zeit, da heimgekehrt Der König und die Krieger,
Es tam mit ruhmgefröntem Schwert Don Basco heim ald Sieger. „Kaum auf dem Flur,
Hin eilt er nur,
Den Bogel anzuſchauen.
Mit felgem Sinn
Dann eilt er hin
Zur Lieblichften der Frauen.
„Und mit ihm kam
Zu feinem Gram
Sein liebfter Kampfgenoſſe: Ein Sängerhelo,
Ein Held im Feld;
Der herbergte im Schloffe. „Don Juan de Caftera war Ein finniger Gefelle;
Die Wellen Goldes war fein Haar, Sein Auge alfo tief und Mar Die eine Feljenquelle.
Ich liebt ihn nicht.
Sein Angeſicht,
Boll von erhabnem Frieden,
Sprach fpottend fat: Was dir gebricht, Mir ift e3 reich beſchieden.
„Jedwedem Andern war es traut, Das Anılig unfres Gaſtes.
313
314
Zeitlofen.
Daß gern die Herrin brein gefchaut, Ich merkt’ es bald und haft’ es. „Man hört und fah ihn faum im Schloß. Die müd von Ritt und Schlagen, Nahm er den Falten felten bloß, Und felten ftieg er auf das Roß, Im nahen Wald zu jagen. „Bumeift, wenn Vasco Pires ſchied, Saf er im Fraungemade,
Der Herrin fingend manches Lied Vom Fall der Cava und vom Cid In kaſtilian ſcher Sprache.
„Oft wandelt’ er hinaus mit ihr Zum Binienhain, zum Meere;
Ich blieb allein, und weh warb mir In der Gemächer Leere.
nBom Thurme fpäht' ich ihnen nad Mit aufgerißnen Augen.
Die herrlich mag
Der Wellenſchlag,
Auch wenn er nicht
Ein Wörtlein fpricht,
ALS Liebesflüftern taugen!
„Wenn fi ihr Pfad im Wald verlor, Sie meinem Blid entfhwunden, Beugt’ ic mich weit und lauſchend vor, Ob ich nit möcht’ mit gier'gem Ohr Ein Wörtlein nur erkunden.
„Und wie die Fahne, die der Sturm Abreißt von hoher Zinne,
Sprang ich zum Hof herab vom Thurm Mit wilbverftörtem Sinne.
IV. Der Camao. 315
„Und zum Gamao ftürzt' ic hin — Er fang und fprang wie immer. Das frommt’ es? Seinem Seherfinn Vertraut und glaubt’ ich nimmer.
„Und doppelt hab’ ic ihn gehaßt, Weil ich ihn einft geſcheuet;
Daß ich gethan nicht wie der Gaft, Hab’ ich mit Grimm bereuet.
„Es war vorbei.
Mit diefer Scheu
Bar alle Scheu erftorben
Und mit dem Glauben, daß fie treu, Der Glauben all verborben.
„Die Liebe lag als wie ein Kind Im brennenden Gebäude, Begraben in des Neides Wuth, Im Slammenbrand der Radegluth, Gramjchöpferifher Freude.
„Still ward's in mir. Ic fann und fann; Naht lag auf meinen Bliden.
Es kam der Tag, der Tag verrann — Ein großes Netz war's, das ich fpann, Uns Alle zu umftriden.
„Ein Pförtchen hold ſchien mir der Tod Aus diefen dunklen Gängen;
Es dauchte mir,
Ob Alle wir
Uns freudig aus fo böfer Noth
Durch diefes Pförtchen drängen,
„Mic ftieß man fort!" —
Bei diefem Wort
Schweigt plöglich ftil der Alte. ’
316
Zeitloſen.
Dom Luis Camoens muthet’3 an, Als ob er ftarr auf fteiler Bahn Bor einer Leiche halte.
5. x
„Bahr fort! Fahr fort!
Dein irres Wort
Sieht blutend wie Verbrechen,
Iſt wie ein Kleid, daraus von Mord Blutvolle Wunden ſprechen.“ —
„Es war ein holder Maientag,
Ein Tag voll Fruhlingswonnen; Auf Bluth' und Hag und Meere lag Ein Neg vom Licht der Sonnen.
„Dein Herr ließ von des Tharmes Rand Luſtvoll den Falten fteigen;
Er wollte mir, der bei ihm ftand,
Die Faltonierkunft zeigen.
„Bald dacht’ er nicht . An Unterricht,
Froh hub er an, zu preifen
Den Vogel, der im Meer von Licht Hinzog in ſchonen Kreifen.
Ich ſah ihn nicht. Ich ſah vorbei Und ſtets nach Einer Richtung: Dort gingen juſt im Wald die Zwei ‚Hin über eine Lichtung.
„Dort geben fiel fo rief ih aus Und ſtredte ſtarr den Arm hinaus;
" Das Wort hat mir gebebet.
IV. Der Gamao. 317
Er fah mich an
Und fagte dann
So fühl, daß mir das Blut gerann: Der Ehrenhüter lebet.
„Und wenn er ftirbt? — Es war ein Schrei, Ein Schrei nur, wild und jähe.
Don Vascd fah mid) an dabei
Und wurde blaß: Dann — wehe!
Dann lächelte der Herr aufs Neu: Horch, wie Das Fieblich Minget! Eſtrella, Stern, wie bift du treu! Horch, der Camao finget!
„Doch rief er bald den Falten ein Und ftieg vom Thurme nieder; Er trat in da8 Gemach hinein Und horchte bis zum Abendſchein Auf des Camao Lieder.”
6.
nDom Luis, mit deinem Dichterblid Kannft du es ſchon erfchauen,
Die ſich ein blutiges Geſchid Heranſchleicht vol von Grauen? „O, börft du, hörft du, wie ſich naht Unſagliches Verbrehen ?
Doch eh ich fag’ die Miffethat,
Laß mid) von meinem Leidenspfad, Von meiner Buße fprechen.
„Wie das Gefpenft, das Nachts duchfährt Die fturmbewegten Lüfte,
318
Zelttofen.
Rüdwärts das Angeſicht gelehrt Nach dem Gefolge, dad vermehrt Der Auswurf aller Grüfte:
„So floh ich hin,
So war mein Sinn
Stets zugetehrt den Schaaren, Die jagend mich zu fahn geſucht Auf meiner endlos langen Flucht Bon zehnmal fieben Jahren.
„Bon Wallfahrtsort zu Walfahrtsort Schleppt id die müden Glieder fort; Vor jevem Gnabenbilde
Hab’ ih gefudt,
Umfonft geſucht
Ein Stündlein Ruh nur auf der Flucht, Ein Stündlein nur der Milde,
„So weit auf Erden nur befannt Der guten Botſchaft Segen,
Hab’ ich gefpannt von Land zu Sand Ein Neg von Pilgerwegen.
„Doch Ruhe ward mir nicht gewährt Durch Pilgern und Kafteien;
Ich griff zum Schwert,
Um fo bewehrt
Um Gottes Huld zu freien.
Und wenn auch nicht um Gottes Huld, Doch mindftend um ein Sterben,
Das mindern möchte meine Schuld
Und lindern mein Verderben.
„So ins Gefecht AS Jeſu Knecht
IV. Der Gamao. 319
Zog ich mit Johannitern, Durch Wüftenfand
Ins Heidenland
Mit Calatrava-Rittern.
Mit Helven deines Lieds, o Held, Kämpfe’ ich, mit Lufitanen,
Auf fhredummehten Bahnen,
Auf palmenüberdahtem Feld,
In des Aufgangs Ozeanen.
„Umſonſt! — €3 floh wie flüchtig Wild, Wie holder Traum, wie Dunftgebild Der Tod vor meinen Schritten; '
Er floh von mir im Schlachtgefild
Und in des Kampfes Mitten.
Ich war gefeit;
Und wie im Etreit
So, ad, in allen Nöthen: Was iddilich trifft,
Ob Stahl, ob Gift,
Mic konnt’ es nimmer töbten!
„So ging ich dur) das Haus der Peft, So trat ich in das Echlangenneft
Und in die Schlugt des Leuen — Mic fhienen Schlange, Leu und Peft, Als bracht’ ih Tod, zu ſcheuen.
„Und brach ein Schiff
Im Sturm, am Riff,
Die Mannſchaft ging zu Grunde — Und ging zu Grund
Ein ganzes Heer:
Mid warf zur Stund,
320
Zeitlofen.
Mic fpie das Meer Die Gift aus feinem Munde.
Dom Luis, wißt ihr,
Barum vor mir
Der Tod geflohn mit Zagen? Beil diefe Hand, bie Rechte bier, Den Vogel hat erihlagen!
„Den Camao, der fo luftig fprang, Der von der Herrin Reinheit fang, Schlug ich in jenen Tagen; Und als ihn tobt Don Basco fah, ‚Hat er fein Weib erſchlagen.
„Und als ich ſchrie:
D, rein ift fiel
Blut rauchet meine Rechte!
Ich ſchlug ihn todt, mich töbtet jegt! — Da wichen von mir, ftarr, entfegt, Der Herr und feine Knechte.
„D Gott, wie id unnahbar ftand! Ein Rainsmal fühl’ ich Iohen.
Es hob fid) töbtend feine Hand — Unftät floh ich hinaus ins Land Und bin nun ftet3 geflohen I"
7. Und wie Dieß ſprach der Greis, da brach Sein morſcher Leib zuſammen. Etloſchen war mit Einem Mal In feinem Aug der wilde Strahl, Der ftah wie Höllenflammen.
IV. Der Camao. 321
Da lag er vor des Dichters Anien, Der lispelte: „Dir fei verziehn!”
Und in dem Abendrothe,
Die Trümmer, die der Tag durchbricht, Voll Ruhe blidte das Geficht,
Das traurige, da tobte,
Morig Hartmann, Werke. 1. 21
V.
Heimkehr und Flucht. (1846.)
Heimkehr. 1.
Dieſes Bachlein iſt die Marke, Drüben liegt mein Vaterland, Todend wieget ſich die Barke,
Ad, fie führt nad jenem Strand. ‚Herz, mein Herz, o fei befonnen, Fluchtig bin ih und verbannt — Friſch gewagt ift halb gewonnen, ‚Heil dir, Heil, mein Vaterland! Durch die Häfcher, dur die Sbirren Schlag’ id mich mit Hugem Muth, Bis id nur, nad) langem Irren, Einmal nur daheim geruht.
Eine Naht nur will id) träumen, Wo ber erfte Wiefenfang
Mit Geſaus von Föhrenbäumen Durch mein Herz für ewig lang.
V. Heimtehr und Flucht: 323 ’
Milder lispeln mir die Wellen, Da ich jenem Ufer nah),
Wilder meine Bulfe ſchwellen; Heimat, die id) lang nicht ſah,
Laut begrüß’ ich dich zum legten Male hier und Kaffe dich — Da dic) meine Thränen nepten, Leite heil und ficher mic.
2
Anders lispeln hier die Haine, Anders murmelt hier der Bach, Anders hängt die Blum’ am Raine ‚Hier des Frühlings Rathſeln nad. Jedes Halmes leifes Schwanken, Jedes Raufchen im Revier,
Jedes Vögleins Lieb: Gedanten Kenn’ ich umd verſteh' ich hier.
Du, o Lüftchen, das mit Koſen Allbelannt den Wandrer grüßt, Haft du meiner Kindheit Rofen Nicht vor Jahren aufgeküßt? Fink, du grüßeft? Danke, vanfe! Ja, ſehr lange blieb ich aus! Bahr, o, ſprichſt du, Epheuranke, 's iſt am Beſten doch zu Haus.
Duell im Felſen, lachelnd blidſt du Mir aus büfterem Gemach,
Und den Bad als Führer ſchickſt du Und mit frifcher Kühlung nad.
324
Zeitlofen.
‚Hier ift Ruhe, bier ift Friede, Nicht Verfolgung und Verrath. Luſt gen Schritts, mit frohem Liede Zieh' ich weiter meinen Pfad.
Aus der ftillen Felſen laufe,
Aus dem fiheren Afyl
Treibt's mic nach der Mutter Haufe: Liebe, Liebe ift mein Biel,
3
Durch dunkle Wälder ging ich, Es rauſchten die Bäume — Und nit nur Grillen fing ich, Auch goldene Träume.
Vergefien war das Haflen, Nur Liebe empfand ich; Daß Menſchen ſich verlafien, Kaum mehr verſtand ich.
Die Sonne lag in Funken Auf Mooſen und Steigen, Wie Lieder, die geſunken Als Gold aus den Zweigen.
Ein Knabe ſtand am Wege, Durch Blatter und Aeſtlein Beſah er im Gehege
Ein zwitſcherndes Neſtlein.
Er ſah hernieder ſchweigend Mit den Augen, den Haren, _ Er dedt es, tief ſich neigend, Mit goldenen Haaren.
V. Heimlehr und Flucht. 325
Die Kinderaugen fchredten Die Vögelein nimmer, Die fi entgegenftredten Dem lachelnden Schimmer.
Die Mutter aud vom Afte Sarg muntere Lieber Dem holden Menſchengaſte Und furchtlos hernieder.
Mir ſchienen vereint zum Bunde Die Weſen der Erde —
Ich glaub’, daß jener Stunde Stets denken id} werde,
4,
Traurig ift e8, fo zu ſchleichen, Bor den Menſchen ſich zu ſcheuen; Gruß, Geplauder, Hänbereichen Würden heut mich doppelt freuen, Wahrlich, Das ift nicht die Reife, Wie ic) fie geliebt vor Zeiten, Und Das ift nicht meine Weife, Durch die offne Welt zu fehreiten.
Nicht fo ſcheu und flüchtig eilt’ ich Einft vorbei am Wandersmanne; Lied und Müß und Sonne theilt’ ich Und im Wirthshaus jede Kanne, Ccho aller Wanverfänge,
Zog ic) fort auf Weg und Stegen, Antwort gaben Pofthornklänge, Glodenfhall und Gruß und Segen.
326
Zeitfofen.
Wo aus Fenftern Blumen nidten, Harrt' ih, ob durch Keld und Gloden Nicht auch Madchenblumen blickten, Braune oder blonde Loden,
Mandes ftille Veilhen grüßt’ ich, Manche Rofe fah ich funteln,
Manche blonde Lode kußt ic,
Und id) fpielt' in mancher dunfeln.
Hin ift hin! — Die frohen Zeiten, Ach, fie felber find verreifet; Schleiche hin in Einfamteiten Stille, zaghaft und verwaiſet. Stolz verſchloſſen, mir zur Seite Geht der Gott und ungerühret, Jener Gott, der mich zum Streite, Der mic) ins Eril geführet,
5
Ich fam vorbei auf nacht gen Wegen
An einem Haus, ftil abgelegen.
Es liegt im brütenden Walve verftedt, Bon Epheu und grünem Kraute bevedt. ‚Hier wohnen die felgen Erinnerungen,
Die traurig aus meinem Liebe geflungen. Da bat in bluhender Jugendzeit
Mein Glüd gemohnt, mein Glüd und Leid. Das Leid ift verblichen, dad Glüd verborben, Die grünende Hütte ift außgeftorben.
So db iſt's hier, die Zöhre faust, —
Der weiß, wer jegt in ber Hütte haust.
V. Heingfehr und Flucht. 327 Ich möchte gern um Einlaß flehen,
Do farcht' ich, fremde Geſichter zu ſehen; Nicht Trug befürcht' ich oder Verrath,
Wo einmal Liebe gewohnet hat. \
Ich bette mich hin auf die moofige Schwelle, Aufzieht des Mondes dämmernde Helle,
Und wie id einft die Nächte verbracht,
Hier will id) verträumen auch diefe Nacht.
3% ſchließe die Augen — die glüdlichen Stunden Biehn ftille vorüber und zeigen die Wunden,
Die plutenden Wunden auf ihrer Bruft;
Ich felber fchlug fie und hab's nicht gewußt. Doch auß der Hütte ruft es und tönet:
O, ſchlaf in Frieden, wir find verföhnet,
6
Die Flöte fang, die Geige Hang,
Der Brummbäß brummte larig und bang, Daß Cello klagte, das Fagot
Begleitet es mit berbem Spott
Allein. die Hörner jauchzen heiter
Hinaus in Berg und Thal und weiter. Vom Gang und Klang; Geſauchz und Lanz Bebt vor:ver Thür der Fichtenkräng; Dis Fenſterſcheiben Mirsen drein ;
* ift, als ob ſolbſt der Abendfcheirt, : Der’ golden alıf dem Wirthahaus liegt‘, ' Sich ſtill in Melodien wiegt. Ich gruß' euch, bohmiſche Muſtkanten, Wie habt ſo oft ihr des Verbaunten
328
Zeitfofen.
Heimmeh im fremden Sand gerührt.
Ich grüß' di, böhmiſcher Bauernreigen, Um fernen Mägplein dich zu zeigen,
Die oft hab’ ich dich aufgeführt,
Die Töne ziehn mit Macht hinein, Durchs Fenfter Spring’ ich mittendrein: Spielt fort, ſpielt fort, ich tanze mit, Ich kenn' ſie wohl, die drittehalb Schritt. Du ſchöne Magd, komm nur heran,
Du findſt an mir den rechten Mann: Glaubft du, ich fonnt’ in allen Fernen Den Tanz der Heimat je verlernen ?
Ha, wel ein Schwall und wel ein Larm Und weld Getrampel, welch Geihwärm! Nur fort und fort im Kleinen Kreife Bewegt und till und wild und leiſe,
Und jedes Baar ift eine Welle,
Bald gebt e3 langfam und bald ſchnelle, Die Wolkenſchwall, wie Meeresfluth, Die bald erbraust, dann wieder ruht. Die Geige weht wie Frühlingswind — Neig du dein Haupt, du Blumenkind — Der Brummbaß läßt die Stürme ſtreichen, Dort ftürzen fie wie Waldeseichen,
Mit ihnen ftürgen Tiſch und Krug.
Wohl Dem, der fort fein Mädchen trug Aus wilden Lärm und Schwall hinaus Zum Wald ins heimliche Geſaus. Verftummt find Tanz, Gefang, Mufit: Der Tag wirft feinen legten Blid
Mit Lächeln durch Gefträud und Aft; Die ganze Welt hält müde Raſt.
Suß ruht es fi im Waldesfchooß,
Viel füßer nod im weichen Schooß,
V. Heimtehr und Flucht. 329
Wenn heiße Augen mit dem blauen Geſtirn auf dich herniederſchauen.
So ruhſt du ſchoͤn allüberall —
Am Schönften, wenn bei fernem Schal Der Melodie, die neu erwacht,
Dir eine rothe Lippe lacht,
Und wenn dein Herz fein Vaterland Und eine neue Liebe fand.
Im der Heimat. 1.
Im Schimmer des Morgenthaus Erglängte. die Erde helle,
Ich ſaß vor der Mutter Haus Harrend und allein auf der Schwelle. Noch waren die Fenfter geſchloſſen, Geſchloſſen nod Thür und Thor, Und meine Thränen flofien Allmachtig und glüdlich hervor.
Nicht wollt’ ih, daß vom Schlummer Sie meinethalb erwacht,
Sie, die fo oft ſchon in Kummer Um mic) verweinet die Nacht.
Sie fagen, der Schlaf am Morgen Bringt wieder die Kraft zurüd
Für des Tages Mühen und Sorgen — Er ftärke fie für das Glüd.
Und einen beißen Kuß
Drüdt’ ich auf die Schwelle gerübret, Es dat fie ja ihr Fuß
Gewiß noch geftern berühret.
330
Zeitfofen.
An diefer Schwelle ja ftehn
Die Leidenden und die Armen, Die hoffend auf zu ihr fehn,
Zu ihr und ihrem Erbarmen.
Wie oftmals ftand ich dabei, Denn fie die Gaben vertbeilte, Ihr mildes Wort wie Arznei
Die Kranken und Duldenden beilte. Die zu dem Heiligenbilve,
So fahn fie zu ihr hinan;
Sie that ihre Thaten der Milde Und wußte nicht, was fie gethan. Kaum war verkühlt der Ofen, Schon auf das heilige Brod
Die dantenden Tpränen trofen
Der lachelnden Kinder der Noth. Noch trug der Baum feine Blätter, Noch dedte nit Schnee dad Land, Schon trugen gen Froft und Wetter Die Nadten fort ihr Gewand.
D, wenn für die Menfchheit, die Franke, Ich jemals ein Weh gefühlt,
Ich weiß, wem das ich danfe,
Warum e3 niemals verkült.
Und wenn von Lieb’ zwei Funlen Je diefe Bruft durchgluht,
Aus welcher Gluth fie gefunten, Ich weiß es, aus welchem Gemüth.
Ich finge vom ſchlichten Weibe, Nicht gewohnt der Ruhmeslieder, Und wie ih Dieſes ſchreibe, Rinnt meine Thräne nieber.
V. Heimkehr und Flucht. 331
2.
Und alſo ſaß ich eine Wache,
Fort warf ich weit den Wanderſtab, Die Thranen aber wuſch ich ab, Der an dem Haufe fließt, im Bade.
Und Das gethan, ſchien mir die ne So lit und liebevoll wie je,
Mir war's, ald ob ein Zauberweh, Ein Bann von mir genommen werde,
Und an der Schwelle mir zu Füßen Saß der getreue alte Hund;
Sein eifrig Wedeln that mir Fund, Daß er mich wollte herzlich grüßen.
Er ſchien nad) meines Seins Geſchicken Zu fpähn voll Wehmuth und Verſtand. Wie Argos, der den Herrn erkannt, Sah er mid) an mit treuen Bliden.
Er ledte ftil an meinen Schuhen, Als ob er fo mir fagen wollt’,
Daß id den Staub abfhütteln follt’ Des fremden Wegs und künftig ruhen.
Da ward's im Haufe drin lebendig, Anflug der Hund, id) fprang empor, Anrufend pocht id an das Thor, Und jubelnd wiederſcholl's inwendig.
Ich ftand in den geliebten Räumen, Mir war's, als wär’ ich juft erwacht Aus einem Traume banger Naht — Die Mutter aber wähnt' zu träumen.
332
Zeitfofen.
3
Das find die alten Bilder noch,
Um die der Kindheit Träume wehen, Einft hingen fie mir, ach, fo hoch, Nun kann ich in ihr Auge fehen.
Hier Joſeph aus Aegypterland,
Verſucht von Fraun und ſchönen Sünben, ‚Hier, wie er vor dem König ftand,
Um ihm verborgnes Leid zu kunden.
Ich hab’ es damals nicht geglaubt,
Daß ich mein eigen Schidfal ſehe,
Und daß wie jenem Jünglingshaupt
In meiner Fremde mir geſchehe.
Und bier ein Schiff — der Sturm ift wild, Das Segel ſchwillt, die Fluthen rollen — Nun weiß ich, maß bei diefem Bild Gemadt, daß meine Pulſe ſchwollen.
Nod find’ die alten Bilder, ja,
"Die Schleier aber find zerriffen,
Durch die ich fie, und fhöner, ſah — Jetzt deutet fie verfrühtes Wiflen.
Der Pendel fteht ver alten Uhr
Mit allen Welte und Sphären» Ringen; Großmutter, die gelehrte, nur Verſtand e3, fie in Gang zu bringen.
Der Pendel fteht, die Alte ftarb, Roſt färbt die Uhr in allen Räumen, Und eine ganze Welt verdarb
Bon angeftammten Kinderträumen.
V. Heimtehr und Flucht.
Jetzt läutet’ — es ift Mittagszeit; 2
Einft ſcholl's fo hold in diefer Stunde, Der Glode Ton, er war der Neid Bon hundert Dörfern in der Runde,
Ach, Das ift nicht der alte Klang, Der mild und hell das Herz erfreute, Auch fie ward Alter und zerfprang — Sie läutet ſich ihr Grabgeläute.
Dahin, fo Traum wie Bild und Klang Geheimnißreiher Kinberzeiten,
Was Wunder, daß im Herzen fprang, So mande aud ber ſchönſten Saiten.
4.
Ich hörte oder las in einem Buche,
Daß, wer einmal das Wandern außerkoren, Wenn er vom Schuh ein Näglein nur verloren, Es ewig dann und ohne Ruhe ſuche.
So irrt er fort und fort im dunklen Fluche, Und weil er fuchet, geht dem armen Thoren Ein zweites, drittes Näglein noch verloren — Ein tiefer Sinn verbirgt fi) in dem Spruche. So gebt e8 dir und mir und geht es Allen: Verfcherztes und Verfpieltes neu erſchwingen, Das füllet unfer ganzes Erdenwallen.
Du eilft, Verpraßtes dir zurüdzulaufen, "Aus tiefem Fall did wieder aufzuringen, Und Täufft, bis du die Schuhe durchgelaufen.
333
334
Zeitlofen.
5
Kehrſt du zurüd nach Lehr: und Wanderjahren In deiner Heimat ftill befhränfte Kreiſe, Begreifft du nicht, was dich auf Fahrt und Reife Getrieben und in Leiden und Gefahren.
Dir ſcheint, daß du am Heerweg nicht erfahren, Was jegt du findeft auf dem engen Gleife; Daheim erfennft du alles Schöne, Weife, Das dir die Fremde follte offenbaren. Doch du erwachſt — die Augen aufgefhlagen, Erkennſt du bald, daß fich in ftiller Bucht Dein Lebensfchifflein nicht mehr kann behagen. Und bu erfennft, daß dir bie goldne Frucht Beſchieden ift von Land zu Sand zu tragen, Und wär’ es auch auf rings umdrohter Flucht.
Die Alucht. 1.
Und als der Verrath mich ausgewittert,
Und als die Häfcher herangelommen,
Da hat die bleiche Mutter gezittert,
Der Schweſter Aug ift in Thränen geſchwommen. Ich aber ſprach: Die Thränen verwiſchet, Wir müffen feiden und von einander, Und da mich rings die Gefahr umziſchet, In Slammen werd’ ic zum Salamander. Ich bin geboren, ich, für Gefahren,
Sie lauern immer auf meinem Gange
Die Wegelagrer in dunklen Scharen;
Doc) kenn' ich nimmer die Furcht, die bange.
V. Heimkehr und Flucht. 335
Ich bin zu Gefahren beftimmt und geboren,
Sie lieben mich, wie Löwen den Meifter.
Ich hab’ fie ja felber heraufbefhworen,
‚Sie dienen mir, wie dem Zaubrer die Geifter. So Iebet wohl! — Des Forftes Düfter
Soll mid) verbergen, in fihern Hallen J Verrathen nicht wird mich des Laubes Geflüfter, Mein Schritt wird im Moofe nit wiederhallen. O Mutter, wifche die Thräne vom Blide
Und aus dem Antlig die Hagende Bläffe,
Daß ich mid, würdig dem hohen Geſchice ‚Hingebe und fein Leiden vergeffe.
Und du, o Schweſter, verbanne die Bähre,
Die mir verhält veined Auges Schöne,
Sei ewig glüdli du und gebäre
Als deine Mutter beglüdtere Söhne.
Ich ſprach's und floh aus dem einen Thore, Dieweil durchs andre die Häfcher drangen;
Ich hörte fie nicht, weil mir im Obre,
Im Herzen die Seufjer der Mutter Hangen.
2% O Morgen, Tröfter, zaudre nicht, " D, tomm heran mit deinem füßen, Mit deinem labungdvollen Licht. Da fteh' ich Wandrer, dic zu grüßen; Zum Wandern bin ih müd, nicht zum Gedicht, Es ift fo ſtill. Wenn fid zum Feſte In dunkler Kammer [hmüdt die Braut, Stehn draußen fehnfuhtsvoll die Gaſte — So ſteh' ih da — der Himmel graut, Die Lerche reget träumend ſich im Nefte.
336
Zeitlofen.
Und tritt fie ein zum Hochzeitsſaale,
Empfängt ein Jubelſchrei die Braut,
Es Mlingen Lieder und Pokale,
Die Sehnſucht floh, das Glüd ift laut.
Die Lerche fteigt empor gleich einem Strahle. Gleich einem Lieberftrahle fteigt
Entgegen fie dem Sonnenftrahle:
Der Himmel Mingt, vom Dit geneigt
Erbraust die Waldung — nur im Thale
Der Bad, der erft geraufcht hat, horcht und ſchweigt. Ihr Haupt aus dunklen Schleiern hebt
Die Blum’ entgegen dem Gefange,
Die von entſchwundnem Leide bebt
Ein Tropfen nod auf ihrer Wange:
Der Morgen küßt fie, und der Thau entſchwebt.
Es weint die Andre, reich wie Bronnen, Aus tiefftem Bufen Thrän’ auf Thränen, Die Krone neigt dem Licht der Sonnen Entgegen fie, verbleiht in Sehnen;
Es ift, als ftürbe fie vor lauter Wonnen,
Der Tag ift da, — von Stund und Stunde Der leicht geſchurzte Tanz beginnt;
Die Eine lacht mit ſüßem Munde,
Die weilet noch in Dunft und finnt —
Bringt fie betrübte, bringt fie frohe Kunde? Bon fernem Stege Hingt ein Huf,
D, trag zu ſchönem Biel ven Reiter!
Die Felder wedt des Pflüger Ruf,
O, traget Frucht dem Erdenſtreiter:
Die Belt ift ſchon, wie fie der Kampf ſich ſchufl
Gefang und Hain und Berg und Thal, Licht, Menſch und Thier auf allen Pfaden,
V. deimteht und Flucht. 337
Hinftreben fie zum Freudenmahl:
Die Brüder alle find geladen,
Die fonft getrennt find von fo dunkler Dual, Mit holver Liebe ftrebt der Morgen,
Ob er das Glüd der Friedenszeit,
Das Paradies, in Nacht verborgen,
Aus feinem Kerker nicht befreit.
Er kampft — es fiegt der Tag mit feinen Sorgen. Es fiegt der ſchwere, ſchwule Tag.
Berauſcht vom Trank des heil gen Lichtes, Sentt ftill ihr Haupt die Roj’ am Hag.
Im Schweiße feines Angefichtes
Zieht fort der Wandrer in den heißen Tag.
3,
3 kamen zufammen auf einem Wege
Der Flüchtling ih, und ein Jägerdmann; Dann kam noch ein holdes Mägvlein heran — Wir zogen vereint fo unfre Wege.
Ich ſprach: Mir will vor der Nacht es bangen, Wie traurig die Sonne zu Rüfte gebt,
Die fhaurig der Wind durch die Buche weht, Wie dunfel die Wolken nieverhangen !
Er fprad: 's ift aus heut mit dem Jagen,
Es ſchlafe das Reh nur in guter Ruh, Gleihgültigen Blides nun ſeh' ich zu,
Ob Sturm und Blig den Wald zerfchlagen. Sie ſprach: Was find mir Regen und Winde? Heut Abend vergefi’ ich fie alle beid',
Heut Abend vergefi’ ich alles Leid,
Heut Abend unter der braufenden Linde,
Worig Hartmann, Werte. 1. 22
338
Zeitlofen.
4
‚Herbftesregen, weine, weine! ‚Heule, heule, Sturmeswetter! Traget fort aus dieſem Haine
Noch die legten treuen Blätter.
AU ihr traurigen Gewalten,
Die ihr jept mit Macht regieret, Schafft, bis aus ver Welt, der kalten, Sic) der Reft von Lenz verlieret. Ganz muß fein ein Lenz begraben, Soll ein neuer ſich erheben; ‚Herzen, die nicht Troft mehr haben, Fangen an ein neues Leben.
Jed' Erinnern fegt, o Schmerzen, Traget fort zu diefer Stunde;
Iſt noch Glüd in meinem Herzen, Find’ ich es im tiefften Grunde.
5.
Beim Lieb des Freundes pocht' ich an: Schnell, Freundesliebchen, aufgethan, Schnell aufgethan, du fhönes Kind! Ad, weil ſchon nah die Häfcher find. Ich will erzählen dir zum Lohn,
Wie ich dich kenn' feit lange ſchon, Dein ſchwarzes Aug, dein dunkles Haar, Dein Herz wie ein Kryftal fo Har. Ich will dir fingen in der Nacht
Das Lied, das er auf dich gemacht Und das er oft in weiter Fern Vorſang dem Mond und Abenpftern.
V. Heimlehr und Flucht. 339
Und will dir fingen, wie er bangt,
Die er nad) dir zurficverlangt,
Und wie er's allen Winden Hagt,
Daß ihn fein Loos von dir gejagt. . Mad auf und drüde meine Hand,
In der die feine hat gebrannt;
Und wenn ich morgen weiter muß, Bring’ ich von bir ihm einen Kuß.
6
Umbäülle mid mit deinen dichten Schleiern Und drüde mid; an beine Bruft, o Nacht! Ich, der ich liebend oft mit dir gemacht, Ich bin von deinen allertreuften Freiern.
Nicht Schlaf befhere mir, der ſchwer und bleiern, Nur in das Moos hier la mich fallen ſacht;
Dann laß fie wirken, deine ganze Macht,
Mit Traum und Wahn, ven fanften Schmerzbefreiern. Was id von bir, begeht’ ich aud vom Leben.
Nicht thatenlofer Frieden, todte Ruh
Sei jegt mir und in Zukunft mir gegeben.
& fol mid, ſchließ' ih aud das Auge zu,
Des Wachens ganze Fülle ſtets umſchweben:
Mein Leben fei, bilvreihe Nacht, wie du.
7. So geht's zu Haus: „Was gibt es Neues Bon Eurem Sohn?" — der Nachbar fragt es. Bei diefer Frage weint ein treues Mutterherz, und ſtill verzagt es.
340
Zeitfofen.
„318 wahr denn? er ift Iandverwiefen? Zum Tod verurtheilt? — Welche Schande!“ Sie ruft: Der Himmel fei gepriefen
Und ſchut ihn in dem fernen Lande!
nen ſeht Ihr wahrlich niemals wieber, Der fo ging, ift für ſtets gegangen!“
Da fenten fi zwei theure Liber,
Und Thränen rollen von den Wangen.
VI.
Aus dem Süden. (1851.)
An 4***
Nur dir, nur bir — o, nimm es gütig bin — Nur dir gehört, was ich erfinn’ und ſchaffe, Dir, was ich dichte, trachte, was ich bin,
Dir, was ich auf dem Weg zufammenraffe.
Zu Füßen dir, als meiner Eignerin,
Breit’ ich die Beute, breit’ ich meine Waffe; Daß id) beſihe, daß ich neu erringe,
Ich fühl’ es, weil ich dir die Gabe bringe.
Fauhlſt vu, mie wohl es thue, zu bewahren Ein füß Geheimniß, das fein Blid erfpäht, Darüber hin mit Monden und mit Jahren Die Zeit verhüllend wie mit Wellen gebt? Der Waſſerlilie gleichts, ver wunderbaren, Die auß.ves Seees wohl'gem Grund erfteht, Die fill und fhächtern erft in Tiefen bebet, Bis fie ihr glänzend Haupt ins Licht erhebet.
Bei Andern lernt’ ich, wie ſich ſchnell verzehrt, Wenn noch fo [hön, das wechſelvolle Neue:
342
Zeitfofen,
Ich danle dir — denn bu haft mid) gelehrt
Des eignen Herzens Kraft und feine Treue,
Und ich, der ich durchs Leben unbeichwert Dahinging, der ich nie gelannt die Reue,
Jetzt fühl ich, rudwärts ſchauend, fanfte Trauer, Daß ich die Eine nicht gefannt — die Dauer.
Nun kenn’ ich fie, und wie bin ich beglüdt!
Wie Wanderer ihr Aleinod ftill im Kleide,
So trag’ id hin und warm an mid; gebrüdt Mein heimlich Glüd, von dem ich nimmer ſcheide. Mein Leben glüht — die Welt ift mir entrüdt; Ein einfam Zelt in’grängenlofer Haibe, -
Und du und id) allein im weißen Zelt —
Im weiten AN: Dieß meine ganze Welt!
Bit du zufrieden? — Siehe, taufend Quellen
Des Glüdes fühl ih mir im Herzen fließen;
D, gönne mir, bis auf die legten Wellen
Sie dir zu Füßen jubelnd auszugießen.
Mein Athem ftodt, und meine Pulſe ſchwellen,
Die Feſſeln reiß' ich ab, die mich umfcliegen —
Ich ſtammle nur — wie ſchnell die Ruh jerftiebte — Ich ftammle nur: du Theuere! — Geliebte!
Ankunft.
. Nimm des alten Treiben Muden,
Nimm mid) gütig auf, o Süben!« Flüchtig, bittend komm' ich dir. Gönne du von aller Schöne Deiner Blüthen, deiner Töne
Nur ein Heines Theilden mir.
VI. Aus dem Süden. 343
Nicht das alte Freubenleben, Das ib, das mich aufgegeben — Nube ſuch' ich, kurze Raft. Jugend bei Zypreſſenbaumen Sud’ ich nicht, doch laſſe träumen Schön von ihr den trüben Gaft.
Nicht in fhönften Pinienhainen Kann fie wieder je erſcheinen, Wem fie einmal warb geraubt — Uber beuge, aber neige
Deines Delbaums Friedenszweige Kahlend auf mein heißes Haupt.
Ad, nid.
Noch, ihr meine Blumen alle, Trotz dem breiten Strom von Lit, Trotz der Heerbengloden Schalle, Trotz dem Lied der Nachtigalle, Glaubet an den Frühling nicht!
Die die Sonne fid bemühte, In die Knospen drängt zurücd Eure Gluth und eure Blüthe, Die ich felber im Gemüthe Trage all mein drängend Glüd,
Allen Vögeln möcht' ih Schweigen, Trog dem Mai, gebieten gern
Und verbieten allen Zweigen Blühen, Rauſchen, Duften, Neigen Und das Leuchten jedem Stern.
344
Zeitlofen.
So mit allem Fruhlingsſtrahle Sparen möcht’ ih, bis fie naht, Um ihn dann mit Einem Male, Wie aus goloner Opferfchale, Auszuftreun auf ihren Pfad.
Rebelmorgen.
Ringsum bie weißen Nebel Tagen,
Die Lerchen ftumm, die Nachtigallen,
Als wär’ der Himmel eingefallen
Und hätt’ die Vöglein all erſchlagen.
Mi wundert’3, wie zu Gruß und Sprude Des Wandrers Lippe noch ſich rege,
Mir iſt's, ob er ſich fortbewege,
Bededt vom eignen Leichentuche⸗
rinnerung. An diefem ſchonen fernen Strand Geben? ic) dein, mein Vaterland. Unftäter Wandrer fremder Straßen, Halt ein und dent, was du verlafen. Den Lorbeerhainen eile zu, In ihren Schatten fuche Ruh, Um ftill zu träumen vom Verlufte, Den noch fein Herz zu tragen wußte. Die Bank an den Zypreſſen bort IR ein erwählter Ruheort, Um ftummen Zeugen es zu fagen, Wie ſchwer fo manches Leid zu tragen.
VI. Aus dem Süden.
Bei Lorbeerſchatten lehr' ich ein,
Ich lieg’ auf jener Banf von Stein, Es fingt und Haget in den Zweigen — 3% hoör's — doch meine Lippen ſchweigen. Ich bör'3, doch meine Lippe ſchweigt. Du haft die Wunde mir gezeigt,
O Deutſchland, deine tiefe Wunde, Und ftumm bin ic) feit jener Stunde, Ob's in den Zweigen fingt und Hagt, Mein Klagewort, mein Lied verfagt: Könnt’ ich bei Lorbeer und Zypreſſen, Bei Ruhm und Trauer dein vergeflen ?
Wiederfehen. Ic ging zum Strand, das Herz von Sehnfucht voll, Dos Meer iſt's, das ich wieder grüßen fol: Nach langer Trennung, fpäter Wiederkehr Soll id es wiederfehn, dad Meer, das Meer. Ic kam zum Strand, im Sande ſaß ein Kind, Mit Muſcheln fpiel?3, im Haar ihm fpielt der Wind. Ein Lodenköpfchen und ein hold Geſicht, Umrost, umglüht von ſanftem Abendlicht. Ein fpielend Kind! — ein Bilo iſt's, nicht verlleint Vom großen Meer, darauf der Abend ſcheint. Ich fah es an: troß fpäter Wiederkehr, Trotz langer Trennung — ich vergaß das Meer.
Ich fah es an, bis Sonn’ und Meer und Land Und aller Abendglanz in Nacht verſchwand.
345
346
Zeitlofen.
Fin Wrad.
Im Winde Freist der Dünenfand,
Am Leuchtthurm wird das Licht entzündet, Ded und verlaffen ift der Strand, -
Der GoEland hat Sturm verkündet.
Am Ufer liegt ein armes Schiff, Das ift im legten Herbft geftrandet, Dem Hafen nah, doch aud dem Riff, So kam's zu Ruh, fo iſt's gelandet.
Schon ift es halb vom Sand verſcharrt, Bald wird die Fluth darüber rollen;
Es gleicht der Leiche, die da hartt,
Daß fie die letzte dedt der Schollen. Doch nein! — Des ftillen Todes Bild Sud’ ih am Schiff im Sand vergebens, Denn neben bir ift Tod fo mild,
O Bildniß des verfehlten Lebens.
BVerfehltes Leben — Wrad im Sand, Jetzt ſchlägt umfonft an deine Rippen Das Meer, daS dir ein grünes Land Verſprochen jenfeits aller Klippen. Dich wedt nicht mehr des Seemanns Schrei, Und Maft und Steuer find zerfplittert; Vielleicht, zieht fern ein Schiff vorbei, Daß noch dein Eingeweide zittert.
Das Licht im Thurm iſt angebrannt, Noch jeh' ich dich im fahlen Schimmer. Im Winde freist der Dünenfand,
Er kreist und dedt dich zu für immer.
VI. Aus dem Güden. 347
Dinenfand.
Das Räthfel der Verlaffenheit
hut mir der Sand der Dünen kund: Kein Blümlein und kein Strauch gebeiht As Halt und Bier auf feinem Grund.
Die Sonne brennt ihn, wie fie will, Die Welle ſchlagt ihn ſchmal und breit, Bulegt fpielt ihn ein Windhauch ftil Ins Meer und in Vergefienheit.
Abendgang.
So eil ich herauf und herunter den Strand,
Es murmeln und rauſchen die Wogen.
Was ſoll er mir frommen, der Stab in der Hand, Ich ftode ja doch im wehenden Sand,
Schon ſind meine Spuren verflogen.
Doch ſelige Ruh dedt Waſſer und Land In des Abends erbleihendem Strahle, Die Fugen der Wolken ftehen in Brand, Die farbige Fenfter in dunfeler Wand Der gothifhen Kathedrale.
Sie werben verglimmen! — Was hat denn Beſtand? Die aus durchlocherter Schale,
Und wär’ fie gefüllt bis zum ſchaumenden Rand, Der Wein fi) verliert auf des Zechers Gewand,
So ftrömt’3 aus des Lebens Polale.
‚Wie hab’ id) die Zeit meiner Jugend vermanbt! Mein Shritt ift vom Sand überflogen —
Hab’ id) fie verſchwendet als goldenen Tand?
348
Zeitlofen.
Ward fie mir geftohlen von diebifher Hand? Du bift immer und immer betrogen.
Morgen am Hfrande,
Die Morgenftund am Meereäftrand Hat lieblic mein Gemüth beweget; ‚Sie ift wie eine liebe Hand,
Die heilend auf das Herz fi) leget. Der Blid ind Meer ift wie ein Blick In dunkle Augen, die wir lieben; Das Segel wie ein hold Geſchick, Das noch nicht ganz vorbeigetrieben. Und Alles wie ein blühend Grab, Drin ftille ruhet jedes Streiten, Das meine werf’ ich auch hinab, Und Friede glänzt aus allen Weiten.
Nacht nad dem Hfurme,
So tiefe Ruhe, wie fie träumt der Fromme, Daß fie nach letztem Kampf ihn überlomme, So tiefe Rub, mie erfte Liebe dentet,
Daß fie nad) erftem Kuß ſich niederſenket: So tiefe Ruh
Dedt alle Raume
Des füß entſchlafnen Meeres zu.
Die Sterne in den Tiefen
Sind feine Träume,
D, daß fie Alle doc fo träumend ſchlefen Sie, die vollbracht ein Sturmesleben,
Die morgen ſich zu neuem Kampf erheben.
VI. Aus dem Süden. 349
eeresſtille.
Es iſt ſo ſtille nah und ferne,
Das Meer ſo ſchweigſam wie die Sterne,
Das Segel ſchlaft, kein Luftchen haucht,
In Träume liegt die Welt getaucht,
Ich hab's feit vielen, vielen Tagen
In meiner Bruft umbergetragen,
Fand Niemand in dem fremden Land,
Dem ich e8 gerne hätt’ befannt,
Jept flüftre ich’3 dem Meere zu:
Ich liebe — ſchweige, Meer, und bleibe in Ruh.
In der FZifherhüfte.
Die magft du dich fo einfam fühlen, Bo fi die Tamariske wiegt
Mit zarten Blättern in ver Brife, Wo klar dad Meer und glänzend Tiegt Die eine blumenreihe Wiefe?
Wie magft du dich fo einfam fühlen Im meerumhauchten Fiſcherhaus ?
Du ſiehſt die Segel gehn und kommen, Die Schwalbe flieget ein und aus, Dort kommet ein Delphin geſchwommen.
Wie magſt du dich fo einfam fühlen?
Das Angedenten ift mit bir
Des Glüded, dad du wähnft enteilet; Du weißt ein Herz, das fern von hier AU deine fhönen Freuden theilet.
350
Zeitfofen.
Ahoda. Mich liebt die ſchͤne Amphitrite: Sig’ ich des Nachts allein am Strand, Rommt fie heran mit leifem Schritte, Mit leife wehendem Gewand. Mid) liebt die [höne Amppitrite — Sie ruht bei mir im weißen Sand Und faget mande fhöne Mythe Vom alten todten Griechenland. Und wenn ich's nicht vermag zu faflen, Daß einft die Welt fo herrlich war,
Und wenn mich's ſchmerzt, daß uns verlaffen
Die heitre, ſchöne Menſchenſchaar: Dann, wie den Schleier einer Leiche, Schiebt fie zurüd die Meeresfluth Und läßt mic ſchaun in ihrem Reiche Die Stabt, die da begraben ruht. Und Rhoda ſchau' ih, das die Welle In alter, alter Zeit begrub,
Das ſich in freud’ger Sonnenhelle Die eine Blum’ am Strand erhub. Die Tempel ſeh' ih und die Gänge Und Brunnen, Bild und Saulenſchaft, Dazwifhen freundliches Gebränge Bon Menfchen jhön und geifterhaft. Die Biloniffe, die von Geftellen ‚Herabgeftiegen, ſchreiten fie,
Ihr Wort erklingt in jener hellen Unfterbli Haren Melodie,
Und mid) ergreift ein tiefes Sehnen: Ein Sehnen, faft wie Herzeleid,
VI. Aus dem Süden. "351
Nach jenen Tempeln und nad) jenen Geſchlechtern voll von Freudigkeit, Hinunterfteigen möcht’ ich gerne,
Da flieht der Traum, es kommt die Fluth — Ich neige mich zum Liebesfterne,
Der ftil auf ihrem Spiegel rubt.
Un das Sehen. Treo Vielem, das zerbrach, Um nie ſich zu erheben, Trotz allem Ungemach, Doc herzlich lieb' ih dich, o Leben. Die man am Halfe hängt Dem vielgeliebten Weibe, So halt’ ich mich gebrängt An did; mit Geift und Seel’ und Leibe, Sie haben dich genannt Ein Räthfel, eine Frage, Ein Meer, zu deflen Strand Nie eine heitre Barke trage: Mir bift du immer Har Und hell und licht gemefen, Die jenes Auge war, Darin ic froh mein Glück gelefen. Wie Läufer, die im Spiel Hintennen, Zadeln tragend, Die Leuchte bis zum Ziel Siegluftig um die Häupter fhlagend: So ſchwing' id dich ums Haupt Und leuchte meinem Wege,
352 .
Zeittofen.
Bis ich dich kraftberaubt Schön fallend auf den Boden lege.
Das Leben ift ein Streit!
So rufen fie mit Schreden —
Drum fei mir benebeit,
Wenn hundert Wunden mich beveden. Ein Kampf iſt's! rufen fie —
Drum will id) nicht ermatten, Tagwerter lieber hie, \
Als ein Achilles bei den Schatten.
Im Varke.
Im Parke ging ich auf und ab,
Es war ein herbftlih trübes Wetter; Mit Trauertönen fiel herab
Die todte Schaar der gelben Blätter,
Dort lagen fie ſchon aufgehäuft
Zu einem Schwalle, ſchwarz und helle — Ein rofiges Mädchen kommt und Kiuft Und wirft ſich lachend in die Welle.
Das rauſcht und kniſtert und umſchwirrt Das holde Kind mit Geiftertängen — Doch lachend hebt es, unbeirtt,
Das Haupt aus all den todten Lenzen. Ein ſchönes Bild! — Fürwahr, es gleicht Dem Glüde, das mir jegt gegeben: Ringsum iſt viele Luft verbleicht,
Doch lebt in mir ein friſches Leben.
VI. Aus dem Süden.
Fin Vropfen des Meeres.
Ein Tropfen des Meeres, vom Winde gebracht, Hat diefe Blume befeuchtet, Und feht, wie fie glänzt durch die dunkle Nacht, Und wie ihr Auge leuchtet.
War's Thau, wie er fintet jeglichen Tag, Er gliche der trüben Zahre;
Doch ihn hat geboren der Wellenfchlag, Er fam vom leuchtenden Meere.
Auch er wird verſchwinden in feiner Zeit; Die Blume doc glänzt durch Minuten. Ein leifes Gefühl von Unendlichkeit — Die füllt das die Seele mit Gluthen!
j Vrovenʒaliſch.
Schon hat fie dich vergeſſen, Nicht, weil fie treulos worden: Weil Alles enden muß.
Dir wills das Herz zerpreffen Und alles Glüd ermorden
In Lebenzüberbruß.
Im Süben bei Zypreffen,
Bei Tannen in dem Norden Geht's fo mit Lieb’ und Kuß. Beinft du? — Ich ſuch inpeffen Das Glüd an neuen Borden Mit leichtem Sinn und Fuß.
| Morig Hartmann, Bere. 1. 23
353
vo. Bulgariiche Volkslieder.
(Grele Bearbeitungen.)
1.
Keinem Popen kann ich fünden Jene größte meiner Sunden,
Auch fol feiner der Bulgaren, Das ich Böfes that, erfahren.
Nur dem Tſchautſchen will ich's Hagen, Diefer wird's dem Kabi fagen,
Diefer wird's zum Paſcha tragen,
Der biktirt es feinen Schreibern,
Daß fie es dem Sultan ſchreiben, Diefer fagt'3 fünfpundert Weibern — Kann e3 dann verſchwiegen bleiben?
Lieber Tſchautſch, nicht folft du's ſagen, Solft es nicht dem Kadi Hagen, Eil, ven Kopf mir abzuſchlagen, Eh's die Vögel und die Sänger Ueber Berg und Thäler tragen. (Shumla, 20. Juni 1854)
VII. Bulgarife Voltslieder. 355
2%
Anaftas, am nächſten Freitag Morgen
Kommt der Pop’ ind Dorf, dem will ich's Hagen, Daß du did zum Türken machen wolleft,
Ja, zum Türken, zum verfluchten Türken. Nicht mehr gehft du her vor deinen Büffeln, Sondern jagft zu Pferd durch Berg und Thäler. Nicht mehr einen langen Stab in Händen Trägft du, doch Piftolen in dem Gürtel,
Nicht mehr trägft du eine Schafpelzmüge, Sondern einen Fe auf deinem Kopfe.
Windeft du um deinen Fetz mein Tüchlein,
Iſt der Turban und der Türke fertig.
Mariuſchla, Mariuſchta, ſchweige!
Nicht mehr geh' ich her vor meinen Büffeln, Weil fie mir zu langſam gehn, die Büffel, Und mein Blut, das geht wie taufend Pferde; Und zu Pferde reit’ ich wie ein Türke,
Weil ih dich will fliehn, fo ſchnell als möglich, Und zu dir zurüd will noch viel fohneller. Trug' ich einen Stab in meinen Händen, Müßt' ich deinen theuren Vater prügeln,
Weil er einem Andern did verſprochen.
Einen Feg nur trag’ ih, Mariuſchka,
Beil er fhöner als die Schafpeljmüge
Und id} dir gefallen will, Geliebte.
Aber die Piftolen trag’ ich beide,
Um in beide Augen mir zu fchießen,
Wenn fie doch dem Andern di vermählen.
356
Zeitfofen.
3
Dimitri, bift du bei Sinnen,
Daß du um mich wirbſt beim Bruder? Haft du Geld genug zur Wirthſchaft, Um ein Haus dir aufzubauen
Mit zwei Stuben, einer Küche, Einem Stalle für zwei Ochſen?
Geld genug, ein Haus zu bauen
Mit zwei Stuben oder breien,
Einem Stalle für zwei Dchfen.
Haft du Geld genug, Geliebter, Eine Jade dir zu kaufen
Schön und neu zum Hochzeitätage? Eine neue, fhöne, blaue Albanefers Jade lauf ich
Mit den roth und gelben Schnüren Und mit goldenem Befage,
Wie man fie in Schumla machet.
Haft du Geld genug, dem Sultan
Zins und Steuer zu bezahlen,
An zehn Groſchen vierteljährig ?
Leicht bezahl’ ich die zehn Grofchen, Selber, wenn der Sultan Geld braucht, Zahl ich zwanzig und in Silber.
Kannſt du au dem Popen zahlen Bei der Hochzeit und bei Taufen? Und zu Weihnacht und zu Oftern? Und zu Pfingften und zu Faften? Zu St. Georg und Johannis?
Und an allen heil gen Tagen?
Wenn ein neuer Biſchof tommet?
VIL. Bulgarifie Bollslicder. 357
Immer, wenn er bir ind Haus tritt, Um die Schwelle dir zu fegnen?
Um das Vieh dir zu beſprechen?
Um die Bilder dir zu weihen ?
Um Weihwaſſer zu verlaufen?
Um zu fingen und zu beten?
Schweig, o ſchweige ſtill, Geliebte, Ja, dad Freien [af id) bleiben,
Viel zu theuer ift die Wirthſchaft. Eins vom Hundert nimmt der Sultan, Neunundneunzig nimmt ver Popel
4 (Mader und Magegefang der Vertriebenen.) !
Sind es Rofen, find es rothe Blüthen,
Die das Thal der Heimat fo erfüllen ?
Sind es braun und weiße Taubenmwolten, Welche dort des Berges Haupt umziehen? AH, nicht Rofen find es und nicht Blüthen, Flammen find es, Flammen, rothe Flammen, Die das Thal der Heimat fo erfüllen;
Und nicht braun und weiße Tauben find es, Welche dort des Berges Haupt umziehen; Rauch iſt's, ungeheures Rauchgemölte: Unfre Hütten, die verlaßnen, brennen,
Auf dem Berge ftehn wir wie Verirrte, Hinterm Buſch verborgen wie Heivuden, Und verhungernd wie verlorne Schafe. Ber die Dörfer anftedt, fei verfluchet l Ob es Mostowiten oder Türken,
* [Bgl. Bd. IV, ©. 206.]
358
Zeitlofen,
Ob es Chriften waren oder Heiden,
Daß fie Gottes argſter Fluch betreffe Diver aud des Teufels befter Segen! Mögen fie ertrinten in der Donau
Und zu Taufenden die Fluth aufpämmen, Bis fie diefes arme Land verfhlungen! Möge fie als angefaulte Leihen
Barna’3 wildes Meer and Ufer treiben, Daß die Lüfte von Verwefung dampfen !
Ad, was werben unfte Pilger jagen, Die jegt in Jerufalem verweilen
Und des Heilands goldne Füße küflen, Denn fie wieberlehren und die Dörfer Alle wüft und, ad! in Aſche liegen? Wenn fie wieberfehren mit den ſchoͤnen Heil genbildern, melde dort fie kauften, Schön gemalt in Farben und auf Stäbe Aufgerollt, und feine Wand fie finden, Dran die [hönen Bilder aufzuhängen?
Groß ift diefes Land und faft unendlich.
Ber kann fagen, wo in künft'gen Tagen, Der kann fagen, ob in fünft'gen Tagen Unfre Hütten’ wieder ſich erheben?
Ad, das Glüd, es wächst nicht fhnel wie Roggen, Und es wächst am Wege nicht, wie Unkraut, Und nicht tie die liebe Sonne geht e8 Nieder, wieder aufzugeben morgen,
Langſam wächst das Glüd, wie alte Bäume, Langſam, langſam oder niemald wieder,
Mit dem Blei im Leib fliegt noch der Falle, Mit dem Unglüd wandern wir noch weiter. Laſſe diebmal nicht den Winter fommen,
Laß ihn nicht, o gnadenvoller Himmel!
VIL. Bulgarifihe Voltslieder.
Bann’ ihn hinter deine dunkeln Wollen, Daß wir nicht erftarren in den Wäldern, In den falten windbewegten Waldern, Denn fein Obdach haben unfre Kinder, Und kein Obdach haben unfre Weiber. Auch die Weiber höre, wie fie Hagen: Ag, kein Obdach haben unfre Männer!
Nichts gerettet als die Silbergroſchen, Welche unfre fhönen lieben Mädchen
Um den Hals anftatt des Schmudes tragen. Gebet ung die fhönen Silbergrofchen, Gebet fie, ihr fhönen lieben Mädchen, Daß wir Brod für unfre Rinder kaufen.
Nehmet fie, die [hönen Silbergroſchen, Aber Brod ift nicht im Land zu haben, Selber nicht für goldene Dulaten.
Traurig ift die Erde, traurig, traurig!
5,1
Einen Wolf hab’ ich im Wald gefangen, Auf dem Rüden ihn ind Dorf getragen
Und im Dorf mit Fäuften ihn erſchlagen — Aber Das ift nicht mein größter Ruhm.
Dem Kawaſſen, ver mid) vor den Kadi Schleppen follte, hab’ ich mit dem Heinen Meſſerchen die Gurgel abgeſchnitten.
Zwei Piftolen trug er in dem Gürtel
Und ein Schwert und einen Dolch daneben — Aber Das ift nicht mein größter Ruhm.
4 [Bgl. ®v. IV, ©. 208.]
359
360
Zeitlofen.
Und mit einer alten ſchlechten Flinte
Hab’ ich einen Aga aus der Mitte
Seiner fünfzehn trefflihen Trabanten
Die ein Vöglein von dem Aft gefhoflen, Daß noch heut drob die Heiduden jubeln Und die Blinden heut davon noch fingen — Aber Das ift nicht mein größter Ruhm.
Aber Diefes ift mein größter Ruhm: Daß ich meiner fhönen Heißgeliebten, Als ih aus dem Dorfe flüchten mußte, Als ich fie auf ewig meiden follte,
Daß ich ihr mein Mefler, dieſes Mefler, Ohne Zuden in die fhöne Bruft ſtieß, Ob ſie gleich dabei fo traurig blidte, Daß ich mehr des Muths dazu bedurfte, ALS da ich den Wolf ind Dorf getragen, AS da den Kawaſſen ich erihlagen, Als da ich den Aga nieberftredte.
Daß mic der Geliebten Mord nicht fhredte, Diefes ift mein allergrößter Ruhm.
6!
Hoher Berg und tiefes Thal — O, wie ſchon ift dieſe Nacht! Selbſt in Kerkerhaft verwacht Lindert ſie mir meine Qual.
D, wie ſchön iſt dieſe Nacht,
D, wie ſchon iſt dieſes Leben! Könnt’ ich's nur der Einen geben, Die fo eben mein gevadht!
* [Bgl. 8b. IV, ©. 208.
VII. Bulgariſche Vollalleder.
Daß fie eben mein gedacht, ‚Hoher Berg und tiefes Thal,
Das fagt mir des Mondes Strahl Und die ſchöne, jchöne Nacht.
Schön ift meine legte Nacht, Hoher Berg und tiefes Thal. Mit dem erften Morgenftrahl Werd’ id graufam umgebracht.
7.
Schönes Mädchen ohne Geld,
Du bift wie die fhöne Welt,
Aber ohne Sonne.
Du bift wie die ſchoͤne Naht,
Haft den Mond, die Sternenpradt, Aber feine Sonne.
Ohne Schönheit, reihe Maid,
Biſt ein Baum zur Sommerzeit, Aber ohne Blüthen.
Früchte haft du, mich zu nähren — Mag fi drum der Teufel fheren, Mid) verlangt nach Blüthen!
&
Bei Siliſtria fteht ein Brunnen, Und ein Stein fteht glei daneben, Auf dem Steine ftehen Worte,
Die kein Menſch vermag zu leſen;
Und vor taufend, tauſend Jahren Hat fie ein Prophet gefchrieben,
361
362
Zeitlofen.
Ein Prophet, der wifien konnte, Was fi} einmal wirb begeben. Und er hat e3 bingefchrieben, Daß ich dich einft Fieben werde; Dann hat er dazu gefchrieben, Daß du mic) einft werbeft lieben.
9.
Kam ein Kaften angeſchwommen Eines Morgens auf der Donau; In dem Kaften lag ein Anäblein, Und das Knablein, da war id.
Eine gute Alte trug mich
Zu ſich in die Heine Hütte,
Und als ich ſchon ſprechen konnte, Sprach fie eines Tags zu mir:
Wenn die Donau kommt aus Deutſchland, Dann, mein Sohn, bift du ein Deutſcher; Doc id kann Das nimmer glauben, Denn dazu bift du zu ſchon.
Kommt fie auß den ſchwarzen Bergen, Dann bift du ein Sohn ber Berge; Diefes kann ich eher glauben,
Denn, mein Sohn, du bift fo wild. Kommt fie aber, wie fie jagen, Graden Wegs vom Himmel nieder: Dann bift du in deiner Schönheit,
D mein Kind, ein Himmelsfohn. Wandern will ich nun von bannen, Immerfort dem Fluß entgegen,
VII. Bulgariſche Boltstieder. 368
Wandern will id hundert Jahre,
Bis id an den Quell gelangt,
Denn ein Deutfcher, werd’ ih Kaufmann; Und Heidude, wenn ein Bergfind;
Doch, wenn id vom Himmel ftamme, Werd' ih wohl ein Priefter. Ad!
10.
Die gebrochne Kirche ſteht Auf dem grünen Berge, Ach, fie fteht in Trauer; Wer daran vorübergeht, Leg ein, zwei, drei Steine Auf die alte Mauer. ‚Kommt einmal die gute Zeit, Wird man neu erbauen Auch das Kirchlein droben; Findet er den Stein bereit, Wird der gute Maurer
AU die Chriften loben.
111
Ueber das Gebirge kam die Pelt,
Hinter Stambul ift ihr ſchwarzes Neft. Grün war das Gebirg und ſchön bethaut, Uber e3 verdorrten Baum und Kraut, Und das Heilktaut ift zuerft verdorrt,
AU die Heinen Vöglein flogen fort,
4 [Bgl. Bd. IV, ©. 205.]
364
Zeitlofen. Dann vom Berge ftieg die Peft ins Thal, , In Pravadi fing fie an, die Dual.
Klopfend ging fie dort von Haus zu Haus, Leichen warf man auf das Feld hinaus.
Erſt nur Türken traf ihr ſchwarzer Hauch, Später traf er fromme Chriften auch.
Auch die Raben flogen fort vom Schmaus, Nur der Storch blieb auf dem leeren Haus. Auch der Treue fiel zulegt vom Dad,
Und e3 fielen ihm die Jungen nad. Schwarz vor Aerger iſt die Peſt zu fehn, Einen ſchwarzen Schleier läßt fie wehn. Sie ift eine ftumme alte Frau,
Belt ift ihre Bruft, ihr Auge grau.
Nur wenn Jeſus Chrift in Schlummer fält, Steht fie auf und wandelt durch die Welt.
Als der Nordwind unfern Herrn gewedt, Floh fie übers ſchwarze Meer erihredt.
12.
Ich hab’ in eine Blume gefhaut, Da ſah ich die fhönfte Welt,
Gin weißes Häuslein mar aufgebaut, Und ringsum Wiefen und Feld.
Ich felber faß auf der Schwelle am Haus Und hatt’ ein Kind an der Bruft;
Du, Liebfter, gingeft ein und aus
Und lachteſt vor Glüd und Luft.
VI. Bulgariſche Volkslieder. 365
Verwellt ift die Blume, vertrodnet, ad, Ich ſchau' vergebens hinein,
Ich ſuch' in allen Gärten nah,
Find’ nimmer dieß Blümelein.
13.
Nie hab’ ich früher Leid empfunden, Als bis der Rabe mir vom Dad
In ftillen mitternächt’gen Stunden Mit Kreifchen in die Kammer ſprach:
„Ich komm’ vom Schmaus, id komm' vom Schmaus, Mic, ſchiden meine Kameraden,
Das ſchone Magdlein hier im Haus,
Ich fol es laden, foll eö laden.
„Dich lad' ich ein, dich lad' ich ein, Nicht ſollſt du ſpeiſen mit den Raben, Du ſollſt nur ſehn im Mondenſchein, Wie ſie verſchmauſen deinen Knaben.
Heut Morgen kam er uns vorbei,
Dir flogen mit ihm krächzend, kraͤchzend, Er ſchoß ins Hien ſich ſchweres Blei, Da lag er blutig, achzend, ächzend.
„Komm mit hinaus, komm mit hinaus, Es laden did) die ſchwarzen Raben, Du haft uns geben dieſen Schmaus, Komm mit, ſollſt deine Freude haben.“
4.
Ein Schädel bleichet im Sonnenbrand Da draußen auf dem Heibeland,
366
Zeitlofen.
Der Schäfer treibt daran vorbei
Und weiß nit, weß der Schädel fei.
Es war ein fchönes Mägdelein,
Der Aga traf fie ganz allein, J Weil ſie nicht that, was er gebot,
Schlug fie der böfe Aga todt.
Es hat kein Menſch nach ihr gefragt,
Es bat fein Menſch ihr nachgellagt,
Den Schädel bleihen Sonn’ und Wind — Ad, Gott, fie war ein Waifenkind.
15. Aürtifg - Tatarifi)
Ich ſchleiſe mein Meſſer
Am ſteinernen Rad,
Kein Menfc weiß, was er morgen thut, Kein Menfc weiß, was er geftern that, Der Tag allein ift helle.
Ich fchleife mein Meſſer Am fteinernen Rad,
Der Tag allein ift belle, Werd’ ich einem Hammel Durch) die Kehle ſchneiden? Ober wird ein Giaur Aus dem Leben ſcheiden? Ich ſchleife mein Meſſer Am ſteinernen Rad,
Der Tag allein iſt helle.
Wreloniſche Volkslieder.
Merlin Wunderfhäter. Wohin fo früh zur Morgenftund, Merlin, mit deinem ſchwarzen Hund?
— Bau wau! mu! mau mau! mau! wau wau! wu! Bau waul mul waul mul —
Ich ſuch', ich ſuch' mit Zauberei, Ich ſuche hier das rothe Ei,
„Des Seewurms rothes Ci am Strand Und im Geflüft der Felſenwand.
Ich ſuche, wo auf der Wiefe blühn Das goldne Kraut und die Kreſſe grün.
„Und nad der Miftel muß ic fpähn, Do Eichen am Duell im Walde ſtehn.“
Merlin ! nicht weiter follft vu gehn, "Die Miftel laß auf der Eiche ftehn;
Das golone Kraut laß weiter blühn Und auf der Wiefe die Krefje grün;
Und laß das Schlangenei bebedt Vom Schaum des Meers, im Feljen verftedt.
Merlin, Merlin! laß das Treiben fein. Der Wunderthäter ift Gott allein!
orig Hartmann, Werke. 1. 24
370 Bretonifche Voltslieder.
Foiza und Abalard.
„Richt mehr als zwölf Jahre hatt’ ich, ala mit Abalard, dem weifen Und geliebten Lehrer, aus dem Vaterhaus ich ging auf Reifen. „Als id mit dem teuren Lehrer bin in Nantes angelommen, Hat’ ich die Bretagnerſprache nur gefprogen und vernommen. „Nichts als die Gebete wußt' ih, nur dad Ave und das Pater, Da ich noch ald Meines Mädchen mar daheim bei meinem Vater. „Aber eine Hochgelahrte bin ich jegt in allem Weſen, Frankiſch und Lateiniſch weiß ich, ſchreiben kann ich nun und leſen. „Stark in Schrift und Sprache, weiß ich auch die Bibel auszulegen, Und trotz einem Priefter geb’ ich einer Hoftie Weih’ und Segen. „In der Mefje weiß des Priefters Sinn zu Sünden ich zu wenden, Und die Neftel ann ich Tnüpfen in der Mitt’ und an den Enden. „Und ich weiß, wo fi) in Aſche Gold, gebiegnes, reines, findet Und im Sande klares Silber; und wenn mic) fein Zauber bindet, „Kann ich eine ſchwarze Hündin, einen Raben aus mir maden Ober einen tollen Irrwiſch, wohl au, will ich's, einen Drachen. „Und ich weiß ein Lied, das reißet auf den Himmel gleich Ger mwittern, Und das macht die See erbeben und das Erdenrund erzittern. „Wohl vertraut mir und bekannt ift alles Wiſſen diefer Erbe, Sei’! von Dem, mas ſchon geweſen, ober mas gefchehen werde. „Bu dem erften Latwerg, das wir im Verein bereitet haben, Nahmen wir das Herz der Kröte und das linke Aug des Raben „Und des Farrnkrauts Samen aus dem hundert Faden tiefen Bronnen Und des Goldlads Wurzel, die ich auf der Wiefe hab’ gewonnen. „Nadten Hauptes, nadten Fußes in der erften Morgenftunde, Nur das Hemd auf meinem Leibe, riß ich fie auß ihrem Grunde.
Loiza und Abalard. 371
„An die erſten Proben, die ich angeſtellt mit meinen Tränken, Wird das Roggenfeld des Pfarrers und wird ſelbſt der Pfarrer denten.
Denn von achtzehn Megen, die er außgefät in Frühlingstagen, ‚Hat er in der Zeit der Ernte nicht zwei Hand voll heimgetragen.
Hab’ zu Haus bei meinem Vater einen Heinen Silberkaften ; Wehe Dem, der ihn zu öffnen waget oder anzutaften !
„Sind drei Vipern drin, die brütend um ein Drachenei fich ſchlingen;
Wenn mein Drache auflommt, wird er manderlei Verderben bringen.
„Wenn mein Drache auflommt, wehe! Vieles richtet er zu Grunde,
Flammen wird er um ſich werfen, fieben Meilen in die Runde.
Richt mit Rebhuhnfleifche nähr' ich noch mit Schnepfen meine Schlangen,
Sondern mit dem Blut der Kinder, die die Taufe nicht empfangen.
„In dem Kirchhof hab’ das erfte Kindlein ich getöbtet, eben Als der Priefter im Talare ihm die Taufe wollte geben.
„Als fie es beftattet hatten, ſchlich ich bin auf leifen Sohlen, Nur in Strümpfen und geräufchlos, um es aus dem Grab zu holen.
„Wenn ic auf der Erde bleibe und mit mir die Kunft, die freie, - Wenn wir auf der Erde bleiben, nur ein Jahr noch oder zweie, Nur ein Jahr noch oder zweie, ich und ber die Kunft mich Iehret, Wird die Welt wohl von und Beiden, wird die Erde umgekehret.“
— Gebet At, o jung Loiza, gebet Acht auf Eure Seele! -Diefe Welt ift Euer, jene ift dem Herren zu Befehle.
372
Bretoniſche Vollolieder.
Dohanna die Flamme. 1 „Was klimmt dort das Gebirg herauf? IR wohl von ſchwarzen Hämmeln ein Hauf.” — „Bon ſchwarzen Hämmeln ein Hauf? — D nein! Ein Heer — Das könnte eher fein.
„Ja, ja, ein Heer aus Frantenland, Bor Henbont zieht es, das wird berannt.“
2.
Die Herzogin ritt die Gaſſen entlang, Da waren alle Gloden in Gang.
Auf weißem Zelter trabte fie,
‚Ihr Meines Kindlein auf dem Knie.
Allüberall, wo fie zog vorbei,
Erhob das Voll ein Freudengeſchrei: „Dem Sohn und der Mutter helfe Gott, Die Franken aber mad’ er zu Spott!" Und als der Umzug war vorbei,
Da hörte man der Franken Geſchrei: „Bir fangen im Lager mit Einem Streich Die Hindin jegt, ihr Junges zugleich. Bir haben goldne Ketten bereit, Bufammenzubinden alle Beid'.“
Bon ihrem hohen Thurm herab Johanna, die Flamme, die Antwort gab: „Die Hindin fängt man ſchwerlich ein; Den tüdifhen Wolf — Das kann eher fein.
Yohanna die Flamme. ' 873 „Wenn er zu talt hat in biefer Naht, Bird ihm in die Höhle ein Feuer gemacht.“ Die fie geſprochen dieſes Wort, Ging fie mit grimmigem Herzen fort. Sie jog ein eiſernes Mieder an, Einen ſchwarzen Helm hat fie aufgethan.
Sie nahm ein Schwert von ſcharfem Stahl Und Krieger, dreihundert an der Zahl;
Hielt einen Feuerbrand empor Und zog aus ber Stadt durch ein Geitenthor.
3. Die Franken faßen in guter Ruh Beim Mahle und fangen Luftig dazu; Die Zelte hatten fie zugemacht, Die Franken, und fangen durd die Nacht, AS eine ferne Stimme erllang, Die ſonderliche Antwort fang: „Wohl Dancer, der fingt in diefer Nacht, Wird meinen, eh der Tag erwacht! „Wohl Mancher, ver weißes Brod jegt ißt, at ſchwarze Erde in kurzer Friſt! „Wohl Mancher, der ſich am Rothwein legt, Wird bald von fettem Blute benegt! Wohl Mancher, der jet den Prahlhans macht, Wird Aſche fein vor Ende der Nacht! So NMancher neigte ſchwer fein Haupt, Vom fühen Wein der Sinne beraubt,
374
Bretonifhe Voltslieder. Da folcher Nothruf das Lager durchzieht: „Es brennt! es brennt! ihr Freunde, entflieht!
„Das Feuer brennt, dad Feuer ledtl Johanna, die Flamme, hat's angeftedt !“
Johanna, die Flamme, iſt fürwahr Das kuhnſte Weib, das jemals war!
Sie hat an alle vier Eden gelegt Das Feuer, das jetzt das Lager durchfegt.
Der Wind, der hat e3 noch angefacht Und weiter gejagt und erhellt die Nacht.
Die Zelte find vom Feuer verzehrt,
Die Franken geröftet, zu Aſche verkehrt; Zu Aſche verkehrt Dreitaufend und mehr; Nur Hundert entlamen vom ganzen Heer.
4 Johanna, die Flamme, lachte da, AS fie des Morgens durchs Fenfter ſah. Und als fie ſah hinaus ins Land, Da war das ganze Lager verbrannt. Da ftieg der Rauch in Wirbeln auf, Und jedes Zelt war ein Aſchenhauf. Johanna, die Flamme, lachte vol Spott: „Welch ſchönes Aderfeld, mein Gott! „Mein Gott! wie ſchön iſt das Feld zu fehn, Ein Samenkorn wird tragen zehn.
„Das Sprühwort ver Väter bleibt doch gut: Der befte Dünger ift gallifhes Blut,
Die Pathe du Guesclins. 375
„Nichts mag dem Kornfeld fo nahrhaft fein, Als wie zermalmtes galliſch Gebein.“
Die Vathe du Guesclins. 1.
Die Sonne lacht, es glänzt der Tag, Der Thau erglänzt am Nofenhag.
Der Thau erglängt, befeheinen nicht Mag ihn der Sonne heil’ges Licht.
Denn Das ift nimmer Himmelsthau, Blut ift eg, Blut, was ich erſchau'.
Blut iſt's, das Rojerfon verfprigt, Der fhlimmfte Sachs, der im Lande figt.
2. „Mein Gretchen, du bift ein flintes Kind Und rafch zu Fuße wie der Wind, „Bring morgen früh die Milch aufs Feld, Den Mannen, die die Saat beftellt.“ — „Mein Mütterlein, haft du mich lieb, Wem Andern die Beftellung gib. „Ben Andern fchide, mein Mütterlein, Leicht fallt auf mich ein böfer Schein, „Es kann's mein älteft Schwefterlein, Es lann's wohl auch mein jüngftes fein. „D Mutter gut, befteht nicht drauf, ‚Herr Rojerfon, der paßt mir auf.“
376
Bretonifche. Boltalieder. — ‚Mag immer pafien, wem's behagt, Ihr werbet gehen, Euch iſt's gejagt.
Ihr werdet gehen vor Tage ſchon, Da ſchlaft nod gut Herr Rojerfon.”
3 Und Morgens früh da ftand fie auf, Zu Vater, Mutter ſprach fie drauf, Zu Bater, Mutter ſprach voll Gram Margrethen, da fie den Milhtopf nahm: „Run, Vater, Mutter, nun Ave, Weil ich euch niemals wieberfeh'. „Ade, ihr beiden Schweſtern mein, Are, ade, Franzefe Hein.” So ging das Mägblein ihren Gang, Das holde Kind, ven Wald entlang. Barfuß, lieb, flint zog fie vorbei, Den Milchkrug auf dem Kopfe frei. Vom Schloßthurm boch, von ferne ſchon, Sah fie heran nahn Rojerfon. „Schnell auf, mein Page, aufgewacht Und auf ein Häslein Jagd gemacht; „Ein Häßlein weiß, das auf dem Kopf Tragt einen mildgefüten Topf.“
4.
Das Mögplein tam entlang den Strand, Der Herr ſchon auf der Lauer ftand;
Die Pathe du Guesclins. 377
Er ftand an feiner Zugbrüd’ da,
Und fie erbebt, wie fie ihn ſah.
Bor Schreden bebt fie — den fie trug, Vom Kopfe fiel herab ver Krug.
Das arme Kind, wie's Das erfchaut,
Da weinte fie, fie weinte laut.
„Sei ftill, du haft geweint genug,
Man gibt, dir einen andern Krug.
„Zum Imbiß komm mit mir, mein Kind, Man wird den neuen füllen geſchwind.“ — „Dank, fhöner Herr Ritter, laßt Das fein, Ich nahm ſchon meinen Imbiß ein,“
— „So geh mit mir in den Garten hinaus Und pflüde dir einen ſchoͤnen Strauß.
„Du findeft dort auch Blumen genug,
Zu zieren deinen neuen Krug.“
— „Die Blumen lafi’ ich für Andre ftehn, Ih muß ein Jahr lang in Trauer gehn.“ — „So pflüde die Beeren friſch und gut Im Garten, fie find fo roth wie Gluth.“ — „Und mögen fie fein fo roth wie Gluth, Ich fürchte die Schlange, die drunter ruht. nDer Ruf der Schnitter dringt an mein Ohr, Sie werfen mir meine Trägheit vor.
„Sie fragen, wo id auf meinem Gang Mit meinem Milchtopf bleibe fo lang."
— „Du follft ja gehn in kurzer Friſt, Sobald nur dein Milchtopf bereitet ift. Mein Grethen, fie find juft dabei,
Sieh felber nad} in der Meierei.”
378
Bretonifehe Volkslieder.
Als fie des Schloſſes Schwell* erreicht,
Da zittert ihr Fuß, ihr Antlig erbleicht.
Und als das Thor ind Schloß fiel jäh,
Da murde fie fo weiß wie Schnee,
„Sei nicht fo bang, bu Meine Maid,
Ich thu' dir wahrlich nichts zu leid.“
— „Und wollt Ihr mir kein Leid thun nicht, Darum entfärbt fi Euer Geſicht ?"
— „Wenn mir im Geſicht die Farbe vergeht, Das macht die kalte Frühluft, die weht.”
— „Nicht weil fo Talt die Früfuft ftreicht, Bor fhlimmen Gedanken feid Ihr erbleicht.“ — „Schmweig ftil und komm, bu närriſch Kind, Zum arten, wo ſchöne Aepfel find.”
Und als fie nun im Garten ftand,
Sie brad einen Apfel mit bebenver Hand.
— „Gebt mir ein Meſſer, Herr Ritter, ich bitt', Daß id den Apfel ſchale damit.”
— „Benn du ein Meſſer willſt, mein Kind, So gehe zur Küche, wo viele find.
„Dort liegt eins auf dem Eichentiſch,
Heut Morgen erft wurd’ es geſchliffen friſch.“ Klein Gretchen trat auf die Kachenſchwell', Zum alten Roche fagte fie fhnell:
nDu lieber Koch, o, fteh mir bei
Und laß mid, hinaus und mad mid) frei.”
— ‚Mein Töchterlein, ach, es fann nicht fein, Sie zogen des Schloſſes Brüde ein.“
— „Ha, wenn der Mann mit dem Löwenhaupt Es wüßte, daß Rojerfon mich geraubt.
Die Pathe du Ouesclins. 379
„Benn’s Guesclin wühte, mein Pate gut, , Da müßte fließen rothes Blut.“
5 Und eine Heine Weile danach ‚Herr Rojerfon zum Pagen fprad: „®o mag das Heine Gretchen fein, ‘ Daß fie nicht kommt zum Garten herein?“ — „Ich ſah, wie fie in der Küche ftand, Ein Meffer in ihrer Heinen Hand. „Sie vief: Herr Jeſu, ich fleh' zu dir, D, fag mir an, was mad’ ich mit mir! „O, fag mir an in meiner Noth, Erwähl" ich das Leben oder den Tod? Ja, heilige Jungfrau, keuſch und rein, Die du, will id im Tobe fein. „Bet liegt fie auf dem Antlig, weh! Und rings herum ein blutiger See. „Das Meſſer ftedt ihr im Herzen tief, Ich hörte, wie fie fterbend rief: „Der Nitter Guesclin, ver Pathe mein, ‚Herr Guesclin wird mein Rächer fein.“ — „Sei fill, mein Page, und mad) dic) bereit, Den todten Leib in Stüde fehneid,
„Ich trag’ fie im Korbe niever zum Bach, Früh Morgens, eh die Lerchen wach.“
380
Bretoniſche Volkslieder.
6. Und als er vom Fluß fam über ven Gteg, Da trat ihm der Pathe in den Weg; Da trat Herr Guesclin vor ibn dicht, Wie Sauerampfer war fein Geficht. derr Rojerfon, fagt, ich bite’ Eud) ſehr, Bo kommt Ihr mit dem Korbe her" — „Bom Fluſſe tomm’ ich, Das feht Ihr ja, Nur junge Kagen erfäuft’ ih da.” — „Das Blut, das aus dem Korbe träuft, IR nicht von Käglein, die man erfäuft. Herr Engelländer, ich frag’ Euch jegt, . Bann faht Jhr das Heine Gretchen zulept?” — „36 fab die Heine Margaret Nicht mehr feit der Kirmeß von Cleoved.“
— „Du lügft, Verräther! denn geftern Nacht.
Haft du fie felber umgebracht.
Den ganzen Adel befchimpfft du ſchwer Und beine eigene Ritterehr.“
‚Herr Rojerfon, wie er hört das Wort, Da fährt er nah dem Schwert fofort. „Du wirft der Erſte fein, der erfährt, Ob ich das Ritterthum entehrt.
„Du follft es erfahren, Herrenknecht, Ob ich ein Ritter heiße mit Recht.
„Run drauf! nun dran! und unverzagt! Und keine Gnabe! wenn dir's behagt!* — „a, mir behagte ftet3 umd gefiel Mit Männern von Herz das Waffenfpiel,
Der Shman. 381
Ich fpiel’ es ftet3, wo man ehrlich ficht, Mit Mädchenmördern fpiel’ ich es nicht. „Und wo id) einen treffe, zur Stund
Sälag’ ic) ihn nieder wie einen Hund."
Und wie er diefe Worte ruft,
Da hebt er fein großes Schwert in die Luft Und haut nad) dem Engelländer zugleich Und fpaltet den Kopf ihm mit Einem Streich.
7. Herr Nitter Rojerfon ftarb zur Stund; Schloß Trogoff ward zerftört von Grund. Gebrochen ift der Zwingheren Wehr, Den Sachſen eine gute Lehr. \ Den Sachſen eine gute Lehr, Den Bretonen eine gute Mär.
Der Schwan. Ein Shwan, ein Schwan ift kommen übers Meer. Er ſchwebt um Armors alten Schloßthurm ber. Din! Din! Daon! Erwacht! erwacht! O Din! Daon! Es geht zur Schlacht! Wie gut die Kunde dem Bretonen klingt, Die rothen Fluch den Frantenföhnen bringt! Din! Din! Daon! Erwacht! erwacht! D Din! Daon! Es geht zur Schlacht! Ein großes Schiff ift in die Bucht gegangen, Die weißen Segel bauſchen ſich und prangen.
382 Bretoniſche Vollslieder. ‚Here Jann iſt heimgekehrt in dieſen Tagen, Herr Jann, um ſich fürs Vaterland zu ſchlagen. Sein Schwert hat gen die Franken er gezüdt, Die der Bretonen Heimat unterbrüdt. Vom Freudenjubel, ver fi rings erhebt, Erhallet das Geftade und erbebt. Der Berg von Laz erbröhnt, die weiße Stute Bäumt fi und wiehert auf in frohem Muthe. Die Gloden fingen mit vergnügtem Munde Uebrall auf hundert Stunden in die Runde, Der Sommer fommt; im Lichte glänzt die Welt, Here Jann ift heimgefehrt, Herr Jan, der Held. ‚Here Jann ift uns ein kräftiger Gefell, Sein Fuß ift wie fein Auge raſch und ſchnell. ‚Herr Jann, Bretonenmild ja fog er ein, 's ift eine Mil gefund wie alter Wein, Sein Speer, wenn er ihn wiegt, wirft ſolchen Glanz, Daß er jedwedes Aug verblendet ganz. Sein Schwert, wenn er e3 ſchwingt, führt ſolchen Streich, Daß e3 zerfpaltet Mann und Pferd zugleich. — Schlage zu, edler Held, halt dich gut! Schlage draufl waſche fie im eignen Blut. Ber alfo haut, wie deine Hiebe gehn, Der hat fein Gut von Gott allein zu Lehn. — Haltet aus, Bretonen, haltet gut, Keine Gnade, keinen Frieden, Blut um Blut! Du der Bretagne unfre liebe Frau, In Gnaden auf das Land herniederfchau ! Wir ftiften eine Meffe dir, zu Ehren, Die ewig foll und aber ewig währen.
Der Schwan. 383°
Das Heu ift reif, wer fommt, um es zu mähen? Das Korn ift reif, wer wird zur Ernte gehen? Das Heu, das Korn, wer wird nad Haus fie tragen, „Ich werd’ e3 thun!“ hört man ven König fagen. Er kommt, zu mähen im Bretonenland,
Mit einer Silberfenje in der Hand.
Die Silberjenfe foll die Wiefen mähen,
Die golone Sichel durch die Felder gehen.
Der Franke ſoll's erfahren no am Ende,
Ob die Bretonen haben Füß’ und Hände!
Herr König! Du erfährft es bald mit Spott,
Ob du ein Menfc nur feieft oder Gott.
Der Wolf des Landes fletfht ven Zahn ergrimmt, Weil er des Heerbanns wilden Ruf vernimmt.
Er hört das Kriegsgeſchrei, drum heult er fo,
Er wittert Franken, under heulet froh.
Bald fieht man Blut von Weg und Strafen gießen, Wie Waſſer wird es in den Gräben fließen,
Und Ent und Gänfe ſchwimmen in dem Blut, Und ihre Federn find fo roth wie Gluth.
Mehr Lanzenfchäfte liegen rings zerfplittert,
ALS Zweig’ im Walde, wenn es wild gewittert. Mehr tobte Köpfe liegen da in Schaaren,
Als Knochenhauſer rings im Lande waren.
Der Franke bleibet liegen, wo er lag,
Und wo er fiel, bis an den jüngften Tag,
Der ihn verbammet, ihn und ben Derräther, Der eingeführt den Feind ins Land der Väter. Der Thau der Bäume fält allein herab,
Statt des geweihten Waſſers, auf fein Grab.
"384
Bretoniſche Vollalieder.
Din! Din! Daon! Erwacht! erwacht! D Din! Daon! Es geht zur Schlacht!
Die jungen Seufe von Plonie. 1.
Verflucht fei die Sonne, der Mond fei verflucht! BVerflucht der Thau, der die Erde befrucht't! Verflucht ſelbſt die Erbe, die Plouiéer Erd', Die ſchuld iſt am Streit, der die Dörfer verheert; Die hat geboren in ihrem Schooß Den Kampf, der losbrach mit wildem Getos, Der alles Landvolk zum Aufruhr hetzt Und mehr ald Einen Bauer verlegt, Der manden Mann um den Sohn gebracht Und mande Witwe und Waiſe macht, Der manches Kind auf die Strafe jagt, Das hinter der Mutter geht und klagt. Verflucht fei vor Allen der Herr aus der Statt, Der immer bedrũdt den Bauer hat! Der Edelmann von neuer Art, r Der in der Hede gezeuget ward! Der Abenteurer vom Frankengeſchlecht, Der nie Bretone ift gut und ächt,
Wie nie eine Schlang’ ift von Taubenart, Weil fie von der Taube gebrütet warb!
Die jungen Leute von Plouis. 385
. 2.
Als am Pfingfttag die Meſſe geendet hatt‘,
Erſchien im Kirchhof der Hahn der Stadt,
Der Schutze, der Stadtknecht von Kemper erſchien,
Stand auf den Stufen des Kreuzes hin.
Sein’ Augen waren vor Zorn erglüht,
Die kochendes Waffer im Topfe fprüßt.
„Mertt auf und Hört, ihr Ploui6er Leur’!
Das ih-euh will verfündigen heut:
Geſchäßt werd’ Alles in Jahr und Tag,
Was Jever von euch befigen mag.
Die Häufer und der Dünger gar,
Auf eure Koften gefchiehrs fürwahr.
„Geht hin mit eurem neuen Geld
Und ſucht euch ein ander Neft im Feld.“
Kaum daß er dieſe Worte ſprach,
US los ein großer Aufruhr brach.
Es ftürmte Alt und Yung auf ihn,
Die Einen weinten, die Andern ſchrien.
Und Viele ftürzten hin vor Schmerz,
Sie ftürzten zu Boden, gebrochen das Hz.
Ihr Väter! ihr Mütter! wir kommen nicht mehr
Und knieen um eure Gräber her.
„del ade! verjagt mit Gewalt,
Fern von der Heimat irren wir balo,
Bo ihr ung nährtet am Herzen warn,
Wo ihr und getragen auf dem Arm.
„Adel ihr heiligen Männer und Fraun!
An eurem-Altar follt ihr nimmer ung ſchaun. Morig Hartmann, Werte. 1. 25
386
Bretoniſche Volkslieder.
„Adel du Echugpatron unfrer Gemeint
Dir ſchlagen den Weg des Elends ein.“ " Da ſprach von Plouie der junge Hauf: „Ihr Mädchen! fparet das Weinen auf, „Bis daß von jedem Bauerntind
Das Blut auf die Schwelle des Haufes rinnt, Bis daß ber legte Tropfen gefror —
Das Blut der Franzofen ſeht ihr zuvor l Der Schutz, als er hörte ſolches Wort,
Da |prang er ſchnell vom Kreuze fort.
Er fand zur Flucht nicht Thür noch Thor, Er lief wie ein Menſch, der den Kopf verlor. Er ftürgte fih in das Beinhaus hinein, Verkroch ſich in der Bretonen Gebein.
Nun höret, welch ein Wunden geſchah,
Wie lebend regten die Knochen ſich da:
Sie ſtiegen empor, ſie ſtanden frei,
Rings um den Schügen in einer Reih.
Hin flürzt er, erbrüdt auf einen Schlag, Daß er in Gebeinen begraben lag.
3 Das junge Volk von Plouis ſprach: \ „Das geht uns an, ſchaun wir felber nah!”
Und als fie famen vor Kemper Thor, Sie fragten nad) ihren Herren zuvor;
Macht auf die Thore, wir ſprächen gern, Wir Leute vom Lande, mit unfern Herrn.”
Die jungen Leute von Plouis. 387
— „Ihr Bauerngefinvel! fortgetrollt |
Wenn ihr nicht Pulver riechen wollt !*
— „Uns kümmert euer Pulver nicht mehr Als eure Herrn, die euch ftellten hieber!“ Sie hatten noch nicht gefhloffen den Mund, So lagen dreißig auf dem Grund. Dreitaufend aber drangen hinein,
Die Stadt, fie brannte mit Iuftigem Schein, Daß Ad und Weh der Bürger ſchreit:
„Ihr Männer von Plouie! Barmberzigteit l Biel Häufer mußten in Afche vergehn,
Das Haus des Biſchofs ließen fie ftehn, Des Rosmadels Haus, de3 geliebten Herrn, Er hatte ftet3 die Bauern gern.
& ftammt’ aus bretonifhem Konigsgeſchlecht, Er bielt auf altes Gefeg und Recht.
Der Biſchof von Kemper gebot und rief, Indem er die Gaſſen der Stadt durchlief: Ihr Rinder! laſſet das Sengen fein,
Im Namen Gottes haltet ein!
„And fehret zurüd an euren Herd,
Das Recht ſoll beftehn, wie ihr's begehrt.” Die Männer von Plouie hörten fein Wort — „Rommt ! kehren wir heim, kommt ! ziehen wir fort!“ Das aber war nicht zu ihrem Glüd —
Nicht Ale kehrten nach Haufe zurüd.
388
Bretonifce Baltötieder.
sa Frontenele. 1
dontenelle, ver fhönfte Burſche von Prat, Der jemals Hofen getragen hat,
Stahl eine reihe Erbin ked
Vom Schooße ihrer Amme weg.
„Was fuchft du, Heines Fräulein, fag, In diefem Graben am frühen Tag?"
— „Ih fammle Sommerblumen ein
Für mein geliebtes Milchbruderlein.
„Für mein geliebtes Milhbrüderlein
‚Hier famml’ ih Sommerblumen ein, Doch hab’ ih Furcht und zittre fehr,
Es fomm’ La Fontenelle daher.”
— ‚Mein Heines Fräulein, faget mir, 2a Fontenelle, ven Iennet Ihr ?“
— „2a Fontenelle, ven kenn’ ich nicht, . Doc hör’ ich, was man von ihm fpricht.
„Ich hab’ gehört zu jeder Frift,
Daß diefer Mann ein böfer ift,
Der Mädchen ftiehlt, der Mädchen ftahl —“ — „Ja ja! und Erbinnen zumal!”
Da nahm er fie in beide Arm’
Und berzte fie und kußt' fie warm
Und ſchwang fie hinter fi auf den Bug Und ritt nah Saint» Malo im Flug.
Und da fie dort gelommen an,
‚Hat er fie in ein Kloſter gethan. Und als fie vierzehn Jahre zählt, Da bat er fi mit ihr vermahlt.
2a Fontenelle.
2.
Das Schloß Koadelan bewohnt das Paar, Und als fie ihm ein Kind gebar,
Bar ſchon das Kind wie des Tages Glanz, Dem Vater, La Fontenelle, gli e3 ganz. Da ein Schreiben, kam ein Brief,
Der ihn nad Paris, der Stadt, berief. „Ich laff’ Euch hier allein am Ort,
Denn augenblidlih muß ich fort.“
— ,„D, bleibt daheim, mein Chgemahl, Viel lieber ich einen Boten zahl.
D, geht nicht fort, ich fleh' Euch fehr, Denn gebt Ihr, kehrt Ihr nimmermehr !* — „Bleibt Ihr nur ohne Furcht zu Haus, Ich gebe felbft und richt’ es aus;
Pflegt meines Sohns mit treuem Sinn, Derweil ich von bier ferne bin.“
Bevor er zog zur Hauptftabt fort,
Zum jungen Volte ſprach er dieß Wort: „Der beiligen Jungfrau gelob’ ich bier, Der Mutter Gottes, das ſchönſte Panier. „Das ſchönſte Panier und das fhönfte Gewand, Wenn ihr nicht mein vergeffet im Land, Und wenn ihr nehmt mein Kind in Acht, Bis ich den Weg zurüdgemadt,“
3 Gott grüß’ euch, König und Königin, Ihr ſeht, da ich gelommen bin.“ — „So ſeid willfommen in unferm Haus! Ihr kamt herein und geht nicht hinaus.“
389
390
Bretoniſche Volkslieder.
— „Gewiß, ih werde wieber gehn, ‚Herr König, oder wir wollen ſehn! Man fattle mir mein Roß geihwind, Daß ich zurüctehr' zu Weib und Kind.“
— „In Roabelan kehrt Ihr nimmer ein, Im Kerker, Das kann eber fein.
Ich habe Ketten genug im Haus,
Sie reihen für Zwei, aud für Dreie aus.“ — „Mein Heiner Page, hör’ mid an, Mein Page, reit nach Koadelan.
Der armen Erbin klag und ſag,
Daß fie nicht fürder Spigen trag’;
Daß fie nicht fürder Spigen trag’,
Ihr armer Herre liegt in Klag'.
Mir aber bring ein Hemde fein,
Ein Leilach, mich zu hüllen darein.
„Mir aber bring ein Hemd von Sein,
Ein großes Leintuch, weiß und rein,
Und eine goldne Schüffel dazu,
Darauf mein Kopf zur Schaue ruh'.
Hier nimm von meinem Haar zuvor
Und bind's daheim and Kicchenthor,
Und ſehn's die Leute, ſprechen fie:
„Gott fei barmberzig dem Marquis.”
— „Tragt Haare fort, fo viel ihr wollt, Doch unnüß ift die Schüffel von Golo, Wir werfen den Kopf auf den Pflafterftein, Dort wird er ein Ball für die Kinder fein.“ Der Heine Page, er am an,
Und alſo ſprach er zu Koadelan:
„Euch, Erbin, einen befiern Tag,
Als Euer Gemahl ihn haben mag.
2a Fontenele. 391
„Er will durch mid) ein Hemde von Lein, Ein großes Leilach, weiß und rein,
Und eine golone Schüſſel dazu,
Darauf fein Kopf zur Schaue ruh'.“
4
Das Volt von Paris ſah ftaunend drein, Es frug: „Was mag wohl geſchehen fein, Daß eine Dame aus fernem Land
Kommt ſchreiend durch die Gaffen gerannt?"
— „Daß ift die Erbin von Koadelan,
Mit grünem Schlepplleid angethan.
Ad! wenn fie wüßte, was mir befannt,
Sie legte an ein pechſchwarz Gewand.”
— „Herr König, ich fleh' Euch, fo viel ich kann, D, gebt heraus mir meinen Mann.”
— „Den Mann, den geb’ ich Cuch nimmermehr, © liegt auf dem Rabe, drei Tag’ iſt's her.“ Ber immer am’ nad Koadelan,
Dem finge das Herz zu bluten an,
Dem wäre das Herz von Gram beſchwert,
Zu fehn das Feuer erloſchen im Herb;
Zu fehen Unkraut und Neſſeln nur
Auf Schwell und Trepp’ und auf dem Flur, Und auf dem Flur und im Saal zu fehn
Die ſchlimme Welt vol Hoffahrt gehn.
Zu fehen die Armen in ihrem Leid,
Sie gehn vorbei voll Traurigkeit
Und rufen au? in ihrer Notb:
Die Mutter der Armen, fie ift tobt!“
392
Bretoniſche Vollslieder.
Der Dod Vontcalecs. 1.
Ein neues, neues Lied erklingt, Das Herren von Pontcalec befingt. Hal du Verräther, fei verflucht! Du, fein Verräther, fei verflucht!
Sei verflugt!
Sei verflucht! Ein Lied vom Marquis von Pontcalec, Er war fo ſchoön, fo herzhaft und ted! Er liebte der Bretonen Gefchlecht, Er war felbft ein Bretagner Acht. Ha! du Verräther, fei verflucht! Du, fein Verräther, fei verflucht!
Sei verflugt!
Sei verflucht! Er war geboren in diefem Land, Auſwuchs er an dem heimifhen Strand. Wenn er die Bretonen geliebet bat, Nicht hat er geliebt die Bürger der Stadt. Nicht hat er den Bürger der Stadt geliebt, Der immer Recht den Franzofen gibt; Der immer Unrecht dem Armen thut, Weil der nicht Renten bat noch Gut; Dem Armen, der mit der Arme Kraft Das Brod für feine Mutter ſchafft. Der Bontcalec hat den Entſchluß gefaßt, Uns zu befreien von unfrer Laſt. Das ärgert den Bürger der Stadt, er ſpäht Nach Urſach, wie er ans Leben ihm geht.
Der Tod Pontaclecs. 393
Marauis! o, haltet Euch wohl verftedt, Die Bürger haben die Urſach entbedt.
2% €x ift feit langer Zeit verftedt, Ihr habt gut ſuchen, er wird nicht entdedt. Ein Bettler der Stadt, der gebettelt fein Brodb, Der hat ihm überliefert dem Tod. Kein Bauer hätt’ fid) verfündigt fo ſchwer, Nicht für fünfhundert Thaler und mehr. Juſt war das Feſt unfrer lieben Frau, US die Dragoner durchritten bie Au. „Sagt an, Dragoner, ob ihr nicht fucht Nach jenem Marquis, der auf der Flucht?“ — „So thun wir, und gib und Beſcheid, Wenn du e3 weißt, wie ift fein Kleid?” — „Er ift gefleidt nad) ber Sitte vom Land, Gr trägt ein geftidtes blaues Gewand. „Gin weißes Wamms noch trägt er dazu Und leinene Hofen und Ieverne Schub. „Sein Strohhut ift ganz roth durchnäht, Und lang ſchwarz Haar um die Schultern ihm weht. Aus feinem Gürtel ſchauen hervor Zwei ſpan'ſche Piftolen mit voppeltem Rohr. „Mit groben Gewanden ift er bededt, Darunter aber find golone verftedt. „Und wendet ihr drei Thaler dran, Wo ihr ihn findet, fag’ ich eud an.”
394
Bretonifge Boltstieder. — „Drei Thaler? — Keine drei Sous ſollſt du fehn, Doc Säbelhiebe, Das kann geſchehn.
„Ja, nicht drei Sous — und zum Pontcalec Wirſt du uns führen auf dem Fleck.“
— „Ihr guten Reiter, die ihr ſeid, Um Gott! fo thut mir nichts zu Leid.
„Um Gott! und thut mir nichts zu Leid, Ich geb’ euch gerne den Beſcheid.
„Ihr findet ihn in dem Pfarrhaus wohl, Er fpeist mit dem Pfarrer von Lignol.“
3. D edler Herr! ergreift die Flucht, Da kommen bie Reiter, die Euch gefucht. Da kommt der Dragoner ſchlimmes Geleit In glänzenden Waffen und rothem Aleid. „Richt glaub’ id, daß ein Reitersmann An mic die Hand je legen fan. Ich glaub’, es ift nicht Brauch im Staat, Daß einen Edlen ein Reiter faht.“ Er hatte noch nicht geenbet einmal, ALS fie ſchon drangen in den Saal, Er griff nady den Biftolen beid': „Ber nah kommt, dem gefchieht ein Leid!“ ALS Dieß der edle Pfarrer fah, Auf feine Knie warf er ſich da. nd, ſchießt nicht, ſchiebt nicht, Herren mein! Um Gott ven Erlöfer, haltet ein!"
"Der Tod Pontealecd. 395
Als er den Namen Deflen vernahm,
Der mit Geduld trug Leid und Gram,
Als er des Erlöferd Namen vernahm,
Ihm wider Willen das Weinen kam.
Die Zähne Happerten ihm vor Schmerz, Dann rief er: „Rommt !“ und faßt ſich ein Herz. Und als er kam durchs Dorf Lignol,
Da fagten die armen Bauern wohl,
Sie fagten: „Es ift eine Sünd und Schand, Zu binden den Marquis an der Hand.“
Und wie er nahe bei Berne war,
Da kam ihm vorbei eine Kinderſchaar: Guten Morgen, guten Morgen, Herr Marquis, Dir gehn zur Chriftenlehr,“ fagten fie.
— „Ade! ihr lieben Kindlein, ade!
Beil ich euch niemals wiederſeh.“
— „D Herr! und geht Ihr denn fo weit, Und kommt Jhr nicht wieder in kurzer Zeit?" — „Das ift dem Herrn nur offenbar,
Ibr lieben Kindlein, id bin in Gefahr.“
Er hätt’ fie geherzt und gefüßt fo gern,
Doch waren die Hände gebunden dem Herrn. Ein hartes Herz, das fih da nicht rührt,
€3 meinten bie Reiter felbft, die ihn geführt. Doch hat das Kriegsvolt allzumal
In feiner Bruft ein Herz von Stahl.
Sie haben ihn nach Nantes gebracht,
Da wurde ihm ber Prozeß gemacht.
Da hat man ihm bald ven Spruch gefällt, Er ward nicht vor feine Gleichen geſtellt.
396
Bretariſche Bollslieder. Er wurde gerichtet von einer Schaar, Die vom Hintern der Kutſchen gefallen war.
Gie fragten ihn: „Run faget an,
‚Herr Bontcalec, was habt Ihr gethan? Ich? — Meine Pflicht zu jeder Frift; Dut ihr, was eure Handwerls ift.“
4
Am erften Ofterfonntag im Jahr
Eine Bote nad Berne gelommen war. „Eud) Allen des Höchſten Gegen und Hort, Bo ift denn der Pfarrer von diefem Ort?“ — „Sr fteigt fo eben bie Kanzel hinan, Bald fängt die große Mefie an.“
Und wie er beginnen will den Spruch, Legt man ein Schreiben in fein Buch.
©r kann fein Wörtlein des Briefes jehn, Beil ihm die Augen voll Waſſer ſtehn. Was ift geſchehn in der Gemeind,
Daß der Herr Pfarrer alfo weint?“
— „Sch wein’ ob einer Neuigleit,
Die eud wird Thränen bringen und Leid. Ihr lieben Armen, er ift tobt,
Der euch die Kleider gab und das Brod. Todt ift, der euch fo treu verblieb,
Und der euch liebte, wie ich euch lieb‘. Todt ift er, der jein Land in Roth Geliebt, geliebt hat bis in den Tod.
Die Schlacht von Saint · Caſt. 397
Todt ift er im zweiundzwanzigften Jahr, Und wie ein Martyrer ftarb er fürwahr!
„Fleht, daß er Gottes Gnad erwirbt, Der Herr ftarb — meine Stimme ftirbt!“
Ha! du Verräther, fei verflucht! Du, fein Verräther, fei verflucht! Sei verflucht! Sei verflucht!
Die Schlacht von Haint-gaf. 1
Die Engelländer und die Bretonen,
Die neben einander als Nachbarn wohnen, Die find zur Welt gelommen, fürwahr! Sic) zu befämpfen auf immerdar.
Als mich des Nachts der Schlaf befallen, Da hört’ ich Trompetenklang erſchallen, Der halte vom Walde bis in die Bucht: Ihr Sachſen, ihr Sachſen, ſeid verflucht!“ Am Morgen drauf, da ich aufgeſtanden, Da ſah id die Engelländer landen;
Es Tamen ihre Soldaten daher,
Roth war ihr Kleid und von Golde ſchwer.
Und als fie zur Schlacht gereihet waren,
Da fah id kommen die Frantenfhaaren,
An ihrer Spige d'Aubigny ftand,
Den bloßen Degen in der Hand.
‚Und v’Aubigny rief: „Im Sturm genommen! Marſch! vorwärtö! und Keiner wird entkommen,
398
Bretonifihe Bollalieber.
Marſch! meine tapferen Kinder, und Muth! Nur vorwärts, mir nad) und haltet euch gut!”
Da riefen ihm die Antwort entgegen Einftimmig die franzöfifhen Degen:
„Ein wadrer Kamerad! da gehen wir mit, Dem Aubigny folgen wir Schritt für Schritt.”
Und als e3 fam zum Handgemenge, Da war fein Einziger im Gedränge, Der nicht die Augen meit aufthut,
Zu fehen, wie d'Aubigny zapfte Blut. Bon feinem Antlig, Kleid und Haare Lief ihm das Blut herab, das Hare, Das Blut, das er den Englifchen ließ, Indem er ihnen das Herz durchſtieß. Man fah ihn auf dem Feld des Kampfes So Halt inmitten des Pulverdampfes, So ruhig das Herz, fo hoch den Kopf, ALS wär’ eine Kugel nur ein Pfropf.
2%
Da zogen zum Kampfe die Bretonen,
Die in ber untern Bretagne wohnen ;
Sie fangen: „Wer dreimal fiegt im Streit, Wird fürver fiegen in Ewigkeit.
„Zu Camaret in diefen Tagen,
Da wollten die Sachen das Landen wagen, Sie tamen, ſich brüftend, über da Meer Mit ihren geſchwollenen Segeln daher.
„Sie fielen von unferen Kugeln am Strande Die Tauben nieder und lagen im Sande:
Die Sqhlacht von Gaint-Caf. 399
Viertauſend kamen und ftiegen aus, Kein Einziger kehrte zurüd nad Haus.
„Im Orte, den man Guidel nennet, Da landeten fie, im Lande Gmennet, Und fanden eine Ruheſtatt Zu Guidel wie zu Camaret,
„Im Sande Leon beim grünen Ciland, Da ftiegen fie von den Schiffen meiland, Da ließen fie fo viel Blut im Strauß, Das blaue Meer ſah blutroth aus,
nDie Hügel im Lante, die großen und Heinen, Sind alle geſchichtet aus ihren Gebeinen,
Um die ſich die Hund’ mit den Raben gerauft, Die's Wetter gebleiht und der Regen getanft.”
Die engliſchen Schügen bei diefem Gefange, Sie hielten vor Staunen ein im Gange; So ſchön ſchien ihnen Weile und Wort, Daß fie wie feitgebannt blieben am Ort.
„Ihr Schügen, fagt, ift der Muth euch erkaltet, Daß ihr fo plöglih im Anlauf haltet?”
— „Bir bleiben nicht ftehn, weil erfaltet der Muth, Dir find, wie Die, von bretoniſchem Blut.“
Nach diefer Rede: „Wir find verrathen,“
So riefen fie aus, „flieht, fliehet, Soldaten I“
Die Engelländer flohn zu den Schiffen herbei,
Doch kamen nicht mehr davon als brei.
3.
ALS Stebenzehnhundert man gefchrieben Und adhtundfänfzig, da wurde vertrieben
400 Bretoniſche Vollslieder.
Am zweiten Montag im Weiß⸗ Stroh «Mond Der Sachſe, der auf der Infel wohnt.
In diefem Jahre, da lernten das Laufen, Wie ſchon vor Zeiten, die fächfifchen Haufen. Und immer wie Hagel in dem Meer Schmilzt in der Bretagne das engliſche Heer.
Die Ghonans. Ihr Greife, ihr Mädchen, ihr Knaben und Alle, Nicht tauglich zum Kampf und zum Ueberfalle, Sagt für die Chouans, eh zu Bette ihr geht, Ein Pater: und Ave-Maria Gebet. Die Chouans find brav und vom Glauben, dem rechten, Sie ziehen, für Heimat und Pfarrer zu fehten; Pocht Einer bei euch — thut auf die Thür, Gott thut euch auf dereinftens dafür.
Julian der Rothlopf zur Mutter faget:
„Ich zieh’ mit Tinteniac, weil mir's behaget.“
— „Die Brüder gingen — auch bu willſt gehn? Doch weil du fo willft, mag Gott drein fehn !“ Die Chouans, fie kamen von nah und ferne,
Sie kamen von Dreger, von Wenned und Gerne, Die Blauen marſchirten von Frankreich daher Zum Schloß Koatlogen, dreitaufend und mehr. Die Stunde, fie jhlägt, ſchon hat fie geſchlagen, Den Kampf mit erbarmlichen Sölonern zu wagen. Muth, Kind der Bretagne, und ihnen zum Spott! Mit ihnen der Teufel, mit uns aber Gott!
Der Cadoudal hatte gewaltig zu ſchaffen,
Ein Prügel, das war fein einzig Gewaffen,
Die Blauen. 401
Ein Rofenkranz auch, der im Gürtel ihm ftedt,
Und mas ihm genaht, hat er niebergeftredt.
Sein Hut war durchlöchert, fein Rod zerſchliſſen,
Sein Haar von Säbelhieben zerrifien;
Es floß ihm das Blut von der Seite Har:
Fort hieb.er immer, er fang fogar.
Dann fah ich ihn nimmer, dann fah ich ihn twieder,
Er ſaß am Eihbaum und beugte ſich nieder,
Indem er viel bittere Thränen vergoß,
Der Herr von Tinteniac lag ihm im Schooß.
Die Shlaht war vorbei — in der Abendftunde,
Da ftanden Alt und Jung in der Runde,
Sie fprahen und nahmen bie Hüte ab:
Bir haben gefiegt, und Er muß ind Grab! an
Die Blauen.
Sehet! die Franzofen kommen; horchet, wie die Hunde bellen! Fliehet, fliehet in die Wälder! treibt die Heerven aus den Ställen! Volt von Kerne! fol ung nimmer, nimmer die Befreiung glüden, Soll denn ftet3 den armen Landmann Raubgefindel unterdrücken? Die und Weib und Kind getöbtet, die und unfre Töchter ſchanden, Morden felbft die armen Kranken, jene mit den weißen Händen; Welche Schloß und Hütte ließen hinter fich in euer ftehen, Welche Heu und Korn mit blut’ger Flamme von den Feldern mähen. Unfte Bäume, reich an Früchten, haben nieder fie gehauen‘, Wohl zehn Jahre ift fein Apfel mehr, kein Moft im Land zu ſchauen. Unfre Stiere, unfre Kühe ftahlen fie und unfre Stuten, Trieben Heerd’ und Hirten in die Stabt, wo fie zugleich verbluten.
Norig Hartmann, Werke, 1. 26
402 Bretonifche Vollslieder.
Stahlen heilige @efäße ſelbſt aus heil'gen Kirchenladen,
Und fie warfen vor die Thüre die Reliquien voll Gnaden.
Sie verheerten der Bretagne einft fo fette, grüne Erbe;
Stumm iſt's, feine Menſchenſtimme ſchallt und kein Geblöd der Heerde.
Könnte noch zu unſerm Troſte frei die Thräne niederfließen!
Aber fieht der Stadter Thränen, meint er, müfl' er Blut vers gießen.
Könnten wir zu unferm Heile nod) vor einem Kreuze knieen,
Gott zu flehn, daß er die Kräfte wieber fchaffe, die ung fliehen?
Aber, Herr! allüberall find deine Kreuze abgehauen,
Und e3 ift an ihrer Stelle nur das Fallbeiltteuz zu ſchauen.
Taglich fieht man deine Priefter einem Golgatha fi weihen,
Aehnlich dir die Stirne neigen und der ſand'gen Welt verzeihen.
Die entronnen in die Wälder, die Getreuen deiner Lehre,
Lefen Mefie in den Klüften, wohl aud auf dem ofinen Meere.
Andre, die zur Fremde fliehen, arm, dem Vaterland entfagen,
Dienen lieber, ald den Menſchen, ihrem Gotte, aud in Plagen.
Lieber wollen Brod von Hafer, noch fo kärglich zugemefien,
ALS das Weizenbrod, des Teufels Koft, fie unter Sünden eſſen.
Eingebrängt in ihre Häufer haben ſich die Eibesleifter,
Die um Silberlinge gaben, gleich wie Judas, ihren Meifter.
. Ber da nicht den Eidedleiftern thuet, was fie anbefahlen, Sei's ein Evler, ein Gemeiner, muß es mit dem Leben zahlen. Aderömann und Mann ber Kirche, Adel auch, des Landes Blume, Zittern müfjen Alle, weil fie find vom wahren Epriftenthume. Brut der Hölle, frohen Herzens lannſt bu fpotten nun und laden, Denn du haft ob unferm Elend felbft die Engel weinen maden. Denn die Lehre Gottes ift der Höllenmadht zu Spott geworben, Es gelang bir, Priefter, Adel und den König zu ermorden;
Die Blauen. 403
Und bie Königin’ zu töbten und ihr Haupt in Staub zu werfen,
Für Glifabeth, die Hei'ge, auch das Henferbeil zu fhärfen;
Und das Konigskind, das arme, einzuferfern, daß es ſterbe
Und im Unrath und im Staube, ad) ! elenbiglich verderbe.
‚Heilige Sonne! hüll in Schleier die gebenebeiten Augen ;
Solches Thun, der Hölle würdig, anzuſchauen, mag nicht taugen.
Lebet wohl, Jeſus, Maria! eure Säulen brad der Blaue,
Daß er fie als Pflafterfteine in dem Koth der Straßen ſchaue.
Lebet wohl, ihr Weiheleffel! die und wohl vom Tod erlöfen
Mochten, aber nicht vom Schmerze, unterthan zu fein den Böfen,
Lebet wohl, ihr Oloden ! die ihr ung zu Häupten habt gefchlagen ;
Nimmer ladet ihr zur Kirche mehr an Sonn und Feiertagen.
Lebet wohl, ihr Kirchfpielgloden! von euch nahm er Weih’ und Taufe,
Und er ſchmolz euch ein, ber Blaue, daß er euch ald Sous vers taufe.
Lebet wohl, ihr jungen Leute, die ſie an die Heere geben,
Wo man einbüßt, und auf einmal, fo die Seele wie das Leben.
Lebe wohl! am jüngften Tage, o mein Sohn, auf Wieverfehen!
Wenn du fern bift, wer foll deinem Vater dann zur Seite ftehen?
Wenn fie in das Haus mir dringen, wird man hören meine Stimme:
Wärft du hier, mein Sohn, du wurdeſt ſchutzen mich vor ihrem Grimme!
Laß von deiner alten Mutter, die dich trug, Sohn, dic umfafien,
An die Bruft komm, die dich nährte, eh ih muß im Tod ers blaſſen.
Wenn du wieder heimwarts kehreſt, bin ich aus der Welt ge⸗ gangen,
Komm und laß zum legten Male dich, zum legten Mal umfangen.
404 Bretoniſche Boltslieder.
Vater, Mutter! laßt die Thränen, nimmer geh’ ih aus dem j + Sande,
Euch beihügen fammt der Heimat will ich vor Gewalt und Schande.
„Kummer bringt die Unterbrüdung, Kummer, aber keine Schande,
Schande ift, ſich unterwerfen willig ſolcher Diebesbande.
Muß gelämpft, gefteitten werden, nun mohlan! id bin ein Streiter;
Muß es fein geftorben, wahrlich, fterben werd’ ich frei und heiter.
Richt die Kugeln fürdht’ ih, Tann denn, fall’ id), meine Seele fterben?
Fallen kann mein Leib, die Seele wird ven Himmel fi erwerben.
„Borwärt3! Kinder der Bretagne! Muth entflammt mich, und es heben
Start empor ſich meine Arme, hoch, die Religion foll Ieben!
Hoch, wer meine Heimat liebet, und ein Hoch dem Königafohne!
Nun erfahren ſoll's der Blaue, ob ein Gott im Himmel wohne.
„Leib für Leib, ihr Freunde! töbten ober auch getöbtet werben.
Sterben mußte Gott ja jelber, um zu herrſchen auf der Erben.
„Fahr und, Tinteniac! Bretone, wenn e3 Einen je gegeben,
Du, den Niemand vor dem Rachen der Kanonen fah erbeben!
„Fuhrt uns an, ihr Edelleute, Königslinder der Bretonen!
Und der Herr wird fein gepriefen überall, wo Chriften wohnen.
„Endlich kommt das gute Recht doch wieder ung, nad dem wir dürften,
Zum Altar mit unferm Gotte, auf den Thron mit unfern Fürften!
„Dann aufs Neue werden Kerne’s Thäler blühn und friſch erglühen,
Mit dem Korne, mit dem Weizen werben unfre Herzen blühen.
Dann aufs Neue wird des Heiland ftrahlend Kreuz die Melt
. begrüßen; Aufgenährt von unferm Blute, blüht die Lilie ihm zu Füßen.“
Die alte Zeit. 405
Die alte Zeit. Erfter Müller.
Ein neues Lied auf die Bretonen,
Die in der untern Bretagne wohnen,
Hört zu, hört zu, ihr guten Leut'l
Ein neues Liedchen machen wir heut.
Im Unterland hat man ein Wieglein gemacht, Ein ſchönes Wieglein, das war eine Pracht. Hört zu, hört zu, ihr guten Leut'!
Ein neues Liedchen machen wir heut.
Ein ſchones Wieglein aus Elfenbein,
Mit Gold und Silber beſchlagen fein.
Mit Gold» und Silbernägeln beſetzt, Betrübten Herzens ſchauleln ſie's jegt. - Betrübten Herzens fchaufeln ſie's jeht,
Die Wangen von bittern Thränen benept. Die Wangen benegt von Thränen der Noth, Der drinnen lieget, der ift tobt,
Iſt tobt und liegt in guter Ruh,
Sie ſchaukeln und fingen immer zu.
Sie ſchaukeln und fingen immer hin,
Das macht, daß irr und narriſch ihr Sinn. Ja, narriſch ihr Sinn; die ganze Welt
Mit allen Freuden ift ihnen vergällt,
Die ganze Welt hat allzumal
Für die Bretonen nur Leid und Qual,
Für die Bretonen nur Qual und Leid, Wenn fie gebenten der alten Zeit.
406 Bretoniſche Vollslieder.
Zweiter Maller. In alter Zeit, wer hat je geſehn Hierum das gewiſſe Gevogel gehn, Das Zollgevögel grün und faul, Mit freher Stirn und offnem Maul? Nie hat man im Lande eine Mauth Für Tabak oder Salz geihaut. Tabal und Salz find theuer heut, Zwei Mal fo theu'r als in alter Zeit. Einft ſah man nicht das Zollgeſchmeiß Am Martte fi fammeln haufenweis, Die Müden, wenn fie das fühe Naß Des Moftes lodt in Schwärmen and Faß. Heut fteuert jegliches Faß im Land, Nur nicht der Sig vom Mufifant.
j Erfter Lumpenfammler Einft hat man nicht Bretonen verfandt, Bretoniſche Kinder in fremdes Land,
In fremdes Land, zu fterben dort, Weh und! entfernt vom Heimatort,
Erfter Bauer. Einft hausten in jedem bretonifchen Schloß Helden, die machten die Heimat groß; Der Kubhirt des Schloffes und Unterthan Sitzt jegt am Tiſche obenan. Den Bettler, der am, um Almofen zu flehn, Man ließ ihm nicht lang vor der Thüre ftehn. Die Hausfrau that den Kaften auf Und goß ihm Mehl in ven Sad zu Hauf.
Die alte Zeit, 407 Den Hungrigen trug fie Brod herbei, Den Kranten Sabung und Arzenei. Mit Brod und mit Arzenei iſt's aus, Xrüb [leihen die Armen ums Herrenhaus. Gebeugten Hauptes ſchleichen fie fort, Denn bellende Hunde lagern dort. "Die bellenden Hunde, fie fallen an Und beißen die Bauern, Weib und Mann.
Zweiter Bauer. Das Jahr, da die Mutter Wittwe ward, Das Jahr war für die Mutter hart. Neun Kinder blieben ihr in der Noth, Neun Kinder und fein Biffen Brod. Sie fagte: „Der hat verweigert nie, Zu ihm will ich gehn,“ fo fagte fie. „Will hingehn zu dem fremden Herrn, Viel Heil und Segen wünfch' ich ihm gern. Ihr Herrn vom Schloß lebt froh und gefund, Nur Eins möcht id wiſſen, Das thut mir fund; «Das thut mir fund: ob ihr gut und hold Mir Brod für die Kinder geben mollt. „Brod für die neun, drei Tage on find Verganden ohne Brofam und Rind'.“ So fagte mein armes Mütterlein, Der Fremdling aber fing an zu ſchrein: „Sort! pad did fort aus meinem Haus, Sonft ſchleifen di die Hunde hinaus!“
Da ging fie weinend fort auß den Haus Und ging an die offne Heerftraß hinaus.
408
Bretoniſche Volkslieder.
Die arme Wittwe, fie meinte fehr:
„Was geb’ ich meinen Kindern nunmehr?
„Was geb’ ic meinen Kindern nunmehr,
Wenn fie rufen: Mutter, mich hungert jehr!*
Kaum kann fie ihre Straße ſehn
Vor Thränen, die ihr im Auge ftehn.
So ging fie heimmwärt8 denn, da traf
Auf halbem Wege fie der Graf,
Der Graf vom Schloſſe Bratuloch,
Er ging zur Rehjagd nach Goatloch.
Nach Goatloch ritt er mit feinem Geſchoß,
Er ritt auf einem falben Roß.
„Ihr gutes Mütterlein, faget mir,
Barum, warum weinet Ihr?”
— „Ih wein’ um meiner Kinder Noth,
Nicht hab’ ich für fie den Biffen Brod.“
— „Hört auf zu weinen, gut Mütterlein,
Hier habt Ihr Geld, nun faufet ein.“
— „Gott fegne den Grafen fort und fort!
Das find noch Menſchen, auf mein Wort!
„Und fo ich zum Tode gehen fol‘,
Für ihn, da ging’ id, wann er wollt.“ Dritter Bauer.
Das find noch Menfchen, die haben ein Herz,
Die hören der armen Leute Schmerz;
Die hören die Leute von jevem Stand,
Die haben für Alle offene Hand. Bierter Bauer.
Die find des Lehnsmanns Schug und Hort Und jagen ihn nicht vom Hofe fort;
Die alte Zeit.
Die jagen ihn nicht von Haus und Feld, Die die neuen Herrn, zu mehren ihr Gelo, Bedachtlos, daß, wer auf folhe Art Sein Gut mehrt, nicht für den Himmel fpart. Fünfter Bauer. Das Bett, darin der Pachter ruht, Verkaufen fie nicht fammt feinem Gut. Zweiter Sumpenfammler. Die ftrafen um zwei Thaler nicht Ein armes Weib, dem's an Brod gebricht; Zwei Thaler, weil ihre Kuh abfraß Am Allmandrafen ein Büfhhen Gras. Dritter Lumpenfammler. Die nehmen das Wild nicht für fi) allein, Sie laden Jeden zum Jagen ein. Sechster Bauer. Die zahlen den Antheil, ver fie trifft, Ihr Wort gilt eine Unterfhrift. Die find nit frank aus Filzigkeit, ALS wie die Herren der neuen Zeit. Siebenter Bauer. Die neuen Herren find ftreng und hart, Die alten waren von befierer Art; Die alten, wenn auch von heißem Blut, Sie waren im Herzen den Bauern gut. Doc ift zu unfrer großen Dual Bufammengefhmolzen ihre Zahl. Biel häufiger find die Praſſer heut, ALS die Ernährer der armen Leut'.
409
410
Bretoniſche Volkslieder.
Dritter Lumpenfammler. Und man bleibt arm, Das ift fo ver Lauf, Die Städter frefien die Landleut' auf.
Erfter Müller. Ja wohl! doch ift der Spruch befannt: Daß befte Korn, das ſchlimmſte Lan. Das befte Korn, wenn mit gütiger Hand Die alten Kön’ge regieren das Land. Die alten Könige lamen zurüd, Nicht kam mit ihnen das alte Glüd. Nicht kam mit ihnen die alte Zeit, Man hat uns getäufcht zu unferm Leib. Man hat ung getäufcht zu unferm Leid, Schledt ifl der Boden und das Getreid. Die Welt wird fchlechter von Tag zu Tag, Ein Thor, der Das nicht erfennen mag! Ein Thor ift, wer den Glauben näbrt, Ein Rabe werde zur Taube verkehrt, Und daß aus des Farren Wurzeln je Die Lilie blühend auferfteh', Und wer da geglaubt, daß Gut und Geld Aus BWipfeln und Zweigen ver Bäume fällt. Ein folder Glaube ift Dunft und Schaum, Nur dürre Blätter fallen vom Baum. Nur dürre Blätter falen vom Baum Und geben ven neuen Blättern Raum. Wie Gold fo gelb ift das durre Blatt, Es gibt ven Armen die Lagerftatt.
Ihr lieben Armen, tröftet euch doch, Ihr ruhet einit auf Federn noch.
Sieb der Bretonen, 41
Ihr werbet im Himmel auf Elfenbein, Anftatt auf Bretter, gebettet fein.
weiter Müller. Bor dem Marienfeft in der Nacht Bor Tifhe wurde dieß Lied gemacht: Zwölf Männer, die tanzten auf dem Plan Bor der Kapelle und reimten daran. Drei fammeln alte Lumpen ein, Das Korn fäen fieben, zwei mahlen es Hein, Run ift es fertig, ihr Leut', habt Act! Das Lied iſt gemacht, das Lied ift gemacht!
Fied der Brefonen.
Bir find nod immer Bretonen ädht, Bretonen, Das alte ftarte Geſchlecht. Wild, wenn der Auf der Schlacht erklungen, Daheim im Frieden gute Jungen. Bir find noch immer xc. Der Sachſe flieht mit ſchnellen Füßen, Wenn wir mit „tor hd benn“ ihn grüßen. Dir find nod immer ꝛtc. Doch hört einmal als KHochzeitgäfte Der Biniu ſaßen Klang beim Seite. Bir find noch immer ıc. Bretagne! Heil dem fhönen Lande! Wald in der Mitte, Meer am Rande! Wir find nod immer zc.
412
Breloniſche Volkslieder.
Ad! müßt’ id aus dem Lande ſcheiden,
Sehr weint ich aus den Augen beiden. Dir find nod immer ıc.
Den Knotenftod, o Bolt, bewahre,
Das weite Kleid, die langen Haare, Bir find nod immer zc.
Gebt nicht das Ningen auf, ein Ringer
Iſt auch ein Madchenherzbezwinger. Bir find noch immer zc.
Ich möchte meine Zunge frefien,
Sollt’ id Bretoniſch je vergeſſen. Wir find nod immer 2c.
Dir Liebe, Heimat ohne Gleichen,
Armoricum, du Sand der Eichen!
Wir find no immer Bretonen Acht,
Bretonen, Das alte ftarke Geſchlecht.
Herr Hann und die Fee. Herr Nann mit feinem Chegemahl, Sie wurden vereint in früher Eh’, Sie wurden früh getrennt in Qual. Die Herrin geftern zwei Kinder gebar, Die beiven find fo weiß wie Schnee, Ein Knab und ein Mägplein ift das Paar. „O, fage mir, was bein Herz begehrt, Weil du mir einen Sohn beſchert, O, fag es nur, und fchon iſt's gewährt. „Soll e8 die Schnepfe vom Sumpfthal fein Oper das Reh vom grünen Hain 2
‚Herr Nann und die Fer. 413
— „Das Zleif des Rehs mir mehr behagt, Wenn Euch nicht fehr ermüdet die Jagd.” Here Nann, der Edle, hörte nicht mehr, Schon griff er nad) feinem Eichenfpeer, Beſtieg fein ſchwarzes Roß alsbald
Und eilt’ entgegen dem grünen Wald.
Und wie er fam dem Holze nah,
Er. eine weiße Hindin fah.
Er jagt ihr nach mit wildem Ritt,
Die Erde bebt von des Pferdes Tritt.
Er jagt ihr nad) fo wild und ſchnell,
Daß e3 ihm floß von der Stirne hell,
Ihm von der Stirn, von der Flanke dem Pferd; Da kam der Abend über die Erb‘.
Ein Hleines Büchlein traf Herr Nann,
Bei einer Grotte der Gorrigan.
Ein weicher Rafen mar zur Stel’,
‚Herr Nann ftieg ab und trank am Quell. Am Quell die Fee gelagert war,
Sie kammt ihr langes, blondes Haar.
Sie kammt's mit dem Kamme von Golve roth: Denn Feeen leiden feine Noth.
„Woher haft du fo fühnen Muth,
Zu trüben meines Duelles Fluth?
„Sp du nicht jet zur Ch’ mich wirbft,
In fieben Jahren verfiechft du, verdirbſt, Wenn du night fon in drei Tagen ſtirbſt.“ — „Richt werb! ich Euch zur Ehe fürwahr, Verehlicht bin ich im dritten Jahr.
Richt werd’ ich verfiechen durch fieben Jahr, Nicht fterben in drei Tagen fürwahr;
414
Bretoniſche Volldlieber.
„Nicht werd’ ich fterben am dritten Tag, Nur wenn e8 dem Herrn gefallen mag. „Doch möcht’ ich fterben zur Stunde eh, AB daß ich freite eine Je." —
„O liebe Mutter, richtet mir ber
Ein Bett, wenn's nicht gerichtet wär’; Denn mir ift web, und frank bin ich fehr. „Und fagt es meinem Weibe nicht an,
Am dritten Tag ift'3 um mic gethan, Verhert hat mich die Gorrigan.”
Und als ver dritte Tag verrann,
Sein Ehgemahl zu fragen begann:
„D Schwieger! faget mir, was heut Bebeuten will das Glodengeläut?
„Was fol da unten im Hof der Gefang Der Pfaffen in Kleidern weiß und lang?“ — „Ein Bettler, dem wir ein Bett gemacht, Hit hier geftorben in diefer Nacht.”
— „D Schwiegermutter! und fagt mir noch an, „Wohin ift gegangen mein Herr Nann ?“
— „& ift in der Stadt, er ift nicht weit,
Er fehret wieder in kurzer Zeit.“
— „And nehm’ ich, wenn ich zur Kirche fchreit‘, Mein rothes oder mein blaues Kleid ?“
— ‚Mein Kind, die Sitte kam ind Land,
Zur Kirche zu geben im ſchwarzen Gewand.” Wie fie zum Kirchhof gekommen, fah
Das Grab fie ihres Mannes da.
„Ber ging von und zu den Ahnen hinab?
Auf unferm Grund ift ein friſches Grab“
Der Bedfelbalg. 415
— „Richt Tänger berg’ ich dir die Dual, Mein Kind, dort lieget dein Gemahl.“ . Sie warf fih hin auf beide Anie,
Und nimmermehr erftanden ift fie.
Ein Wunder war's, wie in der Nacht, Da man fie in das Grab gebracht
Zu ihrem Gemahl, wie in felber Nacht Zwei Eichen fi hoben in bie Luft, Zwei Eichen über der frifhen Gruft.
Es faßen in ihrer Bweige Schooß
Zwei weiße Tauben mit frobem Gekos; Sie fangen, wie der Tag begann,
Dann flogen fie zum Himmel hinan.
Der Wechſelbalg. Marie, die ſchone, fteht in Klagen: Verſchwunden ift ihr liebes Kind, Die Gorrigan hat’3 fortgetragen. „Bum Brunnen ging ih, Wafler holen, Es lag im Bettlein ftil und fchlief, Und als id kam, war es geftohlen. Dieß Scheufal Fiegt an feinem Plage, Es ift wie eine Krote roth Und fragt und beißt wie eine Kate. „Und will gefäugt fein immer, immer, Und ift fhon fieben Jahre alt, DeMEBruft entwöhnt der Balg ſich nimmer, „Jungfrau Marie! ven Sohn am Herzen, Auf deinem lichten Thron von Schnee, Du bift in renden, ich in Schmerzen!
416 Bretoniſche Vollslieder.
„Du haltſt dein Kindlein in den Armen, Das meine ift verloren, ach! Mutter des Mitleids! hab Erbarmen!“ —
— „Hör auf, zu weinen und zu flehen, Mein Töcterlein! Loaik, dein Kind, Du wirſt es balde wieberjehen.
„Thu fo, als follſt du Eſſen kochen
Für Zehn in einer Eierſchal',
Dann ſpricht der Zwerg, ber nie gefprodhen. „Und wenn er ſprach, mußt du ihn ſchlagen,
Und tühtig ſchlagen, biß er fchreit, Dann wird er eilig fortgetragen.” —
— „Was machſt du mit der Eierſchale, Bas machſt du, Mutter, Mutter!" frug Der Zwerg erftaunt mit Einem Male. —
„In diefer Schale will ich eben Zehn Adersleuten aus dem Haus Ein gutes Mittageſſen geben.”
— „Für Zehn fol diefes Eſſen reichen? Ich fah das Ei lang vor dem Huhn Und fah die Eichel vor der Eichen.“
— „Du haft zu viel gefehn, mein Junge !“ Klippsl Happa! klippsl Happs! „Nun hab’ ich dich! Du altes Männden, rühr die Zunge“ —
— „3% hol’ ihn, gib ihm feine Streiche! Ich thu' dem Deinen nichts zu Leid,
Er ift der Fürft in unferm Reihe." D Bald fah Maria in der Wiegen,
Wie fie nad Haus zurüdgelehrt, In fübem Schlaf ihr Kindlein liegen.
Die Zwerge, 417
Da fie'3 beſchaut mit Luft und Zagen Und küffen wollte auf den Mund,
Hat es die Neuglein aufgefchlagen.
Es ſchmiegt ſich an der Mutter Wange Und ftredt die Nermlein aus nad ihr: „Du Mütterlein! wie ſchlief ich angel“
Die Zwerge.
Das Schneiberlein, Paslu, der Lange,
Es ift zu einem Diebe worden,
Freitag nad) Sonnenuntergange.
Nicht gab's Beftelung mehr auf Hofen,
Fort zogen ja die Männerhorben,
Fort in den Krieg mit den Franzoſen.
Da ſchlich er in das Loch der Zwerge
Und grub dort nad) mit feinem Spaten,
Wo ſich der Kleinen Schatz verberge.
Den Schap, er fand ihn an ber Stätte,
Dann lief er heim, ganz außer Athem,
Und ſchnell verkroch er fich im Bette,
„Schnell, ſchnell die Thüre zugemacht!
Da kommt das Heine Volk der Nacht!“
— „Montag, Dinstag und Mittwochen,
Donnerstag, Freitag” — „Wehl fie pochen!
Schließt zu die Thür, daß ich mich berge,
Beh mir, weh mir! da find die Zwerge!
„Ach, wie das Volt zum Hof hereindringt!
Ad, wie das tanzt, ach, wie das fpringt !" Morig Hartmann, Werke. I. 27
418
Bretoniſche Bollstieder.
— „Montag, Dinstag und Mittwochen, Donnerstag, Freitag." — „Wie fie pohen? „Seht Himmen fie zum Giebel hoc,
Jetzt bohren fie ind Dach ein Loch.
„Du armer Wicht, mit dir iſt's auß!
Wirf deinen Schag ſchnell aus dem Haus. „Mit dir iſt's aus, du armer Tropf!
Gieß dir Weihwaſſer auf ven Schopf, Zieh dir das Betttuch übern Kopf
Und rübr dic nicht, du armer Tropft „Ei, wie fie lachen, o du Wicht!
Ein Hügrer Mann entläme nicht.
„Herr Gott! o, wol’ ung gnädig fein, Da redt fi ſchon ein Kopf herein.
„Sein Auge glüht voll heißen Grimma, Er rutſcht hernieder am Gefims,
Herr Gott! ſchon Einer, Zwei und Drei, Sie tanzen grad an mir vorbei.
„Sie baumen ſich, fie wälzen ſich,
O Jeſus, fie erwürgen mi!"
— „Montag, Dinstag und Mittwochen.“ — „D, hätt ich beffer mich verkrochen! „Und Fünf und Sechsl o meine Knochen !r — „Montag, Dinstag und Mittwochen. „O theurer Schneider, fchlafe ein,
Was ſchnarchſt du fo, mein Schneiberlein ? „Komm, Schneiberlein, und tanze mit, Schnell folft du lernen Maß und Schritt. , „D Schneider, was haft du verbrochen! Montag, Dinstag und Mittwochen.
Die Pe von Elliant. 419
„O Schneiderlein, du arger Wicht! Montag, Dinstag — fpringft du nicht?
„Komm wieder und verfud’3 und ftehle, Du ganz verdammte Schneiderjeele!
„Sept lerne tanzen, Schelm und Wicht, Bis daß der Rüdgrat bir zerbricht!” Gefunden Schapgeld fruchtet nicht.
Die Veſt von Sliant.
Zwiſchen Langolen und dem Fauterland Wohnt heilig ein Barde und wohlbelannt. Der Vater Baſian iſt er genannt,
Er fprad zur Fauter Männerfhaar: Laßt Meſſen leſen, und eine zwar In jedem Monat, an eurem Altar.
Die Pelt ift gezogen aus Elliant,
Doch ging fie leer nicht aus dem Land, Denn Siebentaufend erſchlug ihre Hand.” Ja! felber ver Tod lam ins Land herbei Nach Clliant und tödtete frei,
Da ftarben Alle, nur nicht Zwei.
Ein jechzigjährig Weib kam davon,
Das alte Weib und ihr einziger Sohn.
„Die Peft, fie fteht vor unferm Haus,
Wenn Gott will, kommt fie,“ fo rief fie aus, „Und kommt fie herein, fo ziehn wir hinaus.” Auf Elliants Markt wird wachen heran
So hoch das Gras, daß man’3 mähen kann.
420
Bretonifce Boltalleder.
Nur dort nicht, wo der Karren fährt
Zum Kirchhof hin, mit Zeichen beſchwert. Das wäre gewefen ein Herz von Stein, Das nicht geweint hätt’ vor Gram und Bein, Das nicht geweint hätt’, als man gefehn
Die achtzehn Karren am Kirchhof ftehn,
Und dann noch andere acht und zehn,
Neun Kinder waren in einem Haus, Diefelbe Bahre trug fie hinaus,
Die Mutter zog fie, fie ging voraus,
Der Vater folgte wie verzüdt,
Er pfiff ein Lied, er war verrüdt.
Es heulte und ſchrie zu Gott das Weib,
Sie war zerftört an Seel’ und Leib. nBegrabt mir die Söhne, ein wächſern Band Gelob' ich, das dreimal die Kirchenwand, „Das dreimal die Kirchenwand umſchlingt Und dreimal fi) um den Friedhof ringt. Neun Söhne hab’ ich gebracht zur Welt, Und feht, der Tod hat fie alle gefällt.
Er bat fie an meiner Thüre erreicht,
Kein Menſch nun, der einen Trunk mir reicht,“ Der ganze Kirchhof ift vollgethan,
Die Kirche bi zur Treppe hinan.
Jetzt muß man felbft die Felder weihn
Und gräbt in bie Felder die Leihen ein.
Ich ſeh eine Eihe am Kirchhof ftehn,
Ein weißes Tuch vom Gipfel wehn,
Um alle Bewohner iſt's gefchehn.
Genovefa von Rufefan. 421
Henovefa von Ruſtefan. 1.
AS Jannik, der Kleine, gehütet die Schaf, Da dacht er ans Prieſterthum nicht im Schlaf. „Ich werde fein Monch und kein Priefter einmal, Die jungen Mädchen find meine Wahl.” Als eines Tags feine Mutter begann: „Du bift ein feiner Burſche, mein Jann. „Laß deine Thiere und geh nad Haus, Du mußt in die Schule nad Kemper hinaus.
„Du mußt ſtudiren und Priefter fein Und fagen Ade den Magdelein.“
2
Die Töchter Herrn Faru's waren befannt Als ſchonſte Mädchen im ganzen Land.
Die fhönften Mädchen, die huben ven Kopf, Waren daru's Töchter mit goldenem Zopf. Sie waren auf weißen Beltern zu ſehn Beim Kirmeßfefte von Ponts Aven.
Denn ſie erſchienen beim Hefte zu Pferd, Da dröhnte das Pflafter und die Erd’. Jedwede trug ein grünfeiden Kleid
Und um den Hals ein golben Geſchmeid. Die Jüngfte und Schönfte fhaut, fagt man, Den Jannik mit liebenden Augen an.
nBier Schüler waren Freunde von mir, Sind Priefter geworden alle vier.
422 Bretoniſche Voltalieder.
Nun tritt zum Altar auch Jannik herbei, Der Lepte, der jpaltet mir's Herz entzwei.“
3 Als Jannit Flecher zur Kirche ging, Daß er die Priefterweih empfing, Saß Genovefa auf ihrer Schwell Und ftidte Spigen mit Silber hell; Mit filbernen Fäden hat ſie's geſtidt — Sie dedten wohl einen Kelch geichidt. „O Jannit leer! glaubet mir, Geht nicht zur Kirche und bleibet hier; nGebt nicht zur Kirche, two man Euch weiht, Und benfet der vergangenen Zeit.” — „Ich kann nicht gehn zurüd nad Haus, Sie ſchrieen mich al3 meineidig aus.” — „Bergaßt Ihr denn ganz das traute Gered, Das von und Beiden im Lande geht? „Berlort Ihr denn und vergaßt Ihr ganz Das Ninglein, das ih Euch gab beim Tanz?" — „Ich hab’ nicht verloren Euren Ring, Gott war e3, der ihn nahm und empfing.“ — „DO Jannik Flecher! kehret um, Ich geb’ Euch all mein Eigenthum. „D Zannit, Lieber, geh nicht fort, Ich will dir folgen an jeden Ort, „Ich will ja gehn in holznen Schuhn Und jede Arbeit mit dir thun. „And hörft bu mein Flehen nimmermehr, So bring mir die legte Delung ber.”
Genovefa von Ruftefan. 423 — „A! folgen kann ich Euch nicht, mein Kind, Weil Gott, der Herr, mic) feſſelt und bindt;
„Weil Gottes, des Herren, Hand mich hält, Muß ich zur Weib’ und entfagen der Welt.”
4. Und als er von Kemper zurüde fam, Er feinen Weg durchs Gehöfte nahm, „Biel Glüd Euch, Herr von Ruftefan, Ihr alle follet Segen han. Euch Groß und Klein viel Glüd und Heil, Mehr, als mir felber ward zu Theil. Ih komm’, Euch zu bitten, Herr Nuftefan, Hört meine erfte Mefle an.“ — „Gewiß! wir gehn zu Eurer Meff', Ich leg’, al der Erſte, ins Kirchengefäß, „Ich lege zwanzig Thaler hinein, Zehn Eure Pathe, die Dame mein; „gehn Thaler gibt Eure Pathe ber, O Priefter, Euch zu Preis und Chr.”
5 Als ich den Weg zur Kirche nahm, Nach Pennsallen, dem Orte, kam, Da fah ich ſchon die Leut’ zu Hauf Erſchroden kommen in ſchnellem Lauf. „Se! gute Alte, ſagt mir an: Iſt denn die Meſſe ſchon gethan ?“
424
Bretoniſche Vollslieder.
— „Die Mei’ ift angefangen zwar, Doch bracht er fie nicht zu Ende gar.
+ „&x brachte fie nicht zu Ende mehr,
Um Genovefa weint’ er zu fehr. „Drei große Bücher am Altar Benepte er mit Thränen klar.
„Die Maid, zu Boden ftürzte fie, Umſchlang des Prieſters beide Knie:
„Mm Gottes willen! haltet, Jann, Ich fterbe, Ihr ſeid ſchuld daran.‘
6.
‚Herr Johann Flecher iſt Pfarrer jetzt, In Nizon ward er eingefept.
Und ich, der diefes Lied gemacht, Ich fah ihn meinen in mander Nacht.
Ich hab’ ihn manchmal am Grabe gefehn Bon Genovefa weinend ftehn.
Der Aarquis von Guerand. 1.
„Viel Glüd und Freude dem Haufe hier! Wo ift Annait? Das faget mir.” — „Sie liegt im Bett und ſchlaft fo ſacht, Macht fein Geräufh und gebet Acht. Sie ſchlummert leiſe, gebet Acht. Seid ſtille, daß ſie nicht erwacht.“
Der Marquis von Guerand.
Der Schüler von Garlan in ſchnellem Lauf Stieg alfobald die Trepp’ hinauf,
Stieg flink hinauf, er wußte Beſcheid, Und faß and Bett der jungen Maid. „Annaik, willſt du nicht aufftehn,
Daß twir zur neuen Tenne gehn?“
— „Zur Tenne geb’ ich nicht mit dir fort, Es ift ein Dann, ein ſchlimmer, dort, „Der fhlimmfte Edelmann von der Welt, Er hat mir überal nachgeſtellt.“
— „Und wären hundert auf dem Plan, Sie thäten vir fein Leides an.
„Und wären fie zu Hundert bort,
Wir blieben doch nicht weg vom Ort. „Bir gingen dod zur Tenne fofort
Und tanzten doch wie Jene dort,”
Da legte fie an ihr wollen Gewand
Und ging an ihres Liebften Hand.
2. Der Marquis von Guerand that die Frag Dem Wirthe an diefem felben Tag: „Here Wirth, Herr Wirth! Das faget mir, Ob Ihr nicht faht den Schüler hier.“ — „Entſchuldigt, Herr Marquis, ic bitt', Ich weiß nicht, wen Ihr meint damit.” — „Entfulo’gen, ho! was fommt Euch an? Ich frag’ nad dem Echfler von Garlan.” — „Der ging ven Weg hinab zu Zwei, Ein jung hubſch Magdlein war auch dabei.
425
426
Bretonife Vollslieder.
nSie gingen zur Tenne, beworfen neu, Ein ſchmudes Pärlein, meiner Treu! „Ein' Pfauenfeder trug er am Hut,
Ein Kettlein am Hals, das Iuftige Blut. „Sie hatt’ ein geftidtes Leibchen an
Mit Sammt und filbernen Borden dran.
„Sie war in ein Hochzeitleibchen gekleint, Sie haben ſich wohl verſprochen, die Beid'.“
3. Der Marquis von Guerand zuſammenfährt, Er ſchwang ſich auf ſein rothes Pferd. Gr fprang auf fein rothes Pferd geſchwind Und ritt zur Tenne wie der Wind. „Du Schüler! leg ab dein Wammes ſchnell, Daß wir um die Preife Tämpfen zur Stel’. Thu aus dein Wanımsd und komm herbei, Daß wir und geben ein'n Stoß oder zwei.“ — „Herr, mit Verlaub! Das geht nit an, Bin nicht, wie Ihr, ein Edelmann. "Ihr feid aus der Herren von Guerand Geflecht, Ich bin der Sohn von einem Knecht.” — „Wohl bift du aus einem Bauernhaus, Und ſuchſt dir die fhönften Mädchen aus.“ — „Berzeibet, Herr Marquis, verzeibt! Ich habe fie nicht felbft gefreit. „Verzeiht mir, edler Herre werth! Gott ift e8, der fie mir befchert.” Annait Kalvez zittert und zagt, Die Einer fo zum Andern fagt.
Der Marquis von Guerand. 427 „Schweig ſtill, mein Freund, und laß und gehn, Dur Diefen wird uns Weh geſchehn.“
— „Zuvor, mein Schüler, fag mir noch, Das Degenfpiel, das kennſt du doch?“
— „Nie hab’ ich gefpielt mit dem Degen, nein! Mit Stöden, Das kann eher fein.“
— „Und willjt du mit mir fpielen, fag an? Du bift ja, fo heißt's, ein gewaltiger Mann.“ — „Mein Stod ſich nimmer mefien fann Mit Eurem Degen, Herr Evelmann!
„Ich thu' es nicht, o Herre werth!
Ihr würdet beſchmuhen Euer Schwert.”
— „Beihmug’ ich meinen Degen gut,
So werd’ ich ihn waſchen in deinem Blut.” Als ihres fanften Schülers Blut
Die Maid fah, fprang fie auf in Wuth.
Da fprang fie auf den Marquis dar
Und fcleift ihn durch die Tenn’ am Haar.
nBerrätherifher Marquis, nun entweich, Mein armer Schüler liegt todtenbleichl“
4. Als Annait nah Haufe fam, Da weinte fie in bitterm Gram. „Wenn du mich Tiebft, mein Mütterlein, So leg mid in mein Bett hinein; „Leg mich in ein weiches Bett hinein, Mein armes Herz trägt harte Bein.“ — „Mein Kind, du haft getanzt zu fehr, Das macht dein Herz fo frank und ſchwer.“
428
Bretoniſche Vollslieder.
— Das kommt nicht vom Tanzen, mein Mütterlein,
Der Marquis ſtach ihn ins Herz hinein.
„Der Marquis hat in dieſer Nacht Den armen Schüler mir umgebracht.
„Dem Tobtengräber fage du, Wenn er ihn holt in der ſchwarzen Truh:
Werft keine Erd' ins Grab hinein, Denn bald folgt ihm mein Töchterlein.
Beil wir nicht fchliefen im felben Bett, Gehn wir zur felbigen Grabesftätt‘.
„Beil man uns nidt einte in dieſer Welt, So wird ung von Gott die Hochzeit beftellt.”
Die Aahfigafl. 1. Am hohen Fenſter zu Saint Malo Stand weinend die Frau und ſprach alſo: Web mir! weh mir! mein Herz iſt ſchwer, Die arme Nachtigall lebt nicht mehr.“
2. „Sagt an, mein junges Weib, und geſteht, Barum Ihr ſo oft aus dem Bette gebt; „Barum Ihr an meiner Seit’ erwacht Und an das Fenfter geht in der Nacht „Barfuß und barhaupt? Thut mir kund, Bas fuht Ihr dort In fo fpäter Stund*
-.—n
Die Rarstigat. 429
— „Barum ich auffteh’ mandes Mal Inmitten der Nacht, mein Ehgemahl? nDie Schiffe find fo fhön zu fehn, . Die aus und ein im Hafen gehn.“ — „Sürwahr ! fein Schiff fammt Segel und Maft Macht, daß Ihr fo oft das Bett verlaßt; „Das macht kein Schiff, Das fag' ich frei, Nicht eines und nicht zwei und nicht drei. „Rein, wegen der Schiffe iſt's nicht geſchehn, Auch nit, um in den Mond zu fehn. Nun fagt mir, Madam, warum Jhr macht, Darum hr auffteht jede Nacht?” — „3% geb’ aus dem Bette, Das lann id) geftehn, Mein Heined Kind in der Wiege zu ſehn.“ — „& ift nicht, um ſchlafen zu fehen ein Kind, Es ift nit, um Segel zu fehn im Wind; Nicht ſolche Märchen mir vorgemacht! Was thut Ihr auf in jeder Nacht?" — „Erzürnt Euch nicht, mein lieber Mann, Die ganze Wahrheit ſag' ih Euch an. AAllnachtlich hör’ ic) bie Nachtigall, Sie fingt im Garten mit lautem Schall. Der Nachtigall lauſch' ich in jeder Nacht, Sie fingt in den Rofen fo fanft, fo fact. „Sie fingt fo füß, fo lieblich, fo hehr Die Nähte durch, wenn entſchlafen das Meer!“ Der alte Herr, wie fie Diefes ſprach, Denkt tief im Herzen den Worten nad; Er mägt fie til in feinem Sinn Und ſpricht fo leife vor ſich hin:
430
Bretonifche Volkslieder.
„Sei's wahr, ſei's falſch — die Nachtigall, Die fangen wir ein auf jeden Fall.“
Und als er aufftand den Morgen drauf, Da fucht er im Garten den Gärtner auf. „Mein guter Gärtner, hab wohl Act,
Da ift ein Ding, das mir Sorgen macht. „&3 ift eine Nachtigall im Hag,
Die nichts als fingen und fingen mag.
„Sie fingt allnachtlich in ihrem Neft,
Daß fie mic) nicht ſchlafen noch ruhen läßt. „Und fängft du fie ein und ſchaffſt mir Ruh, So fchent’ ich dir einen goldnen Sou.“
Der gute Gärtner auf dieſes Wort
Spannt feine Schlingen aus fofort.
Er fing die Nachtigall noch vor Nacht
Und hat fie dem alten Herrn gebradt.
Die der erfaßt das Vögelein,
Da lacht er auf im Herzen fein,
Und brüdt'’s und erbrüdt'3 erbarmungalos Und wirft's der armen Frau in ven Schoof. „Da feht, mein Gemahl, wie ih Euer gedacht, Ich hab’ Euch Euer Vöglein gebracht.
„Für Euch, mein Liebchen, fing ich es ein, Ich hoff, es ſoll Euch zur Freude fein.“ Der junge Buhle der Dame vernahm
Die trübe Kunde und ſprach voll Gram: „Um unfer Sieben ift es geſchehn,
Bir können uns nicht mehr wieberfehn. „Uns wiederſehen Lönnen wir nicht,
Wie fonft am Fenfter im Mondenlicht.“
Der ewige Jude, 431
Der ewige Jude. Hört an, Gefellen, höret an Den Zwieſprach, den zwei Alte gethan. Zwei Neltere trägt die Erde nicht, Sie leben bis zum jüngften Gericht. Der Eine heißt Iſaak Wanderfchnel, Der Andere Elend, der dürre Gefell. Und wo er zieht über Land und Meer, Da zieht der Jammer hinter ihm ber. Ad, wär’ er tobt, ach, wär’ er tobt! Die Menfchen wären aus aller Noth. Bei Orleans, da trafen fie ſich Und grüßten als Alte ſich brüderlich. Und Elend ſprach zu Iſaak zuerft: Sag, ewiger Jude, woher du fährft? Und fag, was thuſt du in biefer Welt? Ic ſeh', mit dir iſt's traurig beftellt. Der ewige Jude: Ich wandre bei Tag, ih wandre bei Nacht: So will e8 Gott, dem ich Leid gebradt. Ich wandre bei Nacht, ich wandre bei Tag Und leide mehr, ald ein Menſch vermag. Ad, leben! — und fterben kann ih niht! — Ad, leben bis zum jüngften Gericht ! Ich glaubte, der Aeltſte auf Erden zu fein, Nun ſeh' ich, du trägft noch ältere Pein. Der Alte Elend: Du Kindlein, das das Geftern gebar, Ich lebe ſchon etliche Taufend Jahr.
432
Bretoniſche Volkslieder.
Als Adam Gottes Gebote brach, Kam ich zur Welt unter feinem Dad.
Seit damals haben an ihrem Herb Mi ungern feine Kinder genährt.
Der ewige Jude: Mein altes Väterlein, fage mir, Die heißeft du, und mas fchaffft du hier?
Der Alte Elend: Freund, Elend ift der Name mein, Wohin ich mich wende, hör’ ich Gewein. Die Quelle bin id) von allem Leid, Der Vater jeglicher Schlechtigkeit. Du mußt mic kennen; denn, feit ich erftand, Schrei'n fie meinen Namen in allem Land. Ich lehrte fie kennen alle Wehn, Ich lehrte fie alle Leiden verftehn.
Der ewige Jude: \ Bift du's, der die Menfchen plagt, fürwahr, Dann kenn' ich dich. Siebzehnhundert Jahr Hör’ ih, wie man dic mit Namen heißt Des NMenſchengeſchlechtes böfen Geift. Zum Minveften, was ziehft du nicht vor, Zu den Reichen zu gehn, du alter Thor? Was bringft du den Armen alle Noth, Die oft nicht haben den Biffen Brod?
Der Alte Elend:
Schweig, Zube, ſchweig; ich boffe, daß bald Bei den Reichen ich nehme den Aufenthalt.
Der Nagelſchmied. 433
Und tret’ ich erft einmal in ihr Haus,
Man treibt mich fo bald nicht wieder heraus. Der ewige Jude:
Dein Kleid ift ſchabig, du alter Wicht,
Die Junter empfangen dich niemals nicht.
Sie jagen vom Thor dich ungeſcheut,
Du bift gemacht für die armen Leut. Der Alte Elend:
IH made Arme aus adligem Blut,
Ich ſchleiche mich ein mit Lift, o Jud.
Aufthun mir zwei Magde, die mit mir befannt:
Verſchwendung und Trägheit find fie genannt, Der ewige Jude:
Zieh weiter, Gefpenft, e8 ſchaudert mir,
Ich habe nichts weiter zu ſchaffen mit dir!
Mic) treibt ein Statkerer fort ind Sand, Auf mir, auf mir liegt Gottes Hand!
Der Noagelſchmied. Seitdem ih wohn’ an dieſem Ort, Hör’ ich den Nagelſchmied immerfort. Er hämmert bei Nacht, er hämmert bei Tag, Es Hopft fein Hammer Schlag auf Schlag. Mit ſchwarzen Armen fteht er ſtumm Und dreht das Eiſen um und um. Er hämmert bei Nacht, er hämmert bei Tag, Es Hopft fein Hammer Schlag auf Schlag.
Morig Hartmann, Werke, I. 28
434
Bretoniſche Boltälieder.
Nie fieht er den fhönen Sonnenfcein,
Das Feuer der Eſſe fieht er allein.
Er hämmert bei Nacht, er hämmert bei Tag, Es Hlopft fein Hammer Schlag auf Schlag. Daß er die Kinder Hein’ und fpeif',
Macht er die Nägel hundertweis.
Er hämmert bei Naht, er hämmert bei Tag, Es Hlopft fein Hammer Schlag auf Schlag. Die Andern gehn zum Kirmeßort,
Er hämmert an feinen Nägeln fort.
Er hämmert bei Nacht, er bämmert bei Tag, Es Hopft fein Hammer Schlag auf Schlag. Und Hein und groß und Nägel für Schub, Ad! wie viel Eifen um einen Sou!
Er hämmert bei Naht, er hämmert bei Tag, Es Hopft fein Hammer Schlag auf Schlag. Nur Sonntags kann man ihn feiern fehn, Da gönnt er fih Rub, zur Mefle zu gehn. Er hämmert bei Nacht, er hämmert bei Tag, Es Hopft fein Hammer Schlag auf Schlag. Im Schant zum grünen Tannenaft,
Da ift der Schmied ein feltner Gaft,
Er hämmert bei Nacht, er hämmert bei Tag, Es Hopft fein Hammer Schlag auf Schlag. So fegne Gott, fo viel er kann,
Ja, fegne dieſen Arbeitsmann !
Er hämmert bei Nacht, er hämmert bei’Tag, Es. tlopft fein Hammer Schlag auf Schlag.
Das Heimweh. 435
Das Heimweh. Die Anter fteigen, die Segel ſchwellen, Wir ziehn und fliegen über die Wellen; Es flieht das Land, auf thut fih die See, Mein armes Herz kann nur feufzen vor Web. Abe, ihr Geliebten, in Dorf und Gemeine! Ade, hold Linait, du liebliche Alleine! Dich muß ich verlafien, der Oftwind ftreicht, Ave, hold Linaik, für immer vielleiht! Dem Vöglein gleich, das der Sperber dem Nefte, Dem Weibchen entführt aus dem FrühlingsGeäfte, So bleibt mir nicht Frift zur Befinnung, nicht Zeit, Um ganz zu ermefjen mein tiefes Leid. Dem Lamme glei, der Mutter genommen, So hör’ ich nicht auf, zu weinen beflommen, Dahin die Augen gelehrt, wo blieb Am Lande zurüd mein fühes Lieb, Bald werd’ ich nur das Meer noch erſchauen, Auf thut es ſich breit mit Schreden und Grauen, Und wähn’ ich vom Abgrund verſchlungen mich ſchon, Dann wirft's mic empor gen Himmel mit Hohn. Das Schiff, ich feh’3 mit Staunen und Grauen, Ein Schloß, vom Meere gewiegt, vom blauen, Ein Schloß, mit achtzig Ranonen bebedt, Die ſchwarz gefärbt find und weiß gefledt. Das Ufer, ein Kreis, ver entzwei geſchnitten, Das große Meer und den Himmel inmitten, Und hoch erhebt fich des Schiffes Maft, Biel höher als unfer Kirchthurm faft, Ihr habt am Hügel die Fäden gefehen, Die kreuz und quer übers Farrnkraut gehen:
436 Bretoniſche Voltätieber. Mehr Taue find über die Maften gefpannt, Als Fäden über das Heibeland.
Ad, traurig find die bretoniſchen Herzen!
Mein Denten und Sinnen geht unter in Schmerzen. Umfonft wohl macht’ id dieß Liedchen bie,
Denn euch, ihr Geliebten, fing’ ich es nie.
der Brad, Der Knabe:
Könnt’ ich ſchreiben und leſen, wie ich reimen kann, Ein neues Lieb würd’ ich machen, ein neues und ſchönes dann.
Da kommt mein Heined Liebchen an unfrer Thür daher, Gern würd’ ich mit ihr ſprechen, wen es nur möglich wär’,
— Liebden, wie bift du verändert, feit ich dich nicht gefehn, Seit id im Junimonat dich fah zur Kirmeß gehn! Das Madchen: Wenn ich's wirklich wäre, verändert, wie du gejagt? 3% bin feit jenem Feſte vom böfen Sieber geplagt. Der Knabe:
Komm in den Garten, mein Liebchen, komm doch herein mit mir; Schau an die wilde Roſe unter den Kräutern hier.
Die fie fo ſchön und heiter auf ihrem Stengel ftand,
Roſig wie deine Wangen, als ich fie Montags fand.
Sagt’ ih e8 nicht: verfchließe wohl dein Herz, mein Kind,
Daß kein Menſch hineinkann, wo Blumen umd Früchte find!
Du haft nicht auf mic, gehöret, du ließeſt es offen ftehn, Die Rofenblüth' ift verwellet, vie Schönheit muß vergehn.
Abſchied der Seele, 437 Die Lieb’ und die wilde Rofe, das herrlichfte Blumenpaar, Sie blühen und verwelten fehr ſchnelle beide fürwahr.
Die Zeit, da wir uns lebten, fie hat nicht lange gewährt, Sie ift vorübergegangen, wie ein Windhauch vorüberfährt.
Abſchied der Heele. D, kommt! daß ich euch finge, wie felig unfre Seele Den Leib, ihr Haus, verläßt; fommt! daß ich euch erzähle. Schnell blidt fie noch zurüd, zurüd zur ird'ſchen Stätte, Und fprict zum armen Leib, der krank liegt auf dem Bette: Die Seele. Weh mir, du armer Leib! die Stunde hat geſchlagen, Dir und der ganzen Welt nun muß ich Abſchied jagen. Ich hör’ das Hämmerlein des Tods und fein Gellopfe, Die Lippen find dir kalt, es fummt in deinem Kopfe.
Grün ift dein Aug, furchtbar dein Angeficht, das blaſſe; Weh mir, du armer Leib! ’3 ift Zeit, daß ich dich laſſe. Der Leib,
Wenn ſchrecllich mein Gefiht und grün find meine Augen, Dann mag wohl unfer Bund, du fagft es, nicht mehr taugen.
Den treuen Weggefel’n, der lang mit dir gewandelt, Verachteſt du nunmehr; wie arg bin ich verwandelt!
Stets lieben Zweie fi, wenn Zwei einander gleichen; Nun du mir nicht mehr gleichft, magft du auch von mir weichen. Die Seele
Nein, nein, mein theurer Freund! nein, dic) veracht' ich nimmer, Des Herrn Gebote haft bu ja befolget immer.
438 Breloniſche Vollolieder.
Der Herr ſei benedeit! er hat es ſo beſchloſſen:
Mir iſt der Herrſchaft Friſt, die Dienſtzeit dir verfloſſen.
Der Tod will mitleidslos, daß wir geſchieden werden;
Inmitten ſchweb' ich nun des Himmels und der Erden.
Einfam, dem Täublein gleich, das aus der Arche. ſchwebte,
Zu fehn, ob noch die Welt vom wilden Sturme bebte. Der Leib.
Wohl! dod zur Arche flog aufs Neu’ das Täublein nieder; Du fehreft nie zurüd, du kehreſt niemals wieder.
Die Seele
Ich kehre dir zurüd, mein heil ger Schwur verfpricht es, Ich tehre dir zurüd am Tag des Weltgerichtes.
Ich Tehre dir zurüd, fo wahr, ald aus dem Leben
Ich ſcheide zum Gericht. Weh! mid) erfüll’s mit Beben.
D, fei getroſt, mein Freund! wenn Norbwefl-Stürme ſchweigen, Beſanftigt ſich das Meer; ich will den Weg dir zeigen,
Und wareſt du fo ſchwer wie Eiſen, glei Magneten Anzieh’ ih dich, ſobald den Himmel ich betreten. Der Leib,
D Seele! wenn ich erft im Grabe liegen werbe Und die Verweſung mic, verkehrt in Staub und Erbe;
Denn Finger, Hand und Fuß und Arm von mir genommen, Die foll ich dann zu bir hinan, o Seele, tommen? Die Seele
Der ohne Stoff und Bild die Welten rief ind Leben, Er kann dir die Geftalt, viefelbe, wieder geben;
Er, der dich wohl gelannt, eh er dich ließ erftehen, Selbft dort, wo nicht du bift, wird dich fein Auge ſehen.
Abſchied der Gele. 439 Wir fehn und wieder dann, fo wahr, als ich mich hebe Zu Gottes Richterftuhl, vor dem ich bang’ und bebe; So wahr id bebe jegt, fo wahr mich faßt ein Bittern, Dem ſchwachen Blatte glei, das flattert in Gewittern. — Die Seele höret Gott, und Gott erwidert gnädig: Muth ! Chriftenfeele du! bald wirft der Qual du ledig.
Du haft mir treu gedient in deiner Erdenweile, Sept komm heran und nimm dein Theil am Himmelsheile.
— Da fliegt die Seel’ empor, noch einmal blidt fie niever, Wo auf der Bahre ruhn des armen Leibes Glieder. Die Seele Ich grüß’ did, armer Leib! fieh, wie ich zögernd ſcheide, Noch einmal blid’ ich um, dieweil ich mit dir leide. Der Leib. Mit deinem golonen Wort, o Seele mein! entweiche; Nicht find mitleidenswerth Verwefung, Staub und Leiche. Die Seele Nicht do! o, du verdient Mitleid und Liebesfprüche, Gleich irdenem Gefäß, das einſchloß Wohlgerüce. Der Leib,
Ude, mein Leben du! fo fei e8 denn geſchieden! Wohin du wunſcheſt, mag dich leiten Gott in Frieden.
Du bleibeft ewig wach, mic brüdet Schlummers Schwere, Zum Mindften denke mein, und balde wiederkehre!
Die blidft du, welcher Glanz und Schimmer dich ummehen! Du bift fo froh und hehr, ich bin fo trüb zu fehen. Die Seele.
In Rofen blühen auf jegt meine Dornen alle, Und Honig leget mich, anftatt der bittern Galle.
440 Bretoniſche Bollalieder.
— Dann lebend, heiter, froh, wie Frühlings» Lerchen pflegen, Steigt auf die Seel’ und fteigt dem Himmelsglanz entgegen, Sie fteigt zum Himmel auf, fie pochet an die Pforte, Zum Heren Sankt Peter fpricht fie bittend dieſe Worte:
Die Seele. O du, Sankt Peter! Herr! bein Herz ift voller Gnade! Zu Jefu Paradies eröffne mir die Pfade,
Santt Peter.
Ja, in das Paradies Jefu geh ein die Wege, Weil du in deinem Haus ihn pflagft mit treuer Pflege. — Am Eingang nod einmal blidt fie nad üdwärts ſehnlich; Da liegt ihr armer Leib dem Maulwurfshügel ähnlich.
Die Seele Ade, mein Leib, und Dank! Ave! auf Wieverfehen, Bis wir in Joſaphat's Gethal zufammengehen. Gefänge hör’ ich hier, wie ich fie nie vernommen; Es glänzt der Tag, es ift der Dunft von mir genommen. Da prang’ ic Blühenve, gleich einem Rofenbaume, Der fteht am Lebensbach im Paradiefesraume,
Die Hölle. Steigen wir zur Hölle nieder, Cpriften, lafjet una mit Grauen Dort die unerhörten Qualen der verbammten Seelen ſchauen, Welche Gottes Zorn inmitten ew'ger Flammen ſchlug in Ketten, Weil ſie ſeine Gnad' auf Erden nicht geſucht, um ſich zu retten. In der Hölle tiefen Abgrund leuchtet nicht die lleinſte Helle; Nebel ziehen, und die Pforten find verwachſen mit der Schwelle, Gott, der Herr, hat felbft die Riegel vorgefhoben an den Thoren; Niemals öffnet er fie wieder, und der Schlüffel ift verloren. \
Die Hölle. 441
Rauch find eines ird'ſchen Ofens Wände nur, die rothentflanmten, Gegen jene Gluth, die zehret an den Seelen der Verdammten. Beſſer wär's im ird’ihen Dfen brennen bis and End’ der Erben, Als im Höllenfeuer Eine Stunde nur gequält zu werben.
Furchtbar finnverwirrend heulen fie, wie wuthbefehne Hunde; Keine Rettung! wo fie fliehen, zängeln Flammen aus dem Grunde, Flainmen über ihren Häuptern, unter ihren Füßen Flammen! Flammen, ewig zehrend, freſſend, ſchlagen über fie zufammen.
Auf die Mutter ftürzt die Toter, und der Sohn ftürzt auf den Vater,
Und fie ſchleiſen an den Haaren Beide mitten durch den Krater:
„Sei verflucht, verlornes Weib du, daß du mich zur Welt geboren !*
Sei verflugt, vu Dann, der ſchuldig, daß ich ewig bin verloren I"
Satan bringt zur Speife ihnen Koth der Höllen» Ungeheuer, Den er aufliest in den Betten ausgemwühlt vom flüff'gen Feuer. Ihre eignen falz'gen Thränen ſetzt er ipnen vor zum Trunke, Untermifcht mit Krötenblute und mit Saft von Mol und Unte.
Ihre Haut ift abgefhunden, und ihr Fleiſch ift aufgeriffen Bon den fpipen Echlangenzähnen und von den Dämonenbiflen. Ihre Knochen fammt dem Fleifhe werden in den ungeheuern Pfuhl geworfen, um der Hölle Rieſeneſſe mit zu feuern.
Und nachdem fie lange brannten, nimmt fie Satan aus der Flamme, Und er taucht fie in ein Eismeer nieber bis zum ſchwarzen Schlamme; Taucht fie dann ins Feuer wieder, und im Eife, daß es fiebet, Loſcht er fie zum zweiten Male, wie das Eifen, das man ſchmiedet. Und fie werben weinen, weinen bitterlih und zum Erbarmen: ‚Habe Mitleid, mein Gott! mein Gott! habe Mitleid mit ung Armen! Doch vergebens! all ihr Flehen dringt nicht durch der Hölle Mauern, Und fo lang Gott felber dauert, werben ihre Qualen dauern. Brennen wird fie foldes Feuer, daß das Mark in ihren Knochen Bon der unnennbaren Hige wird in feinen Röhren kochen,
442 Bretoniſche Volfslieder.
Mehr nur wirb fie Satan quälen, wenn fiefhrein zu Gott um Gnade; Ob fie heulen, ewig brennen müffen fie im Flammenbade. Diefes Feuer hat entzündet Gottes Born, der nieberrollte
Wie der Blig; er felber kann es nimmer loſchen, wenn er wollte. Niemals raucht es, nie verzehrt e3 feine Gluthen, feine dichten, Ewig wird's die Seelen brennen, ohne je fie zu vernichten.
Hefang der Heelen im Fegfeuer. ,
Euch Gruß von Gott, dem Vater und Sohn, Ergeht's euch wohl, wer immer hier wohn‘, Euch Allen foll e3 wohl ergehen, Vereinet euch, zu Gott zu flehen.
Wenn an die Thüre pocht der Tod, Auf Einlaß dringet fein Gebot,
Da zittert jedes Herz vor Bangeu:
Wen wird er dießmal wohl verlangen? Euch aber ſcheint es mohlgethan,
Daß wir und eurer Thure nahn;
Uns ſchicket Jeſus, euch zu weden, Wenn Träume eure Augen deden,
Daß Groß und Klein, was dieſes Dach Beherbergt, aus dem Schlaf erwach', Wenn Mitleid meilet nod auf Erben, Um Gott! mag uns geholfen werden. Verwandte, Brüder, Freunde, hört! Um Gott! was unfre Ruhe ftört;
O, ſchickt Gebete auf zum Herrn,
Nicht beten unfre Kinder gern.
Die wir gefpeifet und genährt,
Sie haben fi) von ung gelehrt,
Gefang der Seelen im Gegfeuer.
Die wir gehegt in unfern Armen, Berließen uns, und ohn’ Erbarmen.
Du Sohn, du Toter! o, ihr liegt In weiches Federbett gefchmiegt,
Der Vater, ich, ich Mutter theuer, Dir liegen in dem Fegefeuer.
Ihr fhlafet füß und weich zumal, Die armen Seelen find in Qual,
Ihr rubet aus in fanftem Schlummer; Die armen Seelen leiven Kummer.
Ein Laden weiß, fünf Bretter und
Ein Sad voll Stroh, fünf Schritte Grund, D Menfcenlind! Das ift die Habe,
Die dir allein verbleibt im Grabe.
Wir find in Flammen und in Dual, In Gluth und Feuer allzumal. Gluth oben, unten, wo wir treten; Den Seelen helfet mit Gebeten.
Einft, da wir lebten, hatten doch Bir Freunde und Verwandte noch; Sept, da wir todt find und geftorben, Iſt alle Freundſchaft mit verborben.
Im Namen Gottes helft uns auf,
Zur heil gen Jungfrau fleht hinauf,
Sie mög’ ein Tröpflein ihrer füßen
Milch auf die Seelen nievergießen!
Steht auf aus euren Betten, geht
Und werft euch nieder zum Gebet,
Wenn eu nit Siechthum hält und quälet Und nicht der Tod ſchon ausermwählet,
443
444
Bretoniſche Volkslieder.
Das Paradies.
Gott! wie wirb groß und rein Das Glüd der Seelen fein, Wenn fie bei Jeſu find,
Der jede liebt als wie fein Kind! Mir fcheint die Weile Hein, Und leicht jedwede Bein, Geden? ih Tag und Naht
Des Paradiefes Luft und Pracht. Wenn ih den Himmel blau, Die wahre Heimat, ſchau' Mocht id) dahin, dahin
Die eine weiße Taube ziehn! Denn mir erſcheint der Tod, Laſſ' ic den Leib der Noth, Laſſ' ich den Leib der Bein, Der meined Jeſu Feind will fein. Mit Freuden wart’ ich lang
Auf meinen legten Gang; ' Nach Jeſu tracht' ich fehr,
Mein wahres Chgemahl ift er. Denn alle Ketten mein Gebrochen werben fein,
Steig’ ich ind luft'ge Reich Gmpor, der lieben Lerche gleich. Den Mond im Rüden weit, Mit ftolgem Fuße fhreit”
Ich auf den Sonnenball
Und tret’ ich auf die Sterne all. Dann von der Erde fern,
Von dieſem Thränenftern,,
Das Paradies. 445
Die Blide noch gewandt Zurüd zu meinem Heimatland —
Sprech' ih: Mein Land, Ave! Ude, du Welt voll Weh!
Abe, du Erbenthal
Mit deiner großen Laft und Dual!
Abe, o Noth und Pein!
Ude, ihr Sünden mein!
Ade, geängftigt Herz!
Ich fteige freudig himmelwarts.
Nunmehr der böfe Feind
Mir nimmer furchtbar ſcheint. Seit meine Stunde ſchlug, Bin ich gerettet algenug.
Mein Leib auf irrer Bahn,
Die ein verlorner Kahn,
Hat mich hieher gebracht,
Trog Wogenfturm und Wetternacht,
O Zod! du Pförtner du,
Der mir das Schloß der Ruh Erſchließt, an deſſen Riff
Die legte Welle brach mein Schiff.
Wohin id nun mic wend’
Und meine Blide ſend',
Fullt Alles weit und breit
Mir Aug und Herz mit Freudigkeit.
Des Paradiefes Thor
Iſt offen, und davor
Stehn ſchon der Heil gen viel, Die mid empfangen an dem Ziel.
446
Bretoniſche Bolflieder.
Dann führet mid mit Sang, Mit füßem Harfentlang
Ein ehrenvoll Geleit
Zum Schloſſe der Dreieinigteit. Da feh’ ich auf dem Thron Gott Bater und den Sohn, Den heil'gen Geift dabei;
Die find mir gnädig alle Drei. Dann geht in ernfter Ruh ‚Herr Jefus auf mich zu
Und drudet auf mein Haar Mir eine Krone hell und Har. Er fpricht voll Freundlichkeit: Ein Leib gebenebeit -
Iſt wie ein edler Schatz, Verborgen an geweihtem Platz. Ihr ſeid in meinem Reich
Den Roſenwurjeln gleich,
‚Den Lilienwurzeln weiß,
Im Gartenland gepflegt mit Fleiß. Die Rof, die Lilie Har Verlieren jedes Jahr
Die weiße Blüthenzier
Und blühen wieder, fo wie ihr. Für leichtes Herzeleid,
Für kurze Traurigteit
Theilt und ber Vater aus
Den hoben Lohn in feinem Haus, Die ſchön zu fehn ift fie,
Die heilige Marie!
Zwölf Sterne voller Glanz Umgziehn ihr Haupt als wie ein Kranz.
Das Paradies,
Dir fehn der Engel Heer,
Sie fingen Gottes Chr,
Die Harfen in der Hand; Melodiſch wiegt ſich ihr Gewand.
Und Vater, Bruder, Sohn
Sehn wir an Gottes Thron
Und, fhön von Ruhm und Glanz, Die Männer unfres Vaterlands.
Wir werden Jungfraun zart
Und Heil’ge jeder Art
Und Mütter, Wittwen, Fraun, Bon Gottes Huld gefrönet, ſchaun.
Und all die Engel Hein
Mit ihren Flügelein
Bon rofenrothem Duft,
Die ſchweben ob uns in der Luft,
Sie wiegen Arm in Arm,
Wie ein melov’iher Schwarm Wohlduft'ger Bienen fi
Im Blumenfeld wiegt wonniglich.
O Wonne fonder Bein!
Mit Sehnfucht dent’ ich dein;
Du tröfteft mir das Herz
In diefes Lebens Noth und Schmerz.
447
Anmerkungen.
©. 369. Merlin Wunderthäter. Die mythiſche Ge- ſtalt Merlins ift au in Deutjhland populär geworden. Den * Namen Merlin (Merbbyn, Myrdin, Marzin) haben zwei Barden getragen. Der eine lebte im fünften Jahrhundert und galt für den erſten Bauberer und Wunderthäter feiner Zeit. Der andere fagt uns felbft, daß er in der Schlacht von Arberiz feinen eigenen Schwefterfohn unfreiwillig töbtete, darüber von Sinnen kam und fid) aus der Welt in den Wald von Kelidon zurlidzog. Das if der unter dem Namen „ber Wilde“ bekannte Merlin. Im unferem Gedicht ift offenbar der Gedanke an Merlin den Wunder- täter dorherri hend. CS führt Beihäftigungen auf, die man nur den Bauberern zuſchrieb. Er fteht des Morgens früh auf und durchſtreift, begleitet von feinem ſchwarzen Hunbe, Wälder, Biefen und Ufer, um das rothe Ei der Seeſchiange zu fuchen, welches, um den Hals getragen, nad) dem uralten Boltöglauben unendlihe Zaubermacht verſchaffte. Ferner fucht er die grilne Kreffe, das Goldkraut und die Eichenmiftel. Dem Goldkraut trauen nod heute die Bretonen eine große Kraft zu. Wenn man zufällig darauf tritt, ſchläft man ſogleich ein und verfteht die Sprache der Hunde, Wölfe und Vögel, Es glänzt von Wei- tem wie Gold, und man findet es nur friih Morgens und auch dann mur, wenn man barfuß und im Hemde ausgeht, um es zu ſuchen, und einen Kreis um fich befehreibt. Man reißt e8 aus und darf es nicht abſchneiden. Nur fehr Heilige Leute finden es. Die Macht der Miftel kennen wir aus den deutſchen Sagen. S. 370. Heloife und Abailard. Ohne die Ueberfhrift wilrde e8 wohl dem deutſchen Leſer ſchwer, im ben Helden dieſes Vollsliedes das berühmte Liebespaar des eilften Jahrhunderts wieber zu erfennen. Man fieht, daß das bretonijche Volk den
Anmertungen. 449
großen Scholaftiter in eine Art von Doktor Fauſt amd Heloife in eine Art Marifen von Nymwegen, den teiblihen Fauſt des Hollänbifchen Voltsbuches, umgewandelt hat. Zu diefer Eniftel- dung haben nach 2a Billemarqu6 die Mönde vo St. Gildas, welche ihr Abt Abailard mit philoſophiſcher Verachtung be- Handelt hat, das Ihrige beigetragen. Das BVolkslied ifl in Uebereinftimmung mit der Gefcichte, wenn es Heloife in Nantes verweilen läßt; denn dort und in dem nahen Flecken 2e Balet hat fie ſich um 1099 mit Mbailard mehrere Jahre Yang aufgehalten. Diefen Aufenthalt auf dem Haffiihen Boden des Druidismus benugt es zugleih, um ihr alle die Eigenſchaften zuzufehreiben, die e8 den Druiden und Druidinnen und in der Folge allen Zauberern zu leihen pflegt. Doch hat ſich dem Lieb und den Mönden zum Trotz in der Bretagne auch das unver falſchte Andenken an das unglüdliche Liebespaar erhalten. Beide Perſönlichteiten find dort und in der Boccage fehr populär; und im herrlichen Gliffon if man auf die ©rotte Heloifens, it welcher fie fi nach ihrer Niederkunft verborgen, ebenſo ftolz a18 anf die Erinnerungen des großen Konnetable.
©. 372. Johanna die Flamme Das Lied befingt eine deſchichtliche Thatfache. Johanna von Flandern, welcher Karl von Blois die Erbſchaft der Bretagne ftreitig machte, ift eines der ſchoönſten und muthigften Weiber des ganzen Mittel- alters. AS ihr Mann Montfort gefangen, ihre, die Montfort- engliſche, Partei gefehfagen war, wußte fie die Intereſſen ihres Sohnes, des fpätern Johann IV., mit Kraft und Erfolg zu ver- treten. Sie warf fid in bie feſte Stadt Hennebont, und fie jelbft ging hinaus und fledte daS Lager der fie unter Blois be- Iagernden Franzofen in Brand, daher ihr Name Jeanne lu Flatnme; wenn derſelbe nicht, was aud nicht unwahrſcheinlich, eine Abfürzung aus Jeanne fa Flamande und dann nad) ihrer tütmen That auf das in Flammen gran Lager gedeutet wor- dert if. Vgl. andy noch Bd. III, 437 5.) Das celtiſche Original ſpricht Hier und fiberall, wo in der Ueberſetzung „Franken“ fteht, von „Galliern“; ſogar die Normannen und die modernen Fran- zoſen, 3. B. in dem Gedicht aus der Revolution: „Die Blauen“ (S. 401), heißen tod fo. Aus uralten Beiten hatten fie ſich daran gewöhnt, jeden Feind, der ihnen aus Often fam, mit jenem Namen zır bezeichnen. Aehnlich nannten fie „Sachen“ ienent Feind, der ihnen von der „großen Inſel“, Britannien, iam, und noch heute Haben fie fürdie Engländer feine andere Bezeichnung.
Morig Hartmann, Berte. 1. 29
450 Bretonifche Bollstieder.
©. 376. Du Öuesclin. Ein edles und häufig in Sage und Geſchichte vorfommendes Motiv zu Aufftänden bildet die Empörung des Bolles über einen Angriff auf die weibliche Zugend. Lucretia und Virginia find uns aus der Schule bekannt; die Weſchichte von Baumgartens Weib iR durch Sghillers Teil populär geworben; die graubündtifce Cordula hat Mar Waldau jchon gefeiert; die holländiſche und frieſiſche Geſchichte hat auch ihre Sueretien. Im der Bretagne hat das Unglüd der Bathe des Helden du Guesclin das Signal zur zeitweiligen Befreiung bes Landes von ben Englänbern ober „Sachſen“ gegeben und dem fpäteren Konnetable von Fraukreich und Sieger in fo manchen Schlachten die erſte Gelegenheit geliefert, fein furcht⸗ bares „Löwenhaupt“ zum Schred der Feinde des Baterlandes zu f&ütten und feinen Zornmuth zu zeigen. Wenn bie Geſchichte don dem armen Gretchen, dem Pathenkind du Guesclius, nichts weiß, fo ift dieß wohl der Unbekanntſchaft der franzöſiſchen Hifto- riter mit der celtifchen Sprache und celtiſchem Weſen zuzu- chreiben, in Foige deren dergleichen Lieder nicht als Geſchichis- quelle betradhtet und benügt worden find. Bon der Einnahme des Schloffes Trogoff durd du Guesclin (1364) weiß inde die Geſchichte und kennt auch einen Rojerfon, aber unter dem Namen Roger David.
©. 881, Der Schwan. Den Bretonen war es bei ihren Kämpfen weder um Franzofen, noch Engländer, fondern bloß um ihre nationale Freiheit und Unabhängigkeit zu thun. Nach- dem Karl v. Bloiß gefallen (1364), blieb fein Nebenbuhler Fo- hann v. Montfort Herr der Bretagne. Aber feine Liebe zu den Fremden, die ihm das Land erobern geholfen, und die Gunft- bezeugungen, mit denen er fie zum Nachtheil der Bretonen über- häufte, erwedten endlich die nationalen Gefühle. Da ihm feine Barone die Wahl ließen, ob er die Engländer vertreiben ober ſelbſt das Land verlaffen wolle, wählte er daß Letere und zog fi) nad England zurüd. Karl V., der in alle Dem ein gutes Zeichen zu erbliden glaubte, wollte bei biefer Gelegenheit fein Recht der Suzerainets in endlichen Beſih verwandeln und ſchickte eine Armee in die Bretagne, die feinen Willen ausführen ſollte. Ein gleichzeitiger Dichter jagt in feiner Chronique du bon roy Jehan: „Karl V. rüftete ganz glänzende und friſche Fahnlein ans, die aus holdfeligen und gut geputzten Franzoſen beftattden und ſich bei dem Gedanken freuten, daß die Bretonen ſich ohne Weiteres ergeben wilden. Cr glaubte, die Bretonen
Anmerkungen. 451
ohne Widerftreit zu haben und fie zu ſcheeren wie Schafe. Diefe Hatten im Kampfe für Frontreichs Unabhängigkeit gegen bie Engländer große Uebel ertragen, fie jwaren fo entfellt, fo zer- hadt, fo verfiiimmelt! Die Einen waren einäugig, die Andern verfrüppelt; die Haut ihres Gefichtes war wie Winde; ihre Kleider hingen in Feten, ihre Pferde waren tobt, ihr Vermögen dahin; fie alle trugen Wunden, aber mehr vorn als im Rüden. Die Franzofen, im Gegentheil, waren gut gefämmt; ihre Hant war wei und fein und der Bart in Bwidel getheilt; beim Tanz in glattgebielten Sälen Tannten fie nicht ihres Gleichen; fie fangen wie bie Sirenen; fie waren bededt von Perlen und Stidereien; fie waren niedfid) und aufgedonnert, und bie Bretonen fmer- fällig und einfältig. Nach der Meinung der Lebteren that Das weiter nichts. Aber da der Entjcheidungstag herankam, hielten die Vretonen Rath und fingen ihre Schwerter zu fchärfen und zu Schleifen an; Jeder ſuchte Eifen und Holz hervor und Har- niſch, Degen, Stahlſchienen und Beil und Hammer und Knoten- ſtock; Jeder verkaufte Ochs oder Kuh, um Menner zu Laufen: Das ta daher, daß fie die Freiheit vertheibigen wollten biß in den Tod! Denn die Freiheit if ein erfreulich Ding; fie ift ſchön, fie ift gut, fie iſt nüglih. Sie zitterten vor ber Sklaverei, da fie fahen, wie fie in Frankreich herrſchte.“ Herzog Johann von Montfort wurbe zurüdgerufen und mit ungeheurem Enthu- fiosmus als Vertheidiger ber nationalen Unabhängigkeit empfangen (1879). Er fiegte. Die „weiße Stute“ ift das Meer. Der „Berräther,“ von welchem bie legten Strophen ſprechen, ift Ber- trand du Guesclin, ber als franzöfifcher Konnetable die Sran- zofen ing Land führte und dadurch den Fluch und die Beratung feiner Landsleute auf ſich 309.
©. 384. Die jungen Leute von Plonis Die Hifle- viler der Bretagne wiffen nichts von dem Bauernkriege, deffen dieſes Gebicht erwähnt, Doc zweifeln wir nicht, daß er Statt gefunden. Die Hiftorifer find meift Franzofen, und der Krieg war vorzugsweiſe gegen die Franzofen und ben Feudalismus, den fie in der Bretagne einführen wollten, gerichtet. Ein Ka- nikus aus Ouimper, der zur Zeit der Ligue lebte, welche wahr- ſcheinlich alle alten den: Sranzofen feindlichen Erinnerungen wedte, erzählt nad; Meberlieferungen von einem Bauernaufruhr, der im fünfzehnten Jahrhundert ausgebrochen und der offenbar mit dem in dem Gedichte gefeierten identiſch ift, obwohl der gute Kanonikus natürlich gegen bie Bauern geftimmt ift, bie fidh nicht
452 Bretonife Boltalieder.
neue, brüdenbere Gejege und neue Steuern aufbürden laſſen. Nach feiner Erzählung erhoben fi die Bauern unter Anführung dreier Brüder aus Ploui6, ohne Widerfland zu finden, griffen Kemper an und beſetzten es am 30. Juli 1480 ober 1489, Nachden der Kanonikus die Graufamkeiten gefchildert, die fie in der eroberten Stadt ausgelibt, erzählt er weiter, ba die Bauern auf ihrem Heimmeg itberfallen und mehr als taufend getöbtet worden, mit Einem Worte, daß es ihnen fo erging, wie überall, wo fie fih mit Muth erhoben, fiegten und den Friedensworten des befiegten Jeindes vertrauten. Das wollten die letzten zwei Zeilen des Liedes bejagen, bie traurig und melancholiſch ab- brechen, als ob der Barde ſich mit Trauer abmwendete van bem veritbten Verbrechen, das an den Bauern, die nichts wollten als das alte Geſetz und die man feudaliſtiſch won ihrem Gigen- thum ſtoßen wollte, verübt worden.
5.888. La Fontenelle Wenn ein Parteigängerkrieg, der noch dazu einen religiöfen Charakter trägt, jemals ein Scheujal hervorgebracht hat, defien Thaten Grauen erregen, fo war La Fontenelle eines. Die Haare firäuben fi, wenn man in glaub» würdigen Hiftorifern won den Gräueln liest, die diefer Bundes- genoffe der Ligueurs, der Streiter für den Glauben, auf der ganzen Oberfläche der Bretagne verübt hat, Die Infel Triſtan, in der Nähe von Douarnenez, mar fein gewöhnlicher Aufenthalt. Alle Weiber der Nachbarſchaft find von ihm gefhändet worden; an fünftaufend. Bauern hat er durch Eifen ober Feuer den Tod gegeben; alle Befigenben mußten ihm Freibriefe und Freis@eleit ablasıfen, ohne daß fie dadurch geſchützt geweſen wären. Einen weichen Abeligen überfiel er einmal in feinem Schloffe, zwang ihn mit dem Doich auf der Brut, ale feine Reichthümer auß- zuliefern, fößt ihn dann nieder und ſchändet die ſchöne Frau auf dem verblutenden Leibe des Gatten. Dann bindet er dem Töchterlein der Unglücklichen eine Kae um den Hals, welche wüthenb geworden, das arme Kind zerreißt. Heinrich IV. ließ ihn in Douarnenez belagern, konnte ihn aber nicht zwingen. Aus einer Gefangenschaft, in die er gerieth, kaufte er ſich los. AUS die Ligueura gefchlagen waren und Heinrich IV. die Er- oberung durch Vergeffen und Vergeben befefligen wollte, ließ er auch Zontenelle die Freiheit. ber ber Friede war nicht das Element, in dem biefer eben konnte. Rach einigen Jahren nahın er Theil an ber Verſchwörung Birons und empfing endlich den Lohn, den er ſchon während feiner -erken Gefangenfchaft
Anmerlangen. 463
hätte empfangen follen: er ſtarb anf dem Rade. Dieſes Ende des Räubers und das hiftorifche Faktum der Entführung einer reichen neunjährigen Erbin Bilden den Inhalt bes Gedichtes. Ueber feine Schandthaten ficht es hinweg und ſtellt ihn eigentlich bloß als eine Art von Don Juan dar, läßt ihn von der geraubten Frau geliebt fein und ſchueht elegiſch mnd den Verfall feines Schlofſes, das nichts als ein Raubneft war, bedauernd. Das Gedicht beweist, daß es die Bretonen mit der Moralität ihrer Glaubensftreiter nicht genan nahmen und allen Verbrechen gern Abfolution gaben, wenn fie nur im den Reihen ber Ligueurs, der Streiter der Kirche, verübt wurden. (gl. auch III, 478)
©. 392. Der Tod Bontcalec’s. Es thut uns leid, den Helden diefes Gedichtes durch Erzählung des wahren Sach- verhalt# der Verſchwörung, in die er verwidelt war, eines Theils feiner Glorie beranben zu müffen. Der fpanifche Winifter Aiberoni hatte unter Anderem auch den Plan, die Stuarts wieder auf den englifchen Thron zu erheben und die Regentſchaft Frankreichs dem Herzog Philipp von Orleans zu entreißen, um fie König Phi- Kpp V. von Spanien in die Hände zu jpielen. Er erfaufte zu diefem Ziwed eine große Anzahl von Hoflenten, ſchicte nach und nach verfleidete Soldaten in die Bretagne umd fegte ſich mit vielen bretoniſchen Ebelleuten in Verbindung. Unter dieſen fand ex eine dem Unternehmen günftige Stimmung; denn der bretonifche Abel mar entrüftet, daß der Regent ihm zugemuthet, einen Theil der Steuern, 200,000 Francs, gleich dem gemeinen Belle zu tragen. Grund genug für ihn, um dem Volke vorzufpiegelm, daß man es feiner Sreiheiten und feiner Ntonalität berauben wolle, und um das Vaterland am den Fremden zu verrathen. Die unter dem Namen der Konſpiration von Cellamare befannte Ber äwörung wurde entbedt und zwanzig Ebellente zum Tode verurtheilt. Der Regent begnugte ſich damit, vier Köpfe fallen zu fehen — darunter den des Zljährigen Herrn Pontcalec. Die Strophe:
„Ex wurde gerichtet von einer Echaar,
Die vom Hintern der Kutſchen gefallen war,“
(Kondaonet, naren gand tudpar,
Nemet tud koet doc’h lost ar. c’har) heißt eigentlich wörtlich: er wurde verurtheift nicht non feines Gleichen, aber von Leuten, die vom Schweif der Karoffen ge foßkem waren. Mit dem letzten Wusbrud bezeichnet die bretonifche Reberveife die Emporlämmlinge.
454 Bretoniſche Vollslleder.
S. 897. Die Schlacht von Saint-Caſt. Das Factum, das dieſes Gedicht beſonders intereſſant macht, iſt ſonderbarer Weiſe darin nur angedeutet und wird von ben franzöfiidj-patrio- tiſchen Ergießungen und dem Haffe der Barben gegen die Eng- länder -(oder Sachſen) Uberwuchert. Wir halten es daher für nothwenbig, den deutfchen Leer darauf aufmerkfam zu machen, indem wir es bier, nad Saint-Pern, befonders erzählen und fo die letzten Strophen der zweiten Abtheilung aufklären. „Die Schlacht von Saint-Caft (1758) zeichnet ſich durch eine Begeben- Heit aus, die in den AKriegsannalen vielleicht einzig. bafteht. Eine Kompagnie von Bretonen aus der Gegend von Treguier und St. Pal-de-Leon rüdte gegen eine Abtheilung der engliſchen Armee vor, welche Abtheilung aus Gebirgsbewohnern von Wales beftand. Auch diefe rückte auf den Kampfplat vor, indem fie eine ihrer Nationalmeifen fang. Plötzlich Halten die Bretonen der franzöſiſchen Armee ganz erflaunt inne: die Nationalweife der Wallefer war eine von denen, die täglich in der Bretagne zu hören find. Eleftrifirt von jenen Tönen, die zu ihrem Herzen ſprachen, fangen fie, plötzlich begeiftert, den Refrain mit zu fingen an. Das Staunen, war num auf Seiten der Söhne von Wales, Sie bleiben bewegunglos ſtehen. Die Offiziere ber beiden Seiten fommandiren euer, aber fie fommanbiren in derſelben Sprade, und ihre Soldaten find verfeinert. Doch dauerte dieſes Zögern nicht fange; gerührt werfen bie beiden Heeresabtheilungen ihre Waffen hin, umarmen einander und er- neuern das Bilndniß, das vor Jahrhunderten ihre Väter an einander gelnilpft · hatte.“ Nach dem Liebe zu ſchließen, haben die engliſchen Offiziere den ganzen Vorgang dem Verrathe zu- geföjrieben. Jedenfalls fheint er zur Niederlage der Engländer beigetragen zu haben. Die Geſchichte fagt uns, daß die Ueber- zahl der. Franzojen und die plöglic fteigende Fluth, welde die Engländer von ihren Schiffen trennte, eben fo viel Schub hatten an dem Mißgliden der Landung und der gänzlichen Niederlage der Briten, ais die unverhofft eingetretene Rührung der Söhne Alt-Britanniens.
©. 400. Die Chouans. Der in biefem Lied gefeierte Held ift Julien, von Cadondal, Bruder bes fpäter durch bie Ber- ſchwörung gegen den erften Komful berühmt gewordenen George Caboudal, Neben ihm wird ein Herr Zinteniac,: als einer ber Zührer der Chouans, erwähnt: einer der populärften Namen der bretonifchen Dichtung, der durch die Vollslieder vieler Fahr-
Anmerkungen. 455
Hunderte geht und ben ber Vollsdichter überall anbringt, wo er nur kann. Das Faltum verhält fi vollfommen fo, wie es im Liebe erzählt wird. Letzteres wird nur noch von alten Leuten der Jugenderinnerung wegen gefungen.
©. 401. Die Blauen. Mit diefem Namen bezeichneten die Chouans, die ſich ſelbſt „die Weißen“ nannten, die Truppen der Republik. [Bgl. Bd. III, 441.) Wie fehr fi die Feder ſträubte, diefem Dofument populärer Beſchränktheit größere Ber- breitung zu geben, haben wir es doch fir Pflicht gehalten, es als ein hiſtoriſches Aktenſtück im unfere Sammlung aufzunehmen. Bir thun es mit leihterem Herzen, da wir der Meberzeugung find, daß troß aller Traditionen in der Bendee und im Boccage, die mit Stolz vom „großen Kriege“ ſprechen, eine Wiederholung der Chouanerie zu den Unmöglichkeiten gehört. Das Volk der Bretagne, dem feine Priefter eingerebet, daß mit der Rückehr ‚der Bourbonen ein goldenes Zeitalter beginnen werde, ift nach diefer Mückehr zu ſehr und zu fehmerzlich enttäufcht worden und Hat die Erfahrung machen müſſen, daß die Könige von Gottes Gnaben fi durch die Dankeslaſt beengt und den Bretonen ferner gerückt fühlten, als den revolutionärften Gegenden Frank- reichs, die fie als neue Eroberungen betrachteten. Außerdem wird es dur den Anblid deffelben unangebauten Landes täglich daran erinnert, wie arg es gegen ſich felbft gemiithet, indem es fi den Segnungen der Revolution verjchloß und die Parzellivung des großen Grundbeſitzes verhinderte. Der Bauer muß mit Neid auf den freien Landmann des übrigen Frankreichs bliden, den die Mevolution zum Eigenthümer gemacht hat, während er ſelbſt bloßer Fermier und wie im Mittelalter von feinen Ade - digen abhängig geblieben ift. Einen Beweis für die Behauptung, Daß das Volk der Bretagne zur Befinnung gelommen und ſchmerz ⸗ üd feine Enttäufhung fühlt, liefert das folgende Gedicht.
©. 405. Die alte Zeit. Das traditionelle nationale, fowie das jlingere legitimiftifch-politifche Streben iſt zu weh- müthiger Trauer herabgeſtimmt. Die alten Gefühle klingen noch nad, aber die Hoffnung auf Verwirklichung der Jahrhunderte lang genährten Wünſche ift geftorben. Die Könige find zurüd- gelehrt, aber nicht die alte Zeit und das alte Glück. Außerdem gibt diefes Lieb einen Begriff, in welder Weife die alte Volls- Dichtung bei der Abfaffung ihrer Lieber zu Werke ging. Herr de la Villemarqu& hat der Improvifation dieſes Gedichtes beigemohnt und e3 aus dem Munde ber Berfaffer niedergefchrieben: Es war
456 Bretonifce Voltälieder.
am Vorabend des Feſtes der Mutter Gottes von Porzou, welche große Verehrung im den ſchwarzen Bergen genieft, als eine Maſſe von Wallfahrern aus gllen Theilen der Bretagne herbei- 309, um daS Feſt zu feiern. In einer Meierei eines Thal- grunbes, wo fih eine große Zahl zum Übendeffen und Nacht- lager vereinigte, fanden fi) aud die zwölf Genoſſen, welde das vorftehende Lieb dichteten. Diefe erhoben fih mach einen lebhaften Geſpräch über die alte Zeit, den Drud ber Abgaben und das Elend der Gegenwart vom Tiſche, gingen über ben Fluß und erfliegen den gegenüberliegenden Berg, auf deſſen Gipfel die Kapelle der Schußheiligen ftand, um dort, der Ge- wohnheit gemäß, bis im bie Nacht zu tanzen und zu fingen. Sie ftanden im Kreife auf dem Hügel der Kapelle; der Kirchhof mit feinem Wald von Kreuzen und feinen großen Ulmen bildete den Hintergrund. Gin Miüllermeifter, berühmt im Gebirge als Hochzeitdichter, führte den Reigen. Er Hatte feinen Müller- burfden, fieben Tagelößner und drei wanbernde Lumpenſamuler zu Mitarbeitern. Er verfuhr auf folgende Weife: Sobald er den erſten Vers der zmeizeiligen Strophe gefunden hatte, wieher- holte er ihn mehrmals; feine Kameraden wiederholten ihn hierr auf eben fo, wodurch er Zeit befam, den zweiten Vers mit dem paffenden Reim zu finden, welcher gleichfalls wiederholt wurde. Wenn eine Strophe fertig gar, begann er gewöhnlich die folgende mit ben legten Worten, oft mit dem ganzen legten Verſe der vorhergehenden, fo daß die Strophen in einander griffen. Bern dem Gänger die Stimme oder die Begeifterung ausging, fuhr fein Nachbar zur Rechten fort. Hierauf kam die Reihe an den dritten, vierten und fo fort, bis fie. wieder zum erften zurud⸗ tehrte. Während der Jmprovifation Halten fie fi bei den Händen und beſchreiben einen Halbkreis von links nad) rechts und von rechts nad lints, indem fie nach dem Talte ber. Mefodie hüpfen und ihre Arme auf und ab bewegen. Man fieht aus dem Gedichte, wie Jeder feiner Beſchäftiguug und feinem Gharafter gemäß in Reime bringt, was ihm am Nächſten Hiegt, und je nad; feiner poetifchen Befähigigung früher ober fpäter feinem Nachbar die Fortjegung überläßt. Der Müller iſt aftenbar der Begabtefte. Cr beginnt das Gedicht mit einem augdrudsvollen Bilde, indem er die in ihren. Hoffnungen getänfgten Bretonen mit einem wahnfiunigen Vater vergleicht, der fein längſt geftorbenes Kind im einer prächtigen Wiege ſchaulelt. [Bgl. noch Bd. III, 447 f.]
Anmerkungen. ö 457
. S. 411. Das Lied der Bretonen rührt von dem erft im Jahr 1858 verftorbenen Dichter A. Brizeur her und ift fehr populär geworden. Es beweist, was fein Refrain fagt: in den Bretonen ift das Nationalgefiihl noch immer lebendig, obwohl fie zugleih in Folge einer langen gemeinfamen Geſchichte ſich als einen Theil des franzöſiſchen Voltes betrachten. So war Brigeur zugleich celtifcher und frangöfifcher Dichter, und mähe rend feine reizenden Idyllen in manchem franzöfiihen Boudoir gelefen werben, erklingt fein celtiſches Lied am dem Ufern des Elle in der Nähe der alten Graalkirche, über den vdrſunlenen Zinnen der Stadt 38 und in den Hütten, die fi nicht höher erheben als die Dolmen und Denhirs, in deren Mitte fie ftehen.
©. 412. Herr Nann und die Fee Wie die germa- nifchen Balladen ihre Feeen, die ſerbiſchen ihre Wilas, die itie ſchen ihre Elfen, fo Haben die bretonifchen ihre Gorrigans. Sie verſchwammen in der Phantafie des Volkes mit den Druidinnen, und ihre Wohnung wird meiftens an die Dolmen oder Tafel- fteine verlegt, welche das Volt auch als Grotten bezeichnet und welche urfprüngliche Altäre waren, auf denen von den Druiden geopfert wurde und in deren Wölbung, wie man glaubt, die Druidinnen ihre Orakel erfchallen ließen. Das Bolt, gemohnt, alles Wunderbare an dieſe Steine zu knüpfen, hat in chriſtlicher Zeit feine heidniſchen Ueberlieferungen und die im een ver- wandelten Druidinnen in ihrem geheimnißvollen Dunkel be- erbergt, daher der fpätere Name „eengrotte“ (ti ar Gorrigan), der oft nichts Anderes bezeichnet, als einen alt-heibnifchen Dolmen. Die hier mitgetheilte Ballade erinnert an „Herr Olaf” aus Stan- dinavien, und an Harald.
©. 415. Auch den Wechfelbalg hat ſich die Phantafie des bretonifchen Volkes nicht entgehen laſſen, und zwar fheint fie ihn ſchon feit undenklichen Zeiten zu beſitzen. Denn aud in Wales findet fi ein celtiſches Volkslied, das mit dem breto- niſchen faft gleich lautet, nur daß es da feiner urſprünglichen heidniſchen Conception treu geblieben ift. In der Bretagne wendet fi die beftohlene Mutter an die Jungfrau Maria, in Wales beräth fie fich mit einem Zauberer. Der Wechfelbalg kommt noch in vielen Vollsmärchen, bie. theils in Verſen, theils in Proja erzählt werben, vor. Heinrich Pröhfe erzählt ein Geſchichthen aus dem Harz, das mit umferem Liede wunderbar harmonirt: „Einſtmals merkte eine Mutter zeitig genug, daß ihr anftatt ihres Kindes ein fremdes untergeſchoben war. Da ließ fie den
458 " Vreioniſche Voltsficder.
Gosmann (einen weiſen Scharfrichter) tommen; biejer erkannte,
daß es ein Wechſelbaig war, und rieth ihr, fi damit vor ihre
Hausthür zu fielen und es mit einer Gerte unbarmherzig zu
ſchlagen. Das that die Frau, und fogleih trat aus dem Walde
Wrubg die Zwergin heraus, brachte der Frau ihr rechtes ind und nahm das ihre mit im den Wald.”
&. 417. Die Zwerge. Die romantifche Mythologie der Bretonen fannte auch die in Island, Schottland und Deutfch- fand populären Zwerge ober Wichtelmänner. Auch die breto— niſchen Ziwerge find gutmthiger Natur, fo lang fie nicht gereizt werben. Auch fie bewahren ungeheure Schäge, und bie Münze, die fie austheilen, ift nicht immer vom beften Gehalt; bald zerihmilzt fie wie Eis, bald verwandelt fie fih in ge meinen Koth, ganz wie in ber deutfchen Sage. Das Bolt hat fie, wie die Gorrigans, bei den Dolmen untergebradt. Sie tanzen im Chor einen hölliſchen Reigen, der den Refrain hat: Montag, Dinstag, Mittwod), Donnerfag, Freitag. Ein Mann, der einmal, von ihnen gezwungen, mittanzte, fühlte fi von dem monotonen Refrain gelangweilt und fügte. nod die Worte „Samftag und Sonntag“ Hinzu. Da entftand ungeheurer Lärm unter dem Heinen Bolt; fie ſchrieen und brohten, daß der arme Mann faft vor Angſt verging. Hätte er nod bie Worte „und fo if die Woche aus,“ Hinzugefügt, fo wäre die Verwünſchung zu Ende und die Erlöfung der Zwerge erfüllt geweſen. [Bgl. hierzu aud) das Märchen von den „Gaben der Korigans“ V, 286.] Die hier mitgetheilte Sage wird vom bretoniſchen Volkslied auch noch anders erzählt. Gin gewiſſer Jannik-au-Trevon, feiner als unfer Schneider, freut, als er mit dem Schatz nad) Haufe fommt, glühende Aſche und Kohlen auf den Flur feines Haufes. As nun die Biverge gegen Mitternacht ankommen, um ihr Eigenthum zuriidzuholen, verbrennen fie fich die Füße und machen fi mit dem fchredlichften Geſchrei eiligft aus dem Staube. Dod haben fie fi) vorher an dem Dieb gerät, indem fie ihm fein ganzes Geſchirr zerbrahen. Daß das Lied einen Schneider zum Helden madht, ift harakterififdh fur die Art und Weife, mit welder die ehriame Zunft in der Bretagne perfiflirt wird. Auch das deutſche Boltslied liefert viele Beiſpiele von Schneider-Berhöhnung; bei den zähen Bretonen aber ift fie nicht bloß auf das Voilslied beſchrünkt, fondern aus den früheften Beiten her im täglichen Umgange gebräudlich geblieben. Noch heute-fagt man in der Bretagne: neun Schneider auf einen Mann, und nie jpricht man
Anmerkungen. j 459
den Namen eines Schneiders aus, ohne den Hut zu lüpfen und beizufügen: „Mit Refpelt zu fagen.“ Die Angft des Schneiders und die Belagerung des Haufes erinnert an ben Goethe'ſchen nTodtentanz.“
©. 419. Die Peſt von Elliant ſtammt aus dem festen Zahıhundert, der Zeit, wo die Bet, deren Gchreden hier ge- ſchiidert werben, in ganz Europa wilthete. Mit dem Liede Hand in Hand geht folgende Sage: Am Nirmeftage bes Fledens Elliant ritt ein junger Müller feine Pferde zur Schwemme. Da ſah er eine fhöne Frau in weißem Gewande, welde am Rande des Baches faß und ein Stäbchen in der Hand hielt. Sie bat ihn, er möge fie ätber das Waffer bringen. „D, ehr gern,” ant- wortete er, und fchon ſaß fie auf der Croupe feines Thieres, und ex fegte fie am andern Ufer ab. Da fagte die ſchöne Fran: „Du weißt nicht, Knabe, wen du herüber gebracht haft; ich bin Die Pet; ih Habe bie Bretagne durchzogen und gehe nun in die Kirche des Ortes, wo man zur Meffe läutet. Alle, die ich mit meinem Stäbchen berühre, werben ſchnell fterben. Du fürchte nichts, dir wirb fein Leides gefchehen, weder bir mod deiner Mutter.” Und’die Peſt hat Wort gehalten. Auf diefe Sage deutet das Gedicht Hin in den Verſen:
Da farben Alle, nur nicht Zwei. Ein fehzigjährig Weib kam davon, Das alte Weib und ihr einziger Sohn.
Die Bauern erzählen, daß man die Peft dadurch aus dem Lande getrieben, daß man ein Lied auf fie gemacht habe. Es gebe fein befferes Mittel, die Peft zu verjagen; auch fei fie feit der Seit nicht wieder gelommen. Die hier mitgetheilte Sage wiederholt fi wunderbarer Weife am entgegengefegten Ende Europa's bei den Walachen Siebenblirgens. Bei biefen ift es ein junger Fährmann, welcher ebenfalls an einem feiertage, mo die Leute in der Meffe find, die Peſt in Geftalt einer ſchönen Frau in feinem Kahne über die Una fet. dur diefen Dienft wird’ er fammt feiner alten Mutter von der Peſt verfhont. Der heilige Barde Baſian, welcher am Cingange unferes Gebichtes erwähnt wirb, Hat der Legende zufolge die Peft weggebetet.
©. 421. Genovefa von Ruftefan. Mit den ſchönen Auinen des Schloffes Ruftefan in der Nähe won Pont» Aven verfällt auch almähfig die Cage von dem Fräulein, das einft dort gewohnt und unglüdlicher Weife einen Briefter geliebt hat: Bon Zeit zu Zeit glaubt nod) das Boll von Rizon, einem Fleden
460 Bretonifehe Vollslleder.
bei Auftefan, im Haupthurm einen kahlköpfigen Priefter und im ‚Saal um Mitternacht bie ausgeftellte Leiche ber armen Genevidve zu fehen.
©. 424. Der Marquis von Guerand ift berfelbe, der Madame Sévigné, wie man aus deren Briefen erjehen Tann, durch fein präctiges und graziöfes Tanzen entzlict hat. Wir zweifeln nicht, daß der Marquis ein trefflicher Tänzer und ein Schmud jenes Hofes war, dem Ludwig XIV. ſelbſt vortanzte — daheim aber, unter feinen bretoniihen Bauern, war er, maß die meiften Hoflente des 16. und 17. Jahrhunderts waren: ein firpterliger Bauernbedrüder, der var nichts zuriidi heute. Noch Heute geht die Sage in der Bretagne, daß, wenn der junge Marquis fein Schloß verließ, feine eigene Mutter fofort die Gloce läutete, um die Bauern zu warnen. Nachdem er den armen Schäler erihlagen, brachte es die Mutter doc) dahin, daß er das Land verließ und zu Hofe ging, wo er wohl wieder ald Tänzer Gliid machte. Alt geworden, ergab er fi, nad dem Beifpiele feines Herrn und Königs, der Frömmigkeit, gründete Spitäler und betete Nächte durch, daß ihm ber Herr feine Jugend verzeihe. [gf. and) II, 415 f.]
©. 428, Die Nachtigall. Diefe Ballade ift fehr alt, denn im 13. Jahrhundert war fie ſchon populär genug, um ber Prinzeffin und Minnefängerin Maria de France befannt zu werden, in deren Gedichten ſich eine franzöfifche Nachahmung befindet. Unfere kunſtleriſch und voll poetiſcher Oekonomie an- gelegte Ballade, in melder der Geliebte nur gegen Ende be Vedichtes erſcheint, die nächtliche Unruhe der Dame plöglid) ex- tlärt und feine Klage mit ein Baar Verſen abmacht, ift in der alt- franzöfiichen Nachahmung durch Weitihweifigfeit und Umkehrung des Planes ganz wirkungslos geworben.
Der ewige Jude, S. 431, if in Frankreich eben fo popu- lär, wie in England und Schottland; das Volk fiebt ihm und erwartet nur Gutes von ihm; feine Sünde hat es ihm längf vergeben und betrachtet ihm als geweiht und gereinigt und als eine Perſon, in welcher ſich jahrtaufendalte Erfahrung zu höch ⸗ fer Weißpeit und Milde adgeflärt Hat. Cr fennt unzählige Ge heimmittel gegen alle Krankheiten und theilt feine Geheimniſſe gern mit, um zu helfen. Anch das eugliſche Volt betrachtete ihn ſchon im Mittelalter als eine beinahe heilige Berjon. Nach dem Chroniften Mathew Paris, dem alten Moͤnch non St. Albans, war ber ewige Jude urfprünglich Thürſteher bei Pontins Pilatus
Anmerkungen. 461
und hieß Karthaphilus; erft in der Taufe, denn er befehrte fich bald nach der Kreuzigung, erhielt er den Namen Joſeph. Nah jedem hunbertften Lebensjahre fällt er im eine ſchwere Krankheit, aus der er fich verjüngt erhebt; er hat dann wieder dreißig Jahre, wie damals, als er fih an Chriftus vergangen. Chriſtus gibt ihm täglich einen Grofchen für feinen Lebensunterhalt. Aehnlich behandelt das franzöſiſche Bolt den ewigen Juden, den es Iſaak nennt. Es gibt ihm täglich fünf Sous, immer neue Mleider und ungzerreißbare Schuhe. Chriftus ift ihm eigentlich gewogen, und es erwartet ihn bereinft ein gutes Loos. Die Bretonen haben ihn nad ihrer Art in ein Bollslied gebannt. ©. 433. Der Nageljhmied, ebenfalls, wie „das Lied der Bretonen,“ ©. 411, ein Gedicht Brizeux', wird in der Gegend von Kemperle viel gefungen. ©. 485. Das Heimmeh. Wie ftark die Vaterlandsliebe der Bretonen ift, geht aus allen ihren Boltsliedern hervor, und daß Heimmeh, daß bei verichiedenen Völtern, wie 3. ®. bei dem Schweizern, die im ber ganzen Welt fi anfieveln, mehr wie eine zur Schau getragene Sentimentalität ausfieht, ſcheint bei den Bretonen wirklich häufig eine gefährliche Geftalt anzunehmen. Kein bretoniſcher Rekrut verläßt jein Dorf, ohne ein Abſchieds - gedicht am feine Geliebte oder am feine Familie verfaffen zu foffen. Unfer Matrofe hat feines felbſt verfaßt, und einer feiner Sciffsfameraden hat es aufbewahrt und im Land verbreitet. Er war aus dem Gebirg von Arez und wurde auf dem Kriegd- Schiff, auf dem er fi} befand, von einer folhen Heimmehtrant- heit ergriffen, daß man ihm einige Stunden von Bordeaut ans Larıd feen mußte, wo er in Kummer und Elend auf dem Stroh eines Stalle farb. Wir können nicht umhin, bier ein Heines Geſchichtchen mitzutheilen, das ung von jehr glaubmürdiger Seite, von einem der trefflichften Dichter Frankreichs, enzählt wurde. Ein von Bretonen bemannte® Schff legte einft. an einer ber wildeften und entfernteften Südfee-Infen vor Anter. Bu ihrem größten Erftaunen fanden fie dafelbft einen König, der aus dem Departement des Morbikan flammte. Es war Das nämlich ein Matrofe, der ſich vor Jahren allein von einem in ber Nähe der Inſein geftrandeten Schiffe gerettet und fi} bei den Wilben ber oberften Gewalt bemächtigt Hatte. Naturlich tam der König fo- fort auf das Schiff, um feine Landsleute fo freundlich als möglich zu begrüßen und fi nach feinem. Baterlande, das er feit beinahe vierzig Fahren micht gefehen, zu ertundigen. Ihm zu Ehren
462 Bretoniſche Boltslieder.
fingen die Matrofen den Biniu zu fpielen und den St.-Patrils- Marſch — den bretonifhen Kuhreigen — zu fingen an. Da warf der König alle Beichen feiner Würbe von fih und fing fo gewaltig zu fingen, zu lachen und zu weinen und enblic mit feinen fiebenzigjährigen Beinen zu tanzen an, biß er zulegt ganz erſchöpft und bemußtlos zu Boden fant. Die Wilden, empört über die fremden, Zauberer, welche ihren König feiner Würde fq ehr nergefien machten, trugen ihn vom Schiffe und, um ihn vor den Einwirkungen ferneren Zaubers zu fügen, in das Junere der Inſel.
S. 486. Der Bruch, eines der bretoniſchen Volls-Liebes⸗ lieder, die, was die poetiſche Form und die giücliche Wahl aus- drudsvoller Bilder betrifft, zu den ſchönſten Erzeugniſſen der Vollsliteratur aller Länder gehören.
©. 437 ff. Religiöfe Lieder. Aus den Ergietzungen bretoni ſcher Frömmigkeit Haben wir eine Dante’jce „Göttliche Komödie“ im Kleinen zufammengefegt. Die celtifhe Energie und die verlörpernde Ummittelbarfeit, welche ſich ſchon in den Kriegd- liedern zeigte, hat auch biefen religiöfen Gedichten Färbung und Sinnlichkeit verliehen. Das gute Stüd Heidenthum, das in diefen Liedern ftedt, trägt zwar bei, dieſe religiöjen Gedichte poetifch zu machen, erflärt aber auch zugleich, auf welche Weile man ſich des Volles durch die Phantafie zu bemächtigen verftand, und beutet mehr als die Kriegslieder darauf hin, waß der Ber weggrund und welche die Hebel des Widerftandes gegen die neue Zeit geweien. Wenn man bedenkt, daß Lieber, mie die mit- getheilten, in der Bretagne täglich als Volkslieder gefungen wer- den, jo kaun man begreifen, daß e8 Orte gibt, wo das Mittel- alter nicht fierben will. Zum „Abjhieb der Seele” (©. 437) Haben wir nur die Bemerkung Hinzuzufligen, daß ſich der bre- tonifche Bauer die ſcheidende Seele in Geftalt einer auffteigenden Lerche vorftellt. Je nachdem er fie in der Höhe verſchwinden ober aufs Feld zurüdfinken fieht, glaubt er diefelbe am Para- diefesthore aufgenommen oder abgewieſen. — Das Gediht „bie Hölle“ (S. 440) wird bald dem Pater Morin, welder im 15. Jahrhundert lebte, bald dem Pater Maunoir aus dem 17. zu⸗ geſchrieben · Michel Angelo'S jüngftes Gericht Hat in der Dar- ellung der dunteln Borftellungen, welche das Ghriftenthum vom nichtgriechiſchen Heidenthum entlehnt hat, und in der Wusmalung des Gntfeglichen nicht mehr geleiftet aß dieſes Gedicht, in meldyem auch noch druidiſche Reminiszenzen unter dem chriſilichen Mantel
Unmerkungen, 463
fortleben. — „Der Geſang der Seelen im Fegfeuer“ (S. 442) wird vor den Ihren von den Armen gefungen, welche am Abend von Alerfeelen von Hütte zu Hütte ziehen, die Seelen der Berfiorbenen darftellen und Almofen in Empfang nehmen. Es geſchieht Das, nachdem das gebräuchliche Todtenfeft ſchon ge- feiert if. Bu diefem Feſte verfammelt fi die Menge auf dem Kirchhofe, Iniet betend an den Gräbern der Anverwandten nieder und füllt die Höhlungen in den Grabfleinen mit Weihwaſſer ober aud) mit Mild. Die Gloden läuten die ganze Naht, und der Pfarrer weiht nad) einer großen Progefiion beim Scheine von Fadeln bie Gräber aufs Neue. I jedem Haufe bleibt wäh. vend diefer ganzen Nacht das Tiſchiuch ſammt dem Nachteſſen auf dem Tiſche, und die Gluth auf dem Heerde wird nicht aus— gelöft; denn bie Seelen der Abgeſchiedenen kommen, um ſich am Mahle zu erquiden und am Fener zu wärmen. Wenn nun Alles zu Bett gegangen ift, um die Stube ganz den Seelen zu überlaffen, erfhallt plöglih vor der Thlir jener Gefang der Armen, Dan fleht wieder auf, um knieend zu beten und Almofen auszutheilen. Die Armen ziehen weiter über die Heide; aber rubelofer noch ziehen, dem bretoniichen Boltsglauben zufolge, die Seelen der Abgeſchiedenen während biefer Nacht in gebrängten Schaaren durd die Lüfte. — Das Paradies (©. 444) ift vor⸗ zugsweiſe bei den Fiſchern ber Bretagne, und unter diefen fpe- ziell bei ben Fiſchern der Landzunge von Audierne, populär. Sie fingen ihn zum Ruderſchlage, wenn fie auf den Fiſchfang oder wenn fie als Fährleute eines Fremblings um bie Pointe du Raz, zwifchen den Inſeln Sein und der Bai des Zrepaffes, Hinfahren. Dort ift der Geſang am Ort; denn die Infeln Sein find jene Eilande, auf denen die Tobten ihre endliche Ruhe fanden. Sie pochten in ber Nacht an die Thilr des erften beften Fiſcherhauſes. Der Fiſcher ftand auf und flieg in feine Barke, um den Todten über das ſchauerliche Meer zu bringen — jeder Fiſcher war ein menſchlicher Charon. Er mußte feine Pflicht er- füllen, ohne ein Wort zu fagen, ohne eine Frage an bie Tobten zu richten oder eine Belohnung in Anſpruch zu nehmen. Ueber der Thur der Kirche von Plogoff, einem Fiſcherdorf auf der ge- nannten Landzunge, fieht man noch heut eine in Stein gehauene Barfe und bringt diefe Skulptur mit den ehemaligen Pflichten der Bewohner dieſes Dorfes in Verbindung. [Wgl. Bd. LI, 465 f) Die Melodie diefes Geſangs gehört zu den fünften und rüßrenbflen der bretoniſchen Volkslieder.
Alphabetifches Verzeichniß
der Anfangsworte der Gedichte diefes Bandes.
4, altern fühl’ ich meine Seele Atitaglich fteht ein Rind. . , « MUS ih faß mit offnen Bliden . MUB ih Im Lenz bie erfie Ewald Is Jannit, der Kleine, gegütet MU3 König Alfred Hodyeit war . AUS noch der Wolf auf deinem Büple Am bogen Fenfter zu Saint Malo Am Morgen fenft und ruft . . Am Strand der |hönen Aria . Am weißen Berge Reht ein Baum Anaftas, am nädften Freitag Anders ißpelt hier die daine An vas Baterlanbes tfeuern . . in diefem fhönen fernen Strand Auf einer dven hofen laufe . . Anfgeretgt wie ihre Zellen .
Auf meinen Fahrten . . .
Aus früpfter Aindpeit ein Grinnern Bald briept vurhb Bitter . . Bald werben deine Wunden Ai. Balty wirft du fewden, .. Beim Sieb des Freundeb pogr’ . Bei Siliftria ftept ein Brunn.n. Ben AU gog mit feinem Ger. . "Bin ich nicpt ein Rede der mechte BR du pre, mein Freund? . Vioouat und Mondenfgein. . . Blätterlifpeln, Bipfelraufgen Da braudt «8 feine Gönner . . Da ih verzagen woßte .
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Dann fliegt zu ihm, dem herrlichen Dann fagen fie, die Holben Künfte
zout am Haus vordel . . . Das Blatt der Blume muß dertochn Da fiß ic) wieder zu deinen Füßen Das äthfel der Verlaffenpeit . Dad Säneiderlein, Bastu , . » Das fönfte Lieb warn nie . Das find die alten Bilder nop . Das fiide Prag, bein Lieblingäfind Das trübfte Sterbelager! . . . Das Bed in der Mond dem Herzen Dein Bott {ft nicht, mie jener Quß Den gab zum Ungeventen . . . Dent id daran, mi faht . . . Dent ig dein und wort id did . Der Bilhof Gabriel von Sulus . Der Gar von Argpk hat feine Der Gedanke zeugt die That . . Der graue Rebel zieht vorbei. . Der heitre Gott des Waldes, Part Der kh Hier Lieg', umbüut . . . Der igytomm’ aus dem Qufiktenlanwe Der König reitet durch bie Gaffen Der König Wenzel Hat bie böfe . Der Roppael, der Byron waren. Deb Baumtishers Fraue meinte . Des theusen Namens Xettern Die Aufer fleigen, die Segel. . | Die Bienen wollen zeffen . .
Die Engelländer und bie Bretonen
Alphabetiſches Verzeichniß der Anfangsivorte ber Gedichte dieſes Bandes. 465
ou. Die Flöte fang, die Geige Hang 387 Die gebrogene Kirche fieht. . . 368 Die Breife, die Mäbhen . . Die Alaufe Icer, der Alauöner . Die Morgenftund am Meereäftzand Diefes Bäglein in die-Marte. . Die Eonne tommt und Kinbert . Die Sonne lat, e8 glängt der Tag Die Sonne finft . . Die Bine fieh ig, Heilige Macht Die vermorfhte Hütte meineb . Dietoeil ih auf zum Dome ſchaue Dimitri, bift du bei Ginnen . . Dir meine lagen fen id Dog trauern win id nicht Dog wieder, wenn ben Dom . Dreimal unfelig Volt, bein Leid. Du barfft nur läeln— lachen nicht Du eine Mutter, nein, ig glaub Du fragft, warum verfenlt . . Du Haft noc nicht ben füllen Mann Du Heiliges Feuer am heimifchen Du Tamft zu fpät — trog beiner Du leipter Kahn, mein ders . » Du leidet, du bift ant . . . Du meine Rofe hoides Ja . . Dunkle Xugen Durd; bie deuten Länder Durc) dunkle Wälder ging id. . Durd) einen Bald von Pinien Durd) Deftreich® Völter geht . . Du fogft, ein Jahr ift bald dohin Du trateft an mein Bette Sin altes, alte Haus im alten . &in altes Büchlein mit bergilßten Cine Kmme Hast’ ic, eine gute alte Ein einzig Sied nur möge . . Einen Wolf hab id im Bald . Ein König, ergäßlen die Sagen . Ein Name ift’3, nach dem ich ſuche Ein neues 2ied auf bie Bretonen Gin meueß, meued Sieb ertlingt . Ein Pfeil iſt mir ind Sep. . . Ein Rabbi war im alten Prag . Ein Rabe, der nad Ayung fragt Gin Regentropfen fvrad . . Einfam bift du in der ie . * Sonne bi Beide...» in Schloß ift Pr verborgen. Ein Schwan, ein Schwan . . Sin Zreumgcht, ara fer Ein traurig Amt Hat ver Henker Cin Tropfen des Deren, ... Morig Hartmann, Werte. 1.
Ein Bolt, geſchlagen auf bie Baden Ein welleß Beilden find id Hier Grfanbner 2enz Sift du genannt ©r fieigt zu Rob, er fliegt davon & if ein tiefeß Xpal, bie Lüfte && if fo file, map und ferne &3 iam ein Arzt, der wollte heilen Es tamen aufammen auf einem . Euch Gruß von Gott, dem Bater Fern von Gotteß Gergen . . . ontenee, der (hönfte Burfce . Ge du zurüd in deinen Frieden Geh Hin, geh hin, mein frommfter Behft bu deö Kachis durch buntle Geht Hin zu ihm, der mir vor Gegült in tiefe Finferniß. . Genoffin meiner Einfomkeiten. . Geigid, mit einer einz'gen. Sorm ber Alte fiand am Rande . Gottes Grüße find die Borte . Gott, wie wird groß und rein . GBuadani»Mah, der Kühnfte fonft ‚Haft du einen Lieben Tobten . Hellpuntle Nat! die Tropfen Herbfteßtegen, weine, meine . - ‚Here Xage, wie ber reiten kann . ‚Herr Mannigelt ritt am Sonntag Herr Rann mit feinem Chegemapt ‚Herrn Benbl, den's von bannen Heut ich auß dem Fenfter (jaute Hofer Berg und tiefeß Tal . . Hört an, Gefellen, höret an . . 36 bin ein alter Reiterömann . 36 bin nit einer jener \ 3 führe, daß mir’8 im gergen. JG ging zum Strand, das Herz 34 glaube nicht mehr — das haft Ih Hab’ in eine Blume geſchaut. 38 Hab’ fo Leere, wüfte Tage . Iqh hörte ober las in einem Buche Ih kam vorbei aufnächt’gen Begen 3 liebe Die), und bag ift Aes.. I mögte bitter weinen . . . I muß es dir nicht laut erſt fagen I reite_einfam durch bie Nacht . 39 jab’das Meer von feglicem . 36 fa dich Iebticp noch) Im Refte 36 [Gämemic vor eud, ihr Fenfter 3% fleife mein Reffer . B 39 fehe di wieder . . Ih feh’ zum erften Mal dich Heute FH fofger Mann, feit Jahr . - dã ftrebe nach Rugm, um dich 30
BETH
466 Mlphabetifceß Verzeichniß der Anfangsworte der Gedichte dieſes Bandes,
Seite “ 184 308 108 106 121 m Di 5 302 3 1 so 36 188 [1 au 88 48 sog 173 302 334 107 364 a7
35 war ein Rind, als Polen fiel 36 war ein Rind und lag am &ee Ihr da, Dom Luis, 0 haltet an 9x malt und gern ais Räuberbolt Ihr wittert ſtets Berfäwörung . Im Bade dehmt fi Rönig. . . Im Böhmerland der Blanstyiwalb Im gerier liegt in eifernen Banden Im Norden Hegt ein frofumbüliter Im Parte ging id) auf und ab . Im Schimmer bed Morgenthaues Im fllen Walde ben?’ ic} dein . Im Ungarland, bei einem . . . Im Binde reist der Dünenfand Im deinem Herzen ruht Berbadt Im deiner Berge grünem Aranz . Im England {’3 Befannt genug . In Granada find Baläfte viele . Jatobiner, Sandeulotten . . . Je enger fih das Sehen mir . . Jüngft an der beutfchen Gränge . Ram ein Raften angefätoommen . Kefeft du zur nad) Sehr» unb Kchet man in fpäter Abenbftunbe Neinem Popen tann id} fünben . Rein Wort und feinen Hauß. . ‚Rennft bu bie Tage, da bie Bolten .Mlariffa fetoimmt durq bie blaue Memens trat aus dem Palafte . ‚Könige, Pfaffen, Henker, Damen Könnt’ id) fhreiben und Iefen Rrant warft du, Frankl . . . 2eb’ ih in die, mein Sinn verfintt 3 Reh wohl, LebtwohL! aufWBieberfehn Sieblich verwepet . . . Mäcitger ais da Taged Raufcen Warie, bie fhöne, fit In Rlagen Dein nl if non Scham umflrt Mic drüdet eine Sorge . . Dich Lebt die fchöne Amppitrite. Wögen fie dich in Gtüde gerhauen Mond, der file Wanderömann . Wildes Alter, Zeit der Stile. . Rad alen Stricen, im Dften . Tacı einem Salami? . . . . Nachfolger bin id eines Beffern . Nigtgroligmehrmitdem Beicide Rigt mehr ald zwölf Jahre hatt’ ic, Rift mid, o Baum vol Dlüthen Nie BR du allein im Leben . . Nieberfnien möcht id In Freuden Nie Gab id früher Leib empfunden Nimm beinen Dold, ber ältere .
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Nimm des alten Treibens üben Rod) einen Schlud gib, alter Zube Rod, ihr meine Blumen ale . . Rod nie it meinem Ohr dein Wort Nur bir, nur dir, o nimm eb . Nur wenig lernte fie, und alle? . D Böhmen, frembed grünes Blatt DoiefeRadt, fie fgeint nur fhtvarz D, eite nicht fo fnell . . . - Deffnet mr bie Qüttenthüre . . D Serrin, bu befiehfft vergebens D, kommt, daß id end finge. . D Morgen, Tröfter, gaubte nicht DO Mutter fiehft bu, ad mich quält
D fäge Gott auf bi Hernieder . 66 D fpiel mit Graßgevanten nimmer 201 Dfttwärtd nad) Europa’s Küfte . 2109 DO wedt fie nicht, ipr fommt . . 170 D Worte gibt, die mie verhallen 180 d wüßteft du, was beine beften. 200 D zieh mich nicht fo mädtig an . 278 Pyranus herrſchet im Winter nur 226 Ringsum bie weißen Nebel Ingen 344 Nömerfanen fehn vom Berge . 236 Schönes Mädchen opne Geld . . 301 Schon hat fie bi vergefien . - 368 Shüttelt ab bie Sämah . . . 172 Sehet, bie Srangofen ommen . 401 Seht, id) bin hart gelworben . . 298 Sei ruhig, Beib, . . . . - [} Seitvem ih woßn’ an dieſen Dr 438
Seit fie geftorben, if mir Eins. 7 ‚Sie bürftet ifm bie Schuhe blank Sie, bie fo lange ging mit mir . Sie Liebt mid — Hebt mid nicht Sie fprad) e8 auß, das Bart: . Sind «8 Rofen, find es rothe. . Sind’S Leiden, finds Freuden . 6
Sigen beifammen in bögmifder . 68 Sig’ ich auch des Nachtö allein . 188% &o eil ich Herauf und herunter . 847 So geht’8 zu Haus: Was gibt ed 339 So haft bu nie erwogen . . . 275 &o tam fie, bie Gefährtin . . . 297 So liebend ftrafte bein Geihid . 208 Sol ih bi Erönen . . . . . 208 So ſchelden wir, id druce bir . 107 & tiefe Ruße, wie fie träumt . 38 &o tief ift der Kiebe Bronnen , 146 &o weit gelommen, daß ih) nur. 280 &o wil e& mir wieber dad ger) 18 &o zu mir fprad Abbalaf . + 200 Steigen wir zur Göle nieder. . 440
Wipfabetifhes Berzeläniß der anfangeworie der Gedichte dieſes Bandes. 367
Seite Traurig iſt ed, fo zu fhleihen . 326 Zrinker, trintet nur auß Krügen 148 Zrog Bielem, bad gerbrag. . . 351 Ueber daß Gebirge kam bie Beil. 988 Umbülle mid mit deinem dichten 839 Um Mitternacht zwei Schiffe flopn 80 Umfonft fugt ihr bie Welt . . 801 Und ais ber Verratg mi. . . 33 Und alfo faß ih eine Bade . . 881 Und dent ih jeft Daran. . . . 220 Und ann bei und dic} nichts. . D4 Und fommft bu nicht am Tage . 208 Und wenn es Abend wirb . . . 286 Ynglüdtich Hift du, und du ſchweigſi 86 Uns trennen keine Fernen . . . 9 Berbannung aus bem Baterlande 298 Berfludit fei die Sonne, der Mond 384 Vergeffet nicht des Früblingß. . 56 Berkannt Äft Aded, was dir blieb 67 Verfiummt ÄR der lefte. . . . 88 Biel GIAE und Freube dem Haufe 424 Bom Mann, der erft bir fagen . 209 Bon allen, bie aus Habsburg . 27 Won den Tugenben, ben Freunben 209 Bon feinem Leib, wie [her esn 208 Bon Dftrolenfa norbeniwärtd , . 49 Bormigig ifV3, den Zeiten. . . 108 Barum fo trilb und fo verfejloffen 182 Bas bift du anders, armed Sery 87 Bad ich gefüßlt, GIB zu ber Stunde 190 Bas id) möchte, wad id mil. . 272 Bas Elimmt dort das Gebirg. . 372 Das fol baß eioge Streiten . . 23 Bas fol dieß Sehnen . . . . 20% Bas fol mir Bad? — fagft du, 208 aß feD ih gleich dem feig . . 146 Belge Rifgunft fat zur Plage . 218
Seite Welches 2ied fol ich bir fingen . 284 Benn an ber Wurzel arg bie Art 802 Wenn die Tauger, bie von Jemen 231 Wenn ih ein König wär . . . 3 Wem nicht ewig heilig Bleibt. . 8 Wer fennt den Gährei nicht unfrer 108 Wer nit daß Leben trinkt . . 290 Wer freltet in ber Rat allein 78 Wer wird dem Gagenwort nit. 99 Wie änghlidh fon am Zweig . 296 Bie die Blume fi verfglichet . 218 Bie ein Ruf von einem andern . 209
Wie gefeimmißvoL find jene . . 282 Bie glüdlih war in alen Dingen 98 Die ih dih liebe... 2. . 206
Wie in den erflen Jugenbtagen . 200 Wie tannft du dich nad foldem . 288 Bie lacht ber Tag, ber fie entführt 217 Wie lang ifV8 her, da fangen . 36 Bie magft du dich fo einfam . . 349 Wie reiche Güter immer ud. . 106 Wie traurig! Unter biefen Seelen 288 Bie viele Menfgen dir . . . . 208 Bil fi der Strand von Dalmatia 258 Wird fie erfüßt, die Prophezeiung 142 Wir find nod) immer Bretonen . 411 Woher die Weinen, dad fo . . 102 Wohin fo feüß zur Morgenftund. 309 Bo Id) ein Licht erlöfgen feh. . 281 Bo find bie Milionen . . . . 800 Büße ih, was ih mil. . . . 202 Zu Grat ber Stadt gehts Iufig 102 Biel fremde Ritter figen im Rafn 85 Zwie ach große® Heil dem Manne 140 Zwiſgen ihrer gigen Gafle . . 216 Siwifgen Langolen. . 0... . 419
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