DAB. er ( oe ee cs? d ‘ oe viren! ua ii ann \ ee wh Oy oss ake te ems et na ste Tey a eel ' FE nd eye , ' ee ee a ee Sekai teaver gn . ot fl . ’ 7 .. rn» De ote Sah arte N REN ‘ . ' . vn \ . pegs woke a PHA RN NTS har Bi arp hist . ty 6 . D ee nd ae Wha, HPs we 4 . ‘ , ag ER) [IL reac Nh tes ee ' ri + d . ea er th Ze .. warn den RIESEN A ' f R ' ' aaa rin wann ‘ 5 oe 8 we gts tad at's * OL OS hy + . E . ot te thee otitis wre Teg h ath, a . , eee den ‘ a4 . ara Dar} oan . « ea tes “ ‚ ’ DS . Te SO Ie Cm Hanes HT Verne Mt faze? i "ye Wy ne ri. . BER BU DC RE SE BU IE ZU F wat 4 Rove 48 re ea Cae rer baanı's ae , en te . Sobage “es Ce Cre roe a rh . a . nv. CHE TEE U WIE Pepe 2 2 B N . € eg ER 7 erraten ne F p F st te tt, aan BEN Re Ot We dan . . u ' von nee ren B N u eee aa) a ron a a at ’ aren er . . > Ue twee, ; ‘ A . ? Keane wet hese i wig : Dy? A oy bie th ve h Ba rn Berge wo : ; ’ u. hoe ‘ oo . ‘ Woes KERNE dm ots f , . ' ve Pee ya 7 . » oye re . 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Pee red PP HE ar A IE re one ne ee eee ee ee ae) en ® he a8 era een TEE Ry Jh moyaerı 0.3 DRLESUE HU EL ee ee Be , ‘ foe ee ee Se i Cece Owe pw TIW FONG eH Othe r an Se IE ee 9} De her BR, ‘ Fr Be Poa ede Frese en a IRRE ' Way CAS DEE Bay oe eee ee ee Be ee! ER F aes A: NE . Pine ne De pe babs ' ‘ SAR a hol SR SDC SEE FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY = a fe | » , Be er hi . > . Er R 4 ne a | | ws | a ; & aa) ; vi F | > Paul Ren ae A A MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. — EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELONGSGESCHIGHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR, “ PROFESSOR IN HEIDELBERG. NEUNTER BAND. MIT 27 TAFELN UND 35 HOLZSCHNITTEN. LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1884. E a. > i > ° ae os . ae ; Er ti EEE EN Mea LANDA Lede’ STHOTRIAEDADMUZEROIWTNE U SINT KANTOFBZIAHEH ph OY . ASAGLIVAD THAI | oManant ie GL Moe aaoad ae QUA HATMUGM KAVEARV SION TE OT AIT 18 TUS 2 Je MEMIGOLE MAR KOT DALIT a ‚bet | | Be Inhalt des neunten Bandes, Erstes Heft. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. Erste Studie. Von B. Haller. (Mit Taf. I—VII und 7 Holzschn.) aE ho rece Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen ink k nnd: Wirbelkanal. Von We Pfitzner:; tens Oy A Teac un er aerhfee Stone: Beitriige zur vergleichenden Lace der hinteren GliedmaBe der Fische. Dritter Theil. Von M. v. Davidoff. (Mit Taf. VIII und IX.) - Kleinere Mittheilungen: Uber ein anatomisches Unterscheidungsmerkmal zwischen Haushund und Wolf... Von H.-Landois. ... . de BAM ieee | Anzeigen und Besprechungen: W. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Kerntheilung S. 166. — 0. Hert- wig, Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere S. 167. — H. Virchow, Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Auges S. 168. - Zweites Heft. Zur vergleichenden Anatomie der Ausführungsgänge der Sexualorgane bei den Insekten. Vorläufige Mittheilung. Von J. A. Palmén. . Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. Von M. Sagemehl. (Mit Taf. X.) ee ee ge a en > Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der itidananatetle Von F. Maurer. (Mit Taf. XI und XII.) . 43 pe EAT Zur Morphologie der Säugethier-Zitzen. Von H. Klaatse h. (Mit Taf. XIII— XVII.) ae [eee SEE 8. Anzeigen und Besprechungen: E. v. Rautenfeld, Untersuchungen iiber das Skelet der binteren Glied- maßen von Ganoiden und Teleostiern S. 325. — W. Gruber, Beo- bachtungen aus der menschlichen und vergleichenden Anatomie. IV. Heft. S. 326. Seite . 163 IV Drittes Heft. Seite Beiträge zur Gefäßlehre des Menschen. Von G. Pu (Mit 24 Fig. in Holzschn.): =. en 329 Ein Beitrag zur N eh der te Erallen., Hufe und Klauen der Siiugethiere. Von J. E. V. Boas. (Mit Taf. XVIL) .-:/. we 389 Über die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. Von M. Davidoff (Mit Taf.XIX.). . -~ ; Pree se DL Bemerkungen zur Gastraeatheorie. Von 0. EUREN (Mit Taf. XX.) . 415 Über die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. Von C. a ha baur. (Mit Taf. XXI und XXII sowie 1 Holaschn.)....... . 428 Viertes Heft. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. Einige Bemerkungen J iiber die Gehirnhiiute der Knochenfische. Yon M. BARS tan (Mit rite) ina Odi Nd i retaliate a LS ei . 457 Über die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. Von P. Less- haft. (Mit Taf. XXIV und 3 Holzschu,)ı ns 122 IR are nina 475 Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. Von H. jase Mit Taf. XXV—XXVIL). >=. 2 2s = 2 seighend Mi . 534 Der Carpus der Paarhufer. Eine morphogenetische Studie. Von 6. Baur 597 Kleinere Mittheilungen: Zur näheren Kenntnis des Mammarorgans von Echidna. Von C. Gegenbaur 604 Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. Erste Studie. Von Dr. Béla Haller aus Ungarn. Mit Tafel I—VII und 7 Holzschnitten. Als ich vor zwei Jahren die Absicht fasste, die Anatomie der Prosobranchier kennen zu lernen, war mir nur zu wenig bewusst, welch’ unbekannte Länder vor mir lägen, welche Ausdauer es er- fordern würde, eine auch nur vorläufige Orientirung über diese Thiere zu erhalten. Ich versprach mir viel, doch als mir der Sachverhalt klar wurde, trat ich mit bescheideneren Ansprüchen an die Arbeit und beschränkte mich vorläufig auf das Studium des Nervensyste- mes. Doch auch hier sollte es nicht so- leicht gehen, denn ab- gesehen von dem Umstande, dass auf diesem Felde nur zu we- nig vorgearbeitet war, war Manches in der Litteratur fehlerhaft angegeben und so geradezu unbrauchbar. Andererseits aber war es auch eine sehr schwierige Aufgabe mit der Nadel und dem Sealpell ausgerüstet in muskulösen, stark kontrahirten Geweben zu arbeiten, noch dazu an den kleinen europäischen Arten, die mir zur Verfügung standen. Doch: »Quand on fait de la science pour la science elle-méme (und dieses glaube ich gethan zu haben), le dé- couragement n’arrive jamais.« Dieses bemerkte ein erfahrener Vor- arbeiter und ich wählte ihn unbewusst zum Vorbilde. Gerade so wie HENRI DE LACAZE-DUTHIERS sich zur Aufgabe gemacht hatte, selbst die feinsten Nervenfasern bei Haliotis in ihr Detail zu ver- Morpholog. Jahrbuch. 9. | 2 Béla Haller folgen, so musste auch ich thun, wenn ich bei meinen Studien zu wissenschaftlich begriindetem Ergebnisse gelangen wollte, denn ge- rade hier auf diesem Felde zeigte es sich deutlich, wie gefahrvoll ver- frühte Generalisation werden konnte und wie sehr Detailstudien zu bleibenden Verallgemeinerungen erforderlich sind. Ich schieke diese Sätze voraus, um den Leser zu trösten wegen der Trockenheit, die ihm in vorliegender Arbeit oft begegnet. Freilich stehen wir heute auch nicht mehr auf jenem Stand- punkte anatomischer Forschung, den LACAZE-DUTHIERS vor beinahe vierundzwanzig Jahren bei Beschreibung des Nervensystemes der Haliotis, und früher dem der sonderbaren Gattung Vermetus einnahm. Es musste daran gedacht werden neben der Anatomie auch der Histo- logie gerecht zu werden. Doch obgleich meine Untersuchungen auch bezüglich des centralen Nervensystemes abgeschlossen sind, ist mir meine Zeit so knapp bemessen, dass ich dieses Kapitel erst in einer zweiten Studie, mit möglichst kurzem Intervall, folgen lassen kann. Ein Theil meiner die Prosobranchier betreffenden Arbeit, ist be- reits vorausgeschickt worden!. Ich brauche hier kaum zu erwähnen, dass Professor ©. CLAUS mir durch Verschaffung des nöthigen Materiales einerseits, anderer- seits durch das Gestatten mehrere Male in der zoologischen Station zu Triest längere Zeit arbeiten zu können, die Ausführung mei- nes Vorhabens möglich machte. Innigen Dank dafür auszusprechen ist mir eine angenehme Pflicht! Szekely-Keresztür (Siebenbürgen), im Herbste 1882. Anatomie des Nervensystemes. A. Fissurella. Die erste Beschreibung des Nervensystemes der Gattung Fissu- rella, und zwar von der Art Fissurella maxima Sow., giebt H. vy. IHERING in seinem Buche über die vergleichende Anatomie des Nervensystemes der Mollusken. Später beschrieb er in diesem Jahr- ! »Zur Kenntnis der Murieiden« I. Th. Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. XLV. 1882. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 3 buche ! das Nervensystem der F. costaria. In seiner ersten Beschrei- bung verkannte er das Nervensystem der Fissurella in vielen Punk- ten. In der zweiten Abhandlung tritt er zwar der Wahrheit näher. doch abgesehen von einigen übersehenen Thatsachen, was ja, da er der erste Autor über diesen Gegenstand ist, wohl kaum verübelt werden kann, sah er Dinge, die in der Wahrheit gar nicht vorkommen, so sind seine Pharyngealganglien weder bei F. costaria noch bei F. graeca vorhanden. Aber auch in anderen Punkten sind seine Angaben (z. B. die Angabe über die Visceralganglien) so unrichtig. dass wir bei der Beschreibung des Nervensystemes der zwei in der Adria häufigen Fissurellen die erste Beschreibung dieses Autors ganz unberücksichtigt lassen können. Denn obgleich dort über eine an- dere Art gehandelt wird, ist doch nicht denkbar, dass Arten der- selben Gattung solche Verschiedenheiten aufweisen könnten. Zur Entschuldigung des Autors dient freilich, wie er ja selbst ehrlich zugesteht, der Umstand, dass er nur Alkoholthiere untersuchen konnte und vorher über die europäischen Arten nicht orientirt war: doch geht aus beiden Arbeiten nur zu deutlich hervor, dass er flüch- tig gearbeitet und die ältere verdienstvolle Arbeit LACAZE-DUTHIERS über die nächststehende Gattung Haliotis nur zu wenig gewür- digt hat. Auf seine zweite Arbeit soll bei der Beschreibung näher einge- gangen werden; um jedoch weiter nicht gestört zu werden, will ich von vorm herein bemerken, dass v. Inerıng’s Annahme, als seien in den Nervencentren des Fußes ein »Pedalnerv« und ein primärer »Pallialnerv« neben einander gelagert vorhanden, eine bloße Illusion ist. Bereits SPENGEL? gelang es diese Behauptung LACAzE- DUTHIERS für Haliotis zu widerlegen. Aus unserer Be- schreibung möge dann das Weitere entnommen werden und hier sei nur noch bemerkt, dass die Benennung »Pedalnerven« für die zwei langen Fußstränge der Zeugobranchier nicht statthaft ist. Diese Stränge sind vielmehr, wie dieses der histologische Abschnitt der Arbeit zeigen soll, zwei lange Ganglien, die durch mehrere Quer- commissuren mit einander verbunden sind. Dabei bin ich weit ent- fernt in diesem Verhalten der Pedalcentren einen sekundären Zustand x ! Band III (Beitr. z. Kenntn. d. Nervensystemes d. Amphineuren und Ar- throcochliden). 2 J. W. SpEnGEL, Geruchsorgan und Nervensystem der Mollusken. Zeit- schrift f. wiss. Zoolog. Bd. 35. 1* 4 Béla Haller zu erblicken !, denn eine solehe Annahme ist nach dem Verhalten bei Placophoren und Patellen? widerlegt; vielmehr soll aus diesen langen Fußganglien, die wir »Fußstränge« benennen wol- len, ein an primäre Zustände erinnerndes Verhalten gesucht werden. In diesem Punkte muss ich IHERING beistimmen, ohne seine hier- auf bezüglichen Theorien als statthaft zu bezeichnen. Allerdings gebraucht in seiner zweiten Beschreibung v. IHERING bereits die Benennung »Palliopedalganglien«, doch da er wie- der von »primären Pedalnerven« und »primären Pallial- nerven« spricht, weiß man nicht recht, wie er sich die Sache klar gelegt hat. So viel steht fest, dass er gestützt auf rein oberfläch- liche und bloß grobanatomische Untersuchungen, ohne jegliche Be- rücksichtigung der histologischen Verhältnisse, das Gefundene deutet,. wie es eben seiner früher gefassten Theorie am besten zusagt. An- dererseits werden wir aber auch sehen, dass die große phylogeneti- sche Bedeutung, die v. IHERING der Gattung Fissurella beile- gen möchte, durchaus unberechtigt ist. Auf diese kurze, mir gewiss nicht angenehme Kritik von v. IHE- RING’ Ss Arbeiten möge die Beschreibung des Gefundenen folgen. Cerebralganglien. Diese liegen als zwei gelbgefärbte, lange Anschwellungen, gedrungener und breiter jedoch wie die gleich- namigen Gebilde der Haliotiden, weit nach vorn lateral und etwas nach unten dem Munddarme an (Fig. 1, 2 C). Dabei schlie- ßen sie sich nicht ganz dem Munddache* an, sondern der untere Rand des jederseitigen Ganglions liegt an einigen Muskelbündeln 4 der Buccalmuskulatur. Die Längsachse des Ganglions ist nach hinten und unten gerichtet und vorne setzt es sich in die Cerebral- commissur fort, während es nach hinten und unten die Com- missuren der pedalen und pleuralen® Centren aufnimmt. Unter diesen Commissuren und nach hinten verlängert sich das Ganglion in einen Fortsatz, welcher gleichfalls Ganglienzellen führt ! Wenn ich CLAus recht verstehe, will er dieses auf pag. 31 seiner »Grund- züge d. Zoologie« (4. Aufl.) so auslegen. 2 Die Pedalstränge der Patellen stimmen mit jenen der Placophoren, so sehr überein, dass eine weitere Beschreibung unnöthig erscheint. 3 Unter Munddach verstehe ich hier bloß die Darmwand. 4 Diese Muskelbündel ziehen nach oben und vorn und inseriren in der lateralen Wand der Schnauze. > Statt Visceralganglien gebrauche ich die durch SPENGEL eingeführte Bezeichnung »Pleuralganglien«, wie ich dies auch anderen Orts gethan. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 5 (Fig. 2 y) und zuerst von LAcazE-Duruirrs bei Haliotis beschrie- ben wurde. Das Cerebralganglion selbst zeigt, wie das Nervensystem iiber- haupt, wo Ganglienzellen in ihm enthalten sind, eine gelbe Fiirbung, welche an einzelnen Stellen, besonders wo Commissuren eintreten oder Nerven abgehen, dunkler ist. Die Commissur zwischen den zwei Cerebralganglien ist eine sehr lange. Das jederseitige Ganglion verlassen folgende Nerven: Aus der vorderen Spitze des Ganglions nach außen von der Com- missur entspringt der starke Schnauzennerv (/). Er verläuft neben der Commissur, doch derselben nicht angelagert nach vorn, entfernt sich dann immer mehr von ihr, bis er mit seinen Endästen den Rüssel und die Oberlippe versorgt. Seine Endäste, vier an der Zahl, treten nur von der vorderen Fläche des Hauptstammes ab und ein fünfter, welcher die Fortsetzung des Hauptstammes darstellt, ver- bindet sich mit dem der anderen Seite (Fig. 1). Der Hauptstamm selbst ist also einfach gefiedert. Hinter diesem Nerven und aus dem lateralen Rande des Gan- glions entspringen zwei schwächere Nerven (2 und 3). Sie verästeln sich in der Kopfhaut, sind die »Hautnerven des Kopfes: und der hintere giebt außerdem noch einen Ramus recurrens ab (Fig. 1 2). Drei andere Nerven (Fig. 2, 7, 8, 9) entspringen von der oberen etwas medianen Fläche des Ganglions und sind die Nerven der Buccalmuskulatur. Alle drei Nerven versenken sich bald nach ihrem Abtritte zwischen die Muskelbündel (Fig. 1), nachdem sie sich zuvor etwas nach hinten gewendet hatten. Der erste (7.) tritt sehr tief zwischen die Muskulatur ein und indem er sich, unter Muskel- bündeln gelegen, über die obere Kante des Buccalknorpels schlägt. verästelt er sich in der medianen Muskulatur. Die anderen zwei Ner- ven ($, 9) gehören den lateralen Muskeln an: der zweite ($.) tritt nach vorn, während der dritte (9.) weit nach hinten zwischen der Muskulatur verfolgt werden konnte, wo er auch endete. Etwas lateral und aus der oberen Fläche des Ganglions ent- springen der Fühlernerv (4 und der Sehnerv (5) gesondert von einander (auf Fig. 1 mit Blau). Der Fühlernerv ist der mächtigere. Die schon erwähnte hintere Verlängerung des Ganglions (y) be- giebt sich zwischen den Buccalmuskel und unter dem Knorpel 6 Béla Haller ) gelegen nach innen bis an den Boden der Mundhöhle und zerfällt daselbst in vier Äste. Einer dieser Aste, der Endast, soll nach Lacaze- Durmers! bei Haliotis mit dem der anderen Seite sich verbinden und mit sonstigen Nebeniisten in der unteren Rüsselwand * veriisteln. Ich habe nun eine Haliotis (H. tubereulata) auch auf die- sen Punkt untersucht und fand das Verhalten ganz wie bei Fis- surella. Die Annahme L.-Duruiers, dass wir es hier mit Nerven der Buccalmuskulatur zu thun hätten, wird schon dadurch ausge- schlossen, dass die Nerven dem Mundboden von außen fest anliegen. Diese Nerven der gangliösen Verlängerung versorgen vielmehr jeder- seits die vordere laterale Fläche des Mundbodens und geben spär- liche Äste auch an die Unterlippe. Da nun die Gegend hinter den Kiefern diejenige der Mundhöhle ist, wo ich die Geschmacks- knospen auffand, so haben wir es hier nur mit dem Geschmacks- nerven und dessen Centren zu thun. Eine Verbindung der beider- seitigen Theile ist jedoch nicht vorhanden und eventuelle Anastomosen könnten nur durch die feinsten Endäste zu Stande kommen. Die Commissur zu den vorderen Eingeweideganglien 6) verlässt das Ganglion etwas vor dem eben erwähnten Fortsatze, demselben genähert, jedoch nicht von ihm abtretend, wie dies bei Haliotis der Fall ist. Die jederseitige Commissur, welche die Cerebralganglien mit dem unter dem Darme gelegenen Centrum, also mit Pedal- + Pleu- ralganglien verbindet, besteht nach den Angaben der Autoren bei Fissurella sowohl wie bei Haliotis aus zwei Strängen. Nach v. IHERING soll bei Fissurella der äußere dieser Stränge der diekere sein und ist die Cerebrocommissural-Commissur, während der innere die Cerebropedal-Commissur darstellt?. Es ist auch diesem Autor gelungen? die Entdeckung Lacaze- DUTHIERS bei anderen Formen*, wonach der Hörnerv aus dem Cerebralganglion entspringt, auch für Fissurella zu bestätigen. Er zeigte nämlich, dass der . Hörnerv unten bei den Otocysten, eine kurze Strecke sich von der ! Er nennt sie Nn. proboseidiens inférieurs (l. e. pag. 262). * Ganz unrichtig ist Iuerıng’s Behauptung, dass sich diese zwei Commis- suren bei ihrem Verlaufe um einander winden. 3 Morpholog. Jahrbuch. Bd. III. * L.-DurHiERs, »Otoeyste des Mollusques«. Archives de Zoologie expé- rimentale. Tom. I. 1872. ~! Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. Cerebropedalcommissur trennen lässt, derselben von innen nur an- gelagert ist; später soll er jedoch mit der Commissur verschmelzen. Gelingt es bei vorsichtiger Behandlung das untere Centrum des Nervensystemes mit möglichst langen Commissuren zu den Cerebral- ganglien aus dem Thiere zu präpariren und nach erfolgter Glycerin- aufhellung bei schwacher Vergrößerung zu untersuchen, so bemerkt man, dass die innere dieser Commissuren zwar schmäler als die äußere ist, dass aber beide Commissuren aus einem äußeren dickeren und inneren dünneren Strange besteht (Fig. 2). Es hat sich auch ergeben, dass stets die äußeren, stärkeren Stränge der beiden Com- missuren die eigentliche Commissur vorstellen. Die innere ist die Cerebropedal-Commissur, die äußere die cerebropleurale Commis- sur. Der ersteren nach innen angelagert lässt der Hoérnerv sich (Fig.2«) bis zum Cerebralganglion von der Commissur trennen. Der cerebropleuralen Commissur! nach innen angelagert verläuft aber ein Strang, der seinen Ursprung dem unteren Centrum verdankt. Er ver- läuft bis in das Cerebralganglion, liegt in diesem, wo er sich jedoch mit demselben nicht nervös verbindet sondern aus demselben als dieCommissur der vorderen Eingeweideganglien (6) wieder zum Vorschein tritt. Also haben wir in der Verbindung zwischen dem unteren Centrum und den Cerebralganglien jederseits vier Stränge vor uns: den Hörnerven (Fig. 2a), die Ce- rebropedal-Commissur (4), die Commissur der vorderen Eingeweideganglien (ce) und die Cerebropleural-Com- missur (d). Das Eingeweidenervensystem. Diese Bezeichnung ist, wie ich bereits für die Familie der Murieiden gezeigt habe?, vollberechtigt und kann auch bei den Zeugobranchiern gleich so gebraucht werden: vielleicht noch mit mehr Recht, denn bei der Gedrängtheit des centra- len Nervensystemes der Murieiden war es ohne histologische Prüfung nicht möglich sicher zu stellen, von wo die Commissur der vorderen Eingeweideganglien ihren eigentlichen Ursprung habe. Dass sie aber mit den Cerebralganglien in Beziehung tritt, ist nicht bloß bei Proso- branchiern, sondern auch bei Opistobranchiern häufig genug beob- ! Cerebrocommissural-Commissur v. IHERING'S. 2 B. HALLER, » Anatomie des Nervensystemes der Muriciden«. Denk- schriften d. Wiener Akademie der Wissenschaften. Bd. XLY. 1882, 8 Béla Haller achtet worden. Die urspriinglichsten Formen der Prosobranchier, die Zeugobranchier, sind in diesem Falle, wie eben: gezeigt wurde, lehr- reich genug, um mit Hilfe des Mikroskops den wahren Ursprung der Commissur zu ermitteln. Diese entspringt jederseits, wie wir sahen und noch genauer sehen werden, aus nächster Nähe der Pleural- ganglien. Diese Commissur tritt jederseits, nachdem sie aus dem Cere- bralganglion getreten ist, auf die Buccalmasse, und die Verbindung zwischen Cerebralganglion und unterem Centrum von unten kreuzend, zu einer länglichen Ganglienmasse, den vorderen Eingeweidegan- glien. Während wir bei den phylogenetisch jüngeren Prosobranchiern immer zwei runde und mit einander verbundene vordere Eingeweide- ganglien antreffen, ist bei den Zeugobranchiern und, wie wir sehen werden, auch Scutibranchiern, diese Gruppirung der Ganglienzellen zu runden Ganglien, welche durch eine rein commissurale Verbin- dung mit einander zusammenhiingen, noch nicht eingetreten. Das Verhalten, welches wir fiir Fissurella gleich beschreiben wollen, erinnert an Verhältnisse wie sie Patellen und Placophoren! auf- weisen. Die vorderen Eingeweideganglien der Fissurella haben eine Hufeisenform , sind an den Enden dicker und werden von hier aus nach hinten schmäler (Fig. 2 vg), doch existirt eine äußerlich wahr- nehmbare Commissur nicht, da der ganze Halbring Ganglienzellen führt. Der schmale Abschnitt, der die verdickten Enden mit einander verbindet, liegt unter dem Darme oberhalb der Radulascheide, gerade an der Stelle wo ersterer in letztere umbiegt (Fig. 1). Die zwei verdickten Enden jeder Seite lagern dem Munddarme nach hinten und lateral an. An der Spitze des verdiekten Endes tritt die Com- missur jederseits in die Ganglien. Aus der Commissur selbst treten keine Nerven ab. Oberhalb der Eintrittsstelle der Commissur in das Ganglion entspringen aus letzterem zwei Nerven. Der untere dieser Nerven (Fig. 1, 2 md) giebt gleich bei seinem Austritte aus dem Ganglion schon Äste an die laterale untere Munddecke ab, ver- läuft dann nach oben und vorn und versorgt das Munddach. Wir wollen ihn den Nerven des Mundhöhlendaches nennen. 'S. B. HALLER, »Die Organisation der Chitonen der Adria« I. (Arbei- ten aus d. zoolog. Instit. d. Univ. in Wien. Bd. IV. 1882.) Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. g Ein anderer Nerv (Fig. 1 On, Fig. 2 dn) entspringt etwas über dem letzteren, verläuft eine kurze Streke demselben angelagert, be- giebt sich dann hinter denselben nach oben; er giebt einen Ast ab, der unter der Bucealdrüse am Darme nach hinten verläuft, um in das Vorderdarmnetz überzugehen. Der Hauptstamm des Nerven versorgt die Bucealdrüse und so ist er am passendsten als Nerv der Bue- caldrüse zu bezeichnen. Unter der Commissur verlässt das Ganglion ein ziemlich starker Nerv (¢). Dieser verläuft auf der Buccalmuskulatur, ohne jedoch Nerven an dieselbe abzugeben, nach hinten. Hier zerfällt er in zwei Endäste, von welchen der eine bis an den Kropf des Dar- mes zu verfolgen war, während der andere in einem über dem hin- teren Ende der Buccalmuskulatur gelegenen Häutchen sich verästelte. Letzterer Nerv liegt der Buccalmuskulatur auf und wird von dem ge- nannten Häutchen bedeckt. Dieses Häutchen legt sich lateralwärts der Körperwand an und ist nichts Anderes, als das vordere Ende des Leibeshöhlenepithels oder Peritoneums. LACAzZE-DUTHIERS kannte diesen Nerven bei Haliotis nicht, giebt jedoch an, dass ein Nerv die Commissur verlassend zur Buc- ealmuskulatur tritt. Diese Angabe muss dahin geändert werden, dass der Nerv, den wir eben für Fissurella beschrieben haben, bei Haliotis tuber- culata eine Strecke der Commissur sich anlegt, dann sich abhebt jedoch nicht zur Buccalmuskulatur tritt, sondern sich ganz so ver- hält wie bei Fissurella. An der Stelle, wo die beiden Schenkel des Ganglions in das Verbindungsstück übergehen und wo die Krümmung statthat, ent- springt von dem äußeren Rande jederseits der Nerv der Radula- scheide (f). Er wendet sich an dem lateralen Rande der Radula- scheide gelegen nach unten und kommt hier unter eine nach innen konkave, jederseits vorhandene Verdickung dieser Scheide ! zu lie- sen. Am Ende dieser Verdickung schlägt sich der Nerv wieder etwas nach außen und verästelt sich in der Radulascheide. Vis A vis von diesem Nerven, jedoch vom inneren Rande des Ganglions entspringend, zerfällt ein feiner Nerv (e) bald in mehrere Äste. Er giebt mehrere feinere Fasern an eine Erhebung der unteren Darmwand ab, welche sich hinter der Umbiegungsstelle des Darmes in die Radulascheide befindet und von einem hohen flimmernden 1 Valvule oesophagienne postlinguale införieure L.-D. s. pag. 297. 10 Béla Haller Epithel gebildet wird. Andere Aste dieses Nerven treten als untere Osophagealnerven an den Plexus des Vorderdarmes. Diese Nervenäste vertreten die Stelle derjenigen Nerven, welche Lacazz- Duruiers für Haliotis als »/Oesophagiens inferieurs« beschrieben hat und welche bei Fissurella als selbständige Nerven fehlen. Allerdings gelang es mir nie die Nerven bei Haliotis aufzufinden, doch soll damit nicht behauptet werden, dass sie durchaus nicht vor- kommen. Lacaze-Duruiers hatte an H. lamellosa, also an der großen Art, beobachtet und ist es möglich, dass ich das bei der kleinen H. tuberculata übersah, was ihm dort klar vor Augen stand. Der obere Ösophagealnerv (Fig. 2c, Fig. 1 ed), aus dem inneren Rande des verdickten Ganglionschenkels, und zwar aus dessen vorderer Hälfte entspringend, verläuft Anfangs auf der lateralen Mundwand nach vorn, biegt unter der Buccaldrüse nach hinten um, giebt hier Äste an die Darmwand, die mit dem Hauptaste in den Vorderdarmplexus aufgehen. Es liegen mir leider keine Beobachtungen darüber vor, wie die Nerven des Vorderdarmes sich zum Kopfgefäß oder der Aorta ante- rior verhalten. An Fissurella costaria, von der selbst die größten Exemplare noch klein genug sind um bei der Untersuchung hindernd in den Weg zu treten, konnte es mir nie gelingen das Gefäß intakt zu erhalten. Nach L.-Dursrers jedoch soll bei Haliotis jederseits ein Ast aus seinen »ns. oesoph. inférieurs« an das Gefäß! abgehen. Andererseits aber ist es mir bei der, Familie der Muriciden? ge- lungen den Nachweis zu führen, dass die Aorta anterior stets von Darmnerven innervirt wird. Es kann also mit gutem Grunde ange- ‚nommen werden, dass überhaupt bei den Vorderkiemern dieses Gefäß seine Nerven von den Darmnerven erhält. Wir hätten nun die Nerven aus den vorderen Eingeweideganglien besprochen und gesehen, dass dieselben die Buccaldrüsen, den Darm- kanal und ein Gebilde innervirten, das sich ontogenetisch als eine Ausstülpung der Darmwand anlegt*: die Radulascheide. Es wurde auch erwähnt, dass sich LACAZE-DUTHIERS geirrt hat, als ' Dass LACAZE-DUTHIERS das Kopfgefäß meint, wenn er von »yaisseau sanguin« redet, erleidet wohl keinen Zweifel, nur wird er unklar, wenn er von ihm sagt: »qui renferme la langue«. An die Radulascheide kann dabei nicht sedacht werden, da er Nerven an dieselbe vorher schon beschreibt und auch die Abbildung es klar zeigt. cit CR x 3 C. Rasy, »Uber die Entwicklung der Tellerschnecke«. Morpholog. Jahr- buch. Bd. V. pag. 595. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 11 er einen Nerven bei Haliotis aus den vorderen Einge- weideganglien zur Buccalmuskulatur treten ließ. Bevor wir auf die Beschreibung der ferneren Eingeweidenerven übergehen, soll hier zuvor auf die äußere Form des ganzen Darm- tractes so wie auf seine topographischen Verhältnisse Rücksicht ge- nommen werden, da dies bei einer weiteren Betrachtung der Inner- virung vorausgesetzt werden muss. Vom Munddarme wird noch weiter unten die Rede sein und hier sei nur bemerkt, dass sich derselbe hinter der Stelle, wo die Daım- wand sich in die Radulascheide ausstülpt, in einen engen Abschnitt fortsetzt (s. Holzschn. Fig. 1A). Dieser enge Abschnitt (b) ist sehr kurz: ihm folgt der sehr weite Kropf (c), welcher sich weit in die Leibes- höhle erstreckt. Etwa in der Gegend der halben Kiemenlänge geht der Kropf in einen dünnen Abschnitt /d) über. Letzterer bildet eine Schlinge und begiebt sich auf dem Kropfe gelegen etwas nach vorn, dreht sich dann nach links, macht abermals eine Schlinge und setzt sich nach hinten in den Magen fort. Gerade vor dem Magen in dem dünnen Abschnitt liegt ein gallertartiger Magenpfropf. Der sehr geräu- Fig. 1. mige und lange Magen Ar B. (e) liegt hinten im Ein- geweidesack, von der Leber und theilweise von der Niere bedeckt. Zuerst mit der Längs- achse nach hinten ge- richtet dreht er sich nach rechts und bildet so einen Halbring. In der Gegend, wo die Geschlechtsdrüse sich in ihren Ausführungs- vs . at (Figo. 14 Darmkanal von oben. A. Fissurella. B. Haliotis. a Mund- gang fortsetzt Fig. ! ’ darm, b Ösophagus, c Kropf desselben, d dünner Vorderdarm, geht der Magen in e Magen, z Mündung der Leber. einen dünnen Abschnitt (f) über, der sich nach vorn fortsetzt und dann nach oben und hinten umbiegt. Unter dem Herzen macht er wieder eine Biegung nach vorn und durchbohrt als Enddarm das Herz. Der Darmtractus ist vorn am Kropfe von dem dunkel pigmen- tirten, hohen Epithel (Fig. 9) der sekundären Leibeshöhle bedeckt, das sich auf den dünnen Darmtheil oberhalb des Kropfes fortsetzt. 12 Béla Haller Zwischen Kropf und diesem dünnen Darmabschnitt verwachsen die beiderseitigen Lamellen des Leibesepithels und. bilden eine Art Me- senterium. So bei Fissurella. Bei Haliotis erstreckt sich der Kopfdatm als weiter Abschnitt weiter nach hinten als bei der vorigen Art (Holzschnitt 3), doch sind die zwei Ausbuchtungen, wie sie LACAZE-DUTHIERS angiebt, an dem- selben nieht vorhanden. Der Abschnitt zwischen Kopfdarm und Kropf ist kurz; auch der dünne Darmabschnitt, den wir bei Fissu- rella zwischen Kropf und Magen antrafen, ist so sehr verkürzt, dass der Kropf in den Magen sich fortzusetzen scheint. Der Magen ist nach vorn gerichtet und liegt vom Peritoneum bedeckt nach rechts dem starken Spindelmuskel an. Der nun fol- gende Darmabschnitt ist sehr lang und bildet eine weit nach vorn und rechts liegende Schlinge. Nach dieser kurzen Beschreibung des Darmkanales möge die Betrachtung der Visceraleommissuren und ihrer Ganglien folgen. Der Pleuralganglien einstweilen nur kurz gedenkend, da ihre genauere Erörterung bei der Beschreibung der Fußstränge erfolgen soll, möge nur gesagt werden, dass die verlängerten Ganglien jeder- seits sich äußerlich ohne Grenzen in die Visceraleommissur fort- setzen und dabei folgendermaßen sich verhalten. Das rechte Gan- glion liegt mit seiner Längsachse nach rechts und oben, seine Fortsetzung als Supraintestinaleommissur biegt jedoch am rechten lateralen Rande des Kropfes auf demselben nach links und ist in dieser Lage von einer Falte des Epithels der sekundären Leibes- höhle bedeckt. Am linken Rande des Kropfes angelangt erhebt sich die rechte Visceralcommissur nach oben und hinten, liegt hier der oberen Leibeswand an und geht in der Gegend, wo der dünne Darm- abschnitt sich in den Magen fortsetzt, in ein langes spindelförmiges Ganglion, das Supraintestinalganglion, über. Dieses Ganglion (Fig. 14 9.sp.) liegt der oberen Leibeswand an und entsendet drei Nerven. Der erste und lateral abtretende dieser Nerven ist stark, verläuft unter der Leibesdecke bis zum linken Schalenmuskel, durchbohrt oberhalb desselben die Leibeswand und tritt unter der Kieme an deren vorderer Wurzel in ein rundes Ganglion, das linke Kie- menganglion! (Fig. 14, 19 2.%g.) )° Ein zweiter feiner Nerv aus dem Supraintestinalganglion setzt ' Diese Ganglien wurden von v. IHERING gänzlich übersehen. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 18 sich zwischen der Commissur des Kiemenganglions und der Fort- setzung der Visceraleommissur entspringend (x), nach unten fort und tritt gerade an der Stelle an den Darm, wo der dünne ésophageale Abschnitt in den Magen übergeht. Eine andere jedoch nicht immer vorgefundene Faser tritt an das Peritoneum. Die Fortsetzung der Visceralcommissur verläuft der Leibeswand angelagert und vom Peritoneum bedeckt nach hinten und etwas rechts und geht unter dem Herzen in das hintere Eingeweideganglion (Abdominalganglion, Aut.) über (Fig. 14 g. abd.). Die aus dem linken Pleuralganglion sich fortsetzende Subin- testinaleommissur kreuzt die Supraintestinaleommissur unter dem Kropfe und begiebt sich zur rechten Körperwand. Sie ist hier überall der rechten Nackenwand angelagert, verläuft etwas nach hinten und tritt zu dem gleichfalls der Nackenwand angelagerten Subintestinalganglion (g.sd.). Diese Commissur ist, wie seit IHERING bekannt, kürzer als die Supraintestinaleommissur. Das Ganglion liegt der lateralen Leibeswand an, in gleicher Höhe mit dem rechten Schalenmuskel und grenzt nach hinten an die Geschlechtsdrüse (Gd). Aus diesem Ganglion entspringen drei Nerven. Der erste ist die Commissur zum Kiemenganglion. Sie durchbohrt über dem Muskel die Leibeswand und ist, da das Subintestinalgan- glion der Kieme näher liegt als das Supraintestinalganglion, auch länger als die Commissur zum linken Kiemenganglion. Gleich neben dieser Commissur entspringt ein Nerv aus dem Ganglion, welcher, Fasern an das Epithel der Leibeshöhle abgebend, mit seinem Hauptaste sich zur Geschlechtsdrüse begiebt (gr), also der Genitalnerv ist. Der dritte Nerv ist die Commissur zum hinteren Eingeweide- ganglion. Sie begiebt sich nach rechts und etwas hinten, liegt hier der Leibeswand an und kreuzt über der Aorta anterior gelegen die- selbe. Diese Commissur ist, wie bekannt, länger als jene der an- deren Seite. Hinteres Eingeweideganglion ist nur eines vorhanden, welches eine lange Spindelform hat und vor dem unpaaren Nieren- gang! liegt (g.abd.). Der Enddarm liegt unter ihm, da er der Lei- beswand gleich den Commissuren anliegt. Bereits v. IHERING ge- lang es dieses Ganglion aufzufinden. Ich konnte drei Nerven aus ihm 1 Niere und Genitalgang münden nach außen getrennt, erstere nach links letzterer nach rechts vom After. 14 Béla Haller austretend erkennen und da ich das Ganglion auch herauspräparirt unter Glycerin bei schwacher Vergrößerung untersuchte, konnte ich mich stets davon überzeugen, dass außer diesen und den eintreten- ‘den zwei Commissuren andere Nerven nieht vorhanden sind. Aus der linken Hälfte des Ganglions entspringt der Nerv der Herzkammer (An). Bei seinem Verlauf legt er sich der Aorta anterior an, giebt ihr einen Ast ab und begiebt sich auf ihr zur Herzkammer. Zuvor tritt aus ihm ein feiner Faden an die Aorta posterior. Dieser Nerv entspricht dem hinteren Herz- nerven der Muriciden, den ich dort beschrieben habe!. Aus der Mitte des Ganglions entspringt der Darmlebernerv (gg). Er begiebt sich, zwischen Enddarm und Aorta anterior gele- gen, nach unten, theilt sich dann in zwei Aste, von welchen der eine an den Magen tritt und auch Nerven an die Leber abgiebt. Der andere tritt unter der Stelle, wo der Geschlechtsgang dem Nie- rengange anliegt, an das Magenende, um dasselbe und den folgen- den Darmabschnitt zu versorgen. Der dritte Nerv, der aus der rechten Spitze des Ganglions ent- springt, ist der Nierennerv (Nn). Er verläuft nach hinten und rechts um auf der Niere angelangt in seine Endäste zu zerfallen. Wir haben nun des Kiemenganglions zu gedenken, das auf jeder Seite der Kieme von unten gerade an der Stelle anliegt, wo sein freies Ende beginnt (Fig. 14, 19 2.Ag.). Die Ganglien beider Seiten verhalten sieh ganz gleich. Sie sind dort, wo sie der Kiemen- vene nach unten anliegen, von Fasergewebe und dem Epithel der Haut bedeckt. Das Ganglion selbst ist rund und im Gegensatze zu den orangegelb gefärbten Eingeweideganglien blassgelb gefärbt. Ein Hauptstamm aus dem Ganglion verlängert sich in das unter der Kiemenvene gelegene Sinnesorgan ? (¢), doch giebt er fortwäh- rend feine Fasern an das Gefäß ab und indem er sich allmählich verdünnt hört er weit vor dem Kiemenende auf. Aus dem oberen, der Kiemenvene zugewendeten Rande des Gan- slions entspringen Nerven, welche die Vene innerviren. Der letzte dieser Äste ist sehr lang und verläuft, dem Gefäß angelagert und an dasselbe fortwährend Fasern abgebend, bis weit nach hinten. Aus dem hinteren Ende des Ganglions und seiner Commissur an- liegend entspringen vier andere Nerven. Zwei derselben sind die Ner- l. e. pag. 12. 1 2 Geruchsorgan SPENGEL'S. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 15 ven der Vorhöfe des Herzens oder, um mit der Nomenklatur bei den Muriciden im Einklange zu bleiben, die vorderen Herzner- ven (r, 7”). Sie verlaufen unter der Kiemenvene gelegen mit ihr und unter einander parallel, ohne jedoch Äste an das Gefäß abzugeben. An der Stelle wo die Kiemenvene in das Perikardium und den Ein- geweidesack eindringt, durchbrechen beide Nerven das Perikar- dium. Der äußere liegt hier nach unten, der innere nach oben von der Vene. So gelagert treten sie an den Vorhof, denselben von oben und unten innervirend. Zwischen den zwei Herznerven entspringt aus dem Ganglion ein starker Nerv (mx), der nach hinten verläuft und den Eingeweidesack, das Peritoneum, versorgt!. Außer diesen Nerven tritt noch ein feiner Faden ab, den zu verfolgen mir nicht gelang. Wir sehen also, dass das Herz auch bei Fissurella von zwei verschiedenen Seiten innervirt wird. Die Vorhöfe und die Kiemenvenen werden von Nerven ver- sorgt, die aus ein und demselben Ganglion entspringen (Kiemenganglion), während die Herzkammer mit den Aorten vom Abdominalganglion ihre Nerven beziehen. Die Nerven des Kiemenganglions können an frischen Objekten nicht sogleich präparirt werden, da das über den Nerven gelegene Gewebe viel zu resistent ist. Ich hob die Kieme sammt Umgebung ab und legte das Objekt für 1—2 Tage in eine Mischung von Glycerin, Salpetersäure und Wasser (1:0,5:2). Nachdem sich die Gewebe auf diese Art gelockert hatten, konnte ich mit einiger Mühe das Freipräpariren unter dem Präparirmikroskop vornehmen. Nebenbei sei bemerkt, dass die Nerven auf den Vorhöfen in Fig. 19 der Deutlichkeit halber etwas zu stark gezeichnet sind. Pedalstränge, Centren der Commissuren zu dem Cere- bralganglion und die Pleuralganglien. IHERING verkannte sowohl die Pedalstränge als auch die mit ihnen nervös eng zusammenhängenden und von ihnen weder äußerlich noch histologisch streng scheidbaren Centren der Commissuren und ! Bei Chiton habe ich im Peritoneum eigenartige Ganglienzellen auffinden können (8. 1. c. pag. 17). 16 Béla Haller Eingeweidenerven gänzlich. Gestützt auf rein äußerliche Betrachtung, die allerdings auch oberflächlich genug war, spricht er von seinen »se- kundären Palliopedalganglien« und der Quercommissur zwischen ihnen, welche Commissur »durch ihre weiße Farbe sich scharf abhebt von der unter ihr liegenden Ganglienmasse, welche eine dunkelgelbe Färbung aufweist. Nach v. IHErING soll der Nervenstrang des Fußes durchaus nicht den Charakter eines mit Ganglienzellen ver- sehenen Nervencentrums darstellen, sondern seine »Palliopedalgan- slien« sind, so weit man den Autor überhaupt verstehen kann, geson- dert und, wie eben erwähnt, durch eine Commissur mit einander verbunden. Die Palliopedalstränge sind aber nach ihm jederseits zwei an einander gelagerte Nerven. Zu innerst liegt der »primäre Pedalnerv«, nach außen der »primäre Pallialnerv«. Erstere sind durch (Juercommissuren, elf an Zahl, mit einander verbunden, während die jederseitigen »primären Pallialnerven« sich durch eine Commissur hinten vereinigen. Es ist kaum der Mühe werth, sich hier weiter mit v. IHERING’s Angaben zu befassen und es möge dem Leser überlassen bleiben, am Schlusse meiner Beschreibung durch Vergleich mit der IHuE- RinG’schen Arbeit sich über dessen Untersuchungen eine Meinung zu bilden. Die Pedalstränge sind zwei lange, solide Ganglienmassen (Fig. 2) von ein sechstel Fußlänge (Fig. S). Sie liegen nicht in der Muskula- tur des Fußes. wie dieses bei den Placophoren und den Patel- len der Fall ist, und beim Mangel eines Spindelmuskels sind sie auch von einem solchen nicht bedeckt, wie dieses bei Formen, die einen Spindelmuskel aufweisen, der Fall sein kann (Haliotis, Trochiden, Paludinen). Sie liegen auf dem Fuße, bedeckt von einer dünnen Lage von Muskelfasern, die Quer- und Längsfasern zeigt. Diese Muskellage dient zugleich als Unterlage für das stark braun pigmentirte Leibeshöhlenepithel. Die Pedalstränge sind im Verhältnisse zum Körper kurz und erreichen so nicht die hintere Hälfte des Leibesraumes (Fig. 8). Nach vorsichtiger Entfernung des Leibeshöhlenepithels, am besten mit einem Pinsel, können die zwei Pedalstränge gesehen werden. Zu ihrem Studium reicht es nicht aus sie in situ zu beobachten, son- dern dieselben müssen vorsichtig herausgehoben, auf einen Objekt- träger gebracht und in Glycerin aufgehellt werden. Auch ganz frische Objekte auf diese Weise unter dem Mikroskop bei schwacher Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 17 Vergrößerung betrachtet, zeigen Manehes, was in situ unkennt- lich ist. Vorne verdicken sich die zwei Pedalstränge und vereinigen sich mit einander. Diese Vereinigung geschieht aber nicht durch eine äußere Commissur, sondern durch eine innere, über und unter wel- cher Ganglienzellen liegen (Fig. 2 v.g.). Wir wollen sie die vor- dere Querfaserung nennen. Es ist schwer eine richtige Beschreibung der Verhältnisse zu geben, wie sie die Pedalstränge vorn aufweisen, und wenn ich auch recht gut weiß, dass nach dem rein histologischen Verhalten eine Scheidung in einzelne Theile, wie Pleuralganglien ete. nicht möglich ist, so muss eine solche von jenem Gesichtspunkte aus betrachtet, doch geschehen: dass der vordere verwachsene Theil der Pedal- stränge, wenn nicht ausschließlich, doch hauptsächlich das Centrum für die Commissuren zu den Cerebralganglien und der großen Ein- geweidenerven in sich schließt. Wir wollen aus dem erwähnten Grunde den vorderen verwachsenen Abschnitt der Pedalstränge als ihren Pleurocerebraltheil bezeichnen. Inmitten von ihm liegt die vor- dere Querfaserung. Nach vorne spaltet sich jederseits der Pleuro- cerebraltheil in einen oberen und einen unteren Abschnitt. Der obere ist derjenige Theil des Nervensystemes, welcher bei jüngeren Formen der Prosobranchier (auch bei Opisthobranchiern) sich von dem Pedal- ganglion gangliös gesondert hat und nunmehr nur durch eine Com- missur sowohl mit ihm, als durch eine andere mit dem Cerebral- ganglion verbunden ist. Er wird als Commissuralganglion (v. IHERING) oder besser Pleuralganglion (SPENGEL) bezeichnet. Wir wollen auch hier die Benennung »Pleuralganglien« bei- behalten, wobei jedoch stets vor Augen schweben muss, dass die Bezeichnung »Ganglion« nur ein Hinweis darauf ist, dass wir es mit einem Gebilde zu thun haben, welches im Laufe der Phylogenie sich zu solchem sondern kann, bei Zeugobranchiern jedoch mit den Pe- dalsträngen innig verbunden ist. Die länglich spindelförmigen Pleuralganglien sind nicht gleich stark, sondern das linke (/.pg.) ist etwas länger und wenig massi- ger als das rechte (r.pg.). Beide sind bis zu der Stelle, wo sie in die Eingeweidecommissuren übergehen, orange gefärbt, welche Färbung von den cortical gelegenen Ganglienzellen herrührt. Das rechte Ganglion (Fig. 2) legt sich nach rechts der Lei- beswand an, und der aus ihm sich fortsetzende Strang ist die Morpholog. Jahrbuch. 9. 2 18 Béla Haller Supraintestinaleommissur (¢.sp.). Das linke Ganglion erhebt sich nach rechts und vorn, legt sich so nach rechts um (r.pg.), 80 dass auf diese Weise seine obere Fläche in situ der unteren Fläche des rechten Ganglions entspricht. Ihre Fortsetzung wird zur Subintesti- naleommissur (c.sb.). Ich sagte schon, dass der Pleurocerebraltheil nach vorn sich jederseits spaltet und eben behandelten wir die obere dieser Hälften als Pleuralganglion. Aus der unteren Hälfte (2) gehen als direkte Fortsetzung des gangliösen Abschnittes die zwei Commissuren zu dem Cerebralganglion hervor, so wie die Commissur zu dem vorderen Ein- geweideganglion. Die äußerliche Grenze des Anfangs dieser Com- missuren ist durch das Aufhören der gelben Färbung markirt. Auf der rechten Seite entspringt anscheinend aus dem Winkel zwischen Pleuralganglion und der eben erwähnten vorderen Spitze des Pedalstranges der rechte Mantelnerv (r.pn.). Auf der linken Seite entspringt der Mantelnerv scheinbar aus einer tieferen Stelle, mehr dem unteren Ende des linken Pleuralganglions genähert (/.pz.). Dieses verschiedene Verhalten der beiderseitigen Mantelnerven, wel- ches schon von IHERING bekannt war, wird jedoch als ein sekundä- res aufzufassen sein. Ich habe oben schon erwähnt, dass das linke Ganglion sich nach rechts umlegt; durch diese Lageveränderung des Ganglions musste offenbar bedingt werden, dass der Mantelnerv auf der rechten Seite noch eine Strecke nach seinem Ursprunge sich sei- ner Unterlage fest anlegt, auf der linken Seite aber aus dieser letzt- erwähnten Lagerung sich abgelöst hat. Der Mantelnerv begiebt sich jederseits nach oben, um am Grunde des Mantelrandes sich einboh- rend in demselben sein Endgebiet zu finden (Fig. 8). Die hinter der vorderen Querfaserung von einander gesonderten Pe- dalstränge ! liegen etwas aus einander, und jeder ist etwas nach außen ! Hier möge der eigenthümlichen Färbung des centralen Nervensystemes gedacht werden. Man kann nämlich an ihm stellenweise hellere und dunklere Färbung unterscheiden. Wie bekannt, sind die Ganglienzellen durch gelbes Pigment ausgezeichnet; wo sich nun Ganglienzellen in größerer Anzahl finden, resp. vielschichtig über einander liegen, wird naturgemäß eine dunklere Fär- bung zur Beobachtung kommen müssen. Dieses zeigt sich sowohl an den Ce- rebral- wie vorderen Eingeweideganglien; nicht weniger an den anderen Ganglien. Nur die Kiemenganglien machen eine Ausnahme, sie sind einförmig blass ge- färbt, da nur eine einzige Ganglienzellenschicht die Rinde bildet. Am schönsten sieht man jedoch diese verschiedene Färbung an den Pedalsträngen. Doch möchte ich den Leser vor einer weiteren Beschreibung bewahren und auf die Abbildung verweisen. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 19 gebogen, so dass die konkave Seite nach innen sieht. Ihre Gestalt ist somit etwas leierförmig (Fig. 2). Die einzelnen Pedalstränge sind nieht platt, sondern im Querschnitte oval, wobei die lange Achse des Ovoides nach oben und etwas nach außen gerichtet ist. So verlaufen die Pedalstränge nach hinten, um sich schließlich vor ihrem Ende transversal zu verbinden (A.g.). Während die an- deren Verbindungen der Pedalstränge äußere Commissuren vorstellen, das heißt Querstränge rein faseriger Natur, kann letzterwähnte Verbin- dung nicht mit demselben Rechte »Commissur« genannt werden. Sie wird kontinuirlich nach allen Seiten von Ganglienzellen umgeben und weist nur im Inneren eine Querfaserung auf, wie dieses bei Erör- terung der Histologie genauer beschrieben werden soll. Wir wollen diese innere Faserung die hintere Querfaserung! der Pedal- stränge nennen. Sie liegt ganz konstant zwischen der neunten und zehnten Commissur. Mit dieser hinteren Querfaserung hören jedoch die Pedalstränge noch nicht auf, sondern setzen sich noch hinter ihr, sich noch immer mehr zuspitzend, eine kurze Strecke fort. Die Pedalstringe sind, wie seit v. IHERING bekannt ist, mit einander durch Quereommissuren verbunden. Ich finde solcher Com- missuren, d. h. soleher Verbindungen, die nur Nervenfasern führen, zehn, welche Zahl für Fissurella costaria ganz konstant ist. Die erste liegt bald hinter der vorderen Querfaserung und die anderen folgen ihr in ziemlich gleichen Abständen. Da, wie oben gesagt wurde, die Pedalstränge in situ nicht gerade sind, sondern sich etwas nach innen biegen, so sind ihre Commissurefi nicht von gleicher Länge (Fig. 2). Bis etwa zur fünften Commissur nimmt ihre Länge zu, um von hier wieder abzunehmen. Die hintersten Com- missuren sind also kürzer als die vorderen. Die letzte oder zehnte Commissur hat nicht immer dieselbe Lage: einmal verbindet sie die hinter der hinteren Querfaserung gelegenen verjüngten Enden der Stränge, wie dieses unsere Figur darstellt, während ein ander Mal sie unter die Querfaserung zu liegen kommt. Die breitesten dieser Verbindungen sind 1,30 mm dick, also viel breiter als die gleichen Commissuren der Haliotis und der Trochiden. Man kann, wie auch v. IHERING, öfter beob- achten, dass aus der Mitte einer dieser Commissuren, oder, wie in 1 v. IHERING glaubte in dieser hinteren Verbindung die Vereinigung sei- ner weiland »primären Pallialnerven« zu erblicken. 20 Béla Haller den meisten Fällen, aus ihrem ersten Drittel ein Nerv (».n2.) ab- tritt. Aus der ersten Commissur konnte ich diesen Nerven nie ab- treten sehen, meistens ist es die 2. bis 7., welche diesen Nerven abgiebt. Auch die zehnte Commissur besitzt ihn nicht. Dieser starke Nerv begiebt sich inmitten und nach unten in die Fußsohle. Wir werden seiner noch weiter unten zu gedenken haben. Die Pe- dalstränge werden etwa zwischen zweiter und dritter Commissur durch ein unpaares fibröses Querband an ihre Unterlage befestigt (Fig. 82). Bevor wir auf die Nerven der Pedalstränge uns weiter ein- lassen, mögen hier einige Messungen mitgetheilt werden, die ich an den Pedalsträngen eines großen Exemplares von Fissurella costaria vorgenommen habe. Ich theile diese mit, da sie, wie wir sehen werden, bei der Vergleichung der Pedalstränge der Fissurellen mit denen der Haliotis und Trochidn von einigem Werthe sein werden. Die jederseitigen Pedalstränge messen von der vorderen Querfase- rung an bis zu ihrem Ende gerechnet 78 mm. Ihre Breite gleich hinter der vorderen Querfaserung beträgt 6,76 mm; dieselbe zwischen der ersten bis neunten Commissur 5,20 mm. Die Breite einer Com- missur schwankt zwischen 0,65 und 1,30 mm. Wir wollen nun auf die Nerven der Pedalstränge weiter einge- hen und auch noch Einiges über die Pedalstränge sagen, was hier besser erörtert werden kann. Von vorne nach hinten wird lateral- wärts der jederseitige Pedalstrang von einer seichten Längsfurche in eine obere und untere Partie geschieden. Diese Längsfurche (Holz- schnitt Fig. 2 f), welche wir die Lateralfurche des Pedalstranges nennen wollen, setzt sich nach hinten bis zum Ende des Stranges fort und geht nach vorne auch auf | I den Pleurocerebraltheil Hil! ll über; sie endet vorne mit ‚HU If NULL — nm. der Spaltung dieses Ab- nn N aes schnittes in Pleuralgan- nm. glion und Wurzel der Commissuren. Oberhalb dieser Furche, jedoch nicht aus der oberen, sondern der lateralen Fläche des Stranges, tritt in bestimmten Abständen ein Nerv ab (Holzschnitt 2 und Fig. 2 ns). Wir wollen diese Nerven, deren Zahl an jedem Strange 22 bis 24 betragen dürfte, die Lateralner- ven nennen, da sie die laterale Körperwand so wie die Seitenorgane | I Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 71 versorgen. Bald nachdem dieser Nerv abgetreten ist liegt er, von einer dünnen Muskelschicht bedeckt, welche das Epithel der Lei- beshöhle trägt, dem Fuße auf, und begiebt sich so zur late- ralen Körperwand, ohne vorher Äste abgegeben zu haben. Nach- dem er sich in die Körperwand eingebohrt, zerfällt er in zwei Endäste, von welchen der untere in das Ganglion je eines Seiten- organes sich begiebt (s. pag. 45), während der obere in der lateralen Körperwand sich verästelt (Fig. 8 rechts) ; die vorderen dieser Nerven geben auch Äste an die jederseitigen Schalenmuskeln, welche aus der lateralen Leibeswand entstanden sind, ab. Von diesem Verhalten kann man sich sowohl an guten Total- präparaten, die mit etwas Essigsäure behandelt wurden, als auch an Querschnitten durch die Körperwand, die den Nerven getroffen ha- ben, überzeugen. Der Lateralnerv ist, wie die meisten Nerven der Schnecken. ein centripetal und centrifugal leitender, wie dieses im Kapitel über das Seitenorgan gezeigt werden soll. Aus der unteren Hälfte des Lateralstranges entspringen starke Nerven (Fig. 2 xm und Holzschnitt Fig. 2) in gleicher Zahl wie die vorigen, entsprechen jedoch nicht immer einem Lateralnerven, viel- mehr wechseln sie oft in ihrem Abtreten mit jenen ab. Diese Nerven sind stärker als die Lateralnerven. Da sie den Fuß zu versorgen ha- ben, wollen wir sie paarige Fußnerven nennen, im Gegensatze zum unpaaren, auf welchen wir gleich zu sprechen kommen. Sie tre- ten gleich nach ihrem Abgange aus dem Strange in die Fußmus- kulatur ein und indem sie sich hier verästeln gehen ihre medianen Äste Anastomosen mit den Ästen des unpaaren Fußnerven ein. Die unpaaren Fußnerven (n.ni.) sind bereits von v. IHE- RING als je ein aus den Commissuren der Pedalstränge abtretender starker Nerv erkannt worden. Er tritt median in den Fuß, ihn versorgend, und geht die oben erwähnten Anastomosen ein. Er ver- lässt die Commissur nicht immer in ihrer Mitte, vielmehr konnte in den meisten Fällen sein Abtreten nach der einen Seite verscho- ben beobachtet werden. Andere Nerven treten aus den Pedalsträn- gen nicht ab. Wie ist aber nun dieser unpaare Nerv, der den iibri- gen Formen fehlt, eigentlich aufzufassen? Wir werden bei Haliotis und Trochiden sehen, wie ich dies schon bei Chitonen konstatiren konnte !, dass aus dem jederseitigen Pedalstrange nicht zwei, son- 11. e. pag. 13. 2) Béla Haller dern drei Nerven abtreten: ein oberer, ein mittlerer und ein innerer. Dieser innere Nerv, der stets unter einer Commissur gelegen aus dem Pedalstrange austritt, fehlt bei Fissurella. Er ist ein schwacher Nerv, während der unpaare aus der Commissur tretende Nerv der Fissu- rella äußerst stark ist. Sehen wir nun wie sich der innere Fußnerv in seiner Verbrei- tung verhält; man kann an Querschnitten stets seine Anastomosen mit dem mittleren Fußnerven auffinden, wie diese ja auch die Aste des unpaaren Fußnerven mit denen des paarigen bei Fissurella ein- gehen. Um uns kurz zu fassen, ist dieser unpaare Nerv der Fissurella nichts Anderes, als die Vereinigung der jederseitigen inneren Fußnerven der Haliotis ete., welche bei der starken Koncentration der Pedalstränge der Fissurella sich der Commissur anlagerten, und auf einander stoßend, gemeinschaft- lich in den Fuß treten. Hierfür spricht auch ihr Ursprung. Auch bei Turbo sind sie mir bekannt geworden; hier lagerten die jeder- seitigen inneren Fußnerven eine kurze Strecke der Commissur an. B. Haliotis. Der Lacaze-Duruters’schen Arbeit! habe ich nur Einiges beizu- fügen resp. an ihr zu berichtigen. Diese Berichtigungen beziehen sich hauptsächlich auf das Pedalnervensystem und werden dort Erörterung finden. Hier möchte ich nur erwähnen, dass ich, gleich wie bei Fissurella, auch hier jederseits vier Stränge in der Commissur zum Cerebralganglion auffinden konnte. Dann habe ich bereits bei Fissurella darauf hingewiesen, dass der nach innen und unten sich wendende gangliöse Truncus aus dem Cerebralganglion auch bei Haliotis nicht die Buccalmuskulatur innervirt, sondern mit seinen Nerven theilweise die Unterlippe versorgt, theilweise Äste an die später zu besprechenden Geschmacksbecher im Munde abgiebt. Nach LACAZE-DUTHIERS sollen aus der Commissur der Cerebral- sanglien Nerven an die Schnauze abgehen. Dieses ist jedoch, nach dem was wir von Fissurella und Trochiden wissen, so zu verstehen, dass der bei Fissurella frei gelegene Schnauzennerv sich bei Haliotis mit seinem Hauptstamme der Cerebralcommissur fest anlagert, so dass auf diese Weise seine Äste scheinbar aus der Commissur abtreten. ! »Mémoire sur le systeme nerveux de l’Haliotide.« Ann. se. nat. Tome XII. 1859. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 23 Aus den vorderen Eingeweideganglien treten nie Nerven an die Bucealmuskulatur, sondern die von LACAZE-DUTHIERS als solche beschriebenen Nerven gehören dem Peritoneum an, was ich auch bei Fissurella, Trochiden und Placophoren feststellen konnte. Im Übrigen verhält sich Alles wie bei Fissurella und den Trochiden. Über das Eingeweidenervensystem sei weiter bemerkt, dass ein wenigstens äußerlich sichtbares Supra- und Subintesti- nalganglion fehlt, dass die Verhältnisse, abgesehen von der bilateralen Symmetrie wie bei Trochiden sich darstellen. Man fin- det nämlich, dass sowohl Supra- als Subintestinal - Commissur unterhalb der jederseitigen Kieme sich spaltet. Der vordere Ast ist die Commissur zum Branchialganglion, welche auf der rechten Seite kürzer ist, als auf der linken; der hintere Ast ist jeder- seits die Fortsetzung der Commissur selbst. Die Fortsetzung der Commissur tritt aber als Ast des gemeinsamen Stammes ab und ist somit nicht ein rückläufiger Nerv aus dem Branchialganglion, wie dieses LACAZE-DUTHIERS angiebt. Der starke Nerv aus dem jeder- seitigen Branchialganglion, welcher nach Lacaze DUTHIERS den Mantel innerviren soll, gehört in Wirklichkeit, wie ich mich überzeugen konnte, dem Peritoneum an. Sonst verhalten sich die Nerven des Eingeweidenervensystemes ganz wie bei Fissurella, mit dem Unter- schiede, dass die aus dem Supra- und Subintestinalganglion abtreten- den Nerven bei Haliotis die Commissur selbst verlassen. Pedalstränge, Centren der Commissuren zu den Ce- rebralganglien und die Pleuralganglien. Die Pedalstränge der Haliotis wurden von LACAZE-DUTHIERS als jederseits zwei neben einander gelagerte Nerven aufgefasst. Die inneren dieser Nerven sollen die wirklichen Fußnerven sein, und sind unter einander durch mehrere Quereommissuren verbunden. IHERING tritt dieser zuerst von LACAZE- DUTHIERS ausgesprochenen Auffassung bei und nennt die Pedalstränge »Nerven«, die eben keine Ganglienzellen führen. Den Pedalnerven soll dann lateralwärts der »primäre Pallialnerv«, ähnlich wie bei Fissurella, angelagert sein. J. W. SPENGEL!, der einen Querschnitt des Fußes der Haliotis abbildet, findet die im Fuße gelegenen Stränge jederseits einfach. In der That sind diese Stränge jederseits nur einer vorhanden ! Das Nervensystem und Geruchsorgan der Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXXV. 24 Béla Haller und denen der Fissurella ähnlich nicht einfache Nerven, sondern Stränge gangliöser Natur (Fig. 7), die im Wesentlichen die gleiche histologische Zusammensetzung zeigen, wie die Pedalstränge im All- gemeinen: zu äußerst liegen die Ganglienzellen , während inmitten der Stränge ein Netzwerk von Nervenfasern sich findet. Eben so wie bei Fissurella können wir auch hier nicht von Pleuralganglien in dem Sinne sprechen, wie bei den jüngeren Ver- tretern der Vorderkiemer. Die vorderen, mit einander verwachsenen Abschnitte der Pedalstränge bezeichnen wir auch hier als Pleuro- cerebraltheil derselben. Die vordere Querfaserung liegt ähnlich wie bei Fissurella im Inneren des Pleurocerebraltheiles, doch ist sie hier nicht so schön durchscheinend. Nach vorne spaltet sich dieser letztere Abschnitt in die Pleuralganglien (r.pg., Z.pg.) und in einen unteren Abschnitt, aus welchem die Commissuren zu den Cerebral- ganglien und vorderen Eingeweideganglien hervorgehen. Die Pleu- ralganglien sind zwar weniger mächtig, als die der Fissurella, jedoch bedeutend länger und auch hier gehen sie ohne äußerliche Grenzen in die Eingeweidecommissuren über. Hinter und unter den Pleuralganglien entspringt jederseits der mächtige Mantelnerv (l.pn., r:pl.). Er zeigt auch hier rechterseits dasselbe Verhalten, wie links bei Fissurella, indem er dem Pleural- ganglion nicht angelagert ist. Die Pedalstränge der Haliotis sind sehr lang und ihr Ende er- reicht fast das Ende der Fußsohle. Sie sind dünn und liegen weit aus einander. Auch hier behalten sie eine Leierform, indem sie- sich ihrem Ende nähernd stärker an einander rücken (Fig. 7). Die Ver- bindungen zwischen den zwei Pedalsträngen wurden von LAcazE- Dutruiers als einfache Quercommissuren beschrieben. In den meisten Fällen findet man wirklich Querverbindungen von dem einen Strange zum anderen ziehen, doch sind sie nicht immer gleich mäch- tig, sondern unter ziemlich gleich starken findet man auch stärkere. Auch ist es ein öfter von mir beobach- teter Fall, dass eine dieser Verbindungen ausdem einen Strange mit zwei Wurzeln abtritt, während sie auf der anderen Seite einfach ist. Dann erkennt man auch Ver- bindungen zwischen zwei Commissuren. Häufig kommt es auch vor, dass zwei einfache Querverbindungen sich ganz dieht an einander lagern, wie denn der Abstand zwischen zwei Commissuren nicht immer derselbe ist, sondern zwischen weiten Grenzen schwankt. Eine hin- Untersuchungen über marine Rbipidoglossen. I. 35 tere Querfaserung fehlt den Pedalsträngen der Halio- tis. Die Zahl der Verbindungen zwischen den zwei Pedalsträngen beträgt 31—32, also ähulich wie bei den Trochiden. Die aus dem jederseitigen Pedalstrange tretenden Nerven ver- halten sich wie folgt: Oberhalb der auch hier bestehenden Lateral- furche verlässt den Strang der Lateralnerv (x, 7’): er begiebt sich unter dem Spindelmuskel gelegen weiter in die Muskulatur der lateralen Körperwand und versorgt neben dieser noch den Randsaum am Körper der Haliotiden; auch die Schalenmuskeln er- halten von ihnen Äste. Lacaze-Durniers hat die Verbreitungsweise der Nerven in diesem Saume genau beschrieben und auch der klei- nen dort liegenden Ganglien erwähnt. Nach dem Verhalten bei Fissurella und Trochiden möchte man wohl mit Recht annehmen. dass sich in diesem Saume außer den Seitentastern auch die Seiten- organe fänden. Die Komplieirtheit dieses Saumes gestattete mir bis jetzt noch nicht die Seitenorgane aufzufinden. | Ein unterhalb der Seitenfurche entspringender mächtiger Nerv ist der äußere Fußnerv (m, m’). Er verhält sich wie bei Fissu- rella. Der innere Fußnerv konnte an unserer Abbildung nicht wiedergegeben werden. Er verlässt den Strang unterhalb der Aus- trittsstelle in unmittelbarer Nähe einer Commissur. C. Turbo. Als Repräsentanten der Trochiden wählte ich Turbo rugosus Lam. und beschreibe dessen Nervensystem mit der Bemerkung, dass das Nervensystem von Trochus zizyphinus in jeder Beziehung dem des Turbo gleich ist. Ich habe diese Trochusart eben so einge- hend auf ihr Nervensystem untersucht wie Turbo, besitze auch die diesbezüglichen Abbildungen, gebe sie hier jedoch, um Wiederholungen zu entgehen, nicht wieder. Die anatomischen Verschiedenheiten zwi- schen diesen zwei Gattungen beziehen sich im Allgemeinen nur auf untergeordnete Merkmale. Ich werde hier also nur diejenigen Punkte besprechen, worin Trochiden von den Zeugobranchiern abweichen. Bei Turbo sind gleich den vorher besprochenen Formen die vier Stränge in den Commissuren zu den Cerebralganglien nachweisbar. Von diesen ist der Nerv der Otocyste noch schöner wie bei den frü- her besprochenen Formen zu erkennen, wie er das jederseits sehr große Gehörorgan erreicht. Nach vorne wird jede Otocyste von einem Strange Bindegewebe konischer Form an die Körperwand befe- 26 Béla Haller stigt! und von den jederseitigen Sinnesorganen lateralwärts gelegen verlässt den Cerebropedaltheil der Nerv, dessen ich bei Fissurella als Nervus supraradularis (z.sr.) erwähnte, er begiebt sich zwischen den zwei Bucealknorpeln zum unterhalb der Radula gelegenen Höcker. Die Cerebralganglien sind von etwas dreieckiger Gestalt (Fig.3 0). Bemerkenswerth ist an denselben, dass der Schnauzennery aus jedem Ganglion doppelt hervortritt (2) und sich, ohne der Commissur zwi- schen den Cerebralganglien anzulagern, verästelt. Als eine Eigenthümlichkeit fand ich für Turbo das Verhalten der Commissuren der vorderen Eingeweideganglien zu den Cerebral- ganglien. Bei Zeugobranchiern sahen wir, dass diese Commissur mit dem Cerebralganglion in Beziehung tritt; wie ich jedoch schon dort erörterte, geht sie keine nervöse Verbindung mit dem Cerebral- ganglion ein, sondern durchsetzt nur dasselbe, um aus dem gangliö- sen Stamm wieder abzutreten. Bei Turbo verläuft diese Commissur in den meisten Fällen gar nicht bis zu den Cerebralganglien, sondern biegt vorher in das vordere Eingeweideganglion um (Fig. 3c). Nur in selteneren Fällen erreicht die Commissur das Ganglion, liegt ihm dann an, ohne sich in es einzusenken und ist stets mit einiger Vor- sicht vom Ganglion abzuheben. Dieses Verhalten der Commissuren der vorderen Eingeweideganglien ist von großer Tragweite für die Betrachtung des Eingeweide-Nervensystemes der Schnecken, dessen Unabhängigkeit vom Cerebralganglion immer mehr sich ausprägt?. Das Verhalten, wie wir es bei den Zeugobranchiern antreffen, ist aller- dings primär, dass jedoch jenes Verhalten, wie schon vom histologischen Standpunkte klar, von keiner Wesenheit ist, dafür sprechen die Tro- chiden und auch Muriciden?°. Allerdings wissen wir, dass man- chen jüngeren Formen der Prosobranchier so wie den Opisthobranchiern dasselbe Verhalten wie den Zeugobranchiern zukömmt. Dem übrigen Verhalten der Cerebralganglien etc. habe ich nichts beizufügen, und die Abbildung (Fig. 3) möge der beste Sprecher sein. Das rechte Pleuralganglion legt sich nach rechts der Kör- perwand an und geht in die plötzlich nach links auf den Kropf sich umbiegende Supraintestinal- Commissur über (Fig. 10 e.sp.). Die ' Auch bei Haliotis, nicht jedoch bei Fissurella. 2 Nach GEORG WALTER würden die Commissuren der vorderen Eingeweide- ganglien auch bei Limnaeus stagnalis ihren Ursprung aus dem Pedalganglion haben (s. Mikroskopische Studien über das centrale Nervensystem wirbelloser Thiere. Bonn 1863. Taf. IV Fig. 1). 8 |, ¢. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 27 Commissur liegt hier nicht direkt dem Kropfe an, sondern ist von einer Falte des schwarz pigmentirten Leibeshöhlenepithels förmlich umhüllt!. In dieser ihrer Lage erreicht die Commissur die linke Leibeswand und durchbohrt dieselbe scheinbar; bevor dieses jedoch geschehen, tritt aus der Commissur ein starker Nerv (p), welcher sich auf dem Kropfe bis zu der Stelle wo derselbe in den dünnen Vor- derdarmabschnitt übergeht, veristelt. Dann erst tritt die Commis- sur, wie wir noch erörtern werden, scheinbar aus der primären Leibeshöhlung, wo sie ja bis jetzt gelegen ist, aus und spaltet sich, ohne vorher in ein Supraintestinal-Ganglion sich verdickt zu haben, etwas entfernt, jedoch in gleicher Richtung mit dem Geruchsorgan (SPENGEL) in zwei Äste. Der erste Ast tritt in das Kiemenganglion (Ag) ein, welches als ein bei Trochi- den stark entwickeltes Gebilde an der vorderen Wurzel der Kieme und somit auch an der Wurzel des Sinnesorganes gelegen ist. Wir werden seiner und seiner Nerven noch weiter unten zu gedenken haben. Der zweite Ast der Commissur verläuft als die Fortsetzung derselben nach hinten und wendet sich vor der Herzgegend nach innen. Bevor er diese Wendung macht, giebt er zwei Nerven ab (n, n’), welche mit der Kiemenvene zum linken Vorhofe des Herzens sich begeben, den sie allein innerviren. Diese Nerven sind somit die vorderen Herznerven? Nachdem die Fortsetzung der Su- praintestinal-Commissur nach dem Abgange der eben besprochenen Nerven sich nach innen gewendet hat, erreicht sie das hintere Ein- seweideganglion. Wir wollen seiner später gedenken und nun das Ver- halten der Supraintestinal-Commissur besprechen. Diese, als die Fortsetzung des etwas nach rechts gewendeten linken Pleuralganglion, lagert unter dem Kropfe (c.sb.), überdeckt von einer Falte des Epithels der sekundären Leibeshöhle. Ihr Verlauf ist bis zu der Stelle, wo die Schlinge des dünnen Vorderdarmabschnittes sich findet, nahezu gerade. Von hier an wendet sie sich etwas auswärts und indem sie sich alsdann nach innen und oben gebogen hat, senkt sie sich in das hintere ! Hinter der Commissur legt sich die bei Trochiden sehr lange Radula von rechts nach links iiber den Kropf und muss, bevor man an das Aufsuchen der Commissur geht, sammt ihrer Scheide entfernt werden. 2 Ich habe, um die Vermehrung der Abbildungen zu vermeiden, das Bild ihrer Lagerung an der Eintrittsstelle in das Perikard nicht gezeichnet, da es ein ganz ähnliches Verhältnis wie bei Fissurella darbietet. 38 Béla Haller Eingeweideganglion ein. Ein äußerlich sichtbares Subin- testinal-Ganglion fehlt also gleichfalls. Ich habe aus dieser Commissur nirgends Nerven abtreten sehen, es sei denn, das der Nerv der rudimentären rechten Kieme (Z) so zart ist, dass ich ihn übersehen hätte. Jedenfalls fehlt ein stärkerer Nerv für dieses Gebilde eben so wie ein Ganglion. Das hintere Eingeweideganglion (g.ab.) ist in der pri- miiren Form als eine spindelförmige, etwas lange Verdickung vorhan- den und hat seine Lagerung an der Stelle, wo der Enddarm, welchem es angelagert ist, nach rechts und außen umbiegt. Aus seiner inne- ren Fläche tritt außer dem Nerven der Herzkammer noch einer an Magen und Leber. Sein rechtes Ende verlassend tritt der Geni- talnerv nach unten an die Geschlechtsdrüse. Aus der oberen Fläche des Ganglions treten zwei, am Anfange 1 Ich möchte vorläufig dieses Gebildes gedenken. Es liegt als ein äußer- lich etwa der Lunge der Pulmonaten vergleichbares Faltennetz dem langen End- darme nach außen und rechts fest an, und besteht aus einer mittleren langen Falte, der rechts und links die Falten des Netzes anliegen. Die Achse der lan- gen Falte verläuft parallel mit dem Enddarme. Um die Topographie dieser Gegend noch klarer zu legen, sei Folgendes er- wähnt. Nach links vom Darme und etwas weiter nach hinten als die rudimen- täre Kieme, liegt die Hypobranchialdrüse (Dr). Diese, bei Haliotis mächtig ent- wickelt, ist hier nur gering entfaltet. Sie besteht aus einer mittleren Falte, der nach rechts und links blätterförmige Falten sich rechtwinklig zur Längsachse anreihen. Die Drüse ist, wie überall wo sie vorkommt, eine einfache Faltung der Kiemenhöhlenwand, welcher hohe Drüsenzellen aufsitzen. Die Funktion der Hypobranchialdrüse wird wohl die sein, die abgelegten Eier durch eine schlei- mige Hülle zusammenzuhalten und so den Laich zu bilden. Ferner soll hier vorläufig auch noch der Niere gedacht werden. Sie ist (N) mächtig entwickelt und hat einen weiten, massigen Ausführungsgang (ng), welcher mit papillenartigem Ende weit nach vorn und links dem Darm angelagert, hin- ter der Hypobranchialdrüse mündet. Die Niere unterscheidet sich in der Struk- tur von ihrem Ausführungsgange, welcher im Inneren viele hohe Zotten trägt. Nach rechts vom Enddarme und in gleicher Höhe mit der Mündung der Niere findet sich eine andere Mündung (p) auf einer papillenartigen Erhaben- heit. Außerlich wird diese Papille von einem hohen eylindrischen, orangefar- bigen Epithel überdeckt, im Gegensatze zum Nierengange. Dieses Epithel zer- fällt bei Maceration sehr leicht in eine schleimige, etwas ziihe Masse. Gewöhnlich wird angenommen, dass diese Mündung auf der rechten Seite des Darmes gleichfalls im Dienste der Niere stünde, so dass die Niere zwei Ausmündungen habe. Ich glaube nach dem, was mir an Trochiden bekannt = men zu können, dass diese links gelegene Mündung mit der Ba... zu thun habe, sondern die Mündung des Geschlechtsganges ist. Ich werde diese meine Ansicht auf exakte Weise zu begründen suchen und in einem spä- teren Aufsatze mittheilen. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 29 fest an einander gelagerte Nerven ab; der rechtsseitige versorgt den Enddarm und giebt einen kleinen Ast an die Hypobranchialdriise ab. Der andere Nerv ist die Niere zu versorgen bestimmt (s. Abbildung). Wir finden hier also fast dasselbe Verhalten, welches wir für Fissurella beschrieben haben, und der Abgang des Genitalnerven aus diesem Ganglion mag durch das nach Hintenrücken der Drüse er- klärt werden. Nun hätten wir hier noch des Branchialganglions weiter zu gedenken. Seine Commissur ist sehr lang und erreicht das Gan- slion von vorne und unten. Das Ganglion selbst hat eine etwas halb- mondförmige Gestalt (Ag) und lagert auf einer kleinen Erhabenheit an der vorderen Kiemenwurzel. Ein stärkerer Nerv («) verlässt es vorne, es ist der Nerv des Geruchsorganes (SPENGEL). Ob dieser Nerv Ganglienzellen führt, weiß ich nicht, da ich sein feine- res Verhalten zum Sinnesepithel nicht kenne. Ein anderer nur etwas schwächerer Nerv, der neben dem vorigen das Ganglion verlässt, zerfällt gleich nach seinem Abtreten auf der Kiemenvene in einen vorderen (3) und hinteren Ast (y). Diese zwei Äste sind ausschließlich zur Versorgung der Kieme bestimmt. An- dere Nerven treten aus diesem Ganglion nicht ab. Pedalstränge, Centren der Commissuren zu den Cerebralganglien und die Pleuralganglien. H. v. IHERING ließ sich auch auf das Pedalnervensystem der Trochiden ein und will bei Turbo, ähnlich wie bei höheren Prosobranchiern ein zusam- mengezogenes jederseitiges Pedalganglion gefunden haben. In einem späteren Kapitel werden wir näher auf Inerıne’s Angaben eingehen. Die Fedalstränge der Trochiden schließen sich in jeder Bezie- hung denen der Haliotiden an. Am Pleurocerebraltheil sind die Pleuralganglien stark entwickelt, das rechte etwas stärker als das linke. Die vordere Querfaserung ist gleich jener der Zeugobranchier eine innere. Im Übrigen ist über den Pleurocerebraltheil nichts weiter zu sagen, da er sich genau so verhält wie bei den früher be- schriebenen Formen (Fig. 3). Die Mantelnerven verhalten sich betreffs ihrer Lage zu den Pleuralganglien wie bei Haliotis und entspringen aus den Pedal- strängen an der Wurzel der Pleuralganglien; doch kann in man- chen Fällen eine Anlagerung an das Pleuralganglion, wie dieses auch unsere eine Abbildung (Fig. 6) vergegenwärtigt, statthaben. 30 Béla Haller Ich wende mich nun zur topographischen Lage der Pedalstränge, welche Erörterung auch für Haliotis volle Geltung hat. Ich be- spreche diese jedoch nur in so weit, als es mir hier überhaupt nöthig erscheint und verweise bezüglich weiterer Angaben auf den zweiten Theil dieser Arbeit. Gleich hinter dem Pleurocerebraltheil, welcher noch frei im primären Leibesraum liegt und nur von etwas Bindegewebe und dem Epithel der sekundären Leibeshöhle überdeckt wird, senken sich die Pedalstränge anscheinend in die Muskulatur des Fußes ein. Wie ich dieses auf pag. 16 erörtert habe, ist dieses Einsenken nur ein scheinbares, da in Wirklichkeit die Pedalstränge ihre bei Fissurella erwiesene Lage auf dem Fuße beibehalten und bei Turbo und Halio- tis nur von dem Spindelmuskel überdeckt werden. Gerade hinter dem Pleurocerebraltheile tritt die unpaare Fußvene aus dem Fuße. Sie liegt zwischen und etwas über den Pedalsträngen, so jedoch, dass die Commissuren unter sie zu liegen kommen. Die Pedalstränge sind gleich denen der Haliotis zwei lange schmale Gebilde, die dem Baue nach die schon erwähnte corticale Lage von Ganglienzellen und innere Nervennetzlage zeigen. Diese Stränge geben einer großen Anzahl von Nerven den Ursprung und hän- gen unter einander durch Querverbindungen zusammen, die gleich denen der Haliotis Commissuren im weiteren Sinne vorstellen und so gangliöser Einlagerungen entbehren. Die Pedalstränge reichen bis zum Fußende des Thieres, welches sich auch in dieser Beziehung an Haliotis anreiht (Fig. 6, 7). Bei einem stärkeren Thiere von Turbo habe ich Messungen vorgenommen, die ich schon aus dem Grunde mittheile, weil bei Vergleich des Pedalnervensystemes von Turbo und Haliotis mit dem der Fissurella auch Größenverhältnisse (die für die zwei ersten Gattungen die gleichen waren) zu berücksichtigen sind. Die ganze Länge je eines Stranges von dem Cerebropedaltheile an gemessen betrug 132,6 mm; seine Breite gleich hinter diesem Theile 5,72 mm: dieselbe im Mitteltheile des Stranges 3,9 mm. — Nach diesen Angaben möge zur speciellen Beschreibung der Pedal- stränge geschritten werden. Der Verbindungen zwischen den Pedalsträngen giebt es 32: sie zeigen dieselben Verhältnisse wie bei Haliotis. Manchmal verbin- den sich zwei unter einander, ein anderes Mal sind mehrere Com- Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 31 missuren (2-3) nahe an einander gerückt, so dass es nur noch eines weiteren Schrittes bedarf, um eine einheitliche Verbindung darzustellen, wie dieses auf unserer Figur 6 im Mitteltheil des Stranges zu erkennen ist. Dann sehen wir wieder zwei Commis- suren an einander gelagert, wovon die hintere bereits als aus zweien verschmolzen zu betrachten ist, ‚worauf ihre doppelten, jedoch nieht weit von einander entfernten äußeren Wurzeln auf der linken Seite hinweisen (Fig. 6). Im Übrigen möge die Abbildung sprechen, auf der ich jede Commissur aufs genaueste eingetragen habe. Die oberhalb der Lateralfurche! entspringenden Lateral- nerven sind in großer Zahl vorhanden, jedoch von geringer Mäch- tigkeit; an jedem Pedalstrange machen nur viere dieser Nerven in so weit eine Ausnahme, als sie sehr mächtig entwickelt sind (2). Wie ich in dem Kapitel über die Sinnesorgane verzeichnet habe, kommen diese Organe bei Trochiden auf jeder Seite nur in der Vierzahl vor. Die letzterwähnten acht starken Lateralnerven sind aber dieselben, deren untere Äste in das Ganglion des Seiten- tasters treten. Über die weitere Verbreitung dieses Astes aber verweise ich auf jenes Kapitel. Auch der Spindelmuskel wird vom Lateralnerven versorgt, wie dieses Querschnitte durch den Fuß zei- gen. Besonders sind die zwei ersten dieser Nerven zur Innervi- rung des Muskels bestimmt. Die oberen Fußnerven (m) sind starke, aus dem unter der Lateralfurche gelegenen Theile des Pedalstranges entspringende Nerven, deren innere Äste öfter mit Ästen des inneren Fußnerven Anastomosen eingehen. Zu bemerken ist noch, dass der erste der oberen Fußnerven ähnlich wie bei den zwei anderen Formen die anderen an Mächtigkeit um das Dreifache übertrifft, welche immense Stärke daraus erklärlich wird, dass dieser Nerv allein das ganze vor- dere Fünftel des Fußes zu versorgen hat. Die inneren Fußnerven, welche an ganzen Präparaten nicht zur Sicht kommen, können desto besser an Querschnitten studirt werden. Sie verlassen den jederseitigen Strang, nach unten der Com- missur angelagert, und treten nach unten in die Fußmuskulatur. Wir werden auf diese Nerven noch beim Besprechen ihres Ursprunges im zweiten Theile dieser Studien zu sprechen kommen; hier sei der bereits erwähnten Thatsache noch gedacht. dass diese Nerven oft der ! Die Verhältnisse sind bis auf den unpaaren Nerven der Fissurella die- selben, wie sie der Holzschnitt 2 veranschaulicht. 392 Béla Haller Commissur nach unten auf längerer Strecke angelagert sind und so scheinbar aus derselben treten. Der allgemeinen Betrachtung der Pedalstränge möchte ich die Definition, was ich unter Branchialganglion und was unter Suprainte- stinal- und Subintestinalganglion verstehe, voranstellen. Unter Bran- chialganglion nämlich verstehe ich eine gangliöse, an der vorderen Kiemenwurzel gelegene Anschwellung, welche ihre Commissur ent- weder aus dem vorhandenen Supraintestinal- resp. Subintestinal- Ganglion (Fissurella) oder im Mangel solcher direkt aus den gleich- namigen Commissuren bezieht (Haliotis, Trochiden). In manchen Fällen kann dieses Ganglion fehlen, bei stark koncentrirtem Nerven- system jüngerer einkiemiger Formen in das Supraintestinal-Ganglion einbezogen worden sein (Murieiden, Doliden). Sein Vorhandensein deutet ein primäres Verhalten an. Aus dem Ganglion geht ein Nerv an das Geruchsorgan, ein anderer (oder zwei) an die Kieme. Bei Zeugobranchiern, wo noch Nerven aus ihm an das Peritoneum und den Vorhof des Herzens treten, sind diese Nerven ihm nur ange- lagert zu betrachten, wie dieses durch Vergleichen geschlossen wer- den kann (Trochiden). Eben aus dem Grunde, weil die Kieme aus dem in Rede stehenden Ganglion stets Nerven erhält, dieses Ganglion aber gerade da, wo das Geruchsorgan am mächtigsten entfaltet ist Murieiden, Doliden), fehlen kann, halte ich es für richtiger, das Gan- glion als »Branchialganglion« zu bezeichnen und nicht »Ganglion des Geruchsorganes« (SIMROTH). Die Supraintestinal- und Subintestinal-Ganglien wurden irrthüm- lich von H. Smmrotu! als »Pallialknoten« aufgeführt, obgleich sie, wie wir gesehen haben, mit dem Mantel durchaus nichts zu thun haben, sondern lediglich Eingeweideganglien sind. Diese Ganglien liegen stets, wo sie vorkommen, in der primären Leibeshöhle, über- deckt vom Epithel der sekundären Leibeshöhle; ihre sonstigen Eigenschaften bezeichnet ihre Benennung. Es wäre hier der Ort zu berücksichtigen, wie das Fehlen der ! Bei Melanopsis Esperi und Melania Hollandri (s. »Das Nerven- system und Bewegungsorgane der deutschen Binnenschnecken« Programm der Realschule II. Ordnung zu Leipzig. Schulj. 1881—1882). Als »Mantelgan- glien« bezeichne ich zwei speciell bei Murieiden vorkommende ungleiche Verdiekungen. 1. e. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 33 in Rede stehenden Ganglien zu erklären sei. Einen solchen Zustand erkannte LACAZE-DUTHIERS bei Haliotis und ich bei Trochiden!, während in den meisten Fällen solehe Ganglien vorkommen oder doch bei manchen jüngeren Formen mit stark koncentrirtem Nerven- system als einbezogen nachzuweisen sind (Fusus). Dass bei Ha- liotis und Trochiden an ein Einbezogenwerden in die Pleural- ganglien nicht gedacht werden kann, ist an sich klar. Ich glaube vielmehr, obgleich mir direkte Beobachtungen nicht vorliegen, dass diese Ganglien in der Gegend, wo jene Nerven abtreten, die bei Fissurella die Ganglien selbst verließen, in Form von zerstreuten Ganglienzellen inden Commissuren nachweisbar sein werden: so möchte ich z. B. bei Turbo diejenige Gegend der Supraintestinal-Commissur als solche ansehen, wo der starke Nerv an den Kropf tritt (Fig. 10 p). Bei Fissurella hätten sich dann diese zerstreut liegenden Ganglien- zellen zu Ganglienknoten koncentrirt. Die Fortsetzungen der Supraintestinal- und Subintestinal - Com- missuren liegen oft, wie schon erwähnt, scheinbar außerhalb der pri- mären Leibeshéhlung, lateralwärts von derselben, während sie doch ursprünglich, wie die Zeugobranchier es aufweisen, in derselbeff liegen. Auch dieses mag hier seine mir richtig erscheinende Erklärung fin- den. Es muss angenommen werden, dass bei jüngeren Formen die ursprünglich weite primäre Leibeshöhle, nachdem die Leber und andere Eingeweide durch die Torsion des Körpers mehr nach hinten rückten als sie ursprünglich bei Zeugobranchiern lagen, in der vor- deren Gegend, wo eben die in Rede stehenden Commissuren liegen, sich verengt hat. Diese Verengung ist aber derart aufzufassen, dass die jederseitige laterale Leibeswand am Rande mit ihrer Unterlage verwuchs, so dass die hier liegenden Commissuren zwischen zwei Lamellen in die Muskulatur eingeschlossen wurden; nur hin- ten, wo das hintere Eingeweideganglion liegt, liegen die jederseitigen Commissuren wieder in der primären Leibeshöhle. Dieses findet sich aber eben nur bei jenen Formen der Vorderkiemer, die eine Torsion aufweisen. Nun möchte ich Einiges zum Verständnis der Pedalstränge 1 Auch bei Neritina scheinen sie nach Stmrorn’s Beobachtung zu fehlen, doch wird seine Behauptung, dass dieser Schnecke eine Chiastoneurie fehlt (wahrscheinlich Chitonähnlichkeit nach dem Verfasser), wohl nicht wörtlich zu nehmen sein! Morpholog. Jahrbuch. 9. 3 34 3@la Haller mittheilen. — Bekanntlich war es v. IHERING, der zuerst das strickleiterartige Fußnervensystem der Schnecken einer Diskussion unterzog und dies pedale Nervensystem im Systeme der Mollusken yerwerthet sehen wollte. Obgleich er bezüglich des Thatbestandes gänzlich im Irrthum war, glaube ich doch ihm, trotz seiner oberfläch- Jiehen Untersuchungen. das Verdienst zuschreiben zu müssen, zuerst darauf hingewiesen zu haben. dass das bei Fissurella sich fin- dende Verhältnis ein primäres sei, so dass er dadurch zur Nach- forschung aneiferte. Ich glaube bereits in der speciellen Beschreibung gezeigt zu haben. dass ein primärer Pallialnerv in Wahrheit nicht vorhanden ist und kann so die weiteren von v. IHERING an diesen Nerven ge- knüpften Betrachtungen unberücksichtigt lassen. Wir wollen nur seine Betrachtung im Betreff der Pedalstränge näher erörtern. Nach v. IHerın@ ! finden wir das primärste Verhalten des Fuß- nervensystemes der Prosobranchier unter den Haliotiden, wo sich zwei. jedoch keine Ganglienzellen führenden Nervenstränge in den Fuß erstrecken und durch Quercommissuren mit einander verbunden sind. Außerdem kommen gesonderte »Palliopedalganglien«, nach dem oben Gesagten besser Pedalganglien vor, aus welchen eben diese Nerven entspringen sollen. Da er auch bei den Chitonen diese Verhältnisse ähnlich auffasst, meint er, dass die Haliotiden be- treffs des pedalen Nervensystemes am meisten an Placophoren er- innerten. Fissurella und speciell die Art F. maxima soll den Übergang zu den Verhältnissen, wie sie die Anisobranchier aufweisen, vermitteln. Bei dieser Fissurella sollen die Pedalnerven sehr ver- kürzt und dureh Aufnahme von Ganglienzellen (!) modifieirt sein, die (Quercommissuren finden sich aber noch. Es bedarf dann nur einer Ausammenziehung und die Lücken zwischen den Commissuren sind geschwunden. so dass dann zwei durch eine starke Commissur ver- bundene Pedalganglien vorlägen. Auf diese Weise würden wir nach v. lEERING ein Verhältnis vor uns haben, wie es nach ihm bei sei- nen Anisobranchiern bestände. So ein Verhalten soll nun den Tro- chiden eigen sein und daher sind jene Ganglien denen der Ha- liotiden nicht homolog, sondern »sie entsprechen außer deren Pedalganglien auch noch deren primären Pedalnerven, so weit diesel- ben durch Quercommissuren unter einander verbunden sind«. »Dureh Verkürzung der primären Pedalnerven der Haliotis und schließliche 1]. es pag. 95. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 35 Verschmelzung derselben mit den Pedalganglien (bei Haliotis) ent- stehen die Pedalganglien der Anisobranchier.« Wir haben in der speciellen Beschreibung bewiesen, dass ein Commissuralganglion vom Pedalstrange abgetrennt und bloß durch eine Commissur mit ihm verbunden, bei den Trochiden nicht vor- kommt, dass also v. InERING’s Behauptung unstatthaft ist. Vielmehr sahen wir, dass das Pleuralganglion sich vom vorderen verwachsenen Ende des Pedalstranges, das wir Pleurocerebraltheil desselben nannten, weder äußerlich noch histologisch getrennt hat, sondern dass es mit den Pedalsträngen ein einheitliches Ganzes darstellt, welches ge- weblich zusammengesetzt wird aus einer von Ganglienzellen gebildeten Rindenschicht und einer Kernzone, welche ein Nervenfaserwerk ist. Nun hat bekanntlich vy. IuErınG darauf hin, dass den Trochi- den ein »primärer Fußnerv« fehlt, dass bei ihnen vielmehr dieser selbst in das zusammengezogene Fußganglion, wie er dies gefunden zu haben glaubte, mit einbezogen ist, den Trochiden einen von den Zeugobranchiern entfernteren Platz im Systeme angewie- sen, als es eigentlich statthaft wäre. Er selbst ist es ja, der alle anatomischen Merkmale bei einer systematischen Eintheilung recht berücksichtigt haben möchte, und übersieht, dass sowohl die Zeugobranchier als auch die Scu- tibranchier außer der rhipidoglossen Radula noch das vom End- darme durchbohrte Herz gemeinsam haben. Schon dieses hätte genügen sollen einen aufmerksamen Forscher zu bewegen, das pedale Nervensystem der Trochiden einem einge- henderen Studium zu unterziehen. Ich nehme heute keinen Anstand die Gruppe der Rhipidoglossen als richtig be- gründet anzunehmen. Freilich werden die Neritinen noch sorg- fältiger studirt werden müssen. Ich möchte überhaupt fragen, sind wir heute berechtigt nach dem Wenigen was bis jetzt über Prosobranchier bekannt ist, neue Eintheilungen zu schaffen? Es wäre Solchen, die dieses anstrebten, sehr zu rathen, bevor sie neue Eintheilungen schafften, mit Scalpell und Mikroskop gründlicher an die Arbeit zu gehen. v. lHErıng’s Hypothese, nach der die rechte Kieme sich nach links begebe, wodurch man aus der Verlegenheit um das, was mit der rechten Kieme geschieht, käme, ist ja heute durch SPENGEL’s Untersuchung widerlegt und ich hoffe anderwärts nachzuweisen, dass ein Rudiment einer rechten Kieme bei Trochiden sich wirk- lich findet. Diese rudimentäre Kieme geht aber schon den Neri- 3* 36 Béla Haller tiden ab. Welches sind nun die Beweggründe, die v. IHERING ver- anlassten die Neritiden von den Trochiden zu trennen und sie einer anderen Ordnung seiner »Rostiferen« einzuverleiben? Sollte die einstülpbare Schnauze !, die den Neritiden zukommt, Grund genug sein eine Trennung durchzuführen, gegenüber der Thatsache, dass beiden ein vom Enddarme durehbohrtes Herz und eine rhipidoglosse Ra- dula gemeinsam ist? Allerdings könnte v. IHERING antworten, dass die Trochiden Chiastoneuren seien, während die Neritiden keine Kreuzung der Eingeweidenerven zeigen. Bekanntlich hat aber be- reits SPENGEL versucht nachzuweisen, dass der Cassidaria und noch anderen eine Chiastoneurie zukömmt und mir ist es geglückt den sichern Nachweis zu führen, dass ein solches Verhalten nieht nur den Cassideen zukommt, sondern selbst den Muriciden, Pileopsis und der Natica eigen ist. Es liegen uns heute keine Thatsachen, ja nicht einmal die Wahrscheinlichkeit vor, dass unter den Proso- branchiern eine wirkliche Orthoneurie existirte! Es wäre nun zur besseren Wahrung der Einheitlichkeit der Rhipi- doglossen zu erörtern, wie sich das pedale Nervensystem der Neri- tinen verhält, und ob wir hier Ähnlichkeiten mit den Trochiden konstatiren können. Leider sind mir die Neritinen aus eigener An- schauung nicht bekannt und so muss ich mich auf die diesbezügliche Litteratur verlassen, die allerdings spärlich genug ist und Manches zu wünschen übrig lässt. Vor Allem möchte ich die Angaben CLA- PAREDE’S? besprechen. Nach ihm soll die untere Schlundmasse der Neritina aus einer vorderen und hinteren Ganglienmasse bestehen. Die vordere dieser Ganglienmassen wird aus zwei längeren, nach der Abbildung geradezu langen Ganglien gebildet, die sich vorne mit einander durch eine kurze Commissur verbinden. Diese Ganglien geben Nerven ab, die dem Fuße bestimmt sind, sie sind also die Pedalganglien. Nach hinten, also an der Stelle wo die Commissu- ren zu den Cerebralganglien abtreten, verbinden sich diese Ganglien jederseits mit einer kleineren hinteren Ganglienmasse, die unter dem Sehlunde gelegen ist und deren Theile durch eine längere Commissur mit einander verbunden sind. Ein dritter Nervenstamm tritt aus jedem dieser Ganglien ab, doch konnte CLAPAREDE sein weiteres Verhalten nicht ermitteln. Anscheinend würde mit der Beobachtung CLAPAREDE’S ‘ Ein solches Gebilde kommt übrigens auch der Gattung Pileopsis zu und ist nichts Anderes als eine rinnenförmige Verlängerung der Unterlippe. 2 E. CLAPAREDE, Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Neritina flu- viatilis. MÜLLER's Archiv. Jahrg. 1857. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 37 nichts gewonnen sein, da die untere Schlundganglienmasse ein ge- radezu absonderliches Verhalten aufweist. Nach dem, was mir heute über andere Formen bekannt ist, bin ich keinen Augenblick im Zweifel, dass CLAPArKpE an der unteren Schlundganglienmasse das Vorne mit dem Hinten verwechselte. Die- ser Irrthum hat sich offenbar dadurch eingeschlichen, dass der Autor den ganzen Schlundring freipräparirte und aus dem Thiere heraushob, bei welcher Gelegenheit die obere Schlundmasse mit den langen Commissuren nach hinten umgelegt wurde. Fassen wir die Sache so auf, so wird uns CLAPARKDE'S Beobach- tung klar. Ich habe in dem Holzschnitte Figur 3 die untere Schlund- ganglienmasse nach CLAPAREDE gezeichnet, so jedoch, dass die Pe- Fig. 3. dalganglien nach hinten gelegen sind, wie es an sich klar ist. Dann habe ich die Enden der Pedalganglien so auspunktirt, wie sie mir in Wirklichkeit für wahrscheinlich schienen. Wir hätten also bei Neritina zwei lange etwas nach außen ge- krümmte Pedalganglien!, die außer der Hauptcommissur keine Quer- ! Vor Kurzem untersuchte das Nervensystem der Neritina fluviatilis H. SimrotH (Uber das Nervensystem und die Bewegung der deutschen Bin- nenschnecken«. Im Programm der Realschule II. Ordnung zu Leipzig für das Schuljahr 1881—1882) und kommt betreffs des Pedalnervensystemes zu dem Re- sultate, dass die Pedalganglien zwei gangliöse Stämme vorstellen, welche durch Quercommissuren mit einander verbunden sind. Diese Querverbindungen beob- achtete er theilweise. Ich muss gestehen, dass diese Angaben SIMmRoTH's mir 38 Béla Haller commissuren mehr aufweisen, da dieselben bereits eingerückt und in der die Ganglien verbindenden Hauptcommissur mit enthalten sind. Die vorderen zwei Ganglien wären dann die, noch innig mit den Pedalganglien verbundenen Pleuralganglien. Die Ver- bindung zwischen letzteren, die auch Moquin-Tanpon und neuer- dings Sınroru gesehen hat, kann uns nicht frappiren, wenn wir er- wägen, dass Faserungen auch in dem pleuropedalen Abschnitte des unteren Schlundringes der Zeugobranchier und Trochiden vorkamen, die die beiden Pleuralganglien mit einander verbanden (vordere Querfaserung). Denke man sich nun, diese bei letzterwähnten For- men vorhandene innere Commissur löste sich theilweise vom Wurzel- theile des pleuropedalen Abschuittes durch einen sekundären Vorgang ab. ein Verhalten, das von den Neritiden selbständig erworben Fig. 4. wurde, so haben wir ein rechtes Bild von der unteren Schlundmasse des Nervensystemes dieser Thiere. Es würden nach dem Gesagten dann in Bezug auf die Pedal- centren allerdings Ubergangsformen zwischen Trochiden und Neri- tina zu suchen sein, wo unter Verkürzung der Pedalstriinge die Zahl der Commissuren eventuell eine beschränktere wäre. Der Einwand aber, wir hätten in den Pedalganglien der Neritina bloß eine Form, wegen der allzugeringen Ausführlichkeit einerseits, andererseits wegen der Unwahrscheinlichkeiten, welche die Beschreibung des übrigen Nervensyste- mes enthält, gegen die CLAPAREDE’sche Arbeit keinen Vorzug zu verdienen scheinen. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 39 wie sie bei anderen mit zusammengezogenem Pedalcentrum versehenen Prosobranchiern vorliegt, fällt weg, da bei letzteren Gattungen das Ganglion nie so langgestreckt ist wie bei Neritina. Wir wollen nun diese Frage verlassen und das Verhältnis be- trachten, welches, Fissurella in Bezug auf das pedale Nerven- system Haliotis und den Trochiden gegenüber einnimmt. Fissurella steht in vieler Beziehung als Ausgangsform zu Haliotis und den Trochiden da, doch zeigt sie ein eigenartiges Verhalten in Betreff der Pedalstränge, das zur Annahme zwingt, dass Fissurella mit Beibehalt mehrerer ursprünglicher Charaktere von der Gruppe etwas abgezweigt ist. Vor Allem zeigt sich ein primäres Verhalten darin, dass die Schale noch keine Asymmetrie erfahren, und auch der Spindelmuskel sich noch nicht in dem Sinne wie bei Haliotis und den Trochiden ge- sondert hat. Wir müssen uns hierbei klar machen wie der Spindel- muskel im Laufe der Phylogenie sich entwickelte. Bei Fissurella finden sich vorne jederseits zwei Muskeln in der lateralen oberen Körperwand, die sich an den Schalenrand inseriren und dazu bestimmt sind, die Schale bei Gefahr dem Körper fest anzuschließen. Die Pedalstränge liegen auf dem Fuße und sind abgesehen von einigen sehr spärlichen Quer- und Längsmuskelbündeln nur vom Leibeshöhlenepithel bedeckt (Holzschnitt 4 A). Bei Haliotis, wo durch die asymmetrische rechtsseitige Ent- faltung der Schale der ganze Körper beeinflusst wurde, entwickelt sich der rechte Retractor der Schale mächtig, während der linke sich zurückzubilden beginnt. Der rechte Muskel schiebt sich ver- möge seiner mächtigen Entwicklung über die Fußmuskulatur nach links und bedeckt die Fußstränge, welche auf diese Weise zwischen ihn und den Fuß zu liegen kommen (Holzschnitt 4 B). Vermige des Faserverlaufes können wir die Grenze zwischen dem rechten Schalenmuskel und der Fußmuskulatur stets angeben. Nun ist zu bedenken, dass die Schale sich nicht nur asymme- trisch entwickelte, sondern auch nach hinten gerückt ist, wodurch bedingt wird, dass der mächtige Spindelmuskel, wie er nun bei den Trochiden heißt, sich weit nach hinten bis zu seiner Insertion er- strecken muss. Er liegt vorne symmetrisch in der Körpermitte über dem Fuße. Die Pedalstränge kommen also auch hier über den Fuß zu liegen und werden vom Spindelmuskel überdeckt ‘Holzschnitt 4 0). Wir sehen also, dass die Lagerung der Fußstränge zwar eine kon- stante ist, jedoch tief in den Muskeln sich finden kann bei Formen, 40 Béla Haller welche bereits einen Spindelmuskel aufweisen. Fissurella besitzt keinen Spindelmuskel und, wie schon gesagt, liegen die Pedalstränge auf dem Fuße, nur von einer sehr dünnen Lage von Muskelfasern und vom Leibeshöhlenepithel bedeckt. Andererseits wissen wir auch von Fissurella, dass die Pedalstränge sich bedeutend verkürzt haben, dem zufolge die Commissurenzahl zwischen denselben abnahm und eine gedrängte Ganglienzellenlage zu sehen ist. Ge- rade diese Verkürzung der Pedalstränge bei gleicher Zunahme der Breite, halte ich für die Gattung Fissu- rella für selbständig erworben. Wie weit diese Verkürzung stattfinden kann, zeigt die von v. IHERING untersuchte Fissurella maxima. Man kann sich nun leicht vorstellen, dass, gerade wie bei der Gattung Fissurella eine selbständig erworbene Koncentration der pedalen Centren' eintreten konnte, dieses wohl auch bei den For- men statt hatte, die sich direkt den Trochiden anreihen, so dass wir dann die von CLAPAREDE beschriebenen eigenartigen Pedalganglien der Neritina vor uns haben. Zum Schlusse will ich noch erwähnen, dass die Lage der Pedal- stränge bei den ältesten Formen der Gastropoden, wie die Placo- phoren und Patellen es sind, nicht auf dem Fuße war, wie dies die ältesten Rhipidoglossen, die Fissurellen, aufweisen, denen alle anderen sich anreihen, sondern sie lagen tief in der Fub- muskulatur. Bei Placophoren habe ich die Lage ausführlicher beschrieben und gezeichnet?. Die Patellen reihen sich in dieser Beziehung direkt den Placophoren an: wir finden die weit aus einander liegenden Pedalstränge im Fuße liegend unter der Kreu- zungsstelle der zwei lateralen Leibesmuskeln (Holzschnitt 4 D). Man könnte sich nun leicht vorstellen, dass diese Leibesmuskeln, die den Schalenmuskeln der Fissurellen entsprechen dürften, mit der Zeit bei letzteren sich modifieirten. Ihre unteren Bündel, die über den Pedalsträngen im Fuße sich kreuzten, hätten sich rückgebildet und ' Neulich wurden Pedalstriinge auch bei einer Form gefunden, wo man koncentrirte Ganglien erwartete. SIMROTH beschreibt die Pedalstränge von Paludina vivipara (Das Fußnervensystem der Paludina vivipara. Zeitschr. f.w.Z. Bd. XXXV). Ich glaube hier nicht den Ort zu finden auf die Frage wei- ter einzugehen, welche Stellung Paludina den Rhipidoglossen gegenüber ein- nehme, doch wird es immerhin eine wichtige Aufgabe sein, dieses zu ermitteln. 2 B. HALLER, »Die Organisation der Chitonen der Adria«. I. Th. Arbei- ten aus dem zoolog. Institut zu Wien. Bd. IV. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 41 die oberen der lateralen Körperwand sich stärker ausgebildet. Letz- tere hätten sich dann als Schalenmuskeln an dem vorderen Körper- theile mächtig entwickelt. Dann werden aber die Pedalstränge über den Fuß zu liegen kommen, wie bei Fissurella. Zum Schlusse dieses Kapitels möchte ich noch die Frage er- örtern: wie sind die Verbindungen zwischen den Pedalsträngen bei den Gastropoden ursprünglich aufzufassen, — sind sie etwa ein- fache Quereommissuren ? Letztere Ansicht, die nach dem Gutachten v. IHERIN@'s die ein- zig richtige ist, und welcher Ansicht sich auch andere Forscher an- zuschließen geneigt sind, ist nach dem von mir Ermittelten unrichtig. Ich glaube heute mit Sicherheit die Chitonen als die Stammformen der Gastropoden ansehen zu können und bei diesen Thieren finden wir nicht einfache Commissuren die Pedalstränge mit einander verbin- den, sondern es existirt zwischen den zwei Pedalsträngen ein lang- maschiges in der Quere entfaltetes Netzwerk von Nerven, welches die Pedalstränge unter einander verbindet!. Hie und da finden sich bei Placophoren auch einzelne quer gelegene Verbindungen, die sich mit den nächstfolgenden oder vorausgehenden nicht verbinden. doch babe ich solche nur sehr selten beobachtet. Meiner Ansicht nach sind solche vereinzelte Commissuren, wie die eben erwähnten, selbst bei den Placophoren als sekundär erworben zu betrachten, während die netzartigen Verbindungen ursprünglichere Verhältnisse darstellen. Doch bevor ich auf weitere Fragen nach dem Verhalten bei Formen. die älter als Placophoren sind, mich einlasse, will ich sagen, woraus ich schließe, dass einfache Commissuren selbst bei Chitonen sekun- där erworben wurden. Wenn wir die Prosobranchier mit Pedalsträngen, und unter die- sen wieder jene, die in Betreff dieser Stränge ursprünglichere Verhältnisse am meisten gewahrt haben, wie dieses in Haliotis und den Trochiden anzutreffen ist, mit Chitonen vergleichen. so finden wir, dass, obgleich die Pedalstränge noch sehr lang und schmal sind, sie nicht mehr durch ein Netzwerk unter einander verbunden werden, sondern bereits durch Nervenstränge, welche wirkliche Quer- u 42 Bela Haller commissuren darstellen. Diese sind jedoch nicht immer ganz in der Quere gelegen und einfach die Stränge mit einander verbindend. Vielmehr haben wir in der speciellen Beschreibung gesehen, dass öfter zwei neben einander gelegene Commissuren sich durch einen Nebenast auch unter einander verbanden; dann sahen wir wieder, dass eine dieser Commissuren auf der einen Seite mit dem Strange durch zwei Wurzeln, mit dem anderen dagegen nur einfach sich verband. Auch war es nicht selten, dass zwei äußerlich gesonderte Commissuren fest an einander lagerten. Die ersten Fälle glaube ich so auffassen zu können, dass wir in den Verbin- dungen zwischen je zwei Commissuren noch Verhält- nisse antreffen, wie sie Placophoren aufweisen. Immer- hin sind diese Verbindungen zwischen den Pedalsträngen bestrebt, sich in die Quere legend im Laufe der phyletischen Entwicklung zu wirklichen Quercommissuren umzugestalten. Dadurch dass dann mehrere dieser Verbindungen sich mit einander vereinen, was dureh die Concentration der Ganglienzellen und hiermit der Stränge selbst bedingt wird, erhalten wir die bereits zusammengezogenen Pedalstränge der Fissurella, bei welcher Form die Commissuren- zahl zwar abnahm. die Breite derselben aber zunahm. Es haben sich eben mehrere Commissuren zu einer geeinigt. Dort wo eine srößere Zahl von Commissuren sich einigte, müssen aus uns einst- weilen nieht weiter bekannten Gründen die Ganglienzellen selbst sich mehr koncentrirt haben und so entsteht aus einer Anzahl ur- sprünglich äußerlicher Commissuren eine innere, die »hintere Querfaserung« der Fissurellen. Wirkliche Quereommissuren zwischen den Pedal- strängen der Schnecken, wie sie am schönsten Fissu- rella zeigt und wie dieses vy. InERING irrthümlich auch den Placophoren zuschrieb, sind demnach nicht ur- spriingliche Bildungen, ererbt von Wiirmern, sondern selbständig durch die Schnecken erworbene Zustände. Um nun auf die schon oben erwähnte Frage, wie das pedale Nervensystem älterer Formen, als die Chitonen sind, sich verhalte und wie von denselben das Verhalten der Chitonen ableitbar wäre, zurückzukommen, möge hier zuvor auf die phyletische Ent- wicklung des Nervensystemes im Allgemeinen Rücksicht genommen werden. In eminenter Weise haben O. und R. HErrwıs die Entstehung Untersuchungen über’ marine Rhipidoglossen. I. 43 des Nervensystemes im Thierreiche besprochen!. Von exakten Be- obachtungen an den Medusen ausgehend folgerten sie, dass das Nervensystem ursprünglich vom Ektoderm in Form von indifferenten, verzweigten Zellen abgeschieden wird, deren Fortsätze sich nach- träglich zu einem Netze vereinen, dessen Knotenpunkte die Zellen selbst einnehmen. Sie nennen dieses physiologisch noch nicht diffe- renzirte Netzwerk »Zellverband«. Die Zellen selbst besitzen die Grundeigenschaften des Protoplasma, die Irritabilität und Kontrakti- lität noch gemeinsam. Dann sagen diese Autoren weiter, dass »wenn auf dieser Grundlage zwischen den gleichartigen Zellen eine Ar- beitstheilung allmählich eintritt, wenn unter Ausscheidung speeifi- scher Muskel- und Nervensubstanz sich Muskel-, Ganglien- und Sinneszellen differenziren, dann wird der Zellenverband in ein Ner- vensystem und die Protoplasmaleitung in eine Nervenleitung umge- wandelt werden«. Später, wenn Sinnes- und Muskelzellen sich nicht gleichförmig um den, resp. im ganzen Körper finden, vielmehr Sin- neszellen, sei es zu einzelnen Sinnesorganen, sei es zu mehr an be- stimmte Distrikte gebundene Einzelsinneszellen sich gruppiren oder die Muskulatur ihren ganz bestimmten Platz einnimmt, muss durch diese Veränderung naturgemäß auch das primitive Nervennetz afficirt werden; es werden centrale Theile von peripheren an dem Nerven- systeme zu scheiden sein. Diese heute gewiss gut begriindete Hypothese auf die Vorliufer der Placophoren angewandt, muss angenommen werden, dass die Gruppirung von Ganglienzellen, sei es im Fuße oder in der Bauch- wand, aus dem ursprünglichen Nervennetze hauptsächlich in zwei von einander entfernten Längssträngen stattgefunden hat: dass das primäre Nervennetz nur als äußerste Verzweigung der Nerven die- ser Stränge sich noch erhielt. Zumeist haben sich aber die nervösen Stränge, deren Ganglienzellen in die Hauptstränge eingezogen wur- den, als solche zu gröberen Bündeln geeinigt. Dann würden wir aber ein Verhalten finden, in welchen die zwei Haupt- stränge unter einander durch ein Netzwerk von Fasern zusammenhängen, ja, wo selbst ihre peripheren Nerven dieses netzartige Verhalten gewahrt haben. An dieses Verhalten würden aber die Chitonen ge- radezu direkt anknüpfen, wo wir noch das Netzwerk 10. und R. Herrwie, »Das Nervensystem und die Sinnesorgane der Me- dusen«. Leipzig 1878. pag: 165—172. 44 Béla Haller zwischen den Pedalstringen sowohl, als die vielfachen Verbindungen zwischen deren Nerven antreffen, welch ersteres allerdings bestrebt ist, die Verbindungen zwischen den einzelnen Querfäden aufzugeben und sich in wirkliehe Commissuren, wie sie die Zeugobranchier aufweisen, umzubilden. Ähnlich wird die Entstehung des Schlundringes mit der Son- derung des Kopfes und die der Lateralstränge, die wir bei Chito- nen Eingeweide-Kiemenstränge nannten, aufzufassen sein. So wer- den auch die Verbindungen zwischen dem jederseitigen Lateralstrange und dem Fußstrang der Neomenien! erklärlich, die bei Sonde- rung der Kiemen bei den Chitonen sich bis auf wenige rückgebil- det haben. Die Seitenorgane. Nach der Erklärung der Funktion des Seitenorganes der Fische durch F. E. ScHhuLzE, welcher zufolge diese Gebilde Organe eines sechsten Sinnes wären und ihnen die Funktion obläge, gröbere Wellenbewegungen des Wassers zu pereipiren, welche Erklärung heute unangefochten dasteht, war es wahrscheinlich, falls diese Erklärung die richtige sein sollte, ähnliche Organe außer bei Fischen und wasserbewohnenden Amphibien auch bei wasserbewohnenden Ever- tebraten anzutreffen. Vor einiger Zeit beschrieb H. Eısı Seiten- organe bei Capitellen und fast zu derselben Zeit gelang es mir, geführt auf diese Frage durch das Studium des Nervensystemes, bei den marinen Rhipidoglossen ähnliche Bildungen zu entdecken. Ich werde diese Organe bei jener Form zuerst besprechen, bei welcher die Topographie ihrer Umgebung am einfachsten ist. Diese Form ist Fissurella. A. Fissurella costaria. Eine hinter und etwas unterhalb der Augen beginnende, zwi- schen Fuß und Leibeswandgrenze gelegene Furche verläuft nach | Siehe A. A. W. HUBRECHT, Protoneomenia Sluiteri gen. et sp. n. Nieder- ländisches Archiv f. Zoologie. Suppl.-Bd. 1881. - Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 45 dem hinteren Körperende, um hier mit jener der anderen Seite sich zu vereinen und so um das ganze Thier einen nach vorne offenen Ring zu bilden. Unter dieser Furche liegen kleine weiße Zotten von ver- schiedener Länge! (Fig. 8 u. Fig. 1), welche im Leben ausgestreckt und wieder verkürzt werden können. Die längsten sind die gleich hinter den Augen gelegenen drei ersten, die folgenden sind von verschie- dener Länge; zwischen längeren liegen oft ganz kleine, doch nimmt die Länge im Allgemeinen etwas nach hinten ab. Sie sind bei dem lebenden Thiere sehr auffallend, sowohl durch ihre weißgelbe Farbe, die vom tiefen Braun der Umgebung stark absticht, als auch durch ihre Bewegungen. Denn das lebende Thier vermag sie zu strecken, heben und senken. Bei Berührung kontrahiren sie sich und legen sich dem Körper nach unten fest an. Eine der letzterwähnten ent- sprechende Lage bewahren sie auch nach dem Tode. Einer solchen Lage ist unser Längsschnitt auf Fig. 15 entnommen. Ein Seitenlappen der mehr oder weniger in Beziehung steht zu den Seitenzotten und bei Haliotis, Turbo u. A. m. in verschiedener Form zu finden ist, fehlt den Fissurellen. An dünnen Längsschnitten überzeugen wir uns bald, dass die oberen Nerven der Pedalstränge (s. pag. 20, 21), die Leibeswand durch- bohrend (Fig. 8 rechts), sich zu diesen Zöttchen begeben ; ob diese Nerven aber zuvor unter einander anastomosiren, eine Art Netzwerk bildend, wie dieses bei Haliotis von LACAZE-DUTHIERS richtig er- kannt wurde, blieb mir wegen des dichten Netzwerkes von Mus- keln, in welches hier diese Nerven eingebettet liegen, und wel- cher Umstand die Arbeit mit der Nadel fast unmöglich macht, ungewiss. An Längsschnitten jedoch konnte ich mich überzeugen (Fig. 15), dass der Nerv, nachdem er an der Zottenbasis angelangt war, hier ein Ganglion bildete, welches auch, besonders bei klei- neren Zotten, tiefer in die Zotte hineinragen konnte, wie dieses an dem Präparate, welchem obige Figur entnommen wurde, der Fall ist. In den meisten Fällen ist das Ganglion kurz und breit, in anderen mehr in die Länge gezogen. Dieses Ganglion inner- virt nicht bloß das gleich zu besprechende Seitenorgan, sondern ! Ganz ähnlich wie bei der Gattung Fissurella, jedoch in größerer Zahl, kommen solche Taster der verwandten Fissurellidea megatrema und Parmophorus australis zu. So sehe ich wenigstens auf Bronn’s Tafeln zu: »Klassen und Ordnungen des Thierreiches IlI«, welehe Abbildungen nach AL. D’ORBIGNY und Quoy wiedergegeben wurden. 45 Bela Haller giebt auch einen starken Nerv, dem einzelne Ganglienzellen einge- streut sein können !, in die Zotte ab. Die Besprechung der inneren Struktur der Zöttchen, die wir jetzt schon »Seitentaster« nennen wollen, bei Seite lassend, soll das Epi- thel derselben zuvor erörtert werden. Wie schon oben erwähnt wurde, ist das Epithel der Seitentaster bei Fissurella stets pigmentlos. Dieser Pigmentmangel beginnt an der über der Zotte gelegenen Furche. Das Epithel der unter der Zotte befindlichen Körperwand ist wie- der pigmentirt und unterscheidet sich nur durch die hellere Fär- bung von der oberen Seite. Die Farbe ist schmutziggrün und zwischen den indifferenten Pigmentzellen lagern Becherzellen. Das flimmerlose Epithel des Tasters ist höher als an den pigmentirten Stellen des Körpers und wird von dreierlei Zellen gebildet. Am zahlreichsten trifft man indifferente, mit körnigem Zellleib und langem Kerne versehene Zellen, zwischen denen Becherzellen mit basal gelegenem Kerne zu sehen sind (Fig. 15). Die Cuticula ist wenig dick und ist über den Becherzellen, wie stets in solchem Falle, durchbrochen. Eine dritte Zellenart des Tasters sind die Fiemmine’schen Pinselzellen. Sie sind gegen die Spitze des Tasters am zahlreichsten und selbst in den Fällen, in welchen die Sinneshaare durch die Behandlung zerstört wurden, von den indiffe- renten Zellen, zwischen denen sie liegen, durch ihren hellen Körper und längeren helleren Kern zu unterscheiden. Über die Länge der Sinneshaare kann ich nichts Genaueres berichten; ich fand sie im- mer kurz, welcher Zustand jedoch nur durch die Präparirmethode bedingt werden konnte, da manchmal auch längere Sinneshaare er- halten wurden. Die Höhe des Epithels ist an der unteren Taster- fläche bedeutender, als an der oberen. Führen wir Längsschnitte durch die Medianfläche eines solchen Tasters, so treffen wir an der unteren Fläche basalwärts auf eine Gruppe sehr hoher Zellen, welche schon durch ihre Helle von dem übri- gen Epithel sich auszeichnen. Wir haben in dieser Zellgruppe das Seitenorgan vor uns (Fig. 15 so). Das oberhalb des Sinnesor- ganes gelegene Epithel ist ein hohes, gleichartiges, indifferentes Cylinderepithel () mit stark gekörntem Zellleibe. Das Epithel ‘ Auf unserer Figur ist dieser Ast nicht zu sehen, da er nicht in die Schnittfläche fiel. Von seinem steten Vorhandensein konnte ich mich Jedoch an Schnittserien überzeugen. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. 1. 47 unterhalb dieser Organe ist noch auf einer Strecke pigmentlos, wird jedoch immer niedriger; es besteht aus indifferenten Zellen wie die oberen, dann aus Becherzellen; Pinselzellen fehlen. Das Seitenorgan wird aber auch nach unten unmittelbar von drei bis vier indifferenten grauen Zellen begrenzt und so liegt das Seiten- organ in solchen wie eingeschlossen (Fig. 16). Bei gesenktem Taster ist das Seitenorgan ein nach außen konkaves Gebilde (Fig. 15 u. 16). Dieses jedoch ist nicht die einzige Form, die es annehmen kann, vielmehr sehen wir, wie dasselbe bei gehobenem Fühler ausgespannt wird (Fig. 17). Freilich gelingt es nur sehr selten den Fühler in gehobener Stellung zu härten und ich möchte fast behaupten es sei nur ein Zufall wenn derselbe so erhalten unter das Messer gelangt. Bei gehobenem Fühler, wo die Oberfläche des Sinnesepithels kon- vex erscheint und das Organ sich als eine erhabene Stelle am Grunde des Fühlers präsentirt, ist die Benennung »Sinneshügel« pas- send zu verwerthen. Die Höhe des Sinnesepithels beträgt 0,315 mm, sollte der Fühler, unter welchem das Organ liegt, auch noch so klein sein. Der Sinneshügel wird von zweierlei Zellen zusammen- gesetzt, wie dieses dünne Schnitte und Isolationspräparate ! auf das deutlichste zeigen. Bei Betrachtung von Schnitten, die freilich sehr dünn sein müs- sen, gewahren wir, dass die Kerne der Zellen im Sinneshügel in zwei verschiedenen Zonen liegen, zwischen welche sich eine kern- lose einschiebt. Dabei finden sich auch Zellenkerne, die etwas tiefer oder höher zu liegen kommen. Die eine Kernzone liegt der Basalmembran genähert, während die andere auf das zweite Drittel ! Um die Methode anzugeben, die ich anwendete um die Zellen zu isoliren, mag hier kurz mitgetheilt werden, dass ich auch diesmal eine Mischung von Glycerin, Eisessig und Aqua dest. verwendete, wobei auf 1,2 Wasser 0,4 Gly- cerin und eben so viel koncentrirte Essigsäure gegossen wurde. Nach einer halben Stunde oder etwas mehr erhielt ich bereits von dem stets vom lebensfrischen Thiere genommenen Objekte brauchbare Präparate. Es wurde mit Vorsicht die Gegend des Fühlergrundes, wo ich die Hügel wusste, mit einem sehr scharfen und feinen Scalpell abgehoben, wobei dann vermieden wurde viele der umgebenden Zellen mit in den Kauf zu nehmen. Das Epithel hebt sich nach oben angegebenem Zeitablauf von der Lamina limi- tans ab und kann mit der Nadel vorsichtig zerzupft werden. Unter den zahl- reichen Zellen, die einen Sinneshügel zusammensetzen, waren trotz der unvermeid- lichen groben Behandlung mit der Nadel immer noch welche, die gut erhalten gefunden wurden. Die Untersuchung wurde stets an so verfertigten frischen Präparaten vorgenommen, da die rechte Mischung nicht immer gelang und bei etwas zu viel Essigsäure die Zellen nach längerem Liegen einwenig schrumpften. 48 Béla Haller der Epithelhöhe zu liegen kommt (Fig. 15, 16). Die obere Kern- zone gehört den Sinneszellen an. Dieses sind kurze mit einem eroßen, ovalen, stark granulirten Kerne endende Gebilde, denen distal ein heller, jedoch dünner Sinnesfortsatz aufsitzt (Fig. 18). Diese Zellen sind nicht gleich lang, ihre Größe beträgt 0,18 bis 0.19 mm ohne die Sinnesborste. Uber dem Kerne wird die Zelle schlan- ker, bei den kleineren läuft sie etwas konisch aus und ist stets hell. Am basalen Ende trägt die Zelle einen hellen, langen Fortsatz, der an den Kern stößt und in der Macerationsflüssigkeit sich lose bewegen kann. Dieser Fortsatz kann auch an Schnittpräparaten zwischen den Kernen der unteren Zone bis zur Basalmembran ver- folgt werden (Fig. 16). Varicositäten habe ich daran nicht beob- achtet. Es schien mir jedoch öfter, als wenn der Faden die Basal- membran durchsetzte, doch bei der Subtilität des Objektes wurde das weitere Verhalten zu ermitteln zur Unmöglichkeit. Vergleicht man einen solehen Faden mit einem feinen Nervenfäserchen, welches z.B. aus den leichter zu erlangenden buccalnerven genommen wurde, so liegt der Gedanke nahe genug, an einen Nervenfortsatz der Sinnes- zelle auch hier zu glauben. Lässt sich freilich auch der direkte Beweis nicht führen, dass dieser Fortsatz mit einem Fortsatze der unter dem Sinnesepithel gelegenen Einzelganglienzellen zusammen- hängt, so wüsste ich doch keinen Grund, um diesen Zusammenhang zu bezweifeln, wie dieses auch wohl Niemandem einfallen dürfte. Der Kern der Zelle ist granulirt und schließt kein sichtbares Kern- körperchen in sieh. Die Sinnesborste ist vom Zellkörper etwas abgesetzt und wie verbogen; sie durchbricht die Cuticula. Freilich kann ich über ihre positive Länge mit Sicherheit mich nicht äußern, da an isolirten Zellen die Borste stets länger war, obgleich auch hier das Liegen in der Flüssigkeit eine Verkürzung leicht herbeigerufen ha- ben mochte. Abgebrochene Borsten konnte ich nie beobachten, und an den in Chromsäure gehärteten Schnitten waren. die Fortsätze stets kurz, jedoch spitz auslaufend. Darum glaube ich auch hier an ein ähnliches Verhalten dieser Sinnesborsten in Reagentien, wie ich es einmal auch beobachtet zu haben glaube, und wie es H. Eısıe bei Besprechung der Seitenorgane der Capitella angiebt, dass nämlich die Sinnesborsten in kleine kugelige Theile zerfallen, wobei die übrig- gebliebene Borste spitz bleibt. Eine zweite Art Zellen, welche den Sinneshügel bilden hilft, sind lange Elemente von geringer Breite (Fig. 18 2). Der Kern liegt am basalen Ende des Zellleibes, ist aber kürzer als jener der Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 49 Sinneszellen, gleichfalls granulirt und ohne deutliches Kernkörperchen. Diese Zellen sind, wie schon gesagt, pigmentlos und am basalen Ende ausgezackt, vermöge welcher Eigenschaft sie in die Grenzmembran eingreifen können. Ihr distales Ende ist abgesetzt und zeigt nie Sinneshaare. Das Verhalten dieser Elemente zu den Sinneszellen ist klar, denn da sie im ganzen Sinneshügel gleichmäßig vertheilt gefunden werden, und man sie eben so am Saume des Hiigels wie inmitten zwischen den Sinneszellen antrifft, so kann an die Möglichkeit, dass sie, etwa in der Weise wie MALBRANC! für die Deckzellen der Seitenhügel der Amphibien angiebt, den Sin- neshügel mantelartig umgeben sollen, nicht gedacht werden. Diese Zellen setzen im Gegentheil mit den Sinneszellen und in gleicher Zahl mit diesen das Organ zusammen, und die Benennung »Schalt- zellen«? würde für sie am passendsten sein. Wie schon früher hervorgehoben, wird der Sinneshügel vom übri- gen Epithel durch lange, mit stark granulirtem Zellleib versehene Zel- len, die sich im Wesentlichen jedoch nur wenig von den übrigen indifferenten Zellen des Tasters unterscheiden, getrennt (Fig. 16). Oben ist die Zahl dieser Zellen eine größere und dürfte auf 22—24 zu schätzen sein, während nach unten nur drei solcher den Sinnes- hügel begrenzen helfen. Wir wollen sie »Saum- zellen« nennen und bemerken, dass sie außer oben und unten auch lateralwärts den Hügel be- grenzen. Mit den Nervenendigungen ha- ben sie nichts zu thun. Die Breite des ganzen Sinneshügels beträgt ' etwa nur ein Drittel seiner Länge und da die Saumzellen lateralwärts nur in geringerer Zahl as den Hügel umgeben, so dürfte ihre Vertheilung, wie t Sinneshügel. beigegebener Holzschnitt zeigt, die richtige sein. Wa Heer te Es erübrigt uns noch von dem zweiten Componenten eines Sinnes- organes zu sprechen, von den nervésen Elementen im engeren Sinne, also von den Nerven resp. Ganglienzellen, die das Seitenorgan ver- ' M. Maueranc, Von der Seitenlinie und ihren Sinnesorganen bei Am- phibien. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XX VI. 1876. 2 Diese Benennung ward bekanntlich zuerst von F. E. SCHULZE für die langen Elemente der Seitenhügel der Fische verwendet, wobei es dem genann- ten Autor freilich nicht ganz klar wurde, ob diese Zellen sich wirklich zwischen die Sinneszellen einschieben, wie bei unseren Schnecken, oder möglicherweise sie nur umgeben. Morpholog. Jahrbuch. 9. 4 50) 3éla Haller sorgen. Die Textur des unterhalb des Sinnesorganes gelegenen Ganglion soll weiter unten erörtert werden: über den Nerven selbst wurde schon verhandelt und so mögen die unter dem Sinnesorgan gelegenen Einzelganglien hier berücksichtigt werden. An sehr dünnen wohlerhaltenen Schnitten sehen wir bei genauer Betrachtung sechs bis acht jederseits spitz auslaufende Zellen unter der Lamina limitans mit ihrer Längsachse jener des Sinnesorganes parallel (Fig. 15, 16 gz) liegen. Ihr Kern ist rund, sehr fein granulirt mit deutlichem Kernkörperchen; der Zellleib ist äußerst fein granulirt. In mehreren Fällen gelang es mir zu beobachten, wie Fäden, die direkt das Ganglion verlassen hatten, sich theilten und zu diesen Ganglien- zellen sich begaben, wo sie zu deren innerem Fortsatze wurden (Fig. 15. 16). Es erschien mir demnach keinen Augenblick zweifelhaft, dass jene Ganglienzellen die des Sinnesepithels sind. Allerdings konnte, wie oben erwähnt, der direkte Zusammenhang mit den Sinneszellen nicht ermittelt werden, doch wurden die Fäden der Ganglienzellen oft bis zur Membrana limitans verfolgt. Es würde nun die Frage sein, ob jeder einzelnen Sinneszelle auch eine Ganglienzelle entspräche oder ob eine Ganglienzelle mehrere Sinneszellen versorgte. Da ich Ganglienzellen immer nur in geringer Zahl antraf, erscheint die zweite Möglichkeit begründet. Es ist mir aber vermöge der Zartheit der Objekte nie gelungen, Theilungen an den Fortsätzen der Ganglienzellen zu beobachten, was allerdings die Möglichkeit eines solchen Verhaltens noch nicht ausschließt, so dass ich mich der Hoffnung hingebe, ein glücklicheres Auge werde einstens auch dieses entdecken. Ich studirte stets einfache Karminpräparate und das Vergolden wurde nie versucht, Überosmiumsäure gab aber stets negative Resultate. Zupfpräparate konnten bei der Dichtigkeit des umliegenden Gewebes nicht angefertigt werden. An diese Besprechung des Seitenorganes der Fissurella möchte ich noch die des Seitentasters anfügen, der außer seiner Funktion als Taster noch jene der Schutzvorrichtung für das Sin- nesepithel bildet. Die Funktion des Fühlers ist wohl keine an- dere, als bei Bewegung des Thieres auf dem Boden stets die be- nachbarten Gegenstände zu erkennen und bei nahender Gefahr, welche etwa ein harter Gegenstand für das zarte Epithel des Seiten- organes sein könnte, sich zu verkürzen und so das Organ zu schützen. Somit hätten wir an dem Fühler erstens seine sensiblen Nerven- endigungen, zweitens seine Nerven und motorischen Nervenenden, vermöge welcher eine Zusammenziehung des Fühlers bewirkt wird Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. 1. 51 und drittens die expansiven Einrichtungen: seine Blutgefäße und Lacunen in Betracht zu ziehen. Ich habe das Epithel des Seitentasters oben schon besprochen und gesagt, dass es aus dreierlei Elementen gebildet sei: erstens aus indifferenten wimperlosen und pigmentfreien Cylinderzellen, dann aus Fremunme’schen Pinselzellen und endlich aus einfachen Becherzellen. Hier möchte ich zufügen, dass die Becherzellen stets nur von indif- ferenten Zellen, nie von Sinneszellen begrenzt werden. Auch fand ich nie zwei Sinneszellen neben einander. Unter der Membrana limitans des Epithels fand ich viele große, multipolare Ganglienzellen (Fig. 15 gz, gz'), die ziemlich dieht unter der Membran lagen. Sie ge- hören offenbar den Pinselzellen (vielleicht auch den Schleimzellen) an und da sie dem Inneren des Tasters nur einen Fortsatz zukehren, während die anderen gegen das Epithel gerichtet sind, so liegt der Gedanke nahe, dass hier eine Ganglienzelle mehrere Sinneszellen innervire. Schon früher erwähnte ich, dass der obere aus dem Pedal- strange tretende Nerv, bevor er in dem Seitentaster zum Ganglion gelangt, starke Äste an die obere Leibeswand abgebe, so dass wir es hier nur mit dem Endaste, d. h. mit dem Theile des Nerven zu thun haben, welcher in den Seitentaster sich begiebt. Wir würden uns aber irren, falls wir annehmen, dass der in den Seitentaster ein- tretende Nervenstamm dazu bestimmt sei, nach seinem Verlaufe unter dem Seitenorgan und Übergang in das Ganglion, jenem Sinnes- organe ausschließlich zu dienen. Wie wir sehen werden, ist dieser Nerv ein gemischter, centrifugal und centripetal leitender, denn er führt auch Fasern, welche die Muskulatur der Seitentaster ver- sorgen. Die centripetal leitenden Fasern zerfallen wieder in solche. die ins Ganglion sich begeben und von da eventuell durch die Zellen des Ganglion und der Ganglienzellen unterhalb des Sinnesorganes an dasselbe gelangen, und solche, welche das Ganglion passirend die Pin- selzellen versorgen. Beiderlei Nervenfasern gehen, bevor sie enden. in eine Ganglienzelle über, deren anderer Fortsatz zur Endigung selbst bestimmt ist. Ein Umstand, der wohl in allen Fällen, wo Nervenfasern peripher zu enden haben, bei Weichthieren zutreffen dürfte. Ich sagte, mit dem Ganglion unter dem Seitenorgane hört der Nerv nicht auf, vielmehr setzt sich ein starker Nerv aus demselben in den Fühler fort, um sich da zu veriisteln. Man kann dieses bei gut tingirten Schnittserien beobachten, da die blassen, bei schwacher 4 52 Béla Haller Tinktion weniger stark gefärbten Nerven sich von den Muskeln scharf abheben. Bezüglich des Verhaltens der Nerven in dem Seitentaster will ich nur einen der frappantesten Fälle erwähnen, den ich in Figur 4 naturgetreu wiedergab. Es war an einem äußerst feinen Querschnitte eines Seitentasters, an welchem ich mit Immersion nach Nerven suchte, als mir ein stärkerer Stamm zwischen den Muskelfasern auffiel. Eigentlich war es kein Nervenstamm im wahren Sinne des Wortes, vielmehr ein Abschnitt eines Plexus. Ich sah da zwei diekere Enden und ein etwas verdicktes Mittelstiick (c), von welchem zwei Nervenäste abtraten. Sie erhielten Fasern aus beiden Enden des Stammes und an der Stelle, wo der eine Ast abtrat, fand sich im Nervenstamme eine Ganglienzelle zwischen den Fasern einge- lagert, mit, so weit ich ersehen konnte, zwei Fortsätzen, deren einer sich zwischen die Fasern des erwähnten Astes mengte. Dieser Ast begab sich nach außen. Bald trennte sich eine Einzelfaser von ihm ab und trat an eine ausgesprochene Ganglienzelle mit großem Kern, glänzendem Kernkörperchen und granulirtem Zellleibe (2). Einen zwei- ten Fortsatz dieser Ganglienzelle konnte ich deutlich bis zu einer Mus- kelfaser von stärkerer Dicke verfolgen (a), an welcher er endigte. Der Nerv selbst setzte sich über der Zelle nach außen weiter. Bald darauf schloss der Nerv wieder eine Ganglienzelle in sich, theilte sich dann etwas weiter und beide Äste konnte ich bis unter das Epithel verfolgen. Den einen dieser Äste sah ich in Endzweige zerfallen, von denen einer sich mit einer Ganglienzelle (d’) verband. Diese Zelle trat mit einem zweiten Fortsatze mit einer anderen in Verbindung, deren zweiter Fortsatz sich bis zur Membrana limitans des Epithels verfolgen lieb und so gewiss in den Epithelien endigte. Doch um auf die moto- rischen Nervenendigungen zurückzukommen, bemerke ich, dass es mir fünfmal gelang, bipolare Ganglienzellen von der oben erwähnten Art zu finden, die mit einem Fortsatze an eine Muskelfaser inserirten. Es war BorL!, dem es zuerst glückte, eine motorische Nerven- endigung bei Gastropoden zu sehen. Er fand bei einer nicht näher bestimmten Doride, dass »ungefähr der Mitte der einzelnen Muskel- fasern konische Anschwellungen aufsaßen, welche in eine äußerst feine Faser ausliefenc. Dieses fand er an einem Zupfpräparate der Buccalmuskulatur und ist geneigt, es für eine motorische Nerven- ! Fr. Bor, Beitr. z. vergl. Histologie des Molluskentypus. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. V. 1869. Suppl. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 53 endigung anzusehen, »als das Homologon des Doyer’schen Nerven- hiigels«. HuGuentn' fand dann eine ganz ähnliche Nervenendigung an den Fasern der Augenmuskeln (Retraktoren) einer Helix. Nach ihm sollen die Muskelfasern aus kontraktiler Substanz bestehen. die einen Überzug einer anderen Substanz besitzt, in welcher an einer verdiekten Stelle der Kern lagert. Er sah nun, wie eine varicöse Nervenfaser bis zu einem Kerne der Muskelfaser trat, jedoch konnte er ihr weiteres Verhalten zum Kerne nicht ermitteln. Eine Verbin- dung der Nervenfaser mit einer Ganglienzelle sah keiner der beiden Forscher. Diese Zelle zu erhalten gelingt an Zupfpräparaten nie. Dass jene Beobachter den Zusammenhang der am Muskel inserirten Faser mit größeren Nervenstämmen nicht erkannten, war wohl die Ursache der Vernachlässigung jener gewiss richtigen Beobachtungen. Da ich an Maceriren wenigstens bei den Tastern gar nicht denken konnte, weil die Dichtigkeit des Muskelgewebes das Abreißen der so feinen Nervenfaser oder der Ganglienzelle unvermeidlich gemacht hätte, so vermochte ich doch an guten Schnitten, zwar selten, mich von Folgendem zu überzeugen. Der eine Fortsatz der Ganglienzelle begab sich an eine Muskelfaser (Fig. 13) und verschmolz an einem hügelartigen Vorsprunge derselben innig mit ihr. An diesem End- hügel konnte jedoch kein Kern deutlich beobachtet werden, selbst in dem abgebildeten Falle nicht. Denn obschon ein kernähnliches Bild sich zeigte, waren die Umrisse so wenig scharf begrenzt und das- selbe so wenig intensiv tingirt, dass ich in ihm keinen deutlichen Kern erkennen konnte?. Die Ganglienzelle war von mittlerer Größe und in allen Fällen bipolar. Sie hatte eine eigenthümliche nur in diesem Falle beobachtete Form. Nach einer Seite war sie stark ausgebuchtet und auf der entgegengesetzten Seite befanden sich ihre Fortsätze wie es die Abbildung vergegenwärtigt. (Weiter s. Nachtrag pag. 94.) Wir wenden uns zu den Blutgefäßen und Lacunen der Seiten- taster. Unten am Grunde der Seitentasterreihe verläuft ein starkes Blutgefäß, das wir Randgefäß nennen wollen und welches am hinteren Körperende mit jenem der anderen Seite sich vereinigt. Dieses Randgefäß (Fig. 15 9) giebt für jeden Taster einen starken Ast ab. Andere von dem Randgefäß sich abzweigende Äste konnte ich an meinen Präparaten nie wahrnehmen, vielmehr scheint es mir ' Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXII. pag. 131. ? Dieses Verhalten erinnert an die Nervenendigungen in glatten Muskel- fasern der Vertebraten (s. W. WoLrr, »Die Innervation der glatten Muskula- ture. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XX). r 54 Bela Haller im höchsten Grade wahrscheinlich, dass unser Randgefäß nur der Taster halber da sei. Was seine Struktur betrifft, so sieht man, dass die Hautmuskulatur ihm Muskelfasern abgiebt, die kontinuirlich mit ihm zusammenhängen. Ein Theil dieser Fasern ist radiär an- geordnet (Fig. 15), während andere kreisförmig das Gefäß umge- ben. Das Gefäßlumen ist von einer strukturlosen Membran begrenzt, an welcher die radiären Muskelfasern zipfelförmig inseriren. Diese Membran zeigt weder Kerne noch Zellgrenzen, vielmehr erscheint sie ganz gleichartig. Allerdings habe ich ihr Verhalten bloß an Quer- schnitten gut tingirter Karminpräparate studirt, da ihr Ablösen zu Flichenbildern rein unmöglich war. Ich sage also homogen, denn derartige Bilder, wie sie Leypie! für die Hautgefäße der Lungen- schnecken zeichnet und zugleich angiebt, dass diese ein deutliches Endothel besäßen, solche Bilder sind mir nie zu Gesicht gekommen. Doch möchte ich Leypie’s Angaben nicht bezweifeln und eher an- nehmen, dass auch bei Fissurella einmal Zellen vorgelegen, denn wie sollte man sonst die Entstehung dieser Gefäßwand erklären können? Die Muskulatur um das Gefäß herum spricht deutlich genug dafür, mit welcher Kraft es erweitert und verengert werden kann; welch wichtiger Faktor dieses Verhalten in der Mechanik des Streckens des Seitenfühlers ist, bedarf wohl keiner weiteren Er- örterung. Der in den Fühler eintretende Seitenast (p) zeigt die Mem- bran nieht mehr so deutlich, doch sind ihre Muskelzüge noch gut erhalten. Manchmal reicht der Ast bis fast in die Spitze des Fühlers, oft hört er schon in der Mitte desselben auf. Von Venenlacunen ist nichts vorhanden, vielmehr füllt das Blut bei gestrecktem Fühler die Räume zwischen den Muskelfasern gleichmäßig oder um klarer zu reden: die Muskulatur bildet ein Filzwerk, dessen Räume mit Blut gleichmäßig gefüllt werden können. Bei schwächerer Vergrößerung macht es allerdings manchmal den Eindruck, als ob zwischen der Muskulatur einzelne größere Hohlräume sich fänden (s), doch habe ich mich öfter überzeugen können, dass solche Schnitte Ob- jekten entnommen waren, wo das Sinnesorgan in zusammengezogener Lage sich befand und der Taster in stark kontrahirtem Zustande ge- härtet ward. An Präparaten, bei denen der Taster in ausgestrecktem Zustande plötzlich mit großer Vorsicht vom lebenden Thiere getrennt und so gehärtet war, wo also die Kontraktion nur eine sehr ge- | Leypig, »Hautdecke und Schale der Gastropoden«. Arch. f. Natur- geschichte. Bd. XLII. 1876. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 55 ringe sein konnte, waren jene scheinbaren Lacunen nie zu sehen. Sie können nur so entstehen, dass bei Kontraktion des Tasters nicht alles Blut sich aus demselben entfernte und an einzelnen Stellen sich ansammelnd und dem Drucke Widerstand leistend, hier die Muskeln aus einander drängt; solche Lacunen könnten dann an jeder be- liebigen Stelle sich einfinden. Die Dicke der Muskelfasern ist innerhalb der Taster sehr ver- schieden, doch stets geringer als an der Fühlerwurzel, wie sie denn, je näher man dem Epithel kommt, desto feiner werden, wobei ihre Länge sehr bedeutend sein kann. An der Membrana limitans in- seriren dann einzelne Muskelfasern. Zwischen dem Muskelgewebe findet man außer den freilich nur spärlichen Blutkörperchen resp. deren Zerfallprodukten noch die be- kannten runden Bindegewebskörperchen, die jedoch bei Fissurella nie in größerer Zahl auftreten und nur selten zu zweien an einander zu liegen kommen. Diese Zellen zeigen deutlich eine Membran, einen granulirten kleinen Kern ohne Nucleolus. Das Protoplasma kann sich im Zellenleibe sehr verschieden und oft einseitig vertheilen (KUPFFER) . B. Die Trochiden. Während bei Fissurella die Zahl der Seitenorgane 44—48 be- trug, ist sie bei den Trochiden bedeutend gesunken, denn wir zählen im Ganzen deren acht, also vier auf jeder Seite. Diese Zahl ist ganz konstant sowohl bei Turbo rugosus Lam. als Trochus zizyphinus, den zwei Trochiden, die ich Gelegenheit hatte zu untersuchen. In beiden Gattungen beginnt etwas hinter den Ommatophoren jederseits eine breite Hautduplikatur, die etwa bis zum Nackenende reicht (Fig. 112) und sich hier in einen schmalen gefransten Haut- saum fortsetzt (a). Dieser ist zwischen der lateralen Leibeswand und dem Fuße, ähnlich wie die Seitenfurche der Fissurella, gele- sen und verbindet sich hinter dem Deckel mit dem der anderen Seite unter spitzem Winkel. Der Hautsaum des Nackens setzt sich sowohl nach vorne als hinten rund ab, doch geht er mit seiner Basis hinten kontinuirlich in den gefransten Saum über, so dass beide ein zusammenhängendes 56 Béla Haller Ganze bilden, welches wir den »Randsaum«! nennen wollen. Er entspricht seiner Lage nach der Seitenfurche der Fissurellen. Unter dieser Hautduplikatur lagern in ganz bestimmten Abstän- den die vier? Seitentaster. Der erste derselben liegt bei Trochus an der Grenze zwischen dem breiteren Nackentheil und dem gefransten hinteren Theile des Randsaumes. Bei Turbo lagert der erste Ta- ster mehr nach vorne und kommt an das Hinterende des Nacken- saumes, jedoch noch unter dasselbe zu liegen. Die anderen drei liegen unter dem hinteren Randsaume. Unter dem Seitentaster kann man bei gehobener Stellung am inneren Wurzelrand desselben eine runde Erhabenheit erkennen (ce), welche bei Turbo beträchtlich größer ist. Da die Pigmentirung dieser Erhabenheit, so wie des ganzen Tasters, bedeutend heller ist, als die der übrigen Haut, so sind diese Gebilde sehr eklatant. Die Seitentaster der Trochiden, besonders aber der Gattung Trochus, sind im Leben äußerst dehnbar, nicht nur im Vergleiche mit den Seitentastern der Fissurella, sondern auch absolut. Der im kontrahirten Zustande eben noch bemerkbare Seitentaster vermag bei vollständiger Ausstreckung das Fünffache seiner früheren Länge zu erreichen, wobei er sich natürlich sehr verdünnt. Wer das Leben und Treiben dieser Thiere oder anderer Prosobranchier, welche Seitentaster besitzen?, im Aquarium beobachtet hat, dem werden die lebhaften Bewegungen aufgefallen sein, welche das Thier mit diesen Gebilden auszuführen vermag. Ich will nun kurz in derselben Reihenfolge, wie bei Fissurella, die Trochiden erledigen. An einem über den Seitentaster von Turbo ! Dieser Randsaum besitzt bei verschiedenen Prosobranchiern (Haliotis, Cypraea etc.) sehr mannigfache Formen. 2 Bei Delphinula nigra Reeve, sind auf einer Abbildung SoULEYET's, die in Bronn auf Taf. LXXXII wiedergegeben ist, auf jeder Seite fünf Sei- tentaster abgebildet. PoLı zeichnet bei mehreren Trochus-Arten nur drei Ta- ster jederseits. (S. Testacea utriusque Siciliae tab. LII.) Ich glaube, dass die Zahl der Taster innerhalb der Familie wohl nicht so variiren wird und dass diese verschiedenen Angaben bloß auf Beobachtungsfehler zurück- zuführen sind. 3 Merkwürdig ist die Thatsache, dass Seitentaster und somit auch Seiten- organe der Familie der Muriciden (Murex und Fusus) so wie der der Dolii- den (Dolium und Cassidaria) gänzlich abgehen; ein Verhalten, welches mit der Lebensweise (die Arten der Gattung Murex bohren sich in Sand und Schlamm ein) innig zusammenhängen mag. Leider wissen wir nur zu wenig über die Lebensweise der Seeschnecken ! Untersuchungen tiber marine Rhipidoglossen. I. 57 gefiihrten Liingsschnitte (Fig. 12) erkennen wir unter dem stark kon- trahirten Taster die schon früher erwähnte kleine Erhabenheit (c). Dieser Wulst triigt an seinem unteren Rande das Seitenorgan (So). Unterhalb des Organes nimmt die Höhe des Epithels wieder stark ab und an der unteren Fläche des Wulstes ist es am niedrigsten. Die Zellen dieses niederen Epithels (¢) sind pigmentlos, mit sehr hellem Zellleib und rundem Kern. Nach unten geht es in das pig- mentirte Epithel der Fußhaut über. In dem niederen Epithel des Tasters selbst kommen nur wenige Becherzellen vor und auch die Pinselzellen sind, vermöge der Pigmentirung der umgebenden Zellen. schwer zu beobachten. Die Gestalt des Sinnesorganes ist hier im kontrahirten Zustande konkav, bei gestrecktem Taster hiigelartig. Was ich über den histologischen Bau des Seitenorganes der Fissu- rella gesagt habe, hat auch für die Trochiden Geltung. Es besteht aus zweierlei Zellen, erstens aus kurzen »Sinneszellen« und langen, mit ba- salwärts gelegenem Kerne versehenen »Stützzellen«, die pigmentirt sind. Die Höhe des Organes beträgt 0,310 mm. Die den Fissurellen eigenen grauen Randzellen, die das Organ umgeben, fehlen dagegen den Trochiden und ihre Stelle vertreten die auch sonst im Epithel der Umgebung vorkommenden Pigmentzellen. Es sind hohe, distal mit Pigment versehene Cylinderzellen. Ähnliche, jedoch bedeutend nie- dere gelbe Pigmentzellen überziehen den ganzen Taster und gehen kontinuirlich in die dunkel pigmentirten Epithelien des Seitenlap- pens über. Die Muskulatur des Tasters ist gleich dem bei Fissurella viel- fach verfilzt, ohne venöse Lacunen: nur ist zu bemerken, dass die runden Bindegewebskörper in überaus großer Zahl vorkommen. Das auch hier vorkommende Randgefäß giebt für jeden Taster einen starken Ast ab (g), der bis zur Spitze zu verfolgen war. Zum Schlusse bespreche ich die Nerven des Tasters und des Sinnesorganes, ohne dass ich auf ihr feineres Verhalten weiter mich einlassen würde. Schon früher ward mitgetheilt, dass aus dem Pedalstrange jeder- seits vier besonders starke obere Nerven zu den Seitentastern verfolgbar waren (8. pag.31). Jeder dieser Nerven erreicht, nachdem er durch die Muskulatur nach oben bis zu den Seitenlappen vorgedrungen, die Richtung des Gefäßes in dem Taster kreuzend, die Wurzel des letz- teren (N). Hier geht er in ein mehr oder weniger starkes Ganglion über. Nach zwei auf einander folgenden Längsschnitten habe ich die Nerven, so wie ich sie gesehen habe, abgezeichnet. Aus dem Ganglion 58 Bela Haller tritt nach oben der Tasternerv (#2), nach innen ein anderes stärkeres Stämmehen ab. Dieser letzte Nerv theilt sich alsbald und sein oberer Ast begiebt sich an das spindelförmige Ganglion des Seiten- organes (sg), in welchem er sich auflöst. An derselben Stelle tritt ein Ast des Tasternerven, nachdem er Aste an die obere Hälfte des Wulstes abgegeben, in das Ganglion ein. Der untere Nerv des größeren Ganglions verläuft nach unten, theilt sich dann, giebt einen Ast an das Ganglion des Seitenorganes und versorgt mit seinem un- teren Aste die unter dem Wulste gelegenen Theile. Ein anderer feiner Nery (/») tritt aus dem Ganglion in den Seitenlappen (Z) ein. Wir sehen, dass die Umgebung des Tasters, welche im Ver- gleiche zu dem der Fissurella Eigenthümlichkeiten aufweist, wie den im Wurzeltheile gelegenen Wulst, auf den Nerven ändernd ein- wirkte. Die Sonderung des Wulstes, der das Seitenorgan trägt, brachte es mit sich, dass das Organ sich vom Hauptganglion entfernen musste. So vermag ich mir vorzustellen, dass derjenige Theil des Ganglions, welcher bei Fissurella dem Sinnesorgan Fa- sern abgab, bei Trochiden sich zu einem selbständigen Ganglion abgeschnürt hat. Vergleich der Seitenhügel der Mollusken mit denen der Wirbelthiere. | Nach der speciellen Beschreibung der Seitenorgane der Proso- branchier ist es wohl am Orte, die Vergleichung mit ähnlichen Organen anderer Thiere zu versuchen. Dabei bin ich weit entfernt in der Seitenorganreihe der Mollusken ein morphologisch homologes Ge- bilde mit der Seitenlinie der Wirbelthiere oder etwa mit den Seiten- organen der Anneliden (Capitella) zu erblicken. Im Gegentheil glaube ich, dass es sich mit den einzelnen Seitenorganen verhält, wie mit den Randaugen der Bivalven und Chaetopoden, denn um GEGENBAUR’S Worte zu gebrauchen, sind »Differenzirungen von Sinnesorganen aus einfachen Nervenendigungen an jeder Stelle des Integumentes méglichd. Eben so aber, wie aus der histologischen Gleichheit der hochaus- gebildeten Randaugen (Pecten) einerseits und den Kopfaugen der Mollusken andererseits auf ihre physiologische Gleichwerthigkeit ge- schlossen werden kann, so glaube ich auch von dem gleichen Baue ' Grundriss der vergl. Anatomie. Zweite Auflage. 1878. pag. 373. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 59 der Seitenorgane der Mollusken mit denen der Fische und Amphi- bien auf deren gleiche Funktion schließen zu dürfen. Leider muss ich auf eine Vergleichung der Seitenorgane der Mol- lusken mit denen der Capitellen verzichten, da letztere mir aus eigener Anschauung nicht bekannt, ich sie vielmehr nur nach der Beschreibung ihres Entdeckers H. EısıG! kenne, der jedoch ein histo- logisch so verschiedenes Verhalten angiebt?, dass ich die Ver- gleichung für jetzt nicht wagen möchte, obgleich es mir sehr wahr- scheinlich scheint, dass eine spätere Untersuchung auch dort andere Verhältnisse aufdecken wird. Um also auf die Vergleichung der Seitenorgane der Mollusken mit denen der Vertebraten einzugehen, müssen wir uns vor Allem vergegenwärtigen, was an den Seiten- organen der Vertebraten als wesentlich anzusehen ist. Dank der schönen Untersuchungen FR. EILHARD SCHULZE’S 3 ist das Seitenorgan der Fische und Amphibien genau bekannt. Da nun SCHULZE die wesentliche Gleichwerthigkeit der Sinneshügel junger Fische (abgesehen von den hyalinen Röhren und anderen Schutzvor- richtungen, die ja doch nur als sekundäre Gebilde aufzufassen sind) bewiesen hat, so glaube ich mich an das über den erwachsenen Kaul- barsch Mitgetheilte um so mehr halten zu dürfen, als bei diesem Thiere das Verhältnis der Stützzellen zu den Sinneszellen so wie der Nerven zu Sinneszellen klarer zur Ansicht kam. Nach ScHuLze bestehen die Sinneshügel des erwachsenen Fisches aus zweierlei Elementen, von denen die einen wahre Sinneszellen repräsentiren. Er sagt: »Die Hauptmasse dieser Epithelscheibe wird gebildet von ungewöhnlich hellen und auffallend langen Cylinderzellen, welche unter einander sehr ähnlich, mit ebenen Endflächen in ! H. Eısıg, Die Seitenorgane und becherförmigen Organe der Capitellen. Mittheilungen a. d. zool. Station in Neapel. Bd. I. 1879. 2 So findet E1sia z. B. bei Capitellen keine Stützzellen, sondern der ganze Sinneshügel wird von kurzen mit einem langen Haare versehenen Sinneszellen gebildet, denen nach unten eigenthümliche Kerne durch Vermittlung eines feinen Fadens aufsitzen. Diese Kerne nun sollen unter einander wieder durch Fäden verbunden sein und wären nach EısıG Ganglienzellen. Der Autor vermisst größere Nervenstiimme, welche ‚die Hügel versorgen sollten, d. h. konnte ihr Verhalten mit Sicherheit nicht eruiren. Mir scheint es sehr wahrscheinlich, dass der Muskel, dessen Fasern an die »Sinneszellen inseriren« sollen (!), wohl der vermisste Nerv ist. Wäre es denn möglich, dass ein so subtiles Gebilde, wie diese Sinneszellen, noch auch als Insertionspunkt für grobe Muskelwirkung dienen sollte ! 3 F. E. Scuunze, Uber die Sinnesorgane der Seitenlinie bei Fischen und Amphibien. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. VI. 1870. ; 60 Béla Haller gleichem Niveau aufhören und simmtlich mit je einem großen, ovalen, wasserklaren Kerne, der ein deutliches aber kleines Kern- körperehen enthält, unterhalb der Mitte versehen sind. — — — — — Als von diesen langen blassen Cylinderzellen gänzlich verschiedene Elemente werden in der oberen Region des ganzen Epithel- lagers zwischen den Zellen desselben, kurze bauchige, im Allgemeinen birnförmig gestellte Zellen mit stark körnigem Inhalt bemerkt. — — — — Der nach oben gewandte Theil des nur etwa 0.022 mm langen birnförmigen Zellenkörpers besitzt eine im Niveau der übrigen Epithelgrenze gelegene quer abgestutzte Endfläche, aus deren Mitte sich ein mit konischer Basis versehenes feines, .starres Haar von 0,014mm Länge erhebt, während an dem unteren dick- bauchigen Theil der Zelle, aus dessen Innerem gewöhnlich der helle rundliche Kern hervorschimmert, sehr häufig ein nach abwärts ragen- der fadenförmiger zuweilen sehr deutlich varicéser Fortsatz ge- funden wird.« Neuerdings acceptirt B. SOLGER! die Ansicht Leypie’s? betreffs des Baues der Seitenhügel, nach welchem Forscher an den Seiten- hügeln eine Mittelpartie und eine Wandschicht, gebildet von den Mantelzellen, zu unterscheiden ist. Nun sollen aber auch die Mantel- zellen eine starre Borste tragen, die sich an einander legend SCHULZE’S hyaline Röhre bilden sollen; diese letzteren Zellen können aber, der Angabe nach, nichts Anderes als ScHULZE’s Stützzellen sein. Die inneren der Mittelpartie angehörigen Zellen »sind körniger, kürzer und breiter, und an ihrem Gipfel kann sich ein glänzendes Körnchen abheben« (Leypie)*. Ich kann LEYDIG gegenüber nicht nur SCHULZE'S Angaben nach eigenen Untersuchungen an Gobius niger bestätigen. sondern diese auch durch vergleichend anatomische Thatsachen bestärken. SOLGER giebt noch eine dritte Zellenart in den Seitenhügeln der Knochenfische an. Es sind basalwärts gelegene kurze Zellen mit rundem Kern. Ich habe diese bei Fischen nie auffinden können, auch finde ich nirgends in der einschlägigen reichen Litteratur An- gaben über solche Gebilde. Ich glaube desshalb diese fraglichen Zellen ! B. SOLGER, Neue Untersuchungen zur Anatomie der Seitenorgane der Fische. III. Knochenfische. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XVII. pag. 374. 2 Hallenser Festschrift. Ba] Te} Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 61 bei Vergleichung der Seitenorgane der Mollusken mit jenen der Verte- braten unberücksichtigt lassen zu können. Wir finden also im Wesentlichen sowohl bei Verte- braten als Mollusken die Sinnesorgane gebildet aus zweierlei Zellen: aus Sinneszellen und Stützzellen. Die Sinneszellen sind entweder kurze helle Gebilde (Mollusken) mit basalem Kerne und langem Sinneshaar oder es ist ihr Inhalt »stark gekörnt« (Fische). Am ba- salen Abschnitte führen diese Zellen den Nervenfaden, welcher entweder aus Einzelganglienzellen, die unter dem Sinnesorgan gelegen sind, in die Zellen treten ‘Mollusken) oder von ganglienzellenlosen Nervenstäm- men ihren Ursprung haben (Vertebraten). Die zweite Zellenart, die Stützzellen, sind lange, helle Cylinder- zellen (Vertebraten, Fissurella) mit basalwärts ge- legenem Kerne und ebenen Endflächen oder ihre Körper sind pigmentirt (Trochiden). Die Stützzellen führen nie einen Nervenfaden. Die Sinneszellen sind nicht in einer Gruppe gelegen, die von jenen mantelartig umgeben wird, vielmehr liegen beide Zellenarten gleichmäßig vertheilt im Sinneshügel. Die Zahl der Zellen kann eine geringere (Vertebraten) oder größere sein (Mol- lusken). Als von den Seitenhügeln sekundär erworben sind die Vorrich- tungen zu betrachten, welche zum Schutze der Sinneshügel gegen gröbere Insulte dienen; bei den Fischen sind sie als hyaline Röhren, _ Cupula! ete. bekannt. Diese den Seitenhügeln der Mollusken fehlen- den Schutzvorrichtungen werden dadurch ersetzt, dass die über dem Sinnesorgan gelegenen Taster bei nahender Gefahr sich über das Organ legen. Auch verliert der Sinneshügel bei dieser Lage des Tasters seine frühere Gestalt und wird nach außen konkav. Die Herzwand und ihre nervösen Elemente. Nachdem ich die Herznerven der hier untersuchten Schnecken ver- folgt und gefunden hatte, dass das Herz, wie früher mitgetheilt, von zwei IS. außer der Arbeit SoLGEr’s noch die Abhandlung EmeEry’s über die Gattung Fierasfer in der Publikation der zoolog. Station zu Neapel: Fauna und Flora des Golfes von Neapel. II. 1880. 62 Béla Haller verschiedenen Seiten innervirt wird!, was natürlich den Gedanken an eine accelerirende und retardirende Einwirkung der verschiedenen Nerven auf die Pulsation auch bei Wirbellosen wachrufen musste, wurde fiir mich die Frage interessant, wie denn eigentlich die Nerven innerhalb der Herzwand sich verhalten. Dieses konnte mich aber um so mehr bewegen, auf das Studium der Endverhältnisse der Kardial- nerven einzulassen, als die Angaben über dieselben bei Evertebraten nur sehr fragmentarischer Natur sind. Es schwebte mir auch der Gedanke vor, dass erst nach Ver- vollständigung der trotz tiefer Studien manchmal unverständlich blei- benden experimentellen Ergebnisse?, durch morphologische Befunde, die Herzthätigkeit dem Verständnisse näher rücken könnte. J. DoGıEL? gebührt das Verdienst, zuerst Ganglienzellen in der Herzwand von Pulmonaten und Bivalven nachgewiesen zu haben. Nach ihm sind die Ganglienzellen dieser Thiere apolar (!) und lagern zwischen den Muskeln; er sah keine Nerven zum Herzen treten und die Frage, wie denn eigentlich die Ganglienzellen zu den Nerven- fasern sich verhalten, so wie andere interessante Fragen blieben un- berücksichtigt. Später wurde DosiEL’s Befund ungerechtfertigterweise von Foster und A. G. Dew-SaitH!, wenn auch nur für Helix, in Zweifel gezogen. Vor dem Eingehen auf das eigentliche Thema der feineren Innervirung des Herzens der Rhipidoglossen sei mir gestattet, auf einzelne Verhältnisse der Herzwand dieser Thiere aufmerksam zu machen, die bis jetzt unberührt blieben. Meine Beobachtungen be- ziehen sich hauptsächlich auf das bilateral symmetrische Herz der Fissurella costaria; im Anschluss daran werde ich die Verhältnisse, wie sie sich bei Haliotis und Trochiden zeigen, mittheilen. Zuvor muss ich aber des Verständnisses halber das Herz in seiner Gesammt- heit? kurz skizziren. | Uber die Herznerven von Murex siehe: B. HALLER, »Zur Kenninis der Muriciden« J. Th. Denkschriften der Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. XLV. 1882. 2 C. Fr. W. KRUKENBERG, Physiologische Studien. III. Abth. 1. Reihe. »Die Pulsation bei den Salpen«. 3 J. DoGIEL, »Die Muskeln und Nerven des Herzens bei den Mollusken«. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XIV. 1877. 4 FostER und A. G. Drew-Smiru, »Die Muskeln und Nerven des Herzens bei Mollusken«. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XIV. 1877. > In keinem der Lehrbücher findet man eine klare Darstellung vom Her- zen der Zeugobranchier. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 63 Bei Fissurella liegt das Herz, wenn man das Perikardium von oben geöffnet hat (Fig. 19), in einer geräumigen Perikardialhöhle: die Kammer (A) ist von etwas dreieckiger Form und hat ihre breite Basis nach hinten gekehrt, nach vorne verschmälert sie sich. Von hinten nach vorne wird die Herzkammer, wie bekannt, vom End- darme durehbohrt und diese Durchbohrung findet im wörtlichen Sinne statt (Fig. 20). Lateral, etwa in Mitte der Länge der Herz- kammer öffnen sich die beiderseitigen Vorhöfe in dieselbe (V), jeder mit einer engen Mündung (Fig. 19V%). Die Vorhöfe sind beide ganz gleich weit und gehen lateralwärts in die Kiemenvene über. Vorne spaltet sich die Herzkammer, wo sie über dem Enddarme lagert, in zwei Ge- fäße, in die jederseitige Kiemenarterie (%@). Nicht ganz von ihrem hinteren Ende, doch demselben genähert und median gelegen, tritt die vordere Körperarterie ab und gleich hinter ihr die hintere (Fig. 14). Wenn man das Perikardium nach Abheben der Schale am leben- den Thiere eröffnet, ohne dabei das Herz zu verletzen, gelingt es, dasselbe in seiner Thätigkeit zu beobachten. Man wird dann sehen, welch’ starke Kontraktion die Kammer bei der Systole erleidet. In solchem Zustande verbleibt die Herzkammer nach dem Tode: sie ist dann geringen Umfanges und ihre Wände sehr dick (Fig. 20) ; während der Diastole aber ist die Herzwand dünn, fast mit jener der Vorhöfe vergleichbar. Nur wenn man diese Verhältnisse er- wägt, bildet man sich den rechten Begriff von der Form der Kammer!. Das Herz der Fissurella liegt in einer Ebene mit der Horizontalen des Körpers und seine Längsachse entspricht jener des Körpers. Bei Haliotis hat sich die linke Herzhälfte mit Beibehalt aller für Fissurella gültigen anatomischen Merkmale etwas gesenkt. Die Ebene, in der das Herz liegt, schneidet die Horizontale des Körpers unter sehr spitzem Winkel. Die Achse verschiebt sich dabei nicht. Bei Trochiden ist das ebenfalls vom Mastdarme durchbohrte Herz durch die Drehung des Körpers und Rückbildung der rechten Kieme mo- difieirt worden; seine Längsachse hat sich nach rechts und oben verschoben. Die Herzkammer ist sehr lang und der rechte Vorhof wenngleich noch vorhanden, doch stark redueirt. Sein Verhalten zu Gefäßen ist mir nicht bekannt geworden. Das Herz liegt in einer weiten Perikardhöhle und das Perikar- 1 Die Systole stellt sich noch während des Lebens des verletzten Thieres ein, und die Pulsation hört auf. Dieses Phänomen kann jedoch eintreten und das Thier lebt selbst noch eine Stunde fort. 64 Béla Haller dium lässt sich auch mit Sealpell und Schere darstellen. So ist es bis jetzt in der Litteratur verzeichnet. Mir ist bereits bei Chiton! gelungen, den Nachweis zu liefern, dass das Perikardium aus einer einfachen Zellenschieht besteht und ich habe bereits dort darauf hingewiesen, dass das Perikardium eine Ausstülpung der Wände der sekundären Leibeshöhle ist, in welche sich das Herz eingestülpt hat, so dass es gleichsam von derselben überdeckt wird. Das Gleiche gilt für die Rhipidoglossen mit Modifikationen von untergeordneter Bedeutung. Wir finden das Perikardium als eine sowohl der Herzkammerwand als der der Vorhöfe fest anliegende einfache, platte Epithelialschicht Fig. 20p), welche an der Stelle, wo die Vorhöfe in die Venen sich fortsetzen, sich auf die obere Körperwand fortsetzt. Vorne liegt unter dem Perikard etwas nach rechts der unpaare Nierengang (r) 2, nach hinten dieser und der Darm, von welch’ letzterem das Perikardium dureh eine Muskelschicht und durch das Epithel der Leibeshöhle ge- schieden ist. Nach oben konnte ich eine Befestigung der Herzkammer durch das Perikardium auf die Weise, dass dasselbe dort von jeder Seite her auf das Herz sich fortsetzte (welchen Fall ich bei Plako- phoren erkannte), nicht auffinden, sondern kann vielmehr behaupten, dass das Perikardium oben ganz kontinuirlich erscheint (Fig. 20). Die Zellen des Perikardiums sind platte, mit einem runden Kern versehene, polyedrische Epithelien, welche, wo sie der Herzwand aufliegen, von derselben nicht zu trennen sind. Diese Zellen er- mangeln im Gegensatze zu jenen der Leibeshöhle, der Pigmentirung. Bei Maceration lösen sie sich einzeln leicht aus ihrem Verbande und blähen sich oft zu runden Kugeln auf. Ihre Gestaltveränderung äußert sich auch im gemeinsamen Verbande, während der Systole, indem sie dann, wie man auf Querschnitten erkennt, in die Höhe sich ausdehnen und oft fast kubisch erscheinen. Am schönsten lässt sich das Epithel mit Goldchlorid darstellen, wodurch, nach erfolgter Reduktion, ihre Kerne eine schöne violettrothe Farbe erhalten und die Zellgrenzen deutlich hervortreten (Fig. 21 e). Auf das Epithel des Ektokardes folgt die Muskulatur, die eigent- liche Herzwand. Jederseits begeben sich zwei starke vom Kiemenge- rüste entspringende Muskelbündel auf den jederseitigen Vorhof, theilen Il. e. pag. 54—60. ? Leider habe ich meine Aufmerksamkeit nur wenig der hinteren Perikard- höhlung zugewendet um eine eventuelle Mündung der Niere in das Perikard konstatiren zu können. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. 1. 65 sich dort vielfach, mit den Asten abermalige Theilungen eingehend, unter einander anastomosirend. Hierdurch entsteht ein Filzwerk von Muskeln, welches die eigentliche Wand des Vorhofes bildet (Fig. 21). Die Richtung der Hauptbündel ist aber auch innerhalb dieses Filz- werkes der Herzkammer zugekehrt. Mit ihrer ganzen Mächtigkeit erreichen solche Muskelbündel jedoch die Herzkammer nicht; sie zerfallen vor der Mündungsstelle der Vorhöfe in die Kammer in Endäste, welche die Mündung sphinkterartig umgreifen. Hier ver- webt sich die Vorhofmuskulatur mit jener der Kammer, obgleich sie durch histologische Merkmale, wie noch erwähnt werden soll, sich von ihr unterscheidet. Die Muskulatur der Kammer ist gleich jener der Vorhöfe ein Filzwerk sich verästelnder und anastomosi- render Bündel, doch ist sie dieker, mehrschichtiger als jene der Vorhöfe. Die feinsten Muskelbündel liegen auch hier dem Perikard- epithel (Ektokard) am nächsten. Oft trifft es sich an den Vorhöfen, dass bei kontrahirtem Zustande derselben das Ektokard zwischen je zwei Muskelbündeln sich etwas ausbuchtet. Auf diese Weise entsteht dann eine etwas gekräuselte Oberfläche! der Vorhöfe bei Trochiden und Haliotis. Dass eine verzweigte Muskulatur der Herzwand, wie sie Verte- braten aufweisen, auch bei Mollusken vorkäme, wird zwar nirgends behauptet, doch scheint solches besonders nach den Schilderungen GEGENBAUR’S in seiner Arbeit über Pteropoden und Heteropoden, so wie jener LEUCKARTs, an den Vorhöfen dieser Thiere sehr wahr- scheinlich. Die beschriebene Muskulatur kann schon mit Lupenvergröße- rung erkannt werden. Einige durch das Mikroskop gewonnene Da- ten theile ich in Folgendem mit. DosIEL sagt über die Herzmusku- latur von Pecten maximus: »bei Einwirkung von Osmiumsäure oder absolutem Äthylalkohol, die das Gewebe in einem gewissen Grade von Kontraktion fixiren, tritt die Ähnlichkeit mit quergestreifter Muskulatur noch mehr hervor und häufig erhält man Bilder, die der quergestreiften Muskulatur der Wirbelthiere vollkommen entsprechen und von ihr nicht zu unterscheiden sind«. So hat denn DoGIEL eine Querstreifung der Herzmuskulatur von Pecten beobachtet und es fragt sich nur wie diese Querstreifung aufzufassen sei. ! Auch bei jenen Bivalven die eine ähnliche Muskulatur der Herzwände aufweisen. Doch möchte ich hier darauf aufmerksam machen, dass vielen Bivalven eine verzweigte Muskulatur des Herzens fehlt und einzelne lange spindelförmige Muskelzellen die Herzwände bilden. Den letzten Fall finden wir bei Unio und Anodonta, während bei Pecten die Herzwand jener der Rhipidoglossen gleicht. Morpholog. Jahrbuch. 9. b) Béla Haller un er) lor) Beobachtete ich ganz frisch aus dem Herzen gerissene Mus- keln der Zeugobranchier und Trochiden, welche ich in Seewasser - legte, so konnte ich in keinem Falle eine Querstreifung erken- nen. vielmehr schienen diese Muskeln aus etwas undeutlichen Fi- brillen zu bestehen und an den Rändern der Bündel konnte ein opaker Saum erkannt werden. Ich wiederholte diese Versuche öfter, doch immer mit demselben Resultate. Später, als ich Stücke aus der Vorhofwand von Fissurella mit der Absicht, die nervösen Theile zu erkennen. in ein Gemisch von Glycerin, Essigsäure und Über- osmiumsäure (0.5 : 0,5: 1) frisch untersuchte, bemerkte ich, dass etwa nach Ablauf von einer halben Stunde an den Muskelbündeln eine, allerdings verschwommene, Querstreifung auftrat, die etwas spä- ter sich markanter zu erkennen gab (Fig. 21). Bei Haliotis und den Trochiden trat die Querstreifung in der genannten Flüssigkeit viel später auf! als bei Fissurella. Was die Zahl der Fibrillen betrifft, so ist dieselbe je nach der Mächtigkeit des Muskelbündels sehr ver- schieden; an sehr dünnen Muskelbündeln trifft es sich, dass sie nur zwei bis vier Fibrillen enthalten, welehe dann parallel neben einan- der liegen. Auch in den größeren Muskelbündeln ist der Verlauf der Fibrillen überwiegend parallel, doch findet es sich auch, dass mehrere Fibrillen diesen Verlauf nicht einhalten. E Was nun die Querstreifung der kontraktilen Substanz anbelangt. so können über dieselbe Präparate, die längere Zeit in einem Gemisch von Überosmiumsäure und wenig Essigsäure gelegen hatten und dann in Glycerin aufbewahrt wurden, einigermaßen Aufklärung geben. Hier, wo die kontraktile Substanz allein, das Myolemm aber von der Über- osmiumsäure nicht gebräunt ward, erkennen wir bei starker Vergröße- rung (Fig. 25), dass die Querstreifung innerhalb der Fibrillen dadurch zu Stande kommt, dass sich glänzende Kügelchen ausge- schieden haben, die dann, in den neben einander lie- genden Fasern in gleicher Höhe liegend, die Querstrei- fung hervorrufen. Leider liegen mir weitere Beobachtungen über den Akt der Ausscheidung, der gewiss zu erkennen sein wird, nicht vor und indem ich mit der Besprechung der kontraktilen Sub- stanz schließe, wende ich mich zum Myolemm. Dieses ist an opti- schen Längsschnitten frischer Muskelbündel, an denen die Quer- streifung noch nicht auftrat, als ein etwas opaker jedoch gleich- mäßig dieker Saum zu erkennen. Es ist relativ schmal bei dickeren ! Bei Chiton tritt sie überhaupt nie auf; 1. ce. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 67 Muskelbiindeln, nimmt jedoch an Breite mit der Verminderung der ‚Fidrillenzahl zu, so dass es bei schwachen Bündeln mächtig erscheint. Tritt die Querstreifung der kontraktilen Substanz auf, was wohl mit der Kontraktion des Muskels zusammenhängen dürfte, dann finden wir (Fig. 25 ») die äußere Begrenzung des Myolemms nicht mehr geradlinig, sondern unregelmäßig wellig. Es erscheint sehr fein granulirt und wird durch Überosmiumsäure nicht gebräunt. Bei Gold- präparaten wird es, im Gegensatze zur kontraktilen Substanz, nur wenig violett gefärbt. Im Myolemm, das wie eine plasmodische Masse erscheint, eingelagert erkennt man viele ovale Kerne, die immer in der Längsrichtung des Muskels liegen. Sie sind granulirtbeiden Muskeln des Vorhofes, glänzend und ohne Granulation an jenender Kammerund gerade indiesem Momentliegt eine Verschiedenheit der beiderlei Muskelarten (Fig. 21 u.22). Die Anastomosen zwischen den Muskelbündeln kommen derart zu Stande, dass zwei sich begegnende Muskelbündel Fibrillen in ein- ander umbiegen lassen, während sie sich mit anderen zu dem weiter verlaufenden gemeinsamen Stamme vereinigen. Andererseits kann aber auch wirkliche diehotomische Theilung, besonders der größeren Äste, statthaben. Hier soll noch mitgetheilt werden, dass die Muskulatur des Herzens bei Rhipidoglossen innen von keinem Endothel überdeckt wird!. Ich habe mit Anwendung aller üblichen Kautelen die Herzwand auf dieses Verhalten hin geprüft und gelangte stets zu einem negativen Resultate. Auch sehr dünne Querschnitte durch die Herzwand verriethen kein Endothel. Ich muss somit zweifeln, dass J. DocıEL’s Angabe, wonach Endothelien im Herzen der Bivalven vorhanden wären, richtig sei. Hätte der Autor die eigenthümlichen Ränder der Endothelien nicht so deutlich gezeichnet, so würde ich glauben, dass er das Ektokard mit dem Endothel verwechselte, was sehr wahrscheinlich scheint. Auf diesen Endothelmangel hin ist es sehr natürlich, dass das Blut die Muskulatur und nervöse Elemente der Herzwand direkt bespült, was vom physiologischen Standpunkte betrachtet von Wichtigkeit sein dürfte. Was beim Studium der Herzwand meine Aufmerksamkeit am meisten beschäftigte, waren die nervösen Elemente und namentlich ihre Beziehungen zu einander und zu der Muskulatur. Unsere ge- naueren Kenntnisse der Ganglienzellen im Herzen beschränken sich auf ' Auch bei Chitonen fehlt es; 1. e. pag. 65. or 68 Bela Haller Wirbelthiere, während die spärlichen Angaben über die der Wirbel- losen überhaupt nur das Vorkommen von Ganglienzellen im Herzen konstatiren. Als solche Angaben sind diejenigen DocıEr’s für die Pulmonaten und Bivalven und die E. BERGER'S für Astacus! zu be- trachten. Allerdings verfiel der erste Autor in den schon früher er- wähnten Irrthum, die Ganglienzellen im Molluskenherzen für apolar zu erklären, was seinen Befund vom physiologischen Standpunkte betrachtet sehr problematisc': erscheinen lässt. Was meine Untersuchungen anbelangt, so wurden sie nach der oben erwähnten Methode an frischem Materiale ausgeführt, indem ich Stücke aus der Vorhofwand? theils zu Flächenpräparaten ausbrei- tete, theils in jener Mischung mit großer Vorsicht zerzupfte oder abpinselte. Goldpräparate führten nicht zu dem gewünschten Re- sultate, da die zufällig aus dem Zellverbande gelösten Epithelien des Ektokardes durch die Reduktion sich aufblähten und ziemlich gleichmäßig mit den nervösen Elementen färbten, so dass ich befürch- ten musste, Verwechselungen zu begehen. Im Herzen der untersuchten Prosobranchier konnte ich zweierlei Zellen nervöser Natur mit Bestimmtheit erkennen. Erstens tri- bis quadripolare Verbindungszellen (mihi), das heißt solche, deren Ausläufer entweder mit jenen der gleichen Zellenart verschmolzen oder sich zu anderen, bedeutend größeren Ganglienzellen bega- ben. Letztere, die ich Endzellen nenne, fand ich stets bipolar. Einer ihrer Fortsätze trat zu einem Muskelkerne und verband sich mit demselben. Offenbar entsprechen die von DoGIEL beschriebenen Ganglienzellen der Bivalven dieser letzten Form. Beiderlei Zellen sind im Herzen ganz gleichmäßig vertheilt Fig. 21), d. h. es giebt keine ausgesprochenen Bezirke, wo sie eine dichtere Anhäufung zeigten. Dogrev findet, dass der größte Theil der Ganglienzellen bei Pecten maximus an der Grenze zwischen Vorhof und Kammer läge, während andere nur zerstreut in der äußeren Fläche des Ventrikels, besonders in der Nähe der Vorhöfe, vorkommen, ein Verhalten, das freilich für die von mir untersuchten Mollusken keine Geltung hat. Die Endzellen (Fig. 23) sind große, rundliche bis ovale Ge- ! E. BERGER, »Über das Vorkommen von Ganglienzellen im Herzen vom Flusskrebs«. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. I. Abth. 1876. 2 Ich untersuchte wegen der Zartheit nur die Vorhofwand näher und kon- statirte an der Kammerwand bloß das Vorhandensein von Ganglienzellen. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 69 bilde, am größten unter den untersuchten Thieren wohl bei Turbo rugosus, wo sie eine Ausdehnung von 0,120 mm aufweisen. Die von Fissurella sind kleiner und ihre Größe schwankt zwischen 0,081 bis 0,107 mm. Bei Haliotis und Trochus zizyphinus sind diese Zel- len denen der Fissurella ziemlich gleich groß, doch leider unterließ ich sie zu messen. Die Endzellen haben einen großen Kern und ein auffallend großes, hellglänzendes Kernkörperchen (Fig. 23). Be- trachtet man die Zellen von oben, so haben sie eine rundliche Ge- stalt (Fig. 23 a): von der Seite betrachtet (bei einiger Übung gelingt es leicht durch Schieben an dem Deckglase sie aus ihrer früheren Lage zu bringen) sind sie birnförmig. Der Zellleib ist durchaus zähe und wird im frischen Zustande von kleinen Pigmentkiigelechen von ziem- lich gleicher Größe durchsetzt. Diese Kiigelchen können nach län- gerem Liegen der Zelle in der Macerationsflüssigkeit sich zu größeren Tropfen vereinen ' und bei Quetschen mit dem Deckglase in oft sehr großen Tropfen die Zelle verlassen, eine Thatsache, auf welche ich schon bei Chiton hingewiesen habe. Wirkt man längere Zeit mit Überosmiumsäure auf die Zelle ein, so bräunen sich die Pigmentkiigel- chen, ohne dass der Zellleib diese Erscheinung theilte. Die Farbe dieser Kügelehen ist jener in den Zellen des Centralnervensystemes gleich. Bei den Zeugobranchiern sind sie orange (Fig. 21). bei Tro- chiden mehr röthlich gefärbt (Fig. 23, 24). Der Zellleib erscheint im frischen Zustande homogen. Ich habe schon erwähnt, dass die Endzellen stets bipolar sind. Der eine ihrer Ausläufer konnte als die Verlängerung des Zellleibes erkannt werden, er stellt also einen sog. »Protoplasmafortsatz« vor. Der andere Fortsatz konnte innerhalb der Zelle bis zum Kerne verfolgt werden und bei tieferer Einstellung des Tubus erkannte ich, dass der Fortsatz bis zum Kernkörperchen zu verfolgen war, mit welchem er verschmolz; ein Verhalten also, welches dem bei Chiton ganz ähnlich ist?. Im Centralnervensysteme unserer Thiere finden sich solche Zellen mit bis zum Kernkérperchen reichenden Fortsatze häufig, und bereits A. SOLBRIG hat sie im Centralnervensysteme der Pulmonaten aufgefunden3. Der Kern ist übrigens kugelrund und kann ! So ist die Angabe DocıEr’s für Pecten maximus, dass in den Ganglien- zellen noch »eine gelbe Masse, die nach Pikrokarminammoniak unverändert bleibt«, vorhanden wäre, nur auf bereits lange in Reagentien gelegene Objekte zu beziehen. le. Big: 9a.: 3 A. SOLBRIG, »Uber die feinere Struktur der Nervenelemente bei den Gastropoden«. Leipzig, 1872 (Taf. II Fig. 12—16). 70 Béla Haller leicht bei Verletzung der Zelle isolirt werden. Drückt man an solehe Kerne mit dem Deckgläschen, so nehmen sie die Form einer bikon- kaven Scheibe an. Wenn wir diese Endzellen genauer betrachten, so kann ihre Membran unmöglich übersehen werden (Fig. 23). Selbst bei den kleineren Zellen der Fissurella ist sie erkennbar (Fig. 21)!. Manch- mal schien es mir sogar, als wenn dieser Membran längliche Kerne eingelagert wären, eine Eigenschaft, die, falls sie sich bestätigen sollte, an die Ganglienzellen im Herzen der Wirbelthiere erinnern würde, wo in der Membran der Zellen Kerne schon von DOGIEL seit längerer Zeit nachgewiesen wurden ?. Besonders bei Fissurella kamen solche Bilder häufig vor. Es würde nun zu erörtern sein, wie die Fortsätze der Ganglien- zellen sich außerhalb der Zelle verhalten. Oft genug ereignet es sich, dass die Endzellen eine derartige La- serung zwischen den Muskelbündeln einnehmen, dass man ihre Fort- sätze vergebens sucht, da dieselben durch letztere verdeckt werden. Macerationspräparate ergeben, wie wir sahen, allerdings Manches, was zum Verständnisse dieser Gebilde beiträgt, doch können wir in solchen Präparaten nur selten Fälle auffinden, wo eine Nervenfaser sich theilend mit ihren zwei Ästenan Endzellen tritt (Fig.23e). ! Es wären dieses wohl die häufigsten mit einer Membran versehenen Ganglienzellen, die man bei den Gastropoden antrifft, denn wenn ich gleich im Centralnervensysteme der von mir untersuchten Schnecken häufig auf Gan- glienzellen mit einer Membran stieß, so gehörte diese einem umhüllenden Fort- satze der Hülle des Nervencentrum an. Eine wahre Membran scheint aber sämmt- lichen größeren Ganglienzellen im Herzen der Thiere eigen zu sein; so findet wenigstens BERGER eine an den Ganglienzellen im Herzen des Flusskrebses und DoGIEL u. A. haben es bekanntlich an denen der Wirbelthiere gefunden. An- dererseits findet aber E. HERMANN (»Das Centralnervensystem von Hirudo medi- cinalis« München 1875. pag. 35—40) beim Blutegel, dass eine Membran den Ganglienzellen der Centraltheile stets abgehe, während er eine solche an den sympathischen Ganglienzellen des Darmes immer konstatiren konnte. R. ARNDT hat eine Membran an den Ganglienzellen des Nervus sympathicus der Vertebra- ten aufgefunden (»Untersuchungen über die Ganglienkörper des Nervus sympa- thieus« Arch. f. mikr. Anat. Bd. X. pag. 231). Es scheint mir demnach wahrscheinlich, dass eine Membran hauptsächlich den Ganglien- zellen des sympathischen Nervensystemes zukommt. 2 J. Docier, »Die Ganglienzellen des Herzens bei verschiedenen Thieren und bei Menschen«. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XIV. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 71 Ich habe mich auch 6fter überzeugen können, dass solche Nervenfäden immer zum Kernfortsatze der Endzellen wurden. Hiefür sprechen auch Flächenbilder, welche ausnahms- weise die Verhältnisse dieser Endzellen sehr gut zeigten (Fig. 21). Auf solehen Präparaten erkannte ich auch, dass der Protoplasmafortsatz der Endzelle sehr bald an einen Muskelkern trat und mit demselben sich vereinigte (Fig. 212). Dieses bestimmt mich, die in Rede stehenden Ganglien- zellen als »Endzellen« zu bezeichnen. Freilich war das weitere Ver- halten des Fortsatzes zum Kerne bei der Subtilität des Objektes nicht eruirbar. An dem abgebildeten Präparate konnten dagegen mehrere soleher Endigungen erkannt werden. Ob zwischen Endzellen wirk- liche Anastomosen vorkommen, muss ich mit Bestimmtheit verneinen und möchte in jenen Gebilden nur einen Vermittler motorischer Nervenendigung erblicken. Die zahlreichen Endzellen lagern theils vereinzelt auf Muskelbündeln oder zwischen solchen und dann öfter zu vier bis fünf in einer Gruppe vereinigt (Fig. 21). Die zweite Art der Ganglienzellen im Herzen sind jene, die ich als Verbindungszellen bezeichnete (Fig. 24). Es sind kleine, bei Turbo rugosus 0,072 mm messende Gebilde, meist von dreieckiger Gestalt, dann tripolar, in anderen Fällen auch quadripolar. Ihr Zell- leib ist ähnlich dem der Endzellen von Pigmenttropfen durchsetzt. Der einzige Kern ist klein und enthält ein glänzendes Kernkörperchen. Die Ausläufer der Zelle sindnur»Protoplasmafortsätze«. Eine Membran um diese Zellen konnte ich nie wahrnehmen und glaube eine solche mit Bestimmtheit leugnen zu können. Die Größedifferenz zwischen diesen Zellen und den Endzellen tritt am prägnantesten an Flächenpräparaten hervor (Fig. 212’). Eben so, wie in den Knotenpunkten peripherischer Nervennetze bei Mollusken, nehmen auch diese Verbindungszellen innerhalb der Herzwand Kno- tenpunkte ein. Der Unterschied bestünde darin, dass viele dieser Verbindungszellen mit einem ihrer Fortsätze zum Kernfortsatze einer Endzelle werden. Allerdings ist dies nur eine Voraussetzung, da es mir bei den Rhipidoglossen nie gelungen ist, diese Verhältnisse noch ! Obgleich es sich in diesem Falle bewahrheitet, kann ich doch für das centrale Nervensystem wenigstens bei diesen Thieren der SoLgBrig’schen An- nahme nicht beistimmen, nach welcher die Kernkörperfortsätze in allen Fällen zu Nervenfasern werden (l. c. pag. 42), vielmehr kenne ich im Centralnerven- systeme viele Fälle, wo der Kernfortsatz sich mit Fortsätzen (beider Art) an- derer Zellen verband. 72 Béla Haller innerhalb der Herzwand wahrzunehmen. Diese Voraussetzung ge- winnt eine gewisse Sicherheit dadurch, dass es mir an den viel zarteren und für starke Vergrößerungen besser zugänglichen Vor- höfen der Chitonen glückte, das oben angegebene Verhalten mit Sicher- heit zu konstatiren!. Es ist mir dort gelungen, den Zusammenhang einzelner Verbindungszellen mit Endzellen zu konstatiren. Auch bei den Rhipidoglossen war es möglich zu erkennen, dass einzelne der Nervenfäden vorher sich sogar oftmals theilen und sich zu Endzellen begaben (Fig. 24). Solche Fäden dürften ähnlich wie bei Chitonen Fortsätze von Verbindungszellen sein. Wir können nun das Gefundene mit Berücksichtigung der Chi- tonen folgendermaßen zusammenfassen. Es findet sich in der Herzwand, theilweise auf der Herzmuskulatur, theil- weise mit Muskelbündeln verflochten, ein Netzwerk nervöser Natur, dessen Knotenpunkte tri- bis quadri- polare Zellen einnehmen. Letztere können sich dann mit größeren bipolaren Ganglienzellen verbinden, deren »Protoplasmafortsatz« in je einem Muskelkern endigt. Es ist nun zu vermuthen, dass die bekannten Ganglienzellen im Herzen der Vertebraten sich ganz ähnlich verhalten werden ?, wie die Endzellen im Molluskenherzen, und es würde sich der von DOoGIEL bestrittene Kernfortsatz der Ganglienzellen des Wirbelthierherzens doch wohl als richtig ergeben. Sie wiirden mit ihrem Protoplasma- fortsatze in Muskelkernen (Endplatten) enden. Dieses scheint mir um so wahrscheinlicher, als es neuerdings W. WoLrr? geglückt ist, für die sympathischen Ganglienzellen in der Muskulatur der Harn- blase des Frosches den Nachweis zu liefern, dass die Ganglien- zellen mit einem ihrer Fortsätze in den glatten Muskelfasern und sehr wahrscheinlich in deren Kern enden. Es wäre nach alledem ein sehr lohnendes Unternehmen, die Ganglienzellen im Herzen der Vertebraten auf dieses Verhalten hin zu untersuchen. Bekanntlich hat ja bereits W. Krause dort die Existenz von Endplatten behauptet?. 1]. c. pag. 15—17. Fig. 4 und 6. 2 Das Nervennetz hätte allerdings für die Vertebraten keine Geltung, denn solche periphere Gebilde sind Eigenthümlichkeiten der Evertebraten und haupt- sächlich der Mollusken. = lease 4 Citirt nach H. Frey's Lehrbuch der Histologie. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 73 Die Mundhöhle. Das Epithel der Mundhöhle oder doch eines Gebildes, welches innerhalb der Mundhöhle liegt, ist in vielen Fällen als Träger der Organe der Geschmacksempfindung erkannt worden. Die pereipiren- den Endorgane der Geschmacksnerven nennt man »becherförmige Organe« oder auch Geschmacksknospen. Über becherförmige Organe ist bei Wirbellosen nur wenig be- kannt und wenn wir manchmal eine allgemeine Verbreitung dieser Gebilde angedeutet finden, so liegen positive Beobachtungen nur zu wenige vor. Als eine solche ist H. EısıG’s! Entdeckung der becher- förmigen Organe der äußeren Haut in der Nähe der Mundöffnung bei Capitella aufzufassen. An die polychaeten Anneliden würden dann die oligochaeten sich anreihen. A. v. Mossısovics? theilt uns eine Beobachtung F. E. SCHULZE’s mit, welcher zufolge becherförmige Organe am Mundrande bei Lumbricus sich vorfinden sollen. Leider werden wir in beiden Fällen über die genaue Textur dieser Organe der Anneliden nicht weiter unterrichtet. Auch ist das Mundhöhlenepithel nicht weiter untersucht worden, so dass wir heute in Unkenntnis darüber sind, ob jene becherförmigen Organe nur in der äußeren Haut der Lippengegend, ete. sich finden, oder ob sie auch auf das ektodermale Epithel der Mundhöhle sich fortsetzen. Die eigenartigen von Leyvıc entdeckten Sinnesorgane des Kopfes der Hirudineen lassen sich hier, wie selbstverständlich, nicht anreiben. In neuester Zeit hat dann J. W. SPENGEL 3 becherförmige Organe in der Mundhöhle einer schmarotzenden Eunicee: Oligognathus Bo- nelliae beschrieben. Bei Mollusken will Fr. BoLL * becherförmige Organe im Mantel- rand einer nicht weiter bestimmten Species der Gattung Doris, und in der Rüsselspitze von Pterotrachea coronata beobachtet haben. Er giebt an, dass zwischen indifferenten Epithelzellen Bündel von 1H. EısıG, »Die Seitenorgane und becherförmigen Organe der Capitellen«. Mittheilungen der Zoolog. Station in Neapel. Bd. I. 2 A. v. Moysısovics, »Kleine Beiträge zur Kenntnis der Anneliden. I. Die Lumbrieidenhypodermis«. Sitzungsberichte d. Wiener Akad. Bd. LXXVI. 1877. 3 Mittheilungen der Zoolog. Station in Neapel. Bd. III. 4 Fr. Bout, »Beiträge zur vergl. Histologie des Molluskentypus«. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. V. 1869. Supplement. 74 Bela Haller 6—12 diinneren Zellen vorkommen, welche glänzende Spitzen trügen. Leider giebt Bott weiter keine Detailbeschreibung der Elemente dieser Gebilde. Auch erfahren wir von ihm nicht, von welcher Gegend des Mantelrandes seine Schnitte bei Doris entnommen wurden. Es dürfte ja leicht möglich sein, dass diese Gebilde auch bei Doris in der nächsten Nähe der Mundöffnung liegen. Borr's Befund, so werthvoll er Anfangs erscheint, wird einer Kontrole zu unterziehen sein, nicht betreffs des Vorhandenseins becherförmiger Organe der Nacktschnecken, sondern betreffs der Lagerung dieser Gebilde. Uber die becherförmigen Organe der Placophoren habe ich selbst berichtet!, dass sie im Epithel des Mundbodens vorkommen und habe gezeigt, dass diese Sinnesorgane, ähnlich denen der Wirbelthiere, aus zweierlei Zellen gebildet werden: aus langen Sinneszellen, mit basalem Kerne und heller Sinnesnadel, welche nach einer Seite sich verbog; dann aus Zellen, die dieser Nadel ermangeln und deren Körper blasser erschien. Ich sagte dort, dass diese letzte Zellenart die Sinneszellen nicht mantelartig umgiebt, sondern zwischen ihnen liegt. Diesem bei Chiton erwähnten Befunde reihen sich betreffs des histologischen Baues die becherförmigen Organe der Rhipidoglossen an. Bevor ich auf diese Organe weiter mich einlasse, soll eine An- gabe H. Sturotu’s? erwähnt werden. Dieses bloß aus dem Grunde, weil unrichtige Auffassung der Thatsachen Konfusion anzurichten pflegt. Sımkorn beschreibt in der Mundwand von Helix ein »Ge- schmacksepithel«, ohne jedoch etwas von becherförmigen Organen gesehen zu haben. Wenn wir auch heute nicht mehr behaupten können, dass der Geschmackssinn im Thierreiche sich ausschließlich auf das Mundepithel beschränkt, da wir ja becherförmige Organe auch außerhalb der Mundhöhle, jedoch in nächster Nähe der Mund- öffnung, kennen (Barteln der Knochenfische, Kopf der Capitella, Schnauzenspitze der Pterotrachea) , so können wir doch mit einiger Sicherheit die becherförmigen Organe als Geschmacksorgane an- sprechen®. Wo wir also Geschmackssinn behaupten, müssen becher- ' B. HALLER, »Die Organisat. d. Chitonen d. Adria«. Zweite Studie. Ar- beiten aus dem zoolog. Institute zu Wien. Bd. V. 2 H. SIMROTH, »Die Sinneswerkzeuge der einheimischen Weichthiere«. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. XXVI. pag. 323. 3 Es wird wohl noch abzuwarten sein in wie weit sich JuLıus BLAUE’s Fund Über den Bau der Nasenschleimhaut bei Fischen und Amphibien.« Vor- läufige Mittheilung. Zoolog. Anzeiger. Jahrg. 1882. Nr. 127), dass bei Fischen Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. 1. 75 förmige Organe » Geschmacksbecher« mit den zwei, ihnen bei Wirbelthieren (wo genauer bekannt) wie Evertebraten eigenen Zellenarten nachzuweisen sein. Sımrorw’s Worte, aus welchen zu entnehmen sein wird, in wie fern er berechtigt ist, nach seinen Beobachtungen von einem Ge- schmacksepithel bei Pulmonaten zu reden, lauten wie folgt: »Das Epithel besteht aus zweierlei Zellen, welche das weißliche Aussehen der Membran zur Genüge erklären. Sie lassen sich auf eine gemeinschaftliche Form zurückführen ; das ist eine gewöhnliche Cylinderzelle mit den mehrerwähnten Füßen, mit einem Kern, meist unterhalb der Mitte und einem Kernkörperchen; der prineipielle Un- terschied ist bloß der, dass die meisten dieser Zellen ein blasses Protoplasma haben, während in anderen das von der Haut her be- kannte, goldgelbe Pigment in reichlichem Maße abgelagert ist; je weiter wir uns von dem Mundeingange nach dem Innern entfernen, um so mehr überwiegen die hellen Zellen über die gelben.« Weiter unten spricht der Autor von »Terminalkörperehen« in- nerhalb des subepithelialen Gewebes. Diese sind längliche Kerne, die dem diehten Netzwerke ohne Ganglienzellen, an- und aufliegen sollen. Solche »Terminalkörperchen« sollen distal sich oft in feine Fäden verlängern, die frei zwischen Epithelzellen liegen. Diese Fäden sollen sich oft theilen oder mit solchen benachbarter Körperchen vereinen. Zum Beweis, dass diese fadenförmigen Enden der »Terminalkörperchen« zwischen Epithelzellen liegen, giebt Sim- ROTH eine Abbildung in Figur 34. Hier reichen solche vermeintliche Terminalkörper mit ihren Endfäden bis zum Niveau einer kurzen Epithelzelle. Wer sich jedoch dieses Bild genauer beschaut, dem wird wohl klar sein, dass die Epithelzelle nicht ganz erhalten ist, dass wir vielmehr ein Artefact vor uns haben. Ihr basales Ende ist abgerissen. Solche lange Zellen indifferenter Natur, mit distalwärts gelegenem Kerne sind mir bei den untersuchten Mollusken recht wohl bekannt. Die vermeintlichen Terminalkörperchen sind aber wohl nichts Anderes, als stark geschrumpfte Epithelzellen mit basalem und Amphibien auch in der Nasenschleimhaut becherförmige Organe vorkom- men, bestätigen wird. Vor Allem muss der Nachweis geliefert werden, dass die äußerlich (auf dem Querschnitte) als becherförmige Organe erscheinenden Gebilde auch wirklich Sinnesorgane sind, und nicht etwa Gruppen epithelialer Drüsenzellen, wie ich dieses bei Mollusken (s. weiter unten) antraf, vorstellen und, wenn sie ersteres sind, wirklich aus den zwei typischen Zellenarten becherför- miger Organe bestehen ! 76 Béla Haller Kerne; welcher Zellenart sie aber angehören, lässt sich nach der Abbildung nicht entscheiden. Mit dieser Auseinandersetzung will ich durchaus nicht bestreiten, dass den Pulmonaten kein Geschmackssinn zukomme, bin im Gegen- theil der Meinung, dass sich auch hier becherförmige Organe auf- finden lassen werden; meine Aufgabe war nur eine auf kritiklose Beobachtungen gegründete Behauptung zurückzuweisen. So weit reicht, so viel mir bekannt, die Kenntnis über becherförmige Organe Wirbel- loser !. Ich schreite nun zur Beschreibung dessen, was der Titel dieses Kapitels angiebt. Öffnet man den Munddarm unserer Thiere von oben, indem man mit einem scharfen Sealpell die Kopfhaut und das ihr anliegende Dach durch einen medianen Längsschnitt durchschneidet, so bekommt man die Konfiguration der Mundhöhlenschleimhaut in schönster Weise zur Sieht. Der Schnitt muss dabei selbstverständlich auch die Lippen von oben durchschnitten haben (Fig. 26). Die Konfiguration der Schleimhaut stimmt bei allen von mir hier untersuchten Formen derart überein, dass ich mich auf die Beschreibung bei Fissurella costaria beschränken kann. Man sieht die von der äußeren Haut auf die inneren Lippen sich umbiegende Schleimhaut in zwei hinter einander gelegene Regionen getheilt (2, 2); dabei nehme ich an, dass die Lippe nach innen und unten sich bis zu dem hinteren Rande der wulstförmigen Erhaben- heit (7) erstreckt und somit mit ihr endet. Diese Erhabenheit ist der Ausdruck eines höheren Epitheliums. Sie bildet einen nach oben auf dem Dache geschlossenen Halbring, dessen Schenkel auf dem ! Dass ein Geschmackssinn den Arthropoden zukommt beweist der feine Geschmack vieler höherer Krebse und der der Insekten. Schon O. J. B. WOLFF »Das Riechorgan der Biene etc.« Nova Acta Leop. Carol. Bd. XXXVIII) weist auf den Nervenreichthum der herzförmigen Platte (Hypopharynx?) im Munde vieler Insekten hin. Ich habe versucht von diesem Hypopharynx einiger Or- thopteren (Truxalis, Acridium) Schnitte zu machen und fand am Grunde die- ses Gebildes Gruppen von Zellen, die ganz denen der becherförmigen Organe glichen. Ihre Zellen waren höher als die anderen; ihr oberes Ende lag in der Cutieula selbst. Seitdem sind zwei Jahre verflossen und ich musste in Anbetracht meiner anderen Studien es aufgeben diese Frage weiter zu ver- folgen, obgleich ich überzeugt bin, dass ich damals die becherförmigen Organe von Truxalis und Acridium vor mir hatte. Meine wenigen Präparate sind mir leider abhanden gekommen, so dass ich heute meinen Befund nicht zu kontro- liren vermag. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 77 Mundboden durch eine seichte Längsfurche von einander getrennt sind (7). Die Oberfläche zeigt an den Lippenwülsten feine Längsfalten, welche an dem vorderen, in die äußere Haut über- gehenden Theil der Lippen (x) spärlicher werden. Die Längswülste der erwähnten Furche (Lippenfurche 7) gehen, sie begrenzend, nach hinten zwischen den Lippenwülsten in die hinter der Lippe ge- legene Schleimhaut über. Wir werden dieser jederseitigen Falte noch gedenken. Bei Turbo rugosus zeigt sich in Bezug auf die Lippenwiilste einige Verschiedenheit von Fissurella. Die Lippen- wülste sind nämlich nach unten und innen breit, verjüngen sich dann nach außen und oben zu. Auf dem Dache, wo sich die jederseitigen Wiilste vereinen, sind sie nur sehr schmal. Auf diese Weise haben sie nach unten jederseitig eine dreieckige Form, mit nach unten ge- kehrter Basis. Das Epithel der Lippe ist ein eylindrisches und führt ein, stellenweise auch der äußeren Haut zukommendes, orangegelbes Pigment; die Zellen flimmern aber nicht. An den Wiilsten ist das Epithel fast um die Hälfte seiner gewöhnlichen Länge höher. Hier findet man zerstreute FLemMmInG’sche Pinselzellen, deren Sinnesborsten eine mittlere Höhe erreichen und die Cuticula durchsetzen. An dem vorderen Lippentheile (m) ist die Cuticula sehr dick, wird dann auf den Wülsten bedeutend dünner. Hinter dem jederseitigen Lippen- wulste, nach außen und oben vom Mundboden, liegt jederseits ein Kiefer (A). Die schon erwähnte Rinne im Boden der Lippenschleimhaut führt zum Boden der Mundhöhle (w). Dieser wird lateralwärts jederseits von Längsfalten begrenzt; in die innersten dieser Längsfalten setzt sich die jederseits die Rinne begrenzende Falte der Lippen fort (s. Abbldg.). Die so den Mundboden begrenzenden Falten divergiren nach hinten und treffen nach außen und hinten auf Querfalten , die vom Subradularhöcker (rw) herlaufen. Auf diese Weise gewinnt der Mundboden eine dreieckige Form, wobei er nach vorne im Scheitel- winkel, in die Lippenrinne sich öffnet, Hinten wird der Mundboden medianwärts vom unteren Rande des Subradularhöckers und lateral jederseits von den erwähnten Querfalten begrenzt. Das gesammte Epithel der Mundhöhlenschleimhaut führt gold- gelbes Pigment, erscheint somit gelb, während der Mundboden dieses Pigmentes ermangelt und eine graulichweiße Farbe zeigt. Hierdurch wird der Mundboden noch schärfer abgegrenzt. Wir haben in seinem Epithel eine drüsige Oberfläche vor uns, eine energisch secernirende Drüse ohne Flächenvergrößerung durch verschiedene Einsackungen. 78 Béla Haller An Querschnitten erkennt man das Epithel aus hohen und schmalen Zellen gebildet (Fig. 37): sie sind jedoch nicht alle gleich hoch, son- dern auf dem Querschnitte wechseln höhere Berge und enge, niedere Thäler. Wo die Zellen am höchsten sind, stellen sie auch die höchste Epithelformation der Mundhöhlenschleimhaut vor. Die einzelnen Zellen, deren Körper überall gleichmäßig granu- lirt ist, sind, wie schon erwähnt, äußerst schmal. Ihr stets kleiner runder Kern hat in den einzelnen Zellen eine verschieden hohe Lage. Oft liegt er am basalen Ende des Zellkörpers oder doch dem- selben genähert; andere Male liegt er im distalen Ende oder doch distalwärts. Öfter nimmt er auch die Mitte des Zellleibes ein. Durch diese verschieden hohe Lagerung des Kernes erscheint das Epithel an diekeren Schnitten mehrschichtig, doch zeigen dünne Schnitte, dass dieses nur scheinbar der Fall ist und dass zwei über einander gelagerte Zellen nur selten sich vorfinden. Solche Vorkommnisse halte ich für junge, aus Quertheilung hervorgegangene Zellen, wie sie ja’ bei Drüsenepithelien vielfach erkannt wurden; es sind Ersatzzellen. Eine Cuticula über den Zellen fehltstets; auch Wimperhaare besitzen sie nicht. Auf das Epithel folgt nach innen eine dünne Grenzmembran und die mit dem Körperboden des Kopfes vielfach verwachsene Muskelschicht!. Ich habe die Reaktion der einzelnen Distrikte der Schleimhaut öfter mit möglichster Sorgfalt geprüft und fand die Reaktion des Mund- bodens stets sauer, während die Lippen neutral, die Lateralpolster (Zw), welche die Mündung der Bucealdriisen bergen, stets alka- lisch reagirten. Die hinter den Lippenwülsten gelegene und medianwärts den Mundboden begrenzende Schleimhaut ist der Hauptrichtung nach längs- gefaltet, nur die vor den Kiefern gelegene Partie schien quergefaltet und grenzte nach unten an die bereits erwähnten, die Rinne am Mundboden begrenzenden Längsfalten. Ich will sogleich erwähnen, dass diese mit Z bezeichnete Gegend die becherförmigen Organe birgt. Wir wollen sie, im Gegensatze zu den die obere Lateralwand des Munddarmes bildenden Lateralpolstern, die untere Lateralwand nennen. Sie setzt sich nach hinten, in der Gegend, wo die Radular- ' Ganz ähnliches Epithel, welches jedoch die laterale Mundwand und die Bucealdriisen bildete, fand ich bei Chitonen (Organisation der Chitonen der Adria«. II. Studie). Die Reaktion ist mir hier unbekannt. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 79 scheide in den Ösophagus umbiegt, in den Osophagus fort. Nur bis zu dieser Stelle soll sie den erwähnten Namen führen. Die obere Lateralwand nannten wir eben»Lateralpolster«(lw). Es ragt in Form eines langen Wulstes von vorne nach hinten in die Mundhöhle vor; seine erhabene Form rührt lediglich von den es bil- denden hohen Epithelzellen her. Es hebt sich sowohl von der unteren Lateralwand als dem Munddache (d) gegenüber scharf ab. Nach vorne hinter dem Kiefer geht es, allmählich niedriger werdend, ohne Grenzen in die übrige Schleimhaut über, so, dass sein Anfang weiter nicht bestimmbar ist. Seine Oberfläche ist längsgefaltet und in der zweiten Hälfte seiner Länge nimmt es die Mündung der bei Fissu- rella mächtig entwickelten Buccaldriise auf (ö)!. Nach hinten, und weit hinter dieser Mündung, geht es, eben so wie vorne, ohne Gren- zen in die Schleimhaut des Ösophagus über. Sein Epithel ist sehr hoch und durch lebhafte Flimmerung ausgezeichnet. Zwi- schen den indifferenten Flimmerzellen mit dünner Cuticula, finden sich vereinzelte Becherzellen. Die Höhe der einfachen Zellenschicht variirt zwischen 0,42 —0,94 mm, woraus geschlossen werden kann, dass neben den größten alle möglichen Übergänge bis zu den kleinsten Zellen vorkommen und dass auf diese Weise die Furchen der Lateralpolster ganz konstante sind. Der Kern der Flimmerzellen liegt in verschiedener Höhe im Zellleibe und man findet auch Zellen mit distal gelegenem Kerne. Auf dieses Epithel folgt eine dünne Muskelschicht. Wenn man frisch aus dem Thiere genommene La- teralpolster mit dem Mikroskope unter schwachen Systemen besieht, erkennt man, dass sie von einer etwas zähen schleimartigen Masse überzogen sind; dieser Überzug ist das Sekret der Buccaldrüsen ! Die Buccaldrüsen habe ich auf ihre histologische Struktur nicht unter- sucht. Ich gedenke dieses in Form einer vergleichenden Arbeit und zwar bei möglichst vielen Vertretern der Gastropoden später einmal mit mehr Erfolg thun zu können. Hier möge über ihre äußere Form, bei den untersuchten Thie- ren, Einiges mitgetheilt werden. Bei Fissurella besteht jederseits eine große, doch sehr lockere acinöse Driise; ihre Acini sind oft sehr lang und schmal. Ein Ausführungsgang ist äußerlich nicht sichtbar, da er, wie bei allen ursprünglicheren Drüsen, äußerst kurz ist. In letzter Beziehung schließt sich Haliotis der ersten Gattung an; bei ihr jedoch ist die Drüse unansehnlicher, weniger verzweigt und die einzel- nen Acini sind breiter und platt. Die ganze Drüse ist wie abgeplattet und etwas fettglänzend. Bei den Trochiden ist das Buccaldrüsenpaar, im Gegensatze zu den Angaben älterer Autoren, zu erkennen, doch ist es hier auf einzelne Acini reducirt. Gleich den Zeugobranchiern fehlt auch hier.ein längerer Ductus ex- eretorius. 30 Bela Haller (auch schlechthin Speicheldrüsen der Autoren). Das Sekret reagirt, wie erwähnt‘ wurde, alkalisch. Nach oben folgt auf die Lateralpolster das Munddach, dessen Epithel zu anderen Theilen der Mundwand an Höhe bedeutend ab- nimmt und sogar kubisch erscheinen kann. Es flimmert nicht. Unter dem Beginne der Radula und medianwärts von den Buc- ealknorpeln gewahren wir eine höckerförmige Bildung der Schleim- haut (rw), deren ich schon früher unter dem Namen des »Subra- dularhöckers« kurz gedacht habe. Dies ist eine Einstülpung der Schleimhaut nach innen und ist eine ganz konstante Bildung, wie durch ihre Unterlage, die Grenzmembran und die starke Mus- kelschieht bezeugt wird. An ihrer Oberfläche zeigen sich viele Querfurchen, wie sie die Abbildung am besten vergegenwärtigt. In Mitte des Höckers sieht man, bei Fissurella wenigstens, eine stärkere Furche, welehe ihn in einen hinteren oberen und vorderen unteren Abschnitt zerlegt. Diese Furche fehlt sowohl bei Haliotis wie bei den Trochiden. Das Epithel des Höckers ist ein hohes, eylindrisches und wimperloses mit einem etwas dickeren cuticularen Über- zuge. Die einzelnen Zellen führen das schon erwähnte gelbe, kör- nige Pigment. Zwischen diesen Zellen kommen nur noch Becher- zellen vor, die innerhalb der Mundhöhle, mit Ausnahme des Bodens derselben, gleichmäßig vertheilt sind. Andere Zellenarten, etwa Sinneszellen, welcher Art sie sein mögen, fehlen am Subradularhöcker. Zwei Nerven, die ich bei Beschreibung des Nervensystemes mit dem Namen »Subradularnerven« belegt hatte, treten von hinten zu diesem Höcker, ohne zuvor in Ganglien überzugehen. Es ist nun die Frage, wie eigentlich der Subradularhöcker sei- ner Funktion gemäß aufzufassen sei. Die Antwort wäre nicht leicht zu geben, wenn die Chitonen! nicht einen Fingerzeig böten. Bei diesen Thieren findet sich an einer dem Subradularhöcker entspre- chenden Stelle, ein eigenartiges Sinnesorgan, welches vielleicht auch bei Patellen anzutreffen sein wird. Zwei aus dem unteren Theile des Schlundringes entspringende Nervenstränge treten von hinten zu diesem Sinnesorgan, nachdem sie sich in ein Paar dem Sinnesorgan von hinten anliegende Ganglien einsenkten?. Diese Ganglien ver- sorgen das Sinnesorgan. Dieses ist, wie ich in genannter Schrift . II. Studie. pag. 5. I. Studie. pag. 6. — Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. si angab, eine Einbuchtung der Schleimhaut von ganz konstanter Form. In den Einzelnheiten auf jene Arbeit über Chiton verweisend, sei hier nur erwähnt, dass das Subradularorgan aus dreierlei Zellenarten zusammengesetzt ist. Erstens aus wirklichen Sinneszellen mit Sin- neshaaren; dann aus Zellen, deren pereipirende Bedeutung nicht er- wiesen werden konnte und schließlich aus indifferenten Wimperzellen mit Einlagerungen von gelbgrünen Pigmentkérnchen. Ich habe nun nachgeforscht ob jüngeren Formen, wie es die Doliiden und Mu- rieiden sind, ein Subradularhöcker und jener Nery, den ich bei Rhi- pidoglossen als Subradularnerv benannte, zukömmt. Ich konnte mich überzeugen, dass dieses nie der Fall ist. Meiner Ansicht nach könnte man nach dem Mitgetheilten den Subradularhöcker wie folgt erklären. Das Subradularorgan der Pla- -cophoren und Patellen (?) repräsentirt Nervenenden eines uns der Funk- tion nach weiter nicht bekannten Sinnesorganes, welches bei fortschrei- tender Stammesentwicklung durch den Nichtgebrauch aufgehoben wurde. Mit diesem stufenweisen Abgange der Funktion hat sich bei Rhipidoglossen zwar ein Rest des Subradularorganes im Subradular- höcker erhalten, doch fehlen bereits Sinneszellen wie auch die Subra- dularganglien. Bei den jüngeren Prosobranchiern ist selbst der Höcker geschwunden und auch der bei Rhipidoglossen vorhandene Subradular- nerv ist nicht mehr nachweisbar. | Dieser Erklärung stellt sich nur ein scheinbarer Einwurf ent- gegen. Man könnte nämlich sagen, dass mit dem Aufhören der pereipirenden Nervenendigungen innerhalb des Subradularorganes sich nicht bloß die Ganglien rückbilden mussten, sondern auch die zu ihnen tretenden zwei Commissuren und wir dann bereits bei Rhipidoglossen keine Nerven mehr antreffen können. Dieser Ein- wurf ist jedoch zurückzuweisen, denn ich habe in meiner Abhand- lung über Chiton erwähnt, dass aus der Commissur zu den Subra- dularganglien, bevor sie in diese eintreten, je ein Nerv zu einem unpaaren halbmondförmigen Wulste von Flimmerepithel abgeht!. Wenngleich nun der Flimmerwulst in seiner früheren Gestalt sich bei Rhipidoglossen nicht nachweisen lässt, so ist es immerhin mög- lich, dass er in dem, der nächsten Nachbarschaft des Höckers an- grenzenden Flimmerepithel, welche Gegend ich auf Fig. 26 mit z bezeichnete, noch enthalten ist. Man könnte also auf obigen Ein- wand erwiedern, dass das Subradularganglienpaar sammt seinen Il. e. I. Studie pag. 6. und II. Studie. Morpholog. Jahrbuch. 9. 6 82 Béla Haller zwei Commissuren sich zwar riickgebildet habe, der Nerv jedoch, der von der Commissur abtritt sich in Form des Subradular- nerven erhielt. Ich will nun zur Beschreibung der unteren Lateralwand, also desjenigen Theiles der Mundhöhlenwände übergehen, welcher die Endigungen der Geschmacksnerven, die beeherförmigen Organe, in sich birgt. Nachdem ihrer äußeren Erscheinung schon gedacht ward, soll nur über ihre histologische Zusammensetzung gesprochen wer- den. Ihr Epithel ist eylindrisch und von etwas variirender Höhe; iiber den Zellen liegt eine mäßige Cuticula. Diese Zellen flim- mern nicht, erst an den Lateralpolstern beginnt die Flimmerung. Der Zellkörper umschließt einen im unteren Drittel gelegenen läng- liehen Kern. An Serienschnitten von genügender Dünne erkennen wir zwischen den indifferenten Zellen die Geschmacksbecher oder beeherförmigen Organe eingeschaltet (Fig. 27 u. 28). Wie viele solcher Organe auf jeder Seite vorhanden sind, kann ich mit voller Sicherheit nicht angeben, doch kann ich nach Serien- schnitten mit Gewissheit behaupten, dass ihre Zahl 14 nicht über- schreitet!. Manchmal liegen sie weit aus einander und vereinzelt (Fig. 27), ein anderes Mal zu zweien und dreien näher an einander gerückt (Fig. 28). Überhaupt scheint in ihrer Lagerung keine Re- gelmäßigkeit ausgesprochen zu sein. Sie finden sich in der Mundhöhle? nur an der angegebenen Stelle und erstrecken sich etwa von der Kie- fergegend bis zu jener Stelle, wo der Mundboden endet. Ich habe ihren Distrikt auf Figur 26 mit Z bezeichnet. Ist die betreffende Stelle, an der becherförmige Organe liegen, in ausgedehntem Zustande gehärtet worden, wie in Fig. 27 links, so sieht man die oberen Enden der Geschmacksbecher geräumig. Man erkennt, dass die Cutieula sich nicht über ihre Oberflächen erstreckt, vielmehr am Becherrande allmählich aufhört. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man in den meisten Fällen in gewissen Abständen glänzende, etwas konische und zugespitzte Gebilde aus dem Becher vorragen. Man sieht auch gut, dass nicht alle Zellen des Bechers jene Sinnesnadeln tra- gen, dass vielmehr nur jede zweite Zelle solche besitzt. Die schön ovoiden Kerne der Zellen liegen im unteren Theile des Zellkörpers, ! Im Verhältnisse zu jener der Chitonen jedenfalls eine beträchtliche Zahl. 2 Wie das Kapitel über die Seitenorgane beweist, ist mir die äußere Haut bekannt; ich kann mit Gewissheit behaupten, dass außerhalb der Mundhöhle bei unseren Thieren keine becherförmigen Organe vorkommen. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 83 und in ungleicher Höhe. Der ganze Becher zeichnet sich dabei von seiner Umgebung durch eine gewisse Helle aus, und seine Zellen sind pigmentlos. Die Höhe der Geschmacksbecher variirt bei Fissurella zwischen 0,32—0,36 mm; die höchsten sind bei Haliotis 0,39 mm. Es trifft sich, wie unsere Abbildung darstellt, dass die Becher mit den umgebenden Zellen gleiche Höhe einhalten: doch kann man auch zwischen sehr hohen Zellen relativ kleine Sinnesbecher eingeschal- tet sehen. Daraus geht hervor, dass die Becher eine gewisse Höhe nicht überschreiten. Die Becher liegen manchmal wie in Gruben zwi- schen sehr hohen Epithelien (Fig. 28). Oft scheinen, wie ich dieses zu wiederholten Malen sah, die Becher bei eingetretener Faltung der Schleimhaut sich etwas nach oben zu verengen, wie dieses in Fig. 27 rechts dargestellt ist. Isoliren wir frisch aus dem lebenden Thiere genommene Epithel- flächen der unteren Lateralwand in einem Gemisch von Glycerin, Essigsäure und Überosmiumsäure, welches mit etwas Wasser verdünnt wurde, so gelingt es öfter die Elemente der Geschmacksbecher ne- ben einander, doch getrennt von einander, anzutreffen. Wohl am besten zu solchen Präparaten eignet sich wegen der größeren Ele- mente, Haliotis. Solche Isolationspräparate, die selbstverständlich im frischen Zustande untersucht werden sollen, bestätigen die an Querschnitten gehärteter Objekte gewonnenen Resultate. Wir erkennen nämlich, dass die Geschmacksbecher aus zweierlei Elementen, ähnlich jenen der Vertebraten, zusammengesetzt sind (Fig. 30 a). Die einen dieser Zellen, die Sinneszellen, sind lange, mehr oder weniger schmale Gebilde mit ovalem, großen Kerne, welcher den basalen Ab- schnitt des Zellleibes einnimmt. Schrumpft der Zellleib nach län- gerem Liegen in der Macerationsflüssigkeit und nimmt er die Form eines Fadens an, so erscheint der Kern wie ein Knoten innerhalb des Fadens. Der glänzende Kern ist granulirt und in keinem Falle konnte ich, wenngleich ich aufmerksam danach forschte, ein deutliches Kern- körperchen auffinden. Das distale Ende des Zellleibes ist abgestutzt und der schon erwähnte Sinnesfortsatz, die »Sinnesnadel«, sitzt ihm hier auf (Fig. 30 a 6, Fig. 25). Diese ist glänzend und von ko- nisch zugespitzter Gestalt, wobei sie, ähnlich wie es F. E. Scuurze! für die gleichnamigen Zellen der Wirbelthiere beschreibt, nach der 1 „Über die Geschmackspapillen der Froschlarve.« Arch. f. mikr. Anatomie. Ba. VI. 84 Béla Haller einen Seite etwas gekriimmt ist s. Abbldg.). Ich glaube nicht anneh- men zu können, dass dieser Fortsatz im Leben länger wäre und erst durch den Einfluss der Reagentien sich verkürzte, indem er theilweise aufgelöst wurde. Eine solche Auflösung resp. Zerfall in Kügelehen beobachtete H. Eısıs an den Sinneshaaren der Sei- tenorgane der Capitellen und ich an gleichen Organen unserer Sehneeken. Eine solche Annahme ist aber in dem in Rede stehen- den Falle nicht zulässig, denn ich konnte niemals beobachten, dass eine der Sinnesnadeln länger gewesen wäre, im Gegentheil waren alle stets gleich lang; sollte nun der erwähnte Einfluss der Reagen- tien auch hier statthaben, so müsste man annehmen, dass die Sin- nesnadeln nicht immer von gleicher Länge anzutreffen seien. je nach der Einwirkung des Reagens, was, wie wir sahen, nicht der Fall war. Andererseits würde aber auch die verbogene Form der Nadel gegen eine größere Länge plaidiren. Der Zellkörper oberhalb des Kernes ist gleich breit, etwas hell, ohne Granulation!. F. E. ScuuLzE berichtet, dass der Zellkörper oberhalb des Kernes bei den Geschmacksbechern in der Mundhöhle von Amphibienlarven nicht gleichmäßig lichtbrechend sei, sondern dass auf ein weniger lichtbrechendes Stück ein gleich großes von stärkerer Lichtbrechung folge ete.; mir glückte es nicht bei die- sen Sinneszellen der Mollusken ein solches Verhalten zu beob- achten. Der Zellleib unterhalb des Kernes verjüngt sich in einen an Macerationspräparaten mehr oder weniger längeren, in den meisten Fällen varicésen Faden. Es trifft sich jedoch auch, dass dieser Ner- venfaden nicht varicös ist, sondern dass er glatt und bandartig sich darstellt. Der in der Flüssigkeit flottirende Faden kann dann in manchen Fällen noch im Zusammenhange mit einer Ganglienzelle angetroffen werden (Fig. 25). Nur selten habe ich erkennen kön- nen, dass der Nervenfaden nicht mit dem Körper der Epithelzelle, wie dieses die meisten Objekte vortäuschen, verschmolz, sondern bis zum unteren Ende des Kernes innerhalb des Zellleibes verlief Fig. 30 5). Die Grenzmembran unter den Sinnesbechern ist durch- löchert und bei sorgfältiger Beobachtung gewahrt man auch an Schnitten, dass je ein Nervenfaden durch eine solche Öffnung zur Sinneszelle tritt. In manchen Fällen konnte ich an sehr dünnen ! Allerdings habe ich nur mit einer vorzüglichen Wasserimmersion , ReI- CHERT System Nr. XI Oc. 2, beobachtet. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. s5 Schnitten selbst den Zusammenhang mit Ganglienzellen erkennen, welchen man an Macerationspräparaten selten sehen wird, da bei der Feinheit des Objektes, selbst bei noch so vorsichtigem Auspinseln, die Ganglienzelle abreißen wird; nur in zwei Fällen gelang es mir auf diese Weise die Epithelzelle mit der Ganglien- zelle zusammenhängend zu erhalten. Den einen Fall bildete ich in Figur 25 ab; hier lagen zwei Ganglienzellen, von welchen die obere tripolar, die untere bipolar war, über einander. Sämmtliche Fortsätze der Ganglienzellen waren sog. Protoplasmafortsätze. Die zwei oberen Fortsätze der oberen Zelle verbanden sich je einer mit je einer Sinnesepithelzelle. Somit versorgte eine Ganglienzelle zwei Epithelzellen. Die Ausbreitung der Nerven unter dem Epithel ist mir nur auf Querschnitten bekannt geworden. Man sieht öfter Ganglienzel- len sowohl unter den Sinnesbechern, wie auch an anderen Orten im subepithelialen Gewebe und zwischen den Muskelbündeln liegen (Fig. 27, 31); man erkennt, dass viele unter ihnen mit einander ana- stomosiren (4). Auch bemerkt man manchmal feinere Nervenfäden län- gere Strecken hindurch verlaufen und dann sich theilen. Zwischen kleineren Zellen finden sich auch größere. In Fig. 31 bildete ich aus der Nähe einer Bechergruppe einen Fall ab, wo vier Ganglienzellen mit einander verbunden waren und eine andere frei daneben lag. Wenn uns nun auch Querschnitte nicht das volle Bild wie Flächen- präparate gewähren, so glaube ich aus dem Mitgetheilten doch ent- nehmen zu dürfen, dass die feinen Aste der Geschmacksnerven in der unteren Lateralwand einen Plexus bilden, dessen Knotenpunkte Ganglienzellen einnehmen. Aus Ganglienzellen treten Fortsätze zu den Sinnesepithelien, wie die direkte Beobachtung lehrt. Es wird bier wohl ein ähnlicher Nervenplexus vorliegen, wie ich an Flächen- präparaten aus den subepithelialen Lagen des Subradularorganes der Chitonen beschrieben habe!. Solche periphere Nervenplexusse mit eingestreuten Ganglienzellen werden aber bei den Mollusken überall zu finden sein, wo sensible oder selbst motorische Nerven- endigungen statthaben; sie sind nicht die Endigungen selbst. son- dern aus ihren Ganglienzellen treten Fortsätze zu jenen. Ich will nun die andere Zellenart der Geschmacksbecher. die Stützzellen, besprechen. Sie sind ähnlich den Sinneszellen lange Cylinderzellen mit abgestutztem distalen Ende. welches keine Sinnes- 1}. e. II. Studie pag. 18. Fig. 58, 59. S6 Béla Haller nadel trägt. Der ovale, dem einer Sinneszelle durchaus Ähnliche, Kern liegt basalwiirts. Der unter dem Kerne gelegene Zellkérper verlängert sich noch ein wenig, um dann, ohne zuvor in einen Nerven- faden überzugehen, ausgezackt zu enden (Fig. 30 a). Mit diesen Aus- zackungen sitzen die Zellen in der Grenzmembran fest. Der Zell- körper ist weniger hell als der der Sinneszellen, doch im Übrigen jenen gleich. Granulationen sind auch hier nicht zu sehen und auch Pigmentkörnchen fehlen. Frühere Autoren, wenn ich nicht irre auch M. MALBRANC, nehmen an, dass diese Stützzellen die Sinneszellen bei Wirbelthieren mantel- artig umhüllen und nennen sie daher »Mantelzellen«. F.E. SCHULZE hält diese Annahme für unwahrscheinlich. So weit meine Kenntnis über Geschmacksknospen der Wirbelthiere reicht, liegen die Stützzellen, mit diesen in gleicher Zahl, zwischen den Sinneszellen. Durch den Be- fund bei den Mollusken wird letztere Annahme vollends bekräftigt. Wir finden hier, auf Schnitten (Fig. 27, 28), die zwei Zellen- arten im Sinnesbecher gleichmäßig vertheilt. Bei Chi- tonen, wo ich der Geschmacksbecher gleichfalls gedachte, sind die Verhältnisse ähnlich, wie ich es jetzt dargestellt habe, nur ist zu bemerken, dass die Sinnesbecher dort nicht. in der Lateralwand, sondern im Mundboden zwischen indifferenten Flimmerzellen liegen. Ich hätte nun noch eines drüsigen Gebildes in der unteren La- teralwand zu gedenken. Innerhalb des Epithels fallen oft schon auf den ersten Blick den Geschmacksbechern nicht unähnliche Gebilde auf; bei schwachen Vergrößerungen wäre man geneigt, solche für becher- förmige Organe zu halten und so für jene eine bedeutendere Zahl anzunehmen. Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man jedoch, dass die Elemente dieser in Rede stehenden Gebilde breite Zellen sind, die einen kugelrunden Kern enthalten (Fig. 33). Letzter Umstand, so- wie der Mangel von Sinnesnadeln mussten in mir an der Bedeutung dieser Gebilde als Geschmacksorgane Zweifel erwecken. Nach Durch- musterung vieler solcher Gebilde, die oft zu 3 bis 6 unweit von einander liegen, kam ich zu dem Resultate, dass sie drüsiger Natur seien. Ich will sie »Driisenbecher« nennen. Gewöhnlich bilden sie, auf Schnit- ten, 4—6 Zellen. Ich habe aber auch Drüsenbecher gesehen, welche im Längsschnitte bis 17 Zellen zeigten und dann weniger becherförmig waren; in solchen Fällen war die Drüsenfläche groß. Die Höhe des Organes variirt nach der Höhe des betreffenden Epithels, in welchem es liegt, denn wie ich gleich bemerken will, kommen Drüsenbecher nicht nur in der unteren Lateralwand, sondern auch im Dach- Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. S7 epithel vor; besonders ist die über und etwas hinter den Kiefern gelegene Dachwand reich an ihnen, wo ihre Höhe 0,12 mm nicht überschreitet. Sie liegen hier zu 7—S unweit von einander. In der unteren Seitenwand erreichen sie selbst eine Höhe von 0,19 mm. Ihre Elemente sind hohe, breite Zellen mit einem runden großen Kerne, welcher die Mitte des Zellleibes einnimmt. Letzterer ist selbst bei schwacher Vergrößerung granulirt und wird von Karminammo- niak nicht gefärbt; er ist heller wie der der indifferenten Zellen. Sekrettropfen innerhalb des Zellleibes habe ich nicht beobachtet. Ob die über den Zellen gelegene Cuticula durchlöchert sei, ist mir nicht bekannt geworden. Die Drüsenbecher, mögen sie in der unteren Lateralwand oder im Dache liegen, sind stets niedriger als die sie umgebenden Zellen, so dass sie dann in einer Vertiefung liegen (s. Abbldg.). Die untere Lateralwand ist frei von einzelnen »Becherzellen«, doch kommt ihr noch eine acinöse Drüse, welche ich eben besprechen will, zu. Bei Haliotis lagert diese Drüse etwas hinter dem jeder- seitigen Kiefer und mündet in der nächsten Nähe des inneren, hin- teren Kieferrandes (Fig. 38). Bei Fissurella mündet sie etwas weiter nach hinten. In ihrer Form, die ich nach Schnitten erkannte, ist es eine kleine (Haliotis) oder etwas größere (Fissurella) acinöse Drüse mit langem, relativ weitem Ausführungsgange (s. Abbldg.). Da die Muskulatur der Schleimhaut an dieser Stelle bereits innig mit jener der Unterlage verwachsen ist, so liegt die Drüse fest in diesem Ge- webe. Ihre Zellen sind niedrig, fast kubisch, zart, hell, und meist fein granulirt (Fig. 39). Diese Zellen tragen keine Cilien und schmiegen sich fest an einander; auch eine cuticulare Verdickung des Zellleibes fehlt. Der große Kern ist mehr oder weniger rund; ihre Lage ist nicht immer in gleicher Höhe. Eine Grenzmembran wird durch Karmin intensiv tingirt, doch wie weit der Drüse eine selbständige Muskulatur zukommt, konnte wegen der starken Verfilzung mit der Unterlage nicht ermittelt werden. Dieser Besprechung der unteren Lateralwand füge ich noch einige Bemerkungen über die Becherzellen der Mundhöhle bei. Sie finden sich mit Ausnahme der unteren Lateralwand und des Mundbodens überall in den Wandungen der Mundhöhle vor. Je nach der Höhe des betreffenden Epithels variirt auch ihre Höhe; die nie- drigsten von 0,14 mm findet man im Munddache, während die höchsten in den Lateralwülsten bis zu 0,45 mm reichen. Die Becherzellen ent- ss Bela Haller sprechen in jeder Beziehung jenen, die F. E. Schuuzze' bei Wirbel- thieren schilderte. Die Zelle besteht aus einer nach oben offenen Theca, welche auch in situ von keiner Cutieula überdeckt wird, son- dern diese ist an der Stelle, wo eine Becherzelle liegt, jeweils dureh- brochen (Fig. 35, 36). Die Theca kann dabei von verschiedener Gestalt sein (Fig. 34); entweder ist sie gleichmäßig weit und wird nur am Ende schmal, wo sich eben ihre Öffnung findet. Es giebt aber auch Formen, wo die Theca in ihrer Mitte oder am oberen letzten Drittel bedeutend erweitert ist und sich erst an der Öffnung verengt. Nach unten zu, unter dem Kerne, verschmälert sich der Zellleib um ein Bedeutendes, was an isolirten Zellen stets deutlich zu beobachten ist: ihr basales Ende ist dann nach Art vieler anderer Zellen ausgezackt. Mit diesen Fortsätzen kann sie sich in die Grenz- membran festsetzen. Man wird dann aber auch Zellen finden, welche an der basalen Hälfte ausgebuchtet sind und sich nach oben zu ver- schmälern. Am unteren, basalen Viertel der Zelle nimmt das gra- nulirte Protoplasma (im Sinne »Protoplasma« plus »Paraplasma« KupFFer’s) nur einen geringen Theil der Zelle ein; dabei ist es ähnlich wie bei den Fischen vertheilt, d. h. nach oben und außen an den Wänden der Theca ausgedehnt, nach der Mitte zu vertieft. Die Zelle erscheint so von ihrer Oberfläche aus ausgehöhlt, konkav. Der stets runde Kern liegt inmitten dieses unteren Abschnittes. Tingirt man die eben beschriebenen Zellen mit ammoniakalischem Karmin, so färbt sich nur der Kern, während die anderen Theile der Zelle ungefärbt bleiben; die Theca erscheint wie zuvor mattglän- zend. Um so auffallender muss es sein, dass bei manchen Becher- zellen, die in toto oder auf Schnitten gefärbt wurden, außer dem Kern noch die oberhalb des sog. Protoplasma gelegene Substanz mehr oder weniger intensiv gefärbt sich findet (Fig. 345). Man erkennt auch, dass die Masse, die den Farbstoff aufgenommen hat, nicht immer die ganze Theca füllt, sondern entweder inmitten des Bechers liegt oder nur eine seitliche Hälfte desselben einnimmt. An Schnitten (Fig. 36) sieht man ferner, dass das »Sekret«, welches die eben er- wähnte Substanz vorstellt, auch als zähe, durch das Reagens ge- härtete Masse schon die Mündung der Theca theilweise passirt haben kann, ohne den Zusammenhang mit dem innerhalb derselben befind- lichen Sekrete aufzugeben. Bei vorsichtigem Beobachten kann es nie entgehen, dass die einzelnen Becherzellen, sei es auf Schnitten oder ! »Über Epithel und Drüsenzellen.« Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. II. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. Sg selbst auf Isolations-Präparaten (Fig. 36), von zwei anderen schlanken Zellen umgeben werden. Dieses sind schmale Gebilde, an ihrem unteren Ende stets breiter und hier den ovalen Kern umschließend. An der Ausbuchtung der Becherzelle sind sie zusammengedrückt und werden an ihren oberen Enden wieder breiter. An nach unten aus- gebuchteten Becherzellen sind diese Zellen nach unten schlank und ihr Kern liegt oben. Ich halte diese Zellen für indifferente, in Folge der Ausbildung der Becherzellen etwas modifieirte Formen. Durehmustert man dünne Schnitte durch die Schleimhaut, so er- kennt man, dass das Epithel an Stellen, wo Becherzellen liegen, außer den indifferenten Zellen noch eine dritte Zellenart enthält (Fig. 36 y), die in ihrem ganzen Wesen von indifferenten Zellen abweichen. Ihr Körper ist auffallend granulirt und umschließt einen, im Gegen- satze zu jenem der indifferenten Zellen, runden Kern, ähnlich je- nem der Becherzellen. Die Lagerung dieser Zellen ist dabei eine solche, dass je eine solche Zelle stets von zwei indiffe- renten Zellen begrenzt wird. An Stellen wo die Becherzellen fehlen kommt diese Zellenart nicht vor. Es hat sich gewiss auch schon anderen Forschern, wie in neue- ster Zeit W. FLemmine!, die Frage aufgedrängt, wie sich eigentlich eine Becherzelle zum Wesen anderer Zellen verhalte. Dank den schönen Untersuchungen Kuprrer’s, E. KLEin’s, W. FLEMMING’s u. A. wissen wir heute, dass der Zellleib sich in zwei Theile sondert, in Protoplasma im engeren Sinne, welches ein Netzwerk oder doch eine granulirte Masse vorstellt und in Paraplasma, welches, wahrscheinlich homogen, das erstere in sich schließt. Nun meint aber FLEMMING mit Recht, dass man sich in vielen Fällen zu hüten haben wird »und vielseitige Prüfung erforderlich bleibt, ehe man Formverhältnisse in präparirten Zellen als vitale Strukturen hinstellt, so wird man sich vollends vorsehen müssen, Dinge als solche Strukturen zu verwerthen, die mit solchen gar keinen Vergleichspunkt bieten«. — »Als mindestens fraglich erscheinen mir in dieser Hinsicht die Verhältnisse im hohlen Vordertheil der Becherzellen und in den hellen mucösen Drüsenepithelien.« Dabei meint der Autor offenbar nicht, dass die von ihm genannten zwei Zellenarten in gleicher Weise aufzufassen sind. Was die Becherzel- len betrifft, so ist ihr Verhalten zwar ein sehr eigenartiges, jedoch lässt sich ihr Wesen leicht verstehen. Hat man recht dünne Schnitte 1 W. FLEMMING, »Zellsubstanz, Kern- und Zelltheilung« (pag. 60). Leipzig 1882. er) Bela Haller durch Theile des Epitheliums erhalten, wo Becherzellen liegen, so wird man an letzteren, besonders an jenen, die ihr helles Ende noch mit dem glänzenden Inhalte erfüllt zeigen, leicht erkennen (Fig. 35), dass dieser Inhalt (c) mit dem unteren granulirten Theile der Zelle, der den Kern in sich schließt, nicht zusammenhängt, sondern dass zwischen beiden ein mehr oder weniger weiter Spalt (5) sichtbar ist. Nur manchmal, und in seltenen Fällen, sind die beiden durch spärliche, äußerst zarte Fädchen noch verbunden. Ihre Verschieden- heit äußert sich auch darin, dass die obere Masse durch ammoniakalischen Karmin tingirt wird, während die untere in keinem Falle eine Tinktion erfährt. Die untere Masse zeigt eben die den anderen Zellenarten eigene bei stärkerer Vergrößerung (Imm. XI, 3. REICHERT) netzartig angeordnete Gra- nulation. Nach dem eben Beschriebenen glaube ich annehmen zu dürfen, dass der untere granulirte Theil einer Becherzelle der Zellsubstanz!, im Sinne FLEMMINGS, gleich ist, der obere im beeherförmigen Theil sich findende aber das Sekret selbst vorstellt. Es wird in der Zellsubstanz erzeugt, dann allmählich in den Becher ausgeschieden und dort angehäuft, bis es durch die allzugroße Anhäufung aus demselben ausgestoßen wird. Diese Annahme gewinnt dann vollends an Sicherheit, wenn wir er- wägen, dass es bei den Becherzellen auch Stadien giebt, wo man den Becher leer findet. Ob dabei das Sekret als solches, wie es sich im Becher der Zelle findet, ausgestoßen ward, oder ob es, wie FLEMMING vermuthet, zuvor noch Veränderungen einging, hat mit jener Annahme nichts zu thun, wenn wir vollends erwägen, dass Sekrettropfen auch nach ihrem Austreten aus dem Zellleibe Verände- rungen eingehen können. Übrigens glaube ich nach dem mir Bekannten annehmen zu dürfen, dass die Becherzellen bei verschiedenen Thieren und an ver- schiedenen Stellen des Körpers nicht dasselbe Sekret liefern. Wir unterscheiden an den Becherzellen den vorderen hohlen Abschnitt, der den Becher vorstellt und das Sekret zu bergen berufen ist, ferner den unteren Abschnitt, der, wie eben aus einander gesetzt wurde, den aktiven Theil der Zelle, die »Zellsubstanz«, vorstellt. Ob- gleich Fig. 35 diese Verhältnisse verdeutlicht, so glaube ich sie doch ' Ich glaube es sei zeitgemäß diese Bezeichnung statt der alten »Proto- plasma« zu verwerthen und schließe mich FLemmıng’s Vorschlage (l. c. p. 82) an. > »Organis. d. Chitonen.« I. Studie pag. 23, 32, 46 —48. Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. I. 91 dureh beigegebenes Schema im Holzschnitt mehr zu versinnlichen. Die Zellsubstanz ist hier punktirt, in ihr der Kern; der Bechertheil ist schraffirt. Letzteren Theil glaube ich als einen für den specifischen Zweck umgebildeten Abschnitt der Zellsubstanz, nach Art einer Cuticula, auffassen zu dürfen. Ich habe erwähnt, dass an Epithelien mit Becherzellen, zwischen den indifferenten Zellen, noch eine dritte, schmale Zellenart sich vorfin- det, die nach Art der Becherzellen einen runden Kern in sich schließt. Sowohl letzter Umstand, als auch die Thatsache, dass diese Zellen nur in der Nähe von Becherzellen vorkommen, lässt sie als jugendliche Becherzellen deuten, welche Annahme wegen der Un- bekanntschaft mit der Genese der Becherzellen jedoch hypothetisch bleibt. Es ist also möglich, dass diese Zellen, wenn sie zu secerniren beginnen, morphologisch noch keine Becherzellen sind. Der am oberen Ende der Zelle sich sammelnde Sekrettropfen würde dann einen gewissen Druck auf die Cutieula ausüben, und letztere würde durchreißen ; möglich ist aber auch, dass dieselbe gelöst (?) wird. Durch den nach unten wirkenden Druck wird die Zelle allmählich von oben nach unten ausgehöhlt, ihre Form wird dabei eine breitere (hierfür sprechen die den Becherzellen anliegenden, stark in der Länge komprimirten Zellen) und ein Theil der den Kern in sich schließenden Zellsubstanz wird an das basale Ende gedrängt. Der obere Theil der nun becher- fürmigen Zelle geräth aber außer Thätigkeit und empfängt nun seine definitive Aufgabe als Reservoir für das Sekret. Ich verlasse nun das Epithel der Mundhöhle, um Einiges über das zwischen der Muskulatur der Mundschleimhaut und theilweise auch unter der Grenzmembran gelegene Bindegewebe anzuführen. Dabei soll noch einer unter der Radulascheide der Fissurella gelegenen Drüse gedacht werden. Das erwähnte Bindegewebe habe ich nur in so fern studirt, als es sich beim Studium des Epitheliums an Schnitten unbedingt auf- drängte. Somit beschränkt sich meine Kenntnis auf mit Karmin tingirte Objekte und eine Untersuchung, die sich auch auf andere Methoden des Präparirens stützte, bleibt wünschenswerth. Nur selten fand ich die runden bis ovalen losen Bindegewebs- zellen (LeypıG) mit kleinem stets rundem Kerne und Einlagerungen von Stoffwechselprodukten in der Zellsubstanz, zwischen der Musku- Fie. 6. 9? Béla Haller latur oder dem fibrillären Bindegewebe gelagert! (Fig. 27 d). Eine andere Art des Bindegewebes erscheint oft in ausgedehnter Weise und es ist mir sehr wahrscheinlich, dass der ganze Munddarm von solehen, vermischt mit den Muskeln, mehr oder weniger umhüllt wird. An Schnitten habe ich dieses Gewebe auch ohne Muskel- einlagerungen sehen können. Es erschien hier in größeren, unter einander mehr (Fig. 32) oder weniger (Fig. 31 ro) netzartig verbun- denen Bündeln. Die Fibrillen waren sehr deutlich und innerhalb dieser waren Kerne von länglicher Form erkennbar. Dort wo die reticulire Form des Gewebes besser ausgeprägt war (Fig. 32), waren die Kerne sehr zahlreich. Sie tingirten sich sehr schön, wäh- rend das Gewebe, wie die daneben liegenden Muskelbündel, weniger intensiv gefärbt war. Eingehendere Untersuchungen werden sich gewiss lohnen. Oft traf ich auch spindelförmige Bindegewebszellen innerhalb der Muskulatur an (Fig. 36), die selbst, wie auf der Figur ersichtlich, eine in Schleimklumpen sich äußernde Metamorphose eingehen konn- ten, was bereits von H. SIMROTH bei Pulmonaten erkannt, jedoch in eine gewiss unzulässige Beziehung zu Becherzellen gebracht wurde. Diese Schleimklumpen glaube ich für pathologische Produkte halten zu dürfen. Obgleich die schließlich zu erwähnende Drüse außerhalb des Munddarmes liegt und bereits dem Ösophagus angehört. so soll ihrer schon wegen der Eigenthümlichkeit. die sie verräth, gedacht werden. Sie findet sich unter den Rhipidoglossen nur bei Fissurella. Löst man den Ösophagus an der Stelle, wo die Radulascheide von ihm abzweigt, vorsichtig von den Bucealknorpeln, indem man deren Muskulatur durchschneidet, und legt denselben, ohne die Knorpel zuvor entfernt zu haben, nach der einen Seite um, so wird man er- kennen, dass derselbe durch ein schmales, orangegelbes, längliches Bändehen unten an den Körperboden befestigt ist. Dieses Bändehen liegt auf der die beiden Bucealknorpel verbindenden Membran, berührt aber erst am Ende derselben die Körperwand. Wird der Ösophagus durch einen seitlichen Längsschnitt vorsichtig geöffnet, so erkennt man bei Lupenvergrößerung, dass jenes gelbe Bändehen inwendig hohl ist und unter der Radula, etwas vor der Stelle, wo die Radularscheide sich ausstülpt, in den Ösophagus mündet. Es ist eine Drüse. Löst man diese Drüse, indem man ihr oberes Ende mit einem Theile der Darmwand ausgeschnitten, vom Körperboden vorsichtig ' Wenn ich nicht irre, werden diese Zellen kurzweg als »Plasmazellen« angeführt. Ich habe sie im Laufe dieser Arbeit mehrmals erwähnt. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 93 ab und bringt sie nach Glycerinaufhellung unter das Mikroskop, so zeigen schwache Systeme, dass ihre Form dem eines langen, engen Sackes gleicht. Sie ist an ihrer Miindung weiter und wird ‘nach unten schmiiler, ist somit ihrer Form nach eine tubulöse Drüse (s. Holz- schnitt). Sie wird von einer dünnen Membrana propria (c) begrenzt, an deren unterem Ende 4—5 bindegewe- bige Züge (d) inseriren, welche die Driise an den Körperboden befestigen. Das Epithel der Drüse ist ein- schichtig cylindrisch. Am blinden Drüsenende sind die Zellen am höch- sten und nach der Mündung zu nehmen sie allmählich an Höhe ab. An der Mündung ist das Epithel noch höher als das der Umgebung, wodurch ein ringförmiger Wulst (e), dessen vordere Seite in zwei Hörner ausläuft, entsteht. Ich habe die Elemente des Epitheliums mehrere Male durch die schon er- wähnte Flüssigkeit ganz frisch isolirt untersuchen können. Betrachtete ich so die mit gelben Pigment- körnehen erfüllten Zellen (Fig. 40) genauer, so erkannte ich am ba- salen Ende den ovoiden Kern, und sah zugleich, dass die Zell- basis, nach Art vieler anderen Cylinderepithelien, in mehrere kurze Fortsätze auslief, vermöge welcher sie sich in der Grenzmembran befestigte. Nach oben zu wurde der Zellkörper weiter, oft sogar nach Art der Becherzellen ausgebuchtet. Granulirte Zellsubstanz, nach Art der Becherzellen, war jedoch nicht zu erkennen. Merkwürdig erschien es, dass das distale Ende dieser Zellen offen war, wobei der Rand der Öffnung ganz regelmäßig, nach Art einer Krone, gezackt erschien. Da ich meinem Befund Anfangs nicht recht traute, wieder- holte ich das Studium dieser Zellen, doch jedes Mal zeigte sich die erwähnte Auszackung, die etwa mit kurzen Wimperhaaren durchaus nicht verwechselt werden konnte; die Mündung war stets deutlich. Ich zeigte auch anderen Fachgenossen diese Zellen, welche meinen Befund bestätigten. Da ich, wie gesagt, eine gekörnte Zellsubstanz, wie sie Becherzellen zeigen, mit denen diese Zellen gewisse Form- gleichheit haben, nicht sehen konnte, und die Pigmentkörnchen weit Fig. 7. 94 Bela Haller in die Zelle hinaufreichen, ohne das obere Zellenende zu erreichen, so schließe ich daraus, dass die aktive Zellsubstanz hier einen bedeu- tenden Theil des Zellkörpers einnimmt. Es muss aber, nachdem die Zelle nach oben offen ist, angenommen werden, dass eine Art von Becherzellen auch hier vorliege, welche jedoch nur etwa das obere Viertel des Zellkörpers vorstellt, bis da wohin die Pigmentkörner reichen. Das Sekret dieser Zellen ist mir unbe- kannt, denn obgleich ich (auf Fig. 40 «, zwischen je zwei Zellen) öfter kleinere Kügelchen von mattem Schimmer austreten sah, neben denen Pigmentkörnchen lagen, so möchte ich hierbei eher an eine gewaltsame Entleerung der Zelle glauben. Nach oben in der Drüse werden diese Zellen bedeutend niedriger (Fig. 40 6). Uber die Be- deutung dieser Drüse bin ich im Unklaren geblieben. Nachtrag zu Seite 53. An den Muskelfasern der Haut wird man nur in den allersel- tensten Fällen Kerne erkennen. An Querschnitten gut tingirter (Amoniakal. Karmin) Muskelfasern erkennt man vielmehr, wie die- ses HuGUENIN richtig erkannte, die Muskelfaser aus zwei Theilen gebildet, die sich durch die verschiedene Färbung zu erkennen ge- ben. Eine äußere Schicht (Fig. 5) von geringer Dicke wird äußerst blass rosa gefärbt, während die innere Kernzone sich intensiv röthet. Mit dieser äußeren Schicht nun verschmilzt, einen hügelförmigen Vor- sprung bildend, der Fortsatz der Ganglienzelle. Von einem weiteren Verhalten habe ich allerdings keine Kenntnis !. ! Ganz ähnliche motorische Nervenendigungen finden sich an der quer- gestreiften Mitteldarmmuskulatur der Gattung Melo& (proscarabaeus, vio- laceus) unter den Wirbellosen. Hier findet man über der Darmmuskulatur ein breitmaschiges Netz von gröberen und feineren Nerven, dessen Knotenpunkte kleine Ganglien bilden, und von 6—S Zellen eingenommen werden. Die periphe- ren Fortsätze der Zellen einigen sich zuvor zu einem Stamme, trennen sich aber alsbald wieder; diejenigen, die sich nicht mit Nachbarganglien verbinden, begeben sich je zu einer Muskelfaser, um dieselben zu versorgen. Solche Fort- sätze sind oft sehr lang. Bei der Vereinigung mit der Muskelfaser geht die Nervenhülle in die Muskelhülle über. Die Vereinigungsstelle springt etwas hügelartig vor und erscheint gekörnt. Von dieser Körnung aus sieht man dann an mit Osmiumsiiure behandelten Objekten (Zupfpräparat) feine etwas variköse, äußerst zarte und kurze Fäden in den Muskel ausstrahlen. Ein Kern ist an der Vereinigung nicht vorhanden, wie denn diese Stelle auch bedeutend mächtiger ist als die spärlichen Muskelkerne; doch scheinen mir diesen Aus- strahlungen, die eventuell netzartig sich verbinden dürften, zarte von den Kernen der Muskelkörperchen verschiedene Kerne anzulagern, wie dieses ja L. v. THANNHOFFER für die Skeletmuskeln der Insekten ausführlicher beschreibt (s. Beiträge z. Histologie und Nervenendigung der quergestreiften Muskelfaser. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XXI). Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ie Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. 1. 95 Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fissurella costaria. Die Kopfhaut ist von rechts geöffnet und nach links umgeschlagen, so dass die Buccalmuskulatur dm und der Mund- darm mit der rechten Buccaldrüsse r.bd. zu sehen sind. %. Kropf, rv. Radulascheide, 7. Radula, C. Cerebralganglion, md. Nerv des Mundhöhlendaches, n. Nerv der Bucealdriise, vd. oberer Ösopha- gealnerv, ¢. Nerv des Peritoneums, f. Nerv der Radulascheide, x. zweiter Nerv der Kopfhaut. Die Nerven des Fiihlers und des Auges sind blau. Tafel II. Nervensystem von Fissurella costaria. C. Cerebralganglion. ec. Cerebralcommissur, J Rüsselnerv, 2 und 3 Nerven der Kopfhaut, 4 Fühlernerv, 5 Sehnerv, 6 Commissur zum vorderen Eingeweidegan- glion, 7, 8, 9 Nerven der Buccalmuskeln, y. gangliöse Verlängerung, aus welcher die Geschmacksnerven entspringen, vg. vorderes Einge- weideganglion, e. der untere Ösophagealnerv; sonst wie in Figur 1. a. Hörnerv, 5. Cerebropedal-Commissur, e Commissur zum vorderen Eingeweideganglion, dessen Fortsetzung 6 ist, d. Pleurocerebralcom- missur, n.sr. Centrum dieser Commissuren, o. Otocysten, n. Nervus subradularis, r.pn. rechter, Z.pn. linker Mantelnerv, r.pg. rechtes, l.pg. linkes Pleuralganglion, e.sp, Supraintestinal-Commissur, c.sb. Sub- intestinal-Commissur, v.g. vordere Querfaserung, n.s. Lateralnerv, m.n. paariger Fußnerv, n.n. unpaarer Fußnerv, A.g. hintere Quer- faserung. Vorderer Theil des Nervensystemes von Turbo rugosus, das rechte Cerebralganglion weggeschnitten. C. Cerebralganglion, y. gangliöse Verdickung, welche die Geschmacksnerven abgiebt, ¢. Rüsselnerven. c. Commissur des vorderen Eingeweideganglions. nr. Nervus subra- Aularis, Z.pg. linkes Pleuralganglion, /.pr. linker Mantelnerv. Horizontalschnitt aus einem Seitentaster von Fissurella costaria. c. Nervenstämmchen, 5. Ganglienzelle, a. Nervenendigung in einer Muskelfaser, e. Epithel, d. runde Bindegewebszelle. (Vergr. Obj. $, Oc. 4. REICHERT.) Querschnitte von Hautmuskeln. Tafel III, Pedalnervensystem von Turbo rugosus. In dem vorderen Ab- schnitte ist nur der Kopf entfernt; hinten ist der Spindelmuskel und die zu oberst gelegene Hälfte des Fußes entfernt (Glycerinpräparat). cep. Commissuren zum Cerebralganglion, 2.pg. linkes Pleuralganglion. 96 Ries, 7. Fig. 8 Fig. 9 Fig. 10. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15, Bela Haller l.pn. linker, r.pn. rechter Mantelnerv, rn. Lateralnerv, m. äußerer Fußnerv, fv. Fußvene, sf. dritter Seitenfühler. Pedalnervensystem von Haliotis tuberculata. 1. Pleurocerebral- Commissur, 2. Commissur des vorderen Eingeweideganglions, 3. Ce- rebropedal-Commissur, 4. Hörmnerv. Die anderen Bezeichnungen wie in der vorigen Figur. Pedalnervensystem von Fissurella costaria in situ. An der rech- ten Seite sind zwei Lateralnerven durch die Leibeswand verfolgt. M. Mantelrand, Z.m. linker, r. rechter Schalenmuskel, p. Leibes- wand, x. Seitentasterreihe. Sonst wie vorher. (1!/; nat. Größe.) Zellen des Leibeshöhlenepithels. Tafel IV. Turbo rugosus. Kiemenhöhle von oben geöffnet; eben so die Kör- perwand. K. Kieme. Vorne im Kopfe ist die Buccalmasse sammt dem Munddarm und vorderen Theil des Kropfes F. entfernt, N. Niere, ng. Nierengang, p. Geschlechtsöffnung, ed. Enddarm, Z. rechte rudi- mentäre Kieme, dr. Hypobranchialdrüse, c.sp. Supraintestinal-Commis- sur, e.sb. Subintestinal-Commissur, g.ab. hinteres Eingeweideganglion, nn’ Nerven des linken Vorhofs des Herzen, Kg. Kiemenganglion, «. Nerv des Geruchsorganes, ?., y. Kiemennerven. Die zwei Mantel- nerven sind blau. Trochus zizyphinus von oben gesehen. (Die Schale schematisch.) w. vorderer, a’. hinterer Theil des Randsaumes, 0. zweiter Seiten- taster, e Wulst unter demselben, der das Seitenorgan trägt. Längsschnitt durch einen Seitentaster von Turbo rugosus. 7. Ta- ster, C. Wulst, So. Seitenorgan, ¢. helles Epithel, Z. Randsaum, G. Gefäß, N. Nervenstamm, /n. Ast für den Randsaum, tm. Taster- nerv, ig. Hauptganglion, sy. Ganglion des Seitenorganes. Motorische Nervenendigung aus dem Seitentaster von Fissurella costaria. gz. Ganglienzelle, mf. Muskelfaser, sp. Nervenendhiigel. Tafel V. Fissurella costaria. Das Thier von oben geöffnet; Kiemen nach auBen geschlagen. Das Herz ist sammt den Aorten und dem vorde- ren Theile des Perikards mit der oberen Körperwand nach links ge- schlagen. Ar. Kropf, P. Perikardium, Ed. Enddarm, M. Magen; sein unter der Niere N und Leber Z gelegener Abschnitt ist punk- tirt angegeben; Gd. Geschlechtsdriise, g.sb. Sub-, g.sp. Supraintestinal- Ganglion, r.%g. rechtes, /.%g. linkes Kiemenganglion, g.abd. hinteres Eingeweideganglion, gr. Nerv der Geschlechtsdrüse, ». Nerv an den ~ Darm, An. Nerv der Herzkammer, Nn. Nierennerv, g.g. Nerv an den Magen. g.abd. hinteres Eingeweideganglion. J.4g. linkes, r.kg. rech- tes Kiemenganglion. Längsschnitt durch einen Seitentaster von Fissurella costaria. n. Nervenstamm, gl. Ganglion desselben, so. Seitenorgan, r. indiffe- rentes Epithel über demselben, pz. Pinselzelle, :z. indifferente Zelle, AT Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. : Fig. : Fig. Fig. Fig. : Fig. Fig. : 16. Kir 18. 19. Ww -! Morpholog. Jahrbuch. 9. Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. I. 97 dz. Drüsenzelle, gz. Ganglienzellen, g. Randgefäß, p. dessen Ast an den Taster. Seitenorgan desselben 'Thieres im Längsschnitt. gl. Ganglion, gz. ein- zelne Ganglienzellen des Sinnesorganes, m. Muskel, m.!. Membrana limitans, d. runde Bindegewebszellen. (Obj. 8. Oc. 2. REICHERT.) Dasselbe in gestrecktem Zustande. a. Sinneszellen des Seitenorganes, 5. Sinneszelle und zwei Stützzel- len. (Im. XI. Oc. 2. REICHERT.) Tafel VI. Linke Kieme sammt dem frei präparirten Herzen von Fissurella costaria. K. Kieme, ka. Kiemenarterie, kv. Kiemenvene, af. After, 1. Körperwand über dem Perikard pe., H. Herzkammer, v. Vorhof (linker), 2.A%g. linkes Kiemenganglion, ¢. Nerv des Geruchsorganes, nk. Nerv des Peritoneums, 7,7’. Nerven des Vorhofes, mr. Mantelrand, sm. linker Schalenmuskel. Querschnitt aus der vorderen Herzgegend der rechten Hälfte. Die Kiemenvene ist nicht mehr getroffen. Hk. Herzkammer, Vh. Vorhof, ed. Enddarm, f. der Geschlechtsgang in der Muskulatur des Enddar- mes gelegen, n. Nierengang, y. Herzklappe (geschlossen), p. Perikard- epithel, O. Oben. Frisches Flächenpräparat von der Vorhofwand von Fissurella costa- yia; von innen (nach Einwirkung von etwas Essig- und Überos- miumsäure). m. Muskel, n. Nerv, z. große Ganglienzelle, z kleine Ganglienzelle. Das Epithel des Perikards e ist nach einem Goldprä- parate eingetragen. (Obj. 5. Oc. 4. REICHERT.) Muskelfaser aus der Herzkammerwand. GroBe Ganglienzellen aus dem Vorhofe des Herzens von Turbo ru- gosus. a. Zelle von oben, 5. von der Seite, e. zwei Zellen durch eine Nervenfaser verbunden. (Imm. XI. Obj. 3. REICHERT.) Kleine Ganglienzellen von ebendort. (Vergr. dieselbe.) Ein Stick aus einem Muskel des Vorhofes von Haliotis tubercu- lata (nach längerer Einwirkung von Überosmiumsäure). c. kon- traktile Substanz, n. Hüllsubstanz, k. Kern. (Imm. XI. Oc. 2. REI- CHERT.) Tafel VII. Mundhöhle von Fissurella costaria von oben durch einen Längs- schnitt geöffnet. m. Lippe, 7. Lippenwulst, j. Lippenrinne, %. Kiefer, w. Mundboden, rw. Subradularhöcker, An. Bucealknorpel, r. Radula (Zähne nicht eingetragen), s. Wulst am Beginn des Ösophagus, Zw. La- teralwulst, dd. linke Buccaldrüse, ö. Mündung derselben, p. Kopfhaut, {. untere Lateralwand. Sehnitt aus der unteren Lateralwand desselben Thieres (Vergr. die- selbe); oben zwei Geschmacksbecher. a. große, 6. kleine Ganglien- zellen, e. Nervenfaser, d. runde Bindegewebszellen. 7 ig. 32. ig. 34. we je 2) 29. ig. 30. Ie. oils . 39. . 40. 6 ‘ Béla Haller, Untersuchungen über marine Rhipidoglossen. 1. f f , Zwei im hohen Epithel liegende Geschmacksbecher von Fissurella costaria. (Schnitt. Vergr. dieselbe.) / N Zwei isolirte Sinneszellen mit anliegenden Ganglienzellen aus dem Geschmacksbecher. (Vergr. dieselbe.) ; A. Isolirte Zellen aus dem Geschmacksbecher von Haliotis tuber- culata. 2. Einzelne Sinneszelle. (Vergr. dieselbe.) Schnitt aus der unteren Lateralwand desselben Thieres, unten Gan- glienzellen demonstrirend. (Vergr. dieselbe.) Bindegewebs-Reticulum aus der Umhüllung der Mundwände desselben Thieres mit anliegendem Nervenstamme. (Vergr. dieselbe.) Driisenbecher aus der unteren Lateralwand desselben Thieres. (Schnitt. Vergr. dieselbe.) Isolirte Becherzellen aus der Mundhöhle desselben Thieres. «a ein- zelne Zellen, 6. mit anliegenden indifferenten Zellen. (Vergr. die- selbe.) Schnitt aus der Mundwand von Fissurella costaria. (Vergr. dieselbe.) Schnitt durch das Epithel des Munddaches. (Vergr. S/4.) Schnitt aus dem Mundboden desselben Thieres. (8/3 REICHERT.) Sehnitt durch die hinter dem Kiefer gelegene Drüse von Halio- tis tuberculata (schwache Vergr.). dr. Drüsengang, mg. Muskel- querschnitt, X. Kiefer, mz. Matrixzellen desselben. Zellen derselben Drüse desselben Thieres. (Schnitt. Vergr. 8/3. REICHERT.) Isolirte Zellen aus der Interbucealdrüse von Fissurella costaria. (Vergr. dieselbe.) ith Anst v- Werner & Winter Frankfurt 6st DR Aust birur o Miser, Faser X Fig.8. * Fig 8 m rn n | - fa f Hf 1 / | m pi : LI UA) | NAN | Ty) Wren” ij / | \ \ I | | | | \ } | 2 ni Le END | IN II . | UL DA==— ; Helv ith Exgelmana Leary BHalle det = a ee 2 ¥ a Ibs eeese-messhasnintsseressyaannrnsamscensona Lith AnstrWerner 2 Winter, Frankfort Vol Wik Engelmanı Zapzig (ik deve hires a War, Freak Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Rückenmark und Wirbelkanal. Von Dr. med. Wilhelm Pfitzner, Assistent am anatomischen Institut zu Königsberg in Pr. Dass beim erwachsenen Menschen die Rückenmarksnerven von ihrem Austritt aus dem Rückenmark bis zu ihrem Austritt aus dem Wirbelkanal mehr oder minder steil abwärts verlaufen, dass also der erste Ort stets höher liegt als der letztere, erklärt man allge- mein damit, dass das Längenwachsthum des Rückenmarks (oder richtiger, da das Filum terminale eine, wenn auch verkümmerte Fortsetzung des Rückenmarks darstellt: das Längenwachsthum des- jenigen Abschnittes des Rückenmarks, der die Spinalnerven ab- giebt) hinter dem Längenwachsthum der Wirbelsäule zurückbleibe. Danach könnte man annehmen, und nimmt wohl auch meistens an, dass die Steilheit des Verlaufs der Spinalnerven innerhalb des Wir- belkanals mit dem Alter zunehme und erst beim Erwachsenen sei- nen höchsten Grad erreiche. Dem ist aber keineswegs so. Ab- gesehen davon, dass die individuellen Schwankungen ganz enorme sind, ist die Höhendifferenz zwischen Ursprung aus dem Rücken- mark und Austritt aus dem Wirbelkanal bei Neugeborenen, ja selbst bei nieht zu jungen Embryonen, im Allgemeinen größer als bei Erwachsenen. Wir sind also hier wieder einmal in der Lage zu- geben zu müssen, dass eine a priori noch so plausible Annahme vor den nackten Thatsachen nicht immer Stand hält. Es scheint wenig Sitte zu sein, den Wirbelkanal auf dem Seeir- saal oder bei pathologisch-anatomischen Sektionen öffnen zu lassen, da diese Verhältnisse sonst wohl allgemeiner bekannt wären. Über die Ursprungshöhe der Spinalnerven finde ich nur zwei Angaben, - 1” 100 W. Pfitzner die von JADELOT' und NuHx?, die beide auf einer einzigen, an einem erwachsenen Menschen angestellten Untersuchung beruhen. Die beiderseitigen Angaben stimmen zufälligerweise einigermaßen überein und desshalb scheint man sich auch dabei berubigt zu haben. Ich habe nun auf Anregung des Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. GEGEN- BAUR die Richtigkeit dieser Angaben geprüft und bin dabei zu Re- sultaten gekommen, die ich im Folgenden mittheilen werde. Untersuchungsmethoden. Ich habe diese Untersuchungen angestellt theils auf dem hiesi- gen Secirsaal, wo die Präparation des Wirbelkanals zu den vorge- schriebenen Aufgaben gehört, theils an Leichen des pathologisch- anatomischen Instituts, die Herr Geh. Hofrath Prof. Dr. ARNOLD mir zur Untersuchung zu überlassen die Güte hatte — wofür ihm an dieser Stelle nochmals mein Dank ausgesprochen sei —; andern- seits an Neugeborenen und Embryonen, so weit sie für solche mehr nebensächlichen Untersuchungen mir zur Verfügung gestellt werden konnten. Die Leichen sind nach Geschlecht und Lebensalter, die Em- bryonen nach der Scheitel-Steißbeinlänge geordnet. Zur Bezeichnung der Ursprungshöhe der Spinalnerven hat man feste Punkte nöthig. Die von Nuun |. ec. gewählten schienen mir nicht praktisch, da die Länge der Wirbeldornen individuell verschie- den ist und die Lage ihrer Spitzen durch die verschiedene Krüm- mung der Wirbelsäule z. Th. nicht unbeträchtlich alterirt wird ®. Viel vortheilhafter und einfacher schien es mir zu sein, mich direkt auf die Austrittstellen, also auf die Foramina intervertebralia zu beziehen. — Diese Punkte verändern ihre Lage bei stärkerer oder 1 MALGAIGNE, anat. chirurg. Paris 1838, II. 26. Citirt nach NuHn |. c. Das Original war mir nicht zugänglich.) 2 Nuun, Beobachtungen und Untersuchungen aus dem Gebiete der Anato- mie, Physiologie und praktischen Mediein. Heidelberg. 1849. pag. 11. 3 Allerdings, hätte sich herausgestellt, dass derselbe Spinalnerv stets in derselben Höhe entspringt, so hätte man, den Bedürfnissen des praktischen Arztes zu genügen, als korrespondirende Punkte solche wählen müssen, die am Lebenden bestimmbar sind, und als solche wären die Dornfortsätze die gege- benen gewesen. Die individuellen Schwankungen sind indess so groß, dass ich von der Frage der praktischen Verwerthbarkeit der gefundenen Resultate glaubte absehen zu müssen und nur den Bedürfnissen der anatomischen Unter- suchung Rechnung trug. Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Rückenmark und Wirbelkanal 101 schwächerer Krümmung der Wirbelsäule nicht wesentlich. Nichts- destoweniger habe ich die Vorsicht gebraucht, die Leiche möglichst so zu lagern und zu unterstützen, dass die Krümmung der Wirbel- säule der natürlichen Haltung beim Aufrechtstehen entsprach. Die Mitte des Zwischenwirbellochs habe ich mit derjenigen Zahl bezeichnet, die dem hindurchtretenden Nerven entsprach. Um Un- terabtheilungen zu bekommen, habe ich den oberen Rand des unte- ren Wirbelbogens mit '/,, die Mitte des letzeren mit '/,, seinen unteren Rand mit 3/, bezeichnet. Demnach bedeutet C5 die Mitte desjenigen Zwischenwirbellochs. durch das der fünfte Cervicalnerv hindurchtritt, C5'/, den unteren Rand desselben Zwischenwirbellochs resp. den oberen Rand des Bogens vom fünften Halswirbel, C5'/, die Mitte desselben Bogens, C53/, dessen unteren Rand, C6 die Mitte des Zwischenwirbellochs zwischen fünften und sechsten Hals- wirbel; dagegen D6!/, die Mitte des Bogens des siebenten Brust- wirbels, D7 die Mitte des Zwischenwirbellochs zwischen siebenten und achten Brustwirbel, ete. ete. Bei den Nerven konnte ich nach der Präparationsmethode — Aufsägen des Wirbelkanals mit der Doppelsäge — nur die hinteren Wurzeln berücksichtigen, welche Unvollkommenheit jedoch auf das Resultat der Untersuchungen keinen merkbaren Einfluss hat, da in den Ursprungshöhen der vorderen und der hinteren Wurzeln keine erheblichen Differenzen vorkommen. Als Vergleichungspunkt nahm ich die Mitte der Austrittstellen der einzelnen Wurzelfäden, und bezeich- nete sie mit der entsprechenden lateinischen Ziffer und den Abkür- zungen C (cervicalis), D (dorsalis), L {lumbalis), S (sacralis). Co (eoeeygeus). CV = C5 bedeutet also, dass die Mitte des Ursprungs des fünften Cervicalnerven in gleicher Höhe mit der Mitte des für seinen Durchtritt bestimmten Zwischenwirbellochs zwischen viertem und fünften Halswirbel liest, und somit der Nerv wagerecht ver- läuft. C VIII = C7 bedeutet dagegen, dass der achte Halsnerv auf der Höhe des Austritts des siebenten entspringt. Die Steilheit des Verlaufs innerhalb des Wirbelkanals hängt ab von der Höhendifferenz zwischen Ursprung und Austritt, wird also bei der hier angewandten Bezeichnungsweise einfach durch die Zah- lendifferenz ausgedrückt. CV=C5. also Hd (Abkürzung für: Höhendifferenz) — 0, d.h. der fünfte Halsnerv verläuft wagerecht. Bei CVIII = C7 ist Hd = 1, bei DVII = D53/, ist Hd = 1'/,, ‘also der siebente Brustnerv verläuft etwas steiler als der achte Halsnery. Ist für LUT Hd = 3 angegeben, so erhellt daraus. dass der dritte 102 W. Pfitzner Lumbalnerv in derselben Höhe entspringt, in der der zwölfte Brust- nervy austritt. Ist dagegen bei einem anderen Individuum für LUI Hd = 5 angegeben, so entspringt bei ihm der dritte Lumbalnerv schon in der Höhe des Austritts des zehnten Brustnerven, verläuft somit bedeutend steiler durch den Wirbelkanal. Bei einzelnen Leichen konnte wegen vorgeschrittener Maceration nicht für alle Nerven die Ursprungshöhe bestimmt werden. Außer für die Spinalnerven selbst habe ich noch für die Gren- zen der einzelnen Abschnitte des Rückenmarks so wie für das untere Ende des Duralsacks die Höhe bestimmt. Hals-, Brust-, Lenden- und Kreuz-Steißbeintheil sind selbstverständlich nach dem Austritt der (hinteren) Wurzelfäden bestimmt, den Conus rechnete ich vom Austritt des letzten Wurzelfädehens bis dahin, wo sich das Rücken- mark in einen Faden von gleichbleibender Dicke fortsetzt, welche letztere Grenze natürlich häufig nicht sehr ausgesprochen ist. 7. Th. habe ich auch für die einzelnen Abschnitte des Rücken- marks konkrete Maße angegeben — leider habe ich diese Messungen bei den zuerst untersuchten Fällen versäumt —- sie wurden am her- ausgenommenen Rückenmark angestellt. Ausführlichere Maßangaben findet man bei RAveNEL, »Die Maßverhältnisse der Wirbelsäule und des Rückenmarks beim Menschen« (Zeitschrift für Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte II 1877 pag. 334 seq.). Mit den Resultaten, zu denen jener Autor kommt, kann ich nicht in allen Punkten überein- stimmen, doch weichen die von uns angewandten Methoden zu weit von einander ab, um eine eingehendere Vergleichung zu ermöglichen. Untersuchtes Material. Nr. 1 — 19 Erwachsene. Nr. 1—13 Männer. Nr. 17.225. Jahr alt Nr. 3. 31 Jahr alt Nr. 2. 31 Jahr alt Nr. 4. 34 Jahr alt Nr.» 34 Jahr ait. Diese Leiche, groß, kräftig gebaut, hatte sieben Hals-, dreizehn Brust- (die dreizehnte Rippe war so kräftig entwickelt, wie bei an- deren Leichen die zwölfte), fünf Lenden-, sechs Kreuzbein- und drei Steißbeinwirbel, so wie zweiunddreißig Spinalnervenpaare. Die Bil- dung der Lumbal- und des Sacralplexus konnte leider nicht genauer —= Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Riickenmark und Wirbelkanal. 103 studirt werden, da die Überzähligkeit der Wirbel erst zu spät ent- deekt wurde. Nr. Nr. Nr. Nr. 6. 37 Jahr alt, Nr. 10. 48 Jahr alt, 7. 37 Jahr alt, Nr. 11.155 Jake alt, 8. 42Jahr alt, mäßige Skoliose, Nr. 12. 63 Jahr alt, 9. 43 Jahr alt, Nr. 13. 65 Jahr alt. Zwischen dem elften und dem zwölften Dorsalnerv fand sich ein accessorischer Spinalnerv, der aber nur aus einer hinteren Wur- zel bestand. (Näher beschrieben in: Ein Fall von accessorischen Spinalnerven, dieses Jahrbuch, VIII pag. 680.) Nr. 14. Alter und Geschlecht unbekannt. Nr. 15—19 Weiber. Nr. 15: 43 Jahr alt, Nr. 17. 53. Jahr! alt, Nr. 16. 48 Jahr alt, Nr. 18. 65 Jahr alt, Nr. 19. 68 Jahr alt, mäßige Skoliose. Nr. 20—25 Kinder. Nr. 20. Neugeboren, Nr. 23. 3 Wochen alt, weiblich, 2 '. 21. 8 Tage alt, männlich, Nr. 2 222. 20: Tage’ alt, INF 2 4. 4 Wochen alt, weiblich, 25. 1!/, Jahr alt, weiblich. Nr. 26—36. Embryonen und vorzeitig geborene Kinder. Nr. 26. Länge 11 cm Nr. 31. Länge 16 cm Nr. 27. Länge 12 cm Nr. 32. Länge 18 cm Nr. 28. Länge 13 cm Nr. 33. Länge 19 em Nr. 29.. Länge 14 em Nr. 34. Länge 19 cm Nr. 30. Länge 15 cm Nr. 35. Länge 26 cm Nr. 36. Achter Schwangerschaftsmonat. Ursprungshöhe der einzelnen Spinalnerven. a. Bei Männern (Tabelle 1). Diese Tabelle giebt, eben so wie Tabelle 2, die Höhendifferenz (Hd) an, also den Unterschied zwischen der (mittleren) Höhe des Ursprungs der Wurzelfäden und der (mittleren) Höhe des Austritts des betreffenden Spinalnerven durch das Zwischenwirbelloch. | | Im Allgemeinen Hd zunehmen. sehen wir von oben nach 104 W. Pfitzner Tabelle 1. Höhendifferenz bei Männern. ERHEBEN SER ER me nn ee RN. Nr. Va Pa ler oe 7 rs [to lone re Alter | 25 | 31 | 34 | 34 | 37 | 37 | 42 | 48) 53 | 63 | 65 Os a MT RT N) Yo | Mo | a 0 tia. |) Saar | az II | % Bla) Mail Ala | Ya) 19a: —Wally Yottoafa 1/a Tu | AU Tare SEE] fold alah at 4), (tel on a KT An Sas Sea lan) Sauna 0 1/2 | 3g Ne 11/4 3/4 1/5 | 3/4 3/4 | 3/4 0 3/4 1 3/4 VI | 1% a) Apa LB Sid Fol | "4 | 3/4 VIL | 11/5 3/4 3/4 11/4 | 3/4 11/4 1/5 1 11/4 3/4 VIII | 13/,| 1 1 159 aa 11/4 | TA \ vil 1150| > on dD. I | 13/4 1 1!/a 13/4 | 1 | 11/4 1 1 13/4 | 3/4 ier | 13/4 1 11/5 13/, 11/4 11/5 \ 11/4 1 2 Marl Il | 2 1 2 13/4 | 14/2 | 13/4 | 11] ll 11/4 TV) 2 11/4 2 | 13/4 11/5 2 13/4 11/4 11/5 | 21/4 11/4 Wa) tog) Vo ER tee | > 13, | 1%| 1234 | 214 | 11% | VI | 13/4 lan a2 | 1%} 1g) | 2g | 1 VAL |) 13/5) 18/a) 13fa | 1. 4 14/o | Aa | Ay) 1 2 2 2) 1% 70 0 Oe 13,1 18/4 | 11 Jh ine ee, 2 2 11/, IX | 1 13/4 11/4 1 | 1 11/5 11/4 1 2 13/4 | 11/4 heey ER Ways | 4 fee 18/4 my, 144 2.1.7437. 10% | XL j 14> | 2a | 1/4 | 1/4) 11/4 | 2 1/9.) Me) o 2a") 27 ae RAT 13), | 21/0 W/a-|At 148,5.) 24/4 |, 20 ligt t/a) oa 2 Eee 2, | a ea" | a, | 23/7, | ao a 120, (Der RS Gaia B1/y | 21/5 | 215 | 23/, | 3 317, 21, | aa 31/, I | 3%} 4 | 3 73 | 3h) 3%] 4 [3 | 4 |] a | IV | 44/4 | 43/4 | 33/q | 33/g | 43/, | 4 At/y | 3/a| 43/g | Aa | A Vi 5 Bio | Alfa | Alp | 5. Jar | 51, | At/g| 51 | 5 51/4 S.| I 53/4 61/4 51/4 51/4 | 53/4 d1/4 | 6 5 61/9 53/4 61/4 |. TE | 6 7 6 |6 | Hf | 6 7 53/,| Ti | 6a | 7 | IE | Ye] 8 9| 7 | 694 | 76 | 7 73/, | 61/9| 8 || 8 IV 8 1 Bla 73/71) Saul Was SYoy| at/o lt Sa/aıns 83/4 Lapa | aa | 8/a | 842 | 9 | 8/2 | 9/2 | Sal 9/2 | 9 91/5 Co. I | 93/4 | 10% | 91/4 | 94/4 | 93/4 | 91/g | 104/y | 91/4] 10% | 93/g | 104/ unten den Werth von Eine Ausnahme hiervon machen aber konstant die unteren Brustnerven; ungefähr vom sechsten an nimmt Hd ab, um vom zwölften an wieder zuzunehmen. Dass diese Erscheinung bisher unbeachtet bleiben konnte, ist eigentlich recht auffallend. Öffnet man den Wirbelkanal, ohne den Duralsack aufzuschneiden, so sieht man die unteren Dorsalnerven 1 Adde: DXIII : Hd = 13/4. Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Riickenmark und Wirbelkanal. 105 Tabelle 2. Höhendifferenz bei Weibern. Nr. | 15 a iptl 1s 19 Alter. 3 48 65 | 6S Cc I 3/4 1/, 1/4 1/4 I 3/4 3/4 ja 3/4 It 3/4 3/4 3/4 1 IV 3 3/4 3/4 1 V 3/4 3/4 1 3/4 VI 3/4 3/4 11/, 3/4 9 i eee 3/4 3/4 11/, 3/4 Vill | RN 9/4 11/4 3/4 D I 3/4 3/4 11/4 3/4 Tea] 1 11/4 1 III 11/5 1 11/4 11/4 IV 13/4 1 11 4 11, 4 | V 13/4 1 1 1 4 4 VI 11/5 1 | 11/4 {1/4 VII RO PIUIOW sg 1 11, VIII 11/4 3/4 1 1! 4 IX 1 1 1 11/4 x 11/4 1 1 11/4 ee ja la 11/4 11/9 XII 2 11/5 1 1 2 13 4 L.| | aay 21/5 21/4 2 | 21/4 | I 3 3 tly] 2a | III 33/4 33/4 31 4 31 2 | IV 41/5 Aly, 33/4 4 Seidl glean? fp 5, | Ah | 43/, S.) I 6 61/4 5 | 51/5 TE. | „69% {\ 6 61/4 MI | yo Bl: I legs 7 7 IV | 81/5 81/5 73/4 73 4 WG 91/5 91/5 81 2 sı 2 Co. I | 101% 101/4 91/5 91/5 zu den Intervertebrallöchern heraufsteigen statt herabsteigen, zuwei- len in ganz eminenter Weise. Öffnet man den Duralsack, so sieht man dies Verhältnis noch schärfer ausgeprägt: Während bei den Cervieal- und Lumbosacralnerven der einzelne Nerv von seinem Ur- Sprung aus dem Rückenmark bis zu seinem Durchtritt durch das Zwischenwirbelloch annähernd geradlinig verläuft, bilden bei den Dorsalnerven die innerhalb und außerhalb des Duralsack gelegenen Abschnitte mit einander einen nach oben und lateralwärts offenen Winkel. Dieser Winkel an der Durchtrittstelle durch den Dural- 106 W. Pfitzner sack zeigt sich schon vom ersten Brustnerven an, ja bisweilen ist er schon am achten Halsnerven angedeutet; weiter abwärts wird er immer weniger stumpf, bis zu 90° und weniger (beim siebenten bis zehnten Brustnerven). Bei Weibern ist diese Winkelbildung, wie es scheint, weniger ausgeprägt, bei Kindern und Embryonen fehlt sie ganz, worüber unten mehr. b. Bei Weibern (Tabelle 2). Auch hier finden wir konstant eine Abnahme des Werthes für Hd in der unteren Hälfte des Brustabsehnittes. c. Bei Erwachsenen (Tabelle 3 und 4). Vergleichen wir die beiden vorigen Tabellen mit einander, so finden wir bei Weibern kleinere Schwankungen in den für Hd ange- gebenen Werthen als bei Männern. Tabelle 3 giebt uns eine Zu- sammenstellung der bei Männern und Frauen gefundenen Maximal- und Minimalwerthe, so wie der als arithmetisches Mittel aus den gesammten Beobachtungen gewonnenen Mittelwerthe. Vergleichen wir die letzteren, so sehen wir Hd im Halstheil bei Weibern etwas größer als bei Männern, im Brust- und oberen Lendentheil umge- kehrt, worauf schließlich die Werthe wieder vollständig gleich werden. Im Ganzen jedoch sind die zwischen Männern und Weibern stattfindenden Abweichungen, namentlich wenn man sie mit den individuellen Schwankungen zusammenhält, nicht besonders bedeu- tend. Wir können sie desshalb unter der einen Rubrik: Erwach- sene zusammenfassen, und bekommen so Werthe, wie sie Tabelle 4 giebt. Die Angaben von Nuun (l. e.) habe ich an einer Leiche auf meine Maßangaben zu reduciren gesucht und bin dabei zu den in der vierten Spalte von Tabelle 4 verzeichneten Werthen gekommen ; die Umrechnung konnte aber natürlich nur ungenaue Resultate ergeben. Sie entsprechen im Allgemeinen den Minimalwerthen ; die Abnahme von Hd findet sich indessen auch hier deutlich aus- geprägt. B JADELOT (l. c.) setzt den Ursprung der Cervical- und Dorsal- nerven etwas höher, den des letzten Dorsal- und der Lumbalnerven etwas tiefer an. Da durch ersteres der Werth von Hd erhöht, durch letzteres erniedrigt wird, so entsprechen die JapELOT’schen Angaben ungefähr den von mir bei Weibern gefundenen Minimalwerthen. Im ——— Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Riickenmark und Wirbelkanal. 107 Tabelle 3. Maximal-, Minimal- und Mittelzahlen fiir Manner und Weiber. Mi ‘aynenve sr: Weiber. Maxim. | Min. | Mittel. | Maxim. | Min. Mittel. | I 3/4 0 1/5 3/4 1/4 1/g | II ae | a8 "eo 3/4 a 3/4 lll l (ee 4 1/o 1 3/4 3/4 Sey 1 0 1/3 1 3/4 9/4 | ef ee 0 3/4 1 | 3/4 3/4 | VI 11/4 My 3/4 Wie, | 3/4 1 Vil 11/5 1/5 f 11/4 3/4 1 VER 13/4 fe ER: Ki | 3/4 1 D il 13/4 3/4 11/4 11/4 3/4 1 (Suu 2 ) 11, 11; 1 ) | III 2 | 1 11/5 11/5 1 11/4 IV 2 | Di 13/4 Tle Wed 11/, V 21/4 11/4 13/4 13/4 : 1 11/4 VI 21/4 1 13/4 11/5 1 14/5 vu 2 1 11/5 Nye et 1 Vil 2 1 11/, en | 1 ie a ee 1 11/5 fe a 1 Sn ae 1 1), ie | 11/, XI 21/4 11/4 13/4 11/5 11/4 11/5 XII 21/4 11/5 2 2 11/5 13/, L | 23/4 2 21/5 21/5 | 2 21/4 Br Se 21/5 3 3 N il, 23/4 im: 2 3 31/, 33/4 31/, 31/5 Lye | 43/4 31/5 Al 41/g 33/4 41% Vv 517, 41/, 5 5a | Ata 5 S I 61/y 51/4 53/4 Sie i 5 53/4 II 71/4 53/4 61/5 7 : .% 61/, III 8 61 2 | 71/5 73 4 | 7 7h 4 IV 83/4 th 2 | 81 4 51 2 | 73 4 sı 4 V 91/5 81/4 | 9 91 2 81/5 9 Co. I ;| 10%/, g1/, | 10 101/5 91/5 10 | | | I Großen und Ganzen stimmen mit den von mir für Erwachsene ge- fundenen Mittelwerthen für Hals- und Brusttheil mehr die JADELOT- schen, für Lendentheil die Nunn’schen Werthe. d. Bei Kindern (Tabelle 5). Auf den ersten Blick muss uns auffallen, dass die Abnahme von Hd, die wir bei Erwachsenen in der unteren Brustgegend kon- stant wahrnahmen, hier vollständig fehlt. Dem entspricht auch, dass 108 W. Pfitzner Tabelle 4. Maximal-, Minimal- und Mittelzahlen fiir Erwachsene. | | | | | | Maxim. Min. Mittel. |n. NUHN. | / C. I 3/4 0 la Va II 3/4 rae I la I EL ge oO TBs 1); | | | | | War ae | 0 | 3/4 1/5 | Ve ea ia 3/4 Mo VE tte Ya 9/4 1a vu | im 1a 1 1p VIII 13/, 3/4 u te D I m/s 3/4 11/a ‘/2 ip pe ST 11/4 1 I Deni ak {1/, iy 2h, 1 laste 1 V ies An Be 1 | VI 21/4 | 1 | 11/a 1Y/a | Vil 2 3/4 1 1) 2) 1/5 IL VI 2 3/4 11/4 1 | x 2 1 11% 3/, | XI 21/4 11/4 11/5 11/4 Hy RE 24 | 1a 13/4 13/4 L I Ba IR 2, m si 20% 3 3 I) A 3 | 3a 31/5 IN Men, 41/4, 4 V | 51/5 All, 5) 43/4 S I 61/5 5 53/4 5t/y it age) be our] aa ae 61/, 61/4 ll 8 61/y TU 7 IV Sa |b « Midi Sa | TR Ver in 94 | 81/4 9 83/4 Co.| I | 101/5 | 91/4 N) | 93/4? | | | die Spinalnerven beim Durehtritt durch den Duralsack keine Winkel- bildung zeigen. Die individuellen Schwankungen sind auch hier recht bedeutend; nicht geringer als bei Erwachsenen. e. Bei Embryonen (Tabelle 6). Auch hier sind die individuellen Schwankungen bedeutend. Betreffs der Abnahme von Hd und der Winkelbildung gilt dasselbe wie bei Kindern. Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Rückenmark und Wirbelkanal. 109 Tabelle 5. Höhendifferenz bei Kindern. Nr. | 20 21 che Ape FETT 25 Alter. Neug. 8 Tage. 20 Tage. 21 Tage. 28 Tage. 11/5 Jahr. & I 3/4 2 mle eS "a he ul II 3/4 1/5 1/ 1/, 3/4 1/4 | III 3/4 3/4 fy | 3/4 8/4 1/4 IV 3/4 3/4 1/y | 3/4 3/4 1/4 | V 3/4 1/5 ifo 3/4 ai, | ae VI 3/4 Vy 3/4 3/4 oy tt 1/4 VII 3/4 3/4 l 3/4 34 | 1/4 VIII 3/4 3/4 11/4 3/4 3/4 1/4 D I 1 1 11/5 ! 1 3/4 IL 11% 11/4 11/5 {1/4 1! 1 Ii 11/5 11/5 2 1!/5 2 11/4 IV 13/4 2 2 2 21/4 11/5 V 13/4 | Ty 122 21, | 21% 13/4 | VI 13/4 | Q1/, | 21/9 34, | 23/4 2 Vo 13/4 "4 3 21/4 23/4 £ VIII 13/4 21/4 3 21% 23/4 2 IX 13/4 D4 3 21/ 23/4 21/4 X 13/, Pi 3 21/5 31/4 21/5 XI 2 Ne 3 21/5 31/5 23/, XII 21/4 | 31/4 | 31/9 3 31/9 3 L.| I 2! | 3 Iho ge 31/4 4 31/4 | IL 3 4 | 4a 33/4 Al), 31/5 111 31) 41), 5 41/, 43/4 4 IV Alls 5 dl/y 5 51/4 41/5 V | 43/4 9a 61/4 51 4 53 4 51/4 S I 5l/a 61/4 7 53/4 61/5 6 Il 61/4 7 | 73/4 61/5 7 63/4 II 7 | Bie 4 Bu 71/4 8 Tl IV Ss 81/5 | 91/4 s | 81/5 e | §1 2 V Sa iy Ur 27710 ee gi 91/4 Co. I 91/y 10 | 103, | 9% 10 101/, f. Zusammenstellung (Tabelle 7). Da die hier untersuchten Kinder von nicht sehr verschiedenem Lebensalter sind und die bei ihnen gefundenen Verschiedenheiten der Werthe in keinen Zusammenhang mit dem Lebensalter zu bringen sind (s. Tabelle 5), so durfte ich die Verschiedenheiten als individuelle Schwankungen auffassen und konnte auf der vorliegen- den Tabelle die Maximal-, Minimal- und Mittelwerthe zusammen- stellen, als giiltig fiir Kinder in den ersten Lebensjahren. Anders 110 W. Pfitzner Tabelle 6. Höhendifferenz bei Embryonen. Nr. DM il BB I Ba BR ihe ws 36 Länge. 13 Halt) ome eds | ans | 19 26 cm | VIII mens. C. I 1a 3/4 /a 1/a II 1/a 3/4 /a er III 3/4 3/4 San! 1a IV 3/, 3/4 Bi, | 1/4 Vi Rea a) Sa 3/4 a VI 3/4 3/4 3/4 3/4 0 vil 3/4 3/4 3/4 1 1/5 Vi} #2, 3/4 3/4 1 3/4 D i ae 1 3/4 21/5 11/4 1 a 11% 1 21/4 111/, 1 |, Aa 11/5 11% 2 13/4 11/4 VI 11/, 14/5 13/ 2 13/, Vv 1h, 11a 11/5 oY, an v1: ats 11/ 13/4 21/4 13/4 VII | 11/5 11/5 2 2 | 21/4 2 VII 11/, 11/, 2 2 21/4 21 2 IX | 1 3/4 1 1/5 2 2 1/5 21/4 3 Kil va, 2 af HP) 21, 31% xT|| ete), 2 eee eae 21/, 4 |) IL; 11/, 2 21/4 | 2 21/4 4 L I 2 21/ 2 21/5 2 | 21/5 4l/, II 21/9 | 31/4 21/5 21/5 | 31/4 43/4 1 8 4 3 | 78 33/4 5 IV 93%) 44/4 31/, 31/4 Ay 5 ns; |. #495 4 Sl || 5 Sl/a S.| Sa a, 51/; 415 4 | 53/4 53/4 | II | 51/4 6 5 41/5 | 61/5 61/5 NEN, 36 63/4 53/4 si, || 71% 71/5 IV |e 6% 71); 61, 6 | 8 81/4 Vi) eee 81/4 Ti, | 6 | 83/4 9 Co. T| 8% 9 8 | eee 91/5 93/4 verhält es sich mit den Embryonen. Ze finden sich hier auch große individuelle Verschiedenheiten, wie die Vergleichung gleich langer Embryonen beweist, indessen zeigen sich auch deutliche Ein- flüsse des Entwicklungsstadiums. Wenn ich trotzdem auch für sie die Ober-, Unter- und Mittelwerthe zusammengestellt habe, so ist doch nicht zu vergessen, dass diese Tabelle einen ganz anderen Werth hat als die anderen. Vergleichen wir nun zuerst die Mittelwerthe, so finden wir vom ersten Brustnerven an Hd bei Kindern und Embryonen stärker zu- Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Riickenmark und Wirbelkanal. 111 Tabelle 7. Maximal-, Minimal- und Mittelwerthe fiir Hd bei Erwachsenen, Kindern und Embryonen. Erwachsene. Kinder. Embryonen. Max. | Min. | Mittel. | Max. | Min. Mittel. | Max. Min. Mittel. C. | Bie 0 up Ol 0 la ur aa a ER, i i My 3/4 a alg 3/4 1/4 a Aa —H4 3/4 3/4 | 9% 3/4 Ne) DA EY 0 %/a aa Sha 3/4 Ho) 28a Bella, 0 3/4 Bla | te | to lal =e ish ee eel lla 1a | 3/4 ra 3/4 a \. 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Ziehen wir außerdem noch die Maximal- und Minimalwerthe zur Vergleichung heran, so tritt das oben erwähnte Verhältnis noch deutlicher hervor: namentlich in der unteren Brustgegend kommen die bei Kindern und Embryonen für Hd gefundenen Minimal- werthe am meisten den bei Erwachsenen gefundenen Maximal- werthen nahe. Vergleichung der einzelnen Abschnitte des Rückenmarks (Tabelle 8). Die untere Grenze des Halstheils zeigt innerhalb wie zwischen den einzelnen Abtheilungen nur geringe Schwankungen. Die untere Grenze. des Brusttheils liegt dagegen bei Kindern entschieden höher als bei Erwachsenen. Bei den Embryonen liegt diese Grenze in gleicher Höhe wie bei Erwachsenen, nur beim ältesten Embryo liegt sie bedeutend höher. Die untere Grenze des Lendenabschnittes liegt bei Kindern und Erwachsenen auf gleicher Höhe, bei Embryonen dagegen entschieden niedriger. Eben so verhält sich die untere Grenze des Beckentheils. Die Länge des Conus unterliegt großen individuellen Schwan- kungen. Im Durchschnitt ist sie bei Kindern nicht größer als bei Erwachsenen, bei beiden bisweilen minimal, indem die Wurzelfäden bis zum Filum terminale reichen (No. 4. 7. 22), bisweilen die Höhe eines ganzen Lendenwirbel erreichen (No. 9. 11. 15. 21). Fassen wir das bisher Gefundene zusammen, so ergeben sich eigenthümliche örtliche Verschiebungen zwischen Rückenmark und Wirbelsäule als Folge*ungleicher Wachsthumsvorgänge. Der Halstheil des Rückenmarks wächst im Großen und Ganzen im gleichen Maße wie der gleiche Abschnitt der Wirbelsäule. Das Wachsthum des Brustabschnittes des Rückenmarks schemt gegen das des gleichen Abschnittes der Wirbelsäule schon von einer frühen Fétalperiode an zurückzubleiben, um es erst lange nach der Geburt wieder zu erreichen und schließlich zu überholen. Der Lenden-Beckentheil des Rückenmarks bleibt gleichmäßig hinter der Wirbelsäule im Wachsthum zurück , der Conus dagegen nur während des Embryonallebens. Morpholog Jahrbuch. 9. S 114 W. Pfitzner Um zu entscheiden, ob die Wirbelsiiule oder das Riickenmark der Sitz dieser Ungleichheit des Wachsthums ist, habe ich an beiden Messungen angestellt. Die an der Wirbelsäule vorgenommenen führten wegen der großen individuellen Schwankungen zu keinen brauchbaren Resultaten, ausgenommen das, dass der Brusttheil annähernd stets dasselbe Verhältnis zur ganzen Wirbelsäule zeigt: Erwachsene 38,2— 41,4%, (12 Messungen), Kinder 35,7 — 41,5%), (5 Messungen), Embryonen mit 40,1 —41,6°/, (2 Messungen). Ge- messen wurde die Vorderseite des Wirbelkanals, von dem Foramen occipitale magnum bis zur Steißbeinspitze. Der Halstheil nimmt anscheinend etwas ab auf Kosten des Lenden- und namentlich des Beckentheils, doch ließen die großen individuellen Schwankungen bei den wenigen Messungen nichts Sicheres erkennen. Dagegen gaben die am Riickenmark angestellten Messungen trotz aller individuellen Schwankungen doch einige deutliche Re- sultate. Wir sehen auf Tabelle 9, dass der Brusttheil ganz entschieden bei Erwachsenen einen größeren Theil des Rückenmarks ausmacht, als bei Kindern und älteren Embryonen; die Differenz beträgt circa 10 %/,. Da nun das Rückenmark als Ganzes annähernd im gleichen Maße wächst, wie die Wirbelsäule, indem es bei Kindern in dem- selben Größenverhältnisse zu letzterer steht wie bei Erwachsenen (s. obige Tabelle), so können wir behaupten, dass jenseits der Ge- burt der Brusttheil des Rückenmarks ein sowohl im Verhältnis zum übrigen Rückenmark wie auch im Verhältnis zum Wirbelkanal be- deutend erhöhtes Wachsthum zeigt. Der Halstheil des Rückenmarks und der Wirbelsäule nehmen beide an relativer Länge ab, wir können desshalb ohne großes Be- denken die obere Grenze des Brusttheils als feststehend ansehen. Dass die unteren Dorsalnerven beim Erwachsenen tiefer entspringen als beim Kinde, können wir somit als direkte Folge eines gestei- gerten Längenwachsthums des Brusttheils des Riickenmarks auf- fassen. Wesshalb nun der Brustabschnitt des Rückenmarks jenseits der Geburt eine so bedeutende Vermehrung seines Längenwachsthums aufweist, während sonst im Allgemeinen das Rückenmark im Län- genwachsthum hinter der Wirbelsäule zurückbleibt: diese Frage lässt sich vorläufig noch nicht beantworten, so lange wir nicht wissen, was für Beziehungen denn eigentlich ein bestimmter Ab- schnitt des Rückenmarks zu denjenigen Nerven hat, die an ihm Uber Wachsthumsbeziehungen zwischen Rückenmark und Wirbelkanal. 115 Tabelle 9. Länge der Rückenmarksabschnitte in Procenten der ganzen Riickenmarksliinge. [Länge des Proc. der} Von Rückenmark = 100 Nr.| Alter. | Riicken- ea ee er irbel- Lenden- | marks. | kanals. | Halsth. | Brustth. | peckenth. Erwachsene | 1 3 440} 58,5001] 120,911 8852 110|1011654 Männer 51, 34 12502 mu 19,7 58,3, (1 349,3 6 37 450 | 60,8 22,2 55,6 | 19,9 10} 48 Se (Oa E 28 | OA | eee 11 53 453 58,5 24,1 54,31 147,6 12 63 458 60,9 25,1 54,8 //| 18,4 Weiber 15 43 420 55, Gir |. o 9,5 548 17) 29,0 Schwankungen 55,6-63,1 19,5-25,1| 54,3-58,3 | 16,4-19,9 Kinder 24.) 14 Tage | 1.183 | 46996852) „11922252 111,043,1: 1 26,1 ye ay) eee 162 | 64,0 25,3 46,9 23,5 ZA IB = 144 59,8 DD 46,5 25,0 5 1 Jahr | 212" | 584 ya 47,6 23,1 Schwankungen. | | 58;1-64,0) 22,2-25,3 43,1-47,6! 23,1-26,1 Embryonen | 35 __ 26em 113 | 69,1 27,4 | 43,4 9} 23,9 | 36 \VIIImens. 120 | 64,5 26.1. 1, 449 Ga Wh entspringen. Vorläufig müssen wir uns bescheiden, nur das Factum zu registriren. Unteres Ende des Duralsacks. Aus der letzten Spalte der Tabelle S (s. oben) ersehen wir, dass das untere Ende des Duralsacks bezüglich seiner Höhe zwar beträchtlichen individuellen Schwankungen unterliegt, dass diese Schwankungen sich aber bei Erwachsenen, Kindern und Embryonen innerhalb derselben Grenzen bewegen: bei allen dreien endigt der Duralsack zwischen dem ersten und dem dritten Zwischenwirbel- loch, und lässt sich dabei keine Beziehung zu dem mehr oder min- der weitén Hinabreichen des Rückenmarks erkennen. 1 Hatte 13 Brustwirbel. S* 116 W. Pätzner, Über Wachsthumsbeziehungen zwischen Rückenmark etc. Schluss. Die Ergebnisse der hier mitgetheilten Untersuchungen sind sehr dürftig, entsprechend der ungenügenden Zahl der untersuchten Objekte. Ich kann sie dahin zusammenfassen : 1) Die Höhe des Ursprungs der Spinalnerven unterliegt großen individuellen Schwankungen. 2) Die unteren Brustnerven entspringen beim Neugeborenen durch- weg bedeutend höher als beim Erwachsenen. 3) Der Brusttheil, d. h. derjenige Abschnitt des Rückenmarks, aus dem die Dorsalnerven austreten, zeigt jenseits der Geburt ein im Verhältnis zu den übrigen Abschnitten des Rückenmarks so wie zu dem Wirbelkanal bedeutend gesteigertes Längenwachsthum. So dürftig diese Resultate sind, so, glaube ich, genügen sie doch, um die Aufforderung zu weiteren Untersuchungen in dieser Richtung zu rechtfertigen. Speciell wende ich mich an diejenigen Herren Kollegen, die in der glücklichen Lage sind, in den patho- logisch-anatomischen Instituten volkreicher Städte genügendes Mate- rial zu den erforderlichen Massen- Untersuchungen zur Verfügung zu haben. Ich bemerke dazu, dass die einzelne Untersuchung nur wenige Minuten in Anspruch nimmt, wenn man sich den Wirbel- kanal durch den Diener hat aufsägen lassen und sich zur Auf- zeichnung der einzelnen Daten eines vorher angefertigten Schemas bedient. Heidelberg, 24. December 1882. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmafse der Fische. Von Dr. M. Davidoff. Mit Tafel VIII u. IX. Dritter Theil. Ceratodus. Die Untersuchung der hinteren Gliedmaße von Ceratodus schließt sich meinen früheren Arbeiten aufs engste an, und bildet den dritten und letzten Theil der »Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische«!. Nur was die Knochenfische betrifft, welche den zweiten Abschnitt des zweiten Theiles bilden würden. habe ich mich auf einige wenige Andeutungen beschränkt. und glaube, dass die weitere Bearbeitung dieser Fischgruppe eine nur wenig interessante und lohnende Untersuchung wäre, zumal ich, um einen Blick in diese Abtheilung zu gewinnen. die ältesten For- men, die Physostomen, wählte, von welchen jedenfalls die übrigen Teleostier ohne Schwierigkeiten abzuleiten sein dürften 2. Um so wichtiger ist aber die Untersuchung des Ceratodus. Es ist bekannt, wie bedeutungsvoll derselbe in die Archipterygiumtheorie GEGENBAUR'S eingegriffen hat, gleichsam den Kern derselben traf, wie durch seine Entdeckung die ursprüngliche uniseriale Grundform der Gliedmaßen sich zu einer biserialen umbilden musste. Bedeu- tende Arbeiten, diesen Gegenstand betreffend. entstanden in kurzer Zeit, und wiesen nach, dass zahlreiche Spuren eines »gefiederten« ! Morphol. Jahrb. Bd. V u. VI. 2 Ebenda Bd. VI. pag. 464. S 448 M. Davidoff Archipterygiums bei den erwachsenen Selachiern und auch vor- übergehend bei deren Embryonen vorhanden waren!. Zugleich illu- strirt das biseriale Archipterygium auf das Anschaulichste die Hypo- these der Abstammung der paarigen Gliedmaßen von den Kiemen- bogen 2. Es ist also unzweifelhaft, dass Ceratodus gerade in Rücksicht auf die Gliedmaßen die wichtigste Form ist, von welcher die älte- sten bekannten Fische, die Selachier und somit alle gnathostomen Wirbelthiere sich ableiten lassen. Nach dem Gesagten ist es klar, wie wünschenswerth eine genauere anatomische Kenntnis nicht nur des Skelets der Gliedmaßen des Ceratodus wäre, sondern auch der betreffenden Muskeln und Nerven. In Wahrheit kennt man die Extremitäten des Ceratodus nur aus der Monographie von GÜNTHER , der über die Muskeln derselhen so gut wie nichts, und noch weniger über die Nerven angiebt. Ein um so größeres Licht wirft die aus- gezeichnete Arbeit GÜNTHER’S auf die Stellung, welche Ceratodus im System der Fische einnimmt, und welche ich hier so kurz wie mög- lich aus einander setzen will. Dieses scheint mir nothwendig, sowohl um die Beziehung des Ceratodus zu den ihm näher verwandten Fischgruppen klar zu machen, als auch um das gegenseitige Ver- hiltnis der einzelnen Organsysteme bei dem Ceratodus selbst zu verstehen. Er hat mit Lepidosiren und Protopterus viele Eigenschaften gemein, welehe ihn mit den Ganoiden verbinden, und welehe auch GÜNTHER bewogen haben, die Dipnoi als eine Unterordnung der Ganoidei, und die Ceratodontina als Unterfamilie der Sirenidae aufzustellen +. Unter diesen Eigenschaften nimmt der Conus arteriosus die erste Stelle ein, sowohl in Hinsicht seiner Verbindung mit dem Atrium, als auch namentlich was die Anordnung (»Spiralfalte«) und Zahl der Klappen betrifft®. Ferner die Geschlechtsorgane (— und dies gilt nament- lich für Ceratodus —), die, mit den Ganoiden gemeinsam, eine sehr 1 Vgl. GEGENBAUR, »Ub. d. Archipter.« Jen. Zeitschr. Bd. VII. 1873. pag. 131 und A. Bunge, Ub. d. Nachweisbarkeit eines biser. Archipter. ete. Ebenda Bd. VIII. 1874. pag. 293. 2 Vgl. GEGENBAUR, Zur Morph. d. Gliedmaßen d. Wirbelth. Morphol. Jahrb. B. II. pag. 396. 3 Description of Ceratodus. Philosophical transact. P. 11, London. 1871. 4 GÜNTHER, 1. c. pag. 554. 5 Vgl. die schöne Untersuchung von Boas, Uber Herz und Arterienbogen bei Cerat. u. Protopt. Morph. Jahrb. Bd. VI. pag. 821. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 119 primitive Stufe einnehmen. Die Keimdrüsen sind von ihren paarigen, durch einen doppelten Porus mündenden Ausführgängen getrennt und lassen die Geschlechtsprodukte in die Leibeshöhle fallen !. Hierher ge- hört auch das Persistiren des Skelets im knorpeligen Zustande, die vollkommene Erhaltung der Chorda ete. Andere Eigenschaften des Ceratodus führen uns endlich über die Ganoiden hinaus zu den Se- lachiern. Sie betreffen hauptsächlich einige Verhältnisse der Kiemen- bogen, die starke Entwicklung der kiementragenden Platte, die vom Hinter- resp. Außenrande der Kiemenbogen entspringt (homolog der Scheidewand der Kiemenbogen bei den Selachiern) ?. Noch andere Eigenschaften des Ceratodus weisen aber auf eine Urform zurück, von welcher sich nicht nur die Ganoiden, sondern auch die Selachier ablei- ten lassen. Sie betreffen die Wirbelsäule und die Gliedmaßen. Was zunächst die erstere angeht, so ist vor Allem ihre unvollkommene Glie- derung anzuführen, ferner der regelmäßige Abgang der Dornfortsätze, welche, mit den Wirbeln zeitlebens in Verbindung bleibend, in die knorpeligen Strahlen der unpaaren Flossen übergehen. Darauf aber, dass dieser Zustand ein primitiver ist, habe ich bereits hingewiesen >. Was endlich die Gliedmaßen betrifft, so haben wir in der unpaaren Flosse die denkbar primitivste Form: ein kontinuirlicher Saum mit einem vollkommen homocerken Schwanztheil. Auf die paarigen Gliedmaßen will ich hier nur so weit eingehen, als es unabhängig von meinen Untersuchungen geschehen kann. Es kann aber nur zweckmäßig sein, wenn wir aus den bereits bekann- ten Thatsachen, noch vor dem Beginn der anatomischen Beschrei- bung, uns die Bedeutung, den Werth des zu untersuchenden Objekts klar zu machen suchen. Zuerst ist anzuführen die große Übereinstimmung der vorderen und hinteren Gliedmaße in der Größe: an dem größten, von mir untersuchten Ceratodus betraf die Größendifferenz der beiden Glied- maßen nur 3,1 cm‘. Ferner die Übereinstimmung beider Flossen in der Form und in den Lagebeziehungen zum Körper. Beiden kommt in gleichem Maße eine freie Beweglichkeit zu, welche auf 1 GÜNTHER, |. ce. pag. 552, Vgl. GEGENBAUR, Grundr. d. vergl. Anat. 2. Aufl. pag. 636. 2 Boas, 1. c. pag. 352—353. GÜNTHER, 1. ce. pag. 553. 3S. meine »Untersuch. ete.« 1. Theil. Morph. Jahrb. Bd. V. pag. 514. Vgl. auch BISCHOFF, Lepidosiren paradoxa 1840. HyrrrL, Lepidos. parad. Abhandl. d. böhm. Ges. d. Wiss. 1845. 4 Die vordere Flosse hatte 16,5 em Länge, die hintere 13,4. 120 M. Davidoff die Gleichartigkeit in der Funktion mit Sicherheit schließen lässt. Das Skelet beider Flossen bietet auch nur sehr kleine untergeordnete Differenzen!. Der primitive Charakter, welcher in der großen Abn- lichkeit der beiden GliedmaBen des Ceratodus sich kund giebt, kann nur verstanden werden, wenn wir dieselben mit denjenigen der übri- gen Fische vergleichen. Bei den Selachiern stoßen wir auf Unter- schiede, die, wenn auch nicht erheblich im Skeletbau der beiden Gliedmaßen, so doch ganz bedeutend in Rücksicht der Größe und in den Lagebeziehungen zum Körper sind. Die Vorderflosse ist um vieles, fast um das Doppelte, größer, ihre Lagerung um vieles freier, ihre Funktion besteht in der Vorwärtsbewegung des Körpers, wäh- rend die hintere nur zur wagerechten Stellung des Körpers dienen kann. Um ein prägnantes Beispiel der Größendifferenz anzuführen, brauche ich nur an die Rochen zu erinnern. Die Unterschiede in den Lagebeziehungen zum Körper können an jedem beliebigen Haie demonstrirt werden. Aber wo es auch sein mag, macht die Hinter- flosse, verglichen mit der vorderen, immer den Eindruck eines ganz rückgebildeten Organs. In dieser Beziehung ist natürlich die An- sicht, welche die Hintergliedmaße für primitiver hält als die vordere, nicht ganz richtig: indem die Vordergliedmaße ihre Funktion voll- ständig beibehalten hat, muss sie auch primitivere Charaktere haben, als die hintere. Um diese Ansicht zu bekräftigen, brauche ich nur die vollkommene Erhaltung des Gliedmaßenbogens (Gürtels) an der vorderen Gliedmaße zu erwähnen. Es ist also nichts weniger als auffallend, »dass sich an der hinteren Extremität der Selachier — — — nirgends auch nur die geringsten, auf ein biseriales Archiptery- gium hinweisenden Spuren erblicken lassen«?. Weiter setzt BUNGE mit großem Rechte hinzu, dass dieses wohl darin seinen Grund finde, »dass das Basale des Metapterygium sich sehr nahe an den Körper anlegt, und nur das äußerste Ende frei hervorragt«?. Ich kann auch bestätigen, dass Rudimente einer medialen Radienreihe an der Hin- tergliedmaße der Selachier fehlen, füge aber hinzu, dass noch manche andere Theile der Vordergliedmaße nicht vorhanden sind, wie z. B. ein echter Gliedmaßengürtel, das Mesopterygium etc. Bei der Be- 1 Zur Orientirung über die Ähnlichkeit der beiden Gliedmaßen s. Gitn- THER’s Abbildungen, sowohl des ganzen Thieres als auch des Skelets, 1. c. Tafel XXX. 2 BunGe, Ub. d. Nachweisbarkeit ete. Jen. Ztschr. Bd. VIL. 1874. pag. 304, 3 Ebenda. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 121 trachtung der Hintergliedmaße der Selachier darf nicht vergessen werden, dass dieselbe (auch beim Weibchen) ! zum Geschlechtsappa- rat in Beziehung tritt, und dadurch Differenzirungen erleidet, welche tiefgreifender Natur sind, ihre lokomotorische Funktion vermindern, sie demnach auf Abwege leiten. Dass die Hintergliedmaße der Ganoiden und Teleostier ein voll- kommen rudimentäres Gebilde ist. habe ich im zweiten Theile mei- ner Untersuchungen nachgewiesen. Das Ergebnis dieser einleitenden Auseinandersetzung besteht nun darin, dass wir beim Ceratodus eine Hintergliedmaße vor uns haben, welche von der vorderen unter allen bekannten Fischen am wenigsten abweicht. Dass aber dieses Verhalten ein sehr primitives ist, wird nach der obigen Erörterung unzweifelhaft. Je ähnlicher also die Glied- maßen unter einander sind, desto primitiver ist auch ihr Verhalten?. — Es leuchtet somit ein, dass gerade die Gliedmaßen (und Wirbelsäule) des Ceratodus uns rückwärts, über die Selachier hinweg zu den Urformen der gnathostomen Wirbelthiere hinüber führen. Ich erinnere nur noch daran, dass wir zu diesem Resul- tat gekommen sind, ohne die Archipterygiumtheorie, d. h. die Ur- form derselben. das biseriale Archipterygium, berücksichtigt zu ha- ben. Dass aber diese beiden Befunde, d. h. die Gleichartigkeit der 1 Meine »Untersuchungen ete.« 1. Th. pag. 459. 2 Gegen diesen Satz könnte die Einwendung gemacht werden, dass ja auch die Gliedmaßen von Protopterus einander sehr ähnlich seien, desswegen aber doch keine Urform repräsentiren. Dieser Einwand wird dadurch wider- legt, dass die Gliedmaßen von Protopterus nicht mehr als wahre, zur Lokomo- tion dienende Gliedmaßen fungiren. »Ar einem 29 cm langen Exemplar (Pro- topterus) vermisste ich nicht nur jegliche Spur der Abdominalflosse, sondern auch des Beckens. An der Stelle des letzteren fanden sich nur subeutane Fett- massen, und auch die durch Humpury bekannt gewordenen Beckenmuskeln waren nirgends aufzufinden. Da das betreffende Exemplar im Übrigen durch- aus nichts Abnormes oder Krankhaftes darbot, so geht daraus hervor, dass der Protopterus auch ohne Gliedmaßen gut existiren kann und dass ihm dieselben also keineswegs als Lokomotions-Organe dienen können. Entweder — und damit stimme ich auch mit der Auffassung Anderer überein — sind sie als Tastwerkzeuge aufzufassen, womit auch die relativ reichliche Versorgung mit Nerven gut übereinstimmt, oder fungiren sie nur nach Analogie von Bar- teln.« WIEDERSHEIM, D. Skelet und Nervensyst. von Lepidosiren annectens. ‘Jen. Zeitschr. f. Med. und Naturwiss. Bd. XIV (Neue Folge Bd. VII). Vgl. auch Dum£rıL, Observations sur les Lépidosiréniens (Protopterus) ete. Compte rendus 1866. T. LXII. pag. 97 und KrAUSsS, Über einen lebenden Lungenfisch (Lepidosiren annectens Ow.). Württemb. naturwiss. Jahresberichte. 1964. pag. 126. 122 M. Davidoff beiden Gliedmaßen mit einer Flosse, welche der Urform der aufge- bauten Theorie am nächsten zu stehen kommt, zusammentreffen, ist selbstverständlich kein bloßer Zufall. Ich gehe nun zum descriptiven Theile meiner Arbeit über und spreche zunächst Herrn Geheimrath Prof. GEGENBAUR, so wie meinen hochverehrten Freunden, Prof. M. FÜRBRINGER in Amsterdam und Prof. G. v. Koch in Darmstadt, meinen wärmsten Dank aus für das mir gelieferte Material. Für die mir aufs*freundlichste gestattete Benutzung der Biblio- thek der kaiserl. russ. Akademie der Wissenschaften in St. Peters- burg bin ich dem Herrn wirkl. Staatsrath Dr. A. STRAUCH zum aufrichtigsten Danke verpflichtet. Alle Figuren und auch die specielle Darstellung sind dem Exem- plare von FÜRBRINGER entnommen, welches das größte und am besten erhaltene war. 1) Descriptiver Theil. a. Skelet. Das Skelet der hinteren Gliedmaße des Ceratodus besteht, wie bei den Selachiern, aus zwei Hauptabschnitten, von welchen der eine am Körper fest fixirt erscheint, aus einem homogenen Knorpelstück besteht und das eigentliche Becken vorstellt (Fig. 1 3), und aus einem zweiten, beweglichen, die Lokomotion bewerkstelligenden Abschnitte, der eigentlichen Flosse (Fig. 1 Zst u. Str). Letztere setzt sich wiederum zusammen aus einer die Mitte der Flosse durch- setzenden, gegliederten Stammreihe, dem Basale metapterygii (Fig. 1 Str u. Str!) und aus den, den Gliedstücken des letzteren ansitzenden Radien (Fig. 1 27, Rm). Zwischen dem Becken und dem radientragenden Basale schaltet sich noch ein Knorpelstück ein, dass sowohl mit dem Becken, als auch mit dem Basale durch Ge- lenke beweglich verbunden erscheint. Ich will dasselbe als Zwi- schenstück bezeichnen (Fig. 1 Zst). Im Gegensatz zu den Selachiern, wo das Skelet der Hintergliedmaße nur wenige, durch Ursprünge und Ansätze der bezüglichen Muskeln hervorgerufene Differenzirungen aufwies, treffe ich beim Ceratodus Zustände, welche in dieser Be- ziehung bedeutend weiter gegriffen haben, so dass sowohl das Becken, als auch das Zwischenstück durch mannigfaltige Skulpturen Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 123 ausgezeichnet sind. Die Kenntnis derselben ist aber für das Ver- ständnis der Muskulatur und des Verlaufes der Nerven eine dureh- aus nothwendige. Ich will desshalb diese Befunde möglichst genau vorführen. Was zunächst das Becken (Fig. 1 B) betrifft, so setzt sich das- selbe aus einem in der Medianlinie gelegenen homogenen Knorpel- stiicke zusammen, welches zum Theil von den Ursprüngen der Mus- kulatur frei bleibt und, nur von einer dünnen Fascie bedeckt, sofort nach der Abnahme des Integuments zum Vorschein kommt (Fig.3 B). Diese »Platte« stellt den eigentlichen Körper des Beckens vor, ist 9 mm dick und etwa 11 mm breit, und schließt in sich die von GÜNTHER! beschriebene, mit gallertartigem Gewebe, das wahrschein- lich durch Dehiseenz des Knorpels sich bildet, gefüllte Höhle ein. Ich fand dieselbe bei allen von mir untersuchten Exemplaren, und sie scheint mit der Größe resp. dem Alter der Individuen in direk- tem Verhältnis zu stehen. Nach hinten wird die erwähnte Platte des Beckens in einem nach hinten konkaven Bogen von Muskel- ursprüngen begrenzt (vgl. Fig. 1 und 3), während sie nach vorn kontinuirlich in einen in der Medianlinie gelegenen unpaaren Fort- satz übergeht (Fig. 1 u. 3 Pim), der Anfangs die Breite der Platte selbst besitzt, sich aber nach vorn zu immer verschmälert, bis er dann zu- weilen mit einer knopfartigen Hervorragung aufhört. Was die Länge ‘dieses Processus impar betrifft, so fand ich dieselbe ziemlich ver- schieden: er variirte zwischen 5—7 em, wobei seine Dicke und Breite im umgekehrten Verhältnisse zu seiner Länge sich verhielten. Er liegt ganz im Bindegewebe der Medianlinie, wie in einer Scheide eingebettet, scheint aber in keiner festeren Verbindung mit derselben zu stehen. Eigenthümlich ist der Umstand, dass bei zweien von mir untersuchten Exemplaren, wie auch beim GüÜnTtHer'schen, an der Spitze dieses Fortsatzes eine Krümmung nach der linken Seite hin vorhanden war. Zu beiden Seiten der Beckenplatte, und zwar von ihren vorde- ren Theilen, entspringen nun die beiden, nach vorn und außen ge- richteten paarigen Fortsätze (Fig. 1 u. 3 PJ)?. Sie sind Anfangs ziemlich dick und rund, werden jedoch in ihrem Verlauf dünner und gabeln sich dann in zwei Schenkel, welche beide schon aus ganz 1]. c. pag. 535. Vgl. Fig. 5 auf Taf. XXXVI. 2 Vgl. auch Humpury, The muscles of Ceratodus. Journal of Anat. and Phys. Vol VI (second series, Vol. V). Cambr. and Lond. 1872, II part. May, pag. 281. 124 M. Davidoff diinnem, durchsichtigen Knorpel bestehen. Der eine derselben ist länger als der andere und schlägt die Richtung nach außen ein: der andere ist kurz und verläuft nach vorn. An dem GÜNTHER- schen Exemplar fehlt die Gabelung der paarigen vorderen Beckenfort- sätze, und der linke ist außerdem um Bedeutendes größer als der rechte!. Ich fand aber dieselbe bei allen untersuchten Thieren ?. — So weit ist das Becken äußerlich sichtbar; die übrigen Theile sind durch die Ursprünge der Muskeln bedeckt. Erst nach der Abnahme der letzteren sehen wir, dass das Becken nach hinten hin jederseits in einen breiten Fortsatz übergeht, der an seinem distalen Ende mit dem Zwischenstück artikulirt (Fig. 1 und 2 Gf). Sein äußerer Rand (Fig. 1) beginnt unmittelbar an der Basis des gegabelten Fortsatzes und zieht in einem nach außen leicht konvexen Bogen nach hinten, und geht unmittelbar vor dem Gelenke in einen lateralwärts gerich- teten, mächtigen knopfartigen Höcker über (Fig. 1 und 2 Pe), der einer der wichtigsten Ansatzpunkte der ventralen Seitenmuskeln des Rumpfes ist. Die sich darstellende laterale Oberfläche des Gelenk- fortsatzes des Beckens (Fig. 1) ist nach außen etwas gewölbt, die mediane hingegen gewährt eine plane, ventral gerichtete Fläche. welche mit einer seichten, von dem hinteren Winkel der Beckenplatte herkommenden Leiste von dem übrigen Theil des Fortsatzes abge- grenzt ist (Fig. 1 Or). Diese Crista ist von Bedeutung. denn sie trennt zwei scharf von einander geschiedene Muskelgruppen. Me- dianwärts von dieser Crista geht der mediale resp. hintere Rand des Fortsatzes in einem nach hinten konvexen Bogen medianwärts und läuft kontinuirlich in den gleichnamigen Rand des anderseitigen Fort- satzes über. Es entsteht also hier ein breiter, nach hinten offener Bogen, der etwa 1 cm von dem hinteren Rand der Beckenplatte entfernt ist. Die Artikulation zwischen dem hinteren, eben beschriebenen Fortsatze (Fig. 1 Gf) des Beckens und dem Zwischenstück ist einem Kugelgelenke zu vergleichen. Das Zwischenstück besitzt eine ge- räumige Höhle, in welche der knopfartige Gelenkhöcker des Becken- fortsatzes hineingreift. Die ganze Artikulation wird durch straffes Bindegewebe zusammengehalten. Wir hätten also, nach dem Gesagten, am Becken mehrere Theile 1 Diese Verschiedenheit hängt mit der verschiedenen Größe der beidersei- tigen Hintergliedmaßen des G.’schen Exemplars zusammen, was G. auch selbst an- giebt; 1. c. pag. 535. 2 Auch Humpury erwähnt diese Gabelung; 1. c. pag. 282. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 125 zu unterscheiden: 1) den Körper des Beckens, dessen ventrale Fläche die von Muskeln unbedeckte Beckenplatte ist, von welcher nach vorn hin 2) der unpaare Fortsatz entspringt, nach den beiden Seiten hin aber 3) die beiden vorderen, lateralen und gegabelten Fortsätze ausgehen: und endlich 4) die beiden nach hinten divergirenden, mit den Zwischenstücken sich verbindenden Schenkel. Das Ganze be- steht aus hyalinem, durchaus homogenem Knorpel, an dessen glatter Oberfläche nur da einige Rauhigkeiten vorkommen, wo besonders kräftige Muskeln ihren Ursprung nehmen; auch fehlen im Becken die bei allen Selachiern und Knorpelganoiden vorkommenden, als Nervenbahnen fungirenden Kanäle. Gehen wir nun zum nächstdistalen Abschnitte des Gliedmaßen- skelets, zum Zwischenstück über, so bietet sich uns dasselbe als ein etwa 1,4 em langes und eirca 0,9 cm breites abgeflachtes Stückchen, das mit mannigfachen Rauhigkeiten und Fortsätzen ausgestattet ist (Fig. 1 und 2 Zst). Während die Lage des Beckens eine horizon- tale ist, lehnt sich das Zwischenstück mit seiner dorsalen Seite dem Körper des Thieres an, wodurch seine der Lage nach ventrale Fläche zur äußeren wird. Auch sind die genannten Flächen abgeplattet, wodurch der Querschnitt dieses Stückes eine mehr ellipsoidale Form annimmt. Wir haben an demselben drei Fortsätze zu unterscheiden: der eine befindet sich am äußeren resp. dorsalen Rande desselben Fig. 1 X), ist am Ursprunge dick, spitzt sich an seinem Ende zu, krümmt sich etwas nach hinten, und gewinnt auf diese Weise die Form eines Schnabels. Am medialen resp. ventralen Rande befindet sich eine Protuberanz, die sich fast über die ganze Länge desselben ausdehnt (Fig. 1u. 3 Y). Sie ist stumpf und ihre Oberfläche ist, wie auch der proximale Theil der äußeren Oberfläche des Zwischenstückes selbst, mit Rauhigkeiten versehen. Endlich befindet sich an der medialen resp. dorsalen Fläche des Zwischenstückes noch ein Fort- satz, der sich wagrecht erhebt, kräftig aber kurz ist, und mit einer knopfartigen Anschwellung aufhört (Fig. 22). Alle die beschriebe- nen Fortsätze des Zwischenstücks spielen eine bedeutende Rolle in der Kenntnis der betreffenden Muskulatur, wie überhaupt das Zwi- schenstück gleichsam der Knotenpunkt der vom Becken kommenden und zur Flosse verlaufenden Muskeln ist. Mit dem Basale der Flosse steht das Zwischenstück in einer straffen Verbindung, welche nur sehr geringe selbständige Exkursionen der Flosse gestattet! ! Das Gelenk zwischen dem Zwischenstiick und dem Becken ist das ein- 126 M. Davidoff Auf diese Weise schließt sich das Zwischenstiick in seiner loko- motorischen Bedeutung eng dem Basale an, und ist mit demselben als ein Ganzes zu betrachten. Was nun die Flosse selbst angeht, so besteht dieselbe, wie be- kannt, aus einer medialen Reihe auf einander folgender Knorpel- stiicke, von welchen aus nach beiden Seiten hin knorpelige Radien ausgehen, wodurch dann der biseriale Typus ausgeprägt wird. Was zunächst den Stamm betrifft (Fig. 1 Str!, Str), so besteht derselbe aus einer Reihe von Knorpelstücken, deren Zahl bei den verschiedenen Individuen beträchtlich varürt. Auf der Fig. 1, welche dem größten Exemplare entnommen ist, zähle ich 16 Stücke, bei einem kleineren Individuum hingegen bloß 12. Sämmtliche Exem- plare stimmen aber darin überein, dass die Glieder der Stammreihe distalwärts regelmäßig sowohl an Breite, als auch an Dicke abneh- men. Nirgends fand ich ein so unregelmäßiges Verhältnis dersel- ben zu einander, wie es GÜNTHER auf seiner Figur! abbildet. An denjenigen Stellen der Stammglieder, an welchen sich Radien an- setzen, bestehen meistens kleine Facetten, Aushöhlungen, welche zur Aufnahme der proximalen Enden der basalen Radienglieder bestimmt sind. Zuweilen, namentlich am proximalen Abschnitte des Stammes, befinden sich diese Facetten an besonderen, an den distalen Enden der Stammglieder vorhandenen seitlichen Vorsprüngen. Viele Radien der rechten Seite verbinden sich mit dem Stamme, ohne dass beson- dere Aushöhlungen zu diesem Zwecke vorhanden sind. Auch am distalen Theile des Stammes schwinden dieselben. und die sehr klei- nen rudimentären Radien haben ihre festere Verbindung mit dem Stamme aufgegeben (vgl. Fig. 1). Manche verbinden sich sogar gar nieht mehr mit demselben. Während die sämmtlichen Stammglieder nur in ihrer Größe von einander abweichen, in ihrer Form aber ein- zig wahre, große Exkursionen gestattende Gelenk; alle übrigen Verbindungen sind durchaus straffer Natur. Dasselbe findet auch an der vorderen Gliedmaße statt. »The joint is simple,« sagt GÜNTHER vom Becken-Zwischenstückgelenk, »free, allowing of a considerable amount of motion, its parts being held toge- ther by a ligament fastened round its eircumference. This is the only true joint in the limb, all the others parts being fixed to one another by connective tissue.« 1. ec. pag. 532. 11. ce. Taf. XXXVI Fig. 4. Von Protopterus hingegen sagt WIEDERSHEIM, dass »in dem Kleinerwerden« der einzelnen Glieder der Stammreihe der Vorder- gliedmaßen »kein absolut regelmäßiges Verhalten zu erkennen« ist, »in so fern nach einem kleineren Stück in distaler Richtung plötzlich wieder ein beträcht- lich größeres kommen kann; es bildet übrigens«, fügt er hinzu, »doch immer nur die Ausnahme«. WIEDERSHEIM, l. c., pag. 173. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 127 ander sehr ähnlich sind, bildet das erste Glied, und zwar bei allen untersuchten Exemplaren, eine bemerkenswerthe Ausnahme (Fig. 1 Str!). Seiner proximalen Lage gemäß ist es das größte und trägt links zwei Radien, rechts zwei Basalstücke der Ra- dien, von welchen jedes wiederum zwei heihen von Endglied- stücken trägt. Seine Form stimmt im Ganzen mit derjenigen ande- rer Glieder überein, unterscheidet sich aber von ihnen dadurch, dass zur Aufnahme der linkerseitigen Radien ganz besondere, mächtig entwickelte Fortsätze vorhanden sind. Der erste derselben befindet sich am proximalen Theile des linken Randes des betreffenden Glie- des, und zeichnet sich durch eine Hervorwölbung seines Außenrandes aus. Der zweite ist bedeutend kleiner und seine Trennung vom Stammgliede ist nur noch durch eine seichte Furche angedeutet. Sowohl die äußere als auch die innere Oberfläche des ersten Stamm- gliedes bietet vielfache kleine Rauhigkeiten, und auf der äußeren Fläche derselben befindet sich außerdem noch ein kleiner Höcker (vgl. Fig. 1 Str!). — Die dem Stamme ansitzenden Radien verhalten sich, was ihre Anzahl betrifft, auf den beiden Seiten desselben ver- schieden. Die Zahl der ventralen resp. medialen Reihe entspricht genau der Zahl der Gliedstücke des Stammes, während diejenige der dorsalen resp. lateralen Reihe fast genau um das Doppelte grö- ßer ist. Die medialen Radien heften sich stets an die distalen Ge- lenkflächen des Stammgliedes, die lateralen hingegen thun dieses nur zur Hälfte; die zwischenliegenden Radien der lateralen Reihe heften sich aber ohne besondere Gelenkflächen seitens der Stamm- glieder an dieselben an. Distalwärts werden die Radien beider Reihen rudimentär und ihre Verbindung mit dem Stamme locker. Was jedoch das Zahlenverhältnis beider Reihen angeht, so ist das- selbe am distalen Stammende nicht mehr so regelmäßig wie am pro- ximalen. Namentlich in der lateralen Reihe fehlen zuweilen einige Radienrudimente, oder sie verbinden sich nicht einmal mit dem Stamme. Nachdem wir die Einzelheiten des Hintergliedmabßenskelets von Ceratodus kennen gelernt haben, können wir konstatiren, dass das- selbe, trotz der Einfachheit des Ganzen, sich bedeutend komplieirter gestaltet, als bei den früher bearbeiteten Fischen. Dieser Befund äußert sich zunächst in den stark hervortretenden Reliefverhält- nissen, in den mannigfaltigen, durch die Muskelwirkung entstandenen Vorsprüngen, Fortsätzen, Leisten ete. Auch was die Beweg- lichkeit der Flosse betrifft, welche vermöge des Kugelgelenks 128 M. Davidoff zwischen dem Becken und dem Zwischenstiick einen hohen Grad erreicht, steht die Hintergliedmaße von Ceratodus auf einer bedeu- tend höheren Stufe als bei den Haien und namentlich der Ganoiden. Vermöge dieses eben erwähnten Gelenkes vollführt die Flosse eben sowohl Adduktions- und Abduktionsbewegungen, als auch Rotations- bewegungen um ihre Längsachse. Zugleich aber ist dieses Gelenk das einzige bedeutende der Gliedmaße, denn sämmtliche andere Ver- bindungen zwischen den Skelettheilen sind ganz solider Natur, und nur die Artikulation zwischen dem Zwischenstück und dem proximalen Stammgliede besitzt eine gewisse geringe Beweglichkeit. Das Flos- senskelet hingegen kann, in Folge seiner Starrheit, nur als ein Gan- zes aufgefasst werden, als ein Stützorgan für die auf ihm gelagerten Muskeln und das Integument. b. Muskulatur. Wie bei den schon früher beschriebenen Fischen sind die Sei- tenrumpfmuskeln von außen und innen von derben Fascien überzogen, welche mit den Zwischensehnen der Muskeln verwachsen sind. In der Medianlinie verbinden sie sich und bilden eine bindegewebige Scheide für den Processus impar des Beckens vgl. Fig. 3 Pin). Zugleich entsteht hier, wie bei den anderen Fischen auch, Fett; das bei Ceratodus nicht in dem Maße reichlich entwickelt ist. als z. B. bei den Ganoiden. Diese Fascien gewinnen außerdem wich- tige Beziehungen zum Becken, indem sie sich an dasselbe anheften: Die äußere Fascie setzt sich an die Schenkel der paarigen vorderen Beckenfortsätze und an den Vorsprung Pe des Gelenkfortsatzes des- selben fest (vgl. Fig. 1, 3, 5). Eine dünne Lamelle dieser Faseie erstreckt sich indessen weiter und überzieht sowohl die ventrale Fläche der Beckenplatte, als auch die sämmtlichen zur äußeren Flossenhälfte gehörigen Muskeln. Hier verbindet sie sich auch mit den, an den Flossenmuskeln vorhandenen Zwischensehnen (Fig. 3 Zst) gerade so, wie mit den Inscriptiones tendineae der Seitenmuskeln. Weiter distalwärts wird sie außerordentlich dünn und von der Stelle an, wo sie nicht mehr auf den Muskeln gelagert ist (Fig. I u. 3, 6), verwächst sie mit dem Integumente. Dasselbe Verhältnis. besteht auch bei der inneren Seitenmuskelfascie. Ihre Anheftungsstelle an das Becken. ist zwischen dem Ansatze der Seitenmuskeln an die dorsale Beckenfläche und dem Ursprunge der inneren Stammmusku- Jatur (vgl. Fig. 4 Fin). Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 129) Was die Seitenmuskeln selbst betrifft, so bieten dieselben wenig Eigenthümliches. Die Zwischensehnen sind ziemlich breit und ver- laufen schräg von vorn nach hinten und ventralwärts (Fig. 3 und 5 Ins.). Zwei dieser Inscriptionen befestigen sich an den beiden Schenkeln der vorderen paarigen Fortsätze des Beckens (vgl. Fig. 3). Die nächst hintere Inscription dient mehreren Fasern der Flossen- muskulatur zum Ansatze und Ursprunge, und dadurch gewinnen die- selben Beziehungen zur Gliedmaßenmuskulatur (vgl. Fig. 3). Der Ansatz der Seitenmuskeln an das Skelet der Gliedmaße ist ein äußerst einfacher. Er erstreekt sich auf der dorsalen Beckenfläche von dem lateralen Höcker (Pe) des hinteren Beckenfortsatzes nach vorn bis zu den Schenkeln des vorderen paarigen Fortsatzes dessel- ben. Auf diese Weise wird das Becken durch seine dorsale Fläche festgehalten und bietet als ein fester Punkt der übrigen Muskulatur eine geeignete Ursprungsstätte (vgl. Fig. 4 Fsin.). Das Zwischen- stück hat keine Beziehungen zur Seitenmuskulatur. Gehen wir nun zu den Muskeln, welche ausschließlich der Glied- maße angehören, so wird es zunächst unsere Aufgabe sein, diesel- ben in Gruppen zu zerlegen, sie im Großen, wie wir es auch bei den anderen Fischen gethan haben, einzutheilen. Die horizontale Lagerung der Flosse bei den Selachiern und Ganoiden erlaubte uns, von vorn herein zwei große Muskelgruppen zu bilden, nämlich eine ventrale und eine dorsale Gruppe. Hier hingegen können die Mus- keln nur in eine äußere resp. laterale, und eine innere oder mediale Gruppe eingetheilt werden '. Wir könnten zwar die Ausdrücke »dorsal« und »ventral« in Beziehung auf die im vergleichend-anatomischen Theile dieser Arbeit zu begründende Homologie der gleichnamigen Sehiehten des Ceratodus mit den übrigen Fischen auch hier anwen- den, also diese beiden Bezeichnungen im rein morphologischen Sinne gebrauchen ; doch würde dies Vorgreifen die Beschreibung der Flos- senmuskeln bedeutend verwirren. Durch die eigenthümliche Lage der Flossen von Ceratodus sind aber die Bezeichnungen »laterale« und »mediale« Muskelschichten auch nicht ganz zutreffend, denn die laterale Schieht hat an ihrem Ursprung am Becken eine rein ven- trale Lage, dergleichen auch die mediale Schicht. Halten wir indessen dennoch diese Bezeichnungen fest, so müssen wir von der eigentlichen Flosse ausgehen, wo ja die Flächen eine aus- gesprochen laterale und mediale Lage einnehmen. So rechnen 1 HumpHry's plantar and dorsal portions. I. c. pag. 282. Morpholog. Jahrbuch. 9. 9 130 M. Davidoff wir auch am Becken diejenigen Muskeln zur lateralen Schicht, welche, wenngleich eine ventrale Lage einnehmend, zu der lateralen Flossenfläche sich begeben. Dasselbe gilt auch für die mediale Flossenfläche. a) Muskeln der äußeren Flossenfläche. Wir beginnen unsere specielle Darstellung mit den lateralen Muskeln, weil dieselben sich am besten in natürlicher Lage abzeich- nen und demonstriren lassen. Es haben außerdem die beiden Haupt- muskelschichten der Flosse eine so große Übereinstimmung sowohl in ihrem Bau als auch in den Beziehungen zum Skelet, dass eine ausführliche Beschreibung beider Lagen gar nicht nöthig erscheint. Auch innerhalb der lateralen Schicht lassen sich die Muskeln in zwei Hauptkategorien spalten, die, dem Flossenskelet sich anschließend, die Stamm- und Radialmuskulatur bilden. Erstere folgt in Längszügen dem Stamm, dem Basale metapterygii, letztere hat einen schrägen den Ra- dien entsprechenden Verlauf (vgl. Fig.3 Stma u. Rdma). Die Stamm- muskulatur setzt sich aus Fasern zusammen, welche längs der Stamm- reihe verlaufen und durch sieben Zwischensehnen in ihrem Verlaufe unterbrochen sind (Fig. 3 /nst!). Die Stammmuskulatur kann in zwei über einander liegende Schichten eingetheilt werden, welche indessen nicht scharf von einander zu trennen sind. Die Haupt- unterschiede bestehen im Ursprung und Ansatz, und in der damit zusammenhängenden Verschiedenheit der Wirkung der Muskeln. Die oberflächliche Schicht erstreckt sich bis etwa zum sechsten Gliede der Stammreihe (Fig. 36), während die Fasern der tiefen Schicht schon viel früher am Zwischenstück ihre Ansatzstellen finden (vgl. Fig. 4). Der Ursprung der oberflächlichen Schicht besteht aus zwei Portionen, von welchen die eine (Fig. 3 Sdp) vom Becken, die an- dere aber von der äußeren Seitenmuskelfascie herkommt (Fig. 3 Sds). Beide Portionen konvergiren nach hinten zu und vereinigen sich an der ersten Inscriptio tendinea der Stammmuskulatur (Fig. 3 Inst). Der Beckenursprung der oberflächlichen Schicht (Fig. 3 Sdp) erstreckt sich von der Spitze des lateralen Schenkels des vorderen paarigen Beckenfortsatzes (PJ) längs seines hinteren Randes, geht dann auf die äußere Fläche des hinteren Beckenfortsatzes über, wo seine me- diale Grenze durch die beschriebene, hier vorhandene Leiste (Fig. 1er) repräsentirt wird (s. Fig. 6 USdp). Bei der Beschreibung der Fascien hatte ich bereits erwähnt, dass das ganze Beeken von einer Lamelle Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 131 der äußeren Seitenmuskelfascie überzogen wird. Dieselbe steht auch in Beziehung zu der oberflächlichen Schieht, indem zahlreiche Fa- sern sich mit derselben verbinden und also von ihrer inneren Fläche entspringen (vgl. Fig. 3 Fsc). Es muss noch erwähnt werden, dass am lateralen Rande des Beckenursprunges der oberflächlichen Schicht Fasern vorhanden sind, die von dem lateralen Schenkel des Fort- satzes PJ nur bis zum nächst hinteren Zwischenbande der Seiten- muskeln verlaufen und sich an dasselbe festheften (vgl. Fig. 3). Von dieser Stelle des Zwischenbandes entspringen auch einige we- nige Bündel, die sich dem lateralen Rande des Beckenursprunges der oberflächlichen Schicht anschließen und bis zur ersten Inscription derselben verlaufen (vgl. Fig. 3). — Die zweite, von der Seiten- muskelfascie entspringende Portion der oberflächlichen Schicht ist von dem Beckenursprung der ersten Portion vollkommen getrennt (Fig. 3 Sds). Sie besteht aus einer dünnen Lage neben einander liegender Fasern, welche von ihrer Ansatzstelle, also von der ersten Inseription der oberflächlichen Schicht, fächerförmig divergiren, so dass der Ursprung eine ziemlich lange bogenförmige Linie an der Fascie der Seitenmuskeln bildet (Fig. 3 u. 4 Sds) !. Da der Ursprungs- theil der erwähnten Portion von der inneren Fläche der Seitenmus- kelfascie herkommt, so kann letztere ungestört über den Muskel zur Flosse hinziehen, wo wir bereits ihr näheres Verhalten geschildert haben. Mit den Seitenmuskeln und deren Zwischensehnen steht die Portion Sds in gar keinem Zusammenhang. Zur ersten Inscription angelangt (Fig. 3 Jnst), verbindet sich der Fascienursprung mit dem Beckenursprunge, wobei die Beckenportion den medialen Theil der Sehne für sich in Anspruch nimmt, der Fascienursprung hin- gegen den lateralen. Die erwähnte erste Inscription hat, wie die übrigen sechs, einen eigenthümlichen, nach hinten konkaven, bogen- förmigen Verlauf. Sie durchsetzt alle Fasern der oberflächlichen Schicht, steht aber mit dem unter derselben liegenden Skelet nicht in Verbindung. Weiterhin zieht die oberflächliche Schicht der Stamm- muskulatur, wie erwähnt, auf der Stammreihe, sich auch der sich allmählich verjüngenden Form derselben anpassend. Sie gewährt uns hier ein Bild, welches in dem Verhalten der Seitenmuskeln sein Analogon findet: es sind längsverlaufende Fasern, welche von Zeit zu Zeit von den Zwischensehnen unterbrochen sind. Wie die ganze 1 Humpury erwähnt diese Portion, lässt dieselbe aber direkt vom Seiten- muskel herkommen. |. ¢. pag. 283 Fig. 34 auf Taf. XIV. 9% 132 M. Davidoff Stammmuskulatur sich distalwärts zuspitzt, so werden auch die Ab- stände zwischen den Inscriptionen kleiner und sie selbst auch schmäler. Die Muskelpartien zwischen den Sehnen stellen Anfangs ziemlich dicke, etwas gewölbte Abschnitte dar, welehe distalwärts immer schmächtiger werden, und sind in der Gegend des sechsten Stammgliedes von der Fascie und dem Integumente kaum mehr zu trennen. Von dem allgemeinen Verhalten der Stammmuskulatur bildet eine Ausnahme ein kleiner Muskel, der sich von dem media- len Abschnitte der ersten Zwischensehne ablöst, eine selbständige, nach hinten und median gerichtete Riehtung einschlägt und in der Gegend der zweiten Inseription in eine feine Sehne übergeht, mit welcher sich noch mehrere Muskelbiindel der später zu betrachten- den Radialmuskeln verbinden, um sich an der Spitze des zweiten Gliedes des ersten medialen Radius festzuheften (Fig. 3 ab). Von Interesse ist das Verhalten der Zwischensehnen der ober- flächlichen Stammmuskulatur zu den Gliedern der Stammreihe. Zu- erst ist hervorzuheben, dass weder die Inseriptionen noch die Mus- kelfasern mit dem Knorpel des Flossenskelets im Zusammenhange stehen. Es bilden eine Ausnahme nur einige tiefe Fasern der Stamm- muskulatur, welche sich am ersten Gliede der Stammreihe festhef- ten (vgl. Fig. 6 Atst). Es ist nichts leichter, als die ganze Musku- latur von der Flosse abzuziehen. Dabei ist aber zu bemerken, dass die Inseriptionen den Gliedstücken des Basale durchaus entsprechen, und sich immer zwischen je zwei Artikulationen derselben lagern, so dass ihre ventralen Enden immer zwischen je zwei ventrale Ra- dien zu liegen kommen. Auf den dorsalen Radien, welche wegen ihrer größeren Anzahl dicht an einander liegen, verlaufen die Enden der Inseriptionen über dieselben hinweg. Von der oberflächlichen lateralen Stammmuskulatur lässt sich, wie gesagt, eine tiefere Schicht abtrennen. Sie setzt sich zusam- men: erstlich aus denjenigen Muskeln, welche vom Becken zum Zwischenstück verlaufen (Fig. 5 Sdp! u. Sdp!!); zweitens aus Mus- keln, die, der Richtung der Radien sich accommodirend, mit den- selben zusammen verlaufen, und die ich als Radialmuskeln bereits genannt habe (Fig. 3 Rdma). Demnach ist es offenbar, dass die tiefe Schicht im Gegensatz zur oberflächlichen aus lauter einzel- nen in proximo-distaler Richtung unzusammenhängenden Muskeln besteht, welche nur darin übereinstimmen, dass sie eben von der oberflächlichen Schicht bedeckt sind. — Gehen wir zunächst zu der Muskelgruppe, welche das Becken mit dem Zwischenstück verbindet, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 133 über. Hier treten uns zwei Muskeln entgegen, die von einander gut abzusondern sind (Fig. 5 Sdp! u. Sdp"). Der eine (Sdp!) ent- springt längs des ganzen lateralen Randes des hinteren Beckenfort- satzes, das knopfartige Ende des lateralen Höckers Pe frei lassend, an welchen, wie wir wissen, sich die Seitenmuskeln festsetzen (Fig. 6 USdp' u. Asm). Es ist ein dicker, schöner Muskel, dessen Fasern an der Oberfläche in zahlreiche Sehnen übergehen. Von seinem Ursprunge aus verlaufen die Fasern schräg auf der etwas gewölbten Fläche des hinteren Beckenfortsatzes über die Artikulation desselben mit dem Zwischenstück hinweg, und setzen sich an die me- diale Protuberanz des Zwischenstückes fest (Fig. 1Y u. Fig. 6 Asdp/). Was jedoch diesen Muskel nicht vollständig von dem Beekenursprung der oberflächlichen Stammmuskulatur abtrennen lässt, ist der Um- stand, dass einige seiner Sehnen sich mit der ersten Inscription die- ser Schicht verbinden. Der zweite Muskel (Fig. 5 Sdp”) schließt sich in seinem Verlaufe eng dem vorhergehenden an. Seine tieferen Fasern entspringen von der dorsalen Fläche des lateralen Randes des hinteren Beckenfortsatzes, so dass die eigentliche Kante dessel- ben zwischen den Ursprüngen der beiden Muskeln zu liegen kommt (vgl. Fig.4 USdp”). Die oberflächlichen Fasern nehmen jedoch ihren Ursprung von einer Sehne der Seitenmuskeln, welche von dem Höcker Pe zum lateralen Schenkel des Fortsatzes PJ des Beckens hinzieht. Nun ziehen die Fasern dieses Muskels, wie die des vorigen. über die Artikulationsfläche des Beckens mit dem Zwischenstück, und finden ihre Hauptansatzstellen am lateralen Fortsatze (X) des Zwischen- stückes (vgl. Fig. 6 ASdp!!). Die oberflächlichen Fasern verbinden sich jedoch, eben so wie dienigen des Muskels Sdp? mit dem latera- len Theil der ersten Inscription der oberflächlichen Schicht. Die zweite Gruppe der Muskeln der tiefen Schieht bilden nun die Radialmuskeln. Letztere können in zwei Abschnitte gesondert werden: in diejenigen, welche von Skelettheilen entspringen und sich auch an solche festsetzen, und in diejenigen, welche mit dem Skelet in keinerlei Beziehung stehen. Diese Gruppen sind nun, was ihre Lage angeht, von einander geschieden, gehen aber sonst konti- nuirlich in einander über. — Die mit dem Skelet in Beziehung stehenden radialen Muskeln befinden sich vorn und verlaufen vom Zwischenstiick zu den vordersten Radien (Fig. 3 Rdms u. Rdmv). Sie entspringen von dem Fortsatze X des Zwischenstiicks (Fig. 6 Rdms), sind Anfangs von der iiber sie hinwegziehenden Stammmuskulatur bedeckt, kommen dann am lateralen Rande derselben hervor, ver- 134 M. Davidoff laufen, die lateralen, schräg nach hinten und lateralwiirts und setzen sich cirea an die vier ersten lateralen resp. dorsalen Radien mit ihren tieferen Fasern fest (Fig. 6 Alrd). Die oberflächlichen Fasern stehen indessen in Verbindung mit den sog. Hornfäden des sekun- dären Flossenskelets. Auf der lateralen Flossenseite lässt sich der Unterschied im Verlaufe dieser wenigen Muskelbiindel von den nächst hinten gelegenen, zur zweiten Gruppe der radialen Muskeln gehöri- gen, wahrnehmen, indem ihre Richtung eine viel mehr nach hin- ten gerichtete ist. Auf der medialen resp. ventralen Flossenseite Fig. 3 Rdmv) ist dieses viel weniger der Fall. Hier schließen sich die mit dem Skelet sich verbindenden radialen Muskeln eng an die übrigen an, unterscheiden sich aber von den eben betrachteten der lateralen Seite (Rdms) dadurch, dass die ersten Bündel sich weder an die Skelettheile noch an die Hornfäden festsetzen, sondern sich mit der bereits beschriebenen Sehne des Muskels Ad verbinden. Sonst verhalten sie sich ganz wie diejenigen der lateralen Seite, sind mit denselben gleichen Ursprungs und setzen sich an die laterale Fläche des ersten Radius fest (Fig. 6 Amrd). Die Bündel der zwei- ten Gruppe der radialen Muskeln (Fig. 3 Rdma) stehen, wie eben erwähnt, in gar keinem Zusammenhang mit dem Skelet. Ihre Rich- tung entspricht derjenigen der Radien, welche sie bis zur Gegend des sechsten Stammgliedes vollständig bedecken. Sie entspringen von den Inseriptionen der Stammmuskulatur und zwar von den hin- teren, verbreiterten Enden derselben. Demgemäß liegen die einzel- nen von einem Zwischenbande kommenden Bündel an ihrem Ur- sprungstheil nicht parallel neben einander. Die weiter hinten gelegenen beschreiben, — sei es nach außen, auf der medialen Flossenseite, oder nach innen, auf der lateralen, — leichte Bogen, um zu den ihnen zum Ansatze dienenden Hornfäden zu gelangen. Auch ist die Form dieser Muskeln am Ursprungstheil etwas kompri- mirt, von ovalem Querschnitte, während sie sich distalwärts ver- breiten, aponeurotisch werden und mit ihren Endsehnen eine Anzahl von Hornfäden umfassen. Vom sechsten Gliede der Stammreihe an werden die Radialmuskeln außerordentlich dünn und schmächtig, bestehen aus einer geringen Anzahl von Bündelchen, welche nur mit Mühe von der hier bereits mit dem Integument verwachsenen Fascie abzulösen sind. Bemerkenswerth ist der Umstand, dass die Radial- muskeln auch da noch vorkommen, wo bereits die Stammmuskulatur nicht mehr vorhanden ist, ihnen also die Ursprungsstätte fehlt. Sie stellen hier wahrscheinlich, eben so wie die Radien, die eben- Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren GliedmaBe der Fische. 135 falls mit dem Stamme nur locker verbunden sind, Gebilde vor, die jetzt ‚ganz ohne funktionelle Bedeutung sind. Da wir nun die Muskeln der äußeren Gliedmaßenfläche kennen gelernt haben, werfen wir einen Rückblick auf das Ganze. Zu allererst muss ganz besonders betont werden, dass die an- geführten Schichten und Gruppen keineswegs scharf von einander geschieden sind, wie es etwa nach der Beschreibung scheinen dürfte. Hier besteht dasselbe Verhältnis, wie bei den früher bearbeiteten Fischen, wo die Muskulatur gleichsam eine zusammenhängende Hülle des Skelets bildet. Der Deutlichkeit halber mussten selbstverständlich sowohl die Beschreibung als auch die Zeichnungen etwas schematisch werden, welches Verfahren dem Leser das Gewirre durch einander geflochtener Muskelfasern nur veranschaulichen kann. Es ist auch einleuchtend, dass Vieles von der Präparation selbst abhängig ist, dass Manches auf kiinstlichem Wege hergestellt ist und nur eine relative Selbständigkeit besitzt. Desshalb möchte ich, um allen Miss- verständnissen auszuweichen, die, als selbständige Schichten oder Muskeln beschriebenen Theile als, Kategorien von Muskelfasern auf- gefasst wissen, welche sich im Ansatze, in ihrer Lagerung und im Ursprunge von einander unterscheiden, die jedoch alle einem gro- ßen, zusammenhängenden System der äußeren Flossenmuskulatur angehören. Eine größere Selbständigkeit der beschriebenen Muskeln besteht selbstverständlich da, wo zwischen dem Ursprung und dem Ansatze eine wichtige Gelenkverbindung besteht, so z. B. bei den Muskeln, welche vom Becken zum Zwischenstück verlaufen, und vom letzteren zu den vordersten Radien. Vermöge der Starrheit der Flosse aber, die nur in toto bewegt werden kann, sind die Muskeln auf derselben äußerst wenig differenzirt, und können nur alle zusam- men ihre Wirkung hervorbringen. Es kann hier natürlich nur von einer Abduktion die Rede sein. Wenn überhaupt ein geringer Grad einer Rotation der Flosse vorkommt, was ja durch das Gelenk zwi- schen dem Becken und dem Zwischenstück ermöglicht ist, so kön- nen dabei nur die Muskeln der tieferen Schicht thätig sein und zwar die vom Becken zum Zwischenstück verlaufenden Mm. Spd! u. Spd” (Fig. 5). 6) Muskeln der inneren Fläche. Wie bereits erwähnt, ist die Ähnlichkeit der Flossenmuskeln der äußeren und inneren Fläche so groß, dass ich nach der voran- 136 M. Davidoff gegangenen Beschreibung nur Weniges über die letzteren hinzuzufügen brauche. Eben so besteht auch hier eine oberflächliche und tiefe Schicht, eine Stamm- und eine Radialmuskulatur, deren gegenseitige Beziehungen die nämlichen, wie auf der äußeren Fläche (vgl. Fig. 4 $tmi und Admi) sind. Während aber der Ursprungstheil der lateralen Stammmuskulatur aus zwei Portionen besteht, von welchen die eine, wie wir wissen, von der äußeren Seitenmuskelfascie entspringt, ist an der inneren Muskulatur nur der Beckenursprung vorhanden. Er nimmt den ganzen mittleren Theil des durch die beiden hinteren Becken- schenkel gebildeten Bogens ein und reicht auf der ventralen Fläche nach vorn bis zur »Platte« des Beckens (vgl. Fig. 3 Stmi); an den Seiten erstreckt er sich bis zur Leiste er (Fig. 1), und geht dann auf die dorsale Beckenfliche über. Hier reicht er bis zum Ursprung des vorderen unpaaren Fortsatzes nach vorn und verläuft neben dem Ansatze der Seitenmuskeln nach hinten (Fig. 4 Stme). Hier ist sein vorderer resp. lateraler Theil von einer dicken Fascie bedeckt, die sich mit dem Beckenansatze der inneren Seitenmuskelfascie verbin- det (Fig. 4 Fsin) und den zahlreichen oberflächlichen Fasern zum Ursprung dient. Es ist durch die Lagerung des Beckenursprungs. der inneren Stammmuskulatur gegeben, dass die gleichnamigen Mus- keln der beiden Gliedmaßen hier zusammenstoßen müssen. Das gleiche Verhältnis bestand auch bei den Haifischen, wo wir zwischen den beiderseitigen Muskeln ein Bindegewebsseptum angetroffen ha- ben, welches eine vollkommene Scheidung derselben hervorbrachte!. Bei Ceratodus ist dieses nicht der Fall (vgl. Fig. 3 Stmi). Hier ist die ganze ventrale Fläche aponeurotisch und die Fasern beider Mus- keln sind innig mit einander verflochten : sie durchkreuzen sich und es scheint, dass die Fasern der linken Seite auf die rechte über- gehen und umgekehrt. Die Fasern des Muskels stellen einen dicken, schönen Muskelbauch dar, der lateralwärts sich zur dorsalen resp. inneren Fläche des Zwischenstückes begiebt, wo seine medialen resp. dorsalen Fasern sich ansetzen. Es ist namentlich die am medialen Rande des Zwischenstückes vorhandene Protuberanz, die hier in Betracht kommt (vgl. Fig. 2 Y). Indessen dient auch der median gerichtete Fortsatz 2 (Fig. 2) zum Ansatze der tieferen Muskelfasern. Nur der hintere mediale Rand des Zwischenstückes wird vom An- satze der inneren Stammmuskulatur nicht eingenommen, und dient 1 Vel. meine Untersuchungen I. Theil. Morph. Jahrb. Bd. V. Taf. XXIX, Fig. 11, 12, 13 8. ‘ Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 137 zum Ursprunge der tieferen zur Radialmuskulatur zu rechnenden .Sehicht. Während sich also die tieferen Fasern schon am Zwischenstücke festsetzen, verlaufen die oberflächlichen weiter zur Flosse und wer- den zur Stammmuskulatur derselben. Sie sind eben so wie dieje- nigen der äußeren Flossenfläche von Zwischensehnen unterbrochen und reichen distalwärts eben so weit. — Die tiefe Schicht ist noch weniger differenzirt als auf der äußeren Fläche. Zwischen dem Becken und dem Zwischenstück habe ich keine besonderen Muskeln anzuführen. Hingegen besteht zwischen dem letzteren und den ersten Radien eine besondere Muskulatur, welche von dem medialen und hinteren Rande des Zwischenstückes entspringt und sich an die dorsale resp. innere Fläche des ersten medialen resp. ventralen Radius festheftet. Auch zu den ersten lateralen resp. dorsalen Ra- dien verlaufen tief gelegene Muskelfasern vom Zwischenstücke. Sie sind jedoch nicht so selbständig wie diejenigen der lateralen Seite. Über die Radialmuskulatur der inneren Flossenseite habe ich nichts hinzuzufügen, da sie sich ganz eben so wie auf der äußeren Flossen- fläche verhält. Die Wirkung der Muskeln der inneren Flossenseite kann nur eine adduetorische sein, und wir konstatiren hiermit, dass die beiden großen Muskelgruppen, die laterale und mediale, der hinteren Glied- maße Antagonisten sind: die ersteren sind Abductoren, die letzte- ren Adductoren. c. Das Nervensystem. Die die Gliedmaßen versorgenden Nerven sind ventrale Äste der Spinalnerven. Sie verlaufen auf der inneren Fläche der Seiten- muskeln und sind von der inneren Fascie derselben, so wie auch vom Peritoneum bedeckt. Die vorderen, noch nieht im Zusammen- hang mit der Gliedmaße stehenden ventralen Aste sind dünn und veriisteln sich sehr bald in dem von ihnen innervirten Myocomma. Es ist dieses Verhältnis festzuhalten, da die Gliedmaßennerven hiervon eine Ausnahme machen. Sie beschränken sich nicht mehr auf das ihnen zukommende Myocomma, sondern verlaufen zum nächst hinteren und verbinden sich mit dem daselbst gelagerten Nerven (vgl. Fig. 7). Auch sind fast alle Gliedmaßennerven, nament- lich die mehr distal gelegenen, eigenthümlich breit und dünn, die stärksten von ihnen sogar bandartig durchsichtig und stehen alle ver- 138 M. Davidoff mittels Anastomosen oder eines Collector (Fig. 7 c) in Verbindung mit einander. Ihre Reibenzahl kann ich nur annähernd angeben, da das Bestimmen derselben immer seine Schwierigkeiten hat, wenn die Eingeweide und der Schultergürtel nicht verletzt werden sollen. Bei einem Exemplare, das ich Prof. GEGENBAUR verdanke, und das allerdings kleiner war als die beiden übrigen, habe ich indessen die Reihenzahl bestimmen können, und fand, dass der erste Gliedmaßen- nerv der 19. ventrale Ast ist. Die Gesammtzahl der Gliedmaßen- nerven ist hingegen ziemlich konstant und variirt, wie es scheint, nur äußerst wenig (1—2 Nerven). Da jedoch die Anastomosen der vor- dersten Nerven sehr fein sind, und ihre Präparation große Schwie- rigkeiten bietet, so kann es natürlich vorkommen, dass im gegebenen Fall die Anastomose eines oder zweier Nerven nicht aufzufinden ist. Es kommt aber wenig darauf an, ob wir einen ventralen Ast mehr oder weniger zu den Gliedmaßennerven hinzuzählen. Das Wichtigste bleibt immer der Modus ihrer Verästelung und Verbin- dung mit einander. Ich werde bei der Beschreibung der Nerven mich auf das größte und besterhaltene Ceratodusexemplar stützen, und nur Dasjenige vorführen, was ich selbst mit vollkommener Sicher- heit erkannt habe. Ich fand zwölf ventrale Aste, welche im Zusammenhang mit den Muskeln der Gliedmaße stehen (Fig. 7 7/—/2). Nur die vier hintersten Gliedmaßennerven verlaufen direkt zur Extremität; alle übrigen sind, — sei es durch feine Anastomosen, oder durch einen Colleetivstamm, — mit derselben nur indirekt verbunden. Bei den vier ersten Nerven (Fig. 7 /—4) sind die Anastomosen unregelmäßig, zum Theil feine Ansae, die bald ganz an der Peripherie, bald auch mehr central sich finden. Die Endzweige dieser Nerven verästeln sich in den Fasern ihres Myocomma, und ihr Stamm ist meistens sogleich hinter einem Zwischenbande der Seitenmuskeln gelegen. Die vier folgenden Nerven (Fig. 7 5—S) gewinnen schon mehr den Charakter echter Gliedmaßennerven. Sie sind bedeutend kräftiger als die vorigen, und schlagen bereits eine mehr oder weniger nach vorn gerichtete Bahn ein. Ihre feinen zur Seitenmuskulatur abge- henden Zweige entspringen mehr central, wesshalb sie auch auf der Figur nur zum Theil dargestellt werden konnten, und lösen sich so- fort in derselben auf. Anders verhalten sich die Endäste. Meistens zwei an Zahl, verlaufen sie, ohne Muskelzweige abzugeben, bis zum Collector (Fig. 7 e), und gehen vollständig in denselben ein. Nur die Äste des 7. u. 8. Nerven verbinden sich unter einander noch Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren GliedmaBe der Fische. 139 bevor sie den Sammelnerven erreicht haben. Letzterer nimmt aber seine Entstehung von dem vorderen Aste des fünften Gliedmaßen- nerven, und verläuft, die anderen in sich aufnehmend, zur Seite der Medianlinie nach vorn und nimmt allmählich an Dicke zu. Ähn- liche Verhältnisse der Gliedmaßennerven fanden wir schon bei den Haien und Ganoiden; jedoch finde ich bei Ceratodus nicht die vom Collector zur Seitenmuskulatur in regelmäßigen Abständen abgehen- den Zweige. Nachdem derselbe die verbundenen Äste des 8. und 7. Nerven aufgenommen, stellt er einen dicken Stamm vor, der sich in zwei Äste spaltet, welche sich mit dem Stamme des 9. Nerven verbinden. Der mediale (Fig. 7 ae) ist ein dünnes Fädehen und nimmt den vorderen Zweig des 8. Nerven in sich auf. Vom Ur- sprungstheil des lateralen Astes (Fig. 7 al), der seiner Stärke wegen als Fortsetzung des Collectors aufgefasst werden kann, entsteht ein Nervenfädehen, welches sich bald, wie es scheint in den Seiten- muskeln auflöst (zs). Nach der Vereinigung der Äste des Collectors mit dem Stamme des 9. Nerven entsteht ein Plexus, in welchen die Elemente der drei übrigen und letzten Nerven der Gliedmafe ein- gehen. Es wäre eine überflüssige Arbeit, eine genaue Beschreibung dieses Plexus zu geben, da derselbe außerordentlich komplieirt und außerdem sehr variabel ist. Die gegebene Figur (7) mag die Ver- hältnisse, wie sie hier im speciellen Falle bei dem größten unter- suchten Exemplare vorliegen, veranschaulichen. Auch die Lage- beziehung des Plexus zum Skelet ist daraus ersichtlich. Wir sehen, dass derselbe im Bereiche des Zwischenstückes sich findet. Das Wesentliche dieser Plexusbildung besteht jedoch darin, dass sämmtliche Gliedmaßennerven sich hier verbinden, so dass die die Gliedmaßenmuskeln innervirenden Endäste des Plexus im innigsten Zusammenhange unter einander stehen. — Aus dem Plexus gehen sechs Nerven hervor, von welchen drei auf die laterale (d!, d?, d*) Flossen- seite, drei auf die mediale (v!, v2, v3) verlaufen. Verfolgen wir z. B. den ersten sich in die Äste d! und v! spaltenden Nerven, so sehen wir, dass derselbe sich aus den Elementen aller Gliedmaßennerven zusammensetzt. Vom Collector bekommt derselbe das Astchen Cv'!, vom 9. Nerven den Ast 9v!, mit dem 10. steht er in Verbindung durch das Ästchen /0v', und vom 11. Nerven, welcher durch den Ast a!? mit dem 12. und letzten Gliedmaßennerven in Verbindung steht, den Ast //v'. Auf eine Ähnliche Art setzen sich auch die übrigen Endäste des Plexus zusammen. Was nun das specielle Verhalten der Endäste angeht, so kann 140 M. Davidoff ich, wegen ihrer außerordentlichen Feinheit, nur ihr verhältnismäßig gröberes Verhalten angeben, da bei ihren peripherischen Verzweigun- gen mir die nöthige Sicherheit abgeht. Alle peripheren Nerven des Plexus verlaufen. wie bei den Haien, auf dem Skelet, und nur ihre Äste begeben sich in die Muskeln hinein. Der erste mediale End- ast des Plexus (vo!) begiebt sich auf das Zwischenstück unmittelbar vor dem Vorsprunge x desselben, und verläuft dann um den Fort- satz z (vgl. Fig. 7). Hier giebt er mehrere Zweige ab, welche sich in der sie bedeckenden Muskulatur des Stammes verästeln. Dann verbindet er sich mit dem Aste v? und verläuft weiter am Rande des Basale auf den Radien, wo er mehrere sich in der Radialmus- kulatur der betreffenden Seite auflösende Zweige abgiebt. Der End- ast v? verläuft zur anderen Seite des Fortsatzes z und nach seiner Verbindung mit dem Aste v? läuft er Anfangs auf den beiden ersten Basalgliedern der Stammreihe, und begiebt sich mit dem Aste o! gemeinschaftlich auf die dorsale Flossenseite, wo er ebenfalls Zweige zur Radialmuskulatur entsendet. Der dritte Ast endlich (v*) berührt das Zwischenstück gar nicht und ist einzig und allein für die ven- trale resp. mediale Flossenseite bestimmt. Er verläuft auf den Ra-. dien der erwähnten Seite, und spaltet sich in mehrere sehr feine Endäste, die in den betreffenden Radialmuskeln ihr Endziel finden. — Es findet annähernd dasselbe Verhalten auch auf der äußeren Flossenfläche statt. Jedenfalls können wir konstatiren, dass auf jeder Flossenfläche Längsstämme am Basale verlaufen, ferner, dass auf der dorsalen resp. lateralen Flossenseite die Nerven zahlreicher sind als auf der ventralen. Es ist natürlich anzunehmen, dass die Flos- sennerven in ihrem Verlaufe noch viel mehr Ästchen zu den sie um- gebenden Muskeln abgeben, als es auf der Figur aufgezeichnet ist. Ich habe aber absichtlich nur diejenigen aufgezeichnet, welche ich mit Sicherheit erkannt habe. Aus der Anordnung des Nervensystems des Ceratodus sehen wir, dass wir hier eine Einrichtung haben, welche für uns nicht mehr neu ist. Wir fanden bereits bei den Haien analoge Verhält- nisse. Es findet hier dieselbe Verbindung der ventralen Spinaläste durch einen Sammelnerven, die Spaltung der Endäste in zwei Haupt- kategorien, in diejenige der äußeren und inneren resp. ventralen und dorsalen Flossenfläche statt. Der Plexus, welcher bei den Haien in der Gliedmaße selbst stattfindet, ist hier vor der Gliedmaße gelagert und erinnert somit an die Befunde bei der Chimaera. Bei den Haien fanden wir auf jeder Fläche einen am Basale verlaufenden Längs- Beitriige zur vergleichenden Anatomie der hinteren GliedmaBe der Fische. 141 stamm, hier dagegen können wir zwei unterscheiden, was mit der biserialen Anordnung des Skelets und der Muskeln im Einklang steht. Was den allgemeinen Verlauf der Endäste des Plexus betrifft, so können wir konstatiren, dass er bei Ceratodus ein einfacher ist, in so fern die Nervenkanäle am Becken fehlen. Es findet ferner hier kein Winden der Äste einer der beiden Flossenflächen, etwa um das Zwischenstück, statt, wie es die ventralen Äste der Haie um das Basale metapterygii thun. Was die aus diesen Befunden folgenden Konsequenzen betrifft, verweise ich auf den nächsten, vergleichenden Theil dieser Arbeit. 2) Vergleichender Theil. Nachdem wir die Hintergliedmaße von Ceratodus in allen ihren Einzelheiten kennen gelernt haben, ist es unsere Aufgabe, dieselbe einer vergleichend-anatomischen Prüfung zu unterwerfen, die Homo- logie ihrer einzelnen Theile bei den schon früher untersuchten Fischen aufzufinden. Es ist wohl kaum daran zu zweifeln, dass das Becken des Ce- ratodus dem Becken der Selachier homolog ist. Dafür spricht seine Lage in der Medianlinie der Bauchfläche, der Ansatz der Seiten- muskeln an dasselbe, und der Ursprung der die Flossen bewegenden Muskulatur. Es ist ein homogenes Stück, welches, wie bei vielen Haien, keine mediane Trennung in zwei Hälften aufweist. Seine, bei Ceratodus so mächtige Ausbildung, die mannigfachen Fortsätze, Leisten und Vorsprünge, sind dureh die Größe und durch die damit im Zusammenhang stehende Leistungsfähigkeit der Muskulatur zu erklären. Unsere Aufgabe ist es aber nachzusehen, ob alle diese Differenzirungen des Ceratodus-Beckens etwas specifisch Neues vor- stellen, oder ob sie, namentlich die Fortsätze, nicht schon bei den Haien im rückgebildeten Zustande anzutreffen seien. Was zunächst den vorderen unpaaren Fortsatz angeht, so finden sich bei einigen Haien Anknüpfungspunkte. Ich erinnere an das Becken von Heptanchus, das »eine rechteckige Platte vorstellt, welche in der Mittellinie einen nach vorn gerichteten, kurzen und abgerun- deten Vorsprung besitzt«!. Eben so wie bei Ceratodus ist dieser ! Meine Untersuchungen 1. Theil pag. 453. Vgl. auch d. gegebene Abbil- dung des Beckens v. Heptanchus auf Taf. XXVII Fig. 1. 142 M. Davidoff Vorsprung im Bindegewebe der Medianlinie eingebettet, und ist bei Heptanchus offenbar riickgebildet. Die Differenz liegt also nur in der Größe der beiden Fortsätze. Berücksichtigen wir aber, dass die Länge dieses Fortsatzes bei Ceratodus auch beträchtlichen Schwan- kungen ! unterworfen ist, was wahrscheinlich auch bei Heptanchus stattfindet, so fällt dieses Argument von selbst weg. — Ich kann nicht umhin, hier noch darauf hinzuweisen, dass bei den geschwänz- ten Amphibien solehe unpaare, nach vorn gerichtete, zuweilen ein- fache (Proteus), bald aber gegabelte (Salamandrinen) Fortsätze fast allgemein vorkommen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die Amphibien gerade in dieser Hinsicht eine primitive Eigenschaft bei- behalten haben, während dieselbe bei den höheren Wirbelthieren und den übrigen Fischen fast vollständig verloren gegangen ist. Es ist schwer, über die Bedeutung und die Genese dieses Fortsatzes etwas Bestimmtes zu sagen. Er dient bei Ceratodus jedenfalls zur besseren Fixirung des Beckens an den Rumpf, und seine Größe steht im direkten Verhältnis zur Größe und Leistungsfähigkeit der ganzen Gliedmaße. Die Genese ist hingegen dunkel. Gehen wir zu den vorderen paarigen lateralwärts gerichteten Fortsätzen des Ceratodus-Beckens über, so bieten uns dieselben nur geringere Schwierigkeiten, als der eben betrachtete vordere. Wir erkennen in denselben sofort die an den nämlichen Stellen sich fin- denden, dorsal gerichteten Fortsätze der Plagiostomen, der Holoce- phalen und der knorpeligen Ganoiden?. Vermöge ihrer geringen Entfaltung bei Ceratodus ist ihre dorsale Richtung weniger ausge- sprochen, als z. B. bei der Chimaera, wo sie eine bedeutende Größe erreichen. Auch mag das wohl noch damit zusammenhängen, dass das Becken der Selachier um Vieles breiter ist, fast die ganze Bauch- fläche als eine quere Spange durchzieht. In Folge dessen müssen auch die betreffenden Fortsätze, eine dorsale Richtung einschlagen. Sehr charakteristisch für dieselben ist ihre oberflächliche Lage und der Ansatz der Seitenmuskeln an dieselben. Diese Fortsätze ent- sprechen also den dorsalen Abschnitten des Beckengürtels, dem Ilium, was ich später, bei der Betrachtung der Muskeln noch näher be- gründen will. — Die beiden hinteren, sich mit dem Zwischenstück verbindenden Beckenschenkel sind jedenfalls dieselben Gebilde, welche (in sehr rückgebildetem Zustande) auch bei den Haien die Artiku- ı Wie bereits erwähnt zwischen 5 und 7 cm. 2 Meine Untersuchungen I. Th. Taf. XXVIII Fig. 2 J, 3 u. 5 Pd. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 143 lation des Beckens mit dem Basale metapterygii vermitteln. Eine auffallende Ähnlichkeit in dieser Beziehung besteht mit der Chimaera, wo ganz die gleichen Stellen des Beckens sich zu Fortsätzen ent- wickeln, welche das Basale tragen !. Es fehlt somit bei den Haien kein einziger Theil des Ceratodus- Beckens, alle Abschnitte sind aber bei den ersteren mehr oder we- niger rückgebildet. Nur bei Chimaera ist der dorsale Beckenfortsatz entwickelter als bei Ceratodus. Eine Eigenthümlichkeit des Cera- todus-Beckens ist aber das vollkommene Fehlen von Nervenkanälen. Erinnert man sich, dass solehe Löcher bei allen bisher untersuchten mit einem Becken versehenen Fischen, vorkommen, mit Ausnahme des Polypterus, so ist das Nichtvorhandensein derselben bei Cerato- dus befremdend. Indessen sind diese Nervenkanäle gewiss nicht als etwas Primitives aufzufassen. Sie sind vielmehr dadurch bei den Selachiern entstanden, dass die am Becken verlaufenden Nerven, durch die Verbreiterung desselben in den Knorpel aufgenommen wurden. Wir sehen, dass auch bei den Selachiern die Zahl dieser Löcher sehr variabel ist, und haben daher kein zu großes Gewicht auf dieselben zu legen. Immerhin muss daran festgehalten werden, dass überall da, wo solche Nervenkanäle vorkommen, sie immer dem Becken, also dem eigentlichen Gliedmaßenbogen angehören. Beim Zwischenstück entsteht die Frage, ob dasselbe als erstes Glied der Stammreihe aufzufassen ist, oder als ein ganz besonderes, eingeschaltetes oder gar vom Becken abgelöstes Stück ? Für die bei- den letzten Annahmen besteht nur eine sehr geringe Wahrschein- lichkeit. Für die erstere spricht aber zuerst das zwischen dem Becken und dem Zwischenstück vorhandene Gelenk, das bei allen Selachiern zwichen dem Becken und dem Basale sich findet; ferner auch die innige Verbindung dieses Stückes mit dem Basale, und endlich das sporadische Vorkommen einiger, dem Zwischenstück ansitzender Radien. Ich selbst habe niemals an demselben Radien gefunden; auch GÜNTHER erwähnt in seiner Beschreibung einen sol- chen Befund nicht. Auf seiner Abbildung? finden sich jedoch der rechten Seite des Zwischenstückes ansitzende Radien. Der erste ist vom Zwischenstück abgelöst und besteht aus einem basalen Gliede, das zwei Radien, von welchen der eine aus einem Gliedstücke, der andere aus zweien besteht, trägt. Dieser Umstand ist in so fern 1 Ebend. Fig. 3. ae Tao X X VI. 144 M. Davidoff von großer Bedeutung, als wir dadurch auf das Unzweifelhafteste von der Natur des Zwischenstückes, als ersten Gliedes der Stamm- reihe, überzeugt werden!. Das erste radientragende Glied der Stammreihe ist, wie wir sehen, von den anderen verschieden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dasselbe zum Theil aus mit einander verschmolzenen Basal- gliedern der Radien besteht. Die Ansicht, dass dieses Stück ver- möge seiner bedeutenden Größe sich in Anpassung an die ihm an- sitzenden Radien gliedert, scheint mir jedoch plausibler zu sein. Die bestehenden Furchen und Fortsätze sind auch an den übrigen Gliedern der Stammreihe in geringerer Entwicklung anzutreffen. Der erste große den ersten linken Radius tragende Fortsatz ist mit dem Körper des ersten Stammreihengliedes kontinuirlich verbunden, und es besteht auch nicht die geringste Spur einer ehemaligen Trennung. Wollten wir Fortsätze solcher Art als aus den Verschmelzungen der basalen Radialglieder mit dem Stammgliede entstanden deuten, so müssten wir konsequenterweise auch die Fortsätze des Zwischen- stückes auf diese Art erklären. Wir haben aber gesehen, dass diese Differenzirungen des Zwischenstücks mit den Muskeln im Zusammen- hang stehen. Ganz dasselbe findet auch bei dem ersten radientra- genden Stammreihengliede statt. Hätte GÜNTHER diese Verhältnisse berücksichtigt, so würde er gewiss nicht die Vermuthung ausgespro- chen haben, dass das erste radientragende Stammglied des Ceratodus möglicherweise den zusammengefügten Pro-, Meso- und Metaptery- cium der Plagiostomen entspreche. Er spricht diese Vermuthung allerdings in Rücksicht der vorderen Gliedmaße aus, aber seiner Beschreibung und Abbildung nach ist dieses Stück an den beiden Gliedmaßen vollkommen gleichartig beschaffen. Man braucht nur die betreffenden Figuren mit einander zu vergleichen, um sich davon zu überzeugen?. Auch was das Zwischenstück betrifft, so spricht sich ! Ich glaube nicht zu irren, wenn ich das erste Flossenglied des Proto- pterus (vordere Glieder) dem Zwischenstück des Ceratodus für homolog halte. Es spricht dafür zuerst seine Artikulation mit dem Schultergürtel, ferner die Entwicklung verschiedener Fortsätze ete. Dass diese Fortsätze »einst knorpe- lige Strahlen getragen haben müssen, lehrt ein Blick auf die Ceratodus-Extre- mität, wo solche jetzt noch vorkommen«. Hier meint WIEDERSHEIM vielleicht das erste radientragende Stammglied. Dass aber auch am Zwischenstück Radien vorkommen können, ist aus GÜNTHER's eben angeführter Abbildung zu ersehen. Vgl. WIEDERSHEIM, Jen. Zeitschr. Bd. XIV. pag. 173 (Anm.) und Tat. VIE 21. e. Holzschnitt auf pag. 532 und meine Fig. 1. Auch BUNGE (I. e. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 145 GÜNTHER unentschlossen aus. Ist seine obige Ansicht bezüglich des ersten radientragenden Gliedes der Stammreihe richtig, so, sagt er, ist das Zwischenstück (antibrachial cartilage) bei den Selachiern nicht vertreten!. Wir haben es bereits nachgewiesen, dass wir es hier nur mit Differenzirungen der Stammreihe zu thun haben. Darüber können schwerlich Zweifel entstehen, dass die Stamm- reihe dem Basale des Metapterygium der Selachier entspricht. Die hier vorhandene Gliederung kann selbstverständlich kein Einwand dagegen sein, obwohl es schwer ist, sich dieselbe bei Ceratodus zu erklären. Sie kommt bei einigen Selachiern nur am distalen Ab- schnitte des Basale vor. Denken wir uns aber diese Gliederung bei Ceratodus aus Anpassungsgründen an die Länge der Flosse entstan- den, so müssen wir sie dann als etwas Sekundäres, Erworbenes ansehen. Auch die Entwicklungsgeschichte der Selachierflossen lehrt uns, dass jede Gliederung, sowohl der Radien als auch des Basale ein viel späterer Vorgang ist?. Da wir auch an der Muskulatur eine den einzelnen Segmenten der Stammreihe entsprechende Gliederung fanden, so gewinnt diese Ansicht an Wahrscheinlichkeit, obwohl immerhin noch einzuwenden ist, dass die physiologische Bedeutung dieser Gliederung eine nur äußerst minimale sein kann, dass ferner auch die Zwischensehnen der Stammmuskulatur in gar keiner näheren Beziehung zu den Segmenten der Stammreihe stehen. Es muss also diese Frage vorläufig als unentschieden dahingestellt bleiben. Wenden wir uns zu den Radien, so sind wir im Zweifel, welche Radienreihe. die mediale oder laterale, den bei den Selachiern vor- handenen Radien entspricht. Die endgültige Antwort ist nur nach der Betrachtung der Muskeln und Nerven zu geben. Die Erörterung der bisherigen Meinungen der Forscher muss indessen schon hier ange- führt werden. — Es ist vor Allem Bunce, der diesen Gegenstand, so weit derselbe unabhängig von den übrigen Organsystemen der pag. 304) ist dieser Meinung: »Was die specielle Deutung dieses Stückes anbe- trifft, in welchem GÜNTHER das Pro-, Meso- und Metapterygium GEGENBAUR’S wiedererkennen will, so dürfte dieselbe wohl bei der Bedeutung, die GEGEN- BAUR diesen Bezeichnungen zugeschrieben wissen will, nicht aufrecht erhalten werden können.« 1]. c. pag. 532. ?2 S. BALFOUR, on the Development of the Skeleton of the Paired Fins of Elasmobranchii. Proceedings of the zool. Soc. of Lond. 1881 June 7. p. 656. Ders. A treatise on compar. Embr. Lond. 1881. 11, pag. 506 sq. Morpholog. Jahrbuch. 9. 10 146 M. Davidoff Flosse gelöst werden kann, erörtert hat!. Das Hauptobjekt dabei ist die Flosse von Protopterus (Rhinoeryptis Peters), dessen Radien GEGENBAUR als den lateralen des Ceratodus entsprechende gedeutet. Es erweist sich aber, dass bei einer Stellung der Flosse, »bei wel- cher ihre ventrale Fläche lateralwärts, ihr lateraler Rand dorsal gerichtet ist«, die Radienrudimente des Protopterus mit den medialen tadien des Ceratodus übereinstimmen. Es folgt also daraus, dass die medialen Radien des Ceratodus bei den Selachiern nur sporadisch im rudimentären Zustande vorkommen, dass sie bei Protopterus aber noch fortbestehen, wogegen bei diesem die bei den Selachiern ent- wickelte laterale Reihe des Ceratodus verloren gegangen ist?. Wenn so die ganze Aufmerksamkeit auf die Homologie der me- dialen und lateralen Radienreihen des Ceratodus mit den übrigen Fischen gerichtet war, ist die Frage nicht aufgeworfen worden, ob bei Ceratodus selbst nicht etwa eine dieser Reihen gegenüber der anderen als in Rückbildung begriffen angesehen werden könnte. Es ist nach den in dieser Arbeit gewonnenen Thatsachen sicher, dass die beiden Radienreihen des Ceratodus ungleich entwickelt sind._ Die laterale besteht aus dieht an einander liegenden Radien, deren Anzahl doppelt so groß ist, als diejenige der medialen Reihe. Es ist somit das Skelet der Hinterflosse des Ceratodus keineswegs als ein dem Schema eines biserialen Archipterygium vollkommen ent- sprechendes zu erachten. Nieht nur die ungleiche Anzahl der Ra- dien der beiden Seiten, sondern auch die Rückbildung der ganzen Flosse in proximo-distaler Richtung beweisen auf das klarste, dass wir es bereits hier mit einer Extremität zu thun haben, die modifieirt ist und ferneren Umbildungen entgegengeht. Diese führen zu einer allmählichen Verkürzung der Flosse, und zu einer Rückbildung me- dialer Radien. Diese Zustände sind es aber, welche uns nach und nach zu der Extremität der Selachier hiniiberleiten. — Zunächst muss aber die Frage gelöst werden: welche denn der beiden Radien- 1 Über die Nachweisbarkeit etc. 1. c. pag. 304. 2 „In den Selachiern,« sagt BUNGE (I. ce. pag. 305—306), vist eine Rückbildung auf Kosten der medialen Radien vor sich gegangen, wiihrend die lateralen sich in einigen Selachiern zur kolossalen-Michtigkeit ausgebildet haben; ja in eini- gen ist die Reduktion bis zum vollkommenen Schwund der medialen Radien fortgeschritten, so dass sie gleich den von ihnen ableitbaren Ganoiden und Te- leostiern, wie GEGENBAUR deutlich gezeigt hat, dem uniserialen Archipterygium untergeordnet werden können.« Vgl. d. Abbildungen auf Taf. IX Fig. XXI, XXI, XXII. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 147 reihen des Ceratodus, die ventrale oder die dorsale, den Radien der Selachier entspricht? Diese Frage führt uns unmittelbar zur Be- trachtung der Muskulatur. Ich werde mich nicht zu sehr in Einzelheiten einlassen und mehr im Großen die Muskeln des Ceratodus mit denjenigen der Haie zu homologisiren suchen. Es ist bereits hervorgehoben, dass die Mus- kulatur einer Flossenfläche des Ceratodus etwas Ganzes bildet, und Trennungen in einzelne Schichten und Muskeln nur mit äußerster Vorsicht vorzunehmen sind. Was bei Ceratodus den beiden Flossenflächen gemeinsam ist, das Zerfallen der Muskeln in zwei Hauptschichten oder zwei große Kategorien der Muskelfasern, findet sich allgemein bei den Haien. Die oberflächliche Schicht der ventralen Flossenfläche nimmt bei allen Haien ihren Ursprung vom eigentlichen Becken und zwar vom hinteren Rande desselben. Es stoßen hier die beiderseitigen Schichten zusammen, und sind meistens durch ein Bindegewebssep- tum von einander geschieden. Diese Schicht, also die oberfläch- liche ventrale der Haie, ist im Ceratodus durch die Stammmus- kulatur der inneren, medialen Flossenfläche repräsentirt. Hier besteht, wie wir sahen, kein Septum mehr, die Fasern sind aber unter einander eng verwoben. Wie bei den Haien, so besteht auch hier eine tiefe Schicht, die gemeinsam mit der oberflächlichen vom Becken herkommt, sich aber bereits am Zwischenstück festheftet, von welchem die zweite distale Portion entspringt, die zu den Radien verläuft!. Die eigentliche Radialmuskulatur steht mit Aus- nahme ihres proximalen Theiles hier in keiner Beziehung zum Skelet und entspringt also nicht vom Basale metapterygii, wie bei den Haien, sondern ist eng mit der oberflächlichen oder der Stammmuskulatur verwoben, von deren Inscriptionen sie ihren Ur- sprung nimmt. Es ist dieser Zustand bei Ceratodus als ein primiti- ver zu beurtheilen, denn wir sahen schon früher, dass das Ansetzen der Muskeln an das Skelet ein späterer Vorgang ist?. Es tritt da- durch eine schärfere Sonderung der Schichten unter sich ein, welche bei Ceratodus noch nicht stattgefunden hat. Es muss also die Radial- muskulatur sich von der Stammmuskulatur erst ablösen, um die bei den Haien vertretenen Zustände hervorzubringen. Dass die Radial- muskulatur hier, im Anschlusse an das doppeltgefiederte Skelet, 1 Vgl. Erster Theil. Holzschnitt auf pag. 458. 2 Vgl. Erster Theil. pag. 476. 10* 148 M. Davidoff ebenfalls zweizeilig ist. war zu erwarten. Die Riickbildung der medialen Radienreihe spricht sich in der Muskulatur weniger aus, sie ist fast ganz eben so gut entwickelt, wie diejenige der lateralen Reihe. Wenn wir aus der Betrachtung der medialen Muskulatur des Ceratodus Ankniipfungspunkte an die ventrale Flossenfläche der Se- lachier gewonnen haben, so wird die Analyse der Muskeln der äuße- ren Fläche des Ceratodus unsere Ansicht darin in so fern bestätigen, als wir sie ohne weitere Schwierigkeiten der dorsalen Muskulatur der Selachierflosse homologisiren können. Es tritt uns hier eine sehr charakteristische Muskulatur entgegen, nämlich der Fascienursprung der Stammmuskulatur (Stratum dorsale superficiale der Haie). Diese Schicht ist bei allen bisher untersuchten Fischen vertreten!. Sie verbindet sich mit der tiefen dorsalen Schicht der Haie, die sehnige Oberflächen trägt, bei Ceratodus dagegen mit der ersten Inscription der vom Becken herkommenden äußeren Stammmuskulatur. Der Beckenursprung der letzteren ist dagegen nur der tiefen dorsa- len Schieht der Haie homolog?. Es besteht in beiden Fällen der Ursprung dieser Schicht vom vorderen lateralen, als Ilium zu deu-- tenden Beckenfortsatze, und die Verbindung mit der von der Fascie kommenden Muskulatur. Auch bei Ceratodus sind in der Stamm- muskulatur, wie bei den Selachiern an der tiefen dorsalen Schicht, Fasern zu unterscheiden, die vom Becken (Ilium) und vom Basale metapterygii ihren Ursprung nehmen (Zwischenstück des Ceratodus). Nur erstreckt sich hier der Beckenursprung viel weiter auf das eigent- liche Becken — er geht, wie wir sahen, vom Iliumfortsatze sogar auf den hinteren Schenkel des Beckens über —), als es bei den Selachiern vorhanden war. Bedenken wir aber, dass das Becken bei den Selachiern, verglichen mit demjenigen des Ceratodus, be- deutend rückgebildet ist, so müssen wir eine gleiche Rückbildung auch für die Muskulatur annehmen, in Folge welcher der Ursprung der letzteren zurückgegangen ist. — Dass die der tiefen dorsalen Schicht der Haie homologe, vom Becken entspringende äußere Stammmuskulatur des Ceratodus in einzelne mehr oder weniger dis- krete Muskeln zerfällt, ist jedenfalls als eine Differenzirung zu betrachten, welche im Zusammenhang mit der mächtigeren Entwick- 1 Vgl. Erster Theil. Taf. XXIX Fig. 14, Taf. XXX Fig. 20 u..24. Ferner: Zweiter Theil, Taf. XXIII Fig. 13. 2 Vgl. Erster Theil. Taf. XXIX Fig. 15. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmabe der Fische. 149 lung der Flosse steht. Wir finden bereits bei Chimaera, wo das Skelet auch mehr differenzirt ist als bei den Haien, ebenfalls solche Sonderungen der tiefen Schicht !. Eine Eigenthiimlichkeit der Gliedmaßenmuskeln des Ceratodus besteht aber, erstens, in den den Gliedstücken der Stammreihe ent- sprechenden Inscriptionen, zweitens, in der doppelten Anordnung der Radialmuskeln. Über den ersten Punkt ist es schwer, sich bestimmt auszusprechen. Würde es mit Sicherheit nachzuweisen sein, dass die Gliedmaßenmuskeln von den ventralen Seitenmuskeln abstammen, dass sie nichts Specifisches vorstellen, so würden diese Inscriptionen jedenfalls als ein primitiver, von den Zwischensehnen der Seitenmus- keln herzuleitender Befund zu betrachten sein. Es ist indessen nach den bis jetzt bekannten Thatsachen wahrscheinlicher, dass die In- seriptionen, wie schon erwähnt, durch die Anpassung an die Glie- derung der Stammreihe entstanden sind, zumal sie den Gliedstücken der letzteren genau entsprechen, und dann jedenfalls nichts mit den metamer angeordneten Zwischensehnen der Seitenmuskeln zu thun haben. Der innigere Zusammenhang aber, der bei Ceratodus zwi- schen den Gliedmaßenmuskeln und den Seitenmuskeln besteht, und der sich dadurch kundgiebt, dass Fasern der äußeren Stamm- muskulatur direkt zu einer Inscription der Seitenmuskeln verlaufen, spricht dafür, dass die Beziehungen beider Muskelsysteme jedenfalls von einander in Abhängigkeit stehen können, dass in den Umbil- dungen der Gliedmaßenmuskeln, welche sie bei der Wanderung der Hinterextremität in proximo-distaler Richtung erfahren, Fasern der Seitenmuskeln sich in Gliedmaßenmuskeln umwandeln können. Die bei Ceratodus angetroffenen Inscriptionen haben sich auch bei den Selachiern an einigen Stellen gefunden?, sind aber auch bei den Amphibien und Reptilien anzutreffen. Wenn so die Muskeln des Ceratodus sich auf diejenigen der Haie zurückführen lassen, so bleibt die Frage zu beantworten, welche Vorgänge hätten stattfinden müssen), um die ganze bei Ceratodus angetroffene Anordnung zu einer Selachierflosse umzuwandeln? In erster Linie kommt hier also die Drehung der Gliedmaß ein Betracht. Wir sahen, dass die Muskeln der äußeren Flossenfläche des Cera- todus den dorsalen der Haie entsprechen, in Folge dessen nun die Drehung in umgekehrter als in der von Bunce und GEGENBAUR I Vgl. Erster Theil. pag. 473. 2 Vgl. Erster Theil. Taf. XXIX Fig. 14 It. 150 M. Davidoff angenommenen Richtung, d. h. nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen, stattgefunden hat. Die ventralen Ra- dien des Ceratodus entsprechen also den äußeren der Haie. Die geringere Zahl dieser Radien bei Ceratodus ist durch ihre dem Körper näher gerückte Lage zu erklären. Die ventrale Flossen- hälfte bedarf einer geringeren Stütze als die dorsale, welche letztere vermöge ihrer freieren Lage größere Exkursionen zu voll- bringen hat, als die ventrale. Umgekehrt gewinnt die ventrale Radienreihe eine bedeutende Ausbildung bei den Haien, wo sie nach außen zu liegen kommt, und wo die ganze Stütze der Flossenbewegungen nunmehr ihr zukommt. Die bei Ceratodus mehr entwickelte dorsale Reihe kommt nun bei den Haien vermöge ihrer medialen, dem Körper angeschlossenen Lage, bis auf einige Ru- dimente an der Vordergliedmafe , zum vollständigen Schwunde. Die nothwendige Annahme einer Drehung der Ceratodusflosse von innen nach außen, welcher Vorgang uns zu der Selachierflosse hin- überführt, wird auch durch die Befunde am Nervensystem unterstützt. Wir finden hier nämlich zum Unterschiede von den Selachiern, dass die aus dem Plexus hervorgehenden Nerven des Ceratodus direkt, - d. h. ohne sich irgend wie um das Basale (resp. Zwischenstück) zu krümmen, zu den ihnen bestimmten Flossenflächen gelangen, in Folge dessen sie hier einen viel einfacheren Verlauf als bei den Haien haben. Bei den Selachiern winden sich die Äste der ventra- len Flossenfläche um den inneren Rand des Basale!, was auch bei Ceratodus stattfinden würde, wenn wir seine Gliedmaße uns in einer horizontalen Lage, ihre innere Fläche ventral gerichtet denken. Im Nervensystem des Ceratodus erkennen wir aber den bei den Selachiern und Ganoiden aufgefundenen Typus?: einen Nervus col- lector, der als Sammelnerv die zu der Gliedmafe tretenden ventra- len Äste verbindet. Die Anastomosen der direkt zur Gliedmaße _ verlaufenden, hinter dem Collector gelegenen ventralen Äste fin- den hier vor dem Zwischenstück statt, also nicht, wie bei den Haien, in der Gliedmaße selbst, — ein Befund, der sich an Chi- maera anschließt, bei welcher die Anastomosen in Gestalt von feinen Ansae noch vor der Gliedmaße vorhanden sind. Es ist un- zweifelhaft, dass wir es hier mit einer Einrichtung zu thun haben, die in der freien Lage der Ceratodusflosse ihre Erklärung findet. ı Vgl. Taf. XXIX Fig. 13 v!—v? des ersten Theiles. 2 Vgl. Erster Theil. Taf. XXXI. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 151 Das Zwischenstück ist noch, wie wir sahen, dem Körper angeschlos- sen und kann allein der Sammelpunkt für die Nerven der Gliedmaße sein. Diese Einrichtung muss aber als eine primitive betrachtet werden, von welcher diejenige der Haie, wo die Anastomosen in der Gliedmaße selbst stattfinden, abgeleitet werden muss. Durch die Aufnahme des Basale in den Körper gewinnen die Nerven einen freieren Spielraum, die Entfernung der einzelnen ventralen Äste von einander wird größer, und auch der Plexus kommt in Folge dessen mehr distalwärts zu liegen. — Über die periphere Verästelung der Gliedmaßennerven lässt sich wenig hinzufügen. Sie ist wegen der Schwierigkeiten der Präparation zu wenig bekannt, um von ihr etwas Allgemeines, Wesentliches sagen zu können. Das Wichtigste besteht hier immer darin, dass die beiden Muskelgruppen, die der äußeren und inneren Flossenfläche, auch durch die Innervation streng von einander geschieden sind. Dem Colleetor und den Anastomen der vor dem Ursprung des- selben gelegenen ventralen Äste lege ich aber die gleiche Bedeutung zu, welche ich im ersten Theil meiner Untersuchungen ausgespro- chen habe. Es ist befremdend, dass BaLrour diese folgewichtigen Schlüsse dadurch zu beseitigen sucht, dass unsere Kenntnisse von der Entstehung der Plexusbildungen noch zu gering seien!. Indes- sen hat GEGENBAUR in Seiner Schrift »Zur Gliedmaßenfrage«? gerade darauf aufmerksam gemacht, dass durch diese Befunde und die Wan- derung der Gliedmaßen, sich die Bildung und Entstehung der Plexusse erklären lässt. Auch können diese bei den Fischen aufgefundenen Thatsachen nicht außer Zusammenhang mit den anderen Wirbelthie- ren betrachtet werden. Nur vermöge der Vergleichung kann die von mir ihnen gegebene Deutung verstanden werden. Sie hat nichts Exklusives und schließt sich zahlreichen, den höheren Wirbel- thieren entnommenen Thatsachen aufs engste an. Durch die Arbei- ten von GEGENBAUR, FÜRBRINGER, ROSENBERG, SOLGER ete. ist das gegenseitige Verhältnis der Muskeln und Nerven hinlänglich klar erleuchtet worden, und wir wissen bereits, dass die Nerven konser- vativer Natur sind, dass sie den Umbildungen und Lageveränderun- gen der Gliedmaßen nur nach und nach folgen. Demnach ist meine ‘>In any case our knowledge of the nature and origin nervous plexuses is for too imperfect to found upon their characters such conclusions as those of Daviporr.« Proc. zool. Soc. 1881, P. 111. pag. 661. 2 Morph. Jahrb. V. pag. 525. 152 M. Davidoff Erklärung des Nervus collector eine durchaus nicht erzwungene, nicht einmal eine neue, und steht in vollkommener Harmonie mit den be- kannten Thatsachen und Eigenschaften der Nerven überhaupt. Die Anastomosen des Nervus collector sind, wie WIEDERSHEIM vortrefflich sagt, »gewissermaßen die Etappenstraße, die der Extremitätengürtel, und hier speciell der Beckengiirtel, im Laufe der phylogenetischen Entwicklung zurückgelegt hat. — — — Wo seit der Wanderung der Extremität schon sehr lange Zeit verstrichen ist, wird der Connex mit den am meisten nach vorn gelegenen Spinalnerven allmiihlich aufgegeben, und der Nervus collector löst sich ab, während er mit seinem Hinterende in das Bereich neuer Spinalelemente eintritt«!. Wir haben auch bei Ceratodus Grund zu einer Vermuthung einer Wanderung der Hintergliedmaße nach hinten, wodurch sich Cera- todus an die Selachier und Knorpelganoiden eng anschließen würde. Darin aber, dass die Hintergliedmaße des Ceratodus, wie wir ver- muthen können, weiter vorn liegt als diejenige der Haie, wofür auch ihre größere Entfernung von der Afteröffnung spricht, und dennoch eine Verschiebung nach hinten erkennen lässt, liegt ein primitiver Charakter derselben. Es muss also bei den Haien eine noch wei- - ter gehende Verschiebung der Hintergliedmaße, als es bei dem Cera- todus der Fall, angenommen werden, wodurch dieselbe unmittelbar an die Afteröffnung zu liegen kommt und ihre eigenthümlichen Be- ziehungen zum Geschlechtsapparate zu gewinnen vermag. Die Verschiebung des Ceratodus- Beckens deutet aber; darauf hin, dass es von Gebilden herkommt, welche ursprünglich weiter proximal gelegen waren. Bei den höheren Fischen ist die Wanderung nach hinten nicht mehr zu konstatiren. Es bestehen im Gegentheil Beweise für eine solehe nach vorn. Diese Thatsachen stehen aber in keinem Wider- spruch mit den Erwartungen, auf welche uns die Annahme einer Abstammung der Gliedmaßen von den Kiemenbogen führt: stets liegt die Hintergliedmaße im Bereiche der Leibeshöhle, und die Re- duktion der letzteren bei den Teleostiern, Amphibien ete. führt zu einer Bewegung des Beckens nach vorn. Es kann somit eine Ver- schiebung der Hintergliedmaße nach hinten nur noch da nachgewie- sen werden, wo die Leibeshöhle ihre maximale Ausdehnung be- sitzt. Es ist die Lageveränderung des Beckens keine willkürliche und ist nur im Zusammenhang mit anderen Vorgängen im Organis- 1 Lehrb. d. vgl. Anat. Jena 1882. pag. 324. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 153 mus zu betrachten. RAUTENFELD! ist gewiss im Irrthum, wenn er sagt, dass »wenn wir nämlich — — — uns das Skelet der hinteren Gliedmaßen der Teleostier (Hecht) aus demjenigen der Knorpel- ganoiden, und ferner letzteres aus dem der Selachier entstanden denken, so müssen wir, von der Kiemenbogentheorie ausgehend, erwarten, die hinteren Extremitäten der Selachier weiter proximal, als diejenigen der Knorpelganoiden. und die hinteren Extremitäten der Teleostier am meisten distal gelegen anzutreffen«?. Denken wir uns den von RAUTENFELD postulirten Vorgang noch weiter ausgedehnt, so müssten die höheren Wirbelthiere eine am mei- sten distal liegende Hinterextremität haben. welche aber aus dem Bereiche der Leibeshöhle treten und dem Thiere von gar keinem Nutzen sein würde. In einen ähnlichen Irrthum verfällt auch Cuaus, wenn er bei den Perennibranchiaten die Wanderung der Hinterglied- maße in distaler Riehtung annimmt, eine Wanderung, welche schließ- lieh zu solehen Formen führen soll, wie Siren, bei welcher die hintere Gliedmaße gar nicht vorhanden ist’. So lange keine siche- ren ontogenetischen Beweise für die Wanderung des Beckens, sei es nach vorn oder nach hinten, vorliegen, ist es einzig und allein das Nervensystem, welches hier Aufschlüsse zu geben vermag. Dureh die Befunde an demselben bei den niederen Fischen und durch die gegebene Erklärung wird die Annahme der Herkunft der Gliedmaßen von den Kiemenbogen unterstützt. Auch hat WiıE- DERSHEIM vollkommen Recht. wenn er in dem von ihm entdeckten Befunde, dass nämlich die Vordergliedmaße des Protopterus Vagus- elemente enthält und eine funktionirende Kieme trägt, eine Stütze für die erwähnte GEGENBAUR’sche Hypothese findet. Um so merk- würdiger ist es daher, dass der rudimentäre Zustand des Beckens der meisten Fische ihn in seinen Folgerungen stört und er in Bezug auf die Hintergliedmaße sich mehr zu der THACHER-MIVART-BALFOUR- schen Hypothese hinneigt. »Wir treffen nämlich den Beckengürtel,« sagt WIEDERSHEIM, »den wir uns von seinem Locus nascendi 1 Morphologische Untersuchungen über das Skelet der hinteren Gliedmaßen von Ganoiden und Teleostiern. Inaug.-Diss. Dorpat 1552. 9 2]. ec. pag. 44—45. 3 Beiträge zur vgl. Osteologie der Vertebraten. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. Bd. LXXIV. 1. Abth. Dec. Jahrg. 1876. 4 „Zur GBGENBAUR’schen Hypothese über die Entstehung des Extremitä- tengürtels.« Vortrag, gehalten im medic. Referatklub zu Freiburg i. B. am 11. Nov. 1879. 154 M. Davidoff nach GEGENBAUR mehr oder weniger weit nach rückwärts denken miissen, gerade bei solchen Thieren, wo wir die urspriinglichsten Ver- hältnisse anzutreffen erwarten könnten, wie bei Ganoiden, Dipnoérn und Selachiern gerade am rudimentirsten und der vorauszusetzenden Form eines Kiemenbogens am allerunähnlichsten. Wenn nun GE- GENBAUR,« fährt er weiter fort, »diesen Einwand dadurch zu ent- kräften sucht, dass er alle jene Beckenformen für rückgebildet er- klärt, so ist durchaus nicht einzusehen, warum gerade der central gelegene, also der den äußeren Einflüssen nur wenig oder gar nicht exponirte Theil des Beckengürtels eine solch bedeutende Reduktion erfahren haben soll!.« Wenn es eine ausgemachte Thatsache ist, dass die peripheren, der Außenwelt am meisten ausgesetzten Theile einer etwaigen Rückbildung eines Organes vorangehen, so ist doch hiermit gar nicht gesagt, dass solche Umbildungen ohne Einfluss auf die mehr central gelegenen Theile bleiben. Am konservativsten verhält sich darin das Nervensystem. Was aber das Skeletsystem belangt, so steht dasselbe in innigster Beziehung zur Muskula- tur. Wird letztere rudimentär, so hält gleichen Schritt mit ihr auch der derselben ursprünglich zum Ursprung dienende Skelet- theil. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei dem rückgebilde- ten Zustande einer Selachier-Hinterflosse ein großes ausgebildetes Ilium vorhanden wäre. Es wäre ja ganz ohne Bedeutung, und müsste also entweder ganz verschwinden oder in sehr rückge- bildetem Zustande noch vorkommen, was beim Ilium auch der Fall ist. Es ist nicht aus dem Auge zu lassen, dass ein Kiemenbogen, indem er sich zu einem Gliedmaßenbogen umwandelt, eine andere Funktion übernimmt. War er früher als kiementragender Skelettheil in seinem ganzen Umfange nöthig, so genügte nur ein kleinerer Theil desselben, um seine Aufgabe als Gliedmaßenbogen zu erfüllen. Wenn der Schultergürtel intakt bleibt, so erklärt sich dieser Befund durch die Größe der Vordergliedmaße, durch den Ansatz an denselben fast sämmtlicher Seitenmuskeln, denen er als Stütze dient, durch seine die Kiemenhöhle schützende Lage und endlich durch die Beziehungen zum Schädel und zur Muskulatur des visceralen Theiles derselben. Wir sehen also, dass dem Schultergürtel manche Aufgabe zufällt, welche nieht in unmittelbarer Beziehung zu seiner Funktion als Glied- maßenbogen steht. Alle diese Beziehungen fallen beim Beckengür- 1 WIEDERSHEIM, Lehrb. d. vgl. Anat. pag. 161—162. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 155 tel zum Theil ganz weg, zum Theil fallen sie aber nur dem ventralen Abschnitte desselben zu, wie z. B. der Hauptansatz der ventralen Seitenmuskeln und der Ursprung der meisten Extremitätenmuskeln. Außerdem verändert sich die Funktion der Flosse, welche nunmehr, wie es bei den Selachiern der Fall ist, nur zur wagerechten Stellung der Flosse dienen kann; die Entwicklung ihrer Muskulatur wird also dem entsprechend auch geringer. Was ist also natürlicher, dass der dorsale Abschnitt des ursprünglichen Kiemenbogens sich unter sol- chen Umständen ebenfalls rückbildet. Gerade die Entstehung des Gliedmaßengürtels bildet aber einen recht dunkeln Punkt in der THACHER-MıvArr’schen Theorie. Dafür, dass der Gliedmaßenbogen aus der Conerescenz proximaler Radienabschnitte entsteht, spricht aber keine einzige bis jetzt bekannte Thatsache. Da aber, wo die Entstehung des sämmtlichen Hintergliedmaßenskelets aus diskreten Knorpelstäben erfolgt, wie es RAUTENFELD bei Acipenser Ruthenus nachwies, — ein Fall, der für die Richtigkeit der THACHER-MIVART- schen Theorie sprechen würde, — existirt nach dem erwähnten Autor kein Becken, also kein Gliedmaßenbogen. Alle bis jetzt ge- machten zur Lösung des Gliedmaßenproblems angestellten entwick- lungsgeschichtlichen Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Anlage des Gliedmaßenbogens zu gleicher Zeit mit den übrigen Theilen sich bildet, dass sie ferner stets aus einem homogenen Stück hervorgeht. So verhält es sich nach BALFOUR und ’Swirsk1 bei Scyllium, nach RAu- TENFELD und 'Swirsk1! beim Hechte. So ist also die Entstehung des Gliedmaßengürtels nach der THACHER-MivArT'schen Theorie eine un- klare, erzwungene, durch keine Thatsache unterstützte Hypothese. Das- selbe gilt auch von der Ansicht BaLrour’s, »der das Becken als auf niedriger Entwicklungsstufe stehen bleibend auffassen gelehrt hat«?. Wir können doch nicht umhin, die beiden paarigen Gliedmaßen für homodyname Gebilde zu halten, ihre ursprüngliche Gleichartigkeit einzusehen, und sie in gegenseitige Beziehungen zu bringen. Die eine, die hintere, macht eine Wanderung nach hinten dureh, ihre Funktion ändert sich, sie bildet sich um, muss also von der vorderen abgeleitet werden. Darüber aber, dass die Hintergliedmaße der Fische, verglichen mit der vorderen funktionell in Rückbildung be- griffen ist, darüber, sage ich, kann gar kein Zweifel bestehen, und 1 Untersuchungen iiber die Entwicklung des Schultergürtels und des Ske- lets der Brustflosse des Hechts. Diss. Inaug. Dorpat 1580. 2 Vgl. WIEDERSHEIM, Vgl. Anat. pag. 162. £56 M. Davidoff nur bei Ceratodus treffen wir eine Hinterextremität, die in allen Be-- ziehungen der vorderen näher steht, als diejenige sämmtlicher an- derer Fische. Aus diesen Erörterungen kann man ersehen, wie es unzulässig ist, von der Hintergliedmaße die Entstehung der Gliedmaßen über- haupt abzuleiten. »Es ist das Hintergliedmaßenskelet der Knorpel- ganoiden eine reducirte Form,« sagt RAUTENFELD! ganz richtig, »und indem THACHER und Mivarr für die Entscheidung der Frage nach der Urform des Gliedmaßenskelets die Verhältnisse desselben zu ver- werthen suchten, benutzten sie ein Material, das für die Entscheidung dieser Frage nicht maßgebend sein kann«, worauf bereits ich im ersten Theile meiner Untersuchungen aufmerksam gemacht habe?. Jedoch ist RAUTENFELD selbst nicht frei von dem THACHER-MIVART- schen Fehler. Er sucht selbst nach Homologien im Bauchflossen- skelet des Hechtes und des Sterlet, und glaubt eine verkürzte On- togenie bei der Gliedmaße des Hechtes annehmen zu müssen, um die einheitliche Anlage der Knorpelplatte des letzteren zu erklären °. Um wie Vieles natürlicher leitet sich die Hechtflosse durch Vermitt- lung des Polypterus von den Selachiern ab. Wie ich im zweiten Theile meiner Untersuchungen bewiesen zu haben glaube, haben die Knochenfische nichts mit den Knorpelganoiden, die eine Seitenrich- tung eingeschlagen haben, zu thun. Eine »verkürzte Ontogenie« aber ist, meiner Ansicht nach, viel eher bei den Sturionen, als bei dem Hechte, anzunehmen. Jedoch kann, in solchen Fällen, die Entwick- lungsgeschichte nur mit äußerster Vorsicht verfahren und nur da maßgebend sein, wo wirklich primitive Formen der Untersuchung zu Grunde liegen. Es muss nicht vergessen werden, dass die Ent- wieklung eines Organismus oder eines Organs fast eben so großen Veränderungen unterworfen ist, wie diejenige des erwachsenen Thieres selbst. Die ererbten, aus Anpassungen hervorgegangenen Umbildungen haben auf die Entwicklung einen eminenten Einfluss, wesshalb es eines außerordentlichen Scharfblickes bedarf, um das Wesentliche aus der Entwicklung herauszugreifen. Bei der so rück- gebildeten und umgebildeten Hinterflosse, wie diejenige der Knorpel- ganoiden, muss jedenfalls auch die Entwicklung derselben beträchtliche Modifieirungen erlitten haben. Ich bin desshalb geneigt, meine Ansicht über die Natur der Sturionenflosse bis auf Weiteres nicht aufzugeben und in den medialen Radiensegmenten des Polyodon Gliedstücke des 1]. c. pag. 45. 2 pag. 513. 3 pag. 44. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 157 Selachierbeckens zu sehen. Dafür scheinen mir doch wichtige That- sachen zu sprechen, welche nicht ohne Weiteres ignorirt werden dürfen. Hier kommen vor Allem die Nervenkanäle in Betracht, welche, wenn auch sekundärer Natur, doch immerhin, durch ihr so konstantes Auftreten, eine Beachtung verdienen. Sie kommen be- kanntlich stets im eigentlichen Gliedmaßenbogen vor, sei es am Schultergürtel oder am Beckengürtel, und der erste resp. vorderste Kanal dient am Becken immer dem Nervus collector zum Durch- tritte. Niemals kommen solche Löcher am Basale metapterygii vor oder in anderen mehr peripher gelagerten Flossentheilen. Hat doch GEGENBAUR die Wichtigkeit dieser Löcher erkannt, und sie als einen Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptungen angeführt. Vermöge ihrer Feinheit lassen sich diese Kanäle zuweilen sehr schwer nachweisen, und nur durch die sorgfältigste Präparation der bezüglichen Nerven können sie dem Beobachter nicht entgehen. Ich will damit durchaus nicht gesagt haben, dass diese Nervenkanäle überall vorhanden sein müssen, und in denjenigen Fällen, wo das Fehlen eines solchen Kanals angegeben wird, er dem Beobachter entgangen sei, — wir haben ja gerade hei Ceratodus einen Fall, wo ein solcher Kanal im Becken nicht vorkommt, — nur ist mir der Umstand wichtig, dass da, wo solche Nervenlöcher vorkommen, sie immer im eigentlichen Gliedmaßenbogen auftreten. Ferner ist ein nicht außer Acht zu lassendes Kriterium für den ventralen Ab- schnitt des Gliedmaßenbogens resp. des Beckens, das Vorhandensein eines dorsalen, dem Ilium der höheren Vertebraten entsprechenden Fortsatzes, der bei sämmtlichen ein entwickeltes Becken besitzenden Fischen wohl entwickelt ist und gewissen Gliedmaßenmuskeln zum Ursprunge dient (der tieferen dorsalen Schicht). Auch ist der An- satz der ventralen Seitenmuskeln für das Becken von Bedeutung, und eben so auch der Ursprung der bezüglichen Flossenmuskulatur. Bedenkt man, dass das Skelet, als feste Grundlage der Glied- maße, in enger Beziehung zu den übrigen Organsystemen derselben steht, so geht daraus hervor, dass dasselbe auch nicht ohne Zusam- menhang mit denselben betrachtet und beurtheilt werden darf. Wess- halb z. B. WIEDERSHEIN ! das Skelet der Knorpelganoiden für ein Metapterygium hält, bleibt unklar, da es, mit eben so großem Rechte, auch als das Propterygium angesehen werden kann, wie es Rav- TENFELD thut. Nur wenn auch die anderen wichtigen Flossentheile ! Über das Becken der Fische. Morph. Jahrb. Bd. VII pag. 326 u. 327. 158 M. Davidoff berücksichtigt werden, gewinnt die Beurtheilung des Skelets, welche ja in diesem Fall, d.h. bei den Ganoiden, eine sehr schwierige ist, eine feste Basis. Die wichtigste Instanz aber gegen meine Auffassung der Ganoi- denflosse, ist die von RAUTENFELD am Sterlet gemachte Beobachtung, dass nämlich das ganze Flossenskelet, also auch der von mir als Becken gedeutete Abschnitt, bei diesem Fisch aus gesonderten Knorpelstäben durch Verwachsung ihrer medialen Glieder entsteht. Wenn RAUTENFELD selbst zugiebt, dass »das Gliedmafienskelet der Knorpelganoiden .... nicht maßgebend sein kann ... . für die Ent- scheidung der Frage nach der Urform des Gliedmaßenskelets«, so bezieht sich ja dieser Satz ganz mit demselben Rechte auch auf die Entwieklungsgeschichte dieser Formen. Ist die Gliedmaße selbst so modifieirt und rückgebildet, so kann selbstverständlich auch die Entwicklung derselben keinen primitiven Charakter mehr haben. — Die Anlage der Sterlethintergliedmaße aus gesonderten Stäben er- kläre ich mir wie folgt, schicke aber gleich voraus, dass diese Er- klärungsweise eine nur relative Geltung haben kann, so lange wir durch zahlreiche, sowohl entwicklungsgeschichtliche als auch ver- gleichend-anatomische Arbeiten, nicht die nöthige Klarheit über die Natur der Gliedmaßen überhaupt gewonnen haben werden. Denken wir uns, durch eine Verbreiterung der Gliedmaße von vorn nach hinten, die aus homogenem Mesodermgewebe hervorge- hende Segmentirung der Scylliumflosse noch weitergehend, so dass das Becken auch mit daran Theil nähme, so hätten wir eine Ur- flosse der Sturionen erhalten. Tritt sodann eine Rückbildung der. Flosse in proximo-distaler Richtung ein, so entstehen Concrescen- zen, sowohl der Radien als auch der Beckensegmente. (Warum wir bei den Sturionen ein Becken anzunehmen genöthigt sind, ist oben aus einander gesetzt worden.) Die Entwicklung der Stu- rionenflosse hat sich aber so weit zusammengezogen, dass das Stadium einer zusammenhängenden Anlage mit einer später erfolgen- den Gliederung übersprungen wird, — es ist also eine hypogene- tische Entwicklungsform. Nun gebe ich aber gern zu, dass dadurch meine frühere Ansicht über Polyodon modifieirt erscheint. Es offen- bart diese Form darin ihren (den anderen Ganoiden gegenüber) primitiveren Charakter, dass sie eine größere Anzahl von gesonder- ten Stäben besitzt, ein Umstand, auf welchen bereits Bunce! auf- ! Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte des Beckengürtels der Beiträge zur vergleichenden Anatomie der hinteren Gliedmaße der Fische. 159 merksam gemacht hat. Es ist aber nieht zu vergessen, dass die Flosse von Polyodon sich dadurch weit von den übrigen Ganoiden entfernt, dass sie sich ihrer Ausdehnung angepasst und für die Mus- kulatur ganz besondere accessorische Fortsätze entwickelt hat, wäh- rend bei den anderen Ganoiden die Zusammenziehung bereits mehr oder weniger erfolgt ist. In anderer Hinsicht hat wiederum Scaphirhyn- chus den primitiven Charakter, dass bei ihm eine mediane Verbin- dung beider Gliedmaßenhälften beobachtet wurde. RAUTENFELD hat bei keinem von ihm untersuchten Exemplare dieselbe gefunden, und ich habe daher Grund zu vermuthen, dass ich an einem jungen Individuum gearbeitet habe, worauf auch die Kleinheit des Skelets meines Exemplars, gegenüber demjenigen RAUTENFELD's hindeutet. Um nun auf den Ceratodus zurückzukommen und die wichtigsten Ergebnisse zusammenzufassen, ist zuerst, in Bezug auf die Archipte- rygiumtheorie, hervorzuheben, dass, wie auch zu erwarten war, bei demjenigen Thiere, bei welehem die Gliedmaßen der Urform, einem biserialen Archipterygium am nächsten stehen, die beiden Gliedmaßen auch am ähnlichsten, sowohl in funktioneller, als auch in morphologischer Beziehung sind. Ferner ist die Thatsache zu konstatiren, dass nicht die dorsale Radienreihe des Ceratodus den bei den Haien vorhandenen Radien entspricht, sondern die ventrale, so dass also, um aus der Ceratodusflosse diejenige der Haie zu konstruiren, eine Drehung derselben von innen nach außen angenommen werden muss. Dadurch ist aber klar, dass diejenige Radienreihe bei den Haien zu Grunde geht, welche median, also dem Körper angeschlossen liegt; und dieser Vorgang findet bereits bei Ceratodus statt, bei welchem die ventrale Reihe um die Hälfte weniger Radien enthält, als die dorsale. Ich erinnere ferner an die bei Ceratodus vor sich gehende Rückbildung der Flosse in proximo- distaler Riehtung, welche Rückbildung durch das Flossenskelet und die nur bis zur Hälfte desselben reichende Muskulatur bewiesen wird. Diese Rückbildung deutet erstens darauf hin, dass die Flosse früher weiter ausgedehnt war, und leitet uns andererseits zu den rückgebildeten Flossen der Haie über. In der Muskulatur finden wir den primitiven Charakter in ihrem innigeren Zusammenhang mit den Seitenmuskeln und in der geringen Sonderung derselben in ein- Amphibien, Reptilien und Vögel. Diss. Inaug. Dorpat 1880. pag. 10 — 12, Anm. 160 M. Davidoff zelne diskrete Muskeln ausgedrückt. Die an der Stammmus- kulatur vorhandenen Inscriptionen sind nicht metame- rer Natur, und sind wahrscheinlich durch Anpassungen an die Gliederung der Stammreihe entstanden. Was das Nervensystem betrifft, so deutet dasselbe, wie bei den Haien, auf eine Wanderung der hinteren Gliedmaße nach hinten, und zeigt überhaupt Zustände, von welchen sich diejenigen der Haie, auch in Bezug auf den, sich hier vor der Gliedmabße findenden Plexus, ableiten lassen. Das Endergebnis aber besteht darin, dass von der Ceratodus-Extremität sich diejenige der Haie ohne Schwierigkeiten ableiten lässt. Dass aber diese Mög- lichkeit mit dem Vorhandensein einer dem biserialen Archipterygium am nächsten stehenden Flosse zusammentrifft, ist ein schwer in die Wagschale fallender Beweis für die Richtigkeit dieser Theorie. Zum Schluss will ich noch einige Worte über BALFour’s! die Archipterygiumtheorie betreffende Aussage hinzufügen. Er behaup- tet nämlich, dass, nach seinen Untersuchungen an Scylliumembryo- nen, bei welchen es sich herausstellte, dass eine zweite Radienreihe hier nicht nur nicht vorkommt, sondern, in Folge der dem Körper sich anschließenden Lage des »Basipterygium«, auch nicht vorkommen kann, es ihm plausibler erscheint, die Urform der Gliedmaßen als eine uniseriale anzunehmen, wie es GEGENBAUR bereits früher ge- than hat. Ich kann durchaus nicht einsehen, warum die von der Urform herstammende zweite Radienreihe in dem Entwicklungsgang des Seyllium vorkommen soll. Das Nichtvorkommen der fraglichen Reihe bei Seyllium kann jedenfalls nicht die Ursache sein, wesshalb wir zu einer uniserialen Gliedmaßen-Urform greifen und dabei von einer nun einmal vorhandenen biserialen Flosse des Ceratodus ab- sehen sollen. Wie sind denn die bei so vielen Selachiern nachge- wiesenen Radien der zweiten Reihe zu verstehen? Sind es nur willkürlich, sporadisch auftretende Gebilde, die bei einem Thier zum Theil vorhanden sind, bei dem anderen gar nicht, bei Cerato- dus aber in schönster Ausbildung konstant auftreten. Die verglei- chende Anatomie lehrt uns aber die Bedeutung solcher Gebilde zu verstehen, indem sie sie alle in Zusammenhang bringt. 1 On the Develop. of the Skeleton ete. Erklärung der Abbildungen, Taf. VIII u. IX. Die Figuren sind sämmtlich dem FÜrBrRInGErR' schen Exemplar entnommen und Big. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. sind in natürlicher Größe. Skelet der hinteren Gliedmaße. Rechte Seite. Ventrale resp. äußere Ansicht. B Becken (Beckenplatte). Pim Processus impar. PJ Proces- sus iliacus (vorderer paariger Beckenfortsatz). Gf Gelenkfortsatz des Beckens (hinterer paariger Fortsatz, Beckenschenkel). Pe latera- ler Höcker desselben. Cr Crista an demselben. Zst Zwischenstück. x lateraler, y medialer Hicker desselben. Sir! erstes Glied, 6 sechstes Glied, der radientragenden Stammreihe der Flosse. Str Stammreihe. Ri laterale resp. dorsale, Am mediale, resp. ventrale Radienreihe. Skelet des Beckens und des Zwischenstückes. Rechte Hälfte, dorsale Ansicht. Z dorsaler resp. ventraler Fortsatz des Zwischenstückes. Die iibrigen Buchstaben wie in der vorigen Figur. Ansicht der äußeren Flossenmuskeln. Die Fascia externa ist z. Th. abgezogen. Ihre dünne das Becken überziehende Lamelle ist er- halten. Fsex Fascia externa. Fse ihre Beckenlamelle. Me Myocomma der ventralen Seitenmuskeln. ns Inscriptio tendinea derselben. Sdp Beckenursprung der äußeren Stammmuskulatur (dem Stratum pro- fundum dorsale der Haie homolog). Sds Faseienursprung der äußeren Stammmuskulatur (dem Strat. dors. superfic. der Haie homolog). Stmi Ursprungstheil der inneren Stammmuskulatur (vgl. Fig. 4). Inst erste Zwischensehne der äußeren Stammmuskulatur. Stma äußere Stammmuskulatur (Flossentheil derselben). 4b ein sich ablösender Zipfel der Stammmuskulatur. Rdma äußere Radialmuskulatur. Rdms vom Zwischenstück entspringender dorsaler Theil derselben, Rdmv ventraler. 6 sechstes Glied der Stammreihe der Flosse. Sf se- kundäres Flossenskelet (Hornfiiden). Af Afteröffnung. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 1. Ansicht der inneren Muskellage. Rechte Hälfte. Fsin Ansatz der Fascia interna der Seitenmuskeln. Die mit roth-punktirten Linien umfassten Stellen bedeuten: Asm die Ansatz- stelle der Seitenmuskeln an das Becken. Usdpl! Ursprung des Mus- kels Sdp!! der Fig.5. Stmi innere Stammmuskulatur. Admi innere Radialmuskulatur. Die übrigen Buchstaben wie vorher. Morpholog. Jahrbuch. 9. 11 162 M. Davidoff, Beitriige zur vgl. Anatomie d. hinteren GliedmaBe d. Fische. Fig. Fig. Fig. ur 6. Ansicht der tieferen Muskeln der äußeren Stammmuskulatur. Rechte Seite. Die Flosse ist nach innen gedreht. Die Ursprungsportionen der äußeren Stammmuskulatur sind entfernt. Sdp! erster, Sdp!! zweiter Muskel der tieferen Lage. Asds An- satztheil des Muskels Sds. Fsin Fascia interna der Seitenmuskeln. Die übrigen Buchstaben wie in Fig. 1 und 3. Dient zur Erläuterung der Ursprünge und Ansätze der Muskeln der äußeren Flossenfläche. Usdp! Ursprung des Muskels Sdp! (Fig. 5). Asdp! Ansatz des- selben. Usdp. Beckenursprung der äußeren Stammmuskulatur. Ustmi Ursprung der inneren Stammmuskulatur. dsm Ansatz der Seitenmuskeln. Asdpl! Ansatz des Muskels Sdp! (Fig. 4). 4tst An- satz tieferer Fasern der zur Flosse hinziehenden Stammmuskulatur. Rdms Ursprung proximaler sich am Amrd und Alrd ansetzenden Radialmuskelfasern. Die übrigen Buchstaben wie Fig. 1. Gliedmaßennerven und ihre peripherische Verästelung auf der inneren Flossenfläche der linken Seite. 1—12 Zahl der Gliedmaßennerven. 19? muthmaßliche Reihenzahl des ersten ventralen, zur Gliedmaße in Beziehung stehenden Spinal- nerven. C Collector. ac Verbindungsästchen desselben zum 9. Glied- maßennerv. al sein laterales Astchen. ns Fädchen zur Seitenmusku- latur ). Col, 9v!, dv, 11vl Äste der bezüglichen Nerven zum ersten aus dem Plexus hervorgehenden Endast. d!, d?, d Äste zur äußeren Flossenfliiche. v!, v2, v3 Aste zur inneren Flossenfläche. a Verbindungsast des 12. Gliedmaßennerven. Die Bezeichnung des Skelets wie früher. = > ee ee _ Taf. Var. — > Me ----- RS ~ Pim ser - 1 Pim Fee PI Bde B B Fig. 3. Sdp 12 Sas Stmi ° Titst ab -Admo ‚Rdms -- Af Stma-~—. didma---- E SfL--- J Fa Verein Fagen ann Leipzig. T r Lith Werner dBönzer, Franpyare 7M. Davidaff’ peo. Ver. vWUR Dopeimann.. Leiezig Lith x Werner & Winter Frankfurt * Kleinere Mittheilungen. Uber ein anatomisches Unterscheidungsmerkmal zwischen Haushund und Wolf. Von Prof. Dr. H. Landois. Seit Linn& bis auf Darwin haben sich die Zoologen vergebens bemüht, scharfe Diagnosen für den Haushund und den Wolf festzustellen. Canis fami- liaris; Cauda sinistrorsum recurva und Canis Lupus: Cauda incurva, so lauten die Speciesdiagnosen im Lapidarstile bei Linn& in der Fauna Suecica, editio altera, Stockholmiae 1761, und bis auf die neueste Zeit sind charakteristischere Merkmale nicht erbracht worden. Die Lınn#’sche Charakteristik für den Haus- hund ist obendrein noch nicht einmal durchgreifend richtig; denn wenn auch die meisten Hunde den Schwanz aufwärts nach links zurückgekrümmt tra- gen, so giebt es doch auch eine große Menge Hunde, deren Schwanzende nach rechts umgekrümmt getragen wird, wovon man sich täglich durch den Augenschein überzeugen kann. Auch hängt beim Wolfe der Schwanz nicht stets herab, wie es die LINNH’sche Diagnose verlangt. Die Wölfe unseres zoologischen Gartens tragen bei freudiger Stimmung den Schwanz stets wenig- stens wagerecht, wobei die Spitze ebenfalls etwas nach oben und vorn gebogen wird, ganz ähnlich wie beim Hunde. Am eingehendsten scheint wohl BrAsıus das Skelet dieser beiden Arten untersucht zu haben, um vielleicht ein charakteristisches Merkmal für die eine oder andere Species zu finden. Er fasst die Ergebnisse seines langjährigen Studiums in seiner Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands, Braunschweig 1857, pag. 157 wie nachstehend kurz zusammen: »Der Hund ist nach seinem Skelet, nach Schädel und Gebiss ein Wolf; doch ist es nach Schädel und Ge- biss weder möglich, ihn mit irgend einer wild vorkommenden Wolfsart zu ver- einigen, noch von den bekannten Wolfsarten scharf zu trennen. Unsere euro- päischen Hunde schwanken in ihren Schädeleigenthümlichkeiten zwischen denen des Wolfs und des Schakals, doch so, dass sich die Charaktere mannigfaltig kreuzen, verbinden und abändern. Die Nasenbeine erstrecken sich meist etwas weiter in die Stirn hinein vor als die Oberkieferbeine; doch kenne ich keine Schädel, die hierin das Maß des Wolfes erreichen. Alle stehen dem Schakal näher und ich habe kräftige Hundeschädel gesehen, bei denen beide Schädel- knochen gleich weit nach hinten in die Stirn hinein vortreten, sich also dem 143 164 Kleinere Mittheilungen. Schiidel des Fuchses niihern, ohne ihn zu erreichen. Die Stirnbeine legen sich bei starken Schiideln, wie beim Wolfe, nicht so weit, als die Zwischenkiefer, an die Nasenbeine an; bei schwächeren Schädeln habe ich auch das Umgekehrte gesehen, wie beim Schakal. Der Oberkiefer erweitert sich bei kurzen, gedrun- genen Schädeln, wie beim Wolfe, vor dem letzten Lückenzahne stärker, so dass dieser Zahn ganz schief zu stehen kommt, gleichviel ob der Hund groß oder klein ist; bei langgestreckten Schädeln ist diese Erweiterung schwach und gleichmäßig, wie beim Schakal, so dass dieser Lückenzahn in seiner Richtung wenig vom vorhergehenden abweicht, gleichviel ob der Schädel klein ist, oder die Stärke des Wolfsschädels erreicht. Die Vorderzähne haben Seitenlappen wie bei den übrigen Wolfsarten; doch sind diese ohne Ausnahme schwächer, als beim Wolfe, und nähern sich denen des Schakals. Die oberen Höckerzähne stimmen am meisten mit denen des Schakals überein, indem die äußere Hälfte sich nicht sehr stark über die innere erhebt. Doch wie auch der Schädel wechselt zwischen dem des Wolfes und Schakals, sogar entfernt an den des Fuch- ses erinnert, er hält auch etwas Eigenthümliches fest. Die Stirn tritt in der Regel stärker über den Scheitel und den Nasenrücken hervor, als beim Wolfe und Schakal; doch darin zeigen sich erst recht extreme Abweichungen bei verschiedenen Hunderassen. Es versteht sich, dass in diesen Eigenthiimlich- keiten nur Schädel von ungefähr gleichem Alter mit einander erfolgreich ver- glichen werden können.« Aus Vorstehendem ergiebt sich hinreichend, dass ein sicheres Unterscheidungsmerkmal im Skelet zwischen Haushund und Wolf bis jetzt noch nicht aufgefunden ist und auch wohl schwerlich entdeckt werden dürfte. Einen lebenden Wolf von einem Haushunde zu unterscheiden, wird mir nicht schwer. Die muskulösen und zugleich behenden Bewegungen des Wolfes zeigt kein Hund. Auch ist die Fressgier für den Wolf außerordentlich charak- teristisch. Der Wolf verschlingt selbst größere Fleischstücke mit den Knochen ohne sie vorher zu zerkleinern. Es war geradezu widerlich anzusehen, wie ich einst dem männlichen Wolfe unseres zoologischen Gartens, obgleich er schon vorher seine tägliche Fleischration erhalten hatte, ein grob zerhacktes Ferkel vorwarf und er die Stücke eher verschlungen, als ich ihm einen anderen Brocken durch das Gitter reichen konnte. So gierig frisst nie ein Hund, und wenn er vom ärgsten Hunger gepeinigt würde. Aber derartige biologisch unterscheidende Merkmale helfen uns über die vorliegende zoologische Schwierigkeit nicht hinweg. Es lag der Gedanke nahe, dass bei der uralten Domestikation des Hundes sich die Eingeweide, namentlich der Darmkanal im Gegensatze zu dem Wolfe verändert haben müsste. Ähnliche Beobachtungen waren bisher über das wilde und zahme Schwein, so wie über die Wildkatze und Hauskatze schon gemacht worden. So eitirt DArRwIın ! nach DAUBENTON, dass »der Darmkanal der Haus- katze weiter und um ein Drittel länger ist, als bei wilden Katzen derselben Größe«. Und über das Schwein lesen wir ebendaselbst pag. 81: »Die Art der durch viele Generationen gebotenen Nahrung hat offenbar die Länge des Dar- mes beeinflusst; denn nach Cuvier verhält sich die Länge des Darmkanals zu der des Körpers beim wilden Eber wie 9 : 1, beim gewöhnlichen Hausschwein wie 13,5 :1, und in der siamesischen Zuchtrasse wie 16: 1.« Da die Wölfinnen unseres zoologischen Gartens alljährlich im Mai Junge zur Welt bringen und aus dem Wurfe, um die säugenden Mütter zu schonen, ! Das Variiren der Pflanzen und Thiere. Stuttgart 1878. pag. 53. Kleinere Mittheilungen. 165 einige getödtet werden müssen, so hatte ich Gelegenheit, genauere Messungen an diesen vorzunehmen. Ein eben geborener junger männlicher Wolf wog 1,1 Pfund; seine Länge betrug von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel 25,5 cm. Der Darm maß vom Magen bis zum After 112 cm. Der Darm war also bei diesem Wolfe 4,39 mal so lang als die Körperlänge. Ein zweiter, drei Tage alter männlicher Wolf wog 1,5 Pfund; er maß in der Körperlänge, ebenfalls von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel ge- messen, 27,5 cm. Der Darm maß 117 cm; es war also der Darm 4,25 mal so lang als der Körper. Im November dieses Jahres strangulirte ich einen etwa vierjährigen weiblichen Wolf, um auch bei diesem die Darmlänge festzustellen. Von der Schnauzenspitze bis zur Schwanzwurzel maß dieses etwas kleine und schwäch- liche Exemplar gerade 1 m. Der Darm hatte vom Magen bis zum After die Länge von 4,1 m. Es war also auch hier, den jungen Wölfen entsprechend, der Darm etwas mehr wie viermal so lang als der Körper. Neben diesen Messungen stellte ich auch bei Haushunden ähnliche Unter- suchungen an, und zwar sowohl an noch blinden Nestjungen, wie an Erwach- senen verschiedenster Rassen. Da derartige Messungen wegen Leichtbeschaff- lichkeit des Materials jederzeit auszuführen sind, will ich hier nur das Resultat meiner hierher bezüglichen Notizen angeben. Beim Haushunde übertrifft, je nach Rasse und Alter, die Länge des Darmes den Körper (auch hier von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel gemessen) 5 bis 6mal. Beim Wolfe ist also der Darm 4mal, beim Haushunde 5 bis 6mal so lang als der Körper. Münster i. W., 13. Nov. 1882. Zusatz des Herausgebers. Die größere Länge des Darmkanals bei domestieirten Carnivoren, im Gegensatze zu jenem wilder Arten, die man, wenn man sie auch nicht als die Stammformen gelten lassen will, denselben sehr nahe stehend mit Recht be- trachtet, ist gewiss das Produkt der mehr omnivoren Lebensweise. Die Ver- schiedenheit des Darmes zwischen Wolf und Hund ist übrigens schon älteren Beobachtern nicht entgangen. So findet sich eine Angabe in MıLnzE EDWARDS (Legons sur la Physiologie ete. T. VI, pag. 359) in Bezug auf den Dickdarm, dessen Länge, die Gesammtlänge des Dünn- und Dickdarms = 100 angenom- men, beim Wolfe 17, beim Hunde dagegen 20 beträgt. Es würde sonach die von LAnvoıs erkannte größere Länge des Hundedarms sich auf beide Darm- strecken vertheilen. Bei einer ferneren Behandlung dieser Fragen scheint mir die Untersuchung auf eine größere Anzahl von Individuen innerhalb verschie- dener Rassen des Hundes sich erstrecken zu müssen. Anzeigen und Besprechungen. FLEMMING, WALTHER, Zellsubstanz, Kern und Kerntheilung. Mit 24 Textbildern und 8 Tafeln. gr. 8. Leipzig (F. C. W. VoGEL) 1882. (VIII, 424 8.) Seit die Lehre von der Zelle und ihren Derivaten durch SCHWANN die erste wissenschaftliche Grundlage empfing, hat die Ausbildung der Gewebe- lehre nach allen Seiten so bedeutende Veränderungen erfahren, dass von dem früheren Gebäude kaum noch ein Stein auf dem alten Platze blieb. Wer ge- neigt ist, die Dinge nur von ihrer Außenseite zu betrachten, und lieber an der Peripherie verweilt als nach dem Mittelpunkte strebt, der möchte leicht versucht sein, all’ das, was vor länger als vierzig Jahren die mannigfachen Texturen der Organe erleuchtend in die Welt trat, für abgethan zu halten. So gewaltig ist der Unterschied zwischen den früheren Vorstellungen und denen des heuti- gen Tages. Die genauere Prüfung lehrt aber, dass alle jene Veränderungen mehr nur den Umkreis betrafen, um so bedeutender, als dieser sich ausgedehnt hatte. Der Mittelpunkt blieb im Wesentlichen unverändert, denn heute wie damals gilt die Zelle als Formelement, aus dem die Gewebe hervorgehen, der Organismus sich aufbaut. Bei allem Wandel der Vorstellungen, die man sich von dem Wesen der Zelle gebildet hatte, ist diese eine geblieben, dass sie den Ausgangspunkt der Gewebe und damit der Organe bildet, und darin liegt das ganze noch heute ungeminderte Gewicht der ScHwann’schen Theorie. Während auf diesem Fundamente die Gewebelehre sich umgestaltete, hat die genauere Kenntnis der Zelle selbst nur eine mehr gelegentliche Ausbil- dung gewonnen und erst im letzten Decennium empfing die schon länger vor- bereitete Vorstellung von einer komplexeren Zusammensetzung der Zelle con- cretere Gestalt; Zelle wie Kern traten aus dem einfacheren Zustande, den unvollkommenere Hilfsmittel der Untersuchung ihnen zuerkannt hatten. Es ge- reicht dem Verfasser zum Verdienste zahlreiche zerstreute Thatsachen in dem angezeigten Werke gesammelt, gesichtet und durch viele eigene Beobachtungen vermehrt zu haben. In den drei nach dem Titel des Buches eingetheilten Kapiteln wird uns eine Darstellung von Zellsubstanz (pag. 1—85), Kern (pag. 86 bis 190) und Zelltheilung (pag. 191—400) geboten. Da bei letzterer wiederum der Kern eine wesentliche Rolle spielt, ergiebt sich diesem der größte Theil des Buches zugewiesen. Aus der Verschiedenartigkeit der den Zellleib darstel- lenden Substanzen, die man bisher unter der Annahme einer gewissen Gleich- artigkeit mit Bezug auf ihre Bedeutung »Protoplasma« genannt hat, folgert Verfasser die Unzweekmäßigkeit der letzteren Bezeichnung und will dafür das Wort »Zellsubstanz« in Vorschlag bringen. Der Verfasser ist gewiss im Rechte wenn er die Unterscheidung jener Substanzen betont, aber wir können es nicht als einen glücklichen Vorschlag halten, einen so außerordentlich vagen Begriff, wie es der der Zellsubstanz ist, in Kurs zu setzen. Mit dem Begriffe Proto- Anzeigen und Besprechungen. 167 plasma war Alles ausgeschlossen was nicht lebende Substanz in und an der Zelle ist, und durch die Pforte der Zellsubstanz wieder zurückkehren kann. Wenn aber der Verfasser desshalb den Begriff des Protoplasma verwirft, weil noch unbekannt ist, wie sich die im Protoplasma unterscheidbaren Substanzen ver- halten, unbekannt, welche der beiden lebende Substanz ist, oder vielleicht beide zugleich, so scheint es doch richtiger zuvor eine Klärung unserer Kennt- nisse über jene Punkte abzuwarten, und die Unterscheidung der Materien, die man doch auch bei der Zellsubstanz machen müsste, einstweilen noch am Protoplasma vorzunehmen. Die Mühe ist gleich groß! Auf diesem Felde steht die Forschung doch erst vor ihrer Aufgabe, die nur stätig gelöst werden kann. Ein wie wir glauben wichtiger Fortschritt ist durch Kuprrer in der Aufstellung eines »Paraplasma« bei Drüsenzellen geschehen. Dass man das nicht ohne Wei- teres auf alle möglichen anderen Zellen anwenden könne, beweist nichts gegen die Richtigkeit für jene. Auf jeden Fall aber wird die gewiss der Weiterbil- dung nicht bloß fähige sondern auch bedürftige Lehre vom Protoplasma von indifferenten Zellen und von Organismen wie die Rhizopoden ihren Ausgang zu nehmen haben. Nur auf breitester Grundlage in dieser Richtung dürfte eine Reform erfolgreich sein. Indem wir diese Ausstellungen machten, wollen wir damit nicht den Werth des Buches unterschätzt wissen, denn auch das was wir beanstandeten wird zur Anregung dienen. Herrwie, Oskar, Die Entwicklung des mittleren Keimblattes der Wirbelthiere. Zweiter Theil. Mit 5 Tafeln. Jena (Gu- STAV FISCHER). 128. 8. 8 In dieser Schrift hat eine Reihe von Untersuchungen, die der Verfasser mit seinem Bruder in den Studien über die Cölomtheorie gemeinsam begonnen, dann für sich fortgesetzt hat, einen gewissen Abschluss gefunden. Wir vermögen daher die Resultate zu überblicken, welche jene Untersuchungen zu Tage brachten, und wie sie der Verfasser in seinen Schlussbetrachtungen uns entgegenbringt. Sie gipfeln darin, dass in der Bildung des Mesoblast (den O. und R. HErT- wıG schon in der ersten Schrift als einen bestimmten Theil des Mesoderms oder mittleren Keimblattes vom übrigen oder Mesenchym unterschieden) eine kon- tinuirliche Erscheinungsreihe besteht, die nicht nur innerhalb der Wirbelthiere nachgewiesen wird, sondern auch Verknüpfungen mit dem Entwicklungsgange Wirbelloser darbietet. An der bei niederen Formen als Blastoporus, bei den höheren Wirbelthieren als Primitivrinne erscheinenden Stelle wächst der Meso- blast zwischen die beiden primitiven Keimblätter ein, als ein paariges, entweder mit der Ektodermhöhle kommunieirendes Hohlgebilde oder in Gestalt einer so- liden Zellenschicht, in welcher Verschiedenheit eine Anpassung an gewisse vom Eie sich herleitende Zustände liegt. Die sich entgegenstehenden Meinungen be- züglich der Abstammung des Mesoblastes von einem der beiden primitiven Keimblätter finden in dieser Untersuchung eine eben so befriedigende Vermitt- lung, wie die Frage von der Abstammung der Chorda eine Lösung empfängt. Die Differenzirungsvorgänge an den Keimblättern sind gerade in Betreff des allerschwierigsten Theiles in helles Licht gestellt, und das reiche Beobachtungs- material, welches von vielen Forschern bezüglich der Wirbelthiere über alle 168 Anzeigen und Besprechungen. Klassen zu Tage gefördert wurde, hat durch die von Herrwig vorgenommene Siehtung und kritische Behandlung in Bezug auf die Frage vom mittleren Keimblatte erst seine Verwerthung gefunden. Jeder unbefangene und mit dem Gegenstande vertraute Leser wird beim Studium dieser Schrift die Überzeu- gung gewinnen, dass er es mit eben so objektiver Auffassung der Thatsachen als klarer Darstellung und scharfsinniger Kombination zu thun hat. Daraus erflossen denn jene Ergebnisse, die von einem beschränkteren Gesichtspunkte aus, wie ihn die ontogenetische Beschäftigung mit nur einer oder zwei, viel- leicht sehr divergenten Formen bedingt, nimmermehr zu gewinnen sind. Es offenbart sich auch hier wieder die Überlegenheit , welche die Kenntnis einer größeren Thatsachenreihe und die logische Verknüpfung dieser Thatsachen bietet und es zeigt sich, dass durch die Vergleichung auch auf dem ontogene- tischen Gebiete Einsichten in Gestaltungsvorgänge zu erzielen sind, welche uns den Zusammenhang der Erscheinungen erkennen lassen. VırcHow, H., Dr., Beiträge zur vergleichenden Anatomie des Auges. Mit 21 Holzschnitten und 1 Tafel. gr. 8. Berlin (HırscuwALn) 1882. (99 S.). Wie ansehnlich auch der Zuwachs war, welcher der Morphologie des Sehorganes der Wirbelthiere an neuen Erfahrungen sowohl auf dem Gebiet der Ontogenie wie der Anatomie in den letzten Decennien zu Theil ward, so blie- ben doch viele und wichtige Punkte theils ganz unerörtert, theils erfuhren sie, anderen gegenüber, eine geringere Würdigung. Der Verfasser dieser Schrift, dem wir schon mehrere werthvolle Beiträge zur Anatomie des Wirbelthierauges zu danken haben, bietet uns jetzt in Mittheilungen offenbar sehr ausgedehnter Untersuchungen über den Glaskörper und den intraocularen Gefäßapparat eine fernere Bereicherung unserer Kenntnisse in jenem noch so wenig aufgeschlosse- nen Gebiete. Bezüglich des Glaskörpers wird die Eigenartigkeit des ausgebil- deten Gewebes von verschiedenen Seiten her dargestellt, und wenn wir zwischen den Zeilen zu lesen versuchen, so können wir finden, dass Verfasser sich der Vorstellung einer Art von Schichtung zuneigt, jedoch in dem Sinne, dass diese wieder von anderen, mehr radiären Zügen durchsetzt sind. Auch die Glaskör- perzellen finden Beurtheilung. Für die Membrana hyaloidea ersehen wir die Zusammengehörigkeit mit der Limitans interna der Retina, oder vielmehr die Identität beider Häute. Die große Mannigfaltigkeit des Gefäßapparates des Glaskörpers der Fische wird auf drei verschiedene Typen redueirt, je nach dem Verhalten der Gefäßstämmchen bezüglich ihres Ein- und Austrittes. Endlich wird in »Bemerkungen über Fischaugen« dem Befestigungsapparate der Linse, wie er durch die unter verschiedenen Namen bekannten Gebilde zu Stande kommt, eine genaue Schilderung gewidmet. Wir möchten wünschen, dass der Verfasser bald Anlass finden möge vieles nur Berührte oder aphoristisch Behandelte zu aus- führlicherer Darstellung zu bringen. LI Zur vergleichenden Anatomie der Ausführungs- sänge der Sexualorgane bei den Insekten. Vorläufige Mittheilung. Von J. A. Palmen in Helsingfors. Bei meiner Untersuchung über das Tracheensystem der Insek- ten fand ich bereits im Jahre 1876 in Heidelberg Veranlassung auch über die Geschlechtsorgane Beobachtungen anzustellen, und erlangte dabei Resultate, die in unerwarteter Weise die Morphologie dersel- ben beleuchteten. Diesen Gegenstand beabsichtigte ich in derselben Weise zu behandeln, wie das Tracheensystem, und entschloss mich daher die Ergebnisse vorläufig nicht zu veröffentlichen. Später ver- hinderten amtliche und andere Beschäftigungen den Abschluss der definitiven Redaktion des Manuskriptes. Inzwischen erschien kürz- lich im Zoologischen Anzeiger (Nr. 126 pag. 637—641) eine vorläu- fige Mittheilung von Herrn J. NusBAuMm, welche dasselbe Organ- system behandelt. Aus diesem Grunde finde ich mich veranlasst, auch meine Ergebnisse vorläufig zur Mittheilung zu bringen. Wir beide haben die Ausführungsgänge der Sexualdrüsen untersucht, — Herr Nuspaum jedoch entwickelungsgeschicht- lich, ich hingegen vergleichend-anatomisch. Die aus den = Beobachtungen gezogenen Schlüsse sind theils identisch, theils ge- genseitige Komplemente. Ich untersuchte zunächst die Ephemeriden. Zwischen die- sen und den übrigen anatomisch beschriebenen Insektengruppen stellte sich dabei ein Gegensatz heraus, indem bei den Ephemeriden die Ausführungsgänge der Sexualdrüsen paarig sind, nicht nur bei den Larven aller Stadien, sondern auch bei den Imagines, und zwar in beiden Geschlechtern. Morpholog. Jahrbuch. 9. 12 170 J. A. Palmén Diese Paarigkeit haben schon mehrere Autoren z. Th. bemerkt (RéAumuR; Earon, Tr. ent. Soc. Lond. 1871; und speciell Joxy, Ann. Mag. Nat. Hist., 1877. Febr. pag. 193); sie ist aber weder eingehend untersucht, noch morphologisch erkannt und verwerthet worden. Bei den Männchen der Ephemeriden erstrecken sich die bei- den Vasa deferentia unabhängig von einander fort, bis sie an der Ventralseite des neunten Segmentes zwei äußere Anhänge, die beiden Begattungsorgane, durchbohren, an deren Spitze oder Seite jedes für sich ausmündet. Diese zwei Anhänge sind bei einigen Arten (z. B. Palingenia longicauda Ol.) unter sich fast ganz frei; bei an- deren (z. B. einigen Arten Heptagenia) verwachsen sie unter sich mehr oder weniger an der Basis, während die Spitzen und die Miindungen frei bleiben. Schon SWAMMERDAM und REAUMUR er- wähnen sie; PıCTET nennt sie »les appendices internes«, und Eaton bezeichnet sie, bisweilen jeden für sich, bisweilen beide zusammen, als »the penis«. Die beiden Vasa deferentia stoßen bisweilen (Imago von Pa- lingenia longicauda Ol.) vor der Basis der Penes ziemlich dicht an einander: jedoch bilden sie hier unter sich keine Kommunikation, wie ich es an vollständigen Reihen von Querschnitten konstatirt habe. Nur bei einer einzigen Art meines Materiales, nämlich bei Polymitareys virgo Ol., findet sich im neunten Segmente eine Querverbindung zwischen den beiden Schläuchen, die sich sonst wie bei den übrigen Arten verhalten. Bei jüngeren Larven sind die Vasa deferentia dünne Stränge, längs deren die samenbereitenden Drüsen sitzen; diese Stränge in- seriren im Integumente am Hinterrande des neunten Sternits, da, wo später (während der letzten Häutungen) die beiden Begattungs- organe hervorsprossen. Bei älteren Larven sammelt sich das Sperma in der Höhlung dieser Stränge: ihre Wände werden dadurch aus- gedehnt, und diese Abschnitte fungiren dann als Vesiculae seminales. Die Spitzen der Stränge verbleiben eng, fungiren etwa als Ductus eja- eulatorii. Gemeinschaftliche, unpaarige Drüsengebilde sind nicht vorhanden. Erst bei der letzten Häutung erhalten die Begattungs- organe ihre volle Entwickelung und die Ductus offene Mündungen. Beim Weibchen verlaufen die beiden Oviducte ebenfalls selb- ständig nach hinten, bis sie an der ventralen Seite des Hinterleibes im Grunde der Hautfalte zwischen dem siebenten und achten Seg- Zur vergl. Anatomie der Ausführungsgänge der Sexualorgane bei Insekten. 171 mente, jedes fiir sich, ausmiinden. Bei einigen Arten ist diese Intersegmentalfalte den übrigen fast gleich, bei anderen etwas tiefer: bei noch anderen ist das siebente Segment bedeutend länger als die übrigen, oder auch (z. B. bei Heptagenia elegans Curt.) ver- längert sich das Sternit desselben klappenartig (Ovivalyula) und umschließt also einen größeren Raum, als die übrigen Segmentfalten. Das Körperintegument mit der Chitinschicht setzt sich kontinuirlich in die Falte fort, bis zu den Mündungen der beiden Oviducte, wo es in das Gewebe ihrer Wände übergeht und die Chitinschicht aufhört. Die Oviduete sind bei den Larven Anfangs dünn, strangartig, und tragen die bekannten Eifollikel; sie inseriren zu beiden Seiten in der erwähnten ventralen Hautfalte. Je nachdem die Eier sich aus den Eiröhrehen in die Oviducte ansammeln, werden die Wände derselben ausgedehnt, und so werden aus diesem Abschnitte der Aus- führungsgänge zwei uterusartige Gebilde hergestellt. Der End- abschnitt der beiden Gänge stellt dann ihre Vaginalportion vor. Weil aber keine gemeinschaftliche Vagina zu Stande kommt, finden sich auch keine unpaarigen Drüsen und kein Receptaculum seminis. Die beiden Mündungen öffnen sich bei der letzten Häutung. Die Eier werden bei vielen Arten aus den Oviducten der Imago (resp. Subimago) allmählich in die Intersegmentalfalte (resp. unter die Ovivalvula) gebracht; nach der Paarung werden sie dort getra- gen bis sie beim Eintauchen der Hinterleibsspitze ins Wasser abge- streift werden. Bei Polymitareys virgo Ol. sind die zahlreichen Eier in den Oviducten zu zwei großen, eylindrischen Packeten zu- sammengeballt; sobald sie gelegt werden sollen, biegt sich die Hin- terleibsspitze (Segm. S—10) dorsalwärts, die zwei Oviductmiindungen werden dadurch sichtbar und die beiden Packete zu gleicher Zeit, durch Kontraktion des Hinterleibes, ziemlich gewaltsam heraus- gepresst. Durch den Druck der im Darme vorhandenen Luft stülpen sich dabei oft die Darmwand und die dünnen Wände der Oviducte aus der Intersegmentalfalte blasenartig hervor. So bildet Pıcrer Caenis oophora Koll. ab (Taf. 45 Fig. 4). Es ist dies wohl der- selbe Vorgang, welcher zu der eigenthümlichen Angabe (GERSTÄCKER, Handb. d. Zool., II. Arthropoden, 1863, pag. 60) Veranlassung gab, dass bei den Ephemeriden das Eierlegen »durch Dehiscenz des Hin- terleibes« stattfinden sollte. Die ferneren Details der Untersuchung über die Ephemeriden muss ich der eingehenden Darstellung vor- behalten. 12% at 172 J. A. Palmén Diese Paarigkeit der Sexualdriisen und ihrer Ausführungsgänge bei einer Insektengruppe deutet auf Organisationsverhältnisse hin, die bei niederen Thieren obwalten. Einige Myriapoden und Spin- nen, zahlreiche Krebse und die meisten Würmer besitzen paarige Gänge; und bei den letztgenannten hat man sie, wie bekannt, aus den ursprünglich paarigen Schleifenkanälen morphologisch herleiten können. Die Ephemeriden repräsentiren also, in Bezug auf das Sexualorgansystem, unter den Insekten einen sehr ursprünglichen Organisationstypus. (Vgl.: Zur Mor- phologie des Tracheensystems, pag. 77, Note.) Es fragt sich aber nun, ob dieser Typus der Sexualorgane Paarigkeit) auch bei anderen Insektengruppen beibehalten ist, und ob Übergänge zu dem transformirten Typus (Unpaarigkeit) entweder bei Larven oder sogar bei den Imagines sich aufweisen lassen. Es genügt ein Blick auf die in Abbildungen bekannten For- men von inneren Geschlechtsorganen verschiedener Insektengruppen um uns zu überzeugen, dass der Typus mit unpaarigen Gebilden als Regel sich darzustellen scheint, und auch so aufgefasst wird. Man scheint sogar a priori angenommen zu haben, dass diese Regel keine Ausnahmen erlauben konnte; denn bisweilen scheinen die Autoren fast keine Spur von einem unpaarigen Endabschnitt gefunden zu haben, — bezeichnen aber dennoch diesen postulirten Theil als »äußerst kurz« oder dergleichen. Die anatomischen Befunde bei Ephe- meriden erweisen nun, dass die vermuthete Unpaarigkeit bei gewis- sen anderen Gruppen zum mindesten als unzuverlässig zu bezeich- nen ist. Diese Gruppen müssen aufs Neue untersucht werden, und zwar nicht, wie früher durch Zerzupfen allein, sondern an kritischen Stellen nach vollständigen Reihen von Schnitten. Sonst würde man manchmal »unpaarige« Gebilde annehmen, wo nur paarige Schläuche in angeschwollenem Zustande dicht an einander liegen; oder man wird etwaige enge Querverbindungen übersehen, und mithin die ge- suchten morphologischen Zwischenzustände nicht bemerken. Ich brauche kaum hervorzuheben, dass in dieser umfassenden Frage meine eigenen Untersuchungen noch sehr unzureichend sind und desshalb hier nieht mitgetheilt werden können. Indessen liegen schon seit lange gedruckte Untersuchungen vor, aus denen ich einige That- sachen hier verknüpfen und für diese Frage verwerthen möchte. Der Thatbestand bei den Ephemeriden wird nämlich erst in dieser Weise seine rechte Beleuchtung gewinnen. Nach den Untersuchungen von L. Durour, Lorw u. A. über Zur vergl. Anatomie der Ausfiihrungsgiinge der Sexualorgane bei Insekten. 173 die männlichen Geschlechtsorgane bei mehreren Arten Ortho- ptera genuina (z. B. Oedipoda) und amphibiotica (Libellula, Perla, einzelne Arten), Planipennia (Panorpa, Rhaphidia, Myrmeleon, Sialis) und Trichoptera (Hydropsyche) ist jedes der beiden Vasa deferentia mit einer eigenen Vesicula seminalis ver- sehen; auf dieselbe folgt jederseits das Ende der beiden Ausführungs- gänge, die Ductus ejaculatorii. Ein gemeinschaftlicher Endabschnitt wurde bei Rhaphidia gar nicht gefunden, bei anderen nicht erwähnt, oder als äußerst kurz bezeichnet. In einigen Fällen macht ferner der aufgefundene unpaarige Abschnitt den Eindruck als wäre es viel eher eine seichte Vertiefung, bei anderen eine tiefere Einstülpung der äußeren Körperhaut, an deren Grunde die beiden Ductus immer noch selbständig ausmünden. Für diese Deu- tung spricht u. A. der Umstand, dass der gemeinschaftliche Duetus ejaculatorius »inwendig von einer derben rauhen Chitinhaut ausge- füttert ist« (vgl. GRABER, Die Insekten. I, pag. 386). Es versteht sich, dass eine derartige Einstülpung auch (bei anderen Gruppen tiefer, enger und zarter gebaut sein kann; und an ihrer Mündung können besonders für die Kopulation geeignete Organe (Penis, Zan- gen etc.) sich differenziren. Bei solchen Insekten wäre als- dann der unpaarige Ductus ejaculatoriusmorphologisch ein durch Einstülpung entstandenes Derivat des Kör- perintegumentes. Hier möchte ich eine Bemerkung anschließen. Bei Larven von Corethra (vgl. LeypıG und WEIsMANN) sind die beiden Testes durch zwei Stränge am Integumente befestigt; die hinteren inseriren jeder für sich und sind bei der Entwicklung der Ausführungsgänge mitbetheiligt. Bei Chironomus wiederholt sich ungefähr dieselbe Einrichtung (GRABER). Bei der Metamorphose werden dann gewisse Theile der hintersten Bauchsegmente reducirt, andere hingegen ver- größert: so werden die Insertionspunkte der genannten Stränge, als Mündungen der Vasa, überragt und gerathen ins Innere des Hinterlei- bes; und dieser Theil der Haut wird ein unpaariger Abschnitt, wie dieses oben nur für ein einzelnes Segment aufgewiesen wurde. Findet sich bei diesen Insekten auch eine unpaarige Vesicula se- minalis, so lässt sich die morphologische Herleitung derselben (ent- weder aus dem integumentalen Ductus oder den verschmolzenen Vasa deferentia) nur nach speciellen Untersuchungen feststellen. Außer diesem Entwickelungsvorgang zu Unpaarigkeit beim männ- lichen Geschlechte giebt es noch einen anderen, über den die 174 J. A. Palmén Forficulinen uns Aufschluss geben. Nach MEINErT'sS Untersuchun- gen (Naturhist. Tidsskr., 3. Ser., T. V, pag. 278— 294) besitzt in dieser Gruppe die Gattung Labidura zwei selbständige Ductus ejaculatorii, von welchen jeder ein äuberes Kopulationsorgan (»Glans«) durchbohrt. Die beiden Ductus entspringen aus einer unpaarigen Vesicula seminalis, entweder paarig (L. advena) oder gemeinschaft- lieh (L. gigantea). Hier liegt, nach meiner Ansicht, eine Anord- nung vor, welche nicht weit von derjenigen steht, die ich oben bei einer Ephemeride (Polymitarcys virgo Ol.), und zwar als Aus- nahme von der Regel, erwähnt habe: denn aus der Querverbindung der beiden Vasa deferentia ist hier eine Erweiterung, die unpaarige Vesieula, morphologisch differenzirt worden. Bei Labidura ist jedoch eine neue Anordnung hinzugekommen: das eine der als »Glans« bezeichneten Gebilde ist weniger entfaltet als das andere, also in der Entwickelung gehemmt. Dieses giebt eine Erklärung des Befundes bei der Gattung Forficula, wo das eine Glied ganz rudimentär wird und verschwindet, während das allein entwickelte eine mediane Lage einnimmt und zum unpaarigen Penis sich gestaltet. Auch von den beiden Ductus ejaculatorii persistirt hier nur der eine; der an- dere obliterirt, sein Endabschnitt verschwindet, und nur der Anfangs- theil bleibt als blinder hohler Ast des persistirenden Ductus zurück. Dieses Rudiment bei Forficula und das verschwindende Begat- tungsglied bei Labidura bezeugen, dass bei den Forficulinen die Unpaarigkeit des Endabschnittes der männlichen Sexualgänge dureh innere Querverbindung der beiden Vasa deferentia und darauf folgende Reduktion oder Rudimentärwerden des einen von den beiden Endab- schnitten, morphologisch zu Stande kommt. Der un- paarige Ductus ejaculatorius und die Vesicula stammen also hier aus den ursprünglichen Vasa deferentia (nicht aus dem Körperintegumente, wie im vorhergehenden Falle). Ob für das männliche Geschlecht noch mehrere morphologische Entwickelungsmodi, von Paarigkeit zu Unpaarigkeit, vorkommen, und wie die angegebenen Modi bei verschiedenen anderen Insektengrup- pen auftreten, resp. sich kombiniren, muss ich vorläufig dahin ge- stellt sein lassen. Was das weibliche Geschlecht betrifft, und dessen Differen- zirung in Bezug auf den Endabschnitt der Ausführungsgänge, so finden wir das nächste Stadium nach den Ephemeriden — bei de- ren nächsten Verwandten, den Perliden. Bei dieser Gruppe münden Zur vergl. Anatomie der Ausfiihrungsgiinge der Sexualorgane bei Insekten. 175 die Oviducte nahe an einander im Grunde einer mittleren unpaari- gen »Vagina«. Diese ist, wie GERSTÄCKER bei Nemura lateralis erwiesen hat (Zeitschr. f. wiss. Zool. XXIV. Bd. pag. 245), ein ziemlich umfangreiches Gebilde von fast glockenartigem Umriss, inwendig von Chitin bekleidet; sie mündet zwischen dem siebenten und ach- ten Bauchsegmente, bedeckt von unten her durch das klappenartig vergrößerte Sternit des nächst vorhergehenden Segmentes (= Ovival- vula einiger Ephemeriden!). Im Anschluss daran, dass bei den Ephemeriden die Oviducte in einer gewöhnlichen Intersegmentalfalte ausmünden, deute ich bei den Perliden diese glockenartige Vagina als eine taschenartig vertiefte Intersegmentalfalte, weiche in die Körperhöhlung einragt und dort die beiden Tuben empfängt. Wie in jene Falte, so erstreckt sich auch in diese Tasche das Körperintegument mit seiner Chitinschicht. Und wie in jene Falte münden auch in diese Tasche die zwei paarigen Tuben selb- ständig aus. Hier ist also die unpaarige Vagina eine morphologisch differenzirte Intersegmentalfalte, mit- hin ein Derivat des äußeren Körperintegumentes. Dieser Differenzirungsvorgang bei den Perliden kann als Typus für mehrere Insektengruppen betrachtet werden. Bei anderen treten aber noch Komplikationen hinzu, die den Typus einigermaßen modifi- eiren. So nimmt die Einstülpung ihren Anfang nicht immer von einer Intersegmentalfalte allein; es können mehrere Segmente bei der Metamorphose derart reducirt werden, dass die ventrale Haut des Ganzen als Einstülpung bei der Vaginabildung mitbetheiligt (die oben erwähnten Dipteren), und von anderen Theilen der Hinterleibsseg- mente überragt wird. Wird die so entstandene Vagina enger, und schärfer vom per- sistirenden Theile der Intersegmentalfalte abgesetzt, fernerhin auch zarter gebaut, — so wird die Strukturdifferenz zwischen dem in- tegumentalen unpaarigen und den paarigen tubalen Theilen der Ausführungsgänge weniger auffallend; noch allmählicher wird der Übergang, wenn die Tuben unter sich z. Th. noch verschmel- zen und eine direkte Fortsetzung des unpaaren integumentalen Thei- les herstellen. Der unpaarige Abschnitt — sei es pun ein integu- mentales oder tubales Gebilde oder beides zugleich — stellt ferner durch Ausstülpung der Wände verschiedene Nebenorgane her, wie Receptaculum, Bursa, Drüsen ete., — bis der bekannte komplicirte Typus sich aus dem einfachen Anfangszustande differenzirt hat. Nach diesen morphogenetischen Vorgängen sind die inneren 176 J. A. Palmén, Zur vergleichenden Anatomie etc. bei Insekten. Geschlechtsorgane der Insekten aus zwei morphologisch ver- schiedenen Elementen aufgebaut, nämlich a) ursprünglich inneren, paarigen Gebilden (Testes mit den Vasa deferentia, Ovaria mit den Tuben), und b) Integumentalgebilden. Bei weniger differenzirten Insektengruppen sind (wie bei niedrigeren Thierformen) die Integumentalgebilde nur durch die beiden äußeren Geschlechtsmiindungen repräsentirt; daher ist der ganze Geschlechts- apparat paarig vorhanden. Die paarigen Theile werden bei höher differenzirten Formen sekundär durch unpaarige verbunden, indem a) ein gemeinschaftlicher Integumentalabschnitt (D. ejac., Va- gina) sich einstülpt; oder b) die inneren Gänge selbst anastomosiren, resp. von der Mündung aus verschmelzen; oder e) beide diese Vor- gänge zugleich stattfinden; oder endlich d) wenn dazu noch die über- flüssig gewordenen paarigen Theile durch Rudimentärwerden des einen redueirt werden. Welcher von diesen Vorgängen auch zur Verwen- dung kommt, so können dureh Ausstülpung der Wände verschiedene Nebenorgane sich zu verschiedenen Zwecken differenziren. Bei der Homologisirung dieser Organe muss ihre morphologische Herleitung aus dem einen oder anderen morphologischen Materiale mit in Be- tracht gezogen werden, und keineswegs darf die Gleichartigkeit ihrer Funktion allein den Ausschlag geben. Bei der Vergleichung dieser meiner morphologischen Resultate mit den entwickelungsgeschichtlich von Herrn J. NUSBAUM gewonne- nen, wird es sogleich ersichtlich, dass sie sich gegenseitig stützen. — Sobald die entwickelungsgeschichtlichen Untersuchungen jedoch auf mehrere Gruppen ausgedehnt werden, treten wohl die von mir oben erwähnten verschiedenen Entwickelungsmodi auch durch diese Me- thode hervor; und dann wird es sich ergeben, in wie weit alle unpaarigen Nebenapparate nur aus dem Hautepithel sich entwickeln (These 2) und aus paarigen Anlagen entstehen (These 4), — oder ob nicht dies in verschiedenen Gruppen verschiedentlich sich ver- hilt. Dass das Letztgenannte wohl als richtig sich herausstellen wird, dürfte aus den obigen Kombinationen hervorgehen. Eben weil die vergleichend-anatomischen Ergebnisse für ontogenetische Unter- suchungen aufklärend sein können, habe ich diese vorläufige Mit- theilung meiner Untersuchungen der Öffentlichkeit nicht länger vor- enthalten wollen, und hoffe nächstens das Thema eingehender zu behandeln. Helsingfors, den 20. December 1882. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. Von Dr. M. Sagemehl. I. Das Cranium von Amia cealva L. Mit Tafel X. Seitdem im Jahre 1845 Cart Voar! nachgewiesen hat, dass Amia calva L. im Bau des Herzens von sämmtlichen bekannten Knochenfischen abweicht und sich darin den Knorpelfischen anschließt, und JOHANNES MÜLLER? die Konsequenzen aus diesem Verhalten ge- zogen und diesen merkwürdigen Fisch von den Clupeiden, zu denen er bis dahin gerechnet worden war, abgetrennt und zu der von ihm und L. Acassız aufgestellten Unterklasse der Ganoiden gestellt hat, ist die Aufmerksamkeit der Anatomen stets auf diesen Fisch gelenkt worden. Es erschien eine Reihe von Arbeiten fast über sämmt- liche Organsysteme der Amia, so dass der Bau derselben gegen- wärtig besser gekannt ist, als der der meisten Knochenfische. Um so auffallender ist es, dass das Kopfskelet dieses in den Sammlun- gen durchaus nicht seltenen Ganoiden bis jetzt fast gänzlich ver- nachlässigt wurde. Meines Wissens ist die im Jahre 1877 erschie- nene Abhandlung von BRIDGE? die einzige, in welcher dasselbe in genügender Weise beschrieben worden ist. Auf die Veranlassung von Herrn Geheimrath Prof. GEGENBAUR 1 Annales des sciences naturelles T. XXIV. 1845. 2 Uber den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Abh. d. k. Akad. d. Wissenschaften z. Berlin vom Jahre 1844. Berlin 1846. Nachschrift pag. 204. 3 The cranial osteology of Amia calva. Journ. of Anatomy and Physio- logy. Vol. XI. 1877. pag. 605—622. 178 M. Sagemehl wurde von mir eine erneuerte Untersuchung des Cranium der Te- leostier, speciell der Physostomen und der Anacanthinen, unter- nommen und beim Suchen nach einer Form, von welcher aus die mannigfaltigen Verschiedenheiten im Bau des Schädels am besten beurtheilt werden konnten, wurde meine Aufmerksamkeit auf Amia gelenkt. In der That ergab ein genaues Studium des Cranium dieses Fisches, dass sich von ihm aus mehrere divergirende Rei- hen von Schädeltypen ungezwungen ableiten lassen. Auf der anderen Seite erwies sich Amia bei einem Versuch die Verhältnisse des Schädels der Teleostier von einfacher gebauten Typen, wie sie die Selachier bieten, abzuleiten als eine ganz ausgezeichnete Über- gangsform. Die sorgfältige descriptive Arbeit von BRIDGE, mit wel- cher ich, was die thatsächlichen Verhältnisse betrifft, in den meisten Punkten übereinstimme, genügte zu diesem speciellen Zwecke nicht. Auf gewisse Organisationsverhiltnisse, die auf den ersten Blick un- richtig erscheinen, und deren Bedeutung erst bei einer Vergleichung mit anderen Formen offenbar wird, hat er gar nicht geachtet. Sodann hat er sich bei der Beschreibung des Cranium streng an das vorge- setzte Thema gehalten, vielleicht aus Mangel an Material, und einzig und allein die Skelettheile des Kopfes beschrieben, und auf die um- gebenden Weichtheile, in denen ich gerade die gestaltenden Momente für die Konfiguration des Schädels erblicke, gar nicht geachtet. End- lich ist BRiDgGE, meiner Meinung nach, in der Deutung einzelner Schädelknochen von Amia nicht glücklich gewesen. Alles dieses zusammengenommen war für mich ein Grund eine vergleichende Beschreibung des Schädels von Amia zu geben. Bei die- ser Gelegenheit glaube ich auch einige Fragen von mehr allgemeiner Natur provisorisch erörtern zu können, die für meine nachfolgenden Arbeiten über das Cranium der Teleostier von fundamentaler Be- deutung sind. Es bleibt mir noch übrig, mich darüber zu rechtfertigen, dass ich sowohl in dieser Arbeit über Amia, als auch in den nachfolgen- den Arbeiten, mich auf das Cranium im engeren Sinne beschränkt habe und die mit ihm verbundenen Theile des Visceralskeletes nur kursorisch und nur so weit sie für die ganze Gestaltung des Schä- dels maßgebend waren, berücksichtigt habe. In der That erscheint eine solche Trennung, wenn man die Schädelformen der höheren Wirbelthiere im Auge hat, kaum gerechtfertigt. Ganz anders ist es in der Klasse der Fische. Das Visceralskelet derselben hat dem Cranium gegenüber eine gewisse Selbständigkeit bewahrt und hat Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 179 auch in Folge dessen auf die Konfiguration desselben einen viel gerin- geren Einfluss gehabt, als andere Organsysteme, als das Nervensystem, die Muskulatur und namentlich die Sinnesorgane. Noch muss ich mich gegen einen Vorwurf verwahren, der mir gemacht werden könnte; näm- lich, dass ich die Litteratur, besonders die ältere, zu wenig berück- sichtigt hätte. Es schien mir ganz überflüssig bei der Anführung von altbekannten — und wie ich annehme auch allbekannten — That- sachen stets Autoritäten für dieselben zu citiren. Ein solches Ver- fahren hätte den Gang der Darstellung weitläufig und schleppend gemacht, ohne irgend einen Nutzen zu bringen. Bei neueren und weniger bekannten Arbeiten und bei der Erörterung ganz specieller Fragen ist die betreffende Litteratur stets gewissenhaft eitirt worden. Durch die außerordentliche Liberalität des Herın Geheimraths GEGENBAUR, dem ich hiermit meinen innigsten Dank sage, habe ich fünf Exemplare von Amia untersuchen können. von denen das kleinste 36 em, das größte 57 em lang war. Schon bei der Betrachtung eines unpräparirten Kopfes von Amia calva kann man die oberflächlich liegenden Knochen der Schädel- decke, die nur von einer ganz dünnen Cutis bedeckt sind !, unter- scheiden. Die Oberfläche dieser Knochen ist von scharf ausgeprägten Riffen, die vom Mittelpunkt derselben ausstrahlen und sich nach der Peripherie hin dendritisch verzweigen, bedeckt und erhält dadurch eine sehr charakteristische Skulptur. Nachdem der dünne Cutis-Über- zug sorgfältig entfernt worden ist, erkennt man die Grenzen der einzelnen Knochen mit der nöthigen Schärfe. Es fallen zunächst drei hinter einander liegende Paare von Knochentafeln in die Augen, von denen die vordersten die größte, die hintersten die geringste Längsausdehnung haben. Das vorderste dieser Plattenpaare besteht aus zwei annähernd viereckigen Knochen, die in der Mittellinie durch eine starke Zacken- naht mit einander verbunden sind (Fig. 1 7r). Die lateralen Rän- der dieser Knochen überdachen die Augenhöhlen und liegen vorn wit ihren vorderen lateralen Ecken den Antorbitalfortsätzen auf. ! Wenn BrivGe (l. e. pag. 606) die Oberfläche dieser Knochen als »highly polished« bezeichnet und weiter sagt »they are destitute of any covering of soft skin«, so ist das ungenau. An mikroskopischen Schnitten überzeugt man sich leicht, dass alle Knochen der Schädeldecke bei Amia nicht nur von einer Epidermis bedeckt werden, die ja auch bei Lepidosteus und Polypterus vor- handen ist, sondern auch einen allerdings sehr dünnen Überzug von Cutis be- sitzen. 180 M. Sagemehl Durch dieses Verhalten charakterisiren sie sich als die Fron- taliat. Hinter diesen beiden Knochen folgen zwei annähernd quadrati- sche Knochenplatten, die eben so wie die vorhergehenden in der Mittellinie durch eine Zackennaht verbunden sind. Es sind dies ganz unzweifelhaft die Ossa parietalia, die bei Amia ähnlich wie bei einigen Knochenfischen in der Mittellinie mit einander verbunden sind? (Fig. 1 Pa). Zu beiden Seiten der Parietalia und des hinteren Abschnittes der Frontalia liegen zwei langgestreckte Knochen (Fig. 1 Sq), welche den Ossa squamosa der Teleostier in allen Beziehungen entsprechen °. Nach hinten an die Squamosa grenzend, medial an den hinte- ren Abschnitt der Frontalia, ist eine längliche Knochenplatte zu sehen. Sie gehört der oberen Fläche der Verknöcherung des Post- orbitalfortsatzes, dem Postfrontale, an (Fig. 1, 2 und 3 Psf). Eine ähnliche nur viel kleinere mit Skulpturen bedeckte Kno- chenplatte grenzt an die vordere laterale Ecke der Frontale und gehört der oberen Fläche der Praefrontale an (Fig. 1, 2 und 3Prf). Während die eben beschriebenen Knochen fest unter einander verbunden sind und auch dem Primordialeranium dicht aufliegen oder mit demselben gar verschmolzen sind, verbinden sich die bei- 1 Was die Bezeichnung der Knochen betrifft, so habe ich mich streng an die von GEGENBAUR benutzte gehalten. Es ist ganz selbstverständlich, dass diese althergebrachten Bezeichnungen durchaus keine Homologie mit den gleich- namigen Knochen der höheren Wirbelthiere ausdrücken sollen. Eine vollstäun- dige Homologie besteht, wie ich glaube, nur für sehr wenige Knochen der Fische und der höheren Vertebraten — streng bewiesen ist sie bisher für kei- nen einzigen. Das Rationellste wäre unter diesen Umständen für die Schädel- knochen der Fische neue, möglichst neutrale Bezeichnungen einzuführen; doch hielt ich mich für eine solche Neubenennung, die doch, so lange die Schädel- knochen der Fische nicht vollständig erschöpfend bekannt sind, nur provisorisch sein könnte, nicht für befugt, und habe mich daher mit den alten Bezeichnun- gen begnügt. 2 BRIDGE, an dessen Exemplar die mittlere Naht zwischen den Parietalia verstrichen war, bezeichnet in Folge dieses Umstandes die verschmolzenen Pa- rietalia als »Dermosupraoceipitale«, eine Bezeichnung, die in jedem Falle un- statthaft ist. An sieben von mir auf dieses Verhalten untersuchten Exemplaren von Amia habe ich stets übereinstimmend mit OWEN und FRANQUE die Mittel- naht gefunden und muss daher den Befund von BRIDGE für eine individuelle Abweichung halten, der weiter keine Bedeutung zukommt. 3 BRIDGE hält die Knochen, da sie zu beiden Seiten seines Dermosupra- occipitale liegen, für die Parietalia. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 181 den ziemlich schmalen hinter den Parietalien und den Squamosa gelegenen in der Mittellinie einander berührenden ! Knochenplatten (Fig. 1 Ex) nur durch straffe Bandmassen mit den vor ihnen gele- genen Knochen. Eben so wenig besitzen sie irgend welche Bezie- hungen zum Primordialeranium, sind vielmehr von den Exoccipitalia, die sie mit einem geringen Abschnitt überlagern, durch eine starke Bindegewebslage getrennt. Ihr größter Theil bedeckt einen Schul- tergürtelknochen, der mit einer medial gerichteten Zinke dem hin- teren Rande der Exoceipitalia aufliegt, und mit einer anderen, nach vorn gerichteten Zinke durch ein straffes Band an das Intercalare befestigt ist. Dieser Knochen (Fig. 1 Se) entsprieht vollkommen dem den meisten Teleostiern zukommenden Suprascapulare?. Bei Teleostiern findet man fast konstant zwischen den Zinken des Suprascapulare einen ganz oberflächlich liegenden Hautknochen, der zuerst von STANNIUS von den lateral von dem Squamosum ge- legenen Supratemporalknochen unterschieden und als Extrasca- pulare bezeichnet worden ist. Gewöhnlich ist dieser Knochen sehr wenig entwickelt, doch erreicht er in einigen wenigen Fällen z. B. bei Macrodon eine größere Ausdehnung; er gleicht dann in hohem Grade dem eben erwähnten Knochen von Amia und unterscheidet sich von demselben nur dadurch, dass er sich medial nicht bis zur Mittellinie erstreckt. Man greift somit wohl kaum fehl, wenn man den auf Fig. 1 mit Hse bezeichneten Knochen von Amia für homolog dem Extrascapulare der Knochenfische erachtet. Die nasale Region von Amia wird von fünf kleinen Hautkno- chen bedeckt, die nach hinten von den Frontalia durch einen schma- len transversalen Cutisstreifen getrennt werden. Der am meisten nach vorn gelegene Hautknochen (Fig. 1 Eth) hat die Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks mit nach hinten gerichteter Spitze und etwas ausgeschweifter Basis. Er liegt tiefer in der Cutis versteckt, als die übrigen Knochen der Schädeldecke, zeigt aber nichtsdestoweniger Spuren der Skulpturen, welche jene bedecken. Nach hinten von dieser unparen Knochenplatte liegt jederseits ein Paar kleinerer Knochen (Fig. 1 Na), von denen die beiden media- len etwas größer sind. Dieselben sind vorn durch den zwischen sie ! Wenn BrıDGE angiebt, dass die beiden Knochen in der Mittellinie nicht zusammenstoßen, so ist das falsch; seine eigene Zeichnung Pl. XXIII Fig. 1 beweist das Gegentheil. ? Suprascapulare CUVIER; Omolita GEOFFROY, STANNIUS. 182 M. Sagemehl eindringenden eben beschriebenen unpaaren Knochen getrennt; hin- ten stoßen sie in der Mediallinie zusammen. Lateral von diesen Hautknochen liegen zwei kleinere (Fig. 1 Ar), von denen nichts Be- sonderes zu bemerken ist. Die letzterwähnten vier Knochen, beson- ders aber die beiden medialen, bilden die Decke der Nasenhöhle. Zwischen den drei mit Zth, Na u. An bezeichneten Knochen bleibt dort, wo sie vorn zusammenstoßen, eine kleine Lücke offen, die in die Nasenhöhle führt und dem vorderen Nasenloch von Amia entspricht. Das hintere Nasenloch liegt weit vom vorderen entfernt an der hinteren lateralen Ecke des mit Na bezeichneten Knochens. Die Deutung der eben beschriebenen Knochenplatten ist nicht schwer. Die beiden hinteren medialen Hautknochen entsprechen in der Lage vor den Frontalia und medial und über der Nasengrube den Ossa nasalia der Knochenfische. Es ist noch eine andere Beziehung dieser Knochen, die diese Deutung stützt. Nämlich die Beziehung zu den Schleimkanälen des Kopfes!. Bei Teleostiern beginnt der vordere im Os frontale eingebettete Arm des Schleimkanals mit einer Öffnung, die medial von dem vorderen Nasenloche gelegen ist. Er verläuft im Os nasale nach hinten und dann weiter durch das Frontale, in welchem er mehrere Seitenäste abgiebt. Genau die- selben Beziehungen wie zum Nasale der Teleostier hat dieser Theil des Schleimkanals zu den fraglichen Knochen von Amia, wie Fig. 1 lehrt. Auch für die Bestimmung der beiden lateralen Knochen können die Schleimkanäle benutzt werden. Der Hauptarm des in demsel- ben eingebetteten Schleimkanals setzt sich in den Kanal des Sub- orbitalbogens fort und nur ein schwacher Nebenarm anastomosirt mit dem Schleimkanal des Frontale. Durch dieses Verhalten charakte- risirt sich der erwähnte Knochen als das erste etwas aus der Reihe gerückte Stück des Suborbitalbogens, das Antorbitale. Das mittlere unpaare Stück lässt sich ebenfalls nicht schwer deuten. Es ist als ein rudimentär gewordenes Ethmoid aufzufas- sen, das in Folge der starken Entwicklung der Nasalia die gewöhn- liche Verbindung mit den Frontalia aufgegeben hat. So ist es auch von BRIDGE aufgefasst worden und in der That kann man es kaum 1 Wie ich schon hier erwähnen will, ist auf die Beziehung der Schleim- kanäle zu den Knochen des Cranium bisher fast gar nicht geachtet worden, und doch verdienen sie ein genaueres Studium, da diese Beziehungen sehr kon- stante sind und in fraglichen Fällen zur Bestimmung zweifelhafter Homologien benutzt werden können. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 183 anders deuten, wenn man nicht die ganz unwahrscheinliche Annahme machen will, dass bei Amia das sonst sehr konstante Ethmoid voll- ständig fehlt, und dass diesem Fisch ein eigener, sämmtlichen übrigen Fischen abgehender Praenasalknochen zukommt. Völlig sicher gestellt wird unsere Deutung durch den Befund bei Polypterus, der einen voll- kommen ähnlichen Knochen besitzt, der sich aber mit zwei schmalen Fortsätzen der Frontalia, welche zwischen die Nasalia eindringen, verbindet !. Alle eben beschriebenen Knochen der Schädeldecke sind mit einziger Ausnahme des Praefrontale von einem System von Schleim- kanälen durchzogen, welches einer näheren Betrachtung werth ist (vgl. Fig. 1). Wie oben erwähnt, beginnt ein starker Schleimkanal medial vom vorderen Nasenloch und verläuft zuerst im Nasale, dann durch die ganze Länge des Frontale und schließt im vordersten Theil des Parietale, an dessen Oberfläche er ausmiindet. Vorn ist der rechte und linke Kanal durch eine transversale Anastomose, welche das Ethmoid durchsetzt, mit einander verbun- den. Während seines Verlaufes durch den hinteren Abschnitt der Frontale giebt der eben beschriebene Schleimkanal einen lateral ge- richteten Ast ab, welcher das Postfrontale durchsetzt und in die Knochen des Orbitalbogens eingelagert das Auge umkreist, zum Prae- orbitale gelangt und lateral vom vorderen Nasenloche ausmündet. Von dem zum Orbitalbogen ziehenden Schleimkanal nimmt ein anderer seinen Ursprung, der im Frontale beginnend, durch die ganze Länge des Squamosum verläuft und dann in das Extrascapu- lare und das Suprascapulare tritt. Nachdem er noch das Supra- clayiculare durchsetzt hat, zieht er als Kanal der Seitenlinie bis zur Schwanzspitze. Die beiderseitigen eben beschriebenen Kanäle wer- den durch eine in der Substanz der Extrascapularia eingebettete Queranastomose mit einander verbunden. Während des Verlaufes durch das Squamosum entspringt von diesem Kanal ein lateral ge- richteter Ast, der in das Praeopereulum tritt, dasselbe der ganzen Länge nach durchsetzt und dann in dem Unterkiefer weiter nach vorn verläuft um an der Symphyse desselben sich mit seinem Ge- genstücke zu verbinden. Alle diese Schleimkanäle geben sehr zahl- reiche in mehreren Längsreihen angeordnete Seitenkanälchen ab, die an der Oberfläche des Kopfes mit feinen Öffnungen ausmünden. 1 Cf. die Abbildung bei MÜLLER, Bau und Grenzen der Ganoiden. Taf. I Fig. 1. 154 M. Sagemehl Durch ihre ganz oberflächliche Lage, durch die eigenthümliche. Skulptur der Oberfläche und durch den Besitz von Schleimkanälen charakterisiren sich die eben beschriebenen Knochen als unzweifel- hafte Ossifikationen der Cutis, als Hautknochen. Bei einem Ver- such diese Hautknochen zu entfernen überzeugt man sich, dass ihre Beziehungen zu dem Primordialeranium sehr verschieden sind. Das Ethmoid, die Nasalia, die Praeorbitalia! treten mit demselben gar nicht in Kontakt, sind vielmehr in ihrer ganzen Aus- dehnung durch Weichtheile von ihm getrennt. Bei der Untersuchung von mikroskopischen Querschnitten durch einen dieser Knochen (als Beispiel sei das Extrascapulare gewählt) kann man eine oberfläch- liche Schicht von einer tiefen unterscheiden. Letztere besteht aus Knochenlamellen, die parallel der Knochenfläche geschichtet sind und die von anderen koncentrisch um die Haversischen Kanäle angeord- neten durchbrochen werden. Diese tiefere Knochenschicht führt eine gute Anzahl von weiten Haversischen Kanälen und enthält ziemlich zahlreiche Knochenkörperchen. Die oberflächliche Schicht der Haut- knochen zeichnet sich der vorigen gegenüber durch ein viel dichteres Gefüge, durch geringe Anzahl von Haversischen Kanälen, durch fast völligen Mangel von Knochenkörperchen, und, was das Wichtigste ist, durch das Vorhandensein von zahlreichen sehr feinen von der Kno- chenoberfläche aus eindringenden Dentinréhrchen. Doch darf man sich, wie ich ausdrücklich hervorheben will, die Grenze zwischen diesen beiden Schichten als keine scharfe vorstellen. Innigere Beziehungen zum Primordialschädel kommen den Frontalia, den Parietalia und den Squamosa zu. Diese liegen zum Theil der knorpeligen Schädeldecke fest auf und sind von derselben nur durch eine dünne Lage von Bindegewebe ge- trennt. Ihre histologische Beschaffenheit erinnert sehr an die Kno- chen der ersten Gruppe. Auch an ihnen lassen sich die zwei dort unterschiedenen Schichten erkennen, nur ist die untere viel mächti- ger entwickelt und in viel reichlicherem Maße mit Haversischen Kanälen versorgt, so dass sie eine fast spongiöse Beschaffenheit hat. Von dem unterliegenden Knorpel sind sie, wie erwähnt, durch eine dünne, zahlreiche Gefäße und Pigmentzellen führende Bindegewebs- schicht getrennt. Endlich stellen die Postfrontalia und die Praefrontalia wirk- liche »primäre« Ossifikationen des Primordialeranium vor, die sich ohne 1 Ähnlich verhalten sich auch die Extrascapularia, die Suprascapularia und die Supraclavicularia. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. 185 Verletzung desselben nicht entfernen lassen und die nur durch ihre oberflächliche Lage, durch ihre Skulptur, die ersteren auch durch den Besitz von Schleimkanälen, an die ursprüngliche Genese als Hautknochen gemahnen. Der Befund, den diese beiden Knochen bei Amia bieten, ist so ungewöhnlich und entspricht so wenig der land- läufigen Vorstellung von dem specifischen Unterschied zwischen Haut- knochen und gewöhnlichen Ossifikationen des Primordialskelets, dass es ganz leicht verständlich ist, wie BripGe dazu geführt wurde, jeden dieser Knochen in zwei Komponenten zu zerlegen und wirk- liche, den gleichnamigen Knochen der Teleostier entsprechende Prae- und Postfrontalia und dieselben bedeckende »Dermoprae- und post- frontalia« zu unterscheiden. Eine unbefangene Prüfung lehrt sofort, dass die Darstellung von BRIDGE dem wirklichen Sachverhalte nicht entspricht. Die an der Schädeloberfläche sichtbaren Platten dieser Knochen bestehen allerdings, eben so wie die äußere Schicht aller anderen Hautknochen, aus einer kompakten sehr harten Knochen- substanz, während die tiefer gelegenen Theile mehr spongiös sind, doch ist der Übergang ein ganz allmählicher, und es lässt sich die obere Platte nicht entfernen ohne den Knochen zu zerbrechen. Es liegt hier der seltene, bis jetzt fast stets ange- zweifelte Fall vor, dass Knochen, die an ihrer Ober- fläche sämmtliche Kennzeichen von Hautossifikationen tragen, mit ihren tiefer gelegenen Theilen Beziehungen zum Primordialskelet gewonnen haben und somit zu gleicher Zeit »Hautknochen« und »primäre Knochen« sind. Eine andere Gruppe von Knochen ist, zum Theil ebenfalls ohne Präparation, von der Mundhöhle aus sichtbar. An der Decke der- selben liegt in der Medianlinie ein langgestreekter Knochenstreif, der dem Parasphenoid angehört und der über und über mit sehr kleinen konischen fest angewachsenen Zähnchen bedeckt ist!. Zwi- schen diesen Zähnchen ist der Knochen von einer sehr dünnen nur bei aufmerksamer Betrachtung sichtbaren Schleimhaut bedeckt. Nach vorn von diesem medianen Knochenstreifen sitzt jederseits ein Haufen (eirca 17—22) von starken konischen Zähnen, der dem ! Wenn BripGe von Rauhigkeiten (asperities) des Parasphenoid spricht, so ist das zu wenig. Die Rauhigkeiten sind eben typisch gebaute Dentinzähne, wie schon FRANQUE gewusst hat. Morpholog. Jahrbuch. 9. 13 186 M. Sagemehl Vomer angehört. Da die Zwischenräume zwischen diesen Zähnen von einer dicken Schleimhaut ausgefüllt werden, so ist von dem Knochen selbst bei der äußeren Betrachtung nichts zu sehen. Ähn- liche mit feinen Zähnchen besetzte Knochentafeln, wie die eben beschriebene des Parasphenoid, gehören dem Palatinum, den drei Pterygoidea und dem Spleniale des Unterkiefers an. Nach den schönen Untersuchungen von LEYDIG! und O. Hertwie? bedarf es wohl kaum noch einer besonderen Motivirung, wenn ich das Para- sphenoid und den Vomer als Ossifikationen der Mundschleimhaut den Cutisverknécherungen und den genuinen Ossifikationen des Schädels gegenüberstelle. Von ganz besonderer Bedeutung erscheint mir in dieser Hinsicht der Befund bei Polypterus, bei welchem, nach Lreypie’s Entdeckung. alle diese Knochen der Mundhöhle: einzig und allein von dem Epithel derselben bedeckt werden. In dieser Beziehung bildet Amia, bei welcher diese Ossifikationen unter dem Epithel noch von einer dün- nen Lage von Bindegewebe überzogen werden, einen vortrefflichen Übergang zu den meisten Knochenfischen, deren Parasphenoid und Vomer unter der dieken Mundschleimhaut verborgen sind. Nach der Präparation des Cranium bekommt man das Parasphe- noid und den paarigen Vomer vollkommen zu Gesicht. Das Parasphenoid (Fig. 2 Ps) ist ein flacher Knochen, der die Gestalt eines Kreuzes hat. Sein Stock erstreckt sich von dem hintersten Ende des Schädels bis zu den Antorbitalfortsätzen und giebt ziemlich genau in der Mitte zwei Arme ab, die sich lateral und nach oben längs der Postorbitalfortsätze erstrecken und die hintere Begrenzung der Orbita bilden. An seinem hintersten Ende ist das Parasphenoid tief ausgeschnitten und lässt daher bei der Betrachtung von unten ein kleines dreieckiges, dem Basioceipi- tale gehöriges Stück der Schädelbasis sichtbar werden. In der Mitte zwischen den beiden Armen ist der zähnetragende Theil dieses Kno- chens gelegen, der sich bei verschiedenen Individuen sehr verschie- den weit nach hinten und nach vorn erstreckt. Vor dem Parasphenoid liegen die beiden in der Mittellinie zu- sammenstoßenden Vomerknochen (Fig. 2 V). Es sind flache, längliche Knochenplatten, deren vorderes Drittel die starken Zähne ! Leypic, Beitrag z. mikroskop. Anatomie v. Polypterus. Zeitschr. für wiss. Zool. Bd. V. 2 0. Herrwıg, Das Zahnsystem der Amphibien, Archiv f. mikroskop. Anatomie. Bd. XI. Suppl. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 187 trägt. Ihr hinterer Abschnitt bedeckt das vorderste Stück des Para- sphenoid von unten. Wenn die Anschauung richtig ist, nach welcher das Parasphe- noid ursprünglich in seiner ganzen Ausdehnung noch Zähne getra- gen hat, und es sind zu Gunsten derselben so viele Thatsachen beigebracht, dass an ihrer Richtigkeit kaum gezweifelt werden kann, so muss die theilweise Bedeckung dieses Knochens durch den Vomer etwas Sekundäres sein. In der That kann, wenn man den Befund bei Amia, die einen paarigen Vomer besitzt, mit dem bei Knochenfischen, deren Vomer bekanntlich ausnahmslos unpaar ist, vergleicht, kaum ein Zweifel bestehen, dass Amia das primitive Ver- halten repräsentirt. Ganz abgesehen von den Argumenten, die aus der ganzen Stellung von Amia gegenüber den Knochenfischen, und aus dem Umstande, dass die Spaltung eines Knochens in mehrere Stücke ein mythischer Vorgang ist, vorgebracht werden können, ist von WALTHER! der positive Nachweis geliefert worden, dass das Pflugscharbein des Hechtes paarig angelegt wird. Doch ist die Lage der Vomerknochen bei Amia auch schon nicht mehr die ursprüngliche und müssen wir, um alle Schwierigkeiten zu beseitigen, annehmen. dass bei noch primitiveren Formen diese beiden Knochen weit von der Mittellinie entfernt zu beiden Seiten des vorderen Endes des Pa- rasphenoid gelegen haben, wie bei vielen jetzt lebenden Amphibien. Diese unabweisbare Folgerung zusammengehalten mit dem Umstande, dass die Vomerzähne der Fische mit den Palatinzähnen in einer Reihe liegen, und mit ihnen einen Bogen bilden. lässt sogar die Ver- muthung aufkommen, dass die Vomerknochen der Fische ursprünglich die vordersten Belegknochen des Palatinbogens vorstellten, so wie es von Hertwiae für die Amphibien nachgewiesen wurde. Zu den »Deekknochen« des Schädels gehört bei Amia noch ein Knochen, der sonst gewöhnlich keine näheren Beziehungen zum Primordialeranium zu gewinnen pflegt. Es ist dieses der Zwi- schenkiefer (Fig. 1 u. 5 /m). Von dem hinteren Rande des bo- genförmigen, verdiekten Alveolartheils dieses Knochens erstreckt sich nämlich dem knorpeligen Boden der Nasenhöhlen aufliegend eine dünne Knochenplatte weit nach hinten bis in die Gegend der Ant- orbitalfortsätze. Im hinteren Theil der Nasengrube ist diese Kno- chenplatte mit einer großen für den Durchschnitt des Olfactorius bestimmten Öffnung versehen (Fig. 5 ol). 1 J. WALTHER, Die Entwicklung der Deckknochen am Kopfskelet des Hech- tes. Jenaische Zeitschrift f. Naturwiss. Bd. XVI. 1882. 13* 185 M. Sagemehl Die knorpelige Decke des Primordialeranium von Amia ist in vollem Umfange erhalten und lässt keine Spur von Fenstern oder Lücken erkennen. Sie hat die Gestalt eines langgestreckten, vorn abgestutzten Dreiecks, ist im Allgemeinen plan, nur an den hinteren lateralen Ecken mit grubigen Eindrücken ausgestattet und lässt eine Anzahl vorspringender, meist mit Ossifikationen versehener Fortsätze unterscheiden. Die beiden vordersten Fortsätze sind die Antorbitalfortsätze Fig. 5) mit ihren schon besprochenen Ossifikationen, den Praefron- talia. Etwa in der Mitte der Schädeldecke springt lateral jeder- seits der Postorbitalfortsatz vor, mit seiner ebenfalls schon beschrie- benen durch das Postfrontale gebildeten Ossifikation (Fig. 5). Die hintere laterale stark vorspringende Ecke des Primordialschä- dels wird von dem Intercalare (Opisthoticum) eingenommen (Fig. 5 Ze). Medial von dieser durch das Intercalare gebildeten Ecke erhebt sich jederseits ein etwas weniger nach hinten vorragender Vorsprung, welcher dem Exoceipitale angehört (Fig. 5 Ex). Zwischen den durch die Intercalaria und die Exoceipitalia gebildeten Vorsprüngen liegen starke Einsenkungen der Schädeldecke, die sich weit nach vorn bis in die Gegend der Postfrontalia erstrecken (Fig. 5). Da die an der entsprechenden Stelle liegenden Hautknochen, das Squamosum und der laterale Rand des Parietale sich brücken- artig über diese Einsenkung hinüber spannen, so entsteht zwischen dem Primordialeranium und den Deckknochen desselben eine nach hinten offene Höhlung (Fig. 4 7%), in welche eine Portion des am Hin- terhaupte sich ansetzenden dorsalen Seitenrumpfmuskels sieh hinein- erstreckt. Diese Höhlung, die bei der Gestaltung des Schädels der Teleostier eine große Rolle spielt, will ich als Temporalhöhle bezeichnen !. 1 Es ist hier der passende Ort um das Verhalten des Os squamosum zum Primordialeranium etwas näher ins Auge zu fassen. Dieser Knochen liegt nur mit seinem lateralen Rande der nach oben und lateral gerichteten Kante des Primordialschädels, welehe die laterale Begrenzung der Temporalhöhle bildet, auf; im Übrigen ist er durch den sich in die Temporalhöhle erstreckenden Theil des Seitenrumpfmuskels von der knorpeligen Schädeldecke getrennt. Obgleich nun, wie schon früher erwähnt, das Squamosum von Amia ein Hautknochen ist, der dem Primordialeranium nur aufgelagert erscheint, so ist doch seine Ent- fernung ohne Verletzung des letzteren nicht möglich. Es beruht dieses auf fol- gendem Umstande. Von dem lateralen Rande des Knochens entspringen zwei nach unten und etwas medial gerichtete Knochenleisten, welche den zugeschärf- ten Knorpelrand des Schädels zwingenartig zwischen sich nehmen. Die laterale Knochenleiste liegt der lateralen Fläche des Schädels an und erstreckt sich von Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 189 Hinten in der Mittellinie ragt ein kurzer knorpeliger Fortsatz vor (Fig. 5 Co), welcher genau die Stelle einnimmt, an der bei Te- leostiern das Occipitale superius gelegen ist. Letztgenannter Kno- chen fehlt bei Amia, eben so wie bei den Sauroiden und bei Dipnoern. Von der hinteren Begrenzung senkt sich das Schädeldach nach unten und hinten und läuft schließlich in eine tubusartige Verlängerung des Schädels aus, die das verlängerte Mark und den vordersten Ab- schnitt des Rückenmarks beherbergt. Die Oceipitalregion ' von Amia ist, wie ein Vergleich mit Kno- chenfischen lehrt, ganz auffallend in die Länge gestreckt und zwar betrifft diese Verlängerung, deren Ursache und Bedeutung erst später erörtert werden soll, hauptsächlich den hinter der Austrittsstelle des Vagus gelegenen Abschnitt. Der Boden der Occipitalregion wird von dem Occipitale ba- silare eingenommen (Fig. 6 u. 7 Ob)... Dieser Knochen hat die Gestalt einer Muschelschale, etwa von Cardium oder Pecten. Nach hinten ist er nach Art eines Wirbelkörpers gebaut und besitzt eine ziemlich flache konische Aushöhlung, in welche das vordere Ende der Chorda hineintritt. Der Rand dieser Aushöhlung ist durch starke Bandmassen mit dem ersten Wirbelkörper, dessen vordere Fläche leicht konvex erscheint, verbunden. An die Seitenränder des Oceipitale. basilare schließen sich die Occipitalia lateralia an (Fig. 3 und 4 OJ). Diese beiden Kno- chen bilden den größten Theil der hinteren Fläche des Primordial- eranium und betheiligen sich nur mit einem kleinen Abschnitt an den Seitenflächen desselben. In der Mittellinie über der Medulla oblongata vereinigen sie sich bei großen Exemplaren von Amia calva vermittels dem Rande des Squamosum nach unten bis zum Hyomandibulargelenk. Die me- diale Knochenleiste liegt in der Temporalhöhle. Dieses Verhalten ist in so fern von Bedeutung, als es gerade der laterale Rand des Squamosum ist, von dem aus bei Teleostiern die Verdrängung des Knorpels und die feste Verbin- dung dieses Knochens mit dem Primordialeranium ausgeht. ! Es scheint mir praktischer als vorderste Grenze der Occipitalregion bei Knochenganoiden und Teleostiern das Glossopharyngeusloch und den hinteren Rand des Os petrosum anzunehmen, und nicht, wie es GEGENBAUR für Selachier gethan hat, das Vagusloch. Diese beiden Nerven haben nämlich bei den uns beschäftigenden Fischen die innigsten Beziehungen zu einander und können in seltenen Fällen sogar eine gemeinsame Austrittsöffnung besitzen, so dass die Zuzählung derselben zu verschiedenen Regionen sehr gezwungen sein würde. Überdies fallen bei der von mir vorgeschlagenen Abgrenzung die Grenzen der Regionen fast ausnahmslos mit Knochennähten zusammen und hat man daher nieht nöthig, einen Knochen zu verschiedenen Regionen zu zählen. 190 M. Sagemehl einer Naht mit einander; bei jiingeren Exemplaren sind sie in ihrer ganzen Ausdehnung durch einen Knorpelstreif getrennt. An der Ar- tikulation mit dem oberen Bogen des ersten Wirbels haben sie keinen Theil, sondern sind von demselben durch zwei dem hinteren nach Art eines Wirbelkörpers gebildeten Abschnitt des Occip. basilare auf- sitzende knöcherne Bogen getrennt, welche in jeder Beziehung den oberen Bogen der Wirbel entsprechen und die Occipitalbogen ge- nannt werden sollen (Fig. 3 Odg Zu. 2). Der vordere Occipitalbogen wird von zwei dreieckigen über dem Rückenmark zusammenstoßenden Knochenplättehen gebildet, welchen oben ein unpaarer nach oben und hinten gerichteter länglicher Kno- chen durch Bandmasse angeheftet ist!. Der hintere Bogen ist ganz ähnlich gebildet, nur sind seine beiden Hälften von länglich viereckiger Gestalt und besitzen an ihrer hinteren Fläche eine kleine Gelenkfacette zur Artikulation mit dem Bogen des ersten Wirbels. Diesem Bogen sitzt ebenfalls ein nach oben und hinten gerichteter spitzer Knochen auf?. Die spitzen den Occipitalbogen aufsitzenden Knochen sind als Processus spinosi zu betrachten. Dabei will ich jedoch bemerken, dass man sie, da sie in einer Reihe mit den obersten Flossen- trägern, die allerdings keine Flosse mehr stützen, liegen, eben so gut letzteren zurechnen könnte. Die Grenzen zwischen den Dornfort- sätzen und den Flossenträgern sind eben bei Amia keine scharfen; und es liefert das Verhalten derselben bei dieser Form wieder den Beweis, dass diese Bildungen ursprünglich in genetischem Zusam- menhang mit einander gestanden haben. Eine gute Abbildung dieser Verhältnisse hat Franque in Fig. 2 seiner bekannten Abhandlung geliefert. Die Occipitalbogen von Amia bilden kein vereinzel- tes Vorkommen, sondern sind bei den höheren, mit einem ossifieirten Schädel versehenen Fischen, ent- weder als freieBogen oderin verschiedener Weise redu- ! So finde ich das Verhalten bei älteren Exemplaren. Bei einem jüngeren Thiere, von dem die Abbildung stammt, besteht jede Hälfte des ersten Ocei- pitalbogens aus drei diskreten Knochenstücken, einem unteren dreieckigen Stücke und aus zwei demselben aufsitzenden hinter einander gelagerten oberen Stücken. Eine Erklärung für dieses Verhalten zu finden, ist vor der Hand nicht möglich. 2 An älteren Exemplaren von Amia verschmelzen die beiden spitzen Kno- chen zu einer Knochenplatte. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 191 eirt und dem hinteren Ende des Schädels angeschlos- sen, allgemein vorhanden. Bei Polypterus ist ein freier Occipitalbogen von TRAQUAIR be- schrieben worden. Auch FRANQUE hat, wie es aus seiner kurzen und nicht ganz klaren Beschreibung hervorzugehen scheint, die Occipitalbogen von Amia gesehen, doch ist ihm die Bedeutung derselben vollkommen entgangen. BripGe erwähnt sie ebenfalls. Von anderen Autoren sind diese Gebilde hin und wieder bemerkt worden, ohne dass man bis jetzt auf ihr ganz typisches Vorkommen bei Knochenfischen Ge- wicht gelegt hätte. Eben so wenig fehlt ein Occipitalbogen dem Lepidosteus, wie ich mich habe überzeugen können. Bei dem letztgenannten Sauroiden finde ich seine beiden Hälften synostotisch sowohl unter einander, als auch mit dem Occipitale basilare verbunden, so dass der letztere Knochen für sich allein die Begrenzung des Hinterhauptloches zu bilden scheint. Unter den Knochenfischen trifft man diskrete Ocei- pitalbogen in schönster Ausbildung beim Hecht, bei den Salmoniden und Clupeiden an, doch lässt sich, wie schon jetzt hervorgehoben werden soll, der Nachweis liefern, dass ursprünglich alle Teleostier Occipitalbogen besessen haben. Über dem Occipitale laterale und mit demselben an einer klei- nen Stelle verbunden sitzt das konisch gestaltete Exoccipitale ‘Fig. 4 u. 5 Ex). Es bildet die mediale Begrenzung des Eingangs zur Temporalgrube und wird an seiner oberen Fläche zum Theil von dem hinteren Rande des Parietale überlagert. Die hintere laterale Ecke des Primordialeranium wird von einem mächtig entwickelten Knochen eingenommen, den ich übereinstim- mend mit BRIDGE nur für das Interealare (Opisthoticum) halten kann (Fig. 2,3 u.5/e). Es ist ein ebenfalls konisch gestalteter Kno- chen, der oben von der hinteren lateralen Ecke des Squamosum über- lagert wird, und der die laterale Begrenzung des Eingangs zur Tem- poralgrube bilden hilft. Mit dem Occipitale externum verbindet er sich nicht, sondern bleibt von demselben durch einen schmalen Knorpel- streifen, der am Boden der Temporalhöhle gelegen ist, getrennt. Nach hinten und unten grenzt er an das Occipitale laterale und bei einzelnen Individuen von Amia auch an das Occipitale basilare. Nach unten und vorn verbindet sich das Interealare vermittels eines ganz schmalen Fortsatzes mit einem ihm entgegenkommenden Fortsatz des Petro- sum. Der am meisten nach hinten vorragenden Spitze dieses Knochens 192 M. Sagemehl heftet sich, wie schon erwiilnt, der untere Arm des Supraclaviculare durch ein starkes Band an. Nach unten grenzt das Intercalare an eine knorpelige, etwas nach außen vorgewölbte Stelle des Primordial- eranium. Den meisten Knochenfischen fehlt bekanntlich das Intercalare und bei der Minorität, welcher es noch zukommt, ist es mit einziger Ausnahme der Familie der Gadiden! schwach entwickelt. Doch lässt gerade ein Vergleich des Verhaltens bei Amia mit dem bei Gadiden gar keinen Zweifel darüber, dass der eben beschriebene Knochen wirklich das Intercalare ist, da der gleichnamige Knochen bei Gadiden genau dieselben topographischen Beziehungen zu den benachbarten Ossifi- kationen des Schädels, zum Suprascapulare und zu den Austritts- öffnungen des Vagus und des Glossopharyngeus besitzt. Der am meisten nach vorn gelegene Nerv der Occipitalregion ist der Glossopharyngeus. Seine Austrittsöffnung liegt an der Stelle, wo das Intercalare, das Petrosum und der basal zwischen Occipitale basilare und Petrosum gelegene knorpelige Theil des Primordialeranium zusammenstoßen (Fig. 2 u. 3 gph). Gleich nach seinem Austritt theilt sich der Glossopharyngeus in die bekannten typischen zwei Äste, deren weiterer Verlauf für das vorliegende Thema kein Interesse besitzt. | Das Austrittsloch für den Vagus liegt weit entfernt von der Glossopharyngeusöffnung in der Naht zwischen dem Interealare und dem Occipitale laterale, so dass der Rand der Austrittsöffnung von diesen beiden Knochen gebildet wird (Fig. 3 vg). Der Nerv selbst zeigt nach seinem Austritt im Wesentlichen dasselbe Verhalten, wie bei Teleostiern. Noch innerhalb der Schädelhöhle giebt der Vagus einen sehr dünnen Zweig ab, welcher nach oben aufsteigt, die knor- pelige Schideldecke unter dem Parietale durchbohrt und in den letztgenannten Knochen tritt, wahrscheinlich um dessen Schleimkanal zu versorgen. Diesen kleinen Zweig würde ich gar nicht erwähnt haben, wenn nicht bei vielen Teleostiern an derselben Stelle der sog. Ramus lateralis nervi trigemini, der bekanntlich Fasern vom Trigeminus und vom Vagus erhält, das Cranium verließe. Dass auch bei Amia dieser Nerv vermittels einer Anastomose Fasern von weiter nach vorn gelegenen Hirnnerven erhält, habe ich einmal kon- 1 Man vergleiche die sorgfältige Beschreibung der Intercalare der Gadiden bei VROLIK, »Studien über die Verknöcherung und die Knochen des Schädels der Teleostei«. Niederländ. Archiv f. Zoologie. Bd. I. 1873. Beitrige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 193 statiren können; doch war es mir in Folge des ungenügenden Er- haltungszustandes des untersuchten Exemplars nicht möglich zu eruiren, von welchem Nerv diese Anastomose abgegeben wird. Während die Occipitalregion bei Selachiern! ihren Abschluss nach hinten mit dem Vagus erreicht, finden sich bei den mit ossifi- eirten Schädeln versehenen Fischen ganz konstant, zwischen dem Vagus und dem ersten Spinalnerv mehrere nach dem Typus der Spinal- nerven gebaute dem Hinterhaupte angehörige Nerven. Amia, welche die größte bisher beobachtete Zahl von Ocei- pitalnerven besitzt, lässt drei solehe Nerven unterscheiden. Der vorderste dieser Nerven verlässt die Schädelhöhle durch eine feine in dem Occipitale laterale, nahe dessen hinterem Rande gelegene Öffnung (Fig. 3 oc 1). Er ist viel dünner als die beiden nachfol- genden Nerven und unterscheidet sich von denselben auch durch den Umstand, dass er nur mit einer ventralen Wurzel vom Rückenmark entspringt. Der nächstfolgende Nerv tritt mit einer dorsalen und einer ventralen Wurzel zwischen dem hinteren Rande des Occipitale laterale und dem vorderen Occipitalbogen aus (Fig. 3 oc 2). Gleich nach ihrem Austritt vereinigen sich beide Wurzeln zu dem gemein- samen Stamme und zeigen somit in dieser Hinsicht vollkommen das Verhalten der Spinalnerven. Ganz ähnlich verhält sich auch der dritte Oceipitalnerv, der zwischen dem vorderen und dem hin- teren Occipitalbogen austritt (Fig. 3 oc 3). Der erste Spinalnerv von Amia verlässt den Rückenmarkskanal zwischen dem hinteren Occi- pitalbogen und dem oberen Bogen des ersten Wirbels und bietet nichts besonders Bemerkenswerthes. Die drei Oceipitalnerven legen sich an einander und laufen vor dem Sehultergürtelbogen nach unten, um schließlich mit einander zu verschmelzen und zusammen mit dem Stamm des ersten Spinalnerven wahrscheinlich, eben so wie die entsprechenden Nerven der Teleo- stier, die zwischen dem Schultergiirtel und dem Unterkiefer liegenden Muskeln zu versorgen. Mit Sicherheit konnte ich das nicht fest- stellen, da das von mir zur Untersuchung der Nerven benutzte Exem- plar schon früher zu einer Präparation des Herzens und der großen Gefäße gedient hatte. Der Vollständigkeit halber sei hier noch ein Kanal erwähnt, dessen Funktion mir vollständig dunkel geblieben ist. Derselbe ! Selbstverständlich kommen nur solche Selachier hier in Betracht, deren Cranium überhaupt von der Wirbelsäule scharf abgesetzt ist. 194 M. Sagemehl beginnt an der Seitenfläche des wirbelartig gebildeten hinteren Ab- schnitts des Oceipitale basilare, verläuft medial, biegt dann im rech- ten Winkel um und mündet an der unteren Fläche des Knochens zwischen den beiden hinteren Flügeln des Parasphenoid. Die beiden Ausmündungsöffnungen liegen ganz dicht bei einander, doch besitzen die beiderseitigen Kanäle keine Kommunikation mit einander, eben so fehlt jede Kommunikation mit dem Cavum cranii. Als Inhalt des- selben fand ich faseriges Bindegewebe und dünnwandige starke Gefäße (Venen?) (Fig. 3, 6 u. 7 eb). Der Umstand, dass dem Oceipitale basilare diskrete obere Bogen aufsitzen, zwischen welchen nach dem Typus der Spinalnerven gebaute Nerven austreten, ist für die Beurtheilung der Schädel der höheren Fische von fundamentaler Bedeutung und lässt keine andere Deutung zu, als dass mit dem ursprünglichen Primor- dialeranium, das wir bei Selachiern am vollkommen- sten ausgebildet finden, noch mehrere Wirbel sammt den zu ihnen gehörigen Nerven verschmolzen sind. Die Frage nach der Zahl der dem Cranium assimilirten Wir- bel ist schwerer zu entscheiden. Bei Amia, welche in dieser Hin- sicht unter allen von mir untersuchten Fischen mit ossifieirten Schä- deln das primitivste Verhalten besitzt, glaube ich Elemente von drei Wirbeln erkennen zu können. Dass die beiden Occipitalbogen mit ihren zugehörigen Nerven Reste von ursprünglich gesonderten Wir- beln vorstellen, darüber kann kein vernünftiger Zweifel bestehen und es kann nur die Frage sein, ob wir den ersten sehr schwach entwickelten und einer dorsalen Wurzel entbehrenden Occipitalnerven als einen redueirten Spinalnerven aufzufassen haben oder ob er eine andere Deutung zulässt. Wenn der erste Oceipitalnerv nicht als redueirter Spinalnerv aufzufassen ist, so kann man in ihm, da eine Neubildung von Ner- ven bei höheren Thieren absolut undenkbar ist, nur einen abge- spaltenen und selbständig gewordenen Ast eines der beiden ihm zunächst gelegenen Nerven, also des Vagus oder des zweiten Occi- pitalnerven, erblieken. Nun ist der ganze Verlauf und die Verbrei- tung des ersten Occipitalnerven eine derartige, dass man an einen Vagusast gar nicht denken kann und somit nur die Möglichkeit übrig bleibt, dass er dem zweiten Oceipitalnerven angehören könnte. Ein derartiges Selbständigwerden von Nervenästen kommt gerade bei Fischen vor und möchte ich in dieser Hinsicht nur an das Verhalten ~ Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 195 der Spinalnerven bei Gadiden' und an das Verhalten des Ramus palatinus nervi facialis bei vielen Knochenfischen erinnern. Als be- dingende Momente sind bei einer solchen Spaltung zwei Faktoren anzusehen. Erstens der Umstand, dass die von den beiden Nerven- ästen versorgten Endbezirke immer weiter und weiter sich von ein- ander entfernen und zweitens die Tendenz eines jeden Nerven einen möglichst geraden Weg zu seinen Endorganen einzuschlagen. Diese beiden Ursachen bewirken schließlich eine Spaltung des Nerven bis zu seinem Ursprunge. Diese Spaltung muss somit am distalen Ende des Nerven beginnen und weiter proximal fortschreitend sich schließ- lich bis zur Ursprungstelle aus dem Centralnervensystem erstrecken. Gerade das Umgekehrte findet beim ersten Oceipitalnerven statt; distal ist er mit dem zweiten Occipitalnerven verschmolzen und nur proximal von dem letzteren gesondert. Somit bleibt nur die An- schauung zu Recht bestehen, nach welcher dieser Nerv als ein zurück- gebildeter diskreter Spinalnery aufzufassen ist; und folgerichtig müssen wir bei Amia zum mindesten drei dem Cranium assimilirte Wirbel annehmen. Es sei hier noch auf ein Detailverhältnis aufmerksam gemacht, das früher von mir nicht berücksichtigt wurde. Bei genauer Besich- tigung des Occipitale laterale sieht man, dass der hinterste an den vorderen Oceipitalbogen grenzende Theil dieses Knochens verdickt ist und sich dadurch scharf von dem übrigen Knochen abgrenzt. Der vordere Rand dieses verdickten Streifens grenzt unmittelbar an die feine Austrittsöffnung des ersten Occipitalnerven, und somit ent- spricht diese verdickte Partie des Knochens sowohl ihrer Form als auch ihrer Lage nach genau einem dritten vordersten mit den Oceipi-- talia lateralia verschmolzenen halben Occipitalbogen. Nachdem nun der Nachweis erbracht ist, dass ursprünglich dis- krete Wirbel dem Schädel angeschlossen worden sind, lässt sich auch eine Deutung für gewisse an der unteren Fläche des Occipitale basilare sichtbare Bildungen geben, die früher von mir nicht er- wähnt worden sind, da sie unverständlich geblieben wären. Zwi- schen den beiden hinteren Schenkeln des Parasphenoid, dicht hin- ter den beiden unteren Mündungen der oben beschriebenen Gefäß- kanäle, welche das Oceipitale basilare durchsetzen, sieht man zwei Knorpelstückchen, die dem Knochen nur ganz oberflächlich aufliegen (Fig. 2 u. 62). Bei Betrachtung der Wirbelsäule dieses Fisches ! Stannius, Das peripherische Nervensystem der Fische. pag. 119. 196 M. Sagemehl von unten kann man sich überzeugen, dass ganz ähnliche Knorpel- streifen jedem Wirbelkörper zukommen; und zwar dringen diese Knorpel bei jüngeren Individuen tief in das Innere der Wirbelkörper hinein, während ältere Exemplare nur ganz dünne, den Wirbeln ober- flichlich anliegende Knorpelstreifen erkennen lassen. Ohne weiter auf die Deutung dieser knorpeligen Gebilde einzu- gehen, die nur durch eine sorgfältige Vergleichung der Wirbelsäule von Amia mit der von anderen Fischen gegeben werden könnte, glaube ich doch auf die auffallende bis in die Details reichende Ähnlichkeit des hinteren Theils des Oceipitale basilare mit einem Wirbelkörper aufmerksam machen zu müssen. Um Alles zusammenzufassen, so lassen sich in der Hinterhaupt- region von Amia calva Elemente von drei derselben assimilirten Wirbeln nachweisen, deren individuelle Selbständigkeit von hinten nach vorn immer mehr abnimmt. Der Körper des hintersten Wir- bels, eben so wie derjenige der beiden anderen Wirbel, ist mit dem Occipitale basilare verschmolzen, doch lässt dieser Knochen gerade in seinem hintersten Abschnitt deutliche Anklänge an einen Wirbel- körper erkennen. Der obere Bogen dieses Wirbels ist von dem oberen Bogen eines Rumpfwirbels nicht zu unterscheiden und be- sitzt auch einen gut ausgebildeten Dornfortsatz ; der zugehörige Nerv trägt alle Charaktere eines typischen Spinalnerven. Der mittlere dem Cranium einverleibte Wirbel verhält sich ganz ähnlich; nur dass sein oberer Bogen breiter geworden ist und sich dem Cranium inni- ger angeschlossen hat. Am weitesten ist die Reduktion und Assi- milation am vordersten Wirbel gediehen. Die beiden Hälften seines oberen Bogens sind mit den Oceipitalia lateralia verschmolzen und der zu ihm gehörige Spinalnerv stellt einen schwachen, nur mit einer ventralen Wurzel entspringenden Nerv vor. Dieser rudimentäre Nerv ist überhaupt das einzige sichere Anzeichen des sonst vollständig dem Schädel assimilirten vordersten Wirbels und wenn man sich vorstellt, dass der Nerv sich ganz zurückbildete, oder mit dem zwei- ten Occipitalnerven verschmölze, so hätten wir gar kein Kriterium mehr für die ursprüngliche Existenz dieses Wirbels. Es ist das in so fern von Belang, als es die Möglichkeit setzt, dass vor diesem noch in seinen letzten Spuren nachweisbaren Wirbel noch andere bestanden haben, die jedoch dem Cranium vollständig und ununter- scheidbar assimilirt sind. Die von mir angenommene Zahl von drei mit dem Schädel verschmolzenen Wirbeln, kann somit nur eine Minimalzahl sein und es soll die Möglichkeit, dass die ursprüngliche Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. 197 Zahl dieser Wirbel eine größere gewesen ist durchaus nicht ausge- schlossen werden. Es bedarf wohl kaum der besonderen Erwähnung, dass die von mir soeben erörterten Thatsachen mit der Frage nach der Zusam- mensetzung des primordialen Cranium aus homodynamen Bestand- theilen, der sog. Wirbeltheorie des Schädels, gar nichts zu thun haben. Die Bildung des Primordialeranium ist schon bei Selachiern, — ja vielleicht schon bei Cyelostomen, — vollkommen abgeschlos- sen und es kam mir, die Frage, ob überhaupt und wie viele Meta- meren in diesen Schädeln enthalten sind, ganz bei Seite setzend, nur darauf an, zu konstatiren, dass zwischen dem Schädel der Se- lachier und demjenigen der höheren Fische keine komplete Homologie besteht. Das Cranium der höheren Fische entspricht dem Cranium der Selachier plus einigen (zum mindesten drei) der vordersten Wirbel. Eben so möchte ich noch ausdrücklich hervorheben, dass der eben geführte Nachweis nur für die höheren Fische gelten soll, und dass jeder Versuch, ein gleiches Verhalten auch für die übrigen höher organisirten Wirbelthiere anzunehmen, zum mindesten als verfrüht gelten müsste. Ich würde dieses nicht besonders erwähnt haben, wenn nicht in der neuesten Zeit Versuche gemacht worden wären den Nachweis zu führen, dass der Atlas der Amnioten im Cranium der Amphibien stecke. SrtöHr! hat zuerst die interessante Ent- deckung gemacht, dass der sog. Processus odontoideus der Amphi- bien nichts weiter ist, als die verknorpelnde und später vom ersten Wirbel aus verknöchernde Schädelchorda und WIEDERSHEIM? hat auf diesen Befund hin die durch nichts motivirte Behauptung aufge- stellt, dass der Atlas der Amnioten im Occipitaltheil des Schädels der Amphibien zu suchen sei, und dass in Folge dessen der erste Wirbel derselben dem Epistropheus entspreche. Wenn man berücksichtigt, dass das Verhalten der Nerven der Hinterhauptregion und der ersten Spinalnerven bei Selachiern und ! Pu. Stöur, Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschiidels. Zeit- schrift f. wiss. Zoolog. Bd. 33. 1880. 2 WIEDERSHEIM, Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere pag. 60. Es ist nicht uninteressant, dass ALBRECHT (Zoolog. Anzeiger 1880 Nr. 64 und 65) auf diesen selben Befund hin den entgegengesetzten Schluss zieht und den ersten Wirbel der Amphibien für seinen imaginären vor dem Atlas gelegenen »Pro- atlas« erklärt und den Processus odontoideus der Amphibien für das vom Cra- nium abgelöste Oceipitale basilare. 198 M. Sagemehl bei Amphibien, zum mindesten den Urodelen, das gleiche ist, dass bei beiden der Vagus der letzte Gehirnnerv ist, dass ferner die ganze Occipitalregion der Amphibien außerordentlich reducirt er- scheint, so scheinen mir gewichtige Griinde gegen die Annahme eines besonderen dem Schiidel der Amphibien angeschlossenen Wirbels zu sprechen und glaubte ich vielmehr, dass eine komplete Homologie der Selachier und des Amphibienschädels angenommen werden muss. WIEDERSHEIM'S Ansicht hat ihren Ursprung in einer einseitigen Ver- gleichung der Organisationsverhältnisse der Amphibien mit der der Amnioten. Die jetzt lebenden Amphibien bilden, was die Verhält- nisse des Cranium betrifft, eine für sich abgeschlossene Gruppe, deren Organisation zwar nach unten hin zu den Dipnoern und Se- lachiern gewisse Anschlüsse erkennen lässt, jedoch nach oben hin zu den Amnioten nicht fortgesetzt wird. Wenn man daher folgerich- tig auf einen direkten Vergleich des Schädels der Amphibien mit dem der Amnioten verzichtet, so scheint mir eine phylogenetische Interpretation der von STÖHR entdeckten ontogenetischen That- sachen nicht schwer zu sein. Bei allen Fischen und namentlich bei Selachiern erstreckt sich ein kegelförmig zugespitztes Stück der Chorda in den Oeeipitaltheil des Schädels hinein und man braucht sich nur vorzustellen, dass diese Schädelchorda knorpelig umgewan- delt wird und sodann vom ersten Wirbel aus verknöchert, um genau dieselben Verhältnisse zu erhalten, wie sie bei Amphibien bestehen. Freilich ist dann der Processus odontoideus der Amphibien dem gleichnamigen Fortsatz bei Amnioten nicht homolog, sondern stellt nur eine analoge Bildung vor; doch scheint mir die Annahme einer Homologie gar nicht einmal wahrscheinlich zu sein, da es sich ganz leicht nachweisen lässt, dass die Bildung des Processus odontoideus der Amnioten aus dem Körper des Atlas erst in der Reihe der Rep- tilien beginnt!. Bei höheren Fischen ist es ein ganz gewöhnlicher Befund, dass die vordere Fläche des ersten Wirbels nicht ausgehöhlt sondern leicht konvex ist. Es scheint mir nun zwar unwahrschein- lich zu sein, dass die Verhältnisse bei Amphibien von diesen Bil- dungen bei Fischen sich direkt ableiten lassen; doch liegt hier ein Verhalten vor, das in Parallele gebracht werden kann mit dem der Amphibien. Eine Erklärung für die sonderbare Thatsache, dass bei höheren Fischen diskrete Wirbel in die Hinterhauptregion aufgenommen ! GEGENBAUR, Grundzüge der vergl. Anatomie, 2. Aufl. pag. 615. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 199 werden, ist nicht schwer zu finden und glaube ich die Ursache fiir dieses Verhalten in der Art und Weise suchen zu diirfen, wie das Parasphenoid zuerst auftritt. Es ist von Herrwic der ausführlich begründete Nachweis geführt worden, dass sämmtliche Knochen der Mundhöhle von Zähnen abzuleiten sind, die mit ihren Sockeln zu Knochenplatten verschmolzen sind und dass das Parasphenoid, trotz- dem es seltener, als die übrigen Knochen der Mundhöhle, zahntra- gend angetroffen wird, davon keine Ausnahme bildet. Wenn wir nun wissen, dass der Zahnbesatz bei Selachiern nicht auf die Mund- höhle beschränkt bleibt, sondern dass derselbe sich auch auf die Schleimhaut des Vorderdarms, so weit die Kiemenspalten reichen, also weit unter das vordere Ende der Wirbelsäule erstreckt, so hat die Annahme nichts Befremdendes, dass das Parasphenoid ursprünglich sich nicht auf die Basis eranii beschränkte, sondern nach hinten weit auf die Wirbelsäule übergriff. In der That begegnen wir dieser Lage des Parasphenoid bei den Fischen, bei welchen zuerst eine Knochenbildung auftritt, bei den Knorpelganoiden und bei den Dipnoern. Das Parasphenoid des Störs beschränkt sich bekanntlich nicht auf die Basis des eigentlichen Schädels, sondern erstreckt sich weit nach hinten auch auf die untere Fläche von eirca 7 bis 8 Wir- beln. Ähnlich verhält sich nach WIEDErsHEIM Protopterus und nach GÜNTHER Ceratodus, nur dass bei diesen Fischen die Zahl der vom Parasphenoid bedeckten Wirbel eine geringere ist. So müssen sich auch die direkten Vorfahren der jetzt lebenden Knochenganoiden und Teleostier verhalten haben. Nachdem nun das Parasphenoid seine ursprüngliche Funktion als zahntragende Platte der Mundhöhle auf- gegeben hatte, hat eine Verkürzung desselben von hinten her statt- gefunden und zu gleicher Zeit trat eine Reduktion und eine Ein- verleibung der demselben aufliegenden und mit dem Cranium schon unbeweglich verbundenen Wirbel in den Bestand des letzteren ein, ein Vorgang, dessen letzte Spuren noch bei den jetzt lebenden Knochenganoiden und Teleostiern nachzuweisen sind. Die Grenzen der Labyrinthregion! von Amia werden nach hinten durch die Austrittsöffnung des Glossopharyngeus, nach vorn ! Die Bezeichnung Labyrinthregion ist für die zu beschreibende Region der Teleostier und Knochenganoiden nicht ganz zutreffend, da das Labyrinth dieser Fische gewöhnlich nicht auf diese Region beschränkt bleibt, vielmehr unter Umständen sämmtliche von mir zur Occipitalregion gerechneten Knochen zur Umschließung von Theilen derselben dienen können, und habe ich die Be- zeichnung Labyrinthregion nur beibehalten, um keinen neuen Namen zu bilden. 200 M. Sagemehl durch den Postorbitalfortsatz und die hintere Begrenzung der Orbita gegeben. Sie bildet den Haupttheil der hinter der Orbita gelegenen Seitenwand des Schädels und enthält als Ossifikationen das Os pe- trosum und das Postfrontale. Das Petrosum (Fig. 2, 3 und 6 Pe) ist ein annähernd kreis- förmiger Knochen, der sich, wie schon erwähnt, hinten und oben mit einer kleinen Stelle seiner Peripherie durch eine Zackennaht mit dem Interealare verbindet. Von den anderen ihn umgebenden Kno- chen, dem Occipitale basilare nach hinten, dem Squamosum lateral und nach oben, dem Postfrontale nach oben und vorn, dem Ali- sphenoid nach vorn und seinem Gegenstücke medial und nach unten, ist er überall durch breite Knorpelstreifen getrennt. Über dem Pe- trosum liegt die langgestreckte, flache, von vorn nach hinten aufstei- sende Gelenkpfanne für das Hyomandibulare (Fig. 2 u. 3 Ay). Die- selbe besteht mit Ausnahme der hintersten obersten Ecke, die einen dünnen Knochenbeleg vom Squamosum erhält, ganz aus Knorpel. Nach vorn und oben vom Petrosum liegt die Ossifikation des Post- orbitalfortsatzes, das Postfrontale (Fig. 3 Pf). . Dieser Knochen hat die Gestalt einer dreiseitigen Pyramide, deren Spitze lateral und nach oben sieht. Die obere Fläche desselben, welche alle Charak- tere eines Hautknochens besitzt, ist schon früher ausführlich be- schrieben worden; von den beiden anderen Flächen sieht die eine lateral und die andere hilft die hintere obere Begrenzung der Orbi- talhöhle bilden. Die Ossifikation des Postfrontale reicht nicht durch die ganze Dicke der lateralen knorpeligen Schädelwand, sondern bleibt von der Schädelhöhle überall durch Knorpel getrennt. An der Grenze nun zwischen dem Knochen und dem Knorpel liegt ein Ka- nal, der am unteren Rande des Knochens an der lateralen Fläche des Schädels beginnt und oben in das vorderste Ende der Temporal- grube ausmündet. So weit ich mich überzeugen konnte, enthält er Gefäße, die für die Weichtheile der Temporalgrube bestimmt sind. Eine größere morphologische Bedeutung kommt diesem Kanal nicht zu und ich habe ihn bloß der Vollständigkeit wegen erwähnt. Nahe dem vorderen Rande besitzt das Petrosum zwei Öffnungen, eine obere größere für den Nervus facialis und die Jugular- vene (Fig. 3 fa) und eine kleinere untere für die Carotis (Fig. 3 ca). Der Nervus facialis giebt noch innerhalb der Schädelhöhle einen Ast ab, welcher nach vorne zieht und am hinteren Rande der später zu besprechenden Fenestra optica in die Orbita tritt, um so- dann längs des unteren lateralen Randes der Augenhöhle zu verlaufen Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 301 und die Schleimhaut der Mundhöhle zu versorgen. Dieser auch bei Teleostiern allgemein vorkommende Ast des Facialis ist stets für homolog erklärt worden dem Ramus palatinus der Selachier. Wenn man berücksichtigt, dass der Ramus palatinus der Selachier stets extracranial vom Facialis entspringt und extracranial gelagert nach vorn verläuft, während der gleichnamige Nerv bei Amia und bei Knochenfischen einen intracranialen Ursprung hat, so wird die An- nahme einer Homologie zweifelhaft. Nur der positive, bis jetzt fehlende Nachweis, dass dieser Ast in der Reihe der Fische von der Außenfläche des Schädels ins Innere hineinrückt, würde die Annahme einer Homologie sicher stellen. Das Verhalten des Facia- lis nach seinem Austritt aus der Schädelhöhle hat für die in dieser Arbeit verfolgten speciellen Zwecke kein weiteres Interesse. Die Orbitalregion ist sehr scharf begrenzt. Die hintere Be- grenzung ist bereits besprochen worden; nach vorn bildet der Ant- orbitalfortsatz mit seiner Ossifikation, dem Praefrontale, die Grenze gegen die Nasalregion. Die Orbitae von Amia sind ziemlich- flache ovale Gruben, die in der Mittellinie durch eine nach vorn reichende Fortsetzung des Cavum cranii von einander getrennt werden (Fig. 9 und 10); von einem unpaaren knöchernen oder häutigen Interorbital- septum, das bei Teleostiern in größter Verbreitung vorkommt, ist bei Amia keine Spur vorhanden. Das Dach der Orbita wird nur zum geringsten Theile von einer knorpeligen lateral vorspringenden Leiste des Primordialschädels gebildet, die man wohl als den letzten Rest eines knorpeligen Or- bitaldachs ansehen kann (Fig. 2 u. 6); den größten Antheil am Orbitaldach hat das Frontale. Ein Orbitalboden ist durch eine schwach ausgeprägte flügelförmige Leiste der Schädelbasis angedeu- tet, welcher unten das Parasphenoid angelagert ist (Fig. 9 u. 10). Das vordere Drittel der Orbitalwand ist ganz knorpelig!, während die hinteren zwei Drittel zum Theil von zwei Ossifikationen einge- nommen werden. Im hinteren Theil der Orbita liegt eine sehr große ovale, oben, hinten und vorn von gezakten Knochenrändern, unten von Knorpel begrenzte Öffnung, welche in die Schädelhöhle hinein- ! An einem großen Exemplar von Amia sah ich sowohl die laterale als auch die mediale gegen das Cayum cranii sehende Fläche dieses vorderen or- bitalen Knorpels von einer oberflächlich gelegenen, dünnen, bräunlich gefärbten Schicht bedeckt, die auf den ersten Blick wie eine ganz dünne Knochenlamelle aussah. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass es sich hier nur um eine Verkalkung der oberflächlichen Knorpelschicht handelte. Morpholog. Jahrbuch. 9. 14 302 M. Sagemehl führt (Fig. 2 u. 3 O0). Hinten treten durch diese Öffnung der Opti- cus und einige andere Nerven aus dem Cranium heraus, und gelangen die Augenmuskeln in die Schädelhöhle: vorn ist sie durch eine starke bindegewebige Membran verschlossen. Schon bei Selachierschädeln kann man in vielen Fällen eine von der Peripherie des Opticus- loches ausgehende Fenestration der Seitenwand des Cranium nach- weisen, und es scheint mir nicht unwahrscheinlich zu sein, dass die eben beschriebene Öffnung bei Amia, als ein solches sehr vergrößer- tes Opticusfenster anzusehen ist. Auf der Grenze zwischen der Labyrinthregion und der Orbitalregion ist der knorpelige Boden der Sehädelkapsel noch von einem kleinen Fenster durchbrochen, welches durch das Parasphenoid verdeckt wird und nur nach Entfernung die- ses Knochens zu Tage tritt (Fig. 6 f%). Es entspricht dieses Fenster in seiner Lage der später zu beschreibenden Hypophysargrube im Cavum eranii und ist der langgestreckten durch das Parasphenoid geschlossenen Spalte im Boden des Augenmuskelkanals vieler Kno- chenfische zu vergleichen. Die hintere Ossifikation der Orbitalregion, das Alisphenoid, hat die Gestalt eines Kreises, welcher unten und vorn einen Aus- schnitt besitzt; dieser Ausschnitt wird durch die eben erwähnte Öffnung bedingt (Fig. 2u. 3 As). Nahe seinem hinteren Rande wird das Alisphenoid von einer großen, runden, für den zweiten und dritten Trigeminusast bestimmten Öffnung durchbohrt. Nach oben und hinten verbindet sich das Alisphenoid bei großen Exemplaren von Amia mit dem Postfrontale: bei jüngeren Thieren ist es von dem letzteren durch eine schmale Knorpelzone getrennt. Nach vorm über dem Opticusfenster ist es an einer kleinen Stelle durch Naht mit dem Orbitosphenoid verbunden. Vor dem Alisphenoid liegt das ebenfalls kreisförmig gestaltete, hinten und unten für das Optieusfenster ausgeschnittene Orbitosphe- noid, über welches nichts weiter zu bemerken ist (Fig. 2 u. 3 Os). Es scheint mir nicht uninteressant zu sein an dieser Stelle noch ausdrücklich auf die kreisförmigen Begrenzungen so vieler Ossifikatio- nen des Primordialeranium von Amia aufmerksam zu machen. Diese Gestalt ist durch den Umstand bedingt, dass diese Ossifikationen frei in der knorpeligen Grundlage liegen und da sie nur an wenigen Stellen mit ihren Nachbarn in Berührung treten, ein ungehindertes gleichmäßig excentrisch fortschreitendes Wachsthum haben erhalten können. Auch in dieser Hinsicht hat Amia, gegenüber den Teleo- stiern, bei welchen die entsprechenden Knochen durch Abplattung Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 203 an ibren Beriihrungsstellen mit den Nachbarn mehr eckige Formen besitzen, ein primitives Verhalten bewahrt. Der erste Trigeminusast tritt in die Wand des Primordialera- nium etwa in der Höhe des vorderen Randes des Postfrontale und verläuft schräg nach vorn und lateral, um das Alisphenoid dieht über der großen für den zweiten und dritten Ast desselben Nerven be- stimmten Öffnung zu verlassen (Fig. 2 u. 3 Zr). Während seines Verlaufes innerhalb der Schädelwand entsendet er mehrere feine Zweige, die im Knorpel nach oben aufsteigen und an die Schleim- kanäle der Knochen der Schädeldecke treten. In der Orbita besteht derselbe aus zwei parallel neben einander liegenden Stämmen, welche dieht unter der Decke derselben gelegen nach vorn verlau- fen, um am vorderen Theil der Orbita zwischen der knorpeligen Decke des Primordialeranium und dem Os frontale zu der Nasengrube zu gelangen, die sie versorgen. Während seines ganzen Verlaufs durch die Orbita giebt er feine aufsteigende Zweige ab, welche zum Theil die oben beschriebene, als der letzte Rest eines knorpeligen Orbital- dachs gedeutete, lateral vorspringende Knorpelleiste durchbohren, zum Theil direkt an das Os frontale treten und sich sodann in den Schleimkanälen desselben vertheilen. Der zweite und dritte Trigeminusast verlassen die Schä- delhöhle durch die schon beschriebene Öffnung des Alisphenoid, und verzweigen sich, eben so wie die entsprechenden Nerven bei Te- leostiern (Fig. 2, 3 u. 6 Tr). Der Oculomotorius und der Trochlearis treten dureh die hintere große Lücke der Orbitalregion aus, an deren hinterem Rande, und zwar der erstere unten, der zweite oben. Zwischen diesen beiden Nerven liegt das Bündel der geraden Augenmuskeln, von welchen sich der Rectus externus noch eine Strecke weit in das Innere des Cranium erstreckt und die Veranlas- sung giebt zu einer beginnenden Bildung eines Augenmuskelkanals. Dicht vor diesen Augenmuskeln, zum Theil noch zwischen ihnen eingelagert, verlässt der Opticus, welcher bei Amia, entsprechend der verhältnismäßig geringen Größe des Auges, ziemlich schwach ist, die Schädelhöhle. Mit dem Opticus zusammen tritt auch die bei Amia sehr starke Arteria ophthalmica zum Bulbus. Zwischen den letztgenannten Gebilden liegt ein starker bindegewebiger Strang, der am hinteren unteren Winkel der Augenhöhle entspringt und nahe der Opticuseintrittsstelle an den Bulbus inserirt. Dieser Strang ent- spricht in jeder Beziehung dem Augenträger der Selachier. In der 14° 204 M. Sagemehl vorderen Ecke der Orbita, unter dem Praefrontale, inseriren sich die beiden Mm. obliqui. Die nasale Region des Primordialschädels von Amia wird nach hinten von den Antorbitalfortsätzen begrenzt und hat die Gestalt einer dreieckigen Platte mit oberer mittlerer Crista. Die ganze Region ist mit Ausnahme von zwei kleinen Ossifika- tionen knorpelig. Medial und vor den Antorbitalfortsätzen liegen an der unteren Fläche dieser Region zwei längliche Knorpelwülste, die zur Artikulation mit dem vorderen Ende des Palatinbogens die- nen. An das vordere Ende dieser Wülste grenzt die Ossifikation der Nasalregion, das Septomaxillare (Fig. 3,6u.8 Sm). Es ist dieses ein Knochenkern, welcher von dem unteren Rande des Ol- factoriusloches bis zum lateralen Rande des praenasalen Knorpels reicht und mit welchem an letzter Stelle das Maxillare gelenkig verbunden ist. Dieser kleine Knochen wird von oben zum größten Theil von dem Zwischenkiefer bedeckt, und wird daher erst nach Wegnahme des letzteren sichtbar. Von Bripce ist dieser Knochen mit einer im Boden der Nasenkapsel des Frosches gelegenen Ver- knöcherung (dem Septomaxillare) für identisch erklärt worden; und obgleich ich diese angenommene Homologie zum mindesten für un- wahrscheinlich halte, so wollte ich doch keinen neuen Namen ein- führen. Richtiger scheint es mir zu sein, wenn BripGE die Septo- maxillaria von Amia mit den zwei bekannten kleinen am Ende des knorpeligen Rostrum des Hechtes gelegenen Ossifikationen in Zu- sammenhang bringt, mit denen sie allerdings in der Lage und den Beziehungen zu benachbarten Skelettheilen übereinstimmen. Das Cavum eranii hat die Gestalt eines Eies, mit nach vorn gerichteter Spitze, das in der Gegend der Labyrinthregion zwei nischenartige, gegen die übrige Schädelhöhle scharf abgegrenzte Ausbuchtungen zur Bergung des Labyrinths besitzt. Wie bei den Selachiern und den meisten Ganoiden, so bildet es auch bei Amia einen Raum, der sich ununterbrochen vom Hinterhauptsloch bis an die Nasengruben erstreckt. Nicht alle an der Außenfläche sichtbaren Ossifikationen des Primordialeranium treten auch in der Schädelhöhle oder in den mit derselben verbundenen Räumen des Labyrinth zu Tage, vielmehr reicht eine ganze Anzahl derselben nicht durch die ganze Dicke der Schädelwand und bleibt daher durch eine Knorpel- lamelle vom Cavum cranii getrennt. In dieser Weise verhält sich das Exoccipitale, das Interealare und das Post- und Praefrontale. Es bedarf wohl kaum der besonderen Erwähnung, dass auch das 3eiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. 205 Squamosum, welches bei den meisten Fischen zur Umschließung eines Stückes des äußeren Bogenganges verwandt wird, bei Amia, wo es ja, wie oben ausführlich besprochen ist. zeitlebens die Charaktere eines Deekknochens behält, von der Schädelhöhle aus nicht sicht- bar ist. Die Hinterhauptregion ist innerhalb des Cavum cranii nach vorn sehr scharf durch eine an der lateralen Wand von oben nach unten verlaufende theils knorpelige, theils membranöse, medial und nach vorn gerichtete Leiste, welche die hintere Wand der Labyrinth- nische bildet, begrenzt. Der Boden dieser Region wird vom Occi- pitale basilare, die Seitenwände und zum größten Theile auch die Decke von den Occipitalia lateralia gebildet; der sich nach hinten anschließende, von den Occipitalbogen bedeckte Theil des Rücken- markkanals liegt nicht in einer Flucht mit dem Boden der Schädel- höhle, sondern entspringt um ein gutes Stück höher an der hinteren Wand des Schädels, so dass ein nach hinten und unten blind ge- schlossener Schädelraum übrig bleibt. über welchen die Medulla ob- longata und das vordere Ende des Rückenmarks hinüberziehen. Dieser Raum ist von dem bekannten interduralen, bei Teleostiern in weitester Verbreitung vorkommenden, lymphatischen Fettgewebe ! erfüllt und beansprucht unser Interesse aus dem Grunde, weil es derselbe Raum ist, welcher in der Familie der Characiniden, Cypri- noiden, der Welse und Gymnotiden durch medial vorspringende und zusammenstoßende Leisten der Occipitalia lateralia von der übrigen Schädelhöhle abgegrenzt und zur Bildung des »Atrium sinus imparis«, welches vermittels des Weser’schen Apparates mit der Schwimmblase zusammenhängt. verwandt wird. Am vorderen Rande des Occipitale laterale ist das weite Vagusloch gelegen. Die vordere Grenze der Labyrinthregion wird innerhalb der Schädelhöhle nach vorn von dem vorderen Rande des Petrosum ge- bildet, der mit der vorderen begrenzenden Leiste der Labyrinth- nische nicht zusammenfällt, sondern ein wenig vor derselben verläuft. Die sehr komplieirt gebaute Labyrinthnische mit den Kanälen für die Bogengänge ist zum größten Theil knorpelig: nur nach unten und vorn wird ihre laterale Wand durch das Petrosum gebildet. Durch eine von oben hinten nach unten vorn verlaufende me- dial vorspringende knorpelige Leiste wird die Labyrinthnische in ! Gewöhnlich wird dieses Fettgewebe der Fische für die Arachnoidea der- selben gehalten. Eine genauere Begründung meiner abweichenden Ansicht be- halte ich mir für eine spätere Arbeit vor. 206 M. Sagemehl eine kleinere, vorn oben, und in eine größere, hinten unten gele- gene Bucht zerlegt: die erstere beherbergt zum größten Theil den Utrieulus, die zweite ist für den Sacculus mit dem Recessus coch- learis bestimmt. Die Sacculusbucht bildet, wie ich schon früher Gelegenheit hatte zu bemerken, an der lateralen Wand des Schä- dels eine ziemlich bedeutende Vorwölbung, die als erster Anfang der bei Teleostiern weit verbreiteten und bisweilen excessiv! entwickel- ten Bulla acustica zu betrachten ist. An die Labyrinthnische schließen sich die, wie ich noch einmal hervorheben will, überall von Knorpel begrenzten, für die Bogengänge bestimmten Kanäle. Der vordere halbzirkelförmige Kanal beginnt am vorderen oberen Theil der Utrieulusbucht, zieht lateral nach vorn und oben, biegt in der Nähe des Postfrontale angekommen um, verläuft dicht unter der knorpeligen Schädeldecke und durch dieselbe durchschimmernd nach hinten und medial, um mit einer Öffnung über der Labyrinthnische in das Cavum cranii auszumiinden. Der äußere Canalis semicircularis nimmt seinen Ursprung von dem hinteren Theil der Utrieulusbucht, verläuft lateral und nach hinten, schimmert dicht unter der Hyomandibularpfanne durch die knorpelige Seitenwand des Schädels durch, zieht dann nach hinten und medial, um an der hinteren Begrenzung der Sacculusbucht, ge- meinschaftlich mit dem Ursprung des hinteren Kanals auszumünden. Während seines Verlaufs kommt der äußere Kanal dem Intercalare ziemlich nahe. Der Canalis semicirecularis posterior be- ginnt, wie schon gesagt, am hinteren Rande der Sacculusbucht, verläuft lateral nach hinten und oben, kommt fast in unmittelbare Berührung mit dem Exoceipitale, biegt sodann um, zieht medial und nach vorn, und mündet dieht über der Labyrinthnische aus. Das häutige Labyrinth von Amia kann kurz behandelt werden; so weit ich mich an den mir zur Verfügung stehenden, aller- dings für eine subtilere Untersuchung nicht sehr geeigneten Exem- plaren überzeugen konnte, entspricht es in seinem gröberen Bau vollkommen dem Labyrinth der Teleostier, wie wir es durch die schönen Untersuchungen von Hasse? kennen gelernt haben. Genauer beschrieben ist es von RETZIUS°®. ! Ganz außerordentlich entwickelt finde ich die Bullae acusticae bei Sco- pelus und Gonostoma. 2 ©. Hasse, Anatomische Studien. Th. X. Das Gehörorgan der Fische. Leip- zig 1873. 3 G. Rerzaius, Das Gehörorgan der Wirbelthiere. Th. I. Fische und Am- phibien. pag. 35. Stockholm 1881. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 208 Das Verhalten der Labyrinthhöhle zum Cavum cranii bei Amia calva gegenüber den Selachiern zeigt einen tiefgreifenden Unterschied. Während die Labyrinthhöhle bei den Selachiern von der Schädel- höhle vollkommen abgeschlossen erscheint, findet bei Amia und bei allen anderen Ganoiden und Teleostiern eine mehr oder minder breite Kommunikation zwischen diesen Höhlen statt. Es dürfte wohl kaum fehlgegriffen sein, wenn man die Ursachen zu dieser Verbindung beider Höhlen in der ganz unverhältnismäßigen Entwicklung und Volumentfaltung des Labyrinth bei höheren Fischen sucht, die schließ- lich zu einer Usur der medialen Begrenzungswand desselben geführt hat. Der Ausgangspunkt, für die Fenestration dieser Wand ist aller Wahrscheinlichkeit nach das Acusticusloch gewesen. Zu dieser An- nahme berechtigt uns wenigstens die ganze Lage des Labyrinth- fensters bei Amia, wo es in der That nichts weiter ist als eine sroße Fensterbildung um die Peripherie des Acusticuslochs, so wie auch der Umstand, dass Fenestrationen des Skelets im Allgemeinen mit Vorliebe von der Peripherie von Nervenöffnungen ausgehen, in welcher Beziehung ich nur an die verschiedenen Fensterbildungen, die an den Austrittsstellen der Hirnnerven bei Selachiern vorkom- men, erinnern möchte. Auch zwischen Amia und den Teleostiern bestehen, wie ich schon jetzt hervorheben will, bedeutende Unterschiede in dem Ver- halten der Labyrinthhéhle. Die noch bedeutendere Volumentfaltung des Labyrinth bei Knochenfischen hat schließlich dazu geführt, dass die bei Amia noch sehr deutlich ausgeprägten begrenzenden Leisten der Labyrinthnische auf Spuren reducirt oder gar vollkommen verschwun- den sind, und die Höhle des Vestibulum ununterscheidbar in den Bestand der Schädelhöhle aufgegangen ist; bei dieser Gelegenheit ist das Labyrinth aus seiner ursprünglichen Region weiter nach hin- ten herausgerückt und hat Theile, die der Oceipitalregion angehören, zu seiner Bergung benutzt. Außerdem ist der vordere Bogengang, durch Reduktion der breiten Knorpelspange, die bei Amia densel- ben von der Schädelhöhle trennt, bei Teleostiern sehr häufig in die letztere zu liegen gekommen. Endlich liegt ein wichtiger Un- terschied in dem Umstande, dass die fast rein knorpelige Be- grenzung des Labyrinth bei Teleostiern zu einer größtentheils knöchernen umgewandelt worden ist. Unterhalb und hinter der Faeialisöffnung sendet das Petrosum eine horizontale Knochenlamelle ab, die sich in der Mittellinie mit der entsprechenden Lamelle der anderen Seite verbindet und einen nach 208 M. Sagemehl hinten geschlossenen Raum des Cavum cranii überdacht. Es ist das der hinterste knöcherne Theil des bei Amia größtentheils membranö- sen Augenmuskelkanals. dessen genaue Beschreibung später erfol- gen soll. Während die Grenzen der einzelnen Schädelregionen an der Schädeldecke kaum ausgeprägt erscheinen, findet zwischen der La- byrinth- und Orbitalregion im Innern des Schädels an der Decke desselben eine recht scharfe Abgrenzung statt und zwar durch eine nach unten gegen das Cavum cranii gerichtete, von einem Post- orbitalfortsatz zum anderen ziehende schwache Leiste, an deren untere hintere Fläche, die vom Gehirn aufsteigende Epiphysis sich anlegt. Diese Epiphysarleiste der Schädeldecke findet sich ganz konstant bei allen Teleostiern und repräsentirt in einzelnen Fällen den einzig übriggebliebenen Theil der ursprünglichen Decke des Primordialschädels. Die Frage nach den Bahnen, auf welchen die Schallwellen aus dem umgebenden Medium zum Labyrinth der Fische gelangen, ist bis jetzt noch niemals Gegenstand einer eingehenderen Erörterung gewesen. Und doch verdient diese Frage untersucht zu werden, weil eine ganze Anzahl von eigenthümlichen Bildungen am Schädel der Fische nur im Zusammenhang mit den Vorstellungen, die wir von den schallleitenden Bahnen haben, verständlich wird. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass der Beantwortung dieser Frage, da von einem Experiment natürlich nicht die Rede sein kann, nur durch genaue Untersuchung der topographischen Verhältnisse der Labyrinthregion des Fischkopfes und durch Feststellung der schallleitenden Bahnen nach rein physikalischen Grundsätzen näher getreten werden kann. Die jetzt allgemein herrschende Annahme ist, dass bei Fischen überhaupt keine speciellen Bahnen für die Schallleitung differenzirt wären, dass vielmehr eine ganz gleichmäßige Leitung durch die Knochen des Schädels, vor Allem durch die Kno- chen der Decke desselben, stattfinde. Besondere Hilfsapparate des Ohres, mit der Bestimmung, die Schallwellen mit möglichst geringem Verlust zum Labyrinth zu leiten, sollen erst in der Klasse der Am- phibien auftreten. Das ist entschieden unrichtig. Schon eine flüch- tige Betrachtung einer größeren Reihe von Fischen ergiebt die Un- wahrscheinlichkeit dieser Annahme. Bei der größten Mehrzahl der Fische treten Knochen des Cranium an keiner Stelle mit dem äuße- ren umgebenden Medium in Berührung, sondern sind von demselben Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 209 durch außerordentlich schlechte Schallleiter, durch eine dicke, schwar- tige Haut und häufig sogar durch mächtige Muskellagen getrennt, so dass eine Leitung der Schallwellen direkt durch die Kopfknochen nur für eine verhältnismäßig sehr geringe Zahl von Fischen angenommen werden könnte; nämlich nur für diejenigen, deren Kopf von nackten oder nahezu nackten Knochenschildern bedeckt wird. Für die größte Mehrzahl der Fische muss eine Möglichkeit dieser allgemeinen Kno- chenleitung absolut ausgeschlossen werden, und haben wir uns nach anderen Bahnen umzusehen. Eine solehe Bahn hat Hasse! für die Familie der Clupeiden nachgewiesen. Er fand, dass der Theil der Gehörkapsel. welcher den Sacculus nach außen begrenzt, die Binnenwand der Kiemenhöhle bildet, und dass somit Schallwellen von der Kiemenhöhle aus den Sacculus direkt treffen können. Diese Beobachtungen sind richtig. nur hat Hasse sich darin geirrt, dass er die innigen Beziehun- gen des Labyrinth zur Kiemenhöhle für eine Eigenthümlichkeit der Clupeiden hielt, während dieselben der größten Mehrzahl der Knoehen- fische zukommen. Bei einer großen Zahl von Knochenfischen aus den verschiedensten Familien fand ich fast ausnahmslos, dass der vordere obere Zipfelder Kiemenhöhle der Labyrinthregion des Schädels dicht an- liegt, und dass somit an dieser Stelle die in der Kiemenhöhle befindliche Wassermasse von der lateralen dünnen knöchernen oder knorpeligen Wand des Labyrinth nur durch eine dünne Schleimhaut getrennt wird. In den zahlreichen Fällen, in welchen der Sacculus mit sei- nem Otolithen stark entwickelt ist und eine lateral vorspringende Bulla am Schädel bildet, ragt diese Bulla fast ausnahmslos in die Kiemenhöhle hinein und kann in vielen Fällen mit großer Leichtig- keit von der Kiemenhöhle aus mit dem Finger gefühlt werden. Doch möchte ich ganz ausdrücklich hervorheben, dass es in den meisten Fällen nicht der Sacculus allein ist, der Beziehungen zur Kiemenhöhle gewinnt, sondern dass dieselben auch dem Utrieulus zukommen, und dass es daher nicht zulässig ist, — wie HassE es that —, anzunehmen, dass wir es hier mit einer speciell für den Saceulus bestimmten schallleitenden Bahn zu thun haben. Auf die Detailverhältnisse in den Beziehungen des Labyrinth der Teleostier zur Kiemenhöble kann jetzt noch nicht eingegangen 1 C. Hasse, Anatomische Studien; Suppl. Die vergleichende Morpholo- gie des häutigen Gehörgangs der Wirbelthiere 1873. pag. 53. 210 M. Sagemehl werden und verweise ich in dieser Hinsicht auf die später erschei- nenden Specialbeschreibungen der Crania der einzelnen Familien der Knochenfische. Nachdem nun die Gründe für die Annahme, dass die Schall- wellen bei Knochenfischen zum größten Theil von der Kiemenhöhle zum Labyrinth gelangen, ausgeführt sind, erwächst ganz von selbst die andere Frage, wie dieselben in die Kiemenhöhle gelangen. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, dass in dieser Beziehung die Kiemenspalte eine große Rolle spielt; doch glaube ich noch auf eine andere Bahn hinweisen zu können, die nach physikalischen Grundsätzen zu diesem Zwecke fast noch besser geeignet sein muss. Ich meine die Bahn, welche durch die Knochen des Opercularapparates vorgestellt wird, speciell durch das Operculum und das Suboperculum. Wenn man in Erwägung zieht, dass diese Knochen bei den meisten Teleostiern dünne elastische Platten sind, die in breiter Ausdehnung die in der Kiemenhöhle ruhende Wassermasse bedecken, und die nur von einer ganz dünnen Haut überzogen werden und von größeren Weichtheil- massen so gut wie niemals überlagert sind, so muss man zugeben, dass hier ein in ganz ausgezeichneter Weise geeigneter Apparat vorliegt, um die Schallwellen aus dem äußeren Medium auf die Wassermassen der Kiemenhöhle zu übertragen. Sollten fernere Un- tersuchungen diese Vermuthung bestätigen, so würde die alte Annahme von GEOFFROY ST.-HILAIRE bestätigt werden, welcher bekanntlich die Opereularknochen für Gehörknöchelchen erklärte; freilich in einem ganz anderen Sinne, als es der Autor derselben meinte. Obgleich dem Thema der gegenwärtigen Arbeit etwas ferne lie- send hat ein Vergleich der Schallleitungsbahnen der Knochenfische mit denen der übrigen Wirbelthiere, speciell der Selachier, ein großes Interesse, weil dieser Vergleich die Stellung der Teleostier innerhalb der Reihe der Wirbelthiere sehr gut illustrirt. Die gewöhnliche Annahme ist, dass erst bei Amphibien, nament- lich bei den Anuren, besonders differenzirte schallleitende Apparate auftreten. Es ist schon zur Genüge erörtert worden, dass diese An- schauung nicht richtig ist, und dass schon bei der Mehrzahl der Knochenfische keine diffuse Zuleitung der Schallwellen zum Laby- rinth statt hat, dass sich vielmehr sehr konstante Bahnen differen- zirt haben. Doch sind die Knochenfische auch nicht diejenigen Formen, bei welchen zuerst in der Reihe der Wirbelthiere solche Hilfsapparate des Gehörs auftreten; es lassen sich schon bei Sela- Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 214 ehiern Einrichtungen nachweisen, von denen die Apparate der Kno- chenfische ableitbar sind. Es ist das Verdienst von JOHANNES MÜLLER! diese Verhältnisse bei Selachiern zuerst richtig erkannt und gewürdigt zu haben; lei- der scheinen seine Beobachtungen vollkommen in Vergessenheit gerathen zu sein; wenigstens habe ich bei keinem der neueren Auto- ren auch nur eine Andeutung darüber gefunden. Der schallleitende Apparat bei Selachiern ist der Spritzlochkanal. Bekanntlich beginnt derselbe mit weiter Öffnung in der Rachen- höhle medial von der Öffnung der ersten Kiemenspalte und dicht bei derselben und zieht dann zwischen Hyomandibulare und Palato- quadratum aufwärts, um entweder mit einer Öffnung, dem Spritzloch, hinter und über dem Auge auszumünden, oder aber um unter der Haut blind zu endigen. Während seines Verlaufs liegt dieser Kanal der Labyrinthregion des Schädels dieht an und besitzt in einzelnen Fällen sogar besondere blinde Divertikel, welche sich an dieselbe anschmiegen. Dieses ist bei Selachiern die Stelle, wo das Labyrinth in nächste Beziehung zum äußeren umgebenden Medium tritt und auf diesem Wege müssen die Schallwellen am wenigsten abgeschwächt zu ihm gelangen. Es soll damit durchaus nicht ausgeschlossen sein, dass auch von der Oberfläche des Kopfes aus eine Zuleitung erfol- gen kann; findet doch eine diffuse Leitung durch Skelettheile des Kopfes auch noch beim Menschen in geringem Grade statt; doch muss eine solche Leitung bei Selachiern, wenn nach physikalischen Grund- sätzen die Verhältnisse untersucht werden, gegenüber der Spritzloch- leitung sehr zurücktreten. In den Spritzlochkanal können die Schall- weilen wohl nur zum geringsten Theil von der Rachenhöhle aus gelangen und werden wenigstens in den Fällen, wo ein weit offenes äußeres Spritzloch vorhanden ist, durch dasselbe ihren Zutritt finden. Der Umstand, dass der Spritzlochkanal der Selachier, welcher der Paukenhöhle und der Tube der höheren Wirbelthiere homolog ist, mit denselben auch die gleiche Funktion besitzt, ist gewiss sehr bemerkenswerth. Dieser Nachweis räumt eine Schwierigkeit aus dem Wege, die bei der Annahme, dass Paukenhöhle und Tube erst bei luftlebenden Wirbelthieren entstanden seien, bestand. Es war in der That kaum zu begreifen, wie zu diesem Zwecke eine Kiemen- ! Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Theil. III. Das Gefäßsystem der Myxinoiden. Abhandl. d. Berlin. Akademie d. Wissenschaften vom Jahre 1843. 212 M. Sagemehl spalte, deren Bestehen ja eng an das Wasserleben geknüpft war, sich weiter erhalten und erst allmählich in den Dienst des Gehör- organs treten konnte. Diese Schwierigkeit wird vollkommen besei- tigt durch den Nachweis, dass die schallzuleitende Funktion der vordersten Kiemenspalte kein neuer Erwerb der landlebenden Wir- belthiere ist, sondern dass sie auch bei deren wasserbewohnenden Vorfahren bestand; und es ist auch damit das ursächliche Moment gegeben, warum sich diese Kiemenspalte noch bis zu den am wei- testen fortgeschrittenen Endgliedern der Wirbelthiere erhalten konnte, während die anderen, ursprünglich mit respiratorischer Funktion ver- sehenen Kiemenspalten, nachdem von den Dipnoern und Amphibien an ein neues Respirationsorgan sich entwickelt hatte, spurlos zu Grunde gegangen sind. Durch diesen Nachweis wird auch der Umstand, dass die uro- delen Amphibien und einige Anuren keine Paukenhöhle und Tube besitzen, anders aufzufassen sein, als es bisher geschehen ist. Es liegt hier ganz zweifellos ein Rückbildungsvorgang vor, wie bei den Schlangen, und die entgegengesetzte Annahme, dass bei diesen For- men sich ein mittleres Ohr noch nicht entwickelt habe, ist ganz unstatthaft. Es wäre in der That unverständlich, wenn bei höheren Amphibien die geschlossene vorderste Kiemenspalte sich wieder öff- nen und in den Dienst des Gehörorgans treten sollte. Eben so un- verständlich wäre das Vorkommen der Columella bei urodelen Am- phibien, eines Skelettheils, dessen Entstehung an die Ausbildung eines mittleren Ohres streng geknüpft ist und allein für sich, da sich für denselben keine Funktion nachweisen ließe, nicht zu verstehen wäre. Es erwächst nun noch die Frage, ob die eben besprochenen Apparate bei Knochenfischen und bei Selachiern von einander ganz unabhängig entstanden sind, wie es auf den ersten Blick scheint, oder ob es nicht Bildungen giebt, welche dieselbe mit einander ver- knüpfen und an einen genetischen Zusammenhang dieser scheinbar ganz verschiedenen Bildungen denken lassen. Eine direkte Vergleichung der Apparate bei Selachiern und Teleostiern führt, da die topographischen Verhältnisse an den Schä- deln derselben ganz verschieden sind und in Folge dessen die Lage- rungsverhältnisse nicht direkt mit einander verglichen werden können, zu keinem sicheren Resultate, es bleibt somit nur übrig, sich nach Zwischenformen umzusehen und an denselben eine Beantwortung der gestellten Frage zu versuchen. Eine solche ganz vorzügliche Zwi- Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 213 schenform — natürlich nur für die erwähnten Verhältnisse — ist Polypterus. Während das Cranium dieses Sauroiden und nament- lich auch sein Kiefer- und Kiemenapparat dem Teleostiertypus ganz nahe steht, besitzt er zeitlebens ein wohl ausgebildetes Spritzloch und erinnert in dieser Beziehung an die Selachier. Die innere weite Öffnung dieses Spritzloches liegt in der Kiemenhöhle; medial wird dieselbe begrenzt von dem Epibranchiale des ersten Kiemenbogens, nach hinten von dem vorderen Rande des Hyomandibulare und la- teral und vorn von den Knochen des Gaumenbogens. Der weite Spritzlochkanal verläuft der Labyrinthregion des Schädels dicht an- liegend nach oben und öffnet sich an dem lateralen oberen Rande des Cranium mit einer schlitzförmigen von zwei kleinen Hautkno- chen klappenartig bedeckten Öffnung. Die Zuleitung der Sehall- wellen zum Labyrinth kann bei Polypterus kaum von der äußeren durch die eben erwähnten kleinen Knochen geschlossenen Offnung erfolgen und müssen wir annehmen, dass dieselbe von der inneren Öffnung aus statt hat, was Ja um so weniger Schwierigkeiten macht, als die letztere nicht in die Rachenhöhle, wie bei den Selachiern, sondern in die Kiemenhöhle einmündet, welche mit dem äußeren Medium in weiter Kommunikation steht. Ein Vergleich des Spritz- lochs bei Polypterus mit dem blinden der Labyrinthregion anliegen- den Zipfel bei Knochenfischen stellt es außer allen Zweifel, dass beide homologe Bildungen sind, und dass der erwähnte Recessus der Kiemenhöhle bei Teleostiern nichts weiter ist als der dorsal abge- schlossene und dann erweiterte Spritzlochkanal. Eine anatomische Ursache für diesen Abschluss glaube ich in der Entwicklung des Hyomandibulare bei Knochenfischen suchen zu müssen. Während dieser Skelettheil bei Selachiern ein schlanker Knorpelstab ist, ver- breitet er sich bei Knochenfischen im Anschluss an die größere Entfaltung und Differenzirung der Muskulatur des Kieferapparates zu einer breiten Platte. Damit im Zusammenhang erstreckt sich auch die Pfanne dieses Knochens bei Teleostiern bis zum Postorbi- talfortsatz und bewirkt durch diese Ausdehnung nach vorn den Ver- schluss des Spritzlochs. Den besten Beweis für eine solche nach vorn zu stattfindende Verbreiterung des Hyomandibulare bietet das Verhalten des Haupt- stammes des N. facialis, des Truncus hyoideo-mandibularis. Bei Sela- chiern verläuft dieser Nerv, dem Hyomandibulare anliegend, vor dem- selben nach unten ; anders bei Teleostiern, bei denen er ganz gewöhnlich das Hyomandibulare durchbohrt. um an dessen Außenseite zu gelan- 214 M. Sagemehl gen. Es bedarf wohl kaum der ausführlichen Begründung dafür, dass eine solche scheinbare Durehbohrung des Knochens nur durch ein Wachsthum desselben nach vorn und durch Umschließung des Ner- ven zu Stande gekommen sein kann. Bei der Gelegenheit musste nothwendigerweise der Spritzlochkanal abgeschlossen und in einen blinden Anhang der Kiemenhöhle verwandelt werden, mit denselben topographischen Beziehungen, wie der zum Labyrinth in Beziehungen stehende Theil der Kiemenhöhle. An der Basis der Orbitalregion liegt im Innern des Schädels eine vorn und hinten gut begrenzte Einsenkung, welche einiger- maßen an die Sattelgrube der höheren Wirbelthiere erinnert (Fig.7). Nach hinten setzt sich diese Einsenkung unter die schon erwähnten Fortsätze der Ossa petrosa fort, wo sie blind endet; nach vorn wird sie von einem queren Knorpelwulste begrenzt, welcher an jeder la- teralen Ecke einen Knochenkern besitzt. Am Boden dieser Grube ist eine Lücke des Primordialeranium, die schon früher erwähnt worden ist, und die unten von dem Parasphenoid verschlossen wird. Gegen das Cavum cranii im engeren Sinne ist diese Grube durch eine starke sehnenglänzende Membran vollkommen abgeschlossen. Die letztere spannt sich von dem vorderen scharfen Rande der bei- den zusammenstoßenden horizontalen Flügel der Ossa petrosa zum vorderen Knorpelwulste hinüber. An den Seitenwänden des Schädels erstreckt sich diese Membran weit hinauf und befestigt sich etwa in der halben Höhe der Seitenwand an einer scharfen vom Ali- und Orbitosphenoid nach unten und medial vorspringenden Knochenleiste (Fig. 7 47). Der hintere Abschnitt dieser nach oben sich erstrecken- den Fascie umhüllt den N. trigeminus und facialis nahe deren Aus- trittsstellen aus dem Schädel: im vorderen Abschnitt stellt die er- wähnte Fascie die Membran vor, welche das Opticusfenster ausfüllt. Durch diese Fascie wird ein unter und zum Theil lateral von der eigentlichen, zur Bergung des Gehirns bestimmten Schädelhöhle gelegener Raum von der letzteren vollständig abgeschlossen. Der größte Theil dieses Raumes ist mit dem bekannten, bei Fischen weit verbreiteten Iymphoiden Fettgewebe erfüllt, das auch im übrigen Theil des Cavum eranii von Amia enthalten ist: außerdem liegen in ihm noch Nerven und Muskeln. In den seitlichen hinteren Theilen dieses Raumes verlaufen, wie schon angegeben, der Facialis mit seinem Ramus palatinus und der Trigeminus eine Strecke weit zwischen Membran und der knöchernen Seitenwand des Schädels, bevor sie zu ihren Austrittsöffnungen gelangen. Im vorderen Abschnitt Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. 215 wird die Membran vom Optieus durchbohrt. Im unteren Theil des abgeschlossenen Raumes liegen die Ursprungsstellen der Mm. reecti externi. Dieselben entspringen dicht hinter dem knorpeligen Quer- wulst, der die vordere Begrenzung der Grube bildet. nahe bei ein- ander nicht weit von der Mittellinie, verlaufen divergirend nach vorn und treten am hinteren unteren Rande der Fenestra optica in die Orbita. Somit besitzt auch Amia, eben so wie viele Knochenfische, einen Augenmuskelkanal, der allerdings nur wenig ausgebildet ist und einer oberen knöchernen Scheidewand gegen die Schädelhöhle hin ermangelt. Die Nn. abducentes durchbohren die Fascie von oben und treten sofort an die Mm. recti externi, so dass sie in der Orbita nicht sichtbar sind. Außerdem liegen in diesem Raume die Hauptstämme der Art. carotides. Auf der Decke des abgeschlosse- nen Raumes der erwähnten Fascie liegt die Hypophysis cerebri, mit den Lobis vasculosis in einer schwach ausgeprägten trichter- artigen Einsenkung. Wir kommen wieder auf die beiden Ossifikationen zurück, welche in den lateralen Ecken des vorderen Knorpelwulstes liegen. Die- selben sind von außen nicht zu sehen, nur am zerlegten Schädel, und nachdem die Fascie abgezogen ist, bekommt man sie zu Ge- sicht. BRIDGE hat diese paarigen Ossifikationen als Basisphenoidea bezeichnet und dieselben für homolog erklärt dem bekannten gewöhn- lich y-förmig gestalteten Basisphenoid vieler Knochenfische. Dieser Deutung muss ich mich vollkommen anschließen. Wenn wir uns vorstellen, dass außer den Recti externi auch noch die anderen Augenmuskeln in das Cavum cranii hineinwandern, so muss noth- wendigerweise der zwischen den Muskelgruppen beider Seiten gele- gene Knorpelwulst komprimirt werden und die beiden Ossifikations- centren zusammenriicken, um schließlich zu einem unpaaren, zwischen den Muskeln des rechten und des linken Bulbus liegenden Knochen zu verschmelzen. Dann sind aber die Verhältnisse gegeben. wie sie bei vielen Knochenfischen bestehen. Wenn man diese Deutung nicht annimmt, so muss man für Amia Ossifikationen postuliren, die bei keinem anderen Fische vor- kommen, und ihr einen weit verbreiteten Knochen absprechen. Es erwächst nun die Aufgabe, den Augenmuskelkanal von Amia mit dem der Knochenfische zu vergleichen und andererseits zu unter- suchen, ob er sich nicht von bekannten Bildungen bei tiefer stehen- den Formen ableiten lässt. Bei einem Vergleich mit den bei 216 M. Sagemehl Teleostiern gegebenen Organisationsverhiltnissen kann ich mich kurz fassen. | Der Hauptunterschied zwischen dem Augenmuskelkanal von Amia und dem der Knochenfische liegt darin, dass er bei den letz- — teren gegen die Schädelhöhle hin durch eine knöcherne Decke ab- geschlossen ist, während bei Amia diese Decke membranös ist. Die Bildung dieser Decke, an welcher sich die benachbarten Kno- chen, also vor Allem die Petrosa, durch Entwicklung von horizon- talen in der Mittellinie zusammenstoßenden Knochenfortsätzen bethei- ligen, ist bei verschiedenen Knochenfischen eine verschiedene und soll in späteren Arbeiten genau geschildert werden. Außerdem ist es bei Knochenfischen ganz gewöhnlich, dass der Augenmuskelkanal sich viel weiter nach hinten erstreckt, als bei Amia und bis in das Occipitale basilare hineinreicht. Es erfolgt dieses durch Weiterwach- sen der Augenmuskeln nach hinten, die sich auf diese Weise den Kanal selbst weiter aushöhlen. Was die phylogenetische Entstehung des Augenmuskelkanals betrifft, so hat GEGENBAUR die Vermuthung geäußert, dass der bei den Selachiern vorkömmende Canalis transversus bei Teleostiern zur Einlagerung von Augenmuskeln benutzt werde!. Bei Selachiern verläuft dieser Kanal von einer Orbita zur an- deren quer durch die knorpelige Schädelbasis und setzt beide peri- orbitalen Lymphsinus mit ‘einander in Verbindung; in einzelnen Fällen ist er gegen die Schädelhöhle hin nur durch eine Membran verschlossen. Dicht vor diesem Canalis transversus liegen die Ein- trittskanäle der Carotiden, die von dem ersteren bei einigen Formen ebenfalls nur durch eine Membran getrennt sind. In der Orbita inseriren sich die geraden Augenmuskeln in der nächsten Umgebung der äußeren Öffnung dieses Kanals; in deren nächsten Nähe liegt ebenfalls, wenigstens bei einigen Selachiern Hexanchus) die Aus- trittsöffnung des Nervus abducens. Für diese Auffassung spricht Vieles in dem Verhalten der betreffenden Theile bei Amia. Vor Allem ist der Umstand zu berücksichtigen, dass bei Amia der vom Cavum cranii abgeschlossene Raum von den Augenmuskeln nicht ausgefüllt wird, wie es bei Teleostiern der Fall ist, sondern zum srößten Theil von lymphoidem Gewebe erfüllt ist. Da wir nun nicht den geringsten Grund zur Annahme haben, dass Amia von Formen ! ©. GEGENBAUR, Untersuchungen zur vergl. Anatomie d. Wirbelthiere. Heft III. Das Kopfskelet d. Selachier 1872. pag. 78. Fans * Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. 217 abstammt, deren Augenmuskeln stiirker entwickelt waren und den genannten Raum ganz ausfüllten, so ist nur die Vorstellung möglich, dass Amia einen praeformirten an der Basis cranii gelegenen, lym- phatischen Raum besitzt, in welchen erst sekundär die Ansatzstellen der Recti externi hineinrücken. Dieser praeformirte Lymphraum kann aber, wenn wir uns nach homologen Gebilden bei niedriger orga- nisirten Fischen umsehen, nur dem Canalis transversus der Selachier entsprechen, welcher bei Amia sich ganz außerordentlich erweitert und verbreitert und schließlich auch die Carotidenkanäle und die umgebenden Nerven nahe ihren Austrittsöffnungen in seinen Bereich gezogen hat. Bei der Gelegenheit hat auch seine ursprünglich knor- pelige Decke einer membranösen Platz gemacht. So lange in diesen Organisationsverhältnissen, zwischen dem primitiven Befunde der Selachier und dem relativ schon weit differenzirten bei Amia keine Übergangsformen bekannt sind, muss die Anschauung von GEGEN- BAUR noch Hypothese bleiben; eine Hypothese, die allerdings viel für sich hat. Bei Annahme derselben wird vor Allem über den Ver- bleib des Canalis transversus der Selachier bei höheren Formen Rechenschaft abgelegt und sodann kommt man nicht in die missliche Lage bei Amia und bei den von ihr ableitbaren Teleostiern einen unter dem Cavum cranii gelegenen neugebildeten Raum anzunehmen, dessen Bedeutung und Homologie ganz räthselhafte wären. Die Regio olfactoria weist im Innern des Schädels zwei neben einander parallel von hinten nach vorn verlaufende weite Kanäle auf, die durch eine breite knorpelige Scheidewand von ein- ander getrennt werden und die mit den Foramina olfactoria am Bo- den der Nasengruben ausmünden. In diesen Kanälen, welche als direkte Fortsetzung des Cavum cranii aufzufassen sind, liegen die sehr dieken und derben N. olfactorii. Sie besitzen eine starke von den Hirnhäuten gebildete Hülle und innerhalb derselben liegen 7 bis 10 locker mit einander verbundene Nervenstränge, zwischen denen allem Anschein nach kein Austausch von Fasern statt hat. Bekanntlich lassen sich bei Fischen in dem Verhalten der Cen- traltheile des Geruchsorgans zu ihren peripherischen Endausbreitungen zwei Typen unterscheiden. In dem einen Falle liegen die Bulbi olfactorii der Riechmembran dicht an und sind durch lange Tractus mit dem Vorderhirn verbunden: ein einheitlicher Nervus olfacto- rius ist in diesem Falle nicht vorhanden, vielmehr treten viele ganz kurze Nervenfaserbiindel vom Bulbus zur Riechschleimhaut. In Morpholog. Jahrbuch. 9. 15 218 M. Sagemehl dem anderen Falle schließen sich die Bulbi olfactorii an die Hemi- sphären des Großhirns an und geben langen wirklichen Riechnerven den Ursprung. Es könnte auf den ersten Blick den Anschein haben, als wäre dieser Unterschied nur unwesentlich, als wäre der Bulbus olfaetorius kein integrirender Gehirntheil, sondern nur eine Anhäufung von Ganglienzellen im Verlauf der Riechnervenfasern, die an verschiedenen Stellen liegen könnte. Der typische. sehr charakteristische Unter- schied zwischen dem starken, mit einem derben Neurilemma ver- sehenen, peripher vom Bulbus gelegenen Nervus olfactorius und dem dünnen, nur von der weichen Pia umhüllten. central vom Bulbus lie- senden Tractus spricht dagegen. Eben so der von STaxxıus! her- vorgehobene Umstand, dass sich diese beiden angegebenen Lage- rungsverhältnisse der Bulbi olfactorii stets ausschließen: dass entweder ein dem Gehirn anliegender Bulbus vorkommt oder ein sich der Riechmembran anschließender: Fälle, wo ein central gelegener Bul- bus vorkommt und außerdem gangliöse Anschwellungen im weite- ren Verlauf der Riechnerven. existiren nicht. Außerdem sind unter den Fischen — allerdings höchst selten — Übergangsformen zwischen den beiden angegebenen Typen be- kannt, also Fälle, wo der Bulbus auf halbem Wege zwischen dem Gehirn und der Riechmembran gelegen ist, und wo er mit dem ersteren durch einen dünnen weichen Tractus. mit der letzteren durch einen starken. mindestens viermal so dicken derben Nerven verbun- den ist. Srannius hat den einzigen bis jetzt bekannten derartigen Fall bei dem Gadiden Raniceps fuscus beschrieben: weitere ganz ähnliche Verhältnisse finde ich bei den Characinidengattungen Hy- drocyon und Alestes. Aus der bloBen Betrachtung dieser beiden Typen ergiebt sich kein Anhaltspunkt, um ein Urtheil zu gestatten, welcher Typus der primäre und welcher der abgeleitete ist. Wie in so vielen anderen Fragen, so entscheidet auch hier die systematische, auf andere Or- ganisationsverhältnisse basirte Stellung der Formen, welcher der eine oder der andere Typus zukommt. Wir finden nun. dass der erste Typus bei allen Selachiern vorkommt, bei Holocephalen und bei gewissen Teleostiergruppen. die sich als sehr primitive cha- rakterisiren, nämlich, wie schon längst bekannt ist. bei den Silu- ! Stannıus, Das peripherische Nervensystem d. Fische. 1849. pag. 2. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 319 roiden, den Cyprinoiden, den Gadiden und wie ich gefunden habe, auch bei den Mormyriden. Der zweite Typus ist verbreitet bei den Ganoiden und bei der größten Mehrzahl der Teleostier. Es kann nach Allem diesem keinem Zweifel unterliegen, dass der erste Typus der primitive ist und dass sich aus ihm der andere Typus durch allmähliche Verkürzung des Traetus und Ausspinnung eines Nerven entwickelt hat. Bei Teleostiern erfolgt die Ausbildung eines Nervus olfactorius unter gewissen, wie es scheint. stets gleichen Bedingungen. Die Vergrößerung der Orbita führt zu einer Fenestration der seit- lichen Orbitalwand an deren vorderen Ecke, in der Nähe der ursprünglichen Lagerungsstelle des Bulbus olfactorius, wie man es sehr schön bei Charaeiniden sehen kann: diese sich weiter ausdeh- nende Usur ist die nächste Veranlassung zur Bildung eines Nervus olfactorius, welcher somit in der Orbita seinen Verlauf haben muss. Diese Verhältnisse scheinen ganz konstant bei Teleostiern zu sein: unter einer großen Anzahl der verschiedensten Formen fand ich stets entweder einen Nervus olfactorius in der Orbita oder einen langen Traetus in einer direkten bis zur Nasengrube reichenden Fort- setzung der Schädelhöhle. Bei dem schon erwähnten Hydrocyon liegt der Bulbus in einer besonderen Auftreibung des Orbitosphenoid: von ihm verläuft ein in der Orbita frei gelegener Nerv zur Riechmembran, und ein langer innerhalb des Cavum cranii gelegener Traetus zum Vorderhirn. so dass auch in diesem Falle die durchgehende Regel keine Ausnahme erleidet. Eine auffallende Ausnahme von diesem Verhalten machen alle Ganoiden. Bei diesen Fischen verläuft ein wirklicher Nervus olfacto- rius innerhalb der direkten Fortsetzung der Schädelhöhle und er- weist sich dadurch als eine Bildung, die unter ganz anderen. nicht näher bekannten Bedingungen entstanden sein muss. als die Riech- nerven der Knochenfische, und mit den letzteren daher in keinem genetischen Zusammenhang steht. Nur Lepidosteus macht von diesem konstanten Verhalten der Ga- noiden eine scheinbare Ausnahme. Der Riechnery verläuft bei Lepi- dosteus zuerst in einer triehterförmigen durch die Alisphenoidea gebildeten Knochenröhre.e. Am hinteren Rande der Orbita tritt er aus dieser Röhre heraus und liegt dem theils knorpeligen theils membranösen Interorbitalseptum lateral an: somit verläuft er an die- ser Stelle frei in der Orbita. Am vorderen Rande der Orbita treten 15* 330 M. Sagemehl beide Nerven in eine sehr lange knorpelige Doppelröhre ein, welche dem zum Primordialeranium gehörigen Theil des langen Rostrum dieses Fisches entspricht und an deren vorderem Ende die Riechgruben lie- sen. Auf den ersten Blick scheint hier ein Bildungsmodus vorzuliegen, welcher demjenigen der meisten Knochenfische vollkommen entspricht; doch ist das durchaus nicht der Fall. Wie schon erwähnt, beginnt die Fenestration der lateralen Schädelwand in der Nasalregion bei Knochenfischen am vorderen Rande der Orbita, an der Stelle, wo der Bulbus olfactorius der Riechschleimhaut anliegt und führt zur räumlichen Trennung desselben von der Membrana olfactoria und zur Ausspinnung eines Nervus olfactorius. Bei Lepidosteus ist die lange Doppeiröhre, in welcher die Nerven verlaufen, als ursprüngliche direkte Fortsetzung der Schädelhöhle aufzufassen; somit kann die Bildung einer interorbitalen Scheidewand bei diesem Fisch nicht von derselben Stelle ausgegangen sein, wie bei den Knochenfischen; es kann auch in dieser Fensterung nicht das ursächliche Moment für die Entstehung des Riechnerven gesucht werden. Derselbe muss eben bei Lepidosteus wie auch bei den übrigen Ganoiden ursprüng- lich seiner ganzen Länge nach in einer Fortsetzung der Schädelhöhle gelegen haben, die durch eine mediale Scheidewand in zwei Kanäle getheilt war; später schwanden die lateralen Wandungen im hinte- ren interorbitalen Theil derselben, und der Olfactorius kam auf diese Weise in die Orbita zu liegen. Es war mir im Laufe dieser Abhandlung mehrfach die Mög- lichkeit geboten, darauf hinweisen zu können, dass eine ganze Anzahl von Organisationsverhältnissen bei Knochenfischen sich ganz ungezwungen direkt von Amia ableiten lässt, und es könnte dar- aus die Ansicht entstehen, als ob dieses in allen Organen der Fall sei, und als sei Amia in der That ein direkter Vorfahr des Te- leostierstammes. Um so lieber nehme ich hier die Gelegenheit wahr auf die eben beschriebenen Verhältnisse in der Bildung des Riech- nerven hinzuweisen, in welchen Amia entschieden eine höhere Organi- sationsstufe erreicht hat, als gewisse niedrigstehende Knochenfische. Bei dieser Gelegenheit will ich es nicht unterlassen die morpho- logischen Verhältnisse der peripheren Geruchsorgane der Ganoiden und Teleostier etwas näher zu betrachten und mit den entsprechen- den Einrichtungen der Selachier zu vergleichen. Bei nieder organi- sirten Haien, z. B. bei den Notidaniden und bei Acanthias, ist an der unteren Fläche der Schnauze jederseits eine einfache Nasen- öffnung vorhanden, welche durch zwei vom Rande derselben ein- Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 221 springende Fortsätze, die Nasenklappen, unvollkommen in eine mediale und eine laterale Eingangsöffnung zerlegt wird. Bei höher organisirten Selachiern, unter den Haien bei Seyllien und bei vielen Rochen. erstreckt sich von der medialen Eingangs- öffnung eine mehr oder weniger tiefe Rinne zum oberen Rande der Mundöffnung. Es ist das die bekannte Nasolabialrinne, die ja auch in der Ontogenie der höheren Vertebraten auftritt und durch deren Schließung das mediale Nasenloch eine nach der Nasenhöhle sich öff- nende und eine am Rande der Oberlippe gelegene Mündung erhält. Die letztere entspricht der inneren Nasenöffnung der Dipnoer, Amphi- bien und Amnioten. Diese Verhältnisse sind durch GEGENBAUR längst klar gelegt, und es fragt sich nur, wie die Teleostier und Ganoiden sich hierin verhalten !. Nach der alten, auch von GEGENBAUR angenommenen Anschau- ung entsprechen die beiden Öffnungen der Nasengrube bei Knochen- fischen und Ganoiden den beiden unvollkommen von einander ge- trennten Mündungen der niedrig organisirten Selachier. Anders hat BaLrour? die Verhältnisse aufgefasst. Nach seiner Ansicht sind die hinteren Nasenöffnungen der höheren Fische homolog den inneren Nasenöffnungen der luftathmenden Wirbelthiere, welche durch eine allmählich erfolgte Achsendrehung der Nasenkapsel aus der Ober- lippe an die Oberfläche des Kopfes gerückt sind. Auf Grund meiner Beobachtungen an Fischen muss ich dieser Anschauung entgegentreten und mich der alten Auffassung anschlie- Ben. Es sind namentlich zwei Argumente, die ich gegen BALFOUR anzuführen habe: ein vergleichend-anatomisches und ein entwicklungs- geschichtliches. In der nächsten Umgebung der Nasenlöcher und in der Hautbriicke, welche vorderes und hinteres Loch trennt. fand ich bei einer Anzahl von Teleostiern, unter anderen auch bei allen von mir untersuchten einheimischen Cyprinoiden einen bis jetzt noch nicht bekannten kleinen Knorpel, der dem Nasenflügelknorpel, der Selachier ganz sicher homolog ist. Dieser Knorpel hat gewöhnlich die Gestalt einer 8: die beiden Schleifen umgeben die Nasenöffnun- gen, das mittlere Stück liegt in der Hautbrücke zwischen den Off- nungen. Er ist mit der Haut sehr fest verbunden, so dass eine Prä- paration mit Messer und Pincette nur schwer gelingt: dagegen ist ! C. GEGENBAUR, Grundzüge der vgl. Anatomie. II. Aufl. 1870. pag. 754 und: Das Kopfskelet der Selachier. 1872. pag. 97 u. 216. 2 F. M. BALFoUR, Handbuch d. vgl. Embryologie 1881. Bd. II. pag. 477. 222 M. Sagemehl es an mikroskopischen Schnitten durch die Nasenregion sehr leicht, sich von seiner Anwesenheit zu überzeugen. Er trägt den Charak- ter von Hyalinknorpel, und unterscheidet sich von dem Knorpel des Primordialeranium, mit dem er beiläufig gesagt nirgends in Zusam- menhang steht, durch viel dichter gelagerte Knorpelzellen. Auch bei Selachiern umgiebt der Nasenflügelknorpel in vielen Fällen die Nasenöffnung in Gestalt eines Ringes und entsendet Fortsätze in die Nasenklappen. Wenn man sich vorstellt, dass die Nasenklappen der Selachier mit einander verwachsen und die in ihnen enthaltenen Knorpelfortsätze mit einander verschmelzen, so resultiren Verhält- nisse, die sich von den bei den meisten Teleostiern bestehenden in nichts unterscheiden. Dass dieses die richtige Auffassung ist, lehrt die Entwicklungsgeschichte des Geruchsorgans bei Knochenfischen. Bei eben ausgeschlüpften Fischchen ist jederseits eine einfache un- getheilte Nasenöffnung vorhanden; so sehe ich es bei Lota vulgaris, beim Hecht, bei der Forelle und bei Chondrostoma nasus. Erst in nachembryonaler Zeit erfolgt bei den verschiedenen Formen bald frü- her, bald später eine Scheidung dieser Öffnung in ein vorderes und ein hinteres Nasenloch. Es wächst von der medialen und von der lateralen Peripherie je ein schmaler Hautlappen aus, der nach dem Centrum der Öffnung gerichtet ist. Sehr bald legen sich diese Fortsätze, welche den Nasenklappen der Selachier entsprechen, an einander und zwar liegt bei allen von mir untersuchten Formen der laterale Fortsatz hinter dem medialen. In diesem Stadium besitzt der Naseneingang der Knochenfische genau dasselbe Verhalten, wel- ches bei den Notidaniden und bei Acanthias sich bleibend erhält. Binnen kurzer Zeit verschmelzen diese beiden Nasenklappen der Knochenfische mit einander und der Naseneingang erhält seine de- finitive Gestalt, wenigstens für diejenigen Formen, bei denen die beiden Nasenlöcher dicht bei einander liegen. Da sich auch Lota vulgaris, deren hinteres und vorderes Nasenloch im erwachsenen Zustande weit von einander entfernt sind, ursprünglich ganz eben so verhält, so muss bei dieser Art später (leider fehlen mir diese späteren Stadien) ein Breiterwerden der Nasenbrücke und ein Ausein- anderrücken der Nasenlöcher stattfinden. Jedenfalls sind die Fische mit dicht beisammen liegenden vorderen und hinteren Nasenöffnun- sen als die primitiveren Formen zu betrachten, von denen sich solche Formen ableiten lassen, deren Nasenlöcher weit entfernt von einander liegen. Als die in einer bestimmten Richtung am weitesten fortgeschrittenen sind dann solehe Formen zu betrachten, bei denen Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 223 beide Nasenlöcher weit von einander entfernt sind und in der Ober- lippe liegen. Solehe Bildungen kommen unter Knochenfischen in der Familie der Muraenoiden bei Ophisurus und Verwandten vor! und haben auf den ersten Blick in der That eine gewisse Ähnlichkeit mit den ent- sprechenden Bildungen bei Dipnoern und Perennibranchiaten, und es scheint ‘mir nicht unwahrscheinlich zu sein, dass diese Eigenthüm- lichkeit der Ophisuren BALFrouUR zur Annahme einer Homologie der hinteren Nasenöffnung der Knochenfische mit der inneren Nasen- öffnung der luftathmenden Wirbelthiere verleitet hat. Eine auf eine größere Reihe von Formen ausgedehnte Vergleichung und die Ent- wieklungsgeschichte klären auch in diesem Falle den wahren Sach- verhalt auf und weisen nach, dass es sich nur um einen interessanten Fall einer »konvergenten Entwieklung« handelt. Welche Stellung den Teleostiern zukommt, die bleibend nur einen Naseneingang jederseits besitzen, wie z. B. Belone, die Poma- centriden, viele Chromiden etc. ist ohne Kenntnis der Entwicklungs- geschichte nicht mit absoluter Sicherheit zu entscheiden. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass die nächsten Verwandten dieser Fische (Cyprinodonten, Labroiden) das gewöhnliche Verhalten zeigen, so ist es wohl kaum fehlgegriffen, anzunehmen, dass bei den eben erwähn- ten Formen ganz einfach die trennende Hautbrücke zwischen beiden Nasenöffnungen sekundär reducirt ist. Wie in so vielen anderen Organisationsverhältnissen , so erwei- sen sich auch in dem Verhalten der Nasenöffnungen die niedrig organisirten Selachier als der Ausgangspunkt, von dem aus zwei divergirende Reihen abgeleitet werden können; auf der einen Seite die höheren Fische, auf der anderen die luftathmenden Wirbelthiere. Wie schon früher von mir erwähnt wurde, liegt das vordere und das hintere Nasenloch von Amia weit von einander entfernt und repräsentirt somit Amia einen Zustand, der gegenüber dem ge- wöhnlichen Verhalten der Knochenfische, als ein weiter entwickelter gelten muss. In der breiten Hautbrücke zwischen beiden Nasen- löchern ist das Os nasale eingebettet. Es ist unter diesen Umstän- den durchaus nicht wunderbar, dass ich bei diesem Fische trotz besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit keine Spur eines Na- ! LÜTKEN, Nogle Bemaerkninger om Naeseborenes Stilling hos de i Gruppe med Ophisurus staaende Slaegter af Aalefamilien. Videnskabl. Meddelelser fra d. naturhistoriske Forening i Kjöbenhavn 1851. 924 M. Sagemehl senfliigelknorpels in der Umgebung der Nasenlöcher habe auffinden können. Das Nasale hat eben dessen ursprüngliche Funktion, den Naseneingang zu stützen, übernommen und einen Nasenflügelknorpel entbehrlich gemacht. ~ Es bleibt mir noch übrig zum Schluss der vorliegenden Arbeit eine Parallele zwischen dem Cranium von Amia und demjenigen der Selachier, von denen es sich noch am ungezwungensten ableiten lisst, zu ziehen und die Ahnlichkeiten und Unterschiede hervorzu- heben. Im Ganzen sind die letzteren viel geringer als man a priori erwarten sollte. Der fundamentalste Unterschied zwischen dem Schädel von Amia und dem der Selachier wird durch das Auftreten von großen zusammenhängenden Ossifikationen bei der ersteren be- dingt. Diese Ossifikationen können das Primordialeranium entweder bloß überlagern, oder aber sie verbinden sich mit demselben aufs innigste und ersetzen ursprünglich knorpelige Regionen desselben, ohne deren Gestalt zu alteriren. Das erste Auftreten von größeren zusammenhängenden Massen von Knochengewebe in der Reihe der Fische bezeichnet einen der größten und weittragendsten Fortschritte im Entwicklungsgange der Wirbelthiere. Es tritt hier zum ersten Mal ein Gewebe auf, das sich als Schutz- und Stützmaterial sehr viel geeigneter erweist, als der Knorpel. Ein Blick auf eine Reihe von Selachier- und Teleo- stierschädeln genügt, um sofort die ganze Bedeutung dieses »Ereig- nisses« klar zu stellen. Der ganze Habitus ist ein anderer geworden. An Stelle der plumpen Selachierschädel ist eine leichte graeiöse Bauart getreten. Die weichen abgerundeten Konturen des ersteren sind durch eckige. häufig bizarre Schädelformen ersetzt, an welchen jede Muskelgrube und jeder Sehnenansatz scharf ausgeprägt erscheint. Das neue Bau- material übertrifft das alte eben nicht allein an Resistenzfähigkeit. sondern ist ihm auch an plastischer Modellirfähigkeit weit überlegen. Auch noch innerhalb der höheren Fische lassen sich in dieser Hin- sicht ganz deutliche Abstufungen auffinden. Die Knochenganoiden und ein Theil der Physostomen erinnert in den abgerundeten Kon- turen, in der geringen Ausbildung der Muskelgruben und Cristen noch sehr an die Selachier, und erst in den am höchsten entwickel- ten Gruppen der Fische, namentlich bei den Acanthopterygiern, kommt der weiter differenzirte Typus zur vollen Geltung. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 225 Das Primordialeranium von Amia zeigt — ganz abgesehen von dem Umstande, dass es zum Theil aus anderem Material besteht, — wenig Unterschiede von dem der Selachier. Zunächst hat die Hin- terhauptregion von Amia, durch Assimilation einiger Wirbel, einen anderen morphologischen Werth erhalten, als die entsprechende Re- gion der Selachier, ohne dass ihre Gestalt durch diesen Vorgang wesentlich verändert wäre. Nur ihre Länge hat gegenüber dem Ver- halten bei Selachiern bedeutend zugenommen, was sich durch den eben erwähnten Umstand ja hinlänglich erklärt. Der nach hinten gegen die Occipitalregion abfallende Theil der Schädeldecke lässt Verhältnisse erkennen, die im Wesentlichen schon bei Selachiern bestehen. Der mediale knorpelige nach hinten gerich- tete Vorsprung ist schon bei den Notidaniden als knorpelige Mus- keleriste entwickelt. Eben so ist es nicht schwer in den mittle- ren von den Exoceipitalia eingenommenen Vorsprüngen bei Amia die durch die vorspringenden hinteren Bogengänge bedingten Knor- pelleisten der Selachier zu erkennen. Bei einzelnen Haien. z. B. bei Seyllium, sind auch schon die lateralen hinteren Ecken des Schä- dels, die bei Amia von den Intercalaria eingenommen werden, ganz gut ausgebildet. Bei Seyllien lässt sich auch schon zwischen der Crista des hinteren Bogenganges und dem zuletzt erwähnten latera- len Schädelvorsprung eine bis in die Gegend des Postorbitalfortsatzes reichende Einsenkung des Schädeldaches erkennen, die bei Amia von den darüber liegenden Hautknochen überbrückt und zur Tempo- ralhöhle geschlossen wird. In der Labyrinthregion finden wir bei Selachiern die Labyrinth- höhle gegen das Cavum cranii abgeschlossen, bei Amia durch eine wahrscheinlich von der Peripherie des Acusticusloches ausgegangene Fenestration weit offen. An der Außenfläche der Labyrinthregion sind die durch die Ge- lenkpfanne des Hyomandibulare bedingten Veränderungen die auffal- lendsten. Es ist mir schon Gelegenheit geboten worden auf die Ver- breiterung des Hyomandibulare nach vorn bis zum Postorbitalfortsatz bei höheren Fischen hinweisen zu können. An dieser Stelle möchte ich nur noch hervorheben, dass von sämmtlichen Selachiern die Noti- daniden in der Lage des Hyomandibulargelenks mit Amia und mit den Teleostiern noch am meisten übereinstimmen. Die an der Schädeldecke vieler Selachier vorkommenden Parie- talgruben, welche die erweiterten blinden Endabschnitte der Aquae- ducti vestibuli aufnehmen, fehlen bei sämmtliehen Ganoiden und 226 M. Sagemehl Teleostiern. Es hängt dieses offenbar zusammen mit der geringen Ausbildung der Aquaeducti bei den höheren Fischen gegenüber den Selachiern. An der Basis des Primordialschädels finden wir bei höheren Fi- schen ganz durchgehend eine Fenestration in der Gegend der Hypo- physis cerebri, die bei Selachiern fehlt. Postorbital- und Antorbitalfortsätze kommen sowohl den meisten Selachiern als aueh Amia und fast allen Teleostiern zu. In der Orbitalregion finden wir das Opticusloch der Selachier, das schon bei diesen eine beginnende Erweiterung erkennen lässt, bei Amia durch ein großes Fenster vertreten. Der bei vielen Selachiern vorhandene knorpelige Augenträger ist bei Amia durch einen fibrösen Strang repräsentirt. Ein durch vorspringende Leisten des Primordialeranium gebilde- ter Boden und eine Decke der Orbita, wie sie vielen Selachiern zu- kommen. sind bei Amia nur in Spuren vorhanden. Die für Selachier sehr charakteristische Praefrontalliicke der Decke des Primordialschädels fehlt bei Amia, scheint dagegen bei ge- wissen Familien der Knochenfische, bei Cyprinoiden und Characini- den, vorhanden zu sein. Ziemlich beträchtliche Verschiedenheiten sind im Aufbau der Nasalregion der Selachier und der höheren Fische mit Einschluss von Amia zu konstatiren. Während die Nasenöffnungen der Sela- chier an der unteren Fläche der Schnauze liegen, Öffnen sie sich bei höheren Fischen ohne Ausnahme an der lateralen oder an der obe- ren Fläche des Kopfes; außerdem sind die gut entwickelten Nasen- kapseln der Selachier bei Amia und bei den Knochenfischen auf ziem- lich flache Gruben reducirt. Ein dem Nasenfliigelknorpel der Selachier homologes Gebilde fehlt Amia vollkommen, lässt sich jedoch, wie oben dargethan ist, bei gewissen Knochenfischen nachweisen. Ein fernerer nicht unbe- deutender Unterschied in der Bildung der Nasalregion bei den höhe- ven Fischen und bei Selachiern wird dadurch bedingt, dass bei den ersteren an der unteren Fläche der erwähnten Region Gelenkhöcker zur Artikulation mit dem vorderen Ende des Palatinbogens ent- wickelt sind. Die vielen Selachiern zukommenden so charakteristischen durch- brochenen Rostra fehlen den höheren Fischen entweder gänzlich oder sind durch einfache undurchbrochene Gebilde vertreten, die sich in dieser Beziehung den Rostra der Notidaniden nähern. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. 9937 Alles zusammengefasst, ergiebt sich, dass wenige Organisations- verhältnisse von Amia nicht als direkte Fortentwicklung von bei Se- lachiern bestehenden Verhältnissen angesehen werden können. Hierher gehört die verschiedene Verlaufsweise des Ramus pala- tinus bei Selachiern und bei den höheren Fischen, deren Verhält- nisse auf einander nicht direkt zu beziehen sind. Doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir es in diesem Falle mit einem Vikariiren von ganz differenten sensiblen Nervenästen zu thun haben, wie es bei Fischen ja sehr häufig vorkommt. In den allermeisten Organisationsverhältnissen des Schädels lässt Amia eine direkte Weiterbildung von Verhältnissen erkennen, die schon bei Selachiern be- stehen; und namentlich sind es die am wenigsten diffe- renzirten Selachier — die Notidaniden, welche die deutlichsten Beziehungen zu Amia erkennen lassen. Die unterscheidenden Merkmale zwischen dem Cranium von Amia und dem der Teleostier anzugeben ist sehr schwer. Es giebt eben nur sehr wenige Charaktere des Schädels von Amia, die nicht in der einen oder in der anderen Teleostierfamilie gefunden würden, und auch diese wenigen unterscheidenden Charaktere sind Amia nicht ausschließlich eigen, sondern werden auch bei anderen Ganoiden ange- troffen. Hierher gehört die kontinuirliche ungefensterte knorpelige Decke des Primordialschädels, die bei Teleostiern stets Lücken er- kennen lässt, dagegen unter den Ganoiden bei den Accipenseriden ihre Integrität bewahrt hat. Ein zweites wichtiges Merkmal ist der Mangel eines Os oceipitale superius bei Amia und bei sämmtlichen übrigen Ganoiden, während es bei Teleostiern ganz konstant vor- kommt. Ein drittes Merkmal — den schon oben besprochenen Ver- lauf des Nervus olfactorius in einer direkten Fortsetzung der Schädel- höhle, theilt Amia ebenfalls mit allen übrigen Ganoiden. Nachtrag. Erst als diese Arbeit zum Druck abgegeben war, erhielt ich die Abhandlung von J. van Wine »Über das Visceral- skelet und die Nerven des Kopfes der Ganoiden« (Niederländ. Arch. f. Zoolog. Bd. V Heft 3, 1882), in welcher die Gehirnnerven von Amia beschrieben sind. Es freut mich, dass van WIJHE mit mir in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt. Eben so muss ich kon- statiren, dass schon vAN WIJHE auf die Wichtigkeit der Schleim- kanäle bei der Bestimmung der Knochen des Schädeldaches auf- merksam gemacht hat (l. ec. pag. 228). Erklirung der Abbildungen. Non Tafel X. Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. Ob Occipitale basilare, OcI u. II erster und zweiter Occi- Ol Occipitale laterale, pitalbogen, Ex Occipitale externum, . ocI, II u. III Austrittsöffnung des Ic Intercalare, ersten bis dritten Oceipitalnerven, Pe Petrosum, ve Vagusloch. Sq Squamosum, gph Glossopharyngeusloch, Psf Postfrontale, fa Facialisloch, Prf Praefrontale, Tr Öffnung für den II. u. II. Trige- Pa Parietale, minusast, F Frontale, tr Öffnung f. d. ersten Trigeminusast, Ps Parasphenoid, op Opticusfenster, Na Nasale, cb Gefäßkanal d. Oceip. basilare, An Antorbitale, ca Öffnung f. d. Carotis. Eth Ethmoideum, es Canalis semicircularis anterior, Vo Vomer, ce - - externus, Smx Septomaxillare, cp - - posterior, Pmx Praemaxillare, _ ep Epiphysarleiste. Os Orbitosphenoid, tg Temporalgrube. As Alisphenoid, fh Hypophysarfenster. Fig. 1. Schädel von Amia calva von oben in natürl. Größe. Fig. 2. - - - - - unten. Fig. 3. - - - - der Seite. Fig. 4. - - - - - von hinten. Fig. 5. Primordialschädel (nach Entfernung aller Deckknochen) von Amia calva von oben. Fig. 6. Dessgl. von unten. Fig. 7. Der Länge nach durchsägter Schädel von Amia von innen. Fig. 8. Querschnitt des Schädels von Amia durch die Gegend der Nasen- gruben. Diese Figur ist eben so wie die nachfolgenden nicht nach der Natur gezeichnet, sondern nach einem der Länge nach durchsägten Schädel mit Zirkel und Maßstab konstruirt. Fig. 9. Querschnitt des vorderen Abschnittes der Orbitalregion. Fig. 10. Dessgl. durch die Gegend der Fenestra optica. Fig. 11. Dessgl. in der Höhe des Facialislochs. Fig. 12. Dessgl. durch die Labyrinthregion dicht vor dem Glossopharyngeusloch. Vert v WA Sh giant Leipzig. u Zn le Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. Von Dr. F. Maurer, Assistent am anatomischen Institut in Jena. Mit Tafel XI u. XII. Von den knorpeligen, resp. knéchernen Bogenpaaren, welche sich bei Fischen am Anfang des Darmkanals in der Wandung der Mund- und Rachenhöhle eingelagert finden, hat sich bei Teleostiern bekanntlich nur ein Theil als wahre Kiemenbogen, das heißt als Träger respirirender Kiemenstrahlen erhalten. Es sind in der Regel vier, seltener drei oder nur zwei Bogen- paare. Die beiden vor diesen gelagerten Paare haben sich ihrer Funktion gemäß in anderer Richtung ausgebildet. Der erste dient als Kieferbogen der Nahrungsaufnahme, der zweite, der Zungen- beinbogen, hat die Funktion eines Schutzapparates der wahren Kie- menbogen übernommen, sein unterer Theil bildet außerdem die Stütze der Zunge. Auf ihre Homologie mit den wahren Kiemenbogen wer- den wir unter Anderem durch verschiedene kiemenartige Bildungen, die sich an ihnen finden, hingewiesen. Bei Selachiern findet sich der Zungenbeinbogen noch kaum verschieden von den wahren Kie- menbogen, hat noch respiratorische Funktion. Auch in der Spalte zwischen Kiefer- und Zungenbeinbogen findet sich ein kleines, kie- menartig gebautes Organ, die sogenannte Spritzlochkieme. Sie lagert der vorderen Wand des Spritzlochkanales an, ist jedoch nicht mehr respirirendes Organ. Bei Ganoiden, bei welchen der obere Theil des Zungenbeinbogens als Hyomandibulare sich zum Träger des Unterkiefers entwickelt hat, bei welchen ferner der Kie- mendeckel großentheils im Zusammenhange mit diesem Bogen 230 F. Maurer gebildet wird, findet sich entsprechend der Spritzlochkieme der Sela- chier eine Pseudobranchie, die nicht mehr respirirt: ferner neben dieser eine aus einer Reihe Kiemenstrahlen bestehende Kiemen- deckelkieme, die respiratorische Funktion hat. Bei Teleostiern hat sich gleichfalls ein Organ erhalten, das in seinen Lageverhältnissen der Kieme des Zungenbeinbogens bei Se- lachiern, so wie der Kiemendeckelkieme der Ganoiden entspricht. Die Spritzlochkieme der Selachier, die sich bei Ganoiden als Pseudo- branchie noch findet und dem Kieferbogen angehört, ist bei Teleo- stiern ganz riickgebildet. Auf die Zulässigkeit der Bezeichnung »Pseudobranchie« werde ich am Schlusse noch zurückkommen. Die Pseudobranchien der Knochenfische sind längst bekannt und mehrfach beschrieben worden. Der Name »Pseudobranchie« rührt von BROUSSONET her, welcher betont, dass das Organ im Gegensatz zu den wahren Kiemen nur einfache Blättchen habe, dass ferner eine knöcherne Stütze fehle. Er gesteht ihr respiratorische Funktion zu. Später hat RAruke das Organ bei Clupeen und Salmonen unter- sucht. Auch er lässt es kiemenartig gebaut sein. Das Blut fließt der Nebenkieme aus verschiedenen Kopfvenen zu, sammelt sich aus ihr wieder in ein Gefäß, welches sich mit dem Hauptstamme der Kiemenvenen vereinigt. Auch nach ihm bleiben demnach die Pseu- dobranchien respiratorische Organe. Darin stimmen mit RATHKE noch MECKEL und LEREBOULLET überein. HyrrL war der Erste, welcher bewies, dass die Nebenkiemen mit arteriellem Blute versorgt wer- den. Am genauesten untersucht wurden die Pseudobranchien der Fische von Jon. MÜLLER. Er stellte im Hinblick auf die Art ihrer Blutversorgung fest, dass sie keine respiratorische Bedeutung haben können und fand sie ferner bei einer großen Anzahl von Knochen- fischen auf, bei welchen man sie in Folge ihrer unter der Schleim- haut versteckten Lage nicht gekannt hatte. JoH. MÜLLER zeigte außerdem, dass ihre Ausbildung für die Systematik von hohem In- teresse ist. Seine Abhandlung liegt der vorliegen Arbeit hauptsäch- lich zu Grunde. In der neueren Litteratur findet sich nichts Genaueres über die Pseudobranchien. Weder ihr feinerer Bau noch ihre Entwiek- lung, besonders bei verdeckten Formen, ist seither bekannt geworden. Als Herr Geheimrath GEGENBAUR mich auf diese Fragen hinwies. war es mir daher eine angenehme Aufgabe, dieselben zum Gegen- stande der folgenden Untersuchungen zu machen. Was die Verbreitung der Pseudobranchien unter den Teleostiern Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 231 anlangt, so giebt JOH. MULLER ein genaues Verzeichnis der Fisch- arten, welche freie, verdeckte oder keine Pseudobranchien besitzen und möchte ich darüber auf ihn verweisen. — Die Lage des Or- gans betreffend, so findet es sich der Innenfläche des Kiemendeckels an dessen Basis, d. h. seiner Anheftungsstelle am Schädel angela- gert, nach außen und etwas nach vorn von der Insertion des ersten wahren Kiemenbogens an die Basis cranii. Die Nebenkieme besteht aus einer verschiedenen Anzahl von Federn, welche dicht neben einander gelagert sind und deren jede sich makroskopisch wie ein Kiemenstrahl darstellt. Dieselben sind mit ihrer Basis dem Kiemendeckel angeheftet, ihre Spitze ragt frei nach oben. Sie zeigen sich indessen nicht bei allen Knochenfischen in dieser Weise frei vorliegend, sondern sind bei manchen von der Rachenschleimhaut überkleidet. Danach unterscheidet Jon. MULLER zwei Formen, nämlich freie oder kiemenartige und verdeckte oder drüsige Pseudobranchien. Erstere Form findet sich z. B. bei Alausa und Barbus, letztere bei Esox und Gadus. Nun beschreibt Jon. MÜLLER diese Organe auch bei Salmo und giebt an, dass bei die- sem die Federn zur unteren Hälfte von einer derben fibrösen Haut und Schleimhaut überzogen, nur in ihrer oberen Hälfte frei seien. Er rechnet diese Formen kurzweg den freien Nebenkiemen zu: ich möchte sie indessen als Übergangsform zwischen freie und ver- deckte stellen, und werde noch darauf zurückkommen. Diese Form findet sich auch bei Tinca. Was die Blutversorgung des Organes betrifft. so ist dieselbe bei erwachsenen Thieren von JoH. MÜLLER festgestellt und möchte ich nur daran erinnern, dass drei Arten zu unterscheiden sind. Er- stens können die Pseudobranchien ihr Blut beziehen aus einem Zweige des Circulus cephalicus, der aus dem dorsalen Zusammenfluss der Kiemenvenen entsteht. So finden wir es bei Esox. Ferner kann ihnen Blut zufließen durch die Arteria hyoidea, welche aus der ven- tralen Fortsetzung der ersten Kiemenvene entsteht. Diese Form wird durch Salmo repräsentirt. Endlich kann auch die Versorgung mit Blut aus diesen beiden Gefäßen stattfinden, wie es sich z. B. bei Gadus verhält. Bei letzterem fließen die beiden Blutgefäße in der Nähe der Basis der Pseudobranchie zusammen. so dass nur ein Stämmchen in das Organ eintritt. In allen Fällen wird demnach die Nebenkieme von Kiemenvenen d. h. arterielles Blut führenden Gefäßen versorgt. Das Blut hat, bevor es zur Nebenkieme gelangt. schon die wahren Kiemen passirt. Die Vene, welche das Biut aus 232 F. Maurer der Pseudobranchie abfiihrt, stellt immer die Arteria ophthalmica magna dar, welche ausschließlich die Choroidea des Auges ver- sorgt. Man hat sich bei den Injektionen, die zur Untersuchung unent- behrlich sind, nach diesen Verhältnissen zu richten. Bei Gadus kann man von der Aorta thoracica oder der Arteria hyoidea aus die Pseudobranchie injieiren. Bei Salmo ist die Arteria hyoidea zu wäh- len, weil bei Injektion von der Aorta aus der größte Theil der Masse in die wahren Kiemen fließt, und eine Füllung der Nebenkieme zu hohen Druck erfordern würde. Bei Esox ist die Aorta am geeignetsten, weil die Arterie der Pseudo- branchie hier aus dem Gebiet der Aortenwurzeln direkt entspringt. Bei allen Formen kann man die Nebenkieme von der Arteria ophthalmica magna aus allein injieiren. Der Stamm der Arterie wie der Vene verläuft in der Basis der Ne- benkieme und zwar trifft man beim Einschneiden von der Schleimhaut aus zuerst auf die Vene, tiefer liegt die Arterie. Die Gefäße verlaufen längs der Basis und stehen mit jeder Feder durch je ein Stämmechen in Verbindung. Die genaueren Verhältnisse sind später zu besprechen. Am eingehendsten untersuchte ich zunächst die Pseudobranchie von Esox lucius (Taf. XI Fig. 1). Sie ist wohl die am meisten modifieirte Form. Nicht allein, dass sie unter der Rachenschleim- haut verdeckt liegt, auch ihre Lage ist nicht an der Basis des Kie- mendeckels, sondern das Organ findet sich beim Hecht näher der Medianlinie, beiderseits der Basis cranii angelagert. Außerdem be- steht es nicht aus einer einfachen Reihe von Federn, sondern es finden sich zwei Lagen, und die Federn sind so unregelmäßig ge- krümmt, besonders in der oberflächlichen Schicht, dass bei bloßer Betrachtung das Ganze den Eindruck einer acinösen Drüse macht. Trotzdem möchte ich den Ausdruck »drüsige« Pseudobranchie voll- kommen streichen, da sich nirgends ein acinöser Bau, ein Lumen oder ein Ausführungsgang nachweisen lässt. Bei der eigenthümlichen Lage und Ausbildung des Organs drängt sich naturgemäß die Frage auf: Kommen diese Verhältnisse der Nebenkieme des Hechtes von Anfang an zu, oder finden sich Jugendzustände, welche das Organ den freien Pseudobranchien anderer Knochenfische näher stehend er- scheinen lassen? Ehe ich indessen zu diesen entwicklungsgeschicht- liehen Fragen übergehe, erscheint es zweckmäßig, die Verhältnisse der Pseudobranchie, besonders ihren feineren Bau, beim ausgebilde- ten Hechte kurz klar zu legen. Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 233 Was zunächst die Lage des Organs anlangt, so bringt man es sich am besten zur Anschauung, indem man den Kopf des Hechtes auf den Rücken legt und die Copulae der Kiemenbogen so wie das Zungenbein und den Unterkiefer der Mittellinie entsprechend ventral lingsspaltet. Spannt man sodann die getrennten Theile nach beiden Seiten aus einander, so ist die dorsale Gaumen- und Rachenwand leicht zugänglich gemacht. Man präparirt nun daselbst die Schleim- haut von vorn nach hinten ab und hat noch ein Stück des queren Gaumenmuskels an dessen hinterem Rande zu entfernen. Dann liegt die Pseudobranchie zu Tage, beiderseits vor und lateral von der Ansatzstelle des ersten Kiemenbogens, seitlich der Schädelbasis an- gelagert. Hat man durch die Aorta, wie es hier am zweckmäßig- sten ist, Masse in die Gefäße injieirt, so muss man ein Stück aus der Kontinuität des Parasphenoid entfernen, um den Circulus cepha- lieus vollständig präpariren zu können. Man hat dann zugleich das gröbere Gefäßverhältnis der Pseudobranchie dargestellt (Taf. XI Fig. 1). Letztere zeigt sich als ein spindelförmiges Organ, schräg von vorn und medial nach hinten und lateral gelagert. Nach hinten und außen ist es ziemlich scharf zugespitzt, während es vorn und innen an der Ein- resp. Austrittsstelle der Gefäße dicker und rundlicher ist. Bei oberflächlicher Betrachtung sieht das Ganze wie eine aci- nöse Drüse aus. Wenn man aber die bindegewebige Hülle, die es umkleidet, entfernt, so sieht man schon mit bloßem Auge, dass es aus einer Anzahl zarter weißer Federchen zusammengesetzt ist. Noch besser bringt man dies zur Anschaung, wenn man das Organ herauspriparirt und für sich untersucht. Man findet es dann aus zwei Schichten von Federn bestehend. Die tiefere Lage (Taf. XI Fig. 2) hat eine Reihe von 12 Federn, die theils gestreckt, meist aber an der Spitze oder auch in ihrer ganzen Länge gekrümmt sind. Indessen liegen die Federn in dieser Schicht noch deutlich regel- mäßig neben einander, sind schräg nach oben, außen und hinten gerichtet. In der oberflächlichen Lage (Taf. XI Fig. 3) sind die Federn viel unregelmäßiger verbogen und in Folge dessen schwerer zu entwirren. Doch gelingt es auch hier und es finden sich ebenfalls 11 oder 12 Federn. Die tiefere Lage stellt eine Platte dar, während die oberflächliche mit ihren stark gewundenen Federn mehr walzenförmig ist, wodurch die spindelförmige Gestalt des ganzen Organs bedingt wird. Am unteren Rande der Pseudobranchie, den Hecht in natürlicher Lage schwimmend gedacht, verlaufen der Längsachse des Organs ent- sprechend die zu- und abführenden Hauptgefäße. Dieselben bestehen Morpholog. Jahrbuch. 9. 16 234 F. Maurer in einer Arterie und einer Vene, und zwar ist jede derselben den beiden Federlagen gemäß in zwei Äste getheilt, die sich erst an ihrer Ein- resp. Austrittsstelle am vorderen medialen Ende der Nebenkieme zu je einem Stamme vereinigen. Das Blut zuführende Gefäß, die Arterie der Pseudobranchie, ist ein 2 mm langer Ast des Cireulus cephalicus, der 1 cm vor der Einmündungsstelle der ersten Kiemenvene abgeht (die Maße entsprechen einem Exemplar von 35 cm Körperlänge). Das Gefäß entspringt fast vereint mit einem Zweige, der parallel dem Parasphenoid beiderseits nach vorn zur Nase verläuft. Das Blut abführende Gefäß, die Vene der Pseudo- branchie, stellt die Arteria ophthalmica magna dar. Sie verläuft zuerst nach vorn und medial, anastomosirt mit dem gleichen Gefäße der andern Seite und schlägt sich dann um den genannten zur Nase verlaufenden Ast des Cireulus cephalicus, um nach vorn und außen mit dem Opticus, demselben an seiner unteren Fläche dicht angela- gert, zum Auge zu treten. Isolirt man eine Feder der Nebenkieme, um ihren Bau kennen zu lernen, so sieht man mit der Lupe, dass sie einen mittleren Kiel besitzt, welchem beiderseits je eine Reihe zarter weißer Blätt- chen angeheftet sind. Letztere sitzen dem Kiel schräg an, derart, dass sie nach außen und oben, der Federspitze zu gerichtet sind. Mehr kann man mit der Lupe kaum erkennen. — Um den mi- kroskopischen Bau der Federn kennen zu lernen, legte ich Schräg- schnitte durch eine solche, nachdem sie in Paraffin eingebettet war. Der Schnitt soll so verlaufen, dass man auf der einen Seite des Kiels eine Lamelle in Flächenansicht bekommt, während auf der anderen Seite mehrere Lamellen quer und schräg getroffen werden (Taf. XI Fig. 4). Man sieht dann zunächst im Kiel einerseits die Arterie und davor einen Knorpel, andrerseits die Vene, alle drei quer getroffen. Von der Arterie zum Knorpel und zur Vene verlaufen spindelförmige, zum Theil verästelte Zellen mit länglichen Kernen. Auf der Seite des Kiels, auf welcher mehrere Lamellen in Quer- und Schrigschnitten getroffen sind, sieht man, wie jede solche aus drei Schichten besteht: einer mittleren Blutkapillarschicht und auf jeder Seite derselben eine einschichtige Zelllage, die aus großen fast kubischen, an manchen Stellen selbst eylindrischen Zellen mit großen runden Kernen zusammengesetzt ist. An dem Flächenschnitt durch eine Lamelle auf der anderen Seite des Kiels bekommt man ein verschiedenes Bild, je nachdem man eine der Zelllagen oder die Blutkapillarschicht trifft. Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 235 Hat man eine der ersteren vor sich, so erkennt man wieder die großen, auf der Fläche polygonalen Zellen mit ihren großen runden Kernen, deren jeder einen oder mehrere Nucleoli enthält. Trifft man die Kapillarschicht, so sieht man, wenn das Präparat injieirt ist, am schönsten die Blutvertheilung in der Lamelle (Taf. XI Fig. 5). Dieselbe habe ich wesentlich anders gefunden, als Jon. MÜLLER sie in seiner vergleichenden Anatomie der Myxinoiden angiebt, bei der Besprechung der Pseudobranchien der Knochenfische in dem Kapitel über das: »Gefäßsystem der Pseudobranchien«. Er sagt daselbst. dass die feinere Vertheilung des Blutes in der Nebenkieme nur im Allgemeinen derjenigen der wahren Kieme entspreche, indem die von der Arterie der Feder in jedes Blättchen abgehenden Astchen in gro- ßen Bogen durch die Blättchen treten, um sich zur Vene auf der anderen Seite zu vereinigen, während bei den wahren Kiemen ein feinmaschiges Kapillarnetz sich finde. Im Gegensatz dazu sah ich die Kapillarbildung vollständig derjenigen der wahren Kieme ent- sprechend. Von der Arterie im Kiel geht ein kurzes Ästchen in die getroffene Lamelle, löst sich sofort in ein feinmaschiges Kapillarnetz auf und sammelt sich auf der anderen Seite wieder zu einem eben- falls sehr kurzen Stimmchen, das sich in die Federvene ergießt. In den Maschen der Kapillaren liegen die kleinen Zellkerne dieser mittleren Lamellenschicht, welche sich mit Boraxkarmin viel inten- siver färben, als die großen Kerne der Zellen der beiden äußeren Lagen. Auf Längsschnitten durch eine Feder erkennt man außer den drei Schichten der Lamellen, dass von der Arterie des Kiels zu jedem Blittchen ein Ästehen tritt. Zuweilen entspringen die Zweige zu mehreren Lamellen gemeinsam, theilen sich erst direkt vor den Blättehen in 2—4 Astchen, je nach der Zahl, die zu versorgen ist. Somit kann man sich jetzt das ganze Gefäßsystem der Pseudo- branchie konstruiren : Das Organ ist in den arteriellen Kreislauf eingeschaltet, erhält Blut, welches die wahren Kiemen schon durchströmt hat. Das vom Cireulus cephalicus an der oben bezeichneten Stelle abgehende Ge- fäß, die Arterie der Pseudobranchie, verläuft längs der Basis des Organs. Sie ist gemäß der doppelten Federlage in zwei Äste ge- theilt. Aus diesen Hauptästen geht zu jeder Feder ein Stämmehen ab, das in deren Kiel auf der einen Seite bis zur Spitze verläuft. Von ihm tritt zu jeder Lamelle ein Ästchen, welches sich in ein feinmaschiges Kapillarnetz auflöst. Dieses sammelt sich wieder in 16* 236 F. Maurer ein venöses Astchen, das sich in die auf der gegenüber liegenden Seite des Kiels laufende Vene der Feder ergießt. Die venösen Stämm- chen der 24 Federn fließen zusammen zu zwei größeren Gefäßen, deren jedes längs der Basis einer Federlage verläuft und zwar ober- flächlicher als die entsprechende Arterie. Diese beiden Venenstämme vereinigen sich am vorderen medialen Ende der Nebenkieme zur Pseu- dobranchialvene, die sich im weiteren Verlaufe als Arteria ophthal- mica magna ergiebt. Legt man Schnitte durch das ganze Organ, so bekommt man in Folge der Kriimmungen der Federn eine Masse von Quer-, Schräg- und Längsschnitten dieser in einem Bilde, was das Verständnis Anfangs sehr erschwert. Man untersucht daher praktischer eine ein- zelne Feder zuerst in der beschriebenen Weise, worauf man sich auch in dem verworrenen Bilde eines ganzen Schnittes leichter zurecht findet. Besonders wichtig ist diese einzelne Untersuchung, um das Verhalten des Knorpels zu erkennen. Bei Schnitten durch das ganze Organ erhält man vielfach Schrägschnitte einzelner Federn, in wel- chen man keinen Knorpel sieht, wobei man indess nicht sicher ist, ob der betreffenden Feder ein Knorpel wirklich fehlt oder ob er nur bei der Schnittrichtung zufällig nicht getroffen ist. Legt man Quer- schnitte durch eine isolirte Feder, wobei der Knorpel, wenn vorhan- den, getroffen sein muss, so findet man ihn merkwürdigerweise nicht in jeder Feder. In den Federn, in welchen er nachweisbar ist, lagert er immer im Kiel, zwischen Arterie und Vene, ersterer genähert. Er ist stabférmig; an den Biegungen der Feder ist er diinner als an gestreckten Stellen. Man findet Knorpel in jeder Pseudobranchie, aber nicht in jeder Feder derselben. Irgend welche tegel in Betreff des Vorhandenseins oder Fehlens war ich nicht im Stande nachzuweisen. Es gilt dies übrigens nur für die Pseudo- branchie des erwachsenen Hechtes. Was die Größe der Hechte anlangt, an welchen ich diese Unter- suchungen der wohl als ausgebildet anzusehenden Nebenkiemen an- stellte, so waren es Thiere von 30—50 cm Körperlänge. Um die Größenverhältnisse der Pseudobranchien wenigstens an einem Exem- plare anzugeben, so betrug die Länge des rechten Organs bei einem Hechte von 37 cm Körperlänge 17 mm. Seine Dicke betrug von oben nach unten, entsprechend der Längsrichtung der Federn gemessen, 6,5 mm. Die Zahl der Federn betrug rechts in der oberflächlichen Lage 12, links 11. Die tiefere Lage hatte beiderseits 12 Federn. Die linke Pseudobranchie war 16,5 mm lang, sonst waren die Maße Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 237 wie rechts. Bei diesen größeren Thieren ist das Verhältnis der Organgröße zur Körperlänge ein konstantes; auf die Größenverhält- nisse bei Jugendformen werde ich noch zurückkommen. Betrachtet man den gesammten Bau des Organs, so ist auffallend, wie kie- menähnlich derselbe ist. Zunächst entspricht jede Feder einem Kiemenstrahl. Im Kiel liegt eine längs verlaufende Arterie und eine eben solche Vene, außerdem in vielen Fällen ein Knorpelstab. Seit- lieh sitzen am Kiel zwei Reihen von Lamellen, genau wie die Kie- menliippchen. Die Gefäßvertheilung innerhalb der Feder entspricht ebenfalls vollkommen derjenigen im wahren Kiemenstrahl. Die ein- schichtigen Zelllagen, welche das Kapillarnetz des Blättchens über- ziehen, können dem Kiemenepithel entsprechen. Es besteht ferner die Pseudobranchie des Hechtes aus zwei La- gen von Federn und könnte dies ebenfalls den Verhältnissen bei den wahren Kiemen entsprechen. Indessen findet sich bei allen Teleostiern mit freien, so wie bei Gadus mit verdeckten Pseudobranchien nur eine einfache Federlage und ist daher zunächst zu eruiren, ob eine dop- pelte Lage sich bei der Nebenkieme des Hechtes primär angelegt findet. Es ist ferner zu untersuchen, ob das Organ von Anfang an der Schädelbasis angelagert und von der Rachenschleimhaut über- zogen ist. Damit fällt dann die Entscheidung, ob die beschriebenen großen Zellen der Lamellen wirklich Epithelzellen sind, zusam- men. Es ist endlich noch der Blutzufluss zu beachten, d. h. zu untersuchen, ob die Pseudobranchie im Jugendzustande ebenfalls ausschließlich vom Cireulus cephalieus aus versorgt wird. Um zur Erledigung dieser Fragen die Nebenkieme in möglichst frühen Entwicklungsstadien zur Ansicht zu bringen, fertigte ich Schnittserien durch den ganzen Kopf junger Hechte an, theils Quer- schnitte, theils Horizontalschnitte. Die jüngsten Hechte, die mir zur Verfügung standen, waren als 6 Tage alt bezeichnet, und hatten eine Körperlänge von 11mm. Sie waren in Chromsäure gehärtet und in S5procentigem Alkohol auf- bewahrt. — Was die Präparation anlangt, so wurden die ganzen Thiere mit Boraxkarmin durchgefärbt und nach den üblichen Regeln in Paraffin eingebettet. Zum Schneiden bediente ich mich des Schlit- tenmikrotoms nach THomA. Die Dieke der Schnitte betrug 0,01 mm, wobei kein Schnitt verloren ging. Zur rascheren Orientirung machte ich zuerst Schnitte von 0,02 mm Dicke. Zur Fixirung derselben auf dem Objektträger wandte ich die Schellackmethode nach GIEss- BRECHT an, die allen Anforderungen entsprach. — Auf Kopfquerschnit- 938 F. Maurer ten war die Pseudobranchie bald gefunden. Sie erschien in der Serie von vorn nach hinten im dritten Schnitte hinter dem Auge bei 0,01 mm Schnittdicke. Sie stellt sich dar als eine fast kreis- runde, dem Hyomandibulare angelagerte Zellenmasse, die in ihrem unteren Drittel von mehrschichtigem Epithel überzogen, von ihm durch eine dünne Lage verästelter Bindegewebszellen getrennt ist (Taf. XI Fig. 6). Das ganze springt knopfartig in die Rachenhöhle vor, liegt ziemlich hoch in der Nähe der Schädelbasis, ist ihr aber nicht direkt angelagert, da das Epithel, welches die Schädelbasis überzieht, über dem Organe vorbei zum Hyomandibulare verläuft, um von ihm aus erst auf die Pseudobranchie überzugehen. Was den feineren Bau anlangt, so ist er nur an einzelnen Schnit- ten zu verstehen, da das ganze Organ im Schrägschnitt getroffen, mehr den Eindruck einer ungeordneten Zellenmasse macht. Besonders in Acht zu nehmen hat man sich bei Kopfquerschnitten mit der Beurthei- lung der Frage, ob die Pseudobranchie frei, oder als ganzes Organ von Epithel überzogen ist. Man trifft nämlich in den ersten Schnitten so wie zwischen den einzelnen Federanlagen nur die Basis einer Feder, wo- bei das Epithel des getroffenen Blättchens natürlich direkt mit dem Epi- thel der Rachenhöhle zusammenhängt und einen Überzug des ganzen Organs vortäuscht. Nur in den Schnitten, in welchen man die Spitze einer Feder trifft, erkennt man als Wichtigstes zunächst, dass schon Federn angelegt sind und ferner das richtige Verhältnis derart, dass das Epithel sich sowohl zwischen die einzelnen Federn, als auch zwischen die Anlagen der einzelnen Federblittchen in einzelliger Schicht einsenkt (Taf. XI Fig. 7). Wenn ich von Federn und Blättchenanlagen in diesem Stadium spreche, so bezieht sicht dies darauf, dass man schon deutlich einen Kiel erkennt, der durch quergestellte Zellen mit großen ovalen Ker- nen gebildet ist. Außerdem sieht man schon in ihm längs verlau- fende Gefäße, die mit embryonalen Blutkörperchen gefüllt und daher nicht zu verkennen sind. Seitlich an diesem Kiel sitzen eben- falls in Quer- und Schrägschnitt getroffene Blättchen an, welche schon die drei Schichten erkennen lassen. Die mittlere spätere Ka- pillarschicht besteht aus quergestellten Zellen, wenigstens in der Nähe der Spitze der Feder, während die beiden äußeren Schichten aus je einer Zellenlage bestehen, deren Formelemente sich jetzt als wirkliche Epithelzellen deutlich nachweisen lassen, indem sie an der Grenze des Organs in das Rachenwandepithel direkt übergehen. Man trifft häufig auf demselben Schnitt zwei Federn der gleichen Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 239 Pseudobranchie, so dass es den Eindruck macht, als sei eine dop- pelte Federlage schon in diesem Stadium vorhanden. Dass dieses Verhältnis indess nur durch den schrägen Verlauf des Schnittes durch das Organ bedingt ist, zeigt sich erstens durch Vergleich mit jungen Salmonen, bei welchen man auf Kopfquersehnitten oft zwei, selbst drei Pseudobranchialfedern findet, während doch die Nebenkieme des Lachses zeitlebens nur eine einfache Federlage zeigt; andererseits durch Vergleichung mit Horizontalschnitten durch Hechtköpfe gleichen Alters, an welchen man überhaupt über die ganze Konfiguration und den feineren Bau des Organes klarer wird. Man erkennt nicht nur deut- lich wieder das Lageverhältnis zum Hyomandibulare, sondern auch die schräge Lagerung des ganzen Organs. Ferner kann man die Zahl der angelegten Federn feststellen, da der Schnitt die Nebenkieme in ihrer ganzen Länge durchzieht. Es zeigt sich zunächst als am meisten in die Augen springend, dass sich nur eine einfache Lage von Federn findet. Diese besteht aus drei mittleren deutlich zu trennenden Federn, während zu bei- den Seiten die Anlagen von einerseits vier, andererseits fünf Federn zu erkennen sind. Wenn man das Epithel beachtet, so zeigt sich, dass es sich genau so verhält wie das Epithel an den wahren Kie- men in diesem Stadium, d. h. die einzelnen Federn sind getrennt durch zwischen sie einbiegendes Epithel und eben so gehen die später die Lamellen überziehenden großen Zellen direkt in dasselbe über. Demnach sind sie unzweifelhaft als Epithelzellen aufzufassen. Fer- ner erkennt man, dass die im Kiel jeder Feder querlagernden Zellen neben den Gefäßen die Knorpelanlage darstellen und zwar vermisst man dieselbe in keiner Feder. Fassen wir Alles, was wir an der Pseudobranchie des Hechtes finden, zusammen, so zeigt sich dieselbe der medialen Fläche des Hyomandibulare mit ihrer Basis angeheftet. Die Spitzen der Federn ragen nach oben und sind frei. Es finden sich zwölf Federn in einfacher Lage angelegt. Das Mundhöhlenepithel, welches am Quer- schnitt betrachtet mehrschichtig von unten heraufzieht, biegt, an die Pseudobranchie gelangt, nach der Medianlinie zu um und umkleidet von unten her etwa ein Drittel des Organs, so dass gerade die Ba- sis, d. h. die Ansatzstelle ans Hyomandibulare davon überzogen ist. Das Epithel lagert hier der Pseudobranchie nicht direkt an, sondern ist durch lockeres Bindegewebe mit verästelten, zum Theil pigmen- tirten Zellen davon getrennt. In diesem Bindegewebe liegt an der am weitesten in die Mundhöhle prominirenden Stelle ein Gefäß, das 24) F. Maurer im Querschnitt getroffen ist und sich im Verlauf der ‘Serie als Arte- ria ophthalmica magna, d. h. Pseudobranchialvene ergiebt (Taf. XI Fig. 6 v). Von diesem Gefäße an biegt das Epithel einschichtig auf die einzelnen Lamellen der Federn über: der Übergang ist deutlich zu erkennen. Von der Pseudobranchie setzt sich dann das Epithel wieder fort, zunächst das obere Ende des Hyomandibulare, resp. den ihm angelagerten Muskel überziehend, um dann auf die Schädelbasis überzugreifen und die obere Rachenwand zu bedecken. Es ist in diesem Stadium noch als sehr wichtig das Verhalten des Blutzuflus- ses zur Pseudobranchie zu beachten. Man erkennt, obgleich Injek- tionen bei den schon gehärteten Thieren unmöglich sind, die Gefäße leicht durch die Füllung mit embryonalen Blutkörperchen, kleinen rundlichen Zellen mit hellem Protoplasma und runden, sehr intensiv gefärbten Kernen. Es zeigt sich schon bei diesem Jugendstadium der Ast, der vom Circulus cephalicus kommend die Nebenkieme versorgt. Daneben findet sich aber ein gleich großes Gefäß, das vom Hyoman- dibulare aus, dieses durchsetzend, zur Pseudobranchie tritt (Taf. XI Fig. 6 a). Dieses letzte Gefäß entspricht in seinem Verlauf voll- kommen der Arteria hyoidea, wie sie bei vielen Knochenfischen im ausgebildeten Zustande sich findet. Sie stellt die ventrale Fort- setzung der ersten Kiemenvene dar, verläuft innen längs des Zun- genbeins nach oben, durchbohrt das Hyomandibulare und tritt zur Pseudobranchie an deren Basis. Das ganz gleiche Gefäß konnte ich bei jungen Cyprinoiden und Salmonen auf Querschnitten nachweisen. Bei diesen persistirt es durchs ganze Leben. An Horizontalschnitten durch den Kopf eines 6 Tage alten Hechtes sieht man, dass dieses Gefäß in der Basis der Nebenkieme selbst mit dem vom Cireulus cephalicus kommenden Aste anastomosirt. Bei Hechten von 2—3 cm Körperlänge konnte ich nur ein ganz enges Lumen von diesem Ge- fäße nachweisen, theils an Quer- theils an Horizontalschnitten; bei Hechten von 12—13 em Körperlänge fand ich keine Spur mehr von einem Aste der Arteria hyoidea zur Pseudobranchie, obgleich an die- sen Thieren Injektionen leicht gelangen. Was die wahren Kiemen in dem frühesten Stadium, das ich unter- suchte, anlangt, so zeigten sich vielfach Querschnitte einzelner Kie- menstrahlen, in deren Mitte große ovale Zellen lagen, welche die Anlage des Knorpelstabes vorstellen. Zu beiden Seiten von diesen liegt je ein Gefäßquerschnitt. Das Ganze ist von einer Epithelschicht umkleidet. An der Basis des Strahles beginnt schon beiderseits die Ausbildung von Kiemenläppchen, die an der Spitze des Strahls Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 241 noch fehlen. Dabei zeigt sich die mittlere, spätere Kapillarschicht angelegt in quergestellten Zellen, zwischen welchen an manchen Stellen schon Lücken vorhanden sind. In letzteren lassen sich viel- fach Blutkörperehen nachweisen. Ein gleiches Verhalten zeigt die Kapillarschicht der Pseudobranchie in diesem Stadium. Um das weitere Verhalten der Nebenkieme zu erkennen, insbe- sondere die Vorgänge beim Überwachsen der Schleimhaut über das ganze Organ, mussten ältere Thiere in Serien geschnitten werden. Die betreffenden Hechte hatten eine Körperlänge von 2—3 em. Bei ihnen zeigte sich auf dem Querschnitt, dass das ganze Organ etwas vom Hyomandibulare abgerückt, von ihm durch lockeres Bindegewebe, aus verästelten Zellen mit spindelförmigen Kernen bestehend, ge- trennt war. Die Spitzen der Federn ragten nicht mehr frei nach oben der Schädelbasis zu, sondern sie waren von mehrschichtigem Epithel überzogen. Dazu fand sich, dass eine Epithelduplikatur an der Basis der Pseudobranchie mit einer eben solchen vom Gaumen kommenden verwächst. Die Duplikatur hebt sich faltenartig von der Pseudobranchie so wie von der Gaumenwand ab, wird gebildet durch die darin verlaufende Arteria ophthalmica magna. Wenn beide Dop- pellamellen verwachsen sind, so versteht man auch, wie die Pseudo- branchie des Hechtes von dem Hyomandibulare abrückend an die Schädelbasis gelangt ist. Die Verwachsung dieser Duplikaturen erfolgt von vorn nach hinten und ist in diesem Stadium bis zum hinteren Drittel fortgeschritten (Taf. XII Fig. S—11). In Folge des- sen wird ein Stück Schleimhaut taschenförmig abgeschnürt, welches indessen späterhin verschwindet, bei Hechten von 12—15 em Kör- perlänge wenigstens nicht mehr nachzuweisen ist. In dem vor- genannten Stadium findet sich ebenfalls noch eine einfache Federlage, indess zeigen sich am vorderen medialen Ende des Organs die An- lagen neuer Federn, die vor der ersten Lage sich nach hinten zu er- strecken beginnen, und die oberflächliche Lage bilden. In Folge dieser späteren Entwieklung, da die Schleimhautverwachsungen schon begonnen haben und die Raumverhältnisse an der Schädelbasis engere geworden sind, werden hier die Federn mehr gekrümmt und die ganze Lage bleibt kürzer, nimmt an Dickenausdehnung mehr zu, als die erste Federlage, die noch günstigere Verhältnisse zu ihrer Aus- dehnung fand. — Einer jeden Feder kommt in diesem Stadium noch ein axialer Knorpel zu, den man auf Horizontalschnitten deut- lich nachweisen kann. Eben so zeigt sich die Bildung der ober- flächlichen Federlage auf Horizontalschnitten am besten, während 242 F. Maurer man zum Nachweis der Schleimhautverwachsung Querschnitte nicht entbehren kann. An der ersten Federlage sind ‚die Lamellen in diesem Stadium schon deutlich entwickelt, die Epithelzellen, welehe die Kapillarschicht umkleiden, sind sehr groß. Auch an den wahren Kiemenstrahlen sind die Läppehen ausgebildet; das Epithel be- steht im Gegensatz zum Pseudobranchialepithel aus kleinen platten Zellen. Was die Vorbereitung zum Schneiden betrifft, so war natür- lieh Entkalken der Thiere nothwendig. Da ich wenig Zeit hatte, riskirte ich einen Versuch mit 2procentiger Salzsäure in 70 procenti- sem Alkohol und fand, dass die Gewebe nach dreitägigem Verweilen in der Flüssigkeit nicht gelitten hatten und die Objekte gut schneid- bar waren. Von 12 em langen Hechten entkalkte ich nur die Köpfe, ließ sie 8 Tage in der genannten Flüssigkeit und erhielt brauchbare Quersehnitte, obgleich das Parasphenoid nicht völlig entkalkt war. Die Gewebe waren gut erhalten. Wenn ich oben sagte, dass die Pseudobranchialfedern bei den 2 cm langen Hechten nicht mehr mit ihrer Spitze frei nach oben der Schädelbasis zu gerichtet sind, sondern von mehrschichtigem Epithel überzogen erscheinen, so geht daraus hervor, dass dem Vorgang der Verwachsung der Duplikaturen ein anderer vorausgegangen sein muss, welcher das Organ zuerst unter eine einfache Epitheldecke brachte. Es war mir lange nicht klar, in welcher Weise dieser Vorgang auf- zufassen sei, und ich glaubte, es sei bei den jugendlichsten Formen doch schon ein einfacher Epithelüberzug des ganzen Organes vor- handen. Eine Vergleichung mit Jugendzuständen von Salmo und Leu- ciscus zeigte indess, dass es sich hier um einfache Verwachsung des Epithels handelt, welches den Kiel jeder Feder überzieht und von diesem auf die Lamellen übergeht. Es resultirt die Verwachsung bei Esox aus dem engen Zusammenlagern der Federn, wodurch diese sich wesentlich von den wahren Kiemen unterscheiden. Bei letzteren wachsen die Strahlen frei der Länge nach aus, wodurch zugleich die Kiemenblättehen aus einander rücken können. An dem geraden Auswachsen sind die Pseudobranchialfedern durch die Schädelbasis verhindert (bei Esox). Dadurch wird einerseits die Federachse ge- zwungen sich zu krümmen, andererseits müssen die Lamellen dieht bei einander sitzen bleiben. Das Abrücken des Organes vom Hyo- mandibulare und das Herantreten an die Schädelbasis steht wohl in kausalem Zusammenhange mit der Schleimhautverwachsung und Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 243 diese mag abhängen von der ausschließlichen Blutversorgung der Pseudobranchie vom Circulus cephalicus aus. Um die Nebenkiemen in früheren Stadien anderer Formen in Vergleichung ziehen zu können, fertigte ich Querschnitte von Salmo (14 mm lang) und Leuciscus (15 mm lang) an, bei welchen diese Organe zeitlebens, bei Salmo wenigstens an der Spitze frei sind. Es zeigte sich die Pseudobranchie eben so wie bei Esox dem Hyoman- dibulare angelagert. Auch verhielt sich das Epithel genau wie beim Hechte. In der Achse der Federanlage finden sich die großen quer- gestellten Zellen, daneben die Gefäße. Überzogen sind sie mit ho- hem Epithel, welches direkt in dasjenige der Rachenschleimhaut übergeht. Die durch das Hyomandibulare tretende Arteria hyoidea war ebenfalls vorhanden. Ein Ast des Cireulus cephalicus zur Pseudobranchie fehlt. Es mag gerade desshalb das Organ am Hyo- mandibulare, resp. Kiemendeckel späterhin gelagert bleiben, weil die Blutversorgung von dieser Seite und nicht von der Basis cranii her durch einen Ast des Circulus cephalicus besorgt wird. Aus dem- selben Grunde bleiben die Schleimhautverwachsungen aus und kann sich das Organ frei und in einfacher Federlage ausbilden. In Über- einstimmung mit dieser Auffassung steht noch der Umstand, dass bei Gadus, bei welchem der Blutzufluss ein doppelter, sowohl vom Cireu- lus cephalicus als von der Arteria hyoidea zeitlebens bestehen bleibt, das Organ gleichfalls von Schleimhaut überzogen, indessen nicht so nahe an die Schädelbasis gerückt ist wie bei Esox. Es wären Jugendstadien von Gadus auf die Verhältnisse der Epithelverwachsun- gen noch zu untersuchen. Bei Muraena fehlt die Pseudobranchie im erwachsenen Zustande ganz, wie JOH. MÜLLER nachgewiesen hat. Um zu finden, ob sie nicht etwa embryonal vorhanden sei und erst im Verlauf der individuellen Entwicklung sich rückbilde, machte ich Kopfquerschnitte von 7 Tage alten Aalen, fand aber nirgends ein der Nebenkieme gleichendes Organ. Bei der ersten Betrachtung glaubte ich ein solches gefunden zu haben, es stellt sich das Ge- sehene indess bald als der Anfang des ersten Kiemenbogens heraus. Was die ausgebildete Pseudobranchie anlangt, so untersuchte ich sie noch bei Salmo, Alausa, Tinca und Gadus. Bei Salmo salar sitzt das Organ an der medialen Fläche der Basis des Kiemendeckels. Es bestand bei einem Kopf von 19,2 em Länge (von der Schnauzenspitze bis zum hinteren Opercularrande gemessen), jederseits aus 35 Strahlen. Diese sitzen in einfacher Reihe mit ihrer Basis dem Kiemen- 244 F. Maurer deckel an, sind in ihrer unteren Hilfte von einer derben Schleim- haut gemeinsam iiberzogen , enden oben frei, wie die wahren Kie- menstrahlen. Den Vorgang bei der Verwachsung der unteren Federhälfte fasse ich gerade so auf, wie die erste Verwachsung bei Esox, d. h. das Epithel auf den prominentesten Stellen der neben einander liegenden Kiele verwächst. Der Vorgang bleibt bei Salmo nur unvollständig. Die freien Federspitzen sind nicht alle gerade gestreckt, sondern zum Theil verbogen, so dass manche über ein- ander gelagert sind. Der längste Horizontaldurchmesser der Pseudo- branchie betrug 28 mm, der größte vertikale 13 mm. Bei Alausa und Barbus findet sich ein Unterschied gegen Salmo, in so fern die Strahlen der Nebenkieme bis zu ihrer Basis frei, nicht in ihrer unteren Hälfte von Schleimhaut gemeinsam überzogen sind. Die Lage des Organs bei Gadus entspricht derjenigen bei Salmo, nur ist es ganz von Schleimhaut überzogen. Die Zahl der Neben- kiemenstrahlen beträgt 5; der Horizontaldurchmesser 20 mm, der Vertikaldurchmesser 12 mm bei 16 em Kopflänge. Was den feineren Bau der Pseudobranchie dieser Fische anlangt, so ist er im Wesentlichen dem bei Esox gleich. Bei Salmo, Tinea, Barbus fand sich ein Knorpelstab in jeder Feder, bei Gadus nur in einigen. Die Blutvertheilung innerhalb des Organs ist genau wie bei Esox. Das Verhältnis des Blutzuflusses wurde schon erörtert. Die Hauptgefäße verlaufen stets längs der Basis des Organs. Die Lamel- len der Federn zeigen die drei Schichten. Die mittlere Kapillarschicht verhält sich immer kiemenartig, dagegen zeigen die deckenden Epi- thellagen in der Ausbildung ihrer Zellen beträchtliche Verschieden- heiten. Am größten fand ich die Zellen bei Esox. Die folgen- den Maße sind einem Hechte von 40 cm Körperlänge entnommen. Die Dieke der Kapillarschicht betrug 6 «. Im Querschnitt hatten die Pseudobranchialepithelzellen eine Höhe von 30 u, eine Breite von 22 u. Auf der Fläche gesehen waren die Zellen polygonal, maßen 15—20 u. Die Kerne waren kugelig, 6—S u im Durch- messer. Bei Gadus betrug die Dicke der Kapillarschicht S u. Die Epithelzellen waren 13 « hoch und 20 u breit. Die Kerne letz- terer hatten einen Durchmesser von 5 uw, die Körperlänge des Ga- dus betrug 46 cm. Bei Tinca vulgaris von 19 cm Körperlänge betrug die Dieke der Kapillarschicht 6 «. Die Epithelzellen hatten eine Höhe von 12 u, Breite von 16 «. Der Durchmesser ihrer kugeligen Kerne betrug 5 «u. Bei Salmo endlich fand sich die Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 245 o Kapillarschicht 10 « dick. Die Höhe der Epithelzellen betrug nur 6 u, ihre Breite 21 u. Die Kerne hatten 5 « im Durchmesser. Die Länge des ganzen Kopfes betrug 19,2 em. Sämmtliche angegebenen Maße sind durchschnittlich zu nehmen. Sie sollen die Ausbildung der Zellen im Allgemeinen veranschaulichen. An der Spitze der Feder, so wie dicht am Kiele sind die Elemente natürlich kleiner. Es zeigt sich bei Vergleichung der Zahlen, dass die Epithelzel- len der Nebenkiemenlamellen bei Esox am größten sind. Ihm folgt Tinea, deren Zellen im Verhältnis zur Körperlänge Esox an Größe sogar fast gleich stehen. Dann foigt Gadus und endlich Salmo. Bei letzterem namentlich sind die Zellen ganz flach. Was die Größe des ganzen Organes anlangt, so findet man sie bei Esox in verschiedenen Stadien folgendermaßen. Bei den klein- sten Hechten von 11 mm Körperlänge maß die Pseudobranchie in ihrer größten Länge 0,7 mm, ihre Dicke betrug bei noch einfacher Federlage 0,19 mm, ihre Höhe, entsprechend der Längsrichtung der Federn 0,24 mm. Bei Hechten von 2 cm Körperlänge fand ich das Organ 1,33 mm lang, 0,27 mm dick, 0,38 mm hoch; auch hier bei noch einfacher Federlage. Bei Esox von 12,5 em Länge war schon eine zweite oberflächliche Federlage vorhanden, überlagerte aber nur etwa die Hälfte der unteren Lage der Länge nach. Die Länge der Pseudobranchie betrug 4,2 mm, ihre Dicke vorn, wo die doppelte Lage sich findet, 2,3 mm, in der hinteren Hälfte bei nur einfacher Lage 0,9 mm. Die Höhe maß 1,3 mm. Die Größe der Pseudobranchialzellen in den verschiedenen Sta- dien anlangend, so findet sie sich wie folgt: Die Dicke der Kapillar- schicht betrug bei 11 mm langen Hechten 4 «. Die Höhe der Epithelzellen 9 w, ihre Breite 11 u. — Bei Esox von 2 cm Kör- perlänge hatte die Kapillarschicht eine Dicke von ebenfalls 4 w; die Epithelzellen eine Höhe von 10,5 «, eine Breite von 15 «. Der Kerndurchmesser war 8 u. — Bei 12,5 em langen Esoces war die Kapillarschicht der Pseudobranchiallamellen 5 « dick, die Höhe der Epithelzellen betrug 14 u, ihre Breite 24 «, Kerndurchmesser nur 5 u. Die betreffenden Zahlen vom ausgewachsenen Hecht sind schon gegeben. Man sieht bei Vergleichung der Zahlen, dass die Gesammtgröße des Organs im Verhältnis zur Körperlänge während der Entwicklung abnimmt. Trotzdem erreichen die Epithelzellen eine hohe Ausbildung. Es wird angegeben, dass das Organ zur Laichzeit anschwelle; ich konnte darüber bis jetzt keine Beobachtungen machen. 246 F. Maurer Als ich anfing die Pseudobranchie zu untersuchen, wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass die Thyreoidea und Thymus der Teleostier in verschiedener Weise beschrieben worden seien und die Möglichkeit lag nahe, dass die Nebenkieme vielleicht als eine dieser Drüsen früher gedeutet wurde. Was ich über die Thyreoidea in der Litteratur fand, zeigt, dass hier die Pseudobranchie nie in Frage kam, weder dem Bau, noch der Lage nach. STtanxıus giebt in seinem Handbuch der Anatomie der Wirbelthiere (1. Buch, Die Fische, Ka- pitel über Gefäßdrüsen und Fettkörper) an, dass die Schilddrüse bei Ganoiden und Teleostiern unterhalb der Copulae der Kiemenbogen lagert, den Kiemenarterienstamm an seinem vorderen Ende umgiebt. Was ihren Bau anlangt, so soll sie aus Bläschen zusammengesetzt sein, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt und durch Bindegewebe von einander getrennt sind. Auch nach Lrypre (Anatomisch - histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien) liegt die Schilddrüse ventral. umlagert die Kiemenarterien, hat acinösen Bau. Das hier nach Strannius und LEyvıG beschriebene Organ fand ich bei allen von mir untersuchten Fischen auf. Es stellt ein paari- ges Packet von geschlossenen Acinis dar, die mit einschichtigem Epithel ausgekleidet und mit Flüssigkeit gefüllt sind. Sie lagern direkt dem Kiemenarterienstamm an. Bei Esox sah ich solche Acini jederseits in zwei Packeten, das hintere an der Abgangsstelle der Arterie des dritten und vierten Kiemenbogens vom gemeinsamen Kiemenarterienstamme, ein zweites weiter vorn, da wo die Kiemen- arterie sich theilt, in zwei Aste fiir den ersten und zweiten Kie- menbogen. In wie weit diese Bildungen etwa entwicklungsgeschicht- lich zu den Kiemenbogen in Beziehung stehen, bleibt vorerst dahin- gestellt. Bei den jüngsten Hechten fand ich schon die geschlossenen Bläschen. Was die Thymus anlangt, so sind die Verhältnisse weniger klar. Lrypia giebt in seinem oben eitirten Werke an, dass die Thymus der Knochenfische unter der die Kiemenhöhle auskleidenden Haut liege, in der Gegend der häutigen Kommissur, welche den Kiemen- deckel mit dem Schultergiirtel verbinde, lings des Os scapulare Cuvieri. Was den Bau betrifft, so soll sie aus Acinis bestehen, welche in eine weite Höhle münden, die durch die ganze Länge der Drüse zieht, gefüllt ist mit zäher Flüssigkeit und zelligen Elementen ; ein Ausführgang fehlt. SrtaxnIus giebt in seinem oben genannten Werke von der Thymus der Knochenfische an, dass sie Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 247 gelagert sei an der hinteren Grenze des Schultergiirtels, längs der Seapula, auf dem Truncus lateralis nervi vagi. Sie sei von eigener häutiger Hülle umschlossen. Den Bau anlangend, so sei die Ober- fläche höckerig, durch vorragende Acini. Letztere enthielten zähe gelbe Flüssigkeit mit Zellkernen, Pigmentzellen, Fettkugeln und -Zellen. Ein derartig gebautes und gelagertes Organ konnte ich bei den von mir untersuchten Fischen nicht nachweisen. Es kann hier möglicherweise Pseudobranchie und Kopfniere in Frage kommen, doch sind diese Verhältnisse noch genauer zu studiren. Wenn wir nun nach einer Erklärung der Pseudobranchie suchen, so ist wohl die wichtigste Frage zunächst die: Ist sie ein den Kiemen homologes Organ? Die Blutversorgung ist derart, dass von einer respiratorischen Funktion nicht mehr die Rede sein kann. Allein, dass sie nicht mehr vorhanden ist, beweist nicht, dass sie niemals vorhanden war. Es können sich die betreffenden Gefäße eben so gut phylogenetisch rückgebildet haben, wie sich der Pseudo- branchialast der Arteria hyoidea beim Hechte noch ontogenetisch rückbildet. Was den Bau der Pseudobranchie anlangt, so habe ich ihn als vollkommen dem der wahren Kiemen entsprechend geschildert; nur sind die dem Kiemenepithel entsprechenden Zellen mächtiger ent- wickelt, was indessen mit der veränderten Funktion in Zusammen- hang stehen mag. Ein Knorpelstab findet sich bei freien Pseudo- branchien in jeder Feder, bei Esox in Jugendzuständen ebenfalls. Es beweist dies zusammen mit dem Bau schon die Homologie der Nebenkiemen mit den wahren Kiemen; auf die Lageverhältnisse komme ich gleich noch zu sprechen. Dass die verdeckte Pseudobranchie des Hechtes den freien Ne- benkiemen anderer Knochenfische homolog ist, ergiebt sich erstens aus dem Bau, zweitens aus dem Umstande, dass sie im Jugendzu- stande eben so frei ist wie die zeitlebens freie Pseudobranchie anderer Teleostier. Ferner ist eine Arteria hyoidea als Nebenkiemenarterie beim Hechte ebenfalls angelegt, bildet sich erst ontogenetisch zurück, so dass die Nebenkieme später ausschließlich vom Cireulus cepha- lieus aus versorgt wird. Bei Gadus finden wir in so fern eine Mittelstellung, als hier der Blutzufluss stets ein doppelter bleibt. Was die Lageverschiedenheit anlangt, so ist das Näherrücken der Pseudobranchie von Esox an die Schädelbasis rein durch die Schleimhautverwachsung und die genannte Veränderung des Blut- 248 F. Maurer zuflusses bedingt, zwei Vorgänge, die, wie gesagt, erst ontogenetisch stattfinden und bei der Beurtheilung des Organs nicht in Frage kommen. Es ist somit nicht mehr zweifelhaft, dass die verdeekten und freien Nebenkiemen_ verschiedener Knochenfische einander ho- mologe Organe sind; eben so steht außer Frage, dass die Pseudo- branchien der Knochenfische den wahren Kiemen homologe Organe darstellen. Eine andere Frage ist die, in welchem Verhältnis die Pseudo- branchie der Teleostier zur Pseudobranchie und Kiemendeckelkieme der Ganoiden, so wie zur Spritzlochkieme der Selachier steht. Nach Jon. MÜLLER sind Spritzlochkieme der Selachier, Pseudo- branchien der Ganoiden und Teleostier homologe Organe, während die Kiemendeckelkieme der Ganoiden, welche der Kieme des Zungen- beinbogens bei Selachiern entspricht, bei Teleostiern ganz rückgebil- det ist. JOH. MÜLLER begründet dies mit dem Verhältnis der Blut- versorgung. Spritzlochkieme und Pseudobranchie erhalten immer arterielles Blut aus der ventralen Verlängerung der ersten Kiemenvene, während die Kiemendeckelkieme der Ganoiden ihr Blut aus der ersten Kiemen- arterie bezieht, demnach respiratorisch fungirt. Dass die Gefäßver- theilung nicht von maßgebender Bedeutung sein kann, beweist schon das verschiedene Verhalten derselben bei den Knochenfischen. Die Lage der Teleostiernebenkieme am Hyomandibulare spricht für Zu- gehörigkeit dieses Organs zum Zungenbeinbogen. Es werden demnach als Pseudobranchie in den verschiedenen Klassen der Fische ganz verschiedene Organe bezeichnet. Die Spritzlochkieme der Selachier ist homolog der Pseudobranchie der Ganoiden, nicht aber der Pseudobranchie der Knochenfische. Letz- tere gehört vielmehr dem Zungenbeinbogen an und ist daher homolog der vorderen Kiemenblittchenreihe in der ersten Kiemen- tasche der Selachier, die dem Zungenbeinbogen angehört, und ho- molog der Kiemendeckelkieme der Ganoiden. Es ist somit rich- tiger das Organ bei Teleostiern nicht als Pseudobranchie sondern als Kiemendeckelkieme zu bezeichnen. | Die Kiemendeckelkieme ist, wie oben dargethan, unzweifelhaft als rückgebildete Kieme aufzufassen. Bei vielen Teleostiern aber und besonders bei Esox ist sie in anderer Beziehung mächtig ent- wickelt, was, wie gesagt, mit ihrer Funktion in Zusammenhang stehen mag, eine andere Erklärung könnte ich mir wenigstens nicht denken. Was diese Funktion aniangt, so hat Jon. MÜLLER zwei Möglich- Ein Beitrag zur Keuntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 249 keiten aufgestellt. Einmal soll nach der alten Auffassung der Blut- gefäßdrüsen das Blut in unbekannter Weise chemisch verändert werden, andrerseits soll die rasche Auflösung in Kapillaren kurz vor Eintritt ins Auge regulirend auf den intraocularen Druck wirken. — Wenn man den Bau berücksichtigt, so ist das Fehlen eines Aus- führgangs und jedes sonstigen Lumens entscheidend dafür, dass die Pseudobranchie keine Drüse sein kann. Auf der anderen Seite ist die mächtige Entwicklung der Lamellenepithelzellen auffallend, die bei Esox am stärksten ausgebildet, bei anderen Formen indess auch nicht zu verkennen ist. Diesen Zellen kommt wohl sicher eine funktionelle Bedeutung ‘zu. Endlich ist das Verhältnis zum Auge, auf welches schon JOH. MÜLLER aufmerksam macht, charakteristisch. Ob übrigens die Regulirung des intraocularen Druckes die Hauptfunktion ist, halte ich desshalb für sehr zweifelhaft, weil das Blut, das zur Nebenkieme kommt, die Kapillaren der wahren Kiemen schon dureh- laufen hat und desshalb nicht unter direkter Einwirkung der Herz- kraft mehr steht. Dass endlich die Pseudobranchien keine unent- behrlichen Organe sind, geht schon daraus hervor, dass sie vielen Teleostiern gänzlich fehlen. Etwas Positives über ihre Funktion vermag ich nicht anzugeben. Die Resultate vorliegender Arbeit zum Schlusse kurz zusammen- fassend, so sind es folgende, die ich den Beobachtungen von Jou. MÜLLER zufügen möchte: Die Pseudobranchie des Esox lucius lagert ursprünglich dem Hyomandibulare in derselben Weise an, wie bei Knochenfischen mit freien Nebenkiemen. Sie ist ferner im Jugendzustande eben so frei, wird erst später verdeckt, theils durch einfache Verwachsung des Epithels der Feder- kiele, theils durch Verwachsung von epithelialen Doppellamellen. Jede Feder zeigt in der Anlage einen axialen Knorpelstab, der sich bei Teleostiern mit freien Nebenkiemen erhält, bei Esox in einem Theile der Federn später nicht mehr nachweisbar ist, ohne dass darüber bestimmte Regeln anzugeben wären. Jede Pseudobranchiallamelle besteht aus einer mittleren Kapillar- und jederseits einer einfachen Epithelschicht. Die Zellen der letz- teren sind groß, polygonal, besitzen große runde Kerne mit deutlichen ‘Morpholog. Jahrbuch. 9. 17 350 F. Maurer Nucleolis. Bei Esox sind dieselben stärker entwickelt als bei an- deren Knochenfischen. Die gröbere Gefäßvertheilung anlangend, so ist bei Esox die im ausgebildeten Zustand einzige Zufuhr von Blut zur Pseudobran- chie durch einen Ast des Circulus cephalicus nicht die einzig ange- legte, sondern es findet sich bei sechs Tage alten Hechten außer diesem Gefäß ein zweites eben so starkes, welches der Arteria hyoi- dea anderer Teleostier entspricht. Dieses letztere Gefäß wird bei Esox früh rückgebildet, so dass es bei 12 cm langen Thieren nicht mehr nachweisbar ist. Mit der Rückbildung dieses Gefäßes und mit der Verwachsung der epithelialen Doppellamellen rückt die Nebenkieme des Hechtes vom Hyomandibulare ab und kommt seitlich an die Basis cranii zu liegen. Die Auflösung der Pseudobranchialarterie in die Federlamellen gleicht vollkommen der Auflösung der Arterien der wahren Kiemen in die Kiemenbliittchen, d. h. es findet sich ein feinstes engmaschi- ses Kapillarnetz. Die Pseudobranchie des Hechtes ist ursprünglich nur in einer einfachen Lage von Federn angelegt; erst mit der Schleimhautver- wachsung beginnt vom vorderen inneren Ende des Organs her die zweite Lage auszuwachsen. Dieselbe liegt oberflächlicher als die ursprünglich vorhandene, ihre Federn sind unregelmäßiger gekrümmt, die ganze Lage ist kürzer und dieker, besteht aber, wie die erste, aus 11—-12 Federn. Die Pseudobranchie ist nach ihrem anatomischen Bau ein den wahren Kiemen homologes Organ. Es sei hier noch bemerkt, dass vorliegende Arbeit nur einen kleinen Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien darstellt. Eine ge- nauere Bearbeitung möchte ich mir für die nächste Zeit vorbehalten. Es ist noch das Verhältnis zu den accessorischen Kiemen der Selachier und Ganoiden klar zu legen; ferner sind die Nebenkiemen noch bei anderen Knochenfischen auf ihre Entwicklung und ihren feineren Bau zu untersuchen. Endlich sind im Anschluss daran die Organe, die man als Schilddrüse und Thymus bei Teleostiern be- schrieben hat, ihrer Entwicklung und ihrem Bau nach festzustellen. Zum Schlusse sage ich Herrn Geheimrath GEGENBAUR, so wie Hern Professor G. v. Kocu für die freundliche Hilfe, so wie für das Ein Beitrag zur Kenntnis der Pseudobranchien der Knochenfische. 251 ‚mir in liebenswürdigster Weise zur Verfügung gestellte Material meinen herzlichsten Dank. Jena, Sommer, 1883. Litteratur-Verzeichnis. JOH. MÜLLER, Vergleichende Anatomie der Myxinoiden, 2. Abschnitt: Vom Gefäßsystem der Nebenkieme und accessorischen Athemorgane, und von der Natur der Nebenkiemen der Fische. Erschienen in: Abhand- lungen der königl. Akademie der Wissenschaften, Berlin 1839 (pag. 213). Jou. MÜLLER, Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medi- cin, Berlin 1840 u. 41. Über Nebenkiemen und Wundernetze (Berlin 1840 pag. 101). Fortgesetzte Untersuchungen über die Pseudobran- chien. Berlin 1841 pag. 263. JoH. MÜLLER, Über den Bau und die Grenzen der Ganoiden ;und über das natürliche System der Fische, in: WIEGMANN, ERICHSON: Archiy für Naturgeschichte, Berlin 1845 pag. 91. C. Voar, Embryologie des Salmones, Neuchatel 1842. BROUSSONET, Ichthyologia, London 1782. LEREBOULLET, Anatomie compar. de l’appareil respiratoire dans les animaux vertebrés. Paris 1838. RATHKE, Beiträge zur Geschichte der Thierwelt, Abth. IV. MECKEL, System der vergleichenden Anatomie, Band IV. Halle 1833, LeypıG, Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien, Berlin 1853. Stannıus, Handbuch der’;Anatomie der Wirbelthiere. 1. Buch, Die Fische. Berlin 1854, Erklärung der Abbildungen. Tafel Sel „Us-S in SIEDAMGROTZKY’s Figur entspricht der vorderen hellrothen Zone des mensch- lichen Nagels, demjenigen Theil des Nagels («—ß meiner Fig. 10), welcher durch eine Fortsetzung der weicheren Hornschicht der Sohle vom Rete Mal- pighii getrennt ist (während die hinteren Theile bekanntlich demselben direkt aufliegen); ganz dasselbe ist auch mit dem entsprechenden Theil der Kralle (dessen Cutispartie von S. unrichtig der Fleischwand des Pferdes parallelisirt wird) der Fall; derselbe ist aber an der Kralle in seinen seitlichen Partien (nicht in der Mitte) weit stärker als am menschlichen Nagel entwickelt. Ein Beitrag zur Morphologie der Nägel, Krallen etc. der Säugethiere. 393 ceros an jedem Fuß bekanntlich ein großer gemeinschaftlicher Ze- henballen! — den Zehenballen der Krallenträger und der gefurch- ten Haut der Unterfläche der menschlichen Finger entsprechend —, welcher (nach den kleinen Theilen zu urtheilen, welche an den vorliegenden ausgeschuhten Rhinoceros-Hufen festsitzen) eben so wie die entsprechenden Partien bei den vorhin erwähnten Säugethieren mit einer sehr dicken elastischen Hornschicht bedeckt ist. Der Huf des Pferdes (Fig. 6 u. 13) bietet, wenn wir denselben mit dem Huf des Rhinoceros — seines nächsten und zwar ziemlich na- hen Verwandten unter den jetzt lebenden Säugethieren — vergleichen, keine größeren Schwierigkeiten dar. Derselbe besteht bekanntlich aus drei Hauptpartien, welche von den Veterinär-Anatomen als die Horn- wand, die Hornsohle und der Hornstrahl bezeichnet werden. Die Horn- wand, welche dem Nagel oder der Krallenplatte homolog ist, unter- scheidet sich dadurch von dem entsprechenden Theil des Rhinoceros- Hufes, dass die Vorderfläche in der Richtung von rechts nach links weit konvexer ist und dass die umgebogenen lateralen Theile, welche beim Rhinoceros ungefähr gerade nach innen (nach der Mitte des Hufes zu) gerichtet waren, hier schräg nach innen und vorn gerichtet sind, so dass sie mit einander einen nach hinten offenen, spitzen Winkel bilden; sie werden von den Veterinär-Anatomen als die Eckstre- ben oder Eckstrebenwände bezeichnet. — Die Hornsohle (dem Sohlenhorn der Krallenträger homolog) weicht nicht wesentlich von der entsprechenden Partie beim Rhinoceros ab. In dem Winkel, den die Eckstreben mit einander bilden, liegt der dritte Haupttheil des Pferdehufes, der Hornstrahl. Nach der bisher allgemein herrschenden Auffassung ist derselbe ein den Einhufern allein zukommendes Bauelement. Diese Anschauung ist jedoch falsch. Man denke sich, dass die beiden Seitenzehen des Rhino- ceros verschwinden, so dass nur die Mittenzehe mit ihrem Zehenballen zurückbleibt; man stelle sich ferner vor, dass der ganze Huf so zu sagen zusammengebogen wird, so dass die Vorderseite stark gewölbt wird, und die Seitenecken (x”) nach hinten, die Eckstreben nach vorn gerichtet werden — dann wird der Zehenballen, wenn sonst nichts geändert wird, in den Winkel zwischen den beiden Eekstreben eingeschlossen werden. Dies ist aber eben was beim ! Bei allen Ungulaten sind die Zehen jedes Fußes, mit Ausnahme der distalen Enden, mit einander verwachsen, das heißt von einer gemeinsamen Haut umgeben, was auch eine Verwachsung der Zehenballen mit sich führen kann. Morpholog. Jahrbuch. 9. 26 394 J. E. V. Boas Pferde stattgefunden hat: Der Strahl ist mit anderen Worten der Zehenballen der Mittelzehe, welcher durch die geänderte Richtung der Eckstreben zwischen dieselben hineingeriickt und da- durch in einen engeren Verband mit dem Huf getreten ist. Dass der Strahl (das heißt der Hornstrahl, das zugehörige Rete Malpighii und die unterliegenden Bindegewebsbildungen) des Pferdes dem Zehenballen der Mittelzehe anderer Säugethiere ent- spricht, wird auch von der näheren anatomischen Analyse bekräftet. Die Zehenballen der Säugethiere sind bekanntlich meistens dicke Bindegewebspolster, welche, von elastischen Fasern in reichlichstem Maße durchwoben, von einer dicken elastischen Hornschicht bedeckt und mit Schweißdrüsen versehen sind. Ganz dieselben Charaktere besitzt aber der Strahl des Pferdes: das elastische Bindegewebspol- ster wird durch das sogenannte Strahlkissen repräsentirt. die Horn- schicht ist dick und in Gegensatz zu dem iibrigen Hufhorn sehr elastisch (ferner speciell dem homologen Gebilde des Rhinoceros sehr ähnlich), und der Strahl ist mit Schweißdrüsen! versehen. Nach alle Dem kann es wohl kaum angezweifelt werden, dass der Strahl wirklich einem Zehenballen homolog ist. Von den Alauen der Artiodactylen® wollen wir zunächst die des Schweines betrachten. Beim Schweine (Fig. 7) ist die Hornwand (der Nagel) stark um ihre Längsachse gebogen, und zwar so, dass man eben so wie bei der Mehrzahl der übrigen Artiodaetylen, eine innere (das heißt: der Mitte des Fußes zugewendete), ungefähr plane, und eine äußere 1 Zuerst von ERCOLANI (schon im Jahre 1861) beschrieben. — Beim Esel sind sie in größerer Anzahl als bei E. caballus vorhanden (Prana, Della Struttura delle Glandule a tubo etc. in: Memorie d. Accad. d. Bologna 3. Ser. Tome VI pag. 281). Im Strahl des Pferdes sind ferner auch Pacini’sche Kör- perchen vorhanden, welche eben so im Zehenballen der Carnivoren gefunden wurden. 2 Wie ich nachträglich finde, ist dieselbe Auffassung schon früher — aller- dings nur beiliiufig und ohne nähere Motivirung — von MÖLLER (Entwick- lungsg. des Hufes in: Gurrr's und Herrwıg's Mag. f. d. ges. Thierheilkunde 38. Jahrg. pag. 359) ausgesprochen worden. 3 Die nachstehenden Vergleiche zwischen den Klauen der Artiodactylen und den übrigen hier behandelten Gebilden stimmen mit der Auffassung der Vete- rinäre sehr wenig überein. Es würde uns aber zu weit führen auf eine nähere Auseinandersetzung dieser Unterschiede einzugehen. Ein Beitrag zur Morphologie der Nägel, Krallen etc. der Säugethiere. 395 konvexe Fläche unterscheiden kann; die Eckstreben fehlen oder sind nur eben (am äußeren Rand) angedeutet. Eine Krümmung des Nagels von vorn nach hinten (oben nach unten) fehlt eben so wie bei den meisten übrigen Ungulaten. — Es ist eine kleine feste Hornsohle vorhanden, welche hinten konkav ausgeschnitten ist; der Ausschnitt wird von dem vorderen Theil des Zehenballens aus- gefüllt. Der Zehenballen grenzt, da die Eckstreben, wie oben bemerkt, fehlen, unmittelbar an die Hornsohle, von welcher er ganz scharf begrenzt ist; derselbe erscheint, eben so wie die Zehenballen der Krallenträger, als ein weiches nacktes elastisches Polster!. Die Zehenballen der beiden Hauptzehen (III u. IV) verschmelzen hinten mit einander und sind außerdem noch mit denen der Nebenzehen durch eine Hautpartie verbunden, welche nur einzelne Haare trägt. Der Zehenballen liegt — was übrigens eben so beim Pferde der Fall ist — nicht nur unter dem letzten sondern auch unter dem vorletzten Zehengliede. Alle vier Zehen verhalten sich wesentlich ähnlich. — Mit dem Schweine stimmt Dicotyles, den ich ebenfalls unter- suchen konnte, fast ganz überein. Bemerkenswerth ist nur, dass die Hautpartie, welche die vier Zehenballen jedes Fußes verbindet, ganz haarlos ist (bei Dicotyles sind mit anderen Worten, eben so wie bei Hippopotamus, alle vier Zehenballen mit einander verschmolzen). Von den Hirschen habe ich das Elenthier Alces palmatus), das Reh (Capreolus capreolus) und den Edelhirsch (Cervus ela- phus) untersucht. Wir beschreiben zunächst die Klauen des erste- ren (Fig. 8). Die Hornwand hat wesentlich dieselbe Form wie beim Schwein; die Eckstreben sind weniger rudimentär, klein, aber deut- lich. Die Hornsohle ist von derjenigen des Schweines dadurch verschieden, dass der hintere konkave Ausschnitt derselben noch weit tiefer geworden ist, so dass die ganze Hornsoble auf ein schma- les Gebräme redueirt ist, welches dem unteren Rande der Horn- wand entlang läuft. Um so stärker ist der vordere Theil des Zehenballens entwickelt, welcher, den ganzen Ausschnitt aus- füllend, fast bis an die Spitze der Klaue reicht. Wenn man letztere von der Unterseite betrachtet, ragt der Zehenballen — eben so wie beim Schwein — über das Niveau der Hornsohle empor: die Ober- fläche der letzteren liegt in einer Rinne zwischen dem unteren Rande der Hornwand und dem Zehenballen. Das Horn des Zehenballens ! Schweißdrüsen wurden bisher nicht in derselben aufgefunden. 26* 396 J. E. V. Boas ist — wie gewöhnlich — weicher als das der Hornsohle. Auch die entsprechenden Partien der Lederhaut sind verschieden: die der Hornsohle ist mit unregelmäßigen Längenfurchen und kurzen Papil- len versehen, während die des Zehenballens ohne Furchen und mit längeren Papillen besetzt ist!. Der Zehenballen ist mit einem dem Strahlkissen des Pferdes entsprechenden elastischen Polster versehen, welches in seinem vorderen Theil jedoch sehr dünn ist. Die Klauen des Rehs stimmen mit den soeben beschriebenen fast ganz überein. Es sei nur bemerkt, dass die Hornsohle dem Innenrande entlang breiter und deutlicher ausgebildet ist, während sie am Außenrande schmaler und undeutlicher wird. beim Edelhirsch ist keine Spur einer besonderen Hornsohle zu entdecken: der Zehenballen hat dieselbe vollends verdrängt (oder ist mit den Überresten der Hornsohle ohne Grenze verschmolzen) und nimmt jetzt den ganzen Raum zwischen den unteren Rändern der Hornwand ein. Ferner ist die Hornschicht des Zehenballens derartig differenzirt, dass der vordere, größere, Theil desselben fester geworden ist und nur der hinterste Theil die ursprüngliche Weich- heit bewahrt hat2. Die Klaue des Rindes schließt sich an diejenige des Elenthieres oder des Rehs; es ist jedoch die Reduktion der Hornsohle noch be- deutend weiter gegangen, so weit, dass sie. wie es scheint, bisher ganz übersehen wurde: denn was als Hornsohle des Rindes be- ! Auch beim Schweine ist ein ähnlicher Unterschied in der Länge der Papillen vorhanden und zwar sind die des Zehenballens ungemein lang (weit länger als beim Elen). ? Es könnte vielleicht Jemand geneigt sein diejenige Partie der Edelhirsch- Klaue, die ich als den vorderen Theil des Zehenballens in Anspruch genommen habe, als Hornsohle aufzufassen. Der Vergleich mit anderen Artiodactylen macht jedoch eine solehe Annahme wenig wahrscheinlich. Die Hormsohle ist schon bei den Schweinen klein, beim Elen und Reh ist sie noch weit mehr riickgebildet; es würde demnach gewiss recht wunderbar sein, wenn sie beim Edelhirsch so stark entwickelt wäre, wie sie es nach jener Annahme sein würde (vgl. auch die nachstehende Beschreibung der Rindsklaue). Eine andere Frage möchte ich an dieser Stelle berühren. Die Hirsche zerfallen nach den Untersuchungen von BROOKE (Proc. Zool. Soc. 1878 pag. 883 und flg.) in zwei natürliche Abtheilungen, die Plesiometacarpi und die Teieme- tacarpi. Von den drei oben behandelten Formen gehören Alces und Capreolus zu letzterer, Cervus elaphus zu ersterer Gruppe. Ob die oben erwähnten keines- wegs unbedeutenden Unterschiede zwischen den Klauen von Alces und Capreo- lus einerseits, Cervus elaphus andererseits, weitere Charaktere der zwei Grup- pen andeuten sollten ? Ein Beitrag zur Morphologie der Nägel, Krallen etc. der Säugethiere. 397 schrieben wird, ist nur ein Theil der Hornschicht des Zehenballens. Dass die wirkliche Hornsohle der Aufmerksamkeit entgangen ist, erscheint übrigens um so begreiflicher als sie beim erwachsenen Rind fast nicht zu unterscheiden ist und nur noch beim Kalbe einigermaßen deutlich hervortritt. Wir wollen desshalb dieses zuerst betrachten. Beim Kalbe bildet die Hornsohle einen ganz schmalen Strei- fen längs der »weißen Linie« (dem unteren Rande der inneren, blät- terigen Schicht der Hornwand) und von gleicher Breite als diese, so dass der weitaus größere Theil der Unterfläche des Klauenbeines von ‘dem Zehenballen eingenommen wird. Eben so wie beim Elen liegt die Hornsohle — wenn man die Klaue von unten betrachtet — etwas tiefer als der Zehenballen. Letzterer ist bedeutend metamorphosirt: der vordere Theil seiner Hornschicht besteht aus ganz festem Horn (erst nach hinten zu wird es elasti- scher). Bemerkenswerth ist ferner, dass die rudimentäre Hornsoble ! eigentlich in ganz entgegengesetzter Richtung verändert worden ist: dieselbe ist beim Kalbe mehr elastisch als gewöhnlich und weicher als der vordere angrenzende Theil des Zehenballens. Der Hornsohle entspricht an der Lederhaut eine schmale Fläche an der Unterseite des Klauengliedes längs des Randes desselben, welche sich durch den Besitz kleiner Furchen von der übrigen, dem Zehenballen an- gehörigen, Lederhaut der Unterseite unterscheidet. Beim erwachsenen Rind ist die Grenze zwischen der Horn- sohle und dem Zehenballen verwischt; ersterer ist zwar noch an der frischen Klaue kenntlich, aber auch eben nur kenntlich. Beim Schaf habe ich keine Hornsohle finden können: sie er- scheint hier gänzlich vom Zehenballen — welcher, im Gegensatz zu dem des Rindes, auch in seinem vorderen Theil, wenigstens bei Jungen Thieren, ziemlich weich ist — verdrängt, oder ist von dem- selben nicht unterscheidbar?. 1 Am besten sieht man die Hornsohle, wenn man der Unterfliiche der Klaue mit einem scharfen Messer die schmutzigen abgenutzten äußersten Theile des Hornes wegnimmt. Man wird dann die Hornsohle als ein deutliches Ge- bräme innerhalb der weißen Linie gewahr. 2 Es sei mir an dieser Stelle erlaubt eine Bemerkung bezüglich des Ver- haltens des Nagelwalles der Hufe und Klauen einzuschalten. Es wird von SUNDEWALL (Vetenskaps-Akademiens Handlingar 1844, pag. 149) als ein we- sentliches Unterscheidungs-Merkmal dieser Gebilde von den Krallen angeführt, dass ihnen ein Nagelwall gänzlich abgehen sollte. Dieses ist jedoch unrich- tig. Es findet sich ein Nagelwall bei allen von mir diesbezüglich untersuchten 398 | J. E. V. Boas Beim Dromedar und beim Lama (ich habe in Spiritus auf- bewahrte Füße beider Formen untersuchen können) ist die Horn- wand (der Nagel) bekanntlich nur klein, aber verhältnismäßig ziemlich lang und in der Längenrichtung gekrümmt (bei den übrigen Ungulaten ist die Hornwand in dieser Richtung entweder gar nicht oder sehr wenig gekrümmt). Die Hornsohle bildet ein schmales Gebriime zwischen dem vorderen Ende des Zehenballens und der Hornwand; sie ist jedoch, wenigstens beim Dromedar, verhältnis- mäßig etwas stärker als beim Elen. Die Zehenballen sind bekanntlich bei den Kamelen stärker als bei anderen Rumimantia entwickelt! und desshalb auch schon richtig als solche erkannt; ähn- lich wie beim Schwein sind die beiden Zehenballen jedes Fußes hinten vereinigt. In den Zehenballen des Dromedars hat RıccHI- ARDI Schweißdrüsen gefunden ?. Ungulaten (Pferd, Schwein, Hirsch, Rind, Schaf). Beim Pferde ist der Na- gelwall diejenige Hautpartie, deren Lederhaut als Fleischsaum und deren Horn- masse als Saumband oder Hornsaum bezeichnet wird; die »linienartige Vertie- fung« — der Kronenfalz —, welche dieselbe von der Fleischkrone abgrenzt, entspricht dem Grunde des Nagelfalzes des Menschen. Weit stärker als beim Pferd ist der Nagelwall bei den Wiederkäuern entwickelt. Hier erscheint derselbe — zum Studium empfehlen sich namentlich Füße, deren Klauen durch Maceration entfernt sind — als ein sehr deutlicher Hautwall, wenn auch der- selbe allerdings gegen den Nagelwall des Menschen oder den Krallenwall des Hundes weit zurücksteht. ! Indem wir natürlich annehmen müssen, dass die Ungulaten von Säuge- thieren abstammen, welche mit Krallen und wohlentwickelten Zehenballen ver- sehen waren, könnte es beim ersten Anblick aussehen, als ob. die starke Ent- wickelung der Zehenballen der Kamele als ein primitives Verhältnis aufzufassen wäre. Eine nähere Betrachtung ergiebt jedoch Anderes, Wenn wir nämlich erinnern, dass die Schweine und die Mehrzahl der Wiederkäuer einen im We- sentlichen genau übereinstimmenden, speciell ausgebildeten Fuß und dieser Fußform entsprechend reducirte Zehenballen besitzen, so müssen wir gewiss mit der größten Wahrscheinlichkeit schließen, dass eine ähnliche Fußform und rückgebildete Zehenballen bei der gemeinsamen Stammform der Schweine und der Ruminantia vorhanden waren. Hieraus folgt aber ferner, dass die eigen- thümliche FuBform der Cameliden nicht als ursprünglich gelten kann: denn jene Stammform gehört auch zu ihrer Ahnenreihe. Die starke Ausbildung der Zehenballen — mit gleichzeitiger Rückbildung der Hornwand — ist ohne Zwei- fel als Anpassung an eigenartige Lebensverhältnisse aufzufassen. — In der- selben Weise sind wahrscheinlich die »Klumpfüße« des Hippopotamus auf- zufassen; auch diese dürften von einer derjenigen des Schweines ähnlichen Fußform abzuleiten sein. 2 HOFFMANN und SCHWALBE'S Jahresbericht f. 1881 pag. 280. Die italiä- Ein Beitrag zur Morphologie der Nägel, Krallen etc. der Siiugethiere. 399 Als das ursprünglichste der im Vorhergehenden erwähnten Ge- bilde ist ganz zweifellos die Kralle aufzufassen. Durch Riickbil- dung des Sohlenhorns und durch verringerte Krümmung der Kral- lenplatte (namentlich in der Querrichtung) erstand einerseits aus derselben der Nagel!, während andererseits die Kralle durch Ver- stärkung der Krallenplatte und des Sohlenhorns, und durch vermin- derte Krümmung der ersteren in der Längenrichtung zu einem Gebilde umgestaltet wurde, welches dazu geeignet war in kleinerer (Rhino- ceros ete.) oder größerer (Pferd, Wiederkäuer) Ausdehnung die Körperlast zu tragen?, eine Funktion, welche bei den Krallenthieren den Zehen- und Sohlenballen allein zukommt. Kopenhagen, August 1883. Nachschrift. Nachdem ich den obigen Aufsatz der Redaktion eingesandt hatte, gelang es mir durch neues und besseres Material zu konstatiren, dass sowohl bei Cervus elaphus als bei C. dama eine ähnliche ganz schmale, rudimentäre Hornsohle wie beim Rind vorhanden ist. Da der Zehenballen sich ebenfalls ähnlich wie bei die- sem verhält, besteht demnach eine sehr innige Übereinstimmung zwi- schen der Klaue der genannten Cervus-Arten (welche beide den plesiometacarpen Hirschen angehören) und derjenigen des Rindes. nische Zeitschrift — »Societa Toscana di Scienze Naturali. Adunanza del 31 Marzo 1881« —, in welcher die betreffende Abhandlung publieirt wurde, ist mir nicht zugänglich gewesen). ! Der Verfasser ist der Vorstellung mehrfach. begegnet, dass der Unter- schied zwischen dem menschlichen Nagel und der Kralle etwa darin liegen sollte, dass diese das letzte Fingerglied ringsum umgäbe, während jener nur die Rückenfläche desselben bedeckte; mit anderen Worten, dass die Kralle sich über einen größeren Theil des Fingergliedes ausgedehnt hätte. Diese Auffassung ist jedoch, wie es vielleicht nach den vorstehenden Angaben kaum besonders hervorzuheben nothwendig ist, vollkommen unrichtig. Der Nagel und die Kral- lenplatte bedecken genau dieselben Partien der Finger, resp. Zehen; nur ist die von letzterer bedeckte Partie größer und gewölbter als der entsprechende Theil bei den mit Nägeln ausgestatteten Formen, bei denen dann andererseits die Unterseite des letzten Fingergliedes (dem vorderen Theil des Zehenballens der Krallenthiere entsprechend) mehr entwickelt ist. 2 Hiermit dürfte auch die Rückbildung des Nagelwalles der Ungulaten ableitbar sein (man vergleiche die starke Ausbildung desselben bei denjenigen Krallenträgern, welche ihre Krallen im ausgedehntesten Maße zum Ergreifen und Klettern ete. benutzen, z. B. Raubthiere, Faulthier, bei welchen der Krallen- wall sogar öfters verknöchert). Fig. Fig. Fig. fy Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. oO Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Oo Oye _— = 11. 12. 13. Erklärung der Abbildungen. Tafel XVIII. n Nagel, Krallenplatte, Hornwand (gelb). s Sohlenhorn, Hornsohle (dunkelgrau). b Hornschicht des Zehenballens, Hornstrahl (hellgrau). w Nagelwall, Krallenwall. ps letzter Phalanx. p2 vorletzter Phalanx. ~~ NS Ende eines menschlichen Fingers, von der Spitze gesehen. » in Fig. i—9: Rand des Nagels. Ende eines Affenfingers, eben so gesehen. Ende der Zehe eines Krallenträgers, eben so. (Es liegt ein Eri- naceus-Fuß der Zeichnung zu Grunde). Ende einer Rhinoceros-Zehe, Unterfliiche. »’ Eckstreben, »” Win- kel zwischen dem Eckstreben und dem vorderen Theil der Horn- wand. Hypothetisches Zwischenglied zwischen Rhinoceros und Pferd. Pferde-Huf von unten. Klaue und Zehenballen des Schweines, eben so. - - - = Efenthieres"- = - - - - Lama Jama Medianschnitt durch einen menschlichen Finger. «—8 vgl. pag. 392, Anm. Medianschnitt durch einen Affenfinger (Cercopithecus). - - die Zehe eines Krallentrigers. - - - - des Pferdes. Alle Figuren sind schematisirt. Über die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. Von Dr. M. Davidoff. Mit Tafel XIX. Vor einer Reihe von Jahren begann ich mich mit der vergleichen- den Myologie der Hintergliedmaße der Amphibien zu beschäftigen. Angeregt zu diesem Thema wurde ich durch die bedeutungsvollen Untersuchungen FÜRBRINGERSsS, die nicht nur die vergleichende Myologie auf eine neue Bahn brachten, sondern auch zahlreiche, das Gliedmaßenproblem betreffende Fragen aufwarfen. Eine der hervorragendsten Stellen unter den letzteren nahm die Frage ein, welche durch die konstatirte Wanderung der Gliedmaßen entstand. — die Frage nämlich nach den Umbildungen und Umwandlungen der zur Gliedmaße gehörigen Muskeln und Nerven. Weiterhin hatte aber die Wanderung der Extremitäten eine wichtige Stellung zur GEGENBAUR’schen Theorie der Abstammung der Gliedmaßen von den Kiemenbogen eingenommen, und es lag auf der Hand, dass man namentlich bei den niederen Wirbelthieren, den Fischen, eine Lösung aller dieser Fragen zu suchen hatte. Aus diesem Grunde verließ ich damals die Amphibien und wandte mich zu den Fischen. Die Resultate dieser Arbeiten stellte ich in meinen »Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Hintergliedmaße der Fische« zusam- men!. Es hatte sich bei diesen Untersuchungen herausgestellt. dass vielleicht nirgends klarer als gerade bei den Fischen, das Verhältnis der Nerven zu der Lageveränderung der Gliedmaße hervortritt. ! Morph. Jahrbuch Bd. V, VI u. IX. 402 M. Davidoff Durch die Auffindung des N. collector hat die Annahme, dass die Nerven der Wanderung der Gliedmaße nur nach und nach fol- gen, also eine konservative Rolle dabei spielen, eine festere Basis gewonnen, mithin auch die Theorie, welche bei der Wanderung der Extremitäten eine allmählichke Umwandlung und Neubildung der Muskeln und Nerven annimmt, und welche von FÜRBRINGER als imitatorische Homodynamie oder Parhomologie benannt wurde. Wenn es somit feststand, dass Spuren einer etwaigen Wanderung der Gliedmaße in den zugehörigen Nerven zu suchen seien, so bestand natürlich die nächste Aufgabe darin, Formen aufzufinden, bei welchen sich die allmähliche Umbildung der Plexus anschaulich illustriren ließe. Durch die Arbeiten von ROSENBERG !, SOLGER? und FÜRBRINGER’S myologische Untersuchungen? wurde zwar ein reichhaltiges Material zur Stütze dieser Hypothese geliefert, aber es war doch der Modus der Umbildungen der Nerven immerhin noch eine Frage geblieben. Erst durch FURBRINGER’s Arbeit über den Plexus brachialis der Vö- gel, ist der direkte Nachweis der Umbildungen der Plexus gelie- fert worden. Besonders günstige Objekte waren natürlich diejenigen, welche individuelle Schwankungen in der Reihenzahl der plexusbil- denden Nerven darboten und in größerer Anzahl und verschiedenen Altersstufen dem Beobachter zugänglich waren. Solche Objekte bil- deten namentlich unter den Vögeln, Columba livia ‘var. domestica), Gallus cinereus, Picus viridis, Anser cinereus etc. Aus diesen Un- tersuchungen ergab sich eine Anordnung des Plexus brachialis, welche sich »auf ein successives Ausscheiden und Eintreten von für die Extremität bestimmten Nervenfasern zurückführen lässt. Ein fer- neres wichtiges Resultat der Untersuchung FURBRINGER’s ist der Nach- weis einer »Selbständigkeit der Variirungen der einzelnen Nerven«, dass also »nicht aus den Variirungen des ganzen Plexus die der einzelnen Nerven zu erklären sind, sondern vielmehr die letzteren sind die primären Variabeln, aus deren Summirung erst die Varia- ! E. ROSENBERG, Über die Entwieklung der Wirbelsäule und das Carpi centrale des Menschen. Morphol. Jahrb. Bd. I. 1875. 2 SOLGER, Zur Anatomie der Faulthiere. Morphol. Jahrb. Bd. I. 1875. 3 MAx FÜRBRINGER, Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. I. u. II. Theil. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. VII u. VIII 1874. III. Theil Morphol. Jahrb. Bd. I. 4 Max FÜRBRINGER, Zur Lehre von den Umbildungen der Nervenplexus. Morphol. Jahrb. Bd. V. 5 1. €. pag. 376. Über die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. 403 bilität des ganzen Plexus abzuleiten ist. Damit ist der Schwerpunkt der Variation an die Peripherie verlegt: — — die Extremität ver- ändert unter gleichzeitigem Lagewechsel ihre Elemente und damit auch die sie versorgenden Nervenfasern«!. Aber nicht allein in der verschiedenen Reihenzahl der plexusbildenden Nerven, oder in dem Hinzutreten oder Abfallen eines derselben, besteht das Variiren des Geflechtes, sondern auch in der verschiedenen Stärke der einzelnen Wurzeln, wodurch dann das Übergewicht bei einem Individuum mehr proximal, bei dem anderen mehr distal (resp. vorn und hinten) ge- legt wird 2. Damit aber die Lageveränderung des Plexus und die damit ver- bundene Umbildung desselben vor sich gehe, sind Bedingungen nothwendig, die in dem Verhalten der Endäste zu den Muskeln be- stehen müssen. Wäre nämlich irgend ein Muskel einzig und allein von den Fasern eines einzigen Spinalnerven innervirt, so wäre eine metamerische Umbildung desselben schechterdings unverständlich. Es wäre unmöglich sich die Übergabe eines Muskels von einem Spinalnerven zum andern vorzustellen. Indessen liegen die Verhält- nisse anders: wir sehen, dass die zu den Muskeln gelangenden End- zweige des Plexus, nur mit seltenen Ausnahmen aus den Elementen von mindestens zwei Spinalnerven zusammengesetzt sind. Ist letz- teres aber nicht der Fall, so lassen sich Varietäten auffinden, bei welchen der im gegebenen Falle einfache Nerv aus den Elementen zweier Nerven zusammengesetzt ist. Aus diesem Verhalten ergiebt sich die Möglichkeit einer allmählichen Umbildung, indem die Fasern eines Nerven das Übergewicht gewinnen und so die Elemente des anderen nach und nach verdrängen. Alle diese Verhältnisse treten beim gefleckten Salamander sehr anschaulich zu Tage, und haben gegenüber anderen Beispielen die- ser Art noch den Vorzug, dass sie außerordentlich einfacher Natur sind und mit wenigen Worten aus einander gesetzt werden können. Schon ältere Autoren machten auf die, bei den Salamandrinen vorkommenden, die Anheftung des Beckens betreffenden Varietäten aufmerksam. So führt CLaus? eine später von OWEN! eitirte Notiz 1]. e>’pag. 373: 2 Ebenda pag. 357. : 3 CLAUS, Beiträge zur vergleichenden Osteologie der Vertebraten. Sitzungs- beriehte der k. Akademie der Wissenschaften zu Wien. Bd. 74. I. Abth. Jahrg. 1876. * R. Owen, Anatomy of vertebrates. Tom. I. 1866. pag. 49. - 404 M. Davidoff Cuvier’s! an, dass bei Salamandra atra das Sacrum bald der 15., bald aber der 16. Wirbel sei. Zuweilen . kommt aber auch eine asymmetrische Bildung vor, bei welcher das Ilium linkerseits am 17., rechterseits am 16. Wirbel befestigt ist. Auch Dum&riL und BIBRON? geben an, dass bei Salamandra das Becken nicht immer von nur einem Wirbel getragen wird, dass es auch zuweilen mit dem 16. und 17. Wirbel in Zusammenhang stehen kann. So er- wähnt ferner HorrMANN?, dass bei den Urodelen (Cryptobranchus und Triton) »die beiden ossa ilei jederseits« zuweilen »nicht an dem- selben Wirbel artikuliren, sondern rechts an einem Wirbel früher oder später als links«. In neuerer Zeit hat CLaus* mehrere interes- sante Varietäten beschrieben, und aus denselben die Schlussfolge- rung gezogen, dass man bei den Urodelen eine nach hinten sich vollziehende Wanderung der Hintergliedmaße anzunehmen berech- tigt sei. Diese Lageveränderung des Beckens führt uns durch zahl- reiche Zwischenformen zu Siren lacertina, bei welchem das Becken ganz aus dem Bereiche der Wirbelsäule rückt, dem Thier nicht mehr nützlich sein kann, und in Folge dessen verschwindet. Das Nervensystem, der Plexus lumbosacralis, ist von CLAus nicht berück- sichtigt worden. Erst H. v. ImerınG® hat die, das Sacrum betreffen- den Varietäten im Zusammenhang mit den dazu gehörigen Nerven untersucht, und scheint darin mit CLAus übereinzustimmen, dass er in manchen Fällen eine nach hinten vollzogene Wanderung des Beekens zugiebt®. Andererseits benutzt v. Inerine das konstante Verhalten des Plexus lumbosacralis zum Sacralwirbel, sei der letz- tere der 16. oder der 17. Wirbel. als einen Beweis für die von ihm aufgestellte Hypothese, dass überall da, wo die Reihenzahl, welche das Sacrum innerhalb der übrigen Wirbel einnimmt, variirt, keine, wenigstens in den meisten Fällen keine Verschiebung des Beckens anzunehnem sei, sondern eine einfache Ex- oder Intercalation eines 1 Cuvier, Recherches sur les ossements fossiles. Tom V, pag. 413. 2 Dumsrın et Brsron, Erpétologie générale ete. T. II. Paris 1841. pag. 93—94. 3 Bronn’s Thierklassen und Ordnungen. Bd. VI. Amphibien. Leipzig und Heidelberg. pag. 77. 4]. e. pag. 816. 5 H. v. IHERING, Das peripherische Nervensystem der Wirbelthiere. Als Grundlage für die Kenntnis der Regionenbildung der Wirbelsäule. Leipzig 1878. 6]. e. pag. 19—22. Uber die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. 405 präsacralen Wirbels'. Unter den Urodelen stützt v. IHERING seine Theorie namentlich auf die Befunde bei Siredon und Salamandra und geht dabei von einer Voraussetzung aus, dass der von ihm als N. furealis? bezeichnete Nerv bei allen Wirbelthieren homolog sei. v. IHERING meint hiermit einen festen Punkt gewonnen zu haben, von welchem aus er dann alle Variationen an der Wirbelsäule beur- theilen könne. Es verhält sich aber, wie wir aus den Plexus lum- bosaerales vom Salamander ersehen werden, nicht so. v. IHERING hat den verhängnisvollen Fehler begangen, dass er sich ausschließ- lich auf das centrale Verhalten des Plexus beschränkt hat und in Folge dessen die zahllosen Varietäten desselben nicht gesehen, wo- durch dann wiederum der Werth der aus seinen Beobachtungen gezogenen Schlüsse beträchtlich gemindert wird. Ich wende mich nun zur Beschreibung der von mir untersuch- ten Plexus vom Salamander, möchte aber zuerst vorausschicken, dass dieser kleine Aufsatz eigentlich meiner Arbeit zur vergleichenden Anatomie der Beckenmuskeln der Amphibien angehört. Ich habe mich jedoch zu einer besonderen Publikation desselben desshalb ent- schlossen, weil das Anführen aller hier zu beschreibenden Varietäten die fortlaufende Darstellung der Beckenmuskeln’ der Amphibien nur in unnützer Weise ausdehnen und komplieiren würde. So viel mir aus der Litteratur bekannt ist, haben alle bisherigen Autoren angegeben, dass der Plexus lumbosacralis der Salamandri- nen aus den Elementen dreier Spinalnerven zusammengesetzt sei’. Unter den Urodelen soll derselbe nur bei Cryptobranchus japonicus durch vier Spinalnervenwurzeln gebildet werden‘. DE Man be- schreibt den Plexus von Salamandra und Triton wie folgt: »il est constitué par les branches ventrales de trois — — nerfs spinaux ; le plus antérieur de ces nerfs; que nous nommerons le pre- ‘In Bezug auf die weitere Auseinandersetzung der v. IHERING’schen Theo- rie der Ein- und Ausschaltung von Wirbelsegmenten verweise ich auf die er- wähnte Arbeit vy. IHERING's, so wie auch auf den Aufsatz von FÜRBRINGER, »Zur Lehre etc.« |. ce. 2]. ec. pag. 6 und Anmerkung. ® Vgl. Horrmann, 1. c. pag. 240 und die Abbildung auf Taf. XXII Fig.7. DE Man, Verglijkende myologische en neurologische Studien over Amphibien en Vogels. Academische Proefschrift. Leiden 1873. (Dasselbe [Amphibien] in französischer Sprache im Niederländischen Archiv für Zoologie Bd. II. 187475.) * Humpury, The muscles and nerves of the Cryptobranchus japonicus. Journal of Anat. and Phys. Vol. VI. 1872. pag. 51 u. flg. 406 M. Davidoff mier (N. furcalis, v. IHERING) est chez Triton toujours plus mince que les deux autres et son épaisseur est A peu pres deux tiers de celle des autres. Ceux-ci ont une dimension presque égale. Le nerf spinal premier s’attache au second par un rameau lateral, dirigé en arriere: le second se joint au troisiéme, de sorte que le plexus se forme!. Aus dem ersten Plexusnerven gehen nach DE MAN zwei Endäste ab, von welchen der eine durch das Foramen obturatum tritt und der N. obturatorius ist, der andere verliuft zur dorsa- len Seite des Schenkels und innervirt die Extensorengruppe — N. eruralis?. Aus den beiden anderen Wurzeln setzt sich der Stamm des N. ischiadicus zusammen, welcher sofort einen nach hinten gerichteten Ast abgiebt, der die von der Schwanzwirbelsäule zum Becken und Schenkel verlaufenden Muskeln 3 innervirt, so wie auch Äste an die Haut der Kloakengegend sendet. Mit dieser Darstellung DE Man’s stimmen HOFFMANN und v. IHERING überein, und nur letz- terer Forscher fügt zu dieser Beschreibung einige nicht unwichtige Thatsachen hinzu. Er giebt an, dass der N. obturatorius von dem vorderen Aste des vor dem N. furcalis (erste Wurzel, DE Man) ge- lagerten Spinalnerven Fasern erhalte, dass die erste Ischiadieus- wurzel dem N. cruralis Fasern zusende, dass ferner die letzte Plexuswurzel (N. bigeminus, v. IHERING) einen Ast nach hinten entsende, der sich zuweilen mit dem nächst hinteren Spinalnerven zu verbinden scheint. Meine Beschreibung des Plexus lumbosacralis will ich so einthei- len, dass ich die Varietäten desselben zuerst in denjenigen Fällen schil- _ dere, in welchen der Sacralwirbel konstant der 16. ist. Die hier in Be- tracht kommenden Nerven sind fünf an Zahl, und zwar der XV.—XIX. ventrale Äste der Spinalnerven. In der Beschreibung werde ich die am Plexus theilnehmenden Wurzeln als I., I. ete. bezeichnen, wobei die zweite Wurzel dem N. furcalis v. IHERING’s entspricht, oder dem ersten Plexusnerven von DE Man und Horrmann. Die beiden fol- genden Wurzeln setzen den N. ischiadicus zusammen und entspre- chen dem 2. und 3. Plexusnerven DE Man’s und HorrMann’s, wobei der 3. dem N. bigeminus v. IHERING entspricht. Nur in seltenen Fällen nehmen alle fünf Nerven am Plexus 1}. e. Nied. Archiv. pag. 58 und Taf. VII Fig. 4. 2 HuMPuHRY’s »anterior crural nerve«. 1. c. pag. 52. 3 M. caudali-pubo-ischio-tibial und Caudali-femoral (auch M. ischio-cau- dalis). DE MAN |. c. pag. 67. 4]. c. pag. 71 Fig. 3 auf Taf. 1. Uber die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. 407 Theil. Jedoch besteht der relativ normale Plexus von Salamandra nicht aus drei, sondern aus vier Spinalnerven. Dieses Verhalten ist in Fig. 1 dargestellt. Die erste Plexuswurzel entspringt zwi- schen dem 14. und 15. Wirbel (I), ist bedeutend schwächer als die II. Wurzel und theilt sich bald in zwei Äste. von welchen der vordere zu den Bauchmuskeln verläuft, der hintere aber in die Beekenhöhle tritt und mit dem N. obturatorius sich verbin- det. Die II. Plexuswurzel geht mit allen ihren Elementen in das Geflecht ein. Sie sendet einen nach hinten gerichteten Ast zur dritten Plexuswurzel (III), einen zweiten nach vorn, aus wel- chem der N. obturatorius (Ob), der, wie wir wissen, Fasern von der ersten Wurzel empfängt, und der N. cruralis (Or) her- vorgehen. Die dritte Wurzel ist die bedeutendste und geht voll- ständig in den N. ischiadieus ein. Sie sendet, noch bevor sie sich mit der zweiten Wurzel verbindet. einen Ast nach hinten, der die erwähnten, von der Schwanzwirbelsäule entspringenden Muskeln in- nervirt und den ich als R. caudalis bezeichnen will (Re). Die vierte Plexuswurzel endlich ist um Vieles dünner als die dritte und sendet einen Ast nach hinten, der sich in der Kloakengegend verliert. und einen anderen Ast nach vorn zur dritten Plexuswurzel. Hier trifft der letztere meistens mit dem Ursprungstheil des R. caudalis zusam- men, an dessen Zusammensetzung er immer, sei es direkt oder in- direkt (durch die Vermittelung der dritten Wurzel) Theil nimmt. Wenn die soeben beschriebene Figur das häufigste Verhalten des Plexus, beim Vorhandensein des Sacralwirbels 16, darstellt, so ist dieselbe nichtsdestoweniger als ein Schema aufzufassen: denn an den beiden Endpartien des Plexus (vorn und hinten). kommen zahllose Varietäten vor, welche aber mehr den Charakter von Zu- fälligkeiten zu haben scheinen und in Folge dessen für uns von geringerer Bedeutung sind. So kann z. B. der von der I. Wurzel zum N. obturatorius verlaufende Ast sich vorher in zwei Äste spal- ten, die beide gesondert in den N. obturatorius eintreten (vgl. Fig.5). Er kann ferner statt eines Zweiges, deren mehrere an die Bauch- muskeln senden u. s. f. An der vierten Wurzel bestehen die un- wesentlichen Varietäten darin, dass ihr nach vorn gerichteter Ast sich mehr central resp. proximal mit der dritten Wurzel verbindet, vorher in zwei Äste zerfällt ete. Im Großen und Ganzen bleibt aber das gegenseitige Verhältnis der Plexusnerven, ihre Correlation, die- selbe. Anders verhält es sich mit der letzteren, wenn eine der Wurzeln, sei es vorn oder hinten, das Übergewicht gewinnt und 408 M. Davidoff einen Theil der Aufgabe der nächst vorderen resp. hinteren Wur- zel übernimmt. So kann die |. Plexuswurzel einen bedeutenderen Antheil an den Nn. obturatorius und eruralis nehmen als es gewöhn- lich der Fall ist: dann entsteht schon ein ganz anderes Bild des Plexus, obwohl seine Zusammensetzung eine ganz ähnliche ist (vgl. Fig. 2). Wir sehen, dass der hintere Ast der I. Plexuswurzel dieker ist als im vorhergehenden Falle (Fig. 1), dass aber in Folge dessen der nach vorn gerichtete Ast der II. Wurzel schwächer ist. Sie geht mit fast allen ihren Elementen in die III. Wurzel ein, welche demgemäß auch schwächer entwickelt ist als in Fig. 1. So ist hier schon eine Tendenz des Plexus um einen Spinalnerven weiter nach vorn zu rücken angedeutet. Dieses Verhalten kann aber noch wei- ter gehen, indem der hintere Ast der I. Plexuswurzel fast ausschließ- lich den N. obturatorius konstituirt, und der vordere Ast der I. Wurzel, nachdem er den N. cruralis abgegeben hat, nur ein ganz dünnes Fadchen zum N. obturatorius absendet. Einen noch interes- santeren Fall repräsentirt Fig. 3. Hier gehören die Nn. obturato= rius und cruralis gänzlich dem Gebiete der I. Plexuswurzel an, welche ihrem Volumen nach der II. und Ill. Wurzel fast gleich kommt. Es besteht hier eine kreuzförmige Verbindung zwischen den Wurzeln I und II, wobei der N. cruralis Fasern von der II. Wurzel erhält, nieht mehr aber der N. obturatorius. Die IV. Wurzel ist hier nur schwach entwickelt und sendet ihre nach vorn ge- richteten Fasern nicht mehr wie gewöhnlich der Ill. Wurzel zu, sondern verbindet sich ausschließlich mit dem R. caudalis derselben. Würde man den soeben beschriebenen Fall an sich betrachten und ihn ohne Rücksichtnahme auf die vorhandenen Zwischenstufen, etwa mit Fig. 4 vergleichen, so läge die Annahme nahe, dass die Wur- zel I (Fig. 3), der Wurzel II (Fig. 4) homolog sei. Es ist aber ein- leuchtend, dass wir bei einer solehen Annahme einen groben Fehler begehen würden, welcher einfach auf einer Unkenntnis der mannig- fachen Zwischenstufen beruht; denn in Wahrheit ist die I. Plexus- wurzel in Fig. 3 nichts Anderes, als dieselbe I. Wurzel in Fig. 4, die aber im letzteren Falle aus dem Bereiche des Plexus ausgeschaltet ist. Mit den bisher beschriebenen Fällen ist auch diejenige Varie- tätenreihe des Plexus erschöpft, deren Endziel das Rücken desselben um ein Nervenmetamer weiter nach vorn ist. Ein ganz anderes Bild gewährt uns der Plexus, wenn seine hin- tere Partie resp. die IV. Wurzel das Übergewicht gewinnt vgl. Fig. 4). Dann nimmt in der Regel der hintere Ast der I. Wurzel Über die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. 409 keinen Antheil am N. obturatorius und verbindet sich gewöhnlich mit einem nach vorn gerichteten Aste der II. Wurzel, um gemein- sam zu den Bauchmuskeln zu verlaufen (Bm). Die II. Wurzel, mit Ausnahme des eben erwähnten Astes, geht ganz’ in die Nn. eruralis und obturatorius ein, und sendet einen nur sehr feinen Zweig zur III. Wurzel. Letztere ist eben so stark wie in den vorherge- henden Fällen und sendet dem N. cruralis ein dünnes Astchen, wo- durch eine kreuzförmige Anastomose zwischen den Wurzeln II und II zu Stande kommt. Nun ist aber klar, dass wenn bei dieser Zu- sammensetzung des Plexus die IV. Wurzel sich eben so verhielte wie in den Fig. I und 2, so würde der N. ischiadieus viel zu wenig Nervenelemente erhalten, als für die Innervation der bezüglichen Muskeln erforderlich ist. Demgemäß ist hier die IV. Wurzel um Bedeutendes dicker als in den vorigen Fällen, ja sie kommt beinahe der III. Wurzel gleich. Auch übernimmt die IV. Wurzel die Inner- vation der caudalen Muskeln, indem der R. eaudalis allein von ihr ausgeht. Wir haben bisher diejenigen Varietäten des Plexus betrachtet, welche zu einer Lageveränderung desselben entweder nach vorn oder nach hinten führen: es bleibt aber noch ein Fall zu beschrei- ben, der desswegen nicht uninteressant ist, weil alle Wurzeln des Plexus einen annähernd gleichen Antheil an demselben nehmen, gleich stark sind, und in Folge dessen gleichsam einen indifferenten Zustand des Geflechtes repräsentiren. Diesen Fall bietet Fig. 5. Der Plexus ist gleichmäßig entwickelt und zeigt auch den nicht gerade seltenen Zustand, in welchem die IV. Wurzel mit der V. noch vermittels einer feinen Anastomose im Zusammenhang steht. Kleine Ästehen gehen von derselben ab, welche sich sogleich in den hier gelagerten Schwanzmuskeln aufzulösen scheinen (Sm). Ich will die bisher angeführten Varietäten, welche der Plexus lumbosacralis in dem Falle bietet, in welchem der Sacralwirbel der 16. ist, nicht verlassen, ohne auf die Veränderungen, die in Be- zug auf seine Zusammensetzung der R. caudalis erfährt, einzu- gehen. Dieser Ast spielt an der hinteren Partie des Plexus eine ähnliche Rolle wie der N. obturatorius an der vorderen. Er enthält die Elemente der III. und IV. Wurzel, die gewissermaßen in gegen- seitigem Kampfe bestehen, indem einmal die III. ein ander Mal die IV. Wurzel das Übergewicht erhält. Die Aufgabe des R. caudalis ist die vom Schwanze zu Becken und Extremität verlaufenden Muskeln und die Haut der Kloakengegend, so wie auch die bei den Morpholog. Jahrbuch. 9. 37 410 M. Davidoff Männchen während der Fortpflanzungszeit stark entwickelten Kloa- kendrüsen zu innerviren. In dem einen Falle, Fig. 7, sehen wir. dass die Innervation der Caudalmuskeln (Mef, Mepif und Mc) dem aus der III. Wurzel herstammenden Aste überlassen ist, der ein kleines Fädehen zum Aste Hgc der IV. Wurzel sendet, um auch an der In- nervation der Kloakendrüse Theil zu nehmen. In einem anderen Falle, Fig. 6, ist schon die Innervation des M. ischio-caudalis eben- falls dem Kloakendrüsenaste der IV. Wurzel überlassen. Der Um- stand ist aber wohl im Auge zu behalten, dass dieser Ast zum eigentlichen, von der IH. Wurzel kommenden R. caudalis ein Fäd- chen abgiebt, so dass die übrigen Muskeln ebenfalls die Elemente des Kloakendrüsenastes enthalten. Wir sehen also, dass die Ver- hältnisse des R. caudalis so beschaffen sind, dass derselbe ohne Schwierigkeiten von einem oder dem anderen Spinalnerven entspringend gedacht werden kann. In manchen Fällen entspringt der R. cauda- lis von den vereinigten III. und IV. Wurzeln und ist eben so wie vorher aus den Elementen dieser beiden Nerven zusammengesetzt. Überwiegt nun z. B. die IV. Wurzel, was ziemlich oft der Fall ist (vgl. Fig. 4), so bleibt seine Verästelung dieselbe und seine Ele- mente stammen dann einzig und allein von der IV. Wurzel ab. In den bisher betrachteten Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra sind drei Hauptmomente zu unterscheiden: 1) das Überwiegen der vorderen Wurzeln (Fig. 3), 2) das Überwiegen der hinteren (Fig. 4) und 3) das annähernd gleiche, indifferente Verhal- ten der plexusbildenden Nerven (Fig. 5). Aus den angeführten Beispielen ist ferner ersichtlich, dass eine Correlation zwischen den vorderen und hinteren Plexuswurzeln besteht, welche passend den beiden Armen einer Wage verglichen werden kann, — senkt sich der eine derselben, so steigt der andere entsprechend in die Höhe. Dieses Prineip ist bis ins kleinste durehgeführt, so dass man in den meisten Fällen nur die eine Hälfte des Plexus zu kennen braucht, um mit fast vollkommener Sieherheit auf die Beschaffenheit der anderen schließen zu können. An allen diesen Varietäten nimmt, wie wir sahen, der Sacralwirbel, der in allen diesen Fällen konstant der 16. Wir- bel ist, keinen Antheil, wir sind daher berechtigt zu sagen, dass die Veränderungen und Umbildungen der Plexus zunächst unabhän- gig von der Lage des Sacrums vor sich gehen, was schon daraus verständlich ist, dass die Wirbelsäule ein mehr central gelagertes Or- gan ist, als die periphere Partie des Plexus. — Es ist sehr befrem- dend, dass v. IHERING alle diese Varietäten außer Acht gelassen Uber die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. 411 hat, um so mehr, als er die von der I. Wurzel zum N. obturatorius verlaufenden Fasern gesehen hat. Durch diese Anastomose wird es verstiindlich, dass der N. obturatorius der ersten Plexuswurzel zu- fallen kann und damit wiiren die Befunde vom Salamander in Zu- sammenhang gebracht mit denjenigen von Cryptobranchus japonicus, bei welchem nach Humenry der N. obturatorius allein durch die erste Plexuswurzel gebildet wird. Es braucht sich also Humrury nicht geirrt zu haben, oder ungenau gewesen zu sein, wie es v. [HERING meint. Vielmehr ist letzterer im Irrthum, wenn er glaubt, dass bei Cryptobranchus »der N. obturatorius sicher wie bei allen übri- gen Amphibien und Reptilien auch Fasern aus dem N. furealis (H. Plexuswurzel) erhalten wird«!. Im Vorhergehenden haben wir aber konstatirt, dass diese Annahme v. IHerıng’s durchaus keine Regel ist. Ich bin absichtlich bis jetzt noch nicht auf diejenigen Varietä- ten des Plexus eingegangen, welche bei der Verlagerung des Sacral- wirbels stattfinden. Das Verständnis derselben, nach den bereits betrachteten Varietäten, bietet gar keine Schwierigkeiten mehr; denn sie alle sind in den bereits vorgeführten Veränderungen der Plexuswurzeln enthalten. Die Verlagerung der ganzen Gliedmaße um einen Wirbel bleibt selbstverständlich nicht ohne Einfluss auf den Plexus. Findet dieselbe nach vorn statt, so gewinnt demgemäß die vordere Partie des Plexus das Übergewicht. In Fig. 8 entspringt die I. Wurzel nicht wie in den früheren Fällen vor dem ersten prä- sacralen Wirbel, sondern vor dem sacralen. Sie ist fast eben so stark wie die beiden folgenden Wurzeln und geht ganz in die Nn. obturatorius und cruralis ein. Wie in Fig. 3 besteht eine kreuz- förmige Anastomose zwischen der I. und II. Wurzel, wobei der N. cruralis Fasern von der letzteren erhält. Vergleicht man die Fig. 8, 3 und 4, so kann man nicht im Zweifel sein, dass die I. Wurzel hier diejenige Rolle übernommen hat, welche sonst der II. Wurzel zukommt. Die beiden folgenden Plexuswurzeln setzen den N. ischi- adieus zusammen, wobei der R. caudalis von der III. Wurzel ausgeht. Die vierte Wurzel nimmt aber hier keinen Antheil mehr am Plexus, welcher also auf drei Spinalnerven beschränkt ist. Es kann aber, wie ich es in einem Falle beobachtet habe, der vor der I. Plexuswurzel gelagerte Spinalnerv mit der I. Plexuswurzel anastomosiren — dem N. obturatorius ein feines Fadchen zusenden. Dann gewinnt der Plexus 1 ]..c. pag. 67. 412 M. Davidoff ganz das Ansehen wie in Fig. 1. Würde man nicht die Zwischenstufen kennen, so könnte man allerdings glauben, dass man es in beiden Fällen ganz mit denselben Nerven zu thun habe. Wie oberflächlich aber eine solche Betrachtungsweise wäre, ergiebt sich ganz von selbst. Dadurch aber, dass der vor der ersten Plexuswurzel gela- gerte Nerv in Beziehungen zum Plexus tritt, sind wiederuni Bedin- gungen zu einer weiter nach vorn schreitenden Umbildung des Plexus gegeben. Eine entsprechende Veränderung des Plexus, aber in entgegen- gesetzter Richtung, findet statt, wenn das Sacrum um einen Wirbel nach hinten rückt. Wir treffen dann entweder eine Verstärkung der beiden hinteren Plexuswurzeln mit vorhandener Anastomose der I. Wurzel mit dem N. obturatorius, oder, was viel häufiger der Fall ist, eine Umbildung, bei welcher diese Anastomose fehlt. Fig. 9 führt uns einen ähnlichen Fall vor. Die II. Plexuswurzel geht vollstän- dig in die Nn. cruralis und obturatorius ein und sendet hier keinen Verbindungszweig zur III. Wurzel, welche aber ein sehr dünnes Astehen zu dem N. cruralis schickt. Die II. und IV. Wurzel sind dem Volumen nach gleich. Die letztere entsendet den R. caudalis, mit welchem sich ein feiner Zweig der V. Wurzel verbindet. Inter- essant ist es, dass in den beiden zuletzt betrachteten Fällen, d. h. wenn das Sacrum entweder der 15. oder der 17. Wirbel ist, eine nächst vordere oder hintere, sonst am Plexus nicht theilnehmende Wurzel in Mitleidenschaft gezogen wird. Weniger befremdend ist dieses bei der V. Wurzel, welche oft mit der IV. in Zusammenhang steht. Eine Verbindung der I. Plexuswurzel mit dem nächst vorderen Spi- nalnerven habe ich, trotzdem ich gegen 60 Exemplare ! untersucht habe, nur dann gesehen, als der Sacralwirbel der 15. war. Zu diesen Beschreibungen füge ich noch hinzu, dass diejenigen Fälle, in denen das Sacrum sich auf zwei Wirbel erstreckt, sei es auf eine symmetrische oder asymmetrische Weise, von einem sehr geringen Einflusse auf die Plexus sind, welche letzteren sich immer streng symmetrisch verhalten. Wenn die Ergebnisse dieser kleinen Untersuchung nichts we- sentlich Neues zum bereits Bekannten hinzufügen, so liefert dieselbe mindestens eine anschauliche Illustrirung der hier auf eine so ein- ! Bei 53 Exemplaren war der Sacralwirbel der XVI., bei 3 Expl. der XVII., bei 2 der XV., bei 2 der XVI. und XVII. einmal symmetrisch, das an- dere Mal asymmetrisch. Uber die Varietäten des Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa. 413 fache Weise vor sich gehenden Umbildungen der Nervengeflechte. Zugleich hat sich aber die Angabe v. IMERING’s, dass der Plexus der Salamandrinen bei der Verlagerung des Sacralwirbels keinerlei Va- riationen erleide, als eine irrthümliche herausgestellt. Der von v. IHERING in der Reihe der Wirbelthiere für homolog gehaltene N. furealis ist nicht einmal beim Salamander in allen Fällen identisch, und damit verliert die, auch sonst an überzeugenden Thatsachen wenig reiche Theorie der Ex- und Intercalation eine wesentliche Stütze. Aus den hier dargelegten Varietäten folgt, dass der Plexus zunächst ganz unabhängig von der Lagerung des Sacralwirbels sich verändert, dass auch dann, wenn der Sacralwirbel konstant der 16. ist, fast alle bei der Verlagerung des Sacrums sei es nach vorn oder nach hinten vorkommenden Plexusvarietäten vorhanden sind, und nur das Rücken des Sacrums nach einer gegebenen Rich- tung den definitiven Ausschlag für das Überwiegen der einen oder der anderen Seite des Plexus giebt. Wir sehen, dass hier ein Vor- gang sich abspielt, dessen Analogon wir bereits früher bei den Fi- schen gefunden haben. Auch hier werden die am Plexus weniger Theil nehmenden Nerven schmächtiger, rudimentärer und die ehemalige Beziehung zum Plexus erhält sich in Gestalt feiner, sporadisch auf- tretender Anastomosen, wie z. B. die Verbindung zwischen der IV. und V. Wurzel. Dadurch aber, dass dieser Vorgang sich hier in- nerhalb einer und derselben Art vollzieht, ist derselbe bedeutend übersichtlicher und für die Theorie der Umbildung, die imitatorische Homodynamie FÜRBRINGER's beweisender. Leider kann ich hier noch nicht auf die Frage eingehen, in wel- cher Richtung das Becken von Salamandra sich hinbewegt. Für die Lösung dieser Frage ist die Hinzuziehung anderer Urodelen, womit dann die phylogenetische Methode verbunden ist, nöthig. Daher muss ich die Erörterung dieses Gegenstandes verschieben, und werde denselben erst in meiner Arbeit über die Beckenmuskeln der Am- phibien abhandeln. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Alle Figuren stellen halbschematisch die Varietäten des linksseitigen Plexus lumbosacralis von Salamandra maculosa vor, und zwar imal ver- größert. Die Buchstaben und Zahlen bedeuten in allen Figuren Folgendes: 14—18 Reihenzahlen der Wirbel. S Sacralwirbel. I—-V Plexuswurzeln. Bm Äste zu den Bauchmuskeln. Ob N. obturatorius (N. furcalis v. IHERING). Cr N. cruralis. Is N. ischiadicus. Re R. caudalis. Mcf Ast zum M. caudali-femoralis. Mepif Ast zum M. caudali-pubo-ischio-femoralis. Mic Ast zum M. ischio-caudalis. Age Ast zur Haut und Kloakendrüse. Sm Äste zu den lateralen Schwanzmuskeln. Taf XIX. Morphol. Jahrbuch. Bd.IX. =! Verlag v, Wilh. Engelmann, Leipzig, Lith, Anst.v.JGBach, leipzig. Bemerkungen zur Gastraeatheorie. Von 0. Bütschli. Mit Tafel XX. In dem Kreis der entwicklungsgeschichtlichen und phylogeneti- schen Spekulationen über die Metazoen bildete bis jetzt eine Haupt- schwierigkeit: die Erklärung der wahrscheinlichen Entstehung der primitiven zweiblättrigen Form. Damit schwankte natürlich auch die Vorstellung, welche man sich von der allgemeinen Morphologie dieser ersten zweiblättrigen Metazoenform machen durfte. Die gewöhnlichste Ansicht, welche bekanntlich zuerst HAECKEL in eingehender Weise zu begründen versuchte, hält für diese Urform die sogenannte Gastrula oder, ins Phylogenetische übersetzt, die Gastraea. Dieser Anschauung konform ist auch die Vorstellung über die phylogenetische Entstehung dieser Gastraea, sie ging eben, wie dies ja ontogenetisch so häufig beobachtet wird, durch Inya- gination einer einschichtigen Blastula oder Blastosphaera hervor. Die in der Ontogenie zahlreicher Metazoen hervortretenden Abweichun- gen von diesem primitivsten Entwicklungsgang der Gastrula finden dann ihre Erklärung durch die Annahme sekundärer Abweichungen, Veränderungen des ursprünglichen Entwicklungsganges. Gegenüber dieser Anschauung vertheidigten hauptsächlich Ray LANKESTER! und METSCHNIKOFF? abweichende Ideen, welche trotz gewisser Verschiedenheiten darin übereinstimmen, dass sie die Ur- ı E. R. LANKESTER, Notes on embryology and classification. Quart. Journ. mier. science N. S. vol. XVII. 2 E. METSCHNIKOFF, Spongiologische Studien. Zeitschr. f. w. Zoologie Bd. XXXII, ferner Vergleich. embryol. Studien. ibid. Bd. XXXVI u. XXXVI. 416 O. Biitschli sprünglichkeit der Entstehung einer zweiblättrigen Form durch In- vagination bestritten und damit überhaupt der sogenannten Invagi- nationsgastrula ihre Bedeutung als Urform zu entziehen suchten. An Stelle dieser letzteren zweiblättrigen Form suchten sie eine in der Ontogenie gleichfalls zuweilen auftretende zu setzen, nämlich die eines Urmundes entbehrende sogenannte Planulaform. Ray LANKESTER glaubte diejenige Form der Planula als die ursprüng- lichste betrachten zu dürfen, welehe von Anfang mit einem centra- len Hohlraum ausgerüstet ist, wogegen sich METSCHNIKOFF dafür aus- sprach, dass diejenigen Planulaformen die primitivsten seien, welche ursprünglich, d. h. nach eingetretener Zweiblättrigkeit, solid sind und erst später durch Auseinanderweichen der centralen Entoderm- zellenmasse einen Darmhohlraum erhalten. Der Unterschied in den Ansichten beider Forscher wird hauptsächlich durch Diffe- renzen in ihren spekulativen Betrachtungen über die Ernährungs- vorgänge, welche zur Entstehung einer besonderen ernährenden Entodermzellschicht führten, bedingt. Doch werden wir hierauf erst später etwas genauer einzugehen haben. Gegenüber diesen sich widerstreitenden Ansichten und bei der geringen Aussicht, welche uns heut zu Tage geboten ist, mit unseren Spekulationen etwas wirklich Aufklärendes zu erreichen, dürfte es sich vielleicht eher empfehlen, eine dritte, einigermaßen zwischen den oben kurz berührten vermittelnde Ansicht zu unterdrücken. Wenn ich es dennoch wage, dieselbe hier kurz zu entwickeln, so berufe ich mich darauf, dass sie sich mir bei Gelegenheit ande- rer Studien sehr ungesucht dargeboten hat und sie, nachdem ich ihr längere Zeit nachgehangen hatte, gewissermaßen eine Art Bestätigung erfuhr durch einen Befund, der von ganz anderer Seite kam. Wenn es sich darum handelt, in spekulativer Weise den Gang eines phylogenetischen Processes zu ermitteln, so scheint mir im Allgemeinen zunächst eine Abwägung der Urspriinglichkeit der onto- genetischen Processe sehr schwierig und von geringer Aussicht auf Erfolg. Viel gewichtiger dagegen erscheint mir der Umstand, dass sich für gewisse Stadien des angenommenen phylogenetischen Ent- wicklungsganges jetzt oder früher Vertreter fanden, welche die Existenzmögliehkeit dieser Stadien erweisen. Endlich erscheint mir sehr bedeutungsvoll, dass die Veränderungen der angenommenen Formen leicht verständliche, und allmählich, nicht sprungweis, ge- schehende, so wie wirklich vortheilhafte seien. Speciell in letzterer Bemerkungen zur Gastraeatheorie. 417 Hinsicht glaube ich, dass die gleich zu entwickelnde neue Ansicht einige Vortheile vor den seitherigen besitzt. Den Ausgangspunkt für meine Betrachtungen bildeten die Ko- lonien der Flagellaten, denn wie schon häufig von mir und Anderen betont wurde, müssen wir sonder Zweifel die Ableitung der Meta- zoen an derartige Formen anknüpfen. Ich glaube, dass es hierbei weiterhin von ziemlich geringer Bedeutung erscheint, ob die betref- fenden Flagellaten, welche wir zum Vergleich herbeiziehen, eine mehr thierische oder mehr pflanzliche Ernährungsweise besitzen, da die Physiologie der Ernährung ohne Rücksicht auf die Morphologie in der Abtheilung der Flagellaten vielfach wechselt. Nun finden wir zwar unter den Flagellatenkolonien nicht wenige, welche nach ihrem Bau einer sogenannten Blastulaform entsprechen, so unter den Vol- vocineen die Gattungen Volvox und Eudorina, weiterhin namentlich die Gattung Uroglena und annäherungsweise noch einige andere. Doch scheint mir die Schwierigkeit der Ableitung einer zweiblätt- rigen Form aus derartigen Kolonien sehr erheblich und zwar sowohl nach der einen wie der anderen der früher erwähnten Hypothesen. Die Annahme der Invagination eines solchen Blastulastadiums setzt die Differenzirung einer Hälfte oder doch eines Abschnittes der Zel- lenkugel voraus. Die eine Hälfte wurde nutritorisch und daher zum Entoderm, die andere dagegen blieb wesentlich lokomotorisch. Schon diese Differenzirung wird sich nur schwierig mit der vorausgesetzten kugeligen Bildung in Harmonie setzen lassen. Eine solche Zellen- blase wird in Zusammenhang mit ihrer allseitig gleichmäßig rotiren- den Bewegung wenig Aussicht zum Eintritt einer Differenzirung in zwei verschiedene Kugelhälften darbieten. Sollte sich eine Diffe- renzirung zweier Zellarten ausbilden, so würde es für einen derarti- gen Organismus gewiss viel vortheilhafter sein, wenn sich die ver- schiedenen Zellarten gleichmäßig durch einander über die Kugelober- fläche vertheilten. Hierzu gesellt sich dann weiter noch, wie dies ja von METSCH- NIKOFF und Anderen schon hervorgehoben wurde, dass die Vortheile einer beginnenden Invagination der einen Kugelhälfte in die andere nicht wohl einzusehen sind und diesem stimme auch ich ganz bei. Vielleicht würden wir demnach besser die zweischichtige Form durch einen sogenannten Delaminationsprocess aus dem besprochenen Blastulazustand entstehen lassen, also in der Weise, welche Merscu- NIKOFF und LANKESTER für die ursprünglichere halten. Doch scheint auch diese Anschauung sehr bedenkliche Schwierigkeiten aufzuwei- 418 0. Bütschli sen. Ganz unplausibel scheint die s. Z. von LANKESTER entwickelte Vermuthung, dass die inneren Enden der Zellen der einschichtigen Blastula vorwiegend mit der Verarbeitung der Nahrung betraut wür- den und sich schließlich sogar als selbständige Entodermzellen ab- spalteten. Hierin einen Vortheil für die Gesammtheit zu erkennen ist schwierig. Die abgespaltene Entodermzelle ist ihrer besseren Hälfte, möchte man sagen, d. h. der ihr Nahrung zuführenden Ek- todermpartie beraubt, ja man dürfte eigentlich mit Recht sagen, außer Thätigkeit gesetzt. Dafür tritt jedoch jetzt nach LANKESTER’s Auffassung eine weitere Umbildung ein, d. h. die Nahrungsaufnahme koncentrirt sich nun auf eine Stelle der Kugeloberfläche und die Nahrung dringt hier, vorerst noch ohne Existenz einer Mundöffnung, in die Darmhöhle nach innen durch. Zunächst wäre diese Lokali- sation der Nahrungsaufnahme gewiss ein Nachtheil und kein Vor- theil und dann soll diese tiefe Umbildung des gesammten Vorgangs der Nahrungsaufnahme ohne einen ersichtlichen Grund und dazu noch ganz plötzlich geschehen. Ich glaube daher, dass wir die LANKeEsTeER’sche Vermuthung über die Entstehung der doppelschichtigen Embryonalform nicht als zutreffend erachten dürfen. Auch die Merscunikorr’sche Vorstellung seheint mir an inneren Unwahrscheinlichkeiten zu leiden, die in man- cher Hinsicht denen entsprechen, welche auch gegen die LANKESTER- sche Hypothese herorgehoben wurden. METSCHNIKOFF stellt sich vor, dass aus dem Verbande der einschichtigen Zellwand einer blastulaartigen Urform einzelne Zellen in das Innere der Blase wan- derten und zwar speciell solche Zellen, welche besonders reichlich Nahrung aufgenommen hatten. Diese anfänglich mehr gelegent- liche Binnenwanderung der Zellen gab schließlich zu einer konstan- ten Ansammlung, einer centralen Zellmasse Veranlassung, d. h. zur Bildung eines Entoderms, welches ursprünglich weder eine centrale Urdarmhöhle umschloss, noch durch eine Mundöffnung zugänglich war. Da jedoch die Bildung eines Entoderms undenkbar ist, ohne dass damit wirkliche Vortheile für die Ernährung auftreten. mit welcher ja die Differenzirung dieses Keimblattes kausal verknüpft erscheint, so fragt es sich: lassen sich denn wirklich Vortheile für den Ernährungsvorgang nachweisen, welche die Einwanderung der Entodermzellen plausibel machten. Mir scheint aber, dass die Ein- wanderung der besonders mit der Nahrungsaufnahme betrauten En- todermzellen nicht als Vortheil betrachtet werden kann. Ohne die gleichzeitige und wie in der LANKESTER’schen Hypothese unverständ- Bemerkungen zur Gastraeatheorie. 419 liche und nicht motivirte Bildung einer Mundöffnung würde die Ein- wanderung der Entodermzellen meiner Auffassung nach nur unvor- theilhaft gewesen sein, weil sie sich ja, so zu sagen, selbst einen Riegel vorgeschoben hätten. Diese und verwandte Betrachtungen, namentlich aber das Be- streben eine plausible Verknüpfung zwischen der Invagination und Delamination herzustellen, führten mich zu der Vorstellung, dass eben wahrscheinlich nicht die kuglige Blastula die Ausgangsform der ersten zweischichtigen Zustände gewesen sei und ich glaube, dass sich sowohl ontogenetisch wie unter den entwickelten Organismen Zustände darbieten, welche befriedigendere Ausgangspunkte für das zweischichtige Stadium darstellen als die Blastula. Unter den Flagellatenkolonien giebt es eine Volvocineengattung, welche nach dem Typus der einschichtigen Zellplatte gebaut ist: Go- nium, und eine sehr nahe Verwandte, welche in Gestalt eines ein- schiehtigen Ringes auftritt. Nachdem in mir einmal der Gedanke aufgetaucht war, dass die Zweiblättrigkeit schon im Zustande einer solchen Zellplatte eingetreten sein könnte, schien mir diese Auffas- sung die meisten Vortheile für eine befriedigende Vorstellung über die Phylogenese der Gastrulabildung zu bieten. Demgemäß scheint es mir annehmbar, dass der zweischichtige Zustand zunächst bei einer Protozoenkolonie eintrat, deren Zellen in einer Ebene zur Bildung einer einschichtigen Tafel neben einan- der gereiht waren. Indem sämmtliche Zellen sich parallel der Tafel- fläche theilten entstand zunächst eine zweischichtige Platte, deren beide Zellschichten vielleicht noch keinerlei Differenzirung zeigten. Wir wollen der leichteren Verständigung wegen, und weil dies seither ähnlich gehalten wurde, diesem Stadium der zweischichtigen Platte den Namen Plakula beilegen. Immerhin ist es auch leicht vorstellbar, dass die beiden Seiten einer einschiehtigen Platte verschiedene Thätigkeiten ausbildeten, dass sich die eine hauptsächlich der Lokomotion, die andere der Er- nährung anpasste und dass schließlich bei dem Übergang in den doppelschichtigen Zustand diese beiden Funktionen sich auf die bei- den Zelllagen lokalisirten!. ! Manche aus dem Bau der Flagellaten und ihrer Kolonien zu entnehmende Gründe machen mir die ersterwähnte Ansicht wahrscheinlicher. Leider bin ich jedoch außer Stande plausible Vortheile für das Eintreten der Zweischichtig- keit der Platte aufzuführen, doch kann dieselbe wohl einfach durch besondere 420 O. Biitschli Wir nehmen also eine solche zweischichtige Tafel zum Aus- gangspunkt und wollen zunächst sehen, wie sich daraus eine ga- strulaartige Form entwickeln konnte. Wie sofort verständlich ein- fach durch Einkriimmung einer derartigen Plakula nach der Ento- dermseite und schließliche Zusammenkuglung bis zur Bildung eines Blastoporus. Welche Vortheile aber, fragt es sich natürlich, wird eine solche Einkrümmung der Platte haben? Hierauf lässt sich wohl Verschiedenes anführen. Die zunächst nur schwache Einkrümmung der Platte und speciell ihrer Entodermlage wird es ermöglichen, dass größere Nahrungskörper gleichzeitig von einer Anzahl benach- barter Zellen in Angriff genommen werden und gleichzeitig wird die Höhlung der Unterseite wie eine Art Fangapparat wirken, in wel- chem Beute eingefangen und festgehalten werden kann, wenn sich die gekrümmte Platte über die auf einer Unterlage ruhende Beute senkt. Beide Vortheile werden sich mehr und mehr verschärfen, je mehr die Krümmung sich geltend macht und der Nachtheil, welcher darin liegt, dass die Invaginationsöffnung sich allmählich wieder verkleinert, wird wohl dadurch aufgewogen, dass die Sicherung der einmal aufgenommenen Beute damit sehr wächst. Es fragt sich jedoch nun, ob ein Entwicklungsgang, wie wir ihn hypothetisch konstruirten, in der Ontogenie irgend wo vertreten ist und dies ist nun auch wirklich der Fall. Am meisten tritt derselbe bei gewissen Nematoden, so Cueullanus nach Bürschtı! und in der Hauptsache entsprechend auch bei Rhabdonema nach GÖöTTE? auf. In diesen Fällen ist eben das Resultat des Furchungsprocesses eine zweischichtige Zellplatte, eine aus Ekto- und Entoderm bestehende echte Plakula, welche sich später in geschilderter Weise einkrümmt und in das Gastrulastadium überführt. Anklänge an denselben Ent- wieklungsgang sehen wir noch häufig, wenn auch die Plattenform meist nicht so rein hervortritt, indem sich zwischen den beiden Schichten eine geringe Ansammlung von Flüssigkeit vorfindet, d. h. eine Furchungshöhle ausgebildet wurde, welche in den ersterwähn- ten Fällen vollständig fehlte. Ich führe hier einige Beispiele an, die ein solch plattenförmiges Stadium deutlich zeigen, so Lumbricus nach KowArEvsky, Paludina, Chiton nach den Untersuchungen Ko- WALEVSKY’S, ferner auch Sagitta, bei der überhaupt die Furchungs- Wachsthumsverhältnisse eingetreten sein, wenigstens ist nicht ersichtlich, dass mit dem Eintreten der Zweischichtigkeit ein Nachtheil verknüpft sein konnte. ! Zeitschr. f. wiss. Zoologie Bd. XXVI. pag. 103. 2 Abhandlungen zur Entwicklungsgeschichte der Thiere. Leipzig 1882. Bemerkungen zur Gastraeatheorie. 421 höhle sehr wenig ausgebildet ist, schließlich noch Phoronis und Ascidia mentula nach METSCHNIKOFF. Natürlich lassen wir hier alle diejenigen Fälle außer Betracht, wo durch reichliche Nahrungs- dotterentwieklung die ursprünglichen Verhältnisse getrübt erscheinen müssen. Unsere Auffassung erfordert daher, dass wir die sogenannten Blastulastadien als nicht palingenetische Entwicklungsformen betrach- ten, entgegengesetzt der seither gewöhnlichen Anschauung. Wir begegnen uns hierin z. Th. mit LANKESTER und METSCHNIKOFF, welche Beide die sogenannte Invaginationsblastula, d. h. diejenige, welche durch Invagination zur zweiblättrigen Gastrula wird, als eine coeno- genetische Form beurtheilen. Meine Auffassung zieht jedoch ebenso die sogenannte Delami- nationsgastrula in die Reihe der coenogenetischen Formen und diese Konsequenz dürfte im Allgemeinen nichts Widerstrebendes haben, wenn auch die bedeutsamen Unterschiede der beiderlei Blastosphae- ren von meiner Ansicht eben so betont werden, wie von denjenigen der beiden anderen Forscher. Die Entstehung der sogenannten Invaginationsgastrula aus der zweischichtigen Plakula, die wir als primären Zustand angenommen haben, ist nicht schwierig zu verstehen. Sie geschah einfach durch Ansammlung von Flüssigkeit zwischen den beiden Zelllagen, wodurch dieselben schließlich mehr und mehr von einander abgehoben und endlich bis zur Kugelgestalt aufgetrieben wurden, so dass die eine Hälfte der Kugelwand von dem Ektoderm, die andere von dem En- toderm gebildet wurde. Ein Recht, die Bildung der Invaginations- gastrula in dieser Weise aufzufassen, lässt sich darauf basiren, dass sich alle möglichen Übergangsgrade zwischen der einfachen zwei- schiehtigen Platte und der mehr oder minder ansehnlichen kugligen Auftreibung derselben durch Entwicklung einer Furehungshöhle in der Ontogenie verschiedener Metazoen finden. Jedenfalls ist es zunächst eben so erlaubt und berechtigt die Ableitung der Invaginationsblastula in der hier angedeuteten Weise aus der zweischichtigen Platte zu versuchen, wie umgekehrt den bis Jetzt gewöhnlich durchgeführten entgegengesetzten Weg einzuschla- gen und die Platte als ein coenogenetisches Umbildungsprodukt einer ursprünglichen Blastula zu betrachten. Unserer Anschauung gemäß müssen wir uns jedoch an dieser Stelle wieder die Frage vorlegen, konnte die Umbildung der sogenannten Plakula zur Blastulaform dem sich entwickelnden Embryo gewisse Vortheile gewähren, welche 422 O. Biitschli den Eintritt eines derartigen coenogenetischen Processes wahrschein- lich zu machen im Stande sind. Hierauf vermag ich nur Weniges zu erwiedern und desshalb scheint mir gerade hier ein schwacher Punkt der Hypothese zu liegen. Einmal lässt sich hervorheben, dass die Ausbildung der Kugelgestalt eine erhöhte Beweglichkeit der Anfangsstadien der Entwicklung hervorgerufen habe, unter der Vor- aussetzung natürlich, dass ein sehr frühzeitiger Austritt des Embryo aus den Eihüllen Regel gewesen sei, was im Hinblick auf die Ent- wicklungsprocesse der jetzt lebenden einfachsten Metazoen nicht allzu unwahrscheinlich sein dürfte. Andererseits ließe sich auch ein Vor- theil darin erkennen, dass eine blastulaartige Umbildung der Platte eine eventuell geschehende Ernährung des Embryo durch von außen zugeführte flüssige Nahrung sehr begünstige, indem durch die Auf- blähung zur Kugel die aufnehmende Fläche vergrößert würde. Auf das Stattfinden derartiger Processe dürfte jedoch vielleicht gerade die Ansammlung von Flüssigkeit hinweisen, die so häufig zur Bil- dung einer Furchungshöhle hinführt, und welche doch jedenfalls auf ein Aufsaugen der Zellen von außen hindeutet. Noch einen Punkt möchte ich hier betonen, den nämlich, dass die Entstehungsgeschichte der Blastula, welche wir bei gewissen Volvocineen dauernd erhalten sehen, durchaus nicht diejenige ist, welche wir bei der sogenannten Invaginationsblastula wahrnehmen. Die Blastula der Volvocineen entsteht nämlich nicht durch centrales Auseinanderweichen der Zellen eines Zellhaufens, sondern durch allmähliche Einkrümmung einer einschichtigen Zellplatte, wobei also die erst allmählich zum Abschluss gelangende Blastulahöhle bis zum letzten Augenblick der Einkriimmung durch eine Art Blastoporus geöffnet bleibt. Ich wende mich nun noch mit einigen Worten zur Delamina- tionsgastrula, die, „wie schon dargelegt wurde, unserer Hypothese zufolge gleichfalls keine ursprüngliche Form sein dürfte. Wie ver- ständlich, ist der ursprüngliche Process, der die Doppelschichtigkeit unserer Plakula bewirkt, ein Delaminationsvorgang und wir haben daher jedenfalls die delaminative Entstehung des Entoderms als die ursprüngliche zu betrachten und können dies um so mehr als das invaginirte Entoderm der Invaginationsgastrula ursprünglich ja auch durch eine Theilung (Delamination) von den Ektodermzellen sich sonderte. Ob diese Trennung der Ekto- und Entodermelemente frü- her oder später erfolgt, erscheint ziemlich gleichgültig, wie auch schon R. LANKESTER ausreichend betonte, da sich ja leicht ver- Bemerkungen zur Gastraeatheorie. 423 stehen lässt, wie eine Sonderung der beiderlei Elemente stets früher und früher eintrat, bis schließlich schon die erste Furchung die Ekto- und Entodermelemente dauernd schied, wie wir dies in dem interessanten Beispiel der Rhabdonema (nach GörrE) wirklich durehgeführt sehen. Während sich auf diese Weise eine Beschleunigung der Trennung der beiderlei Elemente als günstig erwies, erscheint es wohl denk- bar, dass auch unter gewissen Verhältnissen eine Verlangsamung eintreten konnte und eine solche dürfte uns die Erscheinung der Delaminationsgastrula ausreichend erklären. In diesem Falle trat nämlich, ähnlich wie wir dies heut zu Tage noch bei der Volvoxblastula sehen !, eine Zusammenkriimmung der noch einschichtigen Zellplatte vor der Bildung des Entoderms ein und erst nachträglich erfolgte dann die Bildung des Entoderms in der geschlossenen Blastula. Die Vortheile einer solchen vorgreifenden Kugelbildung dürften die näm- lichen sein, welche schon oben für die Ausbildung der Invaginations- blastula geltend gemacht wurden. Sollte sich jedoch diese Auffas- sung der Delaminationsgastrula als richtig erweisen, so müsste sich in ihrer Entstehungsgeschichte ein wesentlicher Unterschied von der Invaginationsblastula zeigen oder doch zeigen können, da es auch denkbar ist, dass dieser Unterschied durch sekundäre Abänderungen verwischt werden kann. Während die Invaginationsblastula durch Abhebung, resp. Auseinanderweichen der Furchungszellen sich bil- det (Taf. XX Fig. 2a, 3a—35b), müsste dagegen die Delamina- tionsblastula durch einen ähnlichen Einkrümmungsprocess entste- hen, wie er zur Bildung der Blastula von Volvox führt (Taf. XX Fig. 1a—d). Die mir vorliegenden Materialien über die Bildungs- geschichte der Delaminationsblastula geben keinen sicheren Anhalt zur Beurtheilung dieser Frage, sprechen jedoch auch nicht gegen unsere Auffassung. Aus der Darstellung, welche Fou? von der Ent- stehung der Delaminationsgastrula. der -Geryoniden entwirft, dürfte sich vielleicht ein Anhalt für unsere Auffassung finden, wenigstens bildet Fou in Fig. 5 ein 16zelliges Stadium ab, das mit dem ent- sprechenden von Volvox große Übereinstimmung besitzt. Obgleich 1 Über die Entwicklung dieser siehe GoROSHANKIN, Genesis im Typus der palmellenartigen Algen. Mitth. d. k. russ.-Ges. naturf. Freunde z. Mos- kau. Bd. XVI (russisch) und KıRCHNER, Zur Entwicklungsgeschichte von Vol- vox minor. Beitr. zur Biologie der Pflanzen, herausgegeben von Conn. Bd. III. Eine zusammenhiingende Darstellung der Fortpflanzung und Entwicklungs- erscheinung der Volvocineen und Verwandten findet man in dem demnichst er- scheinenden Abschnitt iiber die Flagellaten in meinen Protozoen. 2 Jenaische Zeitschrift f. Medic. u. Naturw. Bd. VII. pag. 471. T. XXIV. 424 QO. Bütschli es sich aus der Figur nicht ganz sicher entnehmen lässt, scheint es doch ziemlich wohl angedeutet, dass die vier Zellen der Unterseite nicht zusammenschließen, also die schon vorhandene Blastulahöhle durch eine untere Öffnung noch mit der Außenwelt kommunieirt, eben so wie bei Volvox. Im Allgemeinen wurde jedoch bis jetzt auf diese nieht unwichtige Frage der Blastulabildung wenig ge- achtet. Im Speciellen fragt es sich noch, welchen Zustand der Delami- nationsgastrula wir für den ursprünglicheren halten sollen, den mit ur- sprünglicher innerer Urdarmhöhle oder den mit solider Entodermmasse, die sogenannte Parenchymula Merscunikorr’s. Im Anschluss an unsere seither festgehaltene Hypothese müssen wir uns mit LAn- KESTER, wenngleich aus anderen Gründen, für die Ursprünglichkeit der ersteren Form entscheiden. Wir entschließen uns hierzu um so eher, als wir schon früher betont haben, dass die sogenannte Paren- chymula uns als Primitivform große Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer Erklärung darzubieten scheint. Wir dürfen diese Betrachtung nicht schließen ohne hervorgeho- ben zu haben, dass wir absichtlich auf die Ontogenie der Spongien keinen Werth bei der Besprechung dieser Verhältnisse gelegt ha- ben. In dieser Hinsicht denke ich gerade umgekehrt wie METSCHNI- KOFF, welchem die Ontogenie der Spongien für seine Parenchymula- | theorie besonders günstig erscheint. Da ich der Ansicht bin, dass die Gruppe der Schwämme eine gegen die übrigen Metazoen ganz abgeschlossene ist, die durchaus selbständig aus der Abtheilung der Choanoflagellata ‘Sav. Kent) hervorging, so scheint es mir unrichtig diese Gruppe bei der Erklärung der Phylogenese der übrigen Meta- zoen zu Rathe zu ziehen. Schließlich bleibt noch die Erörterung eines Umstandes übrig, welcher unsere Hypothese vielleicht nicht unwesentlich unterstützt, nämlich die jüngst geschehene Entdeckung eines Organismus, der in vieler Hinsicht die Forderungen erfüllt, welche wir an das hypothe- tische tafelförmige zweischichtige Urstadium, unsere Plakula stellen müssen. Dieser Organismus ist der seltsame marine Trichoplax adhaerens, den F. E. Scuuuze kürzlich beschrieb!. Obgleich die Lebensge- schichte und namentlich die Fortpflanzungserscheinungen dieser Form 1 Zoolog. Anzeiger 6. Jahrg. Nr. 132. 1883. p. 92. Bemerkungen zur Gastraeatheorie. 425 noch nicht ausreichend aufgeklärt sind, scheint es mir doch wie ScHULZE sicher, dass sie eine entwickelte, ausgebildete und keine Larvenform ist. Dieser Trichoplax wiirde nun in jeder Hinsicht einen Vertreter unserer Plakula darstellen, wenn er nicht schon einen Sehritt zu höherer Entwicklung gethan hätte, da er nämlich nicht eine zweischichtige sondern eine dreischichtige Platte darstellt. Zwischen das die Unterseite einnehmende eylinder-epithelartige En- toderm und das die Oberseite deckende dünne, plattzellige Ektoderm schiebt sich eine bindegewebige, ohne Zweifel aus dem Entoderm hervorgegangene Lage, welche einem Mesoderm wohl vergleichbar ist. Ich halte nun meinerseits die von F. E. SCHULZE schon angedeu- tete Vergleichbarkeit der Gewebsschichten dieses Triehoplax mit den Keimblättern der Metazoen für sehr wahrscheinlich, mit Ausnahme einer direkten Homologie des mittleren sogenannten Mesoderms, das doch wohl eher als eine selbständige analoge Bildung zu beurthei- len ist. Im Übrigen erachte ich es für sehr wahrscheinlich, dass der Trichoplax adhaerens eine jener Übergangsformen zu den nach dem Gastrulaschema gebauten höheren Metazoen darstellt, wie sie auf Grund der dargelegten Hypothese zu erwarten sind. Da ich die Grundzüge der Hypothese schon vor dem Bekannt- werden der SCHULZE’schen Entdeckung gefasst hatte, so war ich über- rascht in letzterer bis zu einem gewissen Grade eine so unerwartete Bestätigung rein spekulativer Betrachtungen zu finden. Wenn da- her auch der vorstehende hypothetische Versuch nicht auf den in- teressanten Trichoplax basirt ist, so hat dieser doch die Veran- lassung gegeben, die Spekulation zu veröffentlichen. Ich bin zwar nicht überzeugt, dass unsere Wissenschaft direkten Gewinn aus der Verfolgung derartiger spekulativer Bestrebungen ziehen wird, doch liegt in ihnen vielleicht einige Anregung zu genauerer Unter- suchung der ontogenetischen Bildungsgeschichte der Blastulae und Gastrulae, wodurch endlich die wahrscheinlichste Hypothese, d. h. diejenige welche die widerspruchfreiste und zugleich meist erklä- rende ist, zum Siege gelangen wird. Heidelberg, den 8. Oktober 1883. Morpholog. Jahrbuch. 9. 28 426 0. Biitschli Erklärung der Abbildungen. Tafel XX. Auf beifolgender Tafel XX habe ich es versucht, die im Vorstehenden entwickelten Ideen über die Rückführung der verschiedenen Blastula- und Gastrulaformen auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt durch einige Schemata noch genauer zu erläutern. Derjenige Vorgang, welchen ich als den ursprüng- lichsten betrachte, ist auf Fig. 1a—2a— d dargestellt. Fig. 1a Zweitheilung ; Fig. 2a achtzelliges Stadium; durch eine äquatoriale Furchung haben sich die roth schraffirten Entodermelemente von den weißen Ektodermelementen ge- trennt. Natürlich kann diese Trennung unter Umständen auch schon früher unter anderen dagegen erst später eintreten. Fig. 25 (Schnitt). Die Ekto- und Entodermzellen haben sich vermehrt und bilden nun eine sehr deutliche Pla- kula. Auf Fig. 2c beginnt dieselbe ihre Einkriimmung auf der Entodermseite und diese führt schließlich auf Fig. 2d zu völliger Invagination des Entoderms. Fig. 1a, 2a, 3a—3c zeigen die Entwicklung der sogenannten Invagina- tionsblastula. Die Weiterentwicklung des Stadiums Fig. 2 a gestaltet sich da- durch anders, dass sich die gesonderten Ecto- und Entodermzellen durch Ausbil- dung einer Furchungshöhle von einander abheben (Fig. 3 a) und schließlich zur Blastula führen. Dieselbe besteht natürlich aus zwei verschiedenen Antheilen, einem Ekto- und einem Entodermabschnitte. Besonders zu betonen ist jedoch noch, dass die relative Größe dieser Abschnitte bei den verschiedenen Invagina- tionsblastulae sehr verschieden zu sein scheint, was sich auf frühzeitigere oder spätere Sonderung der Ekto- und Entodermelemente zurückführen lässt, so wie auf die Quantitätsverhältnisse beider Elemente. Das Stadium Fig. 35 führt schließlich in bekannter Weise durch Invagination (Fig. 3c) in das Gastrula- stadium über. Fig. 1a—1e stellen die Delaminationsblastula dar. Fig. 1a Zweitheilung, Fig. 1 6 achtzelliges Stadium, jedoch nur vier Zellen gezeichnet in seitlicher Ansicht. Schon auf dem vierzelligen Stadium wird sich die Neigung zur Zu- sammenkrümmung aussprechen, welche zu einer Umlagerung der Zellen führt, so dass dieselben sich nun ihre Entodermpartien axial zuwenden. Dabei kann es wohl kommen, dass die Furche, die den Übergang aus dem vier- ins achtzel- lige Stadium bewirkt, nahezu oder völlig äquatorial läuft, wenn nämlich eine Umlagerung der vier ersten Furchungskugeln um einen rechten Winkel eingetre- ten ist. Durch weitere Theilungen, die eigentlich sämmtlich unter einander parallel laufen und nur durch die fortdauernde Zusammenkrümmung radial zum Centrum des Embryo gerichtet erscheinen, geht das Stadium der Fig. le (Schnitt) hervor, das schon eine deutliche Höhle, die jedoch auf der Unterseite noch nicht abgeschlossen ist, aufweist. : Schließlich geht dieses Stadium. in leicht verständlicher Weise durch weitere Zellvermehrung und endlichen Verschluss in die Blastula über, die nach unserer Ansicht entsprechend der Volvocineen- blastula entstand. Sämmtliche Zellen dieser Blastula sind noch aus den zwei Elementen, dem Ekto- und Entodermantheil, zusammengesetzt, welche sich nun sondern, indem eine äquatoriale Furche jede Zelle in einen äußeren und inne- ren Antheil trennt (Fig. 1e). Nicht immer scheint die Abspaltung der Ento- Morphol. Jahrbuch Bd. IX. Verlag u. Wilh. Engelmann, leipng UlhAnstw.lGBach, leipzig, Bemerkungen zur Gastraeatheorie. 427 dermantheile der Delaminationsblastula so gleichmäßig zu verlaufen, wie dies hier gemäß dem bei den Geryoniden von Fou und METSCHNIKOFF konstatirten Verlauf dargestellt wurde. Wenigstens scheint die Schilderung, welche Kowa- LEVSKY von der Delamination bei Eucope entwirft, darauf hinzudeuten, dass die Abspaltung zuweilen auch mehr successive geschieht und sich so die Cen- tralhöhle der Blastula allmählich mit dem Entodermzellenmaterial erfüllt. Dass hier zunächst eine ganz solide Entodermausfüllung zu Stande kommt, in der erst nachträglich eine Urdarmhöhle auftritt, darf wohl sicher als eine sekundäre Abänderung aufgefasst werden. Eine andere Abänderung der Delaminations- blastula bieten dagegen die Siphonophoren dar, wo die Ausbildung einer Bla- stulahöhle unterdrückt ist und sich erst nachträglich eine Urdarmhöhle in der soliden Entodermzellenmasse ausbildet. Die Rückführung dieser Modifikation auf den von mir für den ursprünglichen gehaltenen Modus der Geryoniden scheint keine besondere Schwierigkeiten darzubieten. Uber die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. Von C. Gegenbaur. Mit Tafel XXI u. XXII und 1 Holzschnittfigur. Seit Langem ist den Anatomen ein in verschiedenen Abtheilun- gen der Säugethiere vorkommendes Gebilde bekannt, welches seiner Lagebeziehung entsprechend als »Unterzunge« bezeichnet, und hin und wieder als eine »Verdoppelung der Zunge«, als eine »zweite Zunge« angesehen ward. Auch noch ein zweites solches Gebilde wurde, wenn auch seltener, wahrgenommen und in ähnlicher Weise gedeutet. In den Lehr- und Handbüchern findet sich dieser Organe entweder gar nicht oder nur in der Kürze gedacht, und nur in den Monographieen einzelner Species ist auf solche Unterzungen genauere Rücksicht genom- men und bildliche Darstellungen geben von vielen derselben deut- liche Kunde. Freilich ist damit die Erkenntnis der mannigfachen Unterzungen nicht sehr gefördert worden, und wir wissen noch kei- neswegs, was sie vorstellen und wie sie sich zu einander oder zur Zunge selbst verhalten. Da diese Bildungen bei den Säugethieren keineswegs allgemein verbreitet sind, ist es nicht zu verwundern, dass man beim Men- schen nichts auf sie Bezügliches aufgefunden hat, zumal wenn man die durch die Bezeichnung involvirte Vorstellung haben musste, dass hier etwas einer Zunge Ähnliches gegeben sei. Dennoch besteht auch beim Menschen ein solehes und nichts weniger als unbekannt ge- bliebenes Gebilde, welches allerdings wenig beachtet und da, wo von ihm Notiz genommen wurde, als Homologon der »Unterzunge« der Säugethiere nicht erkannt ward. In meinem Lehrbuche der Anatomie Uber die Unterzunge des Menschen und der Siiugethiere. 429 des Menschen habe ich auf die Zugehörigkeit des beim Menschen vor- kommenden Befundes zur »Unterzunge« der Säugethiere hingewiesen. In den vorliegenden Blättern sollen diese Gebilde im Zusammen- hange eine Darstellung finden, wobei ich die Befunde beim Menschen jenen der Säugethiere vorausgehen lasse und zum Schlusse die Ergeb- nisse der Untersuchung zusammenfasse. Mensch. Die hier bestehenden Verhältnisse sind von den Auto- ren, die sie beachtet haben, als indifferente Schleimhautgebilde beurtheilt worden. So sagt M. J. WEBER!, dass die Unterfläche der Zunge durch eine Reihe kleiner, röhrenförmiger und gefranster Hervorragungen, Fimbriae linguae, ausgezeichnet ist. HuscHke? äußert sich folgendermaßen: »An der unteren Fläche ist die Zunge mit einer dünneren, locker an den Muskeln haftenden Schleimhaut bedeckt und weit glatter bis auf unregelmäßige röhren- oder blatt- formige zackige 1—2’” lange Fimbrien (Fimbriae linguae), die hie und da namentlich längs des Verlaufes der hier vortretenden tiefen Zungengefäße als eine schiefe Leiste (Plica fimbriata), ein Überrest der gelösten Anwachsung der Zunge hervorragen.« Ein Jahr später erwähnt Nuun® der Plica fimbriata, an deren Seite die Mündungen der Gl. linguales liegen, und bei Gelegenheit dieser Mündungen wird auch von anderen Anatomen (LuscHKA*, HyrkrL® und HENLE®) der Plica fimbriata gedacht. Auch manche französische und englische Autoren beschreiben jene Bildung. So sagt SarpEY’: »En dehors de ces saillies (des veines ranines), une serie de petits. replis semilu- naires, de forme peu réguliére, que BECLARD comparait ä des petites franges, et qui semblent formés par un éraillement de la muqueuse.« Genauer sind diese Verhältnisse bei CRUVEILHIER® beschrieben. Es heißt daselbst: »sur cette saillie, des franges muqueuses, comme déchiquetées, lamelliformes, de la longueur de deux ä quatre milli- métres; elles sont disposées suivant une ligne le long des veines ranines. On peut les voir sur soi-méme, en se placant devant une ' Handb. der Anatomie des menschl. Körpers. II. Bd. Bonn 1842. pag. 350. 2S. Tu. v. SÖMMERING, Vom Bau des menschl. Körpers. Bd. V. 1844. pag. 591. 3 Uber eine bis jetzt noch nicht näher beschriebene Drüse. Mannheim 1845. 4 Die Anatomie des menschlichen Körpers. Bd. III. Th. II. pag. 334. 5 Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 11. Auflage. 6 Handb. d. systemat. Anat. Bd. II. pag. 141. 7 Traité d’Anatomie descriptive. Paris 1852. T. II. pag. 751. 8 Traité d’Anatomie descriptive. Quatrieme Edit. T. II. Paris 1865—1868. pag. 40. 430 C. Gegenbaur glace et recourbaut la pointe de la langue vers la voüte palatine. Plusieurs anatomistes les ont considérées comme les débris de l’ad- hérence qui fixe la langue au plancher de la bouche dans les pre- miers temps de la vie intra-utérine.« Letzteres bezieht sich offenbar auch auf die von HUSCHKE geäußerte Meinung. In Quam’s Elements of anatomy! ist derselben Bildung gedacht, als »an elevated line with a fimbriated margin direeted outwards, which extends to the tip.« In neuester Zeit endlich wird das Gebilde von PanscH? als Pliea fimbriata erwähnt und auch abgebildet. Alle diese Autoren scheinen der Ansicht zu sein, dass es sich hiebei um regelmäßige Vorkommnisse handle, dass die Plica fimbriata ein normales Gebilde sei. Sehen wir nun wie es sich hiermit in der That verhält, und was sich bei genauerer Prüfung der Sache herausstellt. Nach meinen eigenen Beobachtungen kommt die fragliche Bil- dung in sehr verschiedenen Formzuständen vor. Wo ich sie am meisten ausgeprägt fand, ergiebt sich Folgendes: die Unterfläche des freien Theiles der Zunge lässt immer eine vom Ende des Fre- nulum ausgehende mediane Falte erkennen, welche sich bis nahe an die Zungenspitze erstreckt und hier zuweilen unter deutlicher Ver- breiterung frei ausläuft. Zur Seite dieser faltenartigen Erhebung der Schleimhaut erstreckt sich die Schleimhaut glatt über ein von vorn nach hinten und lateralwärts verlaufendes Feld, welches häufig mit schrägem, lamellös vorspringendem Rande etwa in der Mitte der ge- sammten Zungenunterfläche endet. Das so seitlich abgegrenzte. Feld erhält seine hintere Grenze durch die noch schräger zur Seite verlaufende Umschlagstelle der Schleimhaut nach dem Boden der Mundhöhle, wovon weiter unten noch die Rede sein wird. Abgesehen von der Mittelfalte ist jenes Feld durch glattere Beschaffenheit seiner Schleimhaut ausgezeichnet, auf welcher sich keinerlei bedeutendere Villositäten oder andere Niveaudifferenzen bemerkbar machen, während solches lateral davon, jenseits des vorerwähnten Grenzsaumes der Fall ist. Man trifft da gar nicht selten zahlreiche feine Riefen, welche dicht gedrängt in querer Richtung zum Zungenrande ziehen und nahe an demselben auslaufen, so dass daselbst wieder eine verschieden breite glatte Zone entsteht (Fig. 2). Was den lamellös vorspringenden Rand betrifft, durch welchen das ! Elements of Anatomy. Ninth Edition. Vol. IL. pag. 565. 2 Grundriss d. Anatomie des Menschen. Berlin 1881. pag. 302. Fig. 268. Uber die Unterzunge des Menschen und der Siiugethiere. 431 mediane Feld sich von der übrigen Unterzungenfläche seitlich abhebt, so ist derselbe in den Fällen, die wir zuerst betrachten, mit unregel- mäßigen Zacken versehen, von denen einzelne fadenförmig auslau- fen, während andere nur zugespitzt, oder sogar etwas verbreitert und lappig abgerundet sind. Zwischen den einzelnen Zacken ist der Rand bogenförmig ausgeschnitten. Hin und wieder trifft man diese Zacken dichter stehend, bald mit denen der anderen Seite symmetrisch, bald in asymmetrischem Verhalten, wie ein solcher Be- fund in Fig. 1 dargestellt ist. Sie besitzen bis zu 3 mm Linge und sind zu 4— 15 vorhanden. Die Schleimhautlamelle, deren Vor- sprünge sie darstellen, ist bis zu I mm Breite frei. Zuweilen zieht sie in gleicher Linie längs der Verbindungsstelle mit der lateralen Schleimhautfläche, - häufiger jedoch ist diese Verbindungsstelle un- regelmäßig, durch leichte unter den Faltenvorsprung eingreifende Einsenkungen, die wie seichte Täschehen sich ausnehmen, unterbro- chen. Diese entsprechen dann den Ausschnitten, welche der freie Rand der Falte darbietet. Nach vorn sah ich die Falte immer un- ansehnlicher werden und in der Regel läuft sie neben der Plica mediana aus. Nur in ganz seltenen Fällen besaß sie auch vorn, dieht unter der Zungenspitze, noch einen freien zackenartigen Fort- satz. Diese Beschreibung hätte leicht noch viel ausführlicher gegeben werden können, wenn ich beabsichtigt hätte einzelne Fälle in grö- Berer Anzahl aufzuführen. Fast jeder einzelne Fall bietet irgend etwas Eigenthümliches. Aber es dürfte sich nicht verlohnen nach Her- vorhebung der Variation auf alles Detail, besonders bei einem so leicht zugänglichen Objekte, einzugehen. - Man wird ersehen haben, dass diese Beschreibung der Unter- fläche der Zunge im Wesentlichen mit dem übereinstimmt, was die oben erwähnten Autoren in der Kürze darüber angegeben haben. Aber man würde irren, wollte man diese Plica fimbriata für ein allge- meines Vorkommen halten, wie es von jenen angenommen zu wer- den scheint. Unter cirea 110 darauf geprüften Zungen ergab sich jener Befund nur 1Smal. Die bei Weitem häufigeren Fälle zeigten eine mindere Ausprägung jenes Verhaltens. Die Reduktion ergiebt sich auf eine dreifache Art. Einmal erscheint die Plica fimbriiata zwar in der ganzen Länge vorhanden, aber die Zäckchen oder Fimbrien sind um Vieles schwächer entwickelt und fließen großentheils mit dem Kontur der Falte vollständig zusammen. Stellenweise Vertiefungen unterhalb der Falte (die Zunge von unten betrachtet) deuten noch das auch im ausgebildetsten Zustande bestehende Verhalten an (Fig. 2). 432 C. Gegenbaur Eine zweite Form der Reduktion besteht darin, dass die Plica nicht die ganze Längenausdehnung besitzt, wie vorhin beschrieben. Sie beginnt in der Regel in größerer Entfernung von der Zungenspitze und endet früher auf der freien Unterfläche der Zunge, so dass sie nicht mit der Umschlagsstelle der Schleimhaut in Kontakt kommt. Der Fimbrienbesatz ist aber nicht undeutlich erkennbar. Zu diesen Fällen rechne ich den von PanscH abgebildeten, welcher, mit den vollkommen entwickelten Zuständen der Plica verglichen, die Reduk- tion der Plica vorzüglich in der Länge derselben erkennen lässt. End- lich wird ein dritter Zustand durch gänzliche Abwesenheit der Fim- brien vorgestellt. wobei die gesammte Plica nur durch eine ihre Stelle einnehmende Linie dargestellt wird. Diese ist bald eine in der ganzen Länge deutliche aber schmale, bald eine ganz schwache Erhebung, stellenweise wie verwischt, an anderen Stellen etwas deutlicher, immer in derselben Lage und in gleichem Verlaufe wie die Plica fimbriata. Seltener vereinigen sich die beiderseitigen Pli- cae unter der Zungenspitze (Fig. 3). Von den untersuchten Zungen boten 65 jenen Befund. Wie immer jedoch diese Linie als solche undeutlich ist, so wird doch durch die Beschaffenheit der Schleim- hautflächen eine Verschiedenheit zwischen dem medialen und dem lateralen Unterzungenfelde bemerkbar. An dem letzteren finden sich auch bei fehlender Grenzlinie die feinen queren Riefen und Streifen, indess das mediale Feld stets vollkommen glatt sich dar- stellt, oder nur verstreichbare Faltungen besitzt. Die Häufigkeit des Fehlens der Plica fimbriata macht begreiflich, wie viele Autoren dieses Gebildes gar keine Erwähnung thun, und manche sogar von einer völlig glatten Beschaffenheit der Schleimhaut an der Unter- fläche der Zunge sprechen. Der verschiedene Befund, in welchem die Plica fimbriata auf- tritt, lässt die Frage entstehen, wie sich dieselbe zu den Alters- perioden verhalte, ob sie eine mit dem Alter sich ausbildende oder eine sich rückbildende Einrichtung vorstelle. Ich kann mich dar- über kurz fassen, indem ich anführe, dass ich sowohl Vorkommen als auch Mangel derselben in sehr differentem Alter antraf. Aus höherem Alter (über 50 Jahre) bot sich nur eine relativ geringe Zahl von Individuen dar, bei denen allerdings die Plica sehr undeutlich sich darstellte. Daraus einen Schluss auf stattgefundene individuelle kückbildung zu ziehen, darf ich jedoch um so weniger wagen, als auch bei jüngeren Individuen ein gleicher Befund sich ergab. Bei Neu- geborenen fand ich diese Bildung im Ganzen zwar bedeutender aus- Uber die Unterzunge des Menschen und der Siiugethiere. 433 geprägt (Fig. 5), im Verhältnis zum Volum der Zunge, allein es trafen sich auch alle jene Rückbildungszustände, wie sie oben be- schrieben sind. Einen derselben findet man in Fig. 5 abgebildet. Als eine bei den Zungen Erwachsener von mir bis jetzt nie gesehene Eigenthümlichkeit erwähne ich noch des Zusammentließens der bei- derseitigen Plicae fimbriatae unterhalb der Zungenspitze, so dass dadurch der Anschein einer zweiten zungenähnlichen Bildung ent- stand (Fig. 4). Ich habe diesen Befund unter 27 Zungen nur zwei mal, einmal von einem Neugebornen, ein zweites Mal bei einem eirca drei Wochen alten Kinde wahrgenommen. Die bedeutendere Ausbildung der Pliea fimbriata spricht sich besonders durch die Länge der Fimbrien aus, von denen die vor- dersten nicht selten die hinteren an Ausdehnung übertreffen. Zu- weilen ist jederseits die erste von ansehnlicher Länge. Im Ganzen ergiebt sich also auch hier eine große Schwankung, das fragliche Gebilde ist in hohem Grade variabel und kann bis auf die auch an Zungen Erwachsener vorkommende Grenzlinie völlig fehlen. Es kann sonach nicht daran gedacht werden, dass die Plica fimbriata eine Jugendlichen Zuständen allgemein zukommende, späterhin sich nach und nach rückbildende Einrichtung sei. die nur bei einzelnen Indi- viduen in Resten sich forterhielte, sondern sie erscheint schon minde- stens in nahezu derselben Irregularität bei Neugeborenen. Man wird annehmen dürfen, dass sie in wesentlich dem gleichen Verhal- ten, welches sie in jenem frühen Zustande darbietet, fortdauert und so selbst ins höhere Alter übergenommen wird. Ähnlich verhält es sich auch mit der Plica mediana, die im Ganzen einfachere Verhält- nisse darbietet. Ihre schwankende Ausbildung giebt sich bei einer Vergleichung der Fig. 1—6 deutlich zu erkennen. Die Unterzunge, wenn wir von einer solchen beim Menschen reden wollen, erscheint also als variables Gebilde: sie kommt in allen Zuständen der Rückbildung vor, bis zum gänzlichen Fehlen. in welchem Falle wir aber die von ihr sonst eingenommene Fläche durch verschiedene Beschaffenheit der Schleimhaut von dem lateralen Felde der gesammten Zungenunterfläche ausgezeichnet sehen. Denn das dürfte bereits aus der übrigen Darstellung hervorgegangen sein. dass wir es hier nicht bloß mit den beiderseitigen Plicae fimbriatae zu thun haben, sondern dass diese nur die; freien Seitenränder einer von der Unterfläche der Zunge sich abhebenden Bildung sind. welche von der Plica mediana der Länge nach durchsetzt wird. Während die »Unterzunge« ein sowohl dem Erwachsenen als 434 C. Gegenbaur auch dem Neugeborenen gleichmäßig zukommendes Gebilde vorstellt; ist eine andere im Allgemeinen jenem ähnliche. Bildung auf frühere Lebensperioden beschränkt, oder doch hier in bedeutenderer Aus- bildung anzutreffen. Es ist das eine Falte, welche sich an der Um- schlagstelle der von der Unterzungenfläche zum Boden der Mundhöhle tretenden Schleimhaut vorfindet. Obschon hier, wie ich zum Voraus bemerke, etwas ganz Anderes vorliegt als bei der Unterzunge, so habe ich doch Ursache auch dieser Faltenbildung hier des Näheren zu gedenken. Ich habe sie bei Embryonen aus der letzten Fötal- periode, so wie bei Neugeborenen, auch noch bei Kindern von eini- gen Wochen aufgefunden. Die Falte beginnt dicht am Frenulum, oder es setzt sich dieses sogar in sie fort, von da erstreckt sie sich längs der Zungenbasis nach hinten, um sich da zu verlieren, wo der untere Mundhöhlenraum zur Seite der Zunge seinen Abschluss findet. Die Falte zeigt sich ähnlich der Plica fimbriata von blasser Farbe und ist eben so wie jene mit zackigen Fortsätzen (Fimbrien) ver- sehen, von denen die vordersten in der Regel die ansehnlicheren sind (Fig. 6). Diese Faltenbildung wird verständlicher durch die genaue Berücksichtigung des Ortes ihres Vorkommens. An Quer- durchschnitten gehärteter Objekte gewahrt man unter der Falte den Komplex der Sublingualdrüsen gelagert, so wie den Ductus Whar- tonianus, welcher bis zum vorderen Ende der Falte verläuft. Da dieser Drüsenapparat einen zur Seite der Zungenbasis befindlichen, von der lateralen Bodenfläche der Mundhöhle sich erhebenden Wulst bildet, kann man sich die fragliche Falte als einen Saum des letzteren vorstellen. An diesem Saume, zuweilen aber auch etwas weiter medianwärts, münden die Rivin’schen Gänge. Beim Erwachsenen ist von dieser Plica sublingualis nichts mehr zu bemerken, wie denn auch alle Beschreibungen der Mundbodenschleimhaut von jener Falte und ihrer Fimbrien fast keine Erwähnung thun. Nur die Caruncula salivalis oder sublingualis gehört hierher als ein Rest der Erhebung. Sie geht, wie es mir einige Male sich darstellte, aus der vordersten Zacke der Plica hervor. Doch möchte ich das nicht als Regel ansehen, da ich im vordersten Theile der Plica auch schon vergeblich nach der Mündung des Wharton’schen Ganges gesucht habe. Die Ausbildung der Plica sublingualis zeigt sich gleichfalls sehr mannigfach. Im Allgemeinen habe ich sie, wenn auch zuwei- len sehr schwach, doch konstanter gefunden als die 'Plica fimbriata. Das gewöhnlichere Verhalten der Plica habe ich in Fig.. 320 meines anatomischen Lehrbuches abgebildet. Seltener kommt ein Zusam- - Über die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. 435 menfließen der beiderseitigen Plicae in der Medianlinie vor ‘s. Fig. 4). Nach dem oben Bemerkten scheint die Bedeutung dieser Plica aus den Lagebeziehungen hervorzugehen, so dass sie mit der Entstehung der Glandula sublingualis zusammenhängen dürfte. Nach der Entwicklung der letzteren muss die bezügliche Schleimhaut- strecke gegen den unteren Mundhöhlenraum sich erheben und gegen die Unterfläche der breiter gewordenen Zunge lagern, wobei, wie Durchschnitte lehren, der Wulst der Drüsen einen kantenartigen Vorsprung in den Raum zwischen Zunge und lateraler Mundhöhlen- wand bildet. Der die Sublingualdrüse enthaltende Wulst erscheint bei dem dichten Zusammenschlusse der betreffenden Theile wie in jenen Raum eingepresst. Auch beim Erwachsenen ist diese Lage- beziehung der Glandula sublingualis auf Durchschnitten noch gut zu erkennen und HENLE giebt davon in seiner Eingeweidelehre (1. Aufl. Fig. 44) eine recht deutliche Darstellung. An der aufwärts sehenden Kante jenes Wulstes erhebt sich also die in Rede stehende Schleimhaut- falte und giebt sich damit als eine Anpassung an den gegebenen Raum zu erkennen. Die Fimbrien der Falte wären dann einfach Schleim- hautwucherungen, die mehr einer Ausfüllung des Raumes dienten. Sie hätten in diesem Falle keinerlei organologischen Werth. Damit würde dann auch das Verschwinden dieser Gebilde in Zusammen- hang stehen, welches vielleicht schon vor der Geburt angebahnt, jeden- falls nach der Geburt eintritt, wenn das freiere Spiel der Zunge an die Stelle der früheren engen Verpackung getreten ist. Diese Auffassung, so plausibel sie scheint, kann ich jedoch nicht als unbedingt sicher aus- geben, denn es besteht bei manchen Säugethieren ein im Wesentlichen mit der Plica sublingualis übereinstimmendes Gebilde, welches auch den Erwachsenen zukommt. Es bleibt daher die Möglichkeit, dass wir es auch in der Plica sublingualis des Menschen mit einem Erbstücke zu thun haben, welches auch auf Grund gleicher Bedingungen mit jenen niederen Formen sich entfaltet hat. Wenn dem aber auch so ist, so zeigt die Rückbildung, welche die Plica sublingualis beim Men- schen erfährt, dass in ihr eine minder tief im Organismus begrün- dete Bildung vorliegt als in der persistirenden Plica fimbriata, die schon dadurch einen höheren morphologischen Werth empfängt. Die- ser steigert sich durch die Beziehungen zur Unterzunge der Säuge- thiere, wie durch die nähere Betrachtung derselben klar werden wird!. ! Das untersuchte Material von Säugethieren stammt zum Theil aus den Vorräthen, zum Theil aus der Sammlung des hiesigen anatomischen Institutes. 436 C. Gegenbaur Quadrumana. Unter den Affen wird die Unterzunge nur in be- schränkter Verbreitung angegeben. MECKEL! erwähnt zwar. dass er »eine Andeutung davon« in ansehnlichen aber weichen Vorsprün- gen bei Papio, Cebus und Ateles angetroffen habe. Orro? bildet von Mycetes, Ateles, Cebus, Callithrix und Hapale sublinguale Ge- bilde ab. Es sind also vorwiegend platyrrhine Gattungen, denen eine Unterzunge zukommen soll. Damit stimmt auch OweEn’s® kurze Angabe überein, welche die Unterzunge bei den Katarrhinen rudi- mentär oder obsolet bezeichnet. Über die Anthropoiden besteht nur eine kurze Andeutung BiscHorr’s für den Gorilla. Ich habe sie beim Orang in zwei Exemplaren und bei einem von Hylobates vermisst. Dagegen finde ich sie beim Schimpanse. An vier von Troglodytes niger untersuchten Zungen ergab sich folgender Befund: Bei einem Exemplare der Zunge, welche sehr stark kontrahirt war, bestand eine ansehnliche Plica fimbriata, die in einiger Entfernung von der etwas eingezogenen Zungenspitze begann (Fig. 7) und 'sich längs der Basis nach hinten erstreckte. Die eigentliche Plica, d. h. der frei vorragende Rand der Unterzunge maß 2 mm und lief in eine An- zahl großentheils abgerundeter Zacken aus, wie man aus der gege- benen Abbildung ersehen mag. Die starke Verkürzung der Zunge ließ das Gebilde etwas anders sich darstellen als es in den anderen Zungen erscheint. Bei einer derselben (Fig. S) bemerkt man in der Medianlinie der Unterfläche der Zunge eine longitudinale Einsenkung, von welcher aus die glatte Schleimhaut in eine unregelmäßige Plica fimbriata sich fortsetzt, die mit der anderseitigen zusammen in einen feinen medianen Fortsatz gegen die Spitze der Zunge sich erstreckt. Eine Plica mediana fehlte. Die gesammte Unterzunge giebt sich dadurch als einheitliches Gebilde zu erkennen, welches wir, wie schon beim Menschen erwähnt, nicht bloß auf die freie Falte be- schränkt wissen wollen. Am Grunde dieser Unterzunge findet sich nochmals eine Schleimhautfalte, welche jederseits mit zwei ziemlich symmetrischen Zacken endet. Sie entsprechen einer Caruncula sub- lingualis, da auf jedem derselben je eine Drüsenmündung liegt, die Auch freundlicher Mittheilung verdanke ich Manches, was mir wichtig war. So Herrn Prof. M. FÜRBRINGER in Amsterdam drei Troglodytes-Zungen, dann eine von Dendrolagus inustus. Herrn Prof. v. KocH in Darmstadt: Chiromys. ! System der vergl. Anat. Bd. IV. 2 Erläuterungstafeln von Carus und Orro. Heft IV. Taf. VII. 3 Anatomy of vertebrates Vol. III. pag. 199. Über die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. 437 wohl dem Ductus Whartonianus angehört. Andererseits wird aber auch in der Mehrfachheit der Vorsprünge an die Plica sublingualis des Menschen erinnert. Eine dritte Zunge verhält sich ähnlich der oben beschriebenen. Dagegen ergab sich bei der vierten von einem älteren Exemplare ein ziemlich abweichender Befund (Fig. 9). Die Stelle der Plica fimbriata war nämlich durch eine Reihe stumpfer papillenartiger Erhebungen dargestellt, welche dicht an der Zungen- spitze sich vereinigten. Auf einzelnen Strecken erschien diese Linie wie eine fein gekräuselte Falte. Bei Betrachtung mit der Lupe löste sich die Kräuselung in flache aber dicht gedrängte Papillen auf. Einzelne solcher Vorsprünge fanden sich auf der von der Falte abge- grenzten Fläche. Eine in den vorher beschriebenen Fällen nur un- deutlich vorhandene Plica mediana war sehr deutlich wahrzuneh- men. Durch den Gesammtbefund bei Troglodytes ergiebt sich für die Primaten eine große Übereinstimmung in der Erscheinung der Unterzunge. Sie stellt sich in Gestalt eines dreiseitigen Feldes an der Unterfläche der Zunge dar, die seitlichen Begrenzungen dieses Feldes erscheinen in der Plica fimbriata, die hintere Begrenzungs- linie ist tief eingebuchtet durch den hier in den Zungenkörper tre- tenden Musculus genioglossus. Auf das Fehlen bei Hylobates und beim Orang kann ich für so lange kein großes Gewicht legen, als nicht eine Mehrzahl von Zungen dieser Genera untersucht ist, denn es ist möglich, dass bezüglich des Vorkommens ähnliche Verhält- nisse wie beim Menschen bestehen. Nur ein einziger Umstand lässt mich die Annahme für begründet halten, dass das Fehlen bei jenen ein allgemeineres sein möchte, nämlich der Mangel jeder Andeutung des Feldes, welches sonst von der Unterzunge eingenommen wird, und welches ich beim Menschen durch die differente Beschaffenheit der Schleimhaut nahebei immer wahrnehmbar fand. Was die übrigen Quadrumanen betrifft, so lauten die oben eitir- . ten Angaben Orro’s auf eine ziemliche Verbreitung des Organs in dieser Abtheilung und zwar bei den Platyrrhinen und Arctopitheken. Die genauere Prüfung lehrt jedoch, dass hier eine Verwechselung vorliegt, in so fern nicht das der Unterfläche der Zunge zukommende Organ, sondern ein anderes Gebilde hier vorkommt. Die Abbildung, welche Orro von Mycetes und Hapale giebt (l. e.), lässt das deut- lich erkennen. Bei ersterem ist es ein vor dem Frenulum vortre- tender dieker Vorsprung, der in zwei kurze Fortsätze ausläuft, ziem- lich entfernt von der Zungenspitze. Bei Hapale ist es ein ähnlicher Vorsprung von schlankerer Form, nach vorn in zwei Hälften getheilt, 438 C. Gegenbaur deren jede in mehrere feine Spitzen ausläuft. Die Entfernung die- ses Gebildes von dem Körper der Zunge lässt, abgesehen von an- deren Eigenthiimlichkeiten, nicht daran denken, dass hier eine Sub- lingua gegeben sei, vielmehr entspricht das Gebilde, wie ich mich selbst an einem jungen Mycetes seniculus überzeugte. einer Carun- cula sublingualis, die hier jederseits zu einem einheitlichen Gebilde zusammengetreten ist. Auch bei Hapale — ich habe H. jacchus darauf untersucht — fehlt die eigentliche Unterzunge und das von Orro dargestellte Organ gehört in die Reihe der anderen Bildungen und stellt sich der Pliea sublingualis gleich, die oben beschrieben wurde. Mit dieser auch schon aus den bildlichen Darstellungen zu gewin- nenden Auffassung stimmen auch die Ergebnisse der Untersuchung der Unterzunge von Cebus capucinus, so dass ich das Verhalten dahin priicisiren kann, dass den Platyrrhinen und Hapale eine echte Sublingua fehlt, dagegen ein sich verschieden verhaltendes, von der Plica sublingualis abzuleitendes Gebilde zukommt. Für die Katarrhinen wird nur von MECKEL bei Cynocephalus der Besitz einer Unterzunge angegeben. während Orro das Vorkommen einer solchen für alle Katarrhinen in Abrede stellt. Er sagt ausdrück- lich, dass er bei Allen untersuchten Pavianen und Meerkatzen nichts Anderes als eine Speichelwarze oder Speichelfalte finden konnte. wie beim Menschen. Da er hier so gut unterscheidet, muss es auffal- len, dass er das Gebilde bei Mycetes und Hapale nicht auch als zu jener Kategorie gehörig erkannt hat. Bei den von mir untersuchten Zungen von Affen der alten Welt bestätigte sich die Angabe Orro’s im Wesentlichen, dagegen fand ich bei Inuus nemestrinus an der Zungenunterfläche jederseits einen feinen Streifen, der ein medianes Feld von einem lateralen schied, und in der Lage ziemlich der Stelle entsprach, welche bei Troglodytes die Plica fimbriata einnimmt. Bei Cercopithecus (C. sabaeus, war der ganze freie Theil der Zunge durch eine mediane, von der Schleimhaut gebildete Doppelleiste aus- gezeichnet. Beide Erhebungen waren durch eine seichte Rinne von einander getrennt. Dicht an der Zungenspitze endeten die Erhebun- gen. Ich erwähne diese Befunde ohne großes Gewicht auf sie zu legen, da sie wohl auf eine echte Sublingua hindeuten, allein doch nicht sicher darauf beziehbar sind. Die mit der Glandula sublingualis in Zusammenhang stehenden Falten fehlen dagegen auch den Katarrhinen nicht. Eine deutliche aber ungezähnelte Leiste finde ich bei Cercopithecus sabaeus, und bei Inuus nemestrinus setzt sich die Falte auf einen unterhalb’ des Uber die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. 439 Frenulum sehr ansehnlich vorspringenden und etwas abgeplatteten Hicker fort, der einige Ähnlichkeit mit dem Befunde von Mycetes besitzt. Die deutlichen Miindungen der Ausfiihrgiinge von Speichel- driisen nehmen je eine Erhebung dieser großen Caruncula sublingua- lis ein. Ob andere Gattungen mit einer Unterzunge ausgestattet sind, bleibt dahingestellt. Jene, die über ein größeres Material ver- fügen können, mögen es entscheiden. Nach den von mir untersuch- ten Gattungen kann ich das Organ unter den Primaten nur bei Troglodytes und beim Menschen behaupten. beim Gorilla nach BISCHOFF. Prosimii. Unter den Halbaffen ist die Unterzunge am frühe- sten bekannt geworden. Es war TIEDEMANN!, der das Organ bei der Zergliederung von Stenops gracilis auffand und beschrieb. Er spricht von einer doppelten Zunge. »einer wahren Säugethier- und Vogelzunge über einander liegend«. Unter der muskulösen Säugethier- zunge »liegt nach vorn eine kleine. vier Linien lange und zwei Linien breite zweite Zunge, mit der untern Fläche der obern durch ein Zun- genbiindchen verbunden. Diese ist ganz nach Art der Zunge der meisten insektenfressenden Vögel, der Motacillen, Drosseln. Meisen u.a. gebildet, nämlich hornartig, ohne Geschmackswärzchen und an der abgerundeten Spitze fein faserig. Unten ist sie frei und durch ein zweites Zungenbiindchen an den Unterkiefer befestigt«. Kleine. Bündel des M. hyoglossus und genioglossus »ziehen sich zwischen den hornartigen Überzug hinein. so dass sie gleich der oberen Zunge beweglich sein muss«. Der an diesen Bau geknüpften Vermuthung, dass die Unterzunge zum Ergreifen der Nahrung diene, indess die obere Schmeck- und Schlingorgan sei, wird von MECKEL ? entgegengetreten, welcher das Organ noch bei Lemur mongoz und albifrons beschreibt. »Merkwürdig ist bei ihnen ein ansehnlicher, ziemlich harter, weiß- licher länglich dreieckiger Vorsprung, der vom Anfange des freien Theiles vorn an der unteren Fläche, von hinten nach vorm all- mählich zugespitzt verläuft und in einiger Entfernung hinter der Zungenspitze frei endigt. Wo er sich vorn von der Zunge entfernt, findet sich zwischen ihm und der unteren Fläche ein zweites vorde- res Zungenbändehen. Diese Anordnung zeigt sowohl Lemur als Stenops.« »Bei L. albifrons ist der Vorsprung etwas länger und bedeutend härter als bei L. mongoz.« An diese Angaben reihen sich 1 Deutsches Archiv für die Physiologie. Bd. V. pag. 35: 2 System d. vergl. Anat. Bd. IV. pag. 720. nw 440 C. Gegenbaur dann jene von Orro', welcher bei Stenops gracilis eine zweite Unter- zunge auffand. W. VRoLIK? nimmt in seiner anatomischen Beschreibung der Gattung Stenops gleichfalls Notiz von dem der Unterfläche der Zunge angeschlossenen Organ, welches er als halb knorpelig, halb häutig beschreibt und von Stenops tardigradus auch abbildet. Das vordere freie Ende des Organs läuft in eine Reihe feiner Spitzen aus. Von BURMEISTER? werden sublinguale Bildungen bei Tarsius beschrieben. Er meldet darüber Folgendes: »Die untere Fläche der Zunge bleibt am ganzen Umfange und in der Längsrichtung bis auf 2/, der vorderen Fläche frei. Von der Seite an ist diese Fläche glatt, allein nicht eben, vielmehr sondert sich auf dem freien Vordertheil eine viel glattere, durch eine tiefe Furche ringsum be- grenzte, ebene Fläche ab, welche der Länge nach durch eine er- habene Leiste in zwei gleiche Hälften getheilt wird. Diese erhabene Längsleiste, die sogenannte Lytta, hat einen sehr derben Bau, ragt als hohe Kante hervor, erweitert sich etwas am Ende und trägt hier zwei lange feine Spitzen, welche jedoch nicht hornig sind, sondern weich —.« »Unter dieser Platte liegt die kleine Unterzunge, bestehend aus einem zugeschärften vortretenden Rande, welcher die freien Seiten der Zunge, durch seinen Vorsprung aus der Tiefe, vom Zahnfleische sondert und vorn in einen derben gezackten Fortsatz ausgeht. Dieser bildet zwei seitliche tief getheilte Hautlappen und jeder Lappen wieder drei größere, successiv längere Zacken, von welehen noch eine Anzahl kleinerer am Rande sich bemerkbar ma- chen.« »Alle diese Zacken sind eben so dunkelbraun, wie die vor- deren Zungenwarzen, auch die äußersten Spitzen der Lytta haben dieselbe Farbe, ihre Oberfläche aber ist glatt und glänzend, fast wie polirt, offenbar wegen des festeren Epitheliums, das alle diese Theile überzieht.« Von dieser ziemlich genauen Beschreibung, die noch eine Figur erläutert, hebe ich hervor, dass darin zweierlei Organe dar- gestellt sind: ein der Unterfläche der Zunge angeschlossenes und ein darunter befindliches freies, welch’ letzteres allein von BURMEI- STER als »Unterzunge« angesprochen wird. Fernere Kenntnis des Organes bei einem anderen Lemuriden 1 Carus u. OTTO, Op. cit. Taf. VII Fig.X u. XI. 2 Nieuwe Verhand. Eerste Kl. van het Nederland. Inst. Deel 10. 1844. 3 Beiträge zur näheren Kenntnis der Gattung Tarsius. Berlin 1846. pag. 105. Über die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. 441 gab J. VAN DER HoEVvEN! in seinen Beiträgen zur Kenntnis des Potto van Bosman (Lemur Potto, Perodieticus Geoffroyi Bennett.), so wie in seiner anatomischen Untersuchung dieses Thieres. Das Gebilde wird in der ersten Mittheilung als eine besondere Entwicklung des Frenulum linguae betrachtet, in der zweiten Arbeit dagegen genauer beschrieben. Unterhalb der am freien Vorderrande regelmäßig eingekerbten Platte findet sich noch eine zweite, dünne und durchaus häutige Lamelle vor, welche in zwei Spitzen ausläuft. »Am vordersten freien Rande dieses Theiles liegt die gemeinschaftliche Mündung der Unterkiefer- und Unterzungendrüse, es ist daher nicht zu bezweifeln, dass man diesen Theil als eine besondere Entwicklung der Caruneula linguae zu halten hat.« Bei Otolienus wird das an der Unterfläche der Zunge befind- liche Organ von KinGMA? beschrieben und abgebildet. Es stimmt am meisten mit dem von Tarsius bekannten überein. Endlich besitzen wir durch Owen ? noch genaue Kenntnis der Unterzunge von Chiromys, deren wesentliche Verhältnisse PETERS bestätigt hat. Da ich auf das Organ von Chiromys wieder zurückkomme, mag hier das Citat genügen. Meine eigenen Beobachtungen können Manches an den Beschrei- bungen der Vorgänger vervollständigen, Anderes verbessern. Sie stützen sich zum Theil auf Präparate der hiesigen anatomischen Sammlung. Ein als Zunge von Lemur mongoz bezeichnetes Objekt zeigte das Organ als eine lanzettförmige, der Unterfläche der Zunge an- gefügte Platte (Fig. 10), welche vorn gegen die Zungenspitze ausläuft, von welcher das Ende circa 5 mm entfernt ist. Nach hinten zu ver- breitert sich das Organ, um sich dann rasch zu verschmälern. Über diesen hinteren Theil lagert sich von unten und hinten her ein ab- gerundeter Wulst, welcher zurückgeschlagen werden muss (Fig. 10), um das Organ vollständig zur Ansicht gelangen zu lassen. Die Oberfläche zerfällt in drei Abschnitte, einen medialen und zwei la- terale. Der mediale ist durch drei parallele longitudinale Streifen ausgezeichnet, welche hinten flach beginnen, dann als schwache, leistenförmige Erhebungen sich bis zur Spitze fortsetzen. Sie sind von braungelber Farbe und lassen das ganze Gebilde etwas elastisch erscheinen, besonders am schlanken Vorderende, welches von der Zunge frei sich abhebt und eine ventrale Krümmung besitzt. Die ! Verhandel. der eerste Klasse van het K. Ned. Inst. 30 Reeks 4 Deel. 1851 und Natuurk. Verhand. der Koningl. Akademie. Deel VII. 1859. ? Eenige vergelijkende ontleedkundige Aantekeningen over den Otolicnus Peli. Leyden 1855. 3 Monograph on the Aye-Aye. London 1863. pag. 41. Morpholog. Jahrbuch. 9. 29 449 C. Gegenbaur mikroskopische Untersuchung zeigt diese Theile aus verhornten Epi- thelplättchen zusammengesetzt. Seitlich von diesen Hornleisten be- findet sich der weiche Theil der Unterzunge, der mit seinem verbrei- terten Abschnitte gleichfalls vom Zungenkörper sich abheben lässt, und an seinem freien Rande etwas gewulstet sich darstellt. Von einem zweiten Lemur, einem neugeborenen Thiere, dessen Art ich nicht sicher zu bestimmen vermochte, war die Unterzunge dem Vorbeschriebenen ähnlich (Fig. 15), nur nach vorn zu weniger schlank als bei jenem, wie denn auch die freie Spitze nicht gekrümmt war. Drei gelbe Leisten erhoben sich auf der Unterfläche und lie- fen fein auf die Spitze aus. Von Stenops gracilis hat mir ein älteres Präparat so wie ein ziemlich frisches vorgelegen, in ersterem wohl dasselbe Präparat, an welchem TIEDEMANN einst die Unterzunge entdeckt hatte. Da auch Orro, der hier die von dem Ersteren nicht berücksichtigte sogenannte zweite Unterzunge auffand, eine Beschreibung des gesammten Zun- genapparates gab und noch eine bildliche Darstellung, so würde ich des näheren Eingehens auf Stenops gracilis überhoben sein, wenn nieht Manches genauer, als es geschehen, unterschieden werden müsste. Die Unterzunge bietet hier das Eigenthümliche, dass sie nicht so innig der Unterfläche der Zunge angeschlossen ist, wie bei Lemur mon- goz, so dass man sie, für sich betrachtet, leicht für eine bloße Plica sublingualis halten könnte, die jedoch unter ihr selbständig erscheint (vgl. Fig. 11 u. 12). Die Länge dieser freien_Strecke beträgt 5 mm. indess die Gesammtlänge der Unterzunge deren 12 misst. Der Kör- per der Unterzunge verbreitert sieh nach hinten etwas und läuft da- selbst in zwei konvergirende Schenkel aus, welche der Zungenwurzel sich anschließen und durch einen schwachen medianen Einschnitt von einander geschieden sind. Die untere Fläche des Organes ist ziemlich stark gewölbt, die lateralen Ränder sind aufwärts geschla- gen und besitzen ganz unansehnliche Vorsprünge, indess der vordere freie Rand in cirea 14 feine Zacken verläuft. Eine beträchtliche‘ mediane Vertiefung erstreckt sich über */, der Länge der Unterfläche und läuft vorn flach aus. Inmitten dieser Vertiefung tritt eine Leiste kielartig vor und ist, wenigstens an dem frischeren Objekte, frei bis zum freien Unterzungenrande fortgesetzt. Sowohl die Ein- senkung als ihr Kiel tragen gelbbräunliche Färbung, die auch längs des ganzen freien Randes des Organes besteht. An dem alten Prä- parate war keine Färbung mehr erkennbar. Von der oberen Fläche tritt eine Schleimhautfalte ganz wie ein Frenulum zur Unterfläche Uber die Unterzunge des Menschen und der Siiugethiere. 443 der Zunge. Was an dem Organe jedoch am meisten auffällt, das ist außer der größeren Selbständigkeit die verhältnismäßig bedeutende Dieke, die es nicht als eine bloße Schleimhautfalte ansehen lässt. Eine solche ist jedoch auch bei Stenops gracilis die Plica sublin- gualis, welche vorn in zwei Hälften getheilt ist und von da an bis zum hinteren Ende in eine Anzahl feiner Zacken ausläuft. In den meisten Punkten mit Stenops gracilis übereinstimmend finde ich die Unterzunge von einem als Galago madagascarensis bezeichneten Prä- parate. Das Gebilde war nur etwas schlanker, lateral mehr auf- wärts gebogen und vorn mit einer geringeren Zahl von Zacken ver- sehen. Von Chiromys (Fig. 14) habe ich den Owen’schen Angaben nur wenig zuzufügen. Die Sublingualplatte, wie das Organ genannt. wird, ist der Zunge fast in ihrer ganzen Ausdehnung angeschlossen, so dass nur der in die Spitze auslaufende seitliche Rand etwas we- niges frei ist. Nach hinten setzt sich der Plattenrand über die Zun- genbasis hinaus zur Zungenwurzel fort. Eine mediane etwas gelb- lich gefärbte Längsleiste, welche OwEn von knorpelartiger Festigkeit angiebt, erstreckt sich bis zur Spitze, und bietet dem Befühlen beim Streichen nach hinten feine Vorsprünge. Die mikroskopische Unter- suchung zeigt die ganze Leiste aus einer starken verhornten Epithelschicht gebildet, von welcher feine nach vorn gerichtete Er- hebungen abtreten. Endlich muss ich noch das Organ von Tarsius erwähnen. da ich den Befund an dem von mir untersuchten Exemplare von dem, was BURMEISTER angiebt, etwas verschieden finde. Die sublinguale Platte (Fig. 15) ist relativ länger als die frühere Abbildung sie darstellt, und liegt der Zunge so innig an, dass ihr Rand sogar von einer Furche umzogen wird; ein medianer Kiel durch eine ihn begleitende Vertiefung jederseits von dem Seitentheile der Platte sich abhebend, erstreckt sich nach vorn und läuft da in zwei feine Spitzen aus. Die gesammte Bildung hebt sich durch gelbliche Farbe von den be- nachbarten Zungentheilen ab. Von einer Sonderung des Kieles in mehrfache Abschnitte, wie sie von BURMEISTER Taf. VI Fig. 5 dar- gestellt werden, habe ich nichts wahrgenommen. Auch ragten die Kielspitzen nicht so sehr vor, wie es dort dargestellt worden ist. Be- züglich der sehr ansehnlichen Plica sublingualis kann ich die BURMEI- STER'schen Angaben bestätigen. Nur der vordere Theil verhielt sich in so fern etwas verschieden, als er größere Zacken trug. Marsupialia. Unter den Beutelthieren ist die Unterzunge gleich- 29 * 444 C. Gegenbaur falls verbreitet. Didelphys virginiana! besitzt eine die ganze Linge des ansehnlichen freien Theiles der Zunge einnehmende Unterzunge (Fig. 16). Sie ist von sehr langestreckter Leierform, hinten mit ihrem stark verschmälerten Ende in eine sublinguale Plica über- gehend, mit dem vorderen verbreiterten Ende dicht an die Zungen- spitze reichend. Eben da treten jederseits einige kleine Fortsätze ab. Der seitliche Rand bildet an der hinteren Verbreiterung des Organes eine freie Falte, indess er nach vorn enger an die Zunge angeschlos- sen ist. Eine mediane Längsleiste, welche bis an das vordere Ende zieht, theilt das Organ in zwei seitliche Hälften. Hinten ist die Leiste etwas breiter und flacher, vorn schmaler aber höher. Eine derbe Epithelschicht lässt die Leiste ziemlich resistent erscheinen. Zu beiden Seiten der Leiste verläuft eine hintere ziemlich breite Furche, welche an diesem Theile je S—10 schräg nach vorn und seitlich gerichtete Grübchen trägt, die eine Längsreihe bilden. Der hintere Theil der Unterzunge wird von unten her von einer starken Sublingualfalte überragt. An einem Jungen derselben Art habe ich die Zunge von gleicher Ausbildung gefunden. Nur die Grüb- chen fehlten. Auf Querschnitten mikroskopisch untersucht, zeigt sich eine etwas verdickte von der benachbarten Schleimhaut der Zunge auch durch eine stärkere Epithellage ausgezeichnete Schleim- hautschicht, die auch an der den Grübehen des erwachsenen Thieres entsprechenden Stelle nichts Bemerkenswerthes aufwies. Auf keinen Fall kann bei jenen Grübchen an Sinnesorgane gedacht werden. Im Verhalten zur Muskulatur ergab sich im Bereiche der Unterzunge das Vorwalten von longitudinalen, senkrechte Lamellen darstellenden Zügen, zwischen denen Bindegewebszüge verliefen. Die durch den Transversus linguae dargestellte Muskulatur erstreckt sich nicht in die Unterzunge, deren seitliche Grenze genau unterhalb der Enden der untersten transversalen Faserzüge liegt. Ob aber jene longitudinale Muskulatur desshalb der Unterzunge zuzurechnen ist, ist aus diesem einzigen Befunde noch keineswegs zu entscheiden. Bei einer anderen Didelphys-Art, die mit Didelphys Quica am meisten übereinstimmt, bietet die Unterzunge nur dadurch eine Ab- weichung, dass die Grübchen seitlich vom Unterzungenkiele fehlen. Verschieden in der Unterzunge von Didelphys stellt sich jene ! Das der anatomischen Sammlung angehörige Präparat war als von D. marsupialis bezeichnet. Ich glaube es auf D. virginiana beziehen zu dürfen, und nicht auf D. cancrivora Gmel. Uber die Unterzunge des Menschen und der Säugethiere. 445 von Dasyurus (D. hallucatus). Das Organ (Fig. 17) nimmt den größ- ten Theil der Unterfläche der Zunge ein, an deren vorderem Vier- theile es sich bedeutend verschmälert. Damit erreicht es die Zun- genspitze. Hinten gehen die Seitentheile ziemlich breit auf die Zungenbasis über, wobei der Rand, welcher am mittleren Theile der Unterzunge ziemlich stark ausgeprägt ist, allmählich auslaufend sich in der Schleimhaut der Zungenwurzel verliert. Ein starker Kiel erhebt sich von hinten her allmählich in der Medianlinie und tritt etwas verschmälert bis zur Zungenspitze. Gegen Didelphys bildet die bedeutendere Verschmälerung des vorderen Theiles, so wie die sehr deutliche Fortsetzung des lateralen Randes über eine große Streeke der Zungenbasis eine nicht geringe Eigenthümlichkeit. Wohl in Anpassung an die relativ schmälere Zunge ist bei Tarsipes die Unterzunge von geringerer Breite und entbehrt damit in Zusammenhang der vorderen vom hinteren breiteren Theile abge- setzten Verschmälerung. Sie läuft vielmehr ganz allmählich gegen das vordere unten der Zungenspitze angeschlossene Ende. Auch setzt sich der seitliche Rand kaum merklich an die Zungenwur- zel an. Diese Verhältnisse sind etwas deutlicher bei Perameles P. Gun- nii) ausgeprägt. Die lanzettförmige Unterzunge erstreckt sich in der ganzen Länge des freien Theiles der Zunge, und ist der genannten Gestalt gemäß hinten etwas verschmälert. Aber dennoch ist zu be- merken wie der seitliche Raid über diese verschmälerte Strecke hinaus gegen die Zungenbasis ausläuft (Fig. 18). Die Ränder sind kaum von der Zungenfläche abgehoben und bilden nirgends freie Vorsprünge. Dagegen tritt die mediane Falte deutlich als Kiel hervor. Eine Plica sublingualis vermisste ich. Von herbivoren Beutelthieren finde ich Dendrolagus (D. inustus Schl. & Müll.) im Besitze einer Unterzunge, die in manchen Punkten von den beschriebenen abweicht. Das Organ nimmt auch hier einen großen Theil der freien Unterfläche der Zunge ein (vgl. Fig. 19), ist hinten sehr breit, nach vorn verschmälert und läuft unterhalb der Zungenspitze allmählich in jene aus. Die seitlichen Theile gehen in freie, ziemlich schlaffe Falten über und laufen gegen die Zungenwurzel aus. In der Mitte zieht eine Längsfalte, welche hinten ziemlich schmal ist und vorn unter zunehmender Ver- breiterung sich abflacht. Die Längsfalte ist ziemlich derb und bildet einen kielartigen Vorsprung, der einige schwache quere Eindrücke besitzt. — Bei Halmaturus (H. Benetti) verhält sich die Unter- 446 C. Gegenbaur zunge nach dem gleichen Typus (Fig. 20), nur ist sie regelmäßiger blattförmig gestaltet. Ihre seitlichen Lamellen sind viel weniger frei als bei Dendrolagus und der Rand derselben ist derart unterbrochen, dass der vordere Theil derselben über den hinteren sich hinwegsetzt. Es bestehen also jederseits zwei nach vorn konvergirende Falten, das vordere Paar tritt bis an die Zungenspitze, das hintere Paar ist schwächer und erstreckt sich gegen die Zungenbasis. Die Symme- trie der Falten spricht gegen die Meinung, dass man es hier mit zufälligen Gebilden zu thun habe. Auch bei einem zweiten Halma- turus, dessen Art nieht bestimmbar war, erschien die Unterzunge in gleichem Verhalten. Sehr bedeutend ist der mediane Kiel bei Halmaturus ausgeprägt. Dieser ist hier offenbar der ansehnlichste Theil der gesammten Unter- zunge. Die seitlichen Theile sind bei Dendrolagus und Halmaturus viel weniger charakteristische Gebilde als bei den übrigen Beutelthieren und fallen weniger ins Auge als der Kiel. Daraus erklärt sich vielleicht, dass VROLIK ! bei Dendrolagus der Unterzunge keine Erwähnung thut. Eine Plica sublingualis vermisse ich bei Halmaturus; auch bei Dendrolagus scheint sie zu fehlen. Dagegen sind bei Halmaturus zwei abgeplattete Carunculae sublinguales vorhanden. Außer den in Vorstehendem speciell angeführten Säugethieren habe ich noch bei einer Anzahl von Gattungen aus der Ordnung der Nager, Insectivoren, Carnivoren, Ungulaten, auch bei einigen Chiropteren nach der Unterzunge gesucht. Ich bin dabei zwar auf mancherlei Eigenthümlichkeiten im Bereiche der in den eben behandelten Ab- theilungen die Plica sublingualis vorstellenden Bildungen gestoßen und habe an der Zunge selbst auch mehrmals das als »Lytta« bezeichnete Gebilde getroffen, niemals aber etwas, das zu dem oben geschilder- ten Befunde in offener Beziehung stände. Ich will damit nicht behaupten, dass eine Unterzunge jenen Ordnungen abgehe, zumal ich erkannt habe, dass eben in jener Lytta Anknüpfungen an die Unterzunge gegeben sind. Da ich darüber bei einer anderen Gele- senheit mich äußern werde, möge mit den hier ausführlicher be- handelten Ordnungen ein Abschluss der Untersuchung der äußeren Verhältnisse der Unterzunge gegeben sein. ! Ontleedkundige Nasporingen omtrent Dendrolagus inustus in Wis- en Natuurk. Verhand. der Konink. Akademie Deel V. Was von einer tiefen Grube gesagt ist, welche am Zungenrücken nach vorn sich hinziehen soll, finde ich in dem mir vorliegenden Präparate nicht bestätigt. Uber die Unterzunge des Menschen und der Siiugethiere. 447 Die geschilderten Unterzungengebilde haben erkennen lassen, dass man es mit zweierlei sehr verschiedenen Theilen zu thun hat, die nur das gemeinsam besitzen, dass sie beide unter der musku- lösen Zunge liegen und größtentheils von der Schleimhaut gebil- det sind. Beide sind scharf aus einander zu halten. Das eine dieser Gebilde entbehrt der unmittelbaren Beziehungen zur Zunge, es ist die Plica sublingualis, welche über die Glandula sublingualis sich erhebt und häufig einen ausgezackten Rand besitzt. Die vor- derste Zacke ist immer die ansehnlichste und zugleich die konstan- teste, da an ihr der Ductus Whartonianus mündet. Häufig besteht diese Zacke für sich, der anderseitigen genähert oder angeschlos- sen, auch papillenartig gestaltet. Dann erscheint das Gebilde als Caruncula sublingualis s. salivalis. Sowohl die Plica sublingualis als ihr in der Caruncula bestehender Uberrest sind oftmals als »Unter- zungen« bezeichnet, oder mit einer solchen verwechselt worden. So beziehen sich die Angaben von Unterzungen bei Affen durchweg auf bloße Carunculae sublinguales, die nur durch ihren Umfang impo- nirten, und die »doppelte Unterzunge« von Stenops begreift gleichfalls eine Plica sublingualis in sich. Von BURMEISTER ward bei Tarsius die Sublingualfalte geradezu als »Unterzunge« im Gegensatze zu der der Zunge angeschlossenen »Platte« aufgefasst. Indem wir so diese Gebilde schärfer sondern, wenden wir uns zu der eigentlichen Un- terzunge, dem Organe, welches die Mehrzahl der Autoren mit jenem Namen belegt hat, und aus mehrfachen Gründen eine beson- dere Würdigung verdient. Wir finden an ihm zunächst in den Abtheilungen der Beutel- thiere und Prosimier bei allem Gemeinsamen zwei verschiedene Typen ausgedrückt, die eine Analyse erfordern. Das Gemeinsame liegt in dem engen Anschlusse des Organes an die Unterfläche der Zunge selbst. Es ist somit eine zur Zunge gehörige Bil- dung. Die Unterzunge der Prosimier ist durch größere Selbständigkeit von jener der Beutelthiere unterschieden. Das Organ ist sowohl an seinen seitlichen Theilen wie mit seinem vorderen Abschnitte frei, so dass nur die Basis und der ihr benachbarte Theil der Ober- fläche mit der Unterfläche der Zunge zusammenhängt, zuweilen er- streckt sich sogar eine Art Frenulum von der oberen Fläche der Unterzunge zur Unterfliiche der Zunge (Stenops). Eine zweite Eigenthümlichkeit liegt in der Verhornung des Epithelialüberzuges. Bei Stenops gracilis besteht dieser auf der gesammten Oberfläche 448 C. Gegenbaur und macht sich am meisten am freien Rande so wie auf der Unter- fläche am medianen Kiel bemerkbar. Bei Tarsius ist die gesammte Unterfliiche von derselben Beschaffenheit. Bei Lemur sind drei Längsleisten der Unterfläche verhornt, eine bei Chiromys. Die ver- hornten Theile zeichnen sich durch gelbliche oder bräunliche Färbung aus. Diese Verhornung bietet an sich nichts Fremdartiges dar, weiß man doch längst, dass das Hornblatt auch in der Mundhöhle eine Rolle spielt und dass auf der Oberfläche der Zunge verhornte Bil- dungen nicht zu den Seltenheiten gehören. Es sei hier nur an die Hornstacheln der Feliden, an die Hornplatten von Hystrix erinnert. Aber während dort die funktionelle Bedeutung die Entstehung je- ner Theile erklärlich macht, liegt über der Funktion der Hornbil- dungen an der Unterzunge ein tiefes Dunkel und gerade die an der Zungenoberfläche die Verhornung erklärende Funktion lässt uns hier bei der Unterzunge gänzlich im Stiche. Von diesem Gesichtspunkte aus ist jene Eigenthiimlichkeit der Unterzunge der Prosimier noch völlig unklar. Es darf daher diese Verhornung als etwas Auffallendes gelten, welches zur genaueren Prüfung des ganzen Organes auffordert. Während wir darauf noch- mals zurückkommen, sei endlich noch das Verhalten des freien Ran- des der Unterzunge hervorgehoben. Bei Stenops bildet er eine Anzahl feiner Spitzen, dem reiht sich Otolienus an, während die vorn sehr verschmälerte Unterzunge von Lemur nur in wenige feine Spitzen aus- läuft. Bei Chiromys ist nur eine mediane Spitze, zwei derselben sind bei Tarsius vorhanden, dessen Unterzunge unter den Prosimiern ihre Selbständigkeit vollständig eingebüßt hat. Hinsichtlich dieser Selbständigkeit ergiebt sich sonach bei den Prosimiern eine kon- tinuirliche Reihe. Obenan steht Stenops, dann folgt Lemur, dann Chiromys und Tarsius. Die beiden letzten stehen in dieser Bezie- hung einander näher als den Erstgenannten, da die Unterzunge in ihrer Gesammtlänge der Zunge verbunden ist. Allein es besteht zwischen ihnen doch der Unterschied, dass die Unterzunge von Chi- romys mit ihren Rändern noch vorspringt, indess jene von Tarsius mit den Seitenrändern wie in die Zunge eingesenkt ist. Die distale Verschmälerung bei Lemur mongoz lässt dieses Gebilde im Vergleich zu den übrigen hier etwas verkümmert erscheinen. Vergleichen wir mit den Prosimiern die Beutelthiere, so ist de- ren Unterzunge vor Allem durch geringere Freiheit ausgezeichnet. Das Organ ist in der ganzen Länge der Unterfläche der Zunge an- geschlossen, man kann sagen es sei mehr in die Zunge übergegan- Uber die Unterzunge des Menschen und der Siiugethiere. 449 gen. Hierzu bietet Chiromys und Tarsius eine Vermittelung. An Ausdehnung steht die Unterzunge der Beutelthiere jedoch nieht hin- ter der Unterzunge der Prosimier zurück, übertrifft die letztere sogar an Länge, da sie meist bis zur Zungenspitze reicht. Eine mediane Falte ist immer stark ausgeprägt. Sie trägt jedoch keine dicke Hornschicht mehr, sondern zeigt sich, selbst bei größerer Derbheit, doch mehr in Übereinstimmung mit der Nachbarschaft. Die seitlichen Theile sind nur am Rande frei und bilden daselbst Schleimhautfalten. Am meisten sind sie frei bei Dendrolagus, weniger bei Didelphys und Anderen. Auch am Beginne dieser Seitentheile waltet gegen die Prosimier eine Eigenthümlichkeit; während die Falten bei letzte- ren zur Seite des Frenulum linguae abschließen, indem sie gegen dieses sich gekrümmt haben, setzen sie sich bei den Beutelthieren gegen die Zungenwurzel fort. Beide Ordnungen greifen aber in so fern in einander über, als die als Eigenthümlichkeiten der einen darge- stellten Befunde bei der anderen wenn auch wie eine Ausnahme sich darstellen. So verhält sich die Basis der Unterzunge bei Chiromys jener der Beutelthiere ähnlich, indem ihr seitlicher Rand weiter nach hinten sich fortsetzt. Unter den Beutelthieren dagegen zeigt sich Didelphys in diesem Punkte nach Art der Prosimier. Perameles end- lich scheint beide Formen zu vereinigen, in so fern die hinten vor dem Frenulum stark verschmälerte Unterzunge doch noch ihren la- teralen Rand auf die Zungenbasis auslaufen lässt. Durch diese Fortsetzung des lateralen Randes wird eine innigere Beziehung zwi- schen Zunge und Unterzunge ausgedrückt, denn die Unterzunge grenzt sich basal lange nicht so scharf ab, als in den anderen Fällen. Wie immer auch die Unterzunge der Beutelthiere als ein recht be- merkenswerthes Gebilde sich darstellt, so hat es doch im Vergleich mit den Prosimiern eine ganze Reihe von Eigenthümlichkeiten ein- gebüßt und unter diesen Verlusten ist der der freieren Verbindung mit der Zunge der hervorragendste. Diese Verschiedenheiten werden jedoch schwerlich dazu benutzt werden können, in beiderlei Gebilden ganz differente Organe zu sehen. Ich denke, dass deren Homologie von Niemandem wird angezweifelt werden können, der nicht jeden einzelnen Zustand nur für sich, außer allem Zusammenhang mit an- deren verwandten zu betrachten und zu beurtheilen bemüht ist. Ist das zugegeben, so ist es nicht schwer den unter den Prima- ten beim Schimpanse und dem Menschen sich treffenden Befund völlig zu verstehen. Auch hier wird man die Unterzunge erkennen, aber in noch innigeren Beziehungen zur Zunge selbst. Sie hat hier 450 C. Gegenbaur den bei Prosimiern bestehenden aber bei den Beutelthieren schon fehlenden Hornbeleg gänzlich verloren und stellt ein dreiseitiges Schleimhautfeld dar, welches nur seitlich, in der Plica fimbriata, die ursprüngliche Abgrenzung bewahrt hat, und hier zuweilen auch noch als eine freie Schleimhautlamelle erscheint. Während so das Ge- bilde von jenem der Prosimier sich weiter entfernt als von dem der Marsupialen schließt es sich inniger an die Unterzunge der Beu- telthiere an. Außer den vorhin erwähnten Eigenschaften theilt sie mit der Unterzunge der Beutelthiere die Ausdehnung der Seiten- theile gegen die Zungenwurzel zu. Dieses Verhalten ist sogar noch viel weiter als bei den Beutelthieren gediehen und die Unterzunge ist damit vielmehr in die eigentliche Zunge aufgegangen. Unter den Primaten besteht jedoch wieder einige beachtenswerthe Verschie- denheit in dem Vorkommen der Plica fimbriata. Da von den vier untersuchten Schimpanse-Zungen drei die genannte Plica in sehr deutlicher Ansbildung besitzen und eine, obwohl in Rückbildung, doch immer noch viel deutlicher als in sehr vielen Fällen beim Menschen, darf man wohl auf ein konstantes Vorkommen schließen. Unter- suchungen einer noch größeren Anzahl werden darzuthun haben, ob nicht auch da eine größere Variation Platz findet. Beim Menschen besteht, wie oben gezeigt wurde, eine sehr bedeutende Schwankung im Vorkommen sowohl wie in dem Ausbildungsgrade des Organes. Troglodytes gegenüber ist dasselbe in viel bedeutenderer Rückbil- dung begriffen. Dagegen reiht sich der Gorilla, nach dem was BiscHorF anführt, an Befunde beim Menschen an. Daran schließt sich der gänzliche Verlust des Organes, der beim Menschen bereits vorkommt, vielleicht beim Orang und Hylo- bates ein allgemeiner geworden ist. Wenn sich das Letztere heraus- stellen sollte, so wäre der Mensch bezüglich dieses auf niedere Zu- stände verweisenden Gebildes konservativer als die große Mehrzahl der Quadrumanen, über die wir, Troglodytes ausgenommen, unser Ur- theil so lange zurückhalten müssen, bis eine größere Individuenzahl in den einzelnen Arten zur Prüfung gelangt sein wird. Der beigefügte Holzschnitt versinnlicht die Rückbildung der. Unterzunge, oder vielmehr ihr Verhalten in drei verschiedenen Zu- ständen. @ Tafel XXII. Fig. 10. Lemur mongoz. Sublingualfalte zurückgeschlagen. ‚Fig. 11. Stenops gracilis. Sublingualfalte zurückgeschlagen. Fig. 12. Stenops gracilis. Ansicht von der rechten Seite. Fig. 13. Lemur spec.? Fig. 14. Chiromys madagascarensis. Fig. 15. Tarsius spectrum. Fig. 16. Didelphys virginiana. Fig. 17. Dasyurus hallucatus. Fig. 18. Perameles Gumnii. Fig. 19. Dendrolagus incestus. Fig. 20. Halmaturus Benetti. af Pr rd Wilh. Engelmann 7 "07 es TS Aust E 4 Funke, Leiptls Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. Von M. Sagemehl. II. Einige Bemerkungen über die Gehirnhäute der Knochenfische. Mit Tafel XXIII. Bei Gelegenheit der Untersuchung einer größeren Zahl von Te- leostiern auf den Bau des Cranium, wurde ich ganz von selbst dar- auf geführt den Gehirnhiuten, die in manchen Fällen selbständig ossifieiren und auf diese Weise zum Aufbau des Schädels beitragen können, eine größere Aufmerksamkeit zuzuwenden, als es bis jetzt geschehen war. Es gelang mir dabei manche Organisationsverhilt- nisse aufzufinden, deren Bedeutung sich über die Klasse der Fische hinaus erstreckte und die einige Aufklärung über den Bau der Hirn- häute bei den am höchsten entwickelten Vertebraten gaben. Inden nachfolgenden Seiten sollen die Anschauungen, zu denen ich gelangt bin, kurz referirt werden, wobei ich von vorn herein aufmerksam machen will, dass eine vollständige, erschöpfende Be- schreibung der Gehirnhäute der Fische nicht in dem Plan dieser Arbeit liegt. Was ich bezwecke, ist nur einige allgemeine Gesichts- punkte, unter welche die Gehirnhäute der Vertebraten fallen, zu entwickeln und dieselben durch Thatsachen zu stützen. Bevor wir an eine Beschreibung der Gehirnhäute bei Fischen schreiten, soll eine kurze Schilderung der Entwicklung derselben bei höheren Vertebraten vorausgeschickt, und sollen an der Hand der- selben die Prineipien, nach denen die verschiedenen Häute des Gehirns anatomisch unterschieden werden müssen, näher betrachtet werden. Morpholog. Jahrbuch. 9. 30 458 M. Sagemehl Nach den Angaben von KÖLLIKER!, dem wir die vollständigsten hierauf bezüglichen Angaben verdanken, trifft. man bei Vögeln und Säugethieren in frühen Stadien der Entwicklung, zwischen den Cen- tralorganen des Nervensystems und den dieselben umgebenden häu- tigen oder zum Theil schon knorpeligen Theilen des Schädels eine gleichmäßige Lage von dem bekannten embryonalen Bindegewebe an. Verhältnismäßig spät lassen sich in diesem Bindegewebe zwei Schich- ten unterscheiden, die durch einen Spaltraum von einander getrennt werden. Die äußere mehr faserige Schicht, die sich den Skeletthei- len des Cranium direkt anschließt, wird später zur Dura mater; die innere, mehr lockere, stark vascularisirte, an das Gehirn resp. das Rückenmark sich anschließende Schicht, ist die gemeinsame Anlage der Pia und Arachnoides, während der erwähnte Spalt- raum als Subduralraum aufzufassen ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach entsteht der Subduralraum, an dessen erstes Auftreten die Unter- scheidung der beiden primären embryonalen Hirnhäute geknüpft ist, durch Zusammenfließen von mit einander anastomosirenden Lücken- räumen, die frühzeitig in dem indifferenten Bildungsgewebe zwischen dem Centralnervensystem und den dasselbe umschließenden Skelet- theilen auftreten, und die wohl als erweiterte Lymphräume zu be- trachten sind. So giebt es wenigstens Löwe? an, nach welchem 1 A. KÖLLIKER, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Zweite Auflage 1879. pag. 570 u. ff. ? L. Löwe, Zur Kenntnis des Bindegewebes Th. III. Das interparen- chymatöse Bindegewebe und die Gewebslacunen. Archiv für Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte von His u. BRAUNE 1878. pag. 143—146. Der Raum, den LöwE als den primären cerebrospinalen Raum bezeichnet, und der nur vor- übergehend in frühen Stadien der’Entwicklung zwischen dem Gewebe des Cen- tralnervensystems und den umgebenden Geweben des Mesoderm als Lücke an- getroffen wird, ist mir aus eigener Anschauung sehr wohl bekannt, doch habe ich triftige Gründe iln für ein Kunstprodukt anzusehen. Er wird nur in den Stadien beobachtet, in welchen das Mesodermgewebe, welches das Medullarrohr umgiebt, schon den Charakter von embryonalem Bindegewebe angenommen hat, in welchen aber eine innigere Verbindung dieses Gewebes mit dem Gewebe des Me- dullarrohrs durch Gefäße noch gar nicht, oder doch nur in sehr beschränktem Maße besteht. Es sind also alle Bedingungen zur Bildung eines Spaltraumes durch Kontraktion des Bindegewebes in Folge der Anwendung von Reagentien gege- ben, und das ist auch die einfachste Erklärung für den LOwer’schen »pri- mären cerebrospinalen Raum«, dem in der Reihe der niederen Wirbelthiere nichts an die Seite zu stellen wäre, und welcher, da er eine Discontinuität zwi- schen dem Nervengewebe und dem dasselbe umgebenden vascularisirten Ge- webe, von welchem aus das erstere ernährt wird, vorstellt, auch in physiolo- gischer Beziehung ein Unding ist. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 459 beim Kaninchenembryo die erste Spur des späteren Subduralrau- mes als ein System von Liicken auftritt. Lange Zeit bewahrt der Subduralraum diesen Charakter und wird noch bei Embryonen yon 2 em Länge von zahlreichen Bindegewebsbälkchen und -Brücken durchsetzt. Beim Menschen ist der Subduralraum nach KÖLLIKER erst vom dritten Monat an deutlich. Viel später erst erfolgt die Bildung der Subarachnoidealräume und eine dadurch gegebene Trennung der Pia von der Arachnoides. Wie bei der ersten Ausbildung des Subduralraumes, so tritt auch bei der Bildung des Subarachnoidealraumes, ein kommunieiren- des System von Spalträumen auf, die jedoch — und das ist der wesentliche Unterschied vom Subduralraum — niemals ganz vollstän- dig zusammenfließen, sondern durch ein zwischen der Arachnoides und der Pia ausgespanntes System von gefäßführenden Binde- gewebsbrücken und -Bälkchen stets geschieden sind. Der Umstand, dass bei erwachsenen Säugethieren die durch Maschen von einander unvollkommen geschiedenen Subarachnoideallücken von einem flachen, durch die Versilberungsmethode darstellbaren, Epithel ausgekleidet werden und mit benachbarten Lymphräumen in Kommunikation stehen!, macht es im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Aus- bildung des Subarachnoidealraumes ebenfalls durch partielles Zu- sammenfließen von erweiterten Lymphräumen bewirkt wird. Beim Menschen ist die anatomische Unterscheidung von Pia und und Arachnoides, wie KÖLLIKER angiebt, erst in den letzten Mona- ten des intrauterinen Lebens möglich, also viel später als diejenige des Subduralraumes. Nach dem eben Angeführten besitzen beide pericerebralen Spalträume dieselbe Entstehung aus zusammenfließen- den Lymphräumen, doch ist der ontogenetisch früher sich bildende Subduralraum höher differenzirt, als der Subarachnoidealraum, da die ihn konstituirenden Lymphräume fast vollständig mit einander zusam- mengeflossen sind und er daher überall von nahezu glatten Wänden begrenzt wird. Der von zahlreichen Bindegewebszügen, — den letzten Resten der Scheidewände zwischen den ursprünglichen Lymph- räumen —, durchzogene Subarachnoidealraum bewahrt auch bei er- wachsenen Thieren ein Verhalten, welches der Subduralraum vor- übergehend durchmacht und charakterisirt sich schon dadurch als 1G. SCHWALBE, Der Subarachnoidealraum, ein Lymphraum. Medicin. Centralblatt 1869. 302 460 M. Sagemehl der später entstandene und daher auch weniger differenzirte der bei- den pericerebralen Lymphräume. Es ist nachdem eben Gesagten ganz zweifellos, dass die Hirnhäute durch Differenzirung aus einer indiffe- renten zwischen den Centralorganen des Nervensystems und den dieselben umgebenden Skelettheilen gelegenen Bindegewebsschieht hervorgehen und dass die anatomi- sche Unterscheidung von Hirnhäuten erstdurch das Auf- treten der dieselben von einander trennenden Spalt- räume möglich gemacht wird. Entsprechend den beiden bei höheren Wirbelthieren auftretenden Spalträumen, unterscheiden wir bei denselben auch folgerichtig drei von einander getrennte Hirnhäute. Es fragt sich nun, wie sich in dieser Hinsicht die uns interessi- renden Fische verhalten. An frischen Objekten ist eine Entscheidung dieser Frage wegen der halbflüssigen Beschaffenheit des voluminösen zwischen Cranium und Gehirn liegenden Gewebes nicht ausführbar, und muss man daher die Zuflucht zu Objekten nehmen, die in Alkohol in toto all- mählich gehärtet worden sind. Am besten ist es größere Köpfe von Fischen, die so behandelt worden sind, vorsichtig der Länge nach mit einer feinen Säge zu zerlegen und dann die Untersuchung der Ge- hirnhäute vorzunehmen. Bei einiger Vorsicht bleibt das Gehirn und die dasselbe umgebenden Gehirnhäute vollständig in situ. An solchen Objekten kann man sich mit dergrößten Leichtigkeit überzeugen, dass beiFischen ein einziger Spaltraum in dem zwischen Gehirn und Cranium liegen- den Gewebe existirt, und dass wir bei denselben folge- richtig nur zwei Gehirnhäute unterscheiden dürfen. Dieser Spaltraum trennt eine dünne, das Gehirn umkleidende Membran, die wir als die Gefäßhaut desselben bezeichnen wollen, von einer äußeren Gewebeschicht, die an einzelnen Stellen mäch- tig entwickelt ist und bald aus einer fettgewebeartigen Masse be- steht, bald von einem Gewebe gebildet wird, das zur Kategorie des Schleimgewebes zu rechnen ist. Die Gefäßhaut des Gehirns überzieht das letztere und ist überall innig mit demselben verbunden. Nur an den Stellen, wo tiefe Ein- schnitte zwischen den einzelnen Hirnlappen sind, theilt sich dieselbe in zwei Lamellen; die tiefere Lamelle dringt in den Spalt hinein, während die oberflächliche sich über denselben hinüberspannt. Man Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 461 sieht dieses Verhalten besonders deutlich in dem Einschnitt zwischen Cerebellum und Mittelbirn. Der zwischen den beiden Lamellen ent- stehende schmale Raum ist allseitig abgeschlossen und kommunieirt nicht mit dem pericerebralen Lymphraume. Nur die beiden Vorder- hirnlappen werden von ihr scheinbar wie von einem losen Sack umgeben; doch nur scheinbar, da Rast - RÜCKHARD! in seiner neuesten Publikation den Nachweis geführt hat, dass diese anschei- nende Hirnhaut aus der membranös gewordenen Decke des Vorder- -hirns und der Gefäßhaut zusammengesetzt ist. Wenn man ein Stückchen dieser Gehirnhaut abzieht und, nach- dem es gefärbt und aufgehellt ist, untersucht, überzeugt man sich, dass man an ihr zwei Schichten unterscheiden kann. Die äußere Sehicht wird aus zarten sich mannigfaltig durchkreuzenden Binde- gewebsfasern gebildet, und enthält zahlreiche rundliche, glänzende Kerne. Die innere Schicht besteht aus einer kontinuirlichen Lage von großen Zellen mit trübem Protoplasma und großen Kernen. Diese Lage, die anscheinend nicht an allen Stellen anzutreffen ist, kann eben so gut wie zur Gefäßhaut auch schon zum Gehirn selbst gerechnet werden; wie überhaupt die Grenze zwischen diesen beiden keine ganz scharfe ist. Zwischen der äußeren und inneren Schicht der Gefäßhaut des Gehirns, zum Theil auch vollständig in der ersteren eingeschlossen, verlaufen zahlreiche Blutgefäße, die auf der Oberfläche des Gehirns ein dichtes Netzwerk bilden. Von diesen Gefäßnetzen steigen Zweige in die Substanz des Gehirns selbst hinein und gestalten auf diese Weise die Verbindung zwischen dieser Hirnhaut und dem Gehirn zu einer sehr innigen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Gefäßhaut auch Lymphgefäße besitzt, die ja überall vorkommen, wo viele Blutgefäße verlaufen, doch bin ich nicht ganz sicher, ob gewisse von mir beob- achtete Gefäßstämmcehen, die keine Blutgefäße zu sein schienen, hierher zu rechnen sind. Nerven habe ich in dieser Gefäßhaut nicht entdecken können: womit natürlich deren Abwesenheit nicht ausge- sprochen werden soll. Nach außen wird die eben beschriebene Gefäßhaut des Gehirns von dem bei Fischen einzigen pericerebralen Lymphraume umgeben (Fig.2). Es ist das ein spaltförmiger Raum, der das Gehirn allseitig ! RABL-RÜCKHARD, Das Großhirn der Knochenfische und seine Anhangs- gebilde. Archiv f. Anat. u. Physiol. Anat. Abth. 1883. pag. 279—322. 462 M. Sagemehl umgiebt und nur an wenigen Stellen, an den Ursprungsstellen der Ner- ven, an den Stellen, wo Gefäße vom und zum Gehirn treten, und an der Hypophysis und der Epiphysis unterbrochen ist. Sonst sind seine beiden Flächen fast glatt; von Bindegewebsbälkchen und -Zügen, die von einer Fläche zur anderen ziehen, sind nur Spuren zu bemerken. Die beiden einander zugewandten Seiten dieses Lymphraumes werden von einem flachen Epithel bedeckt, welches durch die Ver- silberungsmethode darstellbar ist. Die Auskleidung des Spaltraumes mit diesem so charakteristischen Epithel beweist auf das bestimmte- ste, dass wir es hier mit einem Lymphraume zu thun haben. Bei Cyprinoiden lässt es sich außerdem ohne Schwierigkeiten nachweisen, dass derselbe mit unzweifelhaften Lymphräumen in di- rekter Kommunikation steht, nämlich mit den Sacci paravertebrales. Diese Sacci paravertebrales sind bekanntlich Lymphräume, die late- ral von den ersten Wirbeln gelegen sind und die den WEBER’schen Gehörknöchelapparat enthalten. Die Kommunikation findet statt durch die beiden großen, seitlich von dem Foramen oceipitale mag- num gelegenen Öffnungen in den Oceipitalia lateralia, die für das Cranium der Cyprinoiden so charakteristisch sind, und zwar dicht über dem Occipitalnerven (Hypoglossus), welcher an der unteren Pe- ripherie dieser Öffnung aus der Schädelhöhle heraustritt !. Wie ich schon erwähnt habe, wird dieser pericerebrale Lymph-. raum an verschiedenen Stellen unterbrochen. Die schon erwähnten Durchbrechungen desselben durch die vom Gehirn entspringenden Nerven sollen nicht weiter beschrieben werden, dagegen halte ich es nicht für überflüssig auf einige andere Stellen aufmerksam zu machen, an welchen er unterbrochen wird. Es findet das in bedeutenderem Maße namentlich an einer Stelle der Gehirnoberfläche statt, nämlich dort, wo die sog. Valvula cere- belli sich unter das Tectum opticum schiebt und weiter nach vorn, längs der dorsalen Mittellinie des Mittelhirns. An dieser Stelle tre- ten starke Gefäße von oben her zum Gehirn (Fig. 2). Eine weitere Durehbrechung findet durch die Epiphyse statt, deren letzter Rest in einem losen, von der Gefäßhaut des Gehirns gebildeten Sacke sich in der Substanz der äußeren Gehirnhaut nach vorn und oben erstreckt und an der unteren Fläche der Schädeldecke befestigt. ! Es ist in Folge dieses Umstandes bei Cyprinoiden sehr leicht Farbstoffe vom Saccus paravertebralis aus in den Subduralraum zu injiciren. Große Re- sultate habe ich mit dieser Methode nicht erzielen können, und nur solche Verhältnisse gesehen, die auch ohne Injektion leicht zu konstatiren waren. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 463 Wir schreiten nunmehr zur Untersuchung der bei den meisten Fischen sehr mächtig entwickelten äußeren Hirnhaut. Dieselbe stellt eine voluminöse Gewebsmasse vor, die den Raum zwischen dem von der Gefäßhaut umgebenen Gehirn und dem Cranium vollständig ausfüllt (Fig. 1 und 2). Dem entsprechend ist sie oben und lateral, also an den Stellen, wo das Gehirn von der Schädelwand weit absteht, sehr voluminös entwickelt, während sie an der Basis, wo das Gehirn dem Schädel aufliegt, verhältnismäßig dünn erscheint. Ihre äußere Fläche würde, wenn man die Knochen des Cranium mit vollständiger Schonung dieser Gehirnhaut entfernen könnte einen genauen Abguss der Schä- delhöhle vorstellen, der nur dort, wo die Labyrinthe liegen, ein- gebuchtet erscheinen würde. Die innere Fläche derselben schließt sich wiederum dem Gehirn eng an und giebt, indem sie sich auch zwischen die Hirnlappen einsenkt, einen ziemlich genauen Abguss des Gehirns wieder (Fig. 1). Die meisten Hirnnerven verlaufen eine kleine Strecke weit in diesem Gewebe und auch die Wurzelganglien des Trigeminus liegen in demselben eingeschlossen. An der frisch eröffneten Schädelhöhle von Barbus, an welchem ich die meisten Untersuchungen ausführte, überzeugt man sich, dass die Hauptmasse dieser Hirnhaut aus großen runden, mit dem bloßen Auge sehr deutlich sichtbaren Fettzellen besteht, zwischen welchen sehr zahlreiche, zum Theil von großen Pigmentzellen begleitete Ge- fäße verlaufen. Auch Nerven enthält sie in nicht geringer Zahl. Jede einzelne Fettzelle besitzt eine außerordentlich zarte Wan- dung, die sehr leicht platzt, so dass der bei gewöhnlicher Tempe- ratur flüssige Inhalt der Zellen zu großen Tropfen zusammenfließt. Auch die Zwischensubstanz, welche die einzelnen Zellen zusammen- hält, ist sehr weich und zerfließlich. Wenn man ein kleines Stück- chen dieses Gewebes unter Wasser hin und her bewegt, so löst sich die Zwischensubstanz und fallen die Fettzellen aus einander. In fri- schem Zustande ist unter diesen Umständen eine Untersuchung des Gewebes nicht ausführbar. Das Einzige, was man noch konsta- tiren kann, ist, dass die Zwischensubstanz, welche die Zellen zusammenhält, homogen und etwas körnig ist, auch einzelne Kerne enthält, aber jede Spur von Bindegewebsfasern vermissen lässt. An gehärteten, gefärbten und entfetteten! Stücken dieses Ge- ! Das beste Resultat erzielte ich durch Härtung in Chromsäure oder Al- 454 M. Sagemehl webes überzeugt man sich leicht, dass die Fetttropfen von dünnen homogenen Membranen eingeschlossen sind, welche große, wand- ständige Kerne erkennen lassen (Fig. 4), die von einem kleinen Hof von leicht granulirtem Protoplasma umgeben sind. Es sind also Zellen, die vollständig den bekannten Fettzellen der höheren Wirbelthiere gleichen. Die Zwischensubstanz erweist sich auch nach Anwendung von Reagentien als vollständig homogen und lässt nur einzelne Kerne erkennen, die namentlich in den Winkeln, wo mehrere Fettzellen zusammenkommen, liegen. Wenn wir einen Versuch machen dieses eigenthümliche Gewebe in eine der bekannten von den Histiologen unterschiedenen Katego- rien zu stellen, so ist es höchst wahrscheinlich, dass wir es hier mit einem Schleimgewebe zu thun haben, dessen Zellen zum größ- ten Theil mit Fett erfüllt sind, während ein kleiner Rest derselben mit der Intercellularsubstanz die zerfließliche Bindemasse zwischen den Fettzellen abgiebt. Es ist somit ein Gewebe, welches zum Schleimgewebe in demselben Verhältnis steht, wie das Fettgewebe der höheren Wirbelthiere zum gewöhnlichen Bindegewebe. In dieser Masse von fettführendem Schleimgewebe verlaufen zahlreiche Gefäße und Nerven und zwar sind sie meistens zusam- men associirt. Gefäße und Nerven werden von Scheiden umgeben, die aus einem bindegewebigen Reticulum mit sehr zahlreichen eingelagerten Lymph- zellen bestehen, also aus einem Gewebe, welches den Charakter des ey- togenen (adenoiden) Bindegewebes trägt. An den Theilungsstellen der Gefäße ist dieses cytogene Bindegewebe stärker angehäuft, als im übrigen Verlauf der Gefäße und erinnert in gewissem Maße an die Marpisursschen Körperchen der Milz, die ja auch nichts weiter sind, als größere Anhäufungen von cytogenem Bindegewebe in der Scheide der Gefäße. Diese eigenartige Infiltration des die Gefäße umgeben- den Gewebes mit Lymphzellen, zusammengehalten mit dem Umstande, dass der Gefäßreichthum des intracraniellen Fettgewebes ein ganz ungewöhnlicher ist, lässt die Vermuthung aufkommen, dass wir es hier mit einem Gewebe zu thun haben, welches bei der Blut- resp. Lymphbereitung thätig ist, und die bei Fischen bekanntlich fehlenden Lymphdrüsen in physiologischer Beziehung zum Theil ersetzt. Jeden- falls verdient dieser Punkt einmal genauer untersucht @u werden. kohol, Färbung in toto mit Karmin und vorsichtiger Entfettung durch ganz allmählichen Zusatz von Nelkenöl zum Alkohol. Auf diese Weise wurde Schrum- pfung des Gewebes vermieden. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 465 Die arteriellen Gefäße des intracranialen Fettgewebes entstam- men der Carotis; die Venen desselben sammeln sich zu einem gemein- samen Stamm, welcher zusammen mit dem Nervus facialis, als Vena jugularis, aus der Schädelhöhle tritt. Die Nerven dieses Gewebes ent- stammen dem zweiten und dritten Trigeminusaste und dem Vagus. Hinsichtlich ihrer Stärke verhalten sie sich bei verschiedenen Fischen sehr verschieden !. Die beiden Grenzschichten dieses Fettgewebes zeichnen sich durch viel dichteres Gefüge vor der übrigen Masse desselben aus. Die äußere Grenzlamelle dieser äußeren Gehirnhaut liegt — mit Ausnahme der vom Labyrinth eingenommenen Nische — den Skelettheilen der Schädel- höhle, an denen sie fest haftet, überall an und muss als das innere Pe- riost resp. Perichondrium derselben angesehen werden. Man kann sie wiederum in zwei histiologisch von einander unterschiedene Lagen tren- nen. Die innere Lage der äußeren Grenzlamelle des intracranialen Fett- gewebes besteht aus sehr feinen Bindegewebsfibrillen, die unregel- mäßig durch einander geflochten sind, und enthält zahlreiche Gefäße. Nach innen steht sie mit dem Fettgewebe in kontinuirlichem Zusam- menhang. Die äußere Lage der äußeren Grenzlamelle muss als die Osteoblastenschicht der Schädelknochen angesehen werden. Sie wird von großen, flachen, unregelmäßig konturirten, mosaikartig angeordne- ten Zellen gebildet, die ohne Zwischensubstanz an einander grenzen (Fig. 3). Das Protoplasma dieser Zellen zeichnet sich durch eine sehr grobe Körnelung aus, durch welche die Kerne derselben ver- deckt werden. Da diese Zellen, wie man sich bei Anwendung von schwachen Vergrößerungen überzeugen kann, eine intensive bräunliche Färbung besitzen, so wird man wohl kaum fehl gehen, wenn man diese charakteristische Körnelung des Protoplasma auf Pigmentmole- küle bezieht. Zwischen diesen Osteoblastenzellen liegen zahlreiche echte Pigmentzellen, die sich durch ihre intensive schwarzbraune Farbe und ihre Größe, welche diejenige der Osteoblasten um das vier- bis achtfache übertrifft, auszeichnen. Im Ganzen besitzt diese äußere Grenzschicht genau denselben histiologischen Bau, wie das Periost an der Außenfläche der Schädelknochen bei vielen Fischen. Die innere Grenzlamelle der äußeren Hirnhaut grenzt an den schon beschriebenen pericerebralen Lymphraum und besteht nur aus etwas dichterem, durch verfilzte Fasern gebildetem Bindegewebe. 1 Cf. Srannius, Das peripherische Nervensystem der Fische. Rostock 1849. pag. 47 und pag. 84. 466 M. Sagemehl Ihre dem Lymphraum zugewandte Fläche wird von einem durch die Versilberungsmethode darstellbaren Plattenepithel bedeckt. So liegen die Verhältnisse der Hirnhäute bei Barbus so wie bei Perca, die ich vorzugsweise untersucht habe. Die bedeutendsten Verschiedenheiten im Aufbau der Gehirnhäute der Fische werden durch den Umstand bedingt, dass das schon be- schriebene Fettgewebe bei vielen Fischen durch eine andere Gewebs- form repräsentirt wird, nämlich durch typisches Schleimgewebe, das von zahlreichen Wanderzellen durchsetzt ist. Statt eine Beschrei- bung desselben zu geben, die doch nichts Neues zu Tage fördern würde, verweise ich lieber auf die Fig. 5, welche diese Art des Gewebes aus der Schädelhöhle von Lota vulgaris wiedergiebt. Wenn wir die Reihe der Fische durchmustern, so finden wir nach meinen Erfahrungen reines Schleimgewebe zum Aufbau der äußeren Hirnhaut verwendet bei allen Selachiern mit Einschluss der Holocephalen, bei den Knorpelganoiden, bei den Dipnoern und bei einigen Teleostierfamilien, die auf Grund der Verhältnisse ihres Cra- nium als sehr niedrig stehende Familien betrachtet werden müssen, z. B. bei den Siluroiden, bei den Gadiden, beim Hecht ete. Bei allen Knochenganoiden und bei der größten Mehrzahl der Knochen- fische wird dieses Schleimgewebe durch Fettgewebe ersetzt. Da nun nach der Art der Verbreitung dieser beiden Gewebsformen in der Reihe der Fische kein Zweifel bestehen kann, dass die Formen, deren äußere Hirnhaut aus Schleimgewebe besteht, die primitiveren sind, von denen sich die anderen ableiten lassen, so wird der von mir durch die histiologische Untersuchung des intra- eranialen Fettgewebes der Cyprinoiden gewonnene Schluss, dass dieses Gewebe als ein höher differenzirtes Schleimgewebe aufzufas- sen sei, durch die Vergleichung mit niedriger organisirten Formen vollständig bestätigt !. Es kommen bei Fischen noch andere Modifikationen im Aufbau der Gehirnhäute vor, z. B. in der Familie der Mormyriden, deren voluminöses Gehirn die Schädelhöhle fast vollständig ausfüllt, eben so wie bei allen sehr jungen Teleostiern, und deren äußere Gehirn- haut in Folge dieses Umstandes zu einer dünnen Bindegewebslamelle ! Es ist bemerkenswerth, dass bei Fischen das orbitale Gewebe in seinem histiologischen Charakter mit dem interduralen Gewebe vollständig überein- stimmt. Wo das letztere als Fettgewebe auftritt, hat auch das orbitale Gewebe diesen Charakter, während es die Beschaffenheit von Schleimgewebe besitzt, wo das interdurale Gewebe aus letzterem besteht. Beitriige zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 467 komprimirt erscheint. Naher auf diese Verhältnisse einzugehen, liegt außerhalb des Planes dieser Arbeit. Das sind die thatsächlichen Verhältnisse der Gehirnhäute der Fische und es fragt sich nun, welche Deutung denselben gegeben werden muss. Nach den früheren, ausführlichen Erörterungen hängt die Deu- tung der beiden bei Fischen unterscheidbaren Gehirnhäute vollstän- dig von der Deutung ab, die wir dem einzigen bei denselben vor- handenen pericerebralen Lymphraume geben. Nach meiner Ansicht entspricht dieser pericerebrale Lymphraum der Fische vollständig dem Subduralraume der höheren Wirbelthiere, und müssen wir daher folge- richtig die nach außen von demselben gelegene volu- minöse Gewebsmasse für einHomologonderDura mater erklären, während die Gefäßhaut des Gehirnes den bei Fischen in Folge des Mangels eines Subarachnoideal- raumes anatomisch nach nicht unterscheidbaren Pia und Arachnoides entspricht. Es sind zwei Gründe, die mich zu dieser Deutung des pericere- bralen Lymphraumes der Fische bestimmen: 1) derselbe besitzt die anatomischen Charaktere des Subduralraumes der höheren Vertebra- ten. Es ist bei Fischen ein von fast glatten Wänden begrenzter spaltförmiger Lymphraum, der nur an den Durchtrittsstellen der Gehirnnerven unterbrochen erscheint, und an den Stellen, wo große Gefäße von oder zum Gehirn ziehen. Mit dem von zahlreichen Bindegewebsbälkchen und -Zügen durchsetzten Subarachnoidealraume der höheren Vertebraten hat derselbe jedenfalls nicht die mindeste Ähnlichkeit. 2) Der Subduralraum des Menschen entsteht ontoge- netisch bedeutend früher, als der Subarachnoidealraum. Es wäre nun im höchsten Grade unwahrscheinlich, wenn in der phylogeneti- schen Entwicklung dieser Lymphräume das Umgekehrte stattgefunden hätte; wenn die Fische einen Subarachnoidealraum besäßen, und zwar, da es ein von fast glatten Wänden begrenzter Raum ist, auf einer viel höheren Stufe der Differenzirung, als der Mensch, während ein Subduralraum ihnen vollständig abginge. Statt weitere Argumente für die von mir vertretene Ansicht an- zuführen, wollen wir die Thatsache, dass der perieerebrale Lymph- raum der Fische dem Subduralraum der höheren Vertebraten ent- spricht, als feststehend annehmen und prüfen, wie sich unter dieser Voraussetzung die bei höheren Wirbelthieren bestehenden Verhält- 468 M. Sagemehl nisse der Hirnhiiute von den bei Fischen beschriebenen ableiten lassen. Der bedeutendste Unterschied zwischen den Hirnhiiuten der Fische und denjenigen der höheren Wirbelthiere wird durch den Umstand bedingt, dass bei den letzteren das Gehirn die Schädelhöhle voll- ständig ausfüllt. Wenn wir uns nun vorstellen, dass das Gehirn eines Fisches {als Beispiel sei der von mir genauer untersuchte Barbus vulgaris gewählt) an Volum so weit zunähme, als es nicht durch die starren Wandungen der Schädelkapsel gehindert ist, so würde nothwendiger- weise die mächtige Gewebsmasse, welche die äußere Gehirnhaut bildet, einem allmählichen Druckschwunde unterliegen, bis schließ- lich die Grenzlamellen derselben, nachdem das ganze zwischen ihnen liegende Fettgewebe atrophirt ist, mit einander in Berührung kämen. Nur an den Stellen, wo die Gefäße des intracranialen Gewebes, na- mentlich die bei Fischen mächtig entwickelten Venen desselben, sich erhalten, wird eine anatomische Unterscheidung der beiden ursprüng- lichen Lamellen der äußeren Hirnhaut möglich sein, und wird man ein periostales, die Gefäßwand nach außen begrenzendes Blatt, von einem inneren, gegen den pericerebralen Raum gewendeten, unter- scheiden können. Mit einem Worte, es wird ein Verhalten resultiren, wie es für die Dura mater der höheren Wirbelthiere, speciell. des Menschen, charakteristisch ist. Dabei werden die Venen, wie GEGEN- BAUR hervorgehoben hat!, der Raumersparnis wegen sich vorwiegend an den oberflächlichen Grenzen der einzelnen Hirnabtheilungen er- halten, also an den Stellen, wo sonst zwischen den Gehirntheilen und der Schädelkapsel Lücken hätten entstehen müssen. Auch die im intracranialen Fettgewebe sich verzweigenden Schädelhöhlenäste des Nervus trigeminus und vagus werden zwischen die beiden Grenzlamellen der äußeren Hirnhaut gelangen müssen und in der Substanz der letzteren verlaufen, also sich genau so ver- halten, wie die in der Dura mater des Menschen verlaufenden, von Arnxorun entdeckten, Rami recurrentes trigemini und wie der schwache Ramus recurrens vagi, welche den Schädelhöhlenästen der Fische ganz zweifellos homolog sind. Dasselbe wird mit dem Ganglion trigemini geschehen, das ebenfalls zwischen das äußere und innere Durablatt gerathen wird, in das sog. Cavum Meckelii des Menschen. ! C. GEGENBAUR, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Leipzig 1883. pag. 713. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 469 Der distale Theil der Epiphyse der Fische, welcher, wie ich oben beschrieben habe, im intercranialen Fettgewebe steckt, wird ebenfalls zwischen die beiden Blätter der äußeren Hirnhaut zu liegen kommen und mit der letzteren verwachsen sein. Beim Menschen ist dieses letztere nicht der Fall, eben so wenig, — so weit mir bekannt ist, — bei anderen Säugethieren. Dagegen ist die Verbin- dung des distalen Theils der Epiphyse mit der Dura mater in den Klassen der Amphibien, Reptilien und Vögel eine ganz gewöhnliche Erscheinung und gestattet den Schluss, dass sie ursprünglich auch bei Säugern bestanden hat und erst nachträglich aufgegeben worden ist. Vielleicht ist das ursächliche Moment für diese letztere Erschei- nung in der mächtigen Entfaltung der Hemisphären und in der Aus- bildung des Balkens in der Klasse der Säuger zu suchen, durch welche das Zwischen- und Mittelhirn überlagert und die an der Grenze zwischen diesen beiden Gehirnabtheilungen sitzende Epiphyse in Folge dessen von der Dura mater abgedrängt wird. Wenn wir uns ferner vorstellen, dass die Vergrößerung des Gehirns von den Fischen an aufwärts, weniger durch gleichmäßige Volumzunahme desselben, als durch einseitiges stärkeres Wachsthum der einzelnen Hirnlappen bewirkt wird, — wie das ja auch in der That der Fall ist, — so müssen die stumpfen leistenartigen Fortsätze des intracranialen Fettgewebes der Fische, die bei denselben zwischen die einzelnen Lappen des Gehirns ein wenig eindringen, und an den Stellen häufig noch durch Gefäße angeheftet sind, zu Lamellen kompri- mirt werden, welche sich von der äußeren Gehirnhaut aus zwischen die Abtheilungen des Gehirns einsenken. Auch in diesem Punkte werden Verhältnisse resultiren, wie sie an der Dura mater der hö- heren Wirbelthiere bestehen. Nach dem eben Erörterten kann, wie ich glaube, nicht der mindeste Zweifel mehr bestehen, dass die äußere, so voluminöse Gehirnhaut der Fische, der Dura mater der höheren Wirbelthiere homolog ist, und nicht, wie man bis jetzt ganz allgemein angenommen hat, der Arachnoides. Die auf den ersten Blick so bedeutenden Differenzen in der Struktur der Dura mater der Fische und der höheren Vertebraten finden ihre vollständig genügende Erklärung in der verschiedenen Volumentfaltung des Gehirns, das bei den ersteren die Schädelhöhle vollständig ausfüllt, während dieses bei Fischen nicht der Fall ist. Die großen Verschiedenheiten, die in der Bildung der Dura beim 470 M. Sagemehl Menschen und bei den Fischen bestehen, verwischen sich fast voll- ständig, wenn wir statt der Dura mater des Gehirns diejenige des Rückenmarks in Betracht ziehen. Bei Fischen habe ich am genauesten die Verhältnisse der Rückenmarkshäute an großen Exemplaren (circa 1!/,—-2 m) des Welses untersuchen können. Der knöcherne Wirbelkanal wird von einer sehr derben fibrösen Membran ausgekleidet, die das Periost desselben repräsentirt und die dem Knochen überall fest anhaftet. In dem von dieser Membran umschlossenen Kanale liegt locker ein zweites, von einer etwas diinneren, pigmentirten Membran gebildetes Rohr. Der Zwischenraum zwischen dem Periost des Wirbelkanals und diesem inneren membranösen Rohr wird von Gallertgewebe ein- genommen, welches sich als direkte Fortsetzung des interduralen, beim Welse, wie schon erwähnt ist, gallertartigen Gewebes des Cavum cranii erweist. Im Rückenmarkkanal ist dieses interdurale Gewebe be- sonders an der oberen Peripherie desselben und an den Seiten stär- ker entwickelt, und enthält zahlreiche Gefäße. Es kann nach dem eben Gesagten nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass das Gallertgewebe zusammen mit seinen beiden solidifieirten Grenzlamellen, als Dura mater aufzufassen ist. Nach innen von der inneren Grenzlamelle dieser Dura liegt ein perime- dullarer Lymphraum, der das ganze Rückenmark mit Ausnahme der Stellen, an welchen die Wurzeln der Spinalnerven durchtreten, um- giebt. In diesem Raume schließlich ist das von einer zarten Gefäß- haut umgebene Rückenmark eingeschlossen. Ganz ähnlich verhalten sich die Rückenmarkshäute bei Cyprinoiden, und wahrscheinlich auch bei allen anderen Fischen. Die Dura mater des Rückenmarks besitzt somit bei Fischen genau denselben Bau, wie die entsprechende Haut des Gehirns, und, was sehr bemerkenswerth ist, auch denselben Bau wie die Dura mater des Rückenmarks bei den höheren Wirbelthieren mit Einschluss des Menschen. Bei den letzteren besteht dieselbe bekanntlich ebenfalls aus zwei Blättern, deren äußeres das Periost des Wirbelkanals vorstellt, und zwischen welchen mächtige Venengeflechte, die in einem Fettgewebe eingebettet sind, liegen. Die medullare Dura mater des Menschen und der höheren Wirbelthiere hat nach dem eben Erörterten Organisationsverhiltnisse bewahrt, die bei niederen Wirbelthieren der Dura im Bereich des ganzen Cen- Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 471 tralnervensystems zukamen, und die gegenüber den beim Menschen an der cerebralen Dura zu beobachten- den Zuständen, als die indifferenteren zu gelten haben. Und zwar haben sich diese indifferenten Organisationsverhältnisse an der Dura mater des Rückenmarks beim Menschen erhalten kön- nen, weil an diesem Theil des Centralnervensystems das Moment, welches zur Umbildung der cerebralen Dura geführt hat — die Volumentfaltung des Gehirns —, nicht in gleicher Weise thätig war. Nachdem nun der Nachweis erbracht ist, dass die äußere volu- minöse Gehirnhaut der Fische die Dura mater derselben ist, und der unter derselben gelegene Lymphraum den Subduralraum vor- stellt, folgt mit unabweisbarer Nothwendigkeit, dass die das Gehirn umkleidende einfache Gefäßhaut der Fische Elemente enthält, aus welchen sich bei höheren Wirbelthieren Pia und Arachnoides her- ausdifferenzirt haben. Sie darf daher auch nicht, wie es bis jetzt stets geschehen ist, als die Pia mater der Fische bezeichnet werden, und schlage ich vor, sie die primäre Gefäßhaut des Centralnervensystems zu nennen. Eine Differenzirung dieser primären Gefäßhaut in Pia und Arachnoides ist in der Reihe der Fische noch nicht eingetreten, wenn- gleich sich die ersten Anfänge schon beobachten lassen. Wie ich oben beschrieben habe, theilt sich die Pia an den Stellen, wo tiefe Einsehnitte zwischen einzelnen Hirntheilen vorkommen, in zwei La- mellen, von denen nur die tiefere dem Gehirn fest anhaftet; die oberflächliche Lamelle spannt sich über den Einschnitt hinüber. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieses Verhalten bei höheren Wirbelthieren weiter fortgeschritten ist und zur Differenzirung der Pia und Arachnoides geführt hat. Die Ursache für die Spaltung dieser primären Gefäßhaut in Pia und Arachnoides in der Reihe der höheren Wirbelthiere kann, wie ich glaube, in der weiteren Differenzirung des Gehirns, namentlich in der mächtigen Ausbildung der grauen Rindensubstanz, gesucht werden. Mit der Ausbildung dieser grauen Rindensubstanz geht eine außer- ordentliche Vascularisation der Pia mater Hand in Hand, und mit der stärkeren Entwicklung der Blutgefäße entwickeln sich auch die Lymphräume in entsprechender Weise; indem nun diese Lymph- räume zum Theil konfluiren, entstehen die Subarachnoidealspalten, durch welche eine theilweise Trennung der primären Gefäßhaut in zwei Lamellen, die Arachnoides und die Pia, bewirkt wird'. 1 In Widerspruch mit der eben angeführten Anschauung steht der Um- 472 M. Sagemehl Dieselbe Erscheinung, die wir in der Lagebeziehung der Venen- sinus der Dura mater beobachten, tritt in gewissem Grade auch bei der Ausbildung der subarachnoidealen Lymphräume zu Tage. Auch hier sind es die Einschnitte zwischen den einzelnen Hirnlappen und die Furchen an den Hemisphären des Großhirns und am Cerebellum, so wie ganz besonders die Basis des Gehirns mit ihrem komplicirten Relief, wo sich die Subarachnoidealräume am mächtigsten entfalten, und wo die deutlichste Trennung der primären Gefäßhaut in Pia und Arachnoides beobachtet wird. Es kann keinem Zweifel unter- liegen, dass das Prineip der möglichst großen Raumersparnis bei diesem Verhalten maßgebend ist. Wie ich noch einmal hervorheben möchte, ist die Trennung von Pia und Arachnoides auch bei den höchstentwickelten Wirbelthieren bei Weitem keine vollständige. Derselbe Process, der zur Bildung des Subduralraumes geführt hat — das Zusammenfließen von erwei- terten Lymphräumen —, ist bei höheren Wirbelthieren noch einmal wirksam und führt zur Bildung der Subarachnoidealräume, doch erreichen die letzteren niemals den Grad der selbständigen Differen- zirung, wie der Subduralraum. Um die Resultate kurz zusammenzufassen, so sind die Gehirn- häute als Produkte der Differenzirung einer ursprünglichen gleich- artigen Bindegewebsschicht aufzufassen, die sich zwischen den Theilen des Centralnervensystems und den dieselben umgebenden Skeletthei- len befand. Die schärfere anatomische Unterscheidbarkeit der einzelnen Ge- hirn- und Rückenmarkshäute beruht auf dem Auftreten von perice- rebralen resp. perimedullaren Lymphräumen, die aus der Vereinigung von erweiterten Lymphspalten hervorgegangen zu denken sind. stand, dass die Subarachnoidealriiume am Rückenmark des Menschen, das doch verhältnismäßig schwach vascularisirt ist, einen weit höheren Grad der Diffe- renzirung erlangen, als an irgend einer Stelle des Gehirns. Doch scheint es mir nicht so ganz unmöglich zu sein, dass der sog. Subarachnoidealraum des Rückenmarks nur einen Theil des Subduralraumes vorstellt, und dass die von Key und Rerzıus beschriebenen Lymphspalten in der medullaren Pia, die mit den cerebralen Subarachnoidealräumen die größte Ähnlichkeit in ihrem Verhal- ten zu den Lymphscheiden der in das Nervengewebe eindringenden Gefäße be- sitzen (Pialtriehter), den cerebralen Subarachnoidealräumen entsprechen. Die äußere nicht vascularisirte Lamelle der medullaren Pia würde in diegem Falle der ebenfalls gefäßlosen cerebralen Arachnoides entsprechen. Jedenfalls ver- dienen diese Verhältnisse noch einer gründlichen Untersuchung unterzogen zu werden. Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. II. 473 Der sowohl phylogenetisch, als auch in der Ontogenie der hö- heren Vertebraten zuerst auftretende Lymphraum ist der Subdural- raum, welcher eine der Dura mater entsprechende Gewebsmasse von einer primären Gefäßhaut des Centralnervensystems trennt. Die Dura mater des ganzen Centralnervensystems besteht bei niederen Wirbelthieren aus zwei Grenzlamellen, zwischen denen ein stark vascularisirtes Schleimgewebe, das häufig den Charakter von Fettgewebe annimmt, liegt; die äußere Grenzlamelle der Dura ist nichts Anderes als das Periost der das Centralnervensystem umschlie- ßenden Skelettheile, während die innere Grenzlamelle an den Sub- duralraum grenzt. Dieser Zustand der Dura mater erhält sich bei höheren Verte- braten nur an dem medullaren Theil derselben. Am cerebralen Theil der Dura mater schwindet das zwischen den beiden Grenz- lamellen derselben enthaltene lockere Gewebe und tritt schließlich eine Verwachsung der beiden Lamellen zu einer Membran ein, welche die äußere Gehirnhülle und das Periost der Schädelhöhle zu gleicher Zeit vorstellt. Das ursächliche Moment für dieses Ver- halten der Dura mater bei den höheren Wirbelthieren ist in der Volumzunahme des Gehirns bei denselben, und in der schließlichen Ausfüllung der Schädelhöhle durch das letztere zu suchen. In der primären Gefäßhaut des Centralnervensystems der Fische entwickeln sich bei höheren Wirbelthieren ebenfalls Lymphspalten, die theilweise konfluiren und zur Bildung der Subarachnoidealräume führen, durch deren Ausbildung eine Scheidung der primären Ge- fäßhaut der Fische in eine Pia und Arachnoides zwar eingeleitet, jedoch selbst bei den am höchsten differenzirten Repräsentanten der Wirbelthiere nicht vollständig durchgeführt wird. Das ursächliche Moment für die Entstehung der Subarachnoidealräume ist aller Wahr- scheinlichkeit nach in der mächtigen Entfaltung der grauen Rinden- substanz des Gehirns und in der damit Hand in Hand gehenden Ausbildung der Blut- und Lymphgefäße des letzteren zu suchen. Hiermit schließe ich die vorliegende kleine Arbeit, in der Hoff- nung durch dieselbe eine Anregung zur genaueren Durchforschung der bis jetzt in vergleichend anatomischer Hinsicht so gut wie gar nicht untersuchten Gehirnhüllen der Wirbelthiere zu geben. So eng begrenzt auch dieses Gebiet ist, so liefert es doch, wie ich gezeigt zu haben glaube, manches Interessante und vor Allem — was beson- Morpholog. Jahrbuch. 9. 31 474 M. Sagemehl, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Fische. I. ders wichtig ist —, Manches, das ein Licht auf die beim Menschen bestehenden Verhältnisse wirft, und zu einer wissenschaftlichen Auf- fassung der Anatomie des Menschen beitragen kann. Heidelberg, den 3. März 1884. Erklärung der Abbildungen. nn Tafel XXIII. Fig.1. Längsdurchschnitt durch den Schädel von Barbus vulgaris. Das Ge- hirn mit seiner Gefäßhaut ist weggeräumt, so dass das durale Gewebe zu Tage liegt. Der äußere stärkere Kontur (Pl) entspricht der äuße- ren periostalen Duralamelle; die innere Begrenzungsschicht der Dura ist ebenfalls stärker konturirt. Man sieht den Abdruck des Gehirns sehr deutlich. K Knochen des Schädels, Ep Epiphysissack, Mk Augenmuskelkanal, Pi periostale Lamelle der Dura, Cs Cavum sinus imparis, I]! innere Lamelle der Dura. DG durales Fettgewebe, Fig. 2. Schematischer Querschnitt durch den Schädel eines Fisches, mit Zu- grundelegung eines durch die Region des Mittelhirns gemachten Quer- schnitts durch den Kopf eines Barsches. ‘Sd Subduralraum, Pr primäre Gefäßhaut des Gehirns (aus Strichen bestehende Linie), C Gehirn, N austretender Nerv, LI Lobi inferiores des Gehirns. Die übrigen Bezeichnungen wie in der vorigen Figur. Die pe- riostale Schicht der Dura ist durch eine punktirte, die innere Schicht derselben durch eine ausgezogene Linie angedeutet. act Fig. 3. Stückchen der periostalen Duralamelle von der Oberfläche betrachtet. Vom Schädeldach von Barbus vulgaris. Das Präparat ist nicht tingirt. P Pigmentzellen, Ost Osteoblastenschicht. Fig. 4. Gruppe von Fettzellen aus dem duralen Fettgewebe von Barbus. Das Präparat ist entfettet und mit Karmin gefärbt. F Fettzellen, Kf Kerne derselben, Ie homogene Intercellularsubstanz mit Kernen. Interdurales Schleimgewebe aus der Schädelhöhle von Lota vulgaris. V Gefäße mit Blutkörperchen, N feine varicöse Nervenfaser, Mz Zellen des Schleimgewebes, Wz Wanderzellen. = is je} or ’ | 7 “ ie h. be + P 4: j L it 4 | i : . F E ‘ ry i € ” P 5 ® \ . A = 7 = f 5 “ cf ' 7 . 7 Leth sets 136 Seen, Lanpaig, a 2 2 = Über die Muskeln und Faseien der Dammgegend beim Weibe. Von Dr. P. Lesshaft in St. Petersburg. Mit Tafel XXIV und 3 Holzschnitten. Die Perinealmuskeln und Fascien beim Manne habe ich schon im Jahre 1873 im Archiv für Anatomie! besprochen, seitdem bear- beitete ich diese Region vorzüglich beim Weibe; die von mir in dieser Zeit gewonnenen Resultate beabsichtige ich im Folgenden mit- zutheilen. Zuvor möchte ich aber die Arbeiten und Meinungen be- sprechen, die über die Perinealregion seit meinem letzten Aufsatz erschienen sind, und die scheinbaren Widersprüche zu erklären suchen. j Die Muskeln und Fascien der Perinealregion beim Weibe sind bis jetzt noch weniger speciell behandelt worden, als beim Manne, meistens wird nur bemerkt, dass beim Weib sich die betreffenden Theile analog verhielten. Eine genaue Bearbeitung der Muskeln des Beckenausganges gab H. LuscHk4A?; außerdem finden sich Angaben über einige von ihnen bei Bourcery?, J. F. JarRJaAvAY?, KOBELT® 1 Archiv f. Anat. u. Physiol. etc. Jahrgang 1873. pag. 17. 2 Die Muskulatur am Boden des weiblichen Beckens in 4 Tafeln. Wien 1861. 3 Anatomie descriptive T. II. Appareil de relation. Paris 1852. pag. 61 bis 65. Tab. 103—106. 4 Traité d’Anatomie chirurgicale. Paris 1854. T. II. pag. 517—610. 5 Die männl. u. weibl. Wollustorgane. Freiburg im Breisgau 1814. pag. 37 bis 61. 31* 476 P. Lesshaft und in den bezüglichen Abschnitten verschiedener Handbücher. Von den Fascien ist besonders das Verhältnis der. Beckenfascie zu den eigentlichen Perinealfascien sehr wenig aufgeklärt, während dieses Verhältnis von großer praktischer Wichtigkeit ist wegen der hier vorkommenden pathologischen Processe. — In diesem Aufsatze will ich meine Untersuchungen besonders über die Muskeln mittheilen, welche beim Weibe die Urethra und das untere Ende der Vagina umgeben, und über diejenigen, welche die für die Wirkung dieser Muskeln erforderlichen Stützpunkte erzeugen. Weiter werde ich über den M. levator ani auct. handeln, und nachzuweisen suchen, dass die äußere Schicht dieses Muskels durchaus nur als Schließ- muskel angesehen werden kann, während die nach innen von die- ser Schicht liegenden Bündel wirkliche Hebemuskeln auch beim Weibe sind; hier werde ich auch das Verhältnis dieser Bündel zur Scheide angeben. Einiger Variationen des M. bulbo-cavernosus, die zur Aufstellung neuer Muskeln oder zu Verwechslungen Anlass gege- ben haben, werde ich hier auch gedenken. Endlich werde ich die Perineal- und Beckenfascien beim Weibe beschreiben und genauer das gegenseitige Verhältnis dieser Fascien angeben. — Die ge- wonnenen Resultate stützen sich auf frühere Untersuchungen und auf neuere von 70 weiblichen Perinealgegenden und 22 ausgeschnit- tenen weiblichen Geschlechtsorganen; im Ganzen habe ich bis jetzt möglichst genau 365 männliche und weibliche Perinealgegenden in situ und 102 ausgeschnittene Geschlechtsorgane von beiden Geschlech- tern untersucht. Außerdem habe ich noch diese Gegend bei einer Reihe von Thieren untersucht, namentlich bei: Cercopithecus, Ha- pale, Ursus, Canis fam. 5, Canis lupus, Canis vulpes 2, Canis lagopus, Felis domestica 3, Lynx 1, Lepus caniculus 3, Equus 2'. Bevor ich die Beschreibung der einzelnen Muskeln beginne, muss ich einige Arbeiten besprechen, die, besonders in der letzten Zeit, die Muskeln, welche die Harnröhre umgeben, behandeln. Mei- stens wird die Frage aufgestellt, ob die Musculi Wilsoni und Gu- thriei existiren oder nicht? Über die hier einschlagende Litteratur habe ich schon früher mich geäußert; speciell über die Muskulatur der Harnröhe beim Weibe handelt Luscuxa, in der letzten Zeit MorEL?, außerdem sind über diese Muskulatur Arbeiten von Ca- ! Die bei diesen Thieren gefundenen Ergebnisse sind in einem besonderen Aufsatze, in russischer Sprache, beschrieben. 2 Lyon medical. T. XXIV. Lyon 1877. pag. 135—136. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 477 piar! und Paver? erschienen und ist dieser Gegenstand weiter besprochen in der Auflage von HexLe’s? Anatomie. Die Frage über die Existenz der Mm. Wilsoni und Guthriei wird von LuSCHKA, CADIAT, PAULET und HENLE negativ beantwortet. Vom Wirson’schen Muskel beim Manne sagt LuscHkA , dass er »in der ihm von seinem Entdecker und dessen unbedingten Anhängern zugeschrie- benen Beschaffenheit überhaupt gar nicht existire, sondern ein Artefact darstelle, hervorgegangen aus einer willkürlichen Präparation, welche drei ganz disparate Gebilde betroffen hat, nämlich den Ursprung des sogenannten M. pubo-vesicalis, d. h. eines neben der hinteren Seite des Schoßgelenkes sehnig entspringenden Bündels der Längsfaserschicht der Blase; zweitens des von mir als Pars urethralis des Afterhebers beschriebenen Muskelgebildes; drittens des Stratum transversale ure- thrae inferius des Constrictors der Harnröhre«. »Beim weiblichen Geschlechte,« sagt er weiter, »findet sich nun aber auch nicht ein- mal eine solche Anordnung muskulärer Bestandtheile, welche durch irgend eine Präparation zur Herstellung eines M. Wilsoni Veranlas- sung geben könnte. Es besteht da nämlich weder eine Pars ure- thralis des Afterhebers, noch auch eine untere horizontale Muskel- schicht der Harnröhre.«e — LuscuKa hat bei seiner Bearbeitung der Perinealmuskeln die Lagerung der Fascien nicht beachtet, welche diese Muskeln scheiden, während Witson auf diese Verhältnisse hinweist. Der Wırson’sche Muskel ist als ein aus sagittalen (von vorn-oben nach hinten-unten gehenden) Biindeln bestehender Mus- kel zu verstehen, der zu beiden Seiten der Urethra gelagert ist und sich vor und hinter ihr in das umgebende Gewebe verliert, während der Gururie’sche Muskel aus queren Bündeln besteht, die von. den aufsteigenden Ästen der Sitzbeine beider Seiten beginnen, sich vor und hinter die Harnröhre begeben und sich hier, als ten- dinöse Streifen, in dem umgebenden Gewebe inseriren. Von oben (seitlich) werden diese Muskeln von einem Fortsatze der Fascia pel- vis bedeckt, unter ihnen ist das tiefe Blatt der Perinealaponeurose gelagert, folglich sind diese Muskeln scharf von den sie umgebenden Gebilden geschieden. — Nun aber liegt der M. pubo-vesicalis über ‚..t Journal de l’Anat. et Physiol. Rogın et PoucHer. XIIl. année 1877. Etude sur les muscles du Périnée pag. 39—59. fig. V, VI, VII et VIII. 2 Journal de l’Anat. et Physiol. 1877. Recherches sur l’Anat. comparée du Périnée. pag. 144—180. 3 Handbuch der Eingeweidelehre d. Menschen. 2. Auflage. Braunschweig 1873. pag. 53&—540. pale capar. 18; A78 P. Lesshaft der Fascia pelvis, die Pars urethralis des Afterhebers ist nach außen yom inneren, absteigenden Fortsatze der Fascia pelvis gelagert, und das Stratum transversale urethrae inferius besteht aus Querfasern und nicht aus sagittalen Fasern — folglich hat Luscuxa den M. Wilsoni unrichtig aufgefasst und ihn mit den benachbarten Muskelfasern ver- wechselt. LuscHka’s Angaben über diesen Muskel sind überhaupt nicht genau, er sagt: »seine Angaben und seine Abbildung hat JAMES Witson ausschließlich nur auf das männliche Geschlecht bezogen, und ich finde bei ihm aueh nicht eine Andeutung, durch welche auf die weibliche Harnröhre hingewiesen wiirde«. — Indessen sagt Witson!: »In the female muscles are also found having exactly similar attachements to the pubes as these described in the male, they descend and separate on the urethra, and I have more than once traced them round it. They are situated between the levator ani and sphincter vaginae.« Nach MorEL? soll entweder (Mädchen von 7 Jahren) ein die Harnröhre völlig umgebender Ring existiren, dessen Dicke vorn etwas beträchtlicher ist, als hinten, oder (bei Mädchen von 15 bis 18 Jahren) die äußere Muskelschicht umgiebt bloß die vorderen und seitlichen Partien des Kanals, später (Mädchen von 22 Jahren) habe er sogar die völlige Abwesenheit der äußeren Schicht nachweisen können. Die innere Muskelschicht soll parallel der Achse des Kanals gela- gert sein. Beim Kinde von 7 Jahren bildet diese Schicht einen Halbmond, dessen Konkavität die Vorder- und die Seitenwände der Harnröhre umfasst. Hinter der Harnröhre findet man mit Noth einige sehr dünne Muskelbündel, die breit vom Halbmond geschieden sind. Bei Mädchen von 15 bis 18 Jahren ist diese Schicht etwas stärker entwickelt und zeichnet sich sonst durch nichts Anderes aus. Bei der erwachsenen Frau existirt keine eigentliche kontinuirliche Schicht, weil die Wände der Harnröhre sich in erektiles Gewebe verwandeln. Wie sich die hinteren Schenkel des Halbmondes zu den umgebenden Gebilden verhalten, ist aus der kurzen Mittheilung von Moret nicht ersichtlich, so dass ein Urtheil über seine Funde schwer zu ge- ben ist. CADIAT untersucht an sagittalen und transversalen Schnitten, die beim Neugeborenen vom Schambogen bis zum After geführt wurden, ' Medico-chirurgical transactions. Second edition. Vol. I. London 1812. pag. 179. 2 l..c. pages. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 479 alle hier gelegenen Theile. — Gestützt auf die hierbei gewonnenen Resultate, findet er, dass die als Mm. Wilsoni und Guthriei beschrie- benen Muskeln nicht existiren, sondern, dass alle die Harnröhre umgebenden Muskeln als Constrietores s. Sphincteres urethrae ange- sehen werden müssen. — Diese letzteren bilden eine trichterförmige eirkuläre Schicht, welche die Harnröhre von der Blase bis zum Bul- bus urethrae umgiebt. Nach außen von dieser Schicht giebt es durch- aus keine Muskelfasern, die sich an den Knochen des Beckens oder an den hier vorhandenen Bändern inseriren. In der Umgebung des membranösen Theiles der Harnröhe sind es meistens quergestreifte Muskelfasern. An weiblichen Kinderleichen findet CApIAT diese Muskelschicht eben so gelagert wie bei den männlichen. Bei der Musterung der Abbildungen auf Taf. VI, VII und VIII ist deutlich zu sehen, dass die Muskelfasern des »orbiculaire de l’ur&thre« nach CADIAT sich vor (Taf. VIld) und hinter der Urethra (Taf. VI @) deutlich kreuzen und ins umgebende Bindegewebe verlieren. Auf Taf. VII Fig. 9 sieht man bei d die »raphe sous-urethral« (Septum perineale) sich bis zur Muscularis mucosae der Harnröhre fortsetzen. Die auf Taf. VII Fig. 6 f gezeichnete Muskelschicht scheint dem Musculus transversus urethrae anzugehören. Wenn diese Zeichnun- gen dem Priparate entsprechen, so ist es nicht begreiflich, wie Caprat auf Grund solcher Präparate den Muse. Wilsoni leugnet. PauLeT hat seine Untersuchungen an 11 Thierarten und beim Menschen vorgenommen: den Wırsox’schen Muskel stellt er ganz in Abrede, statt diesen findet er bei den von ihm untersuchten Thie- ren und beim Menschen einen Sphincter urethrae, der die Harnröhre ringförmig von der Blase bis zum Bulbus urethrae umgiebt. In der Mitte der hinteren (oberen!) Fläche der Urethra befindet sich ein sehniger Längsstreifen, an dem die Ringfasern sehnig beginnen. Außer diesem Streifen haben nach PAuLEr die Ringfasern durchaus keinen Befestigungspunkt, weder an der Perinealaponeurose, noch am Becken. Beim Wolf und beim Königstiger fand er nach außen von der eirkulären Schicht willkürliche longitudinale Fasern, die als Fortsetzung der Fasern der Blase erscheinen; beim Tiger waren diese Fasern auf die untere (vordere) Fläche der Harnröhre beschränkt. Diese Fasern befestigen sich an der oberen Aponeurose des M. trans- versus (Aponeurose supérieure du transverse). Beim Menschen fin- ! Beim sagittalen, in der Horizontalebene gelegenen Längsdurchmesser des dei Thieres. 480 P. Lesshaft det er den Sphincter urethrae ganz eben so gelagert, wie bei den Säugethieren, nach außen von der eirkulären. Schicht beschreibt er oberflächliche Longitudinalfasern. Den Musculus transversus perinei profundus identifieirt er mit dem GuTtHrie’schen Muskel, und findet, dass er an beiden Seiten am Ramus ischii-pubicus breit beginnt und sich verschmälernd zur vorderen und hinteren Fläche der Urethra begiebt (besonders vor), wo er endigt. Beim Hunde beschreibt er den M. transversus urethrae. Uber die von PauLer erhaltenen Re- sultate werde ich später, nach der Beschreibung der von mir erhal- tenen Funde berichten. HENLE beschreibt alle Muskeln und Fascien, die in der vorderen Hälfte des Beckenausganges gelagert sind, unter dem Namen eines »Diaphragma urogenitale«. Es besteht aus zwei Aponeurosen, einer oberen und einer unteren, und enthält Lagen gestreifter Muskelfasern, die er als M. transversus perinei profundus zusammenfasst, und das wie beim Manne, so auch beim Weibe. — Die Mächtigkeit des gan- zen Diaphragma beträgt beim Weibe bei kräftiger Muskulatur über 6 mm (l. e. pag. 539). Beim Weibe schließt das Diaphragma uro- genitale zwischen zwei Aponeurosen des M. transversus perinei pro- fundus nebst den Cowrrr’schen Drüsen, Gefäße und Nerven ein. Auf dieses Diaphragma werde ich später zu reden kommen. An dem hier liegenden M. transversus perinei profundus unterscheidet HENLE beim Weibe (l. e. pag. 539) »transversale und sagittale« oder schräge Faserzüge. Die transversalen sind am mächtigsten und am entschiedensten animalisch längs dem vorderen Rande des Muskels, an welchem sie von beiden Seiten vor oder über der Urethra in ein- ander übergehen; auch längs des hinteren Randes bilden sie mit- unter einen stärkeren Strang; die innerhalb des Diaphragma quer zur lateralen Wand der Vagina verlaufenden Bündel sind glatt. Die schrägen Faserzüge des M. transversus perinei profundus mi- schen sich an der unteren Fläche desselben mit den Fasern des M. bulbo-cavernosus, an der oberen Fläche stoßen sie mit den tiefen zum Theil von der oberen Aponeurose entspringenden Portionen des M. levator ani zusammen. Hierbei bemerkt HENLE: »die dicht an der Vagina hinstreichenden Bündel dieser sagittalen Muskelzüge stellen den M. constrictor eunni profundus s. tensor aponeurosis 8. sphincter vaginae Luscnka’s dare. Hier fällt HENLE in denselben Fehler, wie Luscuka, die die Urethra umgebenden Muskeln sind alle vom M. levator ani durch einen Fortsatz der Fascia pelvis ge- schieden, eben so wie beim Manne. Vom letzteren sagt HENLE Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 481 selber (pag. 528): »Die sagittale Schicht ist von LuscuKa als Pars urethralis des Afterhebers beschrieben, vom Levator ani aber, auch nach LuscuKa’s eigener Abbildung, durch das Diaphragma urogenitale getrennt.« Der M. constrictor cunni profundus liegt, wie wir später sehen werden, nach innen vom Bulbus urethrae und reicht nach oben bis zur Höhe der unteren Fläche der Lamina profunda der Aponeurosis ano-perinealis, folglich bis zur unteren Wand des Dia- phragma urogenitale HENLE. LUSCHKA, CADIAT, PAULET und HENLE bestritten die Existenz des Wınson’schen, so wie auch die der von GUTHRIE beschriebenen Muskeln. Auf den Abbildungen von CApıar und HExLE (Fig. 405 und 407) sind transversale vor (über) und hinter (unter) der Urethra gelagerte und sagittale Muskelfasern deutlich zu sehen. Die Abbil- dungen von CADIAT sind weniger schematisch, als die bei HENLE. Auf Taf. VII Fig. 6 f sind die vorderen und auf Taf. VIII Fig. 9 f die hinteren transversalen Fasern, auf der letzten Figur in e die sagittalen Fasern deutlich zu sehen. Alle zusammen bilden den M. transversus perinei profundus nach HENLE. Die Abbildun- gen von Capiat sind nach Präparaten von Neugeborenen dar- gestellt, sie sind, so viel ich gesehen habe, naturgetreu; hätte er horizontale und sagittale Schnitte bei Erwachsenen gemacht, so würde er sich überzeugt haben, dass längs der Urethra nach oben, näher zur Blase nach außen sagittale, nach innen glatte eirkuläre Fasern gelagert sind. Die sagittalen Fasern beginnen vorn im Bindegewebe zwischen dem Venenplexus und endigen hinten am Septum perineale, wie ich das (l. ec. pag. 34 u. 36) beschrieben habe, und wie CapıAaT es auch abbildet. Nach unten, näher zur Pars bul- bosa urethrae sind die vorderen und besonders die hinteren trans- versalen stärker entwickelt, sie reichen lange nicht so hoch nach oben als die transversalen. Bei der Präparation von der Seite, nachdem man die seitliche Knochenwand der Beckenhöhle abgesägt hat, sieht man diese Verhältnisse deutlich, und überzeugt sich noch an Sagittalschnitten, die durch die Mitte der Synchondrosis pubis und die Urethra gehen, dass wirklich nach aufien von der Wand der Harnröhre, die man wegpräparirt, sagittale Muskelfasern existiren, die vorn im Bindegewebe beginnen und hinten endigen. Ich glaube Recht zu haben, wenn ich sage, dass die sagittalen Muskelbündel die von WiLson gemeinten, und die transversalen die von GUTHRIE beschriebenen sind. Nur das Verhältnis der ersteren zur Becken- wand ist von WILSON nicht richtig beschrieben, eben so wie GUTHRIE 489 P. Lesshaft durch seine Präparationsmethode die transversalen Fasern darstellt und dabei die sagittalen Fasern von ihrer vorderen Anheftung ab- trennt. Um sich die Verhältnisse der Muskulatur, die die Harnröhre umgiebt, bildlich vorzustellen, muss man sie mit der Muskulatur des unteren Endes des Mastdarms vergleichen. Dieses Ende wird nach außen von einem Sphineter ani umgeben, der hinten bis zur Spitze des Steißbeins reicht und vorn mit den meisten seiner Fasern am Septum perineale endigt, die oberen Bündel (M. levator ani auct.) umgeben den Mastdarm bis zum unteren Theil der Ampulla recti. Nach innen vom Sphincter externus ist der Sphincter internus aus glatten Fasern bestehend. Das hintere Ende des Sphincter ani wird durch das SteiBbein und die vorderen Fasern des M. ano-coceygeus fixirt, das vordere Ende — durch die Mm. transversi perinei medii am Septum perineale. Eben so wird die Harnréhre nach oben bis zur Prostata beim Manne und bis zur Harnblase beim Weibe vom M. constrictor urethrae umgeben, nach innen von ihm existiren glatte eirkuläre Fasern, je höher, desto deutlicher sind sie entwickelt. Das vordere Ende des M. constrietor wird durch das den Venen- plexus umgebende Bindegewebe fixirt und vom M. transversus ure- thrae (vordere Querfasern dieses Muskels nach HENLE), das hintere Ende befestigt beim Manne am Septum prineale der M. transversus perinei profundus (hintere Querfasern dieses Muskels nach HENLE), beim Weibe der M. transversus vaginae. Das vordere und hin- tere Ende des M. constrietor urethrae verbindet sich beim Menschen mit dem umgebenden Gewebe; er ist eirkulär bei den Thieren, die sich in horizontaler Lage bewegen, und bei denen die Mm. trans- versi perinei auch nicht existiren, wie wir das noch später sehen werden, und wie das auch durch die Untersuchungen von PAULET bestätigt wird; bei diesen Thieren sind aber deutlich Längsfasern nach außen von den eirkulären zu sehen. Paver findet bei den Säugethieren nur den vorderen (oberen) Theil des M. transversus pe- rinei profundus, oder den M. transversus urethrae der Carnivora. Ich gehe jetzt zur Beschreibung der einzelnen Muskeln über und beginne mit den das untere Ende des Mastdarms umgebenden Muskeln, um dann zu der Muskulatur der äußeren Theile der Harn- und Geschlechtsorgane überzugehen. Die von mir angewandte Präparationsmethode habe ich schon beschrieben (l. e. pag. 30—32). Bei der Präparation des weiblichen Beckens habe ich genau dieselbe Methode angewandt und auch von der Seite, von unten, von vorn und von innen nach außen präparirt. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 483 Die letzte Präparationsmethode wurde besonders zu Kontrollunter- suchungen der die Urethra umgebenden Muskeln angewandt, weiter wurde die Synchondrosis pubis in der Mitte durchschnitten, die Harnblase gespalten und weiter nach unten die Urethra mit den umgebenden Weichtheilen gleichfalls in der Mittellinie durchschnitten und dann die Wände der Harnröhre von innen nach außen präpa- rirt. Ich weise nochmals auf diese Kontrollpräparate hin, da hierbei die sagittalen Fasern, die die Urethra umgeben, sich sehr gut unter- suchen lassen. Musculus levator ani auctorum. Sobald die äußere Wand des Beckens weggenommen ist, so erscheint vorn der M. obturator internus und nach hinten das Cavum ischio-rectale. Nach Entfernung dieses Muskels und der darauf folgenden Fascie erscheint in seiner ganzen Ausbreitung der als Le- vator ani beschriebene Muskel. CRUVEILHIER!, HENLE?, ich? und Bupge ? haben schon darauf hingewiesen, dass der sogenannte He- ber des Afters kein eigentlicher Heber, sondern mehr Schließer des Afters und des unteren Theiles des Mastdarmes ist. HENLE theilt die von der Fascia obturatoria entspringende Portion unter dem Na- men eines M. ischio-coceygeus vom übrigen Levator ani auctorum ab. Nach den von mir vorgenommenen Untersuchungen erweist es sich, dass der M. levator ani auct. beim Manne sowohl als auch beim Weibe aus zwei Schichten besteht, von welchen die äußere Schicht überall die Achse des Mastdarms unter einem rechten Win- kel kreuzt, während die Fasern der inneren Schicht sich zum After richten und hier endigen. Diese Schichten, die sich gut von ein- ander scheiden lassen, haben auch ohne Zweifel eine verschiedene physiologische Bedeutung. Ich werde zuerst die äußere und dann die innere Schicht beim Weibe beschreiben und zugleich auch die Besonderheiten angeben, durch die sie sich von denen beim Manne auszeichnen. Die äußere Schicht werde ich unter dem Namen eines M. sphincter ani externus, die innere als den eigentlichen Afterheber, M. levator ani proprius, bezeichnen. 1 Traité d’Anatomie descriptive. 4. Edit. T. II. Paris. p. 434—441. 21. ce. pag. 544. & 3]. e. pag. 31 und: Uber die Endigung der Longitudinalschicht des Mast- darms ete. St. Petersburg 1865 (russisch). 4 Uber die Funktion desM. levator ani mit Rücksicht auf die Pathogenese. Berliner klin. Wochenschrift. 1875. Nr. 27. 5C. Roux (Beiträge zur Kenntnis der Aftermuskulatur des Menschen, 484 P. Lesshaft Musculus sphincter ani externus. Lage. Der untere Theil des Schließmuskels umgiebt den After und ist zwischen dem Mittelfleisch und dem Os coccygeum ge- lagert. Der obere Theil (oder der M. levator ani auct.) liegt zu bei- den Seiten, des unteren Theiles des Mastdarmes und namentlich der Portio ano-pelvica recti! zwischen den Ästen des Schambeins, der Beckenfascie und dem Steißbein. Die hintern oberen Fasern dieses Theiles grenzen an den M. coceygeus lateralis, nach unten geht die- ser Theil entweder unmittelbar in den unteren Theil (den M. sphincter ani externus auct.) über, oder es befindet sich zwischen ihnen nach vorn eine mit Fett angefüllte, verschieden große Lücke. Die Außen- fläche dieser ganzen Muskelschicht ist von der Portio analis fasciae ano-perinealis propriae bedeckt, doch davon wird später, bei den Fascien, die Rede sein. Nach innen von beiden Theilen des M. sphincter ani externus liegt vorn der eigentliche M. levator ani und hinten ein vom Steißbein zum After gehendes Muskelbündel — Mus- culus s. Faseiculum ano-coceygeum. Ursprung. Der untere Theil beginnt mit seinen oberflächlich- Bonn 1880 und Arch. f. mikrosk. Anat. XIX. Bd.) beschreibt auf Grund mikro- skopisch untersuchter Schnittserien äußere Querfasern und innere Längsfasern des Levator ani. Von der tiefen oder inneren Faserschicht meint C. Roux, dass: »Ihr voller Umfang musste diesen Forscher (LESSHAFT), da er ohne Mi- kroskop arbeitete, verborgen bleiben.« In meiner Dissertation 1865 (Über die Endigung der Längsfasern der Muskelschicht des Mastdarms und der Strata adjectoria dieser Schicht in der Portio ano-prostatica recti beim Menschen und einigen Thieren) habe ich diese Verhältnisse bei dem Menschen und einigen Thieren genau beschrieben und nachzuweisen gesucht, dass der M. levator ani auct. kein Levator sondern ein Sphincter ist und dass eine innere Längsfaser- schicht existirt, die einen eigentlichen Levator ani bildet. Diese letzte Schicht habe ich genau verfolgt und ihren »vollen Umfang« aufgeklärt, wie das leicht nachzusehen ist. — In meiner Arbeit (Arch. f. Anat. ete. v. REICHERT und Du Bois-ReymonD 1873 Nr. 1 pag. 17 u. 31) habe ich auch diese Theilung des Muskels erwähnt und jetzt beschreibe ich diesen Muskel genau wie 1565 und behalte daher das Recht der ersten Beschreibung des M. levator ani proprius. ! Beim Weibe könnte man den Mastdarm eintheilen in 1) eine untere Por- tio ano pelvica — von der Fläche des Afters bis zur Fläche, wo die Fascia pelvis den Mastdarm umgiebt (die Länge dieses Theiles längs der Mitte der Seitenwand gemessen ist 5—6 cm), 2) eine mittlere Portio pelvico - perito- nealis s. ampullaris s. subperitonealis — von der Fläche der Fascia pelvis bis zur Stelle, wo der Mastdarm am Peritoneum hängt (Länge ebenfalls längs der Mitte der Seitenwand gemessen 6—7 cin), 3) eine obere Portio intraperitonealis — die am Mesenterium hängt (Länge 5—5,5 cm). Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 485 sten Fasern in der Haut und dem Unterhautbindegewebe der Peri- nealgegend; tiefer entspringen die Fasern vom Septum perineale, d. h. von der Bindegewebshaut, welche zwischen die Muskeln bulbo- cavernosus und Sphincter ani externus gelagert ist. Einige Fasern dieses Theils des Schließmuskels erweisen sich als Fortsetzung der Fasern vom M. bulbo-cavernosus oder transversus perinei medius der entgegengesetzten Seite. Der obere Theil nimmt seinen Anfang vom äußeren Theile einer dreiseitigen Fläche an der inneren Wand der horizontalen und absteigenden Äste des Schambeins. Diese drei- eckige Fläche wird begrenzt durch eine obere Linie, die ungefähr einen Centimeter über dem Arcus pubis beginnt, längs der hinteren Wand des horizontalen Astes sich nach oben und außen richtet und am inneren Theile des Einganges in den Canalis obturatorius endigt, eine äußere Linie, vom Eingange in den Canalis obturatorius nach unten und innen längs den horizontalen und absteigenden Ästen bis zur rauhen Linie, die sich auf der Mitte des letzteren Astes emporhebt und welche den inneren Rand des Dreiecks bildet. Nach außen vom unteren äußeren Theile dieses Theiles beginnt der Schließ- muskel noch von der Außenfläche der Beckenfascie in der Richtung des Arcus tendineus fasciae pelvis nach hinten bis zur Spina ischii. Verlauf. Die Bündel des unteren Theiles des Schließmuskels umgeben von beiden Seiten den After und richten sich nach hinten, wo sie sich von beiden Seiten treffen. Cirkuläre quergestreifte Mus- kelfasern finde ich nicht, sie verflechten sich vor und hinter dem After. Höher oben verlaufen die Muskelbündel von vorn oben nach hinten unten zu beiden Seiten der Portio ano-pelvica des Mastdarms. Sie kreuzen alle unter einem rechten Winkel die Achse des Mast- darms, da aber diese Achse einen nach vorn konvexen Bogen bildet, der sich um die Spitze des Steißbeins krümmt, so müssen die Mus- kelbündel des Sphincters nach vorn strahlig aus einander gehen und sich nach hinten zum Steißbein sammeln. Zwischen dem unteren und oberen Theil bleibt oft eine, nach vorn sich erweiternde, ver- schieden große Lücke, die mit Fett und Bindegewebe ausgefüllt ist. Insertion. Hinter dem After inseriren sich die oberflächlich- sten Muskelfasern in der tiefen Schicht der Haut, eben so wie sie am Damm begonnen haben. Die tieferen Fasern kreuzen und ver- flechten sich längs der Mittellinie mit Bindegewebefasern, die man bis zur Spitze des Steißbeins verfolgen kann. Diese Bindegewebs- fasern bilden wohl das von KouLrauscH! beschriebene Lig. ano- ! Zur Anatomie u. Physiologie der Beckenorgane. Leipzig 1854. pag. 51. 486 P. Lesshaft coceygeum s. ligne blanche ano-eoceygienne ÜRUVEILHIER!. Höher oben befestigen sich die Muskelfasern an der. Spitze und den Rän- dern des Steißbeins. Größe. Die Länge der Muskelbündel des unteren Theiles ist im Mittel 7,6 em, ihre Dicke 5,5 mm, die Breite (von oben nach unten) 1—1,3 em. Die Breite am Ursprung des oberen Theiles des Schließmuskels ist 4—4,5 em. Von der Beckenfascie beginnt dieser Theil in einer Länge von 6—7,3 cm. Die Breite in der Mitte dieses Theiles ist 4,5—1,8 em, die Länge der Muskelbündel 7,7 bis 8,3 em, die Dicke in der Mitte 2,5—3 mm. Wirkung. Wie der obere, so auch der untere Theil dieses Muskels sind wohl unbedingt als Schließmuskeln des Afters und der Portio ano-pelvica anzusehen, besonders wenn er nicht der Bauchpresse entgegen zu wirken hat. Die Muskelfasern kreuzen überall die Achse des Mastdarms und ändern ihre Richtung je nach der Lage der Portio ano-pelvica des letzteren. Muskelbündel, die nicht zum After gehen und hier nieht endigen, können unmöglich den After heben. Wirkt die Bauchpresse, so spannt der Theil des Schließmuskels, der von der Beckenfascie beginnt und besonders der von Hent£? als Ischio-coeeygeum bezeichnete Theil, diese Fascie und erzeugt einen Widerstand den von oben wirkenden Eingeweiden, wobei das Punctum fixum des Muskels am Steißbein zu suchen ist. M. levator ani proprius. Sobald man nach der Präparation des ganzen Schließmuskels des Afters und der Muskeln des Mittelfleisches die Seitenwand des Beckens abträgt, indem man durch die Mitte des Sitzknorrens sägt und dann noch vertikal, längs der Mitte des ovalen Loches einen Theil der hier gelegenen Äste des Scham- und Sitzbeins, darauf den M. obturator internus mit der ihn bedeckenden Fascie vollständig ab- trennt, so entblößt sich der ganze soeben beschriebene Schließmuskel des Afters und hinter und über ihm der M. coceygeus s. coceygeus lateralis. Schneidet man die strahlig verlaufenden Bündel des oberen Theiles des Sphincter externus, längs der Achse des Mast- darms in der Mitte vorsichtig durch und präparirt die durch- schnittenen Bündel nach vorn und hinten von der tieferen Schicht ab, so trifft man hier stellenweise lockeres Bindegewebe und näher 1 Traité d’Anatomie descriptive. Quatr. editione. T. II. pag. 436. 2]. c. pag. 534. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 487 zum oberen Rande Aste der Nn. vesicales et vaginales aus den Nn. haemorrhoidales medii (ArnorLp). Die bloßgelegte Schicht besteht aus rothen Muskelbündeln, die nach unten und hinten blas- ser werden; sie sind zwischen den Schambeinen, der Beckenfascie und der Vorder- und Seitenwand des Afters gelagert. Dieses sind die Biindel des M. levator ani proprius, der beim Weibe immer deutlicher ausgesprochen ist und leichter von den Biindeln der Außenschicht darzustellen ist. Hinter den Mastdarm zwischen dem Steißbein und dem hinteren Theil der Seitenwand des Afters sind immer Bündel glatter Muskelfasern gelagert, die sich an den Seiten- wänden des Mastdarmes mit den Fasern des M. levator ani proprius kreuzen. Sie bestehen, wie schon LuscHkA richtig angiebt, aus glatten Muskelfasern. Das ist ein M. ano-coceygeus s. portio po- sterior M. levatoris ani proprii. Ich werde erst die vordere Portion und dann die hintere Portion beschreiben. Die innersten Bündel des vorderen Theiles sind ohne Zweifel von HentLE! schon gesehen wor- den; er bemerkt, dass der M. levator ani auf dem Wege zum Rectum die Vagina streift und dass am inneren Rande des Levator der Faserung des Muskels parallel verlaufende glatte Muskelbündel vor- kommen. Beim Manne beschreibt Hente? in dem Raum zwischen Prostata und Reetum querverlaufende glatte Muskelfasern, welche die oberflächlichen Bündel des Levator beider Seiten verbinden und denen sich nur spärliche Fasern gestreifter Muskeln beimischen. Hier sind in der That mehr glatte als quergestreifte Muskelbündel, nur sind sie nicht quer gelagert, sondern kommen schräg von bei- den Seiten zur Vorderfliiche des Rectum und gehören den innersten Fasern des M. levator ani proprius an. HENLE meint, dass diese Querschicht vielfach als besonderer Muskel beschrieben werde, und dass es der M. levator prostatae SANTORINI, Compressor prostatae ALBINI, M. prostaticus sup. WınsLow und M. transversus prostatae WEBER-HILDEBRANDT sei. Ob HENLE Recht hat ist schwer zu sagen, da alle diese Forscher, eben so wie LuscuhkA3 und HENLE selbst, keine Acht auf die Fascien gegeben haben, die den M. levator ani pro- prius von allen den Muskeln scheiden, die die Prostata beim Manne und die Vagina beim Weibe umgeben, — während die Muskeln hier doch nur durch die Fascien genau von einander geschieden werden 1 Handb. d. syst. Anat. 2. Aufl. 1874. Bd. Il. Lief. 2. pag. 535. 2]. c. 1873. Bd. II. Lief. 1. pag. 197 und Bd. II. Lief. 2. pag. 533—534. 3 Die Muskulatur am Boden des weiblichen Beckens. Wien 1861. pag. 5 bis 8. 488 P. Lesshaft können. Die hinter dem Rectum gelegenen Bündel sind theilweise schon von TREIZ! als M. recto-coccygeus s. retractor recti beschrie- ben worden. Von KOHLRAUSCH? wurden sie als Tensor fasciae pel- vis beschrieben und abgebildet (Taf. I u. IIy). Ob dieser Muskel wirklich nur ein Tensor der Fascia pelvis ist, werden wir später sehen. LuscuKa® beschreibt die Portion als »Rückwärtszieher des Afters«. Doch wird diese Portion nirgends so vollständig beschrie- ben, wie man sie am Kadaver darstellen kann. | Lage. Der vordere Theil des M. levator ani proprius ist an der Seitenwand der Scheide gelagert und geht von dem vorderen Theile der inneren Wand des Beckens in der Beckenfascie zum After. Der hintere Theil dieses Muskels liegt zwischen dem Steiß- bein in der hinteren und seitlichen Umgebung des Afters. Beim Manne ist der vordere Theil seitlich an den Portiones membranacea et prostatica der Harnröhre gelagert, von welcher er durch einen Fortsatz der Beckenfascie geschieden wird, eben so wie beim Weibe. Durch diesen Fortsatz ist der M. levator ani vollständig von den nach innen von ihm liegenden Muskeln geschieden. Nach außen ist dieser Muskel vom M. sphincter ani externus bedeckt, von dem er sich durch den Verlauf und Richtung seiner Fasern unterscheidet. Ursprung. Die Fasern des vorderen Theiles des M. levator ani proprius beginnen an der Innenwand der horizontalen und ab- steigenden Äste des Schambeins vom oberen Rande der oben be- schriebenen dreieckigen rauhen Fläche, die nach innen vom Fora- men ovale gelagert ist. Die Länge dieser Fläche ist 2,6—3 bis 3,8 cm. Außerdem entspringen die Fasern dieses Theiles noch von der Außenfläche des Lig. pubo-vesicale und theilweise von der Beckenfascie. Die Fasern des hinteren Theiles nehmen ihren Ur- sprung von der vorderen Fläche der Spitze des Kreuzbeines, von der vorderen Fläche des Steißbeins und mit einigen Fasern auch noch von der oberen Fläche des Lig. ano-coccygeum. Verlauf. Die Bündel des vorderen Theils dieses Muskels ge- hen, seitlich von der Harnröhre und Scheide, von denen sie durch eine Fascie geschieden sind, nach hinten und unten zur Vorder- und Seitenwand des Mastdarms. Hinter der Scheide kommen die inner- sten Bündel von beiden Seiten zusammen und lagern sich an die 1 Prager Vierteljahrschrift f. d. prakt. Heilkunde. Zehnter Jahrg. 1853. I. Bd. pag. 122. 2 1. c. pag. 51. °]. ©. pag. 2: Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 489 Vorderwand des Mastdarms. An der Vorder- und Seitenwand des Mastdarms richten sich die Fasern dieses Theils nach unten und la- gern sich hier zwischen den äußeren und inneren Schließmuskeln des Afters. Die Bündel des hinteren Theiles richten sich nach vorn und unten, zur Hinter- und Seitenwand des Mastdarms, kreuzen hier die Seitenbiindel des vorderen Theiles und sind gewöhnlich nach innen von diesem letzteren Theile gelagert. Am Mastdarme, dessen hintere Wand diese Bündel als Außenschicht bedecken, verlaufen ihre Fasern nach unten zum After. Beim Manne verlaufen die Fa- sern des vorderen Theiles längs der Seitenwand der Capsula urethro- prostatica! s. Retzii, begeben sich nach hinten und unten zur Vorder- und Seitenwand des Mastdarms und gehen, eben so wie beim Weibe, zum After nach unten. Die Fasern des hinteren Theiles verlaufen so wie beim Weibe. Insertion. Zwischen den Mm. sphincteres ani externi et interni gehen die Muskelbündel der hinteren und vorderen Portionen in elastische Fasern über, welche bis zum Bindegewebe des Afters sich verfolgen lassen, wo sie endigen, indem sie sich in das Unter- hautbindegewebe inseriren. Einige von diesen Fasern sieht man stellenweise auch zwischen die innersten Bündel des M. sphincter ani externus dringen, um ebenfalls im Unterhautbindegewebe des Afters zu endigen. Die äußeren am Kreuzbein beginnenden Fasern gehen horizontal nach vorn und endigen an der Beckenfascie, dort wo diese Fascie die Seitenwand des Mastdarms umfasst. Größe. Beim Weib ist die Länge der Fasern des vorderen Theiles des M. levator ani proprius an der Vorderwand des Mast- darms 7—9 cm, an der Seitenwand 9,2— 12,5 und 14,5 em. Die Breite am Anfangstheil ist 1,2—1,6—2 cm, ihre Dicke 2—2,5 mm. Die Länge der Fasern des hinteren Theiles ist an der Hinterwand des Mastdarms 3,8—4,5 em, an der Seitenwand 6—S em. Die Breite ist 8 mm bis 1,5 em, ihre Dicke 2,5 mm. Beim Manne ist die Länge an der Vorder- und Seitenwand des Mastdarms 11—13 cm, ihre Breite am Anfangstheil 1,5, ihre Dicke 2 mm. Wirkung. Die vorderen und hinteren Portionen dieses Muskels müssen, wenn sie auf beiden Seiten wirken, den After heben, wobei ihre Stützpunkte an den Ästen der Schamknochen, an den Lig. pubo-vesicalia, der Beckenfascie, dem Kreuzbein, Steißbein und dem Anfangstheile des Lig. ano-coceygeum sich befinden werden, während ' Arch. v. REICHERT und Du Boıs-Reymoxp. 1873. pag. 72. Morpholog. Jahrbuch. 9. ‘ 32 490) P. Lesshaft der After als Punctum mobile nach oben gehoben wird. Die von der hinteren Portion zur Beckenfascie gehenden Fasern können als Tensor fasciae pelvis angesehen werden. Beim Weibe ist der ganze (obere und untere) Schließmuskel und Heber des Afters gleichmäßig stark entwickelt; beim Manne dagegen ist der untere Theil des Sphineter externus am stärksten. Dies glaube ich durch die ver- schiedene Lage des Afters und durch die verschiedene Breite der unteren weichen Wand des Beckens zu erklären: Beim Weibe, wo diese Wand breiter ist, wo die Seitenwände durch ihre mehr paral- lele Richtung einen geringeren Widerstand entgegensetzen können, muss diese durch eine kräftigere und gleichmäßige Muskelschicht verstärkt werden, während beim Mann, bei dem der After höher steht und die schiefen Seitenwände des Beckens einen größeren Wider- stand erzeugen, die Mitte des Afters selbst stärker geschlossen werden muss, d. h. ein stärkerer (unterer) Schließmukel erforder- lich ist. Musculi transversi perinei. Über die Museuli transversi perinei beim Weibe sind die Anga- ben sehr ungenau und unvollständig, meistens wird die Beschreibung dieser Muskeln ausgelassen. Bei TIEDEMANN! ist ein Transversus perinei anticus und posticus abgebildet, von welchen, wie es scheint, der Posticus einen M. transversus perinei superficialis und der An- ticus einen M. transversus perinei medius darstellt, da der letztere Muskel tiefer (höher) als der erstere zu liegen scheint. Bestimmt zu sagen, ob diese Vermuthung richtig ist, ist schwer, da die Ur- sprünge dieser Muskeln nicht genau angedeutet und ihre Verhältnisse zu den Fascien nicht deutlich genug angegeben sind. - Außer der von mir beim Manne? angeführten Litteratur, habe ich noch die An- gaben von FÜHRER? und LuscHKA? zu erwähnen. FÜHRER (pag. 905) sagt, dass beim Weibe: »an der Übergangsstelle der Faseie von der Fossa rectalis zur Schamlippe befindet sich, ihr und der äußeren Haut einverwebt, der M. transversus perinei superficialis, dem häu- tigen Damme entsprechend. In der Mittellinie verwachsen Muskeln 13 WAS 2 Archiv v. REICHERT und Du Bois-Reymonp 1873. pag. 36—45. 3 Handbuch der chirurg. Anatomie. 2. Abth. Berlin 1857. pag. 905 u. 909. 4 Die Muskulatur am Boden d. weibl. Beckens. Wien 1861. pag. 21—22. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 491 und Fascien unter einander und mit den oberflächlichen Biindeln des Sphineters«. Von dem Verhältnisse dieses Muskels zur Fascia peri- nei externa sagt er (pag. 906): »sie geht (die Fascie) unter dem M. transversus superficialis durch und ist von den Tubera ischii quer nach einwärts zur Verbindung mit dem Lig. perineale herüber- gezogen«. Uber (oder hinter) der Fascia perinei media beschreibt Fiurer (pag. 909) folgende Verhältnisse: »Hinter der Fascia media und mit dem Bulbus innig verwachsen liegt auch beim Weibe eine von zahlreichen kurzen Gefäßen verstrickte, derbe, poröse Gewebs- schicht, welche von hier aus bis über die vordere, obere Wand der Harnröhre sieh ausbreitet. Der dünne, platte, dem M. transversus urethrae entsprechende Muskel, weleher vom inneren Umkreis des Schambogens quer herübertritt, liegt bald unter, bald über jener zel- ligen Gefäßschicht, ein Wechsel in der Lage dieses Muskels, der auch beim Manne wohl vorkommt. Er tritt zur oberen Wand der Vagina, hinter der Harnröhre durch und ist tiefer abwärts, längs des oberen Randes des Bulbus befestigt. Man kann ihn in so fern als M. transversus vaginae bezeichnen. Auch die BArrHoLm’schen Drüsen werden an ihrem hinteren Umfange von ihm und der Faseia media umschlossen. Der M. transversus perinei profundus kommt hinter jenem in schräger Riehtung hervor, entspringt vor und über ihm vom absteigenden Aste des Schambeins und dem aufsteigenden des Sitzbeins, verläuft nach abwärts hinten und einwärts in schrägen Bündeln, welche die vordere Seitenwand der Vagina gürtelförmig umgeben und so gewissermaßen einen Constrietor internus, oder wie man ihn genannt hat, Levator vaginae vorstellen. Er bildet an sei- nem Ursprunge in der Regel einen dieken Muskelbauch, welcher als- bald jedoch in zahlreiche schmale Bündel zerfällt. Die obersten Bündel begeben sich an die Seitenwand des Blasenhalses, der grö- Bere Theil, schief von vorn und oben nach unten und hinten, brei- tet sich um die Vagina, zur vorderen Wand des Mastdarmes und in das Interstitium zwischen beiden aus. Der Muskel ist eingeschlossen vom tiefern Blatt und der Querfalte der Fascia media, welche be- sonders auch hinter ihm sich heraufschlägt und vom Levator recti ihn abscheidet.« Ich habe die Beschreibung FÜHRER's angeführt, da er hier einen neuen Muskel als transversus vaginae aufstellt und Insertionen am M. transversus perinei profundus angiebt, wie sie wohl schwerlich existiren, indem er diesen Muskel zur Sei- tenwand des Blasenhalses etc. sich ansetzen lässt. LuscHKA meint (l. e. pag. 21), dass beim Weibe der oberflächliche Dammmuskel, 32* 492 P. Lesshaft im Verhältnis zum tiefen, auffallend mächtig ist: er findet ihn un- paar (?) und lässt ihn jederseits mit einer dünnen breiten Sehne von der inneren Fläche des Anfangs des aufsteigenden Sitzbeinastes entspringen. Einen unpaaren Dammmuskel habe ich hier nie ge- sehen und glaube an der Existenz eines unpaaren Muskels zweifeln zu dürfen, da er, wie LuscuKa sagt: »über der Kreuzungsstelle derjenigen Bündel des Afterschließers, die theils zur Haut treten, welche die Commissura labiorum darstellt, theils in die Zusammen- setzung des Compressor bulbi eingehen«, über dieser Stelle aber die Fascien so gelagert sind, dass am Septum perineale die queren Muskelfasern durchaus unterbrochen werden, diese Muskeln folglich hier nicht unpaar sein können. Bei der Beschreibung des tiefen Dammmuskels hat LuscHkA keine Acht auf die ihn umgebenden Fascien genommen und hat ihn daher nicht genug vom Musculus constrietor vestibuli scheiden können. Diesen Fehler finden wir auch bei F. W. TueEıLE!, der daher vom M. transversus perinei profundus sagt: »Beim Weibe scheint er ganz mit dem oberflächlichen Dammmuskel vereinigt zu sein.« Dasselbe muss ich auch von HENLE? sagen, in dessen »Diaphragma urogenitale« Fasern des transversus perinei profundus sich an der unteren Fläche mit den Fasern des M. bulbo- cavernosus mischen, während sie an der oberen Fläche mit den tie- fen, zum Theil von der oberen Aponeurose entspringenden Portionen des M. levator ani zusammenstoßen. So lange bei der Untersuchung der Dammmuskeln nicht die sie umgebenden stark entwickelten Fascien (Aponeurosen der Franzosen) berücksichtigt werden, so lange wird ein Forscher dieser Gegend den andern nicht verstehen und diese Region immer im Dunkel bleiben, daher muss ich verlan- gen, dass man ganz besondere Acht auf diese Fascien gebe, da nur im letzteren Falle die Untersuchungen hier gut verstanden und kontrollirt werden können. Wie beim Manne?, so auch beim Weibe müssen hier drei paa- rige Dammmuskeln unterschieden werden, wobei hier auch dasselbe Princip beibehalten werden muss, Musculi transversi perinei nur diejenigen Muskeln zu nennen, die zwischen dem Os pubo-ischiadi- cum und der Mitte des Dammes oder dem Septum perineale gela- 1 S. Tu. v. SÖMMERING, Lehre von den Muskeln und Gefäßen des mensch- lichen Körpers. Leipzig 1841. pag. 113. 2 * Handbuch d. syst. Anatomie des Menschen. 2. Bd. 2. Lief. Braun- schweig 1874. pag. 539. 3 Arch. v. REICHERT etc. 1873, pag. 38. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 493 gert sind und folglich den Damm quer durchschneiden. Aus diesem Grunde und nach dem Verhältnisse dieser Muskeln zu den sie um- gebenden Fascien müssen auch hier, wie beim Manne, drei Museuli transversi perinei angenommen werden, ein superficialis, medius und profundus!. 1 Bei der Beschreibung der Muskeln am Beckenausgange (C. Fr. Tu. Krause's Handbuch d. menschl. Anatomie — neu bearbeitete Auflage von W. KrAUSE, Hannover, 1880. III. Bd. pag. 151) und namentlich des M. transversus perinei superficialis, sagt W. Krause: »Zwei verschiedene Muskeln pflegt man unter diesem Namen zu beschreiben. Der eigentliche wird von dem oberfläch- lichen Blatt der Fascia perinei eingewickelt, welches Blatt den M. ischio- cavernosus bekleidet und entspringt von dem genannten Blatte unterhalb (der medialen Seite) des Tuber ischii. Derselbe wurde zuerst von TIEDEMANN ab- gebildet, von THEILE (1841) für ein aberrirendes Bündel des M. sphincter ani externus gehalten, von KOHLRAUSCH richtig geschildert, von LESSHAFT da- gegen als seltene Varietät (90/5) beschrieben, während er in Wahrheit viel häufiger vorkommt« In Wahrheit ist leicht zu beweisen, dass Herr W. KRAUSE über Sachen urtheilt, die er nicht kennt, und dass er unwahre Zahlen anführt. Bei meiner Beschreibung (Archiv 1873, pag. 39) des M. transversus perinei superficialis (GRUBER) sage ich deutlich: »Diese Bündel befinden sich immer unter (bei vertikaler Stellung des Menschen) der Lamina superficialis Fasciae ano-perinealis propriae.« Vordem sage ich, dass diese Muskelbündel in der tiefen Lage der Fettschicht sich befinden, dass sie von der die untere Fläche des Sitzknorrens bedeckenden Fascie beginnen, als conditio sine qua non, zum Septum perineale gehen etc. Alles das passt durchaus nicht auf KOHLRAUSCH’s Beschreibung, der in seiner Monographie (pag. 44) den M. transversus perinei superficialis auct. (= medius GRUBER) und profundus anführt und darauf den von SANTORINI abgebildeten, von GIRARDI, WINSLOW, CUuVIER etc. (Alles bei KOHLRAUSCH und mir [pag. 48] angeführt) beschriebenen Musculus erector accessorius KOHLRAUSCH (oder Caput |accessorium des M. bulbo-cavernosus mihi) mit folgenden Worten beschreibt: »Unser erector accessorius dagegen entspringt muskulös vom Tuber ischii, hinter dem erector penis, aber mit dem- selben so genau verbunden, dass sein Muskelbauch jenem innig anliegt und an dessen innerer Seite eine Strecke weit nach vorn verläuft. Dann erst wendet sich der Muskel allmählich zur Mitte, ohne jedoch einen eigentlichen queren Verlauf anzunehmen, wie die transversi, und dringt seitlich unter die Muskelfasern des Accelerator ein und heftet sich an den seitlichen Umfang des Corpus cavernosum urethrae.« Herr W. Krause hat also verwechselt den M. transversus perinei superficialis mihi, von dem THEILE (pag. 112) sagt, dass er: »eine Zeit lang der Meinung war, dass man drei Damm- muskeln annehmen müsse«, und den vielleicht TIEDEMANnN abbildet, mit dem M. erector accessorius von KOHLRAUScH. Von diesem letzteren Muskel sagte ich aber (pag. 49), dass er in 120 Fällen 51mal existirt, folglich in 42,5%, wovon 34mal (28,330/,) beiderseitig und 17mal (14,160/,) einseitig. Wohin die von W. KRAUSE angeführten 90, gehören, weiß ich nicht, da in meiner Unter- suchung diese Zahl nicht existirt und die Häufigkeit des Vorkommens des M. transversus perinei superfieialis mit 7,740, der Fälle (pag. 39) bestimmt ist. 494 P. Lesshaft 1) Musculus transversus perinei superficialis. Wenn an der Existenz dieses Muskels so viel gezweifelt wird, so ist es nur dadurch zu erklären, dass er so selten vorkommt und sehr Überhaupt sieht man, dass- Herr W. Krause in der Muskulatur des Becken- ausganges sehr unbewandert ist und mit Zahlen sich wenig abgiebt, da er die letzten sogar falsch wiedergiebt. Vom soeben beschriebenen M. erector acces- sorius KOHLRAUSCH . sagt Herr W. Krause bei der Beschreibung des iM. bulbo-cavernosus (Handb. d. menschl. Anatomie. III. Bd. Hannover 1880 pag. 152): »Die mittlere Portion (auch tiefere Lage genannt — folglich M. com- pressor hemisphaerium bulbi KopeLr — Wollustorgane pag. 16—17) wird durch die oberflächliche von unten her bedeckt, ihre Fasern verlaufen mehr sagittal (2); sie inseriren sich an die unteren und lateralen (???) Flächen des Corpus ca- vernosum urethrae. Mit dieser Portion hängen die Muskelfasern zusammen, welche der M. transversus perinei superficialis oder medius an den M. bulbo- cavernosus abgiebt; sie bilden häufig (350/92 — Hinweisung auf meine Unter- suchung im Archiv 1873, pag. 49) einen gesonderten M. ischio-bulbosus. Der- selbe entspringt vom Tuber ischii, geht an das Corpus cavernosum urethrae 14 bis 20 mm vor dem Bulbus urethrae und darf nicht mit Bündeln des M. transversus perinei profundus, die von beiden Seiten her sich oberhalb des Bulbus urethrae kreuzen, verwechselt werden, ist auch dem M. ischio-bul- bosus beim Weibe nicht homolog.« Hier ist Alles unverständlich oder sogar unmöglich: der Muskel hängt mit der mittleren, tiefen Portion des M. bulbo- eavernosus zusammen, die den Bulbus urethrae bedeckt, geht dabei 14 bis 20 mm vor diesen Bulbus, darf nicht mit Biindeln des M. transversus perinei profun- dus verwechselt werden, die sich oberhalb des Bulbus kreuzen ete. Die Zahl 350/, existirt bei mir nicht, pag. 49 kommt bei mir, wie schon gesagt, 42,50/, heraus. Den M. pubo-cavernosus (pag. 152) des Menschen, von dem KOBELT (l. c. pag. 29) mit Recht bewiesen hat, dass er der vorderen Portion des M. bulbo-cavernosus angehört, stellt er wieder als gesonderten Muskel dar, wirft ihn dabei mit den bulbo-cavernosus beim Kaninchen und den M. compressor venae dorsalis penis HOUSTON zusammen, man sieht, Herr W. KRAUSE hat auch die Litteratur dieser Gegend schlecht studirt! Sogar beim Kaninchen giebt Herr W. Krause& die Insertion des M. levator ani ungenau an, er sagt: Insertion : Peripherie des Reetum« (Die Anatomie des Kaninchens. Leipzig 1568 pag. 177): Insertion von 1 bis 5 Vertebrae coccygeae. Der von Herrn W. KRAUSE levator urethrae genannte Muskel scheint ihm auch sehr unklar zu sein. Pag. 534 (Handb. II. Bd. 1879) nennt er ihn M. levator urethrae s. pubo- urethralis s. Wilsoni s. Pars urethralis m. levatoris ani und sagt: »Derselbe ist das vorderste, mediale Bündel des M. levator ani ete.; einige Seiten weiter (pag. 538) meint er: »Diese sogenannte Pars urethralis des M. levator ani ist aber keineswegs mit dem M. levator urethra identisch, denn sie liegt unter- halb des tiefen Blattes der Fasciae perinei und repräsentirt nichts weiter als eine Varietät. Ihre lateralen Bündel sind dieselben, welche nach HENLE zu- weilen eine Verbindung zwischen dem M. levator und Sphincter ani. herstel- len (?!). Als Varietät scheint auch der M. levator urethrae in Form eines Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 495 leicht mit der Fettschicht wegpräparirt werden kann. Außerdem werden die Faseien nicht berücksichtigt, während man sich durch- aus an sie halten muss, um die Dammmuskeln genau von einander zu unterscheiden. Der M. transversus perinei superficialis liegt un- ter (bei vertikaler Lage des Menschen) dem oberflächlichen Blatte der Fascia perinei propria und kann beim Manne in so stark entwickel- ter Form vorkommen, wie er von Broca, HExtLe und W. GRUBER! vollständigen, vom M. levator ani vollständig isolirten Bündels vorzukommen, da Wırson mit dem Plexus pudendalis kommunicirenden Venen, und LESSHAFT (1873) eine Fortsetzung der Fascia pelvis zwischen beiden Muskeln gefunden zu haben angeben.« Man sieht, Herrn W. Krause ist in dieser Gegend Alles unklar, er wirft hier Alles durch einander, so dass es schwer zu sagen ist, was er eigentlich hier beschreiben will. Pag. 151 (Bd. III 1880) schreibt W. Krause: »Der M. levator urethrae soll öfters (in 150, nach LessuArT) fehlen«.. Wenn der M. levator urethrae KrAUSE dem von mir unter dem Namen des M. con- strictor urethrae membranaceae s. constrictor isthmi urethralis entsprechen soll, so würde ich Herrn W. Krause auffordern anzugeben, wo ich diese Procente anführe? Auf pag. 17, wie er anführt, ist nichts davon gesagt. Der von mir beschriebene Muskel kommt, so viel ich weiß, immer vor! — Vom M. trans- versus perinei profundus sagt Herr W. Krause (Handb. III. Bd. pag. 151): »Dieser Muskel liegt zwischen dem oberflächlichen und tiefen Blatte der Fascia perinei, nach LessHarr aber oberhalb des letzteren: er soll in 4%, (bei mir pag. 42 einseitig in 4,440/,) fehlen. Dies ist scheinbar der Fall, wenn die genannten Muskeln sehr blass und dünn sind, auch bei fettreichen Leichen (?); dann sind sie aber wenigstens mikroskopisch nachweisbar. MACLISE war der Ansicht, dass die Mm. levator urethrae, urethralis transversus, transversi pe- rinei superficialis und profundus, nebst dem M. ischio-bulbosus ein zusammen- hängendes System bilden, in welchem der eine oder der andere dieser Muskeln, oder letztere sämmtlich öfters fehlen können und sucht daraus die vermeintlich nutz- und endlosen Discussionen über dieselben zu erklären. In Wahrheit fin- den sich keine wesentlichen Differenzen und verschieden ist nur die Leichtigkeit der Präparation, die durch reichliches Fettgewebe, blutgefüllte Venen, Abmage- rung und Schwäche der Muskeln allerdings beträchtlich erschwert zu werden vermag. Hiernach ergiebt sich, dass die angeführten Procentzahlen kein Ver- trauen verdienen, weil — offenbar unter dem Einfluss einer durch GRUBER veranlassten Präparation — als M. transversus perinei medius künstlich abge- trennte hintere Bündel des M. transversus perinei profundus mitgezählt worden sein dürften.« In Wahrheit erstehen alle diese »nutz- und endlosen Discussio- nen« daher, weil, um zu urtheilen, Kenntnisse der Sache unbedingt nöthig sind. Das, was ich beschrieben habe (Arch. 1873), habe ich auf Aufforderung in Leipzig am gegebenen Kadaver präparirt und demonstrirt und bin immer be- reit, bei jeder Gelegenheit dasselbe zu wiederholen. Alles das, was ich be- schreibe, kann ich an der Leiche zeigen. 1 Arch. f. path. Anatomie, Physiologie und klinische Med. v. R. VIRCHOW. 1876. Bd. LXVII. Hft. 3. pag. 353 — 357 und 1876. Bd. LXVIII. Hft. 2. pag. 287 bis 290. 496 P. Lesshaft beschrieben worden ist, und wie ich ihn unlängst auf beiden Seiten angetroffen habe, so dass man an seiner Existenz nicht zweifeln kann. Beim Weibe habe ich diesen Muskel in 74 Fällen einmal auf beiden Seiten gesehen, 5mal auf einer Seite, davon 3mal rechts und 2mal links. Überhaupt kam dieser Muskel beim Weibe in 8,10°/, der Fälle vor. Lage. Bei der Präparation dieses Muskels muss man eben so wie beim Manne verfahren. Um seine Lage und Verhältnis zur Umgebung zu erhalten, wird ein Hautschnitt von der Basis des Os coccygis längs der Mitte der Regio glutea nach vorn zum Schamberg geführt. Ein zweiter Hautschnitt beginnt vom vorderen Theil des Afters quer nach außen, hinter dem Sitzknorren bis zum ersten Schnitt. Parallel dem zweiten Schnitt wird vorsichtig nach vorn präparirt, in der Fettschicht unter (bei aufrechter Stellung) der Lamina superficialis der Fascia perinei propria kann man den Mus- kel finden; er liegt hier zwischen der Unterfläche des Sitzbeinknor- rens und dem untern Theile des Septum perineale. Ursprung. Der Musculus transversus perinei superficialis beginnt beim Weibe, eben so wie beim Manne, mit sehnigen Fasern von der die untere Fliiche des Sitzknorrens bedeckenden Fascie, entsprechend dem vorderen oder mittleren Theile des Knorrens, oder auch in der Fettschicht selbst, von dem ihr als Stiitze dienenden Maschengewebe. Verlauf. Die sehnigen Ursprungsfasern gehen bald in Mus- kelfasern iiber, die sich quer zur Mitte des Dammes, vor den After richten. Der Muskelbauch ist gewöhnlich flach, man kann an ihm eine obere und untere Fläche, einen vorderen und hinteren Rand unterscheiden. Insertion. Im Bindegewebe, welches die untere Fortsetzung des Septum perineale bildet, wo sich beim paarigen Muskel die Fasern an beiden Seiten begegnen und verflechten. Außerdem ver- flechten sich hier die Fasern des M. transversus perinei superficialis mit den oberflächlichen (subeutanen) Fasern .des M. sphincter ani externus. Größe. Die Länge des M. transversus perinei superficialis be- trägt von 6,5 bis 8,7 cm. Seine Breite von 4 bis 6,5 mm, und seine Dicke von 1,5 bis 2 mm. Der von mir beim Manne mit gut entwickelter Muskulatur be- obachtete M. transversus perinei superficialis anomalus war paarig, links etwas stärker entwickelt als rechts. Er liegt beiderseitig unter (vertikale Stellung) der Fascia glutea und mit dem größten Theile Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 497 unter der Fascia perinei propria; mit ?/, der Länge in den Regiones gluteae und mit '/; in der Dammgegend. Die Muskeln entspringen sehnig von der unteren Fläche der Fascia glutea, nahe am unteren Rande des M. gluteus maximus. Die breite Sehne geht jederseits bald in stark entwickelte Muskelbäuche über, die spiralig gekrümmt zuerst längs des unteren Randes des M. gluteus maximus bis zum Sitz- knorren, wo sie vom Rande des Gesäßmuskels nach vorn abweichen und längs des vorderen Theiles dieses Knorrens zur Mitte des Dam- mes sich begeben. Links breitet er sich aus und endigt am Sep- tum perineale und an der unteren Fläche der Lamina superficialis portionis perinealis, fasciae ano-perinealis propriae, außerdem gehen noch Bündel zur unteren Fläche der Portion dieser Fasciae die den M. sphincter ani externus und Levator ani (auct.) bedecken. Rechts theilt sich das sehnige Ende in drei sehnige Biindel, von welchen das innere (vordere) Fascikel am Septum perineale endigt, und sich hier mit den Fasern des Muskels der anderen Seite verflicht, das hintere an die den vorderen Rand des Cavum ischio-rectale bedeckende Fascie, endlich das mittlere stärkste Bündel nach oben sich zum vor- deren Theile des Sphincter externus und der Lamina profunda der Fasciae perinei profundae vertieft. Die Länge des linken Muskels ist 11 em, seine Breite 1,4 cm, seine Dicke 6,5 mm: die Länge des rechten Muskels ist 10,5 em, seine Breite 1,2 em, seine Dicke 6 mm. Rechts existirt außerdem ein M. transversus perinei medius, profun- dus und ein Caput accessorium M. bulbo-cavernosi. Der M. trans- versus medius und das Caput accessorium sind vom anomalen Muskel durch die Lamina superfieialis der Fascia perinei propria geschieden und der M. transversus perinei profundus über der Lamina profunda dieser Fascie gelagert, von der er auch vom anomalen Muskel ge- trennt ist. Auf der linken Seite ist nur der M. transversus perinei profundus vorhanden, der durch die Fascia perinei propria vom ano- malen Muskel geschieden ist. 2) Musculus transversus perinei medius is. superficialis auct.). Der Musculus transversus perinei medius ist beim Weibe öfter zugegen, als der superfieialis, aber er scheint hier seltener vorzu- kommen wie beim Manne. Nach den von mir gemachten Unter- suchungen fehlte dieser Muskel in SO angemerkten Fällen: bei- derseitig 19mal (23,75°/)), auf einer Seite war nichts vorhanden 36mal (45°/)), und namentlich fehlte er rechts 25mal (31,25%) und 498 P. Lesshaft links 11 mal (13,75°/,). Im Ganzen fehlte er folglich 55mal, d.h. in 68,75 4p. | Lage. Dieser Muskel ist, eben so wie beim Manne, quer zwi- schen den aufsteigenden Sitzbeinästen und dem Septum perineale gelagert. Unter ihm liegt die Lamina superficialis, über ihm die Lamina profunda der Fascia perinei propria. Diese Blätter verbin- den sich längs des hinteren Randes des Muskels und bilden die Portio analis Fasciae ano-perinealis propriae. Der Muskel beginnt über und hinter dem Ursprunge des M. ischio-cavernosus. Die hier verlaufenden Gefäße und Nerven verhalten sich zu diesem Muskel eben so wie beim Manne, und er ist, eben so wie beim Manne, durch die Lamina superficialis Fasciae perinei propriae vom M. transversus, perinei superficialis, und durch die Lamina profunda vom M. trans- versus perinei profundus geschieden. Ursprung. Beim Weibe ist dieser Muskel mehr fächerförmig und platt, besonders in seinem äußeren Theile. Er beginnt mit seh- nigen Fasern von der Innenfläche des aufsteigenden Sitzbeinastes, hinter und über dem Ursprunge des M. ischio-cavernosus. Außer- dem entspringen seine Fasern noch von der unteren Fläche der La- mina profunda der Fascia ano-perinealis propria, längs einer bogen- förmigen Linie zwischen den Mm. ischio- und bulbo-cavernosi. Die Länge dieser Linie kann bis 1,6 und sogar 2,1 em betragen. Verlauf. Die am stärksten entwickelten Muskelfasern, in die die kurzen sehnigen Fasern sogleich übergehen, richten sich quer nach innen zum Septum perineale. Nach vorn wird der Muskel platter und dünner und besteht hier manchmal aus schiefen Fasern, die koncentrisch zwischen den Mm. ischio- und bulbo-cavernosi ge- lagert sind und sich alle zur Mittellinie zwischen der Scheide und dem After begeben. Am Bauche dieses Muskels kann man eine untere und obere Fläche, einen vorderen und hinteren Rand unter- scheiden. Insertion. Die Fasern des Musculus transversus perinei me- dius endigen, eben so, wie beim Manne, am Septum perineale, d.h. am Binde- und elastischen Gewebe, welches zwischen den M. bulbo- cavernosus und Sphincter ani externus gelagert ist und welches nach oben zur Fascia recto-vaginalis übergeht. — Hin und wieder gehen Fasern dieses Muskels in den einen oder anderen dieser Muskel über, oder verflechten sich mit ihren Fasern, was öfters geschieht. Größe. Die Länge dieses Muskels ist, wie ich früher (Arch. 1873, pag. 42) angegeben habe, 5,4—5,8 em, Minimum 4,4 bis Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 499 4,8 em, Maximum 6,4—6,8 cm. Seine Breite variirt, ist in der Mitte 6 mm, kann hier aber bis 1,6—1,8 cm steigen. Die Dicke ist 2,5—3 mm, und kann im hinteren Theile bis zu 4—5 mm steigen. 3) Musculus transversus perinei profundus. Unter diesem Namen fasst HENLE! »die mannigfaltigen Muskel- züge zusammen, welche zwischen den beiden Aponeurosen des Diaphragma urogenitale verlaufen oder, mit anderen Worten, in Verbindung mit diesen Aponeurosen das Diaphragma urogenitale konstituiren«e. Zwischen diesen mannigfaltigen Muskelzügen muss man die hinteren aus quergestreiften Muskelfasern bestehenden Bün- del als M. transversus perinei profundus ausscheiden, da nur diese Fasern zum Septum perineale gehen und daher nur diese Bündel als transversi perinei angesehen werden können. Bei möglichst genauer Untersuchung erwies sich, dass in 78 Fällen dreimal die- ser Muskel auf beiden Seiten nicht als quergestreifter Muskel kon- statirt werden konnte, also in 3,84°/,. Vierzehnmal fehlte der Muskel auf einer Seite und zwar Smal links und 6mal rechts, folglich in 18°%/,, oder es fehlt dieser Muskel überhaupt in 21,8 °/). In den Fällen, wo der transversus perinei profundus nicht existirte, war der medius vorhanden und stark entwickelt. Lage. Um den M. transversus perinei profundus zu sehen und seine Lage zu bestimmen, präparirt man den M. transversus medius, bulbo- und ischio-cavernosi und die über diesen Muskeln liegende starke Lamina profunda Fasciae perinei propriae. Dann trennt man den M. ischio-cavernosus mit der Wurzel des Corpus cavernosum cli- toridis vom Knochen ab und legt beides nach vorn zurück. Darauf durchschneidet man die Lamina profunda quer durch, vor dem vor- deren Rande des M. transversus perinei medius und parallel mit diesem Rande. Dann durchschneidet man die Lamina profunda sa- gittal, längs der Fasern des M. bulbo-cavernosus und schlägt die Fascie als Lappen-nach vorn und außen zurück. Uber diesem so zurückgeschlagenen Blatte sieht man jetzt Venengeflechte, die von Bindegewebe und glatten Muskelfasern umgeben sind; über der La- mina profunda, entsprechend dem unter ihr gelagerten M. transver- sus perinei medii, findet man gewöhnlich quergestreifte Muskelbündel, t Handb. Il. Bd. 2. Lief. 1874. pag. 538, 500 P. Lesshaft die zwischen dem Aste des Sitzbeins und der oberen Fortsetzung des Septum perineale gelagert sind. Nach außen und vorn findet man Muskelbündel, die sich zur vorderen Wand der Vagina, zwi- schen sie und die Harnröhre begeben, — das ist der M. trans- versus vaginae FÜHRERsS. Nach innen und vorn sieht man den oberen Theil der BArTHoLın’schen oder CowPper’schen Drüse und die Seitenwand der Scheide. Über dem Muskel stößt man, nach außen, auf die Art. pudenda interna, nach innen besonders auf Venengeflechte. Hinter dem M. transversus perinei profundus ver- bindet sich die Fascia recto-vaginalis mit der Lamina profunda Fasciae perinei propriae. Dieser Muskel ist nach oben und außen vom M. levator ani auct. vollständig gesondert durch einen absteigenden Fortsatz der Beckenfascie, von dem ich später reden werde. Ursprung. Der M. transversus perinei profundus beginnt an der Innenfläche des aufsteigenden Sitzbeinastes, an der Stelle der Verbindung dieses Astes mit dem Ramus descendens pubis, oder sogar auch von letzterem. Einige Fasern scheinen von der oberen Fläche der Lamina profunda Fasciae perinei ihren Ursprung zu nehmen. Die Arteria pudenda interna liegt gewöhnlich über dem Ursprungstheil dieses Muskels. Verlauf. Die Fasern des M. transversus perinei profundus gehen quer nach innen, hinter der Scheide, sie bilden entweder einen eylindrischen Bauch, oder sind nach außen fächerförmig ; im letzteren Falle sammeln sich die Fasern alle zum hinteren Theile der Scheide. Man kann gewöhnlich an diesem Muskel eine obere und eine untere Fläche, einen vorderen und hinteren Rand unterscheiden. Je weiter nach innen (zur Scheide), desto mehr divergiren quergestreifte Mus- kelfasern, die sich zur vorderen Wand der Scheide zwischen sie und die Harnröhre richten, und die dem M. transversus vaginae ge- hören. Am Seitenrande der Scheide bleiben zwischen diesen ver- schieden gerichteten Muskelbündeln Venengeflechte (Plexus urethro- vaginalis) und glatte Muskelfasern, die hier meist sagittal, zwischen den einzelnen Theilen der Venengeflechte verlaufen, und vielleicht zur leichteren Entleerung dieser Geflechte beitragen. Insertion. Die paarigen Muskelfasern begegnen sich hinter der Scheide, verflechten sich hier theilweise mit einander und endigen, indem sie sich in der Lamina profunda fasciae perinei propriae verlieren und namentlich an der Stelle der Fascia recto-vaginalis, die hier in diese La- mina profunda übergeht. Diese Stelle entspricht dem Septum perineale Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 501 und ist dessen obere Fortsetzung. Einige Fasern gehen in das schwammige Gewebe über, welches hier zur Wand der Scheide gehört. Größe. Die Länge des M. transversus perinei profundus ist bei Weibern 4,2—4,6 em, das Minimum 3,4 cm, das Maximum steigt bis 5,1—5,3 em und sogar 5,5 em. Die Breite ist 5—6 mm, Minimum 3—4 mm, Maximum S—9 mm. Die Dicke ist 2,5—3 mm, Maximum 3,5—4 mm. Der Muskel beginnt in einigen Fällen breit und ver- schmälert sich in der Richtung zu seiner Insertion, kam aber auch, eben so wie beim Manne, mit entgegengesetzten Größenverhältnissen vor. Im Ganzen ist dieser Muskel beim Weibe schwächer ausge- sprochen als beim Manne. Wirkung. Die Hauptwirkung der Mm. transversi perinei besteht wohl darin, dass sie am Septum perineale ein Punctum fixum erzeugen. Überhaupt müssen diese Muskeln wie bei den Kontraktio- nen des M. sphineter externus, so auch des M. bulbo-cavernosus und constrietor vaginae wirken. Dass diese Muskeln in ihrer Ent- wicklung und im Vorkommen so variiren, ist wohl zu erklären durch den verschiedenen Grad der Entwicklung der hier gelagerten Schließ- muskeln des Darmes und Geschlechtsausganges, die ebenfalls in dieser Hinsicht stark variiren. Die Museuli transversi perinei schlie- Ben eine starke Spannung der Fascie aus, die, als wenig elastisches Gewebe, sich im letzteren Falle leicht ausdehnen und dann weniger Widerstand erzeugen würde. Die M. transversi perinei profundi scheinen außerdem auf die BARTHOoLIN’schen oder CowPper’schen Drüsen einen Druck auszu- üben. Diese Wirkungen kann man sich aus der Lage und dem gegenseitigen Verhältnisse der Muskeln zu den Schließmuskeln und den hier liegenden Drüsen leicht erklären. Die Wirkung der Mm. transversi perinei wird deutlicher, wenn man die, später unten zu beschreibenden Fascien dieser Gegend berücksichtigt. Musculus transversus vaginae. Wie oben schon angeführt ist, beschreibt FÜHRER einen M. trans- versus vaginae, den er dem M. transversus urethrae beim Manne analog hält. Das ist aber, so viel ich gesehen habe, nicht so, da auch beim Weibe der M. transversus urethrae existirt, und eben so wie beim Manne vor der Harnröhre, über den Corpora cavernosa clitori- dis endigt. So viel ich gesehen habe, ist der M. transversus vaginae, oder transversus urethro-vaginalis, ein beständiger Muskel, der in 502 P. Lesshaft 70 von mir angemerkten Fällen nur 17mal einseitig sehr schwach entwickelt war (10mal rechts und 7mal links). Lage. Der M. transversus vaginae liegt über (vertikale Stel- lung) der Lamina profunda Fasciae perinei profundae, im soge- nannten Diaphragma urogenitale HENLE. Es ist schwer mit HENLE dieses Diaphragma anzunehmen, das hieße die Sache in einen Kniiuel binden, einen Namen darauf schreiben und sie ununtersucht lassen. Über der Lamina profunda liegt, wie schon gesagt, der M. transversus perinei profundus; vor ihm, zwischen der Beckenwand und dem Raume zwischen der vorderen Wand der Scheide und der Harnröhre, findet man den aus quergestreiften Fasern bestehenden M. transversus vaginae. Gleich über ihm ist der M. constrictor urethrae gelagert. Vor ihm am Schambogen, sich nach vorn und über die Harnröhre richtend, liegen die Fasern des M. transversus urethrae. Die Räume zwischen diesen Muskeln sind durch Venengeflechte ausgefüllt, zwischen welchen überall glatte Muskelfasern eingelagert sind. Wenn man von vorn die Synchondrosis pubis sagittal in der Mitte durchschneidet, die Ossa pubis zur Seite legt, den hier gelagerten Plexus venosus impar durehschneidet und dann gerade bis zur Harn- röhre dringt und sie von vorn öffnet, so kann man hinter der Harn- röhre Muskelfasern sehen, die zwischen den Schamknochen und der vorderen Wand der Scheide liegen. Bei dieser letzteren Präpara- tionsmethode trifft man zur Seite und vor der Harnröhre zuerst auf den M. transversus urethrae und, nachdem man ihn zur Seite gelegt hat, auf den M. transversus vaginae. Ich habe diese Methode zu Kontrolluntersuchungen angewendet. Ursprung. Der Muskel beginnt schräg von der Innenfläche des absteigenden Schambeinastes, über der Art. pudenda interna, vor dem Anfang des M. transversus perinei profundus. Über dem Ursprunge dieses Muskels befestigt sich am Knochen der Processus descendens internus der Fascia pelvis. Verlauf. Vor dem M. transversus perinei profundus und hin- ter den Fasern des M. transversus urethrae gehen die Bündel des M. transversus vaginae nach vorn und innen zur vorderen Wand der Scheide nach hinten von der Harnröhre. Der Muskel ist gewöhnlich platt, mit einem vorderen und hinteren Rande, einer oberen und un- teren Fläche. Er ist von Venengeflechten und glatten Muskelfasern umgeben und liegt nach innen unter dem M. constrietor urethrae. Insertion. Die Fasern dieses Muskels verflechten sich vor der Scheide mit den unteren Fasern des M. constrietor urethrae, mit Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 503 dem schwammigen Gewebe der vorderen Wand der Scheide nach unten bis zur oberen Fläche der Lamina profunda Fasciae perinei propriae. Hier begegnen und verflechten sich die Fasern der Mus- keln von beiden Seiten. Größe. Die Länge des M. transversus vaginae ist 1,8—2,0 em, sie kann ein Maximum von 2,6—2,7 cm erreichen, und als Minimum 1,2—1,3 em lang sein. Die Breite ist 4—4,5 mm und kann bis 5 mm steigen. Die Dicke ist 2,5—3 mm. Wirkung. Erzeugt ein Punctum fixum zwischen der Scheide und Harnröhre, während der M. eonstrietor urethrae die Harnröhre seit- lich komprimirt. Ohne dieses Punetum fixum müssten die Mm. con- strietores urethrae die Harnröhre nach vorn zur Synchondrosis pubis ziehen und würden sie nicht komprimiren können. M. transversus urethrae. Dieser Muskel ist beim Weibe schwach entwickelt und scheint oft zu fehlen; ich habe ihn unter 70 Fällen eigentlich nur 12 mal genau verfolgen können (folglich in 17°/, der Fälle). Um den Mus- kel zu finden durchschneidet man die Synchondrosis pubis, zieht die - Knochen zur Seite und präparirt um das Ligamentum arcuatum pu- bis am vorderen Rande der Lamina profunda der Aponeurosis peri- nei propria. Oft weiß man nicht recht ob man obere Fasern des M. ischio-cavernosus vor sich hat, oder ob es Fasern des M. trans- versus urethrae sind. Der erstere Muskel liegt unter dieser Lamina profunda und der letztere über ihr, nur dadurch sind die Mus- keln zu unterscheiden. Hier kommen auch glatte Muskelfasern vor, welche die Untersuchung auch erschweren. Uberhaupt kann ich den Zahlen iiber das Vorkommen der zwei letzteren Muskel (Mm. trans- versus vaginae et urethrae) keine besondere Bedeutung geben, da ich nicht immer bestimmt entscheiden konnte, ob ich zwei selb- ständige, mit quergestreiften Fasern versehene Muskelkörper vor mir hatte, oder ob es nur glatte Maskelfasern waren. Eine mikroskopische Untersuchung ist nieht immer möglich, wenn das Präparat nicht frisch genug ist; außerdem kann bei der Zergliederung der Muskel leicht zerstört und nicht erkannt werden. — In solchen Fällen wur- den die Präparate nicht gezählt. Lage. Der Musculus transversus urethrae liegt, eben so wie beim Manne, über der Lamina profunda Aponeurosis perinei proprii, zwischen der Innenfläche des absteigenden Schambeinastes und der 504 P. Lesshaft vorderen, oberen Wand der Harnréhre. Unter dem Muskel ist die Art. pudenda interna et dorsalis clitoridis gelagert. Uber dem inne- ren Theil des Muskels liegt der M. constrictor urethrae und nach außen von ihm ein Venenplexus, der Plexus venosus urethro-vaginalis. Ursprung. Vor dem M. transversus vaginae beginnt der transversus urethrae, vom inneren Theile des Randes des Ramus descendens pubis, über der Anheftung der Lamina profunda Aponeu- rosis perinei profundi; in einigen Fällen entsprangen auch Fasern von der oberen Fläche der Aponeurose selbst. Verlauf. Die Fasern des Muskels gehen nach innen und vorn, über die Art. dorsalis clitoridis, wo der Muskel sich verbreitert, in- dem seine Fasern divergiren und sich zum vorderen (oberen) Theile der Harnröhre richten. Insertion. Vor der Harnröhre begegnen sich die paarigen Muskelfasern, verflechten sich in einander, theilweise verlieren sie sich hier zwischen den Wänden des Venenplexus, einige scheinen über die Vasa dorsalia clitoridis, unter dem Lig. arcuatum pubis hervorzukommen und in der Fascia clitoridis zu endigen. Größe. Die Länge des M. transversus urethrae beträgt 1,7 bis 1,8 em, Max. 20,5 mm, Min. 11—14 mm. Die Breite dieses Muskels ist in der Mitte 3,5 mm, Max. 8 mm (einmal), Min. 2,5 bis 3 mm. Seine Dicke ist 2—2,5 mm. Wirkung. Beim äußeren Fixirungspunkte dieses Muskels muss er bei seiner Kontraktion die Wände des Venenplexus span- nen und vielleicht auch, eben so wie er beim Manne.die Vena dor- salis penis komprimirt, die Faseia clitoridis spannen und dadurch zur Erection des Gliedes beitragen. Musculus bulbo-cavernosus. Beim Weibe wird dieser Muskel unter verschiedenen Namen be- schrieben, als M. constrietor cunni s. compressor bulborum vestibuli, s. orbieularis vaginae, s. sphincter cunni ete. Ich glaube, dass der beim Manne gebrauchte Name dieses Muskels wohl auch beim Weibe bleiben kann; dadurch wird auf die zwischen diesen Muskeln beste- hende Analogie hingewiesen und der Muskel in Hinsicht seiner Lage am besten bezeichnet. Bei einer genaueren Untersuchung dieses Muskels beim Weibe kann er, eben so wie nach G. L. KoBELT! ! Männliche und weibliche Wollustorgane. Freiburg i. Br. 1844. pag. 16. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 505 beim Manne, in einen M. constrictor radicis clitoridis und einen M. compressor bulbi proprius gesondert werden. Der von BourGery ! als »Transverse du perinde« beschriebene Muskel ist wohl nur eine Anomalie, die dem Caput accessorium M. bulbo-cavernosi s. M. ischio- bulbosus Cuvier beim Manne entspricht ?. Lage. Der Museulus bulbo-cavernosus liegt beim Weibe zwi- schen dem Septum perineale und der Clitoris auf der Außenfläche des Bulbus urethrae (s. vestibuli s. Corpus cavernosum urethrae HENLE) und der Glandula Bartholini. Seine Fasern gehen sagittal von vorn (oben) nach hinten (unten). Seine Außenfläche ist von der Lamina superfieialis aponeurosis perinei propriae bedeckt. Uber dem Muskel ist die Lamina profunda dieser Aponeurose ausgespannt. Wenn Luscuka diesen Muskel als »unpaarig« (pag. 13) bezeichnet, so ist das wohl als Druckfehler anzusehen, da aus seiner Beschreibung die- ser Muskel sich als paarig erweist, was er auch wirklich ist. Ursprung. Der M. bulbo-cavernosus s. compressor bulborum vestibuli beginnt zwischen dem After und dem Vestibulum vaginae vom Septum perineale, wo er sich mit den Fasern des Afterschlie- Bers verflicht, wobei einige Fasern dieses letzteren Muskels gerade in die Fasern des M. bulbo-cavernosus übergehen. Außerdem ent- springen noch Fasern von der unteren Fläche der Lamina profunda der Aponeurosis perinei propria, in der Richtung vom Septum peri- neale zum aufsteigenden Sitzbeinaste. LuscHkA sagt (pag. 14), dass er: »niemals gefunden hat, dass der Ursprung von einem medianen Sehnenstreifen des Dammes geschieht«. Weiter meint er: »An den inneren Rand dieses Muskels (M. compr. bulb. vest.) legt sich eine schmale Fortsetzung von Fleischfasern an, welche aus der vor dem After eingetretenen Durchkreuzung von Biindeln des Sphincter ani externus hervorgegangen ist, während sich an seinen äußeren Rand ein Bündelchen begiebt, das sich von dem vorderen Rande des Muse. transversus perinei superficialis abgelöst hat.« Wo diese Muskeln sich kreuzen und in einander übergehen, da ist eben das Septum perineale, und es fällt schwer bestimmt zu sagen, ob ein gegebenes Muskelbündel hier am Septum beginnt, oder eine Fortsetzung ande- rer Muskel ist. Die von der Lamina profunda entspringenden Mus- keln beginnen meistens mit Sehnenfasern. ' Anatomie descriptive. Appareil de Relation. T. II. Paris 1852. pag. 63. Pl. 165 Fig. 2. 2 Siehe meinen Aufsatz Archiv f. Anatomie, Phys. etc, 1873. pag. 48. Morpholog. Jahrbuch. 9. 33 506 P. Lesshaft Verlauf. Die Bündel dieses Muskels richten sich nach vorn (oben), bedecken als dünne, breite Schicht die Barrno.in’sche Drüse und den Seitentheil des Corpus cavernosum urethrae (s. Bulbus urethrae s. Bulbus vestibuli) bis zum vorderen Ende dieses Theils. Hier theilen sich die Muskelbündel, die unteren (bei vertikaler Stel- lung) gehen weiter nach vorn und oben, zur Seitenfläche und zum Rücken der Corpora cavernosa clitoridis (das wird also ein M. con- strietor radicis elitoridis sein); die oberen gehen nicht weiter, son- dern reichen nur bis zur Stelle, wo sich das Corpus cavernosum urethrae und das Corpus cavernosum clitoridis an einander lagern. Insertion. Die unteren Fasern (vordere Portion KOBELT, oberflächliche Portion Luscuka) befestigen sich theilweise an der Seitenfliiche der Corpora cavernosa clitoridis, theilweise endigen sie an der unteren (inneren) Fläche der Fascia clitoridis, über den hier verlaufenden dorsalen Gefäßen und Nerven. Eine platte, dünne Sehne, wie sie hier Koper beschreibt (l. e. pag. 49), habe ich nicht gese- hen, eben so wenig als Muskelbündel, die gegen den Mons Veneris aufstiegen. Die letzteren Bündel des M. bulbo-cavernosus habe ich in einem Falle beim Manne angetroffen. Sie gingen als Fortsetzung des M. constrictor radieis penis an beiden Seiten der Corpora caver- nosa penis zum Lig. suspensorium penis und endigten hier, nach oben bis zur Synchondrosis pubis reichend. Die oberen Fasern (hin- tere Portion KOBELT, tiefere Portion LuscHKA) endigen, indem sie in die Faserhaut des Corpus cavernosum urethrae übergehen und sich zwischen den angrenzenden Theilen des Corpus cavernosum cli- toridis und urethrae verlieren, indem ihre Sehnenfasern zwischen den hier befindlichen Venennetzen endigen. — Die von KoBELT be- schriebene bandförmige Sehne habe ich hier nicht gesehen, auch nicht die von LuscHKA angegebene Aponeurose, zu der die Fasern mit dem entsprechenden Gebilde der anderen Seite zusammenfließen sollen (l. ec. pag. 14), nur scheinen die Sehnenfasern beider Seiten zwischen den Venen in einander überzugehen. Größe. Die Länge des M. bulbo-cavernosus ist rechts gewöhn- lich etwas größer als links, rechts 6,9— 7,5 cm (Max. 8,6 em), links 6,5—6,8 em (Max. 7,7 em). Die Breite ist von 1,3 em (links) bis 1,4 em (rechts), Max. 1,6 em. Seine Dicke ist 2 (links) bis 2,5 mm (rechts), Max. 3,5 mm. Wirkung. Der M. bulbo-cavernosus komprimirt wohl das Cor- pus cavernosum urethrae und drängt es nach innen, aber als Schlie- Ber der Scheide kann er doch nicht angesehen werden, da das Cor- Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 507 pus cavernosum urethrae hauptsächlich das untere Ende der Harnröhre umlagert und daher erigirt und von außen komprimirt, vielleicht die Harnröhre unten schließt, aber nicht die Scheide. Nach LuscHKA ist der Muskel »hauptsächlich dazu bestimmt, durch Kompression derjenigen Venen, über welchen seine sehnigen Enden ausgebreitet sind, die Füllung des Schwellapparates zu sichern«. M. constrictor vestibuli s. sphincter vaginae. Bei der Stute, Hündin, Katze, dem Schweine und Kaninchen beschreibt KoBELT'! einen wahren M. constrictor vestibuli, »welcher das Vorhofsrohr in seiner ganzen Länge mit koncentrischen Lagen meist derber und quergestreifter Muskelbündel umgiebt, die oft äußer- lieh noch von Längsfasern überdeckt sind und mit dem Compressor bulbi gar nicht verglichen werden können«. LuscHKA? beschrieb diesen Muskel auch beim Weibe und schlug vor ihn hier »M. con- strietor eunni profundus« zu nennen, während er den M. bulbo-ca- vernosus als constrictor cunni superficialis bezeichnet. Der von J. D. Sanrorinr »Muliebris urethrae depressor« genannte und abgebil- dete Muskel kann selbst nach der Beschreibung LuscuKa’s nicht als Theil des M. constrictor vestibuli angesehen werden, da er, wie auch LuscHKA sagt, als dünnes Muskelstratum »zwischen M. ischio-caver- nosus und Constrietor eunni auf der sogenannten Aponeurosis perinealis liegt«. Beim Weibe scheint dieser Muskel vor LuscHkA nicht beschrie- ben zu sein. Er ist nieht immer gut zu bestimmen, ist oft so blass, dass er von dem ihn umgebenden Gewebe nicht zu unterscheiden ist. Am besten scheint er bei Weibern, die nicht geboren haben, entwickelt zu sein: bei diesen habe ich den Muskel immer gefunden. wenn er auch nicht immer gleich gut entwickelt ist. Der Musculus constrietor vestibuli ist mit keinem anderen Muskel zu verwechseln und seiner Lage nach genau von allen übrigen Muskeln der äußeren Genitalorgane zu unterscheiden. Lage. Der M. constrictor vestibuli liegt beiderseits nach innen vom Corpus cavernosum urethrae und der BARTHOLIN’schen Drüse, er umfasst die äußere Wand der Scheide und theilweise das untere Ende der Harnröhre. Er ist unter der Lamina profunda aponeurosis perinei gelagert und reicht mit seinen oberen Fasern bis zur tiefen Schicht 1 Wollustorgane. pag. 53. 2 Die Muskulatur am Boden des weiblichen Beckens. Wien 1861. pag. 15. 33* 508 P. Lesshaft dieser Perinealaponeurose. Uber diese Aponeurose scheinen die Fasern dieses Muskels nicht hinaus zu gehen. Nach hinten sind sie bis zum Septum perineale zu verfolgen, nach vorn bis zur inneren Wand des vorderen Mitteltheils des Corpus cavernosum urethrae. Nach innen vom Muskel ist der unter der Perinealaponeurose gelagerte Theil der Scheide, und theilweise auch der Harnröhre gelagert. Der Muskel ist somit leicht von jedem anderen Muskel zu unterscheiden. Ursprung. Die Fasern des Muskels beginnen hinter der Scheide, am Septum perineale, einige Fasern scheinen an der hin- teren Wand der Scheide zu entstehen. Ein Zusammenfließen des unteren (hinteren) Abschnittes des Muskels mit dem vorderen Rande des M. transversus perinei profundus, wie es LuscHkA beschreibt, habe ich nicht gesehen, eben so habe ich nicht gesehen einen Über- gang von Muskelbündeln vom transversus perinei profundus zum M. constrictor, was nach LuscHKA »nicht selten« vorkommen soll. Diese Muskeln sind durch die Lamina profunda der Perinealaponeu- rose von einander geschieden und daher ist ein Übergang oder Zu- sammenfließen zwischen ihnen schwer. Verlauf. Der Muskel wird nach vorn (oben) breiter und be- deckt als Muskelschicht die äußere Wand des unteren Endes der Scheide, nach innen von der BArTHoLıIN’schen Drüse und dem Corpus cavernosum urethrae. Er wird an der Seitenwand von dem Ausfüh- rungsgange der Drüse durchbohrt. Nach vorn reicht der Muskel bis zur vorderen Wand der Scheide und den Seitentheilen der Harn- röhre. Insertion. Am vorderen Theile der Scheide angelangt, en- digen die Muskelbündel im Gewebe, welches den hinteren (unteren) Umfang der Harnröhre mit der Scheide verbindet und in der vorde- ren Wand der Scheide. Einige Bündel gehen weiter nach vorn (oben, in vertikaler Stellung) und inseriren sich vor (über) der Harnröhre an der inneren Wand des Corpus cavernosum urethrae. — Ringförmig das untere Ende der Scheide umgebende Bündel habe ich nicht finden können; so viel ich sie verfolgen konnte endigen sie vor (über) und hinter (unter) der Scheide und scheinen an dieser Stelle nicht ring- förmig in einander überzugehen. Nach LuscuKa liegt der obere (vordere) Theil des Muskels: »unter der so eben an die hintere Seite des Schoßgelenkes tretenden Vena dorsalis clitoridis«. Nach dem was ich gesehen habe, ist hier noch weit bis zu dieser Vene, da ich den Muskel nach vorn (oben) vom Corpus cavernosum urethrae nicht verfolgen konnte. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 509 Größe. Die Länge der Muskelbündel ist 6,4 em, Min. 4,6 bis 4,7 em, Max. 7,4 em. Die Breite in der Mitte des Muskelkörpers (von oben nach unten) ist 4,5—5 mm, Max. 10 mm. Die Dicke der Muskelschicht, in der Mitte gemessen, ist 1,5—2 mm. Rechts scheint die Länge des Muskels von 6—8 mm mehr zu sein als links. Wirkung. Der M. constrietor vestibuli muss die Scheiden- öffnung und den Scheidenvorhof verengern. Vielleieht können die vorderen Bündel durch ihre Kontraktion die innere Wand des vor- deren Abschnitts des Corpus eavernosum urethrae anspannen und da- durch das untere Ende der Harnröhre komprimiren. M. ischio-cavernosus. BOURGERY! theilt diesen Muskel beim Weibe in einen äußeren und inneren, den äußeren nennt er »M. ischio-elitoridien«, den inne- ren »M. ischio-cavernosus«. Den ersteren Muskel beschreibt er folgen- dermaßen: »Paralléle 4 Vischio-caverneux, il nait de lischion au devant de ce dernier, sur la face externe du quel il reste accolé. Ses fibres musculaires, trés longues, suivent la direction du corps caverneux et se terminent sur un petit tendon plat qui sinsére au- dessus de lextremité libre du elitoris.« Auf Tafel 105 ist der Mus- kel scharf yom M. ischio-cavernosus geschieden und nach außen von ihm gelagert. Unverständlich ist daher, wenn G. KoBELT? von diesem Muskel sagt: »Gewiss ist die Muskelpartie, welche BOURGERY als einen dritten und neuen Muskel der Clitoris zwischen dem Schei- denschniirer und Ischio-cavernosus gefunden haben will, nichts An- deres als die hintere Portion des constrictor cunni.« Hierauf folgt bei ihm die eben angeführte Beschreibung des Muskels von Bour- GERY und die Hindeutung auf die Abbildung des Muskels. — In der Beschreibung ist wörtlich gesagt: »sur la face externe« vom ischio- cayernosus, nur dass bei BOURGERY die Insertion »au dessus de l’ex- tremité libre du elitoris« angegeben wird, während wir bei Koper »au dessous« lesen, was wahrscheinlich KOBELT irre geführt hat. LuschkA® hat augenscheinlich sein Citat bei KoBELT genommen, macht daher denselben Fehler in seiner Folgerung. Ich glaube, dass kein Grund vorliegt den ischio-cavernosus zu ! Anatomie descriptive. Appareil de Relation. T. II. Paris 1852. pag. 64. Planche 105 Fig. 2—5. 2 Wollustorgane 1. e. pag. 49. 3 Die Muskulatur am Boden ete. pag. 15. 510 P. Lesshaft theilen und einen besonderen »M. ischio-elitoridien« anzunehmen, die Verhältnisse sind hier ganz gleich wie beim Manne, die Muskelbün- del sind durchaus nicht so scharf von einander geschieden, wie es Bourcery abbildet und er führt auch keine Verschiedenheit der Funktionen an, die eine Theilung nothwendig machen könnte. Die Lage und der Ursprung des M. ischio-cavernosus sind wie beim Manne, und weichen von der gewöhnlichen Beschreibung die- ses Muskels in den Handbüchern nicht ab. Die stärksten und läng- sten Bündel verlaufen längs der äußeren Fläche der Wurzel des Corpus cavernosum elitoridis. — Die übrigen kürzeren Bündel sind unten und innen längs dieser Wurzel gelagert und gehen bald in Sehnenfasern über, die mit der Albuginea des Schwellkörpers ver- schmelzen. Es endigen die äußeren Muskelbündel am Rücken der Corpora cavernosa, wo sie in Sehnenfasern übergehen und bis zu der Stelle reichen, wo die paarigen Schenkel zusammenkommen und das Cor- pus clitoridis bilden. Dass »nicht ganz beständig«, wie HENLE! sagt, »ein Theil der am meisten lateralwärts gelegenen Bündel des M. ischio-cavernosus mit gleichartigen Bündeln der entgegengesetzten Seite in einer Aponeurose zusammentrifit, welche den Rücken der Clitoris bedeckt«, habe ich nicht gefunden. So viel ich gesehen habe, gehen die Muskelfasern alle in die Albuginea clitoridis tiber, ich habe nicht gefunden, dass Fasern des M. ischio-cavernosus in eine die Clitoris bedeckende Aponeurose übergehen sollten. Eben so gehen, so viel ich gesehen habe, die inneren und unteren Fasern in die Albuginea der Schenkel der Clitoris über, und auch hier habe ich nicht Bündel auffinden können, die sich in die Sehnenhaut verlieren, die HENLE Lig. transversum pelvis bezeichnet hat, wie es HENLE ebenfalls beschreibt (pag. 538). Die Sehnenfasern der letzten Mus- kelbündel sind meist spiralig zum Rücken der Clitoris gerichtet. Größe. Die Länge der Muskelbündel ist im äußeren Theile am größten und ist 6,7—7—8 cm, Minimum 3,2 em, Mittel 5,5 bis 6 em, im unteren und inneren Theile ist die Länge der Bündel 2,3 bis 2,4 cm. Die Breite am Ursprunge des Muskels 7—10 bis 15 mm, Min. 4,5 mm. In der Mitte des äußeren Theiles ist oft eine sehnige Inscription zu sehen. Die Wirkung des M. ischio-cavernosus besteht in Hebung des Corpus clitoridis während der Erection. Die Muskelbündel richten ! Handb. der systemat. Anatomie d. Menschen. 2. Aufl. II. Bd. 2. Lief. 1874. pag. 537. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 511 sich mit ihren Sehnenfasern zur Riickenfliiche des weiblichen Gliedes, müssen daher bei Schwellung des cavernösen Gewebes des Gliedes es nach oben richten. Wie bekannt bilden die vorderen Schenkel der kleinen Schamlefzen das Praeputium und Frenulum clitoridis. Es ist nicht schwer sich durch Injektion am Kadaver zu überzeugen, dass bei Füllung der Corpora cavernosa-clitoridis das weibliche Glied anschwillt und sich nach oben richtet, wobei die Nymphen im vor- deren Theile aus einander gehen und so trichterförmig den Eingang zur Scheide öffnen. Wenn man am Lebenden die Wirkung des M. ischio-eavernosi noch hinzufügt, eben so wie die Schwellung der etwas höher gelagerten Corpora cavernosa urethrae, so muss dieser Trichter sich noch stärker ausbilden. Caput accessorium M, bulbo-cavernosi s, M. ischio-bulbosus Cuvier. Diese Muskelanomalie kommt beim Weibe eben so vor wie beim Manne und ist unter verschiedenen Namen beschrieben worden. BOURGERY ! nennt sie, wie ich schon oben gesagt habe, »transverse du perinee«. KOBELT ? sagt vom M. constrictor eunni (s. bulbo-caver- nosus), dass seine Bündel oft weit aus einander gespreitzt sind, so dass »die äußeren den aufsteigenden Ast des Sitzbeines berühren« ; auch E. H. WEBER, J. C. ROSENMÜLLER® u. A. gedenken des vom Ramus ascendens ossis ischii kommenden Bündels. LuscHkA führt M. J. WEBER an und meint, dass nach WEBER diese Bündel in der Regel vorkommen. H. LuscuKa sagt bei Beschreibung des M. com- pressor bulbo vestibuli (pag. 14), dass ihm »bis jetzt kein Fall vor- gekommen ist, in welchem der Muskel vom aufwärts steigenden Aste des Sitzbeines ausgegangen wäre«, während er (pag. 15) von Bour- GERY’S Muskel (M. ischio-clitoridien) übereinstimmend mit KoBELT meint, dass der Muskel »weiter nichts ist, als die hintere, tiefer liegende Portion des Constrietor eunnic. Aus alle dem ist zu sehen, dass Luscuka die Muskeln hier nicht genau genug unterschieden hat. Wenn er M. J. WEBER anführt, so hat er unberücksichtigt gelassen, dass der von diesem Forscher beschriebene M. constrictor 1 Anatomie descriptive. T. II. 1852. pag. 63. Pl. 105 Fig. 2. 2 Wollustorgane pag. 48. 3 J. C. RoSENMULLER’s Handb. d. Anatomie. 4. Auflage. Leipzig 1828. pag. 252. 62 P. Lesshaft cunni wohl schwerlich existirt, da seine Insertion von WEBER! so angegeben wird: »Befestigt sich, indem er den Eingang der Scheide umgiebt, an dem entgegengesetzten aufwärts steigenden Sitzbeinast.« So viel ich gesehen habe, ist dieser anomale Kopf des M. bulbo- cavernosus mit keinem anderen Muskel zu verwechseln. Der M. trans- versus perinei medius geht zum Septum perineale, der ischio-cavernosus zum Corpus cavernosum clitoridis; dieser Kopf geht vom Ramus ascen- dens ischii zum Corpus cavernosum urethrae, wo er sich, wie beim Manne, den Fasern des M. bulbo-cavernosus anschließt. Er liegt immer unter der Lamina profunda der Fascia perinei propria. In 80 angemerkten Fällen war er 11mal beiderseitig vorhanden (13,75 °/o), er existirte gar nicht in 23 Fällen (28,75 °/,), nur linkerseits in 32 Fällen (40 °/,), nur rechterseits in 14 Fällen (17,50 /). Die Länge des Muskels beträgt von 4,5—6 em (Min. 3,5, Max. 6,2 cm); seine Breite ist von 7—12 (bis 23) mm. M. constrictor urethrae. In seiner Abhandlung über die Muskulatur am Boden des weib- lichen Beckens sagt Luscuka (pag. 17): »Was zuerst den Muse. pubo-urethralis anlangt, so hat James Wırson, der vermeintliche Entdecker »of two muscles surrounding the membranous part of the urethra«, seine Angaben und seine Abbildung ausschließlich nur auf das männliche Geschlecht bezogen und ich finde bei ihm auch nicht eine Andeutung, durch welche auf die weibliche Harnröhre hinge- wiesen würde. Gleichwohl sind von den meisten Autoren WILSON’s Angaben, die sie meist gar nicht einmal durch selbständige Unter- suchungen geprüft haben, ohne Weiteres auch auf das Weib über- tragen worden.« Bei J. Wiuson? lesen wir: »In the female, muscles are also found having exactly similar attachments to the pubes as there de- scribed in the male, the descend and separate on the urethra, and I have more than once traced them round it. They are situated between the levatores ani and sphincteris vaginae.« Aus diesen 1 Vollst. Handb. d. Anatomie d. menschl. Körpers. Bonn 1839. Bd. I. pag. 450. 2 Medico -chirurgical Transactions. V.I. 2. edition. London 1812. A de- scription of two Muscles surrounding the membranous part of the urethra. Read Dec. 13. 1808. pag. 179. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 513 Worten ist deutlich, dass Wırsox den von ihm beim Manne be- schriebenen Muskel auch beim Weibe gesehen hat. Genauere Untersuchungen sind beim Weibe über diesen Muskel. so viel ich weiß, nicht gemacht worden. LuscuKa leugnet die Exi- stenz eines Wırson’schen Muskels beim Manne ab und nimmt eine obere und untere horizontale Schicht des constrietor isthmi urethralis wie J. MÜLLER an!. Beim Weibe meint er, dass »die der weiblichen Harnröhre eigene, quergestreifte, dem Willenseinfluss unterworfene Muskulatur sehr unbedeutend ist«. Sie besteht aus quer verlaufen- den, nur sehr lose zusammenhängenden Bündelchen, welche den oberen Umfang und die Seiten der ganzen Harnröhre umziehen und sich ohne scharfe Grenzen zwischen den organischen Muskelfasern ver- lieren. »Die quergestreiften Muskelbündel, sagt er weiter, inseriren theils da an der vorderen Wand der Scheide, wo der festere Zu- sammenhang derselben mit der Harnröhre beginnt, theils verlieren sie sich vereinzelt in dem Gewebe der für Scheide und Harnröhre gemeinschaftlichen Wand.« Auf dieser selben Seite meint LuscuKa: »Jene dünne muskulöse Zwinge der Harnröhre vermag diese durch Anpressen an die vordere Wand der Scheide zum Verschluss zu bringen. Sie entspricht dem Stratum superius des M. constrictor isthmi urethrae des Mannes, während das dem letzteren noch zu- kommende Stratum inferius, so wie das Stratum circulare der Harn- röhre des Weibes gänzlich fehlen.« LuscuKa beschreibt hier eine »muskulöse Zwinge« der weiblichen Harnröhre und meint, dass sie nun dem Stratum superius der männlichen, »muskulösen Zwinge« entspricht. — Nun ist aber das Stratum inferius wohl nichts An- deres als der M. transversus perinei profundus beim Manne, den LuscHhkA beim Weibe eben so wie die anderen Autoren beschreibt ?. 1 Die Muskulatur am Boden des weibl. Beckens etc. pag. 18. 2 In der letzten Zeit ist ein Aufsatz von Dr. M. Horn erschienen: Uber den Verschluss des männlichen Beckens (Archiv f. Anat. und Phys. Jahrg. 1881. Anat. Abth. H. IV und V. Leipzig 1881. pag. 225—271). Dieser Aufsatz scheint hauptsächlich darauf gerichtet zu sein, die in der Litteratur herrschende große Verwirrung über die Fascien und Muskeln des Ausgangs des männlichen Beckens zu lichten und durch die, wie H. Hout sagt: »treffenden Aus- drücke« von LANGER: »Diaphragma pelvis proprium und Diaphragma pelvis ac- cessorium« zu ersetzen. Die Verwirrung zu lichten ist nicht so leicht und glaube ich, dass H. Horn oft Neues sieht, was nur als Berichtigung oder Er- gänzung angenommen werden kann. So meint H. Houu (pag. 253): »mit diesen (M. Wilsoni) Namen werden von den Autoren andere Muskelbündel beschrie- ben, als WırLsox im Sinne hatte; ©. KRAUSE, ARNOLD, C. HOFFMANN, GUN- 514 P. Lesshaft Nach den vorgenommenen Untersuchungen erweist sich, dass der M. constrietor urethrae beim Weibe eben so existirt, wie beim Manne, nur ist er beim Weibe schwerer darzustellen, da er von Venenge- THER, LESSHAFT, W. Krause« Bei allen diesen Autoren wird der M. Wil- soni mit dem M. levator ani auct. zusammengeworfen, wie ich (Archiv l. c. pag. 33) es von ARNOLD angefiihrt habe. — Ich fiihre die Beschreibung die- ses Muskels von WILSON an und suche nachzuweisen, dass ein M. Wilsoni wirklich existirt, nur mit der Berichtigung, dass er (l. ec. pag. 34): »von den Wänden des Venengeflechtes des Labyrinthus venosus SANTORINI und von dem diesem Geflechte eng anliegenden und bis zur Synchondrose reichenden Binde- gewebe beginnt. H. Hort meint dagegen, dass ich andere Muskelbündel beschreibe, als Wırson im Sinne hatte. Am Präparate ist nicht schwer sich zu überzeugen, dass zwischen der Pars membranacea urethrae und der Synchondrose ein großer Venenplexus liegt und jeder Muskel, der von der Synchondrose zu diesem Theile der Harnröhre geht, durchaus in irgend einem Verhältnisse zum Venenplexus sein muss, worauf auch ich hinweise. Ich finde keinen Grund, wegen dieser Berichtigung den Muskel als einen neuen anzusehen. Ich würde dadurch die existirende Verwirrung nur vergrößern. Was die Ausdrücke von LANGER anbelangt, so ist dadurch noch lange nicht Alles aufgeklärt und nachgewiesen und warum sollte der Ausdruck: »Dia- phragma pelvis accessorium« besser sein, als das von HENLE gegebene »Dia- phragma urogenitale«? Auf jeden Fall wird der letztere Ausdruck bezeichnender sein. Nun aber besteht wie das Diaphragma pelvis, so auch das Diaphragma urogenitale aus Theilen, deren Funktion nicht nur in Occlusion des Becken- ausganges besteht, sondern noch specielle Verhältnisse und Bedeutung für die Urogenitalorgane hat. Diese Verhältnisse und ihre Bedeutung müssen doch auch aufgeklärt werden. Eben so wie das Diaphragma pelvis aus den Mm. sphincte- res ani inferius et superius und den tiefer liegenden Mm. levatores ani besteht, muss auch das Diaphragma urogenitale untersucht und seine einzelnen Bestand- theile bestimmt werden. Es ist leicht diese Theile als Ganzes zu demonstriren, aber durchaus nicht so einfach die Einzeltheile zu isoliren und zu zeigen, und wo möglich ihre Bedeutung nachzuweisen. In dieser Hinsicht finde ich nichts bei H. Hour; sogar die Abbildungen sind schematisch und denen von HENLE ähnlich. In einer speciellen Arbeit müssten doch die Abbildungen originell sein, da sie doch das zeigen sollen, was vom Autor gefunden und aufgeklärt wird. Der Verschluss des männlichen Beckens von H. Hout erscheint als Be- stätigung des von LANGER beschriebenen, mit besonderer Accentuirung der von ihm gebrauchten Ausdrücke. Die Bedeckungen des Diaphragma proprium und accessorium lassen sich sehr schwer theilen und so trägt diese Beschreibung wohl nicht zur Lösung der hier herrschenden Verwirrung bei. Die obere Be- deckung des Diaphragma proprium soll die von mir beschriebene Beckenfascie ‘Fascia pelvis) sein. »Sie entspringt, schreibt H. Horn (pag. 260), längs einer Linie, die den unteren Rand der Symphysis ossium pubis mit der Spina ischii verbindet; diese Ursprungslinie manifestirt sich durch bogenförmig eingewebte Sehnenstreifen als sogenannter Arcus tendineus.« Wenn man das Bauchfell von den Seitenwiinden der Beckenhöhle ablöst, es bis zur Harnblase und Rectum verfolgt und dann an diesen Organen abschneidet, so stößt man auf eine derbe fibröse Membran, die alle zwischen den Seitenwänden und den Eingeweiden lie- Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 515 flechten und glatten Muskelfasern umgeben ist. Am besten ist er zu finden, wenn man die Synchondrosis pubis, nebst Harnröhre und Scheide in der Mittellinie durchschneidet, die Schleimhaut der Harnréhre ab- löst und dann von innen nach außen präparirt. Nur bei dieser Prä- paration kann man den Muskel immer finden, bei der Präparation von außen nach innen, findet man hier so viel Venenäste und glatte Muskelfasern, dass man mit diesen Theilen leicht auch die Fasern des zu untersuchenden Muskels entfernt. Wenn der Muskel auf einer Seite zu fehlen scheint, so trifft sich das nur bei der Präpa- ration von außen nach innen; in solchen Fällen findet man den Muskel immer auf der anderen Seite, sobald man nur von innen nach außen nach dem Muskel sucht. Auf Grund meiner Unter- suchungen ist der M. constrietor urethrae beim Weibe, eben so wie beim Manne, konstant und erweist sich wie folgt: Lage. DerM. constrictor urethrae ist beim Weibe, in Hinsicht seiner Verhältnisse zur Harnröhe und seiner Wirkung, dem beim Manne beschriebenen analog. Er ist zu beiden Seiten der Harnröhre gelagert, seine Bündel gehen sagittal von vorn nach hinten. Nach vorn setzen sich die Fasern des Muskels mittelbar bis zur Synchon- drosis pubis fort; hier ist auch, wie beim Manne, ein Venenplexus gelagert, der sich zu beiden Seiten des Muskels nach hinten zu den Vorder- und Seitenwänden der Scheide begiebt und hier stark aus- geprägt ist. Über dem Muskel befindet sich die Harnblase, unter ihm die Mm. transversus urethrae et transversus vaginae. Hinter ihm die Scheide. Von den Mm. transversi vaginae et urethrae ist er durch eine dünne Membran gesondert. Unter den beiden eben genden Theile von oben bedeckt und an der man unmöglich irgend wo einen linearen Ursprung, wie es H. Hout beschreibt, finden kann. Wenn die obere Bedeckung des Diaphragma proprium der Pars visceralis fasciae pelvis Hyrru entspricht, so ist das Verhältnis dieser Bedeckung zu den Beckenwänden nicht gegeben und eine ganz unbestimmte Grenze dieser Bedeckung angeführt. Der Arcus tendineus kann wohl schwer als Grenzlinie angenommen werden, da man sich leicht überzeugen kann, dass er nicht mit dem Anfange des M. leva- tor ani auct. zusammenfällt, dieser Muskel höher von der Außenfläche der Beckenfascie seinen Anfang nimmt und folglich ein Theil des Muskels von der sogenannten Pars parietalis fasciae pelvis HyrrL beginnt. Die von mir gegebene Beschreibung der Fascia pelvis und ihrer Fortsätze nach innen, erkenne ich bei H. Hort nicht. In meiner Beschreibung der Fascia pelvis ist nirgends gesagt, dass sich diese Fascie »an die Prostata ansetze«, dass. dieselbe Fascie »an der Seitenfliiche der Prostata abwärts laufen und dann sich an derselben lateralwärts inseriren« soll (Horn 1. e. pag. 268). Im Gegentheil ich suche zu beweisen, dass die Fascia pelvis sich nirgends an die Prostata befestige. 516 P. Lesshaft genannten Muskeln liegt die Fascia perinei profunda. Nach außen vom seitlichen Venenplexus ist ein Fortsatz der Fascia pelvis ausge- spannt, der den Venenplexus nebst dem M. constrietor urethrae vom M. levator ani auctor. scheidet, so dass diese Muskeln auf keinen Fall verwechselt werden können. Die Wand der Harnblase, wo die Harnröhre beginnt und der obere Theil dieser letzteren sind von glat- ten eirkulären Muskelfasern umgeben (Sphincter vesicae HENLE). Die letzteren werden nach unten von animalen, eirkulären Fasern umge- ben, die schon in die Bündel des M. constrietor urethrae übergehen. Ursprung. Zwischen dem vorderen Theile der Harnröhre und der inneren Fläche der Synchondrosis pubis ist ein Venenplexus ge- lagert, der dem Plexus pubieus impar beim Manne entspricht. Von der Innenfläche des unteren Theils der Synchondrose gehen Binde- gewebsfortsätze aus, die mit den Wänden der Venen eng verbunden sind. Von diesen Fortsätzen und den Wänden der Venen beginnen die Fasern des M. constrietor urethrae. Auf Querschnitten kann man die Fasern längs der Bindegewebsfortsätze bis zum Perichondrium der Synehondrose verfolgen. Verlauf. Die vorn beginnenden Fasern gehen in Muskelbün- del über, die sich zu beiden Seiten der Harnröhre lagern, um hinter dieser Röhre sich wieder zu begegnen. Die Fasern divergiren hier- bei nach hinten, so dass, der Achse der Beckenhöhle parallel, der vordere Theil des Muskels am kürzesten ist und je weiter nach hin- ten desto mehr seine Bündel aus einander gehen. Die Bündel be- stehen aus blass röthlichen Muskelfasern, die näher zur Harnröhre blassgelblich werden und in blasse, glatte cirkuläre Fasern über- sehen, die die Harnröhre umgeben. Nach außen ist der Muskel schwer von den hier gelegenen Venengeflechten zu sondern, hier sind überall glatte Muskelfasern gelagert, welche die Zwischenräume aus- füllen und die Sonderung der Theile sehr erschweren. Die obersten Bündel gehen theilweise zur Seitenwand der Scheide, die übrigen richten sich mehr zu ihrer vorderen Wand. — Die Außenfläche des Muskels rein darzustellen ist schwer und gelingt nicht immer, man verfolgt die Fasern am besten auf Horizontalschnitten, durch die Mitte des Muskels geführt, und bei der Präparation der Harnröhre von innen nach außen, nachdem man die Röhre in der Mitte sagit- tal durchsehnitten hat. Insertion. Die Fasern des M. constrictor urethrae treffen hinter der Harnröhre zusammen und endigen hier, indem sie sich mit dem Gewebe der vorderen Wand der Scheide verflechten, so- Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 517 gleich über der Stelle, wo die Fasern des M. transversus vaginae sich inseriren. Die obersten Bündel kann man oft zur Seitenwand der Scheide verfolgen, wo sie sich verlieren. Überhaupt ist es schwerer die Muskelfasern nach hinten zu verfolgen und genau ihr Verhältnis zur Wand der Scheide zu bestimmen; unter dem Mi- kroskope finden sich an der Stelle der Insertion meist elastische Fasern, die sich überall zwischen den Venenwänden verlieren, welche in der Wand der Scheide gelagert sind. Größe. Die Länge des Muskels, in sagittaler Richtung (von vorn nach hinten gemessen) beträgt im Mittel 20—21 mm, das Maxi- mum steigt bis 22 und 25 mm. Minimum der Länge ist 18 mm. Die Länge der oberen Bündel, die zur Seitenwand der Vagina ge- hen, ist 25 mm und kann bis 30 mm erreichen. Die Breite des Muskels (von oben nach unten, der Beckenachse parallel) in der Mitte gemessen ist 13 mm, Maximum 13,5—14 mm, Minimum 11 mm. Die Messung ist von der Seite der Harnröhre aus vorgenommen, bei der Präparation des Muskels von der Mittellinie nach außen. Die Breite des oberen Bündels, welches zur Seitenwand der Scheide geht, ist 5—7 mm. Die Dicke des Muskels, auf Horizontalschnitten be- stimmt, ist 2,5—3 mm, Maximum 4 mm. Das obere Bündel, wel- ches zur Seitenwand der Scheide geht, ist in 60 Fällen 20mal ge- funden, folglich in 33,3 °/, der Fälle. Wirkung. Nach dem Verhältnisse des Muskels zur Harnröhre ist er eben so als Schließer anzusehen, wie beim Manne. Soll der kontrahirte Muskel die Harnröhre schließen, so ist es unbedingt nö- thig, dass sein Ursprung und seine Insertion befestigt seien, nur dann können die bogenförmig die Harnröhre umgebenden Fasern gerad- linig sich kontrahiren und die zwischen ihnen liegende Röhre schlie- ßen. Nach vorn kann man die Fortsetzungen des Muskels bis zur Synehondrose verfolgen, wo ein fixer Punkt gegeben ist. Zum un- teren Theile der Insertion des M. constrictor urethrae richten sich die von hinten nach vorn und von außen nach innen gehenden Fa- sern des M. transversus vaginae. — Bei gleichzeitiger Kontraktion dieser Muskeln wird vor der Scheide ein Punkt fixirt, an welchem und über dem der M. constrictor urethrae sich inserirt. Außerdem werden während der Kontraktion dieses letzteren Muskels die Wände der Venengeflechte gespannt und daher gefüllt. 518 P. Lesshaft Resultate. 1) Am unteren Ende des Mastdarms ist die äußere Schicht des M. levator ani auct. als oberer Theil des M. sphincter externus zu unterscheiden. Dieser Theil ist ein Schließ- und kein Hebemuskel, wie ich das schon 1865 nachgewiesen habe. Der obere und untere Theil (M. sphincter ani externus auct.) des M. sphincter ani externi ist beim Weibe gleichmäßig entwickelt, während beim Manne der un- tere Theil stärker entwickelt ist. 2) Nach innen vom oberen Theil des Schließmuskels des Afters liegt ein eigentlicher Hebemuskel: M. levator ani proprius. Er besteht aus einer vorderen, die Scheide seitlich umfassenden, Portion und aus einer hinteren Steißbeinportion. Beide Portionen gehen zum After, den sie bei ihrer Kontraktion heben. Dieser Muskel ist beim Weibe stärker entwickelt als beim Manne. 3) Die Musculi transversi perinei sind, eben so wie beim Manne, zwischen der inneren Beckenwand und dem Septum perineale gela- gert. Sie sind eben so durch Fascienblätter von einander geschie- den und von unten nach oben (bei aufrechter Stellung) als superfi- cialis, medius und profundus zu unterscheiden. 4) Der M. transversus perinei superficialis kommt nur als seltene Anomalie vor, der M. transversus medius fehlt beim Weibe öfter als beim Manne, dasselbe ist vom M. transversus perinei profundus zu sagen. Der M. transversus vaginae ist wohl als Theil des M. trans- versus perinei profundus anzusehen, nur dass er nicht zum Septum perineale, sondern zur vorderen Wand der Scheide geht. 5) Die Mm. transversus urethrae et vaginae beginnen von der Beckenwand und endigen, der erste Muskel vor der Harnröhre, der letzte vor der Scheide. Alle queren Muskeln spannen die Aponeu- rosen und erzeugen fixe Punkte, die bei der Thätigkeit der Schließ- muskeln unbedingt nöthig sind. 6) Der M. bulbo-cavernosus beim Weibe ist dem gleichnamigen Muskel beim Manne analog, er verhält sich eben so, wie beim letz- teren, zum Corpus cavernosum urethrae. Die oberen Bündel dieses Muskels gehen gleichfalls zum Corpus cavernosum clitoridis über und können, den männlichen analog, als M. constrictor radieis cli- toridis bezeichnet werden. Bei Kontraktion dieses Muskels kann wohl der untere Theil der Harnröhre durch den geschwellten Bul- bus urethrae geschlossen werden. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 519 7) Das Caput accessorium M. bulbi-cavernosi s. M. ischio-bul- bosus Cuvier kommt beim Weibe eben so wie beim Manne vor und kann hier eben so wenig als selbständiger Muskel angesehen werden. 8) Nach innen von dem Corpus cavernosum urethrae wird der Ein- gang zur Scheide von einem Muskel umgeben, das ist der M. con- strietor vestibuli s. sphineter vaginae. Er scheint bei Frauen, die nicht geboren haben, am besten entwickelt zu sein und ist als Sphincter des Eingangs zur Scheide anzusehen. 9) Die Mm. ischio-cavernosi richten durch ihre Kontraktion die erigirte Clitoris nach oben, wobei die Labii minora aus einander weichen und eine Rinne begrenzen, die zum Eingange der Scheide führt. 10) Der M. constrictor urethrae existirt beim Weibe eben so wie beim Manne und ist schon von WıLsox gesehen worden. Er beginnt von dem Stroma des Plexus pubicus impar, umgiebt von beiden Seiten die Harnröhre und endigt hinter der letzteren, bis zur Vorderwand der Scheide reichend. Vom oberen Theil des Muskels gehen oft Muskelbündel zur Seitenwand der Scheide, wo sie sich verlieren. — Der Muskel wirkt hauptsächlich als Schließer der Harnröhre, wobei er die Wände des Venengeflechtes spannt, die vor und zur Seite des Muskels gelagert sind. Damm- und Beckenfascien. Vom Bindegewebegerüst, welches zur Verschließung des Aus- gangs der Beckenhöhle beiträgt, wird gewöhnlich gesagt, dass es eben so wie beim Manne gelagert ist, nur dass es noch eine Öffnung hat, von der die Scheide umgeben wird. VELPEAU! sagt von den Dammaponeurosen beim Weibe: »L’aponévrose présente, de plus que chez F’homme, une large ouverture qui circonscrit le vagin. Les deux lames sont peu distinctes en avant. Soutenant le perinée, elle est quelquefois assez forte pour résister longtemps, en empéchant la dilatation de la vulve pendant l’accouchement (CAMPER) et pour géner lintroduction de la main dans le rectum’ ou le vagin (Cu. BELL), surtout chez les femmes qui accouchent pour la premiere fois (ESTOR).« Das ist Alles, was er von diesen Aponeurosen beim Weibe mittheilt. 1 Traité complet d’Anatomie chirurgicale. T. Il. Paris 1837. pag. 321. 520 P. Lesshaft - Eben so wenig findet sich bei Ricner!, Hyrri? ete. Die Damm- und Beckenaponeurosen sind wirklich den männlichen analog, doch sind hier auch Abweichungen, die bestimmt praktisches Interesse haben, und zur genaueren Kenntnis der in dieser Region gelagerten Organe und Theile beitragen kénnen. Darum werde ich besonders auf die Beschreibung derjenigen Theile eingehen, die solche Abwei- chungen aufweisen und hierbei möglichst dieselben Bezeichnungen der einzelnen Theile beibehalten, die ich bei der Beschreibung der Damm- und Beckenfascien beim Manne angeführt habe. Eben so wie beim Manne ist auch hier eine Dammfascie oder Dammaponeurose und eine Beckenfascie zu unterscheiden. — Die Dammfascie (Fascia perinea propria s. Aponeurosis perinei) ent- spricht der unteren (Aponévrose inferieur) und mittleren (Aponévrose moyenne RICHET s. Aponévrose ano-pubienne VELPEAU) Aponeurose nach RıcHET; die Beckenfascie (Fascia pelvis) ist die obere Aponeurose nach RiCHET (Aponévrose superieur s. Fascia pelvis J. CLoquEr). Um bis zur Dammfascie zu gelangen muss die Haut, die Unterhaut-Fettschicht (Stratum subeutaneum adiposum) und die darauf folgende Bindegewebsschicht (Lamina profunda strati subeu- tanei s. Fascia superficialis) abpräparirt werden. Diese letzte Schicht ist eben so wie beim Manne nur längs der Mitte der Region deut- lich ausgesprochen. Man kann sie als besondere Membran nur von der Spitze des Steißbeins, in der Umgebung des Afters und der Scheide verfolgen, wobei diese Membran nach vorn als Grundgewebe der großen Schamlippen, der Tunica dartos entsprechend, endigt. Sobald man diese Schichten wegnimmt, so zeigen sich zu beiden Sei- ten des Afters die mit Fett gefüllten Höhlen, des Cavum ischio-rectale (Fossa ischio-rectale VELPEAU, Fossa s. Excavatio perinei THEILE). Die Unterhaut-Fettschicht ist die Fortsetzung dieser Schicht der Gesäßregion, je näher zur Mittellinie desto mehr verliert sich diese Schicht und geht, wie schon gesagt, in eine gut ausgesprochene Bindegewebsschicht über. Ein Fortsatz dieser Fettschicht nach oben füllt das Cavum ischio-rectale aus. In diesen Höhlen sind die ein- zelnen Fetttheile nicht in ein Gerüst von Bindegewebe gelagert, dessen Zwischenräume mit einander kommunieiren, sondern diese Theile liegen in vollständig geschlossenen Räumen, deren Wände von dünnen Membranen gebildet werden. Man kann sie nach oben a ' Traité pratique d’Anatomie. 5édit. Paris 18 2 Handb. d. topograph. Anat. 6. Aufl. Wien 1872. pag. 228—230. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 521 bis zur unteren Fläche der Aponeurosis perinei verfolgen, die das Cavum ischio-rectale austapezirt. Je höher nach oben desto stär- ker sind die Wände dieser Räume ausgesprochen. Diese Fettschicht wird von Gefäßen und Nerven (Vasa haemorrhoidalia inferiora und Nervi haemorrhoidales inferiores) quer durchsetzt. Die längs der Mittellinie gelagerte Bindegewebsschicht (Faseia superficialis reg. ano-perinealis) ist nur vor der Spitze des Steiß- beins selbständig ausgeprägt. Nach außen geht sie in die Fettschicht über, nach vorn umgiebt diese Fascie den After, reicht bis zum eigentlichen Damm und setzt sich weiter in die großen Schamlippen fort, von wo aus sie bis zum Mons veneris und die Inguinalregion zu verfolgen ist. In den Schamlippen bildet diese Fascie die Tu- nica dartos! (Sac dartoique Broca). Diese Benennung für die Fascia superficialis der großen Schamlippe ist nicht entsprechend, da wie RicHeT und SAPPEY richtig beschreiben, sie hauptsächlich aus elasti- schen Fasern besteht. »Die meisten elastischen Fasern der Tunica dartos (fibres dartoiques), sagt RıcHET?, beginnen im Unterhaut- gewebe des Bauches, in der Umgebung des Annulus inguinalis ex- ternus und von den Seitentheilen des Ligamentum suspensorium. Von hier steigen die Fasern hinab zu den großen Schamlippen und begegnen sich hinter diesen Lippen am Damm mit.den Fasern der anderen Seite. Die einen Fasern verlieren sich von hier im Unter- hautgewebe des Dammes, die anderen gehen zum Schambogen zurück.« Es geht wirklich die Fascia superficialis in das Grundgewebe der Schamlippen über, welches vollständig der Tunica dartos des Sero- tum beim Manne entspricht, nur dass es hauptsächlich aus elastischen Fasern besteht und keine glatten Muskelfasern enthält. Nachdem die Haut, die Unterhaut-Fettschicht und die Fascia superficialis in der ganzen Regio ano-perinealis wegpräparirt sind, entblößt sich die eigentliche Dammfascie, oder Dammaponeurose (Aponeurosis s. fascia ano-perinealis propria), die diese ganze Re- gion einnimmt. Sie ist, eben so wie beim Mantie, in einen hinteren, analen Theil (portio analis, Aponévrose ischio-reetale VELPEAU) und einen vorderen, perinealen Theil (portio perinealis, Apon&vrose perineale proprement dite VELPEAU) zu scheiden. ! RıcHET, Traité pratique d Anatomie médico-chirurgicale. 5. Edit. Paris 1877. pag. 930. 2]. e. pag. 930—931. Morpholog. Jahrbuch. 9. 34 522 P. Lesshaft Portio analis fasciae ano-perinealis propriae s. Aponeurosis analis. Zu beiden Seiten des Afters sind beim Weibe, eben so wie beim Manne, die konischen Héhlen (Cavum ischio-rectale) gelagert. Sie sind hier geräu- miger und mit ihrem Ausgange mehr nach unten gerichtet. Die Wände werden ganz eben so wie beim Manne gebildet. Ganz gleich wie beim letzte- ren werden diese Höh- len von dem hinteren oder analen Theile der Fascia perinei austape- Hinterer Frontalschnitt. zirt, welche eben so A Mastdarm, B Fascia pelvis, C Cavum ischio-rectale, D M. leva- e tor ani (auct.), H Vasa et Nervi pudendi comm., @ Fascia obtura- eine Fortsetzung der toria (F. pelvis et Proc. descendens fasc. pelvis externus), b Proc. Fascia glutea ist. Sie descendens f. pelvis internus, c Portio anale apon. perinei prof. , ist immer gut ent- wickelt, im äußeren, aufsteigenden Theile ist sie gewöhnlich stärker als im inneren, absteigenden Theile und verliert sich in der Umge- bung des Afters, wo sie mit der Fascia superficialis verschmilzt. An der Außenwand des Cavum ischio-rectale legt sich diese Aponeu- rose an die Fascia obturatoria, an der Innenwand bedeckt sie den unteren und oberen Theil vom Schließmuskel des Afters (M. leva- tor ani auctorum). Im Allgemeinen ganz wie beim Manne. Fig. 1. Portio perinealis fasciae ano-perinealis propriae s. Aponeurosis perinealis. Liings des hinteren Randes des M. transversus perinei medius (superfie. auct.) theilt sich die Dammaponeurose in ein oberfläch- liches Blatt (Lamina superficialis aponeurosis perinei s. Aponéyrose inférieure RıCHET), welches unter diesem Muskel gelagert ist, und in ein tiefes Blatt (Lamina profunda aponeurosis perinei s. Aponévrose moyenne RıcHET), welches sich über den M. transversus perinei medius lagert und sich nach vorn zum Arcus pubis richtet. Das oberflächliche Blatt der Perinealfascie liegt unter dem Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 523 M. transversus perinei medius, weiter nach vorn bedeckt es den M. ischio-cavernosus und bulbo-cavernosus, zwischen welchen es sich mit dem tiefen Blatte verbindet. Es befestigt sich am Rande des aufsteigenden Sitzbeinastes bis zum absteigenden Schambeinaste. Weiter nach vorn geht dieses Blatt auf die Corpora cavernosa cli- toridis über und setzt sich hier unmittelbar an die Fascia clitori- dis. Das oberflächliche Blatt ist beim Weibe schwächer entwickelt als beim Manne, man kann aber an ihm doch deutliche Querfasern unterscheiden, die die von der Membran bedeckten Muskelfasern kreuzen. Die Vasa et Nervi perinei, eben so wie die Vasa et Nervi labiales posteriores sind hier wie die analogen Gefäße und Nerven beim Manne gelagert. Dasselbe ist von allen übrigen Gefäßen und Nerven zu sagen, welche in dieser Gegend sich verzweigen. Das tiefe Blatt der Perinealfascie geht als Fortsetzung der hinteren (oder analen) Portion über den M. transversus perinei medius, an dessen hinterem Rande es sich vom oberflächlichen Blatte abtheilt. Weiter nach vorn von diesem Muskel lagert es sich über die Cowrer’sche oder BarrHoLın'sche Drüse (Glande vulvo- vaginale Ricuer) und den Bulbus urethrae, so wie über die Muskeln, welche die Drüse und den Bulbus bedecken. Seitlich bedeckt das tiefe Blatt die Wurzel der Corpora cavernosa clitoridis, und die sie um- gebenden Mm. ischio-cavernosi. Vorn reicht das Blatt bis zum Lig. arcuatum pubis und zum Rande des aufsteigenden Sitzbeinastes. Es verschmilzt ganz mit der Albuginea des Bulbus urethrae, dem oberen Umfange der Cowrer’schen Drüse und dem äußeren Um- fange der Scheide, von welcher dieses Blatt über dem Bulbus und der Drüse durchbohrt wird. Mit der Albuginea des Bulbus und der Drüse ist es so verschmolzen, das es nur abgeschnitten aber nicht abpräparirt werden kann. Vor der Scheide wird das tiefe Blatt von der Harnröhre durch- bohrt und entspricht dem vor der Harnröhre gelagerten Theile des tiefen Blattes beim Manne (das sogenannte Lig. triangulare urethrae s. Careassoni). Es ist schwächer ausgesprochen als beim Manne, doch kann man durchaus nicht sagen wie Richer: »beaucoup moins forte et résistable que chez l’homme«. Vor dem Mastdarme und hinter der Scheide verbindet sich dieses Blatt mit dem gleichnami- gen der anderen Seite. Nach unten von dieser Verbindungsstelle findet sich das Septum perineale. Am schwiichsten scheint das tiefe Blatt entwickelt zu sein zwischen der Stelle, wo es von der Harn- röhre durchbohrt wird und dem Lig. arcuatum pubis. — Uber 34* 524 P. Lesshaft diesem Blatte liegen die Mm. transversi urethrae, vaginae et perinei profundi — wie wir es später noch sehen werden!. ! Ich muss hier noch eines Aufsatzes von E. ZUCKERKANDL (Uber die Fascia perinei propria. Medicinische Jahrbiicher, herausg. v. d. k. k. Gesell- schaft d. Ärzte. Jahrg. 1875. Wien 1875. pag. 77—86) erwähnen. H. E. ZUCkER- KANDL klagt, dass in der Anatomie der Mittelfleischfascien: »eine Zerfahrenheit der Anschauungen herrscht, wie in wenigen Punkten der beschreibenden Anato- mie«. »Über die Zusammengehörigkeit der einzelnen Theile meint er weiter, und namentlich was die Benennungen anbelangt, giebt es fast so viel Ansich- ten als Autoren.« Das ist nicht immer richtig, da z. B. bei VELPEAU, DE- NONVILLIERS, RICHET, SAPPEY, CRUVEILHIER, HyRTL, HENLE, QUAIN u. A. die Beschreibungen und Bennungen so weit übereinstimmen, dass man am Prä- parate das Beschriebene immer nachsuchen und finden kann. Nicht so ist es in einigen speciellen Arbeiten über diese Gegend, was der Aufsatz von Herrn E. ZUCKERKANDL am besten beweist. Er beschreibt eine Fascia perinei pro- pria und eine Fascia perinei profunda. Von der vorderen Portion der Fascia perinei propria sagt er, dass sie beginnt »an den Vereinigungswinkeln der Cor- pora cavernosa penis und zwar an deren unteren, dem Bulbus urethrae ent- gegensehenden und näher liegenden abgerundeten Rändern, verlegt weiter hin- ten und unter ihrem lateralen Ursprung auf die den Schamwinkel konstituirenden Knochen und reicht stets, getreu die untere Fläche des M. transversus perinei profundus bedeckend, bis an eine durch die Sitzbeinhöcker gezogene Linea inter-ischiadica«. »Median heftet sich diese Fascie von beiden Seiten an die Albuginea des Bulbus urethrae und bildet, da die Anheftung rings um den Bulbus urethrae stattfindet, derart einen schon von MÜLLER angegebenen sehnigen Rahmen um diesen, dass die größere Partie die Harnröhrenzwiebel unterhalb, eine kleinere oberhalb des sehnigen Rahmens zu liegen kommt.« »Da die Fascia perinei propria, wie gezeigt, nur den Bulbus urethrae um- rahmt, dadurch den Bulbus selbst fixirt, die Pars membranacea urethrae aber hinter dem Bulbus liegt, so folgt aus diesem anatomischen Situs, dass dieser Harnröhrenantheil gar nicht in das Gehege der Fascia perinei pro- pria fällt, zu dieser Fascie in keine unmittelbare Beziehungen tritt, sondern hinter ihr eingehüllt und gestützt von der Fleischmasse des M. trans- versus perinei profundus liegt.« Ich habe hier die eigenen Worte des Herrn ZUCKERKANDL angeführt, um jedem Zweifel entgegenzukommen. Es ist unbegreiflich wie die Pars membra- nacea urethrae hinter den Bulbus zu liegen kommt und in gar keine unmit- telbare Beziehungen zur Fascia perinei propria tritt, welche den Bulbus urethrae umrahmt, ihn fixirt und von den Vereinigungswinkeln der Corpora cayernosa penis bis an eine Linea interischiadica reicht. Die Abbildung (Fig. III) ver- wirrt den Beschauer noch mehr, B soll der Bulbus urethrae sein? Da bei der Beschreibung nichts von der Lage der Organe gesagt wird, so kann begreiflich nur von Verhiiltnissen gesprochen werden, wie sie sich bei der aufrechten (ver- tikalen) Lage des Menschen erweisen miissen. Dass bei einer solchen (oder überhaupt irgend welcher Lage) die Harnröhre hinter den Bulbus urethrae zu liegen komme etc. ist wohl schwer am Präparate zu zeigen. Alles das findet Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 525 Um jetzt die Beckenfascie zu übersehen, müssen wir die Becken- höhle von oben untersuchen. Es wird zuerst das Bauchfell von den Seitenwänden der Beckenhöhle abpräparirt und nach innen bis zur Oberfläche der hier lagernden Organe verfolgt, wo es abgeschnitten wird. Mit dem Stiele des Skalpells wird das darüber liegende laxe Bindegewebe weggeräumt und so die Beckenfascie bloßgelegt, die zwischen den Wänden der Beckenhöhle und den darin gelagerten Organen ausgespannt ist. Die Beckenfascie, Fascia pelvis Cloquet s. Aponévrose supérieure Richet. Das Verhältnis der Beckenfascie zur Wand der Beckenhöhle ist beim Weibe eben so wie beim Manne. Sie beginnt eben so zu bei- den Seiten der Innenfläche der Synchondrosis pubis und des abstei- genden Schambeinastes als Lig. pubo-vesicalia, zwischen welchen hier eben so die Fascia pelvis als sehr dünne Membran eine Grube austapezirt. Weiter geht die Fascie von der Innenfläche des hori- zontalen Schambeinastes ab, bis zur Incisura obturatoria, begrenzt hier mit ihrem Rande die innere Offnung des Canalis obturatorius von unten und entspringt nach hinten, gleich unter der Linea ar- cuata, fast bis zur Artieulatio sacro-iliaca, welche sie nicht ganz erreicht. Ganz eben so geht sie weiter zum Kreuzbeine, wobei sie die Vasa hypogastriea und die hier gelagerten Nerven bogenförmig umgiebt und Fortsätze zwischen sie sendet. Bis zum unteren Rande der ersten Kreuzbeinöffnung ist der Anfang der Beckenfascie noch gut zu verfolgen, weiter nach innen und unten, zum unteren Rande des zweiten Kreuzbeinwirbels, verliert sie sich ganz und geht, zur Mit- tellinie angelangt, in laxes Bindegewebe über. Von den Wänden der Beckenhöhle beginnend, senkt sich die Fascia pelvis nach unten und innen ‘(das ist die sogenannte Pars parietalis fasciae pelvis Hyrrr), eben so wie beim Manne, bis zur Höhe der oberen Fläche der Ligg. pubo-vesicalia, die zwischen den Seiten- theilen der Synchondrosis pubis und dem unteren, vorderen Theile der Harnblase gelagert sind und glatte Muskelfasern bedecken, die zum M. detrusor urinae der Harnblase übergehen. Weiter steigt die sich auch bei Herrn Horı (pag. 270). Ich lasse hier die Fascia perinei profunda unberücksichtigt, sonst müsste ich wieder große Citate anführen und verweise daher auf das Original. Es ist schwer am Präparate das wiederzufinden, was bei Herrn ZUCKERKANDL beschrieben ist. 596 P. Lesshaft Fascia pelvis wieder auf und umfasst jetzt den unteren Theil der Harnblase, die Scheide und den Mastdarm,. geht längs der Außen- fläche dieser Organe nach oben und verliert sich hier im unteren peri- tonealen Bindegewebe. Dieser aufsteigende Theil ist die Pars visceralis ? Fasciae pelvis HykrL. Im tiefsten und untersten Theile der absteigen- den Beckenfascie ist hier auch der Arcus tendineus zu sehen, der von der Mitte des Lig. pubo-vesicale nach hinten und außen zur Spina ischii verläuft. Es unterscheidet sich folglich hauptsächlich die Fascia pelvis beim Weibe dadurch, dass sie die Scheide durchlässt und daher, die Beckenhöhle von oben austapezirend, eine Öffnung mehr als beim Manne enthält. RıcHEr meint, dass sie hier bedeu- tend schwächer sei als beim Manne (beaucoup plus faible que chez ’homme). Ich habe den ‚Unterschied der Stärke nicht so bedeutend gefunden und glaube sie wenig schwächer als beim Manne ausge- sprochen zu sehen. Der absteigende Theil bedeckt von innen den M. obturator externus und von dem unteren Theile seiner Außen- fläche beginnt ebenfalls der M. levator ani auct. Alle diese Ver- hältnisse, eben so wie die im hinteren Theile der Beckenfascie sind ‚wie beim Manne (s. Archiv f. Anat. l. ec. pag. 66—68). Um jetzt die Verhältnisse der Fascia pelvis zu den Dammapo- neurosen zu untersuchen, verfährt man ganz eben so wie beim Manne. Man sägt das Becken seitlich?, durch die Mitte der Tuberositas ischii und der Articulatio sacro-iliaca einer Seite, in sagittaler Rich- tung. Nach Entfernung des abgesägten Theiles der Beckenwand präparirt man von außen nach innen. Zuerst ist der M. obtura- tor internus zu sehen. Um den Muskel ganz wegzuräumen, wird der aufsteigende Sitzbeinast in der Mitte durchsägt, nach außen zurückgeschlagen und dann der Muskel abpräparirt. Nach Entfer- nung des Muskels ist die Außenfläche der Beckenfascie und der von ihr nach unten gehende äußere Fortsatz zu übersehen. Dieser Theil 1 Als Druckfehler findet sich bei mir Pars vesicalis (siehe 1. ec. Arch. f. Anat. 1873. pag. 67). 2 Auch hier sind Kontrolluntersuchungen sehr vortheilhaft. Man injieirt hierzu die Gefäße der Beckenhöhle durch die Art. hypogastrieca mit einer 15 und 20% ,igen Lösung von Chlorzink in Alkohol. Außerdem wird die Harnblase, Scheide und der Mastdarm mit dieser Lösung gefüllt und die bezüglichen Off- nungen umnäht und stark zugezogen. Lasse das Präparat ein oder zwei Tage liegen und säge es dann sagittal durch die Mitte des Beckens. Die Organe der Beckenhöhle werden in der Mitte, auch sagittal mit einem Gehirnmesser mög- lichst in einem Zuge durchschnitten und dann werden die einzelnen Theile von innen nach außen untersucht. An solchen Präparaten sind die topographischen Verhältnisse der Theile besser, als an gefrorenen oder anders bereiteten Prä- paraten zu sehen. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 527 der Faseia pelvis, der hier zu übersehen ist, mit dem Fortsatz nach unten, ist die sogenannte Fascia obturatoria, der Fortsatz allein ein Processus descendens externus Fasciae pelvis (a). Spaltet man diesen Fort- satz in der Mitte perpendiku- lär und legt ihn zur Seite, so sieht man in dem hinteren Theile: die Portio analis fas- ciae perinei propriae, welche hier das Cavum ischio-rectale einhüllt (e) und im vorderen Theile den M. levator ani auct. Entfernt man im hinte- ren Theile die eben erwähnte Dammfascie, so übersieht man Fig. 2. — Horizontalschnitt. den ganzen M. sphincter ani a Proc. descend. fase. pelvis ext. s. f. obtur., b Pars ant. proc. desc. int., c Pars post. proc. desc. int., externus und levator ani auct. pie. en anit he ee Auch diese Muskeln werden ,, M: obturator internus, x< M. levator ani auct., A xxx Rectum, 7. M. constrictor urethrae, XXxXX Vagina, wezgenommen und es entblößt Harnröhre und Venenplexus, XXXxX Cavum ischio- sich ein zweiter nach unten rectale. gehender Fortsatz der Beckenfascie, das ist der Processus descen- dens internus fasciae pelvis (d, c). Seine vordere Hälfte (2) liegt zur Seite der Scheide und Harnréhre mit den die letztere umgebenden Muskeln und Venengeflechten; seine hintere Hälfte (c) umfasst den Mastdarm. Spaltet man auch diesen Fortsatz, entsprechend der Mitte der Seitenwand des Mastdarms und der Mitte des Seitentheils der Scheide, löst darauf die Seiten- und die hintere Wand der Scheide, und Seiten- und vordere Wand des Mastdarms von den sie umgeben- den Membranen, so bleibt zwischen der Scheide und dem Mastdarme eine frontale Scheidewand, die sich auch als medialer, frontaler Fortsatz der Beckenfascie erweist, Processus descendens medius fasciae pelvis (d). Ich werde hier nur kurz diese Fortsätze beschrei- ben, da sie ganz analog wie beim Manne gelagert sind (s. Arch. f. Anat. ete. pag. 69—72). Der äußere Fortsatz befestigt sich in der ganzen vorderen, unteren und hinteren Umgebung des M. obturator internus und ver- schmilzt, nach unten und hinten (bei vertikaler Stellung), mit dem Lig. spinoso-sacrum und noch mehr nach unten mit dem Lig. tube- roso-sacrum. Zwischen seinem hinteren Theile und der Analportion der Dammfascie liegen die Vasa et Nervi pudendi communis. 528 P. Lesshaft Der innere Fortsatz der Beckenfascie (Processus descendens fasciae pelvis internus). Die Beckenfascie geht, wie gesagt, im pa- rietalen Theile nach unten und im visceralen Theile nach oben zu Harnblase, Scheide und Mastdarm. Von der unteren Fläche, der nie- drigst gelagerten Stelle, der Fascie geht der innere Fortsatz nach un- ten und befestigt sich vorn am Schambeine nach innen vom Ursprunge des M. levator ani auct. Im vorderen Theile (Pars anterior) geht er zur Seite der Harnröhre und den sie umgebenden Muskeln und der Scheide, von welchen er durch starke Venengeflechte geschieden ist. Absteigend richtet sich dieser Fortsatz nach unten und dann nach außen, verbindet sich hier theilweise mit dem äußeren Fortsatze, und befestigt sich an der Innenfläche des Ramus descendens pubis und ascendens ischii. Er endigt hier über der Lamina profunda der Fig. 3. Vorderer Frontalschnitt. a Fascia pelvis, b Proc. desc. fasc. pelvis extern. c Port, ant. proc. desc. fasc. pelv. intern., d La- mina prof. port. perin. Apon. perin. propr., e Vagina, f oberes Blatt des Diaphragma urogenitale, X M. obturator internus, XX M. levator ani auct., XXX Diaphragma urogenitale (HENLE). Dammfascie, von welcher er durch die M. transversi perinei profundi vaginae et urethrae geschieden ist. Weiter nach hinten, lings des hinteren Randes des M. transversus perinei profundus, verschmilzt dieser Fortsatz mit dem tiefen Blatte der Dammaponeurose und wird hier von den Vasa pudenda et Nervi pudendi communes durchbohrt, die sich unter ihm lagern. Die hintere Hälfte dieses Fortsatzes be- deckt die Seiten- und hintere Wand des Mastdarms und lagert sich hier zwischen den Mastdarm und den vorderen und hinteren Theil Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 529 des M. levator ani proprius (mihi). Nach unten verliert sie sich in Bindegewebe zwischen den Mm. sphincteres ani externi (inferior) und interni. Dieser Fortsatz ist mit dem Mastdarme durch lockeres zu- weilen Fett fiihrendes Bindegewebe verbunden. Sein vorderer Theil ist fest mit den nach innen von ihm gelagerten Venengeflechten ver- bunden und kann nur mit großer Vorsicht von diesem Geflechte ab- getrennt werden. Der mittlere oder frontale Fortsatz der Becken- faseie, Processus descendens fasciae medius (d), geht von dem Theile der Beckenfascie, der zwischen der Scheide und dem Mast- darme gelagert ist, wo man sie gut auf sagittalen Schnitten sehen kann. Von der Mitte der unteren Fläche dieses Theils der Fascia pelvis geht ein Fortsatz nach unten, zwischen der Scheide und dem Mastdarme, bis zur Lamina profunda fasciae perinei, mit welcher der Fortsatz verschmilzt. Zu beiden Seiten geht er eben so zur Innenfläche der Processus descendentes interni über, da wo diese Fortsätze von den Seitenwänden der Scheide zum Mastdarme über- gehen. An dem Processus medius kann man eine vordere und eine hintere Fläche unterscheiden; er ist, eben so wie beim Manne, dün- ner in seiner Mitte und verstärkt sich an den Stellen seiner Ver- schmelzung mit den seitlichen Fortsätzen. Seine vordere Fläche ist schwerer von der hinteren Wand der Scheide abzulösen, als beim Manne von der Prostata. Fassen wir jetzt alle die beschriebenen Damm- und Beeken- fascien zusammen, so verhalten sie sich folgendermaßen zu den ein- zelnen Theilen und Organen, die sie umgeben: 1) Zwischen der seitlichen Beckenwand, dem Lig. tuberoso- und Spinoso-sacrum, dem absteigenden Theile der Beckenfascie (Pars pa- rietalis fasciae pelvis) und dem Processus descendens externus ist der M. obturator internus gelagert (x). 2) Zwischen den äußeren und inneren Fortsätzen der Becken- fascie liegt im vorderen Theile der M. levator ani auct., im hinte- ren Theile das Cavum ischio-rectale von der Analportion der Damm- fascie umgeben, die Vasa et Nervi pudendi communes, die Mm. sphincter ani externus (oberer Theil) und Levator ani proprius (). 3) In der vorderen Hälfte der Mitte der Beckenhöhle wird ein membranöses Gerüst durch folgende Theile gebildet (bei vertikaler Lage des Körpers): vorn vom unteren Theile der Innenwand der Synchondrosis pubis, hinten von dem Processus descendens medius, seitlich von dem Processus descendens internus der einen und der 530 P. Lesshaft anderen Seite; oben von der Fascia pelvis (Pars visceralis fasciae pelvis), die hier zur Harnblase und dem oberen Theile der Scheide iibergeht, unten von der Lamina profunda fasciae perinei propriae. Dieses Geriist ist der Capsula prostata urethralis beim Manne ana- log. Beim Weibe bilden die benannten Theile eine vollständige geschlossene Kapsel, die man Capsula urethro-vaginalis nen- nen könnte (x). Diese Capsula urethro - vaginalis enthält: die Harnröhre, Scheide, den M. constrictor urethrae, große Venengeflechte, die alle diese Organe vor und seitlich umgeben, die Mm. transversi urethrae, vaginae et perinei profundi, die Vasa et Nervi pudendi communes: die Gefäße theilen sich hier in die Art. profunda und dorsalis elitoridis, und geben hier die Art. bulbosa und bulbo urethralis ab. 4) Die Musculi transversi perinei profundi, vaginae et urethrae sind immer jederseits von einem dünnen Bindegewebsblatt (f) be- deckt, welches zwischen dem unteren Theile des M. constrietor ure- thrae, der Scheide und Harnröhre einerseits, und der Innenfläche des Processus descendens internus anderseits angespannt ist. Sie theilt folglich den untersten Theil der Capsula urethro-vaginalis ab und bildet hier die Decke dieses unteren Theiles der Kapsel (x). Dieser Theil ist wohl dem Diaphragma urogenitale (HENLE) beim Manne analog und kann auch hier eben so genannt werden. Dieses Bindegewebsblatt habe ich immer auch beim Manne angetroffen. — Dieser ganze untere Theil der Kapsel, der oben durch das eben erwähnte Blatt und unten durch die Lamina profunda der Damm- fascie gebildet wird, enthält die angeführten Quermuskeln, die Vasa et Nervi pudendi communes mit ihren Ästen, und zwischen allen diesen Theilen gelagerte Venen und glatte Muskelfasern. 5) Der hintere Theil der Mitte der Beckenhöhle enthält auch ein analoges Gerüst, welches die Ampulla recti enthält. Die seit- lichen und hinteren Wände dieses Gerüstes werden von den inneren . Fortsätzen der Beckenfascie (Processus descendens internus) gebildet. Diese Fortsätze gehen hinter dem Mastdarme in einander über und sind hier am schwächsten ausgesprochen. Die Vorderwand bildet der Processus descendens medius. Oben gehen alle diese Fortsätze in die Beckenfascie über (Pars visceralis fasciae pelvis), die das Ge- rüst von oben vervollständigt. Das ist eine Capsula ampullae recti (&%). Nach außen und hinten liegt die Kapsel zwischen dem vorderen und hinteren Theile des M. levator ani proprius. Sie ver- liert sich nach unten in lockeres Bindegewebe, welches den M. Uber die Muskeln und Fascien der Dammgegend beim Weibe. 531 sphincter ani externus vom internus scheidet. Vor der Kapsel liegt die Scheide. Sie ist leicht von der Außenwand des Mastdarms ab- zulösen und verbindet sich mit ihm durch lockeres Bindegewebe, welchem oft auch Fett eingelagert ist. Resultate. 1) In der Regio ano-perinealis des Weibes ist, eben so wie beim Manne, unter der Haut eine Bindegewebs- und Fettschicht zu unterscheiden; die letztere setzt sich in das Cavum ischio-rectale fort und füllt es aus. Eine zusammenhängende Membrana, als Fas- cia superficialis ist gleichfalls nur von der Spitze des Steißbeins um den After und weiter nach vorn längs der Mittellinie bis in die Labia majora zu verfolgen, wo es das Grundgewebe dieser Falten bildet. 2) In der Fettschieht unter dem oberflächlichen Blatte der Damm- fascie kommt ein anomaler Muskel auf einer oder auf beiden Seiten vor, das ist der M. transversus perinei superficialis GRUBER. 3) Höher (vertikale Lage) folgt die Aponeurosis s. fascia ano- perinealis propria, sie ist eine Fortsetzung der Fascia glutea. Im hinteren analen Theile kleidet sie das Cavum ischio-reetale aus, im vorderen perinealen Theile theilt sie sich hinter dem Rande des M. transversus perinei medius in eine Lamina superficialis, die nach vorn in die Fascia clitoridis übergeht, und in eine Lamina profunda, die am Lig. arcuatum pubis endigt. 4) Zwischen diesen beiden Blättern sind jederseits gelagert: eine Radix des Corpus cavernosum clitoridis, die eine Hälfte des Corpus ca- vernosum urethrae, die BARTHOLIN’sche oder Cowrer’sche Drüse, die Museuli ischio-cavernosus, bulbo-cavernosus, constrictor vestibuli, transversus perinei medius und als Anomalie das Caput accessorium des M. bulbo-cavernosus. Endlich Vasa et Nervi perinei et trans- versi perinei und als Fortsetzung dieser Gefäße und Nerven die V. et N. labiales posteriores. Zwischen den Mm. ischio- et bulbo- cavernosi vereinigen sich das oberflächliche und tiefe Blatt mit ein- ander. Die Lamina profunda wird von der Harnröhre, einem Theil des Corpus cavernosum urethrae (der dem Colliculus bulbi beim Manne als analog kann angenommen werden), der BArTHOLIN’schen Drüse und der Art. profunda clitoridis durchbohrt. 5) Die Beckenfascie ist zwischen den Beckenwiinden und der Harnblase, Scheide und dem Mastdarm ausgespannt, von ihr gehen 532 P. Lesshaft, Ub. d. Muskeln u. Faseien d. Dammgegend beim Weibe. jederseits nach unten zwei seitliche (paarige, sagittale) Fortsätze (Processus descendens fasciae pelvis externus et internus) und ein mittlerer (unpaariger, frontaler) Fortsatz (Processus descendens me- dius fasciae pelvis). 6) Zwischen der seitlichen Beckenwand und dem Processus des- cendens externus ist der M. obturatorius internus gelagert. Weiter nach innen zwischen dem Processus descendens externus und inter- nus liegt der M. levator ani auctor. und hinter dem M. coceygeus die Vasa et Nervi pudendi communes, das Cavum ischio-rectale mit dem es umgebenden Theile der Dammfascie. 7) Der vordere Theil des Processus internus, der Processus des- cendens medius, die Lamina profunda fasciae perinei profundae, die Fascia pelvis und der untere Theil der Innenfläche der Synchondro- sis pubis bilden eine Capsula urethro-vaginalis. Diese Kap- sel enthält die Harnröhre, Scheide, die Mm. constrictor urethrae, transversi urethrae, vaginae et perinei profundi, die Vasa et Nervi pudendi communes mit ihren Asten, die Art. bulbosa und bulbo- urethralis. Starke Venengeflechte, die vorn und seitlich die Zwischen- räume zwischen diesen Theilen ausfüllen und mit der Kapsel fest zusammenhängen. Der untere Theil dieser Kapsel kann als Dia- phragma urogenitale (HENLE) angesehen werden. 8) Die hinteren Theile des Processus descendens internus (jeder- seits) und der Processus descendens medius mit der Fascia pelvis von oben bilden eine Capsula ampullae recti, die den entsprechenden Theil des Mastdarms enthält. St. Petersburg, den 11./23. Juni 1883. Taf. XXIV. Verlag y Wilh Engelmann in Leipzig Lith Anst wE A Runke, Leipzig Erklärung der Abbildungen. Tafel XXIV. Fig. 1. a M. sphincter ani externus inferior. M. sphincter ani externus superior. ce M. coccygeus. d M. obturator internus. A Glans clitoridis. B Corpus cavernosum urethrae. © BARTHOLIN’sche oder CowpEr’sche Driise. D Orifieium urethrae. E Orificium s. introitus vaginae. a M. sphinter externus inferior. b M. transversus perinei medius. e M. ischio-cavernosus. d M. bulbo-cavernosus. e M. constrictor vestibuli s. sphincter vaginae. Fig. 3. A, B, C,:D,.E wie in Fig 2: b, c,.d, e wie in Fig, 2. f M. transversus vaginae. g M. transversus perinei profundus. h Lamina profunda Aponeurosis perinei propr. Fig. 4. A Uterus. B Rectum. a M. levator ani proprius. Processus descendens fasciae pelvis internus. M. constrictor urethrae. M. transversus perinei profundus. > Qo Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. Von Hermann Klaatsch. Mit Tafel XXV—XXVII. Als ich mich im Frühling des Jahres 1883 einige Monate an der Bucht von Villafranca bei Nizza aufhielt, fand ich Gelegenheit, einen zu den Campanularien gehörigen Polypen, und zwar eine Clytia zu untersuchen. Es war zunächst die Entwicklung dieser Polypen aus der Planula, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie erschien mir um so mehr als ein Feld, dessen Bearbeitung geboten sei, als der Entwicklungsgang dieser Formen bisher nur von KOWALEVSKY untersucht wurde. Aus dem deutschen Auszuge!, der von seinen »Untersuchungen über die Entwicklung der Coelenteraten«2 erschienen ist, so wie aus den, dem Original beigefügten Abbildungen ersehe ich, dass es nur der erste Theil der Entwicklung der Eier von Eucope polystyla, nämlich bis zum Planulastadium ist, den er einer ausführlichen Besprechung würdigt, während er die Entwicklung der Planula zum Polypen nur ganz kurz berührt. Von dieser mir gesteckten Aufgabe wurde ich jedoch abgelenkt, indem ich mich über den Bau der erwachsenen Individuen zu orien- tiren suchte. Denn weit entfernt, hierin mich auf die Arbeiten frü- herer Autoren stützen zu können, erkannte ich bald die Nothwendig- keit, mich vorläufig ganz auf den Bau des erwachsenen Thieres zu beschränken, um diesen klar zu stellen, bevor ich seine Entwicklung studirte. ! Jahresberichte der Anatomie und Physiologie. HOFFMANN und SCHWALBE. 1873. 2 Nachrichten der kaiserlichen Gesellschaft der Freunde der Naturerkennt- nis, der Anthropologie und Etnographie. Moskau 1875. (Russisch.) Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 535 Je weiter ich in dieser Untersuchung vorrückte, desto klarer sah ich, wie wenig bisher in dieser Hinsicht gearbeitet worden ist, wie dürftig die rein deseriptiven Angaben über die Campa- nularien sind, gar nicht davon zu reden, dass auch nur Versuche einer richtigen Deutung der einzelnen Theile kaum in der Litteratur zu finden sind. Am werthvollsten waren mir von den einschlägigen Schriften KLEINENBERG’s Hydra! und F. E. Scuunze’s? Cordylo- phora lacustris, obwohl der erstere gar nicht, der letztere nur in sehr wenigen Punkten der Campanularien Erwähnung thut. Die Aufgaben, die durch das mir zur Verfügung stehende Ma- terial gegeben waren, erschienen mir so wohl umschrieben und ga- ben mir so hinreichend viel zu thun, dass ich von einer Ausdehnung meiner Untersuchungen auf nahe stehende Abtheilungen ganz absah und mich ganz auf die Behandlung einer Form beschränkte. Da- mit ist keineswegs ausgeschlossen, dass ich mich der vergleichen- den Betrachtungsweise als Methode bediente, wo es das Verständnis der Organisation meiner »Clytia« nöthig machte. Ich möchte hier- dureh den Standpunkt gekennzeichnet haben, den ich bei der Ver- werthung des Beobachteten eingenommen habe. Bereits hier muss ich bemerken, dass es die bezeichnete Be- trachtungsweise ist, die mich in manchen Punkten zu Anschauungen hat gelangen lassen, in denen ich vorläufig allein zu stehen scheine. Es gilt dies vor Allem von der wichtigsten der Aufgaben, die sich mir alsbald aufgedrängt haben, die Beantwortung der Frage, wie die Chi- tinhülle der Campanularien aufzufassen sei. Wenn ich die Behandlung dieser Frage der Besprechung aller übrigen Theile meines Polypen folgen lasse, so rechtfertige ich diese Art des Vorgehens damit, dass die genaue Erkenntnis des Weichkörpers das Verständnis des Gehäu- ses auf das beste vorbereitet. Bei der Anführung der bisherigen Arbeiten über den speciellen Gegenstand dieser Blätter bin ich geneigt, eine Sonderung derselben vorzunehmen in ältere Schriften, z. Th. Reisebeschreibungen, in de- nen überhaupt der Campanularien Erwähnung gethan wird, und neuere den letzten beiden Jahrzehnten angehörige Untersuchungen. Die Beschäftigung mit jenen älteren Arbeiten besitzt ein großes, aber mehr historisches Interesse. Ich kann mich um so weniger ! KLEINENBERG, Hydra, eine anatomisch-entwicklungsgeschichtliche Unter- suchung. Leipzig 1872. 2 F. E. ScHULZE, Über den Bau und die Entwicklung von Cordylophora lacustris. Leipzig 1871. 536 Hermann Klaatsch hier mit ihnen eingehend befassen, als nur wenige derselben mir im Original zugänglich gewesen sind. Sie reichen zurück bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die älteste Schrift, in welcher die Campanularien beschrieben werden, rührt her von Eruis!. Er schildert stockbildende Campanularien, — von, denen er übrigens auch einige entwicklungsgeschichtliche, auf die Medusensprossung bezügliche Facta mittheilt — als pflanzenartige Produkte des Mee- res, die aus vielen feinen Zweigen bestehen, welche zahlreiche Ra- mifikationen eingehen. Nach Eurıs befasste sich CAvoLını? mit Cam- panularien und bestritt manche der Behauptungen des älteren Be- obachters. Auch GRANT? wandte seine Aufmerksamkeit mehr der Fortpflanzung, als dem Bau unserer Polypen zu. Er scheint Cam- panularia dichotoma gekannt zu haben. Dieselbe Richtung herrschte auch bei Meyen?‘ vor, der in seiner »Reise um die Erde« Campanu- larien beschreibt. Es sind hier ferner zu nennen J. G. DALyELL> und EHRENBERG® in seinen »Korallenthieren des rothen Meeres«, als solche, die Campanularien kannten und beschrieben. Die erste eingehende Schilderung erfuhren diese Polypen durch Lister? und durch Lov£n®. Sie beschrieben sie, für jene Zeit sehr gut und richtig, und erläuterten ihre Darstellungen des Baues dieser Thiere wie des Aufbaues ihrer Kolonien durch gute Zeich- nungen. Ihre Arbeiten sind mit die besten, die sich mit Campanu- larien beschäftigen; durch sie wurde die Grundlage für die Kenntnis der Organisation dieser Hydroiden gegeben. Ich verweise hiermit auf die diesbezüglichen Schriften der genannten Autoren. Nicht lange nach ihnen erschien die Schrift P. J. van BENEDEN’S?, die umfangreichste, speciell auf die Campanularien gerichtete, deren ich 1 Eruıs, Histoire naturelle des corallines 1756. 2 CAVOLINI, Alla storia nat. di pol. mar. Napoli 1785. 3 GRANT, Ann. des sciences naturelles. tom XIII. 1828. — Edinbourg, New philosophical journal. vol. I. 1830. 4 MEYEN, Reise um die Erde Nova acta acad. Nat. cur. vol. XVI. 1830. 5 J. G. DALYELL, Edinbourg new. philosoph. journal. XXI. 1830. 6 EHRENBERG, Korallenthiere des rothen Meeres. Berlin 1834. 7 LISTER, Some observations on the structure and functions of tubular and cellular polypi. 8 M. Lovnn, Verhandlungen der königlichen schwed. Akad. d. Wiss. 1825. WIEGMANN’S Archiv 1837. — Ann. des sciences nat. Tom. XV. 1841. 9 P. J. van BENEDEN, Mem. sur les Campanulaires de la Cote d’Ostende, considéres sous le rapport physiologique, embryologique et zoologique. Nouv. Mem. de l’Acad. de Brux. Tom. XVII. 1844. Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 537 zu gedenken habe. Ich werde im Folgenden häufig Gelegenheit haben, auf seine Angaben zurückzukommen. Er beschrieb die Campanularien der Küste von Ostende vom anatomischen, entwick- lungsgeschichtlichen und physiologischen Standpunkt aus. Er stand auf dem Boden jener Anschauungsweise, die in den Medusen, die an den Campanularienstöcken sprossten, junge Polypen erblickte, während die festsitzenden Polypen redueirte Wesen sein sollten, die durch den Akt der Festsetzung ihre hohe Medusenorganisation einge- büßt haben sollten. Von der Planula wusste P. J. vAN BENEDEN nichts. Seine anatomischen Schilderungen sind im Allgemeinen richtig, beziehen sich aber nur auf grobe morphologische Verhältnisse. Von der Chi- tinhülle sagt er: »Nous croyons que la coquille est au mollusque ce que le polypier est au polype.« Keine der vier Species, die er beschreibt, stimmt mit meiner Clytia überein; diese vier Arten sind: Camp. gelatinosa, geniculata, volubilis und syringa. Von einigem Interesse sind seine Anschauungen über die Kno- spung der Kolonien. Er beschreibt u. A. eine im Innern des Polypen- körpers stattfindende wirbelnde Bewegung kleiner Körper. Er glaubt in dieser »eireulation« etwas der Bluteirkulation höherer Thiere Ähn- liches erblicken zu dürfen. Die Arbeit P. J. van BENEDEN’s leitet über zu der zweiten Gruppe der hier in Betracht kommenden Schriften. GEGENBAUR! bildet einen Polypen ab, der offenbar eine Clytia ist und mit der meinigen sehr nahe übereinstimmt. KÖLLIKER? erörtert in seinen »Icones« einige Punkte der Orga- nisation der Campanularien. So stellt er namentlich den Bau der Tentakel klar, auch macht er einige Andeutungen über die Auf- fassung der Körperhülle, die mir einen Zweifel an der bisher herr- schenden Anschauungsweise auszudrücken scheinen. Sowohl in sei- nen Angaben über die Muskellamelle der Hydroidpolypen, als vor Allem hinsichtlich des Vergleichs der Körperschichten derselben mit der der Embryonen höherer Thiere wurde KÖLLIKER angegriffen von REICHERT? Seine an Campanularien, Sertularien und Hydren an- gestellten Untersuchungen sind bereits mehrfach Gegenstand der 1 C. GEGENBAUR, Zur Lehre vom Generationswechsel und der Fortpflan- zung bei Medusen und Polypen. Würzburg 1554. 2 KÖLLIKER, Icones histiologicae 1866. 3 REICHERT, Uber die kontraktile Substanz und ihre Bewegungserschei- nungen. Abh. d. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1866. Morpholog. Jahrbuch. 9. 35 ee ER 538 liermann Klaatsch Polemik geworden. Was Hydra betrifft, so wurde den meisten Reı- cHerr'schen Angaben eine gründliche Korrektur zu Theil durch KLEINENBERG und F. E. ScHULZE. Was die Campanularien betrifft, so führe ich an der betreffenden Stelle stets die REICHERT'schen Schilderungen an; im einzelnen Falle entscheidet dann wohl das Resultat, zu dem ich gelange, klar genug darüber, ob ich ihm bei- stimme oder nicht. Auch bei den Campanularien hat REICHERT den Bau des Ektoderms völlig verkannt, da er in ihm seine »kontraktile Substanz« sieht. Höchst sonderbar ist seine Anschauung über die Tentakel und über die Bewegung der Nahrungsflüssigkeit im Poly- penhohlraum. Von seinen Benennungen habe ich einige acceptirt. REICHERT ist einer der eifrigsten Vertreter der Ansicht, dass die Chitinhülle ein erstarrtes Sekret oder vielmehr, wie er sagt, Exkret sei, ausgeschieden von seiner »kontraktilen« Schicht. Einen Ver- gleich der beiden Blätter mit den Keimblättern der höheren Thiere hält er für ganz unzulässig. Nach Reicuert hat nur F. E. ScHuLze! sich mit Campanularien beschäftigt; wie ich oben andeutete zieht er in einigen Punkten Campanularia geniculata herbei, um Beobach- tungen an Cordylophora auch dort bestätigt zu finden. Dass es sich dabei nur um Theile handeln kann, die wirklich eine große Über- einstimmung bei beiden Formen besitzen, ist klar. Es ist dies eigentlich nur bei den Tentakeln der Fall. Schließlich möchte ich noch an diesem Orte eines Mannes Er- wähnung thun, der zwar sich nicht mit Campanularien speciell be- schäftigt hat, der aber mit dem ihm eigenen Scharfblick einen Aus- spruch that, der mir werthvoll geworden ist. F. M. BaLrour? äußert sich gelegentlich der KLEINENBER@G’schen Beobachtungen über die Entwicklung von Hydra — KLEINENBERG selbst äußert sich nicht in dieser entschiedenen Art und Weise — folgendermaßen : »Die peripherische Zellschicht« (des Hydrakeimes) »wandelt sich mit der Zeit in eine chitinöse Membran um, welche vielleicht dem Perisark der marinen Formen homolog ist.« In wie fern mir dieser Ausspruch erfreulich sein musste, wird die Kenntnis meiner Untersuchungen verständlich machen, zu deren Mittheilung ich mich nun wende. RC: 2 F.M. Batrour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Übersetzung von Dr. B. VETTER. Jena 1880. Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 539 Meine Aufmerksamkeit wurde zuerst auf die Clytien gelenkt dadurch, dass ich — mit der Entwicklung anderer Medusen beschäf- tigt — in dem, mit dem Mürrer’schen Netz von der Meeresoberfläche aufgefangenen Material große und schöne Planulae unbekannten Ur- sprungs fand, die ich in einem Glase zu meinen Clytien umzüchtete. Dadurch veranlasst, suchte ich am Gestade auf den Algen nach meinen Polypen, und fand sie zuerst auf Zostera, dann auf Ulva. Das Material bestand in einer sehr großen Zahl auf den verschie- densten Entwicklungsstadien befindlicher, wie auch sehr zahlreicher bereits ganz erwachsener Clytien und wurde zum Theil in heißem Sublimat, zum Theil mit heißer Pikrinschwefelsäure und zum Theil mit Osmiumsäure getödtet und erhärtet. Das Sublimat lieferte die besten Resultate. Die Untersuchung wurde nach der allgemein üblichen Methode vorgenommen. Ich färbte meist mit Pikrokarmin oder Boraxkarmin ; mit Hilfe der Paraffinmethode und der GIESSBRECHT'schen Schellack- methode gelang es mir gute Schnittserien durch die Polypen zu er- halten. Ich benutzte ein Mikrotom von June in Heidelberg. Als Schnittdieke wählte ich 0,005 mm. Auf das Aussehen der Clytia im Allgemeinen will ich nur mit wenigen Worten eingehen. . (Figur 1.) Die Individuen erscheinen wie zierliche Bäumchen, wenn sie ihre Tentakel (7) weit ausgespannt haben. Ihre Höhe beträgt 1 bis 1,5mm. Sie erheben sich von einer Scheibe (S) , die etwa 0,4mm im Durchmesser hat. Von der Mitte derselben — sie erscheint in Lappen (Z), meist 5 an der Zahl, getheilt — erhebt sich ein zarter Stiel (P); die Chitinhiille (Ch) bildet an dem oberen wie an dem unteren Dritttheil desselben je sieben Ringe (r). Der Haupttheil des Polypenkörpers ist der von mir im Anschluss an P. J. van BENEDEN als »Magentheil« bezeichnete Abschnitt (V). Derselbe setzt sich nach oben in einen schmäleren Abschnitt (c) fort, der sich zum Köpfehen (Pr) erweitert. Für dasselbe sind die Be- nennungen : »Hydrant« oder »Proboscis« oder »Riissel« zu finden. Die- ser Theil trägt die Mundöffnung (o,. Durch dieselbe gelangt man in die Köpfchenhöhle (Pr.h), die sich durch die Halsenge (c.h), von REICHERT Schlundenge genannt, in den Magenraum (V.A) fortsetzt. Dieser verschmälert sich plötzlich am Boden des Bechers, wo bei der »Pförtnerenge« (py) (REICHERT) die Stielhöhle (P.h) ihren Anfang nimmt. Als Fortsetzung derselben erscheint die Scheibenhöhle (S.A). Vom Magentheil (V) erheben sich kranzförmig die Tentakel (T). 35* 540 Hermann Klaatsch Die äußere Fläche des Magentheils geht am Boden des Bechers (B) in die innere Fläche dieses Gebildes über. . Hier befindet sich der wringférmige Fortsatz« des Polypenkörpers (D!). Diese Stelle, an welche frühere Autoren ein chitinöses Gebilde, das Diaphragma, ver- legen, bedarf eingehender Studien. Die Individuen, die mir zur Verfügung standen, waren fast durchweg jugendlich ; der Aufbau der Kolonien war erst im Anfang begriffen. Die Scheiben sandten Stolonen aus, von denen sich die neuen Individuen in regelmäßigen Intervallen erhoben. Niemals be- obachtete ich eine Verzweigung der Stiele. Auch ältere Kolonien, die ich fand, zeigten nichts Derartiges. Die systematische Bestimmung nahm ich nach Tu. Hıncks vor. Der Mangel der Verzweigung, die Ringelung des Stieles im oberen und unteren Drittel (Fig. 1), waren Charaktere, die auf das Genus Olytia hinweisen. Mit Olytia Johnstoni ist aber keine völlige Über- einstimmung vorhanden, da von ihr ausdrücklich bemerkt wird: »The dentieulation of the margin is strongly marked.« Der Rand des Bechers meiner Clytia ist völlig glatt (Fig. 1 B.m). Es handelt sich also wohl um eine Varietät jener Clytia. Ich bespreche die Theile (Fig. 1 7, Pr, V, P.S, Ch) der Clytia in dieser Reihenfolge: ) die Tentakel, ) das Köpfchen, 3) den Magentheil, 4) den Stieltheil, 5) den Scheibentheil, ) 6) das Gehäuse. Die älteren Beobachter schreiben den Tentakeln (Fig. 1 T) der Campanularien einen fächerigen Bau zu. P. J. van BENEDEN ! sagt von ihnen, dass sie in ihrer ganzen Länge Querwände zeigen, welche eben so viele »compartiments« herstellen. Er hebt ausdrücklich hervor, dass die Tentakel keinen die- selben ganz durchziehenden Hohlraum besitzen, und dass man keine Flüssigkeitsbewegung in ihrem Innern wahrnimmt. Er behaup- tet, dass die Zahl der Tentakel in einer Species durchaus konstant sei; bei der von ihm genauer untersuchten Campanularia gelatinosa betrug sie immer 24. Was die Anordnung der Arme betrifft, so A Wee: . Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 541 betonte er, dass sie alle neben einander von einem ringförmigen Fortsatze des Polypenkörpers ihren Ursprung nehmen. Die Fähigkeit der Arme, sich völlig in den Bereich des Chitin- bechers zurückzuziehen, war ihm wohl bekannt. Der Nächste, welcher genauere Angaben über die Campanularien, somit auch über den Bau der Tentakel machte, war REICHERT!. Der Standpunkt den er dabei vertritt, ist nur in sehr beschränktem Sinne im Vergleich zu dem von van BENEDEN als ein Fortschritt zu bezeichnen. Schreibt er doch den Tentakeln in ihrer ganzen Länge den Besitz eines Hohlraumes zu und behauptet, dass die innere der den ganzen Körper aufbauenden Schichten in den Armen gänzlich fehle. Von der zwischen beiden Schichten befindlichen Stützlamelle sollen nach REICHERT in regelmäßigen Abständen Scheidewände ausgehen, die den Hohlraum der Tentakel in Kammern zerlegen. Dieselben sollen durch eine centrale Öffnung in der Scheide- wand mit einander kommunieiren. In jeder Kammer soll die von ihm so bezeichnete »kontraktile Achsensubstanz« ihre Lage haben, die genau von derselben Beschaffenheit sein soll, wie die äußere »kontraktile« Schicht, nur dass sie der Nesselorgane entbehren soll. REICHERT betrachtet durchweg das Ektoderm als eine einheitliche Masse, ohne zelligen Bau und verlegt in sie, als die »kontraktile Substanz« ausschließlich das morphologische Substrat für die Bewe- gungen des Thieres. Nun soll im verkürzten Zustande der Tentakel die »kontraktile Achsensubstanz« mit ihren einzelnen Stücken jede Kammer fast vollständig ausfüllen, während in mehr oder weniger ausgedehntem Zustande sich die Kammern von der Magenhöhle aus mit einer Flüssigkeit füllen sollen, die »reines Meerwasser« zu sein scheint. Die ganze Anschauungsweise REICHERT's erscheint um so weniger verständlich, als kurz vorher KOLLIKER in seinen Icones histiologicae die Aufmerksamkeit gelenkt hatte auf den soliden entodermalen ein- zelligen Achsenstrang (Fig. 1 az) der Tentakel bei Campanularien, dessen histiologische Ähnlichkeit mit der Chorda dorsalis der Chor- daten er mit Recht hervorhob. Meine an Clytia angestellten Beobachtungen ließen mir eben so sehr die REiCHERT'schen Angaben als der Wirklichkeit nicht ent- sprechend erscheinen, wie sie auf der anderen Seite mit dem von F. E. ScHuLzE an Cordylophora gewonnenen Befunde übereinstim- U]. 542 Hermann Klaatsch men. Dieser Forscher zog gerade im Bau der Tentakel in eini- sen Punkten Campanularia geniculata herbei. Ich fand die Zahl der Tentakel zwar nicht völlig konstant, doch überstieg sie nur selten 14 (Fig. 1), welche Zahl, als in der großen Mehrzahl der Fälle auftretend, als Regel hingestellt werden kann. Über die An- ordnung dieser 14 Arme machte ich bei Exemplaren mit weit aus- gespannten Tentakeln die Wahrnehmung, dass je zwei mit ihren freien Enden einander genähert waren, so dass von oben gesehen, so wie auch auf Querschnitten die Arme nach sieben Radien ange- ordnet erscheinen. Die Länge der Tentakel ist natürlich je nach den Kontraktionszuständen sehr verschieden (Fig. 1 stellt sie in einem mittleren Kontraktionszustande dar). Im Maximum der Extension beträgt sie etwa ein Viertel der Länge des ganzen Thieres, dieselbe von der Mundöffnung bis zur unteren Fläche der Scheibe gerechnet. Im Maximum der Retraktion liegen die Spitzen der Tentakel mit dem Rande des Chitinbechers in einer Höhe. Der Diekendurchmesser der Tentakel ist an der Basis bei Wei- tem am größten. Er nimmt zuerst sehr allmählich ab, dann in der Nähe der Spitze schneller, um dann wieder etwas zunehmend den Tentakel kolbenförmig endigen zu lassen (A). Den Bau des Tentakels studirte ich zunächst an Flächenbildern, sowohl an lebenden Thieren, als an Exemplaren, die in Sublimat gehärtet waren, wie endlich solchen, die ich außerdem noch mit färbenden Substanzen behandelt hatte. Man erkennt am lebenden Thiere sehr deutlich, dass von einem die Tentakel durchziehenden Kanal, von einer Flüssigkeitsbewegung im Innern, keine Spur vorhanden ist. Vielmehr tritt schon bei schwacher Vergrößerung die aus den großen Entodermzellen (Ent) ° gebildete Achse deutlich hervor (az). E. E. ScHuLzE sah bei Cordylophora diesen Achsenstrang an der Basis der Tentakel bisweilen durch zwei Zellen neben einander gebildet; ich konnte bei O/ytia an der Abgangsstelle der Arme im- mer nur eine große Entodermzelle konstatiren (ax). Die Größe der einzelnen Zellen nimmt erst gegen das freie Ende der Arme hin schneller ab; die äußerste Zelle (az) ist bei Weitem die kleinste. Die Zellgrenzen, welehe die Kammerscheidewände der älteren Auto- ren vortäuschten (s), sind deutlich; viel schärfer noch erscheint die Abgrenzung (JZ) des Entoderms (Ent) gegen das Ektoderm (Eet). Diese Schicht geht mit langen platten Elementen von dem Ma- gentheil (V) des Polypen auf die Arme über. Die bei so vielen . Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 543 Hydroiden vielfach beschriebene Wulstbildung (w) des Ektoderms ist namentlich in der oberen Hälfte auch im Zustande bedeutender Ex- tension gut wahrnehmbar, während sie in der unteren Hälfte fast ganz vermisst wird. Sie ist es, welche das kolbenförmige Ende be- dingt (4). Die Anordnung und Vertheilung der Nesselorgane (w) ist eine derartige, dass sie am unteren Theile fast ganz fehlen, zugleich mit der Wulstbildung auftreten und das Ende des Tentakels dicht bedecken. Die gruppenweise Anordnung tritt deutlich hervor. Von den Schnitten, die die Tentakel in der Nähe des Magen- theils trafen, waren einige besonders lehrreich, indem sie den Ab- gang der Arme vom Körper demonstrirten. Sie lieferten auch den schönsten Beweis für die entodermale Natur der Tentakelachse. Bisweilen wurde die Abgangsstelle ein wenig schief getroffen. (Die punktirte, mit « bezeichnete Linie auf Fig. 1 giebt die Schnittebene an.) Dann bieten beide Hälften des Schnittes ein von einander sehr abweichendes Bild dar. Nach innen von dem Durchschnitt des Chitinbechers erblickt man den kreisförmig begrenzten Polypenkörper. Sechs bis sieben große Elemente liegen ihm auf der einen Seite an, in einigen derselben ist der relativ große Kern sichtbar. Nach außen ist diese Schicht von einer anderen überkleidet, die mit ihren platten Elementen und dureh ihre Dunkelheit sofort als das äußere Epithel des Magentheils kenntlich ist, das hier eben beginnt auf die Arme überzugehen. Auf der anderen Seite des Schnittes sind wieder große Elemente anzutreffen, die aber bereits den freien Armen angehören und all- seitig von Ektoderm umschlossen sind. Ein einzelner solcher Schnitt, einer genauen Betrachtung unterworfen, lieferte folgende Ergebnisse (Fig. 2): Die Umgrenzung eines solchen Durchschnittes (Linie $ auf Fig. 1 giebt die Schnittrichtung an) ist meist nahezu kreisförmig. Den größten Theil der Schnittfläche nimmt der Durchschnitt der central gelagerten Entodermzelle ein (Ent). Jede dieser Zellen weist einen großen kreisförmig umgrenzten Kern auf 'z), der central ge- lagert ist, der basalen Zellgrenze etwas genähert. In einigen der Kerne gelang es mir, ein Kernkörperchen (z,) wahrzunehmen. Der Kern ist umgeben von einer hellen Zone (z). Dieselbe läuft in eine größere Anzahl von Strahlen aus (p/), die eine Art von Plasmanetz herstellen, wie es F. E. Scuuuze (l. e.) bei Cordylophora beschrie- ben hat. Wie er, konnte auch ich wahrnehmen, dass diese Plasma- strahlen mit einem Primordialschlauch (pr) in Verbindung stehen. Fixirt man einen solchen Strahl, so erkennt man, dass er am Zell- 544 Hermann Klaatsch rande breiter wird und sich in eine Plasmaschicht fortsetzt, die der innern Zellumgrenzung eng anliegt (pr). Im Ektoderm (Zet) konnte ich die Grenzen der Zellen nur an einigen Stellen (7) deutlich erkennen. Nach der Zahl der Kerne (x) zu urtheilen, die ich auf einem Schnitte antraf, liegen immer etwa sechs Ektodermzellen einer Entodermzelle an. Die Kerne sind matt und viel kleiner als die des Entoderms. Die Färbung des Ektoderms ist viel intensiver, so wie beim lebenden Thiere es durch seine Dun- kelheit sofort vom Entoderm absticht. Auf diesen basalen Schnitten ist von einer Wulstbildung wie von Nesselorganen nichts zu sehen. Die Trennung der beiden Blätter von einander erscheint schon bei schwacher Vergrößerung außerordentlich scharf ausgeprägt (Fig. 1M). Sie kommt zu Stande durch ein bandartiges Gebilde, das man an manchen Stellen fast als besondere Gewebsschicht betrachten möchte. Ich will fortan diese trennende Zone mit einem möglichst indifferen- ten Namen als »Mittelzone« (Fig. 1 u. Fig. 2 M) bezeichnen. Sie weist sehr wechselnde Verhältnisse auf. Auf manchen Schnitten er- scheint sie als eine sehr scharf gezogene Linie (Fig. 2 M); stellen- weise verbreitert sich die Linie (JZ); dann wieder zeigt sie Einfal- tungen (Ma). Überall tritt sie mit der größten Deutlichkeit auf; von ihr hebt sich das helle Plasma (pr) der Entodermzelle ab, während nach dem Ektoderm zu keine in gleicher Weise scharfe Trennung stattfindet. Man erhält von dieser Mittelzone den Eindruck, als stelle sie eine zwischen beiden Blättern sich hinziehende relativ dünne Ge- webslage vor; häufig sieht man sie etwas schräg durchschnitten, so dass sie mehr flächenhaft erscheint (Fig. 2 M,). Es ist mir nicht gelungen, Strukturunterschiede innerhalb der Mittelzone mit Sicher- heit nachzuweisen, ich müsste es als gewagt betrachten, vereinzel- ten, nicht völlig sicheren Wahrnehmungen, die auf Helligkeitsunter- schiede innerhalb jener Zone sich gründeten, irgend welchen Werth beizulegen. Dieser Mangel hindert mich natürlich, eine entschiedene Ansicht über die Natur dieser Mittelzone vorzubringen; den Ver- muthungen, welche ich auf Grund der Vergleichung mit Cordylo- phora über sie hege, werde ich weiter unten Ausdruck geben. Das Bild (Fig. 3), welches höher gelegte Schnitte durch den Tentakel darbieten, ist ein wesentlich geändertes. Die Zahl der Nesselorgane (w) nimmt in der Nähe der Spitze sehr stark zu. Ein Sehnitt durch den Endtheil des Armes zeigt etwa folgende Verhält- nisse: Der Umfang des Entoderms (Ent) ist gegen den des Ekto- derms (Ect) sehr stark zurückgetreten. In der kleinen centralen Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 545 Zelle nimmt man Andeutungen einer ähnlichen Anordnung des Plas- mas (p/) wahr, wie ich sie für die Basis der Tentakel beschrieben habe. Die Mittelzone (37) ist deutlich, aber nicht so breit wie an der Basis. Im Ektoderm treffen wir Kerne (x) und Nesselorgane (w) an. Was die letzteren betrifft, so kann ich F. E. Scnurze's Beob- achtungen an Campanularia geniculata bestätigen. Auch ich sah neben jeder Nesselkapsel eine feine Borste (2) aufragen. Im Übrigen verweise ich auf seine Angaben, denen ich nichts Neues in diesem ~ Punkte hinzufügen kann. Ein Vergleich der geschilderten Verhältnisse der Tentakel von Clytia mit denen von Cordylophora ergiebt für beide eine völlige Übereinstimmung in den wesentlichen Punkten. Die Vertheilung der Nesselorgane ist bei Cordylophora ein wenig anders, da sie dort gleichmäßig über die Länge der Arme zerstreut sind. Es fragt sich nun, wie meine Mittelzone zu deuten sei. Es ist nahe liegend, in sie den Sitz der Formbestandtheile zu verlegen, die die Bewegungsfähigkeit der Tentakel bedingen. Sie entspricht ihrer Lage nach durchaus der Muskelschicht von Cordylophora. Die Arbeiten KLEINENBERG’s und F. E. Scuurze's haben hinreichend dar- gethan, dass weder das Entoderm noch auch das Ektoderm als solehe kontraktil sind; wo anders soll also die kontraktile Gewebs- schicht zu suchen sein, als im Bereiche der Mittelzone? Damit will ich keineswegs ausgesprochen haben, dass ich in ihr allen den Sitz kontraktiler Elemente sähe, es ist sehr wohl möglich, dass sie noch etwas Anderes in sich schließt. Für die Natur der Mittelzone als einer kontraktilen Schieht mache ich als Argumente geltend: das wechselnde Aussehen je nach den Kontraktionszuständen, die Ver- diekung des Bandes bei starker Retraktion der Arme: die verschie- dene Dicke an verschiedenen Stellen eines und desselben Durch- schnittes. Der wichtigste Beweis wird endlich durch den Umstand geliefert, dass die Mittelzone nur an den Theilen des Polypen auf- tritt, wo Beweglichkeit zu herrschen vermag. Wenn es mir auch nicht gelungen ist, mit den mir zu Gebote stehenden optischen Hilfs- mitteln die Mittelzone in ihre Bestandtheile zu zerlegen, so darf es wohl dennoch als mindestens sehr wahrscheinlich betrachtet werden, dass die Mittelzone ganz oder theilweise die Muskellage anderer Hydroiden repräsentirt. Auf einen Vergleich mit dem Verhalten von Hydra lasse ich mich aus mehrfachen Gründen nicht ein: für einen Vergleich der Tentakel in ihrer Gesammtheit bei Clytia und Hydra fehlt mir der 546 Hermann Klaatsch sichere Boden, da die Verhältnisse von Hydra so völlig abweichende sind; die beiden Zustände, die uns bei diesen Formen entgegen- treten, die soliden und die hohlen Arme, scheinen mir sehr schwer mit einander verknüpfbar. Aber auch nicht auf einen Vergleich der »Muskellage« möchte ich eingehen. Was KLEINENBERG auf Quer- schnitten durch die Fußscheibe von Hydra abbildet, zeigt gar keine Ähnlichkeit mit dem Querschnitte der Mittelzone, wie ich ihn bei Clytia finde. Was die Zugehörigkeit der Mittelzone zu einer der beiden an- deren Schichten betrifft, so kann ich nur sagen, dass von einem Zusammenhang mit dem Entoderm niemals auch nur eine Andeutung auftritt, dass ich aber auch, wenigstens am Tentakel, keine Merk- male auffinden konnte, die eine nähere Zugehörigkeit zu den platten Ektodermzellen, die ein Epithel formiren (Fig. 2 Ect), wahrscheinlich machen würde. Ich will daher, ohne eine bestimmte Ansicht aus- zusprechen, nur vermuthungsweise aussprechen, dass der Mittelzone eine gewisse Selbständigkeit zuzukommen scheint. Die Verschiedenheit in der Vertheilung der Tentakel am Po- lypenkörper ist bei Clytia und Cordylophora beachtenswerth. Die Lokalisirung auf eine kranzförmige Zone bedeutet der regellosen Vertheilung bei Cordylophora gegenüber wohl den höher differen- zirten Zustand. Eine Bemerkung möchte ich noch in Betreff der Nesselorgane machen. Wenn man die Frage nach den Sinnesapparaten meines und der verwandten Polypen aufwirft, so kann man ja freilich sagen, dass die Tentakel primitive Sinnesorgane, Tastapparate sind. Die sensorische Funktion des Ektoderms wurde ja hinreichend dargethan; es ist aber dabei wohl zu beachten, dass nicht das äußere Epithel, sondern eine tiefere Zelllage als Sitz der sensorischen Funk- | tion hingestellt wurde (vgl. KLEINENBERG, Hydra). Nach F. E. Scnurze’s Darstellung ist in eben den Zellen der bezeichneten Lage der Sitz der Nesselkapseln; die Borste der Nes- selkapseln geht aus der Substanz dieser kleinen Ektodermzellen hervor, die zwischen die großen eingeschoben sind. Was ich über die Nesselorgane bemerken möchte, ist, dass sie nicht allein als Schutzorgane zu betrachten sind, sondern auch als Sinnesapparate einfachster Art. Der Polyp nimmt mit der feinen Borste die Nähe eines Fremdkörpers, eines Feindes wahr und seine Wahrnehmung wird hier vereinigt mit dem zur Abwehr dienenden Vorgange. Wie KLEINENBERG für die Bewegung des Thieres den Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 547 Anstoß in der Erregung des Plasmas gewisser Ektodermzellen sah, so muss man auch die primitive Sinneswahrnehmung mit der Ver- theidigung in Beziehung setzen. Die Erhaltung ist das Wesentliche; die Wahrnehmung der Umgebung ist etwas Sekundäres; der Werth dieser Wahrnehmung für diese niederen Wesen ist vor Allem durch die auf die Wahrnehmung folgende Vertherdigung gegeben. Wahrnehmen und Vertheidigen ist hier eins. In der Ausbildung der letzteren Verrichtung sehe ich ein bedingendes Moment für die Erhaltung und Differenzirung der für die erstgenannte Funktion be- stimmten Apparate. Die Tentakel umstehen den, den Mund tragenden Fortsatz des Polypenkörpers, das Köpfchen (Fig. 1 Pr). Lister und P. J. van BENEDEN, welch’ letzterer dasselbe als trompe buccale bezeichnet, verweilen bei der großen Formveränderlichkeit, deren dieses Gebilde fähig ist. VAN BENEDEN verlegt die Mundöffnung an den Boden des in dem Köpfehen befindlichen Hohlraumes, indem er den Wan- dungen dieser Höhle nur den Werth von Lippen beimisst. REICHERT betrachtet mit Recht die Eingangsöffnung am vorderen Ende der Höhle des Köpfehens als den Mund (0) des Thieres; die verengte Stelle, die van BENEDEN für den Mund hielt, und die die Verbin- dung zwischen der Kopfhöhle und der Magenhöhle herstellt (c.%), nennt er Schlundenge. Ist die Mundöffnung geschlossen, so hat das Köpfchen die Form einer Kugel (so ist es auf Fig. 1 dargestellt) ; bei extremer Öffnung des Mundes nimmt es eine napfartige Gestalt an. Ein optischer Längsschnitt durch ein mit Pikrokarmin gefärbtes Köpfchen klärt leieht über den Bau auf, und lässt ihn als einen im Verhältnis zu ande- ren Theilen des Körpers einfachen, ursprünglichen erscheinen. Beide Blätter betheiligen sich gleichmäßig an der Bildung der Wandung und lassen sich bis zur Mundspalte (0) verfolgen. Das Ektoderm geht von der Basis der Tentakel auf den oberen Theil des Magen- abschnittes über, um bald — in der Nähe der »Schlundenge« — nach oben und außen umzubiegen und auf das Köpfchen überzugehen. Die Zellen sind hier lang und platt. In jeder sehe ich den Kern central gelagert, das Plasma erscheint etwas trübe und giebt der ganzen Schieht ein dunkles Aussehen im Vergleich zu dem helleren Entoderm. Die Ektodermzellen bewahren aber nicht die gleiche Erscheinungsweise bis zur Mundöffnung; sie nehmen an Höhe zu und an Länge etwas ab. Diese Beschreibung bezieht sich auf die Exemplare, deren Köpfchen die Kugelform zeigt. Ich sehe sebr 548 Hermann Klaatsch deutlich die letzte Zelle, die mit etwas abestumpftem Rande die Mund- öffnung begrenzt (auf Fig. 1 ist die linke Seite des Köpfchens im optischen Längsschnitt dargestellt). In der Nähe des Mundes besitzen die Ektodermzellen eine re- lativ große Ähnlichkeit mit den unter ihnen liegenden Elementen des inneren Blattes. Verfolgt man dieselben von der Mundöffnung nach der Schlundenge hin, so sieht man sie allmählich höher und schmaler werden, so dass die Differenz im Aussehen der beiden Blätter immer größer wird, je mehr man sich der Schlundenge nähert. Ich konnte auch das Ektoderm leicht bis zur Mundöffnung verfolgen. Die Kerne liegen in jeder Entodermzelle basal, sie sind größer und matter als im Ektoderm; die nach innen vorragenden Flächen der Entodermzellen er- scheinen, namentlich im unteren Theile des Köpfchens, kuppelförmig vorgedrängt; die Zellgrenzen sind durchweg sehr deutlich, wiederum zeigten sie sich besonders scharf, und scheinen hier zu einer noch mehr ausgedehnten Trennung der Elemente zu führen, an dem ho- hen, wie ein Cylinderepithel erscheinenden Theil des Hypoblasts. Im Ektoderm sind die Grenzen der Zellen in dieser Gegend gar nicht deutlich. Es verdient noch erwähnt zu werden, dass im Ektoderm des Köpfehens keine Nesselorgane vorkommen, so wie ich noch einmal betonen will, dass hier das äußere Blatt mit seinen nie- drigen eng an einander anschließenden Zellen das Gepräge eines Epithels und zwar eines Plattenepithels trägt (alle diese Verhältnisse sind auf Fig. 1 wiedergegeben). Die Sonderung der beiden Blätter kommt zu Stande durch eine Schicht, die auf einem Flächenbilde als eine scharf gezogene Linie erscheint. Sie gleicht in ihrem Aussehen der Mittelzone, die ich an dem Tentakeldurchschnitt beschrieb. Auch hier darf ich vermuthen, dass in ihr der Sitz der kontraktilen Formbestandtheile sei. Damit ist keineswegs ausgesprochen, dass diese allein das dunkle Band konstituiren. An einem in Sublimat gehärteten Polypen, den ich so unter- suchte, dass ich ihn gerade von oben her betrachtete, machte ich folgende Beobachtung: Stellte ich so ein, dass ich einen optischen Querschnitt durch die Mitte des Köpfchens erhielt, so sah ich, dass die innere Begrenzung der Kopfhöhle nicht rund war, sondern dass vier Wülste in das Innere vortraten. Es ist von Interesse, dass am Köpfchen die beiden Blätter theil- weise einen ursprünglichen Charakter bewahrt haben. Einige Winke für das Verständnis des Köpfchens der Campanularien liefert ein Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien, 549 Vergleich mit Cordylophora. Diese besitzt ein dem Köpfchen ent- sprechendes Gebilde, den »Riissel«. Dieser Endabschnitt des Poly- poids zeigt dort eine viel größere Indifferenz. Er ist gar nicht von dem übrigen Polypoid geschieden, es sei denn durch eine ganz leichte Einschnürung, die dem Halstheil (c) von Clytia an die Seite gesetzt werden darf. Der mehr primitive Charakter dieses kegel- förmigen Gebildes darf vielleicht in Beziehung gesetzt werden mit der regellosen Vertheilung der Tentakel, so wie ich, wenn auch mit aller Vorsicht, die Annahme äußern möchte, dass bei den Cam- panularien in der Lokalisirung der Tentakel auf eine kranzartige Zone ein bedingendes Moment für die weitere Differenzirung und schärfere Abschnürung des Köpfchens zu sehen ist. Ich gehe über zu der Beschreibung des Haupttheils des eigent- lichen Polypenkörpers. Die Höhle, welche dieser Theil umschließt, wird schon von VAN BENEDEN als Magen bezeichnet. Ich will da- her im Folgenden diesen Körperabschnitt mit dem Namen Magen- theil belegen (Fig. 1V; vgl. ferner Fig. 4, 5,11, 12, 13 ). Van BENEDEN’s Mittheilungen über denselben sind dürftig. Er erwähnt nur den durch die verschiedenen Kontraktionszustände veranlass- ten Gestaltwechsel des Theiles, verweilt im Übrigen aber dabei, aus einander zu setzen, dass dieser Magen zugleich Leibeshöhle, dass seine Wandungen zugleich Wandungen des Thierkörpers seien. Über den Bau der Wandungen theilt er nichts mit. Wie ich oben er- wähnte, ist für ihn die obere Eingangsöffnung in den Magen, die »Schlundenge« REICHERT’s, der Mund des Thieres. CAVOLINI (l. e.) und MEYEN (l. e.) behaupteten, dass der Magen nach unten abgeschlossen sei und sich nicht in die Höhle des Stiel- theiles fortsetze. VAN BENEDEN weist diese Annahme zurück. Er sah kleine Körper durch die Mundöffnung in den Magen und von da in den Stiel übergehen, auch konnte er konstatiren, dass dieser Weg bisweilen in der umgekehrten Richtung zurückgelegt werde. Der Thatbestand, der diesen Behauptungen zu Grunde liegt, die »Cirkulation«, wird unten eine eingehende Berücksichtigung erfahren. Auch das, was van BENEDEN über eine Befestigung des Magentheils am Boden des Chitinbechers sagt (vgl. Fig. 1, 5, 11, 12, 13 D), sei hier nur beiläufig erwähnt. Auch REICHERT hat das Übergangsstück vom Magen zum Stiel einer besonderen Berücksichtigung für würdig gehalten. Aus Gründen, die in dem Gange meiner Untersuchung liegen, verschiebe ich die Besprechung dieses Theiles, der allerdings in das Gebiet des Magentheils gehört, auf einen späteren Abschnitt 550 Hermann Klaatsch meiner Arbeit. Nur den Namen, den Rercuert der Übergangsstelle der Magenhöhle in die Stielhöhle beilegt, will ich erwähnen; er nennt sie: »Pförtnerenge« (Fig. 11 u. 12 py). REICHERT verwerthet die An- schauungen, die er über den Bau der beiden Blätter im Allge- meinen bei den Campanularien gewonnen hat, auch bei der Betrach- tung des Magentheils; auch hier bestreitet er den zelligen Bau des Ektoderms, in welcher Schicht er die »kontraktile Substanz« zu er- kennen glaubt. Zwischen beiden Blättern liegt nach seiner Ansicht niehts als die »Stützlamelle«; die Existenz einer Schicht kontraktiler Elemente weist er entschieden zurück. Er geht so weit, zu behaup- ten, dass die Bewegungen der Nahrungsflüssigkeit im Polypenkörper allein durch Kontraktionen des Ektoderms hervorgerufen werden, »unabhängig von den etwa vorhandenen Cilien der inneren Zellen- schicht«. So weit die Angaben der Litteratur über den Magentheil der Campanularien, die damit, so weit ich es habe in Erfahrung bringen können, erschöpft ist. — Bei der Mittheilung meiner Beobachtung werde ich nach einigen Bemerkungen über die Form desselben zu- erst die Aussagen gefärbter Flächenbilder, sodann die Schnitte, die theils längs, theils quer zur Längsachse des Thierkörpers gelegt wur- den, besprechen. Der Magentheil (Fig. 1 V) gehört seiner ganzen Ausdehnung nach in den Bereich des Chitinbechers, über dessen Randhöhe er auch bei der größten Extension niemals hinaussteigt. In diesem Zustande, der mit der völligen Ausbreitung der Tentakel immer einhergeht, laufen seine Begrenzungslinien mit den Wänden des Bechers ziemlich genau parallel, der ganze Abschnitt hat also die Form eines Kegels mit nach oben gekehrter Basis und nach unten stielwärts gerichteter abgestutzter Spitze. Im kontrahirten Zustande nähert sich seine Gestalt der Cylinderform (Fig. 1 stellt einen mitt- leren Zustand dar). Am lebenden Thiere nimmt man in der Höhle des Magentheiles (V./) eine lebhafte flimmernde Bewegung wahr. Die Härtung mit heißem Sublimat und Färbung mit Pikrokarmin oder Boraxkarmin gewährt bereits einen recht guten Einblick in den Bau des Theiles. Das Ektoderm der Tentakel lässt sich ohne Wei- teres auf den Magentheil hinüber verfolgen. Es ändert sein An- sehen nicht wesentlich; auch hier besteht es aus einer Schicht epithel- artig an einander gereihter platter Elemente (Fig. 1 Ep!). Die Begrenzungslinie dieser Schicht nach außen zeigt keine srößeren Unebenheiten. Die Grenzen der einzelnen Zellen sind auf Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 551 dem Fliichenbild nicht deutlich zu sehen, der Inhalt der Zellen er- scheint dunkel. Die intensiv gefärbten Kerne (Fig. 1 ”, 2, 2) fol- gen in durchaus gleichen Abständen auf einander; ich zähle auf dem optischen Längsschnitt 10 solcher Kerne auf der ganzen Länge des Magentheils. Auf der Innenseite (Fig. 1 beic) der Tentakel steigt das Ektoderm ganz in der gleichen Weise auf die obere Fläche des Magentheils über, um, wie oben beschrieben, sich zum Köpfehen zu wenden. Verfolgt man das Ektoderm abwärts, so trifft man auf keine beachtenswerthen Veränderungen bis zu der Stelle, wo die seitliche Begrenzung des Magentheils auf die untere Fläche dessel- ben übergeht. Dort treten nun Komplikationen ein, die für die Er- kenntnis des Ektoderms bei den Campanularien überhaupt von hoher Bedeutung sind und die in dem Kapitel über die Chitinhiille genau besprochen werden (Fig. 1 D). Das Entoderm (Fig. 1 Ent) ist auf dem Flächenbilde nicht mit gleicher Deutlichkeit wie das Ektoderm wahrzunehmen. Wohl aber sehe ich, wie es aus der Höhle des Képfchens auf die des Magen- theils übergeht und dieselbe in ähnlicher Weise auskleidet. Bei guter Einstellung sehe ich durch die verhüllende Wandung des Ma- gentheils hindurch die innere Zellschicht mit ihren einzelnen, deut- lich von einander abgegrenzten ziemlich hohen Elementen, deren jedes einen großen Kern zeigt (auf Fig. 1 ist rechts der Magentheil im optischen Längsschnitt dargestellt. Das Entoderm der Tentakel (az) ist eine direkte Fortsetzung dieser Schicht vom Magentheil her. In der Schlundenge liegen auf dem optischen Längsschnitt die Zell- reihen beider Seiten einander beinahe auf, nur einen schmalen Raum der verdauenden Cavität zwischen sich lassend (c.%). Beide Blätter sind von einander getrennt dureh ein ähnliches bandartiges Gebilde, wie an den Tentakeln (Fig. 1 M). Über das Wesen dieser mittleren Schicht können nur Schnitte, nicht Flächenbilder Aufklärung ver- schaffen. Querschnitte dureh den Magentheil ergeben in seiner ganzen Länge immer das gleiche Bild, ein Bild, das, so weit es sich nicht um eine ganz specielle Untersuchung der Beschaffenheit der einzel- nen Elemente und besonders der »mittleren Schicht« — und von diesen Punkten sehe ich vorläufig ab — handelt, sich mit wenigen Worten charakterisiren lässt. Zu äußerst (Fig. 4) findet sich immer der, einem schmalen Ringe gleichende Durchschnitt der Theca, des Chitin- bechers. Je nach der Höhe, in welcher der Schnitt gelegt ist, trifft man in einem größeren oder geringeren Abstande von der Theca den 552 Hermann Klaatsch Polypenkörper. Das Ektoderm (Hct) hat immer das gleiche Aus- sehen. Stets treffe ich platte, langgestreckte Elemente an, mit dunk- lerem Inhalt, namentlich einer etwas dunkleren Randzone und stark gefärbten, central gelagerten Kernen (x). Ich betone ausdrücklich diese Gleichförmigkeit des Ektoderms, dieses typische Bild der Schicht, ein Punkt, dessen volle Bedeutung erst durch die Vergleichung mit tieferen Theilen des Polypen in das rechte Licht gestellt wird. Die bandartige »Mittelzone« (M) lagert dem Ektoderm eng auf; eine Er- kenntnis ihrer Bestandtheile ist mir bisher auch an diesem Theile nieht gelungen: sie zeigt lokal Verdickungen (M,), die allmählich nach beiden Seiten verstreichen. Nach dem, was ich gelegentlich der Tentakel und des Köpfchens über die Mittelzone gesagt habe, muss es natürlich erscheinen, dass ich auch hier in sie den Sitz der kontraktilen Formbestandtheile verlege, so wie, wenn eine Stütz- lamelle, deren Existenz direkt nachzuweisen ich bisher nicht im Stande war, vorhanden ist, sie im Bereiche dieser Mittelzone ge- sucht werden muss. Das Entoderm (Ent) besteht aus einer Schicht der für dasselbe so charakteristischen Elemente mit ihren großen matten basalen Ker- nen (z) und in das Lumen des Magentheils vorspringenden inneren wulstigen Begrenzungsflächen, von denen auf dem Querschnitt bis- weilen fortsatzartige Bildungen sich zu erheben scheinen. Nament- lich in Bezug auf das Entoderm lieferten die Längsschnitte wich- tigere Aufschlüsse (Fig. 5) und zeigten Formzustände der Elemente desselben, bei denen ich etwas länger verweilen muss. Das Bild des Magentheils auf dem Längsschnitt ist sehr verschieden je nach den Kontraktionszuständen. Das Aussehen des Ektoderms frappirt bei starker Kontraktion durch die starke Annäherung der Kerne an einander; die Zellen sind viel höher und kürzer als in der Extension; es macht sich diese Änderung der Dimensionen namentlich in der Nähe des Ten- takels geltend. Der dunkle Randsaum tritt gut hervor, die Grenzen der Elemente sind noch viel weniger deutlich geworden. Die Zahl der auf einen genau vertikal gelegten Schnitt getroffenen Zellkerne ist immer annähernd dieselbe, und zwar — wie auf dem optischen Längsschnitt — etwa 10. Die Mittelzone (M) ist bei starker Kon- traktion noch dunkler und breiter geworden, als in der Extension. Beim Abgang der Arme springt sie nach innen vor und trennt meist völlig die entodermale Achse derselben von dem Entoderm des Magen- theils. An der entsprechenden Stelle bei Cordylophora beschreibt F. E. Beitrige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 553 SCHULZE ein »iris-«artiges Vorspringen der Stützlamelle, das häufig zu einem völligen Abschluss führt. In dem der ScHuuzze’schen Ring- membran ähnlichen Verhalten der Mittelzone an dieser Stelle ".s) sehe ich einen Beweis dafür, dass diese Zone wenigstens zum Theil der Stützlamelle ihr Dasein verdankt. Das Entoderm (Ent) erscheint auf dem Längsschnitt in der Kon- traktion wie ein Cylinderepithel; hohe schmale Elemente, gleich- mäßig die Wandungen auskleidend (vgl. Fig. 11 u. 12), auch an der Abgangsstelle der Tentakel keine Veränderungen zeigend. Das eben Gesagte gilt von Individuen, bei denen im Augenblick des Todes Ruhe hinsichtlich der Ernährungsvorgänge bestand; ganz an- dere, höchst interessante Bilder liefern aber solche Thiere, die beim Verdauen von Nahrungskörpern vom Tode überrascht wurden. Da das Abtödten der Thiere in heißem Sublimat nicht einmal das Ein- ziehen der Tentakel zu Stande kommen ließ, so bewahrte es auch den Elementen des Entoderm die durch die Verdauung bedingten Formzustände, und gestattete, auf Längsschnitten Bilder zu erzielen, die in hübscher Weise den Verdauungsprocess illustriren (Fig. 5). Auf einer wohl gelungenen und für den gegebenen Fall sich gut als Beispiel eignenden Schnittserie fand ich in dem oberen Abschnitt des Magentheils einen ziemlich großen Nahrungskörper (N). Er war lichtbrechend , seine Gestalt erweckte den Glauben, dass es etwa eine Gliedmaße einer Crustaceenlarve sei. Am Boden des Magen- theils zeigten die Zellen ein normales Aussehen @). Gerade in der Mitte lag ein Element mit großem basalem Kern und einer geraden, nieht aufgewulsteten Begrenzungsfläche nach dem Lumen hin (der auf Figur 5 dargestellte Schnitt ist seitlich an der Pförtnerenge vor- bei gegangen). Gegen die Mittelzone hin erscheint das Plasma dun- kel und körnig. Auch die benachbarten Zellen waren mit einer solehen dunklen basalen Zone versehen: bereits die neben der er- wähnten Zelle gelegenen, mehr noch die der seitlichen Magenwand angelagerten Elemente (4) zeigten ein verändertes Aussehen. Eine große, schöne Zelle (c) schickt einen pseudopodienartigen Fortsatz (psı) in das Lumen, in der Richtung aufwärts nach dem Nahrungs- körper hin. Der Fortsatz entspringt als schmaler Streifen von der Zelloberfläche und verdickt sich dann zu einer kugeligen Masse, die ein körniges Material umschließt (gl). Es erweckt den Anschein, als habe das Plasma so eben Nahrungsstoffe umschlossen; wie die- selben mit Hilfe der Pseudopodien in das Zelleninnere gelangen, das zeigt ein ganz in der Nähe befindliches Element (d). Die dunkle Morpholog. Jahrbuch. 9. 36 554 Hermann Klaatsch Randzone (z) ist in derselben ungewöhnlich dick, sie steigt nach dem Lumen hin empor als ein Strang, der, sich gabelnd (d,), eine starke Auftreibung der gegen das Lumen gerichteten Zelloberfläche ver- anlasst. Diese Auftreibung gleicht einem Fortsatze, der im Begriff ist sich mit dem Zellkörper wieder zu verbinden, reich beladen mit einer Menge körniger Nährstoffe (ps.). In dieser Region herrscht noch eine relativ große Ruhe; steigt man aber weiter aufwärts, so sieht man, wie, je näher dem Fremdkörper, desto mehr die Zellen ihr normales Aussehen verloren haben und wie namentlich an den Theilen, die der Fremdkörper bereits passirt hat, eine solche Änderung der For- men eingetreten ist, dass nichts mehr an das schöne, gleichmäßig gebaute Entoderm erinnert, das doch auf so vielen Präparaten ange- troffen wird. In der Höhe des Nahrungskörpers ist kaum noch ein Lumen der Magenhöhle vorhanden. Von beiden Seiten dringen gleichsam die Plasmamassen (e, e,) auf ihre Beute ein, doch so, dass jedes Element sich in seiner Weise betheiligt.. Die Gliedmaße liegt auf der Oberfläche einer Zelle (e) auf. Diese ist unverhältnismäßig groß, auch in ihren tieferen Theilen mit Nährstoff erfüllt. Von der gegen- über liegenden Zelle (e,) wird ein kegelförmiger Fortsatz (ps;) direkt auf den Fremdkörper hin ausgesandt, ein anderer Fortsatz (psy) zeigt eine kugelige Anschwellung mit einem helleren Raum im In- nern. Wenn diese letzteren Zellen mit der Erwerbung der Nahrung beschäftigt scheinen, so ist wohl anzunehmen, dass die noch höher gelegenen schon mehr oder weniger weit in der Verwerthung des- selben fortgeschritten sind. Man findet hier eine, anscheinend zu- sammenhängende große Plasmamasse (f) mit mannigfachen Schat- tirungen im Innern. Zellgrenzen sehe ich gar nicht, wohl aber — und das ist das Bemerkenswerthe — an der oberen Wandung des Magentheils eine Zahl von Kernen (7, 7, 3), die weit größer ist als man sie nach der Zahl der dort sonst anzutreffenden Elemente erwarten durfte. Auf einem Schnitt treffe ich 12 große Kerne neben einander. Andeutungen dunkler Linien treten an der Oberfläche der Plasmamasse auf, auch werden matte Flecke angetroffen, die Kernen nicht unähnlich sind. Es ist nahe liegend, sich vorzustellen, dass in diesem Bereiche des Entoderms eine durch die Nahrungszufuhr angeregte, besonders lebhafte Zelltheilung stattfindet. Das fast gänz- liche Verschwinden der Zellgrenzen ist wohl der Beachtung werth. Die geschilderten komplieirten Vorgänge werden in ihrer Gesammt- heit verständlich durch das Gemeinsame, das sich in ihnen aus- Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 555 spricht. Es ist die große Individualisirung der Zellen hinsichtlich der Nahrungsaufnahme. Jede der Hypoblastzellen verhält sich wie eine Amoebe. Der Fremdkörper wirkt gleichsam als ein Reiz; von allen Seiten dringen Plasmamassen auf ihn ein. Von Cilien habe ich auf den betreffenden Präparaten nichts wahrgenommen, auch bin ich wenig geneigt, bei einem solchen Verdauungsakte, wie dem beschriebenen, eine Fort- bewegung der Nahrung mit Hilfe der Cilien anzunehmen. Die Funktion der Cilienbewegung liegt auf einem anderen Gebiete und steht mit der unten zu besprechenden »Cirkulation« in engem Zusam- menhang. Die Cilienbewegung, ja vielleicht auch die Cilien selbst, tritt wohl mehr im Zustande der Ruhe als in dem lebhafter Ver- dauung auf. Wenn beim Erbeuten der Nahrung jede Zelle sich ihre Selb- ständigkeit wahrt, so scheint bei der, der Verdauung folgenden Fort- pflanzung durch Theilung die Individualität theilweise aufgegeben zu werden. Doch will ich mich über diesen Punkt mit aller Vor- sicht äußern; immerhin erweckte der Befund an dem oberen Rand des Magentheils den Glauben, als vollziehe sich dort eine lebhafte Kerntheilung, auf welche erst nachträglich eine Sonderung der Plasma- masse folge. Die Kerne (x) im Entoderm sind noch einmal so groß als die im äußeren Blatte: in vielen derselben nahm ich ein Kernkörper- chen wahr. Was bei den Hydroidpolypen im Allgemeinen als Coenenchym bezeichnet zu werden pflegt, wird bei der Clytia durch dreierlei Gebilde repräsentirt, nämlich: 1) die Stiele, 2) die Scheiben, 3) die Stolonen. Da die Kolonien der Clytien die Eigenthümlichkeit besitzen, unverzweigt zu bleiben, so kommt jedem Individuum sein, ihm allein gehörender Stiel, — und den meisten eine besondere Scheibe zu. . Einigermaßen genaue Litteraturangaben über den Bau des Stiels der Campanularien und speciell der Clytien sind nicht vorhanden. ‚REICHERT behauptet, dass der »Körper« der Campanularien im »Sten- gel« durch »Wurzelfüßchen« an die Innenfläche der die Stengel um- gebenden Chitinröhre befestigt sei. Auch schreibt er diesem Theile den Besitz einer Stützlamelle zu, die er als ein erstarrtes »Exkret« seiner »kontraktilen Schieht«, d. i. des Ektoderms, ansieht. Was 36 * 556 Hermann Klaatsch über die Chitinhülle des Stiels und ihre Besonderheiten zu sagen ist, werde ich unten gelegentlich der im Zusammenhang gegebenen Darstellung jener Hülle besprechen. Im Folgenden beschäftige ich mich nur mit dem Weichkörper des Stieles, mit dem Steltheil des Polypen, den man am lebenden Thiere in seiner ganzen Länge durch die glasartige Hülle hindurchschimmern sieht (Figur 1 P). Der Stieltheil beginnt mit einem spitz zulaufenden Abschnitt an der REICHErRT'schen Pförtnerenge‘, und nimmt von da ganz allmäh- lich, aber beständig an Breite zu. Die Länge ist bedeutenden indi- viduellen Schwankungen unterworfen. An Flächenbildern ist es nicht möglich, einen klaren Einblick in den Bau des Stieltheiles zu gewinnen. Die Zellen, welche den Hohlraum im Stiel umschließen, scheinen keine regelmäßigen Anordnungen zu besitzen, ihre Schicht zeigt eine sehr wechselnde Dicke und sendet an manchen Stellen Fortsätze aus, die an die REICHERT'schen »Wurzelfüßchen« erinnern, und lokalen Zellanhäufungen ihren Ursprung verdanken (ar). Die- selben treten in der Nähe des Magentheils am häufigsten und am mächtigsten auf; sie lassen Beziehungen erkennen zu den Ringen, die hier die Chitinhülle bildet; wo diese fehlen — in der Mitte des Stieles — da sind auch die Begrenzungslinien des Thierkörpers glatt. Im unteren Drittel nehmen dann die Unebenheiten an Mächtigkeit zu; auf dieser Strecke füllt der Stieltheil die Chitinröhre bei vielen In- dividuen fast ganz aus. Querschnitte (Figur 6 u. 7, letztere zeigt einen Schnitt, der un- mittelbar oberhalb der Scheibe gelegt ist) zeigen zunächst, dass EA- toderm und Entoderm sich gleichmäßig an dem Aufbau der Wandung der Cavität des Stieles betheiligen. Ihr Verhalten ist aber ein durch- aus von dem an den höheren Körperabschnitten beschriebenen ab- weichendes. Das Ektoderm (Ect) zeigt nicht mehr einen so regelmäßigen Bau wie am Magentheil, es hat seinen epithelartigen Charakter verloren. Das Ektoderm besteht zwar an vielen Stellen aus einer Schicht, aber die Elemente sind wechselnd in ihrer Größe und Aussehen. Ihre äußeren Flächen konstituiren nicht eine allen gemeinsame Begrenzungsfläche. Der Inhalt der Zellen ist heller als am Magentheil, ihre Form ist viel höher und schmäler. An den meisten Stellen sehe ich die Zellgrenzen (?) sehr deutlich. Mit großer Regelmäßigkeit treffe ich in jedem Kern (x) einen großen Nucleolus (2). Die Kerne selbst sind sehr groß und stechen von dem Zellinhalt durch ihre Helligkeit ab. Das Plasma ordnet Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 557 sich um sie in besonderer Weise an, zipfelartige Fortsätze bildend. Verfolge ich diese auf der inneren Seite, so sehe ich sie mit benach- barten Plasmamassen in Verbindung treten und einen Saum herstel- len, der nach innen die Ektodermzellen gegen eine hellere sehr schmale kranzförmige Region (z) abgrenzt. Inhaltskörper finde ich in den Zellen nicht direct als solche wahrnehmbar. Es treten nur sehr feine Schattirungen und Kérnelungen auf, die den basalen Theil etwas plasmareicher erscheinen lassen, als den distalen. Es muss nun ausdrücklich betont werden, dass von der dunkeln Mittelzone, die am Magentheil und den Tentakeln mit so großer Schärfe hervortritt, am Stiel keine Spur vorhanden ist (siehe Fig. 1, 6 u. 7). Die Sonderung der beiden Blätter von einander ist demgemäß auf dem Querschnitt eine viel weniger in die Augen fallende, aber sie ist immerhin sehr deutlich. Eine feine scharfe Kontur (/,) be- grenzt die Entodermzellen (Zrt) nach außen. Ob sie denselben selbst angehört, muss ich unentschieden lassen. Sie grenzt nach innen den erwähnten helleren Mittelsaum ab. Die Elemente des Hypoblasts (Ent) weichen auch ein wenig von denen im Magentheil ab. Es sind kleine platte Zellen, die hier den inneren Hohlraum ausklei- den. Das innere Blatt ist einschichtig. Die Kerne (n) sind klein und zum Theil abgeplattet. Die Zellgrenzen sind deutlich. Der inne- ren Fläche liegt eine etwas dunklere Plasmamasse an. — In dem Hohlraum des Stieles (P./.) herrscht beim lebenden Thiere eine sehr lebhafte Bewegung, die durchaus den Anschein erweckt, als würden kleine Theile mit Cilienbewegung auf- und abwärts befördert. Meine Untersuchungen des lebenden Thieres waren nicht lange genug an- dauernd und nicht eingehend genug, um das Vorhandensein von Cilien an den Entodermzellen beim erwachsenen Thiere konstatiren zu können. Da ich sie aber bei jüngeren Entwicklungsstadien deut- lich sah, und da die Art der wirbelnden Bewegung in allen Stadien sich als die gleiche darstellte, so glaube ich sie auch den erwachse- nen Clytien zuschreiben zu können. Dass beim gehärteten Thier auf dem Querschnitt nichts davon zu sehen ist, kann bei so feinen, schwer zu erhaltenden Gebilden nicht als Grund gegen ihre Existenz im Leben betrachtet werden: auch ist ja die Möglichkeit vorhanden, dass sich die Cilien hier ver- halten, wie die von KLEINENBERG bei Hydra beschriebenen, die tem- porär gebildet werden und in das Innere der Zellen wieder aufge- nommen werden. Auf dem Querschnitt findet man den Hohlraum selten leer (Fig. 7). 558 Hermann Klaatsch In einigen Fallen sind es zellige Gebilde, die man im Lumen findet und von diesen ist im Allgemeinen festzuhalten, dass sie sich mechanisch bei der Präparation von dem Entodermbelag abgelöst haben, wie dies auch meist durch entsprechende Liicken in der Entodermbeklei- dung der Stielröhre dargethan wird. In anderen Fällen aber kann man über den Ursprung der kleinen Körper im Zweifel sein, da sie keinen so deutlich zelligen Charakter haben, und doch wieder in etwas an Zellen erinnern. Mit solchen »Nahrungskörpern« finde ich häufig den ganzen Querschnitt des Lumens dicht erfüllt (Fig. 7 P.2). Offenbar sind sie es, die im lebenden Thiere umhergewirbelt wer- den. In der Litteratur ist ihnen Beachtung geschenkt worden durch VAN BENEDEN!, der ihrer Bewegung die Bedeutung, theilweise als einer Bluteirkulation, theilweise eines Umtriebes von Nahrungsparti- kelchen beimisst. Es begegnen dem Beobachter mannigfache Formen dieser klei- nen Körper. Ich finde auf einem Schnitte eine beschränkte Anzahl großer (a), und eine bedeutende kleiner (2) Formbestandtheile. Sie nehmen den Farbstoff schwer auf, und sind zum Theil stark lichtbrechend; manche sehen aus wie Fettkügelchen. Ich finde da große runde Formen, dann wieder längliche (c), eckige, dunkleren Aussehens, die großen liegen mehr dem Rande genähert, die Mitte des Lumens ist dicht erfüllt mit kleinen Kugeln. Dann wieder tre- ten kleine Gebilde auf (d), hell, rund mit einem kleinen kreisförmi- gen Gebilde versehen, die ihrer ganzen Erscheinung nach einem Kern mit Nucleolus täuschend ähnlich sehen. Es ist wohl der Ort, die Schilderung der thatsächlichen Ver- hältnisse durch einige erläuternde Betrachtungen zu unterbrechen und sie zugleich dadurch zu beleben. Dass beide Blätter wirklich gemeinsam den Stiel aufbauen, ist wohl nicht zweifelhaft, aber eben so ist es sicher, dass dies in ganz anderer Weise als am Magen- theil geschieht. Das Ektoderm ist völlig anders als dort. Ich darf wohl hier vorausnehmen (wofür weiter unten der definitive Beweis geliefert wird), dass jenes Epithel des Magentheils hier am Stiel gar nichts Entsprechendes besitzt, dass also das Ektoderm des Stieles einer anderen Zelllage des äußeren Blattes entspricht. Was trennt nun am Stiel die beiden Blätter von einander? Welches ist die Bedeutung jener kranzartigen Zone? Stellt sie einen Durchschnitt der Stützlamelle dar? Ile Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 559 Das Vorkommen der Stützlamelle bei Cordylophora, und nach REICHERT auch bei den Campanularien, lässt allerdings vermuthen, dass sie in jener Zone zu suchen seien, aber ich konnte in derselben nichts entdecken, was auf eine hyaline Zwischenlage schließen ließe. Auch über die scharfe Kontur, welche die Entodermzelle umgrenzt, kann ich keine bestimmte Ansicht äußern. Sie hat mit der dunklen Mittelzone des Magentheils nicht die entfernteste Ähnlichkeit. Wenn ich oben der dunklen Mittelzone den Sitz der kontraktilen Elemente zu- schrieb, so wird diese Ansicht bestärkt durch das gänzliche Fehlen der Zone am Stiele. Der Stieltheil des Thierkörpers kann keine Bewegung ausführen. Es drängt sich nun die Frage auf, was für eine Funktion dem ektodermalen Gewebe des Stieles zuzusprechen sei. Eine schützende Funktion, wie dem Epithel des Magentheils, kann ihm ja nieht zukommen, eine lokomotorische fehlt ihm auch — sollte nicht vielleicht eine sensorische Funktion dieser Zellen anzunehmen sein? Der Bau der Scheibe ist im Ganzen einfach, doch ist eine eingehende Schilderung um so mehr geboten, als in dieser Bezie- hung von früheren Autoren nichts gethan ist. Der Polyp haftet mit der unteren Fläche der Scheibe Fremdkörpern fest an, und zwar sowohl Algenblättern, als der Wand von Glasgefäßen, wie ich denn in solchen ihn zuerst auffand, aus der Planulaform entstanden. Was zunächst bei Betrachtung der Scheibe (Fig. 15) in die Augen springt, ist, dass der sich in sie fortsetzende Polypenkörper eine Lappenbildung (L) eingeht. Die äußere, kreisförmige Umgren- zung der Scheibe wird nur von der Chitinhülle (CA) gebildet. Der Durehmesser der Scheibe beträgt ungefähr ein Dritttheil von der Länge des Stiels. Die Zahl der Lappen beträgt meist fünf häufig auch nur vier. — Auf Flächenbildern sieht man eine kreis- förmige Öffnung als Übergangsstelle der Stielhöhle in den Raum der Scheibe, der sich alsbald strahlenförmig zu fünf Hohlräumen er- weitert, die den Scheibenlappen entsprechen. Jeder Lappen für sich betrachtet zeigt das Bild eines Dreiecks mit nach außen gekehrter Basis und stielwärts gerichteter Spitze. Zwischen den Lappen springt vom Scheibenrande her ein scharfer Einschnitt (7) vor. Schnitte, die parallel der Längsachse des Thieres geführt sind, die also die Scheibe vertikal treffen (in der Ebene der Linie & auf Fig. i), geben einen klaren Begriff von ihrem Bau, der an Flächenbildern nicht erkannt wird (Fig. 8 u. 9). Das Gewebe des Thierkörpers, welches den Scher- bentheil bildet, ist eine direkte Fortsetzung aus dem Stieltheile. Die Betheiligung beider Blätter ist in beiden Theilen eine wesentlich gleiche. 560 Hermann Klaatsch Pa Der Hohlraum zwischen Ektoderm und Chitinhülle ist relativ größer als im Stiele (77). Auf dem Querschnitt durch die Scheibe sieht man gleichsam Kammern (Fig. 8), deren Scheidewände durch Chitinbalken (s) gebildet werden, und in jeder dieser Kammern nimmt man einen Zellkomplex wahr, zu dessen genauer Betrachtung ich mich nun wende. Indem sich der Lappen nach außen verbreitert, nimmt nicht sowohl das Entoderm an dieser Verbreitung theil, als viel- mehr das Ektoderm, das über der Basis der Scheibe in die Ecken ein- dringend sie ausfüllt. In dem oberen Theil der Scheibe erscheint daher das Ektoderm (Zeit) nicht sehr von dem des Stieles unterschieden. — Ich sehe Zelle an Zelle in der am Stiel beschriebenen Weise. Wo dann aber das äußere Blatt an Breite beträchtlich zunimmt, ge- gen den Rand der Scheibe hin, da treten Komplikationen auf. Nach außen sehe ich noch immer eine Zellreihe; die Verbreiterung der Schicht entsteht aber nunmehr nicht durch Zunahme der Zellen an Zahl, wenigstens konnte ich nach der Zahl der Kerne auch hier nur eine Schicht von Ektodermzellen konstatiren (Fig. 9 Eet). Bei schwacher Vergrößerung schien es allerdings so, als seien mehrere Schichten ektodermaler Zellen vorhanden; die Anwendung stärkerer Linsen belehrte mich aber darüber, dass das, was ich für Kerne (z) gehalten, solche unmöglich sein könnten. Auf dem oberen Theil der Scheibe konnte ich Zelle für Zelle verfolgen ; die Kerne (x) sind groß und nicht sehr dunkel, wo sich aber das Ektoderm in die Ecken der Scheibenlappen einschiebt, da bereitete die Deutung der Schicht große Schwierigkeiten. Ich führte Schnitte so nahe dem Scheibenrande senkrecht zu deren Fläche, dass nur Ektoderm, gar kein Entoderm getroffen war (Fig. 9 Eet!). Es bietet sich mir auf diesen Schnitten folgendes Bild dar. Der ovale Durchschnitt des Zellenkomplexes zeigt mannigfache Schattirungen und Linien, die sich theilweise auf Zellgrenzen beziehen lassen. Im Übrigen er- scheint die ganze Plasmamasse körnig und trägt eigenthümliche Ein- lagerungen (x). Das Aussehen dieser Einlagerungen ist höchst merk- würdig; wie gesagt hielt ich sie bei ungenauer Prüfung für Kerne. Solche können sie nun gewiss nicht sein. Kerne sind ja daneben sichtbar und erscheinen als große matte Gebilde, während die fraglichen Körper zum Theil kleiner sind und einige ganz cha- rakteristische Merkmale aufweisen. Sie sind stark lichtbrechend ; die einen sind rund, die anderen länglich, die meisten besitzen eine eiförmige Gestalt, doch laufen die beiden Pole etwas spitz zu (siehe die verschiedenen Formen 2, x, ©). Jeder Körper ist Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 561 von einem hellen Hofe umgeben, der deutlich gegen das umge- bende Plasma absticht. Die Richtung der Längsachsen ist eine durchaus wechselnde, die Größe ist sehr verschieden, doch mit der Beziehung, dass viele kleine und einige große, unter einander gleiche vorhanden sind. Die großen übertreffen mit ihrem Hofe den Umfang der Kerne. Die Anordnung lässt keine Regelmäßigkeit erkennen: ihr Vorkommen ist nicht lokalisirt, allerdings traf ich wenige nahe der Oberfläche der Zellschicht und wurden sie desto zahlreicher je mehr die Dieke der Schicht das gewöhnliche Maß überstieg. Die Zahl der Körper muss sehr groß sein; auf einem Schnitt, der doch nur 1/59) mm Dicke besitzt, sah ich bei variirender Einstellung mehrere Lagen der- selben und häufig sah ich im Bereiche eines Lappens 30—40 solcher Gebilde. Auch in dem Theil der Schicht treten sie auf, der zwischen die untere Fläche des Hypoblasts und das Algenblatt sich einschiebt. Das Ektoderm erscheint durchweg dunkler als das Hypoblast. Dieses besitzt einen regelmäßigen Bau (Fig. 8 und 9 Ent), wie an den anderen Theilen des Polypen; auch hier begegne ich der ein- schichtigen Auskleidung des Scheibenraumes, die durch große Ele- mente gebildet wird (auf Fig. 1 sind zwei Lappen im optischen Querschnitte [zur Richtung der Achse des Thieres gedacht] gezeich- net). Sie sind hell, ihre Grenzen sind deutlich, die Kerne groß und in der Mitte oder auch ein wenig basalwärts gelagert. Die Zellen haben ein volles, saftiges Aussehen und springen mit gewulsteter Oberfläche in den Scheibenraum vor. Die Frage nach den zwischen beiden Blättern gelegenen Theilen beantworte ich dahin, dass die Trennung in ähnlicher Weise wie am Stiel zu Stande kommt. Eine sehr feine scharfe Trennungslinie umzieht, dem Umfang des Hohl- raumes parallel laufend, die entodermale Zelllage. Die Zellgrenzen des Entoderms lassen sich nicht bis an diese Grenzlinie verfolgen. welche letztere auch nicht entfernt mit der am Magentheil vorhande- nen Mittelzone sich vergleichen lässt (1). Die lebhafte wirbelnde Bewegung, die ich am lebenden Thiere am Stiele beschrieb, herrscht im Innern der Scheibe in noch größe- rem Maße vor: ja sie hat hier so recht eigentlich ihren Sitz; in den Räumen, welche die Lappen umschließen, herrscht niemals Ruhe; in verschiedenen Richtungen werden die Körperchen umhergetrieben, um schließlich in den Stiel aufzusteigen. Auf Schnitten findet man daher häufig den Hohlraum dicht erfüllt mit kleinen Formbestand- theilen, die ich oben schilderte; hat man die Scheibe und den unte- ren Theil des Stieles getroffen, so bietet sich häufig das Bild dar, 562 Hermann Klaatsch dass gleichsam ein Pfropf von solchen kleinen Körpern von unten in den Stiel hineingesteckt erscheint. Bei einem Rückblick auf die so eben biichlere Verhältnisse muss ich zunächst meinen Vermuthungen über das Ektoderm des Scheibentheils und seinen eigenthümlichen Einlagerungen Ausdruck verleihen; Vermuthungen können es ja nur sein, da es mir bisher nicht gelang, im Innern der erwähnten Gebilde Struktureinzelheiten wahrzuehmen. Sie scheinen mir frei in einer Art von Vacuole, —- dem hellen Hofe — zu schweben. Dass es Kerne seien, diese An- nahme wird nach dem, was ich oben sagte, wohl Niemand aufrecht erhalten. Das Aussehen, die Form vieler dieser Körper lassen mich — wenn auch mit aller nöthigen Vorsicht und Zurückhaltung — die Meinung aussprechen: es sind, oder vielleicht es waren Nesselorgane. Ihre Lagerung unter der Chitinhülle muss zunächst befremden. Es ist nicht daran zu denken, dass sie hier in Funktion treten könnten. Aus eben diesem Grunde sage ich, dass es vielleicht solche Organe waren,. die nun einer Veränderung anheimgefallen sind. Bei Betrachtung der Scheibe sehe ich mich mehrfach in der Lage, Dinge herbeiziehen zu müssen, die in einen anderen Theil dieser Untersuchungen gehören, die gelegentlich der Entwicklung meiner Clytia eingehender studirt werden sollen. Wenn irgend etwas, so kann es nur die Entwicklung sein, die ein Vorkommen von Nessel- organen im Ektoderm der Scheibe zu erklären vermag. Es genüge hier darauf hinzuweisen, welche Rolle die Scheibe ontogenetisch dem Organismus gegenüber spielt. Es giebt ein Stadium der Clytien, wo von ihnen nichts existirt, als die Scheibe; von dieser entsteht dann der Stiel. Die Planula setzt sich fest und wird ganz zur Scheibe. In dem Ektoderm der Planula finden sich die Nesselorgane in ungeheuren Massen. Besteht daher nicht die Möglichkeit, dass im Ektoderm der festgesetzten Planula und in dem Polypentheile, der der Planula entspricht, noch spät sich Nesselorgane finden? Möglich, dass dieselben, nachdem sie außer Funktion getreten sind, reducirt werden, dass sie bei älteren Individuen vielleicht ganz ver- schwinden; die von mir untersuchten Clytien waren ja durchweg Junge Exemplare und hat daher wohl die Hypothese, die kleinen, lichtbrechenden Körper als Nesselorgane zu deuten, nicht etwas so Befremdendes, als es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Der Ort, d. h. das Gewebe, welches die kleinen Körper trägt, kann als ein neues Argument für die Richtigkeit meiner Deutung angeführt werden. Wie KLEINENBERG zuerst nachwies, entstehen Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 563 die Nesselorgane nicht im Epithel des Ektoderms, nicht auch in der darunter zunächst auftretenden Schicht, der » Nervenschicht« von Hydra, sondern in Zellen, welche sich zwischen die Elemente der letzten Schicht einschieben ; der Sitz der Nesselorgane ist sein »in- terstitielles«e Gewebe. Wenn ich nun frage: was bedingt bei der Scheibe der Clytia die Verbreiterung des Ektoderms? so muss ich zu- nächst zurückweisen, dass es das äußere Epithel sei, welches durch Zellvermehrung wirke, denn dieses Epithel besteht hier nicht. Es kommt also die Schicht in Frage, die am Stiel das äußere Blatt repräsentirt und die sich auch auf die Scheibe verfolgen lässt. Ich habe nichts beobachtet, was auf eine Zellvermehrung dieser Sehieht im Bereiche der Scheibe hinweisen würde, keine größere An- zahl der Kerne. Wo ich die besagte Schicht an der Scheibe nach- weisen konnte, fand ich nahe ihrer Oberfläche keine »Nesselorgane«. Diese liegen mehr in der Tiefe in körniges Plasma eingebettet, ein Plasma, dessen Zugehörigkeit zu dem »interstitiellen« Gewebe ich zwar nicht bewiesen, aber doch wohl wahrscheinlich gemacht habe. An der einfachen Trennungslinie der beiden Blätter von einander oder in ihrer Nähe kann ich nichts entdecken, das an dieser Stelle mich mit Bestimmtheit das Vorhandensein einer Stützlamelle vermuthen ließe. Auch eine nähere Beziehung der Trennungslinie zu einem der beiden Blätter war nicht zu konstatiren. Vom Entoderm gilt was ich gele- gentlich des Stieles bemerkt habe; dieses Blatt steht durch die völ- lige Gleichmäßigkeit seines Baues in den meisten Theilen des Po- lypen in einem recht bemerkenswerthen Gegensatz zu dem Epiblast. Der Hohlraum der Scheibe fordert zu einigen Betrachtungen auf. Schon die Thatsache allein, dass sich hier eine so bedeutende Ka- vität befindet (vgl. Fig. 1 8.2), ist der Beachtung werth; durch den Umfang der Scheibe und durch den Bau in Lappenform sind Mo- mente gegeben, die für Inhaltskörper eine große Berührungsfläche des Entoderms entstehen lassen. Man kann geradezu von dem Raum der Scheibe als von einem zweiten Magenraume sprechen, obwohl die Funktion dieses Hohlrdumes nicht ausreichend definirt ist. Die zahlreichen kleinen Formbestandtheile, die ich so ausführlich be- schrieb, vollführen in diesem Hohlraum eine Art Cirkulation, von der man sich leicht denken kann, dass sie die früheren Beobachter zu dem Glauben brachte, dass hier etwas der Bluteirkulation Ähnliches sich fände. So bezeichnet P. J. van BENEDEN die kleinen Körper als Blutkörperchen. Wie vorhin gelegentlich der Nesselorgane, so sehe ich auch jetzt mich genöthigt, einige Thatsachen der Entwick- 564 Hermann Klaatsch lung herbeizuziehen, um ein richtiges Verständnis der »Cirkulation« beim erwachsenen Thier zu ermöglichen. Die » Körperchen« können ja von außen aufgenommene Bestandtheile sein, sie sind es aber Jedenfalls nicht durchweg. Dieses wird bewiesen dureh die Thatsache, dass ihre Cirkulation bereits stattfindet zu einer Zeit, wo die Clytia noch nicht einen Mund besitzt. Wenn aber nicht von außen aufge- nommen, können die »Körperchen« keinen anderen Elementen als denen des Hypoblasts ihre Entstehung verdanken, oder doch solchen Formbestandtheilen, die mit dem Hypoblast in entwicklungsgeschicht- licher Beziehung stehen. Wenn diese Thatsache einen Wink bezüg- lich der Herkunft der Körperchen giebt, so wirft eine andere That- sache ein Licht auf ihre Bestimmung. Die ganze Bildung des Polypen geht von der Scheibe aus. Ihre Elemente müssen es also sein, die den Aufbau des hervorsprossenden Stieles und der höheren Theile ermöglichen und zu Stande bringen. Die »Körperchen« sind es, die dabei ihre Wirkung entfalten. Es steht mit dem eben Gesagten in völligem Einklang, dass die Körperehen in die Höhe getrieben werden. Das Studium der Entwicklung muss darüber entscheiden, ob es sich hier um eine Art von Histolyse handelt oder um den Verbrauch eines Materiales, das noch von der Zeit her, wo das Thier des Mun- des entbehrte. in dem Raum der Scheibe, wie in einem Reservoir aufbewahrt würde. Folgendes steht jedenfalls fest: Es werden kleine Formbestandtheile von dort emporgeführt und zur Ernährung höher gelegener Theile verwandt. Am lebenden Thiere ist der Umfang der Scheibe durchaus kreis- förmig und größer als der der Chitinhülle, die in ihren Umrissen dem umschlossenen Theil des Thieres entspricht. Am Rand der Scheibe und zwischen den Lappen befindet sich eine, wie es scheint gallert- artige Substanz, die wohl die Festheftung der Scheibe besorgt. In dieser Masse sind kleine Formbestandtheile eingelagert, namentlich grüne Kügelchen verschiedener Größe, die ich für Chlorophyll zu halten geneigt bin. Auf der unteren Flithe der Scheibe wird diese Substanz bisweilen der Sitz inficirender Elemente; ich fand sie bei einigen Clytien, die ich in einem Glasgefäß züchtete, bedeckt mit stäbehenförmigen Mikroorganismen, die der jungen Brut den Unter- gang zu bringen drohten. Für eine morphologische Betrachtung der Scheibe und eine Ver- gleichung mit ähnlichen Gebilden bei anderen Coelenteraten fehlt mir jede sichere Basis. Über ihr Vorkommen bei anderen Campa- Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 565 nularien habe ich in der Litteratur nichts ermitteln können. HryxKs bildet sie nicht einmal bei Clytia Johnstoni ab. Bei Cordylophora ist gar nichts Ähnliches vorhanden ; es kann das nicht Wunder nehmen, wenn man die gänzlich andere Entwicklungsart jenes Polypen be- denkt, bei dem es niemals zu einer Abflachung der Planula kommt. Die Form der Scheibe mit ihren fünf radiär gestellten häufig selbst wieder ausgebuchteten Lappen ist eine so eigenthümliche, dass sie wohl zu Vergleichungen anregen kann. Die Ausdehnung der Kolonien vollzieht sich bei den Clytien auf sehr einfache Weise, ausschließlich mit Hilfe der Stolonen. Die Entstehung der Stolonen beobachtet man sehr häufig. Ein Lappen einer Scheibe zeigt mehrere Einkerbungen, die zwischen ihnen lie- senden Theile nehmen eine verschiedene Länge an; einer derselben übertrifft seine Genossen ein wenig und ist somit schon jetzt als junger Stolo kenntlich. Die Dicke der Stolonen ist sehr wechselnd. Einschnürungen und Anschwellungen wechseln regellos ab. Aus dem Stolo wächst entweder unmittelbar ein Stiel auf, oder aber der Stolo bildet eine Scheibe, von der dann der Polyp sich erhebt. Der Bau des Stolo entspricht seiner Entstehungsweise. Man trifft auf dem Querschnitt dieselben Theile in derselben Anordnung wie in der Scheibe (Figur 10). Die Chitinhülle verhält sich eben so wie dort: zwischen ihr und dem Ektoderm bleibt oft kaum ein freier Raum. Die Ektoderm- zellen (Zet) sind wie am Stiel beschaffen; sie sind von einander deutlich geschieden 7), doch fällt der Mangel an scharfen Grenzlinien der einzelnen Elemente auf. Nach der unteren Fläche verbreitert sich die Ektodermschicht etwas; auch hier sehe ich vereinzelt ähn- liche Gebilde (z), wie ich sie für die Scheibe an der entsprechenden Stelle beschrieb. Das Entoderm (Ent) zeigt keine bemerkenswerthen Verhältnisse. Seine Zellen sind denen am Stiel sehr ähnlich; auch hier sind die Kerne matt und groß. Die Trennung der beiden Blät- ter ist scharf (7) ; die Existenz einer besonderen feinen Lamelle ist mir wahrscheinlich, doch kann ich dieselbe nur an einigen Stellen nachweisen. Ein Vergleich meiner Figur mit dem Schnitt, welchen F. E. Schutze durch einen Stolo von Cordylophora abbildet, ist für die Verschiedenheit der bei beiden auftretenden Verhältnisse recht lehrreich. Ich trete in den wichtigsten und schwierigsten Theil meiner Untersuchungen ein, in die Besprechung des Gehäuses der Clytien und der Campanularien im Allgemeinen. Es ist bisher nichts Spe- 566 Hermann Klaatsch cielles iiber die Hiille dieser Thiere gearbeitet worden: descriptive Notizen sind vorhanden von vAN BENEDEN, REICHERT u. A., die ich im einzelnen Fall beriicksichtigen werde. Aus diesem Mangel an früheren Untersuchungen erwächst mir ein Nachtheil: die Schwierig- keiten, die ich zu überwinden habe, steigern sich, indem ich auf Grund meiner Resultate Anschauungen entgegentreten muss, die tief eingewurzelt sind, Ansichten, an denen bisher nicht gerüttelt worden ist. Wie über die Körperhüllen der Coelenteraten im Allge- meinen, so herrschte auch in Betreff der Campanularien die Über- zeugung, dass die Gehüuse dieser Thiere erstarrte Sekrete darstellen. Eine genaue Prüfung dieser Ansicht wird im Folgenden versucht werden. Ich habe die Beschreibung des gesammten Weichkörpers der Clytia der Besprechung des äußeren Skelettes vorangehen lassen in der Erwä- gung, dass auf diese Weise am besten ein richtiges Verständnis des Ge- häuses angebahnt wird; denn wenn ich auf den vorigen Seiten auch kaum einmal das Wort »Gehäuse« gebraucht habe, so habe ich doch Vieles über dasselbe bereits ausgesagt; ja, Alles, was ich bisher über das Ektoderm mitgetheilt habe, muss nun in seiner Gesammt- heit herbeigezogen und berücksichtigt werden. Ich werde mich zunächst rein descriptiv verhalten, und gebe eine genaue Schilderung der Chitinhülle der Clytia und der im Bau derselben auftretenden individuellen Schwankungen. Zur Erleich- terung des Vorgehens sondere ich das Thema der Chitinhülle in zwei Theile, die sich mir gleich beim Beginn meiner Untersuchungen als naturgemäß zu trennende Abschnitte herausstellten, nämlich in die Besprechung des Bechers (Fig. 1 B) und der Stielréhre (P=Ch) so wie der Scheibenhiille (S= (Ch). Es ist leicht einzusehen, dass diese Theile des Gehäuses nicht ohne Weiteres als gleichwerthig neben einander gestellt werden können. Freilich weiche ich schon in dieser so einfachen Sonderung von früheren Ansichten ab; der Becher und die Stielröhre umschließen völlig verschieden geartete Theile. Die Stielröhre — und auch die Hülle der Scheibe und des Stolos umschließen Gebilde, denen gar keine Beweglichkeit zukommt, während der Becher den eigentlichen Polypenkörper aufnimmt, aber auch zu Zeiten von dem größten Theile desselben verlassen werden kann. Die physiologische Gleichheit ließ auch an eine morphologi- sche Gleichheit glauben. Der Becher stellt einen glockenförmigen Schutzapparat dar. Es ist von systematischem Interesse, dass sein oberer Rand (B.m) bei der von mir untersuchten Clytia völlig glatt ist. Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 567 Die Substanz, aus der der Becher besteht, ist nicht völlig un- empfänglich für Farbstoffe. Mit Pikrokarmin nimmt sie einen schwach röthlichen Schimmer an. Auf dem optischen Querschnitt durch die Wand des Bechers nahm ich wahr, dass bei manchen Exemplaren der Becher leichte Längenfalten besitzt, die seine Umgrenzung wellen- förmig mit sechs Erhebungen und eben so viel Senkungen erscheinen lassen (vgl. Fig. 13). Verfolgt man auf dem optischen Längsschnitt die Konturen des Bechers abwärts, so wird man zu einer sehr merk- würdigen Einrichtung geführt, die sich am Boden desselben befindet (Fig. 1 D!). Frühere Autoren gedenken dieser Einrichtung und beschreiben sie mehr oder weniger genau, auch deuten sie, aber alle, wie ich glaube, nicht nur ungenau, sondern auch geradezu unrichtig. Als Benennung für die Einrichtung hat sich von Alters her die Bezeichnung: »Diaphragma« eingeführt, die ich acceptire, mehr um der Bequemlichkeit des Ausdrucks willen, als weil ich sie passend finde. Ich selbst hatte, als ich erst eine beschränkte Anzahl von Cly- tien untersucht hatte, mir den Namen: »ringförmiger Fortsatz des Polypenkörpers« ausgesucht, da ich einen solchen immer wieder an der bezeichneten Stelle fand (dieser Befund ist sowohl auf Fig. 1D wiedergegeben, als auch genauer auf Fig. 11 dargestellt); ich musste mit Recht erstaunen, als ich in der Litteratur stets etwas Anderes an derselben Stelle beschrieben fand, nämlich einen: ringförmigen Fortsatz der »Chitinhülle«, ein Diaphragma derselben (vgl. Fig. 12 D). Lister ist der Erste, der ihn als solehen bei den Campanularien beschreibt. P. J. van BEnEDEN berichtet, der Magentheil dieser Polypen sei »au fond de la loge« durch einen Chitinring befestigt. REICHERT nennt den Theil des Polypen, der sich an der »Pförtner- enge« befindet, das Übergangsstück, dieses soll in einem Theil des Bechers liegen, welcher durch einen auf der Innenfläche der Glocke, d. i. des Bechers, befindlichen Diaphragma von dem übrigen Theil abgesondert wird. Von einem solehen chitinösen Diaphragma ist, wie gesagt, bei sehr vielen Clytien gar nichts vorhanden; es ist etwas ganz Anderes an dessen Stelle zu beobachten. Auf dem opti- schen Längsschnitt zeigt sich dann folgendes Bild: An Stelle des Diaphragma trifft man auf einen Zellkomplex ektodermaler Natur, der den Raum zwischen Polypenkörper und Chitinhiille ganz ausfüllt (Fig. 11). Die bedeutenden individuellen Schwankungen erschweren natürlich die Beschreibung der sich hier findenden Verhältnisse; ich halte mich daher an einige ganz bestimmte Beobachtungsobjekte, 568 Hermann Klaatsch ohne doch solehe Exemplare, die ähnliche Erscheinungen darbieten, unberücksichtigt zu lassen. Ich gehe aus von dem Ektoderm in der mittleren Region des Magentheils (Fig. 11 Ep!), das ich oben ausführlich beschrieben habe. Zellgrenzen kann ich nicht deutlich wahrnehmen. Verfolge ich nun besagte Schicht abwärts, so sehe ich sie am Boden des Be- chers sich verbreitern (bei a), nach außen umbiegen (bei 4), bogen- förmig gegen die innere Kontur der Becherwand aufsteigen (bei c), sich dieser anlagern und sie eine kleine Strecke weit aufwärts be- gleiten (bei d). Als eine konstante Bildung trat mir ein brücken- artiges Gebilde entgegen (p). Das Umbiegen des ektodermalen Epithels suchte ich auf Fig. 11 dadurch deutlich zu machen, dass ich die rechte Seite der Figur im optischen Längsschnitt ausführfe, während ich auf der linken Seite das Bild wiedergab, das man bei Einstellung auf die Ober- fläche des Bechers erhält. Die dunkeln Kerne, die man auf die- ser Darstellung sieht, gehören also dem äußeren Epithel an; be- trachtet man die Zeichnung aus einer mäßigen Entfernung, so wird der körperliche Eindruck dieser nach außen und oben umgeboge- nen Schicht, durch die die tieferen Theile des Objektes hindurch- schimmern, noch deutlicher. Zellgrenzen als solche sind zwisehen den Kernen nur selten wahrnehmbar, aber die Gewebsschicht er- scheint an manchen Stellen in polygonale Felder getheilt, die sich wohl auf Grenzen der Elemente beziehen lassen. Etwas über dem Boden des Bechers geht vom Ektoderm ein zu der Schicht recht- winklig gestellter Fortsatz aus (p); kurz vor der Abgangsstelle sehe ich einen Kern (z,), gleich hinter demselben, schon dem Fortsatz angehörend, tritt wieder einer (7) auf; häufig liegt ein solcher ge- nau an der Abgangsstelle. Der zellige Fortsatz überspannt die sich emporbiegende Ektodermschicht, erreicht die Innenwand des Chitinbechers (bei e) und legt sich derselben eng an vermittels einer breiten Fläche. In diesem verbreiterten Ende des Fortsatzes, in unmittelbarer Nähe des Bechers liegt ein Kern (v3), genau den übri- sen des höheren Ektoderms gleichend, nur ein wenig blasser erschei- nend. Zwischen dieser Ektodermzelle und dem Becher ist keine scharfe Grenze vorhanden, nur nimmt die Zelle den Farbstoff inten- siver auf; die innere Kontur des Bechers erscheint geradezu fort- gesetzt in die obere Begrenzungslinie der Zelle. Verfolge ich die innere Kontur (f) weiter nach innen, so werde ich über den briickenartigen Fortsatz hin auf die Oberfläche des Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 569 Magentheils geführt. Verfolge ich aber die zarte Grenze zwischen der verbreiterten Endzelle des briickenférmigen Fortsatzes und dem Becher (g) abwärts, so werde ich geführt auf die untere Begrenzungs- fläche des Ektoderms und schließlich, am Magentheil, auf die innere Begrenzungsfläche der epithelartig gebauten Ektodermschicht. Das üußere Epithel des Magentheils entsendet den beschriebenen brückenförmigen oder ringförmigen Fortsatz und biegt dann in seiner Gesammtheit nach außen um. Der Magentheil stellt einen Cylinder dar. Die untere Begrenzungslinie dieses Cylinders fällt mit der Umbie- gungsstelle des äußeren Epithels zusammen. Ich sehe dann bei vielen Exemplaren Kern an Kern folgen, sie markiren ein allmähliches er- neutes Umbiegen des äußeren Epithels nach oben, was zur Folge hat, dass, nachdem der Chitinbecher erreicht ist, sich das äußere Epithel ihm von innen anlegt. So entsteht ein nach oben offener nach unten konvexer Bogen (a, 4, c, d, e) des äußeren Epithels, der eine sehr innige Verbindung des Ektoderm des Magentheils mit der Chitinhülle herstellt. Sehr häufig liegen auch noch über dem ringförmigen Fortsatz Ektodermzellen, den Becher von innen ausklei- dend, deren Plasma gegen den Becher sehr wenig scharf absticht. — Die Schilderung ist Längsschnitten entnommen, für die ich als Kontrolle das Bild des optischen Längsschnittes heranzog. Querschnitte (Fig. 13) zeigen sehr deutlich die überaus innige Verbindung des Ektoderms mit der Substanz des Chitinbechers. An vielen Stellen ist die Grenze des Plasmas gegen die sogenannte Chitinhülle (gr) so fein, dass der Becherdurchschnitt wie eine äußere Lage der Zellen selbst erscheint. In unmittelbarer Nähe des Chitins sind Kerne sichtbar, das Plasma nimmt gegen den Becherdurch- schnitt an Helligkeit zu. Der in Fig. 13 dargestellte Schnitt ist recht lehrreich. Die Richtung, in der er geführt ist (sie wird auf Fig. 1 durch die Linie 7 angegeben), ist etwas schief zur Längsachse des Thieres. Auf der rechten Seite des Schnittes sind daher etwas tiefer gelegene Theile getroffen, als links. Man sieht hier den fei- nen Durchschnitt des Bechers, der wellenförmig erscheint (6). Zu äußerst am Polypenkörper ist die tiefste Stelle des Diaphragma ge- troffen, die hier sichtbaren Kerne entsprechen den auf Fig. 11 mit d bezeichneten Zellen. Auf der linken Seite ist das zellige Dia- phragma mitten durchgeschnitten. Die Zellen entsprechen den auf Fig. 11 mit ce bezeichneten Elementen. Die Helligkeitsunter- schiede innerhalb dieser Zellmasse sind eigenthümlich (p/). Unweit der Zellmasse sieht man eine zarte Brücke vom Epithel zum Becher Morpholog. Jahrbuch. 9. 37 570 Hermann Klaatsch gehen. An ihren beiden Enden geht die Masse dieser Briicke, hier in Chitin dort in Plasma kontinuirlich iiber; sie selbst scheint ihrem Lichtbrechungsvermégen nach eher Chitin als Plasma zu sein (2). Nachdem das Zitoderm diese merkwürdigen Änderungen seines an den Tentakeln wie am Magentheil so gleichmäßigen Verhaltens erfahren hat, ist es weiter abwärts nur in sehr veränderter Form wieder aufzufinden. Der Hohlraum des Magentheils verschmälert sich sehr bedeutend, es ist an dieser Stelle die REICHERT'sche »Pfört- nerenge« gelegen (py). An dieser Stelle «st eine ektodermale Lage Fig. 11 Eect.M; die Rechtfertigung dieser Benennung ergiebt die folgende Schilderung) vorhanden, aber auch die oberflächlichste Be- trachtung kann diese hellen, unregelmäßig gestalteten Elemente nicht einen Augenblick verwechseln mit den platten regelmäßigen Zellen des äußeren Epithels (Ep!), das an der Seite des Magentheils sich befindet und im Diaphragma beschrieben wurde. Die ektodermale Zelllage (Zet.M) stimmt an der Pförtnerenge völlig mit den Ekto- dermzellen des sStiels (vgl. Fig. 6 und 7) überein, auf deren Be- schreibung ich verweise. Die starke Einschnürung des Magentheil- hohlraumes beim Übergang in den Stiel gestattet geradezu von einer unteren Fläche des Magentheils zu reden, auf ihr kann ich die ek- todermale Zelllage des Stieles noch wahrnehmen und ich verfolge sie bis zu der Stelle, wo die untere Fläche des Magentheils in die seitliche übergeht. — Setzt sie sich nun weiter aufwärts in das äußere Epithel fort? Nein! Es besteht an dieser Stelle gar kein Zusammenhang zwischen dem äußeren Epithel und der ektodermalen Zelllage des Stieles. Die große Wichtigkeit dieses Punktes lässt mich ihn ganz besonders betonen. Das äußere Epithel setzt sich eben nieht mehr nach unten fort, es biegt hier stets um, und an seiner Stelle tritt eine Zelllage auf, die nichts mit ihm zu thun hat. Dieselbe zeigt vielmehr ganz andere Zusammenhänge, sie hängt zusammen mit einer anderen, wenn ich so sagen darf, Schicht, jedenfalls einer besonderen Ge- webszone, nämlich der Mittelzone (Fig. 11 M) des Magentheils, der ich oben eine ausführliche Besprechung gewidmet habe. Auf die Frage nach dem Schicksal dieser Zone, die am Magen- theil vorhanden ist und von der am Stiel, wie ich ausführlich dar- gethan habe, sich keine Spur findet, erwiedere ich: Die Mittelzone hört als solche auf an der Stelle, wo die seitliche Fläche des Magen- theileylinders in die untere Fläche desselben übergeht. Flächenbilder zeigen bereits einen Zusammenhang der Mittelzone Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 571 mit der Ektodermlage des Stieles. Wie dieser Ubergang stattfindet, ist eine schwer mit voller Klarheit zu beantwortende Frage. Auf Querschnitten treffe ich eine starke Verbreiterung der Zone, die mit Abnahme ihrer Dunkelheit einhergeht. Auf Fig. 13 sieht man links die deutlich vorhandene, in nichts von dem gewöhnlichen Verhalten abweichende Mittelzone, rechts dagegen bildet sie einen Halbmond von geringer Dunkelheit, der nach innen keine scharfe Grenze be- sitzt. Solche Schnitte zeigen, dass an dieser Stelle mit der Mittel- zone eigenthümliche Änderungen sich vollziehen. Auf dem Längs- schnitt scheint die Mittelzone ein wenig dem umbiegenden Epithel in seiner Richtung zu folgen. Vor dem Aufhören der dunklen Mittel- zone sehe ich nach innen von ihr eine feine Kontur: verfolge ich sie abwärts, so sehe ich sie übergehen auf die Grenzlinie zwischen Ektoderm und Entoderm an der Pförtnerenge und am Stiel. In un- mittelbarer Nähe des tiefsten Punktes, an dem man noch von einer Mittelzone sprechen kann, sieht man bereits eine Zelle von dem Habitus der tiefen Ektodermlage (Eet.M). Es scheint, dass die Mittelzone sich verbreitert und allmählich den deutlich zelligen Cha- rakter annimmt, den sie an der Pförtnerenge besitzt. Das Verhalten des Entoderms beim Übergang in den Stiel vom Magentheil bietet wenig interessante Punkte dar (Fig. 11 und 12 zeigen die Größenabnahme der Zellen, die in den Stiel sich fort- setzen) und berührt jedenfalls nicht im mindesten die hier uns be- schäftigenden Fragen. Die Aufmerksamkeit ist und bleibt aus- schließlich dem Ektoderm zugewandt. Nachdem ich das Verhalten desselben mit so großer Ausfiihrlichkeit und gewissenhaftester Treue der Wiedergabe des Gesehenen geschildert habe, hebe ich die wich- tigsten Punkte hervor, die mir bei einer großen Zahl meiner jugend- lichen Clytien entgegentraten. Es sind folgende: 1) Am Magentheil besteht ein typisches äußeres Epithel; am Stiel nicht (vgl. Fig. 4 und Fig. 6). 2) An der tiefsten Stelle des Magentheils biegt das äußere Epi- theil nach außen, dann ein wenig nach oben um und tritt zu dem Chitinbecher in Beziehung (vgl. Fig. 11). 3) Der Zusammenhang zwischen der als Diaphragma bezeichneten Fortsatzbildung und dem Chitinbecher ist ein sehr inniger (vgl. Fig. 13). 4) An der Übergangsstelle in den Stiel tritt eine neue ektoder- male Zelllage auf, die mit dem äußeren Epithel in keinem Zusam- menhang steht (vgl. Fig. 11). 37* 572 Hermann Klaatsch 5) Die Mittelzone des Magentheils hört an dessen tiefster Stelle als solehe auf (vgl. Fig. 11). 6) Sie steht mit der neuen ektodermalen ‘Zelllage in Verbindung (vgl. Fig. 11 und 13). Nach Feststellung dieser Punkte gehe ich nunmehr weiter. Wie ich die Zustände geschildert habe, sind sie bei vielen Clytien, keines- wegs aber bei allen. Bei vielen lässt sich das Ektoderm auf der Innenfläche des Bechers noch höher aufwärts verfolgen und gerade darin sind die individuellen Schwankungen bedeutend; bei sehr vie- len der von mir untersuchten Polypen ist das Verhalten ein ganz anderes und in einer sehr großen Zahl von Fällen durchaus über- einstimmendes, ja, ich darf es wohl schon jetzt aussprechen, es ist vielleicht bei allen in weiter vorgeschrittenem Alter in gleicher Weise zu konstatiren, dass in Übereinstimmung mit den Angaben der frü- heren Autoren der Beobachter an Stelle des zelligen »Diaphragma« etwas Anderes findet. Es ist nicht von dem Polypenkörper ein zelliger Fortsatz zum Chitinbecher vorhanden, sondern von der Innenwand des Chitinbechers ein, aus gleichem Material wie er selbst bestehender Fortsatz zum Polypenkörper (Fig. 12). Dieser einfache Befund ist sehr folgenschwer. Es lässt sich ihm im Einzelnen wenig hinzufügen. Es ist ein durchaus gewöhn- liches Verhalten, dass man eine starke chitinöse Brücke (D!) vom Becher aus nach dem Magentheil hinübergehen sieht. Ihr liegen Zellen (a) an, bald mehr oder weniger, in allen nur denkbaren Stadien der Vermittlung. Sehr häufig finde ich genau dasselbe, was ich oben als zellige Bildungen beschrieben, wieder, mit fast denselben Umrissen, — aber in Chitin! Da ist dann die Grenze zwischen Chitin und Plasma bedeutend nach innen gerückt. Es tritt nun noch viel klarer hervor, dass ein Übergang des zelligen Materials in die Chitinsubstanz besteht. Ich sehe häufig eine vollkommen regelmäßig gebaute Ektodermzelle, darin einen blassen Kern, und als Fort- setzung dieser Zelle Chitinsubstanz (4). Es ist fast unmöglich anzu- geben, wo das Plasma beginnt und das Chitin aufhört. Es wäre unrichtig zu glauben, dass die Form der Chitinbrücke eine durchaus konstante sei; auch darin ist den individuellen Schwankungen ein weiter Spielraum gegeben, obwohl gewisse fixe Punkte immer wie- derkehren. Längsschnitte belehrten mich sehr eingehend über diese Verhältnisse. Eine Quelle von etwaigen Fehlern der Beobachtung lässt sich in diesem Falle durchaus nicht angeben, da das eben Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 573 beschriebene Verhalten ein so einfaches, klares und so allgemein herrschendes ist, dass es Jedem, der einmal Campanularienpolypen auch nur angesehen hat, nicht unbekannt sein kann. Anders frei- lich steht es mit dem zuerst beschriebenen Verhalten, bei dem ich die größtmögliche Vorsicht und größte Genauigkeit in der Beob- achtung habe obwalten lassen. Durch jenes Stadium bekommt die- ses erst seinen Werth; ohne jenes würde dieses schwer erklärlich sein. Die Vergleichung beider Stadien (vgl. Fig. 11 u. 12!) mit Berücksichtigung der individuellen Schwankungen ist es, welche ein Verständnis beider allein ermöglichen kann, so wie die Resultate dieser Vergleichung zusammengehalten mit den früheren Anschau- ungen über die Chitinhülle der Campanularien entschieden von Werth für die Erkenntnis der Natur derselben sein muss. (Bei dem Sta- dium des ganz chitinösen Diaphragmas finde ich das Ende der dunklen Mittelzone etwas höher liegend als in dem erst beschriebe- nen Falle.) — Ich könnte schon jetzt die Resultate dieser Vergleichung aussprechen, ich thue es aus guten Gründen noch nicht und begnüge mich, in deseriptiver Form die Verschiedenheiten beider Stadien zu- sammenzufassen. Der nach außen umgebogene Theil des äußeren Epithels ist umgewandelt in die Substanz des Bechers; wo früher Plasma war, ist Chitin (Fig. 11 und 12). Mit diesem Satze, der Alles in sich fasst, schließe ich die Schilderung der Thatsachen ab, um zu ihrer Verwerthung überzu- gehen, doch muss ich vorher noch mit wenig Worten die Chitinhülle des Stieles und der Scheibe beschreiben. Indem ich der Besprechung des Bechers eine kurze Darstellung der übrigen Chitinhülle folgen lasse, erinnere ich einerseits an das, was ich oben über die Sonde- rung des Gehäuses in zwei ungleichwerthige Abschnitte gesagt habe, andererseits an die Beschreibung des Weichkörpers im Stiel und der Scheibe, deren bedeutende Verschiedenheit vom Magentheil ich gründlich betont, und im Einzelnen ausgeführt habe. Das Gehäuse des Stieles (Fig. 1 P— Ch) stellt eine Röhre dar, die in wechselnder Art und Weise vom Weichkörper ausgefüllt wird. Unterhalb des ringförmigen Fortsatzes treten die Wände der Chitin- röhre nahe an den Weichkörper heran und erfahren eine Einschnü- rung, die gemeinsam mit einer gleichen etwas tiefer gelegenen Bil- dung zur Entstehung eines Chitinringes (Fig. 1 7) führt. Die Dicke der Chitinwand ist im Bereiche der Einschnürung ein wenig geringer als in der Mitte des Ringes. (Dieses Verhalten ist auf Fig. I zu sehen, da rechterseits der obere Theil der Stielröhre im optischen 574 : Hermann Klaatsch Längsschnitt dargestellt ist.) An den ersten reihen sind noch sechs bis sieben solcher Ringe. Sie gleichen sich. einander nicht immer an Größe; häufig ist der dritte Ring (Fig. 173) kleiner als die anderen; bei den einzelnen Individuen können mannigfache Verschie- denheiten obwalten. Die letzten Ringe sind meistens lang, die Ein- schnürungen wenig tief. So wird man auf das zweite Drittel des Stieles geführt, das durchaus jeder Ringelung entbehrt. Es stellt eine einfache glatte Röhre vor, deren Wände mit den Begrenzungen der célenteri- schen Höhle genau parallel laufen. (Der mittlere Theil dieses Ab- schnittes ist auf Fig. 1 im optischen Längsschnitt dargestellt.) Eine schwach ausgeprägte Vorwölbung der Wand deutet den erneuten Beginn der Ringelung an. Das untere Drittel besitzt eine gleiche Anzahl von Ringen wie das obere. Hier sind die Ringe weiter und namentlich über der Scheibe relativ kurz. Die Weite der Chitin- röhre, die ganz allmählich von oben nach unten zunimmt, beträgt im Bereich der unteren Ringe das Doppelte von der in den oberen Ringen (vgl. auch Fig. 7). Der Weichkörper nimmt, wie der Durchmesser des ganzen Stieles, allmählich gegen die Scheibe hin an Ausdehnung zu und füllt im unteren Drittel des Stieles die Höhle häufig fast ganz aus (Fig. 7). [ Das geschilderte Verhalten des Stieles ist einer großen Zahl völlig ausgewachsener Individuen entlehnt; es dürfen jedoch nicht die zahlreichen und bedeutenden Verschiedenheiten in seinem Ver- halten übergangen werden. Exemplare, die durch manche Eigen- thümlichkeiten ein jugendliches Alter verrathen, lassen meist an sich wahrnehmen, dass der Weichkörper den Stiel weit mehr ausfüllt, als ich es oben andeutete (vgl. Fig. 14). Namentlich im unteren Dritttheil ist dann der Raum zwischen der inneren Kontur der Chi- tinröhre und dem Ektoderm auf ein Minimum reducirt, die Erhebun- gen des Weichkörpers in den Ringen sind viel bedeutender. Ein bedeutendes Schwanken tritt dann weiterhin auf in der Ringelung des Stieles, was für die systematische Bestimmung nicht ohne Interesse ist. Ich muss der Ansicht Ausdruck geben, dass ich in der Ringe- lung kein systematisches Charakteristikum erblieken kann. GEGEN- BAUR! bildet eine Campanularie ab, die die größte Abnlichkeit mit meiner Clytia besitzt, von einem Stolo erheben sich in gleichmäßigen Zwischenräumen unverzweigte Stiele, wie bei meinen Polypen. Nur zwei Unterscheidungspunkte finde ich: erstens ist der Becher gezähnt, dee. Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 575 zweitens der Stiel ganz geringelt. Der erste Punkt lässt den Poly- pen als der Clytia Johnstoni ähnlich erscheinen. Hıyks bildet diesen Polypen aber mit einem Stiel ab, der völlig dem meiner Clytia gleicht, und die gleiche Zahl von Ringen am oberen und unteren Ende auf- weist. Nun finde ich auf den Algenblättern, die meine Clytia tragen, eine sehr große Zahl von Polypen, die sich sonst in nichts von den als echte Clytien kenntlichen unterscheiden, aber einen völlig gerin- gelten Stiel besitzen. Dann wieder bin ich auf viele Individuen gestoßen, die ein mittleres Verhalten erkennen ließen, der Stiel war geringelt, doch war in der Mitte die Andeutung einer Glättung wahr- zunehmen. Die Zahl der Ringe blieb sich aber immer gleich, da sie durchweg 12 bis 14 betrug. Die Polypen mit ganz geringeltem Stiel waren meist klein, viele waren noch nicht völlig ausgewachsen. Große und schön entwickelte Exemplare entbehrten nie der mittleren glatten Partie des Stiels. Das regelmäßige Zusammentreffen von Erscheinungen, die auf ein geringeres Alter der betreffenden Thiere hinweisen, mit völliger Rin- gelung des Stieles, machten mich geneigt, auch in dieser selbst nichts Anderes als ein Charakteristikum des jugendlichen Alters zu sehen. Bei einer allgemeinen Betrachtung des Stieles scheint mir vor Allem hervorgehoben werden zu müssen, dass durch die eigen- thümliche Einrichtung an dem Boden des Bechers eine feste und innige Verbindung des Thieres und seines Gehäuses hervorgebracht wird. Die sich daraus für den Stiel ergebenden Folgerungen betref- fen zunächst einmal das Fehlen einer Möglichkeit, dass der Weich- körper des Stieles irgend einer Bewegung fähig sei. Es fragt sich sodann, was zwischen dem Weichkörper und der Röhrenwandung vorhanden sei. Es wird nur eine Ausfüllung durch Flüssigkeit an- zunehmen sein. Derselbe (Fig. 1 etc. H) ist oben gegen das um- gebende Medium fest abgeschlossen. Diese Folgerung aus dem Verhalten des »Diaphragma« scheint mir von Werth, weil sie zu einer Betrachtung auffordert über die Beziehung dieses Hohlraums im Stiel zu dem Organismus. Wird nicht jede Druckänderung im um- gebenden Medium auf diesen Hohlraum einwirken? Auch was die Eigenthiimlichkeiten der Chitinröhre, was die Ringe betrifft, scheint mir mit der einfachen Beschreibung derselben wenig gethan; ich glaube, man darf, ja man muss sich fragen, ob diesen Gebilden, deren schöne Regelmäßigkeit auf etwas Gesetz- 576 Hermann Klaatsch mäßiges, das bei ihrer Entstehung obwaltete, hindeutet, nicht irgend welche funktionelle Beziehungen zukommen. Nunmehr erscheint wohl die Sonderung der Chitinhülle in zwei Abschnitte, die durch die Region des Diaphragma von einander ge- trennt sind, als voll berechtigt. Die Punkte, die eine Vergleichung beider Abschnitte mit einander ergiebt, liegen sehr klar zu Tage; folgende Sätze mögen an die Hauptpunkte erinnern: 1) Vom Diaphragma aufwärts stellt die Chitinhülle eine frei endigende Vorragung dar, die einen frei beweglichen, mit äußerem Epithel versehenen Abschnitt des Polypenkörpers umschließt (vgl. Fig. 1, 11, 12). 2) Vom Diaphragma abwärts stellt die Chitinhülle einen geschlos- senen Hohlceylinder dar, der einen unbeweglichen, des äußern Epithel ermangelnden Abschnitt des Polypenkörpers umschließt (vgl. dieselben Figuren). Die Hülle der Scheibe (Fig. 1 S= Ch) ist eine Fortsetzung der Stiel- hülle, zu der sie sich genau so verhält, wie der Weichkörper der Scheibe zum Weichkörper des Stieles. Die Hülle liegt dem Ektoderm meist eng auf, in der mittleren Gegend der Scheibe; in den Randregionen ist der trennende Raum größer (Fig. S u. 9). Die Lappenbildung der Scheibe prägt sich auch an der Hülle auf das deutlichste aus (Fig. 1). Schnitte weisen nach, dass die Sonderung in Lappen zu einer wirklichen Spaltung der Hülle führt (Fig. 8, 9 x). Zwischen zwei Lappen geht jedes Mal ein trennender Spalt durch die Chitinmasse hindurch, un- ten ein wenig sich erweiternd. Es kommt somit niemals zwei Lap- pen eine gemeinsame Chitinhülle zu. Die äußerste Kontur der Scheibenhülle färbt sich stark und gleicht fast einer Membran, da sie sich abzulösen vermag (Fig. 9). Gegen das Algenblatt hin senkt sie sich, unter flachem Winkel sich dem Blatt anlegend : die innere Kontur der Scheibenhiille biegt unmittelbar über dem Blatt nach in- nen um, so dass die Masse des Chitin wie von oben nach unten zusammengedrückt und verbreitert erscheint (Fig. 9). Sie setzt sich, so viel ich sehe, in eine dünne Lage Chitin fort, die den Weichkör- per vom Algenblatt trennt und dem letzteren eng aufliegt (Fig. 8 u. 9 oberhalb AZ). Zu Seiten eines Spaltes, der die Lappen von ein- ander trennt, ist eine ziemlich dieke Chitinschicht wahrzunehmen (Fig. 9 s), deren innere Begrenzungslinie dem Umrisse des den betref- fenden Lappen erfüllenden Weichkörperabschnitts ungefähr parallel läuft. Auch hier ist die basale Verbreiterung der Chitinmasse wahr- zunehmen (Fig. 9 bei 2). Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 577 Das gallertige Material, dessen ich oben als am lebenden Thiere wahrnehmbar Erwähnung that, liegt zwischen den Lappen der Chitinhülle, welche genau die Lappenform des Weichkörpers wiedergiebt, muss sich also außerhalb der Chitinhülle des Thieres befinden. Dies ist Alles, was über das Gehäuse der Scheibe zu sagen wäre; über die Hülle am Stolo brauche ich kaum etwas hin- zuzufügen. Form und Dicke der Chitinhülle ist am Stolo wie an der Scheibe, der Hohlraum wird fast ganz vom Weichkörper erfüllt (Fig. 10 Ch). Auch an der Scheibe und am Stolo bleibt die Möglichkeit einer Be- weglichkeit ausgeschlossen. Über den Vorgang der Spaltung der Chitinhülle an der Scheibe kann nur das Studium der Entwicklung näheren Aufschluss geben. Bei der Verwerthung des bisher descriptiv dargebotenen Mate- riales handelt es sich zunächst um eine Prüfung der bisher aufge- stellten Ansichten über die Natur der Chitinhülle der Campanularien. Lassen sich die Befunde, die ich beschrieben habe, mit ihnen in Einklang bringen, so bin ich gern bereit, jene alten Anschauungen aufrecht zu erhalten; wo nicht, so will und muss ich eine neue und befriedigende Antwort auf die Frage, wie das Gehäuse der Campa- nularien aufzufassen ist, geben. Der Standpunkt, von dem aus diese Antwort zu ertheilen sein würde, ist klar: die Beschränkung auf den Bau des erwachsenen Thieres weist ihn mir an, es ist der zu- sammenfassende Blick auf die gesammte Organisation meiner Clytia, die entscheiden wird, und es ist die Anwendung der etwaigen Ant- wort auf die Deutung der Körperschichten, die die Probe geben wird. Die Vergleichung dieser Körperschichten mit den Keimblät- tern der höheren Thiere ist zu nahe liegend, als dass ich mich in diesem Punkte ganz passiv verhalten sollte: bei den Problemen, die mich auf den folgenden Seiten beschäftigen werden, hat sich mir in manchen Punkten als ein Leitstern, dessen Führung mich nie im Stich ließ, erwiesen die Schrift KLEINENBERG's über Hydra und die fruchtbaren, gedankenreichen Winke, die dieser Forscher darin nie- dergelegt hat. Meinungsäußerungen, die speciell auf die Gehäusebildung der Campanularien gerichtet sind, finden sich nur spärlich und zwar bei denselben Autoren, deren ich schon mehrfach im Laufe dieser Arbeit gedacht habe. Die Abweichungen der einzelnen von einander sind gering; alle stimmen darin überein, dass die Chitinhülle der Campanularien ein 578 Hermann Klaatsch erstarrtes Sekret sei. Da ist zunächst P. J. van BENEDEN zu nen- nen, der von dem »Polypier« sagt, es verhalte sich’zum Polypen wie die Schale der Mollusken zum Leibe dieser Thiere (s. o. Einleitung). Nieht mit der gleichen Entschiedenheit äußert sich KÖLLIKER in seinen Icones histiologieae. Indem er über die Skeletbildungen bei Polypen im Allgemeinen spricht, ist seinen Worten anzumerken, dass er die Entstehung der Polyparien durch Epithelausscheidungen nicht durchweg als sicher nachgewiesen betrachtet, in seinen Andeutungen liegt ein schwacher Hinweis auf die Möglichkeit, die äußeren Ske- lette bei einzelnen Hydroiden als Gewebe aufzufassen. Er spricht sich aber nicht deutlich über diesen Punkt aus. REICHERT dagegen lässt auch nicht den leisesten Zweifel über die Natur der Chitin- hülle als eines Sekretes zu. Er sagt mit unzweideutigen Worten, das äußere Skelet der Hydrozoen sei als ein erhärtetes Exkret der »kontraktilen Schicht« — d. i. das Ektoderm — anzusehen. Kann nun diese Ansicht vor einer gründlichen Prüfung beste- hen? Ist die Chitinhülle der Olytia ein erstarrtes Sekret? Diese Frage wird mich zunächst ganz ausschließlich beschäfti- gen. Kann bei der Clytia von einem erstarrten Sekret die Rede sein? — um sich darüber klar zu werden ist es nöthig, sich einst- weilen ganz von den mitgetheilten Thatsachen zu emaneipiren und sich theoretisch eine Chitinhülle zu konstruiren, die einer erstarrten Flüs- sigkeit ihre Entstehung verdankt. Ausgeschieden muss diese Flüs- sigkeit werden von der äußeren Zelllage der Planula, die die Cilien trägt, »also von dem äußeren Epithel«. Das Wesen dieser Zellen kann durch ihre sekretorische Funktion keine Änderung erfahren: es muss also beim ausgewachsenen Thiere sowohl am Magentheil, wie am Stiel, wie an der Scheibe ein äußeres Epithel angetroffen werden. Dieses muss sich an allen Theilen durchaus gleichartig ver- halten. Liegt doch gar kein Grund vor, wesshalb sich an einem Theile die Sekretion in anderer Weise, als am anderen vollziehen sollte. Es ist also eine daraus resultirende nothwendige Bedingung, dass sich die äußere Gewebsschicht nebst dem von ihr ausgeschie- denen Gehäuse an allen Theilen gleichartig verhalte. Wie muss man sich das Gehäuse nach oben hin endend vorstellen? Ein plötz- liches Aufhören darf nicht erwartet werden, weil das nur durch ein plötzliches Sistiren der Sekretion an einer bestimmten Zellenzone erklärt werden könnte, eine Ungleichmäßigkeit, für deren Annahme gar kein Grund vorliegt. Es wird sich also etwa unterhalb der Ten- takel das Gehäuse der Körperoberfläche anlegen und ganz allmählich Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 579 nach oben hin verstreichend, in eine dünne Lamelle auslaufen. Die Ausscheidung wird nicht kontinuirlich erfolgen, es werden zeitliche Unterschiede dabei sich geltend machen und einen geschichteten, lamellösen Bau der Körperhülle herbeiführen. Die Dieke der Hülle wird mit dem Alter des Thieres zunehmen. Solche Verhältnisse existiren faktisch bei gewissen Hydroidpolypen. Sie sind in der schönsten Weise von F. E. Scuuuze für Cordylophora beschrieben worden. Dort verhält sich das Ektoderm am Magentheil wie an dem Stengel durchaus gleichmäßig; das Ektoderm jenes Theiles geht, ohne eine Änderung zu erleiden, in das des Stieles über. Das Wachsthum der Chitinhülle vollzieht sich in der angedeuteten Weise. Die Wand des Polyparium wächst durch Auflagerung von innen und auf Kosten des inneren Lumens. Nur die innerste der Lamellen der Hülle lässt sich in die Cuticularbekleidung der jüngsten Triebe verfolgen. Jede Lamelle ist das Produkt einer Saison. Am Stolo tritt eine Verdünnung sämmtlicher Lamellen auf der dem Fremdkör- per aufliegenden Seite ein. Die Polypoide werden von eigenthüm- lichen Fortsetzungen des Polypariums, den »Calyces«, eingehüllt. Frü- here Beobachter lassen die Chitinröhre oben scharf abgeschnitten sein. Nach Schurze’s Beobachtungen dagegen »setzt sich die zarte Chitinlamelle, welehe als eine noch nicht völlig erstarrte leicht bieg- same Schicht die Übergangsstelle des Coenenchyms zum Polypoid deckt, noch direkt in eine etwas anders geartete Hülle des hinteren Theiles dieses letzteren fort«, welche er als Kelche bezeichnet. »Die Wandung dieses Kelches liegt mit ihrer Innenfläche dem Weichkör- per des Polypoids unmittelbar auf, ist eben so hyalin und struktur- los, aber weicher und von viel schwächerem Lichtbrechungsvermögen, als die letzte Partie der Stielhiille«. Er hebt dann noch einmal her- vor, dass der Rand oben durchaus nicht glatt abgeschnitten, sondern weich sei. Er fügt hinzu: »Natürlich darf dies so beschaffene End- oder Aufsatzstück des Polypariums nicht mit jener starren glattran- digen Kapsel, der sogenannten Theca, verwechselt werden, deren Besitz eine ganze Hauptabtheilung der Hydroidpolypen, die Theco- phora, charakterisirt.« Dass die Hülle der Cordylophora ein erstarrtes Sekret ist, wird wohl Niemand bezweifeln. Mit eben derselben Gewissheit muss Je- der, der unbefangen die Schilderung F. E. Scuurze’s mit der Be- schreibung vergleicht, die ich von dem Gehäuse der Campanularien gegeben habe, zu dem Ergebnis gelangen, dass die Chitinhiille der Clytia' nicht einer erstarrten Flüssigkeit ihre Entstehung verdankt. 580 Hermann Klaatsch Es könnte fast überflüssig erscheinen, die Beweisführung dieses Satzes in allen einzelnen Etappen durchzugehen. Ich: werde es dennoch thun. Wäre die Chitinhülle der Clytia ein erstarrtes Sekret, so müssten folgende Bedingungen erfüllt sein: 1) Es müsste an allen Theilen ein deutlich ausgebildetes, nir- gends wesentlich alterirtes äußeres Epithel des Ektoderms vorhan- den sein. 2) Der Übergang dieses Epithels vom Magentheil zum Stiel dürfte sich nicht als eine wesentlich differente Stelle markiren. 3) Der Becher müsste der Stielhiille ganz gleichwerthig sein. 4) Der Becher müsste dem Calyx der Cordylophora homolog sein. 5) Der Becher dürfte oben nicht glatt abgeschnitten sein. 6) Das Wachsthum des Gehäuses müsste von innen durch Ab- lagerung neuer Schichten erfolgen. Ad 1) Die Beobachtung lehrt, dass ein schönes äußeres Epithel zwar an den Tentakeln, am Köpfchen und am Magentheil der Cly- tia vorhanden ist, dass es aber am Stiel, an der Scheibe und an den Stolonen gänzlich fehlt. Ich habe nachgewiesen, dass das Ek- toderm des Stieles mit dem des Magentheils in keinem Zusammen- hang steht; ich habe darauf hingewiesen, dass auch die ungenaueste Beobachtung das Ektoderm des Stieles nicht für ein äußeres Epithel halten kann. Ich habe gezeigt, dass das Verhalten des gesammten Ektoderms am Magentheil völlig anders als am Stiel ist. Dieser Punkt ist erledigt; das Gehäuse der Clytia ist hiernach wenigstens kein Sekret. Ad 2) Das Epithel geht vom Magentheil auf den Stiel überhaupt nicht über. Die Übergangsstelle vom Stiel in die höheren Theile markirt sich als eine höchst differente Stelle. Das Epithel des Magentheils biegt um und geht in den Becher über. Dieser kann also kein Sekret sein. Ad 3) Der Becher ist der Chitinhülle des Stieles keineswegs gleichwerthig. Es war die erste, einfachste und natürlichste Sonde- rung der Chitinhülle, die ich gleich zu Anfang vornahm und in ihrer vollen Berechtigung durch die ganze Besprechung des Gehäuses durchgeführt habe. Die Theile, welche Becher und Stielhülle um- schließen, sind so gänzlich verschiedener Natur, dass nur die ober- flächlichste Betrachtungsweise beide mit einander in eine Linie stellen kann. Wenn aber der Becher kein Sekret ist, so können auch die übrigen Theile des Gehäuses kein Sekret sein. Wollte man nun den an sich absurden Einwand machen und sagen: »Nun wohl, der Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 581 Becher mag kein Sekret sein, aber die Stielhülle ist ein solches«, so supponirte man eine völlige Trennung beider Theile von einander, eine Sonderung, von deren Nichtvorhandensein ein Blick auf Campa- nularien hinlänglich überzeugt. Auch die Stielhülle ist kein Sekret. Ad 4) Dass der Becher der Campanularien etwas völlig Anderes ist, als der Calyx der Cordylophora hat Scnutze bewiesen. Ist eben jener Calyx ein erstarrtes Sekret, so kann der Becher der Clytia kein solches sein. Ad 5) Der Becher der Clytia ist ein frei vorragendes Gebilde, das weit vom Polypenkörper absteht und oben scharf abgeschnitten ist. Bei der von mir untersuchten Form endet er glattrandig, bei ande- ren Species ist er gezahnt, bei noch anderen bietet er andere Zu- stände dar. Bei Campanularia Syringa z. B. endet er oben mit einer besonderen Deckelbildung. In keinem Falle steht er mit sei- nem oberen Theil mit dem Polypenkörper in irgend welchem Zu- sammenhange, — er kann also von demselben nicht ausgeschieden sein. Ad 6) Das Wachsthum des Gehäuses der Clytia erfolgt nicht durch Auflagerung von neuen Lamellen von innen her. Nicht nur, dass keine Verkleinerung des trennenden Lumens zwischen dem Weichkörper und dem Gehäuse mit zunehmendem Alter des Thieres eintritt — wie es SCHULZE für Cordylophora beschreibt —, die Hülle hebt sich viel- mehr von dem Weichkörper ab. Die Hülle besteht auch nicht aus Lamellen. Man vergleiche nur einen Schnitt durch einen Stolo der Clytia mit einem solchen von Cordylophora und sehe zu, ob von der Verdünnung aller Lamellen auf der dem Fremdkörper anliegenden Seite auf meinem Präparat etwas zu sehen ist (Fig. 10). Auch dieses Argument spricht mit der größten Entschiedenheit gegen die Natur des Gehüuses als eines erstarrten Sekretes. Es ist somit der Beweis geliefert, dass das Gehäuse der Cam- panularien etwas Anderes sein muss als ein erstarrtes Se- kret, — was es ist, dies zu entscheiden wird die Aufgabe der fol- genden Seiten sein. Die eigenthümlichen Änderungen, die sich an der als »Dia- phragma« bezeichneten Stelle mit dem Ektoderm vollziehen, will ich nunmehr zu deuten versuchen. Wenn am Magentheil ein äußeres Epithel vorhanden ist (Fig. 1, 4, 5, 11, 12, 13), am Stiel aber fehlt (Fig. 1, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12), so muss es doch wohl an der zwischen beiden Theilen liegenden Strecke Fig. 1, 11, 12, 13) be- sondere Differenzirungen eingegangen sein. Man kann doch nicht die Annahme machen, dass es am Stiel wirklich fehle. Wie sollte 582 Hermann Klaatsch ein solches Fehlen einer Schicht, die allen Coelenteraten gemeinsam ist, erklärt werden? Es kann sich doch nur um ein scheinbares Fehlen handeln. Es ist auch hier das äußere Epithel vorhanden, aber in modifieirter Form. Welches morphologische Substrat soll nun am Stiel dem Epithel des Magentheils entsprechen? Es bleibt keine Wahl; — wenn nicht die Hülle des Stieles jener Zellschicht entspricht, so fehlt sie hier wirklich (Fig. 6, 7). Die Annahme des Fehlens entbehrt aber so sehr jeglicher Begründung, dass die andere, einzig und allein bleibende Möglichkeit genau erwogen werden muss. Sie erhält neuen Boden durch die Betrachtung der außerordentlich innigen Verbindung, in welche das Epithel vor sei- nem Aufhören mit dem Gehäuse tritt (Fig. 13). Welcher Natur ist diese Verbindung? Entsendet der Polypenkörper einen Fortsatz, der ihn an einer ihm völlig fremden Hülle befestigt? Es ist keine Ver- bindung im eigentlichen Sinne des Wortes, es ist geradezu ein Übergang des Epithels in die Hülle, die an dem Diaphragma zu konstatiren ist (Fig. 11, 13). Die Grenze zwischen Flasma und dem sogenannten Chitin ist eine ganz unbestimmte, schwankende und individuell verschiedene (Fig. 11, 12, 13). Es waren vor Allem zwei gänzlich verschiedene Bilder des Dia- phragma, die ich oben beschrieb und mit einander verglich (Fig. 11 und 12!). Theile, die bei einzelnen Individuen aus zelligem Mate- rial modellirt waren, kehrten bei anderen genau in derselben Form wieder, aber sie bestanden hier aus der Substanz des Bechers. Es ließen sieh alle Zwischenstufen aufstellen, die ein allmähliches Zurückweichen der Zellschicht bewiesen, ein Substituirtwerden ihrer Substanz durch Chitin außer Zweifel setzten. Ich konnte keine Belege dafür finden, dass die neue Substanz etwa einer Intercellularsubstanz entspräche, vielmehr wurde ich durch die Vergleichung der verschiedenen Stadien zu dem Resultate ge- drängt, das ich hier noch einmal aussprechen will: »Der nach außen umgebogene Theil des üußeren Epithels ist um- gewandelt in die Substanz des Bechers, wo früher Plasma war ist Chitin« (Fig. 11 u. 12!). Da diese Umwandlung des äußeren Epithels nicht theilweise, sondern in toto erfolgt, so ist sie als ein Differenzirungsprocess auf- zufassen. Das schwankende Verhältnis des Diaphragma deutet auf rudi- mentäre Zustände hin. An der Stelle, von der aus der Becher ent- steht, wird beim erwachsenen Thier ein Process in seinen letzten Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 583 Phasen angetroffen, der eben den Becher bildete. Eine unbefangene Betrachtung meiner Abbildung zeigt, dass man bei Fig. 11 von einem kleinen zelligen Becher sprechen kann, als dessen unmittelbare Fort- setzung der chitinöse Becher erscheint (vgl. auch Fig. 1). Der Becher stellt sich somit dar als eine Fortsatzbildung, für deren ursprünglich völlig zellige Natur ich unten weitere Belege anführen werde (Fig. 1 B). Die Entstehungsweise für die übrige Hülle muss nun doch wohl der des Bechers; gleichen. Ist jener umgewandelte zellige Substanz, so ist es die ganze Chitinhiille. Es kann hierin um so weniger ein Zweifel obwalten, als das an sich so räthselhaft scheinende Verhalten des Stieles (Fig. 6, 7) nunmehr als die schön- ste Bestätigung der Anschauung erscheint, welche das Studium des Diaphragma erweckte. Es fehlt ja wirklich die Zellschicht am Stiel, die sich am Diaphragma in Chitin umwandelt. Die Hülle des Stieles ist also die umgewandelte Zellschicht (Fig. 6! u. Fig. 4!).- Diese Betrachtungen führen zu der Auffassung, die mich selbst Anfangs befremdet hat, die aber die unabweisbare Folge der’ gewis- senhaften Würdigung der beobachteten Thatsachen ist. Das Ge- häuse der Campanularien ist ein Differenzirungspro- dukt des Ektoderms. Eine ganze Zellschicht, das gesammte äußere Epithel, wandelt sich bis zu einem bestimmten Punkte hin- auf in die Chitinhülle um. Ist dieser Befund etwas in der Abtheilung der Coelenteraten allein Dastehendes, weicht er gänzlich ab von dem, was bei anderen Hydrozoén über das Schicksal des äußeren Epithels bekannt ist, oder giebt es Anknüpfungspunkte an andere Formen, die geeignet wären Licht zu werfen auf das Verhalten der Campanularien? Dank den Untersuchungen von KLEINENBERG sind solche Anknüpfungen mög- lieh, sind ähnliche Zustände bekannt geworden und zwar bei Hydra. Auf seine Angaben, die für mich sehr werthvoll geworden sind, muss ich genau eingehen. Bei der Zusammenfassung seiner Resultate über den Bau der Hydra bezeichnet er das Ektoderm derselben als aus zwei Geweben bestehend, dem Neuromuskelgewebe und dem interstitiellen Gewebe. Er fügt hinzu!: »Beide Gewebe sind keine Epithelien. Der gänzliche Mangel an äußerem Epithel muss sehr auffallend erscheinen, und ich gestehe, dass dieser Umstand mich selbst gegen meine Auffassung des Ektoderm misstrauisch machte. Die Entwicklungsgeschichte löste das Räthsel. Ganz eben so wie 1]. c. pag. 27. 584 Hermann Klaatsch bei höheren Thieren entsteht bei Hydra als erste Differenzirung des gefurchten Keimes eine äußere Epithelschicht (Hornblatt).« »Diese verwandelt sich in die sogenannte Eischale und wird beim Aus- schlüpfen des jungen Thieres abgeworfen.« Die Bildung der äußeren Keimschale wird mit großer Genauigkeit beschrieben bei Hydra viridis und H. aurantiaca!. Bei der letzten treten eigenthümliche Modifika- tionen auf; die Zustände von H. viridis sind einfacher Natur. Nach Be- endigung der Furchung ist ein typisches äußeres Epithel vorhanden. Die Zellen desselben differenziren sich in sehr eigenthümlicher Weise. Ich verweise in Betreff der einzelnen Stadien des Vorganges auf KLEI- NENBERG’S Worte?. Die Einschlüsse der Zellen weichen zurück. An der freien Fläche der Zelle wird ein von Einschlüssen freier Saum be- merklich, dessen Lichtbrechungsvermögen stärker geworden ist. Er erscheint glasartig glänzend und nimmt den Farbstoff schwächer auf. Der Kern erleidet Veränderungen, die schließlich zu einer Ver- mischung der Kernsubstanz mit der Zellmasse führen. So bildet sich ein den Keim überziehendes Häutchen. Es verhält sich gegen che- mische Agentien sehr indifferent und seiner Resistenz gegen Säuren und Alkalien nach scheint es aus einer kérnigen oder chitinösen Masse zu bestehen. Die Umwandlung der Zellsubstanz greift immer tiefer, so dass »am Schluss des Vorganges der Keim anstatt von einer Lage nackter prismatischer Zellen von einer 0,04—0,05 mm dicken, sehr harten Chitinschale umgeben iste. KLEINENBERG hebt die Wichtigkeit hervor, die die Entstehung der äußeren Keimschale für die Auffassung der Cuticular- und Epidermoidalbildungen besitzt. Er betont die Schwierigkeit der Entscheidung darüber, »ob eine an der Oberfläche von Zellen entstehende feste Substanz durch direkte Umwandlung des Plasmas oder durch flüssige nachträglich erstarrende Ausscheidungen gebildet wird«. Die folgenden Zeilen sind von der größten Wichtigkeit für den Vergleich mit dem Schicksal des äuße- ren Epithels bei Clytiat: »Für die äußere Schale des Hydrakeimes, deren Form aus dem weichen Plasma aufs genaueste vorgebildet wird, scheint es mir immerhin zweifellos, dass von der Ausscheidung einer erstarrten Flüssigkeit nicht die Rede sein kann, sondern dass hier die schichtenweise fortschreitende Umsetzung des Plasmas in Chitinsubstanz stattfindet.« »Es ist wichtig zu entscheiden, ob die Umwandlung eine totale ist, oder ob die Zellen nur gewisse Sub- Lepage 60. 2c. pag. OF, 68. 8 1. Sepagnes ATEAPIENN2 “is. Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 585 stanzen nach außen absetzen.« »Es ist ersichtlich, dass aus der Ant- wort die morphologische Werthigkeit der fraglichen Bildung sich ergiebt. So unterscheiden sich Epidermoidalgebilde und Cutieular- bildungen.« »Die ersteren sind stets einem Gewebe homolog; die letzteren sind Intercellularsubstanzen und ähnlichen Absonderungs- produkten gleich zu setzen.« »Ich kann nicht zweifelhaft sein, in welche dieser beiden Kategorien die äußere Schale des Hydrakeimes unterzubringen ist.« »Sie entsteht durch totale Umwandlung der ganzen äußeren einschichtigen Zelllage des Keimes und jedes der sie zusammensetzenden Elemente ist eine Zelle, die, wenn sie auch in Folge der Umsetzung des Plasmas in Chitinsubstanz jede Vita- lität, jeden eigenen physiologischen Werth verloren hat, dennoch ihre morphologische Äquivalenz behält; die Schale ist daher eine epidermoi- dale Bildung und in Beziehung zum ganzen Keim ein Gewebe desselben.« Diese Thatsachen bilden eine mächtige Stütze meiner Anschau- ungen. Die weitere Ausdehnung des Vergleiches zwischen Clytia und Hydra behalte ich mir noch vor; fürs erste beschäftigt mich allein das Schicksal des äußeren Epithels des Ektoderms bei beiden. Es ist für beide das gleiche; was bei Hydra zu einem vergänglichen embryonalen Organ wird, treffen wir bei der Clytia als Gehäuse wieder. Wenn bei Hydra die Keimschale im Plasma genau vorge- bildet ist, und in chitinöse Substanz umgewandelt wird, so ist für Clytia etwas ganz Ähnliches der Fall. Der Becher ist eine ursprünglich ganz zellige Fortsatzbildung, die von der tiefsten Region des Magen- theils an von diesem entspringt. Ich habe ausgewachsene Polypen gefunden, wo die Chitinisirung des Bechers erst erfolgt. Das Aus- sehen einer solchen Clytia ist auf Fig. 1 B wiedergegeben worden. Auf den ersten Blick ist die ganze Erscheinung eines solchen Individuums eine so sonderbare, dass, als zum Beginn meiner Untersuchungen solche Thiere mir entgegentraten, ich es mit patho- logisch veränderten Individuen zu thun zu haben glaubte. Wie dann allmählich meine Ansichten über das Gehäuse eine so große Um- wandlung durchmachten, holte ich die Präparate dieser sonderbaren Formen wieder vor und ward durch ihr Studium endgültig in der gewonnenen Überzeugung befestigt. Es sind mäßig große Individuen, um die es sich handelt (Fig. 1 5). Das Köpfchen (Pr), die Tenta- kel (7) sind fertig ausgebildet und wohl entwickelt. Über die Gestalt des Magentheils kann man Anfangs im Zweifel sein. Fixirt man die äußersten Begrenzungslinien der äußersten Tentakel und verfolgt diese Linien abwärts, so sieht man sie, wie bei allen Clytien, Morpholog. Jahrbuch. 9. 38 586 Hermann Klaatsch direkt in die seitlichen Begrenzungslinien des Magentheils iibergehen (bei a). Diese Begrenzung sieht man aber nur hindurchschimmern durch den umhüllenden Becher (5), der keineswegs die glasartige Beschaffenheit besitzt, die man gewöhnlich antrifft. Verfolgt man, genau auf die Begrenzung des Magentheils einstellend, das äußere Epithel abwärts (über 4, ce nach d), so sieht man es an der tiefsten Stelle des Magentheils umbiegen, sich aufwärts wenden und den Becher ganz bilden (e, f, g). Zu äußerst wird nicht zelliges Mate- rial angetroffen, sondern eine dünne Lage einer stark lichtbrechen- den Substanz von Chitin (Ch). Der optische Längsschnitt durch den Becher zeigt also die Wand desselben noch zum Theil aus zelligem Material bestehend, das in einem von außen nach innen fortschreitenden Chitinisirungsprocess be- griffen ist. Innerhalb des zelligen Materials ist es schwer, Einzel- heiten wahrzunehmen. Die Zellgrenzen, die ja im äußeren Epithel überhaupt schwer wahrzunehmen sind, sind auch hier nicht deutlich, die ganze Substanz erscheint dunkel und gekörnt, Zellkerne sind an einigen Stellen noch sichtbar. Die Chitinlage, die etwa ein Drittel der Becherwand misst, lässt sich bis zum oberen Rande verfolgen (B.m). Dieser ist glatt. Stellt man auf die Oberfläche des Bechers ein (die linke Seite der Fig. 14 ist in dieser Weise gezeichnet), so ist das Bild ein eigenthümliches. Neben deutlichen Zellen nimmt man veränderte Elemente wahr (p, g, r). Namentlich fallen ziemlich große, kreisförmige Gebilde (s, ¢) auf, die wie Vacuolen aussehen. Ich habe nicht die Absicht, an dieser Stelle auf den Vorgang der allmählichen Umsetzung des Plasmas in Chitin näher einzugehen. Die Untersuchung desselben wird die Einzelheiten des sich hier dar- bietenden Bildes weiter aufklären. Der Vorgang ist ja studirt von KLEINENBERG; für den Nachweis der Natur des Gehäuses kommt es weniger in Betracht, wie sich die Umwandlung vollzieht, als dass sie wirklich stattfindet. Der Hohlraum des Stieles (P) wird ganz vom Weichkörper ausgefüllt, die Chitinhülle (P— Ch) erscheint nur wie eine äußere Lage desselben. Die wichtigsten Argumente für die Natur der Chintinhülle als eines Differenzirungsproduktes des Ekto- derms sind also folgende: 1) Der Becher ist eine ursprüngliche zellige Fortsatzbildung Me N 2) Die individuellen Schwankungen bei erwachsenen Clytien liefern alle Stadien der von außen nach innen und von oben nach Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 587 unten fortschreitenden Differenzirung des Bechers in Chitinsubstanz (Fig. 11, 12). 3) Als Rest des zelligen Bechers bleibt ein zelliges Diaphragma bestehen. Oberhalb desselben ist das äußere Epithel nicht differen- zirt; am Magentheil ist keine Chitinhülle, am Stiel ist ein Gehäuse (Fig. 11). 4) Bei älteren Individuen ist auch das Diaphragma zu Chitin geworden (Fig. 12). 5) Es besteht ein ganz gleichartiges Verhalten des äußeren Epi- thels bei Clytia und bei Hydra. | Ad 1) Dieser Satz wird durch meine Abbildung Fig. 1.2 illustrirt. Er schließt den, wie ich glaube, schlagendsten Beweis in sich, dass der Becher weder ein erstarrtes Sekret, noch ein intercellulares Aus- seheidungsprodukt, sondern dass er ein Gewebe repriisentirt. Was erst zellig ist, dann in toto zu Chitin umgewandelt erscheint, gehört ohne Zweifel zu den Epidermoidal- und nicht zu den Cutieular- gebilden. Der Becher ist also etwas zum Thiere selbst organisch Zugehörendes. Der Becher ist aus dem Ektoderm differenzirt. Ad 2) Wie ich oben sagte, kann man sich das Diaphragma auf Fig. 11 als einen kleinen rudimentären Becher vorstellen. Der so sehr innige Zusammenhang des Plasma mit dem Chitin erscheint nun ganz natürlich. Ad 3) Das Diaphragma wird ausschließlich vom äußeren Epi- thel formirt. Dieses geht ganz in dasselbe und somit von hier aus abwärts in die Chitinhülle über. Oberhalb der Stelle hat es sich sein typisches Gepräge bewahrt. Der Magentheil hat keine Chitinhiille. Dieser Mangel wird physiologisch ausgeglichen durch die Bildung des Bechers, der einen Schutzapparat vorstellt. Der Magentheil und die Tentakel, bedürfen einer anders gearteten Um- hüllung, als der Stiel. Die Erhaltung des äußeren Epithels und die Bildung des Bechers lassen sich wohl verstehen in ihrer Anpassung an die Bedürfnisse des Thieres. Am Stiel kann ein äußeres Epi- thel gar nieht erwartet werden. Sein Fehlen ist eine Bestätigung dafür, dass die Stielhülle als aus dem Ektoderm differenzirt aufzu- ‚fassen ist. Ad 4) In der bis an den Magentheil heran erfolgenden Chitini- sirung des Diaphragma erkennen wir die letzten Stadien des ge- sammten Differenzirungsprocesses des Ektoderm. Die Chitinbrücke (Fig. 12 D!), die vom Boden des Bechers zum Weichkörper geht. muss als etwas ganz Unverständliches erscheinen, wenn man die 38* 588 Hermann Klaatsch früheren Stadien nicht berücksichtigt. Keine andere Auffassung kann auch nur ihre Existenz verständlich machen, als die von mir ver- tretene Anschauungsweise. Ad 5) Ich darf wohl der Vermuthung Raum geben, dass Hydra nicht die einzige Form ist, für die mit der Zeit sich Anknüpfungs- punkte an die Gehäusebildung der Campanularien ergeben werden. Dieser eine, so vortrefflich untersuchte und sicher nachgewiesene Fall einer Umwandlung des äußeren Epithels bei Hydra bestätigt meine Auffassung von diesem Gewebe auf das schönste und lässt die bei den Hydren und bei den Clytien auf gleiche Weise entste- henden Gebilde als einander homolog erscheinen. Einwände gegen diese meine Beweisführung müssten sich ge- radezu gegen die Richtigkeit der Beobachtungen wenden, auf denen ich meine Folgerung basirt habe. Ich habe es aber keineswegs an der nöthigen Vorsicht und einer strengen Kontrolle meiner Unter- suchungen fehlen lassen. Wer die Thatsachen anerkennt, auf denen sich meine Anschauungen vom Gehäuse der Campanularien auf- bauen, — und es ist in der That nicht schwer sich durch eigenes, auch nur einigermaßen genaues Betrachten von Campanularien von der Richtigkeit meiner Beobachtungen zu überzeugen, — der kann sich nicht gegen die Resultate verschließen, zu denen ich gelangt bin, und die ich in ihren Hauptsachen in folgende Sätze zusammen- fasse: 1) Die Chitinhülle der Campanularien ist ein Diffe- renzirungsprodukt des Ektoderms, ist ein Epidermoi- dalgebilde, ist einem Gewebe gleich werthig. 2) Der Becher ist eine Fortsatzbildung. 3) Die Chitinhülle der Campanularien ist der äuße- ren Keimschale von Hydra homolog. Diese Resultate sind das Ergebnis meiner gesammten Studien an der erwachsenen Clytia; sie werfen wiederum ein Licht auf Alles, was ich über den Weichkörper mitgetheilt habe. Wenn ich daher zum Schluss eine Betrachtung des Baues meines Polypen im Ganzen folgen lasse, so erscheint mir das um so mehr nothwendig, als die vergleichende Betrachtung, die ich auf KLEINENBERG’s Hydra stützte, bisher nur so weit geltend gemacht wurde, als es sich direkt um das Gehäuse handelte. Wohl mit Recht sehe ich eine Bestätigung für die Richtigkeit meiner Auffassung des Gehäuses darin, dass diese mit einem Schlage mir den Bau der Clytia im Allgemeinen verständ- Beiträge zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 589 lich macht, ihn mir sehr klar und einfach und in Ubereinstimmung mit Zuständen verwandter Formen erscheinen lässt. Freilich muss ich gleich hier bemerken, dass auch ungelöste Fragen noch genug vor- handen sind, so weit es sich um eine Deutung der Körperschichten der Campanularien handelt. Bei dem klassischen Vergleiche der Körperschichten von Hydra mit der Embryonalanlage der Wirbelthiere zeigt KLEINENBERG, wie die Möglichkeit eines solchen Vergleiches gänzlich vernichtet würde, wenn man dabei allein die Schichten der erwachsenen Hydra in Betracht ziehen wollte. Die Entwicklungsgeschichte liefert den trefflichsten Be- weis für die Berechtigung des von KLEINENBERG versuchten Verglei- ches, indem sie das äußere Epithel, das der erwachsenen Hydra fehlt, als Anfangs vorhanden nachwies. Dieser, von außen nach innen gerechnet ersten Schicht steht bei meiner Clytia ein Homologon zur Seite in einer zweifachen Form: 1) An den Tentakeln, am Köpf- chen und am Magentheil das äußere Epithel, 2) an allen übrigen Theilen die Chitinhülle (Fig. 1). Als einheitliche Benennung werde ich für dieses Gewebe meiner Clytia den Namen der »Epidermisschicht« gebrauchen. Sie ist homo- log der Keimschale der Hydra, somit auch dem Hornblatt der Wir- belthiere. KLEINENBERG sagt: »Während bei den Wirbelthieren das Horn- blatt mit in die Organisation des definitiven Körpers aufgenommen wird und als Epidermis eine schützende Decke — gleichsam eine bleibende Schale — für die ganze äußere Oberfläche des erwachse- nen Thieres darstellt, geht dasselbe bei Hydra in ein vergängliches embryonales Organ über.« Auch bei der Clytia persistirt das Horn- blatt; auch bei ihr bildet es »gleichsam eine bleibende Schale«, und liefert einen neuen Beweis für die Richtigkeit der KLEINENBERG- schen Betrachtungsweise. Der Scharfblick dieses Forschers tritt in den folgenden Sätzen besonders klar zu Tage. Ich muss seine eigenen Worte anführen, weil sie in so inniger Beziehung zu Allem stehen, was ich angeführt und dargethan habe: »Für die hier ver- tretene Auffassung muss es natürlich von entscheidender Bedeutung sein, wie sich die entsprechenden Bildungsvorgänge, bei den übrigen Coelenteraten gestalten. Der Keimschale ähnliche Bildungen finden sich, so viel ich weiß, außer bei Hydra im ganzen Stamme nicht.« — Allerdings finden sich, zwar nieht gerade ihr ähnliche, aber ho- mologe Bildungen. An die Campanularien hat KLEINENBERG, wie es scheint, gar nicht gedacht. Sie haben vielleicht F. M. BaLrour 590 Hermann Klaatsch vorgeschwebt, als er jene bemerkenswerthen Zeilen niederschrieb, die ich in der Einleitung citirt habe. KLEINENBERG fährt fort: »Viele der höheren Formen besitzen dagegen unzweifelhaft ein ech- tes, äußeres Epithel — es ist also anzunehmen, dass bei ihnen, eben so wie bei den Wirbelthieren, die Epithelschicht des äußeren Blattes erhalten bleibt. Bei denjenigen der festsitzenden Hydroidpoly- pen aber, deren Bau im Wesentlichen dem der Hydra gleich zu sein scheint, die jedoch aus einer flimmernden Larve hervorgehen, kommt es darauf an, ob die eilientragende äußere Zellschicht wirklich direkt in ein bleibendes Gewebe übergeht. Ehe wir speciell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen haben, werden wir die Frage als eine offene betrachten müssen«. Die Schwierigkeit, eine Anknüpfung an die Tubularien zu finden, ist in diesen Worten ausgedrückt. Was Cordylophora betrifft, so habe ich oben sehr deutlich meine Ansicht dahin geäußert, dass ich ihre Hülle als nicht dem Gehäuse der Campanularien homolog erachte. Auf die Epidermisschicht der Clytia folgt eine tiefere Ektoderm- lage (Fig. 4, 6, 7, 11, 12 M, Ect, Ect, M), die sich an den oberen Theilen des Polypen ganz anders verhält, als am Stiel und an der Scheibe. Diese »tiefe Ektodermlage« nannte ich am Magentheil »Mittelzonec«. Am untersten Abschnitt des Magentheils geht sie in das Ektoderm des Stieles über. Ich will im Folgenden für die ge- nannte Schicht den Namen »Mittelschicht« gebrauchen, wobei ich mich ausdrücklich dagegen verwahre eine Beziehung zum Mesoderm auch nur andeutungsweise ausgesprochen zu haben. Ich wähle einen möglichst indifferenten Namen, um nicht etwa irgend welche Analo- gien vermuthen zu lassen, von deren Existenz ich nicht überzeugt bin. Was folgt nun bei Hydra auf die »Epidermisschicht«? Das Ektoderm des erwachsenen Thieres. Dieses besteht wieder aus zwei Geweben, dem interstitiellen Gewebe und seiner mehr oberflächlichen Lage, »die aus sehr eigenartigen Zellen zusammengesetzt ist, deren Körper als reizleitender nervöser Theil sich darstellt, während ihre kontraktilen Fortsätze eine unzweideutige, aber höchst einfache Mus- kulatur bildenc. Der Lage nach entspricht meine Mittelschicht der Clytia dem Neuromuskelgewebe der Hydra. Dieses letztere ist aber homolog 1) dem Nervenblatt, 2) der Muskelanlage der Wirbel- thiere. Ich darf somit in der Mittelschicht den Sitz nervöser und kon- traktiler Formbestandtheile vermuthen. Für die Existenz letzterer sind ganz unzweideutige Beweise vorhanden. Die Mittelschicht er- Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 591 scheint genau bis zu dem Punkte abwärts, wo das Gehäuse in eine feste Verbindung mit dem Magentheil tritt, als eine breite dunkele Schicht, deren Eigenthümlichkeiten oben hinlänglich beschrieben wurden. Einen Zusammenhang mit der Epidermisschicht konnte ich nicht konstatiren. Dass ich — indem ich die Schnittmethode in Anwendung brachte — keine Struktureinzelheiten in dieser Schicht wahrnahm, erscheint für die Beurtheilung derselben nicht allzu wesent- lich. Vergleiche ich die Mittelzone, also den dunkeln bandartigen Theil der Mittelschicht mit dem Neuromuskelgewebe, so treten mir folgende Differenzpunkte entgegen: 1) Die Mittelzone zeigt nichts von den großen Zellen jenes Ge- webes. 2) Die kontraktilen Fortsätze jenes Gewebes konstituiren nicht eine so mächtige Muskellage, wie sie die Mittelzone repräsentirt. 3) Die Lage ist für beide Formen eine ganz verschiedene. Durch das Zugrundegehen der Epidermisschicht gelangt bei Hydra das Neuromuskelgewebe an die Oberfläche. Die Reize der Außenwelt treffen sie direkt. Die Mittelzone liegt geschützt unter der Epider- misschicht. Reize können sie nicht ohne Weiteres erreichen (Fig. 4!). Die Eigenschaft der Kontraktilitiit kommt der Mittelzone in sehr hohem Maße zu. Ich kann über ihre Natur keine entschiedene Meinung äußern, aber vermuthungsweise darf ich dem Ausdruck ge- ben, was sich mir aus der Vergleichung mit dem Neuromuskel- gewebe der Hydra als wahrscheinlich resultirt. Die Formbestandtheile der Mittelzone scheinen mir im höheren Maße muskulös als nervös differenzirt zu sein. Die Reizbarkeit und namentlich die Fähigkeit Reize fortzuleiten will ich der Schicht keineswegs abstreiten, aber ihre geschützte Lage lässt sie mir nicht gerade als specifisch nervöse Elemente erscheinen. Ganz anders verhält es sich mit der Mittelschicht am Stiel. Hier ist die Existenz kontraktiler Formbestandtheile gar nicht denk- bar. Der Weichkörper des Stieles kann keine Bewegungen ausführen ; ich verweise auf die oben gegebene Betrachtung dieser Verhältnisse. Anstatt der »Muskellage« finde ich hier große unregelmäßig geformte Elemente (Fig. 6!). Vergleiche ich diese Zelllage mit dem Neuromuskelgewebe, so kann ich eine gewisse Ähnlichkeit in der allgemeinen Form der Zellen mit der oberflächlichen Lage der Hydra allerdings nicht verkennen (Fig. 6 und KLEINENBERG Hydra Taf. I Fig. 7). Eine etwas hellere, allen, wie es scheint, gemeinsame Zone, ließ mich an eine von allen konstituirte besondere Lage der Form- 592 Hermann Klaatsch, Beiträge z. genaueren Kenntnis d. Campanularien. bestandtheile denken, doch bedarf dieser Punkt neuer Untersuchun- gen. Immerhin möchte ich als möglich hingestellt haben, dass diese Zellen in nervöser Richtung differenzirt sind. Welche Reize sollen sie aber von außen her treffen, da die Hülle sie gegen die Außenwelt abschließt? Es können Erschütterungen des um- gebenden Mediums auf sie wirken (vgl. das oben über den Stiel im Allgemeinen Gesagte), und da ein Zusammenhang mit der mus- kulösen Mittelzone vorhanden ist, könnten vielleicht Reize, die in Form von Wellen den Stiel treffen, eine Kontraktion der höheren Theile des Polypen erzeugen. Es sind dieses Probleme, die noch ihrer Lösung harren. Vielleicht wird ein Studium der Entwicklung des Polypen in dieser Hinsicht fördernd wirken. Das Entoderm der Clytia bietet keine Schwierigkeiten des Verständnisses dar. Diese Betrachtung der einzelnen Körperschichten der Clytia, so wenig befriedigend sie auch im einzelnen Fall sich gestalten mag, würde jeder Basis entbehren, würde überhaupt zu keinem Resultate führen, wenn sie von dem Standpunkte aus unternommen würde, der hinsichtlich der Organisation der Campanularien bisher herr- schend war. Dass ich hoffen darf, hierin eine kleine Erweiterung unserer Kenntnisse angebahnt zu haben, gewährt mir Befriedigung und er- mahnt mich zur weiteren Ausdehnung dieser Untersuchungen, die sich zunächst auf die Entwicklung der Clytia richten werden. Wenn ich durch meine bisherigen Studien in diesem Gegenstand ein Re- sultat erzielt habe, so verdanke ich das vor Allem der Lektüre von KLEINENBERG’S Schrift über die Hydra. Diese Untersuchungen wurden im April 1883 in Villafranca be- gonnen und im Laufe des Winters 1883/84 in Berlin vollendet. Berlin, 23. Februar 1884. Erklärung der Abbildungen. Tafel XXV—XXVII. Für alle Figuren gemeinsam gelten folgende Bezeichnungen. Ent Entoderm, Ect Ektoderm, Ch Gehäuse, B Becher (Theca), T Tentakel, u Pr Köpfchen, ce Halstheil, V Magentheil, P Stieltheil, S Scheibentheil, L Lappen der Scheibe, D Diaphragma, Pr.h Köpfchenhöhle, ch Halsenge, V.h Magen, py Pfortnerenge, P.h Stielhöhle, S.h Scheibenhöhle, P=Ch Gehäuse des Stiels, S= Ch Gehäuse der Scheibe, M Mittelzone, Ep! äußeres Epithel des Ektoderms, H Hohlraum zwischen Weichkörper und Chitinhülle, Bm oberer Rand des Bechers, n Kern, m Nucleolus, i, äußere Begrenzung des Entoderms. Fig. 1A. Eine erwachsene Clytia, nach einem Sublimat-Pikrokarmin- Präparat gezeichnet. Die beweglichen Theile des Polypen sind im Zustand mittlerer Extension dargestellt. Außer den allgemein gülti- gen Bezeichnungen finden sich auf der Figur folgende: w Wiilste des Ektoderms an den Tentakeln, « Nesselorgane, o Mund, ax entodermale Zellachse des Tentakels, az, basale Zelle, ax äußerste Zelle dieser Achse, s Grenzen der Entoderm- 594 Fig. Fig. Hermann Klaatsch zellen des Tentakels gegen einander, A kolbenförmig aufgetriebenes Ende des Tentakels, Ba eine Diatomee im Becher liegend, +, 73 Ringe der Chitinhülle des Stieles, an lokale Verdickungen des Weichkörpers im Stiele, rn Einschnitte in die Chitinhülle der Scheibe zwischen den Lappen. Einzelne Theile der Clytia sind im optischen Längsschnitt darge- stellt, 2 Tentakel; man sieht die entodermale Zellenachse, ferner auf der rechten Seite den Magentheil, dessen Wandung durch Eet, Ent und eine beide trennende sehr dunkle Mittelzone (M) dargestellt wird. Das Eet trägt das Gepräge eines »äußeren Epithels« (Ep}). D! bezeichnet das bei dieser Clytia noch ganz aus zelligem Ma- terial bestehende Diaphragma. Am Stiel sind rechts einige der Chi- tinringe auf dem optischen Längsschnitt dargestellt, dessgleichen ein Theil der mittleren Partie des Stieles, wo man die ?P.A von einem Ent ausgekleidet findet, während das £ct ganz andere Verhältnisse zeigt als am V. An der Scheibe, auf die man in der Zeichnung etwas von oben her herabsieht, zeigt ein Lappen rechts den Bau des S. Man achte auf die Verbreiterung des Ect. Die Linien «, ß, y, d, &, ¢, n geben die Richtungen an, in welchen die auf Fig. 2, 3, 4, 6, 7, 8, 13 dar- gestellten Schnitte gelegt sind. Vergr. 100/1 (linear!). 1 B. Clytia, erwachsen, aber jugendlich. Der Becher besteht nicht nur — wie auf Fig. 11 — zum Theil, sondern in seinem ganzen Umfange aus zelligem Material, dem außen eine dünne Chitinschicht auflagert (Ch). Rechts auf dem optischen Längsschnitt bezeichnet a, db, e,d, e, J, g den Ubergang des Epithels vom Magentheil auf den Becher, links auf dem Flächenbilde zeigen p, g, r, s, ¢ verschiedene Formzustände der, in der Umwandlung begriffenen Elemente. Der Stiel (P) wird vom Weichkörper fast ganz ausgefüllt. Vergr. 80/1. Clytia (erw.). Horizontalschnitt durch die Basis eines Tentakels. Das Ect hat epithelialen Bau; im Ent ist = eine helle Plasmazone, welche den r (in welchem 7) umgiebt; von ihr gehen Strahlen (p/) aus, die mit pr, einem Primordialschlauch, in Verbindung stehen. / Zell- grenze im Ektoderm. Die M zeigt bei M; ein, durch die Schnitt- richtung bedingtes, mehr fJächenhaftes Aussehen, bei M3 ist sie scharf umgebogen. Richtung des Schnittes auf Fig. 1 durch Linie « ange- geben. Vergr. 1500/1. Clytia (erw.). Horizontalschnitt durch den Tentakel nahe der Spitze. u Nesselorgane, 5b Borste. Schnittrichtung Fig. 18. Vergr. 1500/1. Clytia (erw.). Horizontalschnitt durch den Magentheil. Epithelialer Bau beider Blätter; bedeutende Stärke der M (bei Mı Verbreiterung). Schnittrichtung Fig. 1y. Vergr. 1000/1. Clytia (erw.). Vertikalschnitt durch den Magentheil. Bemerkens- werth ist das Verhalten der Entodermzellen, deren verschiedene Zu- stände bei Bewältigung eines Nahrungskörpers (N) durch a,b, e, welche Zelle einen Fortsatz ps; entsendet, der sich bei g/ verbreitert, d das innerhalb einer Vorwölbung ps2 kirniges Nährmaterial zeigt (bei di). e, &, ps3, pss und f, eine Plasmamasse, in welcher sehr zahl- Fig. 6. igi: 7: Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Beitriige zur genaueren Kenntnis der Campanularien. 595 reiche Kerne (7%, m2, mg) angetroffen werden. ..s ein vorspringendes Stück der M, vermuthlich durch eine Stiitzlamelle bedingt und dem von F. E. Scuurze bei Cordylophora als irisartiges Septum an dieser Stelle beschriebenen Gebilde entsprechend. Bac eine Diatomee, deren man immer eine große Zahl im Be- cher findet. Der Schnitt ist etwas seitlich von der Stelle, wo sich der Magen- theil in den Stiel fortsetzt, gelegt. Vergr. 1000/1. Clytia (erw.). Horizontalschnitt durch den mittleren Theil des Stieles. Das Ect besteht aus großen unregelmäßig gebauten Elemen- ten, die nicht entfernt an ein Epithelf erinnern. Über den hellen Saum z siehe den Text. / Zellgrenzen des Ektoderm. In jeder Zelle ein n mit m. Richtung des Schnittes Fig. 1 d. Vergr. 1000/1. Clytia (erw.). Horizontalschnitt durch den Stiel, unmittelbar oberhalb der Scheibe. Alle Bezeichnungen wie aufFig. 6. Der Hohlraum des Stieles (P.A) ist erfüllt mit dotterähnlichen Partikelchen, deren ver- schiedene Formzustände durch a, db, e und d wiedergegeben sind. Richtung des Schnittes Fig. I «. Vergr. 1000/1. Clytia (erw.). Vertikalschnitt durch die Scheibe. s Chitinbalken, welche die Lappen von einander trennen, AZ Blatt der Alge Ulva. Schnittrichtung Fig. 1 ¢. Vergr. 200/1. Clytia (erw.). Vertikalschnitt durch die Scheibe. In dem rechts ge- legenen "Lappen ist nur Ektoderm-Gewebe getroffen. In ihm eigen- thümliche Einlagerungen (x, x2, 3), über die ich im Text meine Ver- muthungen ausgesprochen habe. Sonst alle Bezeichnungen wie auf der vorigen Figur. in (wie auf Fig. 14) Einschnitt im Chitin. Vergr. 400/1. Clytia (erw.). Vertikalschnitt durch den Stolo. Die Bezeichnungen und alle Verhältnisse des Baues denen von Scheibe und Stiel ent- sprechend. 7 Zellgrenzen des Ect. St. Hohlraum des Stolo. 4! Al- genblatt. Clytia (erw.). Optischer Vertikalschnitt durch das » Diaphragma«. Dasselbe erscheint als eine zellige Fortsatzbildung des äußeren Epi- thels (Ep!), das bei a breiter wird, bei 5 umbiegt, über e zum Chitin- becher geht, den es über d bis e hinauf begleitet. Das äußere Ep! erleidet hier in solo eine Differenzirung; am Stiel ist es nicht mehr vorhanden. Die dort sich findende Ektodermschicht, gehört einer tie- feren Lage an (Ect.M) und steht mit der M in Verbindung. Die rechte Seite der Figur ist im optischen Vertikalschnitt ge- zeichnet; die linke zeigt das Bild, das man bei Einstellung auf die Oberfläche des Bechers erhält. Es ist versucht worden, auf dieser Figur die körperliche Vorstellung von dem Umbiegen des äußeren Epithels zu geben. Die Figur ist höchst wichtig für die Beurtheilung der Natur des Gehäuses. p brückenartiger Fortsatz des Epithels. nı, ng, nz Kerne. Vergr. 1000/1. Clytia (erw.). Vertikalschnitt durch den Boden des Bechers. Das Diaphragma besteht hier aus Chitin. Die Figur ist entscheidend 596 Hermann Klaatsch, Beiträge z. genaueren Kenntnis d. Campanularien. Fig. 13. für die Auffassung, dass die Chitinhülle kein Ausscheidungsprodukt des Ektoderms, sondern einer Differenzirung des äußeren Epithels ist. Die Vergleichung mit Fig. 11 ist sehr wichtig; über alles Nähere siehe den Text. Die Bezeichnungen sind wie in Fig. 11. Vergr. 1000/1. Clytia (erw.). Horizontalschnitt durch das Diaphragma. Alle Bezeich- nungen wie auf Fig. 11. Hervorzuheben ist: die innige Verbindung des Ect mit dem Chitin; die Verbreiterung der Mittelzone bei M, die mit einer Abnahme der Dunkelheit Hand in Hand geht. x eine Brücke vom Epithel zur Chitinhülle; sie scheint bereits aus Chitin zu bestehen. 6 Zellen am untersten Theil des Diaphragma. pl Schattirungen in der Zellmasse des Diaphragma. c Zellen, die den gleich bezeichneten auf Fig. 11 entsprechen. Welliges Aussehen der Chitinhülle. Schnittrichtung Fig. 1n. Vergr. 500/1. Vari v WEIR Engelmann Leiprly. Led Arsır Kine a Miter, Frust it rw a" N ree ow amen u; Ar” Der Carpus der Paarhufer. Eine morphogenetische Studie. Von Dr. G. Baur. (Vorläufige Mittheilung.) W. Kowatevsky hat in seiner bedeutenden Abhandlung: »Mo- nographie der Gattung Anthracotherium Cuy. und Versuch einer na- türlichen Klassifikation der fossilen Hufthiere« unsere Kenntnis über die Verwandtschaftsbeziehungen dieser Formen zu einander in erheb- licher Weise gefördert. KowaLevsky hat beinahe ausschließlich an fossilem Material gearbeitet; die Hauptfaktoren, welche ihn bei der Klassifikation leiteten, waren Gebiss und Extremitäten. Es soll nun hier der Versuch gemacht werden, jene Verwandtschaftsbeziehungen, welche KowALEvsky auf phylogenetischem Wege konstatirte, auch ontogenetisch mit Hilfe der Morphogenie des Skeletsystems, speciell der des Carpus, nachzuweisen. Die Morphogenie des Gebisses wurde vorerst außer Betracht gelassen, wird jedoch in einer späteren Arbeit zur Sprache kommen. Der Gedanke, welcher diese Abhandlung her- vorgehen ließ, ist derselbe, welchem ich in meiner Arbeit, über den Tarsus der Vögel und Dinosaurier folgte, der Gedanke, dass alle Formen mit redueirtem Extremitätenskelet aus Formen mit nicht re- dueirtem (pentadactylen) hervorgegangen sind, dass also bei Embryo- nen jener Formen noch Anklänge, ja vielleicht deutliche Spuren ihrer Urformen vorhanden sein müssen. Die Arbeit wird, wenn abgeschlossen, in zwei Theile zerfallen. Im ersten Theil werden die embryologischen Resultate besprochen werden, im zweiten Theil werde ich dieselben mit den paläontologi- 598 G. Baur schen, d. h. vergleichend-osteologischen Befunden überhaupt in Zu- eS zu bringen suchen. An diesem Orte werde ich nur kurz die embryologischen Be- funde mittheilen. 1) Morphogenie des Carpus der Schweine. Das Material bestand aus einer ziemlich vollständigen Serie von Embryonen vom Hausschwein. AL. ROSENBERG hat bereits die Ent- wicklung der Extremitäten des Schweines in seiner werthvollen Ar- beit: »Über die Entwicklung des Extremitäten-Skelettes ..... « Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIII. 1873, gegeben, er giebt jedoch eigentlich nur Mittheilungen über die Zahl der Skeletstücke, welche angelegt werden, ohne auf die Lagebeziehungen derselben zu einan- der näher einzugehen. In der distalen Carpusreihe findet er als Normalzahl 4 Skeletstücke: Carp,, Carpz, Carp;, Carpy,;. Den Nachweis eines Metac., hält er nicht für unmöglich; und in der That lässt sich dieses Skeletstiick nachweisen. Bei einem Embryo von 18 mm Länge, bei welchem die Extremitätenknorpel eben in Entwicklung begriffen sind, sind die einzelnen Carpalstücke schon mehr oder weniger differenzirt. Auf einem Schnitte sind Metae. ,, Metac.», Carp.,, Carp., und Radiale getroffen. Zwischen Carp.; und Radiale findet man nun gegen die Oberfläche zu gelegen und dort eine deutliche Falte hervorrufend, die Anlage eines Skelet- stückes, welches wohl nur als Metac., gedeutet werden kann. Die- ses Stück ist aber auch nur gerade in diesem Stadium angedeutet, bei einem etwas größeren Embryo ist es und die von ihm verursachte Falte verschwunden. Man kann nicht einmal behaupten, dass die- ses Stück knorpelig angelegt wäre. Wirklicher Knorpel ist nicht vorhanden, sondern nur ein dunkler tingirtes Gewebe, welches immer eine Vorstufe des eigentlichen Knorpels ist und als »Vorknorpel« bezeichnet wird. Nichtsdestoweniger müssen wir diese Gewebsmasse einem wahren Skeletstück homolog setzen. Es muss eben schon vor sehr geraumer Zeit geschwunden sein, so dass nur noch ganz ver- wischte Andeutungen seiner wirklichen Existenz vorhanden blieben. Bei der Untersuchung älterer Stadien finden wir ein höchst wichtiges Verhalten. Bei einem Embryo von 20 mm Länge bemer- ken wir Folgendes: Carp.» giebt nur einen Stützpunkt für Metac., ab, Carp.; giebt Der Carpus der Paarhufer. 599 außer dem Stützpunkt fiir Metac., auch noch einen kleinen solchen für Metac., ab. Betrachten wir diese Lagebeziehungen am Carpus des erwach- senen Schweines. Hier sind die Verhältnisse umgekehrt, Metac., hat sich proximal verbreitert, stützt sich auf Carp., und den größeren Theil von Carp.,, Metac. ist ohne jede Berührung mit Carp., und ist von Metac., so zur Seite gedrängt, dass es nur noch eine kleine Stütze an Carp.» findet. Bekanntlich hat Kowarevsky diesen Befund phylogenetisch aus seinem paläontologischen Material konstatiren können, hier können wir denselben Befund Schritt für Schritt ontogenetisch mit Hilfe der Morphogenie nachweisen. Bei den jüngsten Embryonen vom Schwein finden wir Formen des Carpus wie bei Choerotherium, bei älteren Formen, wie bei Palaeochoerus, zuletzt wird ganz schrittweise die Form des Carpus des erwachsenen Schweines erreicht. 2) Morphogenie des Carpus der Cervidae. Hier war das Material spärlich. Es lag ein Embryo von Cer- vus vor, welcher entweder von Cervus elaphus oder Cervus dama stammen musste, was sich übrigens gleich bleibt, da der Carpus der beiden Arten ziemlich identisch ist. Der Embryo maß eirca 90 mm. Die Untersuchung ergab: Carp., ist gut und isolirt entwickelt, Carp., und Carp.; sind schon verschmolzen. Metac., und Metae. ; sind in ihrer vollkommenen Länge, wenn auch, namentlich in der Mitte, im Schwund begriffen, vorhanden. Metac., und, beginnen zu verschmelzen. Carp., ist schon von ROSENBERG nachgewiesen wor- den, er fand es bei Alces und Cervus dama regelmäßig vor. Vom Reh standen mir drei Embryonen verschiedener Größe zur Verfügung. Der erste Embryo ergab sich für die Untersuchung als zu jung, da in den Extremitätenstummeln noch kein Knorpel deutlich differenzirt war. Der zweite Embryo von etwa 30 mm Länge ergab Verhältnisse, welche sehr auffallen mussten. Carp.., Carp.,, Carp.,+; sind vollkommen isolirt entwickelt, von einem Carp., war keine Spur vorhanden. Metac. und Metae. , waren vollkommen getrennt und verhältnismäßig kurz und stark ent- wickelt; Met., und Met.;, welche ziemlich mächtig entwickelt sind, sind proximal unvollständig. Der dritte Embryo, der schon ziemlich weit vorgeschritten war, circa 150 mm Länge, zeigte im Allgemeinen die Verhältnisse des erwachsenen Thieres. 600 G. Baur ROSENBERG lässt es unentschieden, ob dem Reh ein Carp., zu- komme. Brooke bildet vom erwachsenen Reh ein kleines rundes Carp., ab (Proc. Zool. Soc. 1878 Pl. LV). Ich konnte bei den von mir untersuchten Skeletten ein Carp., nicht entdecken, es ist mir auch undenkbar, wie ein solches plötzlich wieder auftreten sollte, da bei dem Embryo von eirca 30 mm Länge keine Spur desselben vorhanden ist. Vielleicht ist es aber bei noch jüngeren Embryonen nachweisbar. Um die Frage zu entscheiden, wie sich das Carp., bei anderen Hirscharten verhält, habe ich die mir zugängliche Litteratur nach Daten hierüber durchsucht. Außer den Angaben von ROSENBERG, den von jenem citirten Stellen und den Angaben von Brooke finde ich noch eine Abbildung von Minne Epwarps (Note sur l’Elaphurus Davidianus espéce nouvelle de la famille des cerfs. Nouv. Arch. du Muséum d’Histoire Naturelle de Paris. Tome II. 1866. Bulletin pag. 27—39.) Auf T. 2 Bulletin Pl. V bildet MıLne Epwarps einen Knochen ab, welchen er mit Metatarsien bezeichnet, welcher aber jedenfalls Metac. 5, 3, 4, ; vorstellt. Metac., und , sind verwachsen, Metac.- legt sich an Metac., an und artikulirt mit demselben, Met. ,. verhält sich wie Metac., beim Edelhirsch. Sehr wahrscheinlich ist hier ein Carp., vorhanden. Sonstige Angaben konnte ich nicht entdecken. Beim Durchsuchen der Münchner vergleichend -anatomischen Samm- lung konnte ich das Carp., bei folgenden Hirscharten nachweisen. Megaceros hibernicus (euryceros), Alces Machlis, Cervus elaphus, Cervus dama, Pudua humilis, Cariacus virginianus. Bei allen diesen Formen ist es wohl entwickelt und immer iso- lirt, während Carp., und , stets verwachsen sind. Bei Cervus Ta- randus konnte ich ein Carp., eben so wenig wie beim Reh nachweisen. Wenn wir nun nochmals die embryologischen Befunde ins Auge fassen, so bekommen wir zwei verschiedene Stammformen für die Hirsche, welche sich wahrscheinlich schon sehr lange isolirt haben müssen. 1) Eine Form mit Carp.,, vier vollständig entwickelten getrenn- ten Metacarpalien; die seitlichen viel schlanker wie die mittleren. 2) Eine Form ohne Carp.,, mit zwei mittleren isolirten Meta- carpalien und zwei seitlichen, proximal unvollständigen. Der Carpus der Paarhufer. 601 Betrachten wir zuerst die eine Form. Wir haben Carp. ,, Carp. », Carp.,, Carp.,+, isolirt; ferner 4 isolirte wohlentwickelte Metacarpa- lien. Vielleicht lässt sich bei sehr jungen Embryonen ein Metac. , noch nachweisen. Fassen wir diese Form als eine Stammform der jetzi- gen Hirsche auf, und sie ist sicher vorhanden, wofür die Angaben Marsu’s in: »Introduetion and Succession of Vertebrate Life in Ame- rica« sprechen! Durch Reduktion kann sich nun diese ursprüngliche Form ver- schieden gestalten: 1) Die seitlichen Metacarpalien können in der Mitte schlanker werden. Cosoryx, MArsu? Ob Cosoryx hierher zu stellen ist, oder seinen Platz unter den Ahnen der zweiten Form, der des Rehes zu suchen hat, ist nicht sicher, da mir unbekannt ist, ob Cosoryx ein Carp., besitzt. Dremotherium ? 2) Die Mitte kann ganz atrophiren. Cervus dama. Gelecus? 3) Nur der proximale Theil der seitlichen Metatarsalien bleibt erhalten, der distale atrophirt, die Phalangen bleiben. Cervus elaphus. Xiphodon ? 4) Die proximalen Theile bleiben, die distalen atrophiren mit den Phalangen. Cervulus (Brooke); wenn sicher nachgewiesen ist, dass ein Carp., vorhanden. 5) Die proximalen Theile der seitlichen Metacarpalien verschwin- den. Alces Machlis. Pudua humilis. Cariacus virginianus. 6) Die seitlichen Metacarpalien schwinden vollkommen. Formen unbekannt. Gehen wir nun zu den Stammeltern des Rehes über, so finden wir hier Carp., Carp.;, Carp.y4+; isolirt, kein Carp.,. Die seit- lichen Metacarpalien proximal unvollkommen: alle Metacarpalien deutlich isolirt. Es fragt sich nun darum, hat sich diese Form von der ersten mit erhaltenem Carp., abgespalten oder lief sie schon ohne Carp., neben jener Form her. Die Paläontologie und Morpho- genie des Skelettes müssen hierüber noch Aufschluss geben. Ich bin geneigt mich der letzteren Ansicht mehr anzuschließen und halte es nicht für unmöglich, dass wir in moschusartigen Thieren, Dremo- therium, oder tragulusartigen Thieren die Stammformen zu finden hätten. Leider fehlen genaue paläontologische Angaben über Vor- handensein von Carp.,, über proximales oder distales oder vollstän- diges Vorhandensein der seitlichen Metacarpalien beinahe vollkommen. Ferner müssen morphogenetische Untersuchungen an Embryonen von verschiedenen Hirscharten, namentlich den Telemetacarpen, BROORE, Morpholog. Jahrbuch. 9. 39 602 G. Baur an Embryonen von Cervulus, Moschus und den Traguliden volle Klar- heit über diesen Punkt bringen. Leider gehören derartige Embryo- nen zu den Seltenheiten. 3) Morphogenie des Carpus des Schafes. Das Material war ein vollständiges. ROSENBERG hat schon aus- führlich über die Entwicklung der Extremitäten des Schafes berich- tet und ich kann seine sämmtlichen Befunde bestätigen. Nur möchte ich noch Einiges über die gegenseitigen Lagebeziehungen der Skelet- theile mittheilen. Ein Carp., ist, wie schon RosENBERG behauptet. auch bei den jüngsten Embryonen nicht nachweisbar. Dagegen sind Carp., und , stets getrennt und verwachsen erst ziemlich spät mit einander. Metac., und ; sind vollkommen entwickelt. Bei einem Embryo von 18 mm Länge sind Metac., und , vollstän- dig von einander getrennt. sehr stark und kräftig entwickelt. Carp.» ist ohne jede Artikulation mit Metac.,, Carp., artikulirt mit Metac. 5. Metac., und Metac., sind verhältnismäßig stark entwickelt. Bei einem Embryo von 20 mm Länge haben sich Metac., und , etwas gestreckt. Eben so sind Metac., und , etwas schlanker ge- worden, alle vier sind jedoch noch getrennt von einander. Carp., hat sich mehr entwickelt. ist näher an Carp. , herangetreten. Metac., hat sich proximal verbreitert, so dass Carp. schon zum Theil über das- selbe zu liegen kommt. Bei einem Embryo von 24 mm ist dieser Process noch weiter vorwärts geschritten. Die Metacarpalien sind noch schlanker gewor- den. Carp., ist noch näher an Carp., herangeriickt, und liegt nun schon zur Hälfte über dem proximalen Theil von Metac.;. Bei Embryonen von 26 mm Länge beginnt schon die Verschmel- zung von Carp., und Carp., und zu gleicher Zeit kommt Carp.» immer mehr über Metac., zu liegen. Die Metacarpalien strecken sich nun immer mehr und die mittleren zeigen schon das Bestreben zu verschmelzen. Die seitlichen Metacarpalien sind zu griffelförmigen Knorpelstäben geworden, Carp., und Carp.; sind verschmolzen. Carp.» liegt beinahe vollkommen über Metac., und liefert nur noch eine sehr kleine Artikulationsfläche für Metac. Bei einem Embryo von 75 mm sind Carp.» und Carp.; vollkom- men verschmolzen und artikuliren nun allein mit Metae.;. Bei noch älteren Stadien beginnen dann die seitlichen Metacar- palien distal zu atrophiren. Bei vielen Skeletten erwachsener Schafe finden sich noch minimale Rudimente derselben. nw vun Der Carpus der Paarhufer. 603 4) Morphogenie des Carpus vom Rinde. Das Material war ein ziemlich unvollständiges. Der jüngste Embryo von etwa 16 mm war für Skeletentwicklung zu jung. Der nächst folgende maß 31 mm. Jedenfalls wäre es von Werth, Embryonen, welche in der Größe zwischen beiden stehen, noch zu untersuchen. ROSENBERG giebt an, dass sich das Rind in der Ent- wicklung der Extremitäten gerade so verhalte, wie das Schaf. Diesem kann ich nicht vollkommen beistimmen. Beim Rinde wer- den allerdings nicht mehr Skeletstücke angelegt. wie beim Schafe, aber in der gegenseitigen Stellung der einzelnen Theile sind einige, wenn auch scheinbar nur geringe Unterschiede vorhanden. Dies be- zieht sich namentlich auf die Stellung des Carp., zu Carp., und Metac.,. Bei Embryonen von 31 mm Länge sieht man, dass das Carp.» eine viel selbständigere Stellung sich bewahrt, wie dies beim Schaf der Fall ist. Es kommt eigentlich nie zu einer direkten Arti- kulation zwischen Carp., und Metac., wie beim Schafe, da Carp., immer einen Fortsatz zwischen Carp., und Metac., sendet, und so eine direkte Artikulation des Carp., mit Metac., verhindert. Carp.» verschmilzt auch mit Carp.;, ohne dass es einen eigentlichen Antheil für die Artikulation mit Metac., abgiebt. In welchen genetischen Beziehungen Schafe und Rinder zu ein- ander und beide zusammen wieder zu den Stammformen der Hirsche stehen, ist aus diesen Untersuchungen nicht zu ermitteln. Erstens müsste die Morphogenie des Skeletsystems der übrigen Pecoriden aufgeschlossen und dann müssten die reichen amerikanischen palä- ontologischen Funde, auf die Extremitäten hin, einer tief eingehen- den Untersuchung unterworfen werden. Kleinere Mittheilungen. Zur näheren Kenntnis des Mammarorgans von Echidna. Von (C. Gegenbaur. In seiner Schrift über die Mammardrüsen des Ornithorhynchus gab OwEN auch eine Notiz über die gleichen Organe einer jungen, noch nicht trächtigen Echidna. Sowohl in der Gestalt, wie in der Anordnung der Drüsen fand sich eine bedeutende Übereinstimmung mit dem Befunde von Ornithorhynchus, wenn man von dem unansehnlicheren Volum jener Drüsen absah, welches eben dem Jugend- zustande der untersuchten Echidna entsprach. Für beide Monotremen-Genera war somit eine, äußerlich das Mammardrüsenfeld darstellende Integumentstrecke gemeinsam, und wenn auch hierin der niederste Zustand des Mammarorgans zu erkennen war, so fand sich doch gegenüber den übrigen Säugethieren, zunächst den Marsupiaten, eine bedeutende Kluft. Ein bedeutungsvoller Schritt zur ge- naueren Erkenntnis dieser für die Mammalia charakteristischen Organe geschah wieder durch OWEN durch den Nachweis einer Mammartasche bei Echidna hystrix. Damit war der Grund zum völligen Verständnis sehr mannigfaltiger Zustände jener Organe gelegt. Es knüpft sich daher an jenes Verhalten von Echidna beson- deres Interesse, und es war mir erwünscht zwei weibliche Exemplare von Echidna setosa untersuchen zu künnen. An beiden war das sorgfältige Suchen nach einer Mammartasche vergebliches Bemühen ; dagegen wurde bei beiden an der identischen Stelle das Drüsenfeld aufgefunden. Sowohl die Größe der Thiere als auch der völlig entwickelte Zustand der Drüsen, dann aber auch der Befund der inneren Geschlechtsorgane gestatteten nicht die Deutung jenes äußeren Ver- haltens als eines Jugendzustandes, Bei dem einen bot zudem das eine Drüsen- feld eine leichte aber sehr deutliche faltenartige Einsenkung, die aus mehreren hier nicht zu erwähnenden Gründen nicht als etwas Zufälliges oder durch die Konservirung Erworbenes gelten durfte. Es ist selbstverständlich, dass durch jene Beobachtung an den Angaben Owen’s über die Mammartasche von Echidna hystrix nichts alterirt wird. ‚Diese sind. nicht anzuzweifeln. Aber es erge- ben sich doch manche Fragen und es ist, wenn auch eben durch OwENn’s Entdeckung an E. hystrix unsere Erkenntnis der Mammarorgane ein solides Fundament besitzt, doch im ‚Bereiche der Monotremen eine Anzahl von Fest- stellungen nöthig. Vor Allem dürfte es sich darum handeln, wie der Befund von E. setosa zu jenem von E. hystrix sich verhalte, ob die Mammarbildun- gen beider Arten so verschieden seien, oder ob sie iibereinstimmten, dergestalt, dass beiden zeitweilig ein ebenes Drüsenfeld, zeitweilig eine! Mammartasche zu- ‘komme. Die Verschiedenheit beider Arten ist nicht so groß, dass man hoffen könnte jene beiden Zustände auf beide Arten in exclusiver Weise vertheilt zu finden; vielmehr scheint mir die andere Annahme größere Aussicht auf that- sächliche Begründung zu besitzen. Danach würde die Mammartasche eine pe- riodische Bildung sein, die jeweils zur Aufnabme des geborenen Fötus entsteht und wieder sich rückbildet, wenn ihre Funktion beendet ist. Owen fand bei | seiner E. hystrix einen gebornen Fötus, der die Existenz der Mammartasche ver- ständlich macht. Jene Art ward also in einem Zustande untersucht, der von meinem Exemplare von E.setosa sich bemerkenswerth unterscheidet. Fir jetzt beschränke ich mich auf die Mittheilung jener Thatsachen, Ausführlicheres über die Struktur jener Organe mir vorbehaltend. Tr Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 4 Morphologisenes ¢ ees ayer i Hude €: neeyee . . ‘ ‘ : . . bro Ge ee Velten brain ote ea? A “or une yg 46 n eB CL PRS Per ' B Merah er 4 a wi : . . ‘ ‘ Te Leb Oa ree PAPIERE ahnen te „4 : ; BE 22 Bias a. , R EL 2 ie de . we es ’ . r een adden er PLN 6 ree ‘ . ER I A ESSEN. bee here ‘ 4 et bet 8 t-# sons ne f “ie $ 2; 2 a 2 ‘ van : ‘ ai . ‘ F $ ‚ ele ». ET. : ree te nr FR tC a wh a tyre eed u. x i ‘ eas Saree rhs ‘ Aree ae vor \ . Pe PR nee Auge ai v A : ‘ vv ar okra win wat hd i eeeiyad vo. AMNH LIBRARY INN 100130341